gi] iR bet h BAT RN PK ARS IN ES ed A bbe Ci! Waa Ken Wen and 1 NA Ki i fash | Ge iy VEN akt mee d Kr RUNGEN ai ny PN att | bint Rr j SN ANA A My ALLEN! Bia Oe Me 5 N KU REN KU 7 7 4 (RAT NW CARE ata AN h A N AU PTS RUN CAES ATOS, ac a RE N tien MH Ih M i) i i Ne nih hs a i} i INN ara M ire | fre ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER ————————————————— ABTEILUNG FUR ANATOMIE UND ONTOGENIE DER TIERE HERAUSGEGEBEN VON PROF. Dr. J. W. SPENGEL IN GIESSEN DREIUNDDREISSIGSTER BAND MIT 39 TAFELN UND 42 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1913 Alle Rechte, namentlich das der Übersetzung, vorbehalten. AOL | Inhalt. Erstes Heft. (Ausgegeben am 23. Februar 1912.) Nick, Lupwic, Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. Mit Tafel 1—12 und 16 Abbildungen im Text . Zweites Heft. (Ausgegeben am 7. Mai 1912.) HOFFMANN, Lupwic, Zur Kenntnis des Neurocraniums der Pristiden und Pristiophoriden. Mit Tafel 13—24 und 8 Abbildungen im Text N a A aber a Me Drittes Heft. (Ausgegeben am 11. August 1913.) Maser, OTTO, Über Balanoglossus carnosus (WILLEY) und eine ihm nahestehende, neue Art von Neucaledonien. Mit Tafel 25 —29 VÖLKER, HEINRICH, Über nn, Gliedmaßen- und Haut- skelet von Dermochelys coriacea L. Mit Tafel 30—33 und 3 Abbildungen im Text ME een ee Viertes Heft. (Ausgegeben am 28. November 1913.) SCHEURING, LUDWIG, Die Augen der Arachnoideen. Mit Tafel 54 bis 39 und 15 Abbildungen im Text . Seite 239 361 431 545 Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. Von Ludwig Nick. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität zu Gießen.) Mit Tafel 1-12 und 16 Abbildungen im Text. Inhalt. Seite Vorwort oie 4 I. Einführung . ; 4—16 Zur Literatur aber 'Ocealogie von ‘Der mochelys etc. + Nomenklatur . 4 5 Zwei Arten von Der mochelys ? ; 5 Literatur über Anatomie und Morphologie von "Der mochelys 6 Literatur über die systematische Stellung von Dermochelys 7 Notwendigkeit einer eingehenden Bearbeitung des Kopfskelets 11 Material für die Untersuchung . i Maße der Schädel . ; REN 14 II. Der Knochenschädel von Der mochelys COTON 1673 Literatur zum Schädel 16 Außere Gestalt des Schädels 17 Condylus occipitalis 20 Basioccipitale 20 Exoccipitale 21 Supraoccipitale . 24 Opisthoticum . 26 Prooticum . 29 Parasphenoid . 33 Basisphenoid . 39 Pterygoid . 41 Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 1 Lupwie Nick, Seite (Bpipterypeid) .:.....en00 RE vr ee Quadratum:.... » 1124 00 ol eae CE Colamella auris .: + sn as. COR EC > Quadratojagale-. <- 2 "a Se ee Squamosuim, | en COR ee a eo Parietale . . = | Temporaldach fee Embryonen fies: Gem A ee Postfrontaler . "10 à Ode: Jugale,s:. 45727" RCE WAS a oe ee. Frontale: 2. cgi ae SO CR N ET 15 Praefrontale.;2: 2 MT Hat COR ee (Nasale)ı ‚0 2, 20 Zellen net cy tps sar Dace gn ae ee Maxillare ses wer hee eS PR oe PE (Lacrimale) em VE Gs RO oe SN ee Intermaxillare, 3.05 SR oe ey Se) Women. . Seo ak co. A co MES ee u Palatinum. . Re à 2 Phylogenie des Mech von | Der mochelys en SS Unterkiefer; or. zu, de, SR Scleroticalring . “u. =. à u de NC Zungenbein . . . u a. ls Entoglossum von Der mochelys ale: 71 Zur Ontogenie des Entoglossums von | Chelydra me. Emys 71 III. Das Chondroeranium von Dermochelys coriacea, verglichen mit dem von Chelonia midas und Chelydra en . .73—169 Iuiteratur, Material, Dinléitung Les . =. 2 ep Die Basalplatte. . . +e oe la, ot) oe Ga bei den reifen Der da pains MER Te es à Knorpelreste bei den Dada TT PTE; ca) Ci Regio oceipitalis . Um sun nen RER Ree olieand Gs MO sow ela anit. eee Ohrkapsel von angen here u LR RES © Ausbildung des Innern der Ohrkapsel su ÉTEND Verknöcherung . . i, Yao TL aoe Columellasantis 2 <2. eo ee ee Tectum’ rannte ais. swe De ne Rg Oe eee Regio orbitalis . . . oc ne stale Hintere Orbitalregion PIETER er Dorsum sellae . . . ad wale oe. ee Trabeculae und et OY PAT Us Septum äinterorbitale =. . = C0. AC RE Seitenwände iv =»... , en EIRE Cavum epiptericum . . . . „wir RUE Vordere Orbitalregion. . . : 22°. ANNE Septum interorbitale . . . Un NON ee Plana supraseptalia . . . 126 Übergang von der Orbitalregion zur Ethmoidalregion 127 Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 3 Seite Durchbrechungen im Septum interorbitale . . . . 129 Durchbrechungen in den Plana supraseptalia . . . 129 Regio ethmoidalis . . REN." EE EEE ETS 130 Lumen und Weichteile N OR ERROR Chelydran u...) ee ve en te 151 (Chelsea ee ee chy iat Wem OCNCLIDN A u ask, see erlernte, ok ees IKnorpelkapsel,, .. .- 0e ehren wa selena sane cee LED Sencar ase vl un AP Che i Ney es CRAN. NN AP RED ES ELISE U IW eee Dérmochelyen waiter aot: Bela en u Betas Chelydra asl n me ei oat a ea ey Cages 49 SOLE AS OM stern ARS a, ich ge sion alam | Onl OTA ONE ET RED OE a ee a Der GCh Cty SR el PASSE tee CON eae CREATOR SERRE UNE et EIN NE EE BIS Patsy parssepraleng est. LUE Sha praia ee ee Paries as a Sap cad cece 401196 (OR elon a en en … 90 Derm Gch Sime er Se teen ca oy LOS Chelan Jo eet ee ee ett rs ee. LOL Méca cite loi bane es) A er. 20,168 Chelowio MER Ager a le I. aor ek 40 468 Denmochely sen aegis toe rity. ee) eg es a OS CRU: cet tages | et ee a hy À gee LOA Planumsantorbitalao cu tee ss, eu. 4 a, JL OA CERN AN ee ey dh be NOM DERHEROEH ELSE CARE EL Eg RS N N AGE Chiesa pais elapse ire) teins! ome oA SAE Ale OD Bslatoquadrathogen Anna Akasa SCL San (ao. Soh vena’ | LOS Ouadratume sae cer Mee We ceca uh orn ie aaa! eet LOO Cartilago Meckelii . red OS IV. Allgemeine near: der Biroreioe dee Der mochelys- Schädels gegenüber dem von Chelonia und Chelydra . 169—182 Merkmale im knöchernen Schädel . . . . . . . . 169 Merkmale im Chondrocranium . . Se) sch ee NT: V, Zur systematischen Stellung von Der mochelys e coriacea . 183—214 Einführung. . . DREIER, Le sr LSS Konvergenzen und Deren von er Bedeutung 184 Beziehungen zwischen Dermochelys und Chelonia. . . . 190 Beziehungen zwischen Dermochelys und Chelydra . . . . 200 Unterschiede zwischen Dermochelys und Chelonia. . . . 203 Schlußfolgerungen . . SE or Lt es ent NG VI. Ergebnisse von Rene Dee NER 2 VII. Literaturverzeichnis . . . RSR EN al Erklärung der Zeichen in Allee Panne RO di 22 220 atelerklarungel:.-..) weir né set ianthasndles, 233 1* 4 Lupwie Nick, Vorwort. Vorliegende Arbeit enthält die Ergebnisse einer Untersuchung, die von Oktober 1908 bis Januar 1911 im Zoologischen Institute der Universität Gießen ausgeführt wurde und die das Kopfskelet der in vieler Hinsicht sehr interessanten Lederschildkröte, Dermochelys coriacea L., betrifft. Ermöglicht wurde mir die Durchführung meiner Aufgabe nur durch das im Verhältnis zur Seltenheit des Tieres überaus reichliche Material, das mir zur Verfügung stand, und es drängt mich, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. SPENGEL auch an dieser Stelle meinen aufrichtigen und herzlichen Dank auszusprechen dafür, daß er sich keine Mühe verdrießen ließ, mir die sehr wertvollen Stücke von überall her zu beschaffen, und daß er meiner Arbeit stets sein Interesse bewies. Ebenso bin ich Herrn Privatdozenten Dr. VersLuys zu Danke verpflichtet, der mir das Thema vorschlug und mich in dasselbe einführte und mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Durch Überlassung von Material von Dermochelys haben mich weiter unterstützt die Herren: Prof. Dr. K. Lampert in Stuttgart, Prof. Dr. M. WEBER in Amsterdam, Dr. Jentink in Leyden, Prof. Dr. Krarrerın in Hamburg und Prof. Dr. Braun in Königsberg. Ferner hat mir Herr Prof. Dr. B. HENNE- BERG in Gießen einen Schädel von Macroclemmys temminckü zur Ver- fügung gestellt, und einen Schädel der gleichen Art aus der Samm- lung der technischen Hochschule in Darmstadt erlaubte mir Herr Prof. Dr. Tr. List zu besichtigen. Ein vollständiges Spiritusexemplar von Chelydra serpentina wurde mir von dem Senckenbergischen Museum in Frankfurt a. M. überlassen. Allen Genannten sei für die liebenswürdige Förderung meiner Untersuchung herzlichst gedankt. I. Einführung. Einer der merkwürdigsten Vertreter des an eigenartig ausgeprägten Gestalten nicht armen Reptilienreiches ist unstreitig die Lederschildkröte, Dermochelys coriacea L. Obwohl „Schildkröte“, fehlt Dermochelys gerade deren charakteristisches Merkmal, der feste, mit dem Skelet verbundene, mehr oder minder voll- ständige Knochenpanzer; an seiner Stelle findet man nur einen dorsalen, aus dünnen Knochenplättchen bestehenden Mosaikpanzer, der einer mehr oberflächlichen Schicht des Coriums entstammt. Durch seine riesige Größe *) 1) Das größte in der Literatur angeführte Exemplar dürfte ein 1755 Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 5 ist das Tier seit alter Zeit aufgefallen; wenn wir G. RONDELET (1554), dem wir die erste eingehendere Beschreibung und kenntliche Abbildung verdanken, Glauben schenken dürfen, kannten schon ARISTOTELES und andere Autoren des Altertums die Lederschildkrôte. RONDELET selbst waren bereits mehrere Vorkommen an der Küste des Mittelmeeres bekannt. Dann trifft man erst wieder in der wissenschaftlichen Literatur des 18. Jahrhunderts auf Angaben, die sich hauptsächlich auf Funde an den europäischen, aber auch an außereuropäischen Küsten beziehen, so 1729 von DE LA Font, 1757 von ZANOTTI, 1761 von VANDELLIUS, 1765 von FOUGEROUX, 1771 von PENNANT !), 1778 von AMOUREUX, 1783 von SCHNEIDER, 1786 von MorınAa, 1786 von PoOIRET, 1788 von SCHOPF; spätere Vorkommen aus dem Anfange des 19. Jahrhunderts zitieren CH. L. BONAPARTE 1832, A. STRAUCH 1865 und viele andere. STRAUCH konnte 1865 nach dem vorhandenen Materiale über das Vorkommen der Lederschildkröte feststellen, daß sie alle tropischen Meere bewohnt und, wie namentlich die älteren Angaben beweisen, auch in gemäßigte Breiten verschlagen wird. Alle neueren Funde haben gezeigt, daß diese Angaben über die geographische Verbreitung der Lederschildkröte zutreffen ; Zitate darüber findet man u. a. bei S. GARMAN (1884a), bei G. A. BOULENGER (1889) und für die neueste Zeit bei F. SIEBENROCK (1909). Was die wissenschaftliche Benennung anlangt, so hat G. BAUR (1887 b) endgültig festgestellt, daß nur die Bezeichnung Dermochelys (BLAINVILLE 1816) coriacea L. nach den Nomenklaturregeln Berechtigung hat, denn Dermochelys ist auch sprachlich nicht zu beanstanden, wie BAUR zeigt, und alle übrigen Bezeichnungen, namentlich das häufig, neuerdings wieder von Fucus (1910) gebrauchte Synonym Sphargis (MERREM 1820), sind zu verwerfen. Ich möchte hier auch kurz auf die Frage eingehen, ob wir in der Gattung Dermochely 1 oder 2 Arten anzunehmen haben. Zum ersten Male hat CH. A. LESUEUR in Cuvigr’s Règne animal (in der 2. Auflage 1829) 2 Arten aufgestellt. Er unterscheidet die aus dem Mittelmeere be- kannten Exemplare der „Testudo (Sphargis) coriacea* von denen aus dem Weltmeere, den Vertretern der „T. (Sph.) atlantica“. Wodurch sich beide Arten unterscheiden, wird bei CUVIER nicht gesagt; eine darauf bezüg- liche Notiz LESUEUR’s ist mir nicht bekannt geworden. Diese Unterscheidung wurde von keinem der späteren Autoren wieder aufgenommen. Dann hat S. GARMAN (1884a) wieder 2 Arten angegeben, aber ebensowenig be- gründet wie früher LESUEUR. „Certain respects“ (p. 294) führten ihn dazu, eine Sphargis var. schlegelii als die im Stillen und Indischen Ozean im Porto di Nettuno bei Rom gefangenes Männchen sein, das nachher nach Bologna kam und verschiedentlich (von A. S. PiccoLoMInI 1755, A. BraGt, ZANOTTI 1757, C. RANZANI 1834, A. ALESSANDRINI 1834 und 1838) bearbeitet wurde; nach ALESSANDRINI (1838) hatte es eine Gesamtlänge von 2,23 m. 1) Die Arbeit PENNANT’s war mir im Original nicht zugänglich, wohl aber sein Brief über den gleichen Gegenstand (PENNANT 1778). 6 Lupwie Nick, lebende Form von der atlantischen Sphargis coriacea abzutrennen. Eine Liste der nordamerikanischen Reptilien und Batrachier von GARMAN aus demselben Jahre (1884b, p. 6) führt „Dermatochelys schlegeh“ bereits als Art neben coriacea an, ohne auf eine Charakterisierung einzugehen. Eine Sphargis angusta aus dem Stillen Ozean, von der chilenischen Küste, beschreibt R. A. Prıuıppi (1899) und gibt auch eine Umrißzeichnung von ihr. Diese Sphargis angusta wird von GARMAN in einer späteren Arbeit (1908) mit der zuerst (1884a) nur als Sphargis var. schlegeli, dann (1884 b) als Dermatochelys schlegeli angeführten Form identifiziert. Sphar- gis angusta PHILIPPI unterscheidet sich von Dermochelys coriacea, wie sie z. B. die schöne Abbildung von SCHLEGEL (1839) zeigt, auf den ersten Blick durch eine im ganzen schlankere Form bei kurzem Hals und sehr gestreckten Vorder- und Hinterflossen und vor allem durch die sehr auf- fallende Gestalt des Schwanzes. Während letzterer bei SCHLEGEL’s Exem- plare und einem Stiick, das mir vorliegt (s. S. 13), ganz unter dem zu- gespitzten Hinterende des Rückenpanzers verschwindet, ragt er hier auf der Abbildung PHıLipp1’s breit seitlich und nach hinten über das Rückenschild hinaus. Jüngere, eben dem Ei entschlüpfte Tiere zeigen in diesem Punkte ein mittleres Verhalten. — Beim Durchstöbern der älteren Arbeiten fand ich nun bei ©. RanzAnt (1834) eine Abbildung, die PHıLıppı nicht be- kannt war und die eine Dermochelys coriacea darstellt in einem Umriß, der dem seiner Sphargis angusta auf das Haar gleicht. Von dem Exem- plare RANZANTS, dem erwähnten großen Bologneser Stücke, ist es bekannt, daß es sich um ein Männchen handelte; das mir vorliegende Exemplar mit dem kurzen Schwanze ist ein (nicht geschlechtsreifes) Weibchen; das Ge- schlecht von PHıLıppr’s Exemplar wird nicht mitgeteilt. So liegt die Vermutung nahe, daß wir es mit einem Geschlechtsdimorphismus bei Der- mochelys zu tun haben und daß die angusta-Form nichts weiter ist als die männliche Form. !) Daß dieser Dimorphismus nicht schon länger be- kannt ist, könnte seine Erklärung einfach darin finden, daß Weibchen bei den Schildkröten allgemein viel häufiger auftreten als Männchen, so daß bei der seltnen Dermochelys fast nur die ersteren beschrieben und abge- bildet wurden, während die wahrscheinlich einzige Abbildung eines Männ- chens in einer schwerer zugänglichen Zeitschrift leicht übersehen werden konnte. Daß Sphargis angusta PHinippr mit Dermochelys coriacea iden- tisch sei, dahin äußert sich auch BOULENGER 1899. STEJNEGER (1907) stellt es ebenfalls noch dahin, ob in Sph. angusia eine neue Art vorliegt. Mehr als bloße Beschreibungen des Aussehens von Dermochelys und Fundortsangaben gibt ALESSANDRINI, indem er 1834 das Zungenbein des großen Bologneser Exemplares bearbeitete und 1838 die wesentlichen Tat- sachen aus der Anatomie angibt.?) Es findet sich darin eine Bemerkung, daß schon A. BIAGI vor ALESSANDRINI eine Dissertation mit 2 Tafeln 1) Daß sich auch bei anderen Schildkröten die Männchen von den Weibchen äußerlich durch den langen Schwanz unterscheiden, bemerkt bereits RÜTIMEYER (1873, p. 40, 42). 2) Der Aufsatz ALESSANDRINI’s aus dem Jahre 1838 lag mir nur im Referate (in: Isis 1843, p. 540, 541) vor. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 7 über die Anatomie von Dermochelys herausgegeben habe; diese Arbeit war mir indes nicht zugänglich. 1839 hat SCHLEGEL einiges über das Skelet und die Anatomie von Dermochelys mitgeteilt. Weiteres über die Ana- tomie enthält ein kurzer Aufsatz von J. H. RATHKE (1846), in dem auf Besonderheiten der Luft- und Speiseröhre und des Magens hingewiesen wird. Auch in seiner Entwicklungsgeschichte der Schildkröten (1848) gibt RATHKE einiges über die Eingeweide und das Skelet eines reifen Embryos von Dermochelys an. Eine umfassende und eingehende Beschreibung des ganzen Skelets verdanken wir P. GERVAIS (1872), der auch zuerst größere Unterschiede gegenüber der auf den ersten Blick sehr ähnelnden Chelonia (abgesehen natürlich vom Carapax) konstatiert. Weiter finden sich ana- tomische Notizen bei J. H. SEARS (1886), der eine wohl zum ersten Male kurze Zeit in Gefangenschaft gehaltene Dermochelys beschreibt. Über den Verdauungsapparat und die Art der Ernährung gibt L. VAILLANT (1896) in einer kleinen Arbeit Auskunft. — R. H. BURNE (1905) hat fast die ganze Muskulatur und den größten Teil der Eingeweide von Dermochelys eingehend durchforscht. Über die systematische Stellung von Dermochelys entbrannte lange Zeit ein heftiger Streit, und auch noch heute ist keine Einigung darüber erzielt, wenn sich auch die Meinungen nicht mehr so schroff gegenüber- stehen wie in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Gewöhnlich wurde Dermochelys früher mit den übrigen Seeschildkröten zu einer Gruppe mehr oder weniger eng zusammengeschlossen,!) bis EK. D. CopE 1870 die Athecae mit nur einem rezenten Vertreter, Dermochelys, als gleichwertige Gruppe neben Cryptodira und Pleurodira stellte, eine Auf- fassung, die er in seinen darauffolgenden Arbeiten (1872 und 1875 a) beibe- hielt. 1873, p. 649 gibt er einen Stammbaum, der seine Auffassung be- stimmter kennzeichnet. Danach sind die Dermochelyden ein direkter Seitenzweig aus der unbekannten gemeinsamen Wurzel des Schildkröten- stammes, während aus einem zweiten Zweige die Cheloniiden durch Ver- mittlung der in dem vorhergehenden Jahre (1872) von ihm beschriebenen Protostega (aus der mittleren Kreide von Kansas) hervorgingen.?) VAILLANT stellt 1877 Dermochelys, die er für sehr spezialisiert hält (p. 55), wieder näher zu den Cheloniiden und mit diesen zusammen als „Chelonina“ neben die ,,Trionychida“ und „Testudinida“. Dagegen isoliert SEELEY (1880) die Dermochelydae wieder von seinen 2 anderen Hauptgruppen der Schildkröten. 1) Näheres darüber findet sich bei G. Baur 1889a, p. 155ff.; der historische Überblick wird hier bis 1889 durchgeführt “und von Case (1898, p. 21 u. 22) bis auf das Jahr 1898 ergänzt. Ich brauche deshalb hier nur die Hauptpunkte in den Anschauungen aus dieser Zeit hervor- zuheben. 2) 1872, p. 432 nähert CopE Protostega noch mehr den Dermo- chelyden; allerdings sei sie in einigen Punkten den Cheloniiden genähert, während sie nach dem Stammbaume (1873) nur zu den Cheloniiden direkte Beziehungen hat. 8 Lupwie Nick, P. J. VAN BENEDEN (1883), der eine Dermochelyde aus dem belgischen Oligocän beschreibt, hält Dermochelys wohl für eine typische Schildkröte, vermißt aber jede Beziehung zu andern Ordnungen und sieht in ihr und den Trionychiden archaische Typen, die Licht werfen könnten auf die dunkle Stammesgeschichte der Schildkröten: „Les reptiles, dont les Chéloniens se rapprochent les plus, ce sont les Crocodiles et c’est par le Dermatochelys, puis par le Trionyx que le passage des uns aux autres s’etablit“ (p. 680). 1886 übernimmt L. DoLLo Cope’s Einteilung, geht aber weiter als dieser in der Absonderung der Athecae von den anderen Schildkröten, in- dem er (p. 79) letztere in ihrer Gesamtheit als Thecophora den Athecae entgegenstellt. Beide große Gruppen treffen erst in einer hypothetischen Urform, dem Typ der „Eucheloniens“, zusammen. Eine nähere Verwandt- schaft der primitiven Athecae mit einem spezialisierten Zweige der Theco- phora wie den Cheloniiden ist damit ausgeschlossen. Gegen diese Auffassung wendet sich G. BAUR (1886a). Die Dermo- chelyden sind nach ihm die am meisten dem Wasserleben angepaßten und daher spezialisiertesten Cheloniiden. A. SmirH-WoopWARD (1887) schließt sich wiederum an DOLLO an. Dieser selbst sucht 1888 BAUR mit stichhaltigen Einwänden zu widerlegen und behauptet nach wie vor, Athecae und Thecophora seien voneinander ganz unabhängig, wenn auch von monophyletischer Ab- stammung (p. 95). BAUR antwortet darauf in demselben Jahre (1888a und 1888b), an seiner alten Meinung festhaltend. G. A. BOULENGER wendet sich 1888 gegen BAUR, wobei er zum ersten Male wichtige Details des Schädels als Gründe gegen eine engere Verwandtschaft ins Feld führt, während man bis dahin in der Hauptsache seine Schlüsse aus dem Verhalten des Panzers zog, der außer dem er- wähnten Mosaik auch noch Teile eines Thecophorenpanzers enthält; von dem Skelet hatte man bis dahin den Kopf am wenigsten berücksichtigt. Auch in den Katalog des Britischen Museums (1889) hat BOULENGER das System DotLo’s übernommen und mit A. ©. GUNTHER zusammen in die Encyclopaedia Britannica; STRAUCH (1890) hat sich ebenfalls an DOLLO angeschlossen. Die von DoLLO und BOULENGER vertretene Auffassung bekämpft ein größerer, nur die systematische Stellung von Dermochelys behandelnder Auf- satz BAUR’s (1889 a, b), in der alle von jenen beiden angeführten Tat- sachen, die zugunsten einer Abtrennung von Dermochelys sprechen, auf Spezialisierung zurückgeführt werden sollen. BAur (p. 191) kommt zu dem Schlusse, daß Dermochelys nur von „wahren Thecophoren, und zwar von Pinnaten, abstammen kann“, und in einer phylogenetischen Reihe werden die Cheloniiden unter den Ahnen der Dermochelyden aufgeführt, zu denen Protostega und Protosphargis [letztere von ÜAPELLINI 1884 (und 1898) aus der oberen Kreide Italiens beschrieben] überleiten sollen. Corr, der 1870 als erster die Athecae abtrennte, will 1891 einen Mittelweg zwischen BAUR einerseits und DOLLO und BOULENGER anderer- seits einschlagen: „We do not now give as high a rank to the Athecae as does BOULENGER, nor would we abolish the suborder, as is proposed Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 9 by BAUR, but have adopted an intermediate course“ (p. 813). Diese An- sicht vertritt er anscheinend auch 1898, wo er die Atheken als Familie aufführt neben Trionychiden, Cryptodiren und Pleurodiren. L. VAILLANT schließt sich in einem Versuch über die Klassifikation der Schildkröten 1894 Baur’s Ansichten an (p. 341). Auch W. DAMES (1894), der den Schädel der oberoligocänen Pseudo- sphargis ingens, einer typischen Dermochelyde, beschreibt, meint nach einem Befunde am Schädel der Ansicht BAur’s beipflichten zu müssen (p. 17). Wir werden darauf zurückzukommen haben. Demgegenüber will E. HAECKEL in seiner Systematischen Phylogenie (1895, Vol. 3, p. 325) in Dermochelys den letzten lebenden Überrest der mesozoischen Stammgruppe der Schildkröten sehen. VAN BEMMELEN (1895) glaubte zuerst, Baur beitreten zu können (p. 324, Anm.), modifizierte aber, durch BOULENGER auf die Unterschiede im Schädelbau zwischen Dermochelys und Chelonia aufmerksam gemacht, seine Meinung, wenn er auch Dermochelys nicht für eine ursprüngliche Schildkröte hält. Eigene Beobachtungen am Schädel von Dermochelys (1896) führten ihn zu dem Schlusse, daß Dermochelys nicht ganz von den Cheloniiden zu trennen ist, denn alle Besonderheiten am Schädel von Dermochelys hätten sich durch Reduktion aus Zuständen am Ühelonia- Schädel entwickelt. „Da nun aber die Anpassung an das Meeresleben bei Dermochelys viel tiefer greifende Umänderungen verursacht hat als bei Chelonia, so sieht man sich zu der Annahme genötigt, daß Dermochelys in viel früherer Periode der Erdgeschichte sich dem Meere zugewendet habe. Es ließe sich aber denken, daß die nämliche Gattung von Land- schildkröten zu wiederholten Malen Bewohner an das Meer abgegeben hätte, die ihre gemeinsame Abstammung noch in einigen Merkmalen ver- raten“ (p. 284). Mit dieser Annahme nähert sich VAN BEMMELEN DOLLO’s Auffassung, denn Formen wie die Cheloniiden, Meeresschildkröten, sind dadurch aus dem Stammbaume von Dermochelys ausgeschaltet. BAUR (1896) bekämpft die Ausführungen VAN BEMMELEN’s über die Phylogenie der Schildkröten. Was den Schädel von Dermochelys anlangt, so verweist er auf CASE (1898), dessen Untersuchungen über Protostega einen Beweis für seine Meinung erbrächten (p. 562). E. C. Case (1898) kommt im Anschluß an eine genaue Bearbeitung von Pr otostega, jenem Fossil aus der mittleren Kreide, in der bereits COPE (1872) eine Form sah, die Merkmale von Dermochelys und Chelonia in sich vereinigt, und ach Durchprüfung des ganzen vorliegenden Materials zu dem Schluß, daß Chelonia und Dermochelys in einer aus Kreide und Eocän bekannten Form, Lytoloma, zusammenlaufen, daß also die Athecae, wie BAUR will, von Thecophoren abstammen, die zugleich die direkten Stammformen der Cheloniiden sind, aber auch, daß eine Trennung beider Aste schon relativ früh eingetreten ist und jede Gruppe ihren eignen Weg ging. O. P. Hay (1898) nimmt Dornno’s Auffassung wieder auf und will Dermochelys abgetrennt haben. Er geht dabei von der durch verschiedene Tatsachen gestützten Anschauung aus, daß der oberflächliche Dermalpanzer primitiv sei und allen ursprünglichen Landschildkröten zukäme, während 10 Lupwie Nick, Carapax und Plastron jiingere Bildungen seien. Die Urformen der Schild- kröten hätten beiderlei Panzerung übereinander gehabt, die tiefere mehr oder weniger vollständig. Der Ast der Dermochelyden ging früh zum Seeleben über. Durch Einflüsse der Lebensweise blieb der alte Dermal- panzer erhalten, während der tiefliegende Knochenpanzer reduziert wurde. Bei den übrigen wurde unter dem Einflusse des Landlebens der Dermal- panzer rückgebildet und der andere verstärkt. — Hay hält seine Ansicht von der isolierten Stellung von Dermochelys 1908 noch aufrecht. A. GoETTE (1899), der die Entwicklung des Carapax der Schild- kröten untersucht, kommt zu dem Resultate, daß danach die Atheken den Thecophoren direkt vorausgegangen seien. 1901 erscheint eine Arbeit DoLLo’s „Sur l’origine de la tortue Luth“, worin er sein altes Thema wieder aufnimmt, aber jetzt mit ganz ver- änderten Ansichten. „Dermochelys descend d’une tortue thécophore !“ (p. 3). Die Atheken haben sich, wie Befunde an der rezenten Dermo- chelys und an ihren fossilen Verwandten beweisen, aus einer Thecophore des littoralen Lebensbezirkes (mit Carapax und Plastron und ohne den dermalen Mosaikpanzer) über eine pelagische Thecophore, die ihren Panzer fast ganz verlor, und über eine wieder ins Littoral zuriickgekehrte Atheke, die den Mosaikpanzer neu erwarb, durch Rückkehr zum pelagischen Leben zu ihrer heutigen Gestalt entwickelt. Und die Cheloniiden muß man als die Formen ansehen, die heute noch, durch die pelagische Lebens- weise freilich etwas modifiziert, den Typ der alten littoralen Thecophore, von der Dermochelys und die heutige Chelonia abstammen, repräsentieren. Damit hat Doro (p. 20) Baur’s Ansicht in ihren wesentlichen Punkten angenommen. GOETTE’s Ausführungen werden von ihm widerlegt (p. 17 bis 20). Ein weterer Ausbau von DOLLO’s jetziger Ansicht ist in „L’evo- lution des Cheloniens marins“ 1903, gegeben. Aber trotz seinen ver- änderten phylogenetischen Anschauungen glaubt Dorzo (1903, p. 61) systematisch die Abtrennung der Atheken von allen übrigen Schildkröten aufrecht erhalten zu dürfen, im Hinblick auf die außerordentlich weit- gehende Spezialisierung von Dermochelys, namentlich was den Carapax anlangt. Nach der Untersuchung eines Embryos von Dermochelys, über deren Resultate aber keine Einzelheiten mitgeteilt werden, nimmt O. JAECKEL (1902, p. 136) mit CASE, BAUR und DoLLo an, daß Dermochelys eine spezialisierte Cheloniide ist. Ebenso schließt sich WIELAND (1902) in einer Klassifikation der Meeresschildkröten an BAUR an, indem er Cheloniiden und Dermochelyden in einer Superfamilie der Cryptodira, Chelonioidea, vereinigt. Dieselbe Auffassung haben Fraas (1902) und RaBL (1903, 1910). Auch SIEBENROCK verfährt so in seiner neuen Synopsis der rezenten Schildkröten (1909). — Durch diese Zusammenstellung geht, selbst wenn sie phylogenetisch berechtigt sein sollte, die große Kluft zwischen den beiden rezenten Familien, die durch die fossilen Formen anscheinend über- brückt ist, verloren, andererseits aber wird für diesen Fall Dermochelys durch DorLno’s System von 1903 zu sehr in Gegensatz zu allen übrigen Schildkröten gebracht. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. Jat: Auf Grund sehr auffallender Differenzen in der Sphenoidregion zwischen Dermochelys und Chelonia spricht sich VERSLUYS (1909, p. 289) gegen eine engere Verwandtschaft der beiden Schildkrétenfamilien aus. WIELAND (1909) behält zwar in der „Revision of the Protostegidae“ die ,,Chelonioidea* (Cheloniidae, Protosteyidae, Desmatochelydae, Toxochelydae und Dermochelyidae) bei, bemerkt aber (p. 102), daß sie sich zweifellos unabhängig voneinander dem Meeresleben angepaßt hätten, wie dies schon VAN BEMMELEN für Dermochelys und Chelonia vermutet. Überblickt man den heutigen Stand der Frage nach der systematischen Stellung von Dermochelys, so zeigt sich eben, daß noch kein endgültiges Resultat gewonnen ist. Im allgemeinen hat man die ganz extremen Stand- punkte (Dermochelys habe mit keiner lebenden Schildkröte etwas zu tun, oder Dermochelys stehe in engster Beziehung zu den Cheloniiden und sei deren jüngster Abkömmling) verlassen und sich der Anschauung zu- gewandt, daß die Entwicklungsreihen der Dermochelyden und Cheloniiden irgendwo im Schildkrötenstamme zusammentreffen. Nur bleibt dabei noch die Frage, wie früh sich beide im Laufe der Entwicklung getrennt haben und was von den gemeinsamen Merkmalen, die beide aufweisen, auf Kon- vergenz infolge gleicher Lebensweise zurückzuführen und was als Erb- teil von einem gemeinsamen Vorfahren anzusehen ist. Daneben haben neuerdings Hay und VERSLUYS die Möglichkeit wieder in Betracht ge- zogen, daß Beziehungen gerade zu den Cheloniiden nicht bestehen. Möglicherweise sind dann Anknüpfungspunkte an eine andere Schildkröten- familie zu suchen. Eine diphyletische Entstehung der rezenten Schildkröten in der Weise, daß Dermochelys ein Abkömmling sei von Formen, die die typische Testu- dinatenorganisation noch nicht erreicht hätten, ist von der Hand zu weisen, da Dermochelys trotz aller ihrer Besonderheiten doch viel zu sehr Schildkröte ist, und auch die fossilen Dermochelyden sprechen dagegen, da sie sich alle den Thecophoren mehr zu nähern scheinen als die rezente Dermochelys. Wenn eine Form wie Dermochelys derartig für phylogenetische Be- trachtungen herangezogen wird, so müßte man eigentlich annehmen, daß ihre gesamte Morphologie sehr eingehend erforscht wäre. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Außer den schon angeführten verhältnismäßig spärlichen Angaben über die Anatomie und das Skelet von Dermochelys (abgesehen von der eingehendern Arbeit R. H. BURNE’S) liegen nur ge- legentliche Notizen vor. Einmal kommt das durch die Schwierigkeit, das seltene Material zur Untersuchung zu beschaffen, sodann aber wurde fast ausschließlich mit dem. Verhalten des Panzers gearbeitet, weil er durch seine Eigenart am ehesten und genauesten bekannt wurde, auch bei den Fossilien meist erhalten war und so Vergleiche ermöglichte. Uber das Kopfskelet hat der ganze Streit um die systematische Stellung von Dermochelys einige sehr wichtige neue Einzelheiten zutage gefördert (BOULENGER 1888, van BEMMELEN 1896, DozLo 1903, VER- SLUYS 1909), aber was den ganzen Schädel anbetraf, so hatte sich seine Kenntnis seit der Beschreibung GERVAIS’ (1872), die nur das wiedergibt, was man von außen daran wahrnimmt, und auch Unrichtigkeiten enthält, 12 Lupwie Nick, nicht viel gehoben, und so kam es, daß DAMES (1874) die alten Be- zeichnungen für einzelne Schädelknochen, die heute großenteils als unzu- treffend verworfen sind, für die Beschreibung seiner Pseudosphargis ingens auf den Tafeln beibehalten mußte, um einen besseren Vergleich mit GERVAIS’ Abbildungen zu ermöglichen, daß F. SIEBENROCK in seiner umfassenden Arbeit über das Kopfskelet der Schildkröten (1897) nur dürftige Notizen über diesen so bemerkenswerten Vertreter der Gruppe geben konnte und daß H. Fucus (1907), durch einen Fehler in GERVAIS’ Zeichnungen ge- täuscht, zu falschen Deutungen über das Verhalten des Gaumens bei Dermochelys geführt wurde. Diese Lücke in unserer Kenntnis der Morphologie des Kopfskelets der Schildkröten soll vorliegende Arbeit ausfüllen, gewissermaßen als Er- gänzung zu SIEBENROCK’s Arbeiten auf diesem Gebiete (1897, 1898). Dann aber hat es sich gerade bei Dermochelys als unumgänglich nötig er- wiesen, auch das Knorpelskelet mit in den Bereich der Betrachtung zu ziehen, da es auch noch bei den Erwachsenen einen sehr wesentlichen Teil des Kopfskelets ausmacht. Da hierüber bei Schildkröten so gut wie nichts bekannt ist, mußte dieses Kapitel auswachsen und auch das Chondro- cranium der Cheloniiden genau bearbeitet werden, damit ein eingehender Vergleich beider Formen möglich war und aus diesem ein Beitrag zur Frage einer etwaigen näberen Verwandtschaft von Dermochelys und Chelonia geliefert werden konnte. Eine solche darf man aber nicht, wie der heutige Stand der Systematik zeigt, ohne weiteres voraussetzen, und so war es rätlich, eine dritte Form daneben zu untersuchen, um festzustellen, inwieweit allen Schildkröten gemeinsame Merkmale, namentlich was das Chondrocranium anbetrifft, Pi Dermochelys und Ohelonia vorhanden sind und was wirklich als spezielle Ahnlichkeit aufzufassen ist. Als sehr ge- eignet mußten dazu Chelydriden erscheinen, die für primitiv gehalten werden. Wenn dies auch nirgends direkt ausgesprochen wird, so zeigt doch die Stellung, die die Systematiker Chelydra gegeben haben, daß sie als ursprüngliche Form gilt (BOULENGER 1889, SIEBENROCK 1897, 1909), und auch Befunde am Gaumen sprechen dafür (DOLLO 1903, Fucus 1907). nel gebe ich eine kurze Beschreibung des bei der Unter- suchung des Kopfskelets von Dermochelys benutzten Materiales; es standen mir zur Verfügung: I. Ein vollständiger Schädel von Dermochelys mit Zungenbein (1873 von F. Krauss erwähnt), II. Ein Schädeldach von Dermochelys, beide Stücke aus dem Kgl. Naturalienkabinett in Stuttgart, durch Herrn Prof. Dr. K. LAMPERT. III. Ein fast vollständiger Schädel von Dermochelys aus der Siboga- sammlung, derselbe, an dem VERSLUYS ein Parasphenoid feststellte (1906) und beschrieb (1909), durch Herrn Prof. Dr. M. WEBER in Amsterdam. IV. Ein vollständiger Schädel von Dermochelys, 1839 durch SCHLEGEL und 1896 durch van BEMMELEN abgebildet und beschrieben, V. Ein vollständiger, sehr großer Schädel von Dermochelys, VI. Ein kleineres, unvollständiges Schädeldach von Dermochelys ; Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 13 IV.— VI. stammen aus dem niederländischen Reichsmuseum in Leyden, durch Herrn Dir. Dr. JENTINK. Weiter stand mir zur Verfügung: VII. Ein vollständiger Kopf von Dermochelys mit allen Weichteilen von 22 cm Länge, von einem vollständigen, in Formol konservierten Exemplare aus Japan, das Herr Prof. Dr. SPENGEL für meine Untersuchung von Mr. ALAN OWSTON in Yokohama angekauft hat. Das Tier hat 1,50 m Gesamtlänge und ist ein nicht geschlechtsreifes Weibchen. Ferner: A. Eine soeben aus dem Ei gekommene junge Dermochelys („ein reifer Embryo“) aus dem Kgl. Naturalienkabinett in Stuttgart, durch Herrn Prof. Dr. K. LAMPERT. B. Ein ebensolches Exemplar aus dem Naturhistorischen Museum in Hamburg, durch Herrn Prof. Dr. K. KRAEPELIN. C. Ein ebensolches Exemplar aus der Sammlung des Zoologischen Museums in Königsberg, eines der beiden von RATHKE 1848 erwähnten Stücke, durch Herrn Prof. Dr. BRAUN. Letzteres Stück wurde nicht zur Untersuchung herangezogen. Weiter untersuchte ich mehrere vollständige, einen median durch- sägten und einen gesprengten Schädel von Chelona midas aus der Samm- lung des Gießener Zoologischen Instituts, und ebendaher hatte ich einen reifen Embryo derselben Art; sodann konnte ich auch von Chelonia midas einen vollständigen, median durchschnittenen Kopf von 14 cm Länge, Eigentum des Herrn Dr. J. VERSLUYS, bearbeiten. Von Chelydriden stand mir ein vollständiger. vorzüglich erhaltener Kopf von Chelydra serpentina (von 9 cm Länge) zur Verfügung, der von einem in Alkohol konservierten Exemplare (Länge des Carapax 23 cm) aus der Sammlung des Senckenbergischen Museums in Frankfurt a. M. stammt. Einige reife Embryonen derselben Art, von denen einer zur Ver- wendung kam, besorgte mir Herr Prof. SPENGEL aus Madison Wis. U. S. A. (von ALBERT ALLEN, The Mendota Embryological Supply Station). — An trockenem Schädelmaterial von Chelydriden hatte ich für meine Unter- suchungen einen gesprengten Schädel von Chelydra serpentina (7,5 cm lang) aus der Sammlung des hiesigen Zoologischen Instituts und einen ganzen Schädel (16,5 em) von Macroclemmys temminckii aus dem Besitze des Herrn Prosektors der Anatomie Prof. Dr. B. HENNEBERG in Gießen; einen Schädel derselben Art aus der Sammlung der technischen Hochschule in Darmstadt konnte ich durch Erlaubnis des Herrn Prof. Dr. TH. List während der Weihnachtsferien 1908 besichtigen. Der Kürze halber behalte ich die Bezeichnungen I—VII für die Schädel und den ganzen Kopf von Dermochelys während der Ausführung bei und A und B für die untersuchten reifen Embryonen von Dermochelys. Die Detailuntersuchung der ausgewachsenen Schädel wurde mir da- durch ermöglicht, daß sich Schädel III und IV vollständig in ihre Ele- mente. zerlegen ließen. Der vollständige Kopf VII und der Kopf des halberwachsenen Exemplares von Chelydra wurden ähnlich wie das er- wähnte Chelonia-Präparat des Herrn Dr. VERSLUYS der Länge nach durchsägt, etwas rechts von der Mediane, so daß alle unpaaren medianen 14 Lupwie Nick, Skeletteile völlig erhalten blieben und zugleich ein genaues Studium der Wände des Cavum cranii möglich war (nach geringer Präparation). Bei Dermochelys VII waren leider das Gehirn und ein Teil der übrigen Weich- teile des Kopfes zerfallen, da das Konservierungsmittel offenbar nicht ge- nügend eingedrungen war; doch ließen sich Nervenaustrittsstellen etc. durch den Vergleich mit dem in den Proportionen ähnlichen Chelonia- Kopfe, wo alle Weichteile sehr gut erhalten waren, und mit den Em- bryonen A und B von Dermochelys leicht identifizieren. Der Kopf von Chelydra war im Gegensatze zu Dermochelys in allen Weichteilen ganz vorzüglich erhalten. Die Köpfe der reifen Embryonen A und B des Chelonia-Embryos und. eines Chelydra-Embryos wurden zum Studium ihrer Skeletteile in Quer- schnittserien (Schnitte von 50—70 u Dicke) zerlegt. Die Einbettung in Photoxylin, die sich für den zuerst geschnittenen Kopf von Ohelonia gut bewährte, glückte leider bei Dermochelys A nicht in gleicher Weise, indem trotz vorsichtigsten Vorgehens namentlich die Muskulatur nicht von der Einbettungsmasse durchtränkt wurde, so daß bei A einige wichtige Schnitte teilweise verloren gingen, weshalb noch ein zweiter Kopf, B, quer- geschnitten wurde, der auch erst nach mehrfacher Umbettung eine ganz vollständige Serie lieferte. Der wesentlich kleinere Kopf von Chelydra ergab sofort eine sehr gute Serie. Die Photoxylinschnitte wurden nach OLT (1906 in: Ztschr. wiss. Mikrosk., Vol. 26, p. 323—328) aufgeklebt und mit BOHMER-HANSEN’schem Hämatoxylin (HANSEN 1895 in: Zool. Anz., Jg. 15, p. 158—160) gefärbt; die damit erreichte Differenzierung machte eine Doppelfärbung überflüssig. Auf die Befunde an diesen Serien stützen sich alle Angaben über die Lage von Weichteilen in den erwachsenen Schädeln, soweit sie nicht an den durchsägten Köpfen von Dermochelys, Chelonia und Chelydra direkt wahrgenommen werden konnten. Die Abbildungen nach meinen Objekten wurden mit Hilfe der Appa- rate des hiesigen Zoologischen Instituts gewonnen. Die Schädel und ihre Teile sind in den angegebenen Vergrößerungen mit einem GOERZ’schen Lynkeioskop photographisch aufgenommen; die Ansichten von den durch- sägten Köpfen sind in ihren Umrissen vermittels eines Zeichenapparats (WINKEL, Göttingen) gewonnen, und für die Anfertigung der Schnittbilder und zeichnerischen Rekonstruktionen leistete mir der neue WINKEL’sche Projektionszeichenapparat nach EDINGER vorzügliche Dienste. Da die Schädel in ihren Proportionen große Variabilität zeigen, gebe ich in der folgenden Tabelle eine Anzahl Maße (in mm), die diese In- konstanz deutlich machen sollen (s. S. 15 u. 16). Die Lücken und unbestimmten Angaben in der Tabelle erklären sich daraus, daß II und VI nur aus einem Schädeldach bestehen (VI sehr un- vollständig), daß bei III die Intermaxillaria und das rechte Präfrontale fehlt, daß V nicht ganz von Bindegewebe befreit ist und bei IV die Pterygoide vorn beschädigt sind (17). Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 1. Länge, in der Mediane vom Supra- occipitale bis zum Vorderende der Inter- maxillaria auf einen Spiegel projiziert und als Gerade gemessen 2. Breite, an der breitesten Stelle zwischen den nach außen gerichteten Fortsitzen des Squamosums, wie 1., gemessen 3. Länge des Gaumens, von dem Hinterrande des Basioccipitale bis zur Mediannaht der Intermaxillaria vorn, als gerade Strecke gemessen 4. Länge über die obere Schädelkurve, median vom Vorderende der Intermaxil- laria bis zum Hinterende des Supra- oceipitale mit dem Meßband gemessen 5. Länge der medianen Parietalnaht (oben), mit dem Zirkel abgestochen 6. Länge der medianen Frontalnaht (oben) mit dem Zirkel abgestochen 7. Entfernung der Orbita vom Hinter- rande (Grenze zwischen Jugale und Post- frontale im Hinterrande der Orbita bis zum Hinterrande des Squamosums in gleicher Höhe, mit dem Zirkel abge- stochen) 8. Größte Länge der Orbita (in ihrem untern . Drittel, mit dem Lineal ge- messen) 9. Größte Höhe der Orbita (von der Grenze zwischen Prä- und Postfrontale im Oberrande der Orbita nach unten, mit dem Lineal gemessen) 10. Entfernung der Partes articulares des Quadratums voneinander (innen, mit dem Lineal gemessen) 11. Höhe des Schädels von dem unter- sten Ende der Pars articularis des Quadratums bis zur oberen Fläche der Parietalia, wie 1. und 2. gemessen 12. Entfernung des Hinterendes des Supraoccipitale vom Unterrande der Condylusfläche des Basioceipitale, mit dem Zirkel abgestochen 13. Entfernung der von Maxillare mit Intermaxillare gebildeten „Hauer“, von- einander mit dem Lineal gemessen 14. Länge des Parasphenoids, median, mit dem Zirkel abgestochen 235 | 250 | 205 |221 | ye bene | 280 285 126 | 128 G6. | 69 rechts 127 | 130 links 122 125 rechts 76 | 7% links | 74 | 7% rechts | 1602 1160 links 58 | 62 {Or |= doi ra ge 40 | 41) | Bor 133 80 140 140 74 210-220) 220 (310—320) | 315 | 266, 286 1233, 297 | | 292 340 | | | | 114 | 152 82 95 (etwa 14 ler 149 149 | | 90 (85 etwa) 87 (80-85) 73/00 (63) 73140166) 140| 130 168|. 157 109 38| 60 66:73 16 Lupwie Nick, 15. Breite des Parasphenoids auf der | 31 | — 47 34 41 — Hälfte der Länge in der Mitte 16. Breite des auf der Gaumenseite |rechts sichtbaren Teiles des Pterygoids in der | 11 | — 9 15 dsl — Fortsetzung der in 15. gemessenen Linie; | links | so ziemlich die geringste Breite ; mit dem | 11 | — 3—4 14 17 — Lineal gemessen 17. Länge der medianen Pterygoid- | 28 | — 19 — 17 u naht vor dem Parasphenoid; auf der Gaumenseite, mit dem Lineal gemessen 18. Größte Höhe des Foramen magnum; | 35 | — | 35 38 30 — mit dem Zirkel abgestochen 19. Größte Breite des Foramen mag- | 23 | — 28 25 20 — num; mit dem Zirkel abgestochen II. Der Knochenschädel von Dermochelys coriacea L. Die älteste Darstellung des Schädels von Dermochelys finden wir auf den Tafeln zu WAGLER’s Natürlichem System der Amphibien (1830). Unter einer Serie von Zeichnungen, die den reifen Embryo und sein Skelet dar- stellen, erblickt man Außenansichten des Schädels von allen Seiten, ferner Ansichten des Zungenbeins, des weichen Gaumens, des Unterkiefers etc. Den Schädel der erwachsenen Dermochelys hat SCHLEGEL (1838) zum ersten Male in SIEBOLD’s Fauna japonica in groben Zügen be- schrieben sowie von oben und von der Seite abgebildet. Zwei mit WAGLER’s Abbildungen verglichen sehr dürftige Ansichten des Schädels eines reifen Embryos von der Seite und von unten nebst dem Unterkiefer gibt J. E. Gray (1869). Die eingehendste Behandlung des ganzen Skelets von Dermochelys verdanken wir GERVAIS (1872). In der ,Ostéologie du Sphargis Luth“ beschreibt er kurz die meisten Schädelknochen und illustriert sie durch detaillierte Gesamtansichten des Schädels. Außerdem gibt er Abbildungen vom Schädel eines reifen Embryos. Von BOULENGER (1889) haben wir in „Catalogue of the Chelonians, Rhynchocephalians and Crocodiles in the British Museum“ Übersichtszeich- nungen des ausgewachsenen Schädels. BOULENGER’s Text hebt namentlich die systematischen Unterschiede gegenüber Chelonia hervor. Im gleichen Jahre (1889a, p. 18%) macht BAUR einige Notizen über den Schädel von Dermochelys, die auf Unterschiede und Ähnlichkeiten gegenüber Chelonia hinweisen und seine Ansichten über die systematische Stellung der Dermochelys erhärten sollen (s. S. 8). Hauptsächlich Bezug auf die systematische Stellung der Dermochelys hat auch die kurze Abhandlung VAN BEMMELEN’s (1896b), der den auch von SCHLEGEL bearbeiteten Schädel zur Verfügung hat und hier auf ver- Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 17 schiedene Besonderheiten aufmerksam macht. Zwei Illustrationen des Schädels nach Photographien neben ebensolchen von Chelonia vervoll- ständigen die Arbeit, der eine kurze holländische Mitteilung (1896 a) vorausging, in der wesentlich auf dieselben Punkte hingewiesen wird. SIEBENROCK (1897) war es für seine umfassende Untersuchung des Kopfskelets der Schildkröten nicht vergönnt, selbst einen Dermochelys- Schädel untersuchen zu können. Seine Angaben über diesen stützen sich nur auf die vorausgegangene Literatur. — Im Foigenden bin ich für den Knochenschädel SIEBENROCK’s Terminologie in der Hauptsache gefolgt. Auch finden sich bei ihm ausführlichere Angaben über die Schädel der Cheloniiden und Chelydriden, so daß ich bei Vergleichen in meinem Text nur kurz auf die Zustände bei diesen Schildkröten hinzuweisen brauche. In seiner im gleichen Jahre wie SIEBENROCK’s Arbeit veröffentlichten Abhandlung über Protostega bringt CASE einige Beobachtungen über den Schädel von Dermochelys, die sich bei dem Vergleich letzterer mit jener fossilen Schildkröte aus der Kansaskreide ergeben. 1903 (p. 30) teilt DoLto eine für die Phylogenie bedeutsame Een tung am Gaumen des Schädels mit. Eine kurze Zusammenfassung aller wichtigen, bisher bekannten Kenn- zeichen des Dermochelys-Skelets gibt O. P. Hay 1908 (p. 14—16). Auf einen bei Dermochelys auffallend entwickelten Deckknochen, das Parasphenoid, dessen Vorkommen bei Schildkröten überhaupt erst 1905 von Gaupp (in: Anat. Anz., Vol. 27, p. 301) konstatiert wurde, macht VERSLUYS (1906) aufmerksam. Eine ausführlichere Darstellung der hier- bei auftretenden besonderen Verhältnisse mit Abbildungen des Parasphenoids hat er 1909 gegeben. Die Parasphenoidnatur des in Frage kommenden Knochenteils bei Dermochelys wird von Fucus (1910) bezweifelt, auf Grund der Zustände, die die Schädelbasis bei Chelonia zeigt. Fucus’ hypothetische Deutungen werden von VERSLUYS (1910) zurückgewiesen. Der Schädel von Dermochelys coriacea gehört ebenso wie die Schädel der Cheloniiden zu GAupp’s stegocrotaphem Typus. Haupt- sächlich durch die fast gleiche Ausdehnung des Schläfendachs hat er mit diesen auf den ersten Blick eine große Ähnlichkeit in den Um- rissen wie in der äußern Form gemein, die noch erhöht wird durch die gleiche Zahl der Elemente und deren wesentlich gleiche Anordnung. Je- doch laufen die Konturen des Schädels von Dermochelys in der Längs- richtung nach vorn mehr konisch zu als bei dem Chelonia-Schädel; auch fallen, von außen gesehen, die charakteristischen nennen Vorsprünge der Maxillaria sowie die eigenartige Ausbildung des Quadratojugales bei Dermochelys gegenüber Chelonia sofort auf; dazu das Fehlen der bei Chelonia so mächtig ausgebildeten Supraoceipital- crista. Die Orbitae bei Dermochelys sind ebenfalls sehr groß, jedoch Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 2 18 LupwiG Nick, im Verhältnis zur Längenausdehnung des Schädels etwas kleiner als bei Chelonia, was namentlich bei dem großem Leydener Schädel (V) auffällt. Die äußere Knöcherne Nasenöffnung wäre nach Bov- LENGER (1889, p. 8) ganz auf der Oberfläche des Schädels gelegen, während Baur (1889b, p. 618) an 2 Schädeln von Dermochelys kon- statiert, dab die äußere Nasenöffnung zwar nach vorn oben gerichtet ist, aber nicht oben liegt. Nach den mir vorliegenden Schädeln kann man sagen, dab die äußere Nasenöffnunge am Schädel individuell Schwankungen unterworfen ist. Die Abbildung von BoOULENGER zeigt eine ziemlich auf der Oberseite des Schädels gelegene Nasenöffnung, und eine ähnliche weist Schädel IV auf; aber bei allen anderen mir zur Verfügung stehenden Schädeln ist die Öffnung entschieden so- wohl vorwärts wie aufwärts gerichtet, was von der mehr oder weniger steilen Stellung ihres von Praefrontale und Processus praefrontalis des Maxillares gebildeten äußeren Randes abhängig ist; immer- hin bleibt die Stellung der äußeren knöchernen Nasenöffnung bei Dermochelys sehr verschieden von der der Cheloniiden und Chely- driden, wo sie fast vertikal steht und nur nach vorn geöffnet ist. Über die Struktur der Schädelknochen von Dermochelys coriacea hat schon SCHLEGEL bemerkt, daß der Knochen fasriger („plus fibreux) sei als bei irgendeiner anderen Schildkröte; sie seien mit Porosi- täten geradezu überladen und hätten infolgedessen geringes spezi- fisches Gewicht und geringe Festigkeit; das schwammige Gewebe sei mit öligem Fette ganz durchtränkt und dadurch Cetaceenknochen ähnlich. Auf diese Ähnlichkeit weist auch van BEMMELEN (1896, p. 282) hin; sie mache sich auch dadurch geltend, daß „der Knochen in der Ausbreitung und Dicke reduziert“ sei „in derselben Weise wie z. B. diejenigen der Cetaceen, welche, soweit sie nicht gänzlich fehlen, plattenförmig geworden sind“. Die starke Porosität und Schwammigkeit der Knochen, die auf Gervais und sehr deutlich auf SCHLEGEL'S Abbildungen zum Ausdruck kommt, ist bei allen meinen Schädeln zu bemerken, jedoch individuell verschieden. Während sie der von ScHLEGEL abgebildete Schädel IV sowie III und V sehr ausgeprägt zeigen, tritt sie im Verhältnis zu diesen bei den beiden Stuttgarter Schädeln etwas zurück. Zu den eigentlichen Poren, durch die Gefäße in und aus den Knochen führen, kommen zahlreiche Rillen und kleine Einbuchtungen, auf der Oberseite in meist strahliger Anordnung, durch die die Lederhaut fester an den Knochen gebunden ist. Bei den Embryonen zeigen die Deckknochen noch einen ziem- lich lockern Aufbau. Derbe Knochenlamellen umgrenzen große Mark- Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 19 räume. Die Verknöcherung scheint recht langsam vor sich zu gehen: So weist der kleine Schädel VI noch einen außerordentlich schwam- migen Knochen auf. Auch die Ausgestaltung der einzelnen Knochen wird nur langsam vervollständigt. Bloß bei dem großen Schädel V ist eine völlige Abgrenzung des Foramen jugulare posterius erreicht, während dieses Foramen bei allen übrigen Schädeln mehr oder weniger in die Fenestra postotica klafft (s. S. 23). Sehr reichliche Fettreste enthalten die Knochen des Schädels II, und auch bei I sind solche noch bemerkbar. Was SCHLEGEL und VAN BEMMELEN über die dünne, plattige Ausbildung der Schädelknochen bei Dermo- chelys sagen, ist großenteils nicht zutreffend.!) Die Knochen des ausgewachsenen Schädels ven Dermochelys sind im Verhältnis zu seiner Gröbe durchaus nicht schwächer als bei irgendeiner anderen Schildkröte. Daß die Deckknochen des Schläfen- daches ausgedehnter und im Vergleich mit anderen Schildkröten plattiger erscheinen, liegt wohl daran, dab bei Dermochelys das Temporaldach weiter nach hinten reicht als bei allen andern stego- crotaphen Schildkrötenschädeln, wo die Supraoccipitalcrista und das Squamosum weiter nach hinten gehen und so den Eindruck eines großen, plattig ausgebildeten Temporaldaches etwas ver- wischen. Dazu kommt, daß die Knochen des Temporaldaches und auch der Schädelbasis überall mit ihren Rändern schuppenförmig auf größere Flächen hin übereinandergreifen, wovon bei der Be- schreibung der einzelnen Knochen noch eingehender die Rede sein wird. Dadurch wird einmal eine Festigkeit erreicht, wie sie bei der Verbindung zweier Knochen durch eine gewöhnliche Naht nie zustande kommt, zumal die Knochenschuppen durch ineinander- passende Rillen und Wülste sowie kleinere ineinandergreifende Fortsätze und Knochenlamellen noch fester zusammengeheftet wer- den; andererseits wird aber auch die absolute Dicke der Knochen- decke an den betreffenden Stellen meist etwas erhöht. Geht man zu einer eingehenden Betrachtung des Schädels von Dermochelys über, so fällt zunächst die individuelle Verschiedenheit in der Ausbildung des ganzen Schädels sowohl wie seiner Teile sehr 1) Am wenigsten freilich das, was KOsTLIN (1844, p. 303) gelegent- lich behauptet, daß nämlich der ganze Kopf überhaupt nicht verknöchere, sondern nur eine knorplig häutige Masse in der Form des Chelonierschädels auftrete; ähnliches gibt ALESSANDRINI (1838) von dem übrigen Skelet an, während nach ihm der Kopf sehr hart ist. KÔsTLIN’s Irrtum wurde bereits von RATHKE (1848, p. 50) berichtigt. 2% 20 Lupwia Nick, auf.) Die Möglichkeit, daß die Gattung Dermochelys in 2 Arten auftritt, wie sie ja verschiedentlich ausgesprochen wurde, wird dabei durch keinerlei am Schädel konstant auftretende Merkmale wahr- scheinlich gemacht. Noch mehr als diese Inkonstanz bei den Indi- viduen setzt eine Asymmetrie beider Hälften des Schädels in Er- staunen, die bei allen mir vorliegenden Schädeln mehr oder minder vorhanden ist, in der Umgrenzung der Knochen und namentlich in der Ausbildung charakteristischer Knochenteile, wie am Basisphenoid und Pterygoid, wovon noch zu reden sein wird. Wenn man die Betrachtung der Teile des Schädels mit dem Occipitalring beginnt, so ist zunächst auf den Condylus occipi- talis zu verweisen. Derselbe bleibt beinahe ganz knorpelig (GERVAIS 1872, p. 204), wie aus Taf. 3 Fig. 17 (kco) ersichtlich ist und wie es auch bei den anderen größeren mir vorliegenden Schädeln an- scheinend der Fall war, da bei diesen macerierten Stücken ein eigentlicher Condylus fehlt. Die Verknöcherung geht vom Basi- occipitale und von den Exoceipitalia aus, geschieht also in 3 ge- trennt bleibenden Knochenmassen (Taf. 1 Fig. 1, 4). Verknöcherte der Condylus ganz, so würde dadurch ein typischer dreiteiliger Condylus entstehen, wie er bei Chelonia gefunden wird. An der verknöcherten Basis des Condylus beteiligen sich in erster Linie das Basioccipitale und weniger die Exoccipitalia. Diese bleiben durch das Basioccipitale getrennt, so dab letzteres durch die Ex- oceipitalia nicht von der Umgrenzung des Foramen magnum aus- geschlossen wird, wie dies bei Cheloniiden oft der Fall ist (vgl. SIEBENROCK 1897, p. 252). Doch sind diese Teile bei den verschiedenen Exemplaren von Dermochelys-Schädeln nicht gleich entwickelt. Die Condylusfläche des knöchernen Basioceipitales endigt mehr oder weniger weit vorn vor den Condylusflächen der Exoceipitalia (Taf. 1 Fig. 1), was die größere oder geringere Länge des knöchernen Condylushalses be- dingt. Der untere Rand des Condylusteils des Basioccipitales biegt sich bald nach unten aus, wie bei Schädel I (und bei GERVAIS 1872, tab. 5, fig. 2), bald verläuft er fast gradlinig, wie bei III u. V, bald biert er etwas aufwärts ein, wie bei IV. Mitten in die knöcherne Condylusfliche bohrt sich bei III, IV und V ein tiefes, _ bis 7 mm breites und etwas weniger hohes Loch, das bei I völlig 1) Man vergleiche dazuidie Tabelle $.. 15-16. Das Kopfskelet von Dermochelys eoriacea L. 21 fehlt; es beherbergte jedenfalls Reste der Chorda, die durch Knorpel und Verknöcherung nur unvollkommen ersetzt wurden. In der Knorpelkappe auf der knöchernen Condylusbasis bei VII ist keine Spur von diesem Loche vorhanden (Taf. 2 Fig. 12). Vor dem Condylus oceipitalis gibt das Basioceipitale seitlich die nur wenig nach unten gebogenen Tuberculi basioccipitales (SIEBEN- Rock) (Taf. 1 Fig. 1 u. 4, Taf. 2 Fig. 7, 12,13 u. 14 ib) ab, die kräftig ausgebildet sind. Sie werden durch die untern Flügel des Exoceipi- tales beiderseits verstärkt, während sich das Pterygoid kaum be- teiligt. Mit dem größten Teile seiner oberen Fläche bildet das Basi- occipitale den hinteren Boden der Gehirnhöhle im macerierten Schädel; nur in dem hintersten Drittel wird diese Fläche durch das Über- greifen der Exoccipitalia vom Foramen magnum her etwas einge- schränkt. Die vordere breite Fläche wird der Länge nach durch eine kräftige Crista basioccipitalis (Taf. 2 Fig. 13 er. bocc) geteilt, die ihre Fortsetzung in einem gleichen Gebilde des Basisphenoids findet. In dem verschmälerten hinteren Drittel senkt sich die Crista entweder ab, und die Fläche ist völlig glatt, wie bei I, oder der höckerige Knochen- kamm bleibt auf gleicher Höhe und füllt den Raum zwischen den Exoceipitalia bis zum Foramen magnum (III, Taf. 2 Fig. 15); da- bei kann er wieder etwas flacher werden (IV). Auch können von der Seite her Knochenleisten gegen die mediane Crista vorspringen, so daß fast kurze paarige Kanäle entstehen (V). Eine Erklärung dieser Verhältnisse liefert erst die Betrachtung der Knorpelteile des Schädels, wie wir später sehen werden (S. 79, 84). Seitlich von der vordern, durch die Crista geteilten Oberfläche erhebt sich der Knochen etwas (Taf. 2 Fig. 13) zur Verbindung mit dem Unterrande der Exoceipitalia; davor liegt noch ein Teil des seitlichen oberen Randes des Basioccipitales frei, die untere Grenze für den hinteren Teil der großen Öffnung in der medianen Vestibularwand (Taf. 2 Fig. 7) bildend, die am nicht macerierten Kopfe durch Knorpel geschlossen ist (Taf. 3 Fig. 17 ko). Über den lateral davor, etwas tiefer ge- legenen vordern seitlichen Ecken der oberen Seite des Basioccipitales liegen Teile der hier dauernd knorpligen Böden der Ohrkapseln. Eine Verbindung des Basioccipitales mit dem Opisthoticum fehlt wie bei Cheloniiden, während sie nach Srepenrock (1897, p. 251) sonst bei den Cryptodiren vorhanden ist. Das xoccipitale (Pareles Ries 41 Tafw2 Fig. 7,0812 exocc) von Dermochelys gleicht im großen ganzen dem der Chelo- niiden. Es liegt paarig zu beiden Seiten an und über dem Basi- 29 Lupwie Nick, occipitale und beteiligt sich an der Bildung des Condylus occipitalis und des Foramen magnum. Der größte Teil der Umgrenzung dieses Foramens, das ein vertikal gestelltes Oval bildet und etwa doppelt so hoch wie breit an seiner breitesten Stelle ist, wird von den obern Flügeln des Exoccipitales hergestellt; die Beteiligung des Supraoccipitales, das den oberen Verschluß bildet, ist gering. Außer den oberen Flügeln entsendet das Exoceipitale, von hinten gesehen (Taf. 1 Fig. 4; Taf. 2 Fig. 12), noch zwei weitere, einen seitlich nach außen, der sich an den Processus paroticus des Opisthoticums anlegt, und einen schräg nach unten am Basioccipitale entlang. In der median gelegenen Fläche des Exoccipitales, die die hintere Seiten- wand der Gehirnhöhle bildet, öffnen sich unten die inneren Foramina für den Nervus hypoglossus. Dieser Nerv tritt, im Gegensatz zu Chelonia und Chelydra, immer nur durch ein inneres Foramen in den Knochen, durchsetzt ihn, seitlich nach hinten und unten verlaufend, und mündet außen in den Winkel zwischen dem seitlichen und unteren Flügel (Taf. 1 Fig. 1; Taf. 2 Fig. 12). Nur ein Foramen externum nervi hypoglossi findet sich bei I und an dem Schädel, den BouLENGER (1889, p. 9) abbildet; bei den anderen Schädeln spaltet sich der Canalis n. hypoglossi in seinem Verlaufe, so daß 2 äußere Foramina auftreten, von denen das zweite, kleinere unter dem größeren liegt (ITI, IV, V, Gervais’ Abb. 1872, tab. 5 fig. 2, 6). Der vordere Rand der medianen Fläche liest mit seiner oberen Hälfte am Supra- occipitale: die untere Hälfte ist nach hinten ausgebuchtet, und an der unteren Ecke springt ein kleiner Höcker nach vorn und oben vor. Auf diese Weise kommt eine Ineisur zustande, die durch den medialen Rand der vom Opisthoticum gebildeten Hinterwand des knöchernen Labyrinths zum Foramen jugulare anterius (Taf. 2 Fig. 7 f. jug. ant) ergänzt wird. Dieses ist in der Regel vollständig, doch kommen bei I das Opisthoticum und der kleine Höcker des Exocci- pitales unten nicht zum Verschluß. Das Foramen jugulare anterius (vel. a. Kap. III, Fissura metotica S. 77ff.) ist ähnlich dem der Cheloniiden ein mehr vertikal gestellter Spalt; durch ihn gelangt die Vena jugularis interna aus der Gehirnhöhle heraus und bildet mit dem Sinus cavernosus zusammenfließend die Jugularvene. Auber- dem treten durch das Foramen jugulare anterius Nervus vagus und accessorius nach außen. Die Jugularvene zieht in dem Ausschnitt zwischen dem oberen und seitlichen Flügel des Exoceipitales hinten aus dem Schädel heraus, seitlich schräg unter dem äußern Foramen des Hypoglossus. Dieser Ausschnitt, die Incisura jugularis posterior, Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 93 ist bei einem Schädel (V) durch eine dünne Knochenlamelle gerade noch zu einem Foramen jugulare posterius geschlossen, ohne daB je- doch ein längerer Kanal fiir die Vena jugularis gebildet wird. Fast erreicht ist ein Verschluß des For. jug. post. auch bei VII. Bei allen anderen Schädeln aber klafft die Lamelle, die vom seitlichen Flügel heruntergeht, mehr oder weniger weit, ist auch wohl asym- metrisch (IV). Die Ineisura jugularis posterior (Taf. 1 Fig. 4; Taf. 2 Fig. 12 ine. jug. post) fließt dadurch mit der großen seitlichen Off nung auf der Hinterseite des Schädels zusammen (Taf. 1 Fig. 4; Taf. 2 Fig. 12 fe. po), die GROSSER u. BREZINA (1895) und SIEBENROCK (1897) bei Schildkröten als Foramen lacerum bezeichnen. Sie hat aber mit dem Foramen lacerum (posterius) der vergleichenden Anatomie durchaus nichts zu tun, denn als Foramen lacerum (posterius) wird bei Säugetieren (M. Weser 1904, p. 51) die Öffnung bezeichnet, durch die die Vena jugularis interna und der Nervus glossopharyngeus, vagus und accessorius austreten und die dem Foramen jugulare anterius der Schildkröten gleichzusetzen ist. Die in Frage stehende große Öffnung führt am macerierten Schädel zwischen Basioceipitale, Exoccipitale, Pterygoid, Quadratum und Opisthoticum von hinten direkt in die große innere Abteilung der Paukenhöhle, die Hasse (1871) und mit ihm SIEBENRocK (1897) als Recessus cavi tympani bezeichnen (die aber kaum Recessus genannt werden kann, da sie den eigentlichen Hauptteil der Paukenhöhle darstellt). Die Öffnung heiße Fenestra postotica. Durch sie treten bei Dermochelys die Carotis interna und ein Ast des Sympathicus in den Schädel, die bei Chelonia durch den Canalis caroticus (Hasse; Pterygoidkanal VAN BEMMELEN) in das Pterygoid eindringen.!) Heraus treten durch die Fenestra postotica der hintere Hauptast des Nervus facialis, N. glossopharyngeus, vagus und accessorius und die Vena jugularis. Das Exoceipitale ist verbunden mit dem Basioceipitale, Supra- occipitale und Opisthoticum. Dazu kann es noch in Verbindung treten mit dem Pterygoid, so bei IV auf der rechten Seite über dem Ende des Tuberculum basioccipitale und beiderseits bei V und bei dem Exemplar, das BouLENGER (1889, p. 9) abbildet; meist aber ist es durch das Tuberculum basioccipitale weit vom Pterygoid ge- trennt, entgegen dem, was bei Cheloniiden und Chelydriden auftritt, 1) Der Nervenast wurde schon durch KOsTLIN und HOFFMANN kon- statiert (s. VAN BEMMELEN 1896, p. 285); er vereinigt sich mit dem Ramus palatinus n. facialis und wird von Fucus (1910) wohl mit Recht mit dem N. petrosus profundus der Säugeranatomie identifiziert. 24 Lupwie Nick, wo eine feste Verbindung zwischen Exoccipitale und Pterygoid besteht. Das Supraoccipitale von Dermochelys (Taf. 1 Fig. 3, 4; Taf. 2 Fig. 7, 8, 11, 12 s.occ) ist dem aller anderen Schildkröten gegenüber charakterisiert durch die eigenartige Ausbildung der Crista supra- oceipitalis. Sie bildet einen kurzen stumpfen Höcker, der bald etwas über den Hinterrand des Schädels herausragt (I, II, III, V, Gervais 1872, tab. 5 fig. 1,3), bald aber durch die Parietalia völlig verdeckt wird (IV, BouLenGer’s Abb. 1889, p. 9). Die Parietalia beteiligen sich übrigens in jedem Falle etwas an dem Zustandekommen des Höckers, indem sich Knochenteile auf den vom Supraoccipitale ge- bildeten Teil des Höckers auflegen und mit ihm eine feste Naht eingehen. Nach unten schärft sich die Crista zu einer Kante zu, die nach vorn zum Foramen magnum zieht, wo sie in der Fläche des Supraoccipitales, die das Foramen magnum oben abschließt und den hintern Teil des Daches der Gehirnhöhle bildet, ausläuft. Die Kante ist meist ziemlich abgerundet, manchmal aber, wie bei IV, gratartig, so daß der untere Teil der Crista eher an die der Chelo- niiden erinnert. Auch kann beides asymmetrisch auftreten, wie bei V. Der vordere Teil des Supraoccipitales vor der Crista bildet wie bei allen Schildkröten so auch bei Dermochelys einmal mit seinem medianen Teil das Dach des hintern Teiles der Gehirnhöhle, dann aber schließt er auch mit seinen paarigen, nach unten gehenden und stark erweiterten Seitenteilen das knöcherne Labyrinth von oben her. Das mediane Verbindungsstück liegt unter den Parietalia, von denen aus sich jederseits eine Knochenleiste (par‘) nach unten er- streckt, die das Supraoccipitale zwischen sich nehmen (Taf. 1 Fig. 3; Taf. 2 Fig. 7, 8; auf Taf. 3 Fig. 17 ist die Leiste angeschnitten). Etwa in der halben Länge der Parietalia bricht dann das Supra- occipitale mit scharf abgeschnittenem Vorderrande plötzlich zwischen diesen Leisten ab, die noch weiter nach vorn ziehen (s. Parietale S. 52, 53). An diesen Vorderrand zwischen den Leisten setzt sich Knorpel an, der die Lücke davor ausfüllt und das eigentliche Dach der Gehirnhöhle nach vorn zu bildet, als vorderer Teil des primor- dialen knorpligen Tectum cranii, in dem nur das Supraoccipitale verknöchert. Der untere, nach unten konkave Teil der Mittelpartie zieht seitwärts als Teil der medialen Wand in der Schädelhöhle nach unten. Diese Fläche grenzt hinten an das Exoccipitale und vorn in ihrer untern Hälfte an das Prooticum; die vordere obere Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 95 Hälfte setzt den vorderen scharfen Rand des letztgenannten Knochens (Taf. 2 Fig. 7, 8) nach oben bis an das Parietale fort, da hier die Descensus parietales, die bei den Cheloniiden diesen Vorderrand be- decken, fehlen. Der mittlere Teil des unteren Randes der medialen Fläche bildet am trockenen Schädel den Oberrand der Lücke, die sich aus dem knöchernen Labyrinth in die Schädelhöhle öffnet (Taf. 2 Fig. 7) und die intra vitam durch Knorpel geschlossen ist. Die laterale Fläche des Seitenteils stellt den oberen Teil der medianen Wand der Fossa temporalis dar und wird hier unten vom Opisth- oticum und Prooticum begrenzt (Taf. 2 Fig. 8). Die 3 Knochen schließen aber nicht dicht aneinander, sondern es bleibt eine Lücke (Taf. 2 Fig. 8 7) zwischen ihnen, die beim lebenden Tiere durch Knorpel ausgefüllt ist. In den erweiterten unteren Seitenteilen des Supraoceipitales liegt ein Teil des knöchernen Labyrinths (Taf. 2 Fig. 11). Von unten gesehen tritt auf der medialen Seite der Sinus utriculi superior in den Knochen ein, in den Recessus pro sinu superiore utriculi (Taf. 2 Fig. 11 Rec. p. s.s.«) und laterai der Canalis semicircularis anterior (sagittalis) und posterior (frontalis). Die einfachen Verhältnisse im Labyrinthteil des Supraoccipitales, wie sie sich bei Cheloniiden finden — ein einfacher Recessus für den Sinus utriculi superior, in den sich 2 Incisuren öffnen, durch welche die Bogengänge eintreten —, trifft man bei Dermochelys nicht an. Es kommt hier zur Bildung von be- sonderen Orificia für die Bogengänge; dabei erleidet SIEBENROCK'S Regel (1897, p. 255), wonach bei den Schildkröten immer zuerst ein Orificium can. sem. ant. ausgebildet werden soll, wenn es einmal zur Bildung solcher kommt, eine Ausnahme: in den beiden mir vor- liegenden Supraoccipitalia (von III und IV) sind Orificia can. sem. post. beiderseits vorhanden, während bei III beiderseits ein klaffender Spalt das Lumen des Orificium can. sem. ant. mit der großen Öffnung für den Sinus utriculi superior verbindet, und ebenso bei IV auf der rechten Seite, während links eben eine Verbindung zustande gebracht wird. Jedenfalls geschieht dies auch sonst bei fort- schreitender Verknöcherung des Schädels in höherem Alter, aber früher dürfte wohl immer bei Dermochelys das Orificium can. sem. post. zum Abschluß kommen. Übrigens wird das Orificium, wo es im Supraoceipitale noch nicht erreicht wird, dennoch durch einen von der lateralen Kante des Prooticums ausgehenden Fortsatz (Taf. 2 Fig. 11 g), welcher medianwärts zieht, und einen ähnlichen lateral- wärts ziehenden Fortsatz (Taf. 2 Fig. 11 p) des Supraoccipitales 26 Lupwie Nick, abgeschlossen; der Fortsatz des Prooticums liegt, falls dann (wie bei IV links) im Supraoceipitale das Orifieium selbst ge- schlossen wird, unterhalb des zustande gekommenen Steges und ver- stärkt ihn. Sehr auffallend sind bei Dermochelys vor und hinter dem Vesti- bularteil die eigentümlich wulstigen Flächen auf der Unterseite, da wo sich das Opisthoticum und das Prooticum ansetzen; die Naht- flächen unterscheiden sich von den Knochennähten zwischen den Deckknochen bei Dermochelys dadurch, daß beim Aufeinanderpassen der Knochen beträchtliche Lücken freibleiben; auch treten weniger Leisten und Kanten auf, die ineinander passen wie Nut und Feder, sondern Höcker und unregelmäßige Wülste. Diese Erscheinung zeigt sich so ziemlich zwischen allen knorplig präformierten Knochen von Dermochelys; die Lücken zwischen ihnen sind im Leben mit Knorpel ausgefüllt. An die Knochenelemente des Occipitalringes, von denen das Supraoccipitale bereits zur Umschließung des knöchernen Labyrinths beiträgt, reihen sich die weiteren Knochen der Gehörregion an. Hier wäre zunächst das Opisthoticum (Taf. 1 Fig. 1, 4; Taf. 2 Fig. 7, 8, 9, 11, 12 opot) zu besprechen, das auch noch beim Abschlusse des Schädels nach hinten eine Rolle spielt, denn es stellt aufder Hinterseitedie Verbindung der Exoceipitalia mit den seitlichen Elementen des Schädels dar. Es zieht vom Supraoccipitale und Exoccipitale vor allem an das Quadratum, während eine Verbindung des Knochens mit dem Squamosum bei Dermochelys meistens unterbleibt. Das laterale hintere Ende des Processus paroticus (Taf. 1 Fig. 4 pr. pa) des gegenüber dem Opisth- oticum der Cheloniiden ziemlich gestreckten Knochens strebt zwar mit einer Verdickung — „les opisthotiques sont plus renfles a leur point de jonction avec la saillie apophysaire des mastoidiens“ bemerkt GERVAIS (1872, p. 204) treffend — nach dem Processus squamosus hin, erreicht aber am macerierten Schädel kaum eine Verbindung (eventuell bei GERVAIS [1872, tab. 5 fig. 2, 6] und fast bei V), sondern beide Knochen bleiben durch einen weiten Spalt getrennt. Dies bedeutet aber keinen fundamentalen Unterschied gegenüber dem Cheloniidenschädel, der in eine Reihe mit dem Fehlen der Descensus parietalesund dem eigenartigen Verhalten des Quadratojugale zu stellen ist, wie dies BouLENGER. tut, denn das dauernd knorplig bleibende Ende des Processus paroticus (Taf. 2 Fig. 12 #. pr. pa) erreicht diese Verbindung regelmäßig, wie das Ver- halten bei VII zeigt und wie Knorpelreste an dieser Stelle bei den macerierten Schädeln beweisen. An der Bildung der Incisura jugu- Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. oz laris posterior hat das Opisthoticum bei Dermochelys keinen Anteil, wie dies SIEBENROCK (1897, p. 257) annimmt. Vielmehr fällt dieser ganz in den Bereich des Exoccipitales, wie das Verhalten bei V beweist, wo ein Foramen jugulare posterius nur durch diesen Knochen gebildet ist, und auch bei allen übrigen Schädeln einschließlich dem von GERVAIS abgebildeten Pariser Exemplare gehört die Knochen- lamelle (Taf. 1 Fig. 4; Taf. 2 Fig. 12 x), die ein Foramen jugulare posterius zu bilden.bestrebt ist, nur dem Exoccipitale an. So könnte man den 6 Arten, auf die bei Schildkröten das Foramen jugulare posterius nach SIEBENROCK (1897, p. 257, 258) zustande kommen kann, noch eine 7. hinzufügen: Bildung des Foramen jugulare po- sterius durch Exoceipitale und Verschlußmembran der Fenestra post- otica, wenn man es nicht vorziehen will, nach dem Verhalten bei dem ganz ausgewachsenen Schädel Dermochelys zu SIEBENROCK’S zweiter Kategorie zu zählen, wo das Foramen jugulare posterius im Exoceipitale allein liegt. In parenthesi sei noch dazu bemerkt, daß das Foramen jugulare posterius auch bei einem mir vorliegenden Schädel von Macroclemmys temminckii und einem von Chelydra ser- pentina im Exoccipitale allein liegt und nicht von Opisthoticum und Exoccipitale gemeinsam umschlossen, wie es SIEBENROCK gefunden hat; wahrscheinlich variiert das Verhalten bei diesen Formen. Nach vorn liegt das Opisthoticum an Quadratum und Prooticum und begrenzt mit diesen beiden Knochen eine ziemlich große Öffnung, die dem ebenso gelegenen Canalis caroticus externus !) (besser: Ca- nalis arteriae facialis) der Cheloniiden und Chelydriden entspricht, aber hier wegen der sehr geringen Länge kaum als Kanal bezeichnet werden kann, sondern vielmehr einfach als Foramen arteriae facialis (Taf. 2 Fig. 8 f. art. fac). Dieses öffnet sich also von dem inneren Raume des Cavum tympani in die Fossa temporalis; es liegt ziem- lich weit hinten, so daß es auf einer Gaumenansicht des Schädels noch eben hinter dem Pterygoide sichtbar wird. Durch das Foramen tritt bei Dermochelys wie bei Cheloniiden nicht die Carotis externa, sondern das von RATHKE (1857) bei Sauriern als Arteria facialis be- zeichnete Gefäß, ein sehr starker Zweig der Carotis interna, der sich erst nach dem Eintritte dieser in den Schädel abspaltet. Der vordere Teil des Opisthoticums ist ausgehöhlt, um den 1) SIEBENROCK nimmt mit diesem Terminus Bezug auf die alte Corrrsche Bezeichnung Arteria zarotis externa für die Arteria facialis RATHKE’s. 28 LupwiG Nick, hinteren Teil des Labyrinths aufzunehmen (Taf. 2 Fig. 11). Man erblickt von vorn eine ziemlich tiefe Grube, die dazu bestimmt ist, die Ampulla posterior zu beherbergen, den Recessus ampullae pos- terioris (Taf. 2 Fig. 11 rec. amp. post). In diesen münden von oben her der Canalis sem. post. und lateral der Canalis sem. ext. Während bei allen Schildkröten mit Ausnahme von Testudo (nach SIEBENROCK 1897, p. 258) durch knöcherne Spangen abgeschlossene Orificia für die Bogengänge vorhanden sind, muß hier auch Dermochelys ausgenommen werden. Der Pessulus posterior,!) der ein Orificium für den Canalis sem. post. im Opisthoticum schaffen würde, ist nicht vorhanden. Ein Steg für diesen Kanal gehört, so- weit er verknöchert, bei Dermochelys nur dem Supraoccipitale an. Ein Pessulus externus (Taf. 2 Fig. 11 pess. e) dagegen, der den Canalis sem. ext. abgrenzt, ist ausgebildet, wenn auch der obere Verschluß eines Orificium can. sem. ext. im Opisthoticum nicht völlig erreicht wird, sondern ein kleiner Spalt bleibt, der aber auch von oben, durch das Supraoccipitale, ganz geschlossen wird. Die Wandung des Recessus ampullae posterioris zeigt an ihrer Umrandung zwei Incisuren: eine am lateralen Außenrand unten und eine am hintern Rande. Die 1. Incisur wird durch eine ebensolche am Hinterrande des Prooticums oben und vorn begrenzt und bildet, im Leben durch Knorpel von unten her zum Fenster geschlossen, die Fenestra ovalis (Taf. 2 Fig. 11 fe. ov‘), die von der Fußplatte der Columella auris ausge- füllt wird. Der 2. Ausschnitt (Taf.2 Fig. 11 f. pl‘) an der unteren Kante wird durch Vorsprünge des Basioccipitales und Exoccipitales, hauptsäch- lich aber auch durch Knorpel zum Loche ergänzt. SIEBENROCK hat dieses als Foramen rotundum seu cochleae bezeichnet, eine Deutung, die auch Hasse, ReTzrus, CLason und Gaurr vertreten. Nach VERsLUYS (1897) aber handelt es sich nur um den Durchgang für den Ductus perilymphaticus, während die eigentliche Fenestra rotunda am trockenen Schädel nicht besonders gekennzeichnet ist; sie wäre eventuell (von einer Membran verschlossen) nach außen davon, direkt hinter dem nach unten ragenden Knochenstück zwischen der Fenestra ovalis und dem Foramen perilymphaticum, zu suchen in der durch Knorpel vervollständigten Apertura lateralis recessus scalae tympani 1) Um die mehrfach verwandte Bezeichnung Columella, die auch für die die Bogengänge abtrennenden Stege im knöchernen Labyrinth ge- bräuchlich ist, zu vermeiden, möchte ich diese Gebilde als Pessuli be- zeichnen, ein Terminus, der sonst nur für den im Syrinx der Vögel vor- kommenden Steg oder Balken im Gebrauche ist. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 29 (vgl. S. 89) an der medialen Wandung des inneren Teiles des Cavum tympani. Letzterer Deutung haben sich in neuerer Zeit SCHAUINSLAND (1900, p. 846) und A. A. Gray (1908, p. 521—524) ebenfalls angeschlossen. Gaupp (1905, p. 760) bezeichnet die soge- nannte Fenestra cochleae der Saurier auch als Foramen perilym- phaticum, bemerkt jedoch (p. 761), daß diese in der Hauptsache dem Foramen cochleae der Säuger entspreche, was nach der eben dargelegten Auffassung nicht zutrifft. Über dem genannten, nach unten ragenden Knochenstück (von SIEBENROCK nach Brünn als Laqueus Oweni bezeichnet [Taf. 2 Fig. 11 !. oj) liegt am Unterrande des Recessus amp. post. im Opisthoticum eine Öffnung, die dem Nervus glossopharyngeus zum Durchtritt dient, das Foramen externum nervi glossopharyngei (Taf. 2 Fig. 11 f. ext. IX). Dieser Nerv gelangt wie bei Cheloniiden im Foramen internum n. glossopharyngei (Taf. 3 Fig. 17, 19 f. int. IX) durch den Knorpel, der die Lücke in der medialen Wand des Laby- rinths zwischen Supraoceipitale, Opisthoticum und Prooticum füllt (Taf. 3 Fig. 17 ko), in das Vestibulum, worauf er durch das Foramen ext. n. glossoph. wieder austritt und durch die Fenestra postotica aus dem Schädel gelangt. Der eigentümliche Verlauf des Glosso- pharyngeus durch die Ohrkapsel wurde zuerst von Bosanus (1819, p. 34) für Emys orbicularis L. (Testudo europaea Bos.) und für Chelonia midas nach Rerzıus (1884, p. 15) 1846 von Issen beschrieben; eine eingehende Darstellung finden wir bei SIEBENROCK (1897, p. 259), und im Speziellen für Chelonia und den Embryo von Chelonia macht Gaupp (1905 b, p. 787) in Herrwie’s Handbuch Angaben. Es han- delt sich also hier um eine altbekannte Tatsache und nicht, wie man nach der Form einer Bemerkung von Fucus (1910, p. 92) über den Glossopharyngeus bei Chelonia und Emys annehmen könnte, um eine neue Entdeckung. Schließlich wäre noch einmal hervorzuheben, daß die mediale Kante der Hinterwand des Vestibularteiles mit dem Exoccipitale das Fo- ramen jugulare anterius (Taf. 2, Fig. 7 f. 7. a) bildet, welches bereits beim Exoccipitale abgehandelt wurde. Das knöcherne Labyrinth wird nach vorn durch das Prooti- cum (Taf. 2 Fig. 7, 8, 9, 11; Taf. 3 Fig. 17 prot.) zum Abschluß gebracht, einen Knochen, der bei Dermochelys ungefähr dieselbe Ge- stalt hat wie bei den Cheloniiden und auch dieselbe Lage, wenn man davon absieht. dab er bei Dermochelys infolge des Fehlens der Des- census parietales nicht mit dem Parietale in Berührung kommt; 30 Lupwie Nick, eben deshalb fehlt hier ein Foramen sphenoidale, das sonst durch das Prooticum von hinten geschlossen wird (vgl. S. 123 ff.). Die Vorderränder der Prootica ziehen. als Verlängerung der vordern scharfen Kanten der Seitenteile der Supraoccipitalia nach unten bis auf das Basisphenoid; hier geht noch ein kleiner Knochen- fortsatz (Taf. 2 Fig. 8 n) nach vorn, der manchmal (I) die hintere Umrandung der Incisura nervi abducentis am Basisphenoid erreichen und verstärken kann. Lateral davon bildet das Prooticum den oberen Rand der vorderen Öffnung des Canalis cavernosus, des Foramen cavernosum (Taf. 2 Fig. 9 f. cav).1) Die untere Fläche des Prooticums bildet bei Dermochelys das Dach des Canalis cavernosus; an der oberen Begrenzung eines even- tuell vorhandenen, vom Lumen des Canalis cavernosus abgespaltenen Canalis caroticus (s. S. 45) beteiligt es sich nicht oder nur ganz hinten. Sonst wird dieser Kanal von Pterygoid und Basisphenoid allein umschlossen. In die untere Fläche des Prooticums öffnet sich das ziemlich große Foramen externum für den Canalis nervi facialis im Prooticum (Taf. 2 Fig. 11 7, 2). Dieser Nerv tritt durch das gleich zu besprechende Foramen internum n. facialis in das Pro- oticum und dann durch das Foramen externum n. facialis in den Canalis cavernosus. Hier spaltet er einen durch das Foramen cavernosum nach vorn ziehenden Ramus palatinus (— Nervus vidianus) ab, während der nach hinten ziehende Hauptast im Canalis cavernosus ver- läuft. Auffallenderweise zeigen sich nun an Stelle des einen äußeren Foramens für den Facialis bei V beiderseits deren zwei, während nur ein inneres Foramen vorhanden ist. Wahrscheinlich ist dies so zu erklären, daß die Spaltung des Nerven in Ramus palatinus und hintern Hauptast schon im Innern des Knochens vor sich gegangen ist, während sie sonst gleich nach dem Austritt durch das eine äußere Foramen zu erfolgen pflegt. Übrigens ist bei V die Lage jeder der beiden Öffnungen nicht dieselbe wie bei einem in Ein- zahl vorhandenen Foramen externum n. facialis; während letzteres nur vom Prooticum umschlossen ist, beteiligen sich bei V an der Umrandung des verdoppelten Foramens auch die nach oben gerichteten Leisten der Pterygoide, die hier beiderseits einen Canalis caroticus vom Canalis cavernosus abspalten (vgl. Pterygoid). 1) Ich wähle diese Bezeichnung für Foramen jugulare internum (SIEBENROCK), da wir sonst drei Foramina jugularia am Schildkröten- schädel haben, was leicht zu Verwechselungen Anlaß geben kann. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 31 Bei I. durchbohrt ein zweiter Kanal vor dem einfachen Facialis- kanal das Prooticum, und zwar nur auf der rechten Seite; er geht durch den erwähnten vorderen Vorsprung (Taf, 2 Fig. 8 n), der auf dem Basisphenoid liegt. Links findet sich an der Stelle dieses kurzen Kanals in dem Vorsprung nur ein Einschnitt von oben her. Außer bei I treffe ich diese Bildung an dem ganzen Kopfe VII, aber hier auf der linken Seite an der Grenze des verknöcherten Prooti- cums und des darunter zwischen Prooticum und Basisphenoid noch erhaltenen Knorpels (Taf. 3 Fig. 17 n. f); auf der rechten Seite von VII fehlt jede Spur des Foramens; nach dem Verhalten des Facialis- kanals bei V könnte es nahe liegen, hier vielleicht an eine vollkommene Spaltung dieses Kanals zu denken. Diese Annahme verbietet sich aber dadurch, daß der Kanal für einen Ast des Facialis viel zu weit vorn, wenig hinter der Incisura n. abducentis am Basisphenoid, liegt. Eher ließe sich diese Bildung als ein Gefäßloch deuten; Sicherheit darüber ist am macerierten Schädel natürlich nicht zu erlangen, aber auch VII läßt uns hier im Stiche, da das Gewebe, das die enge Öffnung ausfüllt, zu sehr der Zerstörung anheimgefallen ist; die Embryonen weisen an der Stelle nichts besonderes auf. Die medial gelegene Fläche des Prooticums von Dermochelys (Taf. 2 Fig. 7; Taf. 3 Fig. 17) ist von geringer Ausdehnung; sie begrenzt die mehrfach erwähnte Lücke in der inneren Vestibular- wand von vorn (Taf. 3 Fig. 17). In diese Fläche ist bei Dermo- chelys, Chelonia und Chelydra eine flache Grube eingesenkt, die die inneren Foramina für Nervus facialis und acusticus enthält und die ich deshalb als Fossa acustico-facialis bezeichne (Taf. 2 Fig. 11; Taf. 3 Fig. 17, 19,.21 f. af). — Sie entspricht dem sehr viel tieferen Meatus acusticus internus der Säuger, eine Bezeich- nung, die Hasse und SIEBENROCK auch auf Schildkröten über- tragen, die aber, wenigstens bei den vorgenannten Arten, durchaus nicht treffend ist. Die in der Fossa acusticofacialis am Schädel von Dermochelys am meisten vorn und unten gelegene größere Oftnung dient dem Nervus facialis (Foramen internum n. facialis, Taf. 2 Fig. 11 f. int. VID. Dahinter finden sich noch 2 größere Öffnungen, die Foramina acustica, für Ramus anterior und posterior n. acustici (Taf. 2 Fig. 11 2, 2; inc. VIII, 2). In der Umgebung des Foramen anterius n. acustici gehen 1 oder 2 kleinere Foramina nach innen durch, wahrscheinlich für kleine Gefäße (Taf. 2 Fig. 11 ie. g), viel- leicht auch für kleinere Nervenäste, die sich bereits hier abspalten. Das Foramen posterius n. acustici kommt öfter (bei III links, bei IV 32 Lupwie Nick, rechts) im Knochen nicht völlig zum Verschluß und wird dann durch die knorplige mediane Ohrkapselwand ergänzt. Bei VII (Taf. 3 Fig. 17) liegen noch beide Foramina acustica im Knorpel; die Ver- knöcherung wird also auch hier erst in höherem Alter vollständiger. Die besprochenen Öffnungen (mit Ausnahme des For. int. n. facialis) führen alle in den großen Hohlraum, den SIEBENRocK (1897, p. 271) nach Scarpa als Fovea major bezeichnet und der die vordere Hälfte der Organe des Innenohres beherbergt. Die Fovea major im knöchernen Prooticum (Taf. 2 Fig. 11 fo. ma) ist wesentlich flacher als der Recessus ampullae posterior im Opisthoticum, so daß auch ich die Bezeichnung Fovea an Stelle von Recessus beibehalte. Im Grunde dieses Hohlraumes finden die Ampulla anterior und externa Platz. In ihre laterale Umrandung schneidet eine Incisur für den Canalis semicircularis externus (Taf. 2 Fig. 11 ine. c.s.e), der bei den Schildkröten gewöhnlich im Prooticum kein eignes Orificium hat. Ein Abschluß gegen den Binnenraum ist für den Canalis sem. ext. nur im Opisthoticum durch den Pessulus externus erreicht. Aber auch für den Canalis sem. anterior, der von oben her eintritt, ist nur ein Ausschnitt vorhanden (Taf. 2 Fig. 11 ine. c. s. a), entgegen dem, was nach SIEBENROCK (1897, p. 271) bei allen übrigen Schild- kröten eintritt, wo ein Pessulus anterior im Prooticum vorhanden ist. Zum Abschluß gebracht wird aber ein Orificium can. sem. ant. bei Dermochelys durch das Zusammenwirken von Prooticum und Supra- occipitale. Im Labyrinthteil dieses letzteren Knochens wird dem medial gerichteten Fortsatze des Prooticums (Taf. 2 Fig. 11 g), der ein Orificium im Prooticum zu erzielen sucht, ein ähnlicher Fortsatz (Taf. 2 Fig. 11 p) entgegengeschickt, so dab auf diese Weise ein Steg zustande kommt. Ein Ausschnitt im Unterrande der Fovea major bildet den Vorderrand der Fenestra ovalis (Taf. 2 Fig. 11 fe. ov), die, wie erwähnt, hinten durch einen Ausschnitt im Opisthoticum und unten durch Knorpel geschlossen wird. Ebenfalls erwähnt wurde die Beteiligung des Hinterrandes des Prooticums an der Umgrenzung des Foramen arteriae facialis (Taf. 2 Fig. 8 f. art. fac) sowie die Lücke, die am trockenen Schädel zwischen Prooticum, Opisthoticum und Supraoccipitale ausgespart bleibt (Taf. 2 Fig. 8 D). Hier findet sich bei III. jederseits und bei IV im Rande des Prooticums ein kleiner Kanal, der von außen in das Vestibulum führt und einem Gefäße als Durchgang dient (Taf. 2 Fig. 11 can. g). Wo das Gefäß keinen eignen Kanal im Prooticum Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 33 hat, zieht es durch den Knorpel in der Lücke zwischen den 3 peri- otischen Knochen. Von den Knochen, die, median an den Boden der Gehörregion an- schließend, den Boden der Schädelhöhle bilden, haben wir das Basi- occipitale bereits kennen gelernt. Daran schließt sich nach vorn das sogenannte Basisphenoid von Dermochelys an, das bislang gewöhnlich als einheitlicher Knochen gegolten hat, abgesehen davon, daß C. K. Horrmann (1890, p. 62, 65) ein besonderes Praesphenoid abtrennen wollte, was von SIEBENROCK (1897, p. 261) in Anschluß an eine ältere Arbeit von RATHKE (1848, p. 51) mit Recht zurückge- wiesen wurde. Und doch birgt der in Frage kommende Knochen bei Dermo- chely zwei Elemente in sich, einen Deckknochen, das Para- sphenoid(Taf. 1 Fig. 1; Taf. 2 Fig. 7, 8, 9, 13, 14; Taf. 3 Fig. 17 ps) und ein knorpelig präformiertes Basisphenoid, die fest mitein- ander verwachsen sind. Für Dermochelys wurde das Parasphe- noid schon 1906 durch VersLuys festgestellt und von demselben Autor 1909 ausführlich beschrieben und 1910 gegen Deutungen von Fucus verteidigt. Ein Parasphenoid kommt auch anderen Schild- kröten zu; so beschreibt es Fucus bei Emys (1907a, p. 453; 1910, p. 83), Gaupp bei Podocnemis (1905a, p. 301), was Fucus (1910, p. 84) bestätigt; Gaupp vermutet es nach SIEBENROCK’S Darstellung auch bei Chelydiden (1905 a, p. 301; 1905 b, p. 790). Ferner ist bei Chely- driden ein Parasphenoid vorhanden (VersLuys 1909, p. 289) und dürfte wohl überhaupt bei Schildkröten ziemlich verbreitet, aber, da es mit dem Basisphenoid verschmilzt, am Schädel erwachsener Tiere nur schwer festzustellen sein. Ein Rostrum parasphenoidale will Gaupp (1905b, p. 790) bei Chelonia und Testudo erkennen.!) Fucus (1910) bestreitet nach seinen Befunden bei Chelonia imbricata das Vorhandensein irgendwelcher Spuren eines Parasphenoids bei dieser Form. Aus den Verhältnissen bei dieser Cheloniide glaubt Fucus auch die von Dermochelys deuten zu können, indem er das Rostrum parasphenoidale letzterer dem aus primordialen Teilen hervorgehen- den Rostrum basisphenoidale der Cheloniiden homolog setzt und Knochenlamellen, die die Pterygoide von Dermochelys teilweise von unten bedecken, als Teile des Basisphenoids anspricht, die sich in geringerer Ausdehnung auch beim Embryo von Chelonia fänden; er 1) Nach späterer mündlicher Mitteilung an Herrn Dr. VERSLUYS nimmt GAUPP seine Angaben über ein Parasphenoid bei Chelonia zurück. Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 3 34 Lupwie Nick, verkennt dabei völlig die Gründe, die VersLuys eigentlich zur An- nahme eines Parasphenoids bei Dermochelys führten (vgl. VERSLUYS’ Erwiderung 1910). VeERSLUYS stützt seinen Beweis für das Vorhandensein eines Parasphenoids auf das Auftreten eines typischen Rostrum para- sphenoidale (Taf. 2 Fig. 9, 13 r. ps) am ausgewachsenen Schädel von Dermochelys (III), das sich von dem Rostrum basisphenoidale der Cheloniiden unterscheidet durch seine dorsoventrale Abplattung, sein zugespitztes Vorderende, das Fehlen der rauhen Fläche, an der das knorpelige Interorbitalseptum ansetzt, und durch die Selbständigkeit des Rostrums gegenüber den knöchernen Trabekelbasen. Über die Ausdehnung des Parasphenoids nach hinten kann VERSLUYS keine bestimmten Angaben machen (1909, p. 287, 288). Betrachtet man bei Dermochelys das isolierte „Basisphenoid“ der älteren . Autoren von der Hinter- und Außenseite, so fällt eine Furche (Taf. 2 Fig. 7 gr) etwas unter halber Höhe des ganzen Knochens auf, die sich bei den mir vorliegenden Stücken (III und IV) an der Außen- seite nicht sehr weit nach vorn erstreckt, aber doch unwillkürlich an den Rest einer groben Naht zwischen Parasphenoid und Basi- sphenoid denken läßt. Nach einer freundlichen Mitteilung von Herrn Dr. Verszuys ist dieselbe bei einem kleineren Schädel des American Museum of Natural History in New York so ausgesprochen, daß von O. P. Hay Versuche gemacht wurden, beide Knochenelemente durch Maceration zu isolieren, was indessen nicht gelang. Die Bestätigung, daß wir in dieser auffallenden Grenzfurche den Rest einer Knochen- naht vor uns haben, liefert der etwas rechts von der Mediane durch- sägte Kopf VII. Hier sind in entsprechender Höhe auf der Schnitt- fläche Basisphenoid und Parasphenoid für die ganze Länge des Basisphenoids durch eine deutliche Naht, in der noch Bindegewebe des Periosts erhalten ist, voneinander getrennt (Taf. 3 Fig. 17); das Parasphenoid reicht bis zum Hinterrande des Basisphenoids und be- deckt dieses von unten her vollständig; vorn erhebt es sich etwas, während es sonst in gerader Linie an die gerade begrenzte Unter- fläche des Basisphenoids stößt. Auch an der Vorderseite, am Dorsum sellae, bezeichnet eine unter den knöchernen Trabekeln verlaufende, median etwas ansteigende Furche die Grenze zwischen Basisphenoid und Parasphenoid (Taf. 3 Fig. 17 gr‘). In der Struktur und Färbung der beiden Knochen ist ebenfalls ein deutlicher Unterschied bemerkbar. Die Knochenmasse des Basisphenoids erscheint heller und schwammiger als die des Parasphenoids darunter. — Weiter zeigt Kopf VII, dab das Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 35 Rostrum (Taf. 3 Fig. 17 r. ps), worauf ja auch das Fehlen der bei Chelonia vorhandenen rauhen Fläche am Vorderende des Rostrum basisphenoidale hinweist, frei unter dem Septum interorbitale endet; dessen Unterrand liegt über ihm, wie er über dem Vomer und den Palatina liegt, während er sich bei Cheloniiden hinten in das knöcherne Rostrum fortsetzt. Dies allein dürfte genügen, eine Homologie des Rostrum parasphenoidale von Dermochelys mit dem Rostrum basi- sphenoidale von Chelonia auszuschlieben. Nach Fucus hat Verstuys als einen Grund, der für ein Para- sphenoid bei Dermochelys beweisend sein sollte, die teilweise Be- deckung der Pterygoide durch das Parasphenoid von unten her an- geführt (was tatsächlich nicht als Argument herangezogen wird; vel. Verstuys 1909 und 1910). Fuchs wendet sich dagegen, indem er geltend macht, daß auch bei Chelonia embryonal zum Basisphenoid gehörige Knochenlamellen die Pterygoide auf kurze Erstreckung unten übergreifen können. Ich kann dies am Basisphenoid eines Embryos von Chelonia ebenfalls konstatieren, aber nicht durchgehend für den ganzen Rand des Basisphenoids und in sehr geringer Aus- dehnung; bei 6 mir vorliegenden Schädeln von Chelonia fehlt jede Spur eines Übergreifens des Basisphenoids auf die Pterygoide, viel- mehr beschränken diese das Basisphenoid in seiner sichtbaren Unter- fläche. Unter diesen Umständen ist das mächtige Übergreifen von Knochenteilen über die Pterygoide bei der erwachsenen Dermochelys Chelonia gegenüber recht auffallend und, wenn man dazu die Inkon- stanz in der Form perichondraler Knochenlamellen beim Embryo von Chelonia bedenkt, ein außergewöhnlich großer gradueller Unterschied. Allgemein gibt auch die Tatsache zum Nachdenken Anlaß, daß am Schädel von Dermochelys die Ersatzknochen nirgends die Neigung zeigen, große Lamellen zu bilden, wohl aber die allermeisten Deck- knochen, wie in der Schädelbasis Palatinım, Vomer, Pterygoid. Wäre nun eine Verstärkung der Schädelbasis durch eine festere Verbindung der Knochen nötig — denn anderes könnten sekundäre Lamellen des Basisphenoids wohl kaum bezwecken —, so dürfte es unter diesen Umständen wahrscheinlicher sein, daß sie von den Ptery- goiden ausgingen und nicht vom Basisphenoid, wie dies übrigens auch bei Chelonia angebahnt ist. Ganz sichere Beweise für das Vorhandensein eines Parasphenoids bei Dermochelys liefern uns auch die Schnittserien durch die Köpfe der reifen Embryonen A und B. Wie ich im folgenden Kapitel näher auszuführen habe, trifft die Vermutung von Fucus (1910, p. 89), daß 9 Dis 36 Lupwie Nick, die primordialen Skeletverhältnisse in der hier in Frage kommenden Region bei Dermochelys ähnlich liegen wie bei Chelonia, zu, jedoch führt die Ausgestaltung dieser bei Dermochelys zu ganz anderen Ver- hältnissen als bei Chelonia. Eine Intertrabecula (PARKER; Taenia intertrabecularis Fucus) (S 107, Fig. G, H; S. 110, Figo J; Pare Fig. 32; Taf. 8 Fig. 40 zt) tritt wie bei Chelonia auf, wo sie übrigens embryonal höchstwahrscheinlich ganz anders entsteht, als es Fucus annimmt (vgl. unten S. 108 Anmerkung); sie liegt wie hier zwischen den Trabekeln, etwas tiefer als diese, und steht hinten mit dem Dorsum, vorn mit dem Septum interorbitale und den Trabekeln in Verbindung; über ihre Schicksale vg]. S. 109, 112. Unter der Inter- trabecula liegt das Rostrum parasphenoidale (Taf. 6 Fig. 32 r. ps), durch Periost wohl von ihr getrennt; es verbreitert sich nach hinten, und das Parasphenoid verschmilzt in der Gegend des Dorsum sellae mit perichondralen Knochenlamellen der Basalplatte, von denen es in dieser Region schwer sicher abzugrenzen ist. In seiner ganzen hinteren Partie ist das Parasphenoid wieder durch Periost vom Knorpel der Schädelbasis wohl gesondert (Fig. A) und reicht, sich Labyrinth Fig. A. Schnitt durch die Schädelbasis von Dermochelys coriacea, Embryo B, in der Höhe der Fenestra ovalis. 15,6:1. bg Bindegewebe. bp Basalplatte. car.i Carotis in- terna. c.c Cavum cranii. ch Chorda. fe. ov Fenestra ovalis. pter Pterygoid. ps Parasphenoid. r.p p Ramus petrosus profundus. nach hinten wieder verschmälernd, bis in die Breite der Fenestra ovalis, also etwa der Ausdehnung des Basisphenoids der Erwachsenen nach hinten entsprechend. Die eben erwähnte Verbindung mit den perichondralen Knochenlamellen ist bei Embryo B nur sehr wenig, bei A mehr vorhanden; dieser ist offenbar, wie auch aus dem Ver- halten der Intertrabecula hervorgeht (vgl. S. 109), in dieser Gegend weiter entwickelt als B. — Die Platte des Parasphenoids der Em- Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 37 bryonen von Dermochelys greift noch kaum unter die Pterygoide herüber; sie ist verhältnismäßig dick und in die Knorpelmasse der Basalplatte ein- gesenkt und, um dies zu wiederholen, durch Periost wohl davon isoliert. Für Chelonia streitet Fucus (1910, p. 88) das Vorhandensein eines Parasphenoids auf das Bestimmteste ab. Ich kann bestätigen, daß sich beim reifen Embryo unter der Basalplatte keinerlei An- zeichen eines solchen finden. Daß an dem Rostrum basisphenoidale Teile eines Parasphenoids teilnehmen, ist auch wenig wahrscheinlich. Doch möchte ich die Parasphenoidfrage bei Chelonia nicht in so be- stimmter Weise verneinen, wie dies Fucus tut, da es nicht ausge- schlossen ist, daß sich in den chondrifugalen Knochenlamellen an der ventralen Seite der Intertrabekel beim Embryo auch Teile eines Parasphenoids verbergen, die man vielleicht an einem günstigen Objekt einmal isoliert finden könnte. Bemerkenswert ist, dab die Ausdehnung dieser Knochenlamellen ziemlich wechselt; bei dem Embryo, den Fucus behandelt, sind sie stärker entwickelt als bei meinem Exemplar; es ist aber auch zu bedenken, daß es sich bei ersterer um Chelonia imbricata, bei letzteren um Chelonia midas be- handelt und so möglicherweise Artunterschiede mitsprechen. Dagegen haben wir bei Chelydra wieder sicher ein Parasphenoid CO ME Me Nate Omiic: 739% 60778): "Die Intertrabekel fehlt hier völlig, und das Parasphenoid bildet den einzigen Ver- schluß der Fossa hypophyseos von unten her. Isoliert ist es beim Embryo nur in der vorderen Hälfte des Rostrums und an der Stelle des Eintritts der Arteria cerebralis in das Cavum cranii; dahinter ist es mit der Basalplatte, davor mit dem perichondralen Knochen der Trabekel verschmolzen. An dem zu einem Knochen vereinigten Basisphenoid und Parasphenoid der Erwachsenen macht sich das Rostrum parasphenoidale durch seine freie, zwischen den Trabekeln und etwas tiefer als ihre Oberseite gelegene Spitze sofort kennt- lich, während die Trabekeln mit ihren Vorderenden in den Hinter- rand des Septum interorbitale übergehen und demgemäß die typische rauhe Fläche zeigen, die an der Verbindungsstelle von Knorpel und Ersatzknochen immer an letzterem auftritt. — Bemerkenswert ist, daß auch hier Knochenlamellen, höchstwahrscheinlich Teile des Parasphe- noids, ziemlich weit auf die Unterfläche der Pterygoide übergreifen. Noch einige Bemerkungen zur Form des Parasphenoids am Dermochelys-Schädel. Bei den reifen Embryonen ist das Parasphenoid am Vorderende der Basalplatte höher als weiter hinten; dieselben Verhältnisse läßt auch VII erkennen. Eine vom Dorsum sellae auf 38 Lupwie Nick, das Rostrum parasphenoidale herabziehende Kante variiert sehr in - ihrem Verhalten bei den Erwachsenen; bei III (Taf. 2 Fig. 9 zwischen den Foramina carotica interna) und IV erhebt sie sich genau in der Mediane des Dorsum sellae, während sie bei I und V, bei jenem nach rechts, bei diesem nach links abbiegt, wodurch die obere Fläche des Rostrum parasphenoidale, in jedem Falle unregelmäßig ausge- bildet, noch asymmetrischer wird Diese obere Fläche des Rostrum parasphenoidale tritt scharf nach vorn zugespitzt im Grunde des Schädels zutage, bei IV auffallend klein, etwas größer bei I, bei III nach den Seiten etwas über die Pterygoide hin verbreitert. Auf- fallend groß ist diese Fläche bei V; die obere Fläche erreicht hier noch das Hinterende des Vomers zwischen den Palatina; auch ist bei V die Knochenlamelle, die sich oben auf die Pterygoide legt, auf der rechten Seite ganz auffallend breiter als auf der linken Seite. Mit seiner Unterseite beteiligt sich das Parasphenoid in sehr wechselnder Ausdehnung an der Bildung der Gaumenfläche. Maf- zahlen der Länge und Breite der Knochenplatte geben von diesem Variieren ein anschauliches Bild: Länge Breite Verhältnis von Länge zu Breite. T. 62 al | BUT 61 51 116.1 VI: 65 40 ee We 15 11 aa! In dem ganzen Umriß ähneln sich am meisten die schmalen Parasphenoidplatten bei I und IV, da der hintere Teil gleichmäßig nach oben gebogen ist. Sie zeigen jedenfalls ein ursprünglicheres Verhalten, da auch die Embryonen noch durchgängig ein schmales, sich nach vorn zuspitzendes Parasphenoid besitzen [A und B; vgl. Water (1830), Gray (1869), Gervais (1872). Bei III und V da- gegen scheint sich das Parasphenoid sekundär über die Pterygoide verbreitert zu haben; bei III rechts tritt das Pterygoid nur noch auf eine Erstreckung von 3,5 mm (an seiner schmalsten Stelle) zwischen dem Rande des Parasphenoids und der Fenestra infraorbi- talis zutage. Bei V setzt sich die bei III vorn abgestumpfte Fläche noch in eine lange Spitze zwischen die Pterygoide hin fort. Am Hinterende bleiben bei III und V die Mitte und die seitlichen Teile in gleicher Tiefe wie die ganze Platte, während sich die da- zwischenliegenden Partien etwas zum Basioceipitale erheben. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 39 Die bei den Schädeln der Cheloniiden so charakteristische hintere gebogene Kante des Basisphenoids kommt in der Schädelbasis bei Dermochelys gar nicht zum Ausdruck, ein Merkmal, das schon GERVAIS (1872, p. 204, 205) hervorhebt. Auch bei den Chelydriden liegt die untere Fläche des betreffenden Knochens, die hier wahrscheinlich wie bei Dermochelys ganz von einem Parasphenoid gebildet ist, fast in demselben Niveau wie die Unterfläche des Basioccipitales, ähnlich dem Verhalten von Dermochelys. Das Basisphenoid von Dermochelys (Taf. 2 Fig. 7,8,9,13; Taf. 3 Fig. 17 bs) sitzt ganz auf dem Parasphenoid auf, welches sich außer- dem vorn median über der Basis des Rostrum parasphenoidale etwas am Basisphenoid hinaufzieht. Auf der Unterseite des Schädels von Dermochelys wird das Basisphenoid nicht sichtbar. Das Basisphenoid zeigt von oben gesehen (Taf. 2 Fig. 13), also in der Gehirnhöhle, einen annähernd quadratischen Umriß. An die hintere Wandung legt sich das Basioccipitale an, ohne daß eine feste Verbindung zustande kommt. Der Knorpel, der sich zwischen beiden Ossifikationszentren befunden hat. bleibt bei Dermochelys zeitlebens in ziemlicher Aus- dehnung erhalten (Taf. 3 Fig. 17 dp‘). Am Grunde des Vorderendes der Crista basioccipitalis springt ein starker Zahn gegen den Hinter- rand des Basisphenoids vor, wo sich ein entsprechender Ausschnitt findet; jedoch kommt auch hier keine Verbindung zwischen den beiden Knochen zustande. Eine Crista wie die ebengenannte auf dem Basioceipitale findet sich auch auf dem Basisphenoid und sei analog Crista basisphenoidalis (Taf. 2 Fig. 13 er. bs) genannt; sie ist ebenso wie die Crista basioccipitalis bald mehr in zahlreiche Höcker aufgelöst (III und V), bald mehr als einheitliche Leiste ausgebildete. Auch die seitliche Grenze des eigentlichen Gehirn- bodens ist wie beim Basioceipitale durch eine Aufwulstung ge- kennzeichnet. An die Seitenwandung des Basisphenoids legt sich in der Mitte das Pterygoid an, das außerdem den vorderen oberen Teil dieser Wandung erreichen kann, wenn durch eine Leiste auf dem Pterygoid ein besonderer Canalis caroticus zwischen Basisphenoid und Pterygoid gebildet wird [bei I und IV links, III rechts (Taf. 2 Fig. 13), V beiderseits. Die Seitenwand des Basisphenoids bildet in diesem Falle einen Teil der medianen Wandung des Canalis caroticus; im anderen Falle zieht die Carotis frei an der Seite des Basisphenoids vorbei (Taf. 2 Fig. 13, linke Hälfte). Der hintere Teil der Seitenwand des Basisphenoids liegt am macerierten Schädel frei in der Umrandung einer flachen Grube zwischen Basisphenoid, Basi- 40 LupwiG Nick, oceipitale und Pterygoid; die Grube wird im Leben durch Knorpel ausgefüllt, der am Boden der Ohrkapsel teilnimmt. Ganz eigenartig ist die Ausbildung der Vorderwand des Basi- sphenoids von Dermochelys (Taf. 2 Fig. 9). Sie fällt steil nach unten ab, und da das Basisphenoid sehr dick ist, Kommt es so zur Bildung eines sehr ausgeprägten Dorsum sellae. Der Oberrand des Dorsums, der Vorderrand der oberen Fläche des Basisphenoids, springt in der Mitte (Taf. 2 Fig.7,8,9,13 m) stark vor (außer bei V), gewisser- maßen in Fortsetzung der Crista auf der Oberfläche, die dahinter flach ausgelaufen ist. Der Vorsprung schließt mit einer Art Facette ab, die den Eindruck erweckt, als habe hier am nicht macerierten Schädel noch Knorpel gesessen. Ein derartiges Gebilde in der Mitte des Oberrandes des Dorsum sellae fehlt sonst bei Schildkröten; meist findet man einen einfachen Ausschnitt; bei den Cheloniiden, wo ein Dorsum sellae fast völlig fehlt, springt in der Mitte eine ganz niedrige dünne Knochenleiste aus dem hinteren Teile des Rostrum basisphenoidale median gegen die Fossa hypophyseos vor (auch bei SIEBENROcK, 1897, tab. 6 fig. 30 angedeutet). Nach den Knorpelresten der embryonalen Intertrabecula bei VII (S. 112), einem ziemlich hohen Höcker mitten auf dem Dorsum sellae (Taf. 3 Fig. 17 itr‘), dürfen wir in dem Vorsprunge einen allerdings sehr kleinen verknöcherten Rest der Intertrabecula bei Dermochelys sehen, ein Homologon des ganzen mittleren Teiles des großen Rostrum basisphenoidale von Chelonia. Seitlich von dem mitttlern Vorsprung treten beiderseits je zwei verhältnismäßig starke Höcker auf, die sich an ihren oberen Enden zu vereinigen suchen; sie zeigen dieselben facetteartigen Endflächen wie der mittlere Vor- sprung und streben die Bildung eines Foramen an (Taf. 2 Fig. 7, 8, 9, 13 ame. VI). Dieses wird aber im Knochen nie ganz geschlossen, sondern bleibt mehr oder weniger Ausschnitt. Geschlossen wird letzterer durch die daraufsitzende knorplige Pila prootica (s. S. 118). Durch das so gebildete Foramen tritt der Nervus abducens aus der Gehirnhéhle. Die Ausbildung der Höcker ist wie die Ausbildung der ganzen Vorderwand des Basisphenoids sehr unregelmäßig, sowohl hinsichtlich der Symmetrieverhältnisse wie der Gleichartigkeit bei den Individuen. So sind die Höcker bei I aufgerichtet: zwischen ihnen und dem mittleren Vorsprung sind tiefe nach rechts unten gerichtete Kerben in den Vorderrand eingeschnitten. Bei III gehen die Höcker mehr nach vorn; der Rand zwischen ihnen und dem mitt- leren Vorsprung ist eingebuchtet, fällt aber von der Höhe der oberen Fläche gerade nach unten ab. Ähnlich verhält sich VII, nur sind Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 41 die Höcker hier erst wenig ausgeprägt; das Foramen nervi abducentis (Taf. 3 Fig. 17 f. VI) liegt noch fast ganz im Knorpel. Bei IV sind die Höcker schwach (zum Teil lädiert); der mittlere Vorsprung ist diek und stumpf und springt wenig über den nach vorn ausgebogenen Vorderrand vor. Bei V fehlt der mittlere Vorsprung; an seiner Stelle findet sich eine tiefe Kerbe in der Mitte des Vorderrandes. Rechts sind zwei starke Höcker fast zum Foramen geschlossen, links ist der eine Höcker sehr klein und weit median gelegen. Von dem Dorsum sellae aus gehen weiter die beiden knöchernen Trabekeln (Taf. 2 Fig.7,8,9,13; Taf.3 Fig. 17 tr; vgl. VERSLUYS, 1909). Während diese in der Regel nach vorn gehen, fallen sie bei Dermochely von dem hohen Dorsum sellae nach unten gegen das Rostrum parasphenoidale und das daran liegende Pterygoid ab. Sie lassen zwischen sich und dem Dorsum sellae Raum frei für den Durchtritt der Arteria cerebralis in die Hypophysengrube; die mediane Öffnung dieses kurzen durch die Trabekeln gebildeten Kanals ist das Foramen caroticum internum (SIEBENROCK; Taf. 2 Fig. 9, 13 f. car. int). Der Kanal bildet die Fortsetzung des Canalis caroticus zwischen Pterygoid und Seitenwand des Basisphenoids, wenn ein solcher zur Ausbildung kommt. Die Außenwand dieses Kanals für die Carotis ist aber dann niemals ganz geschlossen, sondern zwischen dem Vorder- rande der Pterygoidleiste, die den Kanal seitlich von dem Basisphenoid bildet, und dem Hinterrande der Trabekel bleibt eine größere oder kleinere Lücke (I und V links, III und IV rechts, Taf. 2 Fig. 8,9, 13 a). Die beiden Trabekeln sind nur bei einem der mir vorliegenden Schädel (III) annähernd gleich ausgebildet; sonst ist immer eine der beiden zu einem mehr oder minder langen Höcker reduziert (rechts bei I und V, links bei IV und VII). Unten vorn und nach der Mediane zu zeigen die Trabekeln Ansatzflächen (Verszuys, 1909, p. 28; fig. B; Taf. 2 Fig. 13) für den knorpligen Unterrand des Sep- tum interorbitale. Nach außen zu ist das untere Ende der Trabekeln abgerundet, bei III namentlich auf der rechten Seite so eigentümlich, daß VersLuys (1909) veranlaßt wurde, hier ein rudimentäres Basi- pterygoidgelenk zu vermuten (vgl. S. 105). Der unterste Teil des Dorsum sellae gehört zum Parasphenoid und ebenso vielleicht auch die mehr oder minder scharf ausgeprägte mediane Kante, die sich vom Rostrum parasphenoidale am Dorsum sellae in die Höhe zieht. An den besprochenen Knochen schließen seitlich in der Basis des Schädels die Pterygoide (Taf. 1 Fig. 1,4; Taf. 2 Fig. 7, 8, 9, 13, 14; Taf. 3 Fig. 17 pter) an. Ihre Gaumenseite ist bei Dermochelys 42 Lupwie Nick, durch die breite Fläche des Parasphenoids großenteils verdeckt, so daß sie auf der unteren Seite des Schädels nur in geringer Ausdehnung zutage treten und deshalb in der Literatur als relativ schmale Knochen angeführt werden. Vor dem Parasphenoid stoßen sie auf etwa !/, bis '/, ihrer ganzen Längenausdehnung in einer medianen Naht zu- sammen; auf der Oberseite der Pterygoide kann die Mediannaht länger sein, je nach der oberflächlichen Ausdehnung des Parasphenoids. Überhaupt haben wir sowohl hier in der Mediannaht wie an der ganzen vorderen Begrenzung der Pterygoide außerordentlich schuppig ausgebildete Nähte vor uns. Große Knochenlamellen greifen über und zwischeneinander (Taf. 6 Fig. 34), wodurch auch der Um- rif der Knochen an den betreffenden Nähten sehr unregelmäßig (asymmetrisch und individuell verschieden) wird. Der äußere Seitenrand der Pterygoide ist an seinem größten vorderen Teile frei. Er zieht in leichtem Bogen, als innere Grenze der Fenestra infraorbitalis, vom Palatinum zum Quadratum, ähnlich wie bei den Chelydriden, nur weniger stark und ohne die Einkerbung der Cheloniiden. Ein Processus ectopterygoideus, wie er bei Chely- driden in mächtiger Ausbildung auftritt, fehlt völlig. Nach van BEM- MELEN (1896b, p. 282) findet sich noch „ein kaum merkbares Höcker- chen, das die Stelle markiert, wo bei pleurodiren Schildkröten der umfangreiche Processus postorbitalis . . . nach hinten und auswärts, ragt“, und man sieht auch an Schädel IV eine gerade noch bemerk- bare Verdickung im Rande der Fenestra infraorbitalis, da wo das Pterygoid an das Palatinum stößt. Diese ist jedoch nur bei diesem einen Schädel vorhanden und deshalb wahrscheinlich bedeutungslos, wie sich aus dem Vergleiche mit den an dieser Stelle sehr gut er- haltenen Schädeln I, III und V ergibt, wo jede Spur einer Ver- dickung fehlt. Auch BoULENGER gibt über das Pterygoid von Dermo- chelys ausdrücklich an: „without ectopterygoid process“ (1889, p. 9). Übrigens könnte man eher eine Andeutung solcher bei Chelonia ver- muten, wo kurz hinter der Stelle, an der das Pterygoid nach außen biegt, um einen Fortsatz zum Jugale hinüberzuschicken, bei allen mir vorliegenden Chelonia-Schädeln ein kleiner Höcker heraustritt. Eine Verbindung des Pterygoids mit dem Jugale wie bei Cheloniiden und Chelydriden unterbleibt bei Dermochelys. Der hintere Teil der unteren Fläche des Pterygoids zieht seitlich am Processus articularis des Quadratums etwas abwärts (Taf.1 Fig. 4; Taf. 2 Fig. 7, 9); die hinterste laterale Ecke ist bei Dermochelys meist in einen Vorsprung ausgezogen, der mit einer ebensolchen Bildung Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 43 des Quadratums verbunden ist. Der so gebildete Processus (Taf. 1 Fig. 1, 4 gp) legt sich von unten gegen die Furche für die Columella auris im Quadratum. Er ist wieder sehr unregelmäßig ausgebildet, bei I am stärksten, bei V ganz fehlend, wodurch die Columellar- furche im Quadratum als einfache Ausbuchtung erscheint; bei Chelonia fehlt dieser Fortsatz. Medial davon begrenzt der freie hintere Rand des Pterygoids die Fenestra postotica von unten; dann folgt wieder Naht am Vorderrande der Tubercula basioceipitalia bis zum Parasphenoid; manchmal kommt am Ende des Tuberculum basi- oceipitale eine Verbindung mit den Exoccipitale zustande An der hinteren freien Kante, etwas lateral vom Tuberculum basioceipitale, findet sich regelmäßig ein Einschnitt, bald flach eingebuchtet [I rechts, (Taf. 1 Fig. 1)], bald ausgesprochene Kerbe [I links, (Taf. 1 Fig. 1)], beides auch in asymmetrischer Ausbildung an demselben Schädel (1, Taf. 1 Fig. 1). Auf den Schnitten durch den Kopf des Embryos zeigt sich, daß in dem Einschnitt nur Bindegewebe liegt, das in das Periost des Pterygoids übergeht; für die Begrenzung des darüber gelegenen Hauptastes der Carotis interna kommt der Einschnitt nicht in Betracht. Mit seiner oberen Fläche (Taf. 2 Fig. 13) bildet das Pterygoid in der hinteren Hälfte zwischen Quadratum einerseits und Basisphenoid und Basioceipitale andrerseits den Boden des Canalis cavernosus und der medialen Hälfte des Cavum tympani. Auf dieser oberen Fläche des Pterygoids ziehen auf eine Strecke weit die großen seitlichen Gefäße des Kopfes, der Sinus cavernosus (Bosanus, 1819, — Vena lateralis capitis GROSSER u. BREZINA, 1895) und der untere Hauptast der Carotis interna. Letzterer durchzieht bei Chelonia in einem be- sondern Kanal das Pterygoid (Hassr, 1871; SIEBENRocK, 1897), der nach van BEMMELEN (1896 b, p. 284) dadurch zustande gekommen ist, daß sich eine ventrale Falte des Pterygoids von außen nach innen umgebogen hat; das Fehlen dieses Canalis caroticus im Pterygoid von Dermochelys will vax BEMMELEN daraus erklären, daß die ven- trale medianwärts umgebogene Lamelle rückgebildet worden ist. Die Stelle, wo diese Knochenfalte abgebogen sei, sei durch eine Knochenleiste angedeutet. Eine solche Leiste findet sich auch an allen mir vorliegenden Pterygoiden (Taf. 1 Fig.1; Taf.2 Fig. 14 f) in verschiedenster Ausbildung, gerade bei IV sehr stark, bei I sehr schwach entwickelt, aber es will mir scheinen, sie habe nicht mehr Bedeutung als andere, lateral davor gelegene Leisten und Wülste der hier stark gebogenen Pterygoide, an denen Bindegewebe und schwache Muskulatur über dem hinteren Teil der weiten Tuba audi- 44 Lupwie Nick, tiva, der Kommunikation zwischen Cavum tympani und Rachenraum, ansetzen. Die hintere Mündung des Kanals sucht van BEMMELEN jetzt in der Untiefe auf der Gaumenseite des Schädels, wo Basi- sphenoid (d. h. Parasphenoid), Basioceipitale und Pterygoid zusammen- stoßen und wo eine Lücke zwischen diesen Knochen bleibt. Bereits SIEBENROCK (1897, p. 300) hat diese Auffassung van BEMMELEN'S als unwahrscheinlich zurückgewiesen; sie ist einfach deshalb unhaltbar, weil die Carotis bei Dermochelys durchaus auf der dorsalen Seite des Pterygoids bleibt. Die erwähnte Lücke zwischen den drei Knochen findet sich sehr oft, aber durchaus nicht immer (I rechts, V links) und ist sicher eine der am Dermochelys-Schädel mehrfach vorhandenen Lücken, die intra vitam durch Knorpel oder Bindegewebe gefüllt sind; ein Gefäß zieht hier nie durch. Die Lücke hat also auch nichts mit einem weiter vorn gelegenen Foramen für einen Zweig der Carotis zu tun, wie SIEBENROCK (1897, p. 300) nach Zuständen bei Chelys vermutet, denn ein derartiges Gefäß fehlt bei Dermochelys. Nebenbei bemerkt, dürfte van BEMMELEN’S Erklärung der Entstehung des Pterygoidkanals bei Chelonia auch nicht zutreffen, da sich auf meinen Schnitten durch den Kopf eines Chelonia-Embryos zeigt, dab sich die Verknöcherung um die Carotis im Bindegewebe dorsal wie ventral gleichmäßig ausbreitet; auch ist bei größeren Schädeln von Chelonia meist gerade die ventrale Wandung des Pterygoidkanals stärker als die dorsale. Ganz auffallend unregelmäßig sind bei Dermochelys die Sulei für die Gefäße ausgebildet. Der ganze Canalis cavernosus zwischen Pterygoid, Quadratum, Prooticum und Basisphenoid kann einheitlich bleiben, oder aber es wird im Pterygoid ein besonderer Sulcus für die Carotis von ihm abgetrennt, der durch Beihilfe von Basisphenoid und Prooticum zum Canalis caroticus abgeschlossen werden kann. Die Leiste des Pterygoids (Taf. 2 Fig. 9, 13 pl), die den Sulcus caro- ticus vom Canalis cavernosus abtrennt, findet sich bei den mir vor- liegenden Schädeln in allen Stadien der Ausbildung. Bei I rechts bezeichnet eine kaum merkliche Erhebung ihren Platz, bei III links bereits eine niedrige höckerige Crista (Taf. 2 Fig.9, 13, pl auf der linken Schädelseite); bei IV rechts trifft man einen durch eine aus- gesprochene Leiste gesonderten Sulcus; hinter dieser steht isoliert ein Knochenhöcker, und die Leiste selbst ist ihrer ganzen Höhe nach durch einen feinen Spalt, der sich nach unten zu einer Öffnung er- weitert, geteilt. Ihre Entstehung wäre demnach so zu denken, dab isolierte Höcker auftreten, die sich dann verbreitern und zu der ein- Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 45 heitlichen Leiste zusammentreten. Darauf weist auch das letzte Stadium hin, wo dann die Leiste, oben etwas medianwärts ein- gebogen, das Basisphenoid und Prooticum erreicht, [I und IV links, III rechts, (Taf. 2 Fig. 13), V beiderseits]; in dieser ausgebildeten Leiste treten noch öfters kleine Spalten und auch Öffnungen auf, [III rechts, (Taf. 2 Fig. 9 sp) IV links, V beiderseits] an derselben Stelle, wo bei IV rechts der Spalt die ganze Leiste teilt; mit Ge- fäßzweigen usw. stehen die Öffnungen anscheinend in keiner Ver- bindung. Bei den Embryonen von Dermochelys findet sich von einer Teilung des Canalis cavernosus durch die Pterygoidleiste noch nichts. Die Carotis interna zieht durch den von der Leiste abgeschiedenen und medial von ihr gelegenen Raum; ist diese nicht vorhanden, so liegt das Gefäß einfach noch in dem großen einheitlichen Canalis caver- nosus. Ein besonderer Canalis caroticus wird jedoch noch weiter vorn gebildet, durch die nach unten ziehenden Trabekeln und den Rand des Dorsum sellae, zwischen denen ein Hauptast der Carotis interna, die Arteria cerebralis in die Fossa hypophyseos tritt. Dieser Kanal ist aber natürlich dann unvollständig, wenn die knöchernen Trabekeln nur rudimentär sind (s. oben). Trifft eine vollständige Ausbildung beider Abschnitte des Kanals für die Arterie zusammen (III rechts Taf. 2 Fig. 9, 13), so kommt ein einheitlicher Kanal nur dadurch nicht zustande, dab zwischen dem Hinterrande der Trabekeln und dem Vorderrande der Pterygoidleiste eine mehr oder minder große Öffnung bleibt (Taf.2 Fig. 9, 13 a). Durch sie tritt die Arteria palatino-nasalis (RATHKE, 1857) nach vorn, die sich hinterden Trabekeln von der nach innen ziehenden Arteria cerebralis trennt. Begleitet wird dieser Gefäßast von dem Ramus palatinus n. facialis, dem Nervus vidianus der ältern Autoren. Er läuft von seiner Ursprungsstelle aus dem Nervus facialis am Foramen externum n. fac. über die Carotis an deren Außenseite und zieht ihr entlang bis zu der Stelle, wo sie die Arteria palatinonasalis abgibt, und dann, wie gesagt, mit dieser nach vorn; mit ihm vereinigt sich ein Ast des Sympathicus, der Ramus petrosus profundus (vgl. S. 23). Ist ein besonderer Kanal für die Carotis zwischen Basisphenoid, Pterygoid und Prooticum vor- handen, so benutzt der Nervus palatinus diesen mit und verläßt ihn durch dieselbe große Öffnung wie die Arteria palatinonasalis. Andern- falls zieht er zwischen Carotis und Sinus cavernosus und gelangt durch das einheitliche Foramen cavernosum nach vorn. Letzteres, die vordere Öffnung des Canalis cavernosus, wird unten 46 Lupwie Nick, vom Pterygoid umgrenzt, medial von der Leiste des Pterygoids oder, wenn diese nicht ausgebildet ist, vom Basisphenoid?). Oben bildet das Prooticum den Rand des Foramens und lateral meist das Prooticum und Pterygoid, das durch einen am Quadratum heraufziehenden Fortsatz das Prooticum im lateralen Rande des Foramen cavernosum gerade erreicht; bei IV kommt jedoch diese Vereinigung nicht zustande, so daß auch das Quadratum an der Um- . randung des Foramen cavernosum teilnimmt. Auf den Vorderteil der Oberfläche des Pterygoids zwischen der Fenestra infraorbitalis und dem Rostrum parasphenoidale beziehungs- weise der Mediannaht der Pterygoide legt sich von hinten außen her der knorplige Processus pterygoideus des Quadratums (Gaupp, 1905 b, p. 789; Processus epipterygoideus PARKER, 1880; Taf. 6 Fig. 32, 33; S. 167, Fig. Q pr. pter), für den sich namentlich hinten unter dem Vorderteile der Pterygoidleiste eine tiefe Furche (Taf. 2 Fig. 9 pr. pter. f) im Knochen zeigt. Der obere, ziemlich ausge- prägte Rand dieser Furche ist der Knochenauswuchs (Taf. 2 Fig. 8, 9 kna), in dem van BEMMELEN (1896 b, p. 283) die reduzierten Teile des Ptervgoids sieht, die sich bei allen anderen Schildkröten zu einer Verbindung mit den bei Dermochelys reduzierten Descensus parietales erheben. Sehr auffallend ist diese Bildung nun nirgends ausgebildet, so daß man aus ihr allein hier auf eine Reduktion nicht schließen dürfte, aber in Zusammenhang mit anderen Tatsachen muß diese Aufwulstung des Knochens nach innen vom Processus pterygoideus in diesem Sinne gedeutet werden; ich stimme also VAN BEMMELEN bei. Eine Verbindung von Parietale und Pterygoid, wie sie sich bei allen Schildkröten findet als dem Epipterygoid der Lacertilier analoge Bildung, muß auch bei den Vorfahren von Dermochelys angenommen werden; dafür sprechen außer noch zu er- wähnenden Anzeichen am Kopfskelet auch paläontologische Be- funde (Dames, 1894). Mit dem Fehlen der Descensus parietales fehlt natürlich auch ein Foramen sphenoidale, wie es bei den übrigen Schildkröten vor- handen ist und vom Pterygoid mitbegrenzt wird. Ebenso muß unter diesen Umständen ein gesondertes knöchernes Epipterygoid gänzlich fehlen. 1) Ich habe hier der Einfachheit halber die Bezeichnung Canalis cavernosus und Foramen cavernosum beibehalten, ob nun ein besonderer Canalis caroticus durch eine Pterygoidleiste vom Canalis cavernosus ab- gegrenzt wird oder nicht. ae ME Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 47 Von den Knochen, die sich an der Umgrenzung des Gehörorganes beteiligen. bliebe nun lediglich noch das paarigeQuadratum (Taf. 1 Biel, 4 5;.Taf 2 Wie. 7, 8, 9) 11, 12 qua) zunbesprechen. Bei Dermochelys hat dieser Knochen ungefähr dieselbe Gestalt wie bei den Cheloniiden, ist jedoch, nach van BEMMELEN, auf einer primitiveren Stufe stehen geblieben als bei diesen. Während sich bei den Chelo- niiden die Incisura columellae auris (Taf. 1 Fig. 1, 5; Taf. 2 Fig. 8, 11, nc. col. au) hauptsächlich nach hinten öffnet, da der Teil des Knochens, der tiefer liegt als die Incisur, weit nach hinten reicht, liegt bei Dermochelys der Einschnitt noch ganz in dem nach hinten an- steigenden Unterrande des sehr lang gestreckten, fast stabförmigen Quadratums. Der von außen in das Quadratum eingehöhlte laterale Teil des Cavum tympani (Taf. 1 Fig. 5; Taf. 2 Fig. 8) ist eine ein- fache, der Gestalt des ganzen Knochens entsprechend länglich aus- eedehnte Grube, deren Wände vorn durch das Quadratojugale und hinten durch das Squamosum nach außen zu verbreitert werden; letzteres wulstet sich von oben gegen die Höhlung vor. Die Ver- bindung des Quadratums mit diesem Knochen ist an der oberen hinteren Ecke im Aufenteil des Cavum tympani nicht ganz erreicht; die im Leben knorplig geschlossene kleine Lücke öffnet sich am trockenen Schädel in den hinteren Teil der Fossa temporalis. Nach unten und vorn verlängert sich das Quadratum in den Processus articularis (Taf. 1 Fig. 1, 4, 5; Taf. 2 Fig. 7, 8, 9, 11, 12 pr. art), der bei Dermochelys wesentlich gestreckter ist als gewöhnlich bei Schildkröten; über seine Gelenkfläche legt sich ein Knorpel- überzug. Mit seiner oberen Fläche bildet das Quadratum (Taf.2 Fig. 8, 9) den größten Teil des Bodens der Fossa temporalis, wo es nach hinten vom Opisthoticum und lateral etwas vom Squamosum begrenzt wird; das von BouLeNGER als für Dermochelys charakteristisch hervor- gehobene Merkmal, daß das Quadratum mit seiner hintersten Ecke Squamosum und Opisthoticum trenne und zwischen diesen nach hinten zutage trete, ist bereits ausführlich besprochen (s. S. 26). Die vordere mediale Begrenzung des Quadratums in der Fossa tempo- ralis wird durch das Prooticum bewirkt. Eine vom Prooticum und Quadratum gebildete, in die Augenhöhle vorspringende Crista prae- temporalis, wie sie SIEBENROCK (1897) für viele Schildkröten be- schreibt, fehlt ganz; sie ist auch bei Cheloniiden kaum angedeutet. Die obere Fläche des Quadratums senkt sich einfach nach vorn und verschmälert sich in den lateral gelegenen Processus articularis, auf 48 Lupwie Nick, den sich nach der Seite das Quadratojugale anlegt. Mit dem inneren Vorderrande kann dabei das Quadratum an der lateralen Begrenzung des Foramen cavernosum teilnehmen, wie bei IV (s. Pterygoid S. 46), was aber nicht die Regel ist. Unter diesem Foramen schickt das Quadratum in der bei dem Pterygoid erwähnten Rinne den Processus pterygoideus (Taf. 6 Fig. 32, 33; S. 167, Fig. Q pr. pter) nach vorn, der sich auf die Oberfläche des Pterygoids hinauflegt und verhältnis- mäßig lang wird. Der Processus pterygoideus bleibt bei Dermochelys bis auf den basalen Anfangsteil am Quadratum vollständig knorplig; an der Stelle, wo er von der Seite des Pterygoids auf dessen Ober- fläche umbiegt, geht ein knorpliger Höcker nach oben, das Rudiment eines Epipterygoids (vgl. S. 167). Unter dem Processus pterygoideus zieht der mediale Rand des Quadratums zum Processus articularis abwärts und bildet dabei, in seinem oberen Teile, den hinteren Rand der Fenestra infraorbitalis (Taf. 1 Fig. 1 fe. :fo) als Fortsetzung der Umrandung dieser Öffnung durch das Pterygoid. Nach innen zu begrenzt das Quadratum den Canalis cavernosus für den ein horizontaler Sulcus im Quadratum eingeschnitten ist (Taf.2 Fig.11 can. cav). Ein zweiter Sulcus (Taf.2 Fig. 11 su. art. fac) auf der Innenfläche des Quadratums zieht hinter dem ersten nach oben und mündet in dem vom Quadratum mit dem Prooticum und Opisthoticum gebildeten Foramen arteriae facialis, das sich in die Fossa temporalis öffnet. Mit dieser Partie bildet das Quadratum zugleich die laterale Begrenzung des inneren Teiles der Pauken- höhle. Der öfter an dem unteren Teil dieser inneren Fläche mit Hilfe des Pterygoids zustande kommende Vorsprung (Taf. 1 Fig. 1, 4; Taf. 2 Fig. 8 qp), der den Columellarkanal von unten abzuschließen trachtet, aber mehr medial von der Incisura columellae auris im Quadratum gelegen ist, wurde beim Pterygoid bereits genannt. Wesentliche Unregelmäßigkeiten in der Ausbildung desQuadratums bei den einzelnen Schädeln habe ich nicht angetroffen. Die durch die Ineisur im Unterrande des Quadratums ziehende Columella auris (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf. 5 Fig. 27, 28, 29) legt sich medial mit einer kleinen Knochenplatte, der Fußplatte, auf die Fenestra ovalis. Der verschmälerte Stiel zieht durch die Incisura columellae auris, die im nicht macerierten Kopfe durch straffes Bindegewebe (Taf. 2 Fig. 12 di) unten hinten zu einem Loche vervollständigt wird. Ein lateraler Teil des Stieles bleibt knorplig und verbreitert sich in eine knorplige Endplatte. Der knöcherne Teil der Columella auris u eis ee Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 49 entspricht jedenfalls dem Stapes der Lacertilier, während der distale knorplige Teil die Extracolumella darstellt. Bei der erwachsenen Dermochelys liegt die knorplige Endplatte kaum nach außen von der Ineisura columellae auris. Sie ist in einer dicken, bindegewebigen Membran, die eine sehr weit nach innen liegende mittlere Schicht des Trommelfelles darstellt, eingebettet. Der ganze äußere Raum zwischen dieser Membran und der Haut ist von einer schwammigen Gewebsmasse erfüllt. Etwas anders liegen die Verhältnisse beim Embryo von Dermochelys (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf. 5 Fig. 27, 28), wo die knorplige Extracolumella noch beträchtlich weiter nach außen geht und auch die Membran, die mittlere Schicht des Trommelfells, mehr lateral unter dem Squamosum liegt, während das schwammige Gewebe zwischen dem Trommelfell und der Haut geringer entwickelt ist. Die Befunde am Dermochelys-Embryo nähern sich darin denen beim Embryo und dem erwachsenen Tiere von Chelonia, wo sich die Endplatte der Columella auris dicht unter der Haut befindet; bei Chelydra liegt das Trommelfell dauernd direkt in der Haut. Die Darstellung, die Gervais (1872, tab. 5 fig. 8, p. 208) von der Columella auris der Dermochelys gibt, deckt sich nicht mit dem, was ich finde. Es scheint, daß ihm die knorplige Extracolumella fehlte und daß er den Stapes umgekehrt orientierte: das kreisförmig abgeschnittene breite Ende, nach Gervais außen, muß auf der Fenestra ovalis liegen, während sich an den verjüngten Teil die knorplige Extracolumella ansetzen muß, die in das Trommelfell geht. Sehr auffallend und geradezu charakteristisch für Dermochelys ist die Lage und Form des Quadratojugales (Taf. 1 Fig. 1, 3, 4, 5 qj). Schon BouLEnGER (1889, p. 8) hebt hervor, dab das Quadratojugale durch Squamosum und Jugale vom Postfrontale ge- trennt wird, im Gegensatz zu dem Verhalten bei den Cheloniiden, und auch SIEBENROCK (1897, p. 293), auf Gervais Darstellung ge- stützt, bemerkt ausdrücklich die eigentümliche Gestalt des Knochens, der aus seiner ursprünglichen Lage als Verbindungsstück des Orbitalbogens mit dem Quadratum weit abwärts gerückt sei. Aber sowohl GERVAIS wie BOULENGER ist die eigenartige Ausbildung des Quadratojugales auf der Innenseite der Schläfendecke ent- gangen (Taf. 1 Fig. 3; Taf. 2 Fig. 8). Hier ragt nämlich eine starke Knochenschuppe (Fig. B) hinter dem Jugale und Squamosum bis zum Postfrontale hinauf (Taf. 6 Fig. 51, 32, 33), in dessen Unterrand sie entweder mit einigen groben Zähnen hineingreift oder auf den sie sich einfach auflegt. So sind die ursprüng- Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 50 Lupwıe Nick, lichen Lagerungsverhältnisse des Quadratojugale am stegocro- taphen Schädel, wie sie die Cheloniiden aufweisen, auch bei Dermochelys erhalten, wenn auch sekundär das Quadratojugale durch die mächtige Ausbildung des Jugales und Squamosums in seinem Pre B: In den Umriß von Schädel I von Dermochelys (s. Taf. 1 Fig. 5) sind die leicht vereinfachten vollständigen Umrisse des Quadratojugales (soweit von außen nicht sichtbar: XXXXXX) und des Squamosums (soweit von auben nicht sichtbar: <==... ) nach Schädel III eingezeichnet. Wo diese beiden Knochen überein- ander liegen, befindet sich das Quadratojugale innen, das Squamosum außen. 1:3. sq Squamosum. qj Quadratojugale. oberen Teile von der Außenfläche des Schädels verdrängt wurde. Die Überwachsung des Quadratojugales seitens anderer Schädel- knochen bei Dermochelys ist aber auch bei Chelonia angedeutet, denn in der Regel verschwindet bei letzterer der vorderste Teil des Quadrato- jugales unter dem Jugale (Taf. 8 Fig. 40). So kommt es auch ge- legentlich bei Chelonia zu einer Trennung von Quadratojugale und Postfrontale durch Jugale und Squamosum, wie es Baur berichtet hat (1889 b. p. 618, 1890 p. 533). Es liegt also hier kein durch- ereifender Unterschied zwischen Dermochelys und Chelona vor. Die innen gelegene Knochenschuppe des Quadratojugales von Dermochelys (Fig. B; auf Taf. 1 Fig. 3 stark verkürzt erscheinend) hat etwa den Umriß eines schräg gestellten Parallelogramms; ihr unterer Längsrand setzt sich in den stark gebogenen Vorderrand des außen sichtbaren unteren Teiles des Quadratojugales fort. Diese Partie ist verhältnismäßig schmal und liegt im wesentlichen dem Processus articularis des Quadratums auf. Seine hintere, median- Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 51 wärts umgebogene Fläche bildet nach außen die Fortsetzung der vorderen Fläche des äußeren Cavum tympani im Quadratum. Die Umrandung des ganzen unteren Teiles ist nicht sehr regelmäßig; so ist der äußere obere Rand oft fast nur vom Squamosum und sehr wenig vom Jugale begrenzt (bei II und IV), je nachdem das Squa- mosum nach vorn verlängert ist oder nicht; der von der untersten Ecke am Processus articularis nach schräg oben ziehende Vorder- rand, der dann zu dem charakteristischen, unter dem Jugale ver- schwindenden Bogen umbiegt (Taf. 1 Fig. 5), ist mehr oder weniger lang, eingebuchtet oder glatt; die vordere Ecke, von wo der Bogen nach oben zieht, ist mehr oder weniger ausgeprägt. DasSquamosum (Taf. 1 Fig. 1,2,3, 4,5; Taf.2 Fig. 7, 8, 12 sq) von Dermochelys bildet wie bei den Cheloniiden, Chelydriden u. a. den hinteren oberen Teil des äußeren Cavum tympani und beteiligt sich darüber mit einer ausgedehnten Knochenplatte an der Schläfen- kappe, wie bei allen stegocrotaphen Schädeln. Als besondere Merk- male für Dermochelys wären zu nennen das Zustandekommen einer Verbindung mit dem Jugale und das Fehlen einer solchen mit dem (knöchernen) Opisthoticum (vgl. S. 26). Die Verbindung mit dem Jugale ist durch die Verlagerung des Quadratojugales nach innen zu- stande gekommen. Über diesem (an der Außenseite Taf. 1 Fig. 5) bildet das Hinterende des Jugales eine kurze schuppige Naht mit dem Squamosum, welches außerdem noch einen Fortsatz längs der hintern untern Kante des Jugales nach vorn schickt, der, wie erwähnt, das Quadratojugale außen mehr oder weniger vom Jugale trennen kann (Taf.1 Fig. 5). Dahinter wulstet sich der untere Rand des Squamosums in das äußere Cavum tympani von oben her vor. Nach oben ist die Fläche des Squamosums durch das Post- frontale und am oberen Rande auch durch das Parietale auf den größten Teil seiner Außenfläche überdeckt (S. 50 Fig. B), so daß auf der Oberfläche des Schädels nur der untere und hintere Teil er- scheint, in sehr wechselnder Ausdehnung. Anders liegt die Sache auf der Innenseite, in der Fossa temporalis (Taf. 1 Fig. 3). Hier er- scheint das Squamosum als mächtige Platte (Taf. 5 Fig. 29, 30; Taf. 6 Fig. 31), die den hinteren Teil des Postfrontales und einen Teil des unteren Parietalrandes bedeckt. Die untere Begrenzung geschieht hier durch das Quadratum; die Lücke, die zwischen diesen Knochen bleibt und von der Fossa temporalis in die hintere obere Ecke des äußeren Cavum tympani führt und im Leben von knorplig bleibenden Teilen des Quadratums ausgefüllt wird, wurde. erwähnt (vgl. S. 47). 4* 52 Lupwie Nick, Der freie Hinterrand verläuft unten in einem stumpfen, mehr oder weniger ausgeprägten Höcker, den Processus squamosus (Taf. 1 Fig. 1, 2, 3, 4, 5; Tat 2 Fig. 7, 12 pr. sq). Unter und vor diesem verlängert sich die Fläche, die die Hinterwand des äußeren Cavum tympani bildet, in einen zweiten, nach unten gerichteten. Fortsatz. Die zwischen diesen beiden Fortsätzen gelegene Fläche ist etwas konkav und wohl der in den Hinterrand des Cheloniidensquamosums ein- geschnittenen Rinne zu homologisieren. | Der Hinterrand des Schläfendachs, den das Squamosum be- gonnen hat, wird nach der Mediane zu durch das Parietale (Taf. 1 Fig, 1, 2,3, 4,5; Taf. 2 Pig. 7, 8; Taf. 3 Fig. 17 par) fortseseze eas Parietale von Dermochelys hat auf seiner Oberfläche annähernd die- selbe Form wie bei Cheloniiden, nur ist es hinten relativ breiter und vorn ein wenig schmäler, wie schon GERvAIS (1871, p. 203) her- vorhebt. Dazu ist die Ausdehnung nach hinten mächtiger als bei allen übrigen Schildkröten mit stegocrotaphem Schädel, wo das Squamosum noch sehr viel weiter zurückgeht als der ganze Hinter- rand der Parietalia. Die Beteiligung des medianen Teils der Parie- talia an dem Supraoccipitalhécker, wenn dieser überhaupt unter dem Hinterrande der Parietalia hervortritt, wurde bereits erwähnt (S. 24). Die eigentümliche Ausgestaltung des ganzen Hinterrandes der Parie- talia, die mit mehr oder minder ausgesprochener Kante etwas nach unten absinkt, ist schon SCHLEGEL aufgefallen: „Les parietaux.... ont leur bord posterieur comme festonne par des nombreux sillons, qui s'étendent jusqu'au sommet de la tête, et offrent par ce plan raboteux un point favorable d'insertion aux muscles moteurs de la tête“ (1838, p. 7). Das letzte trifft indes nicht zu. Am Hinterrand der Parietalia setzt nur die dicke Lederhaut des Nackens (Taf. 2 Fig. 12 le) an, aber keine Muskulatur. Die mediane Naht zwischen den beiden Parietalia ist eine ge- wöhnliche senkrechte Naht; die übrigen Nähte an Squamosum, Post- frontale und Frontale sind alle mehr oder weniger schuppig; ihr Verlauf im einzelnen ist recht unregelmäßig bei den einzelnen Indi- viduen, namentlich auf der Unterseite, doch bleibt die Grundform immer gewahrt. An das Supraoccipitale, das sich etwa median auf die halbe Länge der Parietalia unter diese legt, schicken die Parietalia Knochenleisten (Taf. 1 Fig. 3; Taf. 2 Fig. 7, 8 par‘; auf Taf. 3 Fig. 17 angeschnitten) herab, die sich auch vor dem knöchernen Supraoccipitale fortsetzen, indem sie hier den Knorpel, der das Dach der Gehirnhéhle nach Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 53 vorn zu bildet (vgl. S. 103), wie das Supraoccipitale auf eine Strecke weit begleiten. Diese Leisten verlaufen, nachdem sie sich erst etwas senähert haben, um sich dann wieder voneinander zu entfernen, nach oben in das Parietale aus (Taf. 1 Fig. 3). — Die Parietalia von Dermo- chelys zeichnen sich vor allen andern Schildkröten dadurch aus, daß ihnen die Descensus parietales fehlen, wie das BOULENGER zum ersten Male gebührend hervorgehoben hat (1888b, p. 353). Sie sind bei Dermochelys rückgebildet, wie ich schon bemerkt habe; auf die Bedeutung dieser Tatsache für die Beurteilung der Phylogenie von Dermochelys werde ich am Schlusse zurückzukommen haben. van BEM- MELEN (1895, p. 283) erkennt (vgl. S. 46) in den beschriebenen unteren Leisten „Knochenauswüchse“, die als Rudimente der Parietalpfeiler aufzufassen seien. Dies ist auch gewiß in Zusammenhang mit anderen Tatsachen, die für die Reduktion sprechen, anzunehmen. Die Reduktion der Descensus parietales ist jedenfalls recht vollständig. Die ganze mittlere Partie zwischen den beiden Parietalia vor dem Suvraoceipitale erscheint auf der Unterseite als nach außen hin ausgehöhlt, auch da, wo die Leisten, die den Eindruck der Aus- höhlung in ihrem Bereiche natürlich verstärken, ganz niedrig werden. An der Stelle, wo die Leisten nach vorn gerade auslaufen, findet sich an der Unterfläche der Parietalia die tiefste Aushöhlung (Taf. 1 Fig. 3 0), der gegenüber der Knochen an der Oberseite etwas nach außen vorgewölbt ist, während davor und dahinter an der Schädel- oberfläche seichtere Vertiefungen zu sehen sind. Die ganze Kon- figuration erinnert unwillkürlich an ein einstiges Parietalauge, zumal sie sich in entsprechender Lage über dem Gehirn befindet. Eine Bestätigung findet diese Vermutung vielleicht durch das Verhalten des knorpligen Tectum cranii an dieser Stelle (vgl. S. 103). — Eine Verbindung des Parietales kommt nur mit Supraoccipitale, Squa- mosum, Postfrontale und Frontale zustande. Beim reifen Embryo von Dermochelys wie bei dem von Chelonia treffen wir das Temporaldach lange nicht in der Vollständigkeit an wie bei den ausgewachsenen Tieren. Durch einen großen Einschnitt von hinten her sind das Parietale und das Squamosum in ihrer Flächenausdehnung gegenüber den Erwachsenen sehr viel mehr be- schränkt. Bei Dermochelys wie bei Chelonia kommt (wie die Quer- schnitte zeigen) eine vollständige Schläfendecke erst über der Mitte der Ohrkapsel zum Verschluß (Taf. 5 Fig. 27, 29). Noch sehr viel unvollständiger als bei den reifen Embryonen von Chelonia und Dermochelys ist das Schläfendach beim Embryo von 54 Lupwie Nick, Chelydra (vgl. Taf. 10 Fig. 54, 55, 56, 57, 58,.59, 60), wo es aller- dings auch bei den Erwachsenen lange nicht in der Vollständig- keit vorhanden ist wie bei den beiden Seeschildkréten. In der ganzen Occipital- und Labyrinthregion sowie auch in der hinteren Orbitalregion liegen die Parietalia nur in der Umgrenzung der Gehirnhohle dorsal und seitlich als Descensus parietales; letztere sind bei den Chelydriden stark entwickelt. Erst in der hinteren Orbitalregion, vor der Hypophyse, machen sich Knochenlamellen der Parietalia bemerkbar, die einen Verschluß der Temporalgrube an- streben, zusammen mit den Postfrontalia und Jugalia. Eingehende Angaben über die starken Differenzen zwischen jungen und ausgewachsenen Chelydriden und auch Angaben für Cheloniiden sowie für einige andere Formen finden sich bei Rürı- MEYER (1873, p. 63— 76). Lateral an das Parietale schließt sich das Postfrontale (Taf. 1 Fig. 1, 2, 3, 5,6; Taf. 2 Fig. 7, 8 pofr) an, das bei der erwach- senen Dermochelys durch seine mächtige Ausdehnung im Schläfendache sehr ins Auge fällt. Beim Embryo ist es beträchtlich schwächer aus- gebildet, ebenso wie bei Chelonia, und greift vor allem nicht so sehr über das Squamosum nach hinten, so dab es bei diesen von dem eben beschriebenen Einschnitt kaum in Mitleidenschaft gezogen wird. Das Postfrontale der erwachsenen Dermochelys stellt etwa ein schräg gestelltes Rechteck dar, in dessen vordere untere Ecke der obere Hinterrand der Orbita eingeschnitten ist. Vorn trifft das Postfrontale an das Präfrontale und das Frontale, oben an das Parietale, unten an das Jugale, und nach hinten greift es weit über das Squamosum, um auf ihm auszulaufen. Daß es, anders als bei Cheloniiden und Chelydriden, auf der Außenseite des Schädels vom Quadratojugale getrennt bleibt, wurde bei diesem Knochen be- reits gesagt. Auf der Unterseite wird das Postfrontale von dem Quadratojugale erreicht, das auch seinen Unterrand bedecken kann. Am meisten aber wird die Kläche des Postfrontales auf der Unter- seite durch das Squamosum von hinten her eingeschränkt. Alle Verbindungsnähte des Postfrontales mit anderen Knochen sind schuppig ausgebildet, wenn man auch nirgends eine so breitflächige Schuppen- verbindung findet wie zwischen Postfrontale und Squamosum. Dab dadurch zahlreiche Asymmetrien und individuelle Verschiedenheiten in der Umgrenzung des Postfrontales bedingt sind, liegt auf der Hand; alle bleiben aber ohne größere Bedeutung. Als letzter Knochen des Temporaldaches wäre das Jugale Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 55 (Taf. 1 Fig. 1,2,3,5,6; Taf. 2 Fig. 7, 8 jug) zu besprechen, das sich unten an das Postfrontale anschließt. Das Jugale von Dermochelys ist von allen Schildkrötenjugalia das einzige, das sich mit dem Squa- mosum verbindet, wodurch ja das Quadratojugale außen von der Ver- bindung mit dem Postfrontale abgedrängt wird. Eine Verbindung des Jugales im Vorderrande der Fenestra infraorbitalis mit dem Palatinum und Pterygoid wie bei Chelonia und Chelydra unterbleibt gänzlich. Das Jugale von Dermochelys ist nach vorn nur mit dem Maxillare verbunden, das sich unter dem Jugale mit langem spitzem Fortsatz nach hinten hinzieht. Darüber bildet der Vorderrand des Jugales den unteren hinteren Rand der Orbita. Bezeichnend für den ganzen Schädel ist der scharfe Knick in der Mitte des Unterrandes des Jugales, der von da als Bogen aufwärts zum Quadratojugale und dann wieder gerade nach hinten zieht (Taf. 1 Fig. 5). Das hinterste Ende läuft mehr oder minder spitz auf dem Squamosum aus. Während die Fläche des Jugales außen sehr groß ist. wird der Knochen innen durch das Übergreifen der inneren Schuppe des Quadratojugales und auch durch das Postfrontale stark eingeengt. Wie bei dem vor- her besprochenen Knochen zeigen sich wieder durchgängig Schuppen- nähte, die dieselbe Unregelmäßigkeit in der Umgrenzung bedingen. Vor die knöcherne Temporaldecke und die Sphenoid- und Labyrinthregion reihen sich die Knochen der Orbital- und Ethmoidal- region. Hier wäre zunächst das Frontale (Taf. 1 Fig. 2, 3, 6; Taf. 2 Fig. 7, 8; Taf.3 Fig. 17, 18 fr) zu nennen, das sich vorn an das Parietale anschließt und außer von diesem noch von Postfrontale und Praefrontale begrenzt wird. In seiner Flächenausdehnung hält das Frontale von Dermochely etwa die Mitte zwischen dem der Cheloniiden und Chelydriden. Es ist im Verhältnis weit größer als bei letzteren; in seiner Form nähert es sich viel mehr dem Frontale der Cheloniiden, bleibt jedoch wesentlich schmäler und wird immer durch eine breite Vereinigung von Postfrontale und Praefrontale von der Umgrenzung der Orbita ausgeschlossen, was bei Cheloniiden ent- weder nur in geringem Maße der Fall ist oder gar nicht, so daß das Frontale die Orbita erreicht (vgl. BouLEnGeEr, 1890 p. 617. 618). ') Die mittlere Naht zwischen beiden Frontalia ist eine gewöhnliche 1) Auch bei den reifen Embryonen von Dermochelys wird das Fron- tale von der Orbita ausgeschlossen, während es in diesem Stadium bei Chelonia auf eine ziemliche Strecke an der Umgrenzung der Orbita teil- nimmt und diese auch bei Chelydra gerade noch erreicht, was beim aus- gewachsenen Schädel wahrscheinlich nie der Fall ist. 56 LupwiG Nick, senkrechte Naht, wie die Mediannaht der Parietalia; die übrigen Nähte kommen an dem sehr dicken Knochen mit sehr unregelmäßig buchtigen Flächen zustande. Die Umgrenzung ist in den Einzel- heiten sehr unregelmäßig. Wenn Gervais (1872, p.203) von dem Pariser Schädel sagt: „Le bord supérieur... ne forme pas comme chez les Chélonées, un angle droit, dont les deux lignes touchent, l’une le pariétal correspondant, l’autre le frontal postérieur“, so trifft das durchaus nicht überall zu, denn bei I findet sich dieser „rechte Winkel“ beiderseits, bei II rechts usw. Die Unterseite der Frontalia (Taf. 1 Fig. 3) zeichnet sich da- durch aus, daß von jedem Frontale ein Wulst nach unten vorragt; im vorderen Teil, von den Vertikalplatten der Praefrontalia ab, biegen die Frontalia wieder mit ihrer Fläche zwischen den Platten etwas in die Höhe, nach vorn spitz auslaufend. Die Wülste entsprechen scharfen Leisten auf der Unterseite der Frontalia von Cheloniiden und Chelydriden. In der Vertiefung zwischen ihnen, die die ähnliche Bildung der Parietalia fortsetzt, verlaufen die Lobi olfactorii; ein Hohlraum für sie, das Vorderende des Cavum cranii, kommt durch die später zu besprechenden knorpligen Plana supraseptalia zu- stande. Hervorzuheben wäre noch, dab das Frontale von Dermochelys eine enorme Dicke erreicht (Taf. 3 Fig. 17, 18); so mißt man bei III (Taf. 2 Fig. 7, 8) an der dicksten Stelle in der Höhe der praefrontalen Vertikalplatten in der Mediannaht eine Dicke von 28 mm bei einer Gesamtlänge der oberen Mediannaht von 80 mm. Das Praefrontale (Taf. 1 Fig. 1, 2, 3,4, 5; Taf. 2 Fig. 7; Tats Fig. 17, 18 prfr) von Dermochelys ist einmal gegenüber dem der Cheloniiden ausgezeichnet durch die breite Verbindung mit dem Postfrontale und dann gegenüber Cheloniiden und Chelydriden durch die außerordentlich kurze Mediannaht zwischen beiden Praefrontalia vor den Frontalia. Bei den Embryonen (A, B, Water, 1830, tab. 1 fig. 25; Gervais, 1872, p. 220, tab. 8 fig. 1b) ist eine Verbindung beider Praefrontalia überhaupt noch nicht zustande gekommen. Das Praefrontale begrenzt wie gewöhnlich bei Schildkröten den vorderen oberen Teil des Orbitarandes und die obere Hälfte der äußeren knöchernen Nasenöffnung, wo es unten an das Maxillare grenzt. Die vertikalen Platten (Taf. 1 Fig. 1, 3, 4, 5,6; Taf. 3 Fig. 18 prfr') der Praefrontalia, die sich als Scheidewand zwischen Augen- und Nasen- höhle nach dem Gaumen herunterziehen, haben in ihrer ganzen Form große Ähnlichkeit mit denselben Teilen der Praefrontalia bei Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 57 den Cheloniiden, jedoch bleibt der Zwischenraum zwischen ihnen bei Dermochelys breiter als bei Chelona. Auch sind die unteren medianen Ecken der Vertikalplatten weit vom Palatinum entfernt und ver- binden sich nie mit dem Vomer, mit welchen Knochen ja bei den Cheloniiden immer ein Kontakt zustande kommt. Der Vomer schickt den genannten Ecken zwar zwei Fortsätze entgegen, die ganz augen- scheinlich eine Verbindung anstreben; doch ist eine solche bei den macerierten Schädeln nirgends vorhanden, wenn die Knochen sich auch meist recht nahe kommen. Am nicht macerierten Schädel füllt Bindegewebe diese Lücke. Der Zwischenraum zwischen beiden Vertikalplatten erweitert sich nach oben stetig, aber ohne eine aus- gesprochene Erweiterung für die Lobi olfactorii zu zeigen wie etwa bei Chelydriden. Oben ist dieser Raum durch die erwähnten, an der Unterseite der Praefrontalia spitz zulaufenden Vorderenden der Frontalia wagrecht begrenzt. Der untere freie Rand beider Vertikal- platten der Praefrontalia ist nach oben ausgebuchtet; er ist der obern Umgrenzung des Foramen nasopalatinum (s. SIEBENROCK, 1897, p. 278) zu homologisieren, eines Foramens, von dem am Dermochelys- schädel nur deshalb nicht gesprochen werden kann, weil es mit dem sroßen Hohlraum für das Geruchsorgan und der inneren Nasen- öffnung am trocknen Schädel vollständig zusammenfließt. Hervorzuheben wäre noch, dab die Umgrenzung des Praefrontales von Dermochelys, an der sich also nur Postfrontale, Frontale und Maxillare beteiligen, im einzelnen sehr unregelmäßig ausgestaltet ist, namentlich die Grenzen der Verbindung mit dem Maxillare.') Nasalia treten bei Dermochelys nicht auf; die Angabe für einen Fötus bei Gervais (1872, p. 220), auf die sich wohl auch SIEBENROCK (1897, p. 281) bezieht: „Les frontaux anterieurs sont separes en avant par un petit cartilage representant les cartilages du nez“, ist mir nicht recht verständlich. Nach Gervais Zeichnung (l. c. tab. 8 fig. 1b) müßten paarige Knorpel vorn zwischen beiden Praefrontalia isoliert vor den Frontalia liegen. Auf den Schnitten durch den Kopf eines ähnlichen Embryos zeigt sich nun, daß die Praefrontalia des Embryos zwar, wie erwähnt, noch getrennt sind, aber durch Knochenlamellen des Frontales, die sich namentlich unten zwischen die Praefrontalia vorschieben. Paarige Knorpelstücke können hier nicht liegen; die Knochenlamellen sind in dichtes Bindegewebe eingebettet, unter dem sich das einheitliche Dach der 1) Vgl. a. S. 59 Anm. 58 LupwiG Nick, knorpligen Nasenkapsel erstreckt, und wenn solche Knorpelstücke auch vorhanden wären, so könnten sie doch nichts mit den Nasalia zu tun haben, da diese nicht knorplig präformiert werden. — Die mediane Vereinigung der Praefrontalia vor den Frontalia tritt erst in höherem Alter ein; auch am erwachsenen Schädel zeigt sich noch, daß die Mediannaht vorn oben nicht ganz vollständig ist, sondern daß hier immer eine stark wulstige Lücke bleibt (bei I, II, II, IV), die noch Reste von Bindegewebe zeigt. Das Maxillare (Taf. 1 Fig.1, 2, 3,5,6; Taf.2 Fig. 7, 8 max) von Dermochelys ist wie auch das Maxillare der übrigen Schildkröten nach drei Richtungen besonders ausgedehnt. Nach unten von dem eigentlichen Körper des Knochens, der den Unterrand der Orbita bildet, geht für die ganze Länge des Maxillares der Processus alveolaris, medialwärts, als Teil des Munddachs, der nicht ganz so lange Processus palatinus und vorn, außen an den Vertikalplatten des Praefrontales, zieht der Processus praefrontalis aufwärts. Der Processus alveolaris zeigt in seinem vorderen Teile eine tiefe Ein- buchtung. Diese verleiht dem Dermochelys-Schädel zusammen mit dem davor nach unten gehenden Vorsprung, der vom Vorderende des Processus alveolaris und dem Intermaxillare gebildet wird und nach ScHLEGEL’s nicht ganz untreffendem Vergleich eine Art Caninus dar- stellt, ein sehr charakteristisches Gepräge. Nach hinten verläuft der Processus alveolaris unter dem Jugale; seine Außen- sowie seine Innenseite weisen zahlreiche Poren für Gefäße usw. auf. Die untere Kante ist mehr oder weniger gebogen und bildet den zugeschärften Kieferrand; merkwürdigerweise gibt SCHLEGEL an, die Kiefer von Dermochelys seien ohne Hornscheiden; solche sind aber sowohl an Maxillare und Intermaxillare wie am Unterkiefer entwickelt, zwar sehr viel dünner als etwa bei Cheloniiden von entsprechender Größe, aber doch sehr hart und mit scharfem Rande. Der Processus palatinus des Maxillares von Dermochelys er- streckt sich vom Körper des Knochens nach innen, als kräftige Knochenleiste von individuell wechselnder, aber nie sehr großer Ausdehnung im Munddache. Bei Dermochelys endet der Processus palatinus hinten, im Vorderrande der Fenestra infraorbitalis, frei, während er bei Cheloniiden durch das Jugale, das hinter ihm medial- wärts zum Pterygoid greift, davon getrennt wird; bei Chelydriden erreicht der Processus palatinus den Rand der Fenestra infraorbitalis gerade noch, und über seinem Hinterrande verbinden sich Jugale und Pterygoid. Der Processus palatinus bildet den äußeren Teil des Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 59 Bodens der Augen- und Nasenhöhle, beteiligt sich aber bei Dermochelys am Boden der Nasenhöhle verhältnismäßig weniger als bei Chelo- niiden, da sein Vorderende sehr schmal wird. Auf der Gaumenseite, in der Umrandung der Choanen, legen sich von innen an den Processus palatinus von hinten her das vorn auf seiner lateralen Seite lang ausgezogene Palatinum und von vorn her der untere Seitenfortsatz am Vorderende des Vomers, die sich nach Dorno’s feiner Beobachtung (1903, p. 30) vereinigen und das Maxillare von der Umgrenzung der Choanen ausschließen. Für die Richtigkeit dieser Beobachtung spricht eine oft sehr ausgeprägte Rinne im vordersten Rande des Processus palatinus des Maxillares, wo an- scheinend das gewöhnlich durch Präparation verlorene dünne Vorder- ende des Palatinums gelegen hat. Bei der Besprechung des Pala- tinums komme ich hierauf zurück (S. 63). Nach oben zieht der dritte Processus des Maxillares, der Processus alveolaris, der außen an den Vertikalplatten der Praefrontalia ge- legen ist. Fir bildet den vorderen Rand der Orbita fast vollständig, sowie den schräg nach vorn unten ziehenden Rand der äußeren knöchernen Nasenöffnung zwischen Intermaxillare und Praefrontale. Nach einer Angabe von BoULENGER (1889, p. 8) finden sich an einem Dermochelys-Schädel des Britischen Museums fast völlig ge- sonderte Lacrimalia, eine Angabe, die van BEMMELEN (1896, p. 332), der höchstwahrscheinlich denselben Schädel gesehen hat, bestätigt, aber auch dahin einschränkt, daß das fragliche Knochenstück nur einseitig zwischen Praefrontale und Maxillare liegt. Da ein Lacrimale bei rezenten Schildkröten sonst nicht bekannt ist!) und auch die 1) Ein Lacrimale haben wir bei Schildkröten jedenfalls in dem Praefrontale, da GAUPP (1910a) nachgewiesen hat, daß das Lacrimale der Säuger dem bisher bei Sauropsiden als Praefrontale bezeichneten Knochen homolog ist und nicht dem Skeletstück, das bei Crocodilen und manchen Sauriern als Lacrimale bezeichnet wird; dieses will GAUPP als Adlacrimale bezeichnen. Ich habe in der vorliegenden Arbeit nur aus praktischen Gründen einstweilen die alte Bezeichnung Praefrontale bei Schildkröten beibehalten. — Ein Lacrimale beschreibt auch O. P. Hay (1908, p. 89/90 und in einer vorhergehenden, mir aber unzugänglichen Arbeit in Bull. Amer. Mus. nat. Hist., Vol. 21, p. 139, New York 1905) bei einer fossilen Schildkröte, der Baenide Chisternon. Es entspricht der Lage nach einer losgelösten Vertikalplatte des Praefontales und dürfte mit dem Lacrimale alter Deutung (Adlacrimale GAUPP) bei Sauriern und Crocodiliern nichts zu tun haben. — Das Praefrontale von Dermochelys, Chelonia und Chelydra ist schon beim reifen Embryo völlig einheitlich. 60 Lupwie Nick, Lagebeziehungen nicht für ein solches sprechen, so halte ich es wohl für möglich, daß es sich nur um ein zufällig losgetrenntes Knochen- stück handelt, analog den Worm’schen Knochen beim Menschen. Der Oberkiefer wird nach vorn vollendet durch die Inter- maxillaria (Taf. 1 Fig. 1, 2, 3,5, 6; Taf. 3 Fig. 17, 18 ma»), die durch ihre eigentümliche Gestalt bei Dermochelys einen sehr charakte- ristischen vorderen Abschluß des Schädels bilden. Die Intermaxillaria verlängern entweder die Außenfläche der Maxillaria (I und II), oder sie gehen mehr gerade nach vorn, so dab zwischen Maxillaria und Intermaxillaria ein stumpfer Winkel entsteht (IV, V), der auch an den Schädeln der Embryonen sehr markant zutage tritt, wie die Abbildungen von Gervais, GRAY und WAGLER zeigen. Bezeichnend für den Dermochelys-Schädel ist auch die nach oben in die äußere knöcherne Nasenöffnung vorspringende Verlängerung der Inter- maxillaria, die, genau in der Mitte, auch bis zu ihrer Spitze von der Mediannaht zwischen beiden Intermaxillaria durchzogen wird. Diese Knochenspitze ist meist etwas nach hinten gerichtet, geht aber auch manchmal gerade nach oben (IV); am nicht macerierten Kopfe (VII) wird sie in keiner Weise von außen bemerkbar. Die unteren Ränder der Intermaxillaria, die die Alveolarkante der Maxil- laria nach vorn zum Abschluß bringen, bilden zusammen eine starke, nach oben gerichtete Einbuchtung; die Seitenteile beteiligen sich dabei auch noch an dem medianen vorderen Teil der erwähnten, hauerartigen Vorsprünge der Maxillaria. Nach hinten zu ziehen die Intermaxillaria mit ihren Gaumenfortsätzen (Taf. 1 Fig. 2, Taf. 3 Fig. 17 imax') nach dem Vomer hin, auf den sie sich auflegen. Ehe sie aber den Vomer erreichen, lassen sie oben eine Lücke (Taf. 1 Fig. 2 h) zwischen sich; diese erweitert sich nach unten zwischen den Intermaxillaria, dem verbreiterten Vorderende des Vomers und auch den Vorderenden des Processus alveolaris der Maxillaria zu einer nach unten geöffneten trichterförmigen Höhlung (Taf. 1 Fig 1,3 gd; auf Taf. 3 Fig. 17, 18 sagittal durchschnitten). die die stark nach oben vorspringende Symphysenpartie der Dentalia bei geschlossenem Munde aufnimmt. Die Lücke zwischen der oberen Mediannaht der Intermaxillaria ist beim lebenden Tiere bindegewebig geschlossen. Hinter ihr bilden beide Intermaxillaria, wo sie auf der Dorsalfläche des Vomers liegen, noch einmal eine kurze Sutur, bis sie zwischen den divergierenden Vorsprüngen des Vomers, den Vertikalplatten der Praefrontalia gegenüber, endigen. — Auf der Gaumenseite treten die Intermaxillaria bloß in der vorderen und lateralen Umrahmung Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 61 der trichterförmigen Höhlung auf. Unerklärlicherweise zeichnet Gervais (1872, tab. 5 fig. 2), obwohl sein Text die Sache richtig (1872, p. 205) darstellt, das Intermaxillare auch hinter dieser Höh- lung, in der vorderen Umrandung der Choanen zwischen Maxillare und Vomer, während sich in Wirklichkeit der Vomer hier mit seinen seitlichen vorderen Fortsätzen von unten auf das Intermaxillare auf- legt und lateral mit dem Maxillare, bisweilen auch mit (vgl. S. 59, 63) der vorderen Spitze des Palatinums, welche dem Maxillare anliegt, in Verbindung tritt, so daß das Intermaxillare an der Umgrenzung der Choanen nicht teilnehmen kann. Unglücklicherweise hat sich Fucus (1907) gerade auf diese Zeichnung von GERVvAIS gestützt, obwohl er den Zwiespalt zwischen Figur und Text erkannte, und darauf die Behauptung gegründet, Dermochelys weise unter den Schildkröten den primitivsten Bau des Gaumens auf, der sich direkt an den von Sphenodon, wo die Choanen unmittelbar an dem Intermaxillare liegen, anschlösse. Ich werde auf diese Frage nach Abhandlung der übrigen zum Gaumen gehörigen Knochen zurückkommen. Hinzuzufügen wäre hier noch, daß bei Dermochelys wie bei den Cheloniiden das Foramen incisivum (STEBENROCK = Foramen praepalatinum SEYDEL, 1896, p. 456) fehlt, während es bei den Chelydriden vorhanden ist. Durch dieses Foramen zieht bei Chelydra ein Ast des Ramus medialis vom Nasenaste des Trigeminus nach hinten und unten, der über dem Foramen durch das Foramen praepalatinum der knorpligen Nasenkapsel aus dieser herausgelangt.') Der wie bei allen Schildkröten unpaare Vomer (Taf.1 Fig. 1,3; Taf. 3 Fig. 17, 18 vo) von Dermochelys schließt mit seinen vordern 1) Auffallenderweise finde ich im Kopfe des reifen Chelonia-Embryos anscheinend denselben Nervenast durch das Intermaxillare auf die Gaumen- seite treten; wir hätten also hier ein Foramen incisivum, das sich übrigens mit voller Sicherheit nur auf der einen Seite des Kopfes konstatieren läßt. Es wäre möglich, das damit ein oben auf dem Intermaxillare aller mir vorliegenden mehr oder weniger ausgewachsenen Chelonia-Schädel paarig auftretende kleine Öffnung in Beziehung stehen könnte, von der ein enger Kanal in den Knochen hineinläuft, aber nach vorn unten. Sein Verlauf ließ sich mit der Sonde nicht feststellen und ebensowenig eine sichere untere Öffnung für ihn, da die Unterseite der Intermaxillaria mit Poren für kleine Gefäße etc. dicht besetzt ist. — Bei Dermochelys findet sich nichts Ahnliches, auch beim Embryo nicht. — Mir erscheint indessen eine Homologisierung des fraglichen Kanals bei der erwachsenen Chelonia mit dem Foramen ineisivum der Chelydra kaum zulässig, und die obige, auch von SIEBENROCK mitgeteilte Meinung, daß (ältere) Oheloniiden kein Foramen incisivum besitzen, scheint zu Recht zu bestehen. 62 Lupwie Nick, Querfortsätzen, wie gesagt, das Intermaxillare von der Umgrenzung der Choanen aus. Diese Querfortsätze werden nach Dotto (1903, p. 30) von den lateralen Fortsätzen der Palatina erreicht. Die vordere Fläche des Vomers ist die Hinterwand der Höhlung für die Spitze des Unterkiefers (Taf. 1 Fig. 1, 3 gd). Dahinter trennt die vordere Hälfte des langgestreckten Knochens die Choanen vonein- ander; diese sind am Schädel außerordentlich groß, und da sie ja weit vorn liegen, kann man vom Gaumen aus durch innere und äußere Nasenöffnung zugleich durchsehen (Taf. 1 Fig. 1). In seiner hinteren Hälfte scheidet der Vomer die Palatina (Taf. 7 Fig. 35) und endigt dann an den Pterygoiden. Diese drei Knochen sind hier durch breite Knochenlamellen vernutet, und es kann vorkommen (V), daß die obere Lamelle des Vomers auch noch beide Pterygoide auf der Oberseite trennt und das Rostrum parasphenoidale erreicht. Daß nach den Vertikalplatten der Praefrontalia zustrebende Fortsätze (Taf. 1 Fig. 1, 3 vpf) vorhanden sind, ohne diese aber zu erreichen, wurde bereits bei den Praefrontalia gesagt und ebenso, daß die Intermaxillaria sich mit ihren Gaumenfortsätzen (Taf. 1 Fig. 2 ima«‘) von vorn auf den Vomer legen. Nach unten ist der Vomer in seiner vorderen Hälfte zu einer Leiste zugeschärft, in der wir der ganzen Form nach eine rudimentäre Pars descendens sehen dürfen. Bei den Embryonen zeigt es sich auf Querschnitten, daß der Vomer in seinem vorderen Teile aus einer rechten und einer linken Deck- knochenlamelle gebildet ist; im hinteren Teile aber besteht er aus paarigen, bilateral symmetrisch angeordneten Lamellen (Taf. 7 Fig. 35), und auf die Bilateralität in der Anlage des Knochens dürften auch die paarigen Lamellen in der vorderen Vomerhälfte zurückzuführen sein; es erscheint mir fraglich, ob diese paarige Entstehung als Beweis für eine ursprüngliche Paarigkeit des Vomers angeführt werden kann. Als letzter Knochen des Munddachs von Dermochelys ist schlieb- lich’ noch das Palatinum (Taf 1 Pie 1,3 72 Mio i ere: Taf. 3 Fig. 18 pal) zu besprechen. Es zeichnet sich vor dem der Chelo- niiden und Chelydriden dadurch aus, daß sein Hinterrand größten- teils frei ist, wie bereits GERvAIS (1872, p. 205) mit Baur (1889, p. 188) betonten, und einen Teil des Vorderrandes der Fenestra infraorbitalis bildet, wodurch Maxillare und Pterygoid voneinander getrennt bleiben. Übereinstimmend mit Cheloniiden ist das Fehlen des Foramen palatinum posterius, dab sonst überall bei Schildkröten vorkommt. Auf Gray’s Abbildung eines Embryoschädels (1869, p. 224) ist ein solches gezeichnet; ich kann nirgends etwas davon Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 63 finden, und auch Gervais und WAGLER geben für die Embryonen nichts darüber an. Das Palatinum von Dermochelys ist lateral begrenzt von dem Processus palatinus des Maxillares und medial von Pterygoid und Vomer. Die Verbindung geschieht, namentlich mit den letzteren Knochen, durch Schuppennaht. Nach vorn bildet das Palatinum den Hinterrand der Choanen und umschließt diese auch lateral mit dem langen schmalen Fortsatz, der sich am Processus palatinns des Maxil- lares nach vorn zieht. Dieser erreicht, wie schon erwähnt, nach DoLLo den Querfortsatz am Vorderende des Vomers mit einer feinen Spitze, die bei den Schädeln, die GERVAIS, BOULENGER und VAN BEMMELEN abbilden, bei der Präparation verloren gegangen sein soll. Auch bei den mir vorliegenden macerierten Schädeln fehlt die Verbindung des Palatinums mit dem Vomer durchgängig, aber es findet sich tat- sächlich überall am Vorderende des Palatinums eine Bruchfläche, die darauf schließen läßt, daß der Knochen noch weiter gehen muß, und außerdem spricht für diese Fortsetzung die Rinne im Processus palatinus des Maxillares (S. 59); nur bei II machen hier einige Knochenhöcker zwischen Vomer und Palatinum diese Verbindung an dem Vorderrande der Choanen unwahrscheinlich. Die Beobachtung Doruo’s wird außerdem von O. P. Hay (1908, p. 15) bestätigt. Bei VII erreicht, nach einem Präparate der rechten Seite, das Palatinum den Vomer nicht, doch ist zu beachten, dab dieser Schädel von einem noch nicht ausgewachsenen Tiere stammt. Auch bei den Embryonen findet sich auf den Querschnitten diese Verbindung (noch) nicht. Ein sekundärer Gaumen, wie er bei den Cheloniiden in so starker Ausbildung durch das Zusammentreten der Gaumenplatte des Vomers und der Palatina entwickelt ist, fehlt bei Dermochelys. Wir haben nun kurz die Frage zu erörtern, ob wir in dem (Gaumen von Dermochelys ein primär einfaches Munddach vor uns haben und damit ein primitives Verhalten von Dermochelys oder ob hier sekundäre, durch Rückbildung veränderte Verhältnisse vor- liegen. Letztern Standpunkt vertritt vay BEMMELEN (1896), indem er auf eine faltenartig, medianwärts gerichtete Kante aufmerksam macht, die auf dem Palatinum von Dermochelys immer deutlich heraus- tritt (Taf. 1 Fig. 1 pal. À) und die er als Rest einer rückgebildeten Bodenplatte der Nasenhöhle deutet. Ebenso ist DozLo (1903) der Ansicht, daß bei Dermochelys Rückbildung eines sekundären Gaumens vorliegt; ein Rest dieser Bildung ist ihm die Verbindung von Vomer und Palatinum vor der Choane, während bei primitivem Verhalten, 64 LupwiG Nick, bei Sphenodon, die Choane vorn unmittelbar an das Intermaxillare und lateral an das Maxillare anstößt. Beide Gründe sind auch nach meiner Meinung für die Auffassung, daß der Gaumen von Dermo- chelys von einem Gaumen ähnlich dem der Cheloniiden herzuleiten sei, sehr schwerwiegend. Und wenn man auch annimmt, daß die von Dorro beobachtete Berührung von Vomer und Palatinum am Vorderrande der inneren Nasenöffnung nicht immer stattfindet und das Maxillare ebenfalls an der Begrenzung der Choane teilnimmt, so bleibt doch die laterale Begrenzung der Choanen durch das Pala- tinum, welche man aus dem primitiven Verhalten bei Sphenodon nicht gut ableiten kann. Dazu kommt, daß man wahrscheinlich in der unteren Crista des Vomers eine rudimentäre Pars descendens und in seiner vorderen Verbreiterung den Rest einer Basalplatte des Vomers zu erblicken hat. Außerdem veranlassen mich weitere Be- funde an der Nase, van BEMMELEN’s und DozLo’s Auffassung anzu- nehmen; ich werde darauf zurückzukommen haben. Die Ansicht, daß der Gaumen von Dermochelys primär einfach und primitiv sei, vertritt Fucus (1907a). Er hält den Gaumen von Dermochelys für den allerprimitivsten Schildkrötengaumen, der sich direkt an den von Sphenodon anschlösse. Diese Annahme ist, wie wir schon sahen (S. 61), dadurch, daß sie sich auf eine gerade in dem hier wichtigsten Punkte fehlerhafte Abbildung von GERVAIS (1872, tab. 5 fig. 2) stützt, nichtig. Die wichtigen Angaben von van BEMMELEN (1896) und Dorzo (1903) sowie die richtigen und klaren Abbildungen von ersterem Autor und von BOULENGER hat Fucus anscheinend nicht gekannt. Auch ist das Munddach bei Dermochelys nicht ganz flach, gleich dem von Sphenodon, wie das Fucus annimmt, sondern es ist eine deutliche, wenn auch wenig tiefe Fossa nasopharyngea vorhanden, zu deren Zustandekommen die von van BEMMELEN zuerst hervorgehobenen Falten der Palatina an erster Stelle beitragen. Nach allem schließe ich mich der Ansicht von van BEMMELEN und Dorso in bezug auf den Gaumen von Dermochelys vollkommen an. Der Gaumen von Dermochelys ist allem Anschein nach nicht primär einfach, sondern es liegt Rückbildung vor aus einem Zu- stande, wie ihn etwa die Cheloniiden heute typisch aufweisen. Da- mit soll nicht gesagt sein, daß die Vorfahren von Dermochelys einen sekundären Gaumen in der Ausdehnung wie bei den heutigen Chelo- niiden besessen hätten. Die Rückbildung des sekundären Gaumens ist bei Dermochelys heute so weit vorgeschritten, dab die sekundären Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 65 inneren Nasenöffnungen an den Platz der primären (Sphenodon) nach vorn gerückt sind. Warum dies bei Dermochelys im Laufe der Ent- wicklung eingetreten ist, wird sich schwer erklären lassen. Doro (1903) konstatiert, daß eine kurze Unterkiefersymphyse mit Vorder- lage der inneren Nasenöffnungen zusammen auftritt, wie z. B. bei Dermochelys; erstere hängt nach Doro von der Art der Nahrung ab, die bei Dermochelys aus weichen Meerestieren und -pflanzen be- steht (vgl. VAILLANT, 1896). Dermochelys weist also im Gaumen hoch spezialisierte Verhält- nisse auf. Dagegen zeigen die Chelydriden in ihrem winzigen sekun- dären knöchernen Gaumen wahrscheinlich ein primäres Verhalten, wie dies auch Dorzo (1903, p. 29) und Fucus (1907a, p. 432) an- nehmen. Jedoch wird am nicht macerierten Kopfe von Chelydra ein ziemlich großer sekundärer Gaumen dadurch erreicht, daß ein weicher sekundärer Gaumen den knöchernen nach hinten fortsetzt; von einem solchen aus hat sich wohl bei anderen Familien ein größerer knöcherner sekundärer Gaumen, als er bei den hier primitiven Chelydriden vor- handen ist, herausgebildet. Bei Dermochelys finde ich keinen weichen Gaumen (Taf. 7 Fig. 36), wie dies auch unserer Auffassung vom Gaumen dieser Form nach der Fall sein muß; denn wenn ein knöcherner sekundärer Gaumen rückgebildet wird, so erleidet ein vielleicht damit verbundener weicher Gaumen selbstverständlich vorher das- selbe Schicksal. Der Unterkiefer von Dermochely (Taf. 1 Fig. 6; Taf. 2 Fig. 15, 16) ähnelt in seiner Gesamtform ziemlich dem der Chely- driden und nicht dem der Cheloniiden, deren breite, in der Mitte geteilte und seitlich ausgefurchte Kaufläche hier nicht vorhanden ist. Namentlich Dermochelys weist sehr zugeschärfte Kieferränder auf, die nach vorn in die von allen Autoren als charakteristisch hervorgehobene Spitze auslaufen; die ganze schneidende Kante ist mit einer dünnen Hornscheide bedeckt (s. S. 58). Wenden wir uns nun zur Betrachtung der Elemente des Unter- kiefers (bei der [mit Ausnahme der Goniales] auch SIEBENROcCK’S Nomenklatur benutzt wird), so muß zunächst erwähnt werden, dab schon GERvAIS ein verknöchertes Articulare am Unterkiefer vermißte (1872, p. 207). Die Gelenkfläche für den Processus arti- cularis des Quadratums wird in der Tat nur durch das verbreiterte hintere Ende des Mecker'schen Knorpels gebildet, der am Unter- kiefer von Dermochelys in mächtiger Ausdehnung erhalten bleibt; Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 5 66 Lupwie Nick, lateral wird die Gelenkfläche noch durch das Supraangulare (Taf. 1 Fig. 6; Taf. 2 Fig. 15, 16 sang) verbreitert. Der medialen Fläche des hinteren Teiles des Mecker’schen Knorpels liegt eine ziemlich dünne, dreieckige Knochenschuppe an. Diese entspricht ihrer Lage nach vollständig demjenigen Knochen des Schildkrötenunterkiefers, den Baur (1896, p. 411) als Angulare gedeutet hat. Der Knochen ist aber dem von Cuvier (1824) bei Crocodiliern, Eidechsen und Schildkröten als Angulare bezeichneten Knochen nicht homolog. Dies hebt bereits SIEBENROCK (1897, p. 313) hervor, und er bezeichnet den Knochen wie Cuvier (1824) als Oper- culare (Spleniale Owen). Auch diese Bezeichnung ist unzutreffend, wenn man die Lage des Knochens weit hinten am Meckkr’schen Knorpel mit der Vorderlage des Operculares (Cuvier) bei Crocodiliern oder Eidechsen vergleicht und für letzteres an dem Terminus ,,Oper- culare“ festhält. Diesem Operculare entspricht wohl bei Schild- kröten das von Baur (1895) für einige Chelydiden beschriebene Prae- spleniale (Praeoperculare SIEBENROCK, 1897). Der bisher bei Schild- kröten als Operculare (CUVIER, SIEBENROCK) bezeichnete Deckknochen fehlt den Crocodiliern wahrscheinlich; bei Eidechsen wird er angelegt und erreicht eine ziemliche Größe, verschmilzt aber sehr früh mit dem Articulare (Baur, 1895, p. 412; Kınasuey, 1905, p. 61; Gaupr, 1905b, p. 775). Bei den Schildkröten und ebenso bei Sphenodon (Baur, 1895, p. 412) bleibt er zeitlebens selbständig. Der Knochen wurde bereits von Wirrıston (1903, p. 30) richtig erkannt und für ihn der Name Praearticulare vorgeschlagen, Kınsszey nannteihn (Februar 1905) Dermarticulare, und Gaupp unabhängig davon (September 1905) Postoperculare, später aber (1908) Goniale. Dermochelys hat also wie wohl alle Schildkröten zeitlebens ein selbständiges Goniale.!) Es legt sich unten an eine gleich zu besprechende Spange an und oben an den Rand des verbreiterten Hinterendes des Supraangu- lares. An beiden Stellen ist das Goniale nur durch eine schwache bindegewebige Verbindung befestigt, so daß der Knochen bei der Präparation leicht abfällt. Ein gesondertes Coronoid ist nicht vorhanden, wie eben- falls Gervais schon konstatierte (Complémentaire Gervais, 1872, 1) Ich setze den Namen ,,Goniale“ nachträglich für , Dermarticulare“, den Terminus, den ich urspriinglich gebrauchen wollte, da ich die Griinde, die GAUPP neuerdings (1911, in: Anat. Anz., Vol. 39, p. 126) gegen diese Bezeichnung anführt, anerkennen mub. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 67 p. 207). Der schwach ausgebildete Coronoidhöcker wird nur durch das Dentale und median auch durch das Supraangulare gebildet. Letzterer Knochen zeigt in seinen Umrissen gegenüber dem der Cheloniiden und Chelydriden manches Eigentümliche. Er bildet den ganzen, verhältnismäßig steil gestellten Hinterrand des Unterkiefers. Auf der Außenseite greift er spitz dreieckig in das Dentale hinein (Taf. 2 Fig. 15 sang), nach innen liegt er an dem Mecker’schen Knorpel, den er als dünne Knochenlamelle nach vorn bis etwa in die Hälfte der ganzen Unterkieferlänge begleitet (Taf. 2 Fig. 16). Am Hinterrande ist das Supraangulare nach oben stark verbreitert und bildet, wie gesagt, den lateralen Teil der Unterkiefergelenk- fläche. Unter dem Supraangulare, ebenfalls nach außen von dem Mecker'schen Knorpel, liegt das Angulare (Taf. 2 Fig. 15, 16 ang), das einen kurzen Teil des hinteren Unterrandes vom Unterkiefer bildet und hinten auf der Außenfläche nur wenig unter dem Supra- angulare zutage tritt. Wie das Supraangulare zieht es unter diesem als kurze Knochenlamelle nach vorn, zusammen mit ihm den hinteren Teil des vom Dentale gebildeten Sulcus cartilaginis Meckelii aus- kleidend. Nach der Mediane zu findet sich bei I rechts auf der Lamelle des Angulare eine schlanke Knochenspange. die an einer Stelle zwischen sich und der eigentlichen Lamelle (Taf. 2 Fig. 16 la) eine Lücke, einen kurzen, fast senkrechten Kanal freiläßt. Diese Spange ist bei J links und II beiderseits auch angelegt, geht aber nicht so weit vor wie bei I rechts, so dab der kurze Kanal vorn nicht geschlossen wird. Auch bei V finden sich beiderseits An- deutungen der Spange in Gestalt stumpfer Längswülste auf dem Angulare, deren Vorderende die Hinterwand des Kanals markiert. Durch diesen Kanal zieht ein Ast des Ramus mandibularis n. trigemini, der von oben her über die verbreiterte Fläche des Supra- angulares eintritt, lateral am MeckeL’schen Knorpel herzieht und dann durch den Kanal (bzw. Sulcus) in die untere Partie des Unter- kiefers gelangt. Der mächtigste Knochen des Unterkiefers ist das Dentale (Taf. 1 Fig. 6; Taf. 2 Fig. 15, 16 dent), das vorne die charakte- ristische Spitze in die Höhe schickt; diese ist meist leicht nach hinten gekrümmt, oder aber sie steigt gerade aufwärts wie bei IV. Die eigentliche Symphyse des Unterkiefers ist, wenn man diese Spitze nicht mitrechnet, ziemlich kurz, was nach DozLo (1903, p. 29) mit der Art der Ernährung von Dermochelys zusammenhängt. In der Regel findet sich keine Spur einer Naht der Dentalia, auch bei D* 68 Lupwie Nick, den reifen Embryonen nicht. Um so auffallender ist es, daß nach BouLEnGER (1889, p. 9) an einem erwachsenen Schädel des Britischen Museums eine mediane Sutur persistiert. — Auf seiner Außenseite weist das Dentale zahlreiche Poren auf, für Gefäße usw.; nach innen bildet es den Sulcus cartilaginis Meckelii, der hinten von Angulare und Supraangulare austapeziert ist und nach vorn mehr flach ver- läuft als bei Chelydra, während er bei den Cheloniiden in der Regel tiefer eingeschnitten ist (und ähnlich bei Macroclemmys). Das am Oberrande des Sulcus cartilaginis Meckelii befindliche Foramen canalis alveolaris (Taf. 2 Fig. 16 f. can. alv) liegt bei Dermochelys sehr weit vorn, und ein langer Sulcus führt zu ihm hin, während es bei Chelo- niiden etwa in der Mitte einer Unterkieferseite liegt und bei Chely- driden noch mehr hinten, nahe dem Coronoid. Ein Operculare (Spleniale) fehlt Dermochelys; wie schon be- merkt, ist der als solches gedeutete Knochen ein Goniale (Gaupp; Praearticulare Wıtuıston; Dermarticulare KINGsLEY: Postoperculare Gaupp). Die Umrisse der einzelnen Elemente und auch des ganzen Unterkiefers von Dermochelys weisen recht zahlreiche Unregelmäßig- keiten auf, die aber nicht weiter von Belang sind. Erwähnt werden mag hier auch der Scleroticalring, den GERVAIS für Dermochelys genügend beschrieben und abgebildet hat (1872, p. 208 tab. 5 fig. 7, 7a). Er unterscheidet sich nicht von der sonst üb- lichen Form bei Schildkröten; auch bei den Embryonen sind seine einzelnen Knochenplättchen schon vorhanden (Taf. 7 Fig. 35, Taf. 8 Fig. 41 scl. ri); den Scleroticalring bei Erwachsenen habe ich selbst nicht präpariert. Dagegen muß das Zungenbein wieder einer eingehenderen Betrachtung unterzogen werden. Seine embryonale Entwicklung wurde erst einmal bei Schildkröten beschrieben: von Fucus (1907) bei Emys lutaria. — SIEBENROCK stützt in seiner umfassenden Arbeit über den ausgebildeten Zungenbeinapparat der Schildkröten (1898) seine Angaben über Dermochelys auf die Berichte und Abbildungen von Gervais (1872), ALESSANDRINI (1834) und WAGLER (1830), die aber alle mehr oder weniger mangelhaft sind. Die folgenden An- saben über das Zungenbein von Dermochelys beruhen auf einem solchen, das zu Schädel I gehört, bei dem aber leider, da es trocken aufbewahrt wurde, alle Knorpelteile stark zusammengeschrumpft sind, und auf dem Zungenbein von VII, das ich selbst auspräparieren konnte und von dem ich eine Abbildung gebe (Taf. 2 Fig. 10). Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 69 Außerdem gaben natürlich auch die Schnittserien von A und B dar- über Aufschlub. Das Zungenbein von Dermochelys ist mächtig ausgebildet; es reicht nach vorn mit seinen Processus lingualis bis fast in den Winkel der Unterkiefersymphyse hinein und nach hinten mit den Branchial- hörnern bis in die Mitte des Halses. Man kann wie gewöhnlich bei den Schildkröten auch hier unterscheiden : das breitflächige Corpus hyale (Taf.2 Fig. 10 co. hy), das den Processus lingualis (pr. ling) entsendet, 1 Paar Cornua hyalia (c. hy) und 2 Paare Cornua branchialia (c. br I und c. br II), die gegen das Corpus hyale abgesetzt sind. Die Verknöcherung des Zungenbeins, die sehr lang- sam vorrückt, erfolgt in der Art, wie sie SIEBENROCK (1898) für die Cheloniiden beschreibt. Bei den reifen Embryonen findet sich nur das drehrunde Cornu branchiale I in seiner Peripherie verknöchert, auber am distalen Ende und einer sehr kleinen Partie am proximalen Ende, die knorplig sind (A, B; WaGLer 1830, tab. 1 fig. 16). Weiter scheint die Verknöcherung des Cornu branchiale I über- haupt nicht zu gehen. Ich finde bei I und VII noch Knorpel an beiden Enden des Horns (kn‘ und kn“); namentlich ist die distale Knorpelepiphyse auffallend, die von etwas dunklerer Färbung (VII) ist als der Knorpel des Corpus. Auch in dem Knochenzylinder, der den größten Teil des Cornu branchiale I ausmacht, bleibt noch Knorpel erhalten; selbst bei dem Zungenbein, das ALESSANDRINI be- schreibt und das dem größten bekannten Exemplare von Dermochelys entstammt, ist nur eine dünne periphere Knochenhülle vorhanden, wie die Abbildung ALESSANDRINTS gut veranschaulicht. Bei dem eben genannten großen Bologneser Exemplare scheint auch noch das ganze Corpus hyale knorplig gewesen zu sein. Sonst beginnt die Verknöcherung hier von zwei Ossificationszentren aus, die hinter den Gelenkstellen mit den Cornua branchialia II, den Processus branchiales (pr. br), entstehen. Bei VII zeigt sich hier auf der rechten Seite Knochen im Knorpel (Taf. 2 Fig. 10 oc) nur ziemlich dünn, da er nur oben durchschimmert. Bei I ist bereits beiderseits Verknöcherung vorhanden, doch beide Zentren sind noch durch Knorpel getrennt und sehr asymmetrisch ausgebildet. Das rechte Knochenstück ist sehr viel größer als das linke. Bei GERVAIS Exemplar (1872, tab. 7 fig. II) dagegen ist die Verknöcherung sym- metrisch vor sich gegangen, und beide Knochenzentren sind ver- schmolzen, so dab fast die ganze hintere Hälfte des Hyoidkörpers knöchern erscheint. 70 Lupwie Nick, Gleichzeitig damit dürfte wohl die Verknöcherung der proximalen Hälfte der breiten Cornua branchialia II vor sich gehen, die im ganzen nur etwa die halbe Länge der Cornua branchialia I erreichen. Ihre distale Hälfte bleibt als stark abgeplatteter Knorpel bestehen (I, Gervais); bei VII ist das ganze Cornu branchiale IL noch knorplig. Eine weitere Verknöcherung erscheint dann auf GErvars’ Abbildung, ein paariges Knochenstück, in dem GERVvAIS eine An- deutung des Cornu hyale erkennen will. Jedenfalls aber handelt es sich dabei um weiter nichts als um die erst in diesem Alters- stadium auftretenden Knochenzentra in den Processus mediales, an die sich die Cornua branchialia I ansetzen und die auch bei Chelo- niiden erst nach der Entwicklung der Knochenzentra an den Cornua branchialia II auftreten. Bei I zeigt sich an der betreffenden Stelle nur eine geringe Knorpelverdickung und ein kleiner knorpliger Fortsatz. Gervaıs hat, durch seine Auffassung der beiden Knochen- zentra verleitet, die Cornua branchialia I zu weit hinten angesetzt. Die Cornua hyalia aber sind ihm verloren gegangen, und ebenso fehlen sie bei WAGLER, während sie ALESSANDEINI darstellt. Sie sind nicht sehr groß und sitzen nur sehr locker an lateralen Ecken des Hyoidkörpers, den Processus hyoidei (pr. hy), hinter dem Processus lingualis an. Die Processus hyoidei hat Gervais auch auf seiner Zeichnung angedeutet, namentlich rechts, aber in ihrer Bedeutung verkannt. Bei I und VII treten sie sehr viel ausgeprägter in Er- scheinung und ebenso auf den Abbildungen von WAGLER und ALESSANDRINI; ihnen liegen die völlig knorpligen Cornua hyalia an. Knorplig bleibt auch der ganze Rest des Zungenbeinkörpers, soweit die erwähnten Verknöcherungen in ihm den Knorpel nicht verdrängt haben. Der Körper ist oben rinnenférmig, die vorderste Partie auf- gebogen; in der weiten Rinne liegen der Kehlkopf und der vordere Teil der Trachea. Die Hörner des Zungenbeins sind alle stark nach oben gebogen; am weitesten herauf geht das lange Cornu branchiale I, das beim Embryo bis in die Höhe des Rückgrats reicht. Dermochelys besitzt auch ein Epibranchiale I, wie es SIEBEN- ROCK für viele andere Schildkröten beschreibt; die Entstehung dieser Bildung erfolgt nach Fucus (1907 b) bei Emys aus einem vom Haupt- kern getrennten zweiten kleineren dorsalen Knorpelkern des ersten Branchialbogens. Das Epibranchiale I (Taf. 2 Fig. 10 epibr. I) von Dermochelys ist ein unregelmäßig kegelförmiges Knorpelstückchen, das am Ende der Knorpelepiphyse des Cornu branchiale I auf der lateralen Seite aufsitzt und ebenso dunkel gefärbt ist wie diese; Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. ra mit seinem verjüngten Ende zeigt es nach außen und unten. Von der Knorpelepiphyse ist das Epibranchiale I ebenso durch Perichondrium abgesetzt wie die Cornua vom Corpus. Für Dermochelys war das Epi- branchiale bis jetzt noch nirgends erwähnt. Ein Entoglossum, ein unpaares Knorpelstück unter dem Corpus hyale, das nach Stepenrocr’s (1898) Vermutung allen Schild- kröten zukommt, fehlt bei Dermochelys. Ich vermisse es sowohl bei VII, wo bei der Präparation sorgfältig darauf geachtet wurde, wie bei den Embryonen vollständig. SIEBENROCK gibt für Dermochelys an, das Entoglossum sei hier in ovaler Form anwesend, und stützt sich dabei auf die alte Arbeit von ALESSANDRINI (1834). In der Tat zeichnet dieser die Umrisse eines solchen Gebildes, hat es aber aller Wahrscheinlichkeitnach nur als Homologon zu dem der Chelonia caouana (Daup., Caretta caretta L.), die er daneben untersuchte, ergänzt. Daraufhin weist der Umstand, daß er nur eine punktierte Umriß- linie gibt, während er das Entoglossum von Chelonia caouana zweimal zeichnerisch ausführt. Im Text bemerkt er nur, er habe von der Lederschildkröte das „os hyoideum pene integrum“ zur Untersuchung erhalten. Bei Cheloniiden dagegen hat SIEBENROCK (1898, p. 431) ein Ento- olossum beschrieben, in längsovaler Form und oben rinnenförmig aus- gehöhlt. Es findet sich auch an dem mir vorliegenden Chelonia- Materiale sowohl an dem. ganzen Kopfe wie auf der Querschnittserie durch den Kopf eines reifen Embryos, auf den Querschnitten durch- gehend hyalinknorplig wie der darüber liegende Processus lingualis. Verhältnisse, die Licht auf die bisher unbekannte Ontogenie des Entoglossums werfen, konnte ich bei Chelydra serpentina und dann auch bei Æmys orbicularis L. beobachten. SIEBENROCK gibt für Chelydriden ein herzförmiges Entoglossum an; es ist daher sehr über- raschend, wenn sich auf einer Schnittserie durch den Kopf eines reifen Embryos keine Spur von Knorpel unter dem Processus lingualis vorfindet, dagegen ein sehr dichtes Bindegewebe, in dem der Processus lingualis wie in einer Rinne liegt. In dem Kopfe des halberwachsenen Tieres fand sich an dieser Stelle ein sehr zähes (Gewebe, das herauspräpariert und in Paraffin geschnitten wurde. In den Schnittbildern zeigen sich alle Übergänge von dichtem Binde- gewebe zu fasrigem Bindegewebsknorpel und völlig homogen aus- sehendem Knorpel; im ganzen überwiegt noch Bindegewebe; die Ver- knorplung geht von einzelnen Herden aus. Nach einer Angabe von Fucus (1907 b, p. 39) fehlt dem Embryo 79 Lupwie Nick, von Emys lutaria (= orbicularis L.) ein Entoglossum. Ein Präparat von einer nicht völlig erwachsenen mys, das ich der Güte des Herrn Dr. Verstuys verdanke, zeigte in gleicher Lage unter dem Corpus hyale ein ähnliches Bindegewebe wie mein Chelydra-Präparat, das auch auf Querschnitten die gleichen Bilder bietet, wie ich sie für Chelydra angedeutet habe, nur daß hier bei Emys im Verhältnis mehr Knorpel ausgebildet ist. Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, daß sich aus dem be- schriebenen Gewebe bei Chelydra das einheitliche Entoglossum ent- wickelt, wie es nach SIEBENROCK’S bestimmter, aber höchstwahr- scheinlich nur für ältere Exemplare geltender Angabe bei Chelydriden vorhanden ist. Ob es bei Emys orbicularis zur Ausbildung eines ein- heitlichen Entoglossums Kommt und in welcher Gestalt dies auftritt, darüber habe ich in der Literatur (Bosanus, HOFFMANN, SIEBENROCK) nichts finden können. Daß ein einheitliches Entoglossum auf dieselbe Weise wie bei Chelydra zustande kommt, ist nach dem Mitgeteilten aber sehr wahrscheinlich. Das Entoglossum entsteht also, jedenfalls bei Chelydra und Emys, viel später als das eigentliche Zungenbein und ganz unabhängig davon als eine Verknorplung von Bindegewebe. Und zwar entsteht es in dem sehnigen Binde- gewebe, welches die beiderseitigen Musculi geniohyoidei unter sich und mit dem Unterkiefer verbindet. Entsprechend dieser Entstehung aus Bindegewebe gehen bei den untersuchten Exemplaren von Hmys und Chelydra die homogenen Knorpelstückchen am Rande in Faser- knorpel und dieser wieder in Bindegewebe über. Erst später dürfte dann auch hier das Entoglossum ein einheitliches und ganz hyalines Knorpelstück werden, wie es bei Chelonia schon beim reifen Embryo erreicht ist. — Beim Embryo von Dermochelys fehlt auch eine aus- gesprochene bindegewebige Anlage des Entoglossums, wie dies beim Chelydra-Embryo der Fall ist. Das Entoglossum ist also kein Teil des Hyobranchialskelets.') Ob das Fehlen des Entoglossums bei Dermochelys ein primitives 1) Vgl. die auch von SIEBENROCK (1898, p. 432) zitierte Ansicht von MECKEL (1818). — Gaupp (1904, p. 1022) denkt bei dem Ento- glossum der Schildkröten an das Paraglossale der Vögel, das aber sicher ein Teil des Hyobranchialskelets ist, so daß das Entoglossum nach seiner Entstehung mit diesem nicht verglichen werden kann. Zudem macht GAUPP selbst an der betreffenden Stelle darauf aufmerksam, daß das Para- glossale eine andere Lage hat, nämlich dorsal vom Zungenbeinkörper. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 73 Merkmal ist, beweisend, daß Dermochelys sich schon vor der Bildung des Entoglossums bei den Stammformen der übrigen Schildkröten vom Hauptstamme der Schildkröten abzweigte, oder ob es nur sekundär fehlt, darüber wird später noch verhandelt werden müssen. Das Entoglossum gibt zur Beantwortung dieser Frage wohl kaum genügende Anhaltspunkte. Von besonderem Interesse ist es, daß sich in der Ontogenie des Entoglossums hyaliner Knorpel aus Bindegewebe bildet, während W. Lugoscx („Die embryonale Entwicklung des Knorpelgewebes und ihre stammesgeschichtliche Bedeutung“, in: Biol. Ctrlbl. Vol. 29, 1909, p. 738 —755) die Möglichkeit einer „freien“ Entstehung von Knorpel oder knorpelartigem Gewebe im Bindegewebe entschieden zurück- weist (vgl. L c. p. 751). Eine solche liegt bei der Entwicklung des Entoglossums der Schildkröten normalerweise vor; dab sich Knorpel in pathologischen Fällen frei bilden kann, ist seit langem bekannt.!) III. Das Chondrocranium von Dermochelys coriacea, verglichen mit dem von Chelonia midas und Chelydra serpentina. Die Betrachtung des Kopfskelets von irgend einem Wirbeltiere bleibt immer unvollständig, wenn man nur die knöchernen Skelet- teile berücksichtigt und die knorpligen Teile außer acht läßt. Letztere müssen mit herangezogen werden, soweit sie, als Überreste des primordialen Craniums oder auch als spätere Neubildungen, Anteil haben an der Bildung des Schutz- und Stützapparats für das Gehirn und die wichtigsten Sinnesorgane. Gerade bei den Schild- kröten ist eine eingehende Berücksichtigung der Knorpelteile des Schädels durchaus erforderlich, da diese hier, oft in beträchtlicher Ausdehnung, auch beim erwachsenen Tiere vorhanden sind und am Kopfskelet wichtigen Anteil haben, so daß nur die Mitbetrachtung des Knorpels das Verständnis mancher Tatsachen ermöglicht. Untersuchungen darüber liegen für Schildkröten bis jetzt fast gar nicht vor. Als einzige umfassendere Arbeit auf dem Gebiete ist W. K. Pırker’s Development of the Green Turtle (1880) zu nennen, der an einer Reihe von Embryonen die Entwicklung des Chondro- craniums von Chelonia midas verfolgt und auch konstatiert, daß die 1) Vgl. u. a. P. RATHKE, Über die Ursache des gelegentlichen Auf- tretens von Knorpel bei der Myositis ossificans, in: Arch. Entw.-Mech., Vol. 7, 1898, p. 398—404. 74 LupwiG Nick, Knorpelteile der erwachsenen Chelonia denen des reifen Embryos noch vielfach völlig gleichen. Diese Arbeit ist aber sehr unüber- sichtlich; Parker gibt mehr Schnittbeschreibungen, die von dem ganzen Kopfskelet kein klares Bild geben können; auch sind manche Lücken und Unrichtigkeiten vorhanden. — Einiges Wenige über das Chondrocranium der Schildkröten findet sich bei C. K. Horrmany, der seine Bemerkungen mit einer originalen, in manchen Punkten aber durchaus fehlerhaften Abbildung eines Medianschnittes durch den 8 cm langen Kopf einer Chelonia midas illustriert. — In neuerer Zeit hat dann E. Gaupp kurze Mitteilungen über das Chondrocranium desreifen Embryos von Chelonia viridis Gapow (= midas L.) veröffentlicht (1902 [p. 177—179], 1905a, 1905b, 1906), ohne aber näher auf Einzel- heiten einzugehen oder Abbildungen zu geben; über etwaiges Per- sistieren von Knorpelteilen bei erwachsenen Cheloniiden gibt er nichts an und hat auch darüber in der Literatur nichts Näheres vorfinden können. Auch die Ausführungen von Fucus (1910) über unseren Gegenstand bringen nichts Neues.!) So erwies es sich mir als unumgänglich nötig, bei der Bearbeitung des Chondrocraniums von Dermochelys coriacea auch das Chondrocranium von Chelonia midas einem eingehenden Studium zu unterziehen, um wenigstens das aller- nötigste Material zu einem Vergleiche der Dermochelys mit anderen Schildkröten zu haben. Der Mangel an ähnlichen Untersuchungen für andere Schildkröten hat sich dabei als recht erschwerend er- wiesen, da der Wert von Homologien zwischen Dermochelys und Chelonia für die Beantwortung der Frage einer eventuellen Ver- wandtschaft beider so kaum zu beurteilen war, und ich mußte mich entschließen, auch das Chondrocranium von Chelydra serpentina durch- zuarbeiten, die, wie erwähnt (vgl. S. 12), als eine möglicherweise primitive Form zu derartigen Vergleichen geeignet erscheinen konnte. Das Material für die Untersuchung des Chondrocraniums lieferten mir die eingangs erwähnten, in toto konservierten Exemplare: Für Dermochelys die beiden in Schnittserien zerlegten Köpfe von A 1) Während der Drucklegung meiner Arbeit erschien eine Mitteilung von B. W. Kunket (1911): Zur Entwicklungsgeschichte und vergleichenden Morphologie des Schildkrötenschädels (Anat. Anz., Vol. 39, p. 354— 364), die ich leider nicht mehr berücksichtigen kann. Darin ist das Wachs- modell eines Schädels vom Embryo von Hmys lutaria (11 mm Carapax- länge) beschrieben. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 75 (26 mm Kopflänge, 60 mm Carapaxlänge)!) und B (24 mm Kopf- länge, 57 mm Carapaxlänge) und je ein in gleicher Weise behandelter Embryokopf von Chelonia midas (22 mm Kopflänge, 46 mm Carapax- länge) und Chelydra serpentina (14 mm Kopflänge, 30 mm Carapax- länge); ferner die median durchsägten Köpfe von je einem erwachsenen Exemplar von Dermochelys (22cm Kopflänge) und von Chelonia (14 cm Kopflänge inkl. der Crista supraoceipitalis), die ich der Güte der Herren Prof. SPENGEL und Dr. VERSLUYS verdanke, sowie der ebenso präparierte Kopf eines mittelgroßen Exemplares von Chelydra serpentina (9 cm Kopflänge, 23 em Carapaxlänge, 48 cm Gesamtlänge) aus dem Senckenbergischen Museum in Frankfurt a. M. Die Kombination der Befunde am reifen Embryo mit denen am erwachsenen Tiere ermöglicht es, sich die Verhältnisse bei letzterem völlig zu erklären. Denn die reifen Embryonen vereinigen sehr glücklich die Anfänge der Gestaltung des Chondrocraniums, wie es schließlich herausgebildet wird. mit den einfachen Verhältnissen des Primordialcraniums, das noch allen Reptilien gemeinsam ist. Neben der Ausbildung des Knorpelschädels treffen wir aber auch bei den reifen Embryonen auf eine sich bereits dem fertigen Zustande nähernde Ausbildung der natürlich noch dünnen Deckknochen und den Beginn der Ersatzknochenbildung. Hier soll jedoch nur das Chondrocranium für sich behandelt werden; soweit die Verhältnisse der knöchernen Schädelelemente wesentliche Abweichungen gegenüber dem ausgewachsenen Schädel aufweisen, sind diese bereits angeführt; im großen ganzen aber sind die Lageverhältnisse und Formen der Deckknochen den Zuständen am erwachsenen Schädel recht ähnlich, während die Ersatzknochen erst einen geringen Grad der Ver- knöcherung zeigen. Zu bemerken ist nur, daß der Chelydra-Embryo, obwohl etwa auf demselben Stadium wie die beiden anderen Formen (eben aus dem Ei gekommene Tiere) eine relativ weiter vor- geschrittene Verknöcherung der Knorpelteile des Schädels aufweist. In der Benennungsweise kann man sich an Gaurp anschließen, der in seiner bahnbrechenden Arbeit über das Chondrocranium von Lacerta (1900) eine klare Namengebung konsequent durchführt. Man kann ihm um so eher folgen, als Gaupp’s Terminologie und An- ordnung des Stoffes jetzt in die größeren Lehrbücher übergegangen ist, so außer in den (von Gaurr verfaßten) Abschnitt über die 1) Die Carapaxlängen sind ohne Berücksichtigung der Wölbung des Carapax gewonnen. 76 LupwiG Nick, Schädelentwicklung in OÖ. Hertwie’s Handbuch auch in das WTEDERS- HEIM’sche Lehrbuch u. a. m. Abgewichen wurde nur da, wo be- sondere Verhältnisse bei den untersuchten Schildkröten vorhanden waren und dazu zwangen. In der Einteilung des Chondrocraniums verwende ich auch die von Gaurr benutzten Bezeichnungen, ihrer Übersichtlichkeit halber. Jedoch muß hervorgehoben werden, daß diese Einteilung bei den Schild- kröten der vorliegenden Stadien etwas Künstliches an sich hat, da das Chondrocranium hier viel einheitlicher und in sich geschlossener ist als bei Lacerta auf den von Gaurp beschriebenen Stadien. Dies wird namentlich durch das große, einheitliche Tectum cranii erreicht, das in extremster Ausbildung, bei der erwachsenen Dermochelys, das Parietale ganz und das Frontale bis auf eine minimale Fläche von der Umgrenzung des Cavum cranii ausschließt. Die Ohrkapsel ist einmal dadurch, dann aber auch durch die dicke Basalplatte (bei Dermochelys und Chelonia) viel mehr in das Chondrocranium hinein- bezogen, die mächtigen Fensterbildungen in der Seitenwand der Orbitalregion und im Septum interorbitale fehlen, und durch das kräftige, undurchbrochene Septum ist auch die ihrerseits wieder viel geschlossener als bei Lacerta entwickelte Nasenkapsel dem knorpligen Hirnschädel fester angegliedert. Um eine Einteilung durchzuführen, muß man daher einen gewissen Zwang anwenden, und es ist un- vermeidlich, daß dadurch mancher Zusammenhang in der Darstellung nicht so zur Geltung kommt, wie er in Wirklichkeit besteht, während sich andrerseits auch Wiederholungen nicht ganz umgehen lassen. Ich denke jedoch, daß mit Hilfe der Gesamtansichten des Chondro- craniums in ausgewachsenen Köpfen Unklarheiten, die sich in der Darstellung der oft recht komplizierten Verhältnisse leicht ergeben können, vermieden werden dürften, zumal die hier gezeichneten Verhältnisse im allgemeinen bei den reifen Embryonen dieselben sind. In Kombination mit den Schnittbildern durch die Köpfe dieser vermögen diese Gesamtansichten der ausgewachsenen halbierten Schädel auf Taf. 3 eine langwierige und umständliche Rekonstruktion des ganzen Chondrocraniums einigermaßen zu ersetzen.’) 1) Nur für die hintere Orbitalregion und die Ethmoidalregion erwies es sich als unumgänglich nötig, eine Anzahl zeichnerisch gewonnener Teil- rekonstruktionen beizugeben, da Schnittbilder hier schwer ein klares Bild ergeben könnten. Die Anfertigung derartiger Rekonstruktionen wird durch den EpINGER’schen Zeichenapparat sehr erleichtert; die Schnitt- bilder werden direkt auf Millimeterpapier projiziert, wo sie nach für Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 77 Das Tectum cranii, dessen Zuteilung zu einer bestimmten Region am meisten Schwierigkeiten macht, da es sowohl zur Occipital- und Labyrinthregion wie auch zur Orbitalregion gehört, werde ich zwischen den beiden letzteren gesondert behandeln. Die Basalplatte. Die Basalplatte (Taf. 4 Fig. 22—26; Taf. 5 Fig. 27—30; Taf. 6 Fig. 31; Taf. 8 Fig. 37—39; Taf. 10 Fig. 54—58 bp) der reifen Embryonen von Dermochelys, Chelonia und Chelydra stellt eine, bei den beiden ersteren ziemlich dicke Knorpelplatte dar, die sich vom Dorsum sellae bis zum Condylus oceipitalis kontinuierlich erstreckt. Bei jüngeren Stadien von Chelonia midas findet sich nach PARKER (1880) und Gaurp (1905b) eine große Fenestra basicranialis posterior in der Basalplatte im otischen Gebiete, von der auf den mir vor- liegenden Stadien nichts mehr vorhanden ist. Die Chorda dorsalis (ch der oben zitierten Figuren) ist bei den reifen Embryonen von Dermochelys noch in ziemlich beträchtlichen Resten in der Basalplatte erhalten und erstreckt sich bis in den vordersten Teil dieser. Am Übergange vom Dens epistrophei, dessen Vorderende von dem Condylusteil der Basalplatte umgeben ist, zu letzterem ist die Chorda eingeschnürt, so dab sie im Querschnitte als Längsspalt in der Basalplatte erscheint; sie verbreitert sich aber dann (Taf. 4 Fig. 23 ch), wird erst ziemlich weit vorn wieder zusammengedrückt und läuft so, langsam ansteigend, an der Ober- fläche der Basalplatte aus (Taf. 5 Fig. 27-30; Taf. 6 Fig. 31). Ähnlich verhalten sich die Chordareste in der Basalplatte der mir vorliegenden Embryonalstadien von Chelonia (Taf. 8 Fig. 37---39 ch) und Chelydra (Taf. 10 Fig. 54—58 ch). Bei Chelonia erstreckt sich der vorderste zusammengedrückte Teil der Chorda von unten nach oben fast durch die ganze Basalplatte (Taf. 8 Fig. 38 ch), die an dieser Stelle aufgewulstet erscheint. Bei Chelydra (Taf. 10 Fig. 54—58 ch) nehmen die Chordareste im Verhältnis zu der dünnen Basalplatte mehr Raum ein als bei Dermochelys und Chelonia. Die Basalplatte der drei Schildkrötenembryonen setzt sich nach beiden Seiten in die Ohrkapsel und die lateralen Teile des Occipital- ringes kontinuierlich fort. Der Spalt, der diese beiden letzteren Regionen in der lateralen Wand des Chondrocraniums trennt, die die jeweilige Vergrößerung berechneter Schnittdieke durch einfache Parallel- projektion zu der gewünschten Ansicht aneinandergereiht werden können. 78 Lupwie Nick, Fissura metotica, greift auch in den Seitenrand der Basalplatte hinein (Taf. 4 Fig. 25; Taf. 10 Fig. 54 fi. me), trennt aber auf den mir vor- liegenden Stadien die Ohrkapsel von der Basalplatte nicht durch einen horizontalen Spalt, wie dies bei Gaupp’s Lacerta-Embryonen (1900) der Fall ist; ob dieser bei jüngeren Stadien von Schildkrötenembryonen vorhanden ist, ist nicht bekannt. Eine Unterbrechung der kon- tinuierlichen Verbindung zwischen Ohrkapsel und Basalplatte ge- schieht durch die Nische, in der Nervus acusticus und facialis gemeinsam austreten, die Fossa acusticofacialis (s. S. 31; Taf. 6 Fig. 31; Taf. 8 Fig. 39; Taf. 10 Fig. 58 f. af). Diese gehört zwar hauptsächlich der lateralen Wandung des Cavum cranii an, zieht aber auch den lateralen Rand der Basalplatte noch etwas in ihren Bereich. In diesem lateralen Rande liegt ferner das Foramen pro nervo hypoglosso, bei Dermochelys (Taf. 4 Fig. 23 XII) jederseits eine, bei Chelonia und Chelydra zwei Öffnungen auf den mir vor- liegenden Stadien. Der Vorderrand der Basalplatte bildet das Dorsum sellae, das bei den Embryonen von Dermochelys lange nicht so scharf ausgeprägt ist wie am ausgewachsenen Schädel. Auch bei Chelydra ist das bei Erwachsenen sehr ausgesprochene Dorsum sellae noch nicht in diesem Maße zu beobachten, während bei Chelonia ein solches über- haupt nicht gebildet wird (vgl. SIEBENROCK 1897, p. 263). Vom Dorsum sellae aus verlängert sich die Basalplatte in die Trabeculae baseos cranii (Taf. 6 Fig. 32; Taf. 8 Fig. 40; Taf. 10 Fig. 59, 60; S. 10% Fie. !G, HH; S. 110 Mie. J, Ke Ss UI Ei E IB Se N tr); außerdem setzt hier, bei Dermochelys und Chelonia, nicht aber bei Chelydra die Intertrabecula an, die für Chelonia erstmalig von PARKER (1880) beschrieben wurde (s. a. S. 108 ff.). Neuerdings hat Fucus (1910) dasselbe Gebilde bei Chelonia wieder erwähnt und als „Taenia inter- trabecularis“ bezeichnet, ein Terminus, der vor der präzisen Kürze der „Intertrabecula* nichts voraus hat und den ich deshalb auch nicht annehmen kann. Beide, Trabeculae und Intertrabecula, ge- hören in den Bereich der hinteren Orbitalregion und werden dort eingehende Besprechung erfahren, und ebenso die Pila prootica, in die sich die Basalplatte von Dermochelys und Chelonia nach vorn oben verlängert, während ihr im Chondrocranium von Chelydra nur ein relativ kurzer Fortsatz, der knorplig präformierte Processus clinoideus, entspricht. An der Basis der Pila prootica bzw. des Processus bei Chelydra durchbohrt der Nervus abducens den lateralen Vorderrand der Basalplatte. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 79 Der hintere Teil der Basalplatte bildet den Condylus occipitalis, in den der Dens epistrophei hineinragt und der von diesem und dem Atlas durch einen Gelenkspalt getrennt ist. Die Dicke der Basalplatte ist in der Occipitalregion am größten (Taf. 4 Fig. 23, 24; Taf. 10 Fig. 54). Nach vorn zu wird die Platte niedriger, bei Dermochelys namentlich auch durch die schon beim Embryo sehr kräftige Ausbildung des Parasphenoids, das die Aus- dehnung der Knorpelplatte hinderte. Auf dem Querschnitte er- scheint die Basalplatte im ganzen etwas bikonkav; nur über und unter der Chorda findet sich je eine schwache Erhebung (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf. 5 Fig. 27—29; Taf. 6 Fig. 31; Taf. 8 Fig. 37—39; Taf. 10 Fig. 55), die bei Dermochelys in ihrem vorderen Teile auf der Unterseite durch das Parasphenoid unterdrückt wird, während man in der Erhebung oben die Grundlage der am erwachsenen Schädel so auffallenden höckrigen Crista auf Basisphenoid und Basi- occipitale zu sehen hat. Lateral von ihr ziehen auf der Oberseite venöse Gefäße, die sich in der Vena jugularis interna sammeln. Von der Ventralseite treten stellenweise kleine Gefäße in die Basalplatte. Die Basalplatte von Chelydra erscheint wesentlich dünner und da- durch viel mehr plattig als die der beiden Seeschildkröten. Eine starke Verbreiterung zeigt die Basalplatte in der Occipital- region vor dem Condylus occipitalis (Taf. 4 Fig. 24 tb. k); der Knorpel springt plötzlich lateral und nach unten vor und ver- schmälert sich nach vorn allmählich wieder in die Basalplatte hinein; wir haben hier die knorplige Anlage des Tuberculum basioceipitale und der unteren seitlichen Flügel des Exoccipitales vor uns. Abermals beträchtlich lateral ausgedehnt erscheint die Basis des Chondrocraniums vor der Fissura metotica, in der otischen Region. Die Basalplatte bildet hier mit ihren lateralen Teilen den unteren Abschluß der Ohrkapsel (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf.5 Fig. 27—29; Taf. 8 Fig. 37; Taf. 10 Fig. 55, 56) und beherbergt Teile des Gehör- organs, perilymphatische Räume und die Lagena. Es ist daher an- gezeigt, diesen Teil erst in Zusammenhang mit der Ohrkapsel näher zu besprechen. Wohl aber möge hier eine Bildung gleich mitbespruchen werden, die am vorderen Teile der Basalplatte von Chelydra auffällt. Von den lateralen Teilen der Platte ist jederseits eine kurze Leiste nach unten und außen gerichtet (Taf. 10 Fig. 57, 58 bpb). Sie erreicht ihre größte Ausdehnung etwa unter der Fossa acusticofacialis und läuft davor und dahinter flach aus; hinter dem Durchtritt des 80 Lupwie Nick, Nervus facialis durch die vordere untere Ohrkapselwand trennt sie den Canalis caroticus zwischen Basalplatte und Pterygoid vom Canalis cavernosus, in dem der Sinus cavernosus und der Hauptast des Facialis nach hinten verlaufen. Davor aber wird die Leiste von dem Ramus palatinus n. facialis schräg nach vorn zu durchbohrt (Taf. 10 Fig. 58, links); der Nervenast gelangt so medialwärts in den Canalis caroticus, wo er an der Carotis und nachher an der Arteria palatino-nasalis nach vorn zieht. Bei Chelonia läßt sich mit dieser ganzen Bildung zur Not ein an gleicher Stelle befindlicher stumpfer Knorpelwulst (vel. Taf. 8 Fig. 38, 39) vergleichen, der hinter dem Facialisaustritt zusammen mit dem Pterygoid Canalis caroticus und cavernosus trennt; am Facialis- austritt aber fließen diese beiden Räume zusammen, und der Ramus palatinus kann so, ohne noch ein Foramen zu durchsetzen, neben die Carotis gelangen. Bei Dermochelys fehlt auch dieser stumpfe Wulst fast ganz (vel. Taf. 5 Fig. 30, Taf. 6 Fig. 31). — Über Beziehungen, die zwischen der Knorpelleiste bei Chelydra und dem Processus basipterygoideus vieler Reptilien möglicherweise bestehen können, vgl. S. 105, 106. Auf den vorliegenden Stadien ist die Verknöcherung in der Basalplatte bereits ziemlich beträchtlich. Endochondral entstandenes Knochengewebe mit charakteristischer Struktur findet sich in der Umgebung der Chorda in unregelmäßigen Fetzen. Solche Fetzen von in Bildung begriffenem Knochengewebe erscheinen auch im An- schluß an perichondral entstandene Knochenlamellen. Bei Chelydra ist der Knorpel der Basalplatte stellenweise voll- ständig zu einem blasigen Gewebe umgebildet, in dem sich in den Präparaten stark tingierte Kalksalzpartikelchen auszuscheiden be- ginnen, während Fetzen von allerdings noch sehr schwammigem Knochen wie bei Dermochelys und Chelonia fehlen, aber auch der bei diesen im Bereiche der Basalplatte noch sehr verbreitete typisch hyaline Knorpel vielfach mangelt. Die perichondralen Knochen- lamellen sind bei Chelydra ähnlich wie bei Chelonia und Dermochelys ausgebildet, nehmen aber in Anbetracht der dünneren Basalplatte an vielen Stellen einen verhältnismäßig großen Raum ein. — Perichon- drale Knochenlamellen finden sich in der Basalplatte aller vor- liegenden reifen Embryonen namentlich im Bereiche der Occipital- region und in den vorderen Teilen auch auf der ventralen Seite der Basalplatte, so über der Anlage des Parasphenoids bei Dermochelys, wo bei der einen Serie (A) die Verbindung des perichondralen, zum Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 81 Basisphenoid gehérigen Ersatzknochens mit den Lamellen des darunter liegenden Deckknochens bereits so innig ist, daß eine scharfe voll- stindige Trennung des Parasphenoids vom Basisphenoid auf Quer- schnitten schwer halt; die zweite Serie (B) zeigt dagegen eine Ab- grenzung beider Skeletelemente durch Bindegewebe im ganzen (vel. S. 36) sehr deutlich. Das Vorhandensein des mächtig ausgebildeten Parasphenoids (vgl. S. 33ff.) ist der Hauptpunkt, in dem sich der Embryo von Dermochelys auf unserem Stadium von dem gleichalterigen Chelonia- Embryo unterscheidet. Von Unterschieden zwischen Dermochelys und Chelonia, die sich hier im ganzen viel mehr gleichen als Chelydra einer von ihnen, was ja auch sonst für sehr vieles gilt, sei noch einmal hervorgehoben, daß bei Dermochelys für den Nervus hypoglossus nur ein Foramen vorhanden ist, während bei Chelonia deren zwei auftreten. Im ganzen ist bei letzterer die Basalplatte dünner als bei Dermochelys; auch ist bei Chelonia die Ossification beträchtlich weiter fortgeschritten, während bei Dermochelys der Knorpel noch - erheblich mehr Raum einnimmt; bei Chelydra ist der Knorpel noch mehr geschwunden als bei Chelonia, und die Ossification geht noch weiter. Betrachtet man den Boden des Cavum cranii im Bereiche der embryonalen Basalplatte im Kopfe der erwachsenen Schild- kröten Chelonia und Dermochelys, so zeigt sich ein Persistieren ziem- licher Knorpelreste. Bei Chelonia überzieht an dem Kopfe eines ziemlich erwachsenen Tieres (14 cm Schädellänge) eine dünne Knorpelkappe den Condylus occipitalis, und zwischen Basioccipitale und Basisphenoid gewahrt man auf der Fläche eines medianen Sagittalschnittes eben- falls einen Knorpelrest (Taf. 3 Fig. 19). Dieser verbreitert sich sich lateral zwischen den genannten Knochen und verläuft in den dauernd knorpligen Boden und die ebenso gebildete Wand der Ohr- kapsel. Viel mehr Knorpel als bei Chelonia bleibt hier bei Dermochelys erhalten, wie die Abbildung des Sagittalschnittes durch den Kopf (VII Taf. 3 Fig. 17) zeigt: Der Condylus occipitalis erhält sich auch bei ganz erwachsenen Tieren in beträchtlicher Ausdehnung knorplig; so zeigt auch der große Leidener Schädel (V) noch ausgetrocknete Knorpelreste in ziemlicher Ausdehnung, und überhaupt weist die Beschaffenheit des Condylushalses aller untersuchten Schädel auf einen starken Knorpelaufsatz hin, der die Gelenkfläche enthält. Die Chorda in diesem Bezirk ist bereits beim Embryo spaltförmig; bei VII ist gar nichts mehr davon in der Gelenkgrube zu entdecken. Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 6 82 Lupwie Nick, Dagegen zeigt sich, wenn der Knorpel bei der Präparation fort- genommen ist, an sämtlichen trockenen Schädeln (außer bei I) in der hinteren Fläche des knöchernen Basioccipitales ein tiefes Loch, das offenbar Reste der Chorda enthielt (vgl. S. 20). Sehr mächtig ist auch die Ausdehnung des Knorpels zwischen Basioccipitale und Basisphenoid bei Dermochelys (Taf. 3 Fig. 17 bp‘). Er persistiert stets, wie Lücken an dieser Stelle am trockenen Schädel beweisen (Taf. 2 Fig. 13); auch gehen von ihm noch Aus- läufer in beide Knochen hinein (Taf. 3 Fig. 17). Lateral verbreitert sich dieser Rest der knorpligen Basalplatte wie bei Chelonia und seht in die Ohrkapsel über. — Werfen wir einen Blick auf den gleichen Teil des Bodens der Schädelhöhle, wie ihn der Kopf der nur halberwachsenen Chelydra zeigt (Taf. 3 Fig. 21), so sehen wir nur einen dünnen Knorpelüberzug über dem Condylus occipitalis und zwischen Basioccipitale und Basisphenoid nur sehr geringe Reste von Knorpel. Außerordentlich auffallend erscheint an dem Kopfe der er- wachsenen Dermochelys eine Knorpelbildung, die mit der Basalplatte abgehandelt werden muß. Im Bereiche des Knorpels zwischen Basi- oceipitale und Basisphenoid und im Anschluß daran weiter nach vorn geht von der Seite her, da wo die Basalplatte in die mediale Ohrkapselwand übergeht, jederseits eine horizontale Knorpelplatte ab, welche sich mit der medialen Crista des Basisphenoids und mit ihrer knorpligen Fortsetzung über dem Knorpel zwischen Basi- sphenoid und Basioccipitale verbindet (Taf. 3 Fig. 17 kp). Hier über der Grenze dieser beiden Knochen, aber noch mehr auf letzterem, erhebt sich noch ein dicker Knorpelhöcker, ein Tuberculum basale (Taf. 3 Fig. 17 tu. ba), wie ich ihn bezeichnen möchte. Durch die Knorpelplatten kommen zwei Kanäle zustande, die als Boden die obere Fläche des Basisphenoids und des Basalplattenrestes dahinter, als mediane Wand die Crista auf letzteren beiden haben. Lateral sind sie begrenzt durch den erhöhten Seitenrand des Basisphenoids und darüber auch durch die mediane knorplige Ohrkapselwand, und von oben durch die erwähnte Knorpelplatte. Die Kanäle beherbergen die ventral vom Gehirn verlaufenden Venen; sie werden caudalwärts auch auf dem Basioccipitale fortgesetzt, bis etwa in die Gegend des Foramen jugulare anterius (das aus der embryonalen Fissura metotica entsteht, s. später), wo diese Gefäße mit den dorsal und lateral vom Gehirn verlaufenden Nerven zur Vena jugularis interna zusammenfließen, Das Dach der Kanäle bildet aber hier nicht mehr Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 83 Knorpel, sondern die Dura mater, die sich vom Hinterteile des Tuberculum basale an auf die Crista basioccipitalis auflegt. Das knorplige. Tuberculum basale finde ich auch an dem Kopfe von Chelona midas (Taf. 3 Fig. 19 tu. ba), über dem Knorpelrest, der zwischen Basioccipitale und Basisphenoid geblieben ist. Es wird hier wie die ganze Oberfläche des Basioccipitales und Basisphenoids in der Hirnhöhle von der Dura mater bedeckt, die sich fest darauf legt; die Entwicklung von Venen auf der Schädelbasis unter der Dura mater ist sehr viel geringer als bei Dermochelys. Über dem Tuberculum basale geht bei Chelonia von der Dura mater aus ein Bindegewebsstrang zu den inneren Gehirnhäuten, der äußerlich an einen Nerven erinnert; er ist sehnenartig und zähe; bei Dermo- chelys fehlt er anscheinend. Welche Bedeutung dieser Strang hat und welche Bedeutung überhaupt dem Tuberculum basale bei Dermo- chelys und Chelonia zukommt, ist schwer zu entscheiden. Die mediane Crista ist bei Dermochelys VIT noch größtenteils knorplig, bei den macerierten Schädeln aber in verschiedenen Stadien der Ver- knöcherung, als Crista basioccipitalis und basisphenoidalis. Sie ent- steht als eine Aufwulstung der Basalplatte über der Chorda und wird am stärksten bei Dermochelys, weniger bei Chelonia und ganz wenig bei Chelydra ausgebildet. Die Stelle, wo bei Chelonia das knorplige Tuberculum aufsitzt, ist am macerierten Schädel als eine auf einem Höcker gelegene facetteartige Stelle am Vorderrande des Basioccipitale markiert. Eine ähnliche Bildung zeigt Chelydra am macerierten Schädel; recht kräftig ist der Höcker auch bei Macro- clemmys ausgebildet. Im vollständigen Kopfe einer halberwachsenen Chelydra war die Dura mater über dieser Stelle von auffallender Konsistenz, so dab Knorpel vermutet werden konnte. Schnitte von 10 u Dicke zeigen solchen auch an einer Stelle anscheinend in Bildung begriffen. Leider stand mir von Chelydra ein ganz erwachsenes Exemplar nicht zur Verfügung, so daß sich nicht mit Bestimmtheit sagen läbt, ob es hier zur Anlage eines Tuberculums kommt; auch war die eben erwähnte Knorpelbildung (?) nicht in direkter Ver- bindung mit dem Basioceipitale, wie dies nach der Ausbildung der kleinen Facette am macerierten Schädel zu erwarten wäre. Bei den Embryonen von Dermochelys, Chelonia und Chelydra fehlen Andeutungen eines Tuberculum basale. Die Knorpelplatten über dem Basisphenoid bei Dermochelys bilden einen Gefäßkanal; durch die starke Ausbildung der Crista auf Basi- oceipitale und Basisphenoid bei allen Dermochelys-Schädeln liegt die 6* 84 Lupwie Nick, Vermutung nahe, daß es sich bei VII um ein reguläres Vorkommen handelt; darauf weist auch die höckrige Oberfläche der Crista hin, denn eine solche zeigt sich, wie bereits einmal gesagt (S. 26), am Dermochelys-Schädel öfter da, wo Knorpel und Knochen aneinander stoßen. Es mag hier auch noch darauf hingewiesen werden, daß auf der Oberfläche des Basioccipitales von V von den Seiten her zwei kleine Knochenspangen einen kurzen Kanal mit der Crista fast abschließen (S. 21). Jedenfalls müssen bei diesem sehr alten Exemplar Knorpelplatten auch über dem Basioccipitale gelegen haben, die sogar teilweise verknöcherten. Eine sekundäre Aus- höhlung kann kaum in Betracht kommen, da sich unter den beiden kleinen Spangen auf jeder Seite der Crista die regelmäßige Ober- fläche des Basioccipitales zeigt, wie sie alle Schädel aufweisen. Sicher aber haben wir es in den Knorpelplatten über der primären Schädelbasis bei Dermochelys mit einer nachträglichen Bildung zu tun. Ob sich diese Platten bei Dermochelys durch Wucherung des Knorpels von Teilen des Primordialcraniums aus bilden oder ob es sich etwa um eine freie Knorpelbildung im Bindegewebe der Dura mater handelt, vermag ich nicht zu entscheiden, denn bei den Embryonen findet sich von der ganzen Knorpelbildung noch keine Spur, und ob man die soeben bei Chelydra erwähnte etwas frag- würdige Bildung in der Dura mater allgemein in dem Sinne deuten darf, daß sich an den betreffenden Stellen der Knorpel in der Dura mater bilden kann und auch bildet, erscheint sehr zweifelhaft. Chelonia und Chelydra gegenüber fällt bei Dermochelys die mäch- tigere Ausbildung der Venen unter der Dura mater auf, die höchst- wahrscheinlich den Anstoß zur Bildung von eigenen Kanälen ver- mittels der Knorpelplatten gab, während die viel kleineren Gefäße der anderen eigene massive Kanäle nicht beanspruchen. Regio oceipitalis. Der basale Abschnitt der Occipitalregion wird repräsentiert durch den hinter der Fissura metotica gelegenen Abschnitt. der Basalplatte, den wir bereits kennen. Auf diese setzen sich beiderseits die knorpligen Arcus occipitales (Taf. 4 Fig. 23, 24; Taf. 10 Fig. 54 arc.o), die das Foramen magnum zwischen sich fassen; an ihrer Basis ver- läßt der Hypoglossus den Schädel (Taf. 4 Fig. 23 XD). Diese Arcus occipitales sind in sagittaler Richtung ausgedehnte Pfeiler, die oben etwas medialwärts umgebogen sind. Auffallenderweise verschmelzen sie sowohl bei Dermochelys wie bei Chelonia und Chelydra nicht mit Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 85 dem Tectum cranii, sondern laufen frei an ihm aus, wie für Chelonia schon von Gaupp (1905 b, p. 787) festgestellt wurde; bei Lacerta und Sphenodon dagegen stehen die Arcus occipitales in kontinuierlicher Verbindung mit dem Dach des Cavum cranii. Dieses reicht zwar bei den genannten Schildkröten noch hinter den hinteren Rand der Arcus occipitales hinaus (die spätere Crista supraoccipitalis), ist aber überall durch Bindegewebe von den Arcus oceipitales gesondert. Die Arcus occipitales reiehen mit ihrer inneren Fläche etwas weiter medial als die hintere Ohrkapselkuppel; ihre obere vordere Ecke springt außerdem nach vorn etwas vor und drängt auch da- durch an dieser Stelle, im oberen Teile der Fissura metotica, die hintere innere Ohrkapselwand nach außen (Taf. 4 Fig. 24; Taf. 10 Fig. 54 are. 0). Die Fissura metotica gibt die vordere Grenze für die Arcus occipitales an. Von ihr aus erstreckt sich das Bindegewebe nach hinten außen, das die Arcus occipitales von dem nach hinten gehenden, stark ver- dickten Vorsprung der Ohrkapsel, dem Processus paroticus, trennt. An diesen legt sich ein lateraler Fortsatz der Arcus occipitales, der ihn verstärkt, wie dies der hieraus hervorgehende seitliche Flügel des Exoccipitales am ausgewachsenen Schädel, der die Incisura jugularis posterior von oben begrenzt, ebenso zeigt. Irgendwelche wesent- lichen Unterschiede zwischen Dermochelys und Chelonia oder Chelydra finden sich hier nicht. Die Verknöcherung der lateralen Teile der Occipitalregion ist hauptsächlich perichondral und namentlich in der Fissura metotica schon ziemlich kräftig. Auffallend ist Chelydra gegenüber bei Dermochelys und Chelonia sowohl in der Occipitalregion wie auch sonst die stark chondrifugale Entwicklung der perichondralen Ersatz- knochenlamellen. Für Chelonia ist dies bereits von Gaupp festge- stellt (1905b, p. 790) und neuerdings wieder von Fucus (1910, p. 86). Knorpel bleibt bei der erwachsenen Dermochelys aus diesen Teilen nicht erhalten; die Arcus occipitales bilden ausschließlich die völlig verknöcherten Exoccipitalia. Regio otica. Die otische oder Labyrinthregion im Chondrocranium der mir vorliegenden Schildkrötenembryonen wird gebildet von der eigent- lichen Ohrkapsel, in typischer Lage zwischen Trigeminus- und Vagus- ganglion, und von den lateralen Abschnitten der Basalplatte vor der Fissura metotica, die das Labyrinth von unten zum Abschlusse 86 Lupwie Nick, bringen. Nach oben geht die Ohrkapsel kontinuierlich in das Teetum cranii über. Die Ohrkapsel der Embryonen von Dermochelys, Chelonia und Chelydra hat etwa dieselbe äußere Form wie die von Lacerta, die Gaupp (1900) ausführlich beschreibt: ein von vorn außen nach hinten innen gestrecktes Oval. Auf diesem sind bei den mir vor- liegenden Embryonen die Wülste und Vorsprünge, die von den Teilen des Labyrinths herausgewölbt werden, weniger scharf aus- modelliert, als Gaupp dies für Lacerta zeigt. Ob das auch für jüngere Embryonen gilt oder ob hier das Äußere der Ohrkapsel stärker ge- gliedert ist, vermag ich nicht zu entscheiden. Bei Dermochelys ist die Ohrkapsel im ganzen überdies noch sichtlich geschlossener als bei Chelonia und bei dieser wieder mehr als bei Chelydra, was mit der relativen Dicke der Wände der Ohrkapsel zusammenhängt; diese ist am größten bei Dermochelys, am geringsten bei Chelydra. Immer- hin aber treten, am meisten bei Chelydra, noch Wülste aus der Wandung der Ohrkapsel vor, die durch die darunter gelegenen Bogengänge. Am- pullen, den Sinus utriculi superior usw. verursacht sind und die auch auf der Außenseite der Ohrkapsel deren Lage markieren; die von GAupp (1900) für alle diese Vorsprünge bei Lacerta eingeführte Benennungsweise liebe sich daher auch auf die Ohrkapsel der Schild- kröten übertragen. Über die Foramina, die sich in der Ohrkapsel befinden, besitzen wir einige Mitteilungen von Gaurp (1905a, p. 788), nach Befunden am Embryo von Chelonia midas von 22 mm Kopflänge (dieselbe Größe wie bei dem Embryo von derselben Art, der mir zur Ver- fügung stand). — An der hinteren medialen Seite der Ohrkapsel öffnen sich bei Dermochelys, Chelonia und Chelydra in die Fissura metotica (Taf. 4 Fig. 24, 25; Taf. 10 Fig. 54 fi. me) drei Foramina: das Foramen externum n. glossopharyngei (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf. 5 Fig. 27; Taf. 8 Fig. 37 f. ext. IX), am weitesten lateral; der Nerv durchsetzt, wie schon im vorigen Kapitel erwähnt, bei Dermochelys und Chelonia die dauernd knorplig bleibende mediane Vestibularwand (Taf. 3 Fig. 17, 19,21; Taf. 5 Fig. 27—29; S. 91, Fig. C, D, E f. int. IX), verläuft im Vestibulum (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf. 8 Fig. 37 ZX) medial und dann unter dem Sinus utriculi posterior, über dem Ductus perilymphaticus an der Ohrkapselwand her, und tritt durch das erwähnte Foramen in den lateralen Teeil der Fissura metotica. Chelydra weicht in bezug auf den Verlauf des Glossopharyngeus durch die Ohrkapsel embryonal gar nicht ab und bei ältern Tieren nur insofern, als das Foramen Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 87 internum n. glossopharyngei noch in den Bereich der Verknöcherung fällt, so daß sich dann im knöchernen Oposthoticum zwei Foramina für diesen Nerven befinden, ein äußeres und ein inneres. Bei dem auf Taf. 3 Fig. 21 abgebildeten Exemplar liegt das Foramen in- ternum n. glossopharyngei gerade noch vollständig in Knorpel. Medial unter dem Foramen ext. n. glossopharyngei gelangt der Ductus _ perilymphaticus (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf. 5 Fig. 27—29; Taf. 8 Fig. 37; Taf. 10 Fig. 55, 56 d. pl) durch das Foramen perilymphaticum in die Fissura metotica. Sowohl bei Chelonia und Chelydra wie bei Dermo- chelys liegt unter dieser großen Öffnung, die am erwachsenen Schädel groBenteils vom Opisthoticum gebildet, aber unten durch Knorpel ergänzt wird (Foramen perilymphaticam — Foramen rotundum seu cochleae SIEBENROCK, vgl. oben S. 28), noch ein zweites kleineres Foramen in der hinteren unteren Ohrkapselwand, durch das ein von Bindegewebe erfüllter Kanal (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf. 5 Fig. 27—29; Taf. 8 Fig. 37; Taf. 10 Fig. 54 can. hpl) nach hinten zieht; dieser Kanal und der sehr kurze Kanal für den Ductus perilymphaticus beginnen in der Ohrkapselwand innen in gemeinsamer Nische (Taf. 5 Fig. 28, 29 (rechts); Taf. 8 Fig. 37 (rechts). Der zweite Kanal, den ich als Canalis hypoperilympha- ticus bezeichnen möchte, führt von der gekennzeichneten Stelle unter dem kurzen Kanal des Ductus perilymphaticus im Knorpel hin und öffnet sich hinter und unter ihm in den inneren Teil der Paukenhöhle, also hinten an der Apertura lateralis recessus scalae tympani (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf. 5 Fig. 27; Taf. 10 Fig. 54 ap. L. r.s. à). Außer bei Dermochelys, wo er auch kleine venöse Gefäße enthält, liegt bei den mir vorliegenden Jugendstadien von Schildkröten nur Binde- gewebe in ihm. In seinen vordersten Teil, in die eben genannte Nische, ragt gerade noch das Hinterende der Lagena (Taf. 5 Fig. 28, 29; Taf. 10 Fig. 55, 56 /g), ohne sich aber in den Canalis hypoperi- lymphaticus hinein zu verlängern. Erwähnt muß werden, daß bei Serie A von Dermochelys links zwei Kommunikationen des Kanals mit dem Cavum tympani bestehen, eine vor der Apertura lateralis recessus scalae tympani (Taf. 5 Fig. 27 can. hpl‘) und eine hinter ihr an der gewöhnlichen Stelle wie sonst bei Dermochelys, Chelonia und Chelydra. Welche Bedeutung diesem Canalis hypoperilymphaticus zukommt, kann ich nicht angeben; in der Literatur finde ich über eine derartige Bildung nicht das Geringste.!) 1) An Schnittserien von Embryonenköpfen von Chelodina longieollis und 88 Lupwie Nick, Der hier als Fissura metotica bezeichnete Spalt entspricht nur dem vertikalen Teile des Gebildes, das Gaupp bei Lacerta als Fissura metotica bezeichnet. Inwieweit sein horizontaler Teil, der bei Lacerta die mediale Ohrkapselwand in ihrer hinteren Partie von der Basalplatte trennt, bei Schildkröten ausgebildet wird, müssen Untersuchungen an jüngeren Embryonen zeigen. Bei der Ver- knöcherung wird er namentlich bei Dermochelys und Chelonia be- deutend eingeengt, besonders in seinem oberen Teile, bleibt aber sonst einheitlich wie beim Embryo erhalten, als Foramen jugulare anterius. Durch diese Öffnung tritt einmal die Vena jugularis interna aus, die die um das Gehirn liegenden Venensinus nach außen ab- leitet; sie liegt in der oberen Hälfte der Öffnung (Taf. 10 Fig. 54 v. 7); unter ihr treten Nervus vagus und accessorius durch die Fissur (Taf. 10 Fig. 54 X + XJ); unter den Nerven zieht bei Dermochelys noch eine kleinere Vene aus dem Cavum cranii heraus (Taf. 4 Fig. 25). Den übrigen Raum in dem Spalt nimmt perilymphatisches Gewebe ein, das auch noch die Vagus-Accessorius-Gruppe umgreift. Lateral von dem Recessus scalae tympani, nur im lateralen Teile der Fissura metotica, zieht der N. glossopharyngeus (Taf. 4 Fig. 23—25; Taf. 10 Fig. 54) aus dem For. ext. n. glossopharyngei nach hinten außen. Gaupp berichtet (1905b, p. 788), infolge des Verhaltens des N. glossopharyngeus sei ein Foramen perilymphaticum bei Chelonia nicht vorhanden. Dieser sei in seine jetzige Lage gekommen durch eine Einengung des Recessus scalae tympani. „Die innere Öffnung des Nervenloches bei Chelonia entspricht der Apertura medialis, die äußere der Apertura lateralis des Recessus bei Lacerta.... Jeden- falls ist bei jener Auffassung selbstverständlich, daß ein besonderes Foramen perilymphaticum fehlen muß.“ Ich vermag dieser Auf- fassung nicht beizustimmen. Ich finde an demselben Objekte, und ebenso bei Dermochelys und Chelydra, die Verhältnisse um den Recessus scalae tympani genau so wie bei Lacerta (Vurstuys, 1897), abgesehen von dem abweichenden Verhalten des Glossopharyngeus.!) Auch bestehen am Chondrocranium von Dermochelys, Chelonia und Chelydra dieselben drei Kommunikationen, wie sie GAupP für Lacerta Trionyx subplanus, die mir Herr Dr. VERSLUYS in liebenswürdiger Weise zeigte, finden sich sehr weite, durch Venen ausgefüllte Canales hypoperi- lymphatici. 1) Es ist übrigens möglich, daß der Verlauf des Glossopharyngeus durch die Ohrkapsel ein primitives Merkmal bei Schildkröten ist, denn auch manche Selachier zeigen ein,ähnliches Verhalten (GEGENBAUR, 1872, p. 45). Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 89 beschreibt (1900, p.447): von der Schädelhöhle nach außen, von der Ohrkapselhéhle nach außen und von der Ohrkapselhühle in die Schädelhöhle. Somit ist auch eine Apertura medialis rec. sc. tymp. nach dem Gehirn zu in der Fissura metotica und eine Apertura lateralis rec. sc. tymp. (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf. 5 Fig. 27; Taf. 10 Fig. 54 ap.l.r.s.t) vorhanden. Daß es in letzterer zur Bildung einer Membrana tympani secundaria kommt, ist kaum anzunehmen. Der ganze innere Teil des Cavum tympani scheint bei Chelonia und Dermo- chelys nicht im Dienste des Gehörs zu stehen. Soweit er nicht von den durchziehenden Gefäßen und Nerven und der Columella auris in Anspruch genommen wird, ist er durch lockeres Bindegewebe aus- gefüllt. Die Paukenhöhlenschleimhaut, die aus dem inneren Teil des Cavum tympani ganz zurückgewichen und nur in dem vorderen Teil des Cavum tympani, im Quadratum, ausgespannt ist, zieht bis in den Canalis columellae auris; nach unten kleidet sie eine bei Dermochelys und Chelonia ziemlich weite Öffnung, die Tuba auditiva, aus, die eine Kommunikation mit der Mundhöhle herstellt (Taf. 5 Fig. 28, 29; Taf. 10 Fig. 56 ¢. aud), und geht in die Schleimhaut der letzteren über. Bei Chelydra ist beim reifen Embryo eine Incisura columellae auris des Quadratums noch offen und die Tuba verhältnismäßig eng; bei erwachsenen Chelydriden verläuft sie gerade an der Hinterwand des Quadratums, die die Incisura columellae auris zum Foramen ge- schlossen hat, in einer an dem Knochen deutlich markierten, horizontal verlaufenden Rinne her. In den inneren Raum des Cavum tympani öffnet sich bei unseren drei Schildkröten unten an der hinteren Außenwand der Ohrkapsel die Fenestra ovalis (Taf. 5 Fig. 28, 29; Taf. 10 Fig. 55, 56 fe. ov), in die sich die Schlußplatte der Columella auris einpabt. Das Knorpel- stück, das sie von dem Foramen perilymphaticum abtrennt, wird beim erwachsenen Tiere zu dem früher genannten Laqueus Oweni (S. 29), der bei Dermochelys schlanker ist als bei Chelonia und Chelydra; durch seinen Oberteil tritt der N. glossopharyngeus in den lateralen Teil der Fissura metotica. An der medialen Wandung der Ohrkapsel findet man vorn in der unteren Hälfte eine tiefe Nische, die wir schon am knöchernen Schädel als Fossa acusticofacialis kennen gelernt haben (Taf. 3 Fig. 17, 19, 21; Taf. 8 Fig. 39; Taf. 10 Fig. 58 f. af); bei Dermochelys ist sie etwas stärker ausgebildet als bei Chelonia; bei Chelydra ist die Grube ziemlich flach. Durch die Fossa acusticofacialis treten N. acusticus und facialis aus der Hirnhöhle. Letzterer durchbohrt die 90 Lupwie Nick, vordere Ohrkapselkuppel schräg nach unten vorn (Taf. 6 Fig. 31; Taf. 8 Fig. 39; Taf. 10 Fig. 58 VII, vel. S. 30); der N. acusticus tritt in die Ohrkapsel und zwar durch zwei Foramina beim Embryo von Dermochelys und Chelonia, wie dies Gaurp (1905b) für Chelonia schon angibt, und durch drei Foramina beim Embryo von Chelydra. Die Foramina acustica fallen zum Teil bei erwachsenen Tieren in den Bereich der knorpligen medianen Vestibularwand und sind noch nicht völlig knöchern umrandet. Für Dermochelys wurde dies beschrieben (S. 31, 32); bei Chelonia ist es an dem abgebildeten Kopfe (Taf. 3 Fig. 19) ebenfalls noch für das Foramen acusticum posterius (f. VIII, 2) der Fall. Für Chelydriden erwähnt SIEBEnkocK (1897, p. 270) bei Macroclemmys drei Foramina acustica; das bei Chelydra dasselbe der Fall ist, scheint nicht bekannt zu sein. Das hinterste Foramen bei Chelydra (Taf. 3 Fig. 21 f. VIII, 2) dient dem Ramus posterior n. acustici; es liegt am weitesten ventral und eigentlich schon nicht mehr im Bereiche der Fossa acusticofacialis. Die beiden vorderen Foramina aber liegen nahe zusammen in der Fossa acusticofacialis, das vorderste (f. VIII, 1) für den Hauptast des Ramus anterior, das mittlere, kleinste Foramen (acusticum medium f. VIII,m) für den sich vom Ramus anterior abspaltenden Ramus sacculi anterior (Rerzıus). Das Foramen posterius n. acustici liegt bei dem halb- erwachsenen Kopfe (Taf. 3 Fig. 21 f. VIII,2) im Bereiche der knorpligen Vestibularwand am Hinterrande des Prooticums und muB bei einem mir zur Verfügung stehenden, wenig größeren macerierten Schädel ebenda gelegen sein, da am Prooticum eine ganz flache Incisur eben sichtbar wird. Etwa auf der halben Höhe der medialen Ohrkapselwand in der Gegend gerade hinter und über der Fossa acusticofacialis öffnet sich bei den Embryonen ein Foramen endolymphaticum in die Schädel- hohle (Taf. 5 Fig: 30; Taf. 8 Fig: 38: Tat. 10 Fig 92 SIE D, E; S. 93 Fig. F). Durch dieses tritt aber nicht nur der Ductus endolymphaticus, sondern sowohl bei Dermochelys wie bei Chelonia und Chelydra auch kleine Venen (S. 91 Fig. C—E; S. 93 Fig. F; Taf. 8 Fig. 38). Hinter dem Foramen endolymphaticum und etwas tiefer als dieses, etwa in der Mitte zwischen Fissura metotica und Fossa acusticofacialis, trifft man auf das Foramen internum pro nervo glossopharyngeo in der medialen Ohrkapselwand (S. 91 Fig. C—E; 8. 93 Fig. F f. int. IX; vgl. S. 86). Aus der Ohrkapsel der Embryonen von Dermochelys, Chelonia Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 91 Fig. C. Chelonia midas, Embryo; schematische Rekonstruktion eines Teiles der medialen Ohrkapselwände, um die Lage der Foramina darin zu zeigen. 15,6:1. k Gefäß (vgl. Text S. 92); c. ¢ Cavum cranii. cc Fig. D. Dermochelys coriacea, Embryo A; schematische Rekonstruktion wie Fig C. 15,6:1. Fig. E. Dermochelys coriacea, Embryo B; schematische Rekonstruktion wie Fig. C und D. 15,6:1. t isoliertes Knorpelstück an der medialen Ohrkapselwand (vgl. Taf. 5 Fig. 28). 92 Lupwie Nick, und Chelydra treten weiter auch Gefäße aus, die aber ein sehr un- regelmäßiges Verhalten zeigen. So finde ich bei dem Chelonia- Embryo (S. 91 Fig. C) zwischen dem Foramen endolymphaticum und dem Foramen internum n. glossopharyngei ein kleines Gefäß- loch in der linken medialen Ohrkapselwand; rechts dagegen mündet dasselbe Gefäß (S. 91 Fig. C %) hinter den obengenannten, beider- seits regelmäßig in das Foramen endolymphaticum mündenden Gefäßen ebenfalls in dieses, ist also etwas weiter nach vorn ver- legt. Bei Dermochelys zeigt die Serie von A (S. 91 Fig. D) das entsprechende Gefäß (A) links etwas über dem Foramen internum n. glossopharyngei und rechts ganz dicht bei diesem, etwas davor, aber noch durch eine schmale Knorpelspange auf der Innenseite der Ohrkapselwand von ihm getrennt. Bei der anderen Serie B (S. 91 Fig. E) dagegen ist das Gefäßloch auf beiden Seiten mit dem For. int. n. glossopharyngei verschmolzen. Bei Dermochelys und auch bei Chelonia handelt es sich hier anscheinend um dasselbe Gefäß, eine aus der Utriculusregion kommende kleine Vene, die in die großen Venensinus in der Gehirnhöhle einmündet. Bei Chelonia liegt die Vene weiter vorn und kann bis in das Foramen endo- lymphaticum nach vorn verlegt sein; bei Dermochelys dagegen kann sie nach hinten, zum For. int. n. glossopharyngei, gelangen. GAUPP (1905b, p. 788) hat bei seinem Chelonia-Embryo ein Gefäßloch vor dem Foramen endolymphaticum angetroffen, das ich bei meinem Chelonia-Embryo nicht finden kann. Bei der erwachsenen Chelonia jedoch sieht man beiderseits im vorderen Oberrand der knorplig gebliebenen, medialen Vestibularwand je zwei kleine Foramina, von denen hier das vordere (Taf. 3 Fig. 19 g), entsprechend dem Gaupr’schen Befunde, wie man aus darin enthaltener geronnener Blutmasse schließen kann, der Vene zum Durchtritt dient, während das hintere, etwas tiefer gelegene und geräumigere Foramen das Foramen endolymphaticum (Taf. 3 Fig. 19 f.el) darstellt. Da- gegen vermibt man bei der erwachsenen Dermochelys (VII, Taf. 3 Fig. 17) das Gefäbloch wie das Foramen endolymphaticum. Das Fehlen des ersteren erklärt sich leicht aus den embryonalen Ver- hältnissen; für das Foramen endolymphaticum aber muß man hier eine Rückbildung annehmen. Dies ist um so eher möglich, als auch bei Embryonen von Dermochelys und Chelonia der Ductus endo- lymphaticus die Knorpelwand nur gerade noch durchbricht und dann an der Dura mater oder sogar schon am Perichondrium endet. Eine Fortsetzung des Ductus endolymphaticus in einen Saccus endo- Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 93 lymphaticus zwischen Dura mater und Gehirnhöhle kann ich bei den Embryonen von Dermochelys und Chelonia nicht finden, trotzdem es Rerzıus (1884, p. 13) nach Hasse für Chelonia angibt. Allerdings ist es möglich, daß meine Schnitte ihrer ziemlichen Dicke wegen zur Feststellung einer ganz feinen Kommunikation an dieser Stelle nicht geeignet waren. Chelydra aber weicht, vorausgesetzt, dab meine Angabe für Dermochelys und Chelonia zutrifft, vor allem da- durch ab, daß ein ziemlich großer Saccus endolymphaticus (Taf. 10 Fig. 55, 56, S. 93 Fig. F sa. el) vom Foramen endolymphaticum aus- geht und sich nach hinten dorsal auf das Gehirn, zwischen dieses C0 Pie Chelydra serpentina, Embryo; schematische Rekonstruktion wie Fig. C—E. 15,6:1. e Venenloch (s. unten), s bindegewebig geschlossene Öffnung auf der linken Seite (s. unten). und die Venensinus unter dem Tectum cranii legt, bis fast in die Region der Fissura metotica, wo er blind endet (wie dies schon Rerzıus 1884, p. 25 bemerkt). Wie erwähnt, dient auch das Foramen endolymphaticum von Chelydra einer Vene zum Durchtritt; eine weitere kleine Vene tritt vor dem Foramen endolymphaticum und etwas höher als dieses aus der Ohrkapsel in den Schädelraum (S. 93 Fig. Fe). Von weiteren Öffnungen in dieser Gegend findet sich bei Chelydra etwas vor und über dem Foramen internum pro nervo glossopharyngeo beim Embryo in der Knorpelwand nur auf der linken Seite (S. 93 Fig. Fs) eine kleine Öffnung, die aber binde- gewebig geschlossen ist und wahrscheinlich eine rein zufällige Bildung darstellt. Bei mehr erwachsenen Tieren findet man sowohl das Foramen endolymphaticum bei — dem auf Taf. 3 Fig. 21 [f. ed] abgebildeten Objekte an der Grenze von knöcherner [Supraoccipitale | und knorpliger Vestibularwand, bei einem etwas größeren Schädel an derselben Stelle, wie eine Rinne am Supraoccipitale beweist — wie das davor gelegene Foramen für die Vene (Taf. 3 Fig. 22 e); dieses liegt ganz im knöchernen Supraoceipitale. 94 Lupwie Nick, Bei dem Embryo B von Dermochelys finde ich an der medialen Ohrkapselwand eine merkwürdige Bildung. In dem Niveau des Canalis semicircularis posterior, kurz bevor dieser in den Sinus utri- culi superior einmündet, fast senkrecht über dem Foramen int. n. glossopharyngei liegt jederseits ein kleines Knorpelstück (Taf. 5 Fig. 28; S. 91 Fig. Et) außen an dem Perichondrium der Ohr- kapsel, wo hier schon perichondrale Verknöcherung beginnt. Die Knorpel unterscheiden sich auf den Schnitten im Farbton des Häma- toxylins etwas von der Tinktion der Ohrkapsel, haben aber ganz die typische Struktur des hyalinen Knorpels. Welche Bedeutung diesen isolierten Knorpelstückchen zukommt, ist schwer zu sagen; zur pri- mordialen Ohrkapsel stehen sie augenscheinlich in keiner Beziehung. In der lateralen Wand der Ohrkapsel findet sich bei Dermo- chelys ein kleines Foramen für ein Gefäß (Taf. 5 Fig. 29 b), das sich aus dem Canalis semicircularis externus, in der Höhe des Vorderteiles des Pessulus externus und hinter der Ampulla externa nach außen öffnet. Es findet sich bei A beiderseits, bei B aber ist es mit Sicherheit nur auf der rechten Seite nachweisbar; bei Chelonia fehlt das Foramen wenigstens bei dem mir vorliegenden Embryo ganz und ebenso bei Chelydra. Dasselbe Gefäßloch haben wir bei der erwachsenen Dermochelys bereits kennen gelernt; es findet sich als enger Kanal vorn am Prooticum in der Lücke zwischen diesem, dem Opisthoticum und dem Supraoccipitale und wird entweder teil- weise vom Prooticum und dem Knorpel, der die Lücke ausfüllt, ge- bildet oder liegt ganz in diesem (vgl. S. 32). Nach hinten außen verlängert sich die Ohrkapsel in einen sehr kräftigen Processus paroticus (Taf. 4 Fig. 23; Taf. 10 Fig. 54 pr. pa), an dessen mediale Seite sich der Arcus occipitalis anlegt; ersterer zieht dann bis zum Squamosum nach außen, hinter dem Quadratum vorbei. Bei Dermochelys bleibt bekanntlich dieses äußerste Ende des Processus paroticus dauernd knorplig, so daß eine knöcherne Verbindung zwischen Opisthoticum und Quadratum nicht zustande kommt (vgl. S. 26). Die mediale Ohrkapselwand setzt sich nach vorn, soweit sie nicht durch das große Foramen prooticum für den Trigeminus vorn unten eingeschnitten ist, bei Chelonia in die laterale Wand der Regio orbitalis kontinuierlich fort, während bei Dermochelys ein von unten, vom Foramen prooticum, eindringender, durch Bindegewebe erfüllter Spalt beide Regionen bis ziemlich hoch oben trennt (S. 110 Fig. J, k; 8. 111 Fig. L). Die vordere Ohrkapselkuppel, die vorderste Kante des Prooticums beim Erwachsenen, liegt unter und mehr Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 95 lateral von diesem Spalt bei Dermochelys und der kontinuierlichen Verbindung bei Chelonia. Bei der erwachsenen Chelonia (Taf. 3 Fig. 19) findet sich wie beim reifen Embryo eine kontinuierliche Verbindung der knorpligen Schädelwand von Labyrinth- und Orbital- region über dem Foramen prooticum. Aber auch bei Dermochelys (Taf. 3 Fig. 17) bleiben die embryonalen Verhältnisse, wenn auch der Spalt an einer Stelle nur noch als Naht vorhanden ist; eigentlich sollte man bei ihr erwarten, daß bei der sonst in der Orbitalregion auftretenden progressiven Vermehrung des Knorpels die Wandung der Gehirnhöhle an dieser Stelle einheitlich würde. Im Gegensatz zu Dermochelys und Chelonia steht Chelydra dadurch, dab bei ihr die knorplige Seitenwand des Craniums in der Orbitalgegend schon beim Embryo sehr schwach ausgebildet ist; man kann daher von einer Verbindung der Seitenwand der Ohrkapsel mit der Seitenwand der Orbitalregion kaum reden, da letztere einzig repräsentiert wird durch ein dünnes Knorpelstückchen, das sich von der medialen Seite der Ohrkapsel nach vorn an die bereits mächtig entwickelten Descensus parietales, die so die eigentliche Seitenwand der Orbitalregion dar- stellen, anlegt (S. 113, Fig. M, N); das Knorpelstückchen erscheint mehr als ein Fortsatz der Ohrkapsel. Es bleibt auch bei Er- wachsenen knorplig erhalten und ist auf Taf. 5 Fig. 21 über dem Foramen sphenoidale (f. sph) zu sehen. Die mit ihm durch einen außerordentlich dünnen Knorpelstreif verbundene, nur vor dem Supra- occipitale in der Seitenwand gelegene dreieckige Knorpelpartie darüber, die in den Knorpelrest des Tectum cranii übergeht, ist beim Embryo nur als lateraler, etwas nach unten gebogener Teil des Tectum cranii entwickelt. Die beschriebenen Knorpelstücke repräsentieren wohl die hinteren Abschnitte einer bei den Vorfahren von Chelydra vollständigen knorpligen Schädelwand in der Orbital- region. Und da sie sich dicht an das Prooticum und Supraoceipitale anschließen, geht daraus hervor, daß bei Chelydra wie bei Chelonia der Spalt fehlt, der bei Dermochelys die knorplige Schädelwandung der Orbitalregion von Prooticum und Supraoccipitale trennt. Die Ausdehnung des Knorpelskelets bei Chelydra scheint mit dem Alter zuzunehmen, und es ist daher möglich, daß ältere Exemplare auch in dieser Gegend mehr Knorpel aufweisen. Bei Chelonia bleibt im erwachsenen Zustande (Taf. 3 Fig. 19) vor dem Vorderrande des Seitenteils des Supraoccipitales nur ein schmaler Knorpelsaum, der sich nach unten vorn in das Knorpel- band über dem Foramen prooticum (Taf. 3 Fig. 19 f. V) fortsetzt. 96 LupwiG Nick, Die beim Embryo kontinuierliche Seitenwand ist jetzt ganz rück- gebildet, wohl weil sie durch den oberen, breitflächigen Teil des Descensus parietalis funktionell ersetzt wird. !) Bei Dermochelys (Taf. 3 Fig. 17) dagegen fällt diese Ursache für die Rückbildung des fraglichen Teiles der cranialen Seitenwand fort; so sehen wir ihn oben in Zusammenhang mit dem mächtig aus- gebildeten Teetum cranii als einheitliche Fläche erhalten. Bestehen bleibt jedoch der bindegewebig geschlossene Spalt zwischen der Labyrinth- und Orbitalregion, wie oben bereits betont wurde. Wenden wir uns jetzt dem Inneren der Ohrkapsel zu, so mag zunächst bemerkt werden, daß der akustische Apparat, den sie beherbergt, bei Dermochelys, Chelonia und Chelydra keinerlei wesent- liche Unterschiede aufweist, was das grob Anatomische anlangt; auf Einzelheiten in den Weichteilen einzugehen, kann meine Auf- gabe hier nicht sein. Über das Gehörorgan von Chelonia findet man bei Hasse (1871) und ©. K. Horrmann (1890) und für Chelydra ser- pentina bei Rerzıus (1884) ausführliche Angaben. Des letzteren Autors sehr übersichtliche Abbildungen vom häutigen Labyrinth der Chelydra können auch zur Veranschaulichung des in der Form sehr nahekommenden Organs bei Dermochelys und Chelonia dienen. Die Ausgestaltung der knorpligen Ohrkapsel in ihrem Inneren ist bei unseren Arten ziemlich einfach entsprechend der gedrängten Form des häutigen Labyrinths; sie ist annähernd die gleiche bei Dermochelys und Chelonia, während Chelydra mehr abseits steht, in- dem bei ihr, wie dies ja auch für das äußere Relief der Ohrkapsel gilt, die einzelnen Räume mehr gegeneinander abgesetzt sind als bei den beiden anderen. 1) Auf einer Abbildung C. K. HOFFMANN’s (1890, tab. 18, fig. 1) ist bei einem 8 cm langen Kopfe von Chelonia midas die knorplige Schädelseitenwand an dieser Stelle noch vollständig. Ob dies allerdings ganz richtig ist, möchte ich fast in Zweifel ziehen, denn HOFFMANN gibt auch die großen, bindegewebig geschlossenen Foramina der hinteren Or- bitalregion mit (blauer) Knorpelfarbe an und zeichnet mitten in die ein- heitlich geschlossene Knorpelfläche darüber eine eigenartig gebogene Grenz- linie, deren Bedeutung nicht recht klar ist; ihr Verlauf entspricht etwa dem des Vorderrandes der Descensus parietales; erst vor letzteren beginnt bei dem in Taf. 3 Fig. 19 abgebildeten Exemplare die geschlossene knor- pelige Seitenwand der Orbitalregion, während sich dahinter in diesem Stadium nur Bindegewebe findet (das mediale Periost der Parietalpfeiler mit der Dura mater). Möglicherweise bedeutet die Linie bei HOFFMANN dasselbe, und hinter ihr wäre wie in den Foramina irrtümlich durch die Farbe Knorpel angegeben. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 97 Im Innern der Ohrkapsel besteht zunächst ein einheitlicher großer Binnenraum, das Vestibulum, das nicht wie bei Lacerta durch ein Septum intervestibulare geteilt wird. Von dem Vestibulum werden die drei Canales semicirculares (externus, anterior und posterior) auch in dem knorpligen Labyrinth gesondert, aber nur durch ziemlich schmale Spangen, Pessuli (vgl. S. 28), wenigstens bei Dermochelys und Chelonia, während dieselben Bildungen bei Chelydra mehr an die breitflächigen Septa bei Lacerta erinnern. Im Folgenden schildere ich nur Dermochelys und Chelonia, die annähernd dieselben Verhältnisse aufweisen. Die Pessuli gehen in drei aufeinander senk- rechten Richtungen von einem Punkte der lateralen Ohrkapselwand aus, so daß hier an einer Stelle eine beträchtliche Knorpelanhäufung entsteht. Der gemeinsame Ursprungsort liegt etwa in der Mitte der äußeren Ohrkapselwand über dem Canalis semicireularis externus (Taf. 5 Fig. 29); von hier aus geht die Spange, die diesen Kanal im Knorpel gegen das Vestibulum abgrenzt, der Pessulus (vestibuli) externus (Taf. 5 Fig. 29 pess. e), nach unten und etwas lateral und trifft über der Fenestra ovalis auf die Wandung des Vestibulums. Der Pessulus (vestibuli) anterior (Taf.5 Fig. 30; Taf. 6 Fig. 31; Taf. 8 Fig. 38, 39 pess. a) trennt in der knorpligen Ohrkapsel einen kurzen Canalis semicircularis anterior (Taf. 5 Fig. 30; Taf. 8 Fig. 39 can. s. a) ab; er zieht nach vorn, medialwärts (im Winkel von etwa 45° zur Medianebene des Schädels) und etwas nach unten durch die Ohrkapsel und trifft deren mediale Wand wieder über der Fossa acusticofacialis. Ebenso, nur nach hinten, ist die dritte Spange, der Pessulus (vesti- buli) posterior (Taf. 4 Fig. 26; Taf. 5 Fig. 27—29; Taf. 8 Fig. 37 pess. p) gerichtet; er trifft die mediale Wand der Ohrkapsel da, wo diese bereits in die Fissura metotica umbiegt. An der Innenwand der Ohrkapsel sind Einbuchtungen einmal für die drei Kanäle des Labyrinths; sie bilden mit den Pessuli die drei Canales semicirculares des knorpligen Labyrinths, die aber wegen der geringen Flächenausdehnung der Pessuli hier wohl ebenso- wenig wie im knöchernen Labyrinth den Namen Kanäle verdienen (Chelydra ist ausgenommen). Dann enthält eine obere Aussackung, der Recessus pro sinu superiore utriculi (Taf. 5 Fig. 29 rec. p. s. s. utr), zwischen Pessulus anterior und posterior, den Sinus utrieuli superior. Eine bei Dermochelys und Chelonia wenig tiefe, bei Chelydra im Ver- gleich dazu viel tiefere und breitere Ausbuchtung nach unten, ein Cavum cochleare (Taf. 5 Fig. 28, 29; Taf. 10 Fig. 55, 56 c. co), enthält die nicht sehr stark entwickelte Lagena (/g der Figuren), den unteren Teil des Zool. Jahrb. XXXII. Abt. f. Anat. 7 98 Lupwie Nick, Sacculus und den Ductus perilymphaticus, soweit dieser innerhalb der Ohrkapsel liegt. Vom Vestibulum aus gesehen öffnen sich also in dieses auf der Vorderseite, infolge der Lage und Gestalt des Pessulus vestibuli anterior, ziemlich hoch oben das Orificium (inferius) can. sem. ant. das mit kurzer Rinne an der Wand in den vorderen Raum des Vestibulums ausläuft. Letzterer beherbergt die Ampulla anterior und externa sowie den Recessus utriculi, ohne daß für die Ampullen ein durch Leisten und auffallende Wülste abgegrenzter Raum ge- sondert ist (vgl. S. 32, Fovea major). Von der lateralen Seitenwand her mündet der Canalis semicircularis externus durch das Orificium (anterius) can. sem. ext. Die häutigen Canales semicirculares ex- ternus und anterior und ihre Ampullen sind nicht durch Skelet- bildung getrennt, sondern beide liegen dicht nebeneinander im vorderen Vestibularaum. Oben öffnet sich auf der medialen Seite gegen den Binnenraum das Foramen pro sinu superiore utrieuli. Es führt in den Recessus vestibuli superior, der den Sinus utriculi superior ent- hält; in diesen Recessus geht von vorn und lateral das Orificium (superius) can. sem. ant., von hinten und lateral das: Orificium (superius) can. sem. post. Der hintere Raum des Vestibulums enthält die Ampulla poste- rior und ist mehr als ein typischer Recessus (amp. post) gegen den übrigen größeren Binnenraum abgesondert, als dies bei dem Teil der Fall ist, in dem die beiden vorderen Ampullen liegen. In ihn öffnen sich von oben das Orificium (inferius) can. sem. post. und von der lateralen Seite das Orificium (posterius) can. sem. ext. Die beiden Bogengänge liegen hier durch die Kürze der eigentlichen Kanäle im Skelet ebenso in gemeinsamem Hohlraume nebeneinander, wie dies vorn bei den Can. sem. ant. und ext. der Fall ist. Aus dem unteren Rand des Recessus ampullae posterior tritt der Nervus glosso- pharyngeus durch sein äußeres Foramen wieder aus der Ohrkapsel. Weitere Foramina, die sich in den Binnenraum der Ohrkapsel öffnen, sind die schon genannten: an der medialen Wand die For. ant. und post. (und med. bei Chelydra) n. acustici, das For. int. n. glosso- pharyngei, das For. endolymphaticum, das die mediale Wand schräg nach oben durchsetzt, und kleine Gefäßöffnungen in verschiedener Anzahl und Ausbildung (vgl. S. 90). An der unteren Außenwand befindet sich die Fenestra ovalis: etwas tiefer als diese an der hinteren Wand das Foramen perilymphaticum und darunter die be- schriebene kleinere Öffnung des Canalis hypoperilymphaticus; beide Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 99 treten aus gemeinsamer Nische nach außen und liegen schon sehr tief, in und unter dem Niveau der oberen Fläche der Basalplatte (Taf. 5 Fig. 28, 29; Taf.8 Fig.37). Noch etwas mehr ventralwärts geht der davor gelegene Teil des Bodens der Ohrkapsel, der die Lagena und den unteren Teil des häutigen Labyrinths enthält; er ist bei Dermochelys und Chelonia nicht so scharf gegen den oberen Raum abgesondert wie bei Chelydra (Taf. 10 Fig. 55), aber doch auch bei diesen seiner ganzen Lage nach als Cavum cochleare (c. co) zu bezeichnen; er wird von der lateralen Partie der Basalplatte, die sich noch hier mit der Ohr- kapsel kontinuierlich verbindet, abgeschlossen. Gavupp bestreitet zwar (1905b, p. 788), daß bei Schildkröten eine in die Basalplatte vor- dringende Pars cochlearis vorhanden ist, während er sie bei Lacerta konstatiert (1900). Wie ein Vergleich der Abbildung eines Quer- schnittes von Lacerta (Gaupp, 1900, tab. 46/47, fig. 17) mit einem solchen aus der gleichen Region bei Chelonia oder Dermochelys oder gar Chelydra sofort zeigt, besteht hier kein Unterschied, namentlich Chelydra gegenüber nicht, während sich bei Dermochelys und Chelonia der untere Teil der Ohrkapsel etwas mehr gegen die Basalplatte abhebt. Aber auch hier kann man sehr wohl davon sprechen, daß die Pars cochlearis in der lateralen Basalplatte liegt, wie bei den anderen und bei Lacerta. Eine scharfe Abgrenzung der Ohrkapsel gegen die Basalplatte wird sich in dieser Region überhaupt kaum durchführen lassen, wie übrigens anderweit auch (vgl. Gaupp, 1900, p. 508, 509). Eine Einteilung der basicapsulären Verbindung in einen post- und präfacialen Abschnitt, wie sie Gaupp bei Lacerta durchführt, ist auch hier möglich, jedoch wird man vielleicht statt vom Foramen int. n. facialis von der Fossa acusticofacialis ausgehen, in der dieses liegt. Große Unterschiede zwischen Dermochelys und Chelonia sind in der knorpligen Ohrkapsel nicht vorhanden; daß sich die Ohrkapsel bei Chelydra in ihrer ganzen Gestalt von diesen beiden entfernt, wurde schon angeführt und ebenso alle geringfügigeren Differenzen zwischen den einzelnen Formen. Die Verknöcherung im Bereiche der Ohrkapsel ist auf vorliegenden Jugendstadien bei Dermochelys, bei Chelonia und bei Chelydra noch ziemlich gering und beschränkt sich auf peri- chondrale Lamellen. Die im Bereiche der Ohrkapsel auftretenden Knochen sind das Prooticum, das Opisthoticum und die nach unten gerichteten Seitenteile des Supraoccipitales. Von einem gesonderten Epioticum, wie es PARKER für Chelonia midas angibt, finde ich nirgends eine Andeutung, weder bei Chelonia noch bei Chelydra oder bei Ts 100 Lupwie Nick, Dermochelys. Größere Knorpelmengen bleiben in der Regio otica der erwachsenen Tiere regelmäßig erhalten, bei Dermochelys entsprechend ihrem übrigen Verhalten in diesem Punkte durchgängig in weiterer Ausdehnung als bei Chelonia und bei dieser wieder in höherem Maße als bei Chelydra. — So bleibt der allergrößte Teil der medialen Ohr- kapselwand bei Dermochely und Chelonia zeitlebens knorplig (Taf.3 Fig. 17, 19); im Bereiche dieses Knorpels liegt das Foramen int. n. glossopharyngei (f. int. IX) und bei Chelonia außerdem noch das Foramen endolymphaticum (f. el) und ein Gefäßloch (g); bei Dermochelys VII befindet sich auch noch der größte Teil der Fossa acusticofacialis (f. af) im Knorpel; auch bei der halberwachsenen Chelydra (Taf. 3 Fig. 21) wird die mediane Vestibularwand noch knorplig verschlossen, wenn auch nicht in der Ausdehnung wie bei Dermochelys und Chelonia. — Weiter findet sich bei Dermochelys an der Stelle, wo Supraoceipitale, Prooticum und Opisthoticum in der Fossa temporalis zusammentreffen, eine ziemlich umfangreiche, knorplig geschlossene Lücke, die bereits mehrfach erwähnt wurde (S. 25, 32). Bei Chelonia ist der Knorpel hier zwischen den Ossa periotica in geringerem Maße auch vorhanden, verschwindet aber wohl bei alten Exemplaren ganz oder fast ganz; bei Chelydra findet sich bei halb erwachsenen Exemplaren an der betreffenden Stelle nichts von einer Lücke zwischen den Knochen und von Knorpel darin. Dann bleibt fast der ganze Abschnitt der Ohrkapsel, der in den Bereich der basicapsulären Verbindung fällt und den Boden des Vestibulum bildet, knorplig, sowohl bei Dermochelys als auch bei Chelonia und in geringem Mabe bei Chelydra. Dieser Knorpel füllt am ausgebildeten Schädel die Vertiefung zwischen Basisphenoid, Basioceipitale und Pterygoid auf deren Oberseite aus und schließt hier die Fenestra ovalis und das Foramen perilymphaticum von unten ab; der Canalis hypoperilymphaticus muß ganz in seinem Bereiche liegen, falls er beim Erwachsenen noch vorhanden ist, was ich nicht feststellen konnte. Weiter vervollständigt der Knorpel das Foramen jugulare anterius von unten. Bei Dermochelys beteiligt sich Knorpel auch noch an den drei Pessuli vestibuli, die nicht sehr vollkommen verknöchern, wie wir früher sahen. Der Verlauf der Verknöcherung zeitigt hier schließlich (am macerierten Schädel) ganz andere Ver- hältnisse als bei Chelonia oder Chelydra, aber die Ausbildung des harten Labyrinths ist dem Grundplane nach durchgehends dieselbe. Bei Chelonia und Chelydra ist der Knorpel in den Pessuli des Labyrinthes immer ganz durch Knochen verdrängt. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 101 Geringere Knorpelreste finden sich bei Dermochelys außerdem überall zwischen den drei Ossa periotica sowie im Bereiche der früheren basicapsulären Verbindung. Die aneinanderstoßenden Er- satzknochen des macerierten Schädels zeigen hier auch überall jene eigenartig wulstige Berührungsfläche (s. S. 26). Die Columella auris bei den mir vorliegenden Embryonen von Dermochelys, Chelonia und Chelydra (Taf. 4 Fig. 25, 26; Taf. 5 Fig. 27—29; Taf. 8 Fig. 38, 39; Taf. 10 Fig. 55—58) ist ein einheitliches Gebilde, an dem Stiel, Imsertionsteil (col. au. i) und Fußplatte (col. au. f) voneinander wohl abgesetzt sind. Der Knorpel der Fußplatte und des größeren proximalen Teiles des Stiels zeigt eine perichondrale Knochenschale. Der Unterrand der Fußplatte von Chelydra ist unter der Ansatzfläche des Stieles medianwärts zur Basalplatte hin umgeknickt (Taf. 10 Fig. 56 col. au. f), obwohl sie diese als den unteren Rand der Fenestra ovalis auch erreichen würde wie bei Dermochelys und Chelonia, wenn der Knick nicht vorhanden wäre, da sie weit genug seitlich geht. Der Stiel ist etwas nach unten ausgebogen, da die Incisura columellae auris im Quadratum tiefer liegt als die Fenestra ovalis. Der Insertionsteil ist eine ziemlich beträchtliche Platte, die in das Tympanum ein- gebettet ist. Bei Chelydra ist der Insertionsteil im Trommelfell relativ am größten und in seiner hinteren Hälfte von hinten her eingekerbt (Taf. 10 Fig. 57). — Über das verschiedene Verhalten des Trommelfells beim Erwachsenen und beim Embryo wurde das Nähere schon mitgeteilt (S. 49); der dauernd knorplig bleibende Extracolumellarteil der Columella auris ist gegen den schon beim Embryo peripher vollständig verknöcherten Stapes gerade abgesetzt. Angaben zur Entwicklung der Columella auris kann ich wegen des Alters der mir vorliegenden Schildkrötenembryonen nicht machen. Mit diesem befaßt sich eine Arbeit von Noack (1906), und auch Fucus (1907e) gibt Bemerkungen dazu. — Beachtenswert sind diese Arbeiten übrigens auch dadurch, daß sie Rekonstruktionen der Ohr- kapsel von Emys geben. Tectum cranii. Das Tectum cranii, bei Lacerta und Sphenodon eine schmale Spange (Tectum synoticum GAupr, 1900) mit einem nach oben und vorn gerichteten Processus ascendens tecti synotici, erscheint bei Dermochelys, Chelonia und Chelydra in bedeutender Ausdehnung (Taf. 3 Fig. 17, 19, 21; Taf. 4 Fig. 24—26; Taf. 5 Fig. 27-30; Taf. 6 102 Lupwie Nick, Fig. 31—34; Taf. 8 Fig. 37—39; Taf. 10 Fig. 54—58; S. 107 Fig. H; S. 111 Fig. L; S. 113 Fig. N). Es bedeckt das Gehirn in der ganzen Regio oceipitalis und Regio otica und setzt sich nach vorn in die Orbitalregion hinein fort. Mit den lateralen Teilen der Oceipitalregion steht das Tectum cranii weder bei Dermochelys noch bei Chelonia und Chelydra in direkter Verbindung (GaAupp; s. S. 85); es dehnt sich aber, als oberer Abschluß des Foramen magnum, beträchtlich nach hinten aus und endigt erst über dem Hinterrande des Condylus- teiles der Basalplatte bei Dermochelys, bei Chelonia nur wenig, bei Chelydra aber ziemlich viel weiter hinten als bei Dermochelys. Das Tectum eranii ist bis auf dieses hinterste, abgerundete Ende längs konkav, als Dach des Cavum cranii. Die am Supraoceipitale des erwachsenen Schädels so scharf nach unten heraustretende Leiste, die Crista supraoceipitalis, ist nicht knorplig vorgebildet, auch bei Chelydra nicht, wo sie am Knochenschädel in sehr starker sagittaler Ausdehnung erscheint. Die lateralen Teile des Tectum cranii verlaufen kontinnierlich in die mediale Ohrkapselwandung; eigenartig ist das Verhalten des vorderen Teiles des Tectum cranii in der Orbitalregion. Bei dem Embryo von Chelonia zeigten sich auf Querschnitten, die die Fossa acusticofacialis treffen, daß sich die mediane, horizontale Partie von den nach unten gebogenen seitlichen Teilen trennt (vgl. Taf. 8 Fig. 39). Bei Dermochelys und Chelydra tritt dasselbe erst weiter vorn, über dem Trigeminusganglion, ein. Die mediane Partie verschmälert sich bei Chelonia zusehends und läuft in der Höhe der Austritts- stellen von Nervus trochlearis und oculomotorius (durch die knorplige Schädelwand der Orbitalregion) ganz aus (S. 107 Fig. H); bei Chelydra (S. 113 Fig. N) verschmälert sich das Tectum cranii vor der Labyrinthregion, verbreitert sich über der Epiphyse wieder etwas und läuft dann spitz aus. Davor aber findet sich etwas vor der Höhe des Opticusaustritts sowie weiter vorn in der Höhe des Foramen palatinum posterius am knöchernen Schädel unter der Median- naht der Parietalia und Frontalia je ein kleines unpaares Knorpel- stück; beide können in dieser Lage nur Reste eines einst ausge- dehnteren Tectum cranii sein (auf S. 113 Fig. N ist nur das hinterste dieser Knorpelstücke [t. c’| abgebildet). Bei Dermochelys hört das Tectum cranii vorn erst über dem Opticusaustritt auf (S. 111 Fig. L). nachdem die mediane Platte über der Epiphyse vorher wieder etwas breiter geworden ist, ähnlich Chelydra, bei A ist das Tectum schon etwas ausgedehnter als bei B. Die lateralen Teile des Tectum cranii Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 103 setzen sich in die lateralen Seitenwände der Gehirnhöhle in der Orbitalregion und in die der Labyrinthregion kontinuierlich fort. Dem Tectum cranii von Chelonia ist in der hinteren Partie zwischen den Ohrkapseln ein paariges, von einer kleinen Vene durchzogenes Foramen eigentümlich. Das Gefäß führt aus dem Bindegewebe zwischen dem Tectum cranii und den Parietalia in die venösen Sinus über dem Gehirne. Bei Dermochelys und Chelydra finde ich diese Foramina nicht. Eine auffallende Bildung aber trifft man bei den Embryonen von Dermochelys und Chelydra in dem vorderen Teile des Tectum cranii. Unter der am erwachsenen Schädel so merkwürdigen medi- alen Verdünnung der Parietalia von Dermochelys, die sich, wenn auch nicht so auffallend, auch bei Chelydra (und Chelonia) findet, ist über der Epiphyse im knorpligen Tectum median ein deut- liches kleines Foramen, daß durch perichondrales Bindegewebe ver- schlossen ist (Taf. 6 Fig. 34 pf). Der Gedanke an ein Parietal- loch liegt hier sehr nahe; am Gehirn kann ich jedoch nichts von einer Bildung entdecken, die einem Parietalorgan ähnlich sähe.') Der hintere Teil des Tectum cranii verknöchert zusammen mit den dorsalen Teilen der Ohrkapseln als Supraoccipitale. Vor diesem Knochen aber bleiben Teile des knorpligen Schädeldaches bei Dermochelys, Chelonia und Chelydra erhalten, doch machen sich erhebliche Unter- schiede zwischen ihnen geltend (Taf. 3 Fig. 17, :19, 21 .c). Bei Chelonia finden wir das Dach des Chondrocraniums in etwa derselben Ausdehnung wie beim Embryo wieder, während die Seitenwände darunter reduziert sind. Noch kleiner als bei Chelonia sind die Knorpel- reste des Tectum cranii bei der halberwachsenen Chelydra, wo sie nur vorn an das Supraoccipitale anschließen und mit Knorpelresten darunter, in der Seitenwand des Cavum cranii, nicht in Verbindung stehen; ein isolierter Knorpelrest, wie sich deren zwei beim Embryo finden, liegt unter der Mediannaht der Parietalia (Taf. 3 Fig. 21. ce‘). Ganz anders jedoch liegen die Verhältnisse bei der erwachsenen Dermochelys (Taf. 3 Fig. 17 ¢. c). Einmal treffen wir auf eine stark entwickelte obere knorplige Seitenwand des Cavum cranii, da hier ja die Parietalpfeiler fehlen, dann aber ist diese mit dem mächtig 1) Die Öffnung habe ich bei Dermochelys nur bei Serie B gefunden. Unglücklicherweise sind die entsprechenden Schnitte der Serie A gerade hier erheblich beschädigt, doch läßt ein Dünnerwerden des Tectums in der Mediane auf den anliegenden guten Schnitten den Schluß zu, daß ebenfalls ein Foramen vorhanden ist. _ 104 Lupwie Nick, verdickten und nach vorn verlängerten Tectum cranii verschmolzen, von dem sie embryonal getrennt war. So wird bei Dermochelys ein einheitlicher Knorpelmantel um die obere Hälfte des Cavum cranii gebildet, der sich über den größten Teil der ganzen Orbitalregion erstreckt. Erst ziemlich weit vorn, unter der Mitte der Frontalia, endigt das Tectum cranii. Das mediane Foramen unter den Parietalia fehlt jetzt; es scheint der Knorpel bei der erwachsenen Dermochelys an dieser Stelle kaum dünner zu sein als davor und dahinter, sondern er bildet nur, der Verdünnung der Parietalia folgend, eine nach oben eingebuchtete flache Nische für die Epiphyse. — In der Mediane ist das knorplige Tectum cranii der erwachsenen Dermochelys (VII) etwa 4 mm dick. — Regio orbitalis. Die Orbitalregion des Craniums hat als hintere Grenze den Vorder- rand der Basalplatte, das Dorsum sellae, und als vordere das Foramen olfactorium, durch das der Nervus olfactorius das Cavum cranii verläßt, um in die Nasenkapsel einzutreten. Bei Dermochelys ist fast die ganze Cranialwand in der hinteren Orbitalregion knorplig; Binde- gewebsknochen beteiligt sich hier an der Umschließung des Cavum cranii nur beim Embryo in geringer Ausdehnung. Ein Gegenstück dazu bildet Chelydra, was die Beteiligung von Deckknochen, nament- lich der Parietalia, an den Wänden der Gehirnhöhle anlangt, während Chelonia ein mittleres Verhalten zeigt. Man teilt die Orbitalregion bei der Betrachtung zweckmäßig in einen vorderen und hinteren Teil (nach dem Vorgange von Gaupp, 1900), die ungefähr in der Höhe der Fenestra optica voneinander zu trennen sind. Der hintere Abschnitt ist gekennzeichnet durch starke Transversalausdehnung und bei Chelonia und Dermochelys durch Fensterbildungen in den lateralen Wänden des knorpligen Craniums (S. 107 Fig. H; S. 111 Fig. L; Taf. 3 Fig. 17, 19); letztere Öffnungen erreichen jedoch bei diesen Schildkröten nie den Umfang wie bei Lacertiliern. Bei Chelydra kann man, weder beim Embryo noch beim erwachsenen Tier von einer knorpligen Seitenwand in der hinteren Orbitalregion sprechen, denn es sind hier nur kleine, schwache Knorpelteile ent- wickelt (S. 113 Fig. N; Taf. 3 Fig. 21). Der vordere Teil der Or- bitalregion ist durch die starke Vertikalausdehnung des Septum inter- orbitale charakterisiert, auf dem das nach vorn immer niedriger werdende Cavum cranii aufsitzt (Taf. 3 Fig. 17, 19, 21). Das Schildkrétencranium gehört daher zu Gaupp’s tropibasischem Typus. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 105 Das Dorsum sellae, die hintere Grenze der Orbitalregion, ist bei Embryonen von Dermochelys und Chelydra (S. 111 Fig. L; S. 113 Fig. N d. s) bereits ausgesprochener als bei Chelonia, wie dies in noch viel höherem Grade bei den Erwachsenen der Fall ist. Von diesem Vorderrande der Basalplatte gehen nach oben über dem Foramen n. abducentis bei Dermochelys und Chelonia die paarigen Pilae prooticae Blei. GS Ss 110 Pier MRS i, Bis Vaio wise ( 19; Taf. 6 Fig. 32 pi. p), die mit den Seitenwänden des hinteren Abschnittes der Orbitalregion ihre Besprechung finden werden. Beim Embryo von Chelydra sind die Pilae nur als nach vorn oben vor- springende paarige Knorpelfortsätze entwickelt, die ganz den Pro- cessus clinoidei am Basisphenoid der erwachsenen Chelydriden (vgl. SIEBENROCK, tab. 5 fig. 31) gleichen (S. 113 Fig. M,N; Taf. 3 Fig. 21 pr. cl). — Nach unten vom Dorsum sellae gehen bei Lacer- tiliern die Processus basipterygoidei. Verszuys hat (1906, p. 18) angegeben, es seien bei Dermochelys vielleicht mit den Bases der Trabekel rückgebildete Basipterygoidfortsätze verbunden. Es hat sich aber bei meiner Untersuchung herausgestellt, dab an der rechten Seite des Amsterdamer Schädels wohl nur eine zufällige Ähnlichkeit mit einem Basipterygoidgelenke vorliegt. Besonders die Schnittserien zeigen mir keine Andeutung von einem Gelenke. Die Trabekel berühren die Pterygoide noch nicht, und von Basipterygoidfortsätzen sind keine Spuren vorhanden (vgl. hierzu Verstuys, 1909, p. 291, 292, Nachtrag). Ebenso fehlen Basipterygoid- fortsätze bei Chelonia. Bei Chelydra wurde auf S. 79 eine zur lateralen, unter der Ohrkapsel gelegenen Partie der Basalplatte gehörige Kurze Knorpelleiste beschrieben, die in ihrem ganzen Habitus, namentlich im Querschnitte (Taf. 10 Fig. 57, 58 bpl), ver- muten lassen könnte, wir hätten es hier mit allerdings ziemlich nach hinten gerutschten Processus basipterygoidei zu tun. Dafür spricht, (1.) daß die Fortsätze wie typisch eine Verbindung der primordialen Schädelbasis mit den Pterygoiden darstellen, (2.) daß sie in eine Vertiefung der Pterygoide hineingehen und sich mit ge- rundeter Endfläche wie Processus basipterygoidei anlegen, was als Andeutung eines früher vorhandenen Gelenkes aufgefaßt werden könnte (jedoch fehlt ein Gelenkspalt und das sonst für diese Gelenke typische Knorpelstück auf der Oberfläche der Pterygoide), (3.) daß sie vom Ramus palatinus des Facialis durchbohrt werden !), und endlich 1) Der Nerv tritt bei Erwachsenen zwischen Basisphenoid und Ptery- goid in den Carotiskanal; vgl. S. 173. 106 Lupwie Nick, (4.) daß die Leisten beim Erwachsenen nicht mehr besonders kenntlich sind und daher die scharfe Ausbildung der Fortsätze nur beim Embryo eher als ein primitives Verhalten zu deuten wäre; und das Auftreten von Basipterygoidfortsätzen muß nach allem, was wir von ihrer Ver- breitung wissen, vorkommenden Falles auch bei Schildkröten als primitiv angesprochen werden. Dagegen spricht aber zunächst die Lage der Leisten weit hinten unter der Fossa acusticofacialis und nicht an der Trabekelbasis. Jedoch wäre eine derartige Verschiebung immerhin denkbar. Aber bei Eidechsen tritt, wenn der Nervus pala- tinus den Processus basipterygoideus durchsetzt, auch gleichzeitig die Carotis mit ihm durch den Fortsatz, und dies ist hier nicht der Fall. Ferner findet sich gewöhnlich das Loch im Processus basipterygoideus zwischen dem primordialen Anteil und einem zum Parasphenoid ge- hörigen Anteil des Fortsatzes (wodurch sıch das Verhalten der Carotis erklärt), und bei Chelydra liegt das Foramen nur im Knorpel. Je- doch tritt dies auch gelegentlich bei Eidechsen auf, so nach einer freundlichen Mitteilung des Herrn Dr. VersLuys bei Amphisbaeniden, wie überhaupt bei Lacertiliern die Lage des Nervus palatinus nicht immer dieselbe ist (z. B. bei Chamaeleo dorsal vom Processus basiptery- goideus, vgl. VERSLUYS, 1897, p. 257, 335). — Man kann nach alledem keineswegs sicher behaupten, daß wir hier bei Chelydra ein dem Pro- cessus basipterygoideus der Eidechsen homologes Gebilde vor uns haben; es könnte vielleicht auch eine mehr zufällige Leistenbildung sein, doch muß man sich hüten, das letztere ohne weiteres anzu- nehmen, solange nichts über ein Auftreten von Processus basiptery- goidei bei anderen Schildkröten bekannt ist).!) Nach vorn vom Dorsum sellae ziehen in der Basis des Chondro- craniums die Trabekel (Trabeculae baseos cranii), (Textfig. G—N; Tat 6 Bie.732: Taf! 8 Fig. 40327122 10" Pie.595 160 a7) Tale nähern sich nach vorn einander, verschmelzen aber bei Dermochelys und Chelonia nicht unter sich, sondern mit einem dritten, unpaaren, in der Schädelbasis liegenden Längsbalken, der zwischen ihnen und 1) Nachträglich möchte ich noch bemerken, daß GAUPP neuerdings (Säugerpterygoid und Kchidnapterygoid nebst Bemerkungen über das Säugerpalatinum und den Processus basipterygoideus, in: Anat. Hefte, Vol. 42, 1910, p. 413) recht gut ausgebildete Processus basipterygoidei bei einem Embryo von Podocnemis und bei einer jungen Emys be- schrieben hat. Die knappen Angaben, ohne Abbildungen, scheinen mir einstweilen keinen Schluß in bezug auf mein Objekt zu gestatten. Es kann deswegen hier nicht näher darauf eingegangen werden. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 107 etwas tiefer als sie vom Dorsum abgeht (S. 107 Fig. G; S. 110 Fig. J ir). Alle drei Balken verschmelzen vorn zu einer Trabecula communis (Zr. c), über der sich im vorderen Teile der Orbitalregion das Septum interorbitale erhebt. ie — Vu et À 47 ar — done ij a Sete we fT Fig. G. Fig. H. Fig. G. Chelonia midas, Embryo. Ansicht der hinteren Orbitalregion des Chondro- craniums von oben. Schematische Rekonstruktion. Das Tectum cranii ist wegge- lassen, da es die Figur teilweise von oben bedecken würde. 7:1. aa Lücken in dem rechten Planum supraseptale. d Rudiment einer Spange zwischen Fenestra oculomotoria und trochlearis. Die schwarze Linie über der Trabecula communis stellt den Umriß der Hypophyse dar. Fig. H. Chelonia midas, Embryo. Die hintere Orbitalregion des Chondrocraniums ist median durchschnitten gedacht; die Figur bietet die Innenansicht der linken Hälfte. Schematische Rekonstruktion. Die Linie in fe. JZ gibt den Umriß der Hypophyse. 7:1. Auf der Trabecula communis, in der Hauptsache vor der Ver- einigung der drei Längsbalken und hinter dem eigentlichen Septum interorbitale, liegt bei Dermochelys und auch bei Chelonia die Hypo- physe- (Ss: lO? Mie COR 82 2I0HRIe Jy K; Ss HR Ei), also ausnahmsweise nicht in der Hypophysengrube, in die die Caro- tiden eintreten, wie dies für Chelonia von Fucus neuerdings an- gegeben wurde (1910, p. 88). Die Trabecula communis bei Chelonia bildet hinter der Hypophyse eine einheitliche Knorpelplatte, deren Seitenränder vorn an der Hypophyse etwas in die Höhe gehen. Der unpaare Längsbalken in der hinteren Orbitalregion ist die schon von PARKER (1880, p. 12, 13) bei Chelonia entdeckte Inter- 108 Lupwia Nick, trabecula, die derselbe Autor auch bei Crocodilen, allerdings nicht in derselben Ausdehnung, wiedergefunden hat (PARKER, 1881). Bei jüngeren Embryonen von Chelonia erreicht nach PARKER (1881, tab. 2 fig. 5—7) die Intertrabecula das Dorsum sellae nicht, sondern ver- bindet sich erst bei älteren mit diesem (l. c. tab. 10 fig. 11, 12). Man wird sie daher als eine Verlängerung des unteren Septumrandes ansehen müssen, die sich zwischen die Trabekel eingeschoben hat und schließlich die Basalplatte erreichte und mit ihr verschmolz.!) Bei meiner Serie von Chelonia finde ich die Intertrabecula im Quer- schnitte von der durchschnittlichen Stärke der Trabekel (Taf. 8 Fig. 40 ir, tr); sie liegt genau zwischen diesen und etwas unter ihnen. Das Verhältnis ändert sich etwas, kurz bevor die Trabekel und die Intertrabekel nach hinten in das Vorderende der Basal- 1) Fucus (1910, p. 87) hält es dagegen für wahrscheinlich, daß sich bei Chelonia erst eine quere Spange in dem großen primordialen Hypo- physenfenster (der Fenestra basicranialis anterior) bilde, die die Fenestra in einen vorderen und einen hinteren Teil zerlege. Nur in der hinteren Hälfte bilde sich als eine sagittale Knorpelspange die Intertrabecula aus, während die vordere Hälfte durch Verschmelzung der Trabecularknorpel geschlossen werde. Leider geht aus Fucus’ Text nicht klar hervor, was sich von diesen Mitteilungen auf Beobachtung und was auf Vermutung gründet; PARKER’s Arbeit mit den abweichenden Befunden wird nicht er- wähnt. Wäre wirklich in seiner „vorderen, unter der Hypophyse ge- legenen Hälfte der Fenestra“ die Verbindung von Intertrabekel und Septum ursprünglich nicht vorhanden, so wäre damit die oben von mir im Anschluß an PARKER’s Darstellung angegebene Entstehungsart der Intertrabecula ausgeschlossen. Nun finde ich nirgends ein Anzeichen für eine solche Unterbrechung zwischen Intertrabecula und Septum bei Chelonia, wie sie FUCHS erwähnt, und aus PARKER’s Arbeit (1880) geht deutlich hervor, daß bei jüngeren Stadien keine solche zu finden ist; auch läßt sein „fifth stage“ auf Querschnitten (tab. 5) deutlich erkennen, daß die Trabecula communis, (auf der die Hypophyse ruht und die, wie man nach der FucuHs’schen Erklärung schließen müßte, nur von den Trabekeln ge- bildet sein könnte) von der Intertrabekel gebildet wird, an die sich die Trabekel beiderseits dicht anlegen, aber sich noch deutlich von ihr ab- heben. Von der „queren Knorpelspange“ von Fucus findet sich bei PARKER nichts. Mit Fucus’ Annahme kann man die eigentümliche Lage der Hypophyse bei Chelonia bequem erklären, aber dies geht noch ein- facher und ohne Widerspruch mit den angeführten Tatsachen, wenn man annimmt, daß die Trabekeln sich an den nach hinten in die ursprünglich große Fenestra hypophyseos wuchernden unteren Septalrand anlegten und so den vorderen Teil dieser Fenestra verschlossen, wobei die Hypophyse etwas in die Höhe, über die neue Verbindung der drei Knorpelbalken, ge- schoben wird und so der Zustand erreicht wird, den der reife Embryo zeigt. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 109 platte übergehen. Die Intertrabekel bleibt hier nicht zwischen den Trabekeln, sondern verschmilzt zunächst mehr mit der linken Trabekel, und diese und die rechte Trabekel verschmelzen dahinter mit der Basalplatte (S. 107 Fig. G). Ob sich die Intertrabekel bei Chelonia hinten immer mit der Trabekel einer Seite vereinigt, ist erst nach Durchmusterung weiterer Serien zu entscheiden; auffallend ist, dab sich auch bei Parker (1880, tab. 10 fig. 11, 12) die Intertrabekel nach der linken Seite wendet.) Bei Dermochelys finde ich in der Serie B eine ähnliche, aber relativ stärkere Intertrabekel als beim Embryo von Chelonia, die genau median zwischen den Trabekeln am Dorsum sellae liegt (S. 110, Fig. J). Sie ruht mit breiter Basis auf dem Rostrum parasphen- oidale und schärft sich nach oben zu einer Kante zu, verschmilzt aber bald mit den Trabekeln zur Trabecula communis (fr. ¢). Während dieser Befund noch mit dem Verhalten bei Chelonia über- einstimmt, zeigt Serie A auffallend geänderte Verhältnisse (S. 110, Fig.K; S.111 Fig.L). Das Dorsum sellae bricht plötzlich scharf ab und schickt die beiden Trabekeln nach vorn. In der Mediane zeigt sich über dem Rostrum parasphenoidale nur ein kleiner Knorpelfortsatz, der stark nach oben zieht und schon wenige Schnitte weiter vorn ausläuft (Fig. K, L tr.) In seinem oberen Teile hat dieser Knorpel denselben eigentümlichen Farbton angenommen, dem wir bei dem isolierten Knorpelstückchen an der medialen Ohrkapsel- wand begegneten, aber wie diese durchaus die Struktur des hyalinen Knorpels beibehalten (vgl. S. 95, 94). Vor ihm teilt Bindegewebe an Stelle der Intertrabekel den Raum direkt über dem Rostrum para- sphenoidale, die Fossa hypophyseos, in zwei Hälften, in die hier die paarigen Arteriae cerebrales eintreten (Taf. 5 Fig. 29 art. ce) Auf 1) Bei Crocodilen erscheint nach PARKER (1881) die Intertrabecula als der verdickte, im Querschnitt von den lateral anliegenden Trabekeln abgetrennte hintere untere Septalrand, der nur wenig in die Hypophysen- grube vorspringt, nicht aber, soweit PARKER die Sache angibt, als mehr selbständiger dritter Längsbalken wie bei Chelonia das Dorsum sellae er- reicht. Ausgeschlossen ist aber bei Crocodilen das Erreichen dieses Zu- standes im Laufe der Entwicklung nicht, denn ein älteres Stadium (vel. PARKER 1881, tab. 70, fig. 4; p. 291, 292) zeigt Verhältnisse, die denen von Chelonia im wesentlichen gleichen. Das Basisphenoid allein bildet den Boden der Hypophysengrube, in die sich in diesem Knochen die paarigen Foramina carotica interna Öffnen, und verschmälert sich nach vorn in ein Rostrum basisphenoidale, an dem der knorplige untere Septal- rand wie bei Chelonia ansetzt. 110 Lupwie Nick, diesem Bindegewebe (bei B über der Intertrabecula) liegt die Hypo- physe mit ihrem hintersten Teile (Taf. 6 Fig. 33 hy); sie liegt also bei Dermochelys ebensowenig in der eigentlichen Hypophysen- erube am Schädel wie bei Chelonia; außerdem liegt sie, nament- lich bei A, ziemlich hoch über der Schädelbasis (S. 111, Fig. L). ss = er | BA Fer u su.i- See x ern | = -- fer rc > Se geet ter ie: —--- -fesir iy -- 2 — Pe). pip A FA | 4 = ee Sas ay aN ra és Er ‘ole \ Fig. J. Fig J. Dermochelys coriacea, Embryo B. Die Abbildung entspricht der in Fig. G für Chelonia gegebenen. Das Tectum cranii ist fortgelassen; der Umriß der Hypophyse ist durch eine schwarze, der des Parasphenoids durch eine blaue Linie angegeben. 7:1. w Lücken im rechten Planum supraseptale. Fig. K. Dermochelys coriacea, Embryo A; für diese Abbildung gilt das bei Fig. J Gesagte. 7:1. ee‘ Foramen im Planum supraseptale (vgl. S. 129, 130). Weiter nach vorn zu tritt auf einmal die Intertrabekel nach hinten spitz zulaufend in der Fenestra hypophyseos wieder zwischen den Trabekeln auf (S. 110 Fig. K zr“), um sich gleich darauf mit dieser zur Trabecula communis zu vereinigen.!) Das abweichende Verhalten in der Basis der hinteren Orbitalregion bei A wirft Licht auf die so auffallenden Differenzen in dieser Region zwischen der erwachsenen Chelonia und der erwachsenen Dermochelys. Die Ver- hältnisse bei den beiden leiten sich aus einem sehr ähnlichen Zu- 1) Den ganzen Unterrand des Septum interorbitale, der aus einer sich früh anlegenden langen medialen ,Intertrabecula“ hervorgeht, auf den vorliegenden Studien noch als solche zu bezeichnen, ähnlich wie dies PARKER tut, halte ich nicht für angebracht und beschränke den Ausdruck bei meinen Objekten auf den freien Balken unter der Hypophyse. FILA- TOFF (1906, p. 629) glaubt eine solche ausgedehnte embryonale Inter- trabecula bei allen Wirbeltieren annehmen zu müssen, die aber dann im Laufe der Entwicklung im Septum aufgeht. Verhältnisse, wie sie bei Dermochelys und Chelonia und vielleicht bei Crocodilen auftreten, sind sonst nicht bekannt. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. akt stande, wie ihn der Chelonia-Embryo und der zuerst besprochene von Dermochelys gemeinsam haben, ab. Bei Chelonia kommt es durch ausgedehnte Verknöcherung namentlich der Intertrabekel und auch der Trabekeln zu einem kräftigen Rostrum basisphenoidale, das nach vorn an den aufgewulsteten Unterrand des dauernd knorpeligen Septum interorbitale (die Trabecula communis) anstößt (vgl. VERSLUYS, 1909, p. 286.') Fig. L. Dermochelys coriacea, Embryo A. Die Abbildung entspricht der in Fig. H für Chelonia gegebenen. Der Umriß der Hypophyse ist durch eine Linie gekenn- zeichnet. 7:1. An dem breiten Rostrum basisphenoidale der Erwachsenen liegen lateral zwei Leisten (Taf. 3 Fig. 19 trl), die jedenfalls Teile der Tra- bekeln sind (die aber wahrscheinlich nicht allein die primordialen Trabekeln repräsentieren, vielmehr sind diese auch an dem Rostrum basi- sphenoidale selbst beteiligt) und die seitliche Begrenzung der Fossa hypophyseos darstellen. Die Grenze der Intertrabekel gegen die Trabekeln ist nur an einem Punkte genau markiert, da wo die Fora- mina carotica interna (Taf. 3 Fig. 19 f. car. int) das Rostrum in seinem Hinterteile durchsetzen, denn beim Embryo gelangt die 1) Über eine eventuelle Teilnahme parasphenoidaler Elemente am Rostrum der Cheloniiden vgl. S. 37. 112 Lupwi& Nick, Arteria carotis cerebralis zwischen Intertrabekel und Trabekel hin- durch in die Hypophysengrube. Bei Dermochelys (Taf. 3 Fig. 17) ist, wie wir gesehen haben, die Ausbildung der Trabekeln am erwachsenen Schädel sehr wechselnd (S. 41). Außerdem ist das Dorsum sellae sekundär beträchtlich erhöht worden, von dem die Trabekeln nun meist mehr nach abwärts gehen, statt wie primitiv und auch noch beim ausgeschlüpften Tiere, gerade nach vorn. Der Boden der Fossa hypophyseos am Schädel ist hier durch das Rostrum parasphenoidale gebildet; die Intertrabekel beteiligt sich dabei nicht, nnd ein Rostrum basisphenoidale kommt nicht zur Ausbildung. Die kurzen Trabekeln aber legen sich vorn unten sofort an die knorplige Trabecula communis, so daß zwischen ihnen und dieser nur eine ganz kurze Fossa hypophyseos bleibt; auch diese ist nur unvoll- ständig abgeschlossen, wenn eine der Trabekeln (wie bei I, IV, V und VII) zu einem Knochenhöcker reduziert ist. Ob die Hypophyse darin liegt, ist nach den Befunden an den reifen Embryonen sehr fraglich; sicher entscheiden läßt es sich an dem Dermochelys-Kopfe VIL nicht, da die Hypophyse wie das ganze Gehirn völlig zerfallen ist. Wahrscheinlich wird auch bei Erwachsenen die Hypophyse in der Hauptsache an dem zum Subiculum infundibuli (S. 114) aufsteigen- den Hinterrande des Septum interorbitale und vielleicht auch noch etwas auf dem Subiculum selbst liegen. Von einem aus der Trabe- cula communis nach hinten zwischen die Trabekeln gehenden Reste der Intertrabecula ist bei VII nichts vorhanden. Sucht man nach Rudimenten derselben bei dieser ziemlich erwachsenen Dermochelys, so kann nur der auf dem medianen Dorsum sellae aufsitzende Knorpelhöcker in Betracht kommen (Taf. 3 Fig. 17 tr‘), dessen breite Basis durch dünne Knorpelstreifen im Oberrande des Dorsums lateralwärts mit den Bases der knorpeligen Pilae prooticae verbunden ist. Der Höcker entspricht dem etwa gleichartigen Gebilde, das wir bei Embryo A kennen gelernt haben (S. 110 Fig. K; S. 111 Fig. L tr‘) und das sicher als Rest der Intertrabekel, vielleicht in seinem oberen Teile als Neubildung (?) aufzufassen ist. Ein derartiges unpaares Knorpelstück ist bis jetzt nirgends bekannt, so daß keine sonstigen Schädelbildungen in Frage kommen können. Bei den Schädeln I, III und IV findet sich ein Teil des Höckers verknöchert als ein mittlerer Vorsprung am Rande des Dorsum sellae (S. 40). — Die auf Taf. 3 Fig. 17 (t. str‘) sichtbaren, zum Dorsum strebenden kleinen Knorpelspangen, haben, wie wir sehen werden, mit der Intertrabekel oder den Trabekeln nichts zu tun. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 113 Einen scharfen Gegensatz zu Dermochelys und Chelonia bilden die Verhältnisse in der hinteren Orbitalregion bei Chelydra (S. 113, Fig. M, N; Taf. 10 Fig. 59, 60). Auf dem mir vorliegenden Jugend- stadium fehlt jede Spur einer Intertrabecula. In die Trabecula communis gehen nur die beiden Trabekeln ein, die von beiden Seiten des Dorsums ausgehen und die Fossa hypophyseos zwischen sich fassen. Diese wird bei Chelydra im Gegensatz zu Chelona und Dermochelys von der Hypophyse fast vollständig ausgefüllt, was ja auch die Regel ist.!) Auch bei dem halberwachsenen Kopfe ist nichts von einer Intertrabecula zu bemerken. Der untere Abschluß der Hypophysengrube wird nur durch das Parasphenoid bewirkt. N; PN el ps Fig. M. Fig. N. Fig. M. Chelydra serpentina, Embryo. Die Abbildung entspricht den in Fig. G, J und K für Chelonia und Dermochelys gegebenen. Blau sind ange- geben der Umriß der Parasphenoids und der Schnitt (frontal) durch die Parietal- pfeiler (par‘). 7:1. bw Bindegewebe, das die Seitenwand der Orbitalregion großen- teils an Stelle von Knorpel bildet; ce Fortsatz am Subieulum infundibuli (S. 116); /f Foramen im Planum supraseptale (S. 130). Fig. N. Chelydra serpentina, Embryo. Die Abbildung entspricht den in Fig. H und L für Chelonia und Dermochelys gegebenen. 7:1. pf Parietalloch (?). t. c vorderes, isoliertes Stück des Tectum cranii. Die unterbrochene Linie be- zeichnet die vordere Grenze der Ohrkapsel hinter der rudimentären Knorpelwand des Cavum eranii. Dieses ist bei Chelydra, wie bereits (S. 37) bemerkt, auf meinen Querschnitten durch den Kopf eines reifen Embryos in seinem hinteren Teile nicht deutlich von der Basalplatte abzugrenzen, da die Verbindung mit perichondralen Knochenlamellen der letzteren sehr innig ist (Taf. 10 Fig. 58). Durch den Eintritt der Arteria cerebralis, die weiter hinten ziemlich lateral zwischen Pterygoid und Basalplatte verläuft, in den hinteren Teil der Hypophysengrube wird das Parasphenoid im Querschnitte von dem primordialen Skelet 1) So unter den Schildkröten auch bei Trionyx subplanus nach einer Serie, die mir Herr Dr. VERSLUYS zeigte. Zool. Jahrb. XXXII. Abt. f. Anat. 8 114 Lupwie Nick, gesondert; vor dem Foramen carotidis internae ist die Verbindung der Ränder des Parasphenoids mit perichondralen Knochenlamellen beider Trabekeln auf eine kurze Strecke wieder so fest, daß eine Abgrenzung nicht möglich ist; davor aber ist das Rostrum para- sphenoidale deutlich durch Periost von dem perichondralen Knochen getrennt (Taf. 10 Fig. 59, 60 ps) und endet mit scharfer, von Binde- gewebe umgebener Spitze unter der Trabecula communis. Aus dem Gesagten und dem bereits früher Mitgeteilten (S. 37) geht hervor, daß auch bei erwachsenen Chelydriden der Boden der Fossa hypo- physeos durch das Parasphenoid gebildet wird, und zwar augen- scheinlich primär und nicht wie bei Dermochelys sekundär durch Rückbildung der Intertrabecula. Dadurch ließe sich dann viel- leicht auch die verschiedene Lage der Hypophyse erklären, die bei Chelydra die ursprüngliche Lage in der Hypophysengrube beibehalten hat, bei Dermochelys diese aber unter dem Einflusse der Inter- trabecula aufgab und sie auch nach dem Verschwinden der letzteren nicht mehr zurückerwerben konnte. Über der Trabecula communis erhebt sich das Septum inter- orbitale (Taf. 3 Fig. 17, 19, 21; Taf. 6 Big: 34; Dar Re 3 Vat 10-Fig. 61; S. 107 Mig: S. 111 Mig. LS MSN EI ENNESE 0) dessen hinterer Teil ziemlich niedrig bleibt; nach vorn von der Fenestra optica wird das Septum dann beträchtlich höher. Im hinteren Teile des Septums machen sich zwischen den reifen Embryonen von Chelonia, Dermochelys und Chelydra ziemlich erhebliche Unterschiede geltend. Bei Dermochelys (S. 100 Fig. J, K; S. 111 Fig. L), die wir zunächst be- trachten wollen, steigt der Hinterrand des Septums breit abgestumpft aufwärts (nicht ganz so steil wie bei den Erwachsenen, Taf. 3 Fig. 17) und geht dann in eine dicke transversale Knorpelplatte über, in die auch beide Seitenwände des Chondrocraniums eingehen; auf der Platte liegt bei Dermochelys noch der vorderste Teil der Hypophyse; sie ent- spricht dadurch, mehr aber noch in Lage und Gestalt bei Dermochelys sowohl wie bei Chelonia und Chelydra dem Subiculum infundibuli, das Gaupp für Lacerta beschrieben hat; ich behalte deshalb diese sezeichnung bei. Nach vorn verschmälert sich das Subiculum (Fig. G—N; Taf. 3 Fig. 17, 19, 21; Taf. 6 Fig. 34 su. 2) plötzlich in das Septum, das hier den gemeinsamen Unterrand beider Fenestrae opticae (Fig. G—N; Taf. 3 Fig. 17, 19, 21 fe. II), die Cartilago hypochiasmatica (Fig. G—N; Taf. 3 Fig. 17, 19, 21 ca. hy), bildet. Die Lumina der Fenestrae divergieren von hier naclı beiden Seiten schräg aufwärts; ihre Hinterränder bilden die vom Subiculum nach Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 115 beiden Seiten ausgehenden breiten Knorpelspangen vor der Fenestra trochlearis (Fig. G—L; Taf. 3 Fig. 17, 19 fe. IV), die nach oben in die Plana supraseptalia, die Seitenwände des Craniums über dem Septum (Fig. G—N; Taf. 3 Fig. 17, 19—21; Taf. 7 Fig. 35 pl. ss), übergehen. Diese bilden die obere und vordere Grenze der Fenestrae opticae. In dem Septum unter dem Subiculum infundi- buli und der Cartilago hypochiasmatica findet man bei Dermochelys eine Unterbrechung, Fenestra septi interorbitalis, die beim Embryo (S. 111 Fig. L fe. io) relativ größer ist als im knorpligen Septum des erwachsenen Tieres (Taf. 3 Fig. 17 fe. 20). Diese Fenestra wird durch Bindegewebe geschlossen, an dem jederseits ein transversal ziehender Muskel, der Musculus rectus externus (Horrmann, 1890, p. 76, M. rectus oculi externus Boganus, 1819, p. 73, tab. 17 fig. 73), inseriert. Betrachten wir die Verhältnisse in derselben Gegend bei Chelonia, so zeigt sich, daß beim Embryo der hintere, aufsteigende Rand des Septums überhaupt fehlt. Zwischen der Trabecula com- munis unten und dem Subiculum infundibuli oben liegt kein Knorpel, und erst unter der Fenestra optica erhebt sich das Septum zur Cartilago hypochiasmatica, einen Ausschnitt im Septum vorn ab- grenzend. Der Ausschnitt ist bei Chelomia (S. 107 Fig. H ine. vo) durch Bindegewebe geschlossen, das sich auch unter der Hypophyse zur Intertrabekel in der Hypophysengrube hinzieht, ebenso wie der hintere Septalrand bei Dermochelys. Auch inseriert derselbe Muskel an der Bindegewebsmembran in der Region, wo bei Dermochelys die Fenestra septi interorbitalis vorhanden ist. Zur Bildung einer solchen scheint es auch bei der erwachsenen Chelonia zu kommen, denn bei dem mir vorliegenden Chelonia-Kopfe zieht der hintere mediane Teil des Subiculum infundibuli nach unten (Taf. 3 Fig. 19); ob eine völlig knorplige Verbindung zwischen diesem und der Intertrabekel und damit ein hinterer Septalrand wie bei Dermochelys erreicht wird, läßt sich nicht genau angeben. Der Knorpel, der vom Subiculum infundibuli abwärts zieht, verliert sich in dem sehr dichten Binde- gewebe über der Intertrabekel. Für den hinteren Teil des Septum interorbitale von Chelydra gilt wesentlich dasselbe wie für Chelonia, nur ist der Einschnitt zwischen Trabecula communis und Subiculum infundibuli ganz flach und spaltartig (S. 113 Fig. N; Taf. 3 Fig. 21 nc. 10). Ebenfalls als niedriger Spalt findet sich dieser Ein- schnitt übrigens auch bei Lacerta (vgl. Gaurr, 1900, tab. 42/43, fig. 3) unter dem Subiculum infundibuli und ebenso bei Sphenodon (vgl. Howes u. Swinnerton, 1901, tab. 4, fig. 10). 8* 116 LupwiG Nick, Bemerkenswert sind bei Chelydra noch zwei kleine paarige Fortsätze, die vom Subiculum nach unten und dann medialwärts gehen (S. 113 Fig. M, Ne); sie umgreifen einen Ast der Arteria cerebralis, der als unterster nach vorn ziehender Ast wahrscheinlich der Arteria ciliaris (Bosanus) entspricht, die bei Chelydra so die Schädelhöhle verläßt. Diese Arterie ist übrigens bei Chelydra ver- hältnismäßig stark entwickelt, während sie bei Dermochelys und Chelonia ganz zurücktritt (beim Embryo von Chelonia konnte ich sie nur auf der einen Seite ganz sicher feststellen) und die Schädelhöhle wahrscheinlich durch die große Öffnung hinter dem Subiculum verläßt. Bei dem Kopfe der halbausgewachsenen Chelydra sind die be- sprochenen Fortsätze wenig vom Hinterrande des Subiculums abge- hoben und erreichen es auch mit dem beim Embryo noch freien medialen Ende, so dab ein Gefäßloch zustande kommt. (Taf. 3 Fig. 21 cc‘). Durch diese Verstärkungen wird auch der hintere Teil des Subiculums näher an die Trabecula communis herangebracht, doch darf dies nicht mit der bei Chelonia anscheinend vorhandenen Tendenz, eine Fenestra septi interorbitalis zu bilden, verwechselt werden, denn hier geht der Knorpelvorsprung, der ein solches er- reichen will, genau median und unpaar zur Trabecula communis ab- wärts und hat keinerlei Beziehungen zu einen Gefäß. Wie man sieht, ist der hintere Rand des Septum interorbitale bei unseren drei Schildkröten recht verschieden ausgebildet, und es fragt sich, welche Form des Hinterrandes man als primitiv ansehen muß. Zunächst wird man geneigt sein, die Art des hinteren Ab- schlusses des Septums für ursprünglicher zu halten, die Chelydra aufweist, da sich hier derselbe schmale Spalt zwischen Subiculum - infundibuli und Trabecula communis wie bei Lacerta und Sphenodon findet, und hieran Cheloma anreihen, wo der Spalt in der Jugend offen ist, aber mit zunehmendem Alter das Bestreben zeigt, sich hinten zu schließen, und zuletzt Dermochelys, wo eine dauernd ge- schlossene Fenestra septi interorbitalis vorhanden ist. Bedingt ist der Spalt oder das Fenster wohl hauptsächlich als Insertionsstelle des quer dazu verlaufenden Musculus rectus externus, an der der spröde hyaline Knorpel durch eine zähe Bindegewebsmembran er- setzt werden mubte. Die angedeutete Richtung in der Entwicklung der Fenestra durch Vermehrung des Knorpels wäre denkbar. Jedoch könnte man auch, wenigstens was Dermochelys und Chelonia allein anbetrifft, einen anderen Gang der Entwicklung als möglich ins Auge ——— ce Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. ale fassen. Dermochelys und Chelonia haben die im Vergleich mit Chelydra erhebliche Höhe des hinteren Septums unter dem Sub- iculum gemeinsam und unterscheiden sich dadurch wesentlich von dieser wie von Sphenodon und Lacerta. Geht dieses hohe hintere Septum bei Dermochelys und Chelonia aber auf eine gemeinsame Wurzel zurück — inwieweit man dies annehmen darf, wird im Schlußkapitel diskutiert werden —, so könnte auch zuerst ein ge- schlossenes. von einer Fenestra septi interorbitalis nur an der Insertionsstelle des Musculus rectus externus unterbrochenes Septum, wie es Dermochelys aufweist, vorhanden gewesen sein. Diese Fenestra hätte sich dann bei Chelonia sekundär beträchtlich erweitert, aber Reste des einstigen Hinterrandes der Fenestra blieben teilweise noch erhalten; dagegen braucht der embryonale Befund nicht zu sprechen, denn der rudimentäre Rest des hinteren Septalrandes bei der erwachsenen Chelonia kann sich verspätet entwickeln. Die bei unseren drei Arten sehr verschiedene Ausbildung der knorpeligen Seitenwände in der hinteren Orbitalregion ist jedenfalls abhängig von der verschiedenen Ausbildungder Parietalpfeiler, die die knorplige Seitenwand überflüssig machten. Wenn aber auch hier ein ziemlich vollständiges Knorpelskelet den primitiven Zustand darstellt, so geht es nicht ohne weiteres an, Dermochelys deshalb für primitiv zu halten, weil bei ihr die Umschließung der Gehirnhöhle in der Orbitalregion den höchsten Grad erreicht. Denn die Vor- fahren der Dermochelys hatten Parietalpfeiler, wie wir noch sehen werden, und es wäre sehr gut möglich, daß mit der Rückbildung der letzteren eine stärkere Ausbildung der knorpligen Orbitalwand Hand in Hand gegangen wäre. Deshalb wird das äuberst ausge- dehnte Knorpelskelet in der Orbitalregion bei Dermochelys wenig- stens teilweise eine Neuerwerbung darstellen können, die aber jeden- falls insofern an primitive Zustände anklingen dürfte, als wohl in erster Linie bereits in Reduktion befindliche Teile des Chondro- craniums wieder zu stärkerer Ausbildung kamen. Ist ja doch auch bei Chelonia, obwohl bei dieser Form anscheinend die Tendenz besteht, die Parietalpfeiler rückzubilden (S. 186), beim reifen Embryo das Chondrocranium der Orbitalregion noch sehr vollständig, so daß man kaum von einer irgend bedeutenden Reduktion sprechen kann. — Für die Behandlung der knorpligen Seitenwände der Orbitalregion wird es sich empfehlen, von Dermochelys auszugehen und von ihr aus die weniger entwickelten Wände bei Chelonia und Chelydra zu deuten. Die lateralen Wände des Cavum crani in der hinteren Orbital- folie Lupwie Nick, region konvergieren nach unten und zeigen schon bei den reifen Embryonen von Dermochely und Chelonia (S. 107 Fig. G, H; S. 110 Fig. J, K; S. 111 Fig. L) große Fenestrationen, die sich namentlich um Nervenaustrittsstellen gebildet haben; die Wände bleiben aber dabei doch bei weitem geschlossener und solider als bei Lacerta, wo sie bis auf einzelne Spangen aufgelöst sind. Lateral vom Dorsum sellae tritt bei Dermochelys und Chelonia die Pila pro- otica «(8.107 . Bigs GC SO Bier), 13S: 7 IRRE Taf. 3 Fig. 17, 19; Taf. 6 Fig. 32 pi. p) in den Bereich der Seiten- wand; sie biegt aufwärts und nach vorn außen. Bei dem reifen Embryo von Chelydra ist von der Pila prootica nur der bereits S. 105 beschriebene Knorpelfortsatz am Dorsum sellae vorhanden, der in derselben Ausdehnung als Processus clinoideus verknöchert (S. 113 Fig. M, N; Taf. 3 Fig. 21 pr. cl). An der Basis der Pila prootica von Dermochelys verläßt der Nervus abducens das Cavum cranii (Fig. G—N; Taf. 3 Fig. 17 f. VD. Dann grenzt der Pfeiler bei Dermochelys und Chelonia das Foramen prooticum (Fig. G—L; Taf. 3 Fig. 17, 19 f. V), in dem das Ganglion trigemini liegt, nach vorn ab. Der Oberrand dieses Foramens wird von der darüber gelegenen undurchbrochenen Knorpel- wand gebildet. Über den Übergang dieser Fläche in die Wandung des Cavum cranii der Labyrinthregion und in die bei Dermochelys einerseits und Chelonia und Chelydra andrerseits dabei zutage treten- den Differenzen vgl. S. 94, 95. Daselbst wurden auch bereits die nötigen Angaben über die einzigen Knorpelreste gemacht, die sich am Chondrocraninm von Chelydra in der Jugend und im mehr er- wachsenen Zustande medial von den Parietalpfeilern finden. Dem Foramen prooticum von Chelonia und Dermochelys entspricht bei Lacerta wahrscheinlich nur die Incisura prootica (GAupr, 1900), die ein Teil der Fenestra prootica der Lacertilier ist; letztere wird bei Dermochelys und Chelonia nicht weiter ausgebildet. — Bei Chelydra wird ein Foramen prooticum im Skelet überhaupt nicht abgegrenzt; der vordere Abschluß der Öffnung, in der das Ganglion trigemini liegt und die ihm also entspricht, ist bei meinen Stadien von Chelydra nur durch Bindegewebe erreicht (S. 113 Fig. M, N bw). Während die Pila prootica bei Dermochelys und Chelonia die vordere Grenze des Foramen prooticum darstellt, schließt sie bei dem reifen Embryo von Dermochelys eine längliche Öffnung nach hinten ab, die ich ihrer Lage nach Fenestra supratrabecu- laris nenne (S. 110 Fig. J, K; S. 111 Fig. L fe. str). Wie der Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 119 Name sagt, ist sie unten von der Trabecula begrenzt und oben von einer horizontalen Spange, die von der Stelle, wo die Pila prootica in die solide obere Seitenwand übergeht, nach vorn, unter der Durch- trittsstelle des Oculomotorius, in das Subiculum infundibuli verläuft; sie sei Taenia supratrabecularis genannt (4. str).') Bei Chelona finde ich beim Jugendstadium beiderseits nur den vordersten Teil dieser Taenia supratrabecularis als einen vom Subiculum nach hinten bis unter die Durchtrittsstelle des Oculomotorius reichenden stumpfen Knorpelfortsatz (S. 107 Fig. G, H ¢. str“). Dab bei Che- lonia eine Taenia supratrabecularis in früheren Stadien vollständig ist, schließe ich aus der Angabe von Gaupp (1905 b, p. 788), wonach der Oculomotorius ein eigenes Foramen besitzt. Bei Chelydra finde ich keine Spur einer Taenia supratrabecularis. Die vordere Begrenzung der Fenestra supratrabecularis bei den Embryonen von Dermochelys und auch von Chelonia (wenn man bei letzterer an ein Stadium mit noch erhaltener Taenia supratrabecularis denkt) wird von dem hinteren Abschluß des Septums gebildet und ist demnach für Dermochelys und Chelonia verschieden (vgl. S. 114 ff. Taf. 3 Fig. 17, 19). Unten wird die Fenestra supratrabecularis durch die Trabekeln begrenzt. Die Taenia supratrabecularis stellt beim Embryo von Dermochelys und Chelonia gleichzeitig den unteren Rand der Fenestra oculomotoria dar (Fig. J—L fe. III). Bei der erwachse- nen Chelonia verschwindet sie vollständig, so daß die Räume beider Fensterbildungen, der Fenestra oculomotoria und supratrabecularis, ineinanderfließen zu einem großen Fenster, für das nach dem ein- .zigen, hier durchtretenden Nerven auch der Name Fenestra oculo- motoria beibehalten werden mag (Fig. G, H fe. III). Auch bei Dermochelys erfolgt mit zunehmendem Alter die Auflösung der Taenia supratrabecularis, aber nur im hinteren Teile. Denn ich glaube an- nehmen zu dürfen, daß die paarigen Knorpelvorsprünge, die sich am hinteren Septalrand über der Trabecula communis gegen das Dorsum sellae erheben (Taf. 3 Fig. 17 t. str‘), nichts weiter sind als Rudi- mente der Taenia supratrabecularis und daß die Öffnungen, die durch sie und die verknöcherten Trabekeln eingefaßt sind, demnach als Reste der Fenestrae supratrabeculares anzusprechen sind (Taf. 3 1) Ob diese Taenia supratrabecularis mit der Supratrabecula SUSCH- KIN’s bei Tinnunculus etwas zu tun hat, kann ich nach dem darüber vor- liegenden Materiale (SUSCHKIN 1899, p. 120; FiLaTorr 1906, p. 632) nicht entscheiden. 120 Lupwia Nick, Fig. 17 fe. str). Dafür sprechen einmal ihre Lagebeziehungen, die an die embryonalen Beziehungen anklingen. Die relativ tiefere Lage der Taenia supratrabecularis erklärt sich daraus, daß, nachdem einmal ihre hintere Hälfte verloren oder die ganze Spange einfach nicht weiter gewachsen war, das Subiculum beim Heranwachsen der hinteren Partie des Septums höher gelegt wurde und auch die ganze Basalplatte und damit das Dorsum sellae höher wurden (letzteres nicht zum mindesten unter dem Einflusse des Parasphenoids), während die Taenia supratrabecularis diese Verschiebung nicht mit- machte. Auch spricht die ungleiche Ausdehnung der beiden kleinen Spangen (die linke ist abwärts gekrümmt und schwächer) dafür, daß es sich um Teile handelt, die sich rückbilden. Sodann ist kaum an- zunehmen, daß wir es hier etwa mit einer Neubildung zu tun haben, während eine in derselben Gegend beim Embryo angelegte kräftige Spange verloren gegangen wäre. Die Fenestra oculomotoria ist beim Embryo von Dermochelys (S. 110 Fig, J, K; S. 111 Fig. L fe. III) schon eine ziemlich große Öffnung, aber in der Hauptsache doch noch von dem Nerven ausgefüllt. Bei der Erwachsenen (Taf. 3 Fig. 17) dagegen stellt sie ein großes, bindegewebig verschlossenes Fenster dar. Der Nervus oculomotorius ist bei meinem erwachsenen Dermochelys-Kopf nicht erhalten. Sein Austritt liegt vermutlich in dem vorderen oberen Teil der Fenestra oculomotoria, wo der Nerv in der großen Fenestra an dem ganzen Kopfe von Chelonia (Taf. 3 Fig. 19 fe. III), bei der alle Gehirn- nerven erhalten sind, die Schädelhöhle verläßt. Begrenzt wird die Fenestra oculomotoria nach unten zuerst durch die Taenia supratra- becularis, später bei Chelonia durch die für die embryonale Fenestra supratrabecularis angegebenen Grenzen und bei Dermochelys durch das Rudiment der Taenia supratrabecularis, den hinteren ansteigenden Septalrand und den Rand des Dorsum sellae. Die hintere Grenze ist bei beiden dauernd die Pila prootica. — Die obere Grenze stellt eine kleine Spange dar, die die Fenestra oculomotoria von der Fenestra trochlearis trennt und die ich bei Dermochelys (S. 110 Fig. J, K; S. 111 Fig. L; Taf. 3 Fig. 19) immer finde,” bei Chelonia aber nur in dem Kopfe des erwachsenen Exemplars (Taf. 3 Fig. 19). Aus Gaupr’s Angaben (1905b, p. 788) aber, daß nämlich auch der Trochlearis sein eigenes Foramen in der knorpligen Cranial- wand habe, kann man entnehmen, daß eine Fenestra trochlearis auch beim Embryo von Cheloma vorkommt; bei dem mir vorliegenden reifen Embryo von Chelonia fehlt eine die Fenestra oculomotoria Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 121 nach oben grenzende Spange auf der linken Seite gänzlich, auf der rechten aber ist sie durch ein isoliertes längliches Knorpelstückchen (S. 107 Fig. G d) vertreten, das zwischen der Austrittsstelle des Oculomotorius und Trochlearis in dem die Gehirnhöhle hier an Stelle von Knorpel abschließenden Bindegewebe gelegen ist. Dadurch wird bei diesem Stadium auf der linken Seite ein großes ungeteiltes Fenster erreicht (abgesehen davon, daß vom Subiculum infundibuli unter dem Oculomotoriusaustritt, der kurze, dem vorderen Abschnitt der Taenia supratrabecularis entsprechende Vorsprung nach hinten geht). Das isolierte, in Bindegewebe eingebettete Knorpelrestchen auf der rechten Seite spricht, wie mir scheint, mehr für Rück- bildung einer Spange zwischen Oculomotorius und Trochlearis als für beginnende Neubildung einer solchen, was freilich auch nicht ausgeschlossen wäre. Liegt aber Rückbildung vor, so muß man eben ziemlich große Variabilität in der Ausbildung des Chondro- craniums von Chelonia zugeben, denn die gesonderte Fenestra trochlearis an dem mir vorliegenden ziemlich erwachsenen Kopfe von Chelonia dürfte keine vereinzelt stehende Ausnahme darstellen, da auf Horrmann’s Zeichnung ebenfalls ein entsprechendes Fenster abgebildet zu sein scheint. Den vorderen Rand der Fenestra oculomotoria beim reifen Embryo von Dermochelys bildet eine Knorpelbrücke, die vom Sub- iculum infundibuli zwischen Fenestra oculomotoria und optica in die obere zusammenhängende Knorpelwand übergeht. — Bei Chelydra tritt der Trochlearis ebenso wie der Oculomotorius nur durch das die die Seitenwand der Gehirnhöhle darstellende Bindegewebe ohne jede Umgrenzung durch Knorpelteile. Die genannte Fenestra trochlearis ist bei Dermochelys (S. 110 He eke NS: do! Mig. D Tarte Wi fe. TP)hund'ewonsiembel Chelonia auftritt (Taf. 3 Fig. 19 fe. IV), wesentlich kleiner als die Fenestra oculomotoria. Sie dient dem Durchtritt des N. trochlearis und erweitert sich bei Dermochelys beträchtlich im zunehmenden Alter; das Lumen ist dann wie in der Fenestra oculomotoria außer dem Austrittsloch für den Trochlearis mit Bindegewebe überspannt. Die Fenestra wird nach unten durch die eben erwähnte kleine Spange ab- geschlossen und nach vorn durch die ziemlich breite Knorpelbrücke, die direkt über und lateral vom Subiculum infundibuli hinter der Fenestra optica liegt, nach hinten durch eine ebensolche Brücke von dem obern Teile des Foramen prooticum getrennt. Nach oben zu grenzt bei Dermochelys die geschlossene obere Seitenwand der 199 Lupwie Nick, hinteren Orbitalregion an, die bei Chelonia in Reduktion ist und bei Chelydra auf den mir vorliegenden Stadien fast ganz fehlt. Die besprochenen Öffnungen in der Schädelseitenwand der hinteren Orbitalregion bei Dermochelys und Chelonia, die Fenestrae supra- trabecularis, oculomotoria und trochlearis, die nur bei dem reifen Embryo von Chelonia rechts fast ganz einheitlich zusammenfließen, dürften zusammen der großen Fenestra metoptica der Lacertilier (Gaupp, 1900) entsprechen; diese hat dieselben Lagebeziehungen, auch treten Oculomotorius und Trochlearis durch sie aus.!) Die oberen undurchbrochenen Seitenwände in der hinteren Orbitalregion bei Dermochelys steigen ziemlich steil nach oben und lassen für das Gehirn nur einen recht schmalen Raum zwischen sich frei. Bei Chelonia (und ebenso bei Chelydra) ist die Gehirnhöhle relativ breiter (vgl. Taf. 6 Fig. 32—34; Taf. 8 Fig. 40; Taf. 10 Fig. 59, 60) und ihr unterer Teil mehr gerundet, während die Ebenen der Seitenwände bei Dermochelys spitzer aufeinandertreffen. Die oberen Seitenwände laufen nach vorn, in die vordere Orbitalregion, kontinuierlich weiter als Plana supraseptalia (Fig. G—L; Taf. 3 Fig. 17, 19); über den An- schluß der Seitenwände nach hinten, an die Labyrinthregion, vergleiche S. 94. Bei Chelonia ist bei Erwachsenen (Taf. 3 Fig. 19) der größte Teil der hinteren oberen Wandung von oben her reduziert, da eben die in sagittaler Richtung plattig ausgebildeten oberen Teile der Descensus parietales eine Knorpelwandung überflüssig machen. Erst vor diesen, in der vorderen Orbitalregion, erhebt sich bei Chelonia die Knorpelwand bis hinauf zum knöchernen Schädeldach, genau dem Vorderrande der Descensus parietales folgend. Die Descensus parietales spielen im Schädel der Schildkröten eine besondere Rolle. Ihre starke Ausbildung hat bei Chelydra die Knorpelwände des Primordialcraniums der hinteren Orbitalregion ganz verdrängt; bei Chelonia vertritt nur ihr oberer verbreiterter Teil die laterale Knorpelwand des Chondrocraniums. Während aber 1) Was die übrigen großen Fensterbildungen bei Lacerta anlangt, so ist, wie gesagt (S. 118), von der Fenestra prootica wahrscheinlich nur ein Teil als Foramen prooticum bei Dermochelys und Chelona vorhanden. Der Fenestra optica von Lacerta entspricht die wesentlich kleinere gleichnamige Offnung bei Dermochelys und Ohelonia, und von der mächtigen Fenestra epioptica ist vielleicht ein bei der erwachsenen Dermochelys vorhandenes bindegewebig geschlossenes Fenster (S. 130) in der Seitenwand der vorderen Orbital- region ein Homologon; seine Bildung geht von einem kleinen Gefäß- loch aus. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 123 der bei Chelonia knorplig erhaltene untere Teil der Seitenwand in der hinteren Orbitalregion und bei Chelydra das entsprechende, die eigentliche Gehirnhöhle abschließende Bindegewebe nach innen ge- neigt sind, gehen die Descensus parietales gerade abwärts und ver- binden sich mit den zu ihnen aufstrebenden Knochenleisten des Pterygoids; verstärkt werden die Pfeiler außen durch das gesonderte knöcherne Epipterygoid, das aus dem Processus pterygoideus des Quadratums an der Stelle verknöchert, wo sich Parietale und Ptery- goid verbinden. So kommt es zwischen dem eigentlichen Cavum cranii, das vom Chondrocranium gebildet wird, und den Parietal- pfeilern zu einem Nebenraum an der Schädelhöhle (vgl. Taf. 8 Fig. 40), den Gaupp bei Schildkröten zuerst erkannt und beschrieben hat (1900, p. 548, 549 Anm.; 1902, p. 177—179) und den er Cavum epiptericum genannt hat (1905a). Beim macerierten Schädel aller Schildkröten mit Descensus parietales muß es natürlich den Anschein erwecken, als erstrecke sich die Schädelhöhle seitlich bis zu den Descensus parietales; diese beteiligen sich jedoch, wie wir gesehen haben, an der Umgrenzung des Cavum cranii der Cheloniiden nur insoweit, als sie Knorpel aus der oberen Seitenwand der hinteren Orbitalregion verdrängen und dessen Stelle einnehmen. Durch die Descensus parietales und den Vorderrand des Prooticums kommt bei den Cheloniiden jenes Foramen zustande, das als Foramen sphenoidale bezeichnet wird oder auch als Foramen prooticum. Letzteres Synonym ist durchaus unzulässig, wenn man die Öffnung am Chondrocranium, die das Trigeminusganglion umschließt, als Foramen prooticum bezeichnet (S. 107 Fig. G,H; Taf. 3 Fig. 19 f. V). Für das äußere Foramen bei Chelonia (Taf. 8 Fig. 40), das mit dem Foramen prooticum zwar die hintere Kante am Prooticum gemeinsam hat, vorn aber durch die Descensus parietales abgeschlossen wird, hat die Bezeichnung Foramen sphenoidale allein zu gelten. Im Kopfskelet sind diese beiden Foramina, das Foramen prooticum und das Foramen sphenoidale, bei den mir vorliegenden Vertretern unserer drei Schildkrötenarten nur bei Chelonia vor- handen; bei Chelydra!) kommt durch die Reduktion des Chondro- craniums ein Foramen prooticum im Skelet in Wegfall, bei Dermo- 1) Bei Chelydra ist der Hinterrand eines Foramen prooticum natür- lich vorhanden, als identisch mit dem des Foramen sphenoidale (Taf. 3 Fig. 21 /. sph). Durch Bindegewebe (S. 113 Fig. M, N bw), nicht aber durch Skelet, ist eine Lücke in der Seitenwand der Schädelhöhle für das große Trigeminusganglion auch vorn abgeschlossen. 124 Lupwie Nick, chelys durch die Reduktion der Descensus parietales ein Foramen sphenoidale. Durch das Foramen sphenoidale bei Chelenia und Chelydra ziehen Ramus maxillaris und mandibularis n. trigemini; der Ramus opthalmicus (V. 1) dagegen begibt sich von seinem Ganglion, das in dem Foramen prooticum grobenteils mit dem gemeinsamen Ganglion von Ramus maxillaris und mandibularis verschmolzen ist, durch das Cavum epi- ptericum nach vorn (vgl. Taf. 8 Fig. 40; Taf. 10 Fig. 59, 60). Durch eben diesen Raum, der auch bei Chelydra durch zwischen den Parietal- pfeilern und den Trabekeln ausgespanntes Bindegewebe (bw) von der eigentlichen Wand des Cavum cranii in engerem Sinne scharf ge- sondert ist, ziehen der Nervus abducens (VJ), der an der Basis des Processus clinoideus des Basisphenoids bei Chelonia und Chelydra, der verknöcherten Basis der Pila prootica, aus dem Cavum cranii austritt, und der Ramus palatinus n. facialis (= N. vidianus; Taf. 6 Fig. 32, 33; Taf. 8 Fig. 40; Taf. 10 Fig. 59, 60 n. pal; vgl. Gaupp, 1902, 1905a). Letzterer gelangt bei Chelonia an der Carotis interna nach vorn, indem er in dem Sulcus für die Carotis im Pterygoid (s. a. SIEBEN- ROCK 1897) vor dem Canalis caroticus in diesem Knochen entlang zieht. Die Carotis interna spaltet sich (Taf. 8 Fig. 40 car. à) in dem Sulcus und schickt medialwärts die Arteria cerebralis (Taf.6 Fig.32, 33; Taf. 10 Fig. 59, 60 art. ce) durch das Foramen caroticum internum im Basi- sphenoid in die Fossa hypophyseos. Der laterale Ast der Carotis interna aber zieht, vom Ramus palatinus n. facialis begleitet, als Arteria palatino- nasalis (RATHKE, 1857; Taf. 6 Fig. 33; Taf. 10 Fig. 59, 60 art. pn) weiter nach vorn, durch das Cavum epiptericum; das Gefäß liegt zwischen dem Nervenast und der Trabecula communis, und beide benutzen die von SIEBENROCK als Sulcus cavernosus bezeichnete im Pterygoid nach vorn ziehende Rinne. Bei Chelydra gelangt der Nervus palatinus, wie dies SIEBENROCK (1897 p. 298) beschreibt, durch einen besonderen Kanal zwischen dem Canalis cavernosus und dem Canalis carotidis cerebralis nach vorn in das Cavum epiptericum. Mit ihm zieht aber in demselben Kanale die im Vergleiche zu Chelonia und Dermochelys sehr schwache Arteria palatinonasalis, die sich weiter hinten als bei Chelonia und Dermochelys von der Carotis abspaltet und zwischen Pterygoid und den lateralen Teilen der primordialen Basalplatte, dem unteren Teile des Prooticums und dem Seitenrand der Basal- platte nach vorn zieht. Weiter verläuft durch das Cavum epiptericum der Sinus cavernosus Bosanus (Taf. 6 Fig. 32, 33; Taf. 8 Fig. 40; Taf. 10 Fig. 59, 60 sc; Vena lateralis capitis GROSSER u. BREZINA, 1895), Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 125 der sich davor aus verschiedenen Ästen sammelt. Er gelangt durch den Sulcus cavernosus nach hinten in das Foramen cavernosum. Der übrige Raum des Cavum epiptericum wird durch Muskulatur ausgefüllt. Bei Dermochelys, wo mit dem Fehlen der Descensus parietales auch ein eigentliches Cavum epiptericum im Kopfskelet in Wegfall kommt, verlaufen die Gefäße und Nerven in dieser Gegend (Taf. 6 Fig. 32, 33) doch wesentlich gerade so wie bei Chelonia. An die Stelle der knöchernen Parietalpfeiler tritt ein nicht besonders stark entwickeltes Bindegewebe (Taf. 6 Fig. 32, 33 bw), das von dem Tri- geminusganglion über dem Ramus ophthalmicus an der Außenseite der lateralen Knorpelwand ansetzt und nach unten zieht. Dabei ver- teilt sich das Bindegewebe in mehrere Stränge, die nach außen und nach innen in die Gegend der Trabecula communis ziehen; eine größere Fascie geht nach dem Processus pterygoideus (Taf. 6 Fig. 32, 33 pr. pter) des Quadratums, der auf dem Pterygoid liegt, und entspricht somit genau der Lage der Parietalpfeiler. Auf diese Weise wird auch bei Dermochelys eine Art von Cavum epiptericum abgeschlossen, welches dem der Cheloniiden, was die eingeschlossenen Weichteile anlangt, genau entspricht. Der vordere Teil der Orbitalregion von Dermochelys, Chelonia und Chelydra wird im Chondrocranium gebildet durch das Septum interorbitale und die Plana supraseptalia, die die Hemisphären und Lobi olfactorii zwischen sich beherbergen. Bei Chelydra ist auf den mir vorliegenden Stadien überhaupt nur im vorderen Teile der Orbitalregion ein Chondrocranium ge- bildet, denn erst hier treten Knorpelwände um die Gehirnhöhle auf, die ihren hinteren Abschluß finden durch zwei die Fenestrae opticae nach hinten verschließende, in das Subiculum infundibuli verlaufende Knorpelspangen. Das Septum interorbitale (Taf. 3 Fig. 17, 19, 21; Taf. 6 Fig. 34; Mars, Mie bby 56. S Oi hig: PERS Sr ESS. 113) Wiss N Se: zo) erhebt sich bei den drei Arten über wulstig verdickter Basis, der Trabecula communis. Den hinteren Teil des Septums haben wir kennen gelernt. Im vorderen Teil, vor der Fenestra optica (S. 107 Bra RE SON Mie NI a SERGE SES ies MEeN;: Taf. 3 Fig. 17, 19, 21 fe. IT), einer großen Öffnung, die bei Er- wachsenen mehr erweitert erscheint als bei den Jugendstadien und dann bindegewebig geschlossen ist, soweit sie nicht durch den N. opticus in Anspruch genommen wird, erhebt sich das Septum inter- orbitale zu seiner höchsten Höhe, um darauf, dem ganzen Umrisse 126 Lupwie Nick, des Schädels folgend, nach vorn wieder niedriger zu werden (Taf. 3 Fig. 17, 19, 21). Dann geht das Septum interorbitale kontinuierlich in das Septum nasi der Ethmoidalregion über. Bei Chelonia bleibt das Septum interorbitale relativ niedriger als bei Dermochelys; am niedrigsten ist es bei Chelydra, ihrer ganzen Schädelform entsprechend. Die Plana supraseptalia (Fig G—N; Taf. 3 Fig. 17, 19, 21; Taf. 7 Fig. 35; Taf. 10 Fig. 61 pl. ss) setzen sich nach oben seitlich an das Septum interorbitale an. Bei Dermochelys (Taf. 7 Fig. 35) ist das Cavum cranii zwischen ihnen enger als bei Chelonia oder Chelydra (Taf. 10 Fig. 61). Beim Embryo von Dermochelys sind die Plana supraseptalia mit dem Oberrande des Septums nicht durchgehend einheitlich verbunden, sondern im vorderen (Taf. 7 Fig. 35) und hinteren Teile dieser Verbindung liegen die Supraseptalplatten nur dicht am Septum an, ohne mit ihm zu verschmelzen, so dab bei Dermochelys nur in der Mitte, bei Chelonia sowie Chelydra dagegen fast für die ganze Erstreckung der Plana supraseptalia eine Ver- schmelzung mit dem oberen Rande des Septums eingetreten ist. Wenn auch bei Chelydra die Plana supraseptalia in der Höhe der Augenmitte vom Septum etwas abgesetzt erscheinen, so ist doch die knorplige Verbindung nicht unterbrochen. — Wenn wir das Ver- halten von Dermochelys hier als primitiv ansehen, so haben wir vielleicht Grund zu der Vermutung, daß Septum und Plana supra- septalia getrennt entstanden sind. (Über die Bedeutung dieser Frage vgl. Gaupp, 1900, p. 527ff.) — In dem hinteren Teile der Orbitalregion sind die Plana supraseptalia (wie bereits beschrieben) unter dem Einflusse der Descensus parietales schon beim Embryo von Chelonia etwas niedriger als bei Dermochelys, und noch viel mehr ist dies bekanntlich bei den Erwachsenen der Fall; bei Chelydra aber fehlen sie hier fast vollständig, wenigstens auf den mir vor- liegenden Stadien. Die Plana supraseptalia erreichen das bei Chelonia in der hinteren Orbitalregion ebenfalls etwas reduzierte Knorpel- dach des Schädels nicht und die knöcherne Schädeldecke erst vor dem knorpligen Tectum cranii an den Frontalia. Anders verhält sich dies bei Dermochelys, bei der die Plana supraseptalia durchgehend bis an das knöcherne Dach reichen. Bei dem reifen Embryo B von Dermochelys zeigt sich überdies, daß der obere Rand der Plana supraseptalia unter dem Frontale vor der Augenmitte (auf beiden Seiten) mit einem vom übrigen Planum etwas abgesetzten Knorpelstreifen zur Mediane umbiegt; der Streifen läuft vorn und hinten in dem sonst hier und bei A RE ee Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 127 überhaupt nur aufwärts gerichteten Rande des Planum supra- septale aus. Bei der erwachsenen Dermochelys (Taf. 3 Fig. 17) verschmelzen die Plana supraseptalia mit dem progressiv vergrößerten Knorpel- dach in der vorderen Orbitalregion. Dies endigt erst vor der starken Verdickung der Frontalia, und die Plana supraseptalia gehen dann mit ihrem Oberrande an den Frontalia entlang bis zum Foramen olfactorium. Dieses, die vordere Grenze der Orbitalregion, ist bei Dermo- chelys (Taf. 3 Fig. 17, 18; Taf. 11 Fig. 62, 64, 66, 67 f. I) und bei dem mir vorliegenden Kopfe einer ziemlich erwachsenen Chelonia (Taf. 3 Fig. 19, 20 f. I) in einer Weise gebildet, die sehr an Lacerta und Sphenodon erinnert, während die reifen Embryonen von Chelonia und Chelydra (s. Taf. 12) hierin abweichen. Die Plana supraseptalia werden bei Dermochelys und der erwachsenen Chelonia zu einer breiten Spange, die hier von dem in das Septum nasi übergehenden Septum interorbitale abbiegt und, nach oben und vorn herumziehend, mit dem Tectum nasi verschmilzt (Taf. 3 Fig. 20; Taf. 11 Fig. 62, 64, 66, 67 ca. sph); das Septum erhebt sich zwischen diesen Spangen bis zur Höhe des Tectum nasi und verschmilzt oben mit diesem. Dadurch werden bei Dermochelys und der erwachsenen Chelonia zwei wohlumerenzte Foramina olfactoria gebildet; medial sind sie durch das Septum nasi getrennt, oben, unten und lateral durch die be- schriebene Spange abgegrenzt; diese ist nach allem der Cartilago sphenoethmoidalis, wie sie Gauppr (1900) für Lacerta beschreibt und wie sie sich auch bei Emys und Testudo (SEYDEL, 1896 ')) sowie bei Sphenodon (Howes u. SWINNERTON, 1901) findet, vollkommen homolog. 1) Wenn SEYDEL p. 459 sagt, es fänden sich bei Testudo nicht die freien Knorpelbalken, die das Foramen olfactorium von dem Foramen rami trigemini (SEYDEL) abgrenzen, so trifft dies insofern zu, als bei Testudo nur ein kleines Foramen für den Ast des Trigeminus in der hinteren, mit dem Septum einheitlich verbundenen Wand der Nasenkapsel vorhanden ist, während bei Emys der ziemlich große Knorpelbalken das Foramen olfactorium von einer großen Fissura orbitonasalis scheidet, die mit ihrem nach unten verlängerten schmalen Teil die ganze hintere Nasenkapsel vom Septum trennt. Aber es liegt kein Grund vor, wegen der verschiedenen Ausdehnung der darunterliegenden Öffnung die dorsale Begrenzung des Foramen orbitonasale gegen das Foramen olfactorium bei Testudo nicht mit einer Cartilago sphenoethmoidalis zu homologisieren, die bei Emys und Lacerta genau dieselben Lagebeziehungen aufweist. (Man vgl. auch die entsprechenden Querschnitte bei Tes/udo, SEYDEL, 1896, p. 399, fig. 4, O und bei Emys ib., p. 435, fig. 15, O). 128 Lupwie Nick, Wesentlich anders ist dieser Ubergang der Orbital- in die Ethmoidalregion bei den Embryonen von Chelydra und Chelonia (Fig. d. Taf. 12). Die Plana supraseptalia bilden in ihrem vordersten Teile nur noch eine nach oben schwach konkave, bei Chelydra sehr kleine Platte über dem Septum interorbitale. Die Lobi olfactorii liegen ganz in einer tiefen Rinne an der Unterseite der Frontalia, die von jener Platte unten abgeschlossen wird. Diese Rinne zwischen den Frontalia ist bei Chelydra im Verhältnis zu dem sehr niedrigen Schädel stark ausgebildet. Die Frontalia schicken beträchtliche Knochenleisten abwärts (Taf. 3 Fig. 21, 22; die Leiste des rechten Frontale lieet in der Schnittfläche), die ebenso eine Seitenwand des Cavum cranii in der vorderen Orbitalregion darstellen wie die Des- census parietales in der hinteren Orbitalregion. Hier wie dort führt die Ausbildung von Bindegewebsknochen dahin, daß an den be- treffenden Stellen die knorplige Seitenwand des Chondrocraniums reduziert wird. Die Plana supraseptalia trennen sich beim reifen Embryo von Chelonia hinter den hier schon sehr entwickelten Vertikalplatten der Praefrontalia von dem Septum und laufen als dünne, etwas nach oben gebogene Knorpelplättchen spitz aus (Taf. 12 Fig. 68, 70, 72 ca. sph); sie entsprechen den wohlausgebildeten Cartilagines spheno- ethmoidales der erwachsenen Chelonia. — Bei Chelydra (Taf. 12 Fig. 74, 75, 77) verschmälern sich bei dem reifen Embryo und bei dem halberwachsenen Exemplar die Plana supraseptalia einfach in den oberen Septalrand. Hier fehlen also Cartilagines sphenoethmoidales vollständig, während Chelonia wechselndes Verhalten zeigt: einmal sind Cartilagines sphenoethmoidales vorhanden, ein andermal sind sie ganz rudimentär. Denn man kann wegen der ganzen Gestalt der fraglichen Knorpelfortsätze bei dem Chelonia-Embryo nur schwer an- nehmen, daß sich bei diesem Exemplar im Alter wohlentwickelte Cartilagines sphenoethmoidales gebildet hätten.) Auch ist eher zu erwarten, dab sich diese, da sie ihrer ganzen Verbreitung nach primitiv sind, früh vollständig anlegen und dann gelegentlich wieder rückgebildet werden. Das Septum interorbitale setzt sich als Septum nasi nach vorn fort (Taf. 3 Fig. 17, 19; Taf. 11 Fig. 64; Taf. 12 Fig. 70, 77 se. vo, se. n). Es wird zunächst etwas niedriger und geht dann erst vor den Vertikalplatten der Praefrontalia in der Ethmoidalregion wieder 1) Was aber auch nicht ausgeschlossen wäre. Man vergleiche auch das Verhalten der Fenestra trochlearis bei der jungen und alten Chelonia (8. 121). | Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 129 höher hinauf, um oben mit dem Tectum nasi zu verschmelzen. — Durch diesen oberen Rand des Septums werden die beiden Foramina olfactoria voneinander getrennt. Durchbrechungen finden sich im Septum interorbitale von Chelonia und Dermochelys nicht, wenigstens soweit dieses der vorderen Orbitalregion angehört; über den hinteren Teil des Septums vgl.oben S. 114. Bei den Embryonen von Chelydra aber finden sich außer dem schon genannten Spalte im hinteren Septum interorbitale (unter dem Subiculum infundibuli) noch weitere Unterbrechungen des Septums in der vorderen Orbitalregion. Kurz vor der Fenestra optica ist das knorplige Septum in seinem oberen Teile von den darüber zusammenlaufenden Plana supraseptalia getrennt; etwas davor findet sich eine ebensolche, aber weniger deutliche Lücke im Knorpel und darunter eine dritte Unterbrechung zwischen dem ver- diekten unteren Septalrand und der dünnen Knorpelplatte des Sep- tums darüber (Taf. 10 Fig. 61 ©). Es handelt sich bei allen diesen Unterbrechungen im Septum von Chelydra mehr um eine Aussperrung des Knorpels, während das perichondrale Bindegewebe über diese Lücken hinwegzieht. Sie treten viel weniger hervor als die von dünnem, faserigem Bindegewebe geschlossene Fenestra septi inter- orbitalis bei Dermochelys oder der entsprechende Spalt bei Chelonia und Chelydra (vgl. S. 115 ff), finden sich aber wie diese an Muskel- ansatzstellen. Bei dem halbausgewachsenen Kopfe von Chelydra scheinen diese Lücken im Septum interorbitale zu fehlen. In den Plana supraseptalia dagegen findet man bei den Embryonen von Dermochelys und Chelonia kleine, wahrscheinlich ziem- lich inkonstante Foramina, durch die öfter venöse Gefäße hindurch- treten. So finde ich bei meinem Chelonia-Embryo über der Fenestra optica in dem Planum supraseptale der rechten Seite zwei kleine Löcher (S. 107 Fig. G aa). Bei dem Dermochelys-Embryo B liegen ebenfalls nur rechts zwei Unterbrechungen in dem Planum supraseptale, ein größeres hinten seitlich an der Fenestra optica und ein kleineres davor und darüber (S. 110 Fig. J %) Weiter vorn finden sich bei demselben Embryo noch rechts und links je eine kleine Öffnung, mehr in der Nähe der Ansatzstelle der Plana an das Septum. Bei Dermochelys A finde ich ebenda nur links eine Öffnung für ein kleines venöses Gefäß; ein ebenfalls unpaares Loch findet sich auf der rechten Seite hinter der Fenestra optica (S. 110 Fig. K 7), zwischen ihr und der Fenestra oculomotoria, dann aber über dem Vorderende der Fenestra optica in den Plana paarige Foramina für Gefäße Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 9 130 Lupwıe Nick, S. 110 Fig. K ee‘). Letztere könnten vielleicht den größeren Foramina entsprechen, die bei der erwachsenen Dermochelys (VII) (Taf. 3 Fig. 17 ee) vor und über den Fenestrae opticae auftreten und bei diesem Exemplare wie die Fenestrae oculomotoria und trochlearis größtenteils bindegewebig geschlossen sind. In ihnen hat man mög- licherweise (s. S. 122 Anm.) Homologa der großen Fensterbildungen in den Seitenwänden des Chondrocraniums von Lacerta zu sehen, die Gaupp (1900) als Fenestrae epiopticae bezeichnet. Jedoch ist diese Deutung bei der Inkonstanz aller der eben aufgeführten Fora- mina bei Dermochelys nicht sicher. Auf eine detaillierte Aufführung der beim reifen Embryo von Chelydra in den Plana supraseptalia auftretenden Offuungen gehe ich nicht ein. Während sich hinten über der Fenestra optica beider- seits eine kleine Lücke findet (S. 113 Fig. M, N ff), ist der Knorpel der Plana davor jederseits sechs- bis siebenmal unregelmäßig unter- brochen, teilweise auch vom Rande her eingeschnitten. Bei dem halberwachsenen Exemplar von Chelydra ist diese Partie der Plana relativ kleiner, aber einheitlich. Bei der erwachsenen Dermochelys (VII) findet sich hinter der Fenestra optica in der Knorpelpartie, die sich zum Subiculum infundibuli neigt, jederseits ein ziemlich auffallendes kleines Foramen (Taf. 3 Fig. 17 gg), das wahrscheinlich ein Gefäß enthielt, aber bei keinem der beiden Embryonen anzutreffen ist. Das entsprechende Gefäß mußte also hier entweder durch den vorderen Teil der Fenestra supratrabecularis oder den unteren Teil der Fenestra optica aus- treten. Bei Chelonia und Chelydra findet sich kein Homologon dieser Öffnung. — Möglicherweise hat eine andere, erwähnenswerte Öffnung bei Dermochelys (VII) Beziehungen zur Arteria ophthalmica. Sie findet sich allerdings nur auf der rechten Seite gerade vor dem Vorderrande der Fenestra optica an der Stelle, wo hier das Planum supraseptale auf das Septum stößt (Taf. 3 Fig. 17 hh). Gaupp (1905b, p. 788) gibt für den Embryo von Cheloma be- sondere Foramina ophthalmica (für die Arteria ophthalmica) an, die ich bei meinen Chelonia-Stadien nicht antreffe. Wo bei dem Embryo von Chelonia die Arteria ophthalmica durchzieht, kann ich nach meinen Schnitten leider nicht sicher entscheiden. Regio ethmoidalis. Die eigenartig geschlossene, von Lacerta z. B. in vieler Hinsicht sehr abweichende Nasenkapsel der Schildkröten hat bis jetzt nur für Testudo, Emys und Chrysemys durch Seyveu (1896) Bearbeitung Se Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 131 erfahren. Dieser Autor hatte es aber hauptsächlich auf die Dar- stellung des Geruchsorganes selbst und seines Nebenorgans, des Jacogson’schen Organes, abgesehen; das Skelet wurde im Anschluß daran behandelt. Die Frage der Muschelbildung bei Cheloniiden wird in den Arbeiten von GEGENBAUR (1873) und SOLGER (1876) kurz besprochen. Im Anschluß an GEGENBAUR’S Angaben über die Nase von Chelonia caouana Daun. (= Caretta caretta Li. SIEBENROCK, 1909) hat ©. K. Horrmann (1890) in: Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs auch die Nase von Dermochelys nach Querschnitten kurz beschrieben, wobei er hauptsächlich auf die Epithelverhältnisse hinweist. Die knorplige Nasenkapsel wurde gar nicht beachtet, und seine Bemerkungen über das Lumen der Nase sind nicht sehr klar; auch scheinen ihm manche Ähnlichkeiten, die zwischen der Nase der Cheloniiden und der von Dermochelys bestehen, nicht aufgefailen zu sein. Dies und die engen Beziehungen, die zwischen der Gestalt der Nasenkapsel und der Form des Lumens der Nasenhöhle bestehen, lassen es wünschenswert erscheinen, daß der Darstellung der zum Chondrocranium gehörigen knorpligen Kapsel der von mir behandelten Schildkröten, meiner eigentlichen Aufgabe an dieser Stelle, eine kurze Übersicht über den Binnenraum der Nase vorausgehe. Ich will Chelydra zuerst besprechen, weil sie sich in dem Lumen der Nase am engsten an Emys, in manchem auch an Zestudo anschließt; bei diesen sind die komplizierten Verhältnisse durch Seypez (1896) sehr klar dargestellt worden. — Wie bei Æmys und Testudo läßt das Lumen der Nasenhöhle von Chelydra eine Einteilung in drei Abschnitte zu: Einführungsgang, eigentliche Nasenhöhle und Ductus nasopharyngeus.') Der Einführungsgang bei Chelydra (S. 132 Fig. O, P eg) erweitert sich nach innen gegen die Nasenhöhle zu mehr und mehr. Er unterscheidet sich von dem bei Emys und Testudo darin, daß er stark nach unten geneigt ist und nicht fast horizontal verläuft wie bei diesen. Die Erweiterung kommt hauptsächlich durch die Neigung des Bodens nach hinten unten zustande, während bei Zestudo und Emys das Dach des Einführungsganges nach hinten oben ansteigt. 1) Nach Fucus (1907) ist der Ductus nasopharyngeus der Schild- kröten als Choanengang zu bezeichnen, weil er ursprünglich ein Teil der Nasengrube und nicht der Mundhöhle ist. Ich übernehme mit SEYDEL’s übriger Nomenklatur auch die Bezeichnung Ductus nasopharyngeus in dem neutralen Sinne eines Ganges von der Nasenhöhle zur Mundhöhle, ohne daß ich damit Fucus’ Angaben bestreiten will. 9% 132 Lupwie Nick, Wie bei Æmys ist der Einführungsgang gegen die eigentliche Höhle durch einen niedrigen „Grenzwall“ (S. 132 Fig. O, P gw) (SEYDEL) abgesondert, der namentlich auf der lateralen Seite und am Dache nach hinten abgesetzt ist, indem er mit scharfer Kante in die Höhle nach hinten hineinragt. p-olf 7 N er SEEN CA dnph 2 Fig. O. Chelydra serpentina, halberwachsenes Exemplar. Sagittalschnitt durch die Nase mit den Weichteilen. Ansicht der medialen Seite. 3,6:1. d. nph Ductus nasopharyngeus; eg Einführungsgang; gw Grenzwall; le‘ Leiste (s. S. 135); m. gf mediale Grenzfalte; p. ant, p. inf Pars anterior, inferior des Jacopson’schen Organs (nach Seypez); p. olf Pars olfactoria; v. s' Querwulst im Dach der Nasenhöhle, in dem die mediale und laterale Grenzfalte zusammenlaufen. Psp Bios; Wie Fig. O; Ansicht der lateralen Seite. 3,6:1. le‘, le, le“! Leisten (s. S. 134, 135); 7. gf laterale Grenzfalte; mw Muschelwulst; p. sup Pars superior des Jacosson’schen Organs (nach SeypgL); die übrigen Bezeich- nungen s. bei Fig. O. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 133 IndereigentlichenNasenhöhle ist eine Parsolfactoria von einer darunter und davor liegenden Pars respiratoria deutlich abgesetzt. Ich übernehme hier diese Termini, die SEYDEL . für die entsprechenden Abschnitte des Nasenlumens von Emys und Testudo gebraucht (1896, p. 390), obwohl sie von Gaupp (in ECKER- WIEDERSHEIM’S Anatomie des Frosches 2. Aufl. 1904, p. 621/622) und nach ihm von ZUCKERKANDL (1908, p. 817) beanstandet wurden, denn einmal existieren für die beiden wohl abgegrenzten Teile der Nasenhöhle keine prägnanten Bezeichnungen, und dann ermöglicht die Anwendung der Terminologie SEeyper’s einen leichteren Vergleich mit seiner Arbeit, der wichtigsten und eingehendsten über das Geruchsorgan bei Schildkröten. Mit aus letzterem Grunde über- nehme ich auch die Bezeichnung „JAacogson’sches Organ“ für den ausgedehnten mit Sinnesepithel bedeckten Bezirk in der Pars respiratoria, Verhältnisse, in denen Chelydra Emys ziemlich gleicht, während Chelonia und Dermochelys abweichen. Ich will mich dieser Deutung Seyper’s damit nicht unbedingt anschließen; sie wird von Mraazcowics (1899, p. 25—30) bekämpft und auch von PETER (1901, p. 44) in Zweifel gezogen, aber wahrscheinlicher scheint es mir doch, daß Srypev’s Jacopson’sches Organ als solches aufzufassen ist — wenn es überhaupt bei Schildkröten auftritt — und nicht das Epithelrohr, das sich bei Chelydra genau wie bei Emys findet und das MrHatcowics für ein JAacogson’sches Organ hält. Dieses Rohr ist, wie schon SEYDEL angibt. jedenfalls nur der mit mehrschichtigem Epithel überzogene Ausführgang der Glandula nasalis medialis; dab er ein Jacogson’sches Organ darstelle, weist auch ZUCKERKANDL zurück (1908, p. 818). Getrennt werden die beiden Abschnitte der eigentlichen Nasen- höhle, die Partes respiratoria und olfactoria, bei Chelydra durch eine laterale und eine mediale Grenzfalte (Seyper; S. 132 Fig. O, P; Taf. 9 Fig. 53 m. gf; l.gf). Im Gegensatze zu Emys gehen die beiden Grenzfalten nicht vom Grenzwall aus, sondern be- ginnen weiter hinten und stehen durch eine Falte, die vom Dache der Nasenhöhle nach unten vorspringt, miteinander in Verbindung (Fig. O, P v.s'). Durch diese Falte wird eine Abgrenzung der Pars olfactoria von der Pars respiratoria auch von oben her an- gebahnt. Die laterale Grenzfalte zieht, außer ganz vorn, durchweg etwas weiter dorsal als die mediale Grenzfalte nach hinten unten hin gegen die innere Öffnung des Ductus nasopharyngeus (Fig. O, P d. nph), ist aber unter der Pars olfactoria nicht mehr für sich abgegrenzt, 134 Lupwie Nick, sondern bildet den unteren Rand des Muschelwulstes (Fig. P; Taf. 9 Fig. 52 mw). Ähnlich verhält sich die laterale Grenzfalte ja auch bei Testudo, der Chelydra hier auch insofern gleicht, als sie den gleichen starken Muschelwulst ausbildet, während dieser bei Emys nur geringe Prominenz hat. Dieser untere Rand des Muschel- wulstes biegt bei Chelydra über der inneren Öffnung des Ductus nasopharyngeus medialwärts um (Fig. P). Die mediale Grenz- falte (Fig. O) springt bedeutend mehr in das Lumen der Nasen- höhle vor als die laterale Grenzfalte. Nachdem sie sich anfangs stark gesenkt hat, läuft sie dann mit geringerer Neigung nach hinten zu in der Hauptsache in den Ductus nasopharyngeus flach aus; nur ein kleiner Wulst geht an der inneren Öffnung des Ductus nasopharyngeus von der Grenzfalte aus lateralwärts, um sich mit dem von der lateralen Seite kommenden Teil der lateralen Grenzfalte (bzw. des Unterrandes des Muschelwulstes), der die obere Peripherie der Öffnung bildet, zu vereinigen. Die Pars olfactoria von Chelydra, ein in sagittaler Richtung ausgedehnter Spaltraum, gleicht mehr der von Testudo als der von Emys, einmal durch den im ganzen viereckigen Umriß, hinter dessen hinterer oberer Ecke die Eintrittsstelle des Olfactorius (Taf. 3 Fig. 21 fi. on) gelegen ist, dann aber auch durch die Ausbildung eines kräftigen Muschelwulstes, der denselben Aufbau wie bei Testudo zeigt. Dagegen nähert sich die Pars respiratoria durchgängig Emys, namentlich hinsichtlich der Ausbildung des Jacos- son’schen Organs (SEYDEL), wie bereits bemerkt. Die Pars respiratoria liegt vor und unter der Pars olfactoria; in ihren Bereich fällt vorn die innere Öffnung des Einführungsganges. Hinter dem erwähnten Grenzwalle erweitert sich der vorderste Teil der Pars respiratoria wesentlich nur nach unten und auch lateral, weniger nach der medialen Seite und nach oben. An Stelle des engen Recessus, der bei Emys an der medialen Seite der Pars respiratoria zwischen dem Grenzwall und dem Anfangsteil der medialen Grenzfalte liegt (SEYDEL, p. 430, fig. 13b), treffen wir bei Chelydra zwischen dem medial kaum ausgeprägten Grenzwall und der Grenzfalte, die hier erst weiter hinten beginnt (s. S. 133), eine beträchtlichere, von vorn nach hinten ausgedehnte Einbuchtung. Wie bei Emys zieht an der lateralen Wand der Pars respiratoria eine leistenartige Erhebung. (S. 132 Fig. P le‘) von hinten nach vorn. Sie zeigt sich hinten bereits im Ductus nasopharyngeus und zieht langsam ansteigend, etwa parallel der lateralen Grenzfalte, nach vorn. Hier teilt sich die Leiste Li Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 135 (s. Emys bei SEYDEL) in einen oberen (Fig. P Ze“) und einen unteren Schenkel (Fig. P le“). Ersterer läuft nach dem Ursprung der lateralen Grenzfalte am Dache der Nasenhöhle und endet hier; entsprechend dem weiter hinten als bei Hmys liegenden Anfang der lateralen Grenzfalte zieht der obere Schenkel bei Chelydra nicht wie bei jener schräg nach vorn oben, sondern fast senkrecht, schon eher etwas nach rückwärts gerichtet, nach oben. Der untere Schenkel der lateralen Leiste geht nach unten und etwas vorwärts. biegt auf dem Boden der Nasenhöhle medianwärts um und verläuft dann nach hinten oben gegen den Ursprung der medialen Grenzfalte (Fig. O le“) und teilt so die Einbuchtung zwischen dieser und dem Grenzwall (s. S. 133). Im Gegensatz zu Emys ist auf der medialen Seite eine von der medialen Grenzfalte nach unten hinten verlaufende Leiste nicht sichtbar (parallel der Leiste an der lateralen Wand vgl. SEyDEı, fig. 14b d, —b,). Bei der Präparation der Nasenkapsel von Chelydra erscheinen die beschriebenen Leisten, ebenso auch die Grenzfalten sowie der Muschelwulst und der größte Teil der medialen Wand der Pars ol- factoria auffallend hell weiblich gefärbt, während die übrigen, tiefer liegenden Bezirke sich in einem schwärzlichen Farbton repräsen- tieren. Diese Differenz in der Färbung beruht keineswegs auf Differenzen im Epithel, sondern hat eine andere Ursache, wie Quer- schnitte lehren. In dem an die Knorpelkapsel innen anschließenden Gewebe findet sich außer in der hinteren Pars olfactoria reichlich schwarzes Pigment. Dieses schimmert durch die der Kapsel dicht anliegenden Epithelbezirke durch, während die Leisten und Grenz- falten durch Bindegewebe usw. von den Knorpelwänden und dem ihnen anlagernden Pigment getrennt sind, so dab letzteres durch diese dickeren Gewebslagen nicht erblickt werden kann. Durch die Hervorwölbungen der Wände der Pars respiratoria zerfällt diese, wie bei Æmys, in mehrere Abschnitte, nach Seyne zugleich Abschnitte des Jacogson’schen Organs. Eine Pars anterior unterscheidet sich bei Chelydra von demselben Teile bei Zmys nur durch den etwas anderen Umriß, bedingt durch den Verlauf der vorderen Schenkel der Leiste an der lateralen Wand. Die Pars anterior (Fig. O, P p. ant) ist danach namentlich auf der medialen Seite von vorn nach hinten ausgedehnt, lateral und unten aber enger und auch tiefer eingebuchtet. Ihre Grenzen sind in der Hauptsache durch den Grenzwall und die Schenkel der lateralen Leiste gegeben. Eine Pars superior (Fig. P p. sup), zwischen der Grenzfalte oben 136 Lupwie Nick, und der Längsleiste in der Pars respiratoria unten, ist bei Chelydra nur auf der lateralen Seite abgegrenzt, da die bei Emys unter der medialen Grenzfalte vorhandene Leiste (s. S. 135) fehlt. Weil die ganze mediale Partie unter der medialen Grenzfalte sehr niedrig ist, kann man sie bequem zur Pars inferior (Fig. O, P p. inf) rechnen, die im übrigen bei Chelydra ebenso wie bei Emys zu be- grenzen wäre. — Auf der anderen Seite gleicht Chelydra Testudo wieder mehr darin, daß der hintere Teil der Pars respiratoria stark zur Seite abgebogen ist und daß die mediale Grenzfalte hier lateral- wärts bis senkrecht unter die laterale Grenzfalte reicht (d. h. unter deren hintere Fortsetzung, den unteren Rand des Muschelwulstes), ja auch noch weiter lateralwärts vorspringt. Die Oberseite der medialen Grenzfalte zeigt an dieser Stelle Faltenbildungen und ebenso in noch höherem Maße die darüber liegende, direkt nach unten sehende Seite der lateralen Grenzfalte, der untere Teil des Muschelwulstes. Über den Ductus nasopharyngeus von Chelydra (S. 132 Fig. O, P d. nph) habe ich nichts wesentliches zu bemerken. Er ist gegen die eigentliche Pars respiratoria nicht merklich abgesetzt und weist an seiner lateralen Wand einen verhältnismäßig großen, flachen, blind endenden Recessus auf (Taf. 9 Fig. 52 rec. d. n), wie auch bei Emys und Testudo. Mixazxowics (1899), der diesen Recessus als Kieferhöhle, Sinus maxillaris, bezeichnet, gibt (p. 27) an, er erstrecke sich bei Emys caudalwärts. SEYDEL fand ihn bei Emys und Testudo sowie bei „anderen Formen“ (1896, p. 398) nach vorn gerichtet, und ebenso ist er auch bei Chelydra ausgebildet. Das das Nasenlumen auskleidende Epithel ist im Einführungs- gange ein mehrschichtiges Plattenepithel, das allmählich in das hohe Sinnesepithel der Pars respiratoria und Pars olfactoria übergeht; es kleidet die eigentliche Nasenhöhle ziemlich einheitlich aus. Ein indifferentes Epithel, wie es sich nach SEYDEL namentlich auf den Grenzfalten und Leistenbildungen bei Emys findet, kann ich an meinen allerdings sehr dicken, aber histologisch ganz vortrefflich erhaltenen Schnitten bei Chelydra nicht unterscheiden. Der Ductus nasopharyngeus ist mit niedrigem Cylinderepithel belegt, in das das Sinnesepithel der Nase übergeht. Besonders ausgezeichnet ist das Epithel der Pars olfactoria dadurch, daß sich in ihm bei Chelydra Bowman’sche Drüsen (Taf. 9 Fig. 52, 53 b. dr) in großer Anzahl finden, während sie sonst in der Nasenhöhle fehlen, genau wie bei Emys und Testudo, Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 137 Eine Glandula nasalis externa ist bei Chelydra ähnlich wie bei Testudo ausgebildet. Der ziemlich weite Ausführungsgang dieser Drüse mündet in den erweiterten Teil des Einführungsganges der Nasenhöhle. Die Drüse selbst liegt ganz außerhalb der Nasen- kapsel, die ihr Ausführungsgang durchsetzt. Ihr größerer vorderer Teil befindet sich über der Knorpelbekleidung des Einführungs- ganzes der Nasenhöhle, unter dem Praefrontale, und reicht bis etwa zur vorderen Grenze dieses Knochens nach vorn. Der hintere Teil der Drüse lagert in einem engen Gange, der dadurch zustande kommt, daß die an Praefrontale und Maxillare anliegende Seiten- wand der Knorpelkapsel etwas über dem Niveau der lateralen Grenzfalte nach innen eingebuchtet ist. Diese Einbuchtung er- weitert sich hinten in die Höhlung des knorpligen Muschelwulstes, die ganz durch den hintersten Teil der Glandula nasalis externa (Taf. 9 Fig. 52 gl. e) ausgefüllt ist (s. a. Testudo bei SEYDEL). Eine Glandula nasalis medialis mündet auf der medialen Seite der Nasenhöhle in die obere Pars anterior. Der lange Aus- führungsgang — das Jacosson’sche Organ nach MıHALKOwIcs — ist mit mehrschichtigem Epithel bekleidet; vereinzelte Acini liegen ihm an und münden in ihn ein. Der Gang verläuft am Septum her unter einer allmählich stärker werdenden Knorpelleiste, die die mediale Grenzfalte stützt, zuletzt stark nach hinten umbiegt und so fast senkrecht steht. Der Drüsengang durchsetzt diesen Teil der Knorpel- leiste (Taf. 9 Fig. 52 gl.m); er nimmt hier eine Anzahl Drüsen- schläuche auf, die einen eigentlichen kleinen Drüsenkörper bilden und die hinter dem bezeichneten Foramen und über dem Foramen praepalatinum (s. S. 150) gelegen sind. Über den Binnenraum der Nase von Cheloniiden besitzen wir die erwähnte Beschreibung von GEGENBAUR (1873) für Caretta caretta L., die durch zwei Abbildungen gut erläutert wird. Nach SOLGER (1876) schließt sich Chelonia midas eng an diese Form an. Die Nase bei Chelonia weicht von der bei Chelydra und auch bei Emys und Testudo (sowie bei Trionyx nach Horrmany, 1890) ziemlich stark ab, sowohl in der Lage der großen Abschnitte wie im einzelnen. Der Einführungsgang zeigt in seinem hinteren Teile keine wesentliche Erweiterung, sondern behält während seines ganzen Verlaufs etwa dasselbe Volumen bei. Er mündet plötzlich, ohne dab ein ausgeprägter Grenzwall auftritt, in einem nach oben und unten ausgedehnten Raum. Dieser bildet den Hauptteil der Pars respiratoria der eigentlichen Nasenhöhle von Chelonia, die sich hier 138 Lupwic Nick, ebensowohl von einer Pars olfactoria scheiden läßt wie bei Chelydra, jedoch ist die gegenseitige Lagerung beider Teile bei den zwei Formen ziemlich verschieden. Bei Chelonia liegt nämlich die Pars respiratoria fast nur vor der Pars olfactoria; diese, die „innere Riechgrube“ GEGENBAURsS, Öffnet sich nach unten in den Ductus nasopharyngeus. Pars respiratoria und Pars olfactoria sind weiter bei Chelonia durch eine vertikale Querwand völlig voneinander ge- schieden. Die Pars respiratoria von Chelonia erweitert sich in ihrem vordersten Teile, in den der Einführungsgang (Taf. 9 Fig. 51 eg) mündet, nach oben hinten und unten vorn und bildet so die „obere“ und „untere Tasche“ GEGENBAURS. Ich will sie bestimmter als Recessus inferior (Taf. 9 Fig. 49—51 rec. 7) und superior (Taf. 9 Fig. 50 rec. s) bezeichnen, eine Benennung, die anscheinend, nach den Buchstabenzeichen in seinen Figuren, auch GEGENBAUR vor- geschwebt hat. Während diese beiden mit hohem Cylinderepithel ausgekleideten Recessus lateral gegen einen in der Verbindungslinie des Einführungsganges und des Ductus nasopharyngeus liegenden, durch sein Plattenepithel gekennzeichneten Bezirk durch gleich zu besprechende Faltenbildungen abgegrenzt sind, fließen sie auf der medialen Seite, am Septum, zusammen. Von hier aus geht am Sep- tum her nach hinten ein ebenfalls mit Cylinderepithel austapezierter dritter, hauptsächlich senkrecht ausgedehnter Raum, Recessus medialis, der lateral durch eine parallel dem Septum verlaufende, zwischen Nasenhöhlenboden und Dach sich erhebende Bindegewebsmembran (Taf. 9 Fig. 50 dm) gegen den Recessus superior, den Ductus naso- pharyngeus und hinten auch gegen die Pars olfactoria abgesperrt ist; vor letzterer wendet sich diese Falte (die laterale, mit Cylinder- epithel bekleidete Wand des Recessus medialis) medialwärts zum Septum, wodurch der Recessus medialis nach hinten verschlossen ist. Der Recessus superior liegt in einer leichten Einbuchtung der Knorpelwandung (Taf. 3 Fig. 19, 20; Taf. 12 Fig. 69, 70 rec. s. k), die hinter ihm eine Leiste medialwärts schickt, zwischen ihn und die Pars olfactoria. Diese Leiste (Taf. 3 Fig. 19, 20; Taf. 12 Fig. 69, 70 v. s. k) wird durch Bindegewebe zu der vollständigen Scheide- wand (Taf. 9 Fig. 49 v. s, eben noch angeschnitten) ergänzt, die zwischen der lateralen Wand der Nasenhöhle und der den Recessus medialis lateral abschließenden Gewebsfalte ausgespannt ist und Recessus superior und Pars olfactoria trennt. Unten ist diese Scheidewand durch den Ductus nasopharyngeus eingeschnitten; sie Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 139 geht zugleich nach hinten in die horizontale Querleiste (Taf. 9 Fig. 49 J. gf) ein, die den Ductus nasopharyngeus in seiner hinteren Hälfte lateral von der inneren Riechhöhle trennt. In dieser Querleiste von Chelonia haben wir jedenfalls ein Homo- logon der lateralen Grenzfalte von Chelydra, Emys und Testudo zu sehen. Sie trennt bei Cheloma die Pars olfactoria von dem vorderen Teil des Ductus nasopharyngeus, der sich wohl dem hinteren unteren Teile der Pars respiratoria der Nasenhöhle von Chelydra gleichsetzen läßt, aber wegen seiner röhrenförmigen Ausgestaltung und seiner Bekleidung mit Plattenepithel eher zum Ductus naso- pharyngeus gerechnet werden kann, mit dem ihn übrigens auch GEGENRAUR vereinigt. Wie bei Chelydra der hintere Teil der late- ralen Grenzfalte, der untere Rand des Muschelwulstes, durch den Knorpel dieses gestützt wird, so legt sich hier in die laterale Grenz- falte eine Knorpelleiste, auf die wir noch näher zu sprechen kommen werden. — Eine mediale Grenzfalte unter der Pars olfactoria ist nur sehr schwach angedeutet. Der Ursprung beider Falten aus der vertikalen Scheidewand erklärt uns das Zustandekommen dieser selbst. Bei Chelydra sahen wir bereits, daß die beiden Grenzfalten, die z. B. bei Hmys in der oberen Peripherie der Mündung des Ein- führungsganges beginnen, erst weiter hinten ansetzen und im Dache des Nasenlumens miteinander in Verbindung stehen. Denken wir uns dieses bei Chelydra niedrige Verbindungsstück beider Falten nach unten ausgewachsen, so haben wir die Scheidewand von Che- lonia, von deren unterem Rande beide Grenzfalten entspringen. Eine Abgrenzung des mit Cylinderepithel bekleideten Recessus superior bei Chelonia gegen den darunterliegenden Plattenepithel- bezirk (s. S. 138) in der Pars respiratoria ist an der lateralen Wand bemerkbar in Gestalt einer „lateral entspringenden queren Falte, in welche auch der Ethmoidalknorpel eingeht“ (GEGENBAUR, 1873, p. 3). Letzteres bezieht sich auf das untere Ende der vertikalen Knorpel- leiste zwischen Riechhöhle und Recessus superior an der lateralen Wand, das nach vorn umgebogen ist und horizontal verläuft und so eine Stütze für die größere häutige Falte bildet. Der Recessus inferior (Taf. 9 Fig. 51 rec.i) ist in den unteren Teil der vorderen Nasenkapsel hineingebohrt. Der hintere Teil des Recessus ist nach oben auf der lateralen Seitenwand durch eine fast horizontale Leiste abgegrenzt, die aber nur häutig ausgebildet ist (Ss. GEGENBAUR, 1873). Medialwärts ist der Recessus inferior in das knorpelige Septum nasi eingebuchtet, wo hier ein interseptales Fenster auftritt (Taf.3 Fig. 19; 140 Lupwie Nick, Taf. 12 Fig. 70 fe.s.n); es ist häutig geschlossen. In diesem Bezirke, wo der ganze Vorraum vor der Pars olfactoria seinen größten Ver- tikaldurchmesser erreicht, erhebt sich von unten und medialwärts her die häutige Falte (Taf. 9 Fig. 50 bm), die im ganzen parallel mit dem Septum nach hinten zu geht und zwischen sich nnd diesem einen hohen, schmalen, mit Cylinderepithel ausgekleideten Raum, den Re- cessus medialis, einschließt. Diese sagittal gestellte Membran trifft, caudalwärts ziehend, wie schon gesagt, auf die senkrechte quere Falte, die Pars olfactoria und Recessus superior trennt (Taf 9 Fig. 49 vs), und erreicht in dieser Gegend erst das Dach der Nasen- kapsel. Vorher kommuniziert über dieser Scheidewand, wo sie mit dem vorderen Teile der horizontalen Querwand zwischen dem Duetus nasopharyngeus und der Riechhöhle in Verbindung steht, der Re- cessus medialis mit dem Recessus superior, so daß die Lumina dieser beiden (im Querschnitte Taf. 9 Fig. 50) im rechten Winkel inein- ander übergehen. Dann werden beide durch die höher werdende senkrechte Falte getrennt. Der Recessus superior endet hier vor der Pars olfactoria blind und etwas weiter hinten, medial von dem vorderen Teile der Pars olfactoria (Taf. 9 Fig. 49 links) der Recessus medialis. In der Pars respiratoria von Chelonia ist das Sinnesepithel im wesentlichen auf die Recessus beschränkt. An der medialen Wand gehen die Sinnesepithelien des Recessus inferior, superior und medialıs ineinander über (Taf. 9 Fig. 50, 51). Außerdem findet sich solches Epithel auch im Boden der Pars respiratoria, als hintere Fortsetzung des Sinnesepithels im Boden des Recessus inferior (Taf. 9 Fig. 49). Es liegt mehr auf der medialen Seite und reicht auch etwas in den vordersten Teil des Ductus nasopharyngeus unter der Pars olfactoria. Deshalb braucht man aber die Bezeichnung Ductus nasopharyngeus für diesen Teil nicht zu verwerfen; denn bei Chelydra erstreckt sich Sinnesepithel bis tief in den typischen Ductus naso- pharyngeus hinein. Dieser Sinnesepithelbezirk bei Chelonia ist auf den Seiten durch niedrige Falten gegen das Plattenepithel der sagittalen Membran und der lateralen Wand abgegrenzt, ebenso wie das des Recessus superior auf der lateralen Wand nach unten zu be- grenzt ist. Falls bei Chelonia ein Jaconson’sches Organ vorhanden ist, so muf man es wohl in diesen Sinnesepithelbezirken, die hauptsächlich auf der medialen Seite der Nasenhöhle ausgebildet sind, suchen; ent- weder gehören dann, wenn man die Ausdehnung dieses Organs (nach Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 141 SEYDEL) bei Testudo, Emys und Chelydra bedenkt, alle diese Bezirke zum Jacogson’schen Organe !), oder es liegt ein solches Organ vielleicht nur in dem Recessus medialis vor, wegen seiner Lage und wegen seiner Gestalt; er zeigt Beziehungen zur Pars (Cartilago) para- septalis (s. S. 147, Anm.), aus der nach SeypEeL (1896, p. 460—465) der Jacospson’sche Knorpel der Säuger entsteht. Unter der vertikalen Querwand, die Pars olfactoria und Recessus superior trennt, beginnt der Ductus nasopharyngeus, der sich von hier aus langsam zur Mundhöhle neigt und durch die bei Cheloni- iden weit rückwärts gelegenen inneren Nasenöffnungen in sie ein- mündet. Der blind endende Recessus, den Chelydra und andere Formen (vgl. S. 136) hier aufweisen, fehlt bei Chelonia völlige. In den Ductus nasopharyngeus mündet von oben durch eine ziemlich weite Öffnung die „innere Riechgrube“ GeGENBAUR'S, die Pars olfactoria (Taf. 9 Fig. 47—49 p. olf); sie ist von hohem Riechepithel ausgekleidet, in dem, wie auch charakteristisch für die Pars olfactoria von Chelydra, Emys und Testudo zahlreiche Bowman’sche Drüsen auftreten. Begrenzt wird die Pars olfactoria nach vorn durch die schon mehrfach genannte vertikale Querwand (Taf. 9 Fig. 49 vs), nach außen durch die Paries nasi, nach innen durch das Septum und weiter vorn durch die sich davon abhebende laterale Wand des Recessus medialis, nach hinten durch die Vertikalplatten der Praefrontalia und das Planum antorbitale, nach oben durch das Tectum nasi und nach unten durch eine horizontale Querwand, die aber auf große Erstreckung hin durch die Kommunikation mit dem Duetus nasopharyngeus unterbrochen ist. Letztere Querwand wird in der Hauptsache durch die laterale Grenzfalte gebildet, die unter dem hintersten Teile der Pars olfactoria die schwach ausgeprägte mediale Grenzfalte erreicht. Die Knorpel- leiste der lateralen Grenzfalte verschmilzt dabei mit der Cartilago paraseptalis (s. S. 147, Anm.), so daß der hinterste Teil des Ductus nasopharyngeus von Chelonia ein einheitliches knorpliges Dach (Taf. 9 Fig. 47 h. k) hat. Ein dem Muschelwulst von Chelydra analoges Gebilde fehlt in der Pars olfactoria von Chelonia; die laterale, von Knorpel gestützte Grenzfalte schließt die Pars olfactoria unten seitlich ab, ist aber 1) Dies meint wohl auch SEYDEL (1899, p. 499) mit seiner Be- merkung: „Bei Thalassiten bildet das JacoBson’sche Organ einen nach oben und unten entfalteten Recessus der Nasenhöhle, welcher nach vorn und unten von der Pars olfactoria liegt und von letzterer durch einen stark entwickelten faltenartigen Vorsprung der Wand abgegrenzt wird.“ 142 Lupwie Nick, auch auf ihrer dem Lumen der Pars olfactoria zugekehrten Seite nicht von Riechschleimhaut bedeckt. Was die großen Nasendrüsen anlangt, so fehlt bei Chelonia die Glandula nasalis externa vollständig, wie schon Horrmann (1890, p. 222 „obere Nasendrüse“) bemerkt. Wenn er dagegen von ‘einer stark entwickelten „unteren Nasendriise“ (= Glandula nasalis medialis) spricht und sie abbildet, so dürfte das auf einem Irrtum beruhen. Ich finde bei Chelonia midas an den in Frage kommenden Stellen, namentlich in der Nische (Taf. 9 Fig. 48, 49 ni) zwischen Septum und Pars (Cartilago) paraseptalis (s. S. 147, Anm.), der Gegend, wo bei Chelydra und anderen die Glandula nasalis externa liegt, neben Olfactoriusästen nur sehr zahlreiche Gefäße mit Blutkörperchen im Querschnitte, augenscheinlich ein cavernöses Gewebe, das an Stelle der Drüse getreten ist. Andeutungen von cavernösem Gewebe sind überhaupt in der Wandung der Chelonia-Nase ziemlich verbreitet, so in der Nachbarschaft des vorderen Teils der lateralen Grenzfalte und der Falte, die den Recessus superior nach unten abgrenzt; es ist vielleicht nicht ohne Interesse, daß sich bei Kaninchen, Meer- schweinchen und Mäusen in der Nachbarschaft des Jacopson’schen Organs Schwellgewebe findet (vgl. Mixazxowics, 1899, p. 72—73). Betrachtet man nun den Binnenraum der Nase von Dermochelys, so zeigen sich zwar Modifikationen gegenüber Chelonia, aber man findet denselben Grundplan wieder. Erstere sind durch den Verlauf des Einführungsganges und des Ductus nasopharyngeus bedingt. Eine durch die Mitte der Apertura narium externa und der inneren Nasenöffnung gelegte Achse steht bei Dermochelys viel steiler als bei Chelonia (vel. Taf. 3 Fig. 18, 20). Und aus der Verlagerung der inneren Nasenöffnungen bei Dermochelys aus einem ursprünglich Chelonia-artigen Zustande, worauf auch der knöcherne Gaumen hinweist (vgl. S. 63ff.) läßt sich das Verhalten des Lumens der Nase von Dermochelys verstehen und auf die Verhältnisse von Chelonia zurückführen. Die Ausdehnung der Nasenkapsel von vorn nach hinten ist gegenüber Chelonia stark be- schränkt, wie sie denn überhaupt im Vergleich mit anderen Reptilien, auch mit Sphenodon, ungewöhnlich kurz ist. Der Einführungsgang ist sehr kurz und öffnet sich wie bei Chelonia in die Pars respira- toria. Der Recessus inferior der letzteren ist infolge des steilen Abfallens des Bodens der Pars respiratoria in der Linie Apertura narium externa — innere Nasenöffnung, wodurch einem Recessus nach unten der Platz genommen wird, fast ganz in Wegfall ge- Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 143 kommen. Nur auf der medialen Seite, am Septum, findet sich noch eine, auch im Knorpel ausgeprägte Ausbuchtung (Taf. 9 Fig. 46 rec. 7'; vgl. auch Taf. 3 Fig. 17 rec. à. k‘), da, wo bei Chelonia der Recessus nach unten vorn geht, und wie bei Chelonia liegt hier beim Embryo, an der Stelle der stärksten medialen Ausdehnung des Recessus inferior ein Fenster im knorpligen Septum nasi (Taf. 11 Fig. 64 fe. s. n). Die Ausbuchtung ist mit Cylinderepithel bekleidet, das in den gleichen Belag des Recessus medialis übergeht. Die sagittal gestellte Scheide- wand, die diesen nach der lateralen Seite wie bei Chelonia abgrenzt, geht hinten von dem Unterrande der Ausbuchtung, die den Rest des Recessus inferior darstellt, aufwärts. Das fast völlige Fehlen des Recessus inferior von Dermochelys gegenüber Chelonia bemerkt auch C. K. Horrmann (1890, p. 225), indem er angibt, er fände im vorderen Umfange der Nasenhöhle bei Dermochelys auf Querschnitten nur „einen Kanal“, während Chelonia deren „zwei“ (vgl. Taf. 9 Fig. 51, rechte Seite) aufweise. Der Recessus superior von Dermochelys (Taf. 9 Fig. 45, 46 rec. s) ist nach unten auf der lateralen Seite durch eine Falte abgegrenzt, die aber im Gegensatze zu Chelonia der knorpligen Stütze entbehrt (Taf. 9 Fig. 45 links, Fig. 46 rechts). Das Cylinderepithel des Re- cessus superior geht in das des Recessus medialis über (Taf. 9 Fig. 45). Pars respiratoria und Pars olfactoria von Dermochelys sind wie bei Chelonia in dem größeren lateral vom Recessus medialis gelegenen Teile durch eine quere vertikale Scheidewand getrennt, von der eine knorplig gestützte laterale Grenzfalte und eine schwächer aus- geprägte mediale Grenzfalte nach hinten gehen (Taf. 9 Fig. 44 m. gf; l. gf). Die laterale Grenzfalte biegt hinten zur medialen herüber, jedoch ist darunter ein vollständiges Dach über dem Ductus naso- pharyngeus, ein Boden für den hinteren Teil der Pars olfactoria hier kaum vorhanden, was wohl durch den kurzen Ductus naso- pharyngeus bedingt ist. Die Knorpelleiste, die die laterale Grenz- falte stützt, strebt auch medialwärts, aber eine Verbindung mit der Cartilago paraseptalis, die ein Knorpeldach für den Ductus naso- pharyngeus bedeuten würde, kommt nicht, höchstens im Planum antor- bitale selbst, wenn man so will, zustande. Die Pars olfactoria von Dermochelys steht durch den länglichen Spalt zwischen den beiden Grenzfalten mit dem Ductus naso- pharyngeus in Verbindung. Infolge seiner Kürze und Steilheit ge- langt man aber, wenn man von der inneren Nasenöffning aus senk- 144 Lupwie Nick, recht in die Höhe geht, direkt in die Pars olfactoria (vgl. auch Taf.3 Fig. 18), während bei Cheloniiden der Ductus nasopharyngeus weiter hinten, von der Pars olfactoria gänzlich getrennt, in die Mundhöhle mündet. — Dermochelys hat ebensowenig wie Chelonia einen Muschelwulst in der Pars olfactoria; die charakteristischen Bowmax'schen Drüsen sind wie bei dieser in großer Anzahl vor- handen. Eigenartig ist bei Dermochelys das Epithel, das die nicht von Cylinderepithel überzogenen Teile der Pars respiratoria und einen grosen Teil des Ductus nasopharyngeus bekleidet. Es wurde be- reits von Horrmann (1890) beschrieben und als „Cylinderpflaster- epithel“ bezeichnet. Uber einem typischen, mehrschichtigen Pflaster- epithel, dessen oberste Lagen fast cuticularen Charakter haben, findet sich noch eine Lage niederen Cylinderepithels. Ich finde aber dieses Epithel bei dem reifen Embryo A nicht in der Ausdehnung, wie es Horrmann angibt (Taf. 9 Fig. 44, 45 cpe), bei Embryo B fast gar nicht; hier schließt das Epithel mit einer cuticularen Schicht ab. Vielleicht ist das Cylinderepithel hier eine Schicht, die nach dem Ausschlüpfen des Embryos allmählich abgestoßen wird. Sowohl die Glandula nasalis externa wie medialis fehlen wie bei Chelonia auch bei Dermochelys (HOFFMANN, 1890 p. 226). Cavernöses (Gewebe ist beim reifen Embryo von Dermochelys etwa in dem Um- fange und in der Lagerung von Chelonia im gleichen Stadium vor- handen, Eigenartig verhält sich die Nasenhöhle der erwachsenen Dermo- chelys. Der ganze Recessus superior und die mediale Nische im Septum, die von einem Recessus inferior allein geblieben ist, sowie überhaupt die ganze Umgebung des Einführungsganges und des Ductus nasopharyngeus sind entgegen dem Verhalten der jungen Tiere mit typisch cavernösem Gewebe !) ausgefüllt, das nur ein enges Lumen für Einführungsgang und Ductus nasopharyngeus freiläßt und die außerordentlich engen inneren Nasenöffnungen und Aperturae narium externae des Kopfes erklärt, die im Verhältnis zu den großen Öffnungen des Schädels recht auffällig sind, namentlich was die inneren Nasenöffnungen anlangt (Taf. 7 Fig. 36 i. na).?) Der Recessus 1) Ein Rest dieses Gewebes ist in Fig. 17 auf Taf. 3 bei ce. g an- gedeutet; überall sonst mußte es bei VII wegpräpariert werden. 2) Es ist dabei zu berücksichtigen, daß hier nur die Befunde am Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 145 medialis und die Pars olfactoria sind als Hohlräume erhalten, aber ihre Kommunikationen mit den respiratorischen Teilen sind bei Er- wachsenen (VII) durch das cavernöse Gewebe so eingeengt, daß sie sich mit Sicherheit nicht feststellen ließen. Das cavernöse Gewebe in der Nase von Dermochelys bildet jedenfalls einen Verschluß für den olfactorischen Apparat, um ein Eindringen von Wasser beim Tauchen zu verhüten. Dasselbe ist anscheinend bei Chelonia da- durch erreicht, daß diese Räume ganz von einer Secretmasse aus- gefüllt werden, denn darauf weisen die bröckligen Massen hin, die beim konservierten Kopfe von Chelonia diese Räume fast ganz ausfüllen (vgl. a. C. K. Horrmann, 1890, p. 223—224); eine Vermehrung des beim jungen Tiere vorhandenen cavernösen Gewebes findet augenscheinlich bei Chelonia nicht statt. Die knorplige Nasenkapsel liegt bei Dermochelys, Chelonia und Chelydra in einem auch am knöchernen Schädel gut umgrenzten Raume; nach hinten wird durch die Vertikalplatten der Praefontalia ein Verschluß erreicht, nach oben bei Chelonia und Chelydra durch die Praefontalia und hauptsächlich durch die Frontalia bei Dermo- chelys; nach den Seiten durch die Praefrontalia und Processus prae- frontales der Maxillaria, nach unten durch die Intermaxillaria, die Maxillaria und den Vomer. Nach vorn öffnet sich am knöchernen Schädel die große Apertura narium externa. Die Knorpelkapsel unserer drei Schildkrötenarten gibt im ganzen etwa diesen Hohlraum im knöchernen Schädel als Ausguß wieder; in der ganzen Form ist sie gegenüber der Nasenkapsel von Lacerta viel gedrungener und vor allem geschlossener, wie dies ja auch Emys und Testudo zeigen (SEYDEL, 1896). Der Hohlraum der Kapsel wird durch das Septum nasi in zwei symmetrische Hälften geteilt. Beim Embryo von Chelonia erhebt sich das Septum nasi (Taf. 9 Fig. 47—51; Taf. 12 Fig. 70, 71 se. n) etwa in der Gegend der Vertikalplatten (über den Übergang der Orbitalregion in die Ethmoidalregion vgl. S. 127 ff.) zum Tectum nasi und verschmilzt mit seinem etwas verdickten Oberrande (Taf. 9 Fig. 47) kontinuier- lich mit diesem (Taf. 12 Fig. 72). Nach vorn zu liegt diese Ver- bindungslinie mit dem Tectum (fe. n der Figuren) etwas tiefer als toten, konservierten Tiere wiedergegeben werden. Möglicherweise gestattet das schwellbare cavernöse Gewebe dem lebenden Tiere, die Nares und die inneren Nasenöffnungen nach Belieben zu erweitern oder zu verengen. Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 10 146 Lupwie Nick, die lateralen Partien des Daches, indem sie sich zur Mediane etwas senken (Taf. 12 Fig. 73). Diese Einsenkung wird mit dem Niedriger- werden der Nasenkapsel nach vorn immer tiefer und trennt schließ- lich den oberen Teil der knorpligen Nasenkapsel im Bereiche des Einführungsganges in zwei Hälften (Taf. 12 Fig. 71, 72); an diese legen sich hier Knorpelstreifen an, die aus dem Tectum und der Paries nasi (pa. n der Figuren) hervorgehen (Taf. 12 Fig. 68, 72). Das Septum nasi hat natürlich dazwischen aufgehört (Taf. 12 Fig. 70, 71, 72). Wohl aber findet es sich in dem ventralen Teile des Vorder- endes der Nasenkapsel, das den Recessus inferior beherbergt, und ragt hier nach vorn und stärker noch nach unten als wulstige Verdickung über die Kapsel nach außen heraus (Taf. 9 Fig. 47—50; Taf. 12 Fig. 68, 70, 71 prnk). PARKER (1880) hat diese vorspringenden Partien des Septums bei Chelonia als „prenasal cartilage“ bezeichnet. Während das Septum in diesem „Pränasalknorpel“ über das Solum nasi nach unten hinausragt, reichen weiter hinten die lateralen Teile des Nasenbodens ‚zusehends tiefer, gegen das Dach der Mundhöhle hin, abwärts und steigen mit ihren medialen Partien zum Unterrande des Septums auf (Taf. 9 Fig. 47—50; Taf. 12 Fig. 69, 71), ein Zu- stand, wie man ihn auch bei Emys und Testudo findet (SEYDEL 1896). Während aber das Septum oben mit dem Tectum nasi in stetem Zusammenhang bleibt, ist dies unten am Solum nasi (so. » der Figuren) nicht der Fall. Schon im Bereiche des knorpligen Bodens des Recessus inferior der Pars respiratoria, noch neben dem Pränasal- knorpel, wird das Solum durch einen Spalt vom Septum getrennt (Taf. 9 Fig. 50, 51; Taf. 12 Fig. 71 sp. so). Der Unterrand des Septums erscheint wulstig verdickt. Etwa in der Mitte des ganzen Bodens der Nasenkapsel erreicht der mediale Rand des Solums den unteren Septalrand wieder, um sich gleich dahinter nochmals und weiter als in dem vorderen Spalt, aber nur auf kurze Erstreckung vom Septum zu entfernen. So entsteht eine Öffnung, das Foramen praepalatinum (SEYDEL), durch das ein Teil des Ramus medialis vom Nasenaste des Trigeminus sowie eine Arterie austreten (Taf. 9 Fig. 49; Taf. 12 Fig. 69, 70, 71 f. prp). Der Nerv schickt einen schwachen Ast nach hinten außen unter dem Solum her, der beim Embryo das Intermaxillare durchsetzt (vgl. S. 61 Anm.); ein stärkerer Ast des Nerven und die Arterie gehen nach vorn in der Rinne (Taf. 9 Fig. 50, 51), die durch den bindegewebig geschlossenen vorderen Spalt zwischen Solum und Septum gebildet wird, und teilen sich darin vorn auf. Der untere Rand des Septums erweitert. sich Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 147 hinter dem Foramen praepalatinum, wo die medialen Teile des Solums zu ihm aufsteigen, breit plattig, erreicht diese wieder und verschmilzt auf kurze Erstreckung mit ihnen (Taf. 9 Fig. 42; Taf. 12 Fig. 71 dd). Dann folgt wieder eine Trennung zwischen Septum und Solum, aber nur durch Grenznaht (Taf. 9 Fig. 47; Taf. 12 Fig. 71 sp. se), beide Knorpel bleiben dicht aneinander liegen. Dieses Ver- hältnis besteht bis hinten zum Planum antorbitale (pl. ao der Figuren; s. S. 16477), in das der mediale Teil des Solum nasi hinten über- geht (Taf. 12 Fig. 70, 71), und auch das Planum stößt in derselben Weise an das Septum. Ein eigentlicher Spalt, wie er den medialen Teil des Solums, die Cartilago paraseptalis bei Lacerta und in ge- ringerem Maße auch die Pars (Cartilago) paraseptalis bei Æmys (SrypEL 1896, Fig. 20e) vom Septum abtrennt, fehlt bei Cheloma. Dagegen besteht nach SeypEL bei Testudo (1896 p. 457) eine kon- tinuierliche Verbindung zwischen Solum und Unterrand des Septums. 1, en will bereits an dieser Stelle ein paar Zeilen über die Cartilago paraseptalis sagen, da ich den Begriff im Folgenden haufig he (vgl. auch S. 151 ff). Da Terminus Cartilago paraseptalis ist von SPURGAT (1895, p. 560) für Säuger zuerst gebraucht worden. Bei den Reptilien wendet ihn SEYDEL (1896, p. 460) für Mmys und Testudo an, GAUPP (1900, p. 486, 569) für Lacerta und SCHAUINSLAND (als „Paraseptal- knorpel*) für Sphenodon. Bei Lacerta und Sphenodon bildet die Carti- lago paraseptalis eine schmale, neben dem unteren Septalrand liegende Spange, die von dem übrigen Boden der Nasenkapsel durch einen breiten Ausschnitt, den Choanenausschnitt, getrennt wird. Etwas anders liegt die Sache bei Hmys und Testudo, wo die Scheidung der Cartilago para- septalis von den lateralen Teilen des Bodens, der Cartilago ectochoanalis (Gaupp 1900, p. 486), nur durch einen schwachen Ausschnitt geschieht und die erstere mehr als der mediale Teil des Bodens denn als eine fast selb- ständige ,Cartilago“ wie etwa die Cartilago sphenoethmoidalis erscheint. Ahnliche Verhältnisse weisen auch Chelydra, Chelonia und Dermochelys auf (abgesehen davon, daß beim reifen Embryo der letzteren ein großer, aber schmaler Choanenausschnitt auftritt). Ich möchte deshalb bei diesen Schildkröten (wie auch bei Himys und Testudo) die mediale Partie des Solum nasi, die am Septum in die Höhe gebogen und von ihm ge- trennt ist (oder einst getrennt war, vgl. das Solum von Dermochelys und Ohelonia) lieber als Pars paraseptalis (p. pse der Figuren) bezeichnen und die der Cartilago ectochoanalis (GAUPP) bei Schildkröten entsprechende Knorpelpartie als Pars ectochoanalis (p. ech). Die Homologie der Pars paraseptalis (bzw. ectochoanalis) mit der Cartilago paraseptalis (bzw. ectochoanalis) von Lacerta und Sphenodon soll damit in keiner Weise in Zweifel gezogen werden. — Die Pars paraseptalis unserer Schildkröten ist in der Nasenkapsel wegen ihrer eigentümlichen Lage zum Septum von besonderer Wichtigkeit (vgl. das Solum S. 154 ff.). 10* 148 LupwiG Nick, Das Septum nasi des reifen Embryos von Chelonia ist in den angegebenen Umrissen eine dünne Knorpelplatte, die nur an einer Stelle im Bereiche des Recessus inferior eine Durchbrechung, die schon genannte, bindegewebig geschlossene Fenestra septi nasi auf- weist (Taf. 9 Fig. 51; Taf. 12 Fig. 70 fe. s.n). Das Septum wird aber dadurch kompliziert, daß an ihm ein Wulst auftritt, der den hinteren, medial von der vorderen Pars olfactoria liegenden Teil des Recessus medialis am Septum umgreift. An der Stelle, wo die Knorpelleiste, die die bindegewebige, Pars respiratoria und Pars olfactoria voneinander scheidende Falte (s. S. 138) stützt, auf das Septum trifft, zieht, gewissermaßen als ihre Fortsetzung am Septum, ein Knorpelwulst (Taf. 12 Fig. 70 kw) über den Recessus medialis nach hinten unten. Er biegt dann um das Hinterende des Recessus medialis und wendet sich unter ihm nach vorn. Dabei hebt er sich vom Septum ab, trifft auf die höchste Stelle am oberen Rande der Pars paraseptalis und verschmilzt mit ihr; die untere Hälfte des Wulstes bildet also eine Brücke zwischen der oberen Pars paraseptalis und dem Septum. — Eine weitere Verwachsungsstelle der Pars paraseptalis mit einer Verdickung des Septums!) findet sich etwas unter der beschriebenen Verbindung. Das Septum der erwachsenen Chelonia (Taf. 3 Fig. 19 se. n) präsentiert sich im ganzen ebenso wie das des Embryos, welches wir oben beschrieben haben. Nur ist die Leiste über dem Recessus medialis recht schwach entwickelt; auch fehlt wahrscheinlich eine Verwachsung der nach oben vorragenden Kante der Pars paraseptalis mit dem unteren Ende des Wulstes, falls nicht eine geringe Ver- wachsung hier beim Halbieren des Kopfes zerstört worden ist. — Der untere Rand des Septums ist vom Boden der Nasenkapsel nicht mehr in dem Mabe abgesetzt wie beim Embryo. Von dem dort vorhandenen Spalt bleibt deutlich erkennbar nur das Foramen prae- palatinum (Taf. 3 Fig. 20 f. prp) beim Erwachsenen erhalten; es öffnet sich nach oben in der Nische zwischen Septum und Pars paraseptalis, in der hauptsächlich cavernöses Gewebe liegt. Ein Vergleich des Septum nasi von Dermochelys (Taf. 3 Fig. 17; Taf. 8 Fig. 41, 42; Taf. 9 Fig. 43, 44; Taf. 11 Fig. 64, 65 se.n) mit dem von Chelonia bringt einige Unterschiede zwischen beiden ans Licht. Einmal fällt der sogenannte Pränasalknorpel bei Dermochelys ganz weg, 1) Diese Verdickung des Septums ist in Fig. 49 auf Taf. 9 dar- gestellt. Die Stelle, wo sie sich mit der Pars paraseptalis verbindet, liegt einen Schnitt (70 u) weiter vorn. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 149 indem das Septum gar nicht über das Solum nach vorn oder unten vor- ragt. Dann verbindet sich der Boden der Nasenkapsel durchgehends mit dem Unterrande des Septums, abgesehen von einer kleinen Unter- brechung vorn (Taf. 11 Fig. 65 sp. so). Eine eigentliche Trennung des Septums und der medialen Teile des Bodenknorpels beginnt erst ziemlich weit hinten vom Foramen praepalatinum ab, unter dem hinteren Teile der Pars olfactoria, und erscheint bei Dermochelys als schmaler Spalt (Taf. 8 Fig. 42; Taf. 9 Fig. 43; Taf. 11 Fig. 65 sp. se), während sich bei Chelonia hier beide Knorpel] dicht aneinander legen. Die Knorpelleiste am Septum, die bei Chelonia den ganzen hinteren Rand des Recessus medialis umfaßt, ist ganz geschwunden (Taf. 11 Fig. 64). Der Knorpelwulst, der bei Chelonia am Dache des Nasenraumes in der Scheidewand zwischen Pars olfactoria und Pars respiratoria auf- tritt und medialwärts in den Wulst am Septum übergeht, ist beim Embryo von Dermochelys nur am Dache entwickelt (Taf. 9 Fig. 44; Taf. 11 Fig. 63, 64 vs. k) und geht nicht auf das Septum über. Unten stützt sich der hinten in vertikaler Richtung mehr als bei Chelonia ausgedehnte Recessus medialis auf die stark aufgewulstete Unter- randpartie des Septums (Taf. 11 Fig. 44), der hier die vordere Pars paraseptalis anliegt. Im Foramen praepalatinum (Taf. 3 Fig. 17; Taf. 9 Fig. 44 (rechts) Taf. 11 Fig. 65 f. pr. p) liegen Gefäße und ein sehr schwacher Nerven- ast, der außen, soweit ersichtlich, nur nach vorn unter dem Boden der Nasenkapsel herzieht. Daß eine Fenestra septi nasi gleich der der Cheloniiden, nur etwas weiter hinten, vorhanden ist (Taf. 3 Fig. 17; Taf. 11 Fig. 64 fe.s. n), wurde erwähnt. Wesentliche Unterschiede zwischen dem Septum des reifen Embryos und dem der erwachsenen Dermochelys bestehen nicht; nur liegt die Fenestra septi nasi noch weiter hinten und etwas höher, so daß die Ähnlichkeit mit Chelonia geringer wird als beim Embryo. Werfen wir noch einen kurzen Blick auf das Septum nasi bei Chelydra, so zeigt sich, dab es in mancher Hinsicht von Chelonia und Dermochelys abweicht. So ist das Septum beim Embryo (Taf. 9 Fig. 52, 53; Taf. 12 Fig. 73, 74, 77 se.n) und bei der halberwachsenen Chelydra (Taf. 3 Fig. 21 se.n) Dermochelys und Chelonia gegenüber im ganzen relativ niedriger. Vor dem Olfactoriuseintritt — Cartilagines sphenoethmoidales fehlen, wie erwähnt, bei Chelydra ganz — verschmilzt der Oberrand des Septums mit dem bereits zu ihm abwärts geneigten medianen Bezirken des Tectum nasi. Die Einsenkung des Daches vertieft sich am Vorderrande des Septums stark, schneidet dieses 150 Lupwie Nick, gewissermaßen ab und geht in den Spalt über, der die paarigen Vorderteile der Nasenkapsel, die die Einführungsgänge umgeben, trennt (Taf. 12 Fig. 74). Vorn reicht bei Chelydra das Septum tiefer als der Boden nach unten und bildet so einen „Pränasalknorpel“ fast wie bei Chelonia (Taf.12 Fig. 73, 75, 77 prnk). Dahinter aber bilden Teile des Solums von beiden Seiten her (von unten gesehen) eine immer tiefer werdende Rinne (Taf.9 Fig. 52, 53; Taf. 12 Fig. 73) wie bei Dermochelys und Chelonia. Die Verbindung des Bodens mit dem Septum ist bei Chelydra in der vorderen Hälfte, die nach hinten bis zum Foramen praepalatinum reicht, kontinuierlich. Durch letzteres (Taf. 3 Fig. 21; Taf. 12 Fig. 73, 76, 77 f.prp) treten wieder der Ast des Trigeminus und eine Arterie; beide geben nach vorn Äste ab, die in einer Rinne des Intermaxillares verlaufen, und ebenso schicken sie Äste nach hinten, wo sie durch das Foramen incisivum (SIEBENROcCK, Foramen praepalatinum im knöchernen Gaumen, SEYvEL; Taf. 3 Fig. 22 f. inc) in das Gewebe des Munddaches gelangen. Hinter dem Foramen praepalatinum der Knorpelkapsel sind Solum und Septum auf eine kurze Strecke vereinigt (Taf. 12 Fig. 73 dd), dann aber bleibt das Solum durch einen Spalt vom Septum getrennt (Taf. 9 Fig. 52; Taf. 12 Fig. 73 sp.se) ebenso wie das ganze Planum antorbitale (vgl. S. 165), ähnlich wie Emys (SEYDEL, 1896). — Eine Fenestra septi nasi fehlt Chelydra. Am Septum findet sich als Stütze der medialen Grenzfalte eine Knorpelleiste (Taf. 3 Fig. 21; Taf. 12 Fig. 77 kl). Sie beginnt wie diese vorn oben aus einer schwachen Knorpelverdickung über der Verbindungsfalte von lateraler und medialer Grenzfalte im Dache und zieht anfangs sehr niedrig nach hinten unten. Rasch erweitert sich diese Leiste zu einem im Querschnitte schirmartigen Vorsprunge, unter dem die Glandula nasalis medialis zu liegen kommt. Der Vorsprung biegt, um ein geringes verschmälert, nach unten um, so daß schlief- lich eine kleine, fast vertikale Querwand entsteht (Taf. 3 Fig. 21; Taf. 9 Fig. 53; Taf. 12 Fig. 76, 77 kl‘), und. verschmilzt mit dem Boden. Der umgebogene Teil der Leiste ist durchbohrt (db in den zitierten Figuren), und durch die Öffnung treten der Ausführungsgang der Glandula nasalis medialis und eine Arterie. Gleich hinter und unter dieser Öffnung trifft man auf das Foramen praepalatinum 1); das 1) Die Öffnung in dem vertikalen Teil der Leiste könnte vielleicht der vorderen oberen Öffnung des Canalis praepalatinus SEYDEL’s bei Emys entsprechen (SEYDEL 1896, p. 455). Von den drei Öffnungen dieses Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 151 Gefäß tritt durch dieses zusammen mit dem von hinten am Septum herabkommenden medialen Ast des Trigeminus-Nasenastes aus, der Drüsenschlauch endet darüber. Der umgebogene Teil der Leiste wird außerdem in seiner oberen lateralen Ecke von einem feinen Nervenaste durchzogen (Taf. 9 Big. 53; Taf. 12 Fig. 76 «). Das Solum nasi, das auf der medialen Seite in Beziehungen zum Unterrande des Septums steht, geht lateral immer kontinuierlich in die Seitenwand der Nasenkapsel über. Eine Fläche, auf die die Bezeichnung „Boden“ paßt, existiert eigentlich nur im vordersten Teile. Bei der jungen Chelonia (Taf. 9 Fig. 47—51; Taf. 12 Fig. 68 bis 71), von der hier wieder zunächst die Rede sein soll, ist das Solum nasi vorn durch den Pränasalknorpel in eine linke und rechte Hälfte getrennt. Nach hinten zeigt der Boden medial eine immer tiefer werdende Rinne, indem die lateralen Partien die nach unten ziehenden Ductus nasopharyngei ventral umfassen und dadurch erheblich weiter nach unten gelangen als der untere Rand des Septums (Taf. 9 Fig. 47, 48). Die nach außen gelegenen Partien des Solums erscheinen dadurch mehr als ventralwärts umgebogene Teile der Parietes, während die medial gelegenen Teile zum hinteren Septalrand in die Höhe ziehen. Die Verbindungsweise der Pars paraseptalis mit dem Septum kennen wir bereits (s. S. 146). Hinter dem Recessus medialis entfernt sich die parallel zum Septum in die Höhe ragende Pars paraseptalis mehr von diesem, wodurch zwischen beiden eine Nische (Taf. 9 Fig. 48; Taf. 12 Fig. 69 ni) entsteht, deren Boden der plattig verbreiterte untere Septumrand bildet; sie be- herbergt cavernöses Gewebe und Nervenäste. Diese Nische wird nach hinten zusehends niedriger, und vor dem Planum antorbitale trifft die von der Paries medial vorspringende Knorpelleiste (Taf. 9 Fig. 48; Taf. 12 Fig. 69, 72 ml), die die laterale Grenzfalte stützt, auf den Oberrand der Pars paraseptalis; so wird unter dem hinteren Teile der Pars olfactoria ein vollständiges knorpliges Dach für den Ductus nasopharyngeus (Taf. 9 Fig. 47; Taf. 12 Fig. 72 h.%) erreicht, Kanals sind bier nur zwei, die soeben beschriebene und das Foramen praepalatinum, vorhanden. Von einer hinteren oberen Öffnung und von einem eigentlichen Kanale aber fehlt jede Spur, da der mediale Rand des Solums nicht so stark am Septum aufgebogen ist, als daß er sich, wie bei Emys, über dem Foramen praepalatinum mit dem Septum und der Leiste vereinigen könnte; diese Vereinigung erfolgt bei Ohelydra bereits im Niveau des Foramen praepalatinum mit dem Unterrande des Septums. 152 LupwiG Nick, das nach hinten mit dem Planum antorbitale verschmilzt. Die Pars paraseptalis ist im Bereiche der Nische von einem Foramen durch- brochen (Taf. 9 Fig. 48; Taf. 12 Fig. 69 2), durch das Gefäße und ein Ast des Ramus medialis vom Nasenaste des Trigeminus nach unten und lateral in das den Ductus nasopharyngeus umgebende Gewebe ziehen. Über diesem findet sich noch ein zweites, sehr kleines Foramen (Taf. 9 Fig. 48; Taf. 12 Fig. 69 w), für einen feinen Nerven- ast (?). In das Solum unter dem Ductus nasopharyngeus ist von hinten eine schwache Einbuchtung ausgeschnitten, durch die hier die laterale Partie des Bodens von der medial gelegenen Pars paraseptalis ge- trennt wird und die nach Seyveu (1896) als Choanenausschnitt zu bezeichnen wäre (Taf. 12 Fig. 71 cha). PARKER (1880, p. 43, tab. 12 fig. 9, 9a, 9b) bildet am Boden des Ductus nasopharyngeus von Chelonia eine eigenartige kleine Knorpel- spange ab, die er als „ethmopalatine“ bezeichnet: „It becomes, by ossification, the true palatine bone in bony fishes“ (1880, p. 45), und es handelt sich nach ihm um einen seitwärts verschobenen Teil der Trabekel (vgl. auch PARKER u. BETTANY, 1879, p. 49 und p. 56, und Gaupp, 1905b, p. 789). Ich finde bei Chelonia (beim Embryo) an dieser Stelle nur auf der rechten Seite ein winziges separates Knorpelstückchen unter dem Nasenkapselboden (Taf. 12 Fig. 68, 71 4h). Unterschiede in der Art der Verbindung des Solums mit dem Septum zwischen der erwachsenen Chelonia und dem reifen Embryo haben wir bereits kennen gelernt (s. S. 148). Beim Dermochelys-Embryo haben wir gesehen, dab das Solum vorn wesentlich mehr mit dem Septum verbunden ist als bei Chelonia. Auffallend ist hier die Lostrennung des hinteren Teiles der Pars paraseptalis, wo sich bei Chelonia die Knorpelränder dicht aneinander legen. Letzteres ist bei Dermochely nur ganz hinten, vor dem Planum antorbitale auf eine kurze Erstreckung hin der Fall. Hinten ist die Pars paraseptalis bei A eingeschnitten, so daß im Quer- schnitte zwei übereinanderliegende Knorpelstücke erscheinen (Taf. 9 Fig. 43 p. pse'). In der Seitenansicht (Taf. 11 Fig. 62, 64 p. pse’) wird das untere noch hinter dem Planum antorbitale sichtbar; das obere endigt weiter vorn. Auffallenderweise geht bei B ein ähn- liches oberes Stück, das jedoch nicht nach hinten vorspringt, aus dem Planum antorbitale hervor (Taf. 8 Fig. 42, links p. pse”), ver- schmilzt aber auch mit der unteren Cartilago paraseptalis, löst sich Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 153 dann von dieser und dem medialen Rand des Planums los und endigt frei, als ein nach vorn in die Pars olfactoria vorspringender kurzer Knorpelfortsatz (Taf. 8 Fig. 42, rechts p. pse’’). Im vorderen Teil des Bodens findet sich jederseits eine Öffnung (Taf. 11 Fig. 65 sp. so‘). Seitlich von dieser, also auch im vorderen Teil der Nasenkapsel, in der Höhe der Fenestra septi nasi, beginnt jederseits ein Spalt im Boden des Ductus nasopharyngeus (Taf. 9 Fig. 44—46; Taf. 11 Fig. 65 cha), der bis zum Hinterrande durch- geht, und so wird eine viel weitergehende Teilung der Hälften des Bodens in einen medialen und lateralen Teil erreicht als durch die ihm homologe Ausbuchtung, den schwachen Choanenausschnitt, bei Chelonia. Dermochelys zeigt darin ein ähnliches Verhalten wie Emys und Chrysemys (Sexper, 1896) während Testudo (und Chelydra) sich näher an Chelonia anschließen, und erstere nehmen darin eine Mittelstellung zwischen diesen und Lacerta ein, bei der durch eine mächtige Erweiterung dieses Spaltes der größte Teil des hinteren Solums fehlt. Das Verhalten der Pars paraseptalis ist bei Chelonia und Dermochelys ganz ähnlich. Es findet sich bei Dermochelys A zwischen ihr und dem Septum eine ebensolche Nische (Taf. 9 Fig. 44; Taf. 11 Fig. 64 ni) wie bei Chelonia und in deren lateraler Wand ein größerer, nach hinten offener Spalt (z‘), der vielleicht dem unteren Foramen in der Pars paraseptalis von Chelonia (Taf. 12 Fig. 69 z) entspricht; über und vor diesem Spalte liegt ein kleines, bindegewebig ge- schlossenes Foramen (Taf. 11 Fig. 64 w‘). Bei B findet sich nur auf der linken Seite über dem Foramen parapalatinum eine bindegewebig geschlossene Lücke in der Pars paraseptalis. — Das Foramen prae- palatinum (Taf. 9 Fig. 44; Taf. 11 Fig. 65 f. prp) öffnet sich am vorderen Ende des Spaltes, der die hintere Partie der Pars para- septalis vom Septum trennt. Eine Verbindung des hintersten Teiles der Pars paraseptalis mit der in der lateralen Grenzfalte liegenden Knorpelleiste der Paries fehlt, und so kommt bei Dermochelys kein geschlossenes Knorpeldach für den Ductus nasopharyngeus zustande, sondern er kommuniziert seiner allerdings im Verhältnis zu Chelonia nicht sehr beträchtlichen Länge nach durch einen Spalt mit der Pars olfactoria. Mit ihrem hintersten Ende läuft die Pars paraseptalis zwischen Planum antorbitale und Septum aus; sie verschmilzt an dieser Stelle mit ersterem nur ganz wenig bei B, nicht aber bei A (s. S. 152); von dem Septum bleibt sie hier getrennt, liegt ihm aber dicht an. 154 Lupwie Nick, An der hinteren Pars ectochoanalis von Dermochelys zeigen sich auffallende Knorpelteile. Der untere, lateral vom Ductus naso- pharyngeus gelegene Hinterrand dieses Teils des Bodens schickt bei dem reifen Dermochelys-Embryo B einen kurzen Fortsatz nach hinten, der sich gabelt (Taf. 11 Fig. 66 pr. m. p). Der mediale kleinere Teil- fortsatz liegt am Innenrande des Maxillares (im Choanenausschnitt am macerierten Schädel), der laterale längere Fortsatz aber stützt sich auf das Maxillare oben auf. BeiA (Taf. 8 Fig. 41; Taf. 11 Fig. 62, 63, 65 pr. m. p) finden wir diesen letzteren Fortsatz beiderseits von der Nasenkapsel isoliert; er ist hier an der rechten Seite be- trächtlich größer als links. Der mediale Fortsatz dagegen ist sehr kurz, aber mit der Pars ectochoanalis in kontinuierlicher Ver- bindung. Der ganzen Lage und Form nach dürfte dieses Gebilde bei Dermochelys dem Processus maxillaris posterior von Lacerta (Gaupp, 1900, p. 483 u. 574; 1905b, p. 765) und von Sphenodon (SCHAUINSLAND, 1900, p. 808, 818; Howes u. Swinnerton, 1901, p. 40, tab. 3 u. 4 „extranasal process 4“) homolog sein; bei A befindet sich der Processus maxillaris posterior in Auflösung und Rückbildung. Diese Knorpelstückchen wären demnach eine Abgliederung der Nasenkapsel und nicht homolog dem oben bei Chelonia erwähnten „Ethmopalatinknorpel“, der ja nach PARKER aus den Trabekeln her- vorgehen soll, wogegen übrigens auch die doch ziemlich verschiedene Lage spricht, wenn sich auch eine Beziehung dieser Knorpel zu- einander bei dem wenigen, was darüber bei Schildkröten bekannt ist, noch nicht mit absoluter Gewißheit leugnen läßt. Das Solum der erwachsenen Dermochelys zeigt wesentlich das- selbe wie das des Embryos. Hervorzuheben wäre aber, dab der Spaltraum zwischen Pars paraseptalis und Pars ectochoanalis, der Choanenausschnitt, bei den Erwachsenen nur als ein kurzer, hinten erweiterter Einschnitt vorhanden ist. Über das Solum der Nasenkapsel von Chelydra ist nichts wesent- liches mehr mitzuteilen ; die Hauptsachen wurden bereits erwähnt. Hin- gewiesen sei nochmals auf den vom Septum losgelösten hinteren Teil der Nasenkapsel (Pars paraseptalis und Planum antorbitale) sowie auf den schwachen Choanenausschnitt, ähnlich Æmys. Außer dem Foramen praepalatinum finden sich im Bereiche des Solum nasi von Chelydra keine Foramina. Die Befunde am halberwachsenen Tier decken sich mit denen am reifen Embryo. Die Bezeichnung Cartilago paraseptalis wird bei Lacerta Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 155 (Gaupp, 1900), bei Emyden (Seyoez, 1896) und bei Sphenodon („Para- septalknorpel* SCHAUINSLAND, 1900) für einen sowohl vom Septum wie von den lateralen Bodenteilen durch den Choanenausschnitt ge- trennten Knorpelstreif gebraucht, der zum Unterrande des Septums aufsteigt, sich (bei Zacerta) an ihm in die Höhe schiebt, bis er selbst fast vertikal steht und sogar mit ihm verschmelzen kann (vgl. Gaupp, 1900, p. 562). Daß die Cartilago paraseptalis den medialen Teil eines ursprünglich einheitlichen Bodens darstellt, darüber sind sich alle Autoren einige. — Für die von mir untersuchten Schildkröten wie auch Testudo und Emys gebrauche ich aus dem schon angeführten Grunde (S. 147 Anm.) für die der Cartilago paraseptalis homologen Knorpelteile den Terminus „Pars paraseptalis“. Bei den von mir untersuchten Schildkröten findet sich eine nach beiden Seiten freie Pars paraseptalis eigentlich nur bei Dermochelys. Der Spalt zwischen Septum und Cartilago paraseptalis reicht bis zum Foramen praepalatinum; die Pars paraseptalis liegt aber dem Unterrande des Septums ziemlich nahe an. Der Choanenausschnitt bei Dermochelys reicht beträchtlich weiter nach vorn als der die Pars paraseptalis medial scheidende Spalt. Daß aber auch weiter vorn bei Dermochelys noch Teile der Pars paraseptalis gelegen haben, die mit dem verbreiterten Septalrand verwachsen sind, dafür sprechen vertikal stehende Knorpelleisten auf der dicken medialen Boden- platte vor dem Foramen praepalatinum, die sich vorn etwas von letzterer abheben (Taf. 9 Fig. 45; Taf. 11 Fig. 64 p. pse). Wahrschein- lich ist auch der kleine paarige Spalt im Boden (Taf. 11 Fig. 65 sp. so‘) der Nasenkapsel, in gleicher Breite wie das Vorderende des Choanen- ausschnitts von Dermochelys mit einem früheren, eine Pars paraseptalis medial abtrennenden Spalt in Verbindung zu setzen; er ist wie ein solcher durch Bindegewebe verschlossen und so mit dem vorn sehr verbreiterten Septalrande verbunden. Bei Chelydra ist der Choanenausschnitt sehr flach (Taf. 12 Fig. 73 cha), aber dennoch zögere ich nicht, die vom Septum bis fast an das Foramen praepalatinum durch einen Spalt abgegrenzte und neben ihm parallel ansteigende Knorpelpartie als Pars paraseptalis anzu- sprechen. Der Mangel einer lateralen Abgrenznng der Pars para- septalis kann an dieser Homologie nichts ändern. Dasselbe gilt für Chelonia. Hier fehlt ein die Pars paraseptalis late- ral abgrenzender Choanenausschnitt beinahe ganz (Taf. 12 Fig. 71 cha), und der mediale Teil des Solums liegt bis zum Foramen praepalatinum dem Septum dicht an, ist aber durch eine feine Naht deutlich von 156 Lupwiıe Nick, dem verdickten Septalrand abgesetzt (vgl. S. 147) und steigt vertikal neben dem Septum in die Höhe. Außerdem erstreckt sich die Pars paraseptalis auch vor das Foramen praepalatinum, durch einen weit nach vorn gehenden Spalt (Taf. 12 Fig. 71 sp. so) abgegrenzt. Während Emys und Chrysemys ähnliche Verhältnisse wie Chelydra zeigen, ist bei Zestudo nach SEYDEL der ganze hintere Teil der Nasenkapsel mit dem Septum kontinuierlich verwachsen (SEYDEL, 1896, p. 457 ff). Dieses Verhalten braucht nicht primitiv zu sein, wie SrypEL im Hinblick auf Salamandra annimmt (1896, p. 459), sondern es könnte auch sekundär eine Verwachsung zustande ge- kommen sein, von einem Zustande ähnlich dem von Chelonia her. Nach dem Auftreten einer Cartilago paraseptalis, vor allem auch bei Sphenodon, scheint eher die Abtrennung des Bodens vom Septum nasi für die Reptilien primitiv zu sein und nicht die Verbindung beider. — Hinweisen möchte ich hier nochmals auf die Lagebeziehungen der Pars paraseptalis zum Recessus medialis (vgl. Taf.9 Fig. 44, 45, 49), der vielleicht ein Jacogson’sches Organ darstellt. Die Paries nasi ist bei dem reifen Embryo von Chelonia fast vollständig geschlossen. Ihr vorderer Teil ist durch den schrägen Spalt eingeschnitten, der den unteren Teil der Nasenkapsel mit dem Recessus inferior von dem oberen Teile mit der vorderen Ausmündung des Einführungsganges scheidet (Taf. 9 Fig. 51; Taf. 12 Fig. 68 bis 71 s. s). Für den Recessus inferior bildet die Paries darunter eine geschlossene Seitenwand, die in die abgerundete vordere End- fläche des unteren Teiles übergeht. Darüber geht aus der einheit- lichen Paries eine breite unregelmäßig begrenzte Spange nach vorn und dann nach unten; sie umrandet den erwähnten schrägen Spalt oben und vorn. Anfangs läuft sie seitlich am Einführungs- gang her, biegt aber bald ventral unter ihm herum und vereinigt sich auf der medialen Seite vor dem Einführungsgang mit einer dorsalen, dem Tectum entspringenden, über und medial vom Ein- führungsgang gelegenen breiten Spange (Taf. 12 Fig. 68—72) Der ventral vom Einführungsgang gelegene Teil ist durch eine dünne, kleine Knorpelspange mit dem oberen Teile der den Recessus inferior einschließenden Kuppel verbunden (Taf. 12 Fig. 69, 71 pp). — Durch die beschriebenen Spangen wird eine nach oben vorn und seitlich auben offene Grube umschlossen, in die der Einführungsgang von außen her eintritt (Taf. 12 Fig. 68, 72 fe. na). Die Öffnung der Grube ist nach Gaupp als Fenestra narina zu bezeichnen. Auf der Innenseite der Paries, aber auch zugleich dem Tectum Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 157 angehörig, springt die knorplige Leiste vor, die Recessus superior und Pars olfactoria oben und lateral voneinander trennt (Taf. 12 Fig. 69 v.s.%); eine völlige Trennung erreicht die von diesem Knorpel gestützte bindegewebige vertikale Querwand. Die Knorpelleiste hat ihre größte Höhe oben, zwischen Tectum und Paries, und wird nach unten immer niedriger, biegt schließlich nach vorn um, streicht fast horizontal verlaufend, an der Paries aus und stützt hier eine Quer- falte, die an der lateralen Seite den Recessus superior nach unten begrenzt (s. S. 139). Die Knorpelleiste reicht am Tectum noch bis zum Septum, und an dieser Stelle entspringt am Septum der Längs- wulst, der über dem Recessus medialis nach hinten zieht (Taf. 12 Fig. 70 kw). Hinten, im Bereiche der Pars olfactoria, springt an der Paries nasi eine horizontale Leiste nach innen vor (Taf. 9 Fig. 48; Taf. 12 Fig. 69, 72 ml), die eine Grenze zwischen dem Ductus naso- pharyngeus und der Pars olfactoria festlegt und die, unter der vertikalen Querleiste, da, wo diese nach vorn umbiegt, ausläuft. Sie stützt die beschriebene laterale Grenzfalte und erreicht hinten, unter der Pars olfactoria, die Pars paraseptalis und bildet mit ihr auf kurze Erstreckung das Dach für den Ductus nasopharyngeus (Taf. 9 Fig. 47; Taf. 12 Fig. 72 hk). GEGENBAUR und SOLGER haben diese Knorpelleiste als Muschel bezeichnet. Bei Testudo und Emys bezeichnet SEYDEL eine mit Riechepithel bekleidete Einstülpung der Paries in die Pars olfactoria hinein als „Muschelwulst“. In der durch die Einstülpung nach innen auf der Außenseite der Kapsel gebildeten Vertiefung liegt der hintere Teil der Glandula nasalis externa. Ein ganz ähnlicher knorpliger Muschelwulst findet sich auch bei Chelydra (Taf. 12 Fig. 76 mw). In dem Muschelwulst hat man nach Seyper den Vorläufer einer eigentlichen Muschel zu sehen. Beides, Muschelwulst und Muschel, rechnet SEYDEL zu den „echten Muschelbildungen“, denen er die „unechten Muschelbildungen“ gegenüberstellt, wozu auch die „Muschel“ (GEGENBAUR, SOLGER) von Chelonia gehören soll (SEYDEL, 1896, p. 424, 425). Das Unterscheidungsmerkmal geben die Beziehungen zur Riechschleimhaut ab: echte Muschelbildungen vergrößern die Oberfläche des Riechepithels, unechte dagegen haben zu diesem keinerlei Beziehung. Bei Zestudo und ebenso bei Chelydra geht die laterale Grenzfalte hinten in den Unterrand des Muschelwulstes über. Die Knorpeleinstülpung aber stützt, wie SeypeLr's Figuren (1896, fig. 4, D—K) zeigen, vorn nur die laterale Grenzfalte, und erst 158 LupwiG Nick, erst ziemlich weiter hinten (SEYDEL, 1896, fig. 4 L und M) zieht das Riechepithel an dem knorpligen Muschelwulst herunter; auf seine nach unten gekehrte Seite gelangt es überhaupt nicht; in dieser Region stellt also der Muschelwulst nur Grenzfalte dar.) Die Wandung des Knorpelvorsprungs ist in der am weitesten nach innen ragenden Partie bei Testudo und Chelydra verdickt (Taf. 9 Fig. 52 mw; Verdickung namentlich links), was dem Augen- scheine nach durch eine Verschmelzung der oberen und unteren Lage zustande gekommen sein muß. Diese Verschmelzung des oberen und unteren Teiles der Knorpeleinstülpung dürfte bei Chelonia ein- fach weiter nach außen vorgeschritten sein. Das war möglich, da die Glandula nasalis externa in Wegfall gekommen ist (denn ihr Fehlen bei Chelonia und Dermochelys wird man kaum als ursprüng- lich auffassen können). So ist aus dem knorpligen Muschelwulst eine Leiste entstanden. Für diese Art des Zustandekommens der Knorpelleiste bei Chelonia (und Dermochelys, s. unten) spricht auch eine außen von ihr an der Paries noch vorhandene schwache Ein- stülpung (Taf. 9 Fig. 47, 48; Taf. 12 Fig. 68 ml‘), als Rest des ur- sprünglich ausgedehnteren Hohlraums, in dem bei Chelydra die Glan- dula nasalis externa liegt; auch dürfte sich die Entstehung der Leiste auf andere Art schwer erklären lassen. — Der Ausbreitung der Riechschleimhaut dient die Vorwölbung schon bei Testudo und Chelydra nur zum Teile, die Leiste bei Chelonia aber nicht viel weniger, da sich das Riechepithel hier gerade bis auf die Oberseite der die Pars olfactoria scharf abgrenzenden, durch die Knorpelleiste gestützten lateralen Grenzfalte erstreckt. Auch die Übereinstimmung in der Lage beider Bildungen ist so vollkommen, daß die Homologie des Muschelwulstes von Zestudo und Chelydra und der Leiste bei Chelonia (und Dermochelys) nicht zweifelhaft erscheint. Allerdings wäre auch nach SEYDEL selbst (1896, p. 423) eine derartige Falte wie bei Chelonia zu den echten Muschelbildungen zu rechnen und als Muschelwulst zu deuten, wenn sich nachweisen ließe, daß die Falte früher Beziehungen zur Riechschleimhaut gehabt und sie jetzt 1) Beim Embryo von Chelydra ist die Pars olfactoria nach unten nicht durch indifferentes Epithel abgegrenzt, wie bei der erwachsenen Testudo, sondern Cylinderepithel geht bis auf den Boden der Nasenhöhle herunter (ein embryonales Verhalten?). Die Pars olfactoria wird aber durch die charakteristischen, nur in ihr auftretenden BOWMAN’schen Drüsen gekennzeichnet, und letztere erstrecken sich in dem Cylinderepithel nur über die nach oben gekehrte Seite des Muschelwulstes. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 159 bei Chelona verloren hat. Dies ist möglich, aber eine solche ehe- malige Ausbreitung der Riechschleimhaut bei Cheloniiden läßt sich natürlich sehr schwer beweisen; sichergestellt aber erscheint mir die Homologie der Knorpelteile. Ich möchte daher für die Knorpel- leiste bei Chelonia die Bezeichnung Muschelleiste gebrauchen, um ihrem morphologischen Werte gerecht zu werden. Der Terminus soll auf die Beziehung zur knorpligen Muschel (bzw. zum Muschelwulst) bei dieser Schildkröte hinweisen. — Leider ist in diesen Dingen die Benennungsweise nicht ganz eindeutig: sowohl die Skeletteile werden als Muschel (Concha) bezeichnet (z. B. von Gaupp), wie auch ge- wöhnlich der ganze Vorsprung in die Nasenhöhle (Seypez; in der menschlichen Anatomie). Für die ganze, durch die Muschelleiste gestützte Falte mag für Chelonia (und Dermochelys) die passende neutrale Bezeichnung: „laterale Grenzfalte“ Geltung haben. An der Basis der Muschelleiste, etwa in der Mitte der Riech- höhle, durchsetzt ein Foramen von außen unten nach innen oben die Paries (Taf. 9 Fig. 48; Taf. 12 Fig. 68, 69 vr); in ihm liegen ein Gefäß und ein Nerv; letzterer ist ein hier in die Nasenkapsel treten- der Ast des Nervus palatinus, der durch das Foramen palatinonasale in die Nasenregion kommt und dann außen an der Paries nach vorn oben zieht, bis er das zuerst erwähnte Loch erreicht und hierdurch in die Nasenkapsel einaringt. Hinten endigt die Paries von Chelonia mit freiem Rande; unten reicht dieser als laterale Seitenwand des Ductus nasopharyngeus am weitesten von allen Teilen der knorpligen Nasenkapsel caudalwärts. In halber Höhe des Hinterrandes geht die Paries in den Hinterrand des knorpligen Daches für den Ductus nasopharyngeus über (welches sich medialwärts als Planum antorbitale nach oben und unten ver- größert). Bei der erwachsenen Chelonia finden wir in der Paries dieselben Verhältnisse wie beim Embryo wieder. Beim reifen Embryo von Dermochelys (Taf. 11) ist der Vorderteil der Paries gegenüber Chelonia infolge des Wegfallens des Recessus inferior nicht unwesentlich modifiziert. Eine Sonderung der vorderen Nasenkapsel in einen die Recessus einschließenden und einen den Einführungsgang stützenden Teil fällt bei Dermochelys fort. Als Verlängerung des hier steil ansteigenden Bodens gehen beiderseits breite Spangen an der Unterseite des Einführungsganges her, die sich mit ebensolchen Spangen aus dem Tectum, wie sie auch bei Chelonia auftreten, über und vor dem Einführungsgang verbinden, 160 LupwiG Nick, wodurch Fenestrae narinae zustande kommen (Taf. 11 Fig. 62, 66, 67). Nur ist die bei Chelonia hauptsächlich von der Paries ausgebildete Spange hier durch eine vom Solum stammende ersetzt; die ent- sprechende Verbindung dieses vorderen Teiles der Nasenkapsel findet sich aber auch bei Chelonia (vgl. S. 156, pp). Jedoch ist auch die Paries bei Dermochelys noch in dieser Gegend vertreten; lateral vom Einführungsgange trifft man bei A auf ein unregelmäßiges Knorpel- stück (Taf. 11 Fig. 62, 63, 67 r. pa), das vorn unten mit der Spange seitlich unter dem Einführungsgang zusammenhängt. Bei B ist ein entsprechender Knorpel (Taf. 11 Fig. 66 r. pa) vorhanden, der so- wohl oben wie unten durch eine dünne nach vorn ziehende Knorpel- verbindung mit der dorsalen, resp. ventralen Spange am Ductus nasopharyngeus verbunden ist. Wir haben hier allem Anscheine nach in Rückbildung begriffene Teile der Paries vor uns, wofür auch der Umstand spricht, dab diese Rudimente bei der erwachsenen Dermochelys zu fehlen scheinen. Bei Chelonia ist diese Partie noch vollständiger und zeigt, wenn auch wohl durch spezielle Anpassung etwas modifiziert, wahrscheinlich einen primitiveren Zustand als Dermochelys. Die Ausbildung der Knorpelleiste in der vertikalen Querwand (Taf. 9 Fig. 44; Taf. 11 Fig. 63 v. s. k) zwischen dem Recessus superior und der Pars olfactoria geht wie bei Chelonia von Tectum und Paries aus, nur ist sie beim Embryo weniger hoch; auch fehlt der nach vorn umgebogene horizontale Teil, der bei Chelonia die den Recessus superior nach unten begrenzende Falte stützt. In der Paries nasi von Dermochelys und ebenso im Tectum finden sich eine Reihe kleiner Foramina, in denen Nervenäste und manchmal auch Gefäße liegen; ihre Verteilung ist aus den Figuren 62, 66 u. 67 der Taf. 11 ersichtlich, wo ich sie mit Nummern bezeichnet habe (1—9). Leider war es mir nicht möglich, nach meinen Querschnitten die Zugehörigkeit dieser kleinen Nervenäste bei Dermochelys festzustellen. Der Inhalt der Foramina ist zwar im Querschnitt deutlich zu er- kennen, aber die Nerven und Gefäße selbst lassen sich nicht mit geniigender Genauigkeit verfolgen. Für die Nerven kommen nur Äste des Ramus ethmoidalis n. trigemini und des Ramus palatinus n. facialis in Betracht. Im Bereiche der Paries liegen die Foramina 6—8 bei A (Taf. 11 Fig. 62, 67) und 6—9 bei B (Taf. 11 Fig. 66). Von diesen liegt nur 8 vor der vertikalen Querleiste zwischen Re- cessus superior und Pars olfactoria. Sämtliche Foramina sind paarig vorhanden, wenn sie auch nicht ganz symmetrisch liegen, außer dem Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 161 sehr kleinen unpaaren Foramen 9 bei B, das aber wohl eine zu- fällige Lücke ist, da es durch Perichondrium völlig verschlossen wird. Am Übergange von Paries und Tectum liegen die Foramina 1 und 5. Die Muschelleiste ist beim Embryo von Dermochelys (Taf.9 Fig. 44, 45; Taf. 11 Fig. 63 ml) kräftig ausgebildet, erreicht aber, wie bereits erwähnt, keinen Zusammenhang mit der Pars paraseptalis über dem Ductus nasopharyngeus, so daß die Pars olfactoria hauptsächlich durch die laterale Grenzfalte vom Ductus nasopharyngeus getrennt ist. Das von außen am Grunde der Muschelleiste durch die Paries tretende Foramen der Chelonia fehlt hier; aber es findet sich an derselben Stelle der Muschelleiste ein Foramen (Taf. 9 Fig. 44; Taf. 11 Fig. 63 mm), das diese allein, innerhalb der Paries, an ihrem Grund durchsetzt und das vielleicht demselben an anderer Stelle in die Nasenkapsel gelagerten kleinen Nerven zum Durchtritt dient. Eine zweite ähnliche, aber kleinere Öffnung durchsetzt die Muschel- leiste in ihrem vorderen Teil (Taf. 9 Fig. 45; Taf. 11 Fig. 63 nn). | Die Paries nasi von Dermochelys biegt hinten mit ihrem ganzen oberen Teile in das Planum antorbitale zur Mediane über. Nur bleibt bei Embryo A oben eine Öffnung zwischen Paries, Planum, Septum und Cartilago sphenoethmoidalis, eine Fissura orbitonasalis, frei (Taf. 11 Fig. 62 fi. on). Bei Embryo B ist sie nur in Form eines schmalen Spaltes zwischen Planum antorbitale und Cartilago sphenoethmoidalis vorhanden (Taf. 11 Fig. 66 fi.on). Durch die Fissur gelangen Gefäße und — bei A in einem besonderen Einschnitt des Planum antorbitale (Taf. 11 Fig. 62 inc. V. nas. m) — der mediale Ast vom Ramus ethmoidalis n. trigemini in die Nasenkapsel; bei B hat letz- terer ein gesondertes Foramen (Taf. 11 Fig. 66 f. V. nas. m) (s. S. 165). Die erwachsene Dermochelys (Taf. 3 Fig. 17,18) zeigt dem Embryo gegenüber einige nicht sehr wesentliche Unterschiede. Ihre Muschel- leiste ist kräftig entwickelt, aber unregelmäßig und hinten von der Nasenkapselwand losgelöst. Die vertikale Scheidewand zwischen Pars olfactoria und Pars respiratoria ist in höherem Maße knorplig ausgebildet als beim Embryo. Hinzufügen will ich noch, dab sich das Wiederaufsuchen kleinerer Foramina, die der Embryo auf den Querschnitten zeigt, bei der erwachsenen Dermochelys und Chelonia als sehr schwierig erwies und meist zu keinem sicheren Resultate führte. Chelydra zeigt Dermochelys und Chelonia gegenüber einige Ditte- renzen in der Paries nasi. Der vordere Teil der Nasenkapsel, der den Einführungsgang umgibt, ist durch einen breiten Spalt (Taf. 12 Fig. 74—76 hs) von der übrigen Paries abgetrennt; durch den Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. ul 162 Lupwie Nick, oberen Teil dieses Spaltes tritt der Ductus glandulae nasalis externae in das Cavum nasi. Die knorplige Seitenwand vor diesem Spalt wird durch eine breite Spange gebildet, die nur von dem Solum ausgeht, über dem Einführungsgang medialwärts umbiegt, aber dann frei endet. Auf der medialen Seite ist der Gang von einer aus dem medialen Tectum vorwärts und dann abwärts gehenden Spange be- gleitet, die zwar unten im Boden des Einführungsganges mit der lateralen Spange zusammenhängt, oben aber nicht, so daß eine ringsum knorplig geschlossene Fenestra narina nicht zustande kommt. Die vertikale Querleiste von Chelonia weist Chelydra nicht auf; nur auf der Innenseite des Tectums (Taf. 12 Fig. 76, 77 v. s‘. k) läuft an etwa entsprechender Stelle ein schwacher Knorpelwulst her, der dem der ähnlich verlaufenden Leiste von Chelonia möglicherweise homolog ist. Eine Einbuchtung der Paries im Bereiche der Pars olfactoria, ein knorpliger Muschelwulst (Taf. 9 Fig. 52; Taf. 12 Fig. 76 mw) tritt bei Chelydra in ähnlicher Weise wie bei Zestudo auf. In dem Hohlraum, der durch die Einbuchtung des Muschelwulstes außen zwischen diesem und der knöchernen Seitenwand (Praefrontale und Maxillare) des Nasenraums entsteht (Taf. 12 Fig. 75 mw‘), liegt, wie schon erwähnt, die hintere Hälfte der Glandula nasalis externa; der nach vorn anschließende Teil dieser Drüse bis zum Ausführungs- gang ist sehr flach und liegt in einer schwachen Einbuchtung der Paries, einer Fortsetzung der Muschelwulsteinbuchtung. Der untere Hinterrand der Paries seitlich vom Ductus nasopharyngeus ist von hinten her eingeschnitten. Der anfangs schmale Einschnitt erweitert sich zu einer ziemlich beträchtlichen Lücke (Taf. 9 Fig. 52; Taf. 12 Fig. 75, 76 00) im Knorpel. Nach innen von dieser und gerade bis in sie hineinragend liegt der blind endende Recessus des Ductus nasopharyngeus (Taf. 9 Fig. 52 rec. d. n) Der obere Teil der hinteren Paries geht kontinuierlich in das Planum antorbitale über. Zwischen dem Oberrand der eben erwähnten Lücke und dem Muschelwulst treffen wir bei Chelydra auf das Foramen rami nasalis n. palatini (Taf. 12 Fig. 75, 76 rr’). In der Kapsel liegt an dieser Stelle die unter der lateralen Grenzfalte nach hinten laufende laterale Leiste (s. S. 134). Aus dem Verlauf des Nerven auf eine Homologie dieser Leiste mit der lateralen Grenzfalte von Chelonia zu schließen, wäre verfehlt, denn eine solche ist wegen der verschiedenen Lage dieser Gebilde ausgeschlossen. Die Paries nasi der halberwachsenen Chelydra gleicht im wesent- lichen der des reifen Embryos. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 163 Das sehr geschlossene Tectum nasi von Chelonia (Taf. 12 Fig. 72) steht oben kontinuierlich mit dem Septum in Verbindung, und lateral geht es in die Paries nasi über. Oben senken sich beide Hälften gegen das Septum etwas ein, so dab in der Mitte eine leichte Ein- buchtung der Länge nach über das Tectum zieht; sie wird, wie bereits erwähnt, nach vorn zu tiefer, bis sie schließlich in die Spalte übergeht, die die beiden Teile der vorderen Nasenkapsel trennt. Die lateralen Flächen des Tectums gehen hier in die breiten Spangen oben vom Einführungsgang über. Nach hinten zu endet das Tectum mit freiem Rande. Daß mit dem Tectum nasi die knorplige Querleiste in Ver- bindung steht, die Pars olfactoria und Recessus superior trennt, wurde schon erwähnt. — Im hinteren Teile des Tectums findet sich ein paariges Foramen, durch das der Ramus lateralis des Nasen- astes vom Trigeminus wieder aus der Nasenkapsel heraustritt (Taf. 9 Hig, 48; Taf. 12 Fig. 69, 72 f. e. V. nas. 0). Bei Dermochelys ist die ganze Konfiguration des Tectums wie bei Chelonia; nur gegenüber dem reifen Embryo von Chelonia unter- scheidet sie sich darin, dab die Cartilago sphenoethmoidalis (Taf. 11 Fig. 62, 64—67 ca. sph) anscheinend immer auftritt. Sie läuft bei Dermochelys und dem Chelonia-Kopfe nach vorn oben in das Septum und den medialen Teil des Tectums aus, und die durch sie oben begrenzte Fissura orbitonasalis schneidet zwischen Tectum und Paries ein (über Unterschiede bei A und B vgl. S. 161). Von Nervenlöchern sind bei den reifen Embryonen von Dermochelys im Tectum 4 Paare vorhanden. Ein unpaares Foramen (Taf. 11 Fig. 67 5) liegt bei A im Übergange des Tectums in die Paries auf der linken Seite und ist durch Perichondrium verschlossen. Die Lage der Foramina ergibt sich aus den Figuren. In den sämtlichen paarigen Öffnungen liegen Nerven, in 2 und 4 außerdem auch Ge- fäße. Die Foramina 4 und 5 durchsetzen den Grund der vertikalen Querleiste an der Innenfläche des Tectums, die Pars olfactoria und Recessus superior trennt, und führen so von unten hinten aus der Pars olfactoria nach oben vorn auf die Außenseite der Nasenkapsel. Die Querleiste selbst ist in ihrem medialen Teile innerhalb der Nasenkapsel von einer Öffnung (Taf. 11 Fig. 63 tt) unterbrochen, in der Gefäße und Nerven(?) liegen. Das Tectum nasi von Chelydra gleicht dem von Chelonia darin, daß ein paariges Foramen für den lateralen Ast des Ramus ethmoi- dalis nervi trigemini auftritt (Taf. 12 Fig. 74, 76 f.e. V. nas. l), während 11* 164 Lupwie Nick, andere Foramina fehlen. Eine Cartilago sphenoethmoidalis wird ver- mißt. Wie bemerkt, entspricht der vertikalen, auch vom Tectum ausgehenden Querleiste bei Dermochelys und Chelonia allenfalls nur der schwache Wulst (Taf. 12 Fig. 76, 77 v. s‘. k), der die am Dache der Nasenhöhle herlaufende Verbindungsfalte zwischen lateraler und medialer Grenzfalte stützt. — Die Verhältnisse des Tectums am halbausgewachsenen Chelydra-Kopfe (Taf. 3 Fig. 21, 22) sind wesent- lich dieselben wie bei dem Embryo. Schließlich wäre noch der Teil der Nasenkapsel zu nennen, der ihre Grenze gegen die Orbita bildet, das Planum antorbitale. Beim Embryo von Chelonia (Taf. 12 Fig. 68—72 pl. ao) sind die Vertikalplatten der Praefrontalia bereits so stark ausgebildet, daß nur ein schmaler Spalt für das Septum zwischen ihnen freibleibt, wie bei Erwachsenen. Dadurch ist bei Chelonia eine sehr weit- gehende Reduktion der Plana antorbitalia bedingt, ebenso wie zu- weilen die der Cartilagines spheno-ethmoidales. Das Planum bildet jederseits nur ein ganz niedriges, langgestrecktes gleichseitiges Dreieck, das mit seiner Basis dem Septum anliegt, aber nicht damit verschmolzen ist, während die beiden nach außen gekehrten Seiten im knorpligen Dache des Ductus nasopharyngeus zusammenlaufen und mit ihm verschmelzen. Die Spitze des Dreiecks geht in die medialwärts umgebogenen Teile der Paries über (im Hinterrande von hk, Taf. 12 Fig. 72). Wesentlich dieselben Verhältnisse finden sich auch bei der erwachsenen Chelonia, nur ist die Reduktion im Ver- hältnis noch weiter gegangen (Taf. 3 Fig. 20). Bei Dermochelys (Taf. 3 Fig. 18; Taf. 11 Fig. 62—67 pl. ao) ist das Planum antorbitale ausgedehnter als bei Chelonia, wohl auch deshalb, weil bei ersterer die Ausbildung der Vertikalplatten der Praefrontalia nicht so weit medialwärts geht wie bei dieser. Das Planum liegt medial am Septum wie bei Chelonia, geht aber lateral fast mit seiner ganzen Höhe [bei B (Taf. 11 Fig. 66) noch mehr als bei A (Taf. 11 Fig. 62), da bei B das Planum höher hinauf geht] in die Paries nasi über, die sich nach hinten zur Mediane wendet, so dab ein kontinuierlicher Übergang zwischen beiden stattfindet (s. S. 161). Mit dem medialen oberen, freien Rande bildet das Planum bei A (Taf. 11 Fig. 62) die untere und laterale Grenze der Fissura orbito- nasalis (bei B auch die hintere Grenze dieser, Taf. 11 Fig. 66 fi. on), die oben und medial durch das Tectum und die Cartilago spheno- ethmoidalis abgegrenzt wird. Bei A läßt diese Fissura den Ramus medialis rami ethmoidalis n. trigemini passieren (bei inc. V. nas. m; Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 165 Taf. 11 Fig. 62); dieser hat bei B ein eigenes Foramen (Taf. 11 Fig. 66 f. V. nas. m) im Planum antorbitale. Der Ramus lateralis des Nasenastes vom eh hat bei beiden Embryonen von Dermochelys ein eigenes Foramen im Planum (Taf. 11 Fig: 62, 66 f. V. nas. !), vor dem noch ein zweites kleineres Foramen (yy) die hintere Kapselwand passiert; letzteres enthält einen feinen Nervenast und kleine Gefäße. Eigentümlich ist die "Stelle beschaffen, an der bei A der Ramus lateralis innen in die Nasenkapsel gelangt. Der Nerv tritt nämlich in eine kleine Nische, in der Knorpelwand, deren Innenwand nach vorn einen selbständigen kleinen Vorsprung in die Nasenkapsel bildet (Taf. 8 Fig. 41 wo). Ganz ähnliche Verhältnisse zeigen sich bei der Einmündung des Ramus medialis von B durch ein eigenes Foramen. — Bei B ist die Fissura orbitonasalis sehr klein, da sie durch vom Planum ausgehende Knorpelstücke in ihrer Ausdehnung beschränkt wird (Taf. 11 Fig. 66). In der Höhe des Unterrandes des Septums legt sich an den medialen Rand des Planums das Hinterende der Pars paraseptalis, das bei B in geringem Maße mit dem Planum antorbitale ver- schmilzt (s. S. 152). Die Verbindung mit der Paries geht nur etwas tiefer als die Muschelleiste; mit den darunter gelegenen Teilen der Paries, die den Ductus nasopharyngeus lateral umgeben, steht das Planum nicht in Verbindung. Das Planum antorbitale von Chelydra ist sowohl beim halb- erwachsenen Tiere (Taf. 3 Fig. 21, 22 pl. ao) wie beim reifen Embryo (Taf. 12 Fig. 73—77 pl. ao) wohl ausgebildet; es bleibt durchgängig vom Septum getrennt und umrahmt in seinem oberen Teile zusammen mit dem Tectum die große Öffnung (Taf. 3 Fig. 21; Taf. 12 Fig. 74, 75, 77 fi. on‘), die durch die Vereinigung von Foramen olfactorium und Fissura oncle bei Chelydra entstanden ist; durch ihren unteren Teil tritt der ganze Ramus ethmoidalis n. trigemini in die Nasenkapsel. Der Palatoquadratbogen. Der Palatoquadratbogen der mir vorliegenden reifen Embryonen von Chelydra, Chelonia und Dermochelys zeigt schon wesentlich das Verhalten der ausgewachsenen Schildkröten, abgesehen natürlich von der viel geringeren Verknöcherung. Er besteht aus dem Quadratum mit der Pars articularis und dem Processus pterygoideus (G@AUPP, 1900, p. 489) sowie dem Mecker'schen Knorpel. Das Quadratum der Embryonen hat dieselbe Gestalt wie das der Erwachsenen und weist bereits auf dem weitaus größten Teile seiner Oberfläche peri- 166 Lupwie Nick, chondrale Verknöcherung auf (Taf. 4 Fig. 23—26; Taf. 5 Fig. 27—30; Taf. 6 Fig. 31; Taf. 8 Fig. 37—39; Taf. 10 Fig. 54—58). Bei Chelydra bildet das Squamosum einen starken, nach oben und hinten ge- richteten Vorsprung auf dem Quadratum. Dieser wird ganz von einer mächtigen, aber sehr dünnwandigen Ausbuchtung des Quadratums (Taf. 10 Fig. 54) ausgefüllt, welche hier im Innern des Squamosums beim halberwachsenen Chelydra-Kopfe noch ganz knorplig ist. Beim etwas älteren, macerierten Schädel ist die Verknöcherung dieser dünnen Knorpelwandung kaum weiter vorgeschritten. Das knöcherne Quadratum zeigt hinten ein großes Loch; nach der Ausbildung von dessen Rändern scheint der mediale Teil der Knorpelwandung, die das Quadratum innerhalb des Squamosums abgeschlossen hat, in Rück- bildung zu sein. Der Processus paroticus der Ohrkapsel legt sich von hinten an das Quadratum, und sein hinterstes Ende bleibt bei Dermochelys, wie schon beschrieben, immer knorplig. Am Gelenkende des Quadratums bleibt bei Dermochelys zeitlebens eine ziemlich dicke Knorpelschicht (bei VII 2--5 mm) erhalten. Die Gelenkfläche für den Unterkiefer ist konkay (Taf.5 Fig. 28, 30; Taf. 8 Fig. 38; Taf. 10/Rie2737758) so dab die Fläche außen und innen etwas tiefer herabreicht als in der Mitte und so ein Gelenksattel entsteht, in dem die Cartilago Meckelii articuliert. Der Processus pterygoideus ist bei Chelonia (Taf.8 Fig. 40 pr. pter) und Chelydra (Taf. 8 Fig. 40 pr. pter) in einer Rinne auf der lateralen Seite des Pterygoids gelegen. Er erreicht bei diesen Formen den Descensus parietalis an dessen lateraler Seite, da wo dieser mit dem aufstrebenden Fortsatze des Pterygoids zusammen- trifft, verbreitert sich hier etwas (Taf. 10 Fig. 60) und senkt sich dann wieder am Pfeiler auf die Fläche des Pterygoids herab. Bei Chelydra zieht der vordere Teil des Processus pterygoideus stark lateralwärts und legt sich mit seinem vordersten Ende noch auf das Jugale. Der ganze Processus ist beim Embryo noch knorplig außer dem oberen, verbreiterten Teil am Descensus parietalis, der schon eine Knochenhülle aufweist. Diese Verknöcherung dehnt sich weiter aus, und das verknöcherte Stück ist am macerierten Schädel als Epipterygoid bekannt (vgl. für Chelonia und Chelydra Monxs 1878). Die Verbindung nach hinten mit dem Quadratum ist bei den mir vorliegenden Köpfen von Chelonia und Chelydra knorplig erhalten, während der absteigende vordere Schenkel auch verknöchert ist, mit Ausnahme des vordersten Stückes, das knorplig bleibt. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 167 Der Processus pterygoideus von Dermochelys ist sowohl beim Embryo (Taf. 6 Fig. 32, 33 pr. pter) wie bei der Erwachsenen (S. 167 Fig. Q pr. pter) wohl ausgebildet; er geht wie bei Chelonia in einer Rinne des Pterygoids nach vorn. An einer Stelle finden wir eine leichte Aufwulstung der medianen Kante der Rinne, worin VAN BEMMELEN die reduzierte aufsteigende Leiste des Pterygoids erkennt (vgl. S. 46). Hier sendet der knorplige Processus ptery- goideus einen ganz stumpfen Fortsatz (Fig. Q eh) in die Höhe, Fig. Q. Dermochelys coriacea, Schädel III von der linken Seite; die Schläfenkappe ist ab- genommen (vgl. Taf. 2 Fig. 7); auf die Schädelbasis ist der Processus pterygoideus (pr. pter) nach den Verhältnissen bei dem Kopfe VII eingezeichnet. 1:3. eh Epipterygoidhöcker. um darauf wieder als einfacher Knorpelstab noch eine kurze Strecke weiter nach vorn zu ziehen (Fig. Q). Dieser Höcker entspricht nach allem dem hakenförmigen Vorderteile des Processus ptery- goideus bei Chelonia und Chelydra, der hier nicht mehr in dem Maße ausgebildet wird; seine geringe Entwicklung findet wohl ihre Er- klärung in einer Reduktion der Parietalpfeiler bei Dermochelys und ist mit beweisend für dieselbe. Da im Zusammenhang mit der Rückbildung der Parietalpfeiler auch das Epipterygoid bei der er- wachsenen Dermochelys fehlt, ist diese geringe Ausbildung seiner Anlage beim Embryo zu erwarten. — Der Processus pterygoideus bei Dermochelys vor diesem Epipterygoidhöcker zieht dann als abge- flachter Knorpelstreifen ziemlich weit nach vorn, bis etwa in die Höhe der Fenestra septi interorbitalis unter dem Subiculum infundi- 168 Lupwie Nick, buli. Bezeichnend ist auch, daß an dem Epipterygoidhöcker zum Teil das Bindegewebe inseriert, welches sich nach oben an die knorplige Seitenwand des Craniums anheftet und eine Art Cavum epiptericum nach außen abschließt (s. S. 125), wie dies bei den übrigen Schildkröten durch die Descensus parietales geschieht. Ebensowenig wie Gaupp (1905 b, p. 789) vermag ich bei Chelonia einen selbständigen knorpeligen Annulus tympanicus zu finden, wie ihn Parker (1880, p. 37) angibt. Auch bei Dermochelys und Chelydra findet sich nichts ‘derartiges. Die Cartilago Meckelii bleibt bei Dermochelys (Taf. 5 Fig. 30; Taf. 6 Fig. 31—34; Taf. 7 Fig. 35; Taf. 8 Fig. 41 ca. me) und Chelonia (Taf. 8 Fig. 38—40; Taf. 9 Fig. 47, 48 ca. me) zeitlebens in be- trächtlicher Ausdehnung erhalten; bei Chelydra (Taf. 10 Fig. 57—61 ca. me) ist sie relativ schwächer. Bei Chelonia und Chelydra verknöchert in ihrer Gelenkpartie ein selbständiges Articulare, das bei Dermochelys fehlt. Der Mecker’sche Knorpel ist bei allen drei Formen embryonal an der Gelenkstelle verbreitert und eingesattelt, so daß die mediale Er- hebung der Gelenkfläche des Quadratums in diesen Sattel paßt (Taf. 5 Fig. 30; Taf. 6 Fig 31; 'Taf.’8 Wis. 38; "Tar WR) Bei Chelonia findet sich auch auf der lateralen Seite des MEcKEr’schen Knorpels noch eine Einsattelung (Taf. 8 Fig. 38, 39), die bei Dermo- chelys (Taf. 5 Fig. 30 links) und ebenso bei Chelydra (Taf. 10 Fig. 58) schwächer ausgeprägt ist; sie wird von dem Supraangulare gestützt, welches namentlich bei Chelonia den MEcker’schen Knorpel von außen einkerbt. Dieser zweite Sattel wird aber als Gelenkfläche für die laterale Senkung der Gelenkfläche des Quadratums kaum in Betracht kommen, da er zu weit vorn liegt.!) Vor dem verbreiterten hinteren Ende verschmälert sich der Meckkr’sche Knorpel und legt sich dann in eine Rinne des Dentales, die er ausfillt. Nach Parker (1880) und Gaupr (1905b) ist die vordere Symphyse (bei Chelonia) ein selbständiges Knorpelstück. Ich finde auf den mir vorliegenden Stadien hier alles schon einheitlich verschmolzen. Aber kurz ehe beide Hälften zusammenfließen, springt 1) Der mediale Rand der erstgenannten Einsattelung ist in seiner hintersten Partie bei Chelydra von der Chorda tympani durchbohrt. Sie gelangt aus dem Knorpel zwischen das Goniale und die mediale Seite des MECKEL’schen Knorpels; dann tritt sie für eine Strecke weit in das Goniale selbst. Bei Dermochelys und Chelonia durchbohrt der Nerv den MeEckEtv’schen Knorpel nicht, benutzt aber für eine Strecke weit einen Kanal im Goniale; über das Verhalten der Chorda tympani bei Schild- kröten vgl. a, GAUPP 1911, p. 109, 110. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 169 bei Dermochelys und Chelonia beiderseits der Knorpel nach hinten unten und etwas medial heraus, und dann wird erst die Symphyse ge- bildet. Bei Chelydra bildet die Symphysenpartie eine flache, vorn etwas nach oben zugespitzt auslaufende Platte, deren mittlerer Teil nach hinten zwischen die Mecker'schen Knorpel vorragt und von hinten etwas eingebuchtet ist. Die vordere Spitze des Meckkr'schen Knorpels ist nach vorn in die Symphyse der Dentalia hinein aus- gezogen; bei Chelonia ist die äußerste Spitze des Knorpels nach hinten überkippt, während bei Dermochelys die Knorpelspitze gerade in die Höhe geht, entsprechend dem Vorsprunge auf der Symphyse der Dentalia. IV. Allgemeine Übersicht der Besonderheiten des Dermochelys- Schädels gegenüber dem von Chelonia und Chelydra. Sind bei einem Merkmal des Dermochelys-Schädels Anklänge an Chelonia oder Chelydra vorhanden, so unterbleibt die Trennung durch Strich nach der betreffenden Seite der Tabelle Ist ein Merkmal nur Dermochelys eigentümlich, so ist es nach beiden Seiten gesondert. A. Merkmale im knöchernen Schädel. Chelonia Dermochelys | Chelydra 1. Condylus oceipitalis Condylus oceipitalis nicht | Condylus occipitalis gut gut ausgebildet. völlig verknöchert. | ausgebildet. 2. Basioccipitale ent- Basioccipitale an der Basioccipitale wird vom weder in der Umgrenzung Umgrenzung des Foramen | Foramen magnum durch des Foramen magnum oder magnum beteiligt. die Exoccipitalia ausge- hier von den Exoccipitalia schlossen. bedeckt. | 3. Schwache Crista basi- Kräftige Crista basiocei- Schwache Crista basi- oceipitalis. pitalis. oceipitalis. | 4. Basioceipitale verbin- Basioceipitale verbindet Nach Siepenroox (1897 det sich nicht mit Opisth- sich nicht mit Opisthoti- | p.251)Verbindung von Basi- oticum. cum. occipitale undOpisthoticum. Bei meinem Chelydra- Schädel keine Verbindung. 5. Zwei Foramina 4 Ein For. n. hypoglossi, Zwei For. n. hypoglossi hypoglossi im Exoccipitale. | oft mit zwei äußeren Off- | im Exoceipitale. nungen, im EN 6. For. jugulare anterins For. jug. ant. Jänelich. länelich. For. jug. aut. rund. 170 Lupwıc Nick, Chetonia 7. Ineisura jugularis posterior im Exoceipitale. 8. Verbindung des Ex- occipitales mit dem Ptery- goid seitlich unten am Tuberculum basioccipitale. 9. Crista supraoccipi- Dermochelys Chelydra Incisura jugularis poste- rior im Exoceipitale, außer bei V.; hier ein For. jug. post. Verbindung des Exoccipi- tales mit dem Pterygoid hier nur manchmal (V.) er- reicht. Crista supraoccipitalis talis hoch und weit nach | kurz. hinten vorragend. 10. Dauerndgroße, knorp- lig geschlossene Lücke in der medianen Vestibular- wand, zwischen Prooticum, Opisthoticum und Supra- oceipitale. 11. Hier (10.) Foramen endolymphaticum, im Knor- pel. 12. Im Labyrinthteil des Supraoccipitale Recessus pro sinu utr. sup. mit zwei Ineisuren für Can. sem. ant. und post. 13. Verbindung des knöchernen Processus paro- ticus mit dem Squamosum. 14. Recessus amp. post. im Opisthoticum mit Ori- ficia für Can. sem. ext. und post. Dauernd große, knorplig geschlossene Lücke in der medianen Vestibularwand, zwischenProotieum,Opisth- oticum und Supraoccipi- tale. Foramen endolymph. im Knorpel nur beim Embryo, später fehlend. Im Labyriuthteil des Supraoccipitale Recessus pro sinu utr. sup. mit Ori- ficium für Can. sem. post. und Inc. für Can. sem. ant. oder auch Orificium für Can. sem. ant. Nur das knorplige Ende des Processus paroticus er- reicht das Squamosum. Rec. amp. post. mit In- cisur für Can. sem. post. und Pessulus ext., der aber allein kein vollständiges Orificium für Can. sem. ext. abschließt. Immer ein For. jug. post. im Exoccipitale, welches weit von der Fenestra postotica getrennt bleibt. Ausgedehnte Verbin- dung zwischen Pterygoid, und Exoccipitale seitlich des Tuberculum basi- occipitale. Crista supraoccipitalis hoch und weit nach hinten vorragend. Kleine Lücke in der medianen Vestibularwand, bei Macroclemmys fast ganz geschlossen, und ebenso wohl bei älteren Chelydren. Foramen endolymph. in der medianen knöchernen Labyrinthwand, im Supra- occipitale. Im Labyrinthteil des Supraoceipitale Recessus pro sinu utr. sup. mit Orificia für Can. sem. ant. und post. Feste Verbindung des knöchernen Processus pa- rotieus mit dem Squa- mosum. Rec. amp. post. mit Orificia für Can. sem. ext. und post. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. wel Chelonia 15. N. glossopharyngeus tritt durch die mediane knorplige Vestibularwand in die Ohrkapsel und durch das For. ext. n. IX im Opisthoticum wieder her- aus. 16. Prooticum mit Parie- tale verbunden. 17. Fossa acusticofacia- lis mit For. int. n. facialis und einem For. acust. so- wie einer Inc. acust. Außer- dem ein kleineres For. unter dem For. acust. 18. Im Prootieum Inei- sura can. sem. ext. und Orificium can. sem. ant. 19. Ganz rudimentäres Parasphenoid (?). 20. Kein Dorsum sellae. eigentliches 21a. Schwache Crista auf dem Basisphenoid. 21b. (Eine schwache me- diane Knochenleiste zieht vom Basisphenoid in die Fossa hypophyseos herab.) 22a. Foramen n. ab- ducentis im Basisphenoid. Dermochelys N. glossopharyngeus tritt durch die mediane knorpel. Vestibularwand in die Ohr- kapsel und durch das For. ext. n. IX im Opisthoticum wieder heraus. Prooticum nicht mit Parietale verbunden. Fossa acusticofacialis mit For. int. n. facialis, einem For. acust. und einer Inc. acust. Außerdem ein oder zwei kleinere Fora- mina. Im Prooticum Inc. can. sem ext. und Inc. can. sem. ant. Großes Parasphenoid mit Rostrum parasphenoidale. Sehr hohes Dorsum sellae. Kräftige Crista auf dem Basisphenoid. Vorsprung in der Mitte des Dorsum sellae, vor der Crista (darüber am nicht macerierten Kopfe der Knorpelhöcker, als Rest der Intertrabecula). Ineisura n. abducentis im Basisphenoid. Chelydra N. glossopharyngeus ge- langt durch ein For. int. n. IX im knöchernen Opisthoticum in den Rec. amp. post. und durch ein For. ext. n. IX im Opi- sthoticum wieder heraus. Bei Macroclemmys liegt N. IX ganz in einem Kno- chenkanal des Opisthoti- cum (n. SIEBENROCK, 1897, p. 259, 260). Prootieum mit Parietale verbunden. Fossa acusticofacialis, mit For. int. n. facialis, zwei For. acust. und einer (schwachen) Inc. acust. Im Prooticum Inc. can. sem. ext. und Orificium can. sem. ant. Parasphenoid mit Ro- strum parasphenoidale. Ausgeprägtes Dorsum sellae. Schwache Crista auf dem Basisphenoid. For. n. abducentis im Basisphenoid. 172 Lupwie Nick, Chelonia Dermochelys Chelydra 22b. Kurze, stumpfe Proc. elinoidei fehlen. Lange, spitze Proc. cli- Processus clinoidei. 23. Die Trabekeln gehen nach vorn und sind mit einer Intertrabecula ver- schmolzen, die den Boden der Fossa hypophyseos bil- det. Aus der Verschmel- zung von Trabekeln und Intertrabekel entsteht das Rostrum basisphenvidale, an dem der Unterrand des knorpligen Septum inter- orbitale ansetzt. 24. Auf der Unterseite des Schädels eine scharfe Kante am Hinterrande des „Basisphenoids“ ; das Basi- occipitale liegt höher. 25. In der medialen Um- randung der Fenestrainfra- orbitalis ist der Außen- rand des Pterygoids hinten tief einge- kerbt. 26. Geringe Spuren eines Processus ectopterygoideus. Die Trabekeln (soweit sie nicht reduziert sind) sind abwärts gegen das Ro- strum parasphenoidale ge- richtet, das den Boden der Fossa hypophyseos bildet. An ihren medianen vorde- ren Teil kann der Unter- rand des Septum inter- orbitale ansetzen. Untere Flächen des Parasphenoids und Basi- occipitales fast in einer Ebene. In der medialen und hin- teren Umrandung der Fe- nestra infraorbitalis biegt der Außenrand des Ptery- goids mit glatter Kan- te zur Pars articularis des Quadratums hinüber. Nichts von einem Pro- cessusectopterygoideusvor- handen. 27. Das Pterygoid ver- bindet sich hinter dem Maxillare und Palatinum mit dem Jugale. 28. Die Carotis interna liegt hinten im Canalis caroticus des Pterygoids, der vorn noch auf kurze Erstreckung durch Ptery- goid und Basisphenoid ge- meinsam gebildetist. Dann Die Verbindung des Pterygoids mit dem Jugale fehlt. Die Carotis interna liegt hinten im gemeinsamen Raume mit dem Sinus cavernosus, dann aber medial davon in einem vom Pterygoid gebildeten Sulcus oder in einem von Ptery- noidei. Die Trabekeln gehen nach vorn, sind aber mit einem Rostrum parasphe- noidale verschmolzen, das den Boden der Fossa hypo- physeos bildet. An die Trabekeln setzt der Unter- rand des Septum inter- orbitale an. Untere Flächen des Parasphenoids und Basi- occipitales in einer Ebene; bei Macroclemmys leichte Kante angedeutet. In der medialen und hin- teren Umrandung der Fe- nestra infraorbitalis biegt der Aubenrand des Ptery- goids mit glatter Kante zur Pars arti- cularis des Quadratums hinüber. Kräftiger Processus ecto- pterygoideus. Das Pterygoid verbindet sich hinter und über dem hinteren Maxillare mit dem Jugale. Die Carotis interna ge- langt durch einen einheit- lichen Canalis caroticus zwischen Pterygoid, Basi- sphenoid und Prooticum in die Fossa hypophyseos. Bei Macroclemmys liegt Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. Chelonia zieht die Carotis in gemein- samen Sulcus mit dem Sinus cavernosus, aus dem ihr Hauptast,die Art. cerebralis durch das For. car. int. in die Fossa hypophyseos ge- langt. Ramus palatinus n. facialis (= N. vidianus) gelangt durch ein For. vidianum zwischen Ptery- goid und Basisphenoid in den Carotiskanal und dann durch den Sulcus im Ptery- goid an dem äußeren Haupt- ast der Carotis, der Arteria palatinonasalis (RartHke) entlang ziehend, nach vorn in das Cavum epiptericum. Dermochelys goid, Basisphenoid und Pro- oticum gebildeten Canalis caroticus; vorn noch ein kurzer Kanal (For. car. int.) für Art. cerebralis zwischen den Trabekeln und dem Dor- sum sellae, wenn die Tra- bekeln entsprechend aus- gebildet sind. Wenn beide Kanalstücke für die Carotis zusammen auftreten, so wird ein einheitlicher Kanal nur durch die Lücke in der lateralen Wand hinter denTrabekeln unterbrochen (vgl. S. 41). Ramus pala- tinus n. facialis begleitet die Carotis cerebralis bis hinter die Trabekeln und gelangt dann mit der Ar- teria palatinonasalis, even- tuell durch die Lücke, nach vorn in den Raum, der bei Dermochelys dem Cavum epiptericum entspricht. 29. Zu den Descensus parietales aufsteigende Lei- sten der Pterygoide. 30. Foramen sphenoidale. 31. Epipteryyoid. 32. Incisura columellae auris. 33. Crista praetempo- ralis fehlt. 34. Endplatte der Colu- mella auris ziemlich außer- halb der Incisura col. auris. Zu den Descensus parie- tales aufsteigende Leisten der Pterygoide kaum an- gedeutet. Foramen fehlt. sphenoidale Epipterygoid fehlt. Ineisuracollumellae auris. _ Crista fehlt. praetemporalis Endplatte der Col. auris bei Erwachsenen dicht bei der Inc. col. auris. 173 Chelydra der Canalis caroticus groBenteils nur im Ptery- goid (SIEBENROCK, 1897, p. 301, tab. 6, fig. 33) und dann unmittelbar im Basi- sphenoid. Ramus pala- tinus n. facialis gelangt aus dem Prooticum in den Can. caroticus und zieht dann zusammen mit der Arteria palatinonasalis durcheinen eigenen kurzen Kanal zwischen Prooti- cum, Basisphenoid und Pterygoid (außen von der Arteria cerebralis) in das Cavum epiptericum. Bei Macroclemmys we- sentlich ebenso, nur ist ein Foramen vidianum im Pterygoid nötig, durch das der Nerv in den Cana- lis caroticus im Pterygoid gelangt. Zu den Descensus parie- tales aufsteigende Leisten | der Pterygoide. Foramen sphenoidale. Epipterygoid. Foramen columellae au- ris, beim reifen Embryo Ineisura. Crista praetemporalis. Endplatte der Col. auris ziemlich außerhalb der For. col. auris. 174 Lupwie Nick, Chelonia 35a. Das Quadratojugale berührt auf der Außenseite des Schädels das Postfron- tale, legt sich aber schon etwas unter das Jugale. Nur in Ausnahmefällen Quadratojugale und Post- frontale getrennt. 35b. Jugale fehlt in Verbindung und von Squamosum der Regel. 36. Quadratojugale bis unten breit. Dermochelys Quadratojugale und Post- frontale durch Squamosum und Jugale außen ge- trennt; auf der Innen- seite erreicht eine große, hauptsächlich unter dem Jugale gelegene Knochen- schuppe des Quadratojuga- es das Postfrontale. Verbindung von Jugale und Squamosum. Unterteil des Quadrato- jugales an der Pars arti- cularis des Quadratums sehr verschmälert. 37. Jugale verbindet sich Jugale verbindet sich mit Palatinum. nicht mit Palatinum. 38. Kaum ein eigentlicher Schwacher Proc. squa- Proc. squamosus. mosus. 39. Vollständiges Tem- poraldach. 40. Descensus parietales. 41a. Naht zwischen Post- und Praefrontale sehr kurz (oder fehlend). 41b. Frontale erreicht am ausgewachsenen Schä- del die Orbita in einzelnen Fällen. 42, Scharfgerandete Rinne auf der Unterseite der Frontalia für die Lobi olfaetorii. Vollständiges Temporal- ach. Descensus parietales feh- en. Naht zwischen Post- und Praefrontale vorhanden. Frontale erreicht am aus- gewachsenen Schädel die Orbita nicht. Keine scharfgerandete Rinne auf der Unterseite der Frontalia. 5 S b dach l Chelydra Quadratojugaleund Post- frontale außen breit ver- bunden. Verbindung von Jugale und Squamosum fehlt. Quadratojugale bis unten reit. Jugale verbindet sich mit Palatinum. Proc. squamosus sehr kräftig. Temporaldach stark ein- geschnitten. Descensus parietales. Post- vor- Naht zwischen und Praefrontale handen. Frontale erreicht am ausgewachsenen Schädel die Orbita nicht. Gerandete, tiefe Rinne auf der Unterseite der Frontalia. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. Chelonia 43. Schmaler Spalt zwischen den Vertikal- platten der Praefrontalia. 44. Foramen nasopala- tinum von der Choane ge- trennt. 45. Praefrontale erreicht Palatinum und Vomer. 46. Mediannaht zwi- schen beiden Praefrontalia (schon beim Embryo). 47a. Keine Verbindung des Maxillares mit dem Pterygoid. 47b. Hinterrand des Proc. palatinus des Maxillares durch das Jugale von der Fenestra infraorbitalis ge- trennt. 48. Das Maxillare be- grenzt die Choanen nicht. Dermochelys Weite Offnung zwischen den Vertikalplatten der Praefrontalia. Foramen nasopalatinum fließt mit der Choane zu- sammen (vgl. S. 57). Praefrontale erreicht Pa- 175 Chelydra Oben erweiterter Spalt zwischen den Vertikal- platten der Praefrontalia. Foramen nasopalatinum von der Choane getrennt. Praefrontale erreicht latinum und Vomer nicht. |Palatinum und Vomer. Sehr kurze und unvoll- ständige Mediannaht zwi- schen beiden Praefrontalia (fehlt beim Embryo). Keine Verbindung des Maxillares mit dem Ptery- goid. Hinterrand des Proc. palatinus (und der Pala- tina) frei. Das Maxillare begrenzt die Choanen nicht oder nur wenig (s. S. 59, 64). 49. Die Intermaxillaria bilden kaum einen Vor- sprung in die Apertura narium externa. 50. Einbuchtungen in der Alveolarkante des Maxillares und Intermaxil- lares fehlen. 51. Auf der Gaumenseite zwischen Intermaxillaria Die Intermaxillaria bil- den einen großen, charak- teristischen Vorsprung nach oben. Tiefe Einbuchtungen, paarig in der Alveolar- kante des Maxillares, un- paar zwischen den Inter- maxillaria. Tiefe Grube auf der Gaumenseite zwischen In- Mediannaht zwischen beiden Praefontalia. Verbindung des Maxil- lares mit dem Pterygoid. Uber (und an) dem freien Hinterrande des Proc. palatinus an der Fenestra infraorbitalis verbinden sich Jugale und Pterygoid. Das Maxillare begrenzt die Choanen. Die Intermaxillaria springen nach unten vor und nicht nach oben. Flache Einbuchtung in der Alveolarkante des Maxillares. Tiefe Grube auf der Gaumenseite zwischen In- Lupwie Nick, Chelonia Dermochelys und Vomer kaum eine | termaxillaria und Vomer arube. für die nach oben vor- springende Unterkiefer- symphyse. Darin Lücke zwischen dem Oberrande der Intermaxillaria, die sich in den Hohlraum für die Nasenkapsel öffnet. Chelydra termaxillaria und Vomer für die nach oben vor- springende Unterkiefer- symphyse. Darin Lücke zwischen dem Oberrande der Intermaxillaria, die sich in den Hohlraum für die Nasenkapsel öffnet. 52. Foramen ineisivum Foramen ineisivum fehlt. fehlt (s. S. 61). 53a. Wohl entwickelter knöcherner Gaumen. | Kein sekundärer Gaumen. sekundärer | Vomer und Palatinum vor den Choanen gerade noch (oder nicht mehr) ver- bunden. 53b. Vomer und Pala- tinum vor und unter den Choanen auf ein großes Stück verbunden. 54. Foramen palatinum posterius fehlt. Foramen palatinum po- sterius fehlt. Foramen ineisivum zwi- schen Vomer und Inter- maxillare vorhanden. Kein knöcherner, aber ein weicher sekundärer Gaumen. Vomer und Palatinum vor und unter den Cho- anen nicht verbunden. Foramen palatinum po- sterius vorhanden. Schneidender Unterkie- ferrand mit großer Spitze an der Symphyse. 55. Unterkiefer mit brei- ter Kaufläche; vorn kleine, nach oben vorspringende Spitze. Knöchernes Articulare fehlt. 56. Articulare verknö- chert. 57. Coronoid vorhanden. Coronoid fehlt. 58. Kein Nervenloch etc. an der medialen Fläche von Angulare und Goniale. _ Nervenkanal (V, 3) bzw. Suleus im Angulare. Flacher Suleus carti- laginis Meckelii im Den- tale. 59. Tiefer Sulcus carti- laginis Meckelii im Den- tale. Schneidender Unterkie- ferrand mit Spitze an der Symphyse. Articulare verknöchert. Coronoid vorhanden. Nervenloch zwischen Angulare und Goniale. Flacher Sulcus carti- laginis Meckelii im Den- tale. Chelonia Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. Turin | Dermochelys Chelydra For. canalis alveolaris For. canalis alveolaris 60. For. canalis alveolaris in der Mitte des halben Unterkiefers im Dentale. ganz vorn im Dentale. | hinten im Dentale. 61. Verknöcherungsmodus des Zungenbeins bei allen drei Formen gleich (s. SIEBEN- Rock 1898, p. 428). Verknöcherung langsam ; Cornu hyale länglich. 62. Entoglossum ge- streckt, oval, beim reifen Embryo schon gut ent- wickelt. B. Wenn Merkmale hervorzuheben wären, wachsenen gebracht wurden, geführt. Verknöcherung sehr lang- sam; Cornu hyale läng- lich. Kein Entoglossum. im Chondrocranium der Verknöcherung rascher. (GEGENBAUR, 1898, I,p.446) Cornu hyale im ganzen dreieckig. Entoglossum herzförmig (SIEBENROCK, 1898, p. 431). Entwickelt sich sehr lang- sam; fehlt beim reifen Embryo. Merkmale im Chondrocranium. reifen Embryonen die bereits bei den Ersatzknochen der Er- so werden sie hier nicht nochmals auf- Chelonia 63. Ohne seitliche Knor- pelleisten an der vorderen Basalplatte. 64. Keine sekundären Knorpelplatten über dem Basisphenoid. 65. Tuberculum basale. 66. Canalis hypoperi- Iymphatiens; enthält nur lockeres Bindegewebe. Dermochelys Ohne seitliche Knorpel- leisten an der vorderen Basalplatte. Dicke sekundäreKnorpel- platten über sphenoid. dem Basi- Tuberculum basale. | Canalis hypoperilympha- | ticus, mit kleinen Venen. Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. NT NT IE eee Chelydra Seitliche Knorpelleisten an der vorderen Basal- platte nach unten, vom Facialis durchbohrt (Proc. basipterygoidei ?). Keine sekundären Knor- pelplatten über dem Basis- phenoid. Tuberculum basale ? Canalis hypoperilym- phaticus; enthält nur lockeres Bindegewebe. 12 Lupwie Nick, Chelonia Dermochelys Chelydra 67. Unregelmäßigkeiten und Differenzen im Verlaufe kleiner Gefäße an der Ohr- kapsel s. S. 90ff. 68. Saccus endolympha- ticus fehlt. 69. Gefäßloch in der obe- ren lateralen Ohrkapsel- wand fehlt. 70. Die Seitenwand des Cavum cranii zwischen Labyrinth- und Orbital- region nicht unterbrochen. 71. Chelonia nimmt in diesem Punkte in vieler Hinsicht eine Art Mittel- stellung zwischen Dermo- chelys und Chelydra ein. 72. Fußplatte der Colu- mella auris nicht geknickt. 73. Venenloch im Tectum cranii (zwischen den Ohr- kapseln). 74. Das knorplige Tec- tum cranii ist bei Erwach- senen mäßig entwickelt. 75. (Kein Parietalloch). 76. Die knorpligenSeiten- wände der hinteren Orbital- region sind namentlich in Saceus endolymphaticus fehlt. Gefäßloch in der oberen lateralen Ohrkapselwand vorhanden. Unterbrechung in der Seitenwand des Cavum cranii über dem Foramen prooticum. Die einzelnen Teile so- wohl des häutigen wie des knorpligen Labyrinths sind nicht sehr stark gegenein- einander abgehoben. Fußplatte der Columella auris nicht geknickt. Ein Venenloch fehlt an dieser Stelle. Das knorplige Tectum cranii ist bei Erwachsenen außerordentlich stark ent- wickelt, beim Embryo da- gegen kaum mehr als bei Ohelonia. Saccus endolymphaticus vorhanden. Gefäßloch in der oberen lateralen Ohrkapselwand fehlt. Die Seitenwand des Cavum cranii zwischen Labyrinth- und Orbital- region nichtunterbrochen. Die einzelnen Teile so- wohl des häutigen wie des knorpligen Labyrinths sind schärfer gegenein- ander abgesetzt. Unterer Teil der Fub- platte der Columella auris medianwärts umgeknickt. Ein Venenloch fehlt an dieser Stelle. Das knorplige Tectum cranii ist bei Erwachsenen sehr wenig entwickelt. Ein Parietalloch (?) im Ein Parietalloch (?) im knorpligen Tectum cranii. knorpligen Tectum cranii. Infolge des Fehlens der Descensus parietales sind | hinteren die Seitenwände der hinte- Die Seitenwiinde der Orbitalregion werden fast völlig durch Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 179 Chelonia ihrem oberen Teile redu- ziert. 77. Pilae prooticae vor- handen. 78. Intertrabecula, die den Hauptteil des Rostrum basisphenoidale der Er- wachsenen bildet. Die Hypophyse liegt über dem Rostrum, vor der Hypo- physengrube. 79. Asymmetrisches Ver- schmelzen der knorpligen Trabeculae mit der Inter- trabecula beim Embryo. 80. Hoher, nach hinten offener Spalt unter dem Subiculum infundibuli im Septum interorbitale. 81, Foramen prooticum. 82. Die embryonale Tae- nia supratrabecularis wird ganz riickgebildet. 83. Durch Skelet abge- grenztes Cavum epipteri- cum. 84. Plana supraseptalia mit dem Septum interorbi- tale beim Embryo einheit- lich verschmolzen. Dermochelys ren Orbitalregion sehr voll- | ständig. Pilae prooticae vorhan- den. Intertrabecula nur em- bryonal vorhanden und später bis auf einen ge- ringen Rest rückgebildet. Die Hypophyse liegt ähn- lich der von Chelonia vor und über der Hypophysen- grube. Die Intertrabecula liegt beim Embryo symmetrisch zwischen den Trabeculae. Fenestra septi interorbi- talis unter dem Subiculum infundibuli. Foramen prooticum. Reste der embryonalen : Taenia supratrabecularis : bleiben bei Erwachsenen . erhalten. | Ein durch Skelet abge- | grenztes Cavum epipteri- cum fehlt. Plana supraseptalia vom Septum interorbitale beim Embryo auf ziemliche Er- streckung nahtweise ge- trennt. Chelydra die knöchernen Descensus parietales gebildet. Pilae prooticae fehlen schon beim reifen Embryo. Intertrabecula fehlt immer. Flacher, nach hinten offener Spalt unter dem Subiculum infundibuli. Foramen prooticum im Skelet fehlt. Die Taenia supratrabe- cularis fehlt bereits beim reifen Embryo ganz. Ein durch Skelet abge- grenztes Cavum epipteri- cum fehlt (s. S. 122ff.). Plana supraseptalia mit dem Septum interorbitale beim Embryo einheitlich verschmolzen. 12* 180 Lupwie Nick, Chelonia 85. Vorderes Septum interorbitale ohne Lücken. Dermochelys Vorderes Septum inter- orbitale ohne Lücken. 86a. Einige unregelmäßige Foramina in den Plana supraseptalia. 86b. Kein größeres Fen- ster in dem vorderen Pla- num supraseptale. 87. Pars olfactoria des Nasenraums durch Quer- wand scharf von der haupt- sächlich davor gelegenen buchtigen Pars respiratoria gesondert. 88. Ductus nasopharyn- geus ohne Recessus. 89. Glandulae nasales externa et medialis fehlen. 90. Auftreten von caver- nösem Gewebe in den Wan- dungen der Nasenhöhle. 91. Wohl ausgebildete Recessus inferiores in der Nasenhöhle; schwach ge- neigter, langer Ductus nasopharyngeus. 92. Pränasalknorpel vor- handen. _ 93. Pars paraseptalis dem Unterrande des Septum nasi dicht anliegend. Größeres Fenster in dem vorderen Planum supra- septale. Pars olfactoria durch Querwand scharf von der hauptsächlich davor ge- legenen buchtigen Pars respiratoria gesondert. Ductus nasopharyngeus ohne Recessus. Glandulae nasales ex- terna et medialis fehlen. Auftreten von caver- nösem Gewebe; namentlich beim Erwachsenen in sehr starker Entwicklung. Stark reduzierte Recessus inferiores; steiler, kurzer Ductus nasopharyngeus. Pränasalknorpel fehlt. Pars paraseptalis Unterrande getrennt (s. S. 149). vom | des Septums : : durch Spalt getrennt. Chelydra Beim Embryo im vorde- ren Septum interorbitale Lücken. Zahlreiche Unterbrech- ungen und Lücken in den Plana supraseptalia. Pars olfactoria von der davor und darunter ge- legenen Pars respiratoria nur durch die Grenzfalten geschieden. Blind geschlossener Re- cessus des Ductus naso- pharyngeus. Glandulae nasales ex- terna et medialis vor- handen. Cavernöses Gewebefehlt in der Nase. Nasenlumen in diesem Punkte nicht mit den beiden anderen Arten ver- gleichbar. Pränasalknorpel handen. vor- Pars paraseptalis vom Unterrande des Septums Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 181 Chelonia Dermochelys Chelydra 94. Langer Spalt zwi- schen Solum und Septum nasi vor dem Foramen prae- palatinum. 95. Fenestra septi nasi. 96. — 97. Sehr kleiner Choanen- ausschnitt. 98. Isolierter, unpaarer „Ethmopalatinknorpel“ (s. S. 152). 99. Kein Processus maxil- laris posterior. 100. Höher als der Unter- rand des Septums anstei- gende Teile des Bodens erstrecken sich auch vor das Foramen praepalatinum (s. S. 155, 156). 101. Kleines, aber voll- ständiges Knorpeldach über dem hinteren Ductus naso- pharyngeus, durch Zu- sammenfließen vonMuschel- leiste und Cartilago para- septalis. 102. Breite Knorpel- spangen aus Paries und Tectum um den Einfüh- rungsgang; geschlossene Fenestra narina. : aus : um den Einführungsgang;; : Reste der Paries; geschlos- : sene Fenestra narina. Rest eines Spaltes zwi- : schen Solum und Septum : nasi : praepalatinum. vor dem Foramen Fenestra septi nasi. BeimEmbryo sehr großer, beim Erwachsenen klei- nerer Choanenausschnitt. Processus maxillaris po- sterlor. Wie Chelonia. Kein Knorpeldach über dem Ductus nasopharyn- geus. Breite Knorpelspangen Solum und Tectum Solum und Septum nasi vor dem Foramen prae- palatinum einheitlich ver- bunden. Fenestraseptinasi fehlt. Eine scharf vorsprin- gende knorplige Quer- leiste am Septum über der Glandula nasalis medialis. Kleiner Choanenaus- schnitt. Kein Processus maxil- laris posterior. Vor dem Foramen prae- palatinum schließt der Boden einfach an den Unterrand des Septumsan. Kein Knorpeldach über dem Ductus nasopharyn- geus. Knorpelspangen aus Solum und Tectum um den Einführungsgang. Fenestra narina nicht völlig knorplig umrandet. Ganze Gestalt dieser Teile ziemlich verschieden von denen bei Dermochelys und Chelydra. Lupwia Nick, Chelonia 103. Muschelleiste. 104. Paries am Ductus nasopharyngeus hinten ganzrandig. 105. Von Tectum und Paries ausgehende quere, vertikale Knorpelwand zwischen Recessus superior und Pars olfactoria. 106. Cartilago spheno- ethmoidalis ausgebildet oder rudimentär. 107. Je ein Paar Fora- mina für Nerven in Tec- tum und Paries nasi. 108 Planum antorbitale reduziert. 109. Ramus ethmoidalis n. trigemini tritt durch die Fissura orbitonasalis in die Nasenkapsel. 110. Ein am Parietal- pfeiler aufwärts ziehender Haken des Processus ptery- goideus des Quadratums, in dem das Epipterygoid verknöchert. Dermochelys Muschelleiste. Paries am Ductus naso- pharyngeus hinten ganz- randig. Von Tectum und Paries ausgehende quere, verti- kale Knorpelwand zwischen Recessus superior und Pars olfactoria. Cartilago sphenoethmoi- dalis gut ausgebildet. Zahlreiche Foramina in Tectum und Paries nasi. Planum antorbitale wohl ausgebildet. Embryonal findet sich bei A und B ein beson- deres Foramen für den Ramus lateralis dieses Nervenastes, bei B auch ein Foramen fiir den Ra- mus medialis; bei der Er- wachsenen (VII) ließen sich die Verhältnisse nicht feststellen. Der Processus pterygoi- deus des Quadratums bleibt dauernd knorplig und weist einen knorpligen Höcker auf. Chelydra Muschelwulst. Einschnitt und Lücke in der hinteren, unteren Paries, außen von dem -in 88 erwähnten Recessus. Nur ein schwacher Knorpelwulst an ent- sprechender Stelle (da, wo die Grenzfalten sich ver- einigen). Cartilago sphenoeth- moidalis fehlt ganz. Je ein Paar Foramina für Nerven in Tectum und Paries nasi. Planum antorbitale wohl ausgebildet. Ramus ethmoidalis n. trigemini tritt durch die Fissura orbitonasalisin die Nasenkapsel. Wie Chelonia. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 183 V. Zur systematischen Stellung von Dermochelys coriacea. Fassen wir die gefundenen Besonderheiten des Kopfskelets von Dermochelys noch einmal kurz zusammen, um sie auf ihre Abhängig- keit voneinander und auf ihren wahrscheinlichen phylogenetischen Wert zu prüfen. Wir haben Dermochelys mit Chelonia, einer Meeresschildkröte, verglichen und weiter Chelydra, eine Süßwasserschildkröte, heran- gezogen, möglicherweise einen in manchem primitiven Typus, der aber dann nach WırLAnD (1906, p. 294) Spezialisierungen zeigt nach einer Richtung hin, der auch die Spezialisierung der Ahnen der marinen Schildkröten folgte. Wir hätten so Konvergenzen zwischen dem Kopfskelet von Chelydra und dem unserer Seeschildkröten zu erwarten, noch viel weitergehendere Konvergenzen aber zwischen letzteren selbst als Folge der marinen Lebensweise. Ihre Erkennung ist von größter Wichtigkeit für die Frage, ob Dermochelys und Chelonia verwandt sind und in welchem Grade sie verwandt sind. Es muß unsere erste Aufgabe sein, alle Kon- vergenzen, soweit sie als solche erkennbar sind, ja auch diejenigen Ähnlichkeiten im Bau der Schädel, die eventuell durch Konvergenz entstanden sein könnten, auszuschalten, da sie als Merkmale für eine Blutsverwandtschaft keinen Wert haben. — Dermochelys und Chelonia sind zwar beide marin, aber die Art ihrer Ernährung ist ganz verschieden (Doro 1903, p. 29); auch lassen Anzeichen, die im folgenden ihre Besprechung finden werden, darauf schließen, dab Dermochelys eine weitergehende Umformung durch das Meeresleben erfahren hat, sei es, dab sie sich schneller umbilden konnte, sei es, daß ihre Gattung ein längeres Meeresleben hinter sich hat als die Gattung Chelonia. Das mußte eine Reihe von Unterschieden mit sich bringen, Divergenzen, die sich bei Dermochelys nur infolge der schnelleren Umbildungsfähigkeit oder des längeren Meereslebens entwickelt haben und die deshalb nur für die Frage in Betracht kommen können, inwieweit sich Dermochelys und Chelonia heute in ihren morphologischen Charakteren unterscheiden, weniger aber, kaum mehr als die Konvergenzen für die Kernfrage, inwieweit Dermochelys gerade mit Chelonia phyletisch zusammengehört. Dafür müssen in erster Linie solche Eigenschaften herangezogen werden, die sich nicht durch verhältnismäßig neue Anpassung herausgebildet haben können. Haben wir die Konvergenzen und die „rezenten“ Divergenzen, soweit sie für uns erkennbar sind, ausgeschieden, so 184 Lupwie Nick, können wir das, was bleibt, weiter prüfen: ob wir Anzeichen für eine Verwandtschaft von Dermochelys mit Chelonia haben oder viel- leicht mit einer anderen Schildkröte, eventuell mit der daraufhin untersuchten Chelydra; ferner, inwieweit die Eigentümlichkeiten, in denen sich Dermochelys und Chelonia voneinander unterscheiden, eine systematische Trennung beider Formen bedingen, und schließlich, was sich aus alledem für die Stellung von Chelonia und Dermochelys in einem natürlichen Systeme der Schildkröten ergibt. Beginnen wir mit den Merkmalen, deren Auftreten durch die Lebensweise bedingt ist, der möglichen Kon- vergenzen und der oben charakterisierten Divergenzen. Am auf- fallendsten gegenüber Cheloniiden und Chelydriden und wohl gegen- über allen anderen Schildkröten ist die starke Beteiligung von Knorpel am Kopfskelet von Dermochelys. Der Knorpel ist einmal da als Rest des Primordialcraniums erhalten, wo er bei anderen Schildkröten nicht mehr vorhanden ist, dann aber kann er sich auch im zunehmenden Alter über den Bereich des Primordialcraniums hinaus sekundär vermehrt haben. Hierher sind eine Reihe auf- fallender Merkmale am Dermochelys-Schädel zu rechnen: Der großenteils knorplige Condylus occipitalis, (1)!) die knorplig bleibende mediane Labyrinthwand (10, 15,17), die knorplige Verbindung von Opisthoticum und Squamosum (13), die außerordentliche Vollständig- keit des knorpligen Septum interorbitale (85), des knorpligen Tectum cranii (74) und der Plana supraseptalia (76) in der Orbital- region bei Erwachsenen. Darin einbegriffen ist auch die Ausbildung der Pila prootica (77), der Taenia supratrabecularis (82) und des Foramen prooticum (81). Dann fehlt bei Dermochelys zeitlebens ein verknöchertes Articulare (56), und das Zungenbein verknöchert sehr langsam (61). Auch in Kleinigkeiten läßt sich die Tendenz, den embryonalen Knorpel an Stelle von Ersatzknochen zu erhalten, er- kennen, so in den Knorpelresten, die die Pessuli im Labyrinth ver- vollständigen, in den Knorpelresten zwischen Basioceipitale und Basisphenoid und auch darin, daß für den Nervus abducens nur eine Incisur zustande kommt, die durch Knorpel vervollständigt wird, nicht aber ein geschlossenes Foramen im Knochen wie bei Cheloni- iden und Chelydriden. Der Grund für diesen Reichtum an Knorpel im Kopfskelet von 1) Die hier angegebenen arabischen Ziffern beziehen sich auf die Nummern der Merkmale in der vorhergegangenen Tabelle. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 185 Dermochelys ist wahrscheinlich in dem Einflusse des Meereslebens zu suchen, denn es ist eine allgemeine Erfahrung, dab bei Meeres- tieren eine starke Vermehrung des Knorpels eingetreten ist (z. B. bei Ichthyosauriern). Eine Bestätigung findet diese Ansicht darin, daß sich auch bei den pelagischen Cheloniiden der Knorpel auf Kosten des Knochens vermehrt hat, im Gegensatz zu den Sümpfe und Süßwasserseen bewohnenden Chelydriden. Damit ist eine Reihe von Ähnlichkeiten zwischen Dermochelys und Chelonia bedingt, die also auf Konvergenz beruhen können. Bei Chelonia findet sich ein nicht unerheblicher Knorpelüberzug über dem Condylus occipitalis, die mediane Ohrkapselwand ist in derselben Ausdehnung knorplig. Während das knorplige Dach bei Chelonia im Vergleiche mit Der- mochelys schwach ausgebildet wird, sind das Septum und die Wände des Cavum cranii in der Orbitalregion ebenfalls sehr vollständig; in letzterer ist die Pila prootica, die Chelydra abgeht, vorhanden wie bei Dermochelys und dadurch ein Foramen prooticum; embryo- nal findet sich eine Taenia supratrabecularis, ebenfalls wie bei Dermochelys (82). Wie schon Baur (1889a, p. 188) richtig bemerkt, beginnt auch bei Chelonia bereits eine Loslösung des knöchernen Opisthoticums vom Squamosum bemerkbar zu werden!) und das knöcherne Articulare ist von geringer Mächtigkeit. Bei Dermochelys trifft mit der Vollständigkeit des Daches und der Seitenwände des Chondrocraniums in der hinteren Orbitalregion (74, 76) ein Verlust der sonst für Schildkröten so charakteristischen Descensus parietales zusammen (40). Dadurch sind eine Reihe weiterer Unterschiede gegenüber anderen Vertretern der Ordnung bedingt: das Fehlen des Foramen sphenoidale (30), der aufsteigenden Fort- sätze des Pterygoids (29), eines knöchernen Epipterygoids (31) und der Verbindung des Parietales mit dem Prooticum (16). Daß aber die Descensus parietales nicht ursprünglich fehlen, dagegen spricht allgemein der Schildkrötencharakter von Dermochelys, im speziellen dann das Verhalten des knorpligen Processus pterygoideus (110), die freilich geringen Reste der Descensus parietales und der auf- steigenden Leisten im Pterygoid (van BEMMELEN’s „Knochenaus- 1) Es handelt sich hier bei Dermochelys (und Chelonia) sehr wahr- scheinlich nur um eine unvollständige Verknöcherung und nicht um eine primitive lockere Verbindung des Processus paroticus mit dem Squamo- sum wie bei Sphenodon und den Lacertiliern, denn bei allen übrigen Schildkröten findet sich eine feste, nahtweise Verbindung (SIEBENROCK 1897, p. 257). 186 LupwiG Nick, wiichse“, 1896b), die in diesem Zusammenhange so gedeutet werden müssen, und das Fehlen einer Verbindung des Knorpeldaches mit den Seitenwänden im Chondrocranium in der Gegend, wo bei Chelonia die Parietalpfeiler auftreten; dieses Verhalten hat der Embryo von Dermochelys noch mit dem von Chelonia gemein. Ferner zeigt die oberoligocäne Pseudosphargis ingens (Dames 1894, p. 209), die nach allen sonstigen Merkmalen sicher zu den Dermochelyden zu rechnen ist, die Descensus parietales in typischer Ausbildung wie bei Cheloniiden, aber auch im Verhältnis zur Massigkeit des Schädels schon sehr reduziert.!) Schließlich sind auch bei den re- zenten Cheloniiden die Descensus parietales gegeniiber anderen Schildkröten (Chelydra z. B.) schwächer entwickelt, wie Baur bereits angibt (1889a, p. 188). Die vermehrte Ausbildung von Knorpel im Kopfskelet, die aber wohl zu unterscheiden ist von noch erhaltenen Resten primitiver Zustände im Chondrocranium, auf die ich noch kommen werde, be- dingt so einmal bei Dermochelyden ziemliche Annäherungen an das Kopfskelet der Cheloniiden, steht aber andrerseits auch in Zu- sammenhang mit der Ausbildung eines Unterschiedes, der Dermochelys von allen rezenten Vertretern ihrer Ordnung trennt, mit dem Fehlen der Descensus parietales. Sowohl diese Anklänge wie der Unter- schied sind, wie man vermuten darf, durch eine Umformung infolge der Lebensbedingungen im Meere gegeben und verlieren dadurch als Beweis für phylogenetische Beziehungen zwischen beiden Formen sehr an Wert. Schwierig zu deuten sind die eigentümlichen Knorpelplatten (64), die sich bei Dermochelys über der Basalplatte finden. Sie haben jedenfalls mit dem Primordialcranium nichts zu tun, sondern sind eine sekundäre Bildung (s. S. 82ff.). Inwieweit sie und das zu ihnen eehörige Tuberculum basale, das auch bei Chelonia, wo Knorpel- platten fehlen, auftritt und anscheinend auch bei Chelydra angedeutet ist, als eine Knorpelvermehrung, als die Begleiterscheinung eines langen Meereslebens, aufzufassen sind, wird schwer zu sagen sein. Eine primitive Besonderheit von Dermochely wird man in den Platten schwerlich sehen können. 1) Daneben müssen zu jener Zeit aber auch bereits Formen vor- handen gewesen sein, bei denen ein Verlust der Descensus parietales ein- getreten war, denn die mitteleocäne Kosphargis gigas hat nach LYDEKKER (1889, p. 240) sicher keine Descensus parietales. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 187 Als eine Konvergenz bei Dermochelys und Chelonia ist vielleicht das Fehlen des Saccus endolymphaticns (68) zu deuten. Sicheres ist auch hierüber nicht anzugeben. Die Verzögerung der Verknöcherung bei Dermochelys infolge des Einflusses des Meereslebens hatte aber nicht nur zur Folge, daß der Knochen an Stellen, wo dies angängig war, durch Knorpel vertreten wurde, sondern es finden sich auch Anzeichen dafür, daß eine Re- duktion des Knochens an einigen Stellen des Schädels von Dermo- chelys eingetreten ist, ohne daß ein Ersatz dafür geschaffen wurde; dasselbe ist in geringerem Maße auch bei Chelonia der Fall. So findet sich bei Dermochelys nur eine Incisur für die Vena jugularis interna (7) und ebenso bei Chelonia, während bei den Chely- driden immer ein geschlossenes Foramen vorhanden ist. Auch die Carotis ist bei Dermochelys sehr wenig von Knochen umgrenzt; jedoch ist es möglich, daß hier primitive Verhältnisse vorliegen, da in diesem Punkte vielleicht mehr Anklänge an Chelydriden vorhanden sind (29) und nicht an Cheloniiden, wo dann dasselbe angestrebt sein müßte, aber gerade im Gegenteil ein sehr geschlossener Carotiskanal vor- handen ist. Fraglich ist, ob bei Dermochelys der freie Hinterrand des Palatinums und des Processus palatinus des Maxillares (47 b) auf die Tendenz, Knochen rückzubilden, zurückzufübren ist; dadurch werden auch die in 27, 37, 47a angeführten Merkmale hervorgerufen, in denen sich Dermochelys von Cheloniiden und Chelydriden unter- scheidet. Bei den Cheloniiden machen sich (s. Baur, 1889a, p. 188) auch Bestrebungen geltend, die den Hinterrand der Palatina frei- machen und Jugale und Pterygoid trennen wollen, und dies spricht dafür, dab an dieser Stelle Knochen rückgebildet werden kann. Hierher ist jedenfalls auch die Reduktion des Processus ectoptery- goideus (26) zu rechnen, der bei Dermochelys ganz fehlt und bei Chelonia nur rudimentär vorhanden ist, während er bei Chelydriden sehr kräftig ausgebildet wird. Ebenfalls in diese Rubrik gehört die Lösung der Verbindung zwischen Exoccipitale und Pterygoid am Tuberculum basioccipitale (8), die bei Cheloniiden nur knapp erreicht ist, während bei Chelydriden eine lange Naht besteht, und wahr- scheinlich auch die Anteilnahme des Basioccipitales an der Um- grenzung des Foramen magnum bei Dermochelys (2), was öfter auch bei Cheloniiden (SIEBENROCK, 1897, p. 252), nie aber bei den Chely- driden oder anderen Schildkröten eintritt; möglicherweise könnte hier aber auch ein primitives Verhalten vorliegen. Ferner wird die Reduktion der Crista supraoccipitalis (9) hier eingereiht werden 188 Lupwie Nick, miissen, die bei den Chelydriden sehr stark, bei Dermochelys aber kaum ausgebildet ist, während Chelonia die Mitte hält. Daß eine Verbindung des Vomers mit den Vertikalplatten der Praefrontalia _ bei Dermochelys unterbleibt (45), könnte wohl teilweise auch auf dem Bestreben beruhen, die Knochenmasse zu verringern; primitiv ist diese Trennung bei Dermochelys sicher nicht, denn dagegen sprechen die zu den Platten aufstrebenden Fortsätze des Vomers, die sie aber nicht erreichen. -— Die bei den Cheloniiden scharf gerandete Rinne an der Unterseite der Frontalia für die Lobi olfactorii, die auch bei den Chelydriden vorhanden ist, ist bei Dermochelys da- durch, daß die knorpligen Plana supraseptalia ihre Aufgabe über- nehmen, nicht ausgebildet. Auch die Reduktion der Parietalpfeiler kann hier nochmals angeführt werden, da nicht mit Sicherheit zu sagen ist, ob die (sekundär) vollständigen Seitenwände des Chondro- craniums den Anstoß dazu gaben, dab die Descensus parietales als überflüssig rückgebildet wurden, oder ob die Reduktion des Knochens die Vervollständigung der Knorpelwand bedingte. Wahrscheinlich haben hier beide Tendenzen zusammengewirkt. Wenn man die erwähnten Merkmale von Dermochelys auf das Bestreben zurückführt, die Menge des schweren, starren Knochens zu unterdrücken, so kann man dem das außerordentlich dicke Schädel- dach entgegenhalten. Diese Erscheinung wird aber dadurch erklärt, daß bei Dermochelys eine feste Decke für das Gehirn und die Sinnes- organe nötig ist, da Hornschilder ganz fehlen und da sie bei den in ihrer Gestalt festgelegten Deckknochen der Schädeloberseite nicht sanz in der Art zu erreichen war wie auf der Gaumenseite, wo eine widerstandsfähige Knochenfläche durch das feste In- und Über- einandergreifen der Elemente hergestellt wird. Das Schädeldach von Dermochelys und Chelonia ist durch seine ganz geschlossene Temporaldecke das vollständigste Schädeldach bei allen lebenden Schildkröten, und hauptsächlich darauf beruht die grobe Ähnlichkeit beider Schädel auf den ersten Anblick hin. Und auch hierin dürfen wir wohl eine sekundäre Anpassung an das Meeresleben, eine feste Decke gegen den Anprall des Wassers beim Schwimmen sehen, jedenfalls für ein Temporaldach von dieser Aus- dehnung. Daß es in der Ausbildung, wie es unsere Schildkröten auf- weisen, primitiv ist und in Beziehung steht zu dem primitiven Temporaldach der Stegocephalen (und Cotylosaurier), hat Baur (1894, p. 316; 1896b, p. 563, 564) angegeben; seine Ansicht haben in neuerer Zeit RaBz (1903, p. 167; 1910, p. 78, 138) und Fucus (1907a, Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 189 p. 445; 1909, p. 143) wieder aufgenommen. Im Hinblick auf die bei allen Landschildkröten verbreitete mehr oder minder offene Temporal- grube und auf die Tatsache, dab die Seeschildkröten von Landtieren und zwar von Landschildkröten abstammen, wie das ihre Extre- mitäten, ihr Panzer, überhaupt ihre ganze Organisation genugsam beweisen, möchte ich mich eher der Ansicht van BEMMELENS an- schließen, der das vollständige Schläfendach von Dermochelys und den Cheloniiden aus einem mehr unvollständigen herleitet (1895, p. 328). Daß alte Formen, die BAUR gegen van BEMMELEN anführt, wie Compsemys plicatula (nach Hay eine Pleurodire, nach ZITTEL eine Chelydride) aus dem Jura, oder Rhinochelys (eine Pleurodire nach ZITTEL) aus dem Gault ein vollständiges Temporaldach haben, be- weist nicht, daß ein solches primitiv ist, denn diese beiden sind wahrscheinlich Wasserbewohner gewesen und ihrerseits diesem Leben wohl wieder angepaßt; auch geht der Schildkrötenstamm sicher viel weiter zurück als bis in den Jura. Gegen die Ursprünglichkeit des Schläfendaches von Dermochelys und Chelonia scheint mir auch seine Zusammensetzung zu sprechen; es enthält viel weniger Knochenelemente als das der Cotylosaurier und Stegocephalen. Außerdem ist innerhalb des Schildkrötenstammes eine Parallele zu dieser Entwicklung eines Schläfenpanzers durch den Einfluß des Meereslebens bekannt. Die den Emyden nahe- stehende Thalassemys marina aus dem weißen Jura Württembergs zeigt nach Fraas (1902, p. 100) eine beginnende Überdachung der Temporalgrube, neben anderen Anpassungserscheinungen an das marine Leben. Mit der Ausbildung des Schläfendaches bei Dermochelys ist eine Rückbildung des Processus squamosus Hand in Hand gegangen: dieser tritt einmal durch die Vervollständigung des Daches zwischen Supraoceipitale und Squamosum nicht mehr so auffallend aus dem Schädel heraus wie bei Formen mit weniger ausgedehntem Schläfen- dach (Chelydridae), dann ist er aber auch als eigentlicher Processus reduziert, am weitesten diesmal bei Chelonia. Damit hätten wir die wesentlichsten Konvergenzen und die- jenigen Divergenzen kennen gelernt, die bei den Schädeln von Chelonia und Dermochelys als sichere oder mögliche Folge der Lebens- weise bei der Diskussion phylogenetischer Fragen nur mit äußerster Vorsicht zu verwerten sind. Jedoch ergibt sich aus fast allen an- geführten Merkmalen, dab Dermochelys in der Spezialisierung für das pelagische Leben sehr viel weiter gegangen ist als Chelonia, 190 Lupwie Nick, was eine Reihe auffallender, wenn auch nicht prinzipieller Unter- schiede bedingt. Es sind, wie schon erwähnt, zwei Ursachen dafür denkbar; keine von ihnen ist streng zu beweisen. Einmal kann sich die Gattung Dermochelys oder ihre direkten Vorgänger viel früher dem pelagischen Leben zugewandt haben als die Chelo- niiden. Sind aber beide Gattungen zu ungefähr gleicher Zeit marin geworden, so muß man für Dermochelys eine sehr viel größere Um- bildungsfähigkeit annehmen, was auch möglich erscheint. Fassen wir nun zunächst die Anzeichen ins Auge, die für nähere Be- ziehungen zwischen Chelonia und Dermochelys sprechen: Am wichtigsten ist hier das Verhalten des Munddachs und der Nase, worauf schon oben hingewiesen wurde. Nach Dozro (1903) hat sich das einfache Munddach von Dermochelys aus einem doppelten vom Typus der Chelonia heraus entwickelt, dieselbe Umbildung, die inner- halb der Cheloniiden Æochelone brabantica (aus dem mittleren Eoeän) zeigt; darauf weisen auch noch eigenartige Verhältnisse an dem sekundär einfachen Munddache von Dermochelys hin, so vor allem dieselbe Umgrenzung der inneren Nasenöffnungen wie bei Chelonia, indem Palatinum und Vomer allein die jetzt vordere, früher untere (Grenze bilden (48, 53); ferner weist das Verhalten des Vomers darauf hin, der eine rudimentäre Pars descendens zeigt und an seinem Vorderende mit einer Verbreiterung zu den im Seitenrande der inneren Nasenöffnungen gelegenen Fortsätzen des Palatinums strebt. Letzterer Knochen zeigt außer dieser Verlängerung noch in der Form einer schwachen Knochenfalte wahrscheinlich die Stelle, wo sein Processus palatinus in dem alten sekundären Gaumen ausging. Bei Chelydra findet sich die Verlängerung der Palatina an dem ganzen Seitenrande der inneren Nasenöffnungen entlang nicht; das Maxillare begrenzt diese Öffnungen daduıch in großer Ausdehnung, die hier wahrscheinlich in der Lage weit vorn ein primitives Ver- halten aufweisen, wie dies auch Doro (1903) und Fucus (1907) annehmen. Durch die Verlagerung und Vergrößerung der inneren Nasenöffnungen am Schädel ist bei Dermochelys das Foramen naso- palatinum im Skelet (44) in Wegfall gekommen, das Chelonia, Chelydra und viele andere (SIEBENROCK, 1897, p. 278) aufweisen. Einen aus- gezeichneten Beweis dafür, dab die Verlagerung der inneren Nasen- öffnungen in der angegebenen Weise vor sich ging, liefert das Ver- halten des Nasenlumens. Dieses weist bei Dermochelys im ganzen dieselben Eigentümlichkeiten wie bei Chelonia auf. Aber die Achse der Nasenhöhle, die bei unseren Schildkröten durch die Verbindungslinie Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 191 Apertura narium externa — innere Nasenöffnung gegeben ist, ist bei Dermochelys auffallend steil gestellt, namentlich gegenüber Chelonia. Damit läuft bei Dermochelys auch der Ductus nasopharyngeus sowie der Boden der Pars respiratoria sehr steil aufwärts. Letzterer enthält infolgedessen bei Dermochelys den bei Chelonia gesonderten Recessus inferior (91), dessen Lage aber noch auf der medialen Seite durch eine Einbuchtung gekennzeichnet ist. Wir haben damit einen wichtigen Unterschied zwischen der Dermochelys- und Chelonia-Nase kennen gelernt, der aber durch die Verschiebung der inneren Nasenöffnungen nach vorn bei ersterer Art bedingt wird und damit seine Erklärung findet. Die Ableitung der Dermochelys-Nase von einem Chelonia-artigen Nasentyp wird durch diesen Unterschied nicht erschwert, vielmehr bestätigt. Vergleichen wir aber jetzt zunächst den Bau der Nasen von Chelonia und Dermochelys. Wir finden da eine große Reihe von Ähn- lichkeiten. So fehlt ein blindgeschlossener Recessus des Ductus naso- pharyngeus (88) sowohl Dermochelys wie Chelonia, während er Chelydra und anderen Formen zukommt. Weiter stimmen Dermochelys und Chelonia in den Weichteilen der Nase darin überein, daß beiden die Glandulae nasales externa et medialis fehlen (89)') und dab sich cavernöses Gewebe am Platze der letzteren und an anderen Stellen findet. — Chelydra, Emys und Testudo, Vertreter ganz verschiedener Familien, zeigen immerhin ziemliche Ähnlichkeit untereinander, was die Nasenhöhle angeht. Gegen diese sind Dermochelys und Chelonia scharf geschieden durch die starke Ausbildung der Recessus in der Pars respiratoria und die Lagerung dieser zur Pars olfactoria (87); nur Chelydra zeigt in manchem Andeutungen, die eine Homologisie- rung der Abschnitte in der Nase der beiden Seeschildkröten mit denen der anderen bekannten Formen ermöglichen, eine Bestätigung der Anschauungen WıEranD’s (s. S. 183) über Chelydra. Gegen die anderen Schildkröten, über deren Geruchsorgan Untersuchungen und Angaben vorliegen, wie Emyden, Testudiniden und Trionychiden (SEYDEL, 1896; Horrmann, 1890), sind Dermochelys und Chelonia hin- sichtlich dieses Punktes ganz isoliert. Die Nasenkapsel von Dermochelys ist wie die Nasenhöhle mit ihren Weichteilen ebenfalls ihrem ganzen Plane nach gleich der von Chelonia, während Chelydra von beiden abweicht. Im einzelnen nähern sich Dermochelys und Chelonia vor allem in der Ausgestaltung 1) Vgl. Anm. 9. 192. 192 Lupwie Nick, — der Muschelleiste (103),!) während Chelydra (und Testudo und in geringerem Maße auch Emys und Chrysemys) einen knorpligen Muschel- wulst haben, dann in der Ausbildung der vertikalen Querwand zwischen Pars olfactoria und Recessus superior (105), ferner in der völlig knorp- ligen Umrahmung der Fenestra narina und des Einführungsganges (102), die ja zwischen Dermochelys und Chelonia Differenzen aufweist, aber bei beiden ähnlicher ist als die entsprechende Umrahmung von Chelydra einer von beiden, weiter in dem Fehlen eines Ein- schnittes in die hintere untere Paries (104) und schließlich in der Fenestra septi nasi (95). Wir finden also einen ähnlichen spezialisierten Bau der Nasen- höhle bei Dermochelys und Chelonia, und wir müssen beide auf einen gemeinsamen Ausgangszustand zurückführen. Nur steht infolge der Lage der inneren Nasenöffnung weit vorn die durch diese und die äußere Nasenöffnung gelegte Achse bei Dermochelys ungewöhnlich steil, viel steiler nicht nur als bei Chelonia, sondern auch steiler als bei den meisten anderen Reptilien; die Nasenhöhle ist bei Dermo- chelys im Vergleich zur Höhe sehr kurz. Die steile Stellung der Nasenachse dokumentiert sich durch ihr isoliertes Vorkommen eher als sekundär denn als primitiv. Die Nasenhöhle von Dermochelys sieht ganz aus wie eine unter Verschiebung der inneren Nasen- öffnungen nach vorn ungewöhnlich verkürzte Nasenhöhle einer Chelonia; dafür sprechen auch verschiedene Einzelheiten. Also weist die Beschaffenheit der Nasenhöhle von Dermochelys in derselben Rich- tung wie die Umgrenzung der inneren Nasenöffnungen durch Palatin- fortsätze und Vomer, nämlich daraufhin, daß die Lage der inneren Nasenöffnung bei Dermochelys durchaus sekundär ist, wie wir schon früher gesehen haben. Die Stammformen von Dermochelys standen in dieser Beziehung Chelonia viel näher; sie hatten noch den typischen, 1) Das Fehlen der Glandulae nasales (und auch das Auftreten des cavernösen Gewebes) kann sehr wohl auch auf Konvergenz beruhen, und man könnte annehmen, daß durch das Verschwinden der Glandula nasalis externa die Möglichkeit zur Bildung der Muschelleiste aus einem Muschel- wulste gegeben wäre, daß also auch die Muschelleiste bei beiden eine Konvergenzerscheinung wäre. Dies ist möglich, erscheint aber deshalb unwahrscheinlich, weil dazu die Annahme eines sehr weitgehenden Ein- flusses der Drüse auf die Ausbildung des Skelets nötig wäre; wenn. bei der Bildung der Muschelleiste das Verschwinden der Glandula nasalis externa immerhin eine Rolle gespielt haben mag, so wird es doch schwer- lich die alleinige Ursache für die Ausbildung der Muschelleiste ge- wesen sein. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 193 wie bei Chelonia durch Vomer und Palatinum gebildeten sekundären knöchernen Gaumen. Doch wäre es voreilig, aus dem Gesagten ohne weiteres zu schließen, daß aus den Verhältnissen der Nasenkapsel bei Chelonia die von Dermochelys so direkt abzuleiten seien, wie man dies bei dem knöchernen Gaumen kann. Denn es mahnen, wie schon gesagt, einige an sich unwesentliche Differenzen zwischen der Nasenkapsel von Dermochelys und Chelonia zur Vorsicht. So ist eine Cartilago sphenoethmoidalis (106), wie ihre Verbreitung bei Lacerta, Emys und Testudo und namentlich bei Sphenodon zeigt, sicher primitiv. Sie ist bei Dermochelys immer in guter Ausbildung vorhanden, während sie beim Chelonia-Embryo nur in Rudimenten auftritt. Diese bei Chelonia anscheinend beginnende Rückbildung dürfte, wie bei Chelydra, bei der die Cartilago sphenoethmoidalis fehlt, mit der starken Ausbildung der nach unten gehenden Leisten der Frontalia und Praefrontalia in Zusammenhang stehen. — Bei Dermochelys findet sich wie bei Sphenodon, Lacerta, Emys, Testudo und Chelydra ein ausgedehnteres von der Paries aus median umgebogenes Planum antorbitale (108); dies dürfte also primitiver sein als die Reduktion der Plana von Chelonia. Der Unterschied zwischen Dermochely und Chelonia wird wahrscheinlich durch die stärkere Ausbildung der Vertikal- platten der Praefrontalia bei Chelonia bedingt sein. Auf primitivere Verhältnisse scheint auch die Loslösung der hinteren Nasenkapsel mit der Pars paraseptalis vom Septum nasi bei Dermochelys (93) zu deuten; sie findet sich auch bei Sphenodon, Lacerta, Emys und Chelydra. — Bei Chelonia trennt ein langer Spalt vor dem Foramen praepalatinum das Solum nasi vom Septum (94), der Dermochelys, aber auch Eimys, Testudo und Chelydra fehlt. Wie schon angedeutet (S. 155), ist es wohl möglich, daß er bei Dermochelys nur sekundär fehlt, da anscheinend Reste davon vorhanden sind, und auch die Pars paraseptalis vor dem Foramen praepalatinum bei Dermo- chelys (100) weist darauf hin. — Auffallend gegenüber Chelonia ist der lange Choanenausschnitt von Dermochelys (97), der sich schwächer bei Lacerta, Emys und Chelydra findet, bei Chelonia aber fast gar nicht, was vielleicht mit der Ausbildung des langen Ductus naso- pharyngeus bei letzterer zusammenhängt, ebenso wie auch das völlig geschlossene Knorpeldach über dem hinteren Ductus nasopharyngeus (101). Ob der genannte Ausschnitt bei Dermochelys in seiner ganzen Ausdehnung primitiv oder sekundär ist, läßt sich schwer sagen; ich neige zu letzterer Ansicht; der steiler werdende Ductus nasopharyn- Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 13 194 Lupwie Nick, geus kann die Ursache für die Aufspaltung des Bodens sein. Aber damit möchte ich natürlich keineswegs behaupten, daß der Choanen- ausschnitt beim Embryo von Dermochelys völlig sekundär sei und von einem Zustande, wie ihn heute etwa Chelonia aufweist, abzu- leiten ist. Vielmehr wird nach der Verbreitung dieser Bildung seine Anlage primitiv sein; bei Chelonia ist der Choanenausschnitt sekundär fast völlig verloren gegangen, bei Dermochelys dagegen hat er sich sekundär vergrößert.') — Primitiv sind bei Dermochelys jedenfalls auch die Reste des Processus maxillaris posterior (99), der sonst bei Schildkröten bis jetzt nicht gefunden wurde, wohl aber bei Sphenodon und Lacerta. — Welche Bedeutung dem Pränasalknorpel PARKER’S bei Chelonia (und Chelydra, 92) zukommt, ist fraglich; er fehlt bei Dermochelys ganz. Ebenso fehlt mir eine Deutung für den „Ethmo- palatinknorpel“ bei Chelonia (98), und zur Beantwortung der Frage, ob bei Dermochelys das Auftreten der zahlreichen Foramina in Paries und Tectum nasi (107) und der isolierten Foramina für den Nasenast des Trigeminus (109) einen für Schildkröten primitiven oder sekun- dären Befund darstellen, fehlt mir so ziemlich jeder Anhalt. Wir sehen, daß die Nasen von Dermochelys und Chelonia sowohl in Lumen und Weichteilen wie im Skelet außerordentlich auffallende Ähnlichkeiten aufweisen, die auch im Detail soweit gehen, daß man sie nur schwer als Konvergenzen auffassen kann. Zwischen den beiden Seeschildkröten bestehen hier nähere Beziehungen, das kann man im Hinblick auf alles Angeführte ruhig behaupten; aber man kann die Nase von Dermochelys nicht von der von Chelonia ableiten, denn dagegen sprechen eine Reihe primitiver Merkmale bei Dermochelys, die Chelonianicht mehr oder nicht mehr in demselben Grade aufweist. Die umgekehrte Ableitung Chelonia von Dermochelys ist durch die in 91 sowie in 94 und 100 angeführten Verhältnisse unmöglich, in denen Chelonia allem Augenscheine nach ursprünglicher ist als Dermochelys. Auch wäre diese Ableitung mit der gegebenen Deutung des Dermo- chelys-Gaumens nicht in Einklang zu bringen. — Denken wir uns eine gemeinsame Ausgangsform der Nase, so müßte sie aufweisen: das buchtige Lumen mit namentlich durch die Muschelleiste ge- sonderter Pars olfactoria, eine Pars respiratoria mit Recessus superior, inferior und medialis, einen Ductus nasopharyngeus ohne Recessus, 1) Den großen Choanenausschnitt bei Dermochelys finde ich jedoch nur bei dem Embryo. Bei der erwachsenen Dermochelys (VII) fehlt der Choanenausschnitt fast vollständig; ob dies die Regel bei den Erwachsenen ist, kann ich natürlich nicht sagen. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 195 eine Cartilago sphenoethmoidalis, ein ausgedehntes Planum antorbitale, eine vom Septum losgelöste hintere Nasenkuppel, einen Choanenaus- schnitt, einen Processus maxillaris posterior, eine wohlentwickelte Pars paraseptalis und außerdem einen sekundären Gaumen vom Typus, aber nicht notwendigerweise auch von der Ausdehnung von Chelonia. Diese hypothetische Urform schicke Vertreter ins offene Meer hinaus. Infolge der Änderung der Nahrung (Dermochelys frißt Me- dusen vgl. VAILLANT 1896, p. 654, Doro 1903, p. 15')) wird der Gaumen zum Dermochelys-Gaumen reduziert, und die inneren Nasen- öffnungen rücken nach vorn. Hand in Hand damit geht eine wesent- liche Rückbildung des Recessus inferior, vielleicht auch das Größer- werden des Choanenausschnittes (beim Embryo), während Cartilago sphenoethmoidalis, Planum antorbitale, Processus maxillaris posterior usw. bestehen bleiben können, da keine Vermehrung des Knochen- mantels um die Nasenkapsel, sondern eher eine Verminderung und daneben eine Verstärkung alter Knorpelteile und Ausbildung neuer erfolgt. — Ein anderer Zweig dieser Urform wären dann die Chelo- niiden. Bei ihnen tritt eine wohl eher gesteigerte Ausbildung des sekundären harten Gaumens ein, als Folge der Ernährung *) (Doro, 1903, p. 29). und der Ductus nasopharyngeus wird weniger steil und länger; über seinem vorderen Teil bildet sich eine Strecke weit ein knorpliges Dach aus. Die Knorpelwände des Ductus naso- pharyngeus erhalten eine enge Knochenschale, die wahrscheinlich die Ursache des Verschwindens des Processus maxillaris ist. Aber auch die ganze knöcherne Umrahmung der Nase ist stärker ausgebildet worden und bedingt die teilweise Reduktion der Cartilago spheno- ethmoidalis und die Reduktion des Planum antorbitale. Zum Teil dürfte diese Knochenvermehrung mit der Ausbildung des sekun- dären knöchernen Munddaches zusammenhängen, dessen Eiemente einen festen Verband mit dem übrigen Schädel verlangen. — Die Ausgangsform ähnelt also im ganzen hinsichtlich der Nase und des Gaumens mehr Chelonia als Dermochelys, abgesehen von einer Reihe von primitiven Merkmalen, die Chelonia heute nicht mehr aufweist. Welche Schlüsse für die Verwandtschaft von Dermochelys und Chelonia sich hieraus ziehen lassen, werden wir später zu erörtern haben. Hier wollen wir zunächst noch weiter eingehen auf die Merkmale, die Dermo- 1) Daher erklärt sich jedenfalls auch das Vorkommen von Hyperia im Mageninhalte von Dermochelys, die häufig als Schmarotzer an den Ge- schlechtsorganen der Medusen gefunden wird. 2) Algen und Zostera; DOLLO, 1903, p. 15. 13* 196 Lopwie Nick, chelys und Chelonia miteinander gemein haben. Da haben wir die nicht geschlossene Incisura columellae auris, die sich aber auch noch bei einer Reihe anderer Schildkröten findet (Baur, 1896b, p. 564). Van BEMMELEN (1896, p. 283) macht darauf aufmerksam, daß das Quadratum von Dermochelys gestreckter sei als bei Chelonia und so dem (primitiven) „ungefurchten Kieferstiel der squamaten Reptilien“ ähnlich werde. Sehr bedeutend ist dieser Unterschied gegenüber Chelonia übrigens nicht. Diese Ähnlichkeit in der Ausbildung des Quadratums bei Chelonia und Dermochelys ist indes nicht zu hoch anzuschlagen. Einmal könnte die Form des Quadratums beider primitiv sein, und dann beweist sie schließlich nichts für eine nähere Verwandtschaft von Chelonia und Dermochelys, da ein primitiver Zustand auch bei ein- ander fernstehenden Formen erhalten sein kann. Es ist aber auch keineswegs von der Hand zu weisen, daß bei beiden Arten das (Juadratum sekundär nur eine Furche für die Columella auris auf- weist, da die große Menge der Land- und Sübwasserschildkröten einen geschlossenen Columellarkanal besitzt; die Furche könnte hier wieder eine Materialersparnis bedeuten. Auf eine sekundäre Öffnung des Columellarkanals weist auch die ganze Form des Knochens bei Dermochelys und Chelonia, der mit seiner tiefen Aushöhlung nicht gut primitiv oder direkt von einem primitiven Quadratum, wie es etwa die Lacertilier besitzen, ableitbar sein kann. Dann kommt in Betracht, dab eine Rückbildung eines eigentlichen Trommelfells vor- liegt, wodurch vielleicht der hintere Abschluß des im Quadratum liegenden Teiles der Paukenhöhle wertlos geworden und sekundär unterblieben ist. Wenn das hinten offene Quadratum bei Dermo- chelys und Chelonia so sekundär zustande gekommen ist, dann ist es bei den anderen Schildkröten, wo es ebenfalls in dieser Gestalt auf- tritt (Baur, 1896 b, p. 564), unabhängig von den Seeschildkröten er- worben, und dasselbe könnte auch für Chelonia und Dermochelys unter sich möglich sein. Aber dann spielt auch das Quadratum eine etwas fragliche Rolle als Beweis für eine nähere Verwandtschaft von Dermochelys und Chelonia. — Ein hinten offenes Quadratum be- sitzt übrigens auch Protostega (CASE, 1896, p. 26); embryonal haben wir es bei Chelydra konstatiert; bliebe das Quadratum sekundär wieder auf dieser Entwicklungsstufe stehen, so hätten wir prinzipiell den Zustand von Chelonia und Dermochelys. Eine sehr auffallende Übereinstimmung zeigen Dermochelys und Chelonia im Besitze der Intertrabecula (78, s. S. 110 Anm.), die bei Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 197 ersterer nur vorübergehend im Embryonalstadium auftritt, bei letz- terer dagegen den Boden der Hypophysengrube und den Hauptteil des Rostrum basisphenoidale bildet. Bei Chelydra fehlt sie vollständig und wohl auch bei Emys, da Fucus (1910) zwar bei dieser Form ein kleines Parasphenoid konstatiert, aber eine Intertrabekel nicht erwähnt. Der Güte des Herrn Dr. VersLuys verdanke ich die Mitteilung, daß die Intertrabecula auch bei den reifen Embryonen der Pleurodire Chelodina longicollis und der Trionychide Trionyx subplanus völlig fehlt. Auch bei anderen Formen dürfte sie wenigstens bei Er- wachsenen fehlen, da die so auffallende Form des Rostrums von Chelonia sich, soviel man aus SIEBENROCK entnehmen kann, sonst nicht findet. Mit der Ausbildung der Intertrabecula in Zusammen- hang stehen dürfte die seltsame Lage der Hypophyse bei Dermochelys und Chelonia, die bei Emys (nach Bosanus) und bei Chelydra sowie auch bei den ebengenannten Formen Trionyz subplanus und Chelo- dina longicollis wie normal die ganze Fossa hypophyseos am Schädel ausfüllt. Die Intertrabekel bei Dermochelys und Chelonia als Konvergenz- erscheinung zu erklären, dürfte unmöglich sein, da einmal der Vor- teil, den eine solche Bildung mitten im Schädel für das Meeresleben haben könnte, nicht einzusehen ist, und dann, weil sie bei der er- wachsenen Dermochelys wieder rückgebildet ist. Vielmehr haben wir hier jedenfalls ein sehr altes Familienkennzeichen, das bei Chelonia unter Reduktion des Parasphenoids an dessen Stelle mächtig ent- wickelt wurde, während bei Dermochelys, bei der durch die Erhaltung des Rostrum parasphenoidale andere Beziehungen vorlagen, die Inter- trabekel wieder in Rückbildung trat. Die Beweiskraft dieses ge- meinsamen Kennzeichens von Dermochelys und Chelonia ist meiner Ansicht nach dadurch sehr bedeutend, daß es noch von keiner anderen Schildkröte bekannt ist.) 1) Man könnte einwenden, daß die Intertrabekel wahrscheinlich auch in ganz ähnlicher Ausbildung bei Crocodilen auftritt (s. S. 109 Anm.) und deshalb für eine Verwandtschaft von Dermochelys und Chelonia wenig beweise, weil sie vielleicht bei beiden nur als altes Reptilienmerkmal auf- trete. Es ist aber sehr fraglich, ob die Intertrabecula in diesem Sinne aufgefaßt werden kann, auch wenn sie bei Crocodilen sicher in der Aus- bildung wie bei unseren beiden Seeschildkröten aufträte. Und selbst wenn die Intertrabecula ein altes Merkmal wäre, so wäre es doch zum mindesten sehr auffallend, wenn bei Dermochelys und Chelonia bei den zahlreichen anderen Kennzeichen einer Verwandtschaft (wie wir noch sehen werden) nicht auch in die Intertrabekel auf verwandtschaftliche Be- 198 Lupwie Nick, Auch in derselben Richtung wie die behandelten starken Be- weise für eine Verwandtschaft von Dermochelys und Chelonia, das Verhalten der Nase und des Munddachs, das Vorhandensein der Intertrabecula und vielleicht auch die Gestalt des Quadratums, dürften eine Reihe von Einzelheiten weisen. Nimmt man jede dieser für sich, so ist mit ihr meist nicht viel anzufangen, aber durch ihre Häufung und ihr Auftreten neben den wichtigeren Kennzeichen für eine Verwandtschaft erlangen sie hohe Bedeutung. So ist es auf- fallend, daß Dermochelys und Chelonia die einzigen Schildkröten sind, bei denen ein Foramen palatinum (posterius) fehlt (54), wie schon BAUR und SIEBENROCK bemerkten. Möglicherweise handelt es sich hier wieder um eine Konvergenzerscheinung.') Auch ein Foramen incisivum fehlt bei Dermochelys wie bei Chelonia (52) (aber auch bei anderen Formen, SIEBENROCK, 1897, p. 282), während es bei den Chelydriden vorhanden ist (vgl. dazu S. 61 Anm.). Ebenso fehlt eine von Prooticum und Quadratum gebildete Crista praetemporalis in der Fossa temporalis (33). Ob man diese Merk- male auch durch Konvergenz erklären soll, sei dahingestellt. Nicht sehr wesentlich wird sein, daß sich bei Dermochelys ebenso wie bei Chelonia das Basioccipitale im Foramen jugulare anterius nicht mit dem Opisthoticum verbindet, während dies bei Chelydra (nach SIEBENROCK, p. 231) der Fall ist (4); auch ist die Form des Foramen jugulare anterius bei Dermochelys und Chelonia mehr länglich, während sie bei Chelydra mehr rund ist (6). Übereinstimmung zeigen Dermochelys und Chelonia auch in dem Mangel einer scharf ausgeprägten seitlichen Leiste unter der Basal- platte (63), gegenüber Chelydra, wo diese vielleicht einen Basipterygoid- fortsatz darstellt. Das Tuberculum basale von Chelonia ähnelt ebenfalls dem von Dermochelys, während bei Chelydra das Vorhanden- sein eines solchen nicht sicher ist (65). Wahrscheinlich tritt es hier erst im Alter auf, worauf ein Knochenhöcker am Basioceipitale von einer erwachsenen Macroclemmys zu weisen scheint. Ferner ist die Fubplatte der Columella auris bei Dermochelys und Chelonia nicht umgeknickt, wohl aber bei Chelydra (72). Welche Be- ziehungen hinweisen sollte, zumal die Intertrabecula anscheinend nur ihnen unter den Schildkröten zukommt. 1) Bei Chelydra dienen die Foramina palatina je einem Aste des Ramus palatinus n. facialis zum Durchtritt auf die Unterseite des knöcher- nen Gaumens; außerdem werden sie von Venen durchzogen, die sich in die großen venösen Sinus der Orbitalregion ergießen. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 199 deutung dieses Umbiegen hat, ist dunkel;') möglicherweise liegt hier bei Dermochelys und Chelonia Konvergenz vor. — Schließlich möchte ich noch auf den im beschreibenden Texte (S. 114—117) aus- führlich behandelten Hinterrand des Septum interorbitale hinweisen, der bei Dermochelys eine Fenestra aufweist, bei Chelonia aber einen letzterer in mancher Beziehung nahekommenden Einschnitt (80). Alle letztgenannten, dem Chondrocranium von Dermochelys und Chelonia gemeinsamen Merkmale haben für die Entscheidung phyletischer Fragen das Mißliche, daß man über ihre eventuelle Verbreitung bei anderen Schildkröten auBer jetzt bei Chelydra nicht das geringste weiß, könnten sich aber in Zukunft als wichtiger erweisen und seien deshalb hier erwähnt. Blicken wir nochmals auf alle gegenseitigen Annäherungen im Chondrocranium von Dermochelys und Chelonia zurück, so ergibt sich, daß eine größere Anzahl davon infolge der ähnlichen Lebensweise beider Tiere auf Konvergenz zurückgeführt werden kann, aber lange nicht alles. Zu letzterem gehören als wichtigste Punkte das Ver- halten der Nase und des Gaumens, das Auftreten der Intertrabecula und möglicherweise auch die Form des Quadratums. Die Wahr- scheinlichkeit, daß Gaumen und Nase auf eine engere Beziehung zwischen Dermochelys und Chelonia hinweisen, ist zur Genüge be- sprochen. Die Intertrabecula deutet bestimmt auf eine solche, denn sie tritt, soweit bekannt, unter den Schildkröten nur bei Dermochelys und Chelonia auf und fehlt wahrscheinlich durchgängig bei den Familien, die in Æmys, Chelydra, Chelodina und Trionyx (sämtlich ohne Intertrabekel) ihre Vertreter finden. Sie ist für Dermochelys und Chelonia wohl ein altes Merkmal; darauf weist ihr Auftreten nur im Embryonalstadium von Dermochelys hin. Während sie hier nicht zu besonderer Ausbildung kommt, sondern sich sogar wieder rück- bildet, erreicht sie bei Chelonia eine auffallend kräftige Ausbildung. Bei den Ahnen der heutigen Cheloniiden fand sich wohl im Prinzip derselbe Zustand, wie ihn der Embryo von Dermochelys heute noch zeigt, denn das Parasphenoid‘ als allgemeines primitives Reptilien- merkmal wird auch bei den Vorfahren der Cheloniiden vorhanden ge- wesen sein, aber die weitere Entwicklung verlief hier umgekehrt wie bei Dermochelys. Die Intertrabecula wurde kräftig ausgebildet, und das Parasphenoid verschwand. Warum die Ausbildung des Bodens der Hypophysengrube bei beiden Formen von demselben Ausgangszu- 1) Es findet sich sehr ausgeprägt auch bei Trionyx subplanus nach einer Serie, die mir Herr Dr. VERSLUYS zeigte. 200 Lupwie Nick, stande aus einen so verschiedenen Weg ging, das entzieht sich vor- läufig unserer Einsicht. — Die Intertrabecula und das Verhalten der Nase sondern Dermochelys und Chelonia scharf von den anderen Schildkröten, soweit letztere in beiderlei Hinsicht bereits bekannt sind. Für Nase und Munddach müssen wir einen alten, gemeinsamen Ausgangszustand annehmen, mit Wahrscheinlichkeit eine Anpassung der Urform an ein Leben im Süßwasser oder an der Küste, jeden- falls an ein Wasserleben, von dem aus sich Munddach und Nase der heutigen Chelonia und Dermochelys entwickelt haben. In der Intertrabecula haben wir eine auffallende Übereinstimmung, die einen tiefeinschneidenden Unterschied zwischen der Schädelbasis in der hinteren Orbitalregion bei Dermochelys und Chelonia einerseits, den anderen Schildkröten (soweit bekannt) andererseits darstellt. Dazu kommt eine Fülle weiterer Merkmale, die ebenfalls auf eine gemeinsame Abstammung von Dermochelys und Chelonia hinweisen: Wirmiissen eine Blutsverwandtschaft zwischen Dermo- chelys und Chelonia annehmen. Dermochelys ist im knöchernen Schädel keiner einzigen lebenden Schildkröte so ähnlich wie Chelonia, und auch für das Chondrocranium, soweit darüber bei Schildkröten etwas bekannt ist, trifft dies zu. So zeigt es auch der Vergleich mit der daraufhin untersuchten Chelydra; allerdings zeigen sich da einige Merkmale, die vielleicht auf eine Beziehung zwischen Dermochelys und Chelydra hin- weisen könnten. Der Vergleich wird dadurch besondersinteressant, dab Chelydra für eine in mancher Hinsicht primitive Form gehalten werden darf. Damit ist aber auch die Erklärung für die meisten der Merkmale gegeben, die Dermochelys und Chelydra gemein haben: Es handelt sich um ursprüngliche Kennzeichen, die Chelonia nicht mehr aufweist. Kein einziges von diesen widerspricht aber direkt der Annahme einer Verwandtschaft von Dermochelys und Chelonia oder macht sie auch nur unwahrscheinlich, indem es deutlich auf nähere Beziehungen zu Chelydra oder anderen Schildkröten hinweist. Das auffallendste, Chelydra und Dermochelys gemeinsame Merkmal ist der Besitz eines Parasphenoids mit typischem Rostrum para- sphenoidale (19, 23). Das Rostrum parasphenoidale bildet bei beiden den Boden der Hypophysengrube, die seitlich von den Trabekeln be- grenzt ist. Letztere (23) ziehen bei Chelydra gerade nach vorn, während sie bei Dermochelys nach unten abfallen, gehen aber bei . beiden von einem typischen Dorsum sellae aus, das bei Chelydra allerdings niedriger bleibt als bei Dermochelys, während bei Chelonia Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 201 überhaupt kein eigentliches Dorsum sellae ausgebildet ist (20). Ein Parasphenoid findet sich wahrscheinlich auch bei Protostega, nach der Beschreibung des „Basisphenoids“ von Case (1896, p. 25), und auch sonst bei rezenten Schildkröten. Es ist sicher ein primitives Merkmal bei allen Schildkröten, bei denen es auftritt. Dermochelys weist also darin noch ursprünglichere Verhältnisse auf als Chelonia. Ob das Fehlen der Basisphenoidkante (24) bei Dermochelys und Chelydra mit der Ausbildung des Parasphenoids zusammenhängt, ist fraglich. Auffallend ist immerhin die Übereinstimmung in dieser Be- ziehung bei Dermochelys und Chelydra. Eine Einkerbung des Ptery- goids wie bei Chelonia (25), fehlt bei Dermochelys und Chelydra. Wenn es zur Bildung eines Kanals für die Carotis interna bei Dermochelys kommt, so wird dies wesentlich auf dieselbe Weise bewerkstelligt wie bei Chelydra und verhältnismäßig einfacher als bei Chelonia, wo der Kanal in seinem hinteren Teile ganz in das Pterygoid gebettet wird (28), ein sekundärer Zustand. Ein weiteres, Dermochelys und Chelydra gemeinsames Merkmal ist die lange Postfrontal-Praefrontal- naht, wodurch bei beiden (im ausgewachsenen Zustande) das Frontale von der Umrandung der Orbita ausgeschlossen ist (41b), während sich dieser Knochen bei Chelonia daran beteiligen kann und dann Postfrontale und Praefrontale trennt, die aber manchmal auch durch eine kurze Naht zusammenhängen. Eine gewisse Gleichartigkeit findet sich auch bei Dermochelys und Chelydra in der Ausbildung der Kieferränder, was vielleicht in Anbetracht der anderen Ähnlichkeiten auch eine tiefergehende Bedeutung haben könnte; doch läßt sich jetzt wohl darüber nichts Sicheres ermitteln, da Konvergenz vor- liegen kann, es schließlich auch sehr wohl möglich ist, daß wir eine Kieferform vor uns haben, die ursprünglich vielen Schildkröten ge- meinsam war und die sich jetzt als altes Erbstück noch bei Dermo- chelys und Chelydra und auch bei vielen anderen vorfindet. Die breite Kaufläche im Ober- und Unterkiefer der Cheloniiden muß als sehr spezialisiert betrachtet werden, denn sie zeigt sich in dieser hohen Ausbildung bei anderen rezenten Schildkrötenfamilien nicht; wohl aber besitzt Protostega eine ähnlich ausgebildete Kaufläche (nach CASE, 1896, p. 27). Bei Chelydra findet sich an der Alveolarkante des Maxillares, wo bei Dermochelys der tiefe Einschnitt hinter dem hauerartigen Vorsprung liegt, auch eine ausgesprochene Einbuchtung (50), die mediane unpaare Einbuchtung zwischen den Intermaxillaria fehlt aber bei Chelydra; im Gegenteil geht ein von beiden Inter- maxillaria gemeinsam gebildeter Haken nach unten. 202 Lupwie Nick, Der Unterkiefer von Chelydra zeigt denselben schneidenden Rand wie bei Dermochelys (55), und auch die Symphysenpartie springt, wenn auch nicht in demselben Maße wie bei Dermochelys, nach oben vor. Für sie findet sich bei Chelydra wie bei Dermochelys eine trichterförmige Grube (51) zwischen Intermaxillaria und Vomer, die sich am trockenen Schädel durch eine Lücke zwischen den Inter- maxillaria in den Raum für das Geruchsorgan öffnet; bei Chelonia ist diese Grube in ganz geringem Maße auch angedeutet, ent- sprechend einem ganz minimalen Vorsprung der Unterkiefersymphyse. Der Sulcus cartilaginis Meckelii im Dentale ist bei Chelydra ähnlich flach wie bei Dermochelys, während er bei Chelonia tiefer einge- buchtet ist. In der Nasenkapsel haben wir oben eine Reihe von Eigen- tümlichkeiten kennen gelernt, die Dermochelys und Chelonia gemeinsam haben, die aber wahrscheinlich ausnahmslos als primitive Merkmale zu deuten sind: so die vom Septum gelöste hintere Nasenkapsel (93) und das vollständige Planum antorbitale (108). Dermochelys gleicht in diesen Punkten gerade so Emys wie Chelydra. Ebenso steht es mit 73, wonach ein bei Chelonia im Tectum cranii auftretendes Venenloch bei Dermochelys und Chelydra fehlt. Schließlich besitzen Dermochelys und Chelydra jene Öffnung im knorpligen Tectum cranii, die vielleicht als Parietalloch gedeutet werden muß (75). Sie wäre für diesen Fall eine bei beiden noch erhaltene primitive Bildung. — Fassen wir die Merkmale zusammen, die Dermochelys mit Chelydra gemeinsam hat, so ergeben sich außer einer Anzahl unwesentlicher und mehr zufälliger Kennzeichen eine Reihe solcher, die als primitive Schildkrötenmerkmale zu gelten haben. Als wichtigstes wäre das Vorhandensein des Parasphenoids zu nennen, dann die .Merkmale aus der Nasenkapsel, und vielleicht auch die Beschaffenheit der Kieferränder und das „Parietalloch“. Bei der Nase aber handelt es sich lediglich um primitive Merkmale, die bei Chelonia im Zu- sammenhang mit der verstärkten knöchernen Umrahmung der Nasen- kapsel in Rückbildung geraten sind, und nicht um weitergehende Unterschiede. Im ganzen genommen aber können nur die Nasen von Dermochelys und Chelonia nebeneinander gestellt werden; Chelydra weicht in der Hauptsache von beiden erheblich ab. Die Kieferränder von Chelonia sind jedenfalls eine ganz spezielle Anpassung an die Lebens- weise. Dem Fehlen des „Parietalloches“ bei Chelonia großen Wert beizulegen, verbietet die Unsicherheit der Deutung des Gebildes bei Dermochelys und Chelydra; ist es ein primitives Merkmal, dann könnte Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 203 eine solche Bildung bei Chelonia leicht einmal unterdrückt, an einem günstigen Objekte aber noch erhalten sein. Nur das große Para- sphenoid von Dermochelys bedeutet einen erheblichen Unterschied gegenüber Chelonia. Aber jedenfalls ist das Fehlen des Parasphenoids von Chelonia nicht primär (auch wenn wirklich niemals einwandsfrei Spuren eines solchen entdeckt werden sollten), denn dagegen spricht die Verbreitung des Knochens als eines primitiven Reptilienkennzeichens. Er kann bei der rezenten Chelonia höchstens ganz rückgebildet sein, während ihre Vorfahren ihn aufwiesen. Und so beweist das Fehlen eines Parasphenoids bei Chelonia nicht, daß diese Form Dermochelys weniger nahe steht, als es Chelydra tut; vielmehr wird, wie gezeigt, Chelonia mitihrer embryonalen Intertrabekel dem Urtyp der Dermochelys näher kommen und von demselben primitiven Zustand abzuleiten sein. Bei der einen dominiert schließlich die Intertrabekel, bei der anderen das Parasphenoid. Dermochelys zeigt hier, wie ja auch in manchen anderen Punkten, einen primitiveren Zustand, Chelonia ist hierin stärker spezialisiert. Wodurch diese Spezialisation bedingt wurde, läßt sich schwer sagen; sie spricht wie anderes auch durch ihre weitgehenden Folgeerscheinungen in der Schädelmorphologie für eine bereits weiter zurückliegende Trennung der beiden Familien. Überblicken wir unsere Befunde bis hierher, so haben wir aus einer Reihe mehr oder weniger wichtiger Merkmale auf eine Ver- wandtschaft von Dermochelys und Chelonia schließen dürfen. Aber wir haben gesehen, daß dabei von vornherein auch Merkmale auf- treten, die esverbieten, eine allzuenge Verwandtschaft beider anzunehmen. Es handelt sich dabei teils um primi- tive Zustände, die Dermochely mehr gewahrt hat als Chelonia, teils um weitgehende Spezialisierungen in verschiedenen Richtungen, alles Merkmale, die auf eine frühe Trennung von Dermochelys und Chelonia hinweisen. Gerade die wichtigsten Anzeichen einer Verwandtschaft von Dermochelys und Chelonia zeigen zugleich auch Spezialisierungen, die das Auseinanderlaufen beider Zweige des Stammes in alte Zeiten zurückverlegen. So hat das Munddach beider im Prinzip noch den gleichen Bau; aber es hat extreme Umbildungen nach zwei entgegengesetzten Richtungen er- fahren aus einem Grundplane heraus, dem Chelonia heute noch relativ näher kommt als Dermochelys. Ähnlich steht es mit der Nase; wenn auch hier keine so tiefgehenden Differenzen wie im Munddach ent- stehen konnten, so ist doch die Spezialisierung der Dermochelys-Nase, die senkrechte Achse und die Verkürzung der Nase in der Längs- 204 Lupwie Nick, richtung des Kopfes Chelona gegenüber recht auffallend. Andere Unterschiede zwischen den Nasen von Dermochelys und Chelonia be- ruhen meist auf primitiven Zuständen bei Dermochelys, die sie, wie wir gesehen haben, oft mit Chelydra gemein hat. Die Ausbildung der Sphenoidregion bei den erwachsenen Tieren hat Verszuys (1909) veranlaßt, sich eher zugunsten der Meinung, die Dermochelys von allen übrigen Schildkröten trennen will, auszusprechen. Aber gerade die Sphenoidregion von Dermochelys liefert uns durch die embryonal auftretende Intertrabecula, die sonst bei Schildkröten, soweit be- kannt, nur bei Chelonia auftritt, ein wichtiges Anzeichen für eine Verwandtschaft; zugleich aber beweisen die definitiven Zustände in der Schädelbasis der Erwachsenen, die kümmerlichen Reste der Inter- trabecula bei Dermochelys gegenüber dem kräftigen Rostrum basi- sphenoidale bei Chelonia (78), dab die beiden Formen heute bereits recht weit auseinandergegangen sind. Hierfür sprechen die von jeder selbständig durch den Einfluß des Meereslebens erworbenen, eingangs dieses Kapitals aufgezählten Divergenzen, so der bei Dermochely sehr viel weiter als bei Chelonia hervortretende Knorpel im Kopfskelet, teils als Erhaltung primordialer Zustände, teils infolge sekundärer Vermehrung dieses Gewebes. Dazu ge- hört auch die bei Dermochely in sehr viel stärkerem Verhält- nisse als bei Chelonia eingetretene Reduktion von Knochen, so z. B. in dem Vorderrande der Fenestra infraorbitalis, in der Um- rahmung der Carotis (wobei bei Dermochelys möglicherweise auch primitive Verhältnisse anklingen) und in der Rückbildung der Des- census parietales, die bei Dermochelys zum völligen Schwunde der- selben führte. Eine frühe Trennung von Dermochelys und Chelonia verlangen auch die eben besprochenen primitiven Merkmale, die Dermochelys noch mit Chelydra gemein hat. — Wesentlich dasselbe sagen uns auch die Merkmale von Dermochelys, für die unsere Tabelle weder Parallelen bei Chelonia noch bei Chelydra aufweist. Diese beanspruchen besonderes Interesse, soweit es sich um primitive Zu- stände zu handeln scheint; zum Teil sind sie aber auch mehr zu- fällig und haben höchstens als Spezialisationen Bedeutung, die auch auf eine alte Selbständigkeit beider Gattungen hinweisen Können. Als primitiv kann man wohl die Reste der embryonalen Taenia supratrabecularis (82) bei der erwachsenen Dermochelys auffassen; bei Chelonia ist die Taenia supratrabecularis nur embryonal vorhanden. Ursprünglich ist vielleicht auch der Spalt in der Seitenwand des Cavum cranii zwischen Labyrinth- und Orbitalregion bei Dermochelys (70) als Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 205 Rest eines früher vorhandenen größeren Fensters (wie es bei Lacerta und Sphenodon vorhanden ist) oder als Rest einer tiefergehenden Trennung der beiden Regionen. Als Überrest eines einst vorhandenen größeren Fensters ist wahrscheinlich auch die Öffnung in den Plana supraseptalia zu deuten, die unter 86 b genannt wurde. Möglicherweise ist auch die teilweise Trennung der Plana supraseptalia vom Septum beim Embryo von Dermochelys ein altes Merkmal (s. S. 126). Unter den auffallenden Besonderheiten von Dermochelys, die weitgehende Speziali- sationen darstellen, ohne daß man eine plausible Erklärung für ihr Zustandekommen hat, ist in erster Linie die dicke Knorpelplatte über der Basalplatte (64) zu nennen, die Kanäle für venöse Gefäbe abtrennt, eine auffallende, bis jetzt ohne Homologon gebliebene Bildung. Sie allein auf die Tendenz Knorpel zu vermehren, zurück- führen zu wollen, erscheint nicht angängig (S. 186). Mit dieser Bildung in Zusammenhang steht wohl die starke Ausbildung der Crista auf Basioceipitale und Basisphenoid (3, 21a). Sehr bemerkenswert ist auch der Mangel eines Entoglossums bei Dermochelys (62). Da es sich bei Chelonia im Vergleiche zu Chelydra und Emys unverhältnismäßig früh und kräftig ausbildet, so könnte man darin eine Spezialisierung infolge des Meereslebens erblicken. Warum fehlt es aber dann bei Dermochelys ganz? Handelt es sich hier um einen sehr tiefgehenden Einfluß der Ernährungs- weise oder vielleicht gar um ein ganz primitives Verhalten? — Viel- leicht wäre auch der Canalis hypoperilymphaticus von Dermochelys als primitiver als der von Chelonia und Chelydra aufzufassen, weil er eine Vene enthält, also wahrscheinlich einen erkennbaren Zweck hat, zu- mal sich Venen auch in den weiten Canales hypoperilymphatici von Trionyx subplanus und Chelodina longicollis finden (s. S. 87, 88 Anm.). — Anklänge an Chelonia, die man möglicherweise als Konvergenzen er- klären kann, finden sich im Fehlen des Saccus endolymphaticus bei beiden, was bei Dermochelys (VII) zur Reduktion des Foramen endo- lymphaticum (11) geführt hat. Ferner zeigt Dermochelys die eigen- tümliche Verbindung des Squamosums mit dem Jugale, die am Schädel auf der Außenseite Postfrontale und Quadratojugale trennt (39a, b), ein Verhalten, das sich ausnahmsweise auch bei Cheloniiden findet. Überhaupt zeigt sich auch bei diesen schon die Tendenz, das Quadratojugale unter das Jugale zu schieben, was bei Dermo- chelys ein Verhalten des Quadratojugales (35, 36) herbeigeführt hat, wie es sich sonst nicht findet. — Zu erwähnen sind vielleicht hier noch einige Besonderheiten von Dermochelys, für die ich keinerlei Er- 206 Lupwie Nick, klärung finden kann. Dazu gehört das Fehlen des Coronoids bei Dermochelys (57), dann das Vorkommen paariger Gefäßöffnungen in der lateralen Ohrkapselwand (70). Weiter ist bei Dermochelys nur ein Foramen nervi hypoglossi vorhanden (5); in der Lage des Foramen canalis alveolaris unterscheidet sich Dermochelys von Che- lonia und Chelydra (60); der nach oben gehende Haken der Inter- maxillaria ist bei Chelonia nur sehr schwach ausgebildet (49), und kleine Gefäße in der Labyrinthregion zeigen unregelmäßiges Ver- halten (67). Auffallend ist auch, daß die Intertrabecula bei Chelonia hinten asymmetrisch mit den Trabekeln verschmilzt, bei Dermochelys aber ganz symmetrisch (79). So zeigen uns auch die Merkmale, in denen sich Dermochelys von Chelonia und Chelydra trennt, daß wir zwar eine frühe Trennung von Dermochelys und Chelonia annehmen müssen, sie widersprechen aber unter dieser Voraussetzung nicht der Auffassung, dab Dermo- chelys der Chelonia näher verwandt ist als irgendeiner anderen lebenden Schildkröte. Wir kommen zum Schlusse. — Wenn ich jetzt aus dem Voran- gehenden Folgerungen zu ziehen versuche auf die systematische Stellung von Dermochelys, so muß ich zunächst darauf hinweisen, daß solche, allein aus dem Schädel gewonnen, nicht genügen dürften, daß aber eine eingehende und zusammenfassende Darstellung des übrigen Skelets bis heute fehlt. Unbekannt ist ein großer Teil der Anatomie nicht nur für Dermochelys, sondern auch für die meisten anderen Schildkröten, so daß ein darauf basierender Vergleich heute noch nicht in ganz befriedigender Weise durchgeführt werden kann. Auch die paläontologische Ausbeute scheint mir, obwohl das, was vorhanden ist, gut bearbeitet wurde, noch zu lückenhaft zu sein, als dab sie sichere Schlüsse gewährleistete; namentlich sind Schädel sehr mangelhaft bekannt, da man nur wenige, unvollständige Stücke hat, die hier in Betracht kommen können. Die Betrachtung des Schädels von Dermochelys und Chelonia er- gibt meiner Auffassung nach keinen Anhalt für die alte Ansicht, daß die Athecae so durchaus von allen anderen Schildkröten ver- schieden sind, auch von den Cheloniiden, dab sie als ein besonderer primitiver Ast des Schildkrötenstammes betrachtet werden müßten. Vielmehr glaube ich, daß Dermochelys gerade den Cheloniiden von allen lebenden Schildkröten noch am nächsten steht, so groß auch die Differenzen sein mögen, die die Einzeluntersuchung des Kopf- skelets aufdeckte. Die wichtigsten, oft ins Detail gehenden Belege Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 207 für diese Meinung gibt uns einmal das Verhalten der-Nase und des Munddachs und dann die Intertrabecula. Alle diese weisen Spezia- lisierungen auf, die nicht als Konvergenzen gedeutet werden können, und lassen eine gemeinsame Stammform annehmen, die sich in diesen Spezialisierungen schon von den übrigen Schildkröten abgetrennt hat. Von Chelonia gesondert wird Dermochelys erstens durch eine Reihe von Merkmalen, die sich als Anpassungen an das Meeresleben erweisen, die aber weiter gehen als ähnliche Umformungen bei Chelonia, so vor allem der Reichtum an Knorpel und die Verminde- rung von Knochensubstanz (das Fehlen der Descensus parietales!). — Dann aber weist Dermochelys eine ganze Reihe von Merkmalen auf, die primitiver Natur sind und die Chelonia nicht mehr hat, die sie sekundär verloren hat. Diese Unterschiede neben den Kennzeichen der Verwandtschaft nötigen uns zu der Annahme, daß eine frühe Trennung beider Schildkrötengattungen im Laufe der Phylogenie stattgefunden hat. Und dies sagt uns schließlich auch die Paläontologie; bereits im Eocän finden wir neben der unzweifelhaften Atheke Psephophorus Cheloniiden. Wir sehen: Dermochelys gehört näher zu Chelonia als zu irgend- einer anderen Schildkröte, sie ist ihr verwandt; aber zwischen beiden Gattungen ist eine frühe Trennung eingetreten. Beide haben sich in weitgehendem Maße unabhängig vonein- ander an ihre heutigen Lebensbedingungen im Meere angepaßt, darauf weisen die zahlreichen divergierenden Spezialisierungen neben den Konvergenzen. Das hat neuerdings auch WıErLAnD (1909, p. 102) ausgesprochen: „The five great marine families, namely, the Chelo- niidae, Protostegidae, Desmatochelyidae, Toxochelyidae and Dermo- chelyidae, have doubtless indepedently acquired their equipment for life in the sea.“ Aber es erhebt sich die Frage, wieweit Dermochelys und Chelonia ihre Stammesentwicklung gemeinsam durchlaufen haben, d. h., ob die gemeinsame Stammform, in der sich beide begegnen, noch eine primitive Landschildkröte war, ob es eine Sübwasser- schildkröte war oder schon eine Meeresküstenform, ferner ob beide Formen sich dem pelagischen Leben etwa gleichzeitig zuwandten und etwa durch ihre verschiedene Ernährungsweise zu ihren ver- schiedenartigen Spezialisierungen kamen, oder ob vielleicht die Dermochelyden früher aufs Meer hinausgingen, da sie noch mehr primitive Merkmale zeigen neben im allgemeinen weitergehenden 208 Lupwie Nick, = Umbildungen als die Cheloniiden. Wir können zurzeit auf keine dieser Fragen eine bestimmte Antwort geben. Nur möchte ich zu der Annahme, daß die gemeinsame Stammform noch eine primitive Landform war (vAN BEMMELEN, 1896, p. 284), bemerken, daß dann das Verhalten des Munddachs und der Nase nicht so einfach zu erklären ist wie bei der Annahme, daß Dermochelys und Chelonia von einer Wasserform herzuleiten sind. Die Ausbildung der Nase mit den eigentümlichen Recessus bei beiden Formen ist nämlich offenbar eine Anpassung an ein Wasserleben, kann aber wegen der vielen ganz auffälligen Übereinstimmungen in Einzelheiten nicht als Konvergenz erklärt werden; dieser Typ der Nase muß schon von den gemeinsamen Ahnen der Dermochelyden und Cheloniiden erworben worden sein, die also anscheinend schon Wasserschildkréten und keine Landschildkréten mehr waren. Bei der Süßwasserschildkröte Chelydra scheint in einem Punkte, in der beginnenden Trennung der Pars olfactoria von der Pars respiratoria von oben her, der Beginn einer Entwicklungsrichtung gegeben zu sein, wie sie die Entwicklung der Seeschildkröten in diesem Punkte eingeschlagen hat. Man hätte also immerhin Grund zu der Annahme, daß sich Dermochelys und Chelonia von einer bereits im Wasser lebenden gemeinsamen Stamm- form abgezweigt haben. In diesem Zusammenhange erscheint auch das sekundäre Munddach der Cheloniiden als eine Anpassung an das Wasserleben, eventuell gesteigert durch die Art der Nahrung. Da nun das Munddach von Dermochelys, wie wir gesehen haben, auf diesen Cheloniidentyp zurückgeführt werden muß, so müssen die gemeinsamen Ahnen wohl bereits dieselbe Lebensweise ge- führt haben, wie dies Dotto auch annimmt. Es käme also sicher die Möglichkeit in Betracht, daß dieser Ahn vielleicht schon eine marine Schildkröte, eine Thecophore wie Chelonia, war. Dabei ist freilich zu bedenken, daß Chelonia ihrerseits in der Entwicklung des Gaumens weitergegangen ist und einen knöchernen sekundären Gaumen in einer Ausdehnung aufweist, wie er bei der gemeinsamen Stammform kaum vorhanden gewesen sein dürfte. Ich möchte an dieser Stelle ein paar Worte über den Panzer der Dermochelyden einfügen, über den ich selbst Untersuchungen nicht angestellt habe, und über die Frage, wie das Verhalten des Panzers zu den Schlüssen stimmt, die wir aus dem Verhalten des Kopfskelets gezogen haben. Es genügt hier, die beiden wichtigsten Ansichten über die Bedeutung des Dermochelys-Panzers heranzuziehen, die von Doro (1903) und von Hay (1898, 1908), die im schroffsten Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 209 Gegensatze zueinander stehen. Hay nimmt an, daß die ältesten Landschildkröten einen doppelten Panzer hatten, ein altes ge- schlossenes oberflächliches Reptilienhautskelet und darunter den eigentlichen Schildkrötenpanzer, Carapax und Plastron. Die früh ins Meer gehende Dermochelys hat den tiefliegenden Panzer fast völlig verloren; auch von dem Dermalpanzer ist das Knochenmosaik zwischen den Längskielen der Ventralseite, das die eocäne Psepho- phorus noch aufweist, reduziert worden. Der alte Hautpanzer ging im Verlauf der Entwicklung den übrigen Landschildkröten verloren während sich Carapax und Plastron verstärkten; von solchen Land- schildkröten stammt Chelonia. Der Dermalpanzer von Dermochelys ist demnach nach Hay primär und primitiv. Dotto dagegen spricht dem „Thecophore terrestre“ und dann auch dem „Thecophore littoral“, von welchen Dermochelys und Chelonia abstammen, den Dermalpanzer ganz ab. Der tiefliegende Knochenpanzer geht bei einem pelagischen Vorfahren von Dermochelys fast völlig verloren und wird, als diese Form wieder zum Littoralleben zurückkehrt, durch ein vollständiges Dermalskelet, wie es Psephophorus aufweist, ersetzt. Dieses ist bei der wieder pelagischen rezenten Dermochelys in Rückbildung. Der Dermalpanzer von Dermochelys ist also nach Doro eine verhältnis- mäßig junge Neubildung. Die Hay’sche Auffassung von der Phy- logenie der Dermochelys verträgt sich mit der von mir oben ent- wickelten Anschauung nicht, weil sie den Ursprung von Dermochelys auf eine alte Landschildkröte zurückführt, und Chelonia von einer relativ weiter entwickelten Landschildkröte abstammen läßt, so dab von einer Verwandtschaft von Dermochelys und Chelonia nicht die Rede sein könnte; besonders spricht wohl das Verhalten der Nase und des Gaumens gegen Hay. Dagegen läßt sich die Dorro’sche Auffassung mit meinen Resultaten vereinigen, scheint mir aber hin- sichtlich des Panzers Schwierigkeiten zu enthalten. Der „Thecophore pélagique“ soll ganz ohne Panzer sein. Dann müßten die Knochen- plättchen des Dermochelydenpanzers eine vollkommene Neubildung sein, obwohl wir in der Reihe der Reptilien vielfach ein altes Dermal- skelet antreffen. Auch fragt es sich, ob bei einer derart weit- gehenden Rückbildung der die ganze Körperform der Schildkröten bedingenden Hartteile diese selbst gewahrt bleiben konnte, wie es doch bei Dermochelys noch im ganzen der Fall ist, namentlich hinsichtlich der scharfen Seitenränder (vgl. die Fischform der Cetaceen, Pinni- pedier, Ichthyosaurier usw.). Für die Phylogenie des Panzers scheint mir die Hay’sche Auffassung vor der von Dotto einige Vorzüge zu Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 14 210 Lupwie Nick, haben; es ist aber vielleicht ein vermittelnder Weg zwischen beiden Ansichten nicht ganz auszuschließen. Die Dermalknochen über den Resten des tiefliegenden Knochenpanzers bei Dermochelys sind an- scheinend primitiv, wie auch Reste eines Dermalpanzers bei anderen rezenten Schildkröten beweisen (Hay, 1898, p. 942). Diese brauchen bei einer primitiven alten Form, wie es die Stammform von Dermo- chelys und Chelonia gewesen sein muß, erst recht nicht ganz rück- gebildet gewesen zu sein; sie bildeten wohl mindestens einige Längs- reihen. ') Durch irgendwelche Einflüsse des Hochseelebens geht bei den Vorfahren von Dermochelys die harte Knochenschale des typischen Schildkrötenpanzers fast völlig verloren, während sich zu gleicher Zeit die Reste des alten Hautskelets zu einem neuen Panzer ver- mehren, der einerseits zwar nicht die Starrheit der Thecophoren- knochenschale aufweist, aber doch eine weitergehende Umformung des ganzen Körpers verhindert. — Dies alles ist natürlich reine Vermutung; hier könnten nur weitere paläontologische Funde einen wirklichen Beweis erbringen. — Ich kann es mir aber nicht ver- sagen, hier darauf hinzuweisen, daß die angedeutete Richtung in der Entwicklung des Panzers von Dermochelys eine schöne Parallele im Verhalten der Sphenoidregion hat, ohne daß ich damit behaupten will, daß sie für die Genesis des Panzers irgend beweisend wäre. Das Parasphenoid ist wie die dermalen Elemente des Dermochelys- Panzers uralt, Carapax und Plastron demgegenüber neueren Ursprungs; letzteres ist auch bei der Intertrabekel der Fall gegenüber dem Parasphenoid. Bei Dermochelys erscheint das alte Parasphenoid sekundär vergrößert, während die Intertrabekel rückgebildet ist; ebenso erseheint hier der alte Dermalpanzer sekundär vergrößert, während der jüngere tiefe Knochenpanzer wieder rückgebildet ist. Bei Chelonia ist das Parasphenoid verloren gegangen und die jüngere Intertrabekel mächtig entwickelt; ebenso sind hier Carapax und Plastron geblieben und der alte Hautpanzer fehlt ganz. — Wir sehen, dab das Verhalten des Dermalpanzers unserer nach dem Kopfskelet entwickelten Ansicht über die Verwandtschaft von Dermochelys und Chelonia keinen Widerstand entgegenzusetzen braucht, auch wenn er von primitiver Herkunft sein sollte. In irgend einer 1) Wie es WIELAND (1909, p. 120) für Archelon annehmen zu müssen glaubt. Diese Form ist für uns sehr wichtig, weil sie zu den Protostegiden gehört, zu jener Familie fossiler Meeresschildkröten, die sowohl mit den Dermochelyden als mit den Cheloniiden verwandt sein dürfte. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. PAO Weise muß ja schließlich das, was wir aus dem Kopfskelet folgern können, mit den Schlüssen zusammenstimmen, die der Panzer von Dermochelys liefert. Und die hier ausgesprochene Vermutung über die Herkunft des Dermochelys-Panzers scheint mir gegenüber den mehr extremen Ansichten von Hay und Dotro den Vorzug zu haben, daß sie nicht nur mit den Ergebnissen der in dieser Arbeit durch- geführten Vergleichung des Schädels von Dermochelys und Chelonia in Einklang steht, sondern aus den Annahmen von Hay und Doro auch dasjenige vereinigt, was in beiden am wahrscheinlichsten er- scheint. Denn sie schließt sich einerseits der von Hay näher be- gründeten Ansicht an, daß die Elemente des Dermochelys-Panzers alten Ursprungs sind, die in geringer Ausdehnung (in Resten von Längsreihen) auch gelegentlich bei anderen Schildkröten auftreten. Und andererseits geht sie auch von der Annahme aus, dab die Ahnen von Dermochelys, weil die Form doch eine typische Schild- kröte ist, auch schon den charakteristischen Schildkrötenpanzer ge- habt haben müssen und daß derselbe jetzt größtenteils rückgebildet ist, wie es DoLLo vertritt. Ob man, von dieser Auffassung ausgehend, die Athecae im System noch bestehen lassen will, wie es DozLo trotz seiner veränderten An- sichten über die Verwandtschaft von Dermochelys noch tut (1905, 1907), ist eine andere Frage. Dermochelys hat sich durch die eigenartige Spezialisierung namentlich ihres Panzers außerordentlich weit von allen Schildkröten entfernt, aber doch bestehen wahrscheinlich Be- ziehungen zu einer Familie der Cryptodiren, den Cheloniiden, solche zu anderen Schildkröten dagegen nicht. Diese Beziehungen aber kommen nicht zum Ausdruck, wenn die Atheken neben den Crypto- diren stehen, denn damit könnte schließlich jede oder keine Unter- familie der Cryptodiren Beziehungen zu Dermochelys haben. Bringt man dagegen die Atheken ohne weiteres mit den Cheloniiden in eine Unterfamilie zusammen, wie dies SIEBENROCK (1909) durchführt, so werden dadurch Chelonia und Dermochelys einander näher gebracht, als sie zusammenstehen dürften; die großen Divergenzen im Baue dieser Tiere kommen dabei nicht zum Ausdruck. Für die Beant- wortung unserer Frage kommt auch in Betracht, welche Stellung man den Cheloniiden im Verhältnis zu den Cryptodiren überhaupt anweisen will. Müssen sie unzweifelhaft mit den anderen unter »Cryptodira“ vereinigten Familien auch diesen untergeordnet werden, was mir aber nicht ganz sicher erscheint, so wären auch die Atheken zu jenen zu stellen; es wäre dann aber angebracht, sie 14# 2 Lupwie Nick, als gleichwertige Familie neben die Cheloniiden zu stellen und so auch den Differenzen beider Gruppen gerecht zu werden. Aber da Dermochelys und Chelonia und ihre gemeinsame Stammform auf alte primitive Schildkröten zurückzugehen scheinen, so ist es vielleicht auch gerechtfertigt, unsere beiden Gattungen zusammenzufassen und den Cryptodiren gegenüberzustellen. — Den Beweis für eine solche Auffassung müssen allerdings noch eingehende vergleichende Unter- suchungen erbringen. — Für diese Gruppe, zu der außer Dermochelys und Chelonia auch die fossilen Protostegidae, Desmatochelydae und Toxochelydae (WIELAND, 1909) zu stellen sind, wäre eine Bezeichnung wie der von Baur gebrauchte Name „Pinnata“ oder Ragr’'s „Eret- mopoda“ jedenfalls geeigneter als das von WIELAND angenommene „Chelonioidea“, durch das Chelonia zu sehr zum Typ der Gruppe ge- stempelt wird. VI. Ergebnisse von allgemeinerem Interesse. 1. Die Angabe von VERSLUYS über ein großes Parasphenoid bei Dermochelys coriacea wird durch das mir vorliegende Material vollauf bestätigt. Auch Chelydra serpentina besitzt ein Parasphenoid ; bei Chelonia midas habe ich nichts davon vorgefunden. 2. Den Boden der Hypophysengrube bildet bei Dermochelys das Rostrum parasphenoidale, bei Chelonia das Rostrum basisphenoidale; letzteres geht aus den Trabekeln und der Intertrabecula hervor. Die Intertrabecula, der nach hinten verlängerte und mit dem Dorsum sellae verschmolzene untere Rand des Septum interorbitale, findet sich noch bei dem reifen Embryo von Dermochelys. wird aber frühzeitig in der Mitte aufgelöst und verschwindet bei Dermochelys bis auf einige Reste. Die Hypophyse liegt vor und über der Hypo- physengrube bei Chelonia und auch bei Dermochelys, wohl durch die Intertrabecula aus ihrer ursprünglichen, sonst auch bei Schildkröten sewahrten Lage verdrängt. Bei Chelydra, Trionyx und Chelodina und wahrscheinlich auch sonst bei Schildkröten wird eine Intertrabe- cula vermiBt. 3. Eine Reihe von Tatsachen bestätigt van BEMMELEN’S Ansicht über die Reduktion der Descensus parietales bei Der- mochelys. 4. Dasselbe gilt für die Ansicht von van BEMMELEN und Dotto über das einfache Munddach von Dermochelys, das sich danach aus einem solchen vom Typus der Chelonia entwickelt hat. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 213 5. Das knorplige Entoglossum von Chelydra und Emys (und wahrscheinlich auch der übrigen Schildkröten) entsteht als Ver- knorpelung von Bindegewebe und hat seinem Ursprunge nach mit dem Visceralskelet nichts zu tun. Es ist bei Chelonia beim reifen Embryo bereits wohl ausgebildet, fehlt aber bei Dermochelys an- scheinend immer. 6. Über der primordialen Schädelbasis in der Occi- pitalregion liegt bei der erwachsenen Dermochelys eine nachträglich entstandene dicke Knorpelplatte. Ein Hohlraum zwischen ihr und der ursprünglichen Basis des Cavum cranii wird durch Cristae auf Basisphenoid (und Basioceipitale bei Schädel V?), die mit der Platte knorplig verbunden sind, in zwei Kanäle geteilt. 7. An der knorpligen Basalplatte bei Chelydra finden sich paarige Vorsprünge nach unten, die möglicherweise als etwas verlagerte Processus basipterygoidei zn deuten sind. 8. Bei der erwachsenen Dermochelys fehlt das Foramen endo- lymphaticum, das beim Embryo noch vorhanden ist. Ein Saccus endolymphaticus fehlt anscheinend immer bei Dermo- chelys, aber auch bei Chelonia. 9. Unter dem Ductus perilymphaticus ist der hintere Teil der Ohrkapsel der untersuchten Schildkröten von einem Kanale durch- brochen, dem Canalis hypoperilymphaticus, der hinter dem unteren Ende der Lagena in der Ohrkapsel beginnt und in den lateralen Teil der Fissura metotica ausmündet. 10. Die Wände des Cavum cranii sind bei Dermochelys, wohl zum Teildurch sekundäre Vermehrung des Knorpels, sehr voll- ständig knorplig ausgebildet, so dab bei der erwachsenen Dermochelys das Primordialeranium noch eine nahezu vollständige knöcherne und knorplige Schädelkapsel bildet, wie sie sonst bei lebenden Reptilien nirgends in solcher Vollständigkeit gefunden worden ist. 11. Bei den Embryonen von Dermochelys und Chelydra findet sich im knorpligen Tectnm cranii über der Epiphyse ein medianes Loch, das vielleicht als ein Parietalloch zu erklären ist. 12. Die Nasen von Dermochelys und Chelonia sind beide nach einem Plane gebaut, der sonst bei Schildkröten nicht bekannt ist. Sie zeichnen sich durch eine weitgehende Trennung der Nasenhöhle in eine Pars olfactoria und eine hauptsächlich vor dieser gelegene Pars respiratoria aus; in letzterer finden sich auffallende Recessus- bildungen. 13. Aus den Befunden über die knorplige Nasenkapsel wäre le Lupwie Nick, hervorzuheben, daß die Muschelleiste vermutlich aus einem Muschelwulst, einer echten Muschelbildung nach SEYDEL, hervor- gegangen und danach zu bewerten ist. 14. Dermochelys steht nach dem Kopfskelet Chelonia unter allen lebenden Schildkröten am nächsten. Weit- gehende Spezialisierungen zwingen aber zu der Annahme, daß eine frühe Trennung beider Gattungen im Laufe der Stammes- entwicklung stattgefunden hat. Über die Lebensweise der Urform, von der beide herstammen, ist sicheres nicht anzugeben. Doch besteht meiner Ansicht nach eine größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie bereits eine Wasserschildkröte war, als für die Auffassung, daß sie noch eine primitive Landschildkröte war. — Der Panzer von Dermochelys läßt sich mit diesen Ergebnissen in Einklang bringen. 15. Für das System der Schildkröten dürfte es jetzt gerecht- fertigt sein, Dermochelys und Chelonia (nebst den zugehörigen fossilen Formen) in eine Gruppe zusammenzufassen, unter einem Namen, der nicht eine von ihnen als Typ hinstellt (wie ,Chelonioidea“). Wie die Stellung dieser Gruppe zu den übrigen Schildkröten ist, darüber kann man bis jetzt wenig Bestimmtes aussagen. — Die Reihe der Ergebnisse im Einzelnen bitte ich in der Tabelle S. 169—182 nachzusehen. Gießen, Januar 1911. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 215 Literaturverzeichnis. (Die mit * versehenen Arbeiten lagen mir nicht vor.) ALESSANDRINI, A., (1834), De Testudinum lingua atque osse hyoideo, in: Nov. Comment. Bonon., Vol. 1, p. 53-—61. —, (1838), Uber die Geschichte und die Anatomie von Sphargis mercu- rialis, (in: N. Ann. Sc. nat. Bologna, Vol. 1), Auszug in: Isis 1843, p. 540, 541. AMOUREUX, M., (1778), Observation sur une Tortue, in: ROZIERS Ob- servations et Memoires sur la Physique, Vol. 11, p. 65. ANDREWS, ©. 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Erklärung der Abbildungen. a Lücke zwischen Trabekel und der Leiste des Pterygoids (pl); aa ‚Lücke im rechten Planum supraseptale des reifen Embryos von Chelonia ; ang Angulare; ap. l.r.s.t Apertura lateralis recessus scalae tympani; arc.o Arcus occipitalis ; art. ce Arteria cerebralis; art. fac Arteria facialis ; art. pn Arteria palatinonasalis ; b Gefäßloch in der lateralen Ohrkapselwand der Dermochelys-Embryonen ; bb Offuung in der Knorpelleiste (kl) am Septum nasi von Chelydra ; b. dr BowMan’sche Drüsen; bg Bindegewebe (in Fig. A); bi straffes Bindegewebe als hinterer Abschluß der Incisura columellae auris; bm bindegewebige Scheidewand am Eingange des Recessus medialis der Nase; bn Bindegewebsstränge bei Dermochelys, an dem Platze der Descensus parietales der übrigen Schildkröten; bocc Basioceipitale ; bp Basalplatte; bp‘ Reste der knorpligen Basalplatte bei der erwachsenen Dermochelys ; bpl Leiste unten seitlich an der Basalplatte von Chelydra (Processus basi- pterygoideus?); bs Basisphenoid; bw Bindegewebe als Seitenwand des Cavum cranii in der Orbitalregion von Chelydra; e Fortsatz vom Subiculum infundibuli nach unten beim reifen Embryo von Chelydra, ein Geräß umgreifend ; c' geschlossenes Gefäßloch bei der halberwachsenen Chelydra, durch stärkere Ausbildung von ¢ entstanden; ca. hy Cartilago hypochiasmatica ; ca. me Cartilago Meckelii ; Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 15 226 Lupwie Nick, can. car Canalis caroticus; can. cav Canalis cavernosus ; can. g Kanal für ein Gefäß im Prooticum von Dermocheiys (S. 32) ent- spricht b beim Embryo); can. hpl Canalis hypoperilymphaticus; _ can. hpl' vordere der beiden hinteren Öffnungen des linken Canalis hypo- perilymphaticus bei A; can. s. a Canalis semicircularis anterior; can. s.e Canalis semicircularis externus; can. s.p Caralis semicircularis posterior ; car. i Carotis interna; ca. sph Cartilago sphenoethmoidalis ; ca. sph‘ unvollständige Cartilago sphenoethmoidalis beim Embryo von Chelonia ; . br. I Cornu branchiale I; . br. II Cornu branchiale IT; .c Cavum cranii; .co Cavum cochleare; .g cavernöses Gewebe; ch Chorda; cha Choanenausschnitt ; ce. hy Cornu hyale; co. hy Corpus hyale; col, au Columella auris; col, au. f FuBplatte der Columella auris ; col. au. à Insertionsteil der Columella auris; cpe Stellen mit Cylinderpflasterepithel in der Nase der Dermochelys-Em- bryonen ; cr. boce Crista basioccipitalis ; cr. bs Crista basisphenoidalis ; d Rest einer Spange zwischen Fenestra oculomotoria und trochlearis beim Embryo von Chelonia; dd Stelle der Verschmelzung zwischen Septum nasi und Pars paraseptalis hinter dem Foramen praepalatinum bei den Embryonen von Chelonia und Chelydra ; dent Dentale; d.m Dura mater; d.nph Ductus nasopharyngeus; d.pl Ductus perilymphaticus; d.s Dorsum sellae; e Venenloch in der medialen Ohrkapselwand von Chelydra; ce Foramen im Planum supraseptale von Dermochelys VII, dem Foramen epiopticum von Lacerta entsprechend (?); ee‘ Homologon von ce bei A (?); eg Einführungsgang der Nase; eh Epipterygoidhöcker des Processus pterygoideus bei Dermochelys ; epibr. 1 Epibranchiale I; exocc Exoccipitale; OS © aa © Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. OO f Leiste auf dem Pterygoid (S. 43); f. af Fossa acusticofacialis ; f. art. fac Foramen arteriae facialis ; f. can. alv Foramen canalis alveolaris ; f. car. int Foramen carotidis internae ; f. cav Foramen cavernosum ; fe. ifo Fenestra infraorbitalis ; fe. io Fenestra septi interorbitalis ; f. el Foramen endolymphaticum; fe. na Fenestra narina; fe. ov Fenestra ovalis ; fe. ov' Incisur der Fenestra ovalis im Opisthoticum und Prooticum fe. po Fenestra postotica; fe.s.n Fenestra septi nasi; fe. str Fenestra supratrabecularis ; fe. str’ Rest der Fenestra supratrabecularis bei der erwachsenen Dermo- chelys VII; f. ext. VII Foramen externum nervi facialis ; f.ext. IX Foramen externum nervi glossopharyngei; f. ext. XII Foramen externum nervi hypoglossi ; fe. II Fenestra optica; fe. IIT Fenestra oculomotoria ; fe. IV Fenestra trochlearis; f.e. V.nas. | Austrittsöffnung für den lateralen Ast des Ramus ethmoidalis _ nervi trigemini bei Chelonia und Chelydra ; ff Offmungen im Planum supraseptale des Embryos von Chelydra ; fi. me Fissura metotica ; f. inc Foramen incisivum ; f. int. VII Foramen internum nervi facialis; f. int. IX Foramen internum nervi glossopharyngei; f. int. XII Foramen internum nervi hypoglossi; fi.on Fissura orbitonasalis; fi. on‘ Offnung bei Chelydra, die der Fissura orbitonasalis mit dem Foramen olfactorium entspricht; f. jug. ant Foramen jugulare anterius bei Erwachsenen (ein Teil der Fissura metotica der Embryonen) ; f.m Foramen magnum; fo. ma Fovea major; fo. te Fossa temporalis ; f.pl Foramen perilymphaticum ; f. pl’ Incisur für das Foramen perilymphaticum im Opisthoticum; f.prp Foramen praepalatinum ; fr Frontale ; f. sph Foramen sphenoidale (für V, 1 und 2); f. I Foramen olfactorium ; f. V Foramen prooticum (für den ganzen Trigeminus) ; f. V. nas.l Foramen für den lateralen Ast des Ramus ethmoidalis nervi trigemini ; 15* 298 Lupwie Nick, f. V.nas. m Foramen für den medialen Ast des Ramus ethmoidalis nervi trigemini (bei Dermochelys B); f. VI Foramen nervi abducentis; i VILE a Foramen anterius nervi acustici; . VIII, 2 Foramen posterius nervi rene: f. VIII, m Foramen mediale nervi acustici bei Chelydra; g Gefäßöfnung in der medialen Ohrkapselwand der erwachsenen Che- lonia ; gd Grube für die Symphyse der Dentalia am Schädel; gd' Grube für die Symphyse der Dentalia am ganzen TER (VID; gg Öffnung im Planum supraseptale von Dermochelys (VII); gl.e Glandula nasalis externa ; gl.m Glandula nasalis mes: go Goniale ; gr Grenzfurche hinten zwischen Basisphenoid und Parasphenoid; bei III; gr‘ Grenzfurche vorn zwischen Basisphenoid und Parasphenoid (unter der Trabekel); bei VII; gw Grenzwall in der Nase von Chelydra; h Lücke zwischen den Gaumenfortsätzen der Intermaxillaria am Schädel „von Dermochelys ; hh Offnung im Planum supraseptale von Dermochelys VIT; hk knorpliges Dach des Ductus nasopharyngeus bei Chelonia; ho Hornschicht der Kiefer; hp Hornpapillen im Munddache von Dermochelys ; hs horizontaler Spalt in der Paries nasi von Chelydra (S. 162); hy Hypophysis cerebri ; i Lücken im Septum interorbitale des Embryos von Chelydra; wi Lücken im Planum supraseptale von Dermochelys B; imax Intermaxillare ; imax’ Gaumenfortsätze des Intermaxillares ; i.na innere Nasenôffnung ; inc. au Incisura columellae auris; ine. ec. s. a Incisura canalis semicireularis anterioris ; inc. c.s.e Incisura canalis semicircularis externi; ine. ¢. s.p Incisura canalis semieircularis posterioris ; inc. g eee für ein Gefäß (?) über dem Foramen posterius nervi acustiei bei III; ine.io Ausschnitt im Septum interorbitale ; inc. jug. post Incisura jugularis posterior ; inc. V. nas. m Ausschnitt für den medialen Ast des Ramus ethmoidalis nervi trigemini (bei Dermochelys A); inc. VI Ineisura nervi abducentis am Dermochelys-Schädel ; inc. VIII, 2 Ineisura posterius nervi acustici (bei III links und IV rechts; intra vitam durch Knorpel zum Foramen ergänzt); itr Intertrabecula ; itr’ hinterer Rest der Intertrabecula bei Dermochelys A und VII; itr’ vorderer Rest der Intertrabecula bei Dermochelys A und VII; jug Jugale; Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 229 k durch die mediane Ohrkapselwand der Embryonen von Dermochelys tretendes Gefäß (Fig. C und D); kco Knorpelkappe des Condylus oceipitalis; kk am Solum nasi des Chelonia-Embryos liegendes isoliertes Knorpelstück (S. 152); kl Knorpelleiste am Septum nasi von Chelydra; kl’ umgebogener hinterer Teil von kl; kn‘ proximaler Knorpelrest des Cornu branchiale I von Dermochelys; kn“ distaler Knorpelrest des Cornu branchiale I von Dermochelys ; kna Knochenauswuchs am Pterygoid (S. 46); knl Knorpelrest zwischen Supraoccipitale und Opisthoticum bei Dermo- chelys VIL; ko knorplig gebliebene mediane Ohrkapselwand bei den Erwachsenen; kp Knorpelplatte über der Basalplatte von Dermochelys VIT; k. pr. pa knorpliges Ende des Processus paroticus; kw Knorpelwulst am Septum von Chelonia; ! Lücke zwischen Supraoccipitale, Opisthoticum und Prooticum am mace- rierten Schädel; la Knochenlamelle an der Innenseite des Angulare (S. 67); le an das Schädeldach hinten ansetzende Lederhaut; le‘ le“ Leisten in der Pars respiratoria der Nase von Chelydra; Le!" lg Lagena ; l. gf laterale Grenzfalte ; Il Lücke im Planum supraseptale bei Dermochelys A (S. 129); 1. o Laquaeus oweni; m mittlerer Vorsprung am Vorderrande des Basisphenoids von Dermochelys (S. 40); max Maxillare ; m. gf mediale Grenzfalte ; mh Mundhöhle ; ml Muschelleiste von Dermochelys und Chelonia ; ml Einbuchtung an der Außenseite der Paries nasi an der Stelle, wo innen die Muschelleiste abgeht; mm Öffnung in der Muschelleiste von Dermochelys ; mw Muschelwulst von Chelydra ; mw‘ Einbuchtung in der Paries außen am Muschelwulst; n Knochenfortsatz des Prooticums (S. 30); nf Foramen in dem Fortsatze n (S. 31); ni Nische zwischen Septum nasi und Pars paraseptalis; nn Öffnung in der Muschelleiste von Dermochelys, vor mm; n. pal Nervus palatinus (Ramus palatinus nervi facialis); o dünnste Stelle an der Oberfläche des Schädeldaches von Dermochelys; oc Stelle des Ossifikationszentrums im Corpus hyale von Dermochelys VIT; ok knorplige Ohrkapsel; oo Lücke in der Paries nasi von Chelydra; opot Opisthoticum ; 230 Lupwie Nick, or.c.p Orificium canalis semicircularis posterioris ; p Fortsatz des Supraoccipitales (S. 25); pal Palatinum ; pal.k Kante am Palatinum, Rudiment eines Processus palatinus ; pa.n Paries nasi; p.ant Pars anterior des JACOBSON’schen Organs (?); par Parietale ; par Descensus parietalis ; p.ech Pars ectochoanalis; pess. a Pessulus anterior; pess.e Pessulus externus; pess. p Pessulus posterior; pf Parietalloch (?); p. inf Pars inferior des JACOBSON’schen Organs (?); pi.p Pila prootica; pl Pterygoidleiste, die bei Dermochelys Canalis caroticus und Canalis caver- nosus zu trennen sucht; pl.ao Planum antorbitale; pl.ss Planum supraseptale ; p.olf Pars olfactoria; pofr Postfrontale ; pp Knorpelspange über der knorpligen Umhüllung des Recessus inferior in der Chelonia-Nase (S. 156); p. pse Pars paraseptalis ; p. pse‘ unterer Teil der hinteren geteilten Pars paraseptalis bei Dermochelys A ; p.pse" Vorsprung der Pars paraseptalis bei Dermochelys B (S. 152); pr. alv Processus alveolaris des Maxillares; pr.art Processus articularis des Quadratums; pr.br Processus branchialis des Corpus hyale; pr.cl Processus clinoideus des Basisphenoids ; prfr Praefrontale ; prfr‘ Vertikalplatte des Praefrontales ; pr.hy Processus hyalis | pr. ling Processus lingualis > des Corpus hyale; pr. med Processus medialis | pr. m.p Processus maxillaris posterior ; prnk Pränasalknorpel ; prot Prooticum ; pr. pa Processus paroticus ; pr. pal Processus palatinus ; pr. prfr Processus praefrontalis des Maxillares ; pr. pter Processus pterygoideus des Quadratums ; pr. pter. f Furche für den Processus pterygoideus im Pterygoid ; pr.sq Processus squamosus des Squamosums; ps Parasphenoid ; p. sup Pars superior des JACOBSON’schen Organs (?); pter Pterygoid ; q Fortsatz des Prooticums (S. 32); S Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 231 qj Quadratojugale ; qp von Quadratum und Pterygoid gebildeter Fortsatz unter der Incisura columellae auris ; qua Quadratum ; r. bs Rostrum basisphenoidale ; rec. amp. post Recessus ampullae posterioris; rec.dn Recessus des Ductus nasopharyngeus von Chelydra; rec.i Recessus inferior der Nase bei Chelonia; rec.i' Rest des medialen Teils des Recessus inferior bei Dermochelys ; rec.i.k Hohlraum im Knorpelskelet für rec. à bei Chelonia ; rec. 1. k‘ Hohlraum im Knorpelskelet für rec. i‘ bei Dermochelys ; rec.m Recessus medialis der Nase von Chelonia und Dermochelys ; rec.p.s.s.ulr Recessus pro sinu superiore utriculi; rec. s Recessus superior der Nase von Chelonia und Dermochelys ; rec. s.k Hohlraum im Knorpelskelet für rec. s; r.pa Reste der Paries nasi in der Umrahmung des Einführungsganges bei Dermochelys ; r.p.p Ramus petrosus profundus des Sympathicus; r.ps Rostrum parasphenoidale ; yr Öffnung in der Paries nasi von Chelonia, für einen Ast des Nervus palatinus und Gefäße; rr entsprechende Öffnung in der Paries nasi von Chelydra, aber relativ tiefer gelegen; s Lücke in der linken Ohrkapselwand des Embryos von Chelydra (Fig. F); sa. el Saccus endolymphaticus; sang Supraangulare; s.c Sinus cavernosus; sel Selera; scl. ri Knochenplättchen des Scleroticalringes ; se. io Septum interorbitale ; se. n Septum nasi; soce Supraoccipitale ; - so.n Solum nasi; sp Spalt in der Pterygoidleiste p/; sp. se Spalt zwischen Pars paraseptalis und Septum nasi hinter dem Foramen praepalatinum bei Dermochelys und Chelydra; sp. se' Naht bei Chelonia an Stelle von sp. se; sp. so Spalt zwischen Pars paraseptalis und Septum nasi vor dem Foramen praepalatinum bei Chelonia; sp. so‘ Reste von sp. so bei Dermochelys ; sq Squamosum ; ss Spalt in der Paries nasi von Chelonia; su. art. fac Sulcus arteriae facialis ; su. Subiculum infundibuli; t isoliertes Knorpelstück an der inneren Ohrkapselwand von Dermochelys B ; t. aud Tuba auditiva ; tb Tuberculum basioccipitale ; ib. k knorplige Anlage des Tuberculum basioccipitale ; rr! 232 Lupwie Nick, {.c Tectum cranii; {.c‘ vorderes isoliertes Stück des Tectum cranii bei Chelydra; te. n Tectum nasi; tr Trabecula ; tra Trachea; tr. e Trabecula communis ; irl Trabekelleiste am Rande des Rostrum basisphenoidale von Chelonia; i. sty Taenia supratrabecularis ; t. str‘ Reste der Taenia supratrabecularis bei Dermochelys VIT; t. str“ Reste der Taenia supratrabecularis beim Chelonia-Embryo ; tu. ba Tuberculum basale ; it Offnung in der Knorpelleiste unten am Tectum nasi beim Dermochelys- Embryo; uw Nervenloch in der Knorpelleiste am Septum nasi von Chelydra (S. 151); v.j Vena jugularis; vo Vomer; vpf Vorsprung des Vomers gegen die untere mediale Ecke der Vertikal- platte des Praefrontales ; vs vertikale Scheidewand zwischen Pars olfactoria und respiratoria in der Nase von Dermochelys und Chelonia ; vs‘ Falte bei Chelydra, die vs vielleicht entspricht; vsk knorplige Stütze für vs; vs‘k knorplige Stütze für vs‘; vv Knorpelvorsprung nach vorn an der Eintrittsstelle des lateralen Astes des Ramus ethmoidalis nervi trigemini bei Dermochelys B (S. 165); u in der Pars paraseptalis von Chelonia (S. 152); ‘ Öffnung in der Pars paraseptalis von Dermochelys A (S. 153); 1% Bier or, bzw. Knochenlamelle, die die Incisura bzw. das Foramen jugulare posterius abgrenzt; YY _Foramen im Planum antorbitale der Embryonen von Dermochelys (S. 165); x Öffnung in der Pars paraseptalis von Chelonia (S. 152); x‘ Spalt in der Pars paraseptalis von Dermochelys A (8.153); 1-9 Öffnungen in Tectum und Paries nasi der Dermochelys-Embryonen ; 1,1 Sonde durch den Canalis nervi facialis im Prooticum ; 2,2 Sonde durch das Foramen rami anterioris nervi a im Prooticum; I Nervus olfactorius; II Nervus opticus; III Nervus oculomotorius ; IV Nervus trochlearis; V Nervus trigeminus; V, lat (in der Nase) lateraler Ast des Ramus ethmoidalis nervi trigemini; V, med (in der Nase) medialer Ast des Ramus ethmoidalis nervi trigemini; VI Nervus abducens; VII Nervus facialis; VIII Nervus acusticus; IX Nervus glossopharyngeus; X (+ XJ) Nervus vagus (- accessorius) ; XII Nervus hypoglossus. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 233 Narhele le Fig. 1. Dermochelys coriacea, Schädel I, Gaumenansicht. Der im Original vorn rechts lädierte Vomer ist auf der Tektur durch eine unter- brochene Linie ergänzt. 1:3. Fig. 2. Dermochelys coriacea, Schädel I, von oben. Auf der Tektur ist der Umriß des rechten Intermaxillares in der Lücke h ergänzt, da der Gaumenfortsatz dieses Knochens am Original abgebrochen ist. 1:3. Fig. 3. Dermochelys coriacea, Schädel II, Schädeldach von innen. 1:3. Fig. 4 Dermochelys coriacea, Schädel I, von hinten. 1:3. Fig. 5. Dermochelys coriacea, Schädel I, von der Seite. 1:3. Fig. 6. Dermochelys coriacea, Schädel I, von vorn, mit dem Unter- kiefer. 1:3. Mate) 2: Fig. 7. Dermochelys coriacea, Schädel III. Die paarigen Knochen der rechten Hälfte des Schädels sind entfernt. Außerdem fehlen (am Originale) der Vomer, das linke Intermaxillare, die Vertikalplatte des linken Praefrontales und ein Teil des linken Palatinums. 1:3. Fig. 8 Dermochelys coriacea, Schädel III. Das Schläfendach der linken Seite ist entfernt, um die Knochen, die das Cavum cranii in der Occipital- und Labyrinthregion begrenzen, von außen zu zeigen. Außer dem Vomer fehlen auf der rechten Seite Praefrontale, Intermaxillare und Palatinum. Das abgebildete Palatinum ist das linke. 1:3. Fig. 9. Dermochelys coriacea, Schädel III. Vorderansicht des Dorsum sellae und seiner Umgebung. Die Schläfendecken und das Supraoccipitale sind fortgenommen. Das linke (am Originale allein vorhandene) Palatinum ragt stark nach vorn vor und stört deshalb etwas, ließ sich aber nicht wohl in der Figur oder am Originale entfernen. 1:2. Fig. 10. Dermochelys coriacea, Objekt VII. Das Zungenbein von oben. 1:3. Fig. 11. Dermochelys coriacea, Schädel III. Die drei das Labyrinth beherbergenden Knochen und das Quadratum der linken Seite von innen. Das Supraoccipitale ist aus seiner natürlichen Lage am Schädel nach oben und außen, das Opisthoticum nach hinten und außen und das Prooticum nach vorn und außen gedreht, um die Hohlräume des knöchernen Labyrinths zu zeigen. 1:2. Fig. 12. Dermochelys coriacea, Kopf von Objekt VII, von hinten gesehen. Der Kopf ist etwas rechts (hinten weiter rechts als vorn) von der Mediane durchsägt und nur die linke Hälfte abgebildet. Das Skelet ist hinten freipräpariert. 1:2. Fig. 13. Dermochelys coriacea, Schädel III. Basioccipitale, Basi- sphenoid, Rostrum parasphenoidale und die Pterygoide von oben gesehen. 1:2. Fig. 14. Dermochelys coriacea, Schädel III. Basioccipitale, Para- sphenoid und die Pterygoide von unten gesehen. 1:2. Fig. 15. Dermochelys coriacea, Schädel II. Unterkiefer von außen. 1:3. Fig. 16. Dermochelys coriacea, Schädel I. Der Unterkiefer ist so 234 Lupwie Nick, gelegt, daß seine rechte Hälfte in ihrer ganzen Länge und ohne störende Verkürzung von innen sichtbar ist. 1:3. Bei allen Originalphotographien zu Tafel I und Tafel II wurden die Knochennähte, soweit es nötig war, mit Kohle stärker hervorgehoben, unter steter Kontrolle an den Originalen. Tafel 3. Fig. 17. Dermochelys coriacea, Kopf von Objekt VII, rechts von der Mediane halbiert, vorn der Mediane näher wie hinten. Linke Hälfte. 1:1. Fig. 18. Wie Fig. 17, vorderer Teil der rechten Hälfte 1:1. Fig. 19. Chelonia midas, Kopf, sehr nahe der Mediane (etwas mehr rechts) halbiert. Linke Hälfte.!) 1:1. Fig. 20. Wie Fig. 19, vorderer Teil der rechten Hilfte.1) 1:1. Fig. 21. Chelydra serpentina, Kopf, etwas rechts von der Mediane halbiert. Linke Hälfte 1,5:1. Fig. 22. Wie Fig. 21, vorderer Teil der rechten Hälfte 1,5:1. Die Umrisse der Figuren auf Tafel 3 wurden mit Hilfe eines Zeichen- apparates festgelegt. Knorpel ist blau, Knochen gelb angegeben. Die Schnittflächen sind punktiert. In Fig. 20 sind geringe Reste von Knorpelteilen vorn in der Um- rahmung des Einführungsganges weggelassen. In Fig. 22 ist der Ein- führungsgang auseinandergelegt gezeichnet, so daß hier alle Knorpelteile sichtbar sind; sie entsprechen denen beim reifen Embryo von Chelydra, Taf. 12 Fig. 73—77. Der Kopf von Dermochelys VIT hat beim Durchsägen im Knorpel- skelet der Nase etwas gelitten, so daß beide Hälften hier nicht mehr genau aufeinanderpassen. Marker Fig. 23.7) Dermochelys coriacea, Embryo A. Querschnitt durch den Kopf in der Höhe des Hypoglossusaustritts. 5,6:1. Fig. 24. Dermochelys coriacea, Embryo B. Querschnitt durch den 1) Bei dem in Fig. 19 und 20 dargestellten Objekte wurde der Schnitt links von der Mediane geführt; um einen leichteren Vergleich mit den entsprechenden Figuren von Dermochelys und Chelydra zu ermög- lichen, habe ich die Objekte spiegelbildlich wiedergegeben, so daß die rechte Hälfte des Objekts in Fig. 19 als linke erscheint, die linke Hälfte des Objekts in Fig. 20 als rechte. 2) Diese und alle folgenden Figuren von Schnitten durch die Köpfe der reifen Embryonen auf den Tafeln 4—10 sind schematisch vereinfacht. Auf allen diesen Figuren sind angegeben: Knochen dunkelblau, Knorpel hellblau, Nerven schwarz, Arterien mit doppelter Kontur und dunkelrot, Venen hellrot, Muskulatur regelmäßig gestrichen, Bindegewebe mehr oder weniger dicht gestrichelt und Drüsen punktiert. — Zeichenerklärungen sind in den einzelnen Tafelerklärungen nur dann besonders zugefügt, wenn Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 235 Kopf in der Höhe des hinteren Teiles der Fissura metotica; der Schnitt geht etwas schräg und daher liegt seine rechte Hälfte weiter vorn im Kopfe als die linke. 5,6:1. Fig. 25. Dermochelys coriacea, Embryo B. Querschnitt durch den Kopf, 0,55 mm vor dem in Fig. 24 dargestellten Schnitt gelegen. 5,6:1. Fig. 26. Dermochelys coriacea, Embryo B. Querschnitt durch den Kopf, 0,05 mm vor dem in Fig. 25 dargestellten Schnitt. 5,6:1. Tatel 5. Fig. 27. Dermochelys coriacea, Embryo A. Querschnitt durch den Kopf, 2,65 mm vor dem in Fig. 23 dargestellten Schnitt. 5,6:1. can. hpl' eine nur bei A auf der linken Seite vorhandene Kommunikation des Canalis hypoperilymphaticus mit dem medialen Teile des Cavum tym- pani, vor der gewöhnlichen auch hier vorhandenen Ausmündungsstelle gelegen. Fig. 28. Dermochelys coriacea, Embryo B. Querschnitt durch den Kopf, 0,3 mm vor dem in Fig. 26 dargestellten Schnitt. 5,6:1. ¢ iso- liertes Knorpelstück an der medialen Ohrkapselwand. Fig. 29. Dermochelys coriacea, Embryo A. Querschnitt durch den Kopf, 0,5 mm vor dem in Fig. 27 dargestellten Schnitt. 5,6:1. b Gefäßloch in der lateralen Ohrkapselwand. Fig. 30. Dermochelys coriacea, Embryo B. Querschnitt durch den Kopf, 1,2 mm vor dem in Fig. 28 dargestellten Schnitt. 5,6:1. Mastre ll 6, Fig. 31. Dermochelys coriacea, Embryo B. Querschnitt durch den Kopf, 0,39 mm vor dem in Fig. 30 abgebildeten Schnitt. 5,6: 1. Fig. 32. Dermochelys coriacea, Embryo B. Querschnitt durch den Kopf, 2,2 mm vor dem in Fig. 31 dargestellten Schnitt. 5,6:1. bn Bindegewebe, das bei Dermochelys an Stelle von Parietalpfeilern ein Cavum epiptericum nach außen abschließt. Fig. 33. Dermochelys coriacea, Embryo B. Querschnitt durch den Kopf, 0,25 mm vor dem in Fig. 32 dargestellten Schnitt. 5,6:1. Fig. 34. Dermochelys coriacea, Embryo B. Querschnitt durch den Kopf, 3,9 mm vor dem in Fig. 31 dargestellten Schnitt. 5,0221 pf Parietalloch (?). Date ler Fig. 35. Dermochelys coriacea, Embryo A. Querschnitt durch den Kopf, 7,73 mm vor dem in Fig. 29 dargestellten Schnitt. 5,6:1. ho Hornscheide der Kiefer. Fig. 36. Gaumenansicht von Dermochelys coriacea (VIT). 1:1,75. die betreffenden Zeichen selten gebraucht sind und keine Beziehung zu den Buchstaben im Namen des zu bezeichnenden Teiles haben; im übrigen siehe die Zeichenerklärung S. 225—232. 236 Lupwie Nick, gd Grube für die Symphyse der Dentalia; hp Hornpapillen +4), à. na innere Nasenöffnung. WVanell ts. Fig. 37. Chelonia midas, Embryo. Querschnitt durch den Kopf in der Höhe des hinteren Veiles der Ohrkapsel. Der Schnitt entspricht in der Lage etwa dem in Fig. 27 abgebildeten Schnitt von Dermochelys. 5,6 : 1. Fig. 38. Chelonia midas, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 1,4 mm vor dem in Fig. 37 dargestellten Schnitt. 5,6:1. Fig. 39. Chelonia midas, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 0,7 mm vor dem in Fig. 38 dargestellten Schnitt. 5,6: 1. Fig. 40. Chelonia midas, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 1,19 mm vor dem in Fig. 39 dargestellten Schnitt. 5,6:1. Fig. 41. Dermochelys coriacea, Embryo A. Querschnitt durch den Kopf, 3,5 mm vor dem in Fig. 35 abgebildeten Schnitt. 5,6:1. vo Knorpelfortsatz an der Eintrittsstelle des Ramus lateralis vom Nasen- aste des Trigeminus. Fig. 42. Dermochelys coriacea, Embryo B, Querschnitt durch den Kopf, 8,21 mm vor dem in Fig. 34 abgebildeten Schnitt. 5,6:1. p. pse’ Vorsprung der Pars paraseptalis [s. S. 152]; sp. se Spalt zwischen Septum und Pars paraseptalis hinter dem Foramen praepalatinum. What els. Fig. 43. Dermochelys coriacea, Embryo A. Querschnitt durch den Kopf, 0,77 mm vor dem in Fig. 41 dargestellten Schnitt. 7:1. Fig. 44. Dermochelys coriacea, Embryo A. Querschnitt durch den Kopf, 0,98 mm vor dem in Fig. 43 dargestellten Schnitt. 7:1. cpe Stelle mit Cylinderpflasterepithel; mm Loch in der Muschelleiste. Fig. 45. Dermochelys coriacea, Embryo A. Querschnitt durch den Kopf, 0,91 mm vor dem in Fig. 44 dargesteliten Schnitt. 7:1. nn Loch in der Muschelleiste (vor mm, s. Fig. 44), hier nicht ganz im Quer- schnitt liegend. Fig. 46. Dermochelys coriacea, Embryo A. Querschnitt durch den Kopf, 0,77 mm vor dem in Fig. 45 dargestellten Schnitt. 7:1. rec. i medialer Teil des Recessus inferior. Fig. 47. Chelonia midas, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 8,26 mm vor dem in Fig. 40 abgebildeten Schnitt. 7:1. b.dr Bow- MAN’sche Drüsen; Ak Knorpeldach des Ductus nasopharyngeus; mi’ Ein- buchtung der Paries außen an der Muschelleiste; sp. se Naht zwischen dem unteren Teile des Septum nasi und der Pars paraseptalis. Die Horn- scheiden der Kiefer sind hier und auf den folgenden Figuren (48—50) von Chelonia nicht angegeben, da sie beim Schneiden beschädigt wurden. 1) Näheres über diese Hornpapillen findet man bei ©. K. HOFFMANN (1890, p. 242, 243). Sie kleiden bei Dermochelys und Chelonia die Speise- röhre aus, erstrecken sich aber, wie ich sehe, nur bei Dermochelys auch bis auf den Gaumen nach vorn. Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 237 Fig. 48. Chelonia midas, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 0,7 mm vor dem in Fig. 47 abgebildeten Schnitt. 7:1. dd Stelle der konti- nuierlichen Verschmelzung von Pars paraseptalis und Septum nasi hinter dem Foramen praepalatinum; ni Nische zwischen Pars paraseptalis und Septum nasi; 77 Foramen in der Paries nasi, durch das ein Ast des Nervus palatinus und eine kleine Arterie treten; w,x Foramina in der Pars paraseptalis (s. S. 152). Fig. 49. Chelonia midas, Embryo. Querschnitt durch den Kopf. 0,91 mm vor dem in Fig. 48 abgebildeten Schnitt. 7:1. v. s verti- kale Scheidewand zwischen Pars olfactoria und Recessus superior; sie ist im Schnitte mehr auf der Rückseite nach der Pars olfactoria hin ge- troffen und zeigt daher noch angeschnittene BOWMAN’sche Drüsen ; v.s.k Knorpelstreifen in der vertikalen Scheidewand (nur im medialen Teile auf dem Schnitt). Fig. 50. Chelonia midas, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 0,56 mm vor dem in Fig. 49 dargestellten Schnitt. 7:1. sp.so Spalt zwischen Septum und Solum nasi vor dem Foramen praepalatinum. Fig. 51. Chelonia midas, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 0,7 mm vor dem in Fig. 50 dargestellten Schnitt. 7 : 1. prnk Prä- nasalknorpel; ss schräger Spalt in dem vorderen Teile der Paries (s. Tat 2) Wie. 68, 69). Fig. 52. Chelydra serpentina, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 2,24 mm vor dem in Fig. 61 abgebildeten Schnitt. 7:1. oo Lücke in der Paries nasi (s. Taf. 12 Fig. 75, 76). Fig. 53. Chelydra serpentina, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 0,63 mm vor dem in Fig. 52 dargestellten Schnitt. 7:1. bb Öffnung in ki‘, dem umgebogenen, fast vertikal stehenden Teil einer Knorpelleiste am Septum (Taf. 12 Fig. 77, kl); u Nervenloch in kl. Weel IO; Fig. 54. Chelydra serpentina, Embryo. Querschnitt durch den Kopf in der Höhe der Fissura metotica. 7:1. ap.l.r.s.¢ Apertura lateralis recessus scalae tympani. Fig. 55. Chelydra serpentina, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 0,7 mm vor dem in Fig. 54 dargestellten Schnitt. 7:1. Fig. 56. Chelydra serpentina, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 0,56 mm vor dem in Fig. 55 dargestellten Schnitt. 7:1. Fig. 57. Chelydra serpentina, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 0,21 mm vor dem in Fig. 56 dargestellten Schnitt. 7:1. bpl Leiste an der Unterseite der Basalplatte (Basipterygoidfortsatz ?). Fig. 58. Chelydra serpenlina, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 0,56 mm vor dem in Fig. 57 dargestellten Schnitt. 7:1. Fig. 59. Chelydra serpentina, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 1,05 mm vor dem in Fig. 58 dargestellten Schnitt. 7:1. Fig. 60. Chelydra serpentina, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 0,77 mm vor dem in Fig. 59 dargestellten Schnitt. 7:1. Fig. 61. Ohelydra serpentina, Embryo. Querschnitt durch den Kopf, 238 Lupwie Nick, Das Kopfskelet von Dermochelys coriacea L. 2,03 mm vor dem in Fig. 60 dargestellten Schnitt. 7:1. i Lücke im Septum interorbitale. Tafel 11. Schematische Rekonstruktionen von den Nasenkapseln der Embryonen von Dermochelys coriacea. Vergrößerung sämtlicher Figuren 12:1. Fig. 62. Dermochelys coriacea, Embryo A, Nasenkapsel von der Seite. Fig. 63. Dermochelys coriacea, Embryo A, rekonstruierter Sagittal- schnitt durch eine der beiden Nasenkapseln, laterale Hälfte der Nasen- kapsel von innen. Fig. 64. Wie in Fig. 63, mediale Hälfte der Nasenkapsel mit dem Septum nasi von innen. Fig. 65. Dermochelys coriacea, Embryo A, Nasenkapseln von unten. Fig. 66. Dermochelys coriacea, Embryo B, Nasenkapsel von der Seite. Fig. 67. Dermochelys coriacea, Embryo A, Nasenkapseln von oben. Bei Fig. 62, 64, 66 müßten Teile der Seite, die der gezeichneten gegenüberliegt, in den Zeichnungen noch sichtbar sein. Sie sind jedoch nicht mit abgebildet, um die Klarheit der Figuren nicht zu beeinträchtigen. Die Schnittflächen in Fig. 24 und 25 sind punktiert angegeben. Tafel 12. Schematische Rekonstruktionen von den Nasenkapseln der Embryonen von Chelonia midas und Chelydra serpentina. Vergrößerung sämtlicher Figuren 12:1. Fig. 68. Embryo von Chelonia midas, Nasenkapsel von der Seite. Fig. 69. Embryo von Chelonia midas, rekonstruierter Sagittalschnitt durch eine der beiden Nasenkapseln, laterale Hälfte der Nasenkapsel von innen. Fig. 70. Wie Fig. 69, mediale Hälfte der Nasenkapsel mit dem Septum nasi von innen. Fig. 71. Embryo von Chelonia midas, Nasenkapseln von unten. Fig. 72. Embryo von Chelonia midas, Nasenkapseln von oben. Fig. 73. Embryo von Chelydra serpentina, Nasenkapseln von unten. Fig. 74. Embryo von Chelydra serpentina, Nasenkapseln von oben. Fig. 75. Embryo von Chelydra serpenlina, Nasenkapsel von der Seite. Fig. 76. Embryo von Chelydra serpentina, rekonstruierter Sagittal- schnitt durch eine der beiden Nasenkapseln, laterale Hälfte der Nasen- kapsel von innen. Fig. 77. Wie Fig. 76, mediale Hälfte der Nasenkapseln mit dem Septum nasi von innen. Bei Fig. 68, 70, 75, 77 müßten Teile der Seite, die der gezeichneten gegenüberliegt, in den Zeichnungen noch sichtbar sein. Sie sind jedoch nicht mit abgebildet, um die Klarheit der Figuren nicht zu beeinträchtigen. Die Schnittflächen in Fig. 69, 70, 76, 77 sind punktiert angegeben. G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Zur Kenntnis des Neurocraniums der Pristiden und Pristiophoriden. Von Ludwig Hoffmann. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Gießen.) Mit Tafel 13—24 und 8 Abbildungen im Text. Einleitendes. Die Anregung zu vorliegender Arbeit ging von meinem ver- ehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. SPENGEL aus. Sie sollte ursprünglich den Zweck haben, jene auffallende Konvergenz zwischen Pristiden- und Pristiophoridenrostrum, auf die schon verschiedentlich in der Literatur hingewiesen war (JAEKEL, 1890, p. 103 u. 116), näher zu analysieren. Auf der einen Seite sollte hier ein Hai stehen, nach JAEKEL ein typischer Spinacide, auf der anderen Seite ein typischer Roche. Beide sind ausgezeichnet durch ein langes, stark modifiziertes Ro- strum, dessen Seitenränder mit scharfen Zähnen besetzt sind. Mit der Bearbeitung des Themas drängte sich jedoch bald eine weit wichtigere Frage in den Vordergrund, nämlich die nach der syste- matischen Stellung beider Familien, die in der Literatur keineswegs sicher festgelegt und in den wichtigeren Arbeiten und Lehrbüchern größeren Schwankungen unterworfen war. So erweiterte sich denn die Arbeit sehr wesentlich dadurch, dab zunächst die systematischen und verwandtschaftlichen Beziehungen beider Familien ausführlicher behandelt werden mußten. Diese Betrachtungen führten denn zu einem anderen Resultate, als man anfänglich erwartet hatte, inso- fern als die systematische Stellung der Pristiden wie der Pristiopho- Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 16 240 Lupwın Horrmann, riden eine Änderung erfuhr. Und gleichzeitig ward denn auch hier- durch jene Konvergenz in eine andere Beleuchtung gerückt. An dieser Stelle möchte ich meinem verehrten Lehrer Herrn Prof. SPENGEL meinen wärmsten Dank abstatten für das Interesse, das er meiner Arbeit entgegenbrachte, besonders auch für die zahl- reichen Bemühungen, die es ihn kostete, mich in den Besitz des überaus wertvollen und seltenen Materials zu setzen. In besonderem Maße bin ich auch Herrn Prof. VersLuys zu Dank verpflichtet, der die Arbeit mit mir durchsah und mich mit seinem wertvollen Rate unterstützte, in gleichem Maße Herrn Dr. BECHER, der mir beim Anfertigen der Figuren in liebenswürdiger Weise half. Das mir zur Verfügung stehende Pristis-Material war im wesent- lichen dasselbe, das auch von ExGEz (1909, p. 53) benutzt wurde; ich verweise daher auf dessen Angaben. Bemerken will ich nur, daß ich von dem unter C beschriebenen Objekte, ebenso von einem der unter E beschriebenen jüngeren Tiere Querschnittserien durch Orbital- und Ethmoidalregion anfertigte. Weiterhin kamen als neues Material zwei trocken konservierte Rostra von Pristis cuspidatus (Taf. 13, Fig. 2 u. 3) hinzu, von etwa je 58 cm Länge. Das Pristiophorus-Material bestand 1. aus einem Embryo von 27 cm Länge (Taf. 13, Fig. 6), der uns aus dem Zoologischen Institute der Universität Leipzig in liebenswürdigster Weise zur Verfügung gestellt wurde. Er war gut konserviert, und die Schnitte gaben auch klare histologische Bilder. Die Länge des Rostrums von der Spitze bis zum vorderen Augenrande maß etwa 6 cm. Die Breite des Rostrums betrug in der Breite der Nasenöffnungen 2,2 cm, an der Spitze des Rostrums 0,4 cm. Nach GinrueEr’s Catalogue (1870, Vol. 8, p. 431) wurde er als Pristiophorus nudipinnis bestimmt, ohne daß jedoch die von GÜNTHER gegebene systematische Beschreibung in allen Stücken auf ihn gepaßt hätte. In zweiter Linie stand mir dann die vordere Körperregion inkl. Schultergürtel eines in Formol konservierten und später in Spiritus übertragenen Pristiophorus japonicus zur Verfügung, die das Zoolo- gische Institut in Gießen von Mr. Anan Owsron in Yokohama (Japan) bezogen hatte (Taf. 13 Fig. 9 u. 10). Die Länge des Kopfes vom Vorderrande der Brustflossen bis zur Spitze des Rostrums be- trug 41 cm. Die Länge des Rostrums vom Vorderrande der Prae- frontallücke bis zu dessen Spitze betrug 29,5 cm. Der Abstand zwischen Tentakel und Nasenöffnung war bedeutend kleiner als der zwischen Nasenöffnung und 3. Kiemenspalte. Die Zähne der Säge Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 941 waren ungleich an Länge, und zwar je 2—3 kleinere zwischen zwei größeren. Der Hinterrand der Brustflosse trug an der dorsalen Oberfläche keine Hautzähne. Die Zahl der Zähne im Oberkiefer betrug etwa 54. Nach diesen systematischen Merkmalen wurde er als Pristiophorus japonicus bestimmt. Drittens stand mir ein ausgestopftes Exemplar aus der Sammlung des Gießener Instituts zur Verfügung, das als Pristiophorus nudipinnis (?) bestimmt war. Die Länge des ganzen Tieres betrug 78 cm, die des Rostrums 20,5 cm. Was das übrige Material betrifft, so seien noch erwähnt Schnitt- serien durch den Kopf einer jungen Raja clavata von 12 cm Länge, vom Zoologischen Institut aus der kgl. Biologischen Anstalt auf Helgoland bezogen, weiterhin die eines Mustelus-Embryos von 20 cm Länge und eines Acanthias-Embryos von 30 cm Länge. Von Spirituspräparaten stand mir ein Kopfskelet von Raja clavata und ein solches von Somniosus microcephalus zur Verfügung, außerdem ein in Spiritus konserviertes, junges Exemplar von Rhinobatus thouini (3,4 cm lang), alles der Sammlung des Zoologischen Instituts angehörig. Noch in letzter Stunde wurden mir aus der Sammlung des Senckenberg’schen Museums in Frankfurt durch das Entgegenkommen von Herrn Prof. zur STRASSEN ein trocken- konserviertes Kopfskelet von Pristis pectinatus (?), zwei junge Exem- plare von Raja oxyrhynchus von je 44 und 50 cm Länge und ein Exemplar der Gattung Rhynchobatus, das von uns als Rhynchobatus djeddensis nach GUNTHER’S „Catalogue“ bestimmt wurde, übermittelt. Die Länge dieses Tieres betrug 49 cm. Da es sich gerade bei diesen Tieren um überaus wertvolles Material handelte und sie andererseits nur vergleichsweise herangezogen wurden, so begnügte ich mich damit, von ihnen Röntsen-Aufnahmen zu machen. Es ist mir eine ange- nehme Pflicht auch hier Herrn Prof. zuR STRASSEN für das liebens- würdige Überlassen des wertvollen Materials meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Was die Technik anlangt, so kann ich mich auch hier kurz fassen, da ich im Einbetten und Färben kaum von den gebräuch- lichsten Methoden abgewichen bin. Von den von ENGEL (1909, p. 53) unter G beschriebenen Pristis perrotteti wurden Schnittserien durch das Gebiet der Nasenkapseln und durch die Orbitalregion angefertigt. Die betreffenden Partien wurden in Paraffin eingebettet und 30 resp. 35 w dick geschnitten. Gefärbt wurde, da das Material nicht besonders erhalten war und sich dementsprechend auch schlecht tin- 16* 249 LupwiG Horrmann, gierte, in Boraxkarmin. Teile des Rostrums selber wurden 20 u dick geschnitten und in Bönmer’schem Hämatoxylin und Eosin resp. Orange gefärbt. Auch von einem der unter E beschriebenen jungen Tiere wurden Schnittserien durch die Nasenregion und Orbitalregion angefertigt, ebenso durch Teile des Rostrums. Die Stücke wurden in Photoxylin eingebettet und unter Alkohol geschnitten. Aufgeklebt wurden die Schnitte nach der Orr’schen Methode und dann in Boumer’schem Hämatoxylin gefärbt. Die Schnittdicke betrug 50—70 u. Der Kopf des Pristiophorus-Embryos wurde in Paraffin ge- schnitten. Die 20—30 u dicken Schnitte wurden in BöHnmzr’schem Hämatoxylin und Pikrofuchsin gefärbt. Allgemein war hierbei Bönmer’sches Hämatoxylin dem Dernarrenp’schen als Kernfarbstoff vorzuziehen, da er weniger stark von dem sauren Pikrofuchsin an- gegriffen wurde. In ähnlicher Weise wurden auch Teile des Rostrums und der Tentakel in 5—15 u dicke Serien zerlegt und gefärbt. Von dem älteren Pristiophorus japonicus wurden Teile des Rostrums sowie Wirbel im Celloidin eingebettet und unter Alkohol geschnitten. Gefärbt wurde auch hier mit Bônmerschem Hämatoxylin, wobei besonders an den Schnitten durch den Rumpfwirbel recht anschau- liche Bilder erzielt wurden. Von dem übrigen Teile des Tieres wurden Kopf- und Schultergürtel präpariert. Die Photo- und Mikrophotogramme wurden zum größeren Teile in dem photographischen Atelier der Firma Læerrz in Wetzlar an- gefertigt. Auch an dieser Stelle möchte ich daher nicht versäumen der Firma Leırz und dem Leiter des Ateliers, Herrn BEFORT, für die liebenswürdige Unterstützung meinen verbindlichsten Dank aus- zusprechen. Die RüNTGEN-Aufnahmen verdanke ich der Güte des Herrn Dr. Hexes an der Chirurgischen Klinik der hiesigen Universitat. I. Teil. Die vordere Kopfregion der Pristiden. Literaturübersicht. Die Angaben über die Anatomie der vorderen Kopfregion der Pristiden sind in der Literatur recht unvollkommen. Sie Konnten nicht einmal Klarheit bringen über die Zahl und Beschaffenheit der im Rostrum verlaufenden Kanäle oder gar über Nerven, Gefäße und Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 243 Sinnesorgane in denselben. Daß ein so auffallendes Tier schon früh bekannt war, ist selbstverständlich, und so finden wir es denn auch in der älteren Literatur relativ häufig erwähnt (vgl. die Literatur- angaben von LaTHAM (1793, p. 273) und GÜNTHER (1870—84, p. 436). Aber erst LATHAM (1793, p. 273) gab eine systematische Einteilung der Pristiden, ohne jedoch auf die innere Morphologie der Säge einzugehen: Wohl eine der ältesten Angaben ist die von QuEckerrt (Histol. Cat, Vol. 2, p. 52), die mir jedoch nicht im Originale zur Verfügung stand und die ich deshalb nach KÖLLıker (1851, p. 146) zitiere. Er er- wähnt, dab „bei Pristis antiguorum der mittlere Kanal ganz von Knorpel erfüllt sei, während in je einem seitlichen (im ganzen sind hier nur drei Kanäle vorhanden) ein Ast des Facialis verläuft“. Auch Owen (1840, p. 20) kommt in seiner Odontography auf den ana- tomischen Bau des Rostrums zu sprechen. Er befaßt sich haupt- sächlich mit dem Bau der Rostralzähne und deren Alveolen und erwähnt dann auch die Verkalkung des Rostrums. Nach seinen An- gaben läuft am Hinterrande der Alveolen ein breiter Gefäßkanal parallel der Längsachse der Säge; er enthält die „Facialisarterie“ und den „zweiten Teil des fünften Nervenpaares“, eine Angabe, die auch noch höchst unvollständig ist, wenn sie auch den tatsächlichen Verhältnissen näher kommt. Mit dem histologischen Bau des Rostrums und speziell der Kalkprismenbildung des Knorpels haben sich zwei Arbeiten befaßt, die von WızrLıamsson (1851, p. 677) und eine Arbeit von KÖLLIKER (1860, p. 146). Während ersterer nur auf die Topographie und Histologie der Kalkprismen und deren Bildung eingeht, betrachtet KÖLLIKER auch den gesamten histologischen Bau des Rostrums. Für uns ist von Interesse, dab er bei Pristis cuspidatus das Vorhanden- sein von fünf Kanälen konstatiert hat, von denen der mittlere in seiner Auskleidung von den anderen abweicht und eine Fortsetzung der Schädelhöhle zu sein scheint. Beide Arbeiten besprechen die Knorpelverkalkung als ,,Ossifikation“ resp. ,,Verknécherung*. Eine Anmerkung Dum&rıv’s (1865, p. 471) über die Knorpelbildung des Rostrums, in der er die drei von ihm gefundenen Kanäle unver- ständlicherweise in Beziehung setzt zu den drei Schnauzenknorpeln der Galeoidei, wird bereits von GEGENBAUR (1872, p. 93) gebührend zurückgewiesen. Auch GEGENBAUR (1872, p. 93f.), der nur Material von Pristis cuspidatus zur Verfügung hatte, erwähnt hier das Vor- handensein von fünf Kanälen, von denen der mediane die Fort- setzung der Gehirnhöhle bildet. Von dem seitlich davon gelegenen Kanale gibt er an, dab er die Fortsetzung des Präorbitalkanals 944 LupwıG Horrmann, bildet, eine Ansicht, die nur bis zu einem gewissen Grade richtig ist. Über die Bedeutung des lateralen Kanalpaares ist er sich ebenfalls nicht klar, er weist nur darauf hin, daß er bedeutend kleiner ist und erst an der Wurzel des Rostrums mit einer an der Kante derselben gelegenen Spalte beginnt, welche nur vom Integumente bedeckt wird. Zu den häufigen Angaben in der Literatur über das Vorhandensein von nur drei Kanälen nimmt er keine Stellung und erwähnt nur, dab Dumériz in seinem Texte von drei Kanälen spricht, während er (1865, Vol.2, tab. 4 fig. 6) deren fünf abbildet. Auch GÜNTHER (1876, Vol. 8, p. 437) bespricht in einer kurzen An- merkung den Bau des Rostrums und gibt an, daß das Innenskelet der Säge aus drei, manchmal fünf, selten vier hohlen subzylindrischen Röhren besteht. Nicht ganz richtig hinsichtlich der Verhältnisse der übrigen Rochen und zum mindesten unklar ist dann die folgende Bemerkung: „These tubes are the rostral processes of the cranial cartilage as they are observed in nearly all Rays, though shorter and much less developed.“ Denn bei sämtlichen Rochen fehlen die Rostralkanäle mit Ausnahme des unpaaren medianen Kanals. Gleich- zeitig erwähnt er das von Gray (1864) unter dem Namen „Myrio- steon“ beschriebene Gebilde, das als „one of the lateral tubes of the saw of Pristis“ aufzufassen ist, eine Ansicht, der ich mich vollkommen anschließe Dadurch, daß an trocknen Rostra der hyaline Knorpel sehr stark eintrocknet und schrumpft, die Kalk- prismen aber in der Wandung der Kanäle vollkommen erhalten bleiben, kommen im Rostrum eben jene Röhren zustande, die relativ leicht in größeren Partien aus dem Rostrum entfernt werden können. In der neueren Literatur fand ich über die Morphologie des Rostrums keine weiteren Angaben, es sei denn die Abhandlung Stromer’s (1905) zu erwähnen, der in einigen einleitenden Bemerkungen sich mehr mit den Rostralzähnen und deren Anordnung befaßt. Von Kanälen erwähnt er einen unpaaren medianen und „einen kleinen Längs- kanal für Gefäße und Nerven, der nicht immer eine eigene verkalkte Wand besitzt“, ein Befund, der im Gegensatz zu meiner auf Grund reichen Materials gewonnenen Ansicht steht. Das Knorpelcranium. Bei der Betrachtung der vorderen Kopfregion der Pristiden bespreche ich aus naheliegenden Gründen den pränasalen Teil der Ethmoidalregion getrennt von dem hinteren Teile. Dieser weist : Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 245 hier so enge Beziehungen zur vorderen Orbita auf, daß auch diese in den Bereich der Betrachtung gezogen werden muß. Die vordere Grenze der Orbita bildet die präorbitale Scheide- wand (Taf. 16 Fig. 24 u. 22 Prs), ein Orbitaldach ist sowohl bei Pr. perrotteti wie bei cuspidatus vorhanden (Taf. 19 Fig. 50; Taf. 20 Fig. 56 Yo), jedoch bei beiden nicht derartig stark ausgeprägt oder gar gewulstet wie bei Raja. Jedenfalls dürfte dieser Befund mit dem von GEGENBAUR (1872, p. 58) nicht übereinstimmen, nach dessen Angaben das Orbitaldach bei den Pristiden fehlt. Vorn läuft das Orbitaldach noch ein Stück als präorbitale Leiste auf die Nasenkapsel aus und bildet hier zugleich ein Dach über der Eintrittsöffnung des Präorbitalkanals. Das dorsale Dach der orbitalen Cranialhöhle ist besonders bei dem Embryo von Pr. perrotteti (Taf. 19 Fig. 48 Ri) beiderseits durch eine flache Längsrinne ausgezeichnet, die sich am Übergang in die Ethmoidal- region noch weiter vertieft (Fig. 49), im Gebiete der Nasenkapseln wieder flacher wird und sich dann nach vorn auf das Rostrum fort- setzt. In ihr verläuft der dorsale Supraorbitalkanal; auch bei Pristis euspidatus fand ich diese Rinne, allerdings noch etwas flacher. Sowohl bei perrotteti wie bei cuspidatus ist das Orbitaldach in regelmäßigen Abständen von den Foramina supraorbitalia durchsetzt bate 20% Kies. 56; Vat. 19) Kiss 9), durch) die Ästchen des Ramus ophthalmicus superficialis zu dem supraorbitalen Sinneskanal treten, während GEGENBAUR (1872, p. 19) ausdrücklich angibt, daß sie bei den Pristiden fehlen. Eine weitere Eigentümlichkeit des Orbitaldaches ist bei allen Selachiern die Präfrontallücke. Sie beginnt bei Pr. perrotteti etwa in einem Niveau mit dem hinteren Drittel der Nasenkapsel und erreicht bereits ihr vorderes Ende am Vorderrande derselben, wäh- rend sie bei Pr. pectinatus (Taf. 16 Fig. 22D) weiter nach vorn ver- schoben ist. Bei Pr. cuspidatus (Taf. 16 Fig. 24D) ist sie bedeutend größer. Ihr Hinterrand liegt hier in dem Niveau der präorbitalen Scheidewand, während ihr Vorderrand das vordere Ende der Nasen- kapsel noch um !/, ihrer Gesamtlänge überragt. Bei Pr. perrotteti nimmt die Präfrontallücke nie die gesamte Breite der dorsalen Cranialhöhle ein (Taf. 19 Fig. 45D). Die Cranialhöhle wird viel- mehr stets an den Seiten der Präfrontallücke von einem wulst- formigen Knorpelrande der Schädeldecke iiberdaeht. Bei Pr. cuspidatus finde ich auf Schnittserien jene seitliche Überdachung nur am hinteren Teile der Präfrontallücke bis etwa zu dem Punkte, wo 246 Lupwie HoFFMANx, Präorbital- und Orbito-Nasalkanal sich vereinigen (Taf. 20 Fig. 54D). Von hier ab tritt nach vorn die wulstförmige Umbildung des Seiten- randes zurück, das seitliche Dach fehlt vollständig über der Cranial- höhle. Die Präfrontalhöhle besitzt hier die gleiche oder eine größere Breite als die Gehirnhöhle. Der Vorderrand der Präfrontallücke schließt hier nicht allmählich ab, dadurch daß die Seitenränder sich langsam einander nähern, wie bei Pr. perrotteti, sondern plötzlich (Taf. 16 Fig. 24D); wir haben daher bei perrotteti einen spitzen, bei cuspidatus einen stumpferen Vorderrand an der Präfrontallücke. Für Raja clavata fand ich hier ähnliche Verhältnisse, wie GEGEN- BAUR für Æhynchobatus angibt: die Präfrontallücke besteht aus zwei Abschnitten, wie ich auf Schnittserien und einem präpa- rierten Cranium feststellen konnte, im Gegensatz zu einer Angabe und Abbildung GrGENBAUR’s von Raja vomer. Das von GEGEN- BAUR (1872, tab. 13 fig. 1 und tab. 17 fig. 1) abgebildete Kopfskelet von Raja weicht überhaupt so erheblich von dem von Raja clavata ab, daß der Gedanke aufkommt, es könne sich hier vielleicht um eine nicht zu Raja gehörige Art handeln. Anscheinend stammt die Abbildung von Raja vomer, die zusammen mit Raja oxyrhynchus stärker von den übrigen Raja-Species differiert. Bei Pristis fehlt nun jener zweite Teil der Präfrontallücke, doch zeigt die Cranial- decke im Gebiet der Orbitalregion, ähnlich wie auch bei Pristiophorus, eine sehr geringe Dicke (Taf. 20 Fig. 56). Daraus dürfte hervor- gehen, daß die Präfrontallücke von Pristis allein der vorderen Prä- frontalliicke von Rhynchobatus und Raja clavata entspricht, während die hintere Lücke von Æhynchobatus und Raja in Beziehung zu setzen wäre zu der geringen Dicke der Cranialdecke der Orbita bei Pristis. Die Präfrontrallücke von Raja clavata ist noch weiterhin darin von Pristis verschieden, daß sie sich weit nach vorn auf das Rostrum erstreckt. Sie beginnt hier kurz vor dem Vorderrande des Auges, dehnt sich im Bereich der Nasenkapsel über die ganze Breite der Cranialhéhle aus und behält dann auch auf dem Rostrum die Breite der Präcranialhöhle bei (Taf. 17-Fig. 33D). Auf dem Rostrum ver- schwindet sie dann dadurch, daß die basale Knorpelmasse des Rostrums nach vorn immer dicker wird und schließlich an der Spitze die Präcranialhöhle vollkommen ausfüllt (Taf. 17 Fig. 35). Der Präorbitalkanal dringt lateral von der Orbitalwand und ventral von der präorbitalen Leiste in die Präorbitalwand ein, in dem für die Rochen charakteristischen, fast horizontalen Laufe (Taf. 16 Fig. 24; Taf. 15 Fig. 21 cp). In ihm führen der Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 247 Ramus ophthalmicus superficialis und R. ophthalmicus profundus, außerdem die Vena facialis anterior nach vorn (Taf. 19 Fig. 48 cp), von denen letztere hinten in den Orbitalsinus einmündet. Die dorsale Wand des Kanals wird nach vorn allmählich dünner. Er selbst kommt nach dem Durchbruch durch die Präorbitalwand dorso-medial von den Nasenkapseln zu liegen (Taf. 19 Fig. 49 Cpr), bleibt vollständig getrennt von dem Lumen derselben und ebenso von der Cranialhöhle durch eine stellenweise recht dünne knorplige Scheidewand. Auch an der Stelle, wo der Lobus olfactorius in die Nasenkapsel tritt, fand ich jene knorplige Scheidewand, so daß es an keiner Stelle zu einer Kommunikation mit der Nasenhöhle oder Gehirnhöhle kommt. Dagegen besitzt hier die dorsale Decke des Kanals eine relativ grobe Lücke (Taf. 19 Fig. 47 Lpr; Taf. 16 Fig. 22 u. 24 Lpr). Durch diese treten jedoch Nerv und Vene nicht auf die dorsale Oberfläche des Knorpelcraniums. Der Kanal setzt sich auch weiterhin nach vorn fort und rückt mehr und mehr ventralwärts in die knorplige Seitenwand der Cranialhöhle, die diese von dem Lumen der Nasen- kapsel trennt. Noch weiter nach vorn nähert sich der Präorbital- kanal immer mehr ventralwärts dem Orbito-Nasalkanal-(Cw), um sich schließlich mit diesem zu einem einzigen Kanal zu vereinigen (Taf. 19 Fig. 46). Gleichzeitig haben auch die Nasenkapseln ihre knorplige Verbindung mit der lateralen Schädelwand aufgegeben. Die dorsale Lücke des Präorbitalkanals setzt sich gleichzeitig ventralwärts zwischen Nasenkapsel und Cranium noch etwas fort, um hier zahlreiche Nervenästchen austreten zu lassen (Taf. 19 Fig. 45 Lpr*; Taf. 16 Fig! 22). Bei Pristis cuspidatus besitzt der Präorbitalkanal im wesentlichen denselben Verlauf. Nur geht die dorsale Lücke im Dache des Präorbitalkanals vorn nicht in den nach vorn gerichteten Ausschnitt (Zpr*) über, um hier Nervenäste austreten zu lassen. Vielmehr sind die Austrittsstellen jener Nerven- ästchen, deren ich 2—4 zählen konnte, durch eine starke Knorpel- brücke von der Lücke getrennt (Taf. 16 Fig. 25; Taf. 20 Fig. 54 Lpr”). Auch bei den übrigen rostrumtragenden Rochen findet sich allgemein ein mehr horizontaler Verlauf des Präorbitalkanals. Von ihm sagt GEGENBAUR (1872, p. 72): „Bei bedeutender Entwickelung des Rostrums und damit verbundener Entfaltung eines interanasalen Theiles des Craniums nimmt der Praeorbitalcanal seinen Weg medial von den Nasenkapseln. Diess ist bei Rhynchobatus und Raja der Fall.“ Für Raja clavata speziell fand ich die orbitale Öffnung des Präorbitalkanals in der präorbitalen Scheidewand, da wo diese mit 248 Lupwic HorrMann, der lateralen Schädelwand zusammentrifft, und ventral von der Präorbitalleiste (Taf. 17 Fig. 29cp). Der Nervenkomplex gelangt dann zunächst in die Nasenhöhle und liegt hier (Taf. 17 Fig. 51 cpr) dorsal vom Eintritt des Lobus olfactorius in die Nasenkapsel in einer Rinne an der Innenseite der Nasenkapseldecke. Bald darauf tritt er dann durch das Dach der Nasenkapsel (Taf. 17 Fig. 31 cp‘) an der Grenze von dieser und der Cranialhöhle Hier verläuft der Nerv zunächst in einer Rinne zwischen Schädelwand und Nasenkapsel. Von der Stelle ab, wo die Nasenkapseln sich vom knorpligen Rostrum abtrennen, verlaufen die Nerven nunmehr seitlich vom dorsalen Rande des knorpligen Rostrums (Taf. 17 Fig. 32 Tr‘). Schon daraus geht hervor, daß der relativ kurze und in seinem Verlauf einfache Präorbitalkanal von Rhynchobatus und Raja bei Pristis sich weitgehend differenziert hat. Ich brauche nicht den bedeutenden Durchmesser besonders hervorzuheben, der ja dadurch bedingt ist, daß der Kanal zusammen mit dem Orbito-Nasalkanal das gewaltige Rostrum mit Gefäßen und Nerven zu versehen hat. Vor allem ist bei Pristis eine Kommunikation mit dem Lumen der Nasenkapsel in Wegfall gekommen, dadurch daß sich hier sekundär eine knorplige Scheidewand zwischen beiden gebildet hat. Während nun weiter nach vorn bei Raja der Nerv nach seinem Durchtritt auf der dorsalen Oberfläche in einer tiefen Rinne verläuft, ist bei Pristis diese Rinne zu einem vollständigen Kanal umgebildet, und nur das Fehlen des dorsalen Daches, eben die oben erwähnte Lücke (Taf. 16 Fig. 24 u.22 Lpr), läbt erkennen, daß dieser vollständig in die Knorpelmasse zwischen Rostralknorpel und Nasenkapsel eingebettete Kanal in dieser Partie bei Raja einer relativ flachen Rinne entspricht. Ein Orbito-Nasalkanal — ich will hier für ihn die Benennung GEGENBAUR’S beibehalten, obwohl er nicht dem der Haie entspricht, sondern bei Pristis eine sekundäre Bildung ist, wie ich im folgenden zeigen werde — ist bei den Pristiden vorhanden. Bei Pristis perrotteti und pectinatus beginnt er in der vorderen Orbita an der ventralen Seite der präorbitalen Scheidewand, die er von hier aus durchsetzt (Taf. 16 Fig. 23w; Taf. 15 Fig. 21). Ähnlich wie der Präorbital- kanal behält er seine zu den Nasenkapseln mediane Lage bei und verläuft an dem Seitenrande der Basis cranii nach vorn. In ihm führt der Ramus buccalis und die Arteria rostralis, der vordere Ast der Arteria orbitalis, auf das Rostrum (Taf. 19 Fig. 48, 49 Cw). Von dem Kanal aus führen kleine quere Kanälchen zur ventralen Ober- fläche und sind hier als kleine Foramina, For. infraorbitalia, kenntlich Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 249 (Taf. 19 Fig. 49x). Durch sie treten kleine Astchen des R. buccalis auf die ventrale Seite der Schädelkapsel, um hier die Sinnesorgane des Infraorbitalkanals zu innervieren. In seinem weiteren Verlauf steht der Kanal mit der ventralen Oberfläche durch eine relativ breite Lücke in Verbindung (Taf. 19 Fig. 47 Lon; Taf. 14 Fig. 12 Lon). Ähnlich wie also dem Präorbitalkanal das Dach, so fehlt hier dem Orbito-Nasalkanal der Boden. Durch diese Lücke treten in kurzer Folge Nervenästchen aus, um die Sinnesorgane des Infraorbital- kanals zu innervieren, ebenso die Lorenzinr’schen Ampullen, die sich hier in der Lücke in den Kanal hineindrängen. Weiter nach vorn beginnt eine zweite derartige Lücke, die etwas weiter lateralwärts gelegen ist und zunächst der medialen ein Stück parallel läuft (Taf. 14 Fig. 12 Lon‘; Taf. 19 Fig. 45 Lon‘). Weiter vorn rückt diese Lücke weiter lateralwärts, gleichzeitig haben sich Präorbital- und Orbito-Nasalkanal miteinander vereinigt, die Lücke beginnt sich zu schließen, und die Nasenkapselknorpel trennen sich von dem Rostral- knorpel, eben von der lateralen Wand des Kanals, der aus der Ver- schmelzung von Präorbital- und Orbito-Nasalkanal hervorgegangen ist (Taf. 19 Fig. 46). Im Bereich der Nasenkapsel läuft die laterale Wandung des Kanals in ein flaches Blatt aus (Taf. 19 Fig. 47 Ja), das hier teilweise einen Boden für die Nasenhöhle bildet. Durch die verschiedenen Lücken erscheint nun der Zusammenhang der lateralen Wandung des Kanals im Bereich der Nasenkapsel mit dem übrigen Cranium etwas gelockert. Pristis cuspidatus bietet hinsichtlich des Orbito-Nasalkanals ein wesentlich anderes Verhalten dar. Eine orbitale Eintrittsöffnung des Pränasalkanals fehlt hier vollständig, der Nerv tritt auf die ventrale Seite der präorbitalen Scheidewand (Taf. 20 Fig. 56 Be) aus der Orbita zusammen mit der Arteria orbitalis und rückt nun von hier in die Nasenkapsel, also ohne die präorbitale Scheidewand zu durchbrechen. Hier verläuft er dann in einer ventrolateralen Rinne der Schädelwand in der Nasenkapsel (Taf. 20 Fig. 55 Be). Weiter nach vorn tritt bald eine seitliche Knorpellamelle auf (la), die hinten durch eine noch zu besprechende Vene von der cranialen Knorpelwand getrennt ist. Im vorderen Teil der Nasenkapsel tritt dann jene Knorpellamelle in Beziehung zum Seitenrand des Schädels und bildet hier (Taf. 16 Fig. 25/a) die Seitenwand eines Kanals, eben des Orbito-Nasalkanals von perrotteti, der diesen von dem Lumen der Nasenkapsel trennt. Ein ventraler Boden fehlt jener kanalartigen Rinne vollständig. Am Vorderrande der Nasen- 250 Lupwıg Horrmanny, kapsel rückt der Kanal, da wo sich diese vom Rostralknorpel los- zulösen beginnt, tiefer in die Knorpelwand der Präcranialhöhle. Es kommt zur Ausbildung eines ventralen Bodens, der Kanal ist vollständig abgeschlossen (Taf. 20 Fig. 54cw) und vereinigt sich nun mit dem Präorbitalkanale (Cpr) zu einem einzigen Kanale auf dem Rostrum, den ich den Nervenkanal des Rostrums nenne (Taf. 20 Fig. 54 Cn). Interessant sind die Lageverhältnisse des R. buccalis und der Arteria rostralis bei den übrigen Rhinoraji. An der Hand meiner Schnittserien von Jaja clavata konnte ich erkennen, dab hier ein Orbito- Nasalkanal im Sinne GEGENBAURS (1872) voll- ständig fehlt. Der Nerv rückt hier auf die ventrale Seite der prä- orbitalen Scheidewand (Taf. 17 Fig. 29 Bc) und kommt während seines Verlaufs ventral von der Basalplatte zu liegen, nahe ihrem lateralen Rande. Hier verläuft er nach vorn und rückt dann in die Rinne zwischen Nasenkapsel und Schädelbasis nahe dem Vorderende der ersteren. Noch weiter vorn haben sich die Nasenkapseln voll- ständige vom Rostrum getrennt, Nerv und Arterie verlaufen nach vorn der lateralen Wand des knorpligen Rostrums parallel (Taf. 17 Fig. 33 Be). Daraus geht also hervor, daß bei Raja, wie wohl überhaupt bei den rostrumtragenden Rochen, ein Orbito-Nasalkanal im Sinne GEGENBAUR’s, durch den der Ramus buccalis durch die präorbitale Scheidewand tritt, vollständig fehlt. Der bei Pristis perrotteti vor- handene Orbito-Nasalkanal entspricht nicht dem Orbito-Nasalkanal der Haie, sondern ist eine sekundäre Neubildung. Es hat sich seit- lich von dem Nervenstamme eine Knorpellamelle sekundär aus- gebildet, die Nerv und Arterie vom Lumen der Nasenkapsel trennt und auf diese Art einen vollständigen Kanal abschließt. Unter diesem Gesichtspunkte wird auch das Wesen jener Lücken (Lpn) in der Wandung des Orbito-Nasalkanals bei Pristis verständlich. Ihr Vorhandensein ist eben darauf zurückzuführen, dab sich der Prä- nasalkanal noch nicht vollständig geschlossen hat. Pristis cuspidatus bietet insofern den Übergang zwischen Raja und Pr. perrotteti dar, als es hier im Gebiete der präorbitalen Scheidewand noch nicht zur Ausbildung eines Kanals gekommen ist. In diesem Falle zeigt also Pr. cuspidatus wesentlich primitivere Verhältnisse als Pr. perrotteti. Dieses Resultat steht im Gegensatz zu den Angaben GEGEN- BAUR’s (1872, p. 73), wo er vom Orbital-Nasalkanal sagt: „An der vorderen Orbitalwand, meist bedeutend unterhalb der Oeffnung des Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 251 Praeorbitalcanals, findet sich die verschieden grosse Mündung eines anderen Canals, durch welchen gleichfalls ein Zweig des R. ophthal- micus vom Trigeminus aus die Orbita verlässt, um theils zur Nasenhöhle zu gelangen, theils unterhalb oder seitlich von der Nasenkapsel auszutreten. Dieser Canal sei als Orbito-Nasalcanal unterschieden.“ — „Ebenso besteht sie bei den Rochen, von denen ich sie bei Raja (tab. 3 fig. 2 w) und Torpedo (fig. 3 w) abbilde.“ Wie seiner Abbildung als sicher zu entnehmen ist, hat GEGENBAUR einen an dieser Stelle gelegenen Venenkanal, der das Blut aus der Nasenkapsel und dem Rostrum in den Orbitalsinus leitet, für den Orbital-Nasalkanal gehalten. Ich will dieses Gefäß Vena facialis ventralis nennen. Bei Pr. perrotteti findet sich die orbitale Öffnung dieses Venenkanals da, wo der Präorbitalkanal in die orbitale Scheidewand einzutreten beginnt. Er wendet sich schräg vorwärts und ventralwärts, öffnet sich dann hier in den Orbito-Nasalkanal (Taf. 19 Fig. 48 Vfa), ohne jedoch vollständig in diesen überzugehen; er mündet dann in den hintersten Teil der Nasenkapsel, und zwar in der medialen und ventralen Ecke. Die in ihm verlaufende Vena facialis ventralis setzt sich zusammen aus zwei Ästen, dem einen aus dem Orbital-Nasalkanal, dem anderen aus der Nasenkapsel; sie münden nach ihrer Vereinigung nicht direkt in den Orbital- sinus, sondern zunächst in die Vena anterior facialis, die durch den Präorbitalkanal in die Orbita tritt, unmittelbar vor der Mündung in den Orbitalsinus. Diese Lagebeziehung ähnelt der von Pristio- phorus, wie aus dem zweiten Teile meiner Arbeit zu ersehen ist. Bei Pristis cuspidatus liegt die orbitale Öffnung, wie ich an der Hand meiner Schnittserie und eines präparierten Craniums feststellen konnte, ventral von der orbitalen Öffnung des Präorbitalkanals (Taf. 16 Fig. 24 Vfa; Taf. 20 Fig. 56 Vfa), direkt vor der Öffnung des Opticus. Er durchsetzt die präorbitale Scheidewand in schräger Richtung nach vorn und mündet hier in das hintere Ende der Nasen- kapsel. Ähnlich wie Pr. cuspidatus verhält sich in diesem Falle auch Pr. pectinatus (Taf. 15 Fig. 21 Vfa). Im ganzen stimmt das Verhalten von Pristis cuspidatus mehr mit dem von Raja überein. Bei letzterer fand ich den Kanal sowohl auf Schnittserien wie auf einem präparierten Cranium an der Stelle, wo GkGENnBAUR die orbitale Öffnung des Orbito-Nasalkanals abbildete, etwa an der Stelle, wo orbitale Seiten- wand des Craniums und präorbitale Scheidewand unten zusammen- treffen (Taf. 17 Fig. 29 Vfa). Er mündet auf der ventralen Ober- fläche der präorbitalen Scheidewand. Hier teilt sich die Vena facialis 252 LupwıG Horrmann, ventralis in zwei Teile; der eine tritt in das Hinterende der Nasen- kapsel, der andere Teil begleitet den Ramus buccalis. Hierin stimmt also Pr. cuspidatus mit Raja überein, während das Verhalten von perrotteti, wo die orbitale Öffnung des Venenkanals in den Präorbital- kanal zu liegen kommt und der ganze Verlauf des Kanals mehr in dem dorsalen Teile der präorbitalen Scheidewand liegt, dem Zustand von Pristiophorus ähnelt. In diesem Punkte würde demnach Pr. perotteti ein primitiveres Verhalten aufweisen als Pr. cuspidatus. Auch die Gehirnhöhle und ihre rostrale Fortsetzung vor der Gehirnmasse, die ich als Präcranialhöhle bezeichne, zeigt von den primitiveren Zuständen einige Abweichungen. Sie sind zum Teile schon erwähnt, der Vollständigkeit halber möchte ich sie jedoch an dieser Stelle nochmals wiederholen. Im Gebiet der Nasenkapsel und zwar speziell hinter dem Foramen des Olfactorius haben wir im wesentlichen eine einzige Scheidewand, die die Cranialhöhle vom Lumen der Nasenkapsel trennt; die Teilnahme der oben erwähnten sekundären Kanalwandungen tritt noch etwas zurück. Weiter nach vorn, da wo der Olfactorius austritt, nehmen die sekundären Wandungen (Taf. 19 Fig. 49) deutlichen Anteil an der Begrenzung der betreffenden Hohlräume. Einmal hat sich hier eine Scheide- wand ausgebildet, in Gestalt einer halbzylindrischen Röhre (Wpr), deren konkave Seite den Ramus ophthalmicus umschließt, deren konvexe Seite nach dem Olfactorius hin liegt und auf diese Weise den Präorbitalkanal über der Austrittstelle des Olfactorius von den Lumina der Cranialhühle und der Nasenkapsel abschließt. Auch ventral trennt die oben erwähnte sekundäre Knorpelwand (Wew) den in einer Rinne des Seitenrandes verlaufenden R. buccalis vom Lumen der Nasenkapsel als einen gesonderten Kanal, den sekundären Orbito-Nasalkanal von Pr. perrotteti. Schließlich haben wir in dem Teile vor dem Austritt des Olfactorius insofern übereinstimmende Verhältnisse mit den übrigen Rhinoraji, als hier die Nasenkapseln sich vom Rostralknorpel loszulösen beginnen. Die Präcranialhöhle ist dann hier, durch die laterale Knorpelwand des Rostrums, die der anderer Rochen entspricht, vom Präorbitalkanal getrennt (Taf. 19 Fig. 46 Sw); die Trennung des Präorbitalkanals vom Lumen der Nasenkapsel wird besorgt durch die Fortsetzung des Nasenkapsel- daches (Taf. 19 Fig. 47 Na). Der Boden der Präcranialhöhle und Cranialhéhle wird gebildet von der Fortsetzung der Basis cranii und liegt natürlich mit dieser in einem Niveau; auch insofern fand ich den typischen Rochenzustand, als das Rostrum undurchbohrt ist. Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 253: Bemerkenswert ist noch die nach vorn ständig zunehmende Dicke der Basalplatte, wodurch eben die Präcranialhöhle rostralwärts an Durchmesser abnimmt (Taf. 19 Fig. 46 Bp). Über den dorsalen Abschluß der Cranialhöhle sowie über die Präfrontallücke habe ich oben schon berichtet. Dagegen komme ich auf die gewaltige Fort- setzung der Cranialhöhle auf das Rostrum erst später zurück. Bereits aus den Zuständen der vorderen Orbita und hinteren Ethmoidalregion geht hervor, daß hier im Vergleich mit den übrigen rostrumtragenden Rochen relativ bedeutende Differenzierungen eingetreten sind. Diese sind eben zurückzuführen auf die bedeutende Größe der auf das Rostrum tretenden Nervenstiimme und Gefäße und weiterhin auf die starke Ausbildung der Knorpelmassen. Diese beiden Momente sind dann in letzter Linie bedingt durch die Modi- fikation des Rostrums. Ich komme nun zum eigentlichen Rostrum, also der vor den Nasenkapseln gelegenen Partie. Sowohl an Schnittserien wie an trockenen Rostren ist zu sehen, wie sich die Präcranialhöhle nach vorn auf das Rostrum fortsetzt und zwar als medianer unpaarer Kanal (Taf. 18 Fig. 44 Per u. 43). Seine Seitenwände (Sw) sind die Fortsetzung der Seitenwände des Craniums, sein Boden (Bp) die Fortsetzung der Basis cranii, seine Decke fehlt nur im hintersten Teil, eben als Präfrontalstücke. Vom Vorderrande derselben ab besitzt der Kanal während seiner gesamten Ausdehnung auf dem Rostrum ein Knorpeldach. Der Kanal selbst ist ausgefüllt von einem lockeren gallertartigen Bindegewebe Nach der Spitze hin wird das Lumen des Kanals relativ schnell enger, indem die lateralen und basalen Knorpelmassen an Stärke bedeutend zunehmen (Taf. 18 Fig. 39 Per), wodurch der Kanal auch etwas dorsalwärts verschoben erscheint. Schließlich geht er in dem letzten Drittel des Rostrums in eine unpaare hyaline, nur oberflächlich verkalkte Knorpelmasse über, die sich bis an das Vorderende des Rostrums erstreckt (Taf. 18 Fig. 38 kn). Ähnliche Verhältnisse fand ich für den medianen Rostralkanal auch bei Pristis cuspidatus. Auch hier nimmt die Prä- cranialhöhle im Rostrum stark an Größe ab, auf Kosten der größeren Ausdehnung der Knorpelmasse, und geht im letzten Drittel in hyalinen Knorpel über (Taf. 20 Fig. 53 Per). Wir sahen oben, daß da, wo die Nasenkapseln sich vom Knorpeleranium loslösen, Präorbital- und Orbito-Nasalkanal sich einander nähern und mit- einander verschmelzen. An der dorsalen und ventralen Seite hat sich je eine Knorpellamelle gebildet (Taf. 19 Fig. 45 Sen), die sich nun 254 Lupwıs Horrmann, beide zur Seitenwand des neuen Kanals vereinigen. Wir haben demnach jederseits von dem medianen unpaaren Kanal, der Präcranial- höhle, einen paarigen zweiten Kanal (Cn); in ihm verlaufen Gefäße und Nerven vom Präorbitalkanal und Orbito-Nasalkanal, nämlich R. ophthalmicus superficialis und ophthalmicus profundus, deren Fasern derartig enge Lagebeziehungen miteinander eingehen, daß sie nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind (7r‘). Beide verlaufen an der dorsalen Seite des Kanals entlang. Weiterhin verläuft in dem gemeinsamen Kanal die Vena facialis anterior (Vfa), die zusammen mit der des Orbito-Nasalkanals einen einzigen Stamm bildet, ferner vom Orbito-Nasalkanal aus der Ramus buccalis (Bc), der an dem ventralen Rande des Kanals entlang zieht, und schließlich die Arteria rostralis (Art. ro), die ebenfalls durch den Orbito-Nasalkanal tritt und nun an der medianen Wand des Nervenkanals entlang läuft. Weiter nach vorn, bei Pr. perrotteti nur eine kurze Strecke vor der Nasenkapsel, beginnt sich die Seitenwand des Nervenkanals all- mählich zu verbreitern (Taf. 18 Fig. 43 Cn) und bildet dann eine breite Knorpelplatte, die an seiner Außenseite entlang läuft. In ihrem Seitenrande treten in gewissen Abständen Alveolen auf, deren Tiefe nach der Spitze des Rostrums hin zunimmt (Taf. 18 Fig. 39 Alv). In ihnen sind die Rostralzähne befestigt. Die dorsale und ventrale Wand einer jeden Alveole bildet auf dem Rostrum eine mehr oder weniger starke Verdickung, die schon auf der äußeren Oberfläche der Säge als Wulst an der Basis eines jeden Zahnes zu erkennen ist (Taf. 13 Fig. 4 u. 5). Voneinander getrennt sind die einzelnen Alveolen durch Scheidewände aus hyalinem Knorpel. Ge- nau wie bei Pr. perrotteti fand ich auch die Lage (Taf. 18 Fig. 40) der Kanäle und Zahnalveolen bei Pr. pectinatus, antiquorum und zysron, von denen mir auch Schnittserien zur Verfügung standen, außerdem eine erhebliche Zahl großer und kleiner trocken konservierter Rostra. Ihnen allen gemeinsam ist also das Vorhandensein nur eines Kanalpaares (On) neben der medianen Präcranialhöhle (Per), weiterhin die relativ tiefen Zahnalveolen und das Auftreten von Zähnen bereits kurz vor der Nasenkapsel (Taf. 13 Fig. 4 u. 5). Hinzu kommt dann noch nach Untersuchung von ENGEL (1909, p. 53) die übereinstimmende Gestalt der Zähne. Berichtigen möchte ich an dieser Stelle eine Angabe Eneen’s, der ebenfalls noch in seinen einleitenden Bemerkungen das Vorhandensein von vier Kanälen er- wähnt und dementsprechend auch noch einen weiteren Kanal bei Pristis perrotteti abbildet (Tab. 17 Fig. 7). Dieser auf der linken Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 255 Seite der Abbildung angegebene Kanal ist jedoch, wie ich an den betreffenden Schnittserien feststellen konnte, nur der angeschnittene Teil einer Zahnalveole. Weiterhin kann man leicht in Versuchung kommen, an trocknen Rostra noch ein weiteres Kanalpaar anzu- ‘geben, da hier zwischen je 2 Zahnalveolen die hyaline Knorpelmasse eingetrocknet ist, wodurch eben das Vorhandensein eines weiteren Kanalpaares vorgetäuscht wird. Auf einen ähnlichen Irrtum ist auch eine Angabe von Dames zurückzuführen, der in dem medianen Kanal (1883, p. 137) noch einen kleinen Kanal beschreibt. Dieser Befund ist häufig an trocknen Rostra, besonders am basalen Teile, zu sehen und eben dadurch zu erklären, daß die hyaline Knorpel- masse zwischen der Kalkprismenschicht des Mediankanals (Taf. 18 Fig. 39 Sw) einerseits und der seitlichen Kanäle sowie der äußeren Oberfläche andrerseits geschrumpft ist; nur so findet auch eine Abbildung Dumériv’s (1865, Vol. 2, tab. 9 fig. 7) ihre Erklärung. Diesen 4 Species steht in seinem Verhalten Pristis cuspidatus gegenüber. Auch hier vereinigen sich, wie oben erwähnt, Präorbital- und Orbito-Nasalkanal zum Nervenkanal des Rostrums (Taf. 20 Fig. 54 On), in dem dieselben Nervenstämme und Gefäße wie bei den anderen Species nach vorn laufen. Wesentlich anders verhält sich hier jedoch die laterale Wand des Kanals (Sen). Etwa an der Stelle, wo bei anderen Pristiden das hinterste Zahnpaar liegt, beginnt sie sich zu verdicken (Taf. 20 Fig. 53Sen). An dieser Stelle finden wir ein größeres dorsales (Taf. 16 Fig. 24 Camp) und kleineres ventrales Foramen (Taf. 16 Fig. 25 Camp‘), die schräg nach oben resp. unten gerichtet sind. Hier beginnen also 2 Kanäle, ein dorsaler und ventraler, die sich sofort nach ihrem Eindringen in die vordere laterale Knorpelwand des Nervenkanals (Taf. 20 Fig. 53 Scn) zu einem einzigen Kanal vereinigen. Auf diese Art kommt es also bei Pr. cuspidatus zur Bildung eines weiteren Kanalpaares (Taf. 18 Fig. 41Camp, Taf. 13 Fig. 1 Camp), eines 4. und 5. Kanals. in welche die Lorenzintschen Ampullen der äußeren buccalis- und zum größten Teil der ophthalmicus-Gruppe gerückt sind (Taf. 18 Fig. 41 7r'Gr u. ABeGr). Diese liegen bei den übrigen 4 Species, wie ich an der Hand meiner Präparate, wenigstens für Pr. pectinatus, perrotteti und antiquorum, feststellen konnte, außerhalb der rostralen Knorpelmasse (Taf. 18 Fig. 39 Tr' Gr u. A BeGr, Fig. 40 u. 42). Auch trockne cuspidatus-Rostra zeigen die erwähnten Besonderheiten. 2 Rinnen dringen als 2 schräg nach hinten offene Foramina in die rostrale Knorpelmasse ein. Von der Ver- Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 17 256 LupwıG HOoFFMANN, einigung jener Rinnen zu einem Kanal ab, den ich im Gegensatz zum Nervenkanal Ampullenkanal nennen will, bleibt noch ein großes Stück des Rostrums zahnfrei, etwa '/, oder auch !/, des ganzen Rostrums (Taf. 16 Fig. 24 u. 25). Auch hierin unterscheidet sich Pr. cuspidatus vollständig von den anderen Species. Die Alveolen selbst* sind sehr wenig tief, was mit der Ausbildung eines weiteren Kanalpaares. in Beziehung stehen mag (Taf. 13 Fig. 1, Taf. 18 Fig. 41 Al). Hiermit wäre aber jene Frage nach der Zahl der im Pristiden- rostrum verlaufenden Kanäle dahin gelöst, daß sich bei allen 5 von GÜNTHER aufgeführten Species ein medianer unpaarer Kanal findet, der die Fortsetzung der Cranialhöhle bildet (Per). Weiterhin kommt ein paariger Kanal (Un) hinzu, der aus der Vereinigung von Prä- orbital- und Orbito-Nasalkanal entsteht und das Rostrum mit Gefäßen und Nerven versorgt. Diese 3 Kanäle finden sich bei Pristis perrotteti, pectinatus, zysron und antiquorum. Bei Pr. cuspidatus kommt noch ein weiteres Kanalpaar hinzu (Camp), so daß wir hier 5 Kanäle finden. In diesem lateralen Kanalpaar, den Ampullen- kanälen, liegen die Lorexzıst'schen Ampullen der äußeren buccalis- und der ophthalmicus-Gruppe mit Ausnahme der hinteren. Eine häufig in der Literatur (GÜNTHER, 1870, Vol. 8, p. 436, Excez, 1909, p. 53) wiederkehrende Angabe von 4 resp. 2 Kanälen im Rostrum ist darauf zurückzuführen, dab in dem vordersten Drittel des Rostrums der unpaare mediane Kanal nicht mehr vorhanden ist (Tat ioe Tato 18, Lis (38k): Vergleichen wir diese Zustände mit den Verhältnissen bei anderen Rhinoraji. Allgemein unterscheidet GEGENBAUR das Rostrum der Rochen von dem der Haie als undurchbohrtes Rostrum deshalb, weil bei ersteren ein Kanal fehlt, der die Nasallücke mit dem Innern der Cranialhöhle verbindet (GEGENBAUR, 1872, p. 91). Einen weiteren Unterschied sieht er darin, daß die Entwicklung des Rostrums eine größere Breite des Internasalraumes bedingt, so daß die Nasenkapseln weiter auseinanderrücken. Was Rhynchobatus und Rhinobatus (Taf. 21 Fig. 60 u. 61) betrifft, so setzt sich hier die Präcranialhöhle auf das Rostrum fort und ist auf dessen ganze Länge ausgedehnt; erfüllt ist sie mit einem ähnlichen gallertigen Gewebe wie die Präcranialhöhle bei Pristis (GEGENBAUR, 1872, p. 92) (tab. 6 fig. 3). Die Seitenwände des Rostrums setzen die lateralen Wände des Craniums nach vorn fort, ihre Basis die Basis cranii. Die Präfrontallücke selbst liegt nur im hinteren Teile des Rostrums (Taf. 21 Fig. 60 u. 61), so daß die Präcranialhöhle in der vorderen Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 257 Partie eine Decke besitzt. Ähnlich verhält sich nach meiner obigen Ausführung das Rostrum von Raja clavata, nur dab hier der Prä- cranialhöhle eine Decke fehlt (Taf. 17 Fig. 31—34 D), die Präfrontal- lücke sich daher bis an die Spitze des Rostrums erstreckt, während Raja vomer (vgl. GEGENBAUR) und Raja oxyrhynchus (Taf. 21 Fig. 63), von der mir 2 Exemplare aus der Sammlung des Senckenbergianums zu Frankfurt vorlagen, sich hierin enger den Rhinobatiden an- schließen, denen sie überhaupt näher zu stehen scheinen als die übrigen Species der Gattung Raja. Daraus geht also hervor, worauf auch schon GEGENBAUR (1872, p. 93) hingewiesen hat, daß der mediane unpaare Kanal des Pristiden- rostrums (Per) mit seiner Wandung dem Rostrum der übrigen Rhinoraji entspricht; und dementsprechend ist auch der mediane Kanal des Pristidenrostrums identisch mit der Präcranialhöhle der Rochen. Dagegen müssen das laterale Kanalpaar der oben erwähnten 4 Pristis-Species ebenso wie die 2 Paare von Kanälen am Pr. cuspidatus-Rostrum als sekundäre Neubildungen der Pristiden auf- gefaßt werden, für die sich entsprechende Verhältnisse bei den übrigen Rochen nicht finden. Daß jene unpaare mediane Knorpel- masse, in die die Präcranialhöhle des Pristidenrostrums ausläuft einen sehr großen Teil des ganzen Rostrums einnimmt, während sie bei Rhynchobatus und Raja ganz zurücktritt gegenüber der Aus- dehnung der Präcranialhöhle, dürfte eben darauf zurückzuführen sein, daß gerade der vorderste Teil des Rostrums bei Pristiden bedeutend gestreckt ist. An dieser Stelle sei noch hervorgehoben, daß durch das Vorhandensein einer überdachten Präcranialhöhle Pristis näher den Rhinobatiden als den Rajiden zu stehen scheint. In einem anderen Punkte kann ich mich GEGENBAUR nicht voll- kommen anschließen, wenn er nämlich sagt (p. 92, 1872): „Ein medianer weiterer Canal bildet die Fortsetzung des Praeorbital- canals.“ Diese Angabe ist nur teilweise richtig. Denn wie ich oben nachgewiesen habe, entsteht der Nervenkanal des Rostrums aus der Vereinigung von Präorbital- und Orbital-Nasalkanal. Parallel dem vorderen Ende der Nasenkapsel fand ich bei Pristis perrotteti am Seitenrande des Rostrums ein kleines Knorpelstäbchen (Taf. 14 Fig. 11 u. 12 7‘). Um dieses Knorpelstäbchen tritt nun die suborbitale Schleife des Infraorbitalkanals auf die ventrale Seite (Taf. 18 Fig. 44 r'; Taf. 19 Fig. 45). ‚Interessant insofern, als sie eventuell über die Natur jenes Knorpelstäbchens Aufklärung geben können, sind die Verhältnisse bei Raja. Hier erstrecken sich die 17% 258 Lupwie Horrmann, Knorpelstrahlen des Propterygiums bis in die Nahe des Vorder- randes des Rostrums (Taf. 21 Fig. 63 7), und an der Vorderseite des am weitesten nach vorn reichenden Knorpelstrahles, finde ich ebenfalls das Vorderende der suborbitalen Schleife des Infra- orbitalkanals (Taf. 17 Fig. 36 7), d.h. also den Punkt, wo der Infra- orbitalkanal auf die ventrale Seite tritt. Bei Rhinobatus thouini war an einem jungen in Spiritus konservierten Tiere des Gießener Instituts der Übertritt des Sinneskanals auf die ventrale Seite zu erkennen (Taf. 21 Fig.61), doch fand ich an der betreffenden Stelle keine Knorpelstäbchen, und das vorderste Ende des ersten Flossenstrahles des Propterygiums (Taf. 21 Fig. 61 7) hatte noch nicht den Punkt des Übertritts erreicht; ebenso verhielt sich ein Exemplar von Rhynchobatus djeddensis der Sammlung der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft (Taf. 21 Fig. 60 7). Ob nun jenes Knorpelstäbchen dem vordersten Ende des ersten Flossenstrahles von Raja entspricht, habe ich unten im vergleichenden Teile auseinandergesetzt. Während bei Raja dieses Knorpelstäbchen, also das Vorderende des ersten Knorpelstrahles des Propterygiums, weit vorn im vordersten Viertel des Rostrums liegt, ebenso auch der Übertritt der suborbitalen Schleife, findet sich bei Rhynchobatus jener Übertritt im hinteren Drittel des Rostrums. Bei Pristis liegt das betreffende Knorpelstück mit der Übertrittsstelle der suborbitalen Schleife in einem Niveau mit dem Vorderrande der Nasenkapsel. Auch diese verschiedene Lagerung dürfte darauf hinweisen, daß sich bei Rhynchobatus und noch mehr bei Pristis gerade die vordere Partie des Rostrums in die Länge gestreckt hat. An der hinteren Wand der Nasenkapsel, also an der präorbitalen Scheidewand, ist bei den Pristiden der Schädelflossenknorpel ein- gelenkt (Taf. 16 Fig. 22 u. 23 M). Er ist hier klein und articuliert nur mit dem medianen Teile seiner Vorderseite, während der laterale Teil als kleiner Fortsatz (M‘) nach vorn frei vorspringt (Taf. 14 Fig. 11 u. 12). Der Knorpel selbst erstreckt sich bei den Pristiden von der präorbitalen Knorpelmasse aus schräg nach hinten und bildet einen nach innen konkaven Bogen. Hier liegt er zunächst ventral vom Auge (Taf. 19 Fig. 48—52 M), so daß er scheinbar eine ventrale Stütze desselben bildet, und endet bereits frei in der hinteren Orbita in der Kiefermuskulatur (Taf. 20 Fig. 55 u. 56 M, ebenso Taf. 21 Fig. 62 M). Er zeigt also keine Beziehung zu Knorpeln der Brustflosse, wie es GEGENBAUR angibt (1872, p. 109): „Jene Fälle, in denen die Brustflosse mit der Basalreihe der Glieder Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 259 des Propterygiums den Schädelflossenknorpel erreicht, werden den neuesten Zustand in seiner niedersten Form vorstellen. Wir finden denselben bei Rhynchobatus und Pristis“ MÜLLER u. HENLE dagegen (1841, p. 105) weisen schon darauf hin, daß der Schädelflossenknorpel bei Pristis von der Brustflosse nicht erreicht wird. Der Schädelflossenknorpel wird von zahlreichen einzelnen Kanälen durchbohrt, in denen Nerven und Gefäße auf die ventrale Seite treten. Die Nerven gehören meist dem äußeren R. buccalis an und versorgen die seitlichen Partien des Infraorbitalkanals (Taf. 19 Fig. 48—52). Bei Rhynchobatus laevis ist nach Angaben GEGENBAUR’S (1872, p. 105 u. 109) der Knorpel größer. Er articuliert hier eben- falls am hinteren Rande der Nasenkapsel und tritt in Beziehung zu der Basalreihe der Glieder des Propterygiums. Die Flosse dient hier, wie GEGENBAUR meint, mehr als Verbindungsglied mit dem Cranium denn als Stütze der Flosse. Bei Rhynchobatus djeddensis tritt, wie die Röntgenaufnahme (Taf. 21 Fig. 60 M) zeigt, der Schädelflossenknorpel nur mit dem allervordersten Teile des Pro- pterygiums in Berührung, während jener vordere Fortsatz (17) des Schädelflossenknorpels hier sehr stark ausgebildet ist und anscheinend mit zur Festigung des Seitenrandes dient. Besonders gut sind hier einige Foramina sichtbar, die schon mehr fensterähnlich den Knorpel durchsetzen. Sie dürften den Nervenkanälchen des Ramus buccalis entsprechen, wie wir sie bei den Pristiden fanden, nur sind sie hier durch ihre bedeutendere Größe ausgezeichnet. Bei Rhinobatus thowini (Taf. 21 Fig. 61 M) tritt der Knorpel zu einem schon verhältnismäßig groben Teile des Propterygiums in Beziehung und funktioniert hier wirklich als Stützapparat der Teile der Brustflossen. Bei Raja (Taf. 21 Fig. 65 M) dagegen finden wir einen wesentlich anderen Zustand, insofern als der Schädelflossenknorpel hier an der Seitenwand der Nasenkapsel articuliert und fast direkt lateralwärts gerichtet ist. GEGENBAUR sagt hierüber: „Bei Raja ist die Flosse weiter über den Schädelflossen-Knorpel hinaus entwickelt. Das Ende des Pro- pterygiums erstreckt sich bis nahe an die Verlängerung des Schädels in das Rostrum, und der genannte Knorpel ist hier Stütze des Flossen-Skeletes geworden.“ Allen hier betrachteten Rhinoraji ge- meinsam ist die Gestalt des Schädelflossenknorpels. Mit dem stärkeren Basalteile sind sie an der Nasenkapsel des Schädels, mit dem dünneren lateralen Rande jedoch nur bei Rhinobatiden und Rajiden, nicht bei Pristiden, der medialen Fläche den betreffenden Teilen des Flossen- skelets angefügt. 260 LupwiG Horrmany, Die Knorpelverkalkung des Rostrums. Angaben über die Anordnung der Knorpelverkalkung und deren histologischen Bau fand ich zuerst bei WırLıamsox (1831, p. 177), der sich sowohl mit dem Bau als mit ihrer Lage beschäftigt hat. Wichtig ist, daß er die Prismen aus zwei Teilen entstehen läßt, einmal einem bindegewebigen Keile, der in die hyaline Knorpelmasse einwuchert. Um diesen herum findet nun die 2. Verkalkung des hyalinen Knorpels statt, die er noch „Ossification“ nennt, und zwar derart, daß an der Spitze des eingewucherten Keiles die Verkalkung beginnt und nicht an der Basis derselben, also nicht am Perichondrium. KÖLLIKER schließt sich 1860, p. 146 ebenfalls der Auffassung von WILLIAMSON an, wonach in die Kalksäulen ein bindegewebiger Keil vorher ein- gedrungen ist. Ohne auf die Entwicklung und den histologischen Bau der Kalkprismen näher einzugehen, möchte ich hier nur be- merken, daß ich nirgends und auf keinem Stadium eine derartige Einwucherung des Bindegewebes fand, trotzdem mir sämtliche Ent- wicklungsstadien der Knorpelverkalkung zur Verfügung standen. Vielmehr scheinen die fibrillären Fasern, sowohl Radiär- wie Längs- fasern, der Kalkprismen erst während der Verkalkung und aus dem hyalinen Knorpel sich zu bilden. Nur darin stimmen meine Befunde mit denen von WILLIAMSON und KÖLLIKER überein, daß die Verkalkung und Prismenbildung nicht an der Außenseite des Knorpels beginnt, sondern an einem Punkte, der etwas in die hyaline Knorpelmasse hinein verschoben ist. Jene Kalkprismen auf dem Rostrum sind von den Verkalkungen an anderen Knorpelteilen von Pristisund den übrigen Selachiern nur ihrer Größe und ihrer stärkeren Ausbildung nach ver- schieden, ihrem Wesen nach entsprechen sie denselben. Was ihre Lage am Pristidenrostrum anlangt, so findet sich all- gemein eine Prismenlage nur an der Oberfläche der hyalinen Knorpel- masse, also am Rande des hyalinen Knorpels, sowohl an der Außen- fläche wie an der Auskleidung der Kanäle und Alveolen (Taf. 13 Fig. 1). Wir treffen daher eine äußere Prismenlage (Taf. 13 Fig. 1 a) an dem äußeren Rande des Knorpelrostrums, die an den Seiten- rändern in die Prismenreihe der Alveolen übergeht (b); eine zweite Prismenschicht bildet die Auskleidung eines jeden Längskanals des Rostrums (ec). Wie Pr. cuspidatus zeigt, besitzt auch der mediane Kanal eine Kalkprismenschicht, deren Prismen jedoch gerade bei jungen Tieren bedeutend kleiner sind als die des übrigen Rostrums (Taf. 20 Fig. 53 kpr.). In ähnlicher Weise sind auch die kleinen Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 261 Querkanäle, die von den Rostralkanälen auf die Oberfläche des Rostrums führen, von einer Prismenschicht ausgekleidet. Umgekehrt fehlt eine Verkalkung des Knorpels da, wo dieser keine Beziehung zur Oberfläche zeigt, wie am hyalinen Mittelstück in der Verlänge- rung der Präcranialhöhle (Taf. 13 Fig. 1 kn). Hier haben wir von der Knorpelmasse aus nach oben, unten und den Seiten nur eine einzige Prismenschicht. Insofern stimmt mein Befund mit dem GEGENBAUR’S nicht überein, als er für den medianen Kanal nur an der Wurzel eine Kalkprismenschicht fand, während in Wirklichkeit der gesamte mediane Kanal von einer Verkalkung ausgekleidet ist, die allerdings bei jungen Tieren schwächer ausgebildet ist. Daher er- wähnt er auch als dorsale Decke der Präfrontalstücke nur die äußere Prismenschicht (1872, p 92). Im übrigen entsprechen meine Befunde denen GEGENBAUR’s. Nochmals möchte ich auch hier darauf hinweisen, dab an trocknen Rostra die hyaline Knorpelmasse stark geschrumpft ist, während die Kalkprismenwände erhalten bleiben. Hierdurch wird häufig das Vorhandensein weiterer Kanäle vorgetäuscht, wie es auch GEGENBAUR (1872, p. 93) von der Dumérir’schen Abbildung erwähnt (1865, tab. 2, tab. 9 fig. 5). Nicht ganz richtig ist eine Bemerkung KÔLLIKER’S, wenn er vom Seitenrande des Rostrums sagt (1860, p. 146): „Auf diese Säulen kommt dann meist, mit Aus- nahme des Randes selbst, eine dünne Lage echten Knorpels und im Innern endlich kurze kleine Säulen, welche Säulen zum Theil deut- lich in zwei, wohl auch in drei Reihen angeordnet sind.“ Nirgends konnte ich finden, daß vom Rande der Säge aus drei oder gar vier Säulenschichten auf einander folgen. Der Befund KöLuıker’s stimmt auch damit nicht überein, daß Prismen nur an der Oberfläche des Knorpels und dann nur in einer Schicht sich bilden. Am größten ausgebildet fand ich die Prismen im allgemeinen in der äußeren Lage (Taf. 13 Fig. 1«), besonders im dorsalen und ventralen Teil des hyalinen Mittelstücks (kn). Sehr flach und klein sind sie an den Seiten dieser medianen Knorpelmasse, während sie im Bereich der Alveolen wieder sehr groß sind. Die Basalfläche der Kalkprismen, d. h. diejenige, mit der sie an das Perichondrium grenzen, ist meist eben, die der Basalfläche entgegengesetzte Seite meist pyramidenförmig zugespitzt, so daß das Prisma auf Querschnitten ein Fünfeck darstellt (Taf. 13 Fig 1). Da nun die Kalkprismen beider Schichten, der äußeren und inneren, meist alternierend stehen, so greifen sie zahnradartig mit ihren Spitzen ineinander, wodurch eben eine erhöhte Festigkeit des Skelets 262 LupwiG Horrmann, der Säge erreicht wird. Hier wäre noch zu erwähnen, daB sich un- verkalkter hyaliner Knorpel einmal in dem vorderen medianen Teil in der Fortsetzung und Umgebung des Mediankanals erhalten hat (kn), weiterhin zwischen je zwei Zahnalveolen, und schließlich bleiben auch an der Stelle, wo die Prismenlage zweier Kanäle oder der Alveolenschicht sich mit der äußeren Schicht kreuzt, eine größere Knorpelmasse unverkalkt (An‘). Die Anordnung des fibrillären Bindegewebes auf dem Rostrum. Die oberflächliche fibrilläre Bindegewebsmasse besteht aus longi- tudinalen und Querfaserbündeln, die miteinander abwechseln. Die ringformig verlaufenden Faserbündel entsenden Aste zwischen die longitudinalen, ihre Äste vereinigen sich mit anderen Ringfaser- bündeln und bilden so auf Querschnitten ein Netzwerk, in dessen Maschen die longitudinalen Faserbündel liegen. Nach dem Rande der Säge hin gehen die longitudinalen Bündel allmählich in trans- versale und schräge über. In diese Bindegewebsmassen eingebettet liegen bei Pristiden das Seitenkanalsystem und die LorENzINrschen Ampullen, mit Ausnahme von Pr. cuspidatus, wo diese letzteren, wie bereits erwähnt, in das zweite Kanalpaar hineingerückt sind. Auf der dorsalen und ventralen Seite zeigt die hyaline Knorpel- masse jederseits vom unpaaren Mediankanal (Taf. 13 Fig. 1 bg) eine flache Einbuchtung. In ihr verläuft eine starke Masse longitudinaler Bindegewebsbündel nach vorn, die durch ringförmige Fasern von dem übrigen fibrillären Bindegewebe abgeschlossen ist. Allgemein fand ich, daß die Bindegewebslagen, die KöLLIKEr hier Faserknochen nennt (1866, p. 144), nicht in derartig scharf voneinander abgeson- derten Schichten getrennt sind, wie er es angibt. Weiterhin zu erwähnen sind die fibrillären Bindegewebsmassen, die die Rostralkanäle auskleiden. Sie fehlen dem medianen Kanal, der die Fortsetzung der Präcranialhöhle bildet (Per). Dieser ist er- füllt von einem lockeren, gallertartigen Bindegewebe (Taf. 20 Fig. 53 Per). Die Nervenkanäle dagegen sind ausgekleidet von starkem fibrillärem Bindegewebe, das bei Pr. perrotteti etwa da zuerst auf- tritt, wo sich Präorbital- und Orbito-Nasalkanal vereinigen. In der Hauptsache sind es longitudinale Faserbündel, die den Wänden des Kanals dicht angelagert sind und lateral eine dünnere Schicht bilden als an der dorsalen und ventralen Seite (Taf. 13 Fig. 1 bg). An diese longitudinale Masse schließt sich ein sehr lockeres Bindegewebe; Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 963 das auch die hier verlaufenden Nerven und Gefäße umschließt und von dem aus Radialfasern sich netzförmig zwischen die longitudi- nalen Bündel legen. Das Seitenkanalsystem. Wie bei den übrigen Selachiern* fanden sich auch bei den Pristiden 4 Sinneskanäle, für die ich die am meisten gebrauchten Benennungen von Ewart (1895) und Azris (1902) beibehalten werde, nämlich: Supraorbitalkanal, Infraorbitalkanal, Hyomandibularkanal und Lateralkanal. Von diesen kommen für die vordere Kopfregion nur der Supraorbital- (Supr. C) und der Infraorbitalkanal (Inf. C) in Betracht, auf deren Besprechung ich mich im Folgenden beschränken will. Denn nur sie bieten in bezug auf Innervation und Verlaut wesentlich abweichende Verhältnisse von den anderen Selachiern dar und zwar besonders in ihrem rostralen Verlauf. I. Der Supraorbitalkanal. Der dorsale Teil des Supraorbitalkanals beginnt etwa in gleicher Höhe mit dem Hinterrande des Auges (Taf. 14 Fig. 14 Supr. C,) wie auch bei Raja (EwArT u. MITCHELL, 1895), an der Vereinigung des Canalis lateralis, infraorbitalis und supraorbitalis. In seinem Verlauf ist er, wie auch bei Raja, in eine flache Rinne des Schädel- daches eingebettet und liegt hier direkt dorsal über der lateralen Orbitalwand. In der Ethmoidalregion behält er diese Lage zunächst bei (Taf. 19 Fig. 52 Supr. C). In einer Höhe mit der Lücke im Prä- orbitalkanal (Fig. 47 Supr. C) wendet er sich allmählich lateralwärts und liegt hier dorsal von dieser Öffnung. An ihrem vorderen Ende hat er den Nervenkanal des Rostrums überquert (Taf. 19 Fig. 45 Supr. C) und liegt nun dorsal von der lateralen Wand des Kanals (vgl. Taf. 14 Fig. 11 Supr. C), um in dieser Lage dorsal und lateral vom Nervenkanal bis an das vorderste Ende des Rostrums zu bleiben (Taf. 18 Fig. 38 Supr. C). Ob er hier wie bei den anderen Haien und Rochen in den ventralen Supraorbitalkanal übergeht, habe ich nicht untersuchen können, es ist jedoch anzunehmen (Taf. 14 Fig. 14 Supr. C,). Raja unterscheidet sich insofern von Pristis, als hier der Supraorbitalkanal im Bereich der Nasenkapsel sich medianwärts (Taf. 17 Fig. 31 Supr. C;) wendet und auf dem Rostrum über und lateral der seitlichen Knorpelwand liegt (Taf. 17 Fig. 32 Supr. C,), während er bei Pristis der lateralen Wand des Nervenkanals ent- lang läuft. 264 Lupwic HoFFMANN. Der ventrale Teil des Supraorbitaikanals (Taf. 17 Fig. 15. Supr. C,—C;) liegt auf dem Rostrum derart, daß er am lateralen Ende der Zahnalveolen entlang zieht, lateral von dem ihm parallel laufenden Infraorbitalkanal (Taf. 18 Fig. 38 u. 39 Supr. C,). Auch Querschnitte von Pr. pectinatus (Fig. 40), ebenso ein junger Embryo von Pr. perrotteti (Fig. 42), zeigen diese Verhältnisse. Diese Lage behält er auf dem größten Teile des Rostrums bei. Erst hinter dem hintersten Zahnpaare (Taf. 18 Fig. 43 Supr. C,) verlagert er sich etwas medial, nähert sich stark dem ihm parallellaufenden Teil des Infraorbitalkanals und liegt hier ventral und lateral vom Nerven- kanal. So verläuft er bis in die Region der vorderen Nasenkapsel (Taf. 14 Fig. 12 Supr. C,). Hier kehrt er plötzlich in einer scharfen Krümmung um (Taf. 19 Fig. 45 Supr. C,) und läuft wiederum unter der lateralen Wand des Rostrums entlang nach vorn bis unmittelbar hinter den hintersten Zahn (Taf. 14 Fig. 12 Supr. C,). An dieser Stelle bildet er abermals eine Krümmung, jedoch von bedeutend größerem Winkel, und läuft nun nahe dem lateralen Rande des Rostrums ent- lang, zunächst ventral von dem hier in verhältnismäßig großer Aus- dehnung auftretendem Bindegewebe (Taf. 19 Fig. 46 Supr. C,). Der ventrale Teil des Supraorbitalkanals bildet also, wie auch aus der Rekonstruktionsfigur (Taf. 14 Fig. 12 u. Fig. 15 Supr. C) zu er- kennen ist, etwa zwischen Nasenkapsel (N) und dem hintersten Zahn- paare des Rostrums eine doppelte Schleife. Die erste mediane Schleife ist nach vorn offen, besitzt nur eine geringe Weite, da ihre beiden Schenkel dicht nebeneinander hinlaufen. Die zweite Schleife ist nach hinten offen, ihr lateraler Schenkel entfernt sich nach hinten immer weiter von dem medianen und läuft mehr oder weniger dem Seitenrande des Rostrums parallel. Wir finden hier also eine ähn- liche Doppelschleife wie bei Rhinobatiden (GARMAN, 1888, tab. 24), nur daß bei letzteren beide Schleifen fast die gleiche Spannweite besitzen. Bei taja hingegen (EwART, 1891, fig. 7) besitzt die mediane Schleife eine große Spannweite, d. h. ihre beiden Schenkel laufen nach vorn auseinander, während die seitliche Schleife nur eine ge- ringe Spannweite zeigt, ihre Schenkel laufen fast miteinander parallel. Die Rhinobatiden nehmen also in diesem Falle eine Zwischenstellung ein, von der Pristiden und Rajiden in verschie- dener Richtung abweichen. Der laterale Teil des ventralen Supra- orbitalkanals behält bei Pristis auch in seinem weiteren nach hinten gerichteten Laufe seine zum Außenrande des Rostrums parallele Lage bei (Taf. 14 Fig. 12 u. 15 Supr. C,), liegt dann seitlich von der Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 265 Nasenkapsel parallel einem lateralen Teil des Infraorbitalkanals, der hier auf die ventrale Seite tritt (Taf. 19 Fig. 46 Supr.C,). Von dem hinteren Rande der Nasenkapseln ab verläuft er unter dem lateralen Teile des Schädelflossenknorpels hin (Fig. 48 Supr. C,) und dann mit diesem weiter nach hinten, um schließlich in gleicher Höhe mit der Mitte des Auges in das vordere Ende des orbito-nasalen Teiles des Infraorbitalkanals zu münden (Taf. 14 Fig. 15; Taf. 19 Fig. 51 Supr. Q,). Bei Rhinobatus (GARMAN) und Raja (Ewart) mündet der Kanal in die suborbitale Schleife des Infraorbitalkanals, noch bevor diese nach hinten den Hyomandibularkanal abgegeben hat. Demnach unterscheiden wir auch bei Pristis am Supraorbitalkanal zwei Hauptteile, einen dorsalen (Supr.C,—C,), der in der hinteren Orbitalregion an der Vereinigung von Canalis lateralis und infra- orbitalis (Supr. C,) beginnt und sich bis zur Spitze des Rostrums er- streckt (Supr. C,), und einem ventralen Teil (Supr. C,_;), der wiederum in drei Abschnitte zerfällt, einen ersten und zugleich größten von der Spitze des Rostrums bis zur ersten Schleifenkrümmung (Supr. Cs_3), einen zweiten von hier bis zur zweiten Schleifenkrümmung (Supr. C3_4) und einen dritten bis zur Vereinigung mit dem orbitonasalen Teil des Infraorbitalkanals (Supr. Cy_;). Alle drei sind auch durch die Art ihrer Innervation verschieden, auf die ich unten zu sprechen kommen werde. Nach der Benennung GArman’s (1888) entsprechen dem Supra- orbitalkanal 3 Kanäle, Cranial-, Rostral- und Subrostralkanal, Be- nennungen, die man für die entsprechenden Teile des Supraorbital- kanals beibehalten kann, wie es Ewart für Raja und Somniosus ge- tan hat. Der dorsale Teil des Supraorbitalkanals besitzt auf seiner ganzen Länge ausführende Röhren, die sich verästeln und miteinander kom- munizieren, wie entsprechende Querschnitte zeigen (Taf. 19 Fig. 47 Supr. C. Rö). Dichter liegen die ausführenden Röhren im hinteren Teile des Supraorbitalkanals, also in der Orbital- und hinteren Ethmoidal- region, während sie auf dem eigentlichen Rostrum in größeren Ab- ständen voneinander liegen. Sie besitzen eine bedeutende Länge, kommunizieren miteinander und münden dann weit entfernt von ihrem Ursprunge, lateral oder medial vom Supraorbitalkanal, nach außen. Auch bei Arhinobatus besitzt der dorsale Teil des Supra- orbitalkanals, wie die Abbildung Garman’s (1888 tab. 24) zeigt, aus- führende Röhren, die im cranialen Teile auf der medialen, im rostralen Teile des Kanals auf der lateralen Seite des Supraorbitalkanals nach 266 Lupwic Horrmann, außen münden. Bei Raja (Ewart, 1891, p. 89) finden sie sich nur im cranialen Teil, also in der Orbita und dem Gebiet der Nasen- kapseln, sie fehlen dagegen im rostralen Teil. In dem ersten und zweiten Abschnitt des subrostralen Teiles sind sie bei Raja eben- falls vorhanden, dagegen fehlen sie im Bereich der Schleife. Der zweite Sinneskanal, der fiir die vordere Kopfregion in Be- tracht kommt, ist der Infraorbitalkanal. Er beginnt etwa kurz vor dem Hinterrande des Auges in der hinteren Orbitalregion, da wo sich auch der dorsale Supraorbitalkanal und der Canalis lateralis abzweigen (Taf. 19 Fig. 52, Taf. 14 Fig. 14 Inf. C,). Er wendet sich zunächst etwas nach hinten ventral und lateral, läuft dem Hinter- rande des Auges entlang, als Orbitalkanal Garman’s, bis er dessen ventrale Seite erreicht. Hier wendet er sich plötzlich nach vorn und zieht nun dem ventralen Rande des Auges entlang nach vorn (Taf. 19 Fig. 52 Inf. C,). In der Ethmoidalregion liegt er zunächst dorsal vom Schädelflossenknorpel (Taf. 19 Fig. 49; Taf. 14 Fig. 11 Inf. C,), dann dorsal von der starken longitudinalen Bindegewebs- masse, die an letztere anschließt und zwischen Nasenkapsel und hinterstem Zahnpaar dem Seitenrande des Rostrums eine bedeutende Festigkeit verleiht. Etwa in gleicher Höhe mit dem Vorderende der Nasenkapsel (Taf. 14 Fig. 11, 12, 14, 15 Inf. C,) tritt der Infra- orbitalkanal um ein kurzes Knorpelstäbchen auf die ventrale Seite (Taf. 19 Fig. 45 Inf. C,). Bei Raja findet der Übertritt des dorsalen Infraorbitalkanals auf die ventrale Seite, wie EwART, fig. 3 zeigt, fast an der Spitze des Rostrums statt, etwa in gleicher Höhe mit dem Vorderende der Supraorbitalschleife. Hier durchsetzt er, wie ich an einer Schnittserie erkennen konnte, das vorderste Ende des vordersten Knorpelstrahles des Propterygiums (Taf. 17 Fig. 36 Inf. C,). Bei dem mir zur Verfügung stehenden Exemplar von Æhinobatus liegt die Übertrittsstelle nicht so weit nach vorn verschoben wie bei Raja, so dab Rhinobatus hier eine Zwischenstellung zwischen Raja und Pristis einnimmt. Das Propterygium hat mit seinen vordersten Knorpelstrahlen noch nicht die Übertrittsstelle erreicht, dem- entsprechend fehlt denn auch, wie oben bereits erwähnt, an dieser Stelle ein Knorpelstäbchen. Die Beziehung dieses Knorpelstäbchens zum Skelet anderer Selachier habe ich bereits oben erörtert. Nach seinem Übertritt auf die ventrale Seite verläuft der Infraorbitalkanal zunächst nach hinten ventral von dem oben erwähnten longitudinalen 3indegewebe des Seitenrandes (Taf. 14 Fig. 12 Inf. C,), dann auch ventral vom Schädelflossenknorpel und lateral vom ventralen Supra- Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 967 orbitalkanal (Taf. 19 Fig. 50 Supr,). In der hinteren Orbita wendet er sich wiederum nach vorn und medianwärts, während seine ur- sprüngliche Richtung von Canalis hyomandibularis fortgesetzt wird (Taf. 19 Fig. 52; Taf. 14 Fig. 15 Inf.C,). In seinem nunmehr nach vorn gerichteten Laufe nimmt der Infraorbitalkanal bald darauf den C. supraorbitalis lateralis auf (Taf. 14 Fig. 12 Inf. C,), wendet sich dann mehr im Bogen ganz medialwärts und erreicht den ventralen Rand des Knorpelcraniums (Taf. 19 Fig. 50 Inf. C,) an der Stelle, wo der C. praenasalis in die Schädelkapsel eindringt. Hier wendet er sich schräg nach hinten und medianwärts (Taf. 14 Fig. 15 Inf. C,) und vereinigt sich kurz vor dem Munde mit dem der gegenüber- liegenden Seite zu einem medianen unpaaren Kanal (Taf. 19 Fig. 51; Taf. 14 Fig. 15 Inf. C,), der nunmehr wieder nach vorn verläuft (Taf. 19 Fig. 50 Inf. C,), bis er sich kurz hinter den Nasenkapseln wieder zu gabeln beginnt (Taf. 14 Fig. 15 Inf. C,). Beide Äste wenden sich im Bereich der Nasenkapseln allmählich lateralwärts (Taf. 14 Fig. 12, 15; Taf. 19 Fig. 48—50 Inf. C,), bis sie etwa in dem Niveau des Vorderendes der Nasenkapseln, ventral vom seitlichen Längskanal des Rostrums, zu liegen kommen, eine Lage, die der Infraorbitalkanal bis an die Spitze des Rostrums beibehält (Taf. 18 Fig. 37—43 Inf. C;). Der ventrale Teil des Infraorbitalkanals nimmt bei Raja, nach dem Übertritt auf die ventrale Seite (Taf. 17 Fig. 36 Inf. C,), zu- nächst den ventralen Supraorbitalkanal auf, um dann erst mit dem Hyomandibularkanal zu kommunizieren. Ähnlich scheint sich auch thinobatus zu verhalten, doch geht es nicht klar aus Garman’s Ab- bildung (1888 tab. 24) hervor; indessen glaube ich es aus seiner Beschrei- bung 1888/1889 entnehmen zu können. Auch der unpaare Median- kanal ist bei Rhinobatus noch kürzer als bei Pristis, während er bei Raja stark in die Quere gezogen ist. Bezüglich der ausführenden Röhren ist zu bemerken, daß der dorsale Teil des Infraorbitalkanals vom hinteren Unterrande des Auges bis zu seinem Übertritt auf die ventrale Seite zahlreiche aus- führende Röhren besitzt, die einen etwas gewundenen Verlauf haben und meist ventral und lateral am Seitenrande des Kopfes münden (Taf. 19 Fig. 52, 48). Im vorderen Teile dieses Abschnitts fand ich auch einige wenige Röhren, die einen dorsalen Verlauf nehmen (Taf. 19 Fig. 46 Rö. S). Bei Raja hingegen zeigt auch der ventrale Teil des Infra- orbitalkanals zahlreiche ausführende Röhren, sowohl in seinen 268 LupwiG Horrmany, lateralen wie in seinen medialen Partien (Ewart, 1895, p. 92, tab. 1 Ab 5). Sie fehlen hier nur im vorderen Teile des medialen Infra- orbitalkanals. Bei Rhinobatus bildet Garman nur für den dorsalen Teil der suborbitalen Schleife, also den am ventralen Augenrande verlaufen- den Teil, ausführende Röhren ab, so daß sich hierin Rhinobatus mehr Pristis nähert. Was nun die Innervation dieser beiden Sinneskanäle sowie die des Rostrums anlangt, so wird sie besorgt von zwei großen Nervenstämmen, die hier, entsprechend den Größenverhältnissen des Rostrums, von bedeutendem Umfange sind. Ihre Fasern ent- stammen, wie Ewart, 1895 und Aruıs, 1902 für andere Selachier gezeigt haben, den Ganglien des Facialis und Trigeminus. Ins- besondere werden die Sinneskanäle und Ampullen nur von Facialis- ästen innerviert. Von diesem trigeminofacialen Ganglienkomplex wendet sich ein starker Nervenstamm, der Ramus ophthalmicus superficialis (Taf. 19 Fig. 52 R.oph.sup), nach vorn und schräg nach oben; er wird zunächst begleitet von einem zweiten Nervenstamme, dem Ramus ophthalmicus profundus (R.oph. prof), der jedenfalls nur Trigeminusfasern führt. In der vorderen Orbita werden beide zu- nächst auf eine kurze Strecke getrennt, dadurch daß der Muse. rectus superior und der M. r. internus zwischen beiden hindurch- laufen und noch weiter vorn der M. obliquus superior (Taf. 20 Fig. 56 Muse. obl.sup). An dessen Vorderseite legen sich beide dicht an- einander (Taf. 19 Fig. 50 À. oph. sup) und dringen nun gemeinsam in den Präorbitalkanal ein (Taf. 19 Fig. 48 R.oph. sup, R. oph. prof). In ihm und seiner ethmoidalen Fortsetzung laufen beide distalwärts, bis sich der Präorbital- und der Pränasalkanal zum Nervenkanal des Rostrums vereinigen (Taf. 19 Fig. 46 &. oph. sup u. prof). Schon während ihres Durchtrittes durch den Präorbitalkanal gehen die Fasern beider derartige enge Lagebeziehungen zueinander ein, daß ihre Fasern nicht mehr auseinander gehalten werden können. In dem Nervenkanal liegt der ophthalmicus-Komplex an der dorsalen Kanalwand und behält diese Lage bis an die Spitze des Rostrums bei (Taf. 18 Fig. 37--43 R. oph), bleibt also stets getrennt vom Ramus buccalis, der an der ventralen Seite entlang läuft. Bei Pr. cuspidatus sind die Lagebeziehungen von super- ficialis und profundus zu den Trigenmuskeln dieselben, ebenso stimmt ihr Verlauf in der Ethmoidalregion und dem Rostrum mit dem von Pr. perrotteti überein (Taf. 20 Fig. 53—56). Sie liegen in Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 269 dem seitlich von der Präcranialhöhle gelegenen Kanalpaar, also dem Nervenkanal (On), der ja dem von Pr. perrotteti entspricht, während der für Pr. cuspidatus charakteristische vierte und fünfte Kanal (Camp) keine großen Nervenstämme führt (Taf. 18 Fig. 41; Taf. 13 Fig. 1 R. oph). Die übrigen Pristis-Species schließen sich vollkommen den Ver- hältnissen von Pr. perrotteti an (Taf. 18 Fig. 40 R.oph). Von Sinneskanälen innerviert der R. ophth. superficialis sowohl den dorsalen wie den ventralen Teil des Supraorbitalkanals. Bei dem von mir untersuchten Pr. perrotteti-Embryo erfolgt die Innervation in der Orbitalregion derart, daß die sich vom Hauptstamme loslüsenden Astchen den Knorpel des Orbitaldaches in den Foramina supra- orbitalia durchsetzen und dann ein oder mehrere Sinnesorgane des Supraorbitalkanals innervieren (Taf. 19 Fig. 51, 50 g). Ähnlich sind die Verhältnisse zunächst auch noch nach Eintritt des R. ophthal- micus superficialis in den Präorbitalkanal (Taf. 19 Fig. 485 p). Wie die Rekonstruktion (Taf.14 Fig. 11) zeigt, tritt zunächst ein Astchen (a) durch das dorsale Knorpeldach des Präorbitalkanals und innerviert 2 Sinnesorgane. Ein weiteres Astchen (b), das ebenfalls durch ein besonderes Kanälchen den Präorbitalkanal verläßt, innerviert drei weitere Sinnesorgane. Dann folgen 3 Ästchen (ec, d, f), die sich fast zusammen vom Hauptast losgelöst haben, jedoch die dorsale Knorpel- wand in drei getrennten Kanälchen durchsetzen und vier weitere Sinnesorgane innervieren. Hier hat dann der Supraorbitalkanal die dorsale Lücke des Präorbitalkanals erreicht, deren Bedeutung ich oben besprochen habe. Durch diese Öffnung treten nun nacheinander 6 Astchen aus (f,—/f;), die etwa acht Sinnesorgane innervieren, die im wesentlichen dorsal über der Lücke liegen (Taf. 19 Fig. 47 f) An deren vorderem Ende beginnt nun der Nerven- kanal durch die Vereinigung von Präorbital- und Pränasal- kanal. Von jetzt ab haben wir auf dem Rostrum wieder die- selben Verhältnisse in der Innervation des dorsalen Präorbital- kanals wie hinter der Lücke: kleine Astchen (h,—h,) lösen sich vom R. ophth. superficialis los und durchsetzen, dorsal und nach vorn gerichtet, die dorsale Knorpelwand des Nervenkanals, und zwar wird von jetzt ab im allgemeinen jedes Sinnesorgan von einem ge- sondert die Knorpelmasse durchsetzenden Astchen innerviert (Taf. 18 Fig. 37—40, 42, 43 h). Derart sind die Verhältnisse bis an die Spitze des Rostrums. Eine Ausnahme macht nur das erste Ästchen vor der Lücke des Präorbitalkanals, das vier kurz hintereinanderliegende Organe innerviert (g). Wie sich aus der Rekonstruktionsabbildung erkennen läßt, sind die Sinnesorgane, die in der Orbital- und hinteren 270 LupwıG Horrmann, Ethmoidalregion relativ dicht aufeinander folgen, auf dem eigent- lichen Rostrum bedeutend weiter auseinander gerückt (Taf. 14 Fig. 11). Von Rhinobatiden standen mir entsprechende Schnittserien nicht zur Verfügung, so daß ich über die Art der Innervation in diesem Falle keine Angaben machen kann. Dagegen findet bei Raja, wie Ewart u. MircHELL (1895) angeben und wie ich an eigenen Schnitt- serien nachprüfen konnte, die Innervation des cranialen Teiles der- art statt, daß sowohl während des orbitalen Verlaufs wie auch während des Durchtritts durch den Präorbitalkanal Nervenästchen die dorsale Knorpelmasse durchsetzen (Taf. 17 Fig. 29 u. 30 œ). Nach seinem Austritt aus dem Kanal liegt der R. ophth. superficialis in der Ethmoidalregion stets oberflächlich und außerhalb des knorpligen Rostrums (Taf. 17 Fig. 32 R. oph.), meist direkt unter dem dorsalen Supraorbitalkanal. so daß die Nervenästchen direkt zum Sinneskanal gelangen können. Wir haben also bei Pristis gemäß der Weiter- bildung und größeren Spezialisierung des vorderen Knorpelcraniums auch hinsichtlich der Innervation modifizierte Verhältnisse. Die Innervation des ventralen Teilesdes Supraorbitalkanals zeigt ein bedeutend komplizierteres Verhalten. Aus naheliegenden Gründen beginne ich die Beschreibung mit dem hintersten Ab- schnitte des Kanals, der, wie oben angeführt. in der hinteren Orbital- region beginnt und bis zur zweiten, also der lateralen Schleife des Kanals reicht (Taf. 14 Fig. 15 Supr. C;—Supr. Cs). Wie aus der Rekon- struktionsabbildung (Taf. 14 Fig. 11) zu sehen ist, tritt in der Gegend der hinteren Nasenkapsel (s. a. Taf. 19 Fig. 49 5) aus dem Präorbitalkanal ein starker Zweig des R. ophth. super- ficialis aus durch ein besonderes Foramen (7). Dieser Ast läuft lateralwärts und etwas dorsal über das Dach der Nasenkapsel und teilt sich hierbei in 4 größere Äste, die, sämtlich um die Nasen- kapsel laufend, auf die ventrale Seite treten (7,—7,). Von diesen tritt der hinterste Ast (2) am Vorderrande des Schädelflossenknorpels in diesen ein und durchsetzt ihn in einem nach hinten gerichteten Kanale, um dann auf der ventralen Oberfläche des Schädelflossen- knorpels (Taf. 14 Fig. 12 i,) auszutreten. Mit seinem größten Teil behält der Nervenast nun seine alte Richtung bei und innerviert den hintersten Teil des ventralen Supraorbitalkanals. Nur ein kleines Astchen läuft nach vorn und innerviert vier Organe des Sinneskanals bis etwa zum vorderen Ende des Schädelflossenknorpels. Die drei anderen Nervenäste (Taf. 14 Fig. 12 :,, i,, i,) laufen schon auf der dorsalen Seite nach vorn, treten dann am lateralen Rande der Nasenkapsel einzeln nacheinander plötzlich auf die ventrale Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. Im Seite und innervieren dann 5 resp. 4 resp. 3 Sinnesorgane des Supraorbitalkanals. Ein weiterer Zweig (Taf. 19 Fig. 17 %) verläßt den Präorbitalkanal bereits durch die Lücke des Präorbitalkanals und zwar in ihrer hintersten Ecke. Auf der linken Seite tritt auch dieser Nervenast durch ein besonderes Foramen aus dem Knorpel- dach des Präorbitalkanals (Taf. 14 Fig. 11 %). Auch dieser Zweig läuft nach vorn und lateralwärts über die Nasenkapsel hin und teilt sich hierbei in drei Aste (k,—k,), die ebenfalls nacheinander auf die ventrale Seite treten und dann in 5 resp. 2 resp. 3 Sinnesorganen des Supraorbitalkanals endigen (Taf. 14 Fig. 12 %k,—k,). Die Organe, die von diesem Zweige innerviert werden, liegen bereits zum größten Teile vor der Nasenkapsel. Auch der dritte Zweig, der aus dem vorderen Drittel der Lücke des Präorbitalkanals austritt, läuft zunächst nach vorn und lateral auf den Nasenkapseln hin (Taf. 14 Fig. 11 2), teilt sich dann in zwei Aste (J, u./,), die nun direkt nach vorn verlaufen und dann in verhältnismäßig großer Entfernung von den Nasenkapseln allmählich auf die ventrale Seite treten und hier im Supraorbitalkanal bis zur zweiten Schleife in 2 resp. 5 Organen endigen (Taf. 14 Fig. 12 J, u. 2). An der Stelle, wo sich der Knorpel der Nasenkapsel von der Seitenwand des Nervenkanals loslöst, findet sich im dorsalen Teile jener seitlichen Knorpelwand ein großes Foramen, das sich bei Pr. perrotteti mit der dorsalen Lücke des Präorbitalkanals vereinigt (Taf. 19 Fig. 45 Lpr*). Durch dieses Foramen treten große Nerven- massen aus, die sich vom R. ophth. superficialis-profundus losgelöst haben (Taf. 14 Fig. 11 Lpr*) Sie innervieren zum Teil das Gewebe der Oberfläche und zwar die lateralen Partien des Rostrums zwischen Nasenkapsel und hinterstem Zahnpaare, dann aber auch Lorkxzınr'sche Ampullen und Partien des ventralen Supraorbitalkanals. Es sind drei Nervenzweige, die für die Innervation des weiteren Verlaufs des Supraorbitalkanals in Betracht kommen. Der erste und zweite, die auf den Rekonstruktionsabbildungen (Taf. 14 Fig. 11 u. 12) mit m und » bezeichnet sind, laufen nach vorn, treten allmählich auf die ventrale Seite und innervieren den Teil des Supraorbitalkanals, der zwischen beiden Krümmungen gelegen ist (Taf. 14 Fig. 12 Supr. C, bis Supr. C,), mit Ausnahme des hintersten Teiles. Es werden 4 resp. 5 Sinnesorgane versorgt. Sehr merkwürdig verhält sich der dritte Ast (Taf. 14 Fig. 12, Taf. 19 Fig. 45 0), der ebenfalls durch das oben erwähnte Foramen austritt. Er gibt zunächst fünf kleine Ästchen ab, die auf die ventrale Seite treten. Von diesen Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 18 272 Lupwie HoFFMANN, innervieren zwei den hintersten Teil des mittleren Supraorbital- kanals (0,, 0,), zwei weitere die erste Schleife, und das fünfte Ästchen innerviert das hinterste Sinnesorgan im inneren Supraorbitalkanal. Der Hauptzweig dieses dritten Nervenstammes tritt nicht auf die ventrale Seite, läuft vielmehr ein Stück der seitlichen Knorpelwand des Nervenkanals entlang und tritt hier durch die Knorpelwand in den Nervenkanal wieder zurück (Taf. 18 Fig. 44; Taf. 14 Fig. 12 0,) und lagert sich nahe dem R. ophth. superficialis- profundus. Hier teilt er sich dann nach und nach in 5 kleine Astchen. Diese laufen im Nervenkanal nach vorn und unten, dringen durch die laterale Knorpelwand und innervieren dann in der Regel sofort oder nach einer Zweiteilung den inneren Teil des Supraorbitalkanals (Taf. 14 Fig. 12 0,‘, 0,“ etc). Diese Astchen zeigen bereits Verhältnisse in der Art der Innervation des ventralen Supraorbitalkanals, wie sie für den übrigen Teil des Rostrums typisch sind: von dem an der dorsalen Wand des Nervenkanals gelegenen R. ophth. superficialis lösen sich Astchen ab, laufen an der lateralen Wand des Kanals entlang und durchsetzen dann auf der ventralen Seite die Knorpel- wand. Meist treten sie zusammen mit einem Ästchen des R. bucealis durch die Knorpelmasse nach außen (Taf. 18 Fig. 37, 38 p). Was nun den Abstand der aufeinanderfolgenden Sinnesorgane anlangt, so liegen die Sinnesorgane relativ am dichtesten im lateralen Teile des Supraorbitalkanals und zwar im Bereich der Nasenkapseln, medial nach der zweiten Schleife hin werden die Abstände noch etwas größer, noch größer werden sie im mittleren Teile, bis sie dann im medialen Hauptteil, der ja allein bis an die Spitze des Rostrums sich erstreckt, am weitesten auseinander liegen. Dichter liegen sie nur an der ersten Schleife. Bei Raja ist die Innervation des ventralen Supraorbitalkanals eine wesentlich andere. Nach Ewart u. MıtcHeEur (1895, p. 91) erfolgt hier die Innervation derart, dab beim Durchtritt des R. ophth. superficialis durch die präorbitale Knorpelmasse dieser vor der Orbita einen breiten Ast abgibt, der sich auswärts und abwärts krümmt und den ventralen Teil des Supraorbitalkanals innerviert. In meinen Schnittserien zeigte sich, dab der R. ophth. superficialis, wie bereits oben erwälnt, nach seinem Durchtritt durch die präorbitale Scheidewand zunächst wieder in die Gehirnhöhle gelangt. Und hier in einer ventralen Rinne des Schädeldaches liegt er dorsal vom Übertritt des Lobus olfactorius in die Nasenkapsel, bleibt jedoch größtenteils durch die Gehirnhäute von der Cranialhöhle getrennt Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 273 (Taf. 17 Fig. 31 R.oph). An dieser Stelle gibt er einen starken Ast ab, der zunächst lateralwärts und nach vorn im Innern der Nasenkapsel verläuft (Taf. 17 Fig. 31 R. th) und schließlich am Vorderende der Nasenkapsel austritt, um sich hier erst zu verästeln und den ge- samten ventralen Supraorbitalkanal zu innervieren (Taf. 17 Fig. 33 u. 34 À. Eth). GEGENBAUR nennt diesen Ast R. ethmoidalis (1871, p. 46), im Anschluß an einen ähnlichen Ast bei den Haien, läßt es aber dahingestellt, ob dieser dem R. ethmoidalis der Rochen entspricht. (Auf diese Frage werde ich später zu sprechen kommen.) Interessante Vergleichspunkte würde hier das Verhalten von Rhinobatiden bieten; leider standen mir entsprechende Schnittserien nicht zur Verfügung. Bei Pristis bleibt also, wie wir gesehen haben, der Präorbitalkanal stets getrennt von der Cranialhöhle und dem Lumen der Nasen- kapsel. Es kann daher kein Übertritt des Ramus ethmoidalis in die Nasenkapsel stattfinden. Wenn GEGENBAUR (1872, p. 46) im Anschluß an Rhynchobatus sagt: „Pristis besitzt eine ähnliche, aber mehr medial als bei Rhynchobatus ausmündende Abzweigung“, so stimmt das insofern nicht, als bei Pristis die Ausmündung des Ethmoidalkanals überhaupt nicht auf der Nasenkapsel liegt. Auch auf seiner Abbildung (tab. 3 fig. 4e’) bezeichnet er eine andere Stelle als Austrittsöffnung des R. ethmoidalis, anscheinend die oben von mir erwähnte Lücke des Präorbitalkanaldaches. Jedenfalls hat die Untersuchung von Pristis gezeigt, daß der R. ethmoidalis hier in keiner Beziehung zur Nasenkapsel steht, daß er nicht als ein einziger Stamm durch die Lücke des Präorbitalkanals austritt, sondern in mehreren Ästen zum Teil durch getrennte Kanälchen, zum Teil durch die Präorbitallücke, zum Teil auch durch die Präorbitalkanalwand unmittelbar vor der Lostrennung der Nasenkapsel. Der größere rostrale Teil des ventralen Supraorbitalkanals bei Pristis wird durch kleine, je ein Sinnesorgan innervierende Astchen versorgt, die einzeln auf der ventralen Seite des Nervenkanals austreten. Ich komme nun zur Betrachtung der Innervation des Infra- orbitalkanals. Von dem vorderen, ventralen Teile des trigemino- facialen Ganglienkomplexes (Taf. 19 Fig. 52 R. Be) löst sich ein Hauptnervenstamm, von dem sich bald 2 größere Nervenäste ab- trennen, der Ramus maxillaris, der die Teile der Kiefermuskulatur versorgt, und der äußere Ast des R. buccalis (Taf. 19 Fig. 51 R. Be‘), wie ihn Ewarr (1895) bei Raja genannt hat; im Gegensatz zu letzterem nennt er den noch übrig bleibenden Hauptstamm den inneren R. buccalis (R. Be). 18* 274 LupwiG HoFFMANN, Innerer und äuberer Ast des R. buccalis innervieren zusammen den Infraorbitalkanal, dann aber auch Lorenzinr’sche Ampullen- gruppen und das Gewebe der Oberfläche. Der äußere R. buccalis ist bei Pristis sehr klein im Verhältnis zum inneren. Tatsächlich reicht auch sein Innervationsgebiet nur bis zum vorderen Ende der Nasenkapsel. Er innerviert im wesentlichen nur die lateralen Teile des Infraorbitalkanals und die in diesem Gebiete liegenden Sinnes- organe. Bald nach seinem Loslösen vom inneren Hauptstamm wendet er sich sofort lateralwärts und teilt sich in drei Hauptteile (Taf. 19 Fig. 51 R. Be). Er sendet Aste nach hinten, die den dorsalen hinteren Teil des Kanals innervieren (Taf. 19 Fig. 52 q), von seinem Ursprung am Supraorbitalkanal bis zu seinem Verlauf ventral vom Auge. Die beiden medialen Äste (Taf. 19 Fig. 51 r,s) dringen da- gegen teils innerhalb vom Schädelflossenknorpel, teıls durch denselben auf die ventrale Seite und innervieren hier neben größeren Ampullen- gruppen den ventralen, lateralen Teil des Infraorbitalkanals bis zu dem Punkte, wo er die Seitenkante des Craniums berührt (Taf. 19 Fig. 50 Sk; Taf. 14 Fig. 15 Sk). Ausgenommen hiervon ist der Teil, der der suborbitalen Schleife Garman’s entspricht. Diese Partien werden vom 3. Astchen (Taf. 19 Fig. 51 q) des äußeren R. buccalis innerviert, das auf der dorsalen Oberfläche des Schädelflossen- knorpels entlang läuft. Auch dieses Astchen teilt sich: ein Teil läuft lateralwärts, um den dorsalen Teil der suborbitalen Schleife zu innervieren (Taf. 19 Fig. 48, 50; Taf. 14 Fig. 11g,); der andere durchsetzt in mehreren Kanälchen den Schädelflossenknorpel (Taf. 14 Fig. 11 u. 12; Taf. 19 Fig. 48 u. 49 9,) und innerviert die ventrale Partie der suborbitalen Schleife bis in die vordere Orbita. Zu bemerken ist, daß an der Übertrittsstelle der suborbitalen Schleife auf die ventrale Seite die Sinnesorgane bedeutend dichter liegen als an allen übrigen Stellen des Infraorbitalkanals (Taf. 14 Fig. 11 u. 12). Der innere Ast des R. buccalis wendet sich vom trigemino- facialen Ganglienkomplex aus längs der lateralen Wand der Schädel- kapsel ventralwärts (Taf. 19 Fig. 50, 51 R. Be), tritt dann in den sekundären Pränasalkanal ein, in dem er nach vorn verläuft (Fig. 48 R. Be). Nachdem sich Präorbitalkanal und Pränasalkanal zum Nervenkanal des Rostrums vereinigt haben, liegt der innere Ast des R. buccalis stets auf der ventralen Wand des Kanals (Taf. 19 Fig. 45 R. Be). Er innerviert den Infraorbitalkanal von dem Punkte ab, wo dieser die laterale Kante der Knorpelkapsel berührt (Taf. 14 Fig. 15 Sk—Inf. C,), bis an die Spitze des Rostrums. Neuroeranium der Pristiden und Pristiophoriden. 275 Die Versorgung dieses Teiles in der Ethmoidalregion findet so statt, daß, bevor der Nerv in den Pränasalkanal tritt, ein Astchen den ventralen Knorpel durchsetzt und 4 Sinnesorgane innerviert (Taf. 14 Fig. 121). Die nächsten Ästchen treten bereits durch die oben erwähnte Lücke in der ventralen Wand des Pränasal- kanals und innervieren etwa 7 Sinnesorgane (w,_.,) Dann tritt ein einzelnes Astchen durch die Knorpelmasse, die sich mittlerweile wieder geschlossen hat (v). Etwas weiter vorn vereinigen sich Präorbital- und Pränasalkanal, und die Innervation findet in der Weise statt, daß die Ästchen einzeln die ventrale Knorpelwand des Nervenkanals durchsetzen und je 1—2 Sinnesorgane innervieren. Wie auf der Rekonstruktionsabbildung (Taf. 14 Fig. 12 x) zu sehen ist, tritt eines von den Ästchen (x) des R. buccalis gemeinsam mit einem R. ophth. superficialis auf die ventrale Oberfläche. Dies ist auf dem eigentlichen Rostrum die Regel (Taf. 18 Fig. 39, 38, 37 x). Im allgemeinen stimmt die Art der Innervation mit der bei Raja überein, nur daß das Innervationsgebiet des äußeren R. buccalis (R. Be‘) sich bei letzterer nur bis zu dem Punkte erstreckt, wo der Infra- orbitalkanal sich nach hinten in den Hyomandibularkanal fortsetzt. Weiterhin dringt der äußere R. buccalis (A. De‘) nicht in mehreren dorsoventral gerichteten Kanälchen auf die Vorder- und Ventralseite des Schädelflossenknorpels, sondern in einem einzigen fast horizontal verlaufenden weiten Kanale in der Nähe der Basis desselben (Taf. 17 Fig. 31 7’). Bezüglich der LorenziNrschen Ampullengruppen muß ich mich kurz fassen, da sie in ihrem Detail nicht besonders gut erhalten sind. Auch bei Pristis können wir im allgemeinen 3 grobe Ampullengruppen in der vorderen Kopfregion unterscheiden. Die erste, als äußere Buccalisgruppe bezeichnete liegt an der ventralen Seite des Kopfes gerade unter dem Auge (Taf. 19 Fig. 51 A. Be. Gr), ventral vom Schädelflossenknorpel und wird, wie bereits oben er- wähnt, von Ästen der äußeren R. buccalis versorgt, die nach innen vom Schädelflossenknorpel oder durch denselben auf die ventrale Seite treten (R. be". Bei Raja besitzt diese Ampullengruppe eine ganz abweichende Lage, insofern als sie vor den Schädelflossen- knorpel gerückt ist und auf diese Art in die Rostralregion, also noch vor die Nasenkapseln, zu liegen kommt (Taf. 17 Fig. 33 A. Be. Gr). Dementsprechend ist auch hier der äußere R. buccalis, der in einem einzigen Kanale den Schädelflossenknorpel durchsetzt, relativ stark und kommt dem inneren R. buccalis-Aste fast an Größe gleich (Taf. 17 276 Lupwic Horrmann, Fig. 30, 29, 31 R. Be’). Die innere buccale Ampullengruppe be- ginnt bereits im Gebiete der Nasenkapsel. Hier liegen ihre Organe zu beiden Seiten des Infraorbitalkanals ventral vom R. buccalis; in dem Gebiete unmittelbar vor der Nasenkapsel nimmt ihre Zahl bedeutend zu. Von dem hintersten Zahnpaare ab verteilen sie sich gleichmäßig in kleinen Gruppen über die ventrale Oberfläche des Rostrums zu beiden Seiten des Infraorbitalkanals (Taf. 18 Fig. 37, 38, 39 En. Be. Gr). Die sie innervierenden Ästchen des R. buccalis treten meist zusammen mit denen für den Infraorbitalkanal nach außen. Die Ampullen der dorsalen Superficialisgruppe liegen bei Pr. perrotteti auf der dorsalen Oberfläche des Rostralknorpels, beiderseits vom €. supraorbitalis. Ähnliche Verhältnisse zeigen auch die 3 Species pectinatus, zysron (Taf. 18 Fig. 40 En. be. Gr) und antiquorum. Wie bereits oben erwähnt, unterscheidet sich Pr. cuspidatus von den ge- nannten 3 Species dadurch, dab die rostralen Ampullen der inneren Buccalis- (Taf. 18 Fig. 41 En. Be. Gr) und der Superficialisgruppe (Tr' Gr) in den für diese Art charakteristischen Ampullenkanal hineingerückt sind. Ihre ausführenden Röhren treten in regel- mäßigen Foramina an der dorsalen und ventralen Seite des Kanals aus. Innerviert werden sie dadurch, daß vom Nervenkanal aus in queren Kanälchen (Taf. 18 Fig. 41 gk) die entsprechenden Nerven- ästchen durch die Scheidewand zwischen beiden durchtreten und so in den Ampullenkanal gelangen. Bei Raja beginnt die ventrale Ampullengruppe bereits im Bereich der Nasenkapsel (Taf. 17 Fig. 31 En. Be. Gr) und liegt vor denselben zu beiden Seiten des ventralen Teiles des Rostrums (Taf. 17 Fig. 33, 34 En. Bc. Gr). Die dorsale Superficialisgruppe findet sich bei allen Species der Gattung Pristis mit Ausnahme von Pr. cuspidatus erst vor der Nasenkapsel und liegt hier an der dorsalen Oberfläche des Rostrums (Taf. 18 Fig. 37, 38, 39, 40, 42 Tr ‘Gr). Superficialis- und äußere buccale Ampullen- gruppe verschmelzen dagegen bei Raja miteinander und bilden eine einzige große Ampullengruppe längs der Seitenwand des Rostrums (Taf. 17 Fig. 34 Tr' Gr). II. Teil. Das Neurocranium von Pristiophorus. Die Pristiophorus-Literatur ist sehr gering. Abgesehen von Bemerkungen und Notizen systematischer Natur, wie sie sich in Lehrbüchern und systematischen Sammelwerken finden, kommt Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 977 hier zunächst eine Arbeit von HassweLz (1884) in Betracht. Dieser erwähnt in einem kurzen Abschnitt über das Skelet von Pristio- phorus, der allgemeine Bau des Schädels ähnele dem von Hetero- dontus. Wichtig ist, daß er bereits auf die Ähnlichkeit des Hyo- mandibulargelenkes mit dem der Rochen hinweist. Weit ausführ- licher hat sich dann JAEKEL in zwei Arbeiten mit der Kopfanatomie von Pristiophorus befaßt. Die zweite 1891 publizierte Arbeit ist im wesentlichen ein Wiederabdruck der ersten (1890) und bringt nur noch als Ergänzung im Anschluß an die Beschreibung der fossilen Arten GUNTHER’S (1872) Systematik der rezenten Formen. In seinen Ar- beiten glaubt JAEKEL an der Hand seines trockenen Materials nach- weisen zu können, Pristiophorus sei ein typischer Spinacide. Mab- gebend sei für seine Ansicht die Lage der Nervenforamina in der Orbitalregion, der Bau des Schultergürtels und der paarigen Flossen, die Verkalkung der Wirbel und weiterhin die Mikrostruktur der Zähne. Infolgedessen kommt er zu dem Schlusse, die Bildung des Rostrums von Pristis und Pristiophorus und dementsprechend auch die des Hinterhauptsgelenkes seien Konvergenzerscheinungen. Das Hinter- hauptsgelenk sei bei beiden Gattungen unabhängig entstanden in Zusammenhang mit der Rostralbildung. Nach dem Vorgange GEGENBAURS unterscheide ich vier Ab- schnitte des Neurocraniums, die Ethmoidal-, Orbital-, Labyrinth- und Occipitalregion und beginne mit der letzteren. Die vordere Grenze der Occipitalregion bildet das Foramen n. vagi (Taf. 15 Fig. 20 Vg); diese ist daher relativ kurz. An ihrem hinteren Ende liegt das Foramen magnum (Taf. 16 ‘Fig. 28 Fo). Dieses liegt bei Pristiophorus in einer fast vertikalen Ebene, so dab es von oben kaum sichtbar ist (Taf. 15 Fig. 19). Hierin weicht Pristiophorus von zahlreichen Haien und Rochen ab, bei denen das genannte Loch schräg nach hinten und oben sieht (GEGENBAUR, Nee apo): Interessant und in der Literatur bereits beschrieben (JarKen, 1890, p. 31) ist die Verbindung des Schädels mit der Wirbelsäule. Jederseits vom Foramen magnum findet sich ein starker Fortsatz, dessen hintere Partie dorsoventral in die Länge gezogen ist (Taf. 16 Fig. 28 oc) und einen halbmondförmigen Geienkkopf zu beiden Seiten des Foramens bildet, an dem der erste Wirbel mit seinem Querfort- satze articuliert. An der ventralen Seite stoßen die beiden Condyli nicht zusammen, wie ich an dem von mir präparierten Schädel von 278 Lupwic Horrmany, Pristiophorus japonicus feststellen konnte; allerdings nähern sie sich einander etwas, lassen jedoch ein relativ großes Stück der Schädel- basis zwischen sich, wie die Abbildung (Taf. 16 Fig. 28) zeigt. Im Widersprnch hierzu steht die Angabe JAEKEL’S (1891, p. 28), „die Condylen stiessen auf der ventralen Seite fast zusammen“; doch ist es natürlich nicht ganz auszuschließen, daß dieser Unterschied auf Artverschiedenheit beruht. Dorsal sind die beiden Gelenkfortsätze weit voneinander getrennt, weichen sogar nach oben etwas aus- einander. Wenn man diesen Befund mit dem Verhalten der übrigen Selachier vergleicht, so zeigt sich, daß jene Condylen den Fortsätzen der Spinaciden, wie Acanthias, Centrophorus, Scymnus, entsprechen (GEGENBAUR, 1872, p. 31), doch finden wir bei letzteren an dieser Stelle kein Gelenk ausgebildet. Der Fortsatz findet sich vielmehr hier an der Hinterfläche der Basis cranii einem vom vordersten Wirbel ausgehenden Fortsatz angelagert und hängt mit ihm durch Bindegewebe zusammen (GEGENBAUR, 1872, tab. 7 op). Bei den Rochen dagegen sind diese Lateralfortsätze stärker entwickelt und bilden Gelenkköpfe, die in den verschiedenen Gruppen der Rochen sehr verschieden ausgebildet sind. Sieht man von solchen sekun- dären Differenzierungen ab, so wird man sagen können, dab sich Pristiophorus in diesem Punkte enger an die Rochen anschließt als an die Spinaciden, da jene einfachen Fortsätze der Squaliden bei Pristiophorus ebenso wie bei den Rochen zu Condylen des Hinter- hauptgelenkes weitergebildet sind. Die weitere Frage, ob und in- wieweit die Hinterhauptsgelenkbildungen bei Pristiden und Pristio- phoriden als Konvergenzen aufzufassen sind, wie JAEKEL will, werde ich im allgemeinen Teil dieser Schrift erörtern. Mit der Differenzierung des Hinterhauptsgelenkes hat sich natür- lich entsprechend auch der vordere Teil der Wirbelsäule bei Pristio- phorus umgebildet. Die 5 vorderen Wirbel sind sehr verkürzt, ihre Wirkelkörper klein und die Chorda stark reduziert. Dagegen zeigen ihre Querfortsätze, besonders in dorsaler Richtung, eine bedeutend stärkere Entwicklung und Ausdehnung, und die des vordersten Wirbels geben die Gelenkflächen für die Condylen ab. Der Wirbel- körper des vordersten Wirbels zeigt hier an seiner Vorderseite eine konvexe Vorwölbung, mit der er zwischen den Hinterhauptscondylen nach vorn vorragt und in einen Ausschnitt der Schädelbasis sich einfügt. Eine ähnliche Beschaffenheit zeigen die vordersten Wirbel der Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 279 Spinaciden nicht (vgl. auch GEGENBAUR, 1872, p. 30). Dagegen treten wiederum bei den Rhinoraji derartige Gestaltungen auf; so fand ich bei Raja oxyrhyncha und den Rhinobatiden (Taf. 21 Fig. 60, 61 u. 63), ebenso auch an einem Skelet von Raja clavata, die Querfortsätze des vordersten Wirbels zu Gelenkflächen für die Condyli umgebildet und kräftig entwickelt, die Einbuchtung der Schädelbasis und auch den in sie eingreifenden medianen Fortsatz des vordersten Wirbelkörpers deutlich ausgebildet und schließlich noch eine größere Anzahl der folgenden Wirbel als bei Pristiophorus in der oben beschriebenen Weise modifiziert. Außerdem sind bei den Rochen die vordersten Wirbel durch eine zusammenhängende Knorpelmasse fest verbunden. Auch die Pristiden (Taf. 21 Fig. 63) zeigen Chorda und Wirbelkörper der vorderen Wirbel stark rückgebildet. Ebenso werden die Gelenk- flächen für die Condyli von den Querfortsätzen der Wirbel gebildet. Doch nehmen bereits vom 3. oder 4. Wirbel ab die Querfortsätze ihre normale Gestalt an, und die erwähnte knorplige Verbindung erstreckt sich hier nur auf die 4 vordersten Wirbel. Demnach haben wir also bei Pristiophorus dieselben Umbildungen des vorderen Teiles der Wirbelsäule, wie sie die Rhinoraji zeigen, nur daß es hier nicht zu einer knorpligen Verschmelzung der vordersten Wirbel ge- kommen ist. Auch in anderen Teilen der Occipitalregion zeigt Pristiophorus manches Übereinstimmende mit den Rochen. So fehlt auf der dor- salen Seite eine mediane Leiste, die Crista occipitalis (Taf. 15 Fig. 19, Taf. 16 Fig. 28 Co), die sich bei Haien von der Parietalgrube aus nach hinten erstreckt und in den Dornfortsätzen der oberen Bogen der Wirbelsäule ihre Fortsetzung findet (GEGENBAUR, 1872, p. 33). Sie tritt nicht nur bei den primitiveren Notidaniden auf, sondern auch bei Somniosus, Centrophorus und Acanthias; bei den Rochen da- gegen fehlt jede Spur derselben. Wie schon GEGENBAUR (1872) und dann vor allem M. Für- BRINGER (1897, p. 359) gezeigt haben, nimmt bereits in der Reihe der Haie die Zahl der spino-oceipitalen Nerven ständig ab: Heptanchus besitzt deren 2—5, Centrophorus 2—3, Scymnus 2, und auch für Acanthias hat FÜRBRINGER (1897, p. 359) 2 spino-occipitale Nerven nachgewiesen. Dagegen konnte ich an Schnittserien des Embryos von Pristiophorus nudipinnis nur ein inneres Kanälchen feststellen, durch das ein Nervenstrang von der Cranialhöhle aus in den Vaguskanal tritt, kurz bevor dieser an der äußeren Oberfläche ausmündet. Dieses Nervenstämmchen dürfte als der letzte Rest der bei den Haien vor- 280 Lupwic HOFFMANN, handenen spino-oceipitalen Nerven FÜRBRINGER’S aufzufassen sein. 3emerkenswert ist, dab auch bei den Rochen entweder nur ein einziger derartiger Nerv vorhanden ist (Rhinobatiden, Pristis, Trygon) oder daß auch dieser letzte fehlen kann (Raja, Torpedo). Die äußere Öffnung des Vaguskanals liegt bei Pristiophorus am unteren Seitenrande des Condylus (Taf. 15 Fig. 20; Taf. 16 Fig. 28 Vg; Taf. 24 Fig: 80 Vg) und ist relativ weit. Der Kanal selbst besitzt eine bedeutende Länge und verläuft, entsprechend der Richtung seiner äußeren Öffnung, schräg nach hinten und außen. Seine innere Öffnung (Taf. 24 Fig. 78 Vg) liegt fast in gleicher Höhe mit dem hinteren Bogengange und vor dessen unterem Ende. Bei Hexanchus findet sich die äußere Öffnung des Kanals eine große Strecke vom Foramen oceipitale entfernt, bei Heptanchus und weiterhin bei Centro- phorus und Acanthias ist die Entfernung kleiner geworden. Die Rochen zeigen auch in diesem Punkte abweichende Verhältnisse in- sofern, als die äußere Ausmündung des Vaguskanals bei Raja an der lateralen Seite des Restes des „Oceipitalfortsatzes“ zu finden ist, der nicht in die Condylusbildung übergegangen ist, und bei Tor- pedo und Pristis ist die genannte Öffnung unmittelbar am Condylus gelagert. Wie man sieht, schließt sich Pristiophorus auch in dieser Hinsicht durchaus den Rochen an. Einen weiteren, für die übrigen Selachier bereits von GEGENBAUR beschriebenen Kanal fand ich auch bei Pristiophorus. Seine äubere Mündung liegt dorsal und etwas nach vorn von der Austrittsstelle des Vagus, etwa da, wo der „Gelenkfortsatz“ in die occipitale Knorpelmasse übergeht, vom Vagus- und Glossopharyngeusaustritt gleichweit entfernt (Taf. 15 Fig. 20, Taf. 16 Fig. 28 V.cr.p). Der Kanal selbst liegt hinter dem hinteren Bogengange und führt schräg nach hinten, oben und außen. Mit seiner inneren Öffnung beginnt er im Vaguskanal, kurz nachdem dieser von der Schädelhöhle aus in die laterale Knorpelmasse eingetreten ist (Taf. 24 Fig. 78 V. er. p). In dem Kanal verläuft kein Nerv, sondern eine Vene. Sie ist von GEGENBAUR (1872, p. 35) bei anderen Selachiern als primitive Jugular- vene angesprochen worden. Meiner Ansicht nach dürfte sie jedoch als Vena cerebralis posterior aufzufassen sein, die aus den hinteren Partien des Gehirns das Blut in die Jugularvene führt (Taf. 24 Fig. 79 V.er.p). Letztere läuft im Gegensatz zu GEGENBAURS An- nahme außen an der knorpligen Seitenwand der Occipital- und Labyrinthregion entlang (Taf. 24 Fig. 77—80 V. jug). Bei den ver- schiedenen Haien ist die äußere Mündung und der Verlauf des Kanals Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 281 meist recht verschieden von dem Zustande, wie ihn Pristiophorus darbietet (vgl. auch GEGENBAUR, 1872, p. 35). Weitgehende Ähnlich- keit findet sich dagegen wieder mit den Rochen, und speziell mit Raja, wo die äußere Mündung dieses Venenkanals seitwärts gerichtet ist, über der des Vagus liest und von dieser sowie dem Glosso- pharyngeusaustritt gleichweit entfernt ist. Auch hier öffnet sich genau wie bei Pristiophorus die innere Mündung in den Vaguskanal. Die Labyrinthregion. Die vordere Grenze der Labyrinthregion bildet die Austritts- stelle des Facialis (Taf. 15 Fig. 20 Fa). In der Hauptsache ist sie charakterisiert durch das ihr eingelagerte Labyrinth. Die vorderen und hinteren Bogen desselben bilden bei Pristiophorus auf dem Schädeldach zwei relativ flache nach außen und vorn resp. hinten gerichtete Wülste, die unter stumpfem Winkel aufeinander treffen (Taf. 15 Fig. 19 «, £). Auch der äußere horizontale Bogengang ist au der Seitenwand, wenn auch nicht allzu deutlich, als Vorwélbung sichtbar (Taf. 15 Fig. 20 y. Bemerken möchte ich an dieser Stelle, daß dann, wenn der Knorpel etwas geschrumpft ist, also besonders bei trocknem Material, die Vorwölbungen stärker hervortreten, was leicht zu falschen oder ungenauen Deutungen Anlaß geben kann. Das Vestibulum ist an dem frisch präparierten Schädel nur am Seitenrande als flache Wulstung sichtbar, die durch eine seichte Furche von der des äußeren Bogenganges abgesetzt ist (Taf. 15 Fig. 20 Vp). Auf der ventralen Seite des Schädels treten Teile des Gehörorgans als Protuberanzen nicht hervor; die Basis der Labyrinth- region bildet mit der der Occipitalregion eine Ebene, die Basis cranii (Taf. 15 Fig. 18 Bp). Das Hyomandibulargelenk ist, wie schon Hassweuz (1884, p. 98) hervorhebt, durch seine quere Lage ausgezeichnet. Es ist hier ventral an den Seitenrand des Schädels gerückt. Die Seitenwand des Craniums zeigt hier bereits einen ähnlichen Vorsprung (Taf. 15 Fig. 20, Taf. 15 Fig. 18 Vh) wie bei den Rochen, nur dab dieser bei Pristiophorus nur am Hinterrande stark abgesetzt ist, während seine vordere Seite langsam in den Seitenrand der Basis übergeht, jedoch an der Übergangsstelle durch einen kleinen, aber deutlichen Höcker abgegrenzt ist (Taf. 15 Fig. 18 Vh), der zugleich die vordere Grenze des Hyomandibulargelenkes bildet. Der ventrale Rand des letzteren fällt mit der Seitenkante der Schädelbasis zusammen und bildet eine verhältnismäßig schwach abgesetzte Leiste. Etwa in der 282 Lupwie Horrmann, Mitte des oberen Gelenkrandes findet sich ein besonderer Fortsatz (Taf. 15 Fig. 20 gf), auf dessen Hinterseite die Mündung des Glosso- pharyngeuskanals (Gp) gelegen ist. Dieser Fortsatz entspricht dem Gelenkfortsatz (gf) der Haie, ich will ihn daher in den weiteren Aus- führungen als „Haifortsatz“ bezeichnen (vgl. GEGENBAUR, 1872), da- gegen der gesamte Vorsprung (Vi), der nach* vorn durch den oben erwähnten Höcker abgegrenzt ist, dem Gelenkfortsatz der Rochen, speziell dem der Rhinobatiden und Rajiden. Diesen habe ich im Folgenden „Rochenvorsprung“ genannt. Das Gelenk selbst ist bei Pristiophorus stark in die Quere gezogen. Dadurch, dab von oben der „Haifortsatz“ (gf) sich etwas in die Gelenkfläche einsenkt, ist es zur Ausbildung zweier Gelenkpfannen gekommen, einer hinteren (9,) und einer vorderen (g,), die zwar noch nicht sehr tief, aber recht deutlich erkennbar sind (Taf. 15 Fig. 20). Der Gelenkpfanne ent- sprechend ist auch der Gelenkkopf des Hyomandibulares modifiziert. Er ist ebenfalls dorsoventral stark verflacht und in horizontaler Riehtung in die Länge gezogen. Er besitzt zwei Vorsprünge, die die beiden Gelenkköpfe für die zwei Pfannen abgeben. Zwischen beiden findet sich auf dem Hyomandibular eine flache Mulde, in die der Gelenkfortsatz (gf) (Haifortsatz) des Craniums hineinpaßt. Das Hyomandibulare selbst ist fast horizontal schräg nach hinten und auben gerichtet. Bei den Haien und speziell bei Acanthias und Centrophorus findet sich nur eine einzige Gelenkpfanne, an deren hinterem dorsalem Rande der „Haifortsatz“ (yf) liegt (GEGENBAUR, 1872, tab. 2 gf). Bei den meisten Rhinoraji dagegen ist das Gelenk für das Hyomandi- bulare auf einem oben bereits erwähnten .„Rochenvorsprung“ (Vh) angebracht und besonders bei den primitiveren Formen in horizon- taler Richtung in die Länge gezogen und in zwei Gelenkpfannen geteilt. Bei Æaja kommt noch eine Spange hinzu (GEGENBAUR, 1872, tab. 3 fig. 2, tab. 14 fig. 4 sp), die sich vom hinteren oberen Rande des Hyomandibulargelenkes zum hinteren oberen Teile des Labyrinths erstreckt. In geringerem Umfange ist diese Spange bei den Rhino- batiden ausgebildet (GEGENBAUR, 1872). Aus dieser Betrachtung geht nun hervor, dab der „Haifortsatz“ (gf), der auch bei Pristiophorus in einer charakteristischen Lage- beziehung vorhanden ist und an seinem Hinterrande die Austritts- öffnung des Glossopharyngeus (Gp) trägt, bei den Rhinoraji rück- gebildet und vollständig in den „Rochenvorsprung“ (Vh) des Hyo- mandibulargelenkes übergegangen ist, so dab hier die Mündung des Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 283 Glossopharyngeus auf der Hinterseite des letzteren liegt. Das seitliche Vorragen des „Rochenvorsprunges“ (Vh) nach hinten, seine Lage am ventralen Seitenrande sowie die Verlängerung des Gelenkes in horizontaler Richtung, seine Teilung in zwei Abschnitte, also zwei Gelenkpfannen für zwei Gelenkköpfe des Hyomandibulares, Zustände, die schon bei Pristiophorus in allen wesentlichen Punkten ausgebildet sind, haben sich bei Rhynchobatus, Rhinobatus, Pristis, Raja (Taf. 21 Fig. 60—63) weiter entwickelt und in spezifischer Weise modifiziert (vel. auch GEGENBAUR, 1872). So weicht Pristiophorus hier schon voll- kommen von dem typischen Verhalten der Haie ab und bildet den Ausgangspunkt eines Zustandes, wie er für die rostrumtragenden Rochen, die Rhinoraji, charakteristisch ist. Die äußere Öffnung des Glossopharyngeuskanals (Taf. 15 Fig.20 Gp) befindet sich bei Pristiophorus am Hinterende des Haifortsatzes (gf), der wiederum auf dem Vorsprung des Hyomandibulargelenkes (Vh) liegt. Das Loch ist schräg nach außen und oben gerichtet. Der Verlauf des Kanals in der Knorpelwand stimmt im wesentlichen mit dem der höher differenzierten Haie, wie Acanthias, und den mit ihnen in diesem Punkte ähnliche Verhältnisse aufweisenden Rochen überein. Auf einem Querschnitt (Taf. 24 Fig. 77 Gp) ist zu sehen, wie bei Pristiophorus der Nerv durch einen seinem Volumen entsprechenden Kanal in das Vestibulum in lateraler Richtung eintritt. Von hier aus Jäuft er nun durch einen bedeutend weiteren Kanal, der nach GEGENBAUR als Lymphkanal zu deuten ist, schräg nach hinten und aufwärts an die äußere Oberfläche der Seitenwand des Schädels (Taf. 24 Fig. 78 u. 79 Gp). Auch bei Pristiophorus liegt in der hinteren Erweiterung des Kanals das Ganglion petrosum. In dem zweiten äußeren Teile des Kanals, zwischen Vorhof und äußerer Oberfläche, fand ich auf den Schnitten ein kleines Kanälchen, an- scheinend ein Lymphkanälchen, in dorsaler Richtung abgehend, dessen äußere Öffnung ich auch an dem präparierten Cranium von Pristi- ophorus japonicus feststellen konnte, und zwar auf der dorsalen Seite des Haifortsatzes (Taf. 24 Fig. 78 Ly). Ein ähnliches Kanälchen, jedoch auf der ventralen Seite des Glossopharyngeuskanals, erwähnt GEGENBAUR bei Heptanchus und Hexanchus. Ob ein derartiger Lymph- kanal auch bei Rochen und Spinaciden vorhanden ist, konnte ich mangels geeigneter Schnittserien nicht feststellen. Ein interessantes Verhalten zeigt hier der Facialis und sein Ramus palatinus. Seine äußere Austrittsöffnung liegt direkt hinter der Trigeminusöffnung, von dieser durch eine breitere Knorpelspange 284 LupwiG Horrmany, getrennt (Taf. 15 Fig. 20 Fa). Er verläuft von der Cranialhöhle aus schräg nach hinten und außen. Der Hauptstamm behält diese Richtung auch nach seinem Austritt auf die Seitenwand des Craniums, in einer nach hinten allmählich flacher werdenden Rinne, bei (Taf. 15 Fig. 20 Rif), während ein starker Ast, den er sofort nach seinem Hervortreten aus dem Knorpelcranium abgibt, direkt seitwärts nach außen und ventralwärts verläuft. An seiner Hinterseite wird dieser Ast, der Ramus palatinus, von dem Hauptstamme des Facialis durch einen ventralen und einen dorsalen Knorpelhöcker getrennt (Taf. 15 Fig. 20 f, Taf. 24 Fig. 76 f), die an dieser Stelle die vorher er- wähnte Rinne des Facialis teilweise überdachen. Das Wesen jener Fortsätze (f) wird aufgeklärt durch ihre Beziehung zu ähnlichen Bildungen bei anderen Selachiern. Bei sämtlichen Haien, insbesondere bei Acanthias, Centrophorus, Scymnus, liegt jene Abzweigung des R. palatinus vom Facialis sowie überhaupt ein größeres Stück ihres nun getrennten Verlaufes in der knorpligen Schädelwand. Dement- sprechend treten hier beide durch zwei getrennte und ein ziemliches Stück voneinander entfernt liegende Foramina nach außen (GEGEN- BAUR, 1872, p. 45; vgl. auch daselbst tab.-1 fig. 3 u. 4, tab. 17 fa). Bei Rhynchobatus (GEGENBAUR, tab. 3 fig. 1) wird die Austritts- öffnung der Facialis von einer Knorpelspange überdeckt, vor dieser tritt der Ramus palatinus aus, hinter ihr der Facialis. Dieser Zu- stand ist nun nach GEGENBAUR (1872, p. 49) von dem oben für die Haie angegebenen abzuleiten. Denn „denkt man sich nämlich die dort als Hiatus bezeichnete Öffnung [— Austrittstelle des Ramus palatinus] bedeutend vergrössert, und ebenso die eigentliche End- Oeffnung des Facialis-Canals erweitert, so wird der zwischen beiden Oeffnungen liegende Knorpel, der einen Theil der lateralen Wand des Facialis-Canals ausmachte, spangenförmig gestaltet erscheinen. Unter der Spange wird sich ein Raum finden, in den nunmehr der Facialis- Canal sich öffnet, und dieser Raum war vorher nichts anderes als das jenseits des Hiatus gelegene Endstück des ursprünglichen Facialis- Canales selbst. Mit Beziehung auf Seymnus und Acanthias ist also die hinter der besagten Knorpelspange liegende Oeffnung jene, durch welche der Stamm des Facialis tritt: die Endöffnung des Facialis-Canals; die vor der Spange befindliche Oeffnung, durch welche der R. palatinus tritt, ist der Hiatus. Die ganze Bildung beruht also auf einer Um- gestaltung oder Vergrösserung des Endabschnittes des Facialis-Canals.“ Wenden wir das nun auf Pristiophorus an, so liegen bei diesem die Dinge folgendermaßen. Die schmale Knorpelspange der Rhino- Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 285 batiden hat sich hier noch weiter rückgebildet und besteht nur noch aus einem dorsalen und ventralen Knorpelhöcker (f); vor beiden zweigt der Ramus palatinus ab, hinter ihnen verläuft der Stamm des Facialis. Die beiden Höcker (f) von Pristiophorus zusammen entsprechen also der Knorpelspange (f) von Rhynchobatus. Pristis und Trygon zeigen diese Knorpelspange ebenfalls, dagegen ist sie bei Raja ganz rückgebildet, so dab hier Palatinus- und Facialisöffnung zusammenfallen, ihre Austrittstellen ein einziges Foramen bilden. Diese Erörterung dürfte gezeigt haben, daß auch in dieser Hinsicht Pristiophorus sich enger an die Rochen und speziell an die Rhino- batiden anlehnt als an die Spinaciden. Hier ist er in der einge- schlagenen Richtung über den bei den Rhinobatiden angetroffenen Zustand noch etwas hinausgegangen. Die vordere obere Grenze der Labyrinthregion bildet die Parietal- grube (Taf. 15 Fig. 19 Py). Sie liegt an der Stelle, wo der vordere und der hintere Bogengang des Labyrinths zusammenstoßen. In ihrem hinteren Teile ist sie bedeutend enger und tiefer, nach vorn erweitert und verflacht sie sich. In ihrem Grunde liegen jederseits die beiden Parietallöcher. Bei den Rochen hat sich die Parietal- erube in weitgehendem Maße verflacht, zugleich sind die Foramina weiter auseinandergerückt und kommen direkt auf das Dach des Craniums zu liegen (GEGENBAUR, 1872, tab. 4 fig. 2, tab. 13 fig. 1). In dieser Hinsicht zeigt Pristiophorus noch das primitive Verhalten der Haie, wie es für Squaliden und Galeiden typisch ist. Die Orbitalregion. Die hintere Grenze der Orbitalregion bildet der Postorbitalfort- satz. Er liegt bei Pristiophorus dorsal vom hinteren Rande des Trigeminusloches (Taf. 15 Fig. 20, 19, 18 Po) als ein Vorsprung von nur geringer Größe. Er hat die Gestalt einer dreiseitigen Pyramide. Die drei Seitenflächen sind nach dem Dache des Cra- niums, der Orbital- und Labyrinthregion hin gerichtet. Nach vorn läuft er in das Orbitaldach aus (Od). Er zeigt in der Reihe der Selachier eine fortschreitende Reduktion, nachdem er von den Noti- daniden ab seine eigentliche Funktion als Aufhängeapparat des Palatoquadratums aufgegeben hat (vel. GEGENBAUR, 1872, p. 53). Diese Rückbildung ist bei Centrophorus, Scymnus, Acanthias schon bemerkbar, bei Pristiophorus dann weiter vorgeschritten, und schlieb- lich ist dieser Vorsprung bei den Rochen nur noch als schwacher Fortsatz vorhanden, bei Raja als leichter Vorsprung, bei Trygon 286 Lupwic Horrmann, und Myliobates nur als schwache Knorpellamelle, während er bei Rhynchobatus, Pristis (Taf. 16 Fig. 22 Po) und den Torpediniden kaum angedeutet ist (vgl. GEGENBAUR, 1872, tab. 7, 9, 13). Aus diesem Grunde dürfte auch der Grad seiner Reduktion bei Pristio- phorus von einiger Bedeutung sein für die Stellung dieses Tieres in der Reihe der Selachier. Von dem Postorbitalfortsatz erstreckt sich das Orbitaldach in konkavem Bogen nach vorn (Taf. 15 Fig. 19, 20 Od), wo es an dem hinteren oberen Rande der Nasenkapsel in eine schwache Leiste übergeht. Wie ein Querschnitt durch die Orbitalregion zeigt (Taf. 23 Fig. 70, 71 Od), geht das Dach auf seiner Unterseite allmählich in die Seitenwand des Craniums über. Hinsichtlich der Ausdehnung des Daches über die Orbita schließt sich Pristiophorus am nächsten an Centrophorus und Acanthias an und dann an Raja. Von ersteren unterscheidet er sich dadurch, daß eine aufwärts umgekrempelte Dachlamellle hier nur ähnlich wie bei Raja angedeutet ist. Ein Präorbitalvorsprung am vorderen Ende des Daches, wie er sich bei zahlreichen Haien findet (GEGENBAUR, 1872, tab. 7 fig. 4 u. 5, tab. 8 fig. 1 Pr), fehlt bei Pristiophorus und auch bei den Rochen. Bei den Notidaniden besitzt die ventrale Seite des Schädels in der vorderen Orbitalregion einen konkaven Ausschnitt, der nach vorn aufwärts zur Ethmoidalregion emporsteigt, nach hinten steil abfällt. Die Basis des Schädels liegt hier also nicht in einer Ebene (vel. GEGENBAUR, 1872, tab. 1 u. 2), wir haben es vielmehr in der Orbitalregion mit zwei getrennten Abschnitten zu tun. Der hintere, der die Basis der Labyrinthregion fortsetzt, endigt vorn mit einem bedeutenden Vorsprung, der Basalecke. ‚Jene Partie entwickelt sich eben noch aus den Parachordalia. In der Cranialhöhle tritt jene Grenze ebenfalls deutlich hervor; hier liegt nach innen von der Basalecke die Sattellehne. Sie kommt nach SEwERTZoWw (vgl. Gaupp, 1905, p. 645) dadurch zustande, daß der vordere Rand der parachordalen Basalplatte über die Anlagerungsstelle des prächor- dalen Bodens vorspringt. Der vordere Abschnitt der Orbitabasis steigt nun von diesem Punkte bogenförmig empor und bildet hier eine Incisur, deren Winkel bei Heptanchus 115° beträgt; bei Acanthias und den anderen Squaliden hat der Winkel an Größe zugenommen, sleichwohl ist aber auch hier die Basalecke deutlich ausgeprägt. Anders liegen die Verhältnisse bei Pristiophorus. Wie die Ab- bildungen (Taf. 15 Fig. 18 u. 20 Bp) erkennen lassen, fehlt hier die erwähnte Incisur und ebenso die Basalecke vollständig. Die Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 287 Basis der Labryinthregion setzt sich gleichmäßig in demselben Niveau über die ganze Orbitalregion fort (Bp). Wir haben es hier demnach mit einer vollkommen ausgebildeten Basalplatte zu tun, und nur eine schwache Wölbung ist als letzter Rest einer früheren Basalecke noch bemerkbar. Bei den Rochen ist selbst diese nicht mehr wahrzunehmen. Die Basis der Orbital- und Labyrinthregion bilden eine einzige horizontal gelagerte Basalplatte, die ohne Grenze in die der Ethmoidalregion übergeht. Bei den meisten Haien ist die Orbitalbasis seitlich zu dem sogenannten Orbitalboden ver- breitert; dieser fehlt wie bei den Rochen so auch bei Pristio- phorus. Eine schwache Leiste bei Pristis an dieser Stelle wird von GEGENBAUR als sekundäre Bildung aufgefabt. Pristiophorus stimmt also in diesen Punkten vollständig mit den Rochen überein. Incisur und dementsprechend auch Basalecke fehlen ; daher liegen die Basis der Labyrinth- und die der ganzen Orbital- region in einer Ebene und bilden die „Basalplatte“ des Schädels. Hinzu kommt noch das Fehlen eines Orbitalbodens bei beiden. Wenn nun GEGENBAUR (1872, p. 62) über diese Verhältnisse bei den Rochen sagt: „Durch diese Veränderungen wird vor Allem eine bedeutende Gleichartigkeit des Verhaltens der einzelnen Regionen an der Schädelbasis hervorgerufen, und mit dieser Nivellirung der Schädelbasis geht bei den Rochen eine neue Schädelform hervor“, so trifft dies auch vollkommen für Pristiophorus zu. Wir haben hier bereits die „neue Schädelform“, wie sie für die Rochen charakte- ristisch ist. Jene Schädelform kommt auch auf Querschnitten durch die betreffenden Körperregionen zum Ausdruck, auf die hier noch besonders hinzuweisen wäre (Taf. 23). Bei allen Haien articuliert das Palatoquadratum mit einem am Vorderende befindlichen Fortsatz an einer an der Basalecke aus- gebildeten Gelenkfläche. Dieses Gelenk ist gerade bei den primi- tivsten Formen am stärksten ausgebildet. Bei Pristiophorus ist die Gelenkfläche weit nach hinten verschoben, sie liegt hier kurz vor dem Trigeminusloche (Taf. 15 Fig. 18, 20 mg). Die laterale Schädel- wand trägt zugleich als vordere Begrenzung der palato-basalen Ge- lenkfläche einen Höcker (Taf. 15 Fig. 18 pb), so dab die Gelenkfläche teils auf diesen, teils auf die Seitenwand des Craniums zu liegen kommt. Doch zeigt weder die laterale Schädelwand noch auch die Basis cranii infolge der Ausbildung der Basalplatte eine ähnlich starke Einbuchtung an dieser Stelle wie bei den Haien. Der den Gelenkkopf bildende dorsale Fortsatz des Palatoquadratums ist hier Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 19 288 LupwiG Horrmany,- schwächer ausgebildet und schräg nach vorn und medianwärts ge- richtet, von dem der gegenüberliegenden Seite um die ganze Breite der Basalplatte entfernt. Während also dieser Fortsatz an der er- wähnten Gelenkfläche articuliert, ist das Vorderende des Palato- quadratums der Basis cranii angelagert und trifft hier mit dem der anderen Seite zusammen (Taf. 24 Fig. 75 PQ). Wir sehen also: die bei den Haien stark ausgebildete Palato-Basalverbindung ist bei Pristiophorus mit der Nivellierung der Basalplatte, mit dem Schwinden der Basalecke und der Ineisur modifiziert und rückgebildet. Auch in diesem Punkte könnte man Beziehungen zu den Rochen erblicken, bei denen eben die Palato-Basalverbindung vollständig fehlt (GEGEN- BAUR, 1872, p. 64). Die Verlagerung des Palato-Basalgelenkes bei Pristiophorus nach hinten könnte hier wohl in Zusammenhang stehen mit der queren Stellung des Palatoquadratums. Infolgedessen bildet hier der Mund bereits einen ähnlichen queren Spalt wie bei den Rochen (Taf. 13 Fig Sm) Der knorplige Augenträger ist nur von geringer Größe und ent- springt am Vorderrande des Trigeminusloches, direkt über dem Palato- Basalgelenk (Taf. 15 Fig. 18 u. 20 os). Wie Schnitte durch die betreffenden Teile des Embryos von Pristiophorus nudipinnis zeigen, geht hier wie überall der hyaline Knorpel des Augenträgers in den der Orbitalwand über (Taf. 23 Fig. 72 os) Doch war die Inter- cellularsubstanz des ersteren bedeutend zellenreicher als die des Schädelknorpels. Verkalkung wie in anderen Teilen des Skelets war nicht eingetreten. Daß die Wurzel des Augenstiels bei den Haien und auch bei Pristiophorus am vorderen Rande des Trigeminus- austrittes liegt, während er bei den Rochen in der Mitte zwischen Trigeminus- und Opticusloch befestigt ist, ließe eventuell darauf schließen, daß bei letzteren eine Streckung des Craniums zwischen Trigeminus und Basis des Augenstiels stattgefunden hat. Die Austrittsstelle des Trigeminus findet sich kurz hinter und über dem Palato-Basalgelenk (Taf. 15 Fig. 20 77’). Auf Querschnitten sieht man ihn direkt ventral von der Ampulle des vorderen Bogen- ganges und von diesem nur durch eine verhältnismäßig dünne Knorpel- wand getrennt (Taf. 23 Fig. 35 Tr’). Was die Lagebeziehung des Ramus ophthalmicus superficialis zur Schädelkapsel anlangt, so tritt er bei Pristiophorus zunächst wie bei den Sqnaliden und Rochen zusammen mit dem Hauptstamme des Trigeminus nach außen (Taf. 24 Fig. 75 R. Oph. sup). Nach dem Los- Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 289 lösen vom Trigeminus verläuft er in einer kurzen tiefen Rinne der lateralen Schädelwand (Taf. 23 Fig. 72 R. Oph. sup). Weiter vorn trennt er sich vom Ramus ophthalmicus profundus (R. Oph. prof) da- durch, dab sich der Musculus rectus internus (rect. int) zwischen beide schiebt. In der mittleren Orbita hat sich die erwähnte Rinne ver- flacht; der Nerv verläuft hier an der Stelle, wo das Orbitaldach in die Seitenwand des Craniums übergeht (Taf. 23 Fig. 69, 70 R. Oph. sup). Vom Ramus ophthalmicus superficialis lösen sich Ästchen los, die das Orbitaldach nacheinander in kleinen Kanälchen durchsetzen (Taf. 15 Fig. 19; Taf. 22 Fig. 67, 68; Taf. 23 Fig. 69, 70 œ), um auf der dorsalen Seite des Schädels die Sinnesorgane des dorsalen Teiles des Supraorbitalkanals zu innervieren. Ihre Foramina sind beiderseits auf dem Orbitaldache als zwei Längsreihen gut zu erkennen, genau wie bei anderen Haien und Rochen. Es sei ausdrücklich noch- mals hervorgehoben, daß jene Foramina supraorbitalia auch bei Pristis vorhanden sind (vgl. S. 269; Taf. 19 Fig. 51 9), im Gegensatz zu dem Befunde GEGENBAUR’S (1872). Damit erledigt sich zugleich die An- gabe JAEKEL’S (1890, p. 105), jene Anordnung der Foramina supra- orbitalia in zwei dem Seitenrande parallelen Reihen finde sich nur bei Spinaciden wieder. Während bei den meisten Haien und besonders den Spinaciden der Ramus ophthalmicus superficialis zusammen mit dem R. ophthalmicus profundus in fast vertikaler Richtung das Orbitaldach in einem weiten kurzen Kanale durchsetzt (GEGENBAUR, 1872, tab. 2, 7,8 cp), hat der Nerv bei Pristiophorus einen ganz abweichenden Verlauf an dieser Stelle. Er behält hier seine alte, horizontale Richtung bei und tritt in der vorderen, dorsomedialen Ecke der Orbita (Taf. 15 Fig. 20 cp) durch die präorbitale Scheidewand in die Nasen- kapsel ein, ohne das Orbitaldach zu durchsetzen (Taf. 22 Fig. 66 cp). Er liegt hier dorsal vom Lobus olfactorius in einer tiefen Rinne an der inneren, ventralen Seite des Knorpeldaches, oben an der Grenze von Cranialhöhle und Nasenkapsel (Taf. 22 Fig. 65 R. Oph). Weiter vorn verflacht sich die Rinne vor dem Übertritt des Olfactorius in die Nasenkapsel (Taf. 22 Fig. 64 R. Oph), und der Ramus ophthal- micus läuft im Innern der Nasenkapsel nach vorn. Nahe dem vorderen Ende der Nasenhöhle zeigt das Nasendach eine Öffnung, die sich nach vorn immer mehr verbreitert (Taf. 15 Fig. 18, 19, 20 fon). An ihrem vorderen Ende tritt schließlich der Nerv nach außen und auf die Oberseite der Knorpelmasse, die vorn das Lumen der Nasenkapsel abschließt (Taf. 20 Fig. 59 fon, Fig. 58 Anl). Auch in 19% 290 LupwiG HoFFMANN, diesem Teile lösen sich ständig kleine Ästchen los und durchsetzen das Nasendach in Kanälchen (Taf. 22 Fig. 65 œ). Wir sehen also, daß der Ramus ophthalmicus nicht das dorsale Orbitaldach in vertikaler Richtung durchsetzt, sondern in fast hori- zontalem Verlaufe durch die präorbitale Scheidewand in die Nasen- kapsel eintritt, hier in der dorsomedianen Ecke entlang läuft und schließlich am vorderen Rande der erwähnten Lücke (fon) auf die dorsale Seite der rostralen Knorpelmasse tritt. JAEKEL (1890, p. 105) gibt an, daß „die Austrittsöffnung des Ramus ophthalmicus auf das dorsale Orbitaldach klein bleibt, während dieselbe bei Acanthias die anderen Foramina (Foramina supraorbitalia) an Größe bedeutend übertrifft“. Er schreibt dann weiter: „Die über der Augenhöhle liegende Verbreiterung des Schädel- daches setzt sich nach auswärts biegend als Kante auf die Nasen- decke fort und lässt so eine hintere und eine vordere Abdachung derselben erkennen. Die hintere bildet die vordere Wand der Augenhöhle und besitzt zwei grosse Durchbohrungen, eine innere für den Durchtritt des Ramus ophthalmieus (frontale Öffnung des Prä- orbitalkanals) und eine äußere nahe der Säge. Für letztere finde ich nur insofern ein Homologon, als bei den Spinaciden an der gleichen Stelle der Knorpel unverkalkt ist.“ Diese Schilderung ist sehr kurz und mir nicht klar. Sie stimmt, auch wenn man sie unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet, mit meinen obigen Befunden nicht überein. Denn einmal findet nach JAEKEL ein verti- kaler Durchtritt des R. ophthalmicus durch das Orbitaldach, ähnlich wie bei Acanthias, statt, während doch in Wirklichkeit im Orbital- dach überhaupt keine Austrittsstelle für den Hauptstamm des R. ophthalmieus vorhanden ist; durch die kleinen Öffnungen, die oben erwähnten Foramina supraorbitalia, treten nur jene kleinen Ästchen des R. ophthalmicus auf das Orbitaldach. Was andrerseits die beiden großen Durchbohrungen JAEKEL’s in der vorderen Wand der Augenhöhle betrifft, so ist die eine (cp in fig. 3) tatsächlich die Öffnung für den Durchtritt des R. ophthalmicus und wohl nur durch einen Schreibfehler als „frontale“ statt als orbitale Öffnung des Präorbitalkanals bezeichnet. Eine zweite Öffnung, eine „äußere nahe der Säge“ existiert nicht. Nur vermutungsweise möchte ich aussprechen, daß JarKen vielleicht durch eine bindegewebige Uber- brückung der Rinne an der ventralen Seite, durch die der R. buccalis von der Orbita aus in die Nasenkapsel tritt, an dem ihm vorliegenden getrockneten Schädel getäuscht worden sein mag. Die erwähnte Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 291 Lücke (fon) hat er in seinen Figuren (1890, p. 102 u. 104) abge- bildet, sie jedoch nicht ganz richtig gedeutet. Er sagt nämlich (1890, p. 106): „Die vordere und seitliche Abdachung der Nasen- kapsel geht basal in die Knorpel der Säge über, vorn findet sich jedoch jederseits vor der Nasenkapsel und an den Seiten des mittleren Rostralknorpels eine Durchbohrung, welche den gleichen Öffnungen bei Centrophorus calceus und den tiefen Ausschnitten ent- spricht, welche sich bei Acanthias jederseits an der Basis des Rostrums finden.“ Wie oben erwähnt, führt jene Öffnung bei Pristiophorus aus der Nasenkapsel schräg nach vorn und aufwärts auf die dorsale Seite der rostralen Knorpelmasse. Schon aus der Tatsache der Durchbohrung der vorderen Nasenkapselwand geht hervor, daß jene Öffnung nicht ähnlichen Verhältnissen bei Centro- phorus und Acanthias entsprechen kann, wo eine derartige Durch- bohrung des Nasendaches überhaupt nicht existiert. Andrerseits kann man natürlich sagen, daß jene rinnenartige Vertiefung, in die die genannte Öffnung sich bei Pristiophorus nach vorn erstreckt, in Beziehung gesetzt werden kann zu einer Einbuchtung, die sich bei den Squaliden und rostrumtragenden Rochen zwischen dem internasalen Rostralknorpel und dem Vorderende der Nasenkapsel findet (Ss. GEGENBAUR, tab. 7, fig. 4, tab. 13 fig. 1). Bei sämtlichen Haien löst sich vom R. ophthalmicus, nachdem er die dorsale Oberfläche des Orbitaldaches erreicht hat, in seinem nach vorn gerichteten Verlaufe ein kleiner Nervenstamm los (GEGEN- BAUR, 1872, p. 70), tritt speziell bei Notidaniden und Spinaciden durch einen besonderen Kanal lateral- und ventralwärts auf die Unterseite des Craniums und innerviert hier im wesentlichen den ventralen Teil des supraorbitalen Sinneskanals. Da nun bei Pristio- phorus der R. ophthalmicus die dorsale Oberfläche des Orbitaldaches überhaupt nicht erreicht, sondern in horizontaler Richtung durch die präorbitale Scheidewand in die Nasenkapsel eintritt, so findet eben hier die Abtrennung des Ramus ethmoidalis statt (Taf. 22 Fig. 65 R. Eth), und zwar da, wo der R. ophthalmicus dorsal vom Lobus olfactorius liegt. Der Ramus ethmoidalis läuft in der Nasenkapsel nach vorn und seitwärts, erreicht den lateralen Rand derselben (Taf. 22 Fig. 64 R. Eth) und beginnt sich noch in ihrem Innern zu verästeln. Die einzelnen Ästchen durchsetzen den breiten ventrolateralen Rand der Nasenkapsel, um dann Sinnesorgane des ventralen Supraorbitalkanals zu innervieren (Taf. 20 Fig. 59 R. Eth). Unsere Ausführungen haben zugleich hinsichtlich des Verlaufes 292 Lupwie HOFFMANN, beider Nerven die großen Unterschiede dargetan, in denen die Gattung Pristiophorus von den Haien und besonders den Spinaciden abweicht. Betrachten wir nunmehr diese Verhältnisse bei einem typischen Vertreter der Rhinoraji, bei Raja clavata. Auch hier dringt, wie in dem ersten Teile dieser Arbeit bereits angegeben (S. 247), der R. ophthalmicus in fast horizontaler Richtung durch die präorbitale Scheidewand (Taf. 17 Fig. 29, 30 R. Oph) und ge- langt in die Nasenhöhle. Daselbst verläuft er ebenfalls dorsal vom Lobus olfactorius in einer ventralen Rinne des Schädeldaches (Taf. 17 Fig. 31 R. Oph), tritt jedoch schon früher als bei Pristiophorus auf die dorsale Oberfläche des Schädels und zieht hier in jener Bucht zwischen Nasenkapsel und Rostralknorpel nach vorn (Taf. 17 Fig. 32 R. Oph). Der Ramus ethmoidalis trennt sich hier genau wie bei Pristiophorus im Innern der Nasenhöhle vom R. ophthalmicus ab, und zwar ebenfalls dorsal vom Lobus olfactorius, um an der Innenseite des Nasenknorpeldaches entlang zu laufen (Taf. 17 Fig. 31 R. Eth). Im Gegensatz aber zu Pristiophorus beginnt er sich erst nach seinem Austritt auf die ventrale Seite zu verästeln, um den gesamten ven- tralen Teil des supraorbitalen Sinneskanals zu innervieren (Taf. 17 Fig. 33 R. Eth). Wie wir schon oben gesehen haben, liegen in dieser Beziehung bei den Pristiden offenbar sekundär modifizierte Verhältnisse vor. Pristiophorus stimmt also wiederum in den wesentlichsten Punkten mit den Rhinoraji überein, nämlich darin, daß der Präorbitalkanal, in dem der R. ophthalmicus die vordere Orbita durchsetzt, einen horizontalen Verlauf nimmt, daß weiterhin der Nerv wie bei Raja und jedenfalls auch den Rhinobatiden (bezüglich der Rochen ver- gleiche noch besonders GEGENBAUR, 1872, p. 70 ff.) zunächst in die Nasenhöhle gelangt und hier den Ramus ethmoidalis abgibt, und schließlich vorn in der Einbuchtung zwischen Nasenkapsel und Rostralknorpel nach vorn verläuft. Da nun GEGENBAUR (1872, p. 72) den Präorbitalkanal der Haie von dem der Rochen „als sehr ver- schieden“ beurteilt, so besteht natürlich jene Verschiedenheit auch zwischen Haien und Pristiophorus, der sich ja aufs engste hierin den Rochen anschließt. Ein Orbito-Nasalkanal, durch den der Ramus buccalis durch die vordere Orbitalwand in die Nasenkapsel oder überhaupt in die Ethmoidalregion eindringt, ist bei Notidaniden, Spinaciden und speziell bei Acanthias nach GEGENBAUR vorhanden. Dagegen konnte ich feststellen, dab er bei Pristiophorus vollständig fehlt. Quer- Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 293 schnitte durch den Embryo von Pristiophorus nudipinnis zeigen, wie der Ramus buccalis zunächst aus der Orbita an den Rand der Basal- platte tritt (Taf. 23 Fig. 69. Taf. 22 Fig. 66-68 ABe); von dort rückt er dann in einer Rinne auf der Unterseite der präorbitalen Scheidewand in das Lumen der Nasenkapsel (Taf. 22 Fig. 65 RBe) und läuft hier an der Schädelwand entlang. Wie oben (S. 250) ausgeführt, fehlt auch bei Raja (Taf. 17 Fig. 29, 30 RBc) ein Orbito- Nasalkanal vollständig im Gegensatz zu GEGENBAURS Angaben, der ihn anscheinend mit einem Venenkanal verwechselt hat (1872, p. 73). Also auch hier haben wir bei Pristiophorus und den Rochen über- einstimmende Verhältnisse. Auch jenen fälschlich gedeuteten Venenkanal konnte ich bei Pristiophorus erkennen. Ähnlich wie bei Pristis perrotteti ist er hier mehr in die präorbitale Scheidewand eingelagert (Taf. 22 Fig. 66 Vfa). Die orbitale Öffnung liegt mit der des Präorbitalkanals in einer gemeinsamen Bucht. Der Kanal wendet sich von hier ventral- wärts und mündet hinter dem Lobus olfactorius in die Nasenkapsel (Taf. 22 Fig. 65 Vfa). Über den ähnlichen Verlauf dieses Kanals bei den Rhinoraji ist das oben Gesagte zu vergleichen (S. 251; vgl. auch Taf. 17 Fig. 29, Taf. 19 Fig. 48 Vfa). Da für die Haie keine genaueren Angaben über diesen Kanal vorliegen, muß ich an dieser Stelle von einer vergleichenden Betrachtung absehen. Das Opticusloch liegt wie bei den meisten Haien und Rochen etwa in der Mitte der Orbita (Taf. 15 Fig. 20 Op). Wie es Regel ist, ist der Unterschied zwischen dem Querschnitt des Nerven und dem der Austrittsöffnung sehr erheblich (Taf. 23 Fig. 69 Op). Der Nervus trochlearis, der ja den Musculus obliquus superior innerviert, tritt dorsal vom Opticus aus, etwa in einer Höhe mit dem Ramus ophthalmicus (Taf. 15 Fig. 20 Tro). Er durchsetzt in schräger, ventrolateraler Richtung die Knorpelwand, läuft zunächst zwischen R. ophthalmicus und Schädelwand nach vorn, rückt von unten her auf die Außenseite des R. ophthalmicus und trifft schließ- lich auf den in entgegengesetzter Richtung ziehenden Musculus obliquus superior, um sich auf dessen dorsomedialer Seite zu ver- ästeln (Taf. 22 Fig. 68 Tro). Die Austrittsstelle des Oculomotorius liegt vor dem Trigeminus- loche (Taf. 15 Fig. 20 Ocm), etwas dorsal und vor der Wurzel des Augenstieles (Taf. 23 Fig. 72 Ocm). Der Nerv spaltet sich unmittel- bar nach seinem Austritt in einen dorsalen und ventralen Ast. Der dorsale läuft zusammen mit dem Musculus rectus superior und 294 LupwıG Horrmann, Musculus rectus internus nach vorn und zwar auf ihrer dorsalen Oberfläche (Taf. 23 Fig. 71 Ocm‘). Der ventrale Teil legt sich dem Buccaliskomplex an, indem er sich seitwärts und nach hinten wendet (Taf. 23 Fig. 72, 71 Ocm“), und spaltet sich dann in 2 Äste; von ihnen läuft der dorsale zusammen mit der Arteria ophthalmica auf der Oberseite des Musculus rectus inferior entlang, die ventrale Partie ist mit dem Buccaliskomplex zunächst in eine bindegewebige Scheide eingeschlossen. Allmählich trennt sie sich von jenem und rückt auf die dorsale Seite des Musc. obliquus inferior, um sich schließlich in ihm zu verästeln (Taf. 23 Fig. 69 Ocm“). Die Wurzel des Abducens konnte ich nicht genau feststellen, doch glaube ich an der Hand der Schnittpräparate des Embryos von Pr. nudipinnis, die an dieser Stelle leider etwas unvollkommen waren, annehmen zu dürfen, daß er zusammen mit dem Trigeminus austritt. Er liegt zunächst an der dorsomedianen Seite des Buccaliskom- plexes, dann weiterhin ventral von der Wurzel des Musc. rectus externus (Taf. 23 Fig. 72 Abd). Sein Verlauf ist demnach sehr kurz. Allgemein kann man sagen, daß die Augenmuskelnerven von Pristiophorus hinsichtlich ihrer Austrittsstellen und ihres Verlaufes nicht von denen der Rochen abweichen, wie überhaupt in dieser Hinsicht bei den Selachieren weitgehende Übereinstimmung herrscht. Dahingestellt bleibt lediglich dieses Verhalten des Abducens, dessen Austrittsöffnung ich nicht sicher feststellen konnte. Die Kopfarterien. Die Carotis posterior, die ja von der ersten abführenden Kiemen- arterie ausgeht, teilt sich auch bei Pristiophorus in 2 Äste; der mediane von ihnen vereinigt sich hinter dem Palato-Basalgelenk mit dem der gegenüberliegenden Seite an der Basis cranii zu einem un- paaren Stamme, der in der Mittellinie der Schädelbasis durch einen Kanal in die Schädelhöhle eindringt (Taf. 24 Fig. 76, Taf. 15 Fig. 18 Ca. po‘). Der äußere Ast läuft in der Orbita nach vorn als Arteria orbitalis (Taf. 24 Fig. 76, Taf. 23 Fig. 74 Art. orb). Letztere entspricht der Carotis externa Hyrrr’s. Der unpaare mediane Stamm besitzt hier einen bedeutend größeren Durchmesser als die Arteria orbitalis. Die Carotis anterior, die sich weiter lateralwärts von der ersten abführenden Kiemenarterie abspaltet, tritt dorsal vom Gelenkfortsatz des Palatoquadratums an die Seitenwand des Craniums heran (Taf.24 Fig. 74 Ca. ant) und teilt sich hier in 2 Äste; der kleinere ver- Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 295 läuft nach vorn als Arteria ophthalmica (Taf. 24 Fig. 75 Art. oph), der größere wendet sich unter fast rechtem Winkel medial und tritt hier in die knorplige Seitenwand des Craniums ein (Taf. 24 Fig. 75 Ca.ant) und vereinigt sich im Cavum cranii rückwärts laufend mit dem entsprechenden Ast der anderen Seite (Taf. 23 Fig. 73 Ca.ant). In der Mitte dieser Anastomose mündet nun der oben erwähnte unpaare Ast der Carotis posterior (Taf. 24 Fig. 74 Ca. po’), nachdem er die Basis cranii durchsetzt hat. Unmittelbar nach ihrem Eintritt in die Cranialhöhle entsendet die Carotis posterior nach vorn die Arteria cerebralis (Taf. 24 Fig. 75, Taf. 23 Fig. 72 Art. cebr). Bezüglich des weiteren Verlaufs der Arterien im Cranium wäre noch zu bemerken, dab die Arteria ophthalmica auf der Innenseite des Buccaliskomplexes entlang läuft, dann auf die Unterseite des Oculomotorius tritt (Taf. 23 Fig. 72 Art. oph). Sie sinkt darauf mit dessen ventralem Aste auf die Oberseite des Muse. rectus inferior, um von hier aus sich an dem Auge zu verzweigen und Ästchen in jenen hineinzusenden. Die Arteria orbitalis zieht auf der ventralen Seite des Buccaliskomplexes entlang nach vorn (Taf. 23 Fig. 72 Art. orb) und gibt verschiedene größere Äste ab, unter anderen einen Zweig, der den äußeren Ast des Buccalis begleitet (Taf. 23 Fig. 69 Art. orb‘). Der Hauptteil setzt sich dann als Arteria rostralis zusammen mit dem Buccalis auf das Rostrum fort und liegt hier in dessen ventraler Rinne (Taf. 20 Fig. 58 Art. ro). Die Arteria cerebralis läuft an der Innenseite der Orbitalwand nach vorn und aufwärts, biegt in der Höhe des Opticusloches nach vorn um (Taf. 23 Fig. 69 Art. cebr) und gibt hier einen starken Ast ab, der zusammen mit dem Opticus aus dem Cranium austritt und in den Bulbus eindringt (= Arteria ottica von CARRAZZI) (Taf. 23 Fig. 69 Art. ott). Die Kopfarterien dringen demnach bei Pristiophorus durch zwei Foramina in das Knorpelcranium ein, ein unpaares Foramen in der Medianlinie der Basis cranii, durch das der mediane Ast der Carotis posterior nach seiner Vereinigung mit dem entsprechenden der anderen Seite läuft (Taf. 15 Fig. 18 Ca. po'), und ein zweites paariges Foramen an der Seitenwand des Craniums, direkt hinter der palato-basalen Gelenkfläche; durch letzteres tritt die Carotis anterior in das Cranium ein (Taf. 15 Fig. 20 Ca. ant’). Ein wesentlich anderes Verhalten hinsichtlich der Kopfarterien zeigen im Gegensatz hierzu die Spinaciden. Nach Hyrrn (1872, p. 265/9) und GEGENBAUR (1872, p. 74) vereinigt sich bei Acanthias der mediane Ast der Carotis posterior nicht mit dem der gegenüber- 296 LupwıG Horrmann, liegenden Seite, um als unpaarer Stamm in die Schädelbasis einzu- dringen, sondern es treten hier beide Äste getrennt durch die Basis cranii in die Schädelhöhle (= Carotis interna Hyrtt’s), kreuzen sich in derselben, wobei sie durch ein kleines Astchen an dieser Stelle miteinander kommunizieren; danach vereinigt sich der rechte Ast mit der linken Carotis anterior und der linke mit der rechten. Eine derartige paarige Eintrittsöffnung für den medianen Ast der Carotis posterior fand GEGENBAUR bei Notidaniden, Scymnus, Centrophorus, Galeus, Mustelus und anderen Haien. Ebenso fand ich an einem Kopfskelet von Somniosus an der Basis cranii eine paarige Eintritts- öffnung, wie es auch Warte (1895, tab. 1 fig. 3) abbildet. Während sich nun auch die meisten Galeoidei ähnlich verhalten wie die eben besprochenen Haie (vgl. Carrazzı, 1905, p. 127), machen Rhina squa- tina‘) und Selache maxima hiervon eine Ausnahme. Bei letzterem gibt die Carotis posterior ein kleines medianes Astchen ab (Carrazzı, 1905, p. 93), das nach Vereinigung mit dem der anderen Seite die Schädelbasis durchsetzt, um in die Anastomose der Carotis anterior zu münden. Ferner weicht Selache maxima auch darin von den übrigen Haien ab. daß die Arteria ophthalmica nicht von der Carotis anterior, sondern der Arteria orbitalis, also einem Zweige der Carotis posterior, entspringt. Auch bei Rhina squatina (CARRAZZI, p. 125) vereinigen sich die beiderseitigen inneren Äste der Carotis posterior und durchsetzen als unpaarer Stamm die Schädelbasis (CARRAZZI, p- 125, fish): Bezüglich der Rochen muß ich mich auf eine ältere Arbeit von HyeTz (1852, p. 17) beschränken. Hyerz hat Torpedo und Raja untersucht. Als ein für die Rochen typisches Verhalten bezeichnet er den Zustand, den er bei Torpedo (1852) und Pristis (1872, p. 27) fand, wo die inneren Äste der Carotides posteriores sich zu einem unpaaren medianen Stamme vereinigen, der in der medianen Linie die Basis cranii durchsetzt.?) Auch die mir zur Verfügung stehenden Skelete 1) Da von GEGENBAUR, GÜNTHER u. A. Rhina (Squatina) zu den Haien gerechnet wird, führe ich diese Form, wo ich durch die Literatur veranlaßt werde sie zu erwähnen, ebenfalls unter diesen an, obwohl ich mit GoopricH (1909, p. 157) u. A. Rhina für eine den Rochen näher stehende Gattung halte. 2) Bei Raja elavata (1852, p. 17) besitzt der innere Ast der Carotis posterior (Carotis interna) eine bei den übrigen Rochen sonst nirgend vor- kommende Eigentümlichkeit. Er vereinigt sich nicht mit dem der anderen Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. | 297 von Raja clavata und Pristis pectinatus (Taf. 16 Fig. 23 Ca. po') zeigten ebenfalls nur das eine unpaare Foramen in der Mittellinie der Schädel- basis (vgl. auch Taf. 16 Fig. 23 Ca. po’). Als wesentlich ist demnach hervorzuheben, daß bei den typischen Haien Notidanidae, Squaloidei, Galeoidei mit Ausnahme von Selache maxima der mediane Ast der Carotis posterior von dem der anderen Seite getrennt und durch eine paarige Öffnung in die Basalplatte des Craniums eindringt. Eine Kreuzung der beiden Stämme, eventuell eine Anastomose findet erst im Innern der Gehirnhöhle statt. Anders verhalten sich Selache maxima, Rhina squatina, Pristiophorus und die Rochen. Hier findet sich in der Mitte der Schädelbasis eine unpaare Öffnung, durch die ein unpaarer Arterienstamm, entstanden aus der Vereinigung der medianen Äste der Carotides posteriores, in die Basis cranii eintritt. Daraus folgt dann ebenfalls, daß sich Pristiophorus in diesem Punkte enger an die Rochen anschließt als an die typi- schen Haie und speziell an die Spinaciden. Das anscheinend überein- stimmende Verhalten von Selache maxima, bei dem jedoch der mediane Ast der Carotis posterior nur sehr dünn ist, dürfte bei der großen Kluft im System zwischen diesem einerseits und Pristiophorus und den Rochen andrerseits lediglich als Konvergenz aufzufassen sein. Hinsichtlich der Deutung dieser Verhältnisse bei Rhina squatina dürfte die systematische Stellung dieser Gattung zu berücksichtigen sein (s. Fußnote S. 296). Der von GEGENBAUR (1872, p. 75) benannte Canalis transversus, der nach ihm eine Verbindung der beiden venösen Orbitalsinus darstellt, liegt bei Pristiophorus kurz hinter dem Palato-Basalgelenk. Seine äußere Öffnung liegt dorsal und nach hinten von dem Eintritt der Carotis posterior in das Cranium (Taf. 15 Fig. 20 V. cbr. ant); das Gefäß selbst ist in dem Schädel etwas nach hinten gerichtet (Taf. 23 Fig. 73 V.cbr. ant). In der Gehirnhöhle liegt es in einer queren Ausbuchtung der Basis cranii (Taf. 23 Fig. 74, Taf. 24 Fig. 76 V. cbr. ant) und ist von der Cranialhöhle nur durch eine Lamelle fibrillären Binde- gewebes getrennt. Da Sattellehne und Sattelgrube kaum ausgebildet sind, fehlt eine knorplige Scheidewand an dieser Stelle zwischen Seite, beide dringen aber zusammen durch ein einziges, unpaares Foramen in die Schädelbasis und kreuzen sich, wobei an der Kreuzungsstelle eine Anastomose stattfindet. Eine zweite „Arteria ophthalmica“ (— ottica von CARRAZZI) erwähnt HYRTL ebenfalls bei Raja; sie zweigt von der Arteria cerebralis ab und gelangt mit dem Opticus zum Auge. 298 LupwiG Horrmann, .Canalis transversus“ und Cranialhöhle, so daß beide in offener Ver- bindung stehen. Bei Acanthias und den anderen Spinaciden dagegen durchsetzt der Kanal die Knorpelmasse der Sattellehne, also den Basalknorpel. Bei den Rochen liegt der mittlere Teil des Gefäßes wiederum in der Gehirnhöhle, also nicht allseitig von dem Knorpel der Basis cranii umgeben. Demnach schließt sich auch hierin Pristio- phorus enger an die Rochen an. Was nun die Bedeutung dieses Kanals anlangt, so dürfte er schwerlich eine ausschließliche Anasto- mose der beiden Orbitalsinus sein, wie GEGENBAUR will. Wenn mir auch aus dieser Partie nur eine unvollkommene Schnittserie zur Verfügung stand, so glaube ich dieser doch entnehmen zu können, dab der „Canalis transversus“ venöse Gefäße aus den vorderen Teilen des Gehirns und überhaupt aus der Schädelhöhle aufnimmt und nach außen in den Orbitalsinus leitet. Trifft das zu, so wäre der „Canalis transversus“ GEGENBAUR’s identisch mit der Vena cerebralis anterior von PARKER (1887). Die Ethmoidalregion. ~ Bei Pristiophorus setzt sich die Basalplatte der Orbitalregion ohne Unterbrechung und in derselben Breite auf die Ethmoidalregion fort, so daß die gesamte Basis cranii in einer horizontalen Ebene liegt (Taf. 15 Fig. 18 Bp). Gleichzeitig erstrecken sich die inneren Wände der Orbita in annähernd gleichen Abständen voneinander auch auf die Ethmoidalregion (Taf. 20 Fig. 59 Sw’), bilden hier die knorplige Seitenwand der Präcranialhöhle und stoßen ventral unter fast rechtem Winkel mit der Basis cranii zusammen (Taf. 22 Fig. 64 Sw‘). Da nun die Seitenwand der Präcranialhöhle zugleich die mediale Wand der Nasenkapsel bildet, so erscheinen letztere hier bei der bedeutenden Breite der Präcranialhöhle stark seitlich aus- einandergedrängt. Die Präfrontallücke liegt bei Pristiophorus ganz in der Ethmoidal- region (Taf. 15 Fig. 19 D), sie beginnt bei dem Prist. nudipinnis- Embryo etwa in gleicher Höhe mit dem Vorderrande des Foramen olfactorii (Taf. 22 Fig. 64 D) und öffnet sich über die ganze Breite der Präcranialhöhle, um sich am vorderen Ende der Nasenhöhle wieder zu schließen (Taf. 20 Fig. 59 D). Die Präcranialhöhle selbst setzt sich, wie auf Schnitten zu sehen ist, noch weit auf das Rostrum fort. Der unpaare mediane Teil, der internasal höher als breit ist (Taf. 22 Fig. 64), erscheint auf dem Rostrum dorso- ventral zusammengedrückt, so daß er hier bedeutend breiter als hoch Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 299 ist (Taf. 20 Fig. 58). Nach vorn wird die Präcranialhöhle auf dem Rostrum immer kleiner und enger, bis sie schließlich beim Prist. nudipinnis-Embryo kurz vor der Ansatzstelle der Tentakel (Taf. 13 Fig. 8) ihr Ende erreicht, während sie bei dem älteren Prist. japo- nicus noch ein großes Stück weiter geht (Taf. 13 Fig. 9). Vorn wird sie durch hyalinen Knorpel abgeschlossen, der als unpaare mediane Masse sich bis an die Spitze des Rostrums erstreckt. Wie oben bereits angegeben, setzt sich die Basis cranii von der Orbitalregion auf die Ethmoidalregion und weiterhin auch auf das Rostrum fort, so dab die gesamte ventrale Fläche des Craniums eine nahezu horizontale Platte bildet, die nach der Spitze des Rostrums hin nur ganz allmählich an Breite abnimmt (Taf. 15 Fig. 18 Bp). Die Ausbildung eines medianen Kieles, wie man ihn im Anschluß an das Auftreten der Basalecke an der Unterseite des Internasalknorpels zahlreicher Haie und besonders der Spinaciden findet, ist hier vollständig unterblieben. Ebenso fehlt bei Pristiophorus jene paarige Einbuchtung auf der Unterseite zwischen Nasenkapsel und Internasalknorpel, die GEGENBAUR als Nasallücke bei den Haien bezeichnet. Weiterhin ist es nicht zu einer Durchbohrung gekommen, die von der Nasallücke aus in die Schädelhöhle führt, wie sie typisch ist für die Spinaciden. Daraus geht also vollkommen klar hervor, daß wir es bei Pristiophorus mit einem „undurchbohrten Rostrum“ (GEGENBAUR) zu tun haben. Zugleich sind hiermit auch die tief- gehenden Unterschiede gegen die Spinaciden und speziell Acanthias und Centrophorus hervorgehoben, zu denen JAEKEL (1891) die Gattung Pristiophorus stellen will. Dagegen stimmt in diesen Punkten wiederum die Ethmoidalregion der Rochen mit der von Pristiophorus überein. Zunächst ist hier das Rostrum an seiner Basis stets un- durchbohrt. GEGENBAUR (1872, p. 91) kennzeichnet ausdrücklich diese Formen als solche mit „undurchbohrtem Rostrum“. Ferner ist es von dem der Haie verschieden durch die größere Breite der Präcranial- höhle überhaupt, wodurch eben jenes starke Auseinanderweichen der Nasenkapseln bedingt ist. Weiterhin gehört hierher die Ausbildung der Basalplatte, die sich wie bei Pristiophorus in demselben Niveau von der Orbitalregion aus auf das Rostrum erstreckt. Es fehlt dem- entsprechend auch hier die Nasallücke und der mediale Kiel. Aus diesen Ausführungen geht wohl zur Genüge hervor, dab Pristiophorus auch in bezug auf die Ethmoidalregion in den wichtigsten Punkten Übereinstimmungen mit den Rochen und speziell den Rhinoraji zeigt, während er von dem Spinacidentypus vollständig abweicht. 300 LupwiG HOoFFMANx, Das Dach der Nasenkapsel von Pristiophorus zeigt die erwähnten Foramina, durch die kleine Nervenästchen des Ramus ophthalmicus superficialis treten und den hier verlaufenden Teil des supraorbitalen Sinneskanals innervieren (Taf. 15 Fig. 14 g). Die präorbitale Scheidewand und die Lücke (fon) im dorsalen Dach der Nasenkapsel sind bereits besprochen. An dem lateralen Rand der Schädelbasis fand sich Keine Knorpellamelle als Boden der Nasenhöhle (Taf. 22 Fig. 64, 65). Dagegen ist ein lateraler Boden dadurch vorhanden, daß der Seitenrand der Nasenkapsel auf der ventralen Seite nach einwärts übergreift. Auch zeigt der Seitenrand eine starke Ver- dickung; ob diese allein hervorgerufen ist durch die gewaltige Ver- größerung des Rostrums und dessen Befestigung oder in Beziehung steht zum Schädelflossenknorpel der Rochen, lasse ich dahingestellt. Ich komme nunmehr zum pränasalen Abschnitt des Rostrums. An ihm können wir zwei Teile unterscheiden: ein medianer, unpaarer bildet den phylogenetisch älteren Teil. Er enthält die Präcranial- höhle und entspricht allein dem typischen knorpligen Rostrum der Selachier nach GEGENBAUR (1872, p. 87). Den zweiten Hauptbestand- teil bilden die paarigen Knorpelleisten (Taf. 20 Fig. 58, Taf. 15 Fig. 18, 19 Anl) an den Seiten, die durch eine dorsale und ventrale inne abgegrenzt sind. Die paarige Knorpelmasse stellt hinten die Vorderwand der Nasenkapsel dar, seitlich geht sie in ihre verdickte Seitenwand über. In der dorsalen und ventralen Rinne verlaufen die Hauptnerven and Gefäßstämme. Medial ist die Wandung jener Rinne steil, ja fast senkrecht, da sie hier an die laterale Knorpel- wand der Präcranialhöhle grenzt. Die laterale Wand der Rinne geht dagegen allmählich in die paarige Knorpelleiste über (Taf. 20 Fig. 58 Anl‘). Nach der Spitze des Rostrums hin nimmt die Tiefe und Breite der Rinnen langsam ab, in dem Maße, wie auch die Nerven- und Gefäßstämme kleiner werden. An der Spitze verflachen sich die Rinnen noch mehr und zwar die dorsalen zuerst, bis schlieB- lich die lateralen Leisten mit dem unpaaren, medianen Knorpel eine einzige Masse bilden, auf der nur die intraorbitalen Sinneskanäle kleine Furchen bilden. Daß jene paarigen Knorpelleisten gegenüber dem medianen Knorpel sekundäre Neuerwerbungen sind, die in einer derartigen Ausbildung nur bei Pristiophorus auftreten, dürfte aus dem oben Gesagten hervorgehen. Eine andere Frage ist die, ob wir bei den anderen Haien oder Rochen ein Homologon zu jenen seitlichen Knorpelpartien finden. JAEKEL bringt wiederum das Rostrum der Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 301 Pristiophoriden in Beziehung zu dem der Spinaciden, speziell zu dem von Centrophorus calceus. Er sagt (1891, p. 106): „Die Differen- zierung des Rostrums lässt sich am besten von einer Ausbildung ableiten, wie sie unter den lebenden Formen Centrophorus calceus besitzt (vgl. die Zeichnung bei GEGENBAUR, |. c., tab. 8 fig. 1). Man braucht sich nur vorzustellen, dass sich der mittlere Knorpel be- deutend verlängert und danach an seiner Basis verbreitert, so kommt man auf das scheinbar befremdliche Bild, welches uns Pristiophorus in seinem Rostrum darbietet. Bei Centrophorus granulosus und anderen Arten ist die Ausbildung noch nicht so weit vor- geschritten wie bei Centrophorus calceus, indem bei Centrophorus granulosus z. B. wöhl seitliche Fortsätze vorn am Rostrum vorhanden sind, aber noch keine Verbindung derselben mit der Nase besteht.“ JAEKEL sucht demnach die lateralen Knorpelleisten bei Pristio- phorus mit den nach hinten gerichteten Fortsätzen des Rostrums von Centrophorus calceus zu identifizieren und weiterhin mit einem binde- gewebigen Ligamente, das von diesen Fortsätzen zum Vorderende der Nasenkapseln führt. Hierzu wäre zunächst zu bemerken, daß der phylogenetisch ältere Teil des Rostrums von Pristiophorus, wie ich oben zeigen konnte, von den Spinaciden und speziell von Centro- phorus und Acanthias vollständig abweicht und mit dem der Rhino- raji übereinstimmt. Weiterhin finden sich derartige nach hinten gerichtete Fortsätze an der Spitze des Rostrums, wie sie Centrophorus besitzt, gerade auch bei den Rochen (vgl. Raja PARKER 1879), und außerdem liegt, wie schon GEGENBAUR (1872, p. 85) betont, kein Grund vor, in jenem bindegewebigen Ligamente, das bei Centrophorus calceus von dem genannten Fortsatze zum Vorderende der Nasen- kapsel führt, den „Repräsentanten eines Skeletgebildes“ zu erblicken. Auch STROMER (1905, p. 57) sucht eine Beziehung des Pristiophorus- Rostrums zu dem der anderen Selachier festzustellen, indem er die unpaare mittlere und die beiden seitlichen Knorpelmassen des ersteren als die „drei Schnauzenknorpel anderer Haie betrachtet“ — gemeint können hier nur die Galeoidei sein. — Bis jetzt ist jedoch noch nicht genügend klargestellt, wie sich die 3 Schnauzenknorpel der Galeoidei zum Rostrum der übrigen Selachier verhalten. Die alte Ansicht GEGENBAUR’s (1872, p. 87 u. 89), wonach die 3 Schnauzen- knorpel zusammen dem unpaaren Rostrum der Squaloidei und Rhino- raji entsprechen, erscheint durch die entwicklungsgeschichtliche Arbeit PArker’s (1879) zweifelhaft und wird auch von GEGENBAUR in seinem Lehrbuche (1898) zum größten Teile fallen gelassen. 302 LupwıG Horrmann, Gaupp (1905) hat sie dagegen in vollem Umfange wieder aufgenommen. Bevor also diese Frage nach der Beziehung des Rostrums der Galeoidei zu dem der übrigen Selachier in befriedigender Weise gelöst ist, dürfte es verfrüht erscheinen, das Pristiophorus-Rostrum in Beziehung zu setzen zu dem einer stammesgeschichtlich so weit entfernten Gruppe, wie es die Galeoidei sind. Dagegen hat Srtromer (1905, p. 57) richtig erkannt, daß „der mittlere Kanal (des Pristophorus-Rostrums) offenbar der bei Rhynchobatus wie ja auch bei Pristis vorhandenen Fortsetzung der Präfrontallücke [= Präcranialhöhle] homolog ist“. Der Rostralknorpel ist von zahlreichen kleinen Kanälchen durch- setzt, über deren Bedeutung ich noch einiges sagen möchte. Un- mittelbar vor der Nasenkapsel finden sich bei dem Prist. nudipinnis- Embryo in der lateralen Knorpelleiste 5 Kanälchen, die von dem Lumen der Nasenkapsel aus schräg nach vorn seitwärts und unten verlaufen. In ihnen führen Ästchen des Ramus ethmoidalis zur ventralen Oberfläche (Taf. 20 Fig. 59 R. Eth); bereits im Knorpel von diesen sich trennende Zweige dringen direkt lateralwärts an die Basis der Rostralzähne, um sich hier zu verzweigen (Taf. 20 Fig.58 R. Eth‘) und auch Äste in ihre Pulpahöhle zu schicken. Auf dem übrigen Rostrum sind die Verhältnisse folgendermaßen (Taf. 20 Fig. 57, 58 R. Oph‘): ein größerer Nervenstamm dringt zugleich mit einem Venenaste von der dorsalen Rinne aus in lateraler und ven- traler Richtung in den seitlichen Knorpel ein (Taf. 20 Fig. 58 Oph‘) bis etwa in ein Niveau mit dem ventralen supraorbitalen Sinnes- kanal; hier verästelt er sich im Innern der Knorpelleiste, ein Teil der Fasern geht zum ventralen Supraorbitalkanal, ein anderer Teil dringt direkt lateralwärts zum Seitenrand des Rostrums und tritt in Beziehung zu den Rostralzähnen (Taf. 20 Fig. 57 R. Oph’). Der gleichmäßige Abstand dieser Kanälchen ist schon auf Sagittalschnitten durch das Rostrum zu sehen (Textfig. A R. Oph‘); je einem aus- tretenden Astchen entspricht hier die Basis eines Rostralzahnes. Eine weitere Reihe von Kanälchen liegt mehr medial und durchsetzt die Knorpelpartie, die die dorsale und ventrale Rinne voneinander trennt. Durch sie treten Venenästchen, die sich von der in der dorsalen Rinne verlaufenden Vena rostralis (Vro) loslösen, auf die ventrale Seite. Auch hierfür geben Sagittalschnitte recht anschau- liche Bilder (Textfig. B Vro‘). Noch einen bedeutend größeren Kanal finde ich vorn in der Nähe der Ansatzstelle des Tentakels; durch ihn führt ein dicker Nervenstamm auf die ventrale Seite des Rostrums. . Schließlich findet sich noch ein Knorpelkanal von besonderer Wichtig- Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 303 keit in der lateralen Knorpelleiste kurz vor der Nasenkapsel; durch ihn vereinigt sich der ventrale supraorbitale Sinneskanal mit dem dorsalen (Taf. 20 Fig. 57 dvcom). Die Tentakel: Sie sind in tiefen Gruben an der ventralen Seite des Rostrums eingelenkt (Taf. 13 Fig. 8 u. 9 Te), und zwar seitlich von der ventralen Rinne etwa in der Mitte zwischen diesem und dem Seitenrande. Durch die Achse des Tentakels läuft der Länge nach bis an seine Spitze ein Knorpelstab (Textfig. A El). Er besteht Oo NePu Derv Wu Supr. Cy Fig. A. Mikrophotogramm. 1: 16. Sagittalschnitt durch das Rostrum des Pristiophorus nudipinnis-Embryos mit angeschnittenem Tentakel. Ten Tentakel. Ne Nerv desselben. Ve Vene. Art Arterie. El elastischer Knorpel- stab. pla Placoidschuppen des Tentakels. bw Ausbuchtung des Rostralknorpels für den Tentakel. Supr. ©, einzelne Kammer des Supraorbitalkanals. Pu Pulpa- hôhle. Wu Wurzel des Rostralzahnes. aus elastischem Knorpel, dessen Fasern sich bei einer Färbung mit Hämatoxylin-Pikrofuchsin intensiv gelb färbten, im Gegensatz zum hyalinen Knorpel des Rostrums, der die Pikrinsäure überhaupt nicht aufnimmt. An der Basis des Tentakels greift der Knorpelstab in die tiefe Einbuchtung des Rostrums (Textfig. A bu) und lehnt sich mit seinem gelenkkopfähnlichen, konvexen, proximalen Ende dicht Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. ; 20 304 Lupwie Horrmann, der konkaven Wandung der Grube an. Das Corium des Tentakels ist sehr stark ausgebildet und besteht aus mehreren alternierenden Lagen von Ring- und Längsfaserbündel. Zwischen Corium und Knorpelstab liegen die Gefäße und Nerven (Textfig. A Ne). Der Nervenstamm, der den Tentakel versorgt, löst sich vom R. buccalis los; ebenso gibt die in der ventralen Rinne verlaufende Rostralarterie ein Gefäß (Art) ab, das zusammen mit dem Nerven in den Tentakel tritt. Mit ihnen verläuft auch eine Vene (Ve). Auffallend ist die große Zahl und die beim Embryo weit vorgeschrittene Ausbildung der Placoidschuppen (Textfig. A pla). Hinter ihnen bleiben die Haut- Vro' Vro Vro‘ Inf Art. ro R. Be Fig. B. Mikrophotogramm. 1:16. Sagittalschnitt durch das Rostrum des Pristiophorus nudipinnis-Embryos in der Gegend der dorsoventralen Venenkaniilchen. Vro Vena rostralis. Vro‘ dorsoventrales Venenästchen. Art.ro Arteria rostralis. Rk. Be Ramus buccalis. Inf Infraorbitalkanal. zähne des übrigen Rostrums stark zurück; vor allem aber zeichnen sie sich durch die starke Dentinbildung aus, die bei den andern erst angedeutet ist. Wider Erwarten war es mir nicht möglich, auf den zahlreichen Quer- und Sagittalschnitten durch den Tentakel irgendwelche Sinnes- organe, wie Sinnesknospen oder Lorenzrni’sche Ampullen, zu finden, worauf doch der Eintritt eines starken Nervenstammes hätte schließen lassen. ‚Jedenfalls sind hier einzelne auf der Epidermis zerstreut Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 305 liegende Sinneszellen die Träger des Tastsinnes. Denn der Tentakel dürfte doch wohl die Funktion eines Tastorgans haben. Mit einigen Worten möchte ich noch an dieser Stelle auf die Art der Befestigung der Rostralzähne eingehen. Vorher muß ich jedoch einen in der Literatur ganz allgemein auftretenden Irrtum berichtigen. Wie die Fig. 18 (Bstr) Taf. 15 zeigt, erstreckt sich vom Seitenrande der Nasenkapsel bis zum Palato-Quadratum eine feste Gewebsmasse, die dem Seitenrande des Kopfes entlangläuft und in der die hintersten Zähne des Seitenrandes befestigt sind (Taf. 22 Fig. 66, 67; Taf. 23 Fig. 69, 70, 73 Bstr). Diese Gewebsmasse finde ich zuerst bei MÜLLER u. HENLE (1841, p. 98) in einer Anmerkung erwähnt. Sie wird hier als ein Knorpelfortsatz angesehen, der sich von der hinteren Knorpelwand der Nasenkapsel rückwärts gegen die Mundwinkel erstreckt. Als eine zum Kopfskelet gehörige Knorpel- masse bilden auch Haswern (1849, tab. 1 fig. 9) und JarKken (1890, p. 102, Textfig. und p. 104, fig. 5) sie ab. In Wirklichkeit ist sie weiter nichts als ein dichter fibrillärer Bindegewebsstrang, der sich vom Seitenrand des Rostrums auf die äußere laterale Wand der Nasenkapsel fortsetzt und von hier am Rande der Orbitalregion hin- zieht, ohne mit dem Knorpel des Craniums in Beziehung zu treten. Hinten läuft er noch ein Stück dem Palato-Quadratum entlang bis zu dessen Gelenk mit dem Hyomandibulare. In diesem fibrillären Bindegewebe, das jedenfalls aus dem Corium hervorgegangen ist, mit dem es in seinem histologischen Bau besonders bei dem Prist. nudi- pinnis-Embryo übereinstimmt, sind die Rostralzähne des Seitenrandes befestigt (Taf. 15 Fig. 10; Taf. 23 Fig. 69, 70 Der). Auf der dor- salen und ventralen Seite geht dieses Gewebe in das Corium über. Ferner laufen im Bereich der Orbita in ihm ausführende Röhren der Lorenzinrschen Ampullen und Teile des Seitenkanalsystems (vgl. unten). Jene Bindegewebsmasse ließ sich beim erwachsenen Tier relativ leicht vom Schädelknorpel lospräparieren (Taf. 15 Fig. 18). Um so unverständlicher ist es, wie sie seither in der Literatur als zum Kopfskelet gehöriger Knorpel aufgefaßt werden konnte. Auch längs des Seitenrandes des Rostrums findet sich dieses Gewebe, und ebenso sind hier in ihm die Rostralzähne befestigt. Wie entsprechende Querschnitte durch den Pristiophorus nudipinnis- Embryo (Taf. 20 Fig. 59 Der) und den älteren Prist. japonicus zeigen, treten die Zähne weder im embryonalen Zustande noch auch beim ausgebildeten Tiere in irgendeine Beziehung zum Rostralknorpel und seinen Kalkprismen, sind vielmehr stets durch eine Schicht des 20* 306 Lupwic Horrmany, oben erwähnten fibrillaren Bindegewebes von diesem getrennt. Es kommt weder zur Alveolenbildung, wie etwa bei Pristiden (vgl. auch JAEREL, 1890), noch auch zur Bildung von Fortsätzen des Rostralknorpels und seiner Kalkprismen, auf denen die Zähne be- festigt wären. In keiner Weise entspricht den Tatsachen die Dar- stellung JAEKEL’s (1890, p. 92): „Das innere des Hohlkegels (des Rostralzahnes) ist von schwach inkrustirtem Knorpel ausgefüllt und gestützt, während die äußere Umwachsung der Wurzel durch die inkrustirte Haut dem Zahn noch einen weiteren Halt giebt.“ In einer Anmerkung fügt er noch hinzu: „Da mir hierzu nur trockene Exemplare zur Untersuchuug vorlagen, so habe ich den Knorpel selbst nicht beobachten können, wohl aber die polyedrische In- krustation, welche meist die Knorpel der Selachier überzieht.“ Auf die Knorpelverkalkung und eine vergleichende Unter- suchung der Mikrostruktur der Zähne möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, da es dem Zwecke dieser Arbeit nicht entspricht. Dagegen sei auf die Anordnung der Rostralzähne hingewiesen. Außer der Reihe von Rostralzähnen am Seitenrande des Rostrums (Taf. 20 Fig. 57, 58, 59; Taf. 15 Fig. 18: Textfig. C Der) findet sich bei den mir zur Verfügung stehenden Species eine zweite Reihe ebensolcher Zähne auf der ventralen Seite (Taf. 20 Fig. 57, 59; Taf. 13 Fig. 8 u. 9; Textfig. A Derv). Im Gegensatz zu den Rostral- hinten Pu Ep De Der Co Es Wu vorn ét. en, « Fig. ©. Mikrophotogramm. 1:16. Sagittalschnitt durch das Rostrum des Embryos von Pristiophorus nudipinnis im Bereiche der Zahnanlagen des Seitenrandes. Der Zahnanlagen. Ep Schmelzepithel. Pu Pulpahöhle. De Dentin. Es Epidermis. Co Corium. Pla Anlage einer Placoidschuppe. Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 307 zähnen des Seitenrandes sind die letzteren alle von gleicher Größe und in regelmäßigen Abständen voneinander angeordnet. Auch bei Pliotrema hat REGaAN (1908) auf seiner Abbildung jene ventrale Zahnreihe dargestellt, sie jedoch im Texte nicht erwähnt. Jeden- falls scheint sie allen Pristiophoriden eigen zu sein. Bei Sclero- rhynchus atavus SM.-Wopw. sind sie bis jetzt nicht beobachtet. Charakteristisch für Pliotrema ist außer den sechs Kiemenspalten der gesigte Hinterrand der seitlichen Rostralzähne (REG&GAN, 1908). Nun besitzt auch eine von Davis (1888) als Trygon ensifer beschriebene, fossile Form, die aber von JAEKEL als Pristiophoride erkannt wurde (1890, p. 118), Rostralzähne, die auf beiden Seiten gesägt sind (JAEKEL, tab. 6 fig. 13—15). Es dürfte daher nicht ausgeschlossen erscheinen, daß Pliotrema zu jener fossilen Form aus dem Tertiär Neuseelands in näherer Beziehung steht. Bezüglich der Entwicklung der Rostralzähne sei erwähnt, dab diese embryonal nicht senkrecht zur Längsachse des Tieres angelegt werden, wie sie beim Erwachsenen angeordnet sind. Wie meine Schnittserien durch das Rostrum des Embryos von Pristiophorus nudipinnis zeigen (Textfig. A Derv, Textfig. C Der), liegen die An- lagen der Rostralzähne hier mit ihrer Längsachse annähernd in der Längsrichtung des Tieres (Taf. 20 Fig. 57, 58, 59 Der u. Derv); ihre Spitze ist nach hinten und etwas nach unten gerichtet, ihre Wurzel liegt vorn. Am Seitenrande erstrecken sich die Spitzen der vorderen weit unter der Basis der dahinterliegenden hin (Textflg. C). Es findet demnach das Eindringen des Schmelzepithels von hinten nach vorn in das subcutane Bindegewebe statt. Auf den Schnitten selbst zeigt sich die kolossale Höhe des ersteren (Textfig. C Ep), auch hat eine starke Dentinbildung bereits stattgefunden (Textfig. C De). Allgemein fand ich auch hier, wie schon JAEKEL (1890) an Dünn- schliffen festgestellt hat, daß die Dentinröhrchen von der Pulpahöhle aus in radiärer Richtung das Dentin durchsetzen. Die Pulpahöhle (Textfig. A u. C Pu) wird auch embryonal als solche angelegt, so daß wir es ontogenetisch mit „Pulpodentin“ zu tun haben. JAEKEL (1890, p. 93f.) führt dagegen phylogenetisch die Bildung der Pulpa- höhle auf zahlreiche „Vasa“ zurück und meint, daß dementsprechend auch ,,Vasodentin“ gegeniiber den „Pulpodentin“ das Primitivere sei. Dies glaubt er auch gerade bei den Pristiophoriden zeigen zu können, wo er bei seiner fossilen Form, Prist. suevicus JAEKEL (tab. 3 fig. 1), fand, „daß die Pulpahöhle noch seitliche Verästelungen treibt und typische Vasa bildet“. 308 LupwıG Horrmann, Da jene Hautzähne ohne Zweifel sich phylogenetisch aus Pla- coldschuppen entwickelt haben, so scheint mir hierdurch die embryo- nale Lage der Zähne, deren Längsachse mit der des Tieres zu- sammenfällt, erklärt. Denn auch bei der embryonalen Anlage der Hautzähne ist ebenfalls der eigentliche Zahn (die Krone) zunächst dem Körper angelegt, um sich erst später aufzurichten. Bei den Rostralzähnen der Pristiophoriden hat die Krone eine enorme Ausbildung erfahren (Textfig. A Derv u. C Der), während die Wurzel (die Basalplatte) nur verhältnismäßig schwach ausgebildet ist und auch schon im embryonalen Zustande hinter der Entwicklung der Krone stark zurückbleibt (Textfig. A Wu). Die Abbildungen (Text- fig. A u. C) zeigen, dab die Rostralzähne gegenüber den Placoid- schuppen auch ontogenetisch bereits hoch differenzierte Bildungen sind, nicht allein wegen ihrer besonderen Struktur und Größe, sondern auch in bezug auf ihre Anlage, die tief in das unter dem Corium liegende Bindegewebe, das subcutane Bindegewebe, eingesenkt ist (Textfig. 0). Beachtenswert ist es, daß die Anlagen der Rostralzähne des Seitenrandes bei dem jungen Embryo neben der überaus regelmäßigen Anordnung sämtlich die gleiche Größe und den gleichen Grad der Entwicklung zeigen (Textfig. C), während ich jüngere Anlagen nicht entdecken konnte. Die Zahl dieser Zahnanlagen beim Embryo (Taf. 13 Fig. 6, 7, 8) stimmt nun ungefähr mit der Zahl der größten Zähne, der Zähne erster Ordnung, auf dem Rostrum des erwachsenen Tieres (Taf. 13 Fig. 9, 10) überein. Infolgedessen scheint mir die Annahme berechtigt, daß die ersten Zahnanlagen des Seitenrandes, wie ich sie bei meinem Prist. nudipinnis-Embryo fand, nur den Zähnen erster Ordnung entsprechen, die auf dem Rostrum der älteren Tiere in be- stimmten Abständen stehen. Da ich keinerlei jüngere Zahnanlagen auf demselben Stadium fand, so müssen die kleineren Rostralzähne bedeutend später angelegt und gebildet werden. Gerade diese letzteren sind im Gegenatz zu den Zähnen erster Ordnung an Größe recht verschieden und zeigen alle Übergänge bis zum einfachen Hantzahne. Sie dienen jedenfalls dem Zahnersatz, und ich stimme darin JAEKEL zu, daß hier der Ersatz der Zähne durch seitliche Wucherung von neuen stattfinden dürfte. In der ventralen Zahn- reihe (Taf. 13 Fig. 8) stimmt die Zahl der Anlagen des Embryos mit der Zahl der Zähne der älteren Tiere etwa überein. Bei diesen haben wir also nur Zähne von gleicher Größe. Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 309 Der Nasenflügelknorpel. Am Nasenflügelknorpel von Pristiophorus (Textfig. D) hat das „bogenförmige Hauptstück“ (GEGENBAUR) (boh) sowohl vorn wie hinten seine Beziehungen zur Nasenkapsel gelöst. Zugleich zeigt die mediane „breite Knorpelplatte“ (din) an ihrem hinteren Ende keine Verbindung mehr mit dieser. Ein kleiner Fortsatz («) am Vorderrande derselben dürfte wohl dem „vorderen Fortsatz“ der übrigen Selachier entsprechen. Er wäre dann stark rückgebildet. Ein zweites mehr flächenförmiges Stück (6) entspringt vom lateralen Teile des „Haupt- stückes“. Es hat die Ge- stalt einer länglich ovalen Schale, die derart in der Nasenöffnung befestigt ist, daß ihre konkave Seite nach vorn gerichtet ist; ihre dorsale Hälfte erstreckt sich in die Nasenhöhle hin- ein, ihre ventrale ragt frei nach außen. Dieser Knorpel bildet die Stütze der Nasen- klappe, die die beiden Nasenöffnungenvoneinander trennt (Taf. 13 Fig. 8 NA). Ihre Ansatzstelle könnte nach ihrer Lage dem hin- Fig. D. Schematische Rekonstruktion des teren Fortsatz (8) der an- Nasenflügelknorpels von Pristiophorus nudi- derenSelachierentsprechen. |. En ei ce aa ? = boh bogenfürmiges Hauptstück. bkn mediane Das Wasser muß nach der Knorpelplatte. « vorderer Fortsatz. 8 Nasen- Anordnung der Teile auf klappenknorpel. No, vordere (äußere) Nasen- foleendem Wege über die öffnung. Nes WE CRUE Riechlamellen streichen: Beim Vorwärtsschwimmen des Tieres leitet die fast vertikal stehende, vorn konkave Klappe (Taf. 13 Fig. 8 NA, Textfig. D 8) das Wasser ihrer Vorderseite entlang durch die vordere Nasenöftnung (No,) in die Nasenhöhle. Nachdem es hier die Riechlamellen passiert hat, ge- langt es durch die hinter der Klappe gelegene „hintere Nasenöffnung‘“ (No,) wieder nach außen. Der Klappenknorpel färbte sich nicht, wie der übrige Schädel- knorpel, in Hämatoxylin-Pikrofuchsin blau, sondern intensiv gelb. 310 LupwıG HOFFMANN, Da er auch eine ähnliche Faserstruktur wie der Knorpel des Ten- takels zeigte, haben wir es allem Anscheine nach auch hier mit elastischem Knorpel zu tun. Bei beiden ist ja das Vorhandensein von elastischen Fasern nach ihrer Funktion leicht begreiflich. Vergleichen wir nun jene Ausbildung des Nasenflügelknorpels bei Pristiophorus mit den Zuständen bei den anderen Selachiern. Es zeigt sich, daß er gerade in wichtigeren Punkten von den meisten Haien abweicht: bei diesen besteht einmal eine feste doppelte Knorpelverbindung mit dem Nasenkapselknorpel. Weiterhin bildet hier der Nasenflügelknorpel einen geschlossenen Ring, wobei die mediale breite Knorpelplatte hinten mit dem „Hauptstück“ und dem Nasenkapselknorpel verwachsen ist (vgl. GEGENBAUR, p. 98 ff. und tab. 22). Ähnliche Zustände wie bei Pristiophorus finden sich da- gegen bei den Rochen (GEGENBAUR, 1872, p. 100). Die Verbindung des Nasenflügelknorpels mit dem Nasenkapselknorpel hat sich auch hier gelöst, bis auf einen kleineren medialen Teil. Vollständig hat der hintere Abschnitt des Hauptstückes diese Verbindung aufgegeben, und außerdem ist der Ringknorpel nach hinten und medianwärts offen. Nur in der Ausbildung des vorderen und hinteren Fortsatzes, worin schon die einzelnen Species der Gattung Raja stark variiren, finden sich bei Pristiphorus abweichende Verhältnisse. Allgemein kann man jedenfalls sagen, daß der Nasenflügelknorpel von Pristiophorus in zwei Hauptpunkten Beziehung zu den Rochen zeigt, nämlich insofern, als hier eine Trennung vom Nasenkapelknorpel bereits eingetreten ist, dann aber darin, daß der Nasenring auch hier nach hinten offen ist. In anderen Punkten, wie in der Ausbildung des vorderen und hinteren Fortsatzes sowie in der des Klappenknorpels, zeigt Pristiophorus eine in einer anderen Richtung gehende Modifizierung. Der Musculus obliquus inferior. Auf die Beschreibung der geraden Augenmuskeln und des Musculus obliquus superior an dieser Stelle näher einzugehen würde zu weit führen. Es genügt der Hinweis, dab ihre Inser- tionsstellen ähnlich wie bei den Rochen liegen. Merkwürdig ist jedoch bei Pristiophorus das Verhalten des Musc. obliquus inferior. Er besteht hier aus einer dorsalen und ventralen Partie. Die Ursprungsstelle des dorsalen Teiles liegt an der Hinterseite der präorbitalen Scheidewand, ventral von der des Musc. obliquus superior (Textfig. F; Taf. 22 Fig. 67 obl.inf), da wo die Seitenwand des Schädels vorn in die präorbitale Scheidewand übergeht, also genau Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 311 obl. sup. obl.inf. Fig. E. Schädel von Acanthias, schemat. nach GEGENBAUR, mit eingetragenen Insertionen der schrägen Augenmuskeln. obl. sup. obl.inf. obl.inf: Fig. F. Schädel von Pristiophorus, schemat. Fig. G. Schädel von Raja, schemat. nach Tresine. obl. sup Musculus obliquus superior. obl. inf Musculus obliquus inferior. obl. inf‘ ventraler Teil des Musculus obliquus inferior bei Pristiophorus. 312 Lupwic Horrmann. wie bei den Haien) (Textfig. E). Er läuft nun in dem ventralen Teile der Orbita an der Schädelwand hin nach hinten, dann etwas auswärts an der Unterseite des Bulbus hin (Taf. 22 Fig. 68 obl. inf). Hier beginnt er sich mit einem zweiten Muskel, seiner ventralen Partie, zu vereinigen (Taf. 23 Fig. 70 obl. inf‘). Diese ventrale Portion nimmt in dem vorderen Teile der Orbitalregion auf der ventralen Seite der Basalplatte über der Kiefermuskulatur ihren Ursprung (Textfig. F; Taf. 23 Fig. 69 obl.inf‘). Sie läuft seitwärts und etwas nach hinten. Am Seitenrande der Basalplatte zieht sie dorsal vom Ramus buccalis hin, wendet sich dann wieder nach unten und gelangt auf die ventrale Seite des ersten Teiles des Muse. obliquus inferior. Beide liegen hier dicht zusammen, so daß ihre Fasern nur schwer voneinander zu unterscheiden sind, und inserieren gemeinsam an der Unterseite des Auges (Taf. 23 Fig. 70 obl. inf, obl. inf‘). Bezüglich der Innervation dieses zweiten Teiles bin ich nicht ganz im klaren, doch glaube ich an der Hand meiner Präparate annehmen zu dürfen, dab er von dem gleichen ventralen Aste des Oculomotorius innerviert wird wie der erste Teil des Muse. obliquus inferior (Taf. 23 Fig. 69 Ocm“). Was nun die Funktion dieser ventralen Partie anlangt, so dürfte sie nach der Art ihrer Insertion am Bulbus, dem Verlauf ihrer Fasern, event. auch nach ihrer Innervation eine ähnliche Wirkung ausüben wie der dorsale Teil des Musc. obliquus inferior. Daß wir es auch in morphologischer Hinsicht jedenfalls mit einer Partie des Musculus obliquus inferior zu tun haben, das zeigt ein Vergleich mit den Rhinoraji, speziell Raja. Bei diesen (Textfig. G) finden wir die Ursprungsstelle des Musc. obliquus inferior nicht an der prä- orbitalen Scheidewand. Er entspringt vielmehr hier an der Unter- seite der Basalplatte als ein dünner flacher Muskel von großer Breitenausdehnung, dessen Wurzelansatz sich über den größten Teil der Orbitalbasis erstreckt (Tresine, 1896, tab. 5 fig. 3). Einen ähn- lichen Ursprung hat der Muskel auch bei anderen Rhinoraji. So erwähnt Tresine (1896), daß er auch bei Rhinobatus und Torpedo von der vorderen unteren Kante der Augenhöhle entspringt. *) Demnach würde Pristiophorus in diesem Falle eine Zwischen- stellung zwischen Haien und Rochen einnehmen, insofern hier nicht 1) Vgl. hinsichtlich Mustelus auch Auuıs (p. 134). 2) CORNING (p. 101) gibt für Trygon pastinaca an, daß der Muse. obliquus inferior von einer ziemlich ausgedehnten Linie am unteren Rand der knorpligen Orbita entspringt. Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 313 der ganze Musc. obliquus inferior ventralwärts gerückt ist, sondern nur ein Teil desselben seine Ursprungsstelle auf die Unterseite der Orbitalbasis verlegt hat. Die Wirbel. Die von mir untersuchten Wirbel entstammen der vorderen Rumpfregion des erwähnten Spiritusexemplars von Pristiophorus japonicus. Ein Wir- bel wurde in Celloi- din eingebettet und in diesem mittels 10°/, Salpetersäure in 90%, Alkohol entkalkt. Die Schnitte wurden nach der Our’schen Methode aufgeklebt und in DELAFIELD- schem Hämatoxylin gefärbt. Schon der äußere Bau stimmt mit den Angaben Hasse’s (1879) über- ein. Als wesentlich ist hervorzuheben, daß die oberen Bogen von den Wirbelkörpern deutlich abgesetzt sind. Das bezeichnet Hasse (1879, p. 98) in Merk ; ; ne pel ee Fig. H. Mikrophotogramm. 1:5. on Wenns es aug 1 Querschnitt durch die Mitte eines Rumpfwirbels von nicht ausschliess- Pristiophorus japonicus. liehden Plagiostomi « Innenzone. 3 verkalkte Mittelzone. y Außenzone. act die e äußere, à innere Schicht der Außenzone. ka Kalkschicht ectospondyl eigen der Außenzone. OB Obere Bogen. @ Querfortsätze. ist, doch im Zu- sammenhang mit alsbald zu erwähnenden Gründen eine Vereinigung mit den Cyclospondyli nicht gestattet.“ 314 Lupwie Horrmann, Die Verkalkung stimmt im wesentlichen mit derjenigen überein, wie sie Hasse (1879, p. 99ff) für die Schwanzwirbel von Prist. eirratus angegeben hat. Der Wirbelkörper zeigt genau dieselben Schichten (vgl. Hasse, 1879, tab. 13 fig. 4): nämlich eine Innenzone (Textfig. H «), die im Zentrum des Wirbelkörpers „vorgewuchert“ ist und aus „homogenem Vorknorpel“ besteht, dann die „zum zen- tralen Doppelkegel verkalkte Mittelzone“ (8), deren Zellen kon- zentrisch um die Chorda angeordnet sind, und drittens die stark ent- wickelte Außenzone (y). Letztere zerfällt nochmals in zwei Schichten, eine stärkere innere (Textfig. H 7) und eine äußere. An der Grenze beider hat sich um die Chorda eine zweite von dem konzentrischen Doppelkegel durchaus unabhängige Kalkschicht (ka) gebildet. Sie ist nicht einfach ringförmig, zeigt aber auch nicht auf Querschnitten eine so einfache Rechtecksfigur, wie sie Hasse für Prist. cirratus be- schreibt, auch weicht sie von der an den Schwanzwirbeln von Prist. japonicus angetroffenen Verkalkung (HAsse, tab. 13 fig. 5) dadurch etwas ab, daß sie nicht mehr aus zwei getrennten Abschnitten be- steht, sondern bereits wie bei Prist. cirratus einen geschlossenen Ring um den Wirbel bildet. Als typische tectospondyle Wirbel sind sie demnach einmal durch die selbständige Verkalkungsschicht der Außenzone (ka) und dann durch das getrennte Aufsitzen der oberen Bogen auf dem Wirbelkörper charakterisiert. Hasse hat nun (1879) nachgewiesen, daß der bei Pristiophorus angetroffene Zustand über Aellopus, einen fossilen Selachier, der nach JAEKEL (1894) sogar als Rhinobatide angesehen werden mub, und Æhinobatus thouini zu den übrigen Rhinobatiden hinüberführt (Hasse, 1879, p. 104). JAEKEL (1890, p. 110) beurteilt dagegen die Wirbelsäule von Pristophorus anders und kann durchaus keinen wesentlichen Unterschied von Acanthas, einem typischen Cyclospondylier, finden. Da er jedoch an seinem trocknen Material lediglich den äußeren Bau der Wirbel beschreibt und ihm entsprechende Dünnschliffe oder Schnittserien zu einer mikroskopischen Untersuchung nicht zur Verfügung standen, so dürften seine Angaben in diesen Punkten nicht allzu schwer ins Gewicht fallen. Jedenfalls hat meine Untersuchung gezeigt, dab auch bei den Rumpfwirbeln von Pristiophorus japonicus die für die Tectospondylier charakteristische zweite Verkalkungszone vorhanden ist und daß keine wesentlichen Unterschiede von Hasse’s Befunden an Pristiophorus eirratus und den Schwanzwirbeln von Prist. japonicus zu verzeichnen sind. Es behalten demnach auch die Beziehungen Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 315 von Pristiophorus, wie sie Hasse hinsichtlich der Wirbelverkalkung zu den Rhinobatiden festgestellt hat, ihre Berechtigung. Einer irrtümlichen Auffassung JarKen’s (1890, p. 110 u. 112) muß ich noch an dieser Stelle entgegentreten, wenn er glaubt, Hasse leite die Pristiophoriden von den Spinaciden ab oder bringe sie über- haupt auch nur zu diesen in nähere Beziehung. Die Besprechung der Pristiophoriden hinter den Spinaciden bei Hasse hat mit einer Verwandtschaft nichts zu tun, auch ein Hinweis auf primitive Cyelo- spondylier darf nicht in diesem Sinne gedeutet werden. Denn Hasse sagt ausdrücklich (1879, p. 110): „Pristiophorus wird damit von den Cyclospondyli entfernt, und da an eine direkte Verwandtschaft mit den Asterospondyli nicht zu denken ist, so ist ein unmittelbarer Anschluss nur an Formen, welche den Notidaniden nahe standen, möglich und diese sind dann die Stammformen der ganzen Gruppe.“ Der Schultergirtel. Auf der Ventralseite sind beide Hälften des Schultergürtels von Pristiophorus fest miteinander verbunden, und an keiner Stelle findet sich eine dünnere oder weichere Knorpelpartie, wie es GEGEN- BAUR (1865) für die Haie angibt. In der Medianlinie bildet viel- mehr der hintere Teil der ventralen Knorpelmasse einen starken dicken Stab, der wohl dem gesamten ventralen Knorpelbalken der Rochen entspricht (Taf. 16 Fig. 27 vB). Nach vorn ist er dagegen in eine dünnere, breite, nach oben etwas konkave Knorpelplatte (pl) ausgezogen. An der Seite des Schultergürtels, etwa in der Mitte zwischen dem äußeren Nervenforamen und der ventralen Medianlinie, findet sich an der vorderen Kante die Stelle, an die sich der hinterste Kiemenbogen anlehnt (Taf. 16 Fig. 26 ki). Zur Ausbildung eines Gelenkkopfes oder einer Gelenkpfanne ist es an diesem Punkte nicht gekommen, und die betreffende Stelle ist nur als flache Vorwölbung sichtbar. Der obere Abschnitt des Schultergürtels ist relativ lang (Taf. 16 Fig. 25 w) und endigt frei, ohne mit Fortsätzen der Wirbel- säule in Beziehung zu treten, und besteht aus bedeutend weicherem Knorpel. Die Abgliederung eines besonderen Knorpelstückes wie bei Acanthias findet nicht statt. Interessant ist die Gelenkbildung für die Flosse bei Pristiophorus. Es finden sich drei deutlich ausgeprägte Gelenkköpfe, die auf einer etwas schwächer abgesetzten Leiste sitzen (Taf. 16 Fig. 26 gl). Letztere liegt nicht horizontal, sondern ist von hinten nach vorn etwas dorsalwärts verschoben, auch erscheint sie etwas nach hinten 316 LupwıG Horrmany, gerückt, so dab der hinterste Gelenkkopf auf den Hinterrand des Schultergürtels zu liegen kommt (Taf. 16 Fig. 25 u. 26 g,). Der mittlere Gelenkkopf (g,) ist am stärksten ausgebildet und setzt sich oben und unten in eine Leiste fort, die allmählich in den Hinterrand übergeht (Taf. 16 Fig. 26 la). Die Innenseite des Schultergiirtels ist konkav und durch eine scharfe dorsale und eine stumpfere ventrale Längskante von der Hinterseite abgesetzt (Taf. 16 Fig. 27 Ul). An der Außenseite des Schultergürtelknorpels fand ich zwischen 1. und 2. Gelenkkopfe, und zwar etwas nach vorn verschoben, das dorsale und ventrale Austrittsloch (o.«) für die Flossennerven, von denen der obere den „Heber“, der untere den „Senker“ der Flosse innerviert. An der Innenseite des Schultergürtels vereinigen sich die Kanäle beider in einer gemeinsamen Grube (e). Auch zwischen dem mittleren und hinteren Gelenkkopfe öffnet sich ein Nervenkanal. Er liegt nur auf der ventralen Seite (w'). Seine hintere Eintritts- öffnung (e‘) ist bedeutend kleiner als die des erstgenannten Kanals. Demnach unterscheidet sich Pristiophorus in wesentlichen Punkten von den Haien. Einmal ist bei letzteren die Verbindung der beider- seitigen Schultergürtelknorpel an der ventralen Seite sehr dünn und weich.‘ Ferner besitzen die meisten Haie, wie etwa Acanthias, eine selenkartige Verbindung des hintersten Kiemenbogens mit dem Schultergürtel, in Gestalt von drei halbkugligen Vorragungen, die zusammen einen Längswulst bilden (GEGENBAUR, 1865, tab. 4 fig. 9 Dh). Der größte Unterschied besteht jedoch in der Ausbildung des Flossen- selenkes. Es ist bei den meisten Haien eine einfache Leiste, und nur bei Acanthias und Rhina squatina findet sich ein einziger gelenk- kopfartiger Vorsprung, der bei Rhina die ganze Flosse, bei Acanthias nur einen Teil derselben trägt, während eine Leiste lateralwärts vom Gelenkkopf das vordere Basalstück der Brustflosse trägt. Schließlich fehlt noch bei den Haien ein zweiter Nervenkanal (GEGEN- BAUR, 1865). Demgegenüber finden wir verschiedene wichtige Übereinstim- mungen mit den Rhinobatiden. Die starke konkave Innenseite des Schultergürtelknorpels von Rhynchobatus ist bei Pristiophorus schon angedeutet. Vor allem aber ist bei Rhynchobatus eine horizontale Leiste vorhanden, auf der 3 Gelenkköpfe sitzen, also eine wesent- liche Übereinstimmung mit Pristiophorus, nur daß bei letzterem die Leiste etwas schräg gestellt ist. Auch bei Ahynchobatus finden sich die äußeren Öffnungen (0. u) (GEGENBAUR, 1865, tab. 4 u. 5) zwischen dem 1. und 2. Gelenkkopfe und münden auch an der Innenseite in Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 317 eine gemeinsame Grube. Außerdem führen hier zwischen dem 2. und 3. Gelenkkopfe 2 Kanäle durch den Schultergürtelknorpel, die sich ebenfalls auf der Innenseite zu einem einzigen vereinigen. Dieser letzte Kanal fehlt, wie wir gesehen haben, vollständig bei den Haien, dagegen fand sich bei Pristiophorus der untere Teil des- selben vor. Von dem Verhalten von Rhynchobatus sind nach GEGEN- BAUR (1865, p. 82ff) die weitergehenden Modifikationen bei den anderen Rhinoraji abzuleiten. Zum Schluß muß ich noch kurz auf die Verbindung des Schulter- gürtels mit der Wirbelsäule zu sprechen kommen. Bei Haien und Pristiophorus fehlt sie. Aber auch bei den Rhinoraji kommt sie lediglich dadurch zustande, daß von der die ersten Wirbel ver- bindenden Knorpelmasse Fortsätze nach der Seite und nach unten ausgehen, an denen die dorsalen Enden des Schultergürtels articu- lieren, ohne daß es jedoch zu einer besonders starken Verlängerung des letzteren gekommen ist. Die Hautsinnesorgane. Die einzige Arbeit, in der ich einige Bemerkungen über die Sinneskanäle und Lorenzinischen Ampullen von Pristiophorus fand, ist die von Garman (1888). Er hat die Betrachtung der Sinnes- kanäle ohne Rücksicht auf die Art ihrer Innervation durchgeführt und sie auch dementsprechend benannt. Gleichwohl ist seine Arbeit, die noch zahlreiche andere Selachier behandelt, als eine der ersten über diesen Gegenstand von grundlegender Bedeutung. Am Schluß seiner Arbeit sucht er denn auch die Anordnung der Sinneskanäle in systematischer Hinsicht zu verwerten. Wenn er hierin vielleicht auch etwas zu weit geht, so dürfte gleichwohl aus seiner Arbeit hervorgehen, daß die Anordnung der Kanäle von einem gewissen systematischen Wert ist. Später ist man dazu gelangt, für die Sinneskanäle eine mehr natürliche Einteilung und Benennung nach der Art ihrer Innervation zu schaffen. Auf diese Benennungen treffen wir denn auch in den Arbeiten von Ewart (1895) und ALLIs (1902); sie sind schließlich auch in die größeren Lehrbücher über- gegangen, wie GEGENBAUR (1898) u. A. Gleichwohl hat GoopricH (1908) wieder auf die alte Benennung Garmaws zurückgegriffen. Ich schließe mich, wie ich es für Pristis getan habe, an Ewarr und ALLIS an. Der Supraorbitalkanal beginnt dorsal da, wo der Infra- orbitalkanal auf die ventrale Seite tritt, etwa an der Grenze von 318 Lupwic HOoFFMANN, Orbital- und Labyrinthregion (Taf. 14 Fig. 16 Supr. C,), krümmt sich, wie auf der Abbildung zu sehen ist, medianwärts und bildet hier um den dorsalen Rand des Auges eine konkave Schleife, um dann unmittelbar vor diesem in gerader Richtung zum vorderen Ende des Rostrums zu verlaufen (Taf. 14 Fig. 16 Supr. C,). Für diese beiden ersten Unterabteilungen des Supraorbitalkanals können wir die Be- nennungen GARMAN’s beibehalten: die Krümmung dorsal vom Auge würde dann dem Cranialkanal, der daran anschließende vordere Teil dem Rostralkanal entsprechen. Ein merkwürdiges Verhalten zeigt der ventrale Teil des Supra- orbitalkanals, der dem Subrostralkanal GaRMAn’s entspricht, ein Ver- halten, das von dem der übrigen Selachier vollständig abweicht. Hinten beginnt er an der Stelle (Taf. 14 Fig. 17 Supr. C;), wo sich der Infraorbitalkanal in fast rechtem Winkel medianwärts wendet, und setzt den lateralen Schenkel desselben nach vorn unter kurzer Krümmung fort. Er verläuft hier nach vorn in einer flachen, all- mählich tiefer werdenden Rinne des lateralen Nasenknorpels (Taf. 22 Fig. 64, 65 Supr. C,). Vor der Nasenkapsel behält er zunächst diesen lateralen Verlauf in einer flachen Rinne an der Ventralseite der lateralen Knorpelstücke bei (Taf. 20 Fig. 59, 58 Supr. C,). Plötzlich durchsetzt er jedoch in dem oben erwähnten Kanal in fast senk- rechter Richtung die laterale Knorpelmasse und mündet in den dorsalen Supraorbitalkanal (Taf. 20 Fig. 57, Taf. 14 Fig. 17 dv. com). Auf den folgenden Schnitten fehlt nun der Supraorbitalkanal.. Doch ist er weiter vorn wieder vorhanden, zwar nicht als Kanal, sondern, wie ein Sagittalschnitt zeigt (Textfig. A Supr. C,, Taf. 13 Fig. 8 Supr. C,), als einzelne Sinnesorgane, von denen jedes seine eigene ausführende Röhre besitzt und von einem eigenen Nervenästchen innerviert wird. An der Spitze des Rostrums zeigt dieser nochmals eine Vereinigung mit dem dorsalen Supraorbitalkanal. Ersterer rückt hier am Seitenrande der Knorpelmasse aufwärts und geht in den dorsalen Supraorbitalkanal über (Taf. 13 Fig. 18 Supr. C;). Wir haben es also mit einem Auflösen des größten Teiles des ventralen Supraorbitalkanals in einzelne Kammern für je ein Sinnesorgan zu tun. Dieses abweichende Verhalten dürfte auf das Auftreten der ventralen Reihe von Rostralzähnen zurückzuführen sein; denn die Sinnesorgane des ventralen Supraorbitalkanals liegen hier direkt zwischen den einzelnen Zähnen und alternieren mit diesen (Taf. 14 Fig. 17, Textfig. A). Was nun die beiden Kommunikationen mit dem dorsalen Supraorbitalkanal anlangt, so dürfte die am vorderen Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 319 Ende gelegene (Supr. C,) als die phylogenetisch ältere anzusehen sein, die eben der Kommunikation der anderen Selachier entspricht. Die zweite, unmittelbar vor der Nasenkapsel gelegene Kommunikation (dv. com) ist dann nur als eine sekundäre Bildung aufzufassen. Mit den Angaben von Garman stimmt mein Befund nicht ganz überein. Auf tab. 22 fig. 2 zeichnet er den ventralen Supraorbitalkanal als einen zusammenhängenden Kanal, der bis zur Spitze des Rostrums verläuft. Gleichwohl erwähnt er im Texte, dab „Praenasal-“ und „Subrostralcanal“ sehr lang sind, er sie aber nicht bis an das Ende des Rostrums verfolgen konnte. Die Zahl und Anordnung der Sinnesorgane bietet besonders in der Orbitalregion und im Gebiete der Nasenkapsel einiges Interesse, während auf dem Rostrum selbst gleichmäßige Verhältnisse herrschen. Vom Beginn des Supraorbitalkanals am Infraorbitalkanal bis zur präorbitalen Scheidewand fand ich 11 Sinnesorgane, die hinten relativ dicht stehen, vorn allmählich etwas auseinanderrücken. Zu ihm gehören ebenso viele ausführende Röhren, die den Kanal mit der Oberfläche verbinden. Im hinteren Teile des Kanals steht ihre innere Öffnung gerade über je einem Sinneshügel, weiter nach vorn rücken sie all- mählich von den Sinnesorganen weg, und die innere Mündung jedes Röhrchens liegt nun in der Mitte zwischen je 2 Sinnesorganen. Die Röhrchen selbst sind nach hinten gerichtet, und es münden ein die 6 hintersten auf der medialen, die übrigen auf der lateralen Seite des Supraorbitalkanals. In der Partie vom Vorderrande der Orbita bis zur hinteren Kommunikation mit dem ventralen Supraorbital- kanal fand ich etwa 8 Sinnesorgane und ebenso viele Röhren. Sie liegen in bedeutend größeren Abständen voneinander, und auch die ausführenden Röhren sind bedeutend länger; ihre innere Mündung liegt direkt über den Sinneshiigeln. Auch sie besitzen einen nach hinten gerichteten Verlauf und münden auf der lateralen Seite des Supraorbitalkanals. Die Zahl der Sinnesorgane und ausführenden Röhren der sekun- dären Kommunikation mit dem ventralen Supraorbitalkanal konnte ich nicht genau feststellen. Auf dem Verbindungsstück zählte ich ‚etwa 3—4 ausführende Röhren, die nach hinten und der Seite ge- richtet sind. Auf dem rostralen Teile finden wir ähnliche Verhält- nisse wie eben für den cranialen Teil beschrieben. Die Sinnesorgane liegen noch weiter auseinander, die ausführenden Röhren laufen nach hinten und lateralwärts. Charakteristisch für den dorsalen Teil des Supraorbitalkanals ist Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 21 320 Lupwic HoFFMANN, die Wandung. Sie besteht bei dem Pr. nudipinnis-Embryo aus fibril- lärem vielzeiligem Bindegewebe, das jedenfalls aus dem Corium abge- leitet werden muß, mit dem es hier im histologischen Bau überein- stimmt. Ein ähnliches Gewebe beschreibt Ewarr (1895) für den dorsalen Supraorbitalkanal von Raja als ,cutaneous type“ und bildet es auch ab (tab. 13 fig. 8). Der ventrale Teil des Supraorbitalkanals besitzt bis zur sekun- dären Kommunikation etwa 8 Sinnesorgane und ebenso viele aus- führende Röhren (Taf. 14 Fig. 13 Supr. C,), die lateral und nach hinten ausmünden. Ihre innere Mündung liegt anfangs zwischen je zwei Sinnesorganen, weiter nach vorn direkt über diesen. Auf dem eigentlichen rostralen Teil hat sich, wie oben schon erwähnt, der Kanal in seine einzelnen Sinnesorgane aufgelöst, von denen jedes in einer eigenen Kammer (Textfig. A Supr. C,) liegt und seine eigene ausführende Röhre besitzt. Diese haben einen relativ kurzen Verlauf und münden etwas seitlich und nach hinten an der ventralen Seite aus. Dem ventralen Supraorbitalkanal ebenso wie den ihm ent- sprechenden einzelnen Sinnesorganen fehlt jene fibrilläre Bindegewebs- wand, wie sie für den dorsalen Teil typisch ist. Wir finden den Kanal vielmehr in das unter dem Corium liegende lockere Binde- gewebe eingesenkt, und zwar besonders auf dem rostralen Teile, während er im Gebiete der Nasenkapsel von einem dünnen, aber straffen Bindegewebe umgeben ist, das zu dem Corium in Be- ziehung steht. Vergleichen wir den Verlauf und die Anordnung der Röhren und Sinnesorgane mit dem Verhalten der anderen Selachier: Wie das Neurocranium, so zeigt auch das Verhalten der Sinnesorgane bei den Galeoidei derartige Abweichungen, daß es überflüssig erscheint, sie hier zum Vergleiche heranzuziehen. Ich verweise hier nur auf die Arbeit von Anus (1902), der die Hautsinnesorgane von Mustelus be- handelt hat. Größere Ähnlichkeit besitzt Pristiophorus dagegen mit Acanthias, den Spinaciden also, und den rostrumtragenden Rochen andrerseits. Auch bei Acanthias und Raja besitzt der craniale Teil des Supraorbitalkanals (Garman, 1883, Ewart, 1895) eine geringe nach dem. Außenrande hin konkave Krümmung. Eine Angabe über das Verhalten der Sinneshügel und ausführenden Röhren konnte ich für Acanthias nicht finden; dagegen zeigt Raja ‚ähnliche Ver- hältnisse wie Pristiophorus, insofern als auch hier die hintersten Röhrchen auf der medialen Seite ausmünden, die übrigen dann auf der lateralen Seite des Supraorbitalkanals. Nirgends kommt es bei Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 321 Raja zur Ausbildung von komplizierten, sich verästelnden und mit: einander kommunizierenden Röhren. Ja im Gegensatz zu Pristiophorus fehlen hier die Röhren auf dem vorderen Teile des Rostrums über- haupt. Bei Pristis zeigen jene Röhren sogar, wie oben erwähnt, ein komplizierteres Verhalten, indem sie sich verästeln und miteinander kommunizieren. Für den ventralen Teil des Supraorbitalkanals von Pristiophorus finde ich schon darin eine Übereinstimmung mit den Rochen und eine Abweichung von den Haien, daß der Kanal ganz auf der ventralen Seite verläuft und nicht wie bei den Haien am lateralen Rande. Für das Auflösen des rostralen Teils des ventralen Supraorbitalkanals in einzelne Kammern fand ich weder bei den Haien noch auch den Rochen ähnliche, ein Zeichen dafür, daß wir es bei Pristiophorus hier mit einer sekundären Modifikation zu tun haben. Eine weitere Abweichung von den Rochen besteht darin, dab es bei Pristiophorus nicht zur Ausbildung jener ventralen Schleife kommt. Ferner ist Raja von Pristiophorus dadurch verschieden, dab das hintere Ende des ventralen Supraorbitalkanals, der bei Pristio- phorus (vel. Taf. 14 Fig. 17 Supr. C,) ähnlich wie bei Acanthias in den nasalen Teil des Supraorbitalkanals mündet und sich in den Orbito-Nasalkanal Garman’s fortsetzt, bei Raja bereits vor dem Orbito-Nasalkanal lateralwärts in den ventralen Teil der sub- orbitalen Schleife mündet (Kwart, 1895 fig. 7). Dagegen scheint bei Rhynchobatus (vgl. die Abbildung Garman, 1888) und auch bei Pristis, wie ich oben zeigen konnte, ein ähnlicher Zustand zu herrschen wie bei Pristiophorus, indem der hintere Teil des ventralen Supra- orbitalkanals nicht in die suborbitale Schleife mündet, sondern in den medial gelegenen Teil (nasalen Kanal Garman’s) des Infraorbital- kanals (Taf. 14 Fig. 15 Sup. C,). In der Art der Wandung zeigt Pristiophorus ebenfalls Übereinstimmung mit den Rochen, insofern auch letztere eine ähnliche Wandung aus fibrillärem Bindegewebe im dorsalen Teile des Supraorbitalkanals besitzen und also den ,cutaneous or dorsal type“ Ewart’s (1895, p. 58) repräsentieren Jener Typus ist eben dadurch ausgezeichnet, daß der Kanal ein engeres Lumen besitzt, fast im Corium und in enger Lagebeziehung zum Knorpelschädel liegt. Während nun Ewart für Raja angibt (p. 58), daß eben jene Wand aus „fibro-cartilage“ besteht, konnte ich bei dem Pr. nudipinnis-Embryo in jenem Bindegewebe keine Knorpelzellen entdecken. Der ventrale Teil des Supraorbital- kanals zeigt den ventralen oder „subcutaneous“ type Ewart’s, 21* 322 LupwıG Horrmany, der ohne Beziehung zum Knorpeleranium und tief in das Unterhaut- bindegewebe eingebettet ist. Die gesamte Innervation des Supraorbitalkanals wird besorgt durch die Facialisfasern des Ramus ophthalmicus superficialis. Er tritt mit den anderen Trigeminusästen durch das Foramen trigemini nach außen (Taf. 15 Fig. 20 Tr, Taf. 24 Fig. 75, vgl. S. 268), läuft an der ventralen Seite des Orbitaldaches nach vorn und beginnt hier nacheinander etwa 9 Ästchen abzugeben, die einzeln das Orbital- dach durchbrechen und mit ein oder zwei Ausnahmen je ein Sinnes- hügel des dorsalen Supraorbitalkanals innervieren (Taf. 23 Fig.70, 71; Taf. 15 Fig. 199). Zugleich mit diesen sensorischen Fasern treten auch Nervenfasern aus, die das umgebende Gewebe der dorsalen Oberfläche versorgen. Auch während seines Verlaufes im Präorbital- kanal gibt der Nerv zunächst noch 5 Astchen ab (Taf. 22 F ig. 65 p), die das dorsale Dach durchsetzen und den Supraorbitalkanal inner- vieren. Mit dem Auftreten der oben erwähnten Lücke in dem Dache der Nasenkapsel findet die Innervation des Sinneskanals direkt statt (Taf. 20 Fig. 59 fon). Aus ihrem Vorderrande tritt dann der Nerv auf die dorsale Rinne des Rostrums, und von jetzt ab liegt der Supraorbitalkanal auf dem ganzen Rostrum direkt dorsal vom Nerven. Gleichzeitig sind auch die Fasern des Ophthalmicus pro- fundus und Ophthalmicus superficialis eine derartig enge Lagebe- ziehung zueinander eingegangen, daß sie nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind: sie sind von einer gemeinsamen Bindegewebs- hülle umgeben .(Taf. 20 Fig. 58 R. Oph). Was den ventralen Teil des Supraorbitalkanals anlangt, so wird er, wie bereits oben erwähnt, von einem größeren Aste des R. oph- thalmicus in seinem hintersten Teile innerviert, dem Ramus ethmoi- dalis GEGENBAURS. Er zweigt in der Nasenhöhle vom Ramus ophthalmicus superficialis ab (Taf. 22 Fig. 64 R. Eth), läuft vorwärts und seitwärts nach dem Vorderende der Nasenhöhle, um sich hier zu verästeln (Taf. 20 Fig. 59, Taf. 14 Fig. 13 R. Eth). Die 4 Ästchen dringen einzeln durch die laterale und vordere Wand der Nasen- kapsel auf die ventrale Seite und innervieren hier die 6 hintersten Sinnesorgane des ventralen Supraorbitalkanals. Die Versorgung der weiteren Sinneshügel sowie der einzelnen Sinneskammern, in die sich der Kanal vor der sekundären Kommunikation aufgelöst hat, findet derart statt, daß sich einzelne Astchen vom Ramus ophthalmicus loslösen, in fast lateraler und ventraler Richtung durch die paarige Knorpelwand dringen und auf der ventralen Seite dann die einzelnen Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 323 Sinneshügel innervieren (Taf. 20 Fig. 57, 58, Textfig. A R. Oph’). Da wo sich der Kanal in einzelne Sinneskammern mit je einem Sinnes- hügel aufgelöst hat, wird jedes Sinnesorgan von einem eigenen Nerven innerviert. Betrachten wir nunmehr das Innervationsgebiet des Ramus ethmoidalis bei verschiedenen Haien und Rochen, so sehen wir, dab er bei Raja (Ewart, 1895) den ganzen ventralen Teil des Supra- orbitalkanals innerviert, bei Mustelus (Auvıs, 1902) nur den hinteren Teil, Organ 1—16, bis zur Spitze der Nasenkapsel, der übrige Teil wird hier von Ästchen innerviert, die vom R. ophthalmicus super- fieialis einzeln auf die ventrale Seite treten. Ähnlich verhält sich Somniosus (Ewart, 1895). Bei Pristis (S. 270) sind die Verhältnisse, wie wir gesehen haben, sehr abweichend, ein Ramus ethmoidalis existiert hier nicht mehr, da das Innere der Nasenkapsel durch eine sekun- däre Scheidewand vollständig von dem Präorbitalkanal getrennt ist. Die ihm entsprechenden Nervenäste (Taf. 14 Fig. 11, 12i—h) treten einzeln über oder vor der Nasenkapsel auf die ventrale Seite. All- gemein kann man jedenfalls sagen, daß der Ramus ethmoidalis der Rochen trotz seines verschiedenen Verlaufes dem der Haie entspricht; denn er innerviert stets einen kleineren oder größeren Teil des ventralen Supraorbitalkanals, und zwar immer den hintersten Teil desselben. Der Infraorbitalkanal beginnt auf der dorsalen Seite des Tieres kurz vor dem Hinterrande des Auges, da wo der Supraorbital- kanal sich nach hinten in den Lateralkanal fortsetzt (Taf. 14 Fig. 16 Inf. C,). Der Kanal (Taf. 24 Fig. 75 Inf. C,) wendet sich zunächst lateral und nach hinten, gleichzeitig ventralwärts am Hinterrande des Auges entlang, als Orbitonasalkanal Garman’s. Nachdem er den ventralen hinteren Rand des Auges erreicht hat (Taf. 14 Fig. 17 Inf. C,, Taf. 23 Fig. 72 Inf. C,), läuft er zunächst auf der dorsalen Seite des fibrillären Bindegewebsstranges (vel. S. 305) des Seiten- randes nach vorn (Taf. 23 Fig. 71, 70, 69 Inf. C,) und zugleich am unteren Augenrande entlang bis etwa zur vorderen Orbitalwand (Taf. 14-Fig. 17 Inf. C,, Taf. 14 Fig. 13 Inf. C,). Hier wendet er sich unter spitzem Winkel wieder nach hinten und rückt zngleich auf die ventrale Seite, um hier mit dem Hyomandibularkanal zu kommunizieren (Taf. 14 Fig. 17, Taf. 14 Fig. 13, Taf. 23 Fig. 69 Inf. C;), der die alte Richtung des Infraorbitalkanals nach hinten fortsetzt. Dieser wendet sich selbst von neuem nach vorn (Inf. C,), läuft zunächst seinen ersten Schenkeln, die die suborbitale Schleife 324 Lupwie Horrmann, bilden, parallel, wendet sich jedoch gleichzeitig etwas medial auf der ventralen Seite des fibrillären Bindegewebsstranges bis etwa zum hinteren Rande der Nasenöffnung (Inf. C,, Taf. 22 Fig. 66 Inf. C;). Hier kehrt er unter fast rechtem Winkel medianwärts, während der ventrale Supraorbitalkanal (Supr. C,) seine alte Richtung fortsetzt. An dem hinteren Rande der Nasenöffnung läuft er unter stumpfem Winkel wieder nach hinten (Taf. 14 Fig. 17 Inf. C,, Taf. 22 Fig. 67, 68 Inf. C,), bis er die Medianlinie der Schädelbasis erreicht (Taf. 22 Fig. 67, 68 Inf. C,), wo er sich mit dem der anderen Seite zu einem unpaaren medianen Kanal vereinigt, der nun genau in der Median- ebene der Schädelbasis nach vorn zieht. In der Höhe des Hinter- randes der Nasenkapsel trennen sich beide (Taf. 14 Fig. 17 Inf. C,, Taf. 22 Fig. 66 Inf. C,), laufen etwas lateralwärts an der Unter- seite der Schädelbasis, meist in einer flachen Rinne des Basal- knorpels (Taf. 22 Fig. 65, 64 Inf. C,), bis sie am vorderen Ende der Nasenkapsel in die ventrale Rostralfurche rücken (Taf. 20 Fig. 52, 58, 57), hier in einer Lage ventral vom Ramus buccalis bis an das Ende des Rostrums verlaufend (vgl. auch Taf. 14 Fig. 17, Taf. 14 Fig. 12). Der Befund eines unpaaren medianen Kanals an der ven- tralen Seite stimmt mit den Angaben von GARMAN (1888, p. 87) nicht überein. Er sagt: „In front of the mouth the canal is turned back, it has a moderate nasal curve, and does not connect with its fellow to form a median.“ Es könnnte ja eventuell jener ab- weichende Befund auf der Untersuchung einer anderen Pristiophorus- Species durch Garman beruhen. Auf alle Fälle kann jedoch jener Punkt nicht für eine etwaige Verwandtschaft mit Acanthias in Be- tracht kommen, wie es eben GARMAN will, da bei dieser Form ein Mediankanal fehlt. Der erste Teil des Kanals von seinem Ursprung am Lateralkanal (Inf. C,) bis zur Kommunikation mit dem Hyo- mandibularkanal (Taf. 14 Fig. 17 (Inf. C,) mitsamt der suborbitalen Schleife, der dem Orbital- und Suborbitalkanal Garman’s entspricht, repräsentiert den englumigen „dorsal or cutaneous type“ Ewarr's, dessen Wände aus dichtem fibrillärem Bindegewebe bestehen, das aus dem Corium her abzuleiten ist. Von der Stelle ab (Inf. C,), wo der Kanal den Rand des fibrillären Bindegewebsstranges (Bstr) erreicht, tritt seine Wandung in enge Beziehung zu diesem, ja die ganze suborbitale Schleife rückt in ihn hinein (Inf. O,—Inf. C,). Die Zahl der Sinnesorgane mit ausführenden Röhren im orbi- talen Teil Garman’s konnte ich nicht genau feststellen, anscheinend entspricht hier jedem Sinnesorgan eine ausführende Röhre, die nach Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 325 hinten verlaufen und austreten; besonders in der mittleren Partie fand ich die Röhren auffallend kurz. Die eigentliche suborbitale Schleife vom hinteren Augenrande bis zur Kommunikation mit dem Hyomandibularkanal zeigt etwa 13—14 Sinneshügel nnd ebensoviel ausführende Röhren, die lateral und nach hinten verlaufen (Taf. 14 Fig. 13 Rö). Der ventrale Schenkel der Schleife (Inf. C,—Inf. C,) hat ein besonders kleines Volumen und verläuft vollständig in dem fibrillären Bindegewebsstrang des Seitenrandes. An ihm konnte ich 4—5 Sinnesorgane und ebensoviel ausführende Röhren zählen. Die folgende Partie bis zur Kommunikation mit dem ventralen Supra- orbitalkanal (Taf. 14 Fig. 13 Inf. C,), die dem Orbitonasalkanal GARMAN’s entspricht, verläuft an der ventralen Seite des fibrillären Bindegewebes, schon etwas außerhalb derselben, und nur seine late- rale Hälfte liegt in dieser. Sein Lumen ist bedeutend größer. Im ganzen konnte ich hier 6 Sinnesorgane zählen und ebensoviel aus- führende Röhren, die nach hinten und medianwärts gerichtet sind. Der an den Orbitonasalkanal anschließende Teil trennt sich unter fast rechtem Winkel von diesem, während die alte Richtung vom Supraorbitalkanal fortgesetzt wird. Er entspricht bis zur Vereini- gung mit dem der anderen Seite (Taf. 14 Fig. 13 Inf. C,) dem Nasal- kanal Garman’s. In dem lateralen, etwas gewellten Teile enthielt er 7 Sinnesorgane und ebensoviele direkt nach hinten verlaufende Röhren, von denen die medialste die längste ist. In dem nun folgen- den nach hinten gerichteten Abschnitt zählte ich bis zum Median- kanal 9 Sinnesorgane mit der entsprechenden Zahl von Röhren, die nach der Mitte hin ständig an Größe zunehmen und direkt nach hinten gerichtet sind. Der mediane, unpaare Kanal (Inf. C,—Inf. C3) besitzt drei doppelte Sinnesorgane, die jedenfalls auf die Entstehung dieses Teiles aus 2 Kanälen zurückzuführen sind. Dagegen fand ich hier nur 2 unpaar ausführende Röhren, die hintereinander in der Medianebene auf der ventralen Seite des Kanals nach hinten ausmünden (Taf. 14 Fig. 13). Am pränasalen Teil, der bis zum Eintritt in die Buccalisrinne des Rostrums reicht, finden sich 9 Sinnesorgane, ihre ausführenden Röhren laufen nach hinten und außen. Von hier zieht nun der Kanal in gerader Richtung nach vorn und endet an der Spitze des Rostrums blind. Die Röhren münden auch auf dem Rostrum medianwärts und nach hinten auf der ven- tralen Seite. Ihre Zahl entspricht der der Sinnesorgane. Ziehen wir nun die bei anderen Haien und Rochen gefundenen Verhältnisse zum Vergleiche heran. Hinsichtlich des abweichenden 326 LupwıG HorFMAnN, Verhaltens von Mustelus, der ja für eine eventuelle Verwandtschaft nicht in Betracht kommt, verweise ich wiederum auf Azzis (1902). Somniosus (EWART, 1902) unterscheidet sich im wesentlichen darin von Pristiophorus, daß eine dorsale Kommunikation des Infraorbital- kanals mit dem Lateralkanal unterblieben ist und diese blind endigen. Eine suborbitale Schleife oder auch nur eine Andeutung derselben fehlt, doch zeigt auch hier die orbito-nasale Partie (Ewart, 1895, tab. 1) dieselbe Richtung wie der ventrale Supraorbitalkanal und der Hyomandibularkanal und stimmt auch in der relativen Größe etwa mit Pristiophorus überein. Im nasalen Teil läuft er jedoch direkt medial und vorwärts und vereinigt sich hier nach der Bildung einer nach hinten offenen Schleife mit dem der gegenüberliegenden Seite zu einem unpaaren Mediankanal. An der Spitze des Rostrums besitzt der Infraorbitalkanal keine Kommunikation mit dem Supra- orbitalkanal. Etwas größere Übereinstimmungen finden sich mit Acanthias (GARMAN, 1888). So finden wir neben der dorsalen Kom- munikation mit dem Lateralkanal eine Andeutung einer suborbitalen Schleife (GARMAN, tab. 19 fig. 2), die bei Pristiophorus dann stärker ausgebildet ist. Eine Übereinstimmung zwischen beiden finde ich auch in dem orbito-nasalen Teile, der hier ausgezeichnet ist durch eine relative Länge. Ein bedeutender Unterschied besteht jedoch in bezug auf den nasalen Teil. Er besitzt bei Acanthias einen Zförmigen Verlauf und vereinigt sich mit dem der anderen Seite nicht zu einem unpaaren Kanal. Falls sich diese Angabe Garman’s für Acanthias bestätigt, so unterscheidet sie sich, wie oben angeführt, ganz und gar von meinem Befunde an FPristiophorus. Zugleich würde denn auch die Ansicht Garman’s widerlegt, daß aus dem Fehlen eines Mediankanals bei Pristiophorus und Acanthias auf eine nähere Verwandtschaft zwischen beiden zu schließen sei. Andrer- seits kann man wohl mit GARMAN sagen, daß bezüglich der Sinnes- kanäle größere Ähnlichkeiten mit Acanthias vorhanden sind, größere jedenfalls als mit Mustelus und Somniosus. Gehen wir nunmehr zur Betrachtung der Rochen über, speziell von Raja, Pristis und Rhinobatus. Auf der dorsalen Seite finden wir ebenso wie bei Pristiophorus eine Kommunikation mit Lateral- und Supraorbitalkanal. Die bei Acanthias angedeutete, bei Pristiophorus schon größere suborbitale Schleife besitzt bei den Rhinoraji eine gewaltige Ausdehnung. Bei Rhinobatus (GARMAN, tab. 24) ragt ihr Vorderende noch ein Stück über die Nasenkapsel hinaus, bei Pristis jedoch nur bis zum vorderen Ende der Nasenkapsel (Taf. 14 Fig. 12 Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 327 Inf,), während sie bei Raja fast bis zur Spitze des Rostrums reicht (Taf. 17 Fig. 36 Inf,). Wie bei Pristiophorus tritt der Kanal mit dem vorderen Ende der Schleife auch bei den Rhinoraji auf die ventrale Seite. Bei Pristis setzt er sich nach hinten in den Hyomandibularkanal fort, während sein orbito-nasaler Teil relativ klein erscheint, jedoch eine ähnliche Lage wie bei Pristiophorus be- sitzt, auch der nasale und mediane Teil ähneln dem von Pristiophorus. Etwas anders verhalten sich in dieser Hinsicht Rhinobatus und Raja. Bei ihnen nimmt der ventrale Teil der suborbitalen Schleife (S. 267) zunächst den ventralen Supraorbitalkanal auf, um dann erst mit dem Hyomandibularkanal zu kommunizieren. Auch der unpaare Median- kanal ist bei Rhinobatus noch kürzer als bei Pristis, während er bei Raja stark in die Quere gezogen ist. Allgemein geht aus dieser Be- sprechung hervor, dab auch bezüglich des Verlaufes des Infraorbital- kanals Pristiophorus bis zu einem gewissen Grade zwischen Haien und Rochen steht. Der Infraorbitalkanal wird von den Facialisfasern des Ramus bucealis innerviert. Er tritt mit den anderen Trigeminusästen durch das Foramen trigemini nach außen (Taf. 24 Fig. 75 Tr), läuft nun zusammen mit dem Ramus maxillaris trigemini (R. Max) nach vorn; die Ganglienmassen beider sind hier scharf voneinander getrennt und laufen zunächst ventral vom Musculus rectus superior hin (Taf. 23 Fig. 72 R. Be u. R. Max). Der Nervenstamm rückt nun in seinem orbitalen Verlauf an den lateralen Rand der Basalplatte (Taf. 23 Fig. 71 R. Be). Hier spaltet sich zunächst ein größerer Zweig vom Bucealis ab, der äußere Buccalisast, der zur äußeren lateralen Am- pullengruppe und dem ventrolateralen Teile des Infraorbitalkanals führt (Taf. 23 Fig. 70 R. Be). Etwas weiter vorn trennt sich auch vom Trigeminuskomplex ein großer Ast ab, der sofort auf die ven- trale Seite der Schädelbasis rückt (Taf. 23 Fig. 69 R. Max, Taf. 14 Fig. 13 R. Max) und hier ventral von der Kiefermuskulatur nach hinten verläuft. Es ist dies der Ramus maxillaris trigemini, der im wesentlichen Teile der Kiefermuskulatur innerviert. Der orbitale Teil (GARMAN) des Infraorbitalkanals wird innerviert von einem Äste, der sich am hinteren Teile des Buccalisganglions loslöst; er läuft am hinteren Rande des Bulbus dorsal- und lateral- wärts und teilt sich dann hier in mehrere Äste, deren Zahl ebenso wie die von ihm innervierten Sinneshügel ich an dieser Stelle infolge mangelhafter Schnitte nicht feststellen konnte. Die suborbitale Schleife wird bereits von Astchen des äußeren Buccalis innerviert, 328 Lupwic Horrmann, die sich in der äußeren buccalen Ampullengruppe abzweigen (Taf. 14 Fig. 13 6, u. b,). Ein größerer Zweig von b, innerviert den dorsalen Schenkel der Schleife, indem er ihm nach vorn parallel läuft, in etwa 4 Organen. Der Rest, ebenso wie der Bogen der Schleife wird in etwa 5 Sinnesorganen von dem anderen Astchen von 6, innerviert. Das hintere Ende der Schleife, ebenso der hintere Anfang des orbito- nasalen Teiles werden von einem dritten Ästchen (b,) in 4 Sinnes- organen innerviert, 2 davor gelegene Organe von einem vierten Ästchen. Diese 4 Stämmchen (6,—0,) sind die Zweige eines größeren Astes, der im hinteren Teile der buccalen Ampullengruppe sich vom äußeren Buccalisast loslöst. Ein 5. und 6. Ast, die ebenfalls dem äußeren Buccalis entstammen, innervieren 7 weitere Sinnesorgane des vor- deren Orbito-Nasal- und lateralen Teiles des Nasalkanals (b, u. 0,). Das nächste Sinnesorgan wird bereits von einem Ast des inneren Buccalis innerviert (6,). Ein starker Ast mit zahlreichen Fasern vom inneren Buccalis (4%) innerviert mit einem Hauptzweige (4,“) den nach hinten verlaufenden Teil des Nasalkanals und den unpaaren Mediankanal in 11 Sinnesorganen, mit einem anderen Aste (b,‘) die Krümmung des Nasalkanals in 4 Sinnesorganen und entsendet auber- dem 2 lange Äste zu den 3 ersten Sinneshügeln des pränasalen Teiles, die ich mit 4,“ bezeichnet habe. Das nächste Ästchen dringt durch die Knorpelwand der Schädelbasis in medialer Richtung und innerviert 2 weitere Sinnesorgane (4,) Nunmehr hat der Infra- orbitalkanal seine Lage ventral vom Buccalis erreicht. Jetzt findet bis an die Spitze des Rostrums die Innervation des Infraorbital- kanals so statt, daß sich ständig kleine Arterien vom Buccalis los- lösen und je 1 Sinnenorgan des Infraorbitalkanals innervieren (Taf. 20 Fig. 58 db, ,)- Die Lorenzıntschen Ampullen. Auch bei Pristiophorus findet man wie bei den meisten Selachiern 3 neurocraniale Ampullengruppen, nämlich 2 buccale, die vom R. buccalis innerviert werden, und eine superficiale, die vom Ramus ophthalmicus superficialis versorgt wird. Eine recht charakteristische Lage besitzt bei den Selachiern die äußere buccale Ampullengruppe. Ihre Lage am vorderen Rande der Orbita dürfte eventuell die Ur- sache dafür sein, daß sie unter den zahlreichen Selachiern eine relativ konstante Lage besitzt, so daß etwaige Abweichungen von derselben eine erhöhte phylogenetische Bedeutung gewinnen, eine größere jedenfalls als die beiden anderen Ampullengruppen, deren Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 329 rostrale Lage sie nötigt, an den zahlreichen Modifikationen und Um- bildungen des Rostrums teilzunehmen. Die äußere buccale Ampullen- gruppe bildet bei Pristiophorus einen vollständig abgeschlossenen Komplex, der in der vorderen Orbita ganz auf der ventralen Seite liegt und mit seinem vorderen Rande die Basis der präorbitalen Scheidewand erreicht (Taf. 14 Fig. 13, Taf. 22 Fig. 68 A. Be. Gr). Die ganze Gruppe hat die Gestalt einer flachen, dorsoventral abge- platteten Scheibe. Ihre Ampullenröhren führen in 5 gut zu unter- scheidenden Untergruppen nach außen, der bei weitem größte Teil derselben mündet auf der ventralen Seite und nur einige Röhren zweier lateralen Gruppen am Seitenrande. Der hintere laterale Röhrenkomplex enthält etwa 12 ausführende Röhren; sie verlaufen im wesentlichen (Taf. 14 Fig. 15 Amp,) nach hinten, wenden sich dann etwas lateralwärts, um allmählich in den fibrillären Bindegewebsstrang (Bstr; vel. S. 305) des Seitenrandes zu rücken. In ihm verlaufen sie weiter nach vorn und dorsal und beginnen schließlich auf der dorsolateralen Seite des Bindegewebsstranges etwa in einem Niveau mit dem Palato-Basalgelenk auf die Oberfläche auszutreten (Taf. 24 Fig. 75 Amp,). Sie sind die längsten Ampullen- röhren des Kopfes. Der zweite medial davon gelegene Röhren- komplex (Amp,) besitzt eine weit größere Anzahl von Röhren (Taf. 23 Fig. 72 Amp,). Sie haben einen meist direkt nach hinten gerichteten Verlauf. und ihre äußeren Mündungen verteilen sich über die gesamte ventrale Oberfläche zwischen Ampullengruppe und Palatoquadratum; daher besitzen sie denn auch eine ganz verschiedene Länge. Ihre Zahl beträgt 20—25. Die dritte Gruppe (Amp,) ausführender Röhren ist medial und nach hinten gerichtet. Ihre äußeren Mündungen gelangen bis zur medianen Längsachse und zur ventralen Seite des Palatoquadratums (Taf. 23 Fig. 72—69 Amp,). Es sind ebenfalls etwa 20—25 an der Zahl, und sie münden sämtlich auf der ventralen Seite. Der vierte (Taf. 14 Fig. 13 Amp, ; Taf. 22 Fig. 66—68 Amp,) Komplex enthält nur 12 Röhren, die nach vorn und medialwärts verlaufen; ihre Mündungen liegen meist längs des orbito-nasalen und nasalen Teiles des Infraorbitalkanals. Die fünfte Gruppe (Amp,) besitzt wiederum einen ähnlichen Verlauf wie die erste. Ihre Röhren rücken, ohne in das fibrilläre Bindegewebe (Bstr) des Seitenrandes einzudringen, an dem inneren Rande desselben dorsalwärts und treten auf seiner dorsolateralen Seite nach außen, und zwar am hinteren Rande der Nasenkapsel (Taf. 22 Fig. 60, 67 Amp,). Die ganze äußere buccale Ampullengruppe zählt demnach etwa 330 Lupwia HOFFMANN, 85—100 Ampullen. Ihre Innervation findet, wie oben bereits er- wähnt, durch den äußeren Ast des Buccalis (Taf. 14 Fig. 13, Taf. 23 Fig. 69 R. be‘) statt, der zugleich laterale Teile des Infraorbitalkanals innerviert. Außerdem fand ich, daß auch da, wo der Ramus maxillaris sich nach hinten wendet, sich einige stärkere Nervenbündel loslösen und zur buccalen Ampullengruppe treten. Ein weiterer starker Ast geht, nach Abgabe des äußeren Buccalis, vom Hauptstamme ab (Taf. 14 Fig. 13 R. De“) und rückt ebenfalls ventrolateral zur äußeren Ampullengruppe, so dab diese nicht allein vom äußeren Buccalis, sondern auch von Ästen des inneren Buccalis und solchen, die sich vom Ramus maxillaris lostrennen, innerviert wird. Was nun die Lage der äußeren Ampullengruppe bei anderen Selachiern anlangt, so liegt sie bei Mustelus (Anis, 1902) an der ventrolateralen Seite, lateral vom hinteren Rande der Nasenkapsel (tab. 26 fig. 2), innerhalb der Partie des Infraorbitalkanals, zwischen der suborbitalen Krümmung desselben und dorsal vom Ursprung des Hyomandibularkanals. Auch Auvıs unterscheidet 5 Untergruppen, die etwa denen von Pristiophorus entsprechen. Ihre Mündungen differieren jedoch sehr wesentlich von denen des letzteren, indem sie sich über den ganzen lateralen Rand verteilen und sogar auf die dorsale Oberfläche emporrücken (tab. 10) Auch bei Acanthias fand ich eine ähnliche Lage der äußeren Buccalisgruppe wie bei Mustelus am lateralen Rande meist dorsal vom ventralen Supra- orbitalkanal. Ähnlich verhielt sich in dieser Hinsicht auch Somniosus. Im Gegensatz hierzu fand ich die äußere Buccalisgruppe bei Pristis vollständig auf der ventralen Seite, ebenfalls im Gebiete des Orbito- Nasalkanals und der Ursprungsstelle des ventralen Supraorbital- kanals, ventral vom Schädelflossenknorpel in der Orbitalregion (Taf. 19 Fig. 51 A. De. N). Leider stand mir von Rhinobatiden kein geeignetes Material zur Verfügung, und in der Literatur fand ich keine Angaben darüber. Bei Raja ist das Verhalten wieder weiter modifiziert. Hier findet sich die betreffende Ampullengruppe weit nach vorn ver- schoben lateral vom vorderen Teil der Nasenkapsel und dem Schädel- flossenknorpel (Taf. 17 Fig. 33 A. be. Gr), wo sie sich bis zur dorsalen Oberfläche ausdehnt und sich dann auch weit nach vorn längs des Rostrums erstreckt. Wir finden also ähnliche Verhältnisse wie bei Pristiophorus nur bei Pristis. Bevor jedoch auch das Verhalten der Rhinobatiden in diesem Punkte untersucht ist, dürfte es gewagt er- scheinen, aus jener Ähnlichkeit weitere Schlüsse zu ziehen. Die ventrale innere Ampullengruppe liegt bei Pristiophorus Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 331 bereits auf dem Rostrum, sie beginnt hinten am vorderen Rande der Nasenöffnung, liegt in der ventralen Rostralrinne zu beiden Seiten des Ramus buccalis (Taf. 14 Fig. 13 En. Be. Gr, Taf. 20 Fig. 57 En. Be. Gr) und erstreckt sich bis an die Spitze des Rostrums. Die Röhren der 5 hinteren Ampullen sind nach hinten gerichtet und zwar die der lateralen Partie lateral, die der medialen medial und nach hinten. Auf der medianen Seite des Buccalis fand ich von den Tentakeln ab keine Ampullen mehr. Bei Mustelus fehlt eine innere Buccalis- gruppe, statt dessen findet sich hier eine Gruppe, die von Ästen des R. ophthalmicus superficialis innerviert wird, so daß sie nach Auıs (1902) nicht homolog gesetzt werden darf der inneren Buccalisgruppe der übrigen Selachier. Autıs nennt sie daher tiefe Ophthalmicusgruppe. Bei Somniosus (EwART, 1895) bildet die innere Buccalisgruppe einen großen gedrängten Komplex unmittelbar vor der Nasenkapsel, dessen Innervation eben vom inneren Aste des Buccalis bewirkt wird. Bei Pristis perrotteti beginnt die innere Buccalisgruppe bereits an der ventralen Seite der Nasenöffnungen, ist dann in kleinere Komplexe aufgelöst zwischen Nasenkapsel und hinterstem Zahnpaar. Auf dem eigentlichen Rostrum findet sie sich in kleine Gruppen verteilt, beiderseits vom Supraorbitalkanal. Auch hier erstrecken sie sich bis an die Spitze des Rostrums. Die dorsale Ampullengruppe bei Pristiophorus beginnt ebenfalls am Vorderrande der Nasenkapsel (Taf. 20 Fig. 58 Tr‘. Gr). Auch ihre Ampullen liegen in der entsprechenden Rostralrinne, in der auch der R. ophthalmicus superficialis verläuft, und zwar zwischen Nerv und Supraorbitalkanal. Ihre Röhren verlaufen im wesentlichen dorsalwärts nach der dorsalen Oberfläche. Bei Mustelus liegt diese Gruppe nach -Auuis an der Oberfläche der Schnauze medial von der lateralen Knorpel- spange. Die hinteren Ampullen liegen über der Nasenkapsel. Bei Spinax niger erstrecken sie sich nach MixkerT (1901) bis an das hintere Ende der Orbitalregion. Sie besitzen also nach hinten eine bedeutend größere Ausdehnung als bei Pristiophorus. Bei Somniosus (Ewart, 1895) reichen sie ebenfalls nach hinten bis zur Mitte der Orbita. Dagegen fand ich bei Pristis die ersten epicranialen Ampullen vor der Nasenkapsel. Sie erstrecken sich hier in kleinen Gruppen bis an das vorderste Ende des Rostrums. Aaja zeigt sie dagegen in enger Lagebeziehung zur inneren buccalen Ampullengruppe. All- gemein findet man hier bei den einzelnen Selachiern derartig ab- weichende Modifikationen, daß es gewagt erscheint, daran phylogene- tische Folgerungen zu knüpfen. 332 Lupwie Horrmann, Vergleichender Teil. In dem ersten Teil meiner Arbeit, iiber die vordere Kopfregion der Pristiden, wurde gezeigt, dab Pristis cuspidatus LATHAM in wesent- lichen Punkten von den 4 anderen von GÜNTHER (1870, p. 436) auf- gestellten Species pectinatus, antiquorum, perrotteti und zysron ab- weicht. Ich konnte an der Hand eines Materials, das die ver- schiedenen Altersstufen umfaßte, nachweisen, dab Pristis cuspidatus LATHAM allein 5 Rostralkanäle in seinem Rostrum besitzt (Taf. 13 Fig. 1, Taf. 18 Fig. 41), während bei den anderen Species nur deren 3 in die Säge führen (Taf. 18 Fig. 39, 40, 43, 44). Von diesen bildet der mediane unpaare Kanal (Per) die Fortsetzung der Cranialhöhle, der paarige, von diesem seitlich gelegene Kanal (Cn) ist durch Ver- einigung von Präorbital- (Taf. 19 Fig. 49 Cpr) und Orbito-Nasal- kanal (Cw) entstanden und versorgt das Rostrum mit Nerven und Gefäßen (Taf. 21 Fig.46 Cn) (vel.S.247); denn in ihm verlaufen Ramus ophthalmicus superficialis (Rt. oph. sup), Ramus ophthalmicus profundus (R.oph. prof), Ramus buccalis (R. Pc), die Vena rostralis (V.ro) und die Arteria rostralis (Art. ro) nach vorn. Zu diesen 3 Kanälen der genannten 4 Species kommt bei Pristis cuspidatus (Taf. 13 Fig. 1, Taf. 18 Fig. 41) noch ein weiteres Kanalpaar (Camp); in ihm liegen die Lorenzrni’schen Ampullen der inneren Buccalis- (En. Be. Gr) und der Ophthalmicusgruppe (7r'. Gr), die bei den anderen Species auf der ventralen resp. dorsalen Oberfläche des Rostralknorpels liegen (Taf. 18 Fig. 39,40 En. Be. Gr, Tr'. Gr) (vgl. S.255). Mit dem Vorhandensein dieses weiteren Rostralkanalpaares bei Pristis cuspidatus muß dann auch die geringe Tiefe der Zahnalveolen (Alv) in Zusammenhang stehen. Aber auch schon im Äußern des Rostrums zeigt Pristis cuspi- datus leicht in die Augen fallende Abweichungen von den übrigen Pristis-Species. Zunächst ist bekanntlich fast 1/,—1/, des ganzen Rostrums unmittelbar vor den Nasenkapseln zahnlos, während bei den anderen 4 Arten die Zähne kurz vor diesen beginnen (Taf. 13 Fig. 2 u. 3, Taf. 16 Fig. 24 u. 25). Die Länge des Rostrums ist im Verhältnis zur Breite bedeutend größer, und erst von seiner Mitte ab wird es nach vorn zu allmählich schmäler, im Gegensatz zu den übrigen Species, wo es von der Basis nach der Spitze hin ständig und gleichmäßig abnimmt (Taf. 13 Fig. 4 u. 5). Eine wichtige Be- sonderheit besteht ferner in der Gestalt der Rostralzähne (vgl. auch ENGer, 1909, p. 86). Sie sind dorsoventral stark abgeplattet und besitzen am Vorder- und Hinterrande eine Schneide. Im jugend- Neuroeranium der Pristiden und Pristiophoriden. 333 lichen Zustande findet sich am Hinterrande eines jeden Zahnes ein Widerhaken, der bei älteren Tieren mitsamt der Spitze abgetragen wird. Jener Widerhaken war die Ursache, daß in der älteren Lite- ratur (SHaw, p. 361; MÜLLER u. HENLE, 1841, p. 107; Dum&kır, 1865, p. 476) jene Jugendform als eine besondere Species, semisagittatus, angesehen wurde, ein Irrtum, der von GÜNTHER (1871) berichtigt wurde. — Bemerkenswert ist endlich am Rostralzahn von Pr. cuspi- datus die geringe Länge; sie beträgt, ausgedrückt im Verhältnis zur Breite des Zahnes an der Basis, im Durchschnitt nur 2:1. Bei den anderen 4 lebenden Arten sind dagegen die Zähne weniger stark abgeplattet, besitzen nur am Vorderrande eine Schneide, während der Hinterrand stumpf und mit einer Längsrinne versehen ist (Fig. 13 Fig. 4 u. 5). Auch das Verhältnis von Länge zur Breite des Zahnes ist bedeutend größer, im Mittel wenigstens 3:1. Jene Sonderstellung von Pr. cuspidatus wird durch zwei weitere Punkte bestätigt. auf die ich bei Dorro (1910) hingewiesen finde. Es ist dies einmal die Art der Augenstellung, auf die Day (1878/1888) zuerst aufmerksam gemacht hat. Während bei den übrigen Arten die Augen wie bei den anderen Rochen medialwärts zusammen- gerückt erscheinen, haben sie bei Pr. cuspidatus ihre Lage am Seiten- rande des Kopfes. Sodann ist die Schwanzflosse bei Pristis cuspidatus zweilappig, während sie sonst nur einen Lobus besitzt. Was nun das phylogenetische Alter von Pristis cuspidatus an- langt, so dürfte das Vorhandensein eines weiteren Kanalpaares darauf hinweisen, daß diese Species, jedenfalls soweit das Rostrum in Frage kommt, die höher differenzierte ist, während die anderen rezenten Arten darin primitivere Zustände zeigen. Das würde in Einklang stehen mit der Ansicht Dorro’s (1910), nach der auch die randständige Lage der Augen bei Pr. cuspidatus einen sekundären Zustand darstellt, bedingt durch die Rückkehr zu pelagischer Lebensweise, wohingegen die übrigen Arten der Gattung in dieser Anpassung auf einer niederen Stufe stehen geblieben seien. Da mithin Pristis cuspidatus gegenüber den 4 anderen rezenten Pristis-Species eine Sonderstellung einnimmt, sodürfte essich empfehlen, dies auch im System zum Ausdruck zu bringen. Fraglich bleibt es, ob es nötig sein wird, eine neue Gattung dafür zu errichten, oder ob es möglich sein wird, sie in einer der Gattungen unterzubringen, die für fossile Pristiden aufgestellt sind (Propristis DAMES 1883, Amblypristis DAMES 1888, Eopristis STROMER 1905). Da die letzteren vorzugsweise nur auf Zähne gegründet sind, die Kenntnis des 334 ‘ Lupwie Horrmann, Rostrums aber und im besonderen seines inneren Baues noch un- genügend ist, halte ich es für richtig, einstweilen von einer näheren Vergleichung mit ihnen abzusehen und wenigstens vorläufig auf sie keine Rücksicht zu nehmen. Deshalb schlage ich für Pristis cuspidatus den Gattungsnamen Ozypristis vor und gebe im Folgenden die wichtigsten Unterschiede von der alten Gattung Pristis im Anschluß an die Beschreibung GÜünTtHer’s (1870, Vol. 8, p. 436). Fam. Pristidae. Rostrum nach vorn stark verlängert zu einer flachen Platte, mit 3 oder 5 Rostralkanälen im Inneren, längs des Seitenrandes bewaffnet mit langen, stachelähnlichen Zähnen, die in Alveolen des Rostralknorpels sitzen. Körpergestalt haiähnlich, Brustflossen ohne Beziehung zum Kopfe, erscheinen mit der Streckung der Kiemen- region nach hinten verschoben. Äußere Kiemenspalten auf der ventralen Seite der Brustflosse. 1. Gatt. Pristis LATHAM. Ursprung der 1. Rückenflosse vor oder gegenüber den Bauch- flossen. Rostrum mit 3 Längskanälen im Inneren. Rostralzähne finden sich an ihm bis kurz vor den Nasenkapseln. Es nimmt von seinem Ursprung nach der Spitze hin gleichmäßig an Breite ab. Die Zähne in der Mitte des Rostrums sind mindestens 3mal so lang wie an ihrer Basis breit; nur mit einer Schneide am Vorderrande; der Hinterrand stumpf und mit einer Längsrinne versehen. Die Zahnalveolen sind tief. Die Lorenzinrschen Ampullen liegen ober- flächlich und nicht in einem besonderen Rostralkanal. Augen medialwärts zusammengerückt, Schwanz mit nur einem ventralen Lappen. Hierher gehören die 4 Species GÜNTHER’S (1870, Vol. 8). 1. perrotteti MÜLLER et HENLE. 2. pectinatus LATHAM. 3. antiquorum LATHAM. 4. zysron BLEEKER. 2. Gatt. Oxypristis n. g. Erste Riickenflosse ganz hinter der Wurzel der Bauchflossen gelegen. Rostrum mit 5 Längskanälen; etwa '/,—'/, des Rostrums Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 335 vor den Nasenkapseln zahnfrei. Es beginnt erst in der vorderen Hälfte an Breite allmählich abzunehmen. Zähne desselben breit, dorsoventral stark abgeplattet, am Vorder- und Hinterrande mit Schneide; diejenigen aus der Mitte des Rostrums höchstens 2mal so lang wie an ihrer Basis breit. Zahnalveolen von geringer Tiefe. Die Lorenzini’schen Ampullen liegen in dem am meisten lateral gelegenen Rostralkanalpaar. Augen am Seitenrande des Kopfes; Schwanzflosse zweilappig. Einzige Species: cuspidatus LATHAM. Unter den rostrumtragenden Rochen, die JAEKEL (1894) als Rhinoraji zusammenfaßte, besitzen die Pristiden eine schlanke, hai- ähnliche Körperform, weshalb sie meist als die primitiveren Formen angesehen wurden, die sich am nächsten an die Haie anschließen und den Übergang zu diesen bilden. So stellten sie schon MÜLLER u. HENLE (1841) in ihrem bekannten systematischen Werk in der ersten Familie Squatinoraji als erste Gruppe voran; an sie schließen sich als zweite Gruppe die Rhinae, zu denen die Gattungen Rhina und Lhynchobatus gehören, und als dritte Gruppe die Rhinobatides. Dieser Einteilung ist später Dum&rın (1868, p. 470) gefolgt, und auch GÜNTHER (1870, Vol. 8) stellte die Pristiden als erste Familie an die Spitze der Batoidei, auf die dann als zweite Familie die Rhinobatiden mit den Gattungen Rhinobatus und Rhynchobatus folgen. Zweifel hin- sichtlich ihrer bisherigen systematischen Stellung äußerte zuerst Hasse (1879, p. 104), indem er angibt, daß sich Pristis im Bau der Wirbel jünger zeige als die Rhinobatiden. Seine Bedenken sucht er dann dadurch zu zerstreuen, dab er als Argument für ein höheres Alter der Pristiden ihre haiähnliche Körperform dagegen anführt und dementsprechend auch im Rostrum enge Beziehungen zu dem von Pristiophorus sieht. Daher stellt er doch schließlich .in seinem System die Pristiden als die primitiveren Rochen den Rhinobatiden voran. Dieser alten Ansicht tritt nun JAEKEL (1894, p. 75) entgegen, indem er die Pristiden als eine zum pelagischen Leben zurückgekehrte Rhinorajidenform auffaßt. Neuere Lehrbücher und systematische Arbeiten haben jedoch diese Auffassung JAEKEL’s kaum berücksichtigt. Die paläontologischen Lehrbücher von Zrrren (1887, Vol. 3, p. 93; 1895, p. 534) und Woopwarp (1898) setzen stets die Pristiden vor die Rhinobatiden, womit sie doch jedenfalls zum Ausdruck bringen wollen, daß erstere die älteren, primitiveren Formen seien. Auch BRIDGE (1904, p. 459) hat wieder auf das System GÜnTHeEr's zurückgegriffen und stellt die Pristiden vor die Rhinobatiden. REGAN (1906, p. 733) Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 22 336 LupwıgG Horrmann, faßt dann Pristiden und Rhinobatiden in einer Familie zusammen, von denen er jedoch ebenfalls die Unterfamilie Pristinae an die erste Stelle rückt. Erst Goopricx (1908) schließt sich der Ansicht JAEKEL’s an. Er akzeptiert dessen Gruppe Rhinoraji, deren primitivste Familie die Rhinobatiden sind, auf die dann die Pristiden folgen. Zu einem ähnlichen Resultate wie JAEKEL ist LUTHER (1909) gekommen auf Grund seiner Untersuchung über die Kiefermuskulatur der Selachier. Er sagt: „Die Übereinstimmung im Bau der vom Trigeminus inner- vierten Muskulatur bei den Rhinobatiden und den neuerdings wieder- holt zu dieser Familie gestellten Pristiden ist eine so grosse, dass eine nahe Verwandtschaft zwischen beiden nicht bezweifelt werden kann. Diese Befunde deute ich so, dass die Pristiden von Rhinobatiden abstammen, die in den in Rede stehenden Beziehungen noch nicht den Differenzierungsgrad der untersuchten Repräsentanten dieser letzten Familie erreicht haben.“ Doro (1910) verwertet die Resultate JAEKEL'S (1894) und Lurner’s (1909) in seiner Paléontologie étho- logique, während GROBBEN in seinen neuen Auflagen des Craus’schen Lehrbuches noch die auf die Wirbelkörper begründete Systematik Hasse’s anwendet, Haie und Rochen nicht unterscheidet und Pristis als Vertreter der Tectospondylen aufführt. Jedenfalls haben diese Ausführungen gezeigt, daß in der Literatur hinsichtlich der systematischen Stellung der Pristiden noch keine Ansicht zu allgemeiner Anerkennung gelangt ist. Dab die Pristiden sich in ihrem Bau eng an die Rhinobatiden anlehnen, brauche ich an dieser Stelle nicht näher zu erörtern; das ist in der Literatur schon genügend ausgeführt und allgemein aner- kannt. Auch im beschreibenden Teile meiner Arbeit konnte ich jene Übereinstimmung für gewisse Teile der vorderen Kopfregion näher ausführen. Doch möchte ich hier zu der Frage Stellung nehmen, ob die Pristiden die primitiveren Formen sind, die direkt den Übergang zu den Haien bilden, oder ob sie von den Rhinobatiden abzuleiten sind, wie JAEKEL (1894) es auffabt, als sekundär zum pelagischen Leben zurückgekehrte Rochen. Wenn auch LuTHER (1909) in bezug auf die Kiefermuskulatur zu einem ähnlichen Resultat gekommen ist, so sind die dem Skelet entlehnten Gründe, die JAEKEL (1874) für seine Theorie anführt, keineswegs genügend und zum Teil nicht richtig gedeutet, wie ich im Folgenden zeigen werde, so dab es sich wohl verlobnt hier Klarheit zu schaffen. Zunächst seien jedoch einige Weiterbildungen besprochen,. in denen die Pristiden weit über die Rhinobatiden hinausgehen. Hierher Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 337 gehört vor allem das stark modifizierte und verlängerte Rostrum. Wie oben ausgeführt, entsprechen nur die Knorpelwandungen, die den medianen, unpaaren Kanal (Taf. 18 Fig. 44 Gw), also die Fort- setzung der Schädelhöhle (Taf. 18 Fig. 43,39 Per), umgeben, dem Rostrum der Rhinobatiden und Rajiden, die seitlich davon gelegenen Rostral- kanäle (Cru. Taf. 18 Fig. 41 Camp) mit ihren Wandungen sind Bildungen, die nur den Pristiden eigen sind und nur als Neubildungen aufgefaßt werden können. Die starke Knorpelbildung auf dem Pristidenrostrum tritt auch noch im Gebiete der Nasenkapsel und der vorderen Orbital- region auf. So bleiben hier der Ramus ophthalmicus und die ihn begleitende Vene auch nach der Durchbrechung der präorbitalen Scheidewand von Knorpelwänden fast vollständig umgeben (Taf. 19 Fig. 49 Cpr), und der Präorbitalkanal setzt sich weit nach vorn in die Ethmoidalregion fort (vgl. S. 247). In ähnlicher Weise hat sich auch bei Pristis perrotteti um den R. buccalis und die Arteria rostralis eine Knorpelwand gebildet, so daß es hier sekundär zur Bildung eines Orbito- Nasalkanals (Taf. 19 Fig. 49 Cw) gekommen ist, der den Rhinobatiden und Rajiden fehlt, während Oxypristis cuspidatus insofern hier ein primi- tiveres Verhalten zeigt, als die Orbito-Nasalkanalbildung erst in dem vorderen Teil der Nasenkapsel beginnt (Taf. 16 Fig. 25, Taf. 20 Fig. 54 Cw) (vgl.8.248/9). Alle diese Weiterbildungen in progressiver Richtung, zu denen noch die erwähnte Modifizierung des Hinterhauptgelenkes kommt, nicht zu vergessen die Zahnbildung des Rostrums, müssen auf eine besondere Lebensweise zurückgeführt werden, ohne daß sie jedoch Anhaltspunkte für die Beantwortung unserer Frage abgeben. Als ersten Beleg für die Abstammung der Pristiden von Rhino- batiden führt Jarken (1894, p. 76—79) den Bau der Brustflossen und ihre Beziehung zum Kopfe ins Feld, ist jedoch der Meinung, daß die Brustflossen bei den Pristiden „sich nach vorn ausgebreitet haben und durch den Antorbitalknorpel (= Schädelflossenknorpel GEGENBAUR’s) mit dem Kopf in Verbindung stehen“. Was den Schädelflossenknorpel anlangt, so besitzt er bei der Gattung Pristis!) eine ähnliche Gestalt und Größe (Taf. 16 Fig. 23 1) Bei Oxypristis cuspidatus (Taf. 20 Fig. 56 u. Taf. 21 Fig. 62 M) ist der Schädelflossenknorpel noch bedeutend kleiner als bei Pristis s. str, liegt als kleiner Knorpelstab ganz unter dem Auge und erreicht noch nicht den Mundwinkel. Wir müssen diesen Zustand der Gattung Pristis gegenüber als einen höheren Grad der Reduktion auffassen, und dann spricht auch dieses Moment für die höhere Differenzierung von Oxypristis und steht mit dem oben über das phylogenetische Alter dieser Gattung Gesagten im Einklang. 22* 338 LupwiG HorFMAxx, u. 22 M) wie die von Rhinobatus thouini (Taf. 21 Fig. 61 M) und Rhynchobatus laevis’) (vgl. GEGENBAUR, tab. 14 fig. 1), zeigt also hierin kein primitiveres Verhalten als die Rhinobatiden. Dagegen hat er keinerlei Beziehung zum Skelet der Brustflossen (Taf. 21 Fig. 62°), Taf. 22 Fig. 52 M), wie JAEKEL annimmt und vor ihm auch in der Literatur allgemein angegeben wird (MÜLLER u. HENLE, 1841; GEGENBAUR, 1872, p. 109). Das Vorhandensein eines derartig vollkommen ausgebildeten Schädelflossenknorpels mitsamt seinem zugehörigen Muskel (Taf. 19 Fig. 48 musc), die hier doch ohne jede Funktion sind, kann nicht anders erklärt werden als durch die An- nahme, daß die Pristiden von Formen abstammen, bei denen der Schädelflossenknorpel in Beziehung zur Flosse stand. Derartige Stammformen kommen aber den Rhinobatiden am nächsten, und wir müssen annehmen, daß sich mit der Ausbildung einer mehr hai- ähnlichen Körperform die Verbindung des Schädelflossenknorpels mit der Brustflosse gelöst hat. Merkwürdigerweise behauptet JAEKEL, daß sich die Brustflossen der Pristiden nach vorn ausgebreitet haben. Gerade das Gegenteil ist der Fall Sie haben nicht nur ihre Lagebeziehung und Ver- bindung mit dem Kopfe vollständig gelöst (Taf. 21 Fig. 62) und sich in ihrer Größenausdehnung stark reduziert, sondern erscheinen auch nach hinten verschoben. Das tritt besonders gegenüber den anderen Rhinoraji hervor (Taf. 21 Fig. 60, 61. 63). Als weiteren Beweis dafür, daß die Pristiden keine primitive, zu den Haien hinüberführende Formen sind, führt JAEKEL (1894) dann die ventrale Lage der äußeren Kiemenöffnungen an. Sie ist seiner Ansicht nach bei den Pristiden (1894, p. 76) „eine Folge- 1) Bei Rhynchobatus djeddensis (Taf. 21 Fig. 60 41) ist der Schädel- flossenknorpel bedeutend breiter, auch als bei Raja oxyrhyncha (Taf. 21 Fig. 63 M), und ‚dadurch besonders charakterisiert, daß er nach vorn dem Seitenrande des Kopfes entlang einen sehr langen Fortsatz (NM) sendet, der bei den übrigen Rhinobatiden nur angedeutet ist (Taf. 21 Fig. 61). Hier ist die Beziehung zur Brustflosse weniger ausgedehnt als bei den übrigen Formen. Erwähnung verdient bei diesem Tiere die geringe Aus- bildung der Brustflossen und überhaupt die mehr spindelförmige, auf die Pristiden hinweisende Kérperform. Ob wir es tatsächlich hier mit einer Ubergangsform zu den Pristiden zu tun haben, muß ich dahingestellt sein lassen, da mir: das Tier nicht zur Präparation und zur weiteren Unter- Elchung zur Verfügung stand. 9). Auf ‚Taf. 21 Fig. 62 ist das hintere Ende des Schädelflossen- knorpels mit * bezeichnet, Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 339 erscheinung der Ausbreitung der Brustflossen nach vorn“. Von einer Ausbreitung der Brustflossen nach vorn würde natürlich nur dann die Rede sein können, wenn nachgewiesen wäre, wie und wo die zwar kleinen, aber die typische Gestaltung der Rochenflossen aufweisenden Brustflossen der Pristiden ihre von den Haien so charakteristisch abweichende Form erlangt haben. Jarken hat dies gar nicht zu zeigen versucht, war auch, da hierzu alles Material fehlt. gar nicht imstande. Dagegen hat er eine andere sehr be- achtenswerte Eigentümlichkeit der Brustflossen der Pristiden nicht erwähnt. Sie besteht darin, daß sie sehr weit nach hinten vom Kopfe abgerückt erscheinen, indem die bei den übrigen Rochen mehr oder weniger quer zur Längsachse gestellten Kiemenbogen (Taf. 21 Fig. 60, 61,63 Arb) stark nach hinten geneigt sind, was eine sehr erhebliche Streckung der Kiemenregion und damit einen größeren Abstand der hinter ihr stehenden Brustflossen vom Kopfe zur Folge hat (Taf. 21 Fig. 62). Daß diese Erscheinungen in Beziehung zu der Ausbildung einer haiähnlich gestreckten Körperform stehen, dürfte einleuchten. Daß sich die Brustflossen der Pristiden insbesondere in ihrem vorderen Teile stark reduziert haben, dafür könnte noch folgender Befund sprechen: parallel dem vorderen Ende der Nasenkapsel liegt bei Pristis perrotteti am Seitenrande ein kleines Knorpelstäbchen. Um dieses Knorpelstäbchen (Taf. 14 Fig. 11, 12 7’, Taf. 19 Fig. 45 r‘) biegt die suborbitale Schleife des infraorbitalen Sinneskanals (Inf. C,) auf die ventrale Seite um (vgl.S.257). Interessant insofern, als sie eventuell über die Natur jenes Knorpelstäbchens Aufklärung geben können, sind die Verhältnisse bei Raja clavata. Hier erstrecken sich die Knorpelstrahlen des Propterygiums weit nach vorn, und an der Vorderseite des am weitesten nach vorn reichenden Knorpelstrahles liegt ebenfalls das Vorderende der suborbitalen Schleife (Inf. C,) des Infraorbitalkanals (Taf. 17 Fig. 36 r), d. h. also der Punkt, wo der Infraorbitalkanal auf die ventrale Seite tritt. Material von Rhino- batiden und anderen Rajidenspecies stand mir nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, um diese hier zum Vergleich heranziehen zu können; nur an dem in Spiritus konservierten Exemplar von Rhinobatus thowini konnte ich noch den Übertritt: des Sinneskanals auf die ventrale Seite erkennen. Dort fand sich an der betreffenden Stelle kein Knorpelstäbchen, und der vorderste Strahl des Proptery- giums hatte noch nicht den Punkt des Übertritts erreicht. Nähme man nun an, daß jenes Knorpelstäbchen von Pristis 340 Lupwie Horrmann, perrotteti (r') dem vordersten Teile des vordersten Flossenstrahles von Raja entspräche, dann müßten auch hiernach die Pristiden von Formen abgeleitet werden, bei denen bereits die Knorpelstrahlen der Brustflossen sich weit nach vorn erstreckten, also von Stamm- formen, die in dieser Beziehung noch über Rhinobatus thouini hinaus- gehen; sekundär habe sich dann die Flosse stark reduziert, die Be- ziehung zum Kopfe gelöst, und als letzter Rest sei jenes Knorpel- stäbchen erhalten geblieben an der Übergangsstelle der suborbitalen Schleife des Infraorbitalkanals auf die ventrale Seite. Man könnte gegen diese Ansicht einwenden, daß die Ausdehnung der Flossen nach vorn am Seitenrande des Kopfes entlang sich bei den primitiven Rochen in progressiver Ausbildung befindet, wir also für Pristis eine plötzliche Umkehr dieser Entwicklungsrichtung an- nehmen. Demgegenüber könnte aber, allerdings bei der geringen Sicherheit der Beobachtung unter allem Vorbehalt, darauf hin- gewiesen werden, daß diese Loslösung des Zusammenhanges von Flosse und Kopf bei Pristis durch die Ausbildung des Rostrums bedingt sein könnte. Es wird nämlich in der Literatur angegeben (JAEKEL, 1891, p. 102; BrıpGe, 1904), daß die Pristiden mit ihrem Rostrum seitliche Schläge ausführen, wobei im Hinterhauptsgelenk Bewegungen stattfinden. Solchen Bewegungen wäre eben eine Aus- dehnung der Flosse am Seitenrande des Kopfes wie bei den Rhino- batiden hinderlich. Hierin könnte man also die Ursache erblicken, welche zur Rückbildung des vorderen Teiles der Flosse führte, wodurch eine allmähliche Steigerung der seitlichen Bewegungen des Kopfes möglich wurde. Aus diesen Betrachtungen geht jedenfalls hervor, dab die hai- ähnliche Körperform der Pristiden kein primitives Merkmal ist. Vielmehr müssen diese von Formen abgeleitet werden, die den heutigen Rhinobatiden nahe kommen. Ich kann also die Auffassung JAEKEL'S bestätigen, wenn er sagt, „dab die Rhinobatiden die Stamm- form der Pristiden sind“ und letztere „mit gestreckter Körperform zum pelagischen Leben der Haie zurückkehrten“. Daher ist es denn auch nicht angängig, wie es seither beinahe immer in der syste- matischen Literatur geschehen ist, die Pristiden an den Anfang der vochen zu stellen. Jener Platz gebührt den Rhinobatiden, auf die erst die Pristiden zu folgen haben. Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 341 Im zweiten Teil meiner Arbeit wird das Neurocranium von Pristiophorus besprochen. Es zeigte sich, daß Pristiophorus hinsicht- lich seines Schädelbaues in einer großen Reihe wichtiger Punkte mit den Rhinoraji übereinstimmt, in einigen dagegen Zustände auf- weist, die zwischen Haien und Rochen vermitteln. Zu den ersten Punkten gehört das Vorhandensein eines Occipital- eelenkes (Taf. 16 Fig. 28 oc) (vgl. S. 277). Die Condylen liegen hier auf den entsprechenden Fortsätzen des Craniums wie bei den Rochen. Wäre dies die einzige Übereinstimmung zwischen Pristiophorus und den Rochen, so müßte sie eventuell, wie es JAEKEL (1891, p. 30) tut, lediglich als Konvergenz aufgefaßt werden. Statt dessen erstreckt sich jene Übereinstimmung auf den ganzen Bau des Craniums. JAEKEL (1891, p. 30) sagt: „Es scheint also, dass die Articulation des Schädels und der Wirbelsäule bei Pristis und Pristiophorus mit der gleichen Erschei- nung bei den Rochen entwicklungsgeschichtlich nichts gemein hat, sondern dass dieselbe, weil sie an sich von jener verschieden ist, auch andern Ursachen ihre Ausbildung verdankt. Ich möchte aber auch hier ausdrücklich hervorheben, dass durch jene Übereinstimmung Pristis und Pristiophorus sich durchaus nicht in systematischer Hin- sicht einander nähern. Jene Erscheinungen sind als Convergenz, und nur als analoge, nicht als homologe Bildungen aufzufassen, indem sie nur die sekundäre Folge der Sägenbildung sind, welche ihrer- seits in beiden Fällen als sehr verschiedene Differenzierungen auf- cefaßt werden müssen.“ Was das Hinterhauptgelenk betrifft, so muß ich JAEKEL durch- aus widersprechen. Ich glaube oben (S. 277) gezeigt zu haben, daß es bei Pristiophorus in bezug auf seine Lage am Schädel, die Grundzüge seiner Form sowie der Nerven- und Gefäßaustritte dem der Rochen einschließlich der Pristiden so völlig gleicht, daß kein Grund vorliegt, an der Homologie zu zweifeln. Das wird in keiner Weise dadurch beschränkt, dab die dorsoventrale Ausdehnung bei Pristiden und Pristiophorus an- nähernd dieselbe ist. Denn sie findet sich ähnlich auch bei anderen Rochen (GEGENBAUR, 1872, p. 33). Dehnen wir den Vergleich auf andere Punkte des Hinterhaupts aus, so können wir als Merkmale der Rochenähnlichkeit das Fehlen der Crista oceipitalis (S. 279), das Vorhandensein von nur einem spino-occipitalem Nerven (S. 279), Lage und Verlauf des Vagus- kanals (S. 280) und des hinteren Gehirnvenenkanals (S. 281) (Vena 342 LupwiG HorFMAnNn, cerebralis posterior) feststellen. Besonders interessante Verhältnisse zeigt das Hyomandibulargelenk. Wir finden hier einmal die typi- schen Rochenmerkmale, wie das Vorragen des Hyomandibularfort- satzes des Schädels (= Rochenvorsprung) nach der Seite und nach hinten, die Verlängerung des Gelenkes in horizontaler Richtung, seine Teilung in 2 Gelenkpfannen (S. 282) für 2 Gelenkhöcker; allerdings weist das Vorhandensein des Haifortsatzes am Hyomandi- bulargelenk auf Haie hin, so dab Pristiophorus in diesem Punkte zwischen Haien und Rochen steht, doch in den wichtigsten Punkten ist er mehr Roche als Hai. Das Verhalten des Facialisaustrittes und seines Ramus palatinus (S. 284) ist ganz und gar abweichend von dem der Haie und kann nur in Beziehung gebracht werden zu den Rochen, speziell zu dem Verhalten von Rhynchobatus. Die bei letzterem vorhandene Knorpelspange, die die Austrittsöffnung des R. palatinus von der des Hauptstammes des Facialis trennt, hat sich bei Pristiophorus rückgebildet und besteht nur noch aus einem dorsalen und ventralen Fortsatz (S. 285), so dab diese beiden Fort- sätze zusammen der Knorpelspange der Rhinobatiden und der anderen Rochen entsprechen. Auch bezüglich der Schädelbasis (Taf. 15 Fig. 18 Bp) haben wir ein von den Haien abweichendes Verhalten, dagegen eine Über- einstimmung mit den Rochen (S. 287). Einmal fehlt die bei den meisten Haien vorhandene Incisur, die die Orbitabasis in 2 Teile trennt, und dementsprechend auch die Basalecke. Daher gehen die Basis der Labyrinth-, der Orbital- und Ethmoidalregion ohne Grenze ineinander über und bilden eine horizontale Fläche. Wir haben demnach bei Pristiophorus die für die Rochen typische flache Schädel- basis. Andererseits darf wiederum das Vorhandensein der palato- basalen Articulation des Palatoquadratums (S. 287) nicht unbe- achtet bleiben, die für Haie charakteristisch ist. Doch findet sie sich bei Pristiophorus mit der Nivellierung der Basalplatte, mit dem Schwinden der Basalecke und der davor gelagerten Incisur weniger stark ausgebildet als bei den Haien, weist also eine Rückbildung auf, die Beziehung zu den Rochen erkennen läßt. Mit den Rochen übereinstimmende Zustände zeigen wieder der Ramus ophthalmicus und der von ihm ausgehende Ramus ethmoi- dalis während ihres Durchtrittes durch die präorbitale Scheidewand und die Nasenkapsel. Der Ramus ophthalmicus tritt nicht wie bei den Haien durch das Orbitaldach in vertikaler Richtung, sondern durchbricht in fast horizontalem Laufe die präorbitale Scheidewand Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 343 und gelangt in das Lumen der Nasenkapsel (S. 289), wo sich der Ramus ethmoidalis (S. 291) von ihm loslöst, ein Verhalten, wie es schon GEGENBAUR als charakteristisch für die Rochen hingestellt hat (1872, p. 72). Ebenso wie bei den Rochen tritt der Ramus buccalis auf die ventrale Seite der präorbitalen Scheidewand und von hier in die Ethmoidalregion und durchsetzt diese nicht wie bei zahlreichen Haien in einem Orbito-Nasalkanal (S. 292). Auch der Canalis trans- versus GEGENBAUR’s, der bei den Haien in der Sattellehne verläuft und vollständig von deren Knorpel umschlossen ist, zeigt den Rochen- zustand, insofern die knorplige Scheidewand, die den Kanal von der Cranialhöhle trennt, fehlt (S. 297). Eine vollständige Übereinstimmung mit dem Haupttypus der Rochen findet sich weiterhin im Verlauf der Kopfarterien und besonders insofern, als der mediane Zweig der Carotis posterior sich an der ventralen Seite der Basalplatte (Taf. 24 Fig. 76, Taf. 15 Fig. 18 Ca. po‘) mit dem der anderen Seite zu einem unpaaren Stamme vereinigt, der dann in der Medianlinie der Schädel- basis in die Gehirnhöhle tritt und hier in die Vereinigung der medianen Äste der Carotides anteriores mündet (S. 294). Auch das Rostrum selber, besonders sein internasaler Teil, zeigt die charakteristischen Rochenmerkmale. Die Basis des Rostrums liegt mit der der Ethmoidal-, Orbital-, Labyrinth- und Occipital- region in einem Niveau (S. 299). Dementsprechend ist hier ein medianer Kiel, wie man ihn an der Unterseite des internasalen Knorpels bei zahlreichen Haien, insbesondere bei Spinaciden findet, nicht vorhanden, ebenso fehlt jener paarige Einschnitt zwischen Nasenkapsel und Internasalknorpel, den GEGENBAUR bei den Haien Nasallücke nennt. Schließlich besteht keine Durchbohrung des Rostrums, die von der Nasallücke in die Präcranialhöhle führt, wie sie gerade für die Spinaciden typisch ist (S. 299). Wir finden viel- mehr ein „undurchbohrtes“ Rostrum, wie es GEGENBAUR (1872) als charakteristisch für die Rochen bezeichnet. Durch die starke Seitenausdehnung des internasalen Teiles des Rostrums sind genau wie bei den Rochen die Nasenkapseln weiter als bei den Haien aus- einandergedrängt. Auf dem eigentlichen Rostrum entspricht der mediane unpaare Teil desselben, der die Präcranialhöhle umschließt, dem ganzen knorpligen Rostrum der Rhinobatiden und Rajiden, während die seitlichen Knorpelleisten sekundäre Neubildungen sind (S. 300). Auch der Nasenflügelknorpel (S. 309) bietet in zwei wichtigen Punkten Beziehungen zu den Rochen, insofern hier eine Trennung 344 Lupwie Horrmann, von den Nasenkapseln bereits ganz eingetreten ist, ferner darin, daß der Nasenring auch hier nach hinten offen ist. In anderer Hinsicht, wie dem Verhalten der Fortsätze (a, 5) und des Klappenknorpels, hat Pristiophorus eine besondere Richtung eingeschlagen. Ein bemerkens- wertes Verhalten zeigt dann Pristiophorus hinsichtlich der Ursprungs- stelle des Musculus obliquus inferior (S. 310). Bei den Haien ent- springt er an der präorbitalen Scheidewand (Textfig. D obl. inf) ventral von der Insertion des Musculus obliquus superior, bei ver- schiedenen Rochen, wie Raja (Textfig. G), Torpedo, ist die Insertions- stelle an die ventrale Seite der Basis cranii in der Orbitalregion gerückt. Pristiophorus nimmt nun insofern eine eigentümliche Stellung zwischen Haien und Rochen ein, als der Musculus obliquus inferior sich hier in 2 Teile gespalten hat (Textfig. F obl. inf u. obl. inf‘), von denen der obere an der Hinterseite der präorbitalen Scheidewand ventral von der Ursprungsstelle des Musculus obliquus superior ent- springt, der ventrale dagegen an der Basis der Orbita (obl. inf‘) als dünner Muskel, jedoch von großer Flächenausdehnung. Auch die Sinneskanäle zeigen ein zwischen Haien und Rochen vermittelndes Verhalten, die Ampullengruppen weisen dagegen bei den einzelnen Selachiern derartig abweichende Modifikationen auf, daß es gewagt erscheint, daran phyletische Folgerungen zu knüpfen. Ganz anders sind die Resultate, zu denen JAEKEL (1890, p. 104) gekommen ist. Er schreibt: „Von besonders hohem systematischen Wert sind aber die Aus- trittsöffnungen der Nerven in der Orbitalgrube. Die Anordnung derselben ist bekanntlich sehr verschieden, aber innerhalb der ein- zelnen Gruppen sehr konstant. Vergleicht man die hier gegebene Abbildung (fig. 3) mit den Bildern, welche GEGENBAUR in seinem trefflichen Werke auf tab. 1, 2 u. 3 gegeben hat, so überzeugt man sich sofort, dass dieselbe in dem genannten Punkte die vollkommenste Übereinstimmung mit Acanthias aufweist, während die übrigen Bilder von Cestracion, Galeus, Prionodon, Raja, Torpedo, Pristis ein durchaus anderes Bild darbieten. Auch bei Scymnus ist die Anordnung nicht wesentlich verschieden. Die Übereinstimmung mit Acanthias sowohl nach der Abbildung GEGENBAUR’S, wie nach den mir vorliegenden Skeleten ist so vollkommen, dass man auch ohne die Nerven selbst zu sehen, über die Deutung der Austrittsöffnungen nicht einen Augen- blick im Zweifel sein kann.“ Und weiterhin sagt er dann in seiner Zusammenfassung (p. 116): „Die einzelnen Teile des Innenskeletes zeigen die grösste Über- Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 345 einstimmung mit denen der Spinaciden, der Bau lässt sich dem all- gemeinen Typus der Spinaciden unterordnen, aber nicht in allen Beziehungen einer bestimmten Gattung derselben anschliessen.“ Und weiter „die Übereinstimmungen in der Anordnung der Öffnungen für den Austritt der Nerven mit Acanthias beweist, dass der Verlauf auch dieser Organe im wesentlichen derselbe ist, wie bei den Spinacidae“. Zunächst möchte ich zu seiner oben erwähnten Textfigur (fig. 3, p. 104) bemerken, daß sie insofern dem tatsächlichen Verhalten nicht ganz entspricht, als verschiedene wichtige Foramina nicht mit an- gegeben sind, wie das des Facialis und die Eintrittsöffnungen des inneren Astes der Carotis anterior, daß ferner das Palatoquadratum zu weit vorn eingezeichnet ist, während in Wirklichkeit das Gelenk der Palato-Basalverbindung nur wenig das Trigeminusloch nach vorn überragt. Was nun die tatsächliche Lage der eingetragenen Nerven- öffnungen anlangt, so zeigen sie bis zu einem gewissen Grade un- leugbar Übereinstimmung mit den Spinacidae, aber zum mindesten genau so Ähnlich sind jene Lageverhältnisse denen anderer Selachier, wie etwa denen der Rochen oder Notidaniden (S. 293), und zur Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis von Pristiophorus zu den Rochen oder zu den Haien haben sie so gut wie gar keinen Wert. Welche Merkmale hierzu wirklich zu verwenden sind, hat GEGENBAUR (1872) in seiner grundlegenden Arbeit dargelegt, und ich habe mich bemüht auf ihr weiterzubauen. Dabei bin ich zu meinem von dem JAEKEL’s durchaus abweichenden Resultat gekommen. Wenn meine Schlußfolgerungen richtig sind, so muß sich jene Übereinstimmung von Pristiophorus und den Rochen auch auf andere Regionen des Körpers erstrecken. Ich habe deshalb auch noch den Schultergürtel und den Bau der Wirbel in den Bereich meiner Unter- suchung gezogen. Der Schultergürtel (Taf. 16 Fig. 26 u. 27) zeigt insofern ein primitiveres, haiähnliches Verhalten, als er nicht wie bei den Rochen in Beziehung zur Wirbelsäule tritt und noch nicht die bedeutende Breitenausdehnung und Fensterbildung an den Gelenkflächen der Brustflosse besitzt (S. 315). Dagegen finden sich bereits die für die Rochen charakteristischen 3 Gelenkhöcker (8.316), ebenso ein 2. Nerven- kanal (w’, e') zwischen 2. und 3. Gelenkkopfe, ferner die feste Vereini- gung der beiderseitigen Hälften an der ventralen Seite. Seiner Gestalt nach kommt er unter den Rochen am nächsten dem von Rhynchobatus. Was die Verkalkung der Wirbelkörper anlangt, so fand ich am 346 Lupwic Horrmann, Rumpfwirbel von Pristiophorus japonicus (Textfig. H) dieselben Ver- hältnisse wie Hasse (1879) an den Schwanzwirbeln von Pristiophorus cirratus: außer der Kalkschicht des zentralen Doppelkegels findet sich noch eine 2. konzentrische in der Außenzone (S. 314), und weiterhin sitzen die Wirbelbogen getrennt den Wirbelkörpern auf (S. 313). Sie sind demnach, wie Hasse mit Recht angibt, nach dessen Ein- teilung tectospondyl und zeigen, wie letzterer in seinem „System“ beschrieben hat, ein Verhalten, das direkt zu dem der Rhinoba- tiden hinüberführt. So hat also die Betrachtung der Wirbel und des Schultergürtels gezeigt, daß auch in dieser Hinsicht Pristio- phorus eine Zwischenstellung zwischen Haien und Rhinoraji und zwar speziell den Rhinobatiden einnimmt, wie sie eben durch die Untersuchung des Kopfskelets festgelegt wurde. Daß andrerseits Pristiophorus nicht direkt zu den Rochen ge- stellt werden darf, dafür sprechen zunächst noch verschiedene typische Haimerkmale, einmal das bereits erwähnte Vorhandensein des Palato- basalgelenkes (S. 257), dann die primitive haiähnliche Körperform, die allerdings gerade in der Kopfregion eine deutliche rochenähnliche dorsoventrale Verflachung zeigt (vgl. auch Taf. 13 Fig. 6, 7, 10), ferner die geringe Entwicklung der Brustflossen und dementsprechend auch das Fehlen des Schädelflossenknorpels und schließlich auch die Lage der äußeren Kiemenöffnungen vor der Brustflosse. Betrachten wir nunmehr die seitherige systematische Stellung der Pristiophoriden in der Literatur. Bezüglich der älteren kann ich mich kurz fassen, da JAEKEL (1890, p. 86—87) eine ausführliche Übersicht derselben gegeben hat. Erwähnt sei, daß Mürzer u. HENLE (1841, p. 97) die von ihnen errichtete neue Gattung Pristio- phorus in die Familie der Scymni stellen, auf die dann die Familie Squatinae folgt und darauf erst die Pristidae. GÜNTHER stellt die Gattung Pristiophorus in seinem Catalogue of Fishes (1872, Vol. 8, p. 431) als Fam. Pristiophoridae hinter die Rhinidae, an das Ende der Haie, die Pristidae dagegen an die Spitze der Rochen, wonach die Pristiophoriden direkt zu den Pristiden hinüberführen würden, die er als die primitivsten Rochen ansieht. Dumériz (1865, Vol. 2, p. 461) folgt im wesentlichen dem System von MÜLLER u. HENLE und stellt die Gattung Pristiophorus in eine gesonderte Familie, die auf die Scymnidae folgt. Bemerkenswert ist die systematische Stellung, die Hasse (1879) auf Grund des Wirbelbaues der Gattung Pristiophorus einräumt. Er stellt sie an die Spitze der Plagiostomi tectospondyli (p. 97), zu denen nur noch Rhina und außerdem die Rochen gehören, Neurocranium der. Pristiden und Pristiophoriden. 347 und bringt dies auch in seinen systematischen Tabellen zum Aus- druck (Tabelle 1 u. 2). Ihm folgt auch ZITTEL in seiner Palaeo- zoologie (1889—1890, p. 94). Hasswezz (1884, p. 71—119) greift wieder auf das System GüntHer’s zurück. Von großem Einfluß auf die spätere Literatur ist die oben ausführlich besprochene Arbeit von JAEKEL (1890, 1891, p. 42) geworden, in der Pristiophorus als typischer Spinacide bezeichnet und unter die Spinacidae als eine Gattung eingereiht wird.!) So hat Zirren in seinen Grundzügen der Palaeontologie (1895) zwar die Hasse’schen Gruppen beibehalten, stellt aber die Familie Pristiophoridae zusammen mit den Spinacidae (p. 543) in die Unterordnung der Cyclospondyli. BRIDGE dagegen (1904, p. 457) nimmt wieder die Systematik GÜNTHER’S an, insofern als er die Pristiophoriden an das Ende der Haie stellt.?) Recan (1906, p. 735) schließt sich eng den Ausführungen JAEKEL’s an und nimmt die Pristiophoridae, als Unterfamilie Pristiophorinae, in die Familie der Squalidae auf. Einen ähnlichen Platz weist auch GoopricH (1908) den Pristiophoridae an, indem er sie zusammen mit den Spinacidae in eine Subordo Squaliformes stellt, deren beide Familien die Spinacidae und Pristiophoridae sind. Wenn wir aus den Ergebnissen meiner Untersuchung ein Fazit ziehen wollen, so dürfen wir von der allgemein anerkannten Ansicht ausgehen, daß die Rochen eine (oder zwei) Gruppen von Plagiostomen sind, die von Haien abstammt(en). Wir werden daher nicht nur bei Rochen und Haien viele gemeinsame Merkmale finden, sondern auch erwarten dürfen, daß bei Rochen noch Charaktere vor- handen sind, die mit Recht als Haimerkmale gelten können, weil sie bei diesen in typischer Weise auftreten. Wenn solche bei Formen 1) Eine etwas merkwürdige Stellung hat Ginn (1893) den Pristio- phoriden eingeräumt, indem er sie als 22. Familie in die Ordnung Astero- spondyli stellt, also weder in eine Ordnung mit den Spinacidae noch auch in die Nähe der Rochen, sondern mit den (Galeoidei zusammen. Sollte GILL vielleicht Pristiophorus mit Pristiurus verwechselt haben ? 2) Zugleich weist er darauf hin, daß die scharfe Unterscheidung zwischen Selachiern und Batoideen mehr aus praktischen Gründen ge- schehe, als daß sie auf eine natürliche Trennung zwischen beiden zurück- zuführen sei; denn Rhinobatiden und Pristiden nehmen seiner Ansicht nach eine Zwischenstellung zwischen Haien wie Rhina und Pristiophorus und weiter modifizierten Rochen wie Raja und Torpedo ein. REGAN vertritt (1906, p. 733) den entgegengesetzten Standpunkt, er will eine scharfe Grenze zwischen Haien und Rochen auf Grund der von ihm an- geführten Merkmale durchgeführt wissen. 348 LupwıG Horrmann, wiederkehren, so werden wir nicht ohne weiteres den Schluß ziehen können, daß diese eben deswegen zu den Haien gehören, sondern es können in ihnen Eigenschaften gesehen werden, die von den Stamm- formen her sich erhalten haben. Das wird besonders dann Geltung beanspruchen dürfen, wenn sie in schwächerer Ausbildung auftreten, als dies bei Haien der Fall zu sein pflegt. Unter diesen Gesichts- punkt fallen nun offensichtlich alle die Merkmale von Pristiophorus, deren Haiähnlichkeit hervorgehoben worden ist: 1. Palato-Basalgelenk (S. 287). 2. Fehlen des Schädelflossenknorpels (S. 346). 3. Die haiähnliche Körperform (S. 346). 4. Die Lage der Kiemenspalten vor den Brustflossen (S. 346). Bei ihrer Beurteilung wird man nicht vergessen dürfen zu be- denken, daß Pristiophorus die pelagische Lebensweise der Haie beibe- halten hat und nicht übergegangen ist zu der bodenbewohnenden der Rochen, aus der sich ein großer Teil der Merkmale dieser Fische ungezwungen erklärt. Jene Haimerkmale hindern uns also keineswegs Pristiophorus als eine Plagiostomenform anzusehen, die den Rochen nach der überwiegenden Mehrzahl ihrer Merkmale sich anschließt. Wollen wir nicht in den daraus zu ziehenden Konsequenzen so weit gehen, Pristiophorus für einen echten und unzweifelhaften Rochen zu er- klären, sondern zugleich jenen Haimerkmalen Rechnung tragen, so müssen wir Pristiophorus als eine Zwischenform zwischen den Haien und den Rochen auffassen, die den letzteren bereits in sehr vielen Punkten gleicht. Wollten wir versuchen unsere Ansicht auch im Stammbaum der Plagiostomen zum Ausdruck zu bringen, so würde Pristiophorus dicht oberhalb des Ursprungs des von den Haien ab- gehenden und in die typischen Rochen auslaufenden Astes einen Platz finden müssen. Haie Pristiophorus Rhinoraji je ee Haie Unter diesen Umständen erscheint es mir fast mübig auf die am Eingang gestellte Frage nochmals einzugehen, ob die Rostra von Pristis und Pristiophorus homolog oder Konvergenzerscheinungen sind, also ob die in der älteren Literatur und auch noch von Hasse (1879) Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 349 (unter Hinwegsetzung über entgegenstehende Beobachtungen) ver- tretene Ansicht Geltung haben soll oder die von JAEKEL aufgestellte, daß „die eigentümliche Rostralbildung bei Pristiophorus mit der von Pristis nichts zu tun hat, sich aber ungezwungen auf die einiger Spinaciden zurückführen lässt“ (1891, p. 116). Die Unzulänglichkeit der Herleitung von Spinaciden ist bereits ausreichend erörtert worden. Was die Rostra der beiden Familien (Pristiden und Pristiophoriden) betrifft, so kann auch von einer allgemeinen Homologie nur in dem beschränkten Sinne die Rede sein, daß die mittlere unpaare Partie des Rostrums von Pristiophorus dem ganzen Rostrum der Rhinoraji und damit dem mittleren unpaaren Teile dessen der Pristiden entspricht. Sekundär ist die erhebliche Länge des Rostrums und die Existenz paariger Knorpelbildungen zu den Seiten des medialen Teiles, andererseits aber auch die Rostral- zähne, die, wie JAEKEL mit Recht dargetan hat (1891), bei Pristiden und Pristiophoriden durchaus verschieden sind (vgl. auch S. 307). Sobald wir uns aber auf den phylogenetischen Standpunkt stellen, werden wir dazu gedrängt in den beiderseitigen Rostralbildungen nur die Erzeugnisse konvergenter Entwicklungen zu erblicken, zwischen denen ein direkter verwandtschaftlicher Zusammenhang nicht besteht. Wenn, wie wir annehmen müssen, die Pristiden durch gewisse Rückbildungen in Zusammenhang mit ihrer neuen Lebens- weise sich von Rhinoraji hergeleitet haben (S. 340), so müssen sie ein Rostrum unabhängig erworben haben von den Pristiophoriden, die den Formen, aus denen die Rhinoraji ihrerseits hervorgegangen sind, jedenfalls näher stehen als irgendeine bis jetzt bekannte Plagio- stomenform. 350 Lupwıs Horrmann, Literaturverzeichnis. ALLIS, Ep. Pu. (1902), The lateral sensory canals, the eye-muscles and the peripheral distribution of certain of the cranial nerves of Mustelus laevis, in: Quart. Journ. microsc. Sc. (N. 8.), Vol. 45. AYERS, H. (1889), The morphology of the carotids, based of a study of the blood-vessels of Chlamydoselachus anguineus, in: Bull. Mus. comp. Zool. Harvard Coll., Vol. 17. BROHMER, P. (1908), Die Sinneskanäle und die LORENZINI'schen Am- pullen bei Spinax-Embryonen, in: Anat. Anz., Vol. 32. BRIDGE, T. W. (1904), Fishes, in: Cambridge nat. Hist., Vol. 7. 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Knorpelskelet. a Vorsprung des vorderen B Vorsprung des hinteren Bogenganges y Vorsprung des äußeren Alv Zahnalveolen Bfl Brustflosse Bp Basalplatte Bstr starke Bindegewebsmasse am Seitenrand des Pristiophorus-Kopfes bu Einbuchtung des Rostralknorpels, in der der Tentakel eingesenkt ist Camp Ampullenkanal des Rostrums von Oxypr. cuspidatus Cn Nervenkanal des Rostrums Co Occipitalleiste ep orbitale Offnung des Präorbitalkanals Cpr Präorbitalkanal cw orbitale Offnung des Orbitonasalkanals Cw Orbitonasalkanal D Präfrontallücke Der Rostralzähne Derv ventrale Reihe derselben am Pristiophorus-Rostrum El Elastischer Knorpelstab des Tentakels Fo Oceipitalloch fon Lücke im Dach der Nasenkapsel 9 Gelenkfläche für den Zungenbeinbogen 9, vordere 9; hintere gf hinterer Fortsatz des Pfannenrandes (Haifortsatz) Kn Mediale Knorpelmasse des Rostrums Knl laterale paarige Knorpelleiste am Pristiophrus-Rostrum Knl' verdünnter Teil derselben la knorpliger Boden der Nasenkapsel b Gelenkfläche für den Zungenbeinbogen 23* 354 Lupwie Horrmann, Lon 1. Liicke des Orbitonasalkanals Lon* 2. Lücke des Orbitonasalkanals Lpr Lücke des Präorbitalkanals Lpr* Vordere Fortsetzung der Lücke des Präorbitalkanals bei Pristis perrotteli und pectinatus Lpr** von der Lücke getrennte Austrittsöffnungen bei Oxypristis cuspidatus M Schädelflossenknorpel M' vorderer Fortsatz des Schädelflossenknorpels mg palato-basale Gelenkfläche N Nasenkapsel oc Occipitalcondylus op seitlicher Occipitalfortsatz os Augenstiel pb Höcker an der Gelenkfläche des Palatoquadratums Per Präcranialhöhle (mittlerer unpaarer Kanal des Pristidenrostrums) Py Parietalgrube Po Postorbitalfortsatz Prs präorbitale Scheidewand r Knorpelstrahl der Brustflosse (Raja) r‘ Knorpelstäbchen am Seitenrande des Pristis-Rostrums Sch laterale Wand des Nasenkanals sk Seitenrand der Cranialhöhle sw Seitenwand der Cranialhöhle sw‘ Seitenwand der Präcranialhöhle Ten Tentakel To (Od) Orbitaldach Vh Fortsatz, auf dem das Hyomandibulargelenk angebracht ist (Rochen- fortsatz) | Vp Vestibularvorsprung des Labyrinths Wew Wand des Orbitonasalkanals Wpr Wand des Präorbitalkanals Nerven. g Foramina supraorbitalia y, Foramina infraorbitalia Abd Abducens f Knorpelhöcker am Facialisaustritt Fa Facialis Gp Glossopharyngeus h Astchen des Ramus ophthalmicus superfieialis, die den dorsalen Teil des Supraorbitalkanals auf d. Rostrum innervieren Ocm Oculomotorius Ocm‘ dorsaler Ast d. Oculomotorius yt ; Ont ventrale Aste d. Oculomotorius Op. Opticus ? p Astchen des Ramus ophthalmicus superficialis, die den ventralen Teil des Supraorbitalkanals innervieren Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 355 gq 7, s drei Aste des äußeren Buccalisastes R. Be Ramus buccalis R. Be‘ äußerer Ast des Buccalis R. Eth Ramus ethmoidalis (des R. ophthalmicus) R. Eth' Astchen desselben Rk. H. M R. hyomandibularis R. Max R. maxillaris R. Oph‘ Astchen d. R. ophthalmicus R. Oph. prof Ramus ophthalmicus profundus R. Oph.sup Ramus ophthalmicus superficialis R. Oph (Tr‘) Ramus ophthalmicus Tr Trigeminus Tro Trochlearis Vg Vagus x' Astchen des R. buccalis, den ventralen Teil des Supraorbitalkanals auf dem Rostrum innervierend Z spino-occipitaler Nerv Sinnesorgane. Sinneskanäle. Hy. © Hyomandibularkanal Inf. C Infraorbitalkanal Inf. Cı_9 einzelne Teile desselben La. © Lateralkanal Rö ausführende Röhren der Sinneskanäle Supr. C Supraorbitalkanal Supr. C;_; einzelne Abschnitte desselben LORENZINI’sche Ampullen. A. Be. Gr äußere Buccalisgruppe En. Be. Gr innere Buccalisgruppe Tr‘. Gr Ophthalmicusgruppe Gefäße. Art. cebr Arteria cerebralis Art. oph Arteria ophthalmica Art. orb Arteria orbitalis Art. ott Arteria optica Art.ro Arteria rostralis Ca. ant Carotis anterior Ca. ant‘ medianer Stamm d. Carotis anterior Ca. po! medianer Stamm d. Carotis posterior Si. orb Orbitalsinus V. cebr. ant Vena cerebralis anterior 356 Lupwie Horrmann, V.cr.p Vena cerebralis posterior V. fa Vena facialis ventralis Vfo Orbitale Austrittstelle derselben V.jug Vena jugularis V.ro Vena rostralis V.ro‘ Astchen derselben Augenmuskeln. obl. inf Musculus obliquus inferior obl. inf’ ventraler Teil des Musc. obliquus inferior bei Pristiophorus obl. sup Musculus obliquus superior rect. ext Musculus rectus externus rect. inf Musculus rectus inferior rect. int Musculus rectus internus rect. sup Musculus rectus superior Tafel 13. Fig. 1. Querschnitt durch das Rostrum von Oxypristis cuspidatus in der Nähe der Spitze. Obj. G, Mikrophotogramm. 12:1. a äußere Prismenlage. b Prismenlage der Alveolen. bg longitudinale Bindegewebs- stränge. bg: long. Bindegewebe die Rostralkanäle auskleidend. c innere Prismenlage (Auskleidung der Kanäle). kn‘ hyaliner Knorpel. kpr Kalk- prismen. Fig. 2 u. 3. Rostra von Oxypristis cuspidatus. Phot. 7:1. Fig. 4. Rostrum von Pristis antiquorum. Phot. 7:1. Fig. 5. Rostrum von Pristis pectinatus. Phot. 7:1. Fig. 6. Embryo von Pristiophorus nudipinnis. Seitenansicht. Phot. 0,0: 1. Fig. 7. Kopf mit Rostrum von Pristiophorus nudipinnis, Embryo. Seitenansicht. Phot. 1:1. Fig. 8. Kopf mit Rostrum von Pristiophorus nudipinnis, Embryo. Ventrale Seite. 1:1. dvcom dorsoventrale Kommunikation des Supra- orbitalkanals. Nkl Nasenklappe. Fig. 9. Kopf mit Rostrum von Pristiophorus japonicus, von der dor- salen Seite. Phot. 0,2:1. Fig. 10. Kopf mit Rostrum von Pristiophorus japonicus. Seiten- ansicht. Phot. 0,2:1. Tafe] 14. Fig. 11. Schematische Rekonstruktion der vorderen Kopfregion von Pristis perrotteti, dorsale Seite. 4,2:1. a—h Astchen des Ramus oph- thalmicus superficialis, den Supraorbitalkanal innervierend. /,—/, die durch die Lücke des Präorbitalkanals austretenden Astchen des R. oph- Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 357 thalmicus superficialis. ?—p Äste des R. ophthalmicus superficialis, die den ventralen Teil des Supraorbitalkanals innervieren. Fig. 12. Schematische Rekonstruktion der vorderen Kopfregion von Pristis perrotteti, ventrale Seite. Vgl. Zeichenerklärung von Fig. 11. 4,2:1. q, 7, s drei Aste des äußeren R. buccalis den Infraorbitalkanal inner- i—x Aste des inneren R. buccalis vierend Fig. 13. Schematische Rekonstruktion der vorderen Kopfregion von Pristiophorus nudipinnis, Embryo, ventrale Seite. 9,2:1. Amp, — Amp, die 5 Untergruppen der äußeren Buccalisgruppe der LORENZINI’schen Ampullen. b,—b,, Astchen des Ramus buccalis. A. Be zweiter äußerer Ast des Ramus buccalis, der zur äußeren buccalen Ampullengruppe führt. Fig. 14. Schema der Sinneskanäle am Kopfe von Pristis, dorsale Seite. Fig. 15. Schema der Sinneskanäle am Kopfe von Pristis, ventrale Seite. Fig. 16. Schema der Sinneskanäle am Kopfe von Pristiophorus nudi- pinnis, dorsale Seite. Fig. 17. Schema der Sinneskanäle am Kopfe von Pristiophorus nudi- pinnis, ventrale Seite. Martel ” ae 18. Neurocranium von Pristiophorus japonicus, ventrale Seite. Fe Fig 19. Neurocranium von Pristiophorus japonicus, dorsale Seite- = oie 20. Neurocranium von Pristiophorus japonicus, Seitenansicht. es 21. Vorderer Teil des Neurocraniums von Pristis pectinatus, Seitenansicht. 1,3:1. cp orbitale Öffnung des Präorbitalkanals. w orbi- tale Öffnung des Orbitonasalkanals. To Orbitaldach. Vpo Orbitale Mün- dung der Vena facialis ventralis. Tafel 16: Fig. 22. Neurocranium von Pristis pectinatus von der dorsalen Seite. ca. 4:5. Fig. 23. Neurocranium von Pristis pectinatus von der ventralen Seite. ca. 4:5. Fig. 24. Vorderer Teil des Neurocraniums von Oxypristis cuspidatus, dorsale Seite. 1:1. Fig. 25. Vorderer Teil des Neurocraniums von Oxypristis cuspidatus, ventrale Seite. 1:1. cp orbitale Öffnung des Präorbitalkanals. Camp‘ ven- trale Öffnung des Ampullenkanals des Rostrums. cw (w) hintere Öffnung des Orbitonasalkanals. Fig. 26. Schultergürtel von Pristiophorus japonieus von der Außen- seite. 1:1. 358 LupwıG Horrmann, Fig. 27. Schultergürtel von Pristiophorus japonicus von der Innen- seite. 1:1. (Zeichenerklärung für Fig. 26 u. 27.) «a Längsleiste an der Außenseite des Schultergürtels. e gemeinsame Grube, in der die Eintritts- öffnungen der Nerven liegen. e‘ dessen innere Öffnung. 91 —93 die drei Gelenkköpfe. Ai Stützpunkt des letzten Kiemenbogens. // Längskante an der Innenseite des Schultergiirtels. lv dorsale Verlängerung des Schulter- gürtels. o obere Austrittsöffnung der Flossennerven. pl dünnes Knorpel- blatt, die vordere Fortsetzung des Knorpelbalkens. gi quere Leiste, auf der die Gelenkköpfe angebracht sind. « untere Austrittsöffnung der Flossennerven. ww‘ zweiter Nervenkanal zwischen 2. u. 3. Gelenkkopf. vB ventraler Knorpelbalken. Fig. 28. Neurocranium von Pristiophorus japonicus. Ansicht von hinten. ca. 5:4. Tafel 17. Fig. 29. Querschnitt durch die vordere Orbitalregion von Raja clavala. 7:1. Fig. 30. Querschnitt durch das Neurocranium von Raja clavata an der Grenze von Orbital- und Ethmoidalregion. 7:1. Fig. 31. Querschnitt in der Gegend der Nasenkapseln. 7:1. Fig. 32. Querschnitt in der Gegend des Vorderendes der Nasen- kapseln. 7:1. Fig. 33. Querschnitt unmittelbar vor den Nasenkapseln. 7: 1. Fig. 34. Querschnitt etwa in der Mitte des Rostrums von Raja clavata. 7.:1. Fig. 35. Querschnitt am vorderen Teile des Rostrums von Raja clavata. 7:1. Fig. 36. Querschnitt an der Spitze des Rostrums von Raja clavata. 7:1. Tafel: 18: Fig. 37. Querschnitt durch das Rostrum eines Pristis perrotteti- Embryos von 35 cm Länge nahe der Spitze. Auf der rechten Seite ist die Scheidewand zwischen zwei Alveolen getroffen. 15:1. Sch Scheide- wand zwischen zwei Alveolen. Fig. 38. Querschnitt durch dieselbe Partie, hier sind zwei Alveolen getroffen. 15:1. Fig. 59. Querschnitt durch das Rostrum desselben Tieres, nahe dem hinteren Ende. 15:1. Fig. 40. Querschnitt durch das Rostrum eines Pr. pectinatus- Embryo. 20:1. Fig. 41. Querschnitt durch das Rostrum eines Oxypristis cuspidatus- Embryos von 33 cm Länge. 20:1. gk Verbindungskanälchen von Nerven- kanal und Ampullenkanal. Fig. 42. Querschnitt durch das Rostrum eines Pr. perrotteti-Embryos von 22 em Linge. 20:1. Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. 359 Fig. 43. Querschnitt durch das Rostrum des Pr. perrotteti-Embryos von 35 cm Länge, unmittelbar hinter dem hintersten Zahnpaare. 7:1. Fig. 44. Querschnitt durch das Rostrum desselben Tieres, unmittel- bar vor der Nasenkapsel. 4,5: 1. iNarte lo; Fig. 45, 46. Querschnitte durch die vordere Kopfregion des Pr. perrotteti-Kmbryos von 35 cm Länge, an der Gegend des Vorderendes der Nasenkapseln. 4,5: 1. Fig. 47, 49. Querschnitte durch die Ethmoidalregion desselben Tieres in gleicher Höhe mit der Mitte der Nasenkapsel. 4,5:1. Fig. 48. Querschnitt durch den Kopf desselben Tieres auf der Grenze von Ethmoidal- und Orbitalregion. 4,5 : 1. Fig. 50— 52. Querschnitte durch die Orbitalregion desselben Tieres. | Tafel 20. Fig. 53. Querschnitt durch das Rostrum von Oxypristis cuspidatus unmittelbar vor der Nasenkapsel. 4,5: 1. Fig. 54. Querschnitt in der Höhe des Vorderendes der Nasenkapsel desselben Tieres. 4,5:1. Fig. 55. Querschnitt in der Höhe der Grenze von Ethmoidal- und Orbitalregion desselben Tieres. 4,5: 1 Fig. 56. Querschnitt durch die Orbitalregion desselben Tieres. 4,5: 1 Fig. 57. Querschnitt durch das Rostrum von Pristiophorus nudipinnis, Embryo. 7:1. dvcom dorso-ventrale Kommunikation des Supraorbital- kanals. AR. Eth‘ Ästchen des Ramus ethmoidalis, Rostralzähne innervierend. R. Oph‘ Ästehen des Ramus ophthalmieus, durch die laterale Knorpelleiste zur ventralen Oberfläche dringend. Fig. 58. Querschnitt durch das Rostrum desselben Tieres kurz vor den Nasenkapseln. 7:1. Fig. 59. Querschnitt durch das Vorderende der Nasenkapsel des- selben Tieres. 7:1. NAT AS Fig. 60. Réntgenaufnahme des Vorderteiles von Rhynchobatus djed- densis. 3:4. kib Kiemenbogen. aki äußere Kiemenspalten. Fig. 61. Röntgenaufnahme von Rhinobatus thonini. 3:4. a Fig. 63. Röntgenaufnahme von Raja oxyrhyncha. 3:4. Fig. 62. Röntgenaufnahme von Oxypristis cuspidatus. 360 LupwiG Horrmann, Neurocranium der Pristiden und Pristiophoriden. Tafel 22. Pristiophorus nudipinnis, Embryo. Fig. 64, 65. Querschnitte durch die Nasenkapsel. 7:1. Fig. 66. Querschnitt an der Grenze von Orbital- und Ethmoidal- recion., 7.1. Fig. 67, 68. Querschnitte durch die vordere Orbitalregion. 7:1. Tafel 23. Pristiophorus nudipinnis, Embryo. Fig. 69—71. Querschnitte durch die hintere Orbitalregion. 7:1 Fig. 72. Querschnitt durch den vorderen Teil der Labyrinthregion. 7:1 Fig. 73, 74. Querschnitte durch die Basis der Labyrinthregion. 7:1 . . . Wa fied 24° Pristiophorus nudipinnis, Embryo. Fig. 75. Querschnitt durch die Labyrinthregion in der Höhe des Trigeminusaustrittes. 7:1. Fig. 76. Querschnitt durch den dorsalen Teil der Labyrinthregion in der Höhe des Facialisaustrittes. 7:1. Fig. 77—80. Querschnitte durch die hintere Labyrinth- und die Occipitalregion. 7:1. (+. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. 8. Nachdruck verboten. Übersetzumgsrecht vorbehalten. Über Balanoglossus carnosus (Willey) und eine ihm nahestehende, neue Art von Neucaledonien. Von Otto Maser (GieBen). Mit Tafel 25—29. Vorliegende Arbeit habe ich auf Veranlassung meines verehrten Lehrers, des Herrn Prof. J. W. SpenGEL, unternommen. Sie gilt hauptsächlich der Untersuchung einer unbekannten Balanoglossus-Art aus Neucaledonien. Zum Vergleich unterzog ich auch den von WIıLLEY beschriebenen Balanoglossus carnosus einer genauen Nachuntersuchung, dessen nahe Verwandtschaft mit der neuen Art nach dem ähnlichen Verhältnis von Eichel und Kragen zu vermuten war. Gute Dienste leisteten mir eine Anzahl Schnittserien von B. clavigerus, Gl. sarniensis und Gl. minutus aus den Präparatensamm- lungen des Zoologischen Instituts in Gießen. Herrn Prof. Spencen bin ich für seinen wertvollen Rat sowohl wie für die freundliche Überlassung des Materials zu großem Dank verpflichtet. Balanoglossus carnosus (WILLEY). WILLEY sammelte das Material, auf Grund dessen er die Art .Ptychodera (Balanoglossus) carnosa“ aufstellte, in der Blanche Bay Zool. Jahrb, XXXIII. Abt. f. Anat. 24 362 Orro Maser, zwischen Kap Gazelle und der Insel Matupi (Neupommern). Er hat selbst die Beschreibung seines Fundes gegeben und die Maße der ihm zur Verfügung stehenden Exemplare in einer Tabelle zusammen- gestellt, die ich in dem Kapitel über D. numeensis wiedergebe. Der bei der Untersuchung übriggebliebene Teil des Materials gelangte als Geschenk in die Hände des Herrn Prof. SPENGEr, wodurch sich mir die Gelegenheit bot, folgende Stücke zu untersuchen: 1. Ein Exemplar, das aus Eichel, Kragen, Branchiogenitalregion und einem sehr kurzen Stück Leberregion bestand. Eichel und Kragen waren gut erhalten, die Gonaden dagegen in halb zerstörtem Zustand. Die Genitalregion und der hintere Teil der Kiemenregion waren unsymmetrisch ausgebildet. 2. Ein Bruchstück der Branchiogenitalregion. Es gehörte einem sehr großen, alten, männlichen Exemplar an und war gut konserviert. Querdurchmesser 10 mm, dorsoventraler Durchmesser 13 mm. 3. Ein kurzes, rundliches Stück Genitalregion. Seitendurchmesser 7 mm, Höhendurchmesser 8 mm. Es ist im Gegensatz von den vorhergehenden weißen Stücken von grünlicher Farbe. Bei der Beschreibung eines Materials, das von WırueyY be- arbeitet worden ist, war es von vornherein kaum zu erwarten, dab die Nachuntersuchung Abweichungen zutage fördern würde, die weit über die Grenzen individueller Variation hinausgingen. Wenn ich trotzdem Wizzey’s Kennzeichnung der Art einige Bemerkungen hin- zufüge, so geschieht es im Hinblick auf eine mit PB. carnosus zu vergleichende, ihm sehr nahestehende Art von Numea (Neucale- donien) und auf die interessanten, von WıLrEy nieht berücksich- tigten Verhältnisse des Gefäßsystems des Postbranchialdarmes. Auf Einzelheiten der Anatomie des B. carnosus werde ich in dem Teil über PB. numeensis oft zurückkommen. Seit dem Erscheinen von Wırrey’s Arbeit in seinen „Zoological Results“ ist D. carnosus nur einmal wieder aufgefunden worden; und zwar soll unter den von STANLEY GARDINER an der Küste der Male- diven und Laccadiven gesammelten und von R. C. Punnerr unter- suchten Enteropneusten der größere Teil eines riesigen Exemplars und einige kleinere Bruchstücke von B. carnosus gefunden worden sein. R. C. Punnerr hat die Maße des Tieres mitgeteilt, die sich in den (Grenzen der von Wizzey genommenen Messungen halten, jedoch keine Schnittuntersuchung vorgenommen. Eine farbige Skizze, die die Ausführungen Punnerr’s ergänzt, zeigt das Tier in einer Balanoglossus carnosus und numeensis. 363 gelbbraunen Lehmfarbe, von der die Innenseite der Flügel und der Kragen durch einen lebhaft gelben Ton kontrastieren. (Nach Winner findet sich die gelbe Farbe ebenfalls, meist ist jedoch die Färbung der Branchiogenitalregion oder der Gonaden „salmon or purplish“.) Ob wirklich dieser Fund mit B. carnosus zu identifizieren ist, mag bei dem Mangel einer inneranatomischen Untersuchung, die bei der Bestimmung der Enteropneusten unerläßlich ist, und bei der sicher- lich großen Zahl unbekannter Arten dahingestellt bleiben. Was das Äußere meines Materials betrifft, so kann ich der Beschreibung, wie sie Wırzey gegeben hat, vollständig zu- stimmen und habe Neues nicht hinzuzufügen Die relativ kleine Eichel, umhüllt von dem außerordentlich großen Kragen, die cha- rakteristische Einschnürung in dessen Mitte, wie sie aus WıLLEy’s Abbildung zu ersehen ist, der steil abfallende hintere Rand der Genitalpleuren mit dem ausgeprägten, pleurenlosen Intervall zwischen Genital- und Leberregion, die größte Entwicklung der Gonaden erst hinter der Kiemenregion, alle diese Kennzeichen wieder- holen sich mit strikter Genauigkeit. Ebenso fand ich die kleinen Hautinselchen, die aus besonders reich entwickelten Drüsenzellen bestehen, auf der Innenseite der Pleuren vor. Die Genitalflügel selbst schlossen sich durch „a mucous junction“ fest aneinander. Andrerseits konnte ich nicht nachweisen „the brown-pigmented groove, running along the inner base of the genital pleurae“, die eine Fort- setzung der Submedianlinie nach hinten in die Genitalregion bilden soll. Ebenso genügte das dürftige Stück Leberregion nicht, um Wırzer’s Befunde aus dieser Region zu bestätigen. Wırrey schreibt darüber: „The hepatic region commenced with about a dozen brown hepatic coeca which were followed by a long stretch of foliaceous, dull yellowish saccules, and these again by a still longer gradually decreasing series of brown lobes. The larger saccules are finely digitate or crenulate at their free margin and are quite lamelliform like the leaves of a book, being extraordinarily flattened antero- posteriorly and closely crowded together“ (Wırzry, 1902, p. 249). Die in meinen Händen befindliche Leberregion wies keine solche Differenzierung der Säckchen auf. Sie waren vielmehr gleichmäßig plattgedrückt, beil- bis hakenförmig und ähnelten der Krücke eines Spazierstockes. An ihrer Biegungsstelle von der senkrechten in die. wagrechte Richtung erreichen sie ihren größten Breitendurch- messer. Das Hakenende fand ich charakteristisch kreisförmig ab- gerundet, der Rand der Säckchen war glatt. 24* 364 Orro Maser, Die Eichel (Taf. 25 Fig. 1—5, Taf. 26 Fig. 7). In dem vorderen Teil der Eichel konnte Wıruey eine kleine zentrale Höhle unterscheiden, die, mit einem zelligen Konglomerat erfüllt, bis vor die Spitze des Zentralkomplexes der Eichel reichte. Nach meinen Beobachtungen ist eine solche Zentralhöhle nicht vor- handen. Die Eichelspitze stellt vielmehr mit ihrer starken Mus- kulatur ein ziemlich Kompaktes Organ vor. Die mäßig starke Ring- muskulatur behält gleiche Schichtdicke und bildet keinen Ring- muskelwulst an der Basis der Eichel wie bei D. clavigerus. Die Längsmuskulatur des äußeren Cölomblattes ist dagegen kräftig ent- wickelt. Eingebettet ist sie in jenes feine Bindegewebe, das als Perimysium die Muskelfasern umscheidet und weiter hinten, wenn die Längsmuskeln vor der Spitze des Zentralkomplexes sich der Epidermismembran zuwenden, in das diese Organmasse einhüllende Bindegewebe übergeht. Die Längsmuskulatur hat das bekannte, zerklüftete Aussehen, das durch die Zerreibung des Bindegewebes zwischen den in Radien angeordneten Muskelzügen hervorgerufen wird. Zwischen diesen radialen Muskelbündeln sowohl wie zwischen den einzelnen Muskelfasern findet sich in außerordentlicher Menge jenes feine, filzartige Gewebe, das nach SPENGEL (Neue Beiträge I, p. 280) aus dünnen Muskelfasern besteht. Wıruey hat dieses dichte (sewebe zuerst bei Pt. flava als „a characteristic peripheral aponeu- rosis“, das einen zentralen Hohlraum umgibt und auf der Dorsal- seite stärker entwickelt ist als ventral, beobachtet (Wizzex, 1902, p. 229). Auch bei Dal. carnosus findet er als umgebende Hülle des oben erwähnten Hohlraumes „a feeble aponeurosis“, deren Bestand- teil, das Fasergewebe, sich hinter der kleinen Zentralhöhle wieder vorfindet. Dieses Fasergewebe ist in meinem Exemplar sehr üppig entwickelt und durchsetzt den ganzen vorderen muskulösen Teil der Eichel. Übrigens lassen die Längsmuskeln die zentrale Eichelachse voll- ständig frei, welcher Raum vom Filzgewebe ausgefüllt wird. Die Längs- muskeln bilden in ihrer größten Dichte einen Längszylinder, der sich vor der Spitze des Zentralkomplexes fächerförmig, doch vor allem dorsal und lateral ausbreitet. Noch in hinteren Schnitten finden sich ihre Fortsetzungen als zwei dorsolaterale Muskelwülste, deren Muskelfasern die der hinteren Eichelmuskulatur beträchtlich an Stärke übertreffen. Die Spitze des Zentralkomplexes ist, wie schon WILLEY mitteilt, vollständig von der wuchernden Splanchnothek überdeckt, die jedoch weiter hinten zu einer dünnen, die zentralen Organe um- Balanoglossus carnosus und numeensis. 365 kleidenden Schicht reduziert wird. Dort bildet sich ein freier, ring- förmiger Hohlraum zwischen den beiden Cülomblättern. Eine dorso- ventrale Muskelplatte, die vor dem Zentralkomplex, etwa in der bei B. clavigerus sich vorfindenden Ausbildung, verliefe, ist nicht vorhanden, doch bemerkt man sie als eine aus wenig zahlreichen Muskelfasern be- stehende Wand auf der Höhe dieser Organe, ohne daß es im vordersten Teil zur Entstehung eines Septums kommt. In der hinteren Region der Eichel begleiten die dorsoventralen Fasern deutlich die dorsolateralen Wände der Herzblase und das ventrale Septum. An dem Übergang zum Eichelstiel wird die Kapazität des Cölomhohlraumes stark ver- ringert. Die Seitenwände des somatischen Blattes werden dünner, weil die Längsmuskulatur vollständig in der durch das Septum zwei- geteilten Ventralseite verläuft. Auf der Höhe des Eichelporus findet man sie als ventrale, dicke Längsmuskelwülste, deren Fasern größten- teils hier an der Epidermismembran endigen und sich nicht in die ventralen Cülomtaschen fortsetzen. An gleicher Stelle endigt auch in Übereinstimmung mit Wittey’s Beschreibung die rechte Hälfte des Cöloms oder, wie sie Wizzey nennt, „the right dorsal canal“. Dieser Dorsalkanal beteiligt sich auch an der Bildung der chondroiden Substanz. Dadurch, dab dorsal das Cölom caudalwärts blind endigt, ventral sich aber fortsetzt, entsteht eine wohl abgeschlossene rechte ventrale Cölomtasche. Auf gleicher Schnitthöhe ist die linke Célom- hälfte noch ein einheitlicher Raum, d.h. ventraler und dorsaler Teil noch nicht voneinander geschieden. Diese Sonderung tritt jedoch in den darauffolgenden Schnitten ein. Die linke Cölomhälfte mündet dorsal mit weiter Öffnung in die Eichelpforte ein, die eine sehr bedeutende mediale Blase bildet und von merkwürdigem Bau ist (lat 25) Pig. 34u. 4). Die aus sehr regelmäßigem Flimmerepithel bestehende Blase liegt in einer hügelartigen Wulstbildung der Epidermis, der Porus an dem Rande der vorderen Vorhöhle des Kragens. Wizzey findet in seinem Exemplar: „an ill-defined pore which may open into the base of the medullary tube somewhat behind the anterior neuro- pore“ 1902, p. 251). Bei seiner Auffassung der Epidermistasche als „Neuroporus“, einer Anschauung, die ich keineswegs mit ihm teile, gelangt er durch diese enge Beziehung des Porus zur vorderen Vor- höhle zu außerodentlichen Schlußfolgerungen. Die Eichelpforte selbst liegt in meinem Exemplar nicht symmetrisch in der Mittelebene, sondern wird durch eine Falte der ventralen Wand in eine kleinere rechte und eine größere linke Partie geschieden. Diese Sonderung 366 Orro Maser, der Pforte in 2 ungleiche Teile ist besonders gut in ihrem hinteren Teile ausgesprochen und auch in der Tasche vorhanden, die, in Übereinstimmung mit Witney, sich von der Blase aus nach hinten unter das Kragenmark erstreckt. Auch die Tasche schließt links ein größeres Volumen ein und dringt auf derselben Seite weiter nach hinten. Wizzey stellte ebenfalls eine Teilung der Eichelpforte, die durch eine Falte der Wand verursacht wird, fest, die aber bei einem jungen Exemplar der gleichen Art nicht bestand. Hier fand er viel- mehr eine ungeteilte mediane Pforte, die sich durch einen medianen Porus vor der Vorhöhle öffnet. Nach Wıurey sind diese Verhält- nisse bei D. carnosus der Ausgangspunkt einer Weiterdifferenzierung der Pforte, die bei B. biminiensis eine Steigerung in derselben Rich- tung erfahren hat. Dadurch nämlich, daß bei dieser Art eine sehr hohe Falte der ventralen Pfortenwand fast bis zum dorsal gelegenen Porus reicht und die Blase auf diese Weise in eine kleinere rechte und größere linke Abteilung zerfällt: „Thus the effect is produced of two pores opening by a common median orifice“ (ibid., p. 291). Bei 5. jamaicensis hätte dann diese Trennung ihren Höhepunkt er- reicht, indem dort zwei Pforten dicht nebeneinander liegen, jede mit eigenem Porus, von denen jedoch nur die linke mit der linken Cölom- tasche kommuniziert. Ob WırLey indessen hiermit die Tatsachen in natürlicher Weise kombiniert, scheint mir durchaus nicht sicher zu sein, haben uns doch Arbeiten, die auf viele Exemplare Rücksicht genommen haben, die Untersuchungen SPENGEL’S über Gl. minutus und Hırv's über D. australiensis, mit einer so erstaunlichen Variations- möglichkeit der Pforte bekannt gemacht, daß der von WILLEY unter- nommene Deutungsversuch doch recht willkürlich erscheint. Wenden wir uns der Ventralseite zu. Im vorderen Teil des Zentralkomplexes stößt der Eicheldarm fast an die Ventralwand an, weiter nach hinten entfernt er sich von der Epidermis, und ein mit Blut erfülltes Septum verbindet beide. Die beiden Ventraltaschen des Eicheldarmes reduzieren die ventralen Célomcéca zu einem platten, aber die ganze Breite des Divertikels einnehmenden Raum, der vorn durch das ventrale Septum vollständig halbiert ist. Der hintere Rand des Septums zieht von der dorsalen Seite schief nah hinten zur ven- tralen und läßt so beide Hälften verschmelzen. Die nun einheitliche Tasche wird zu einer ovalen Röhre, die außerordentlich weit nach hinten dringt. Unter dem Körper des Skelets ist sie noch zu be- obachten, schließlich wird sie von den beiden Seitenplatten des „Skeletkiels“ umfaßt und durch ihn vollständig von der Epidermis Balanoglosuss carnosus und numeensis. 367 'abgedrängt. Sie endet an einer von ihr produzierten Scheidewand im hohlen Kiel, die sie senkrecht abschließt. An der Bildung dieser Skeletwand ist, worauf ich später noch zurückkommen werde, ein kleines Darmdivertikel beteiligt, das von hinten aus in den Kiel eindringt. Ganz in Übereinstimmung mit Wirvuey reicht die Muskulatur, sowohl Längs- wie Ringmuskeln, in der ventralen Wand der ventralen Tasche am meisten nach hinten. Der Eicheldarm. Eicheldarm und Glomerulus reichen etwa gleichweit nach vorn, während die Herzblase um eine kleine Strecke früher endet, so dab das Divertikel sich mit seiner Spitze dorsalwärts über ihr vorderes Ende schmiegt, eine Erscheinung, die man bei einer großen Anzahl von Enteropneusten, vor allem bei den Balanoglossus- Arten, vor- findet. Der Eicheldarm ist von Wizzey so beschrieben worden, dab ich kaum darauf einzugehen nötig habe. Nur waren in meinem Exemplar die dorsolateralen Taschen, die das Gegenstück zu den ventrolateralen Taschen darstellen, nicht in dem Maße differenziert, wie es Wıruey abbildet. (Wırvey selbst spricht nur von „dorso- lateral subdivisions“ des Eicheldarmes, während augenscheinlich diese eine der gesonderten Ventraltasche des Divertikels ent- sprechende dorsale Bildung darstellen.) Auch hier schnüren die zwei starken Skelethörner seitlich den Eicheldarm ein, wie es auch für D. biminiensis und PB. jamaicensis zutrifft, und machen die Trennung der dorsalen von den ventralen Taschen des Eicheldarm noch deut- licher. Dorsal von den vorderen Skelethörnern nimmt der Eichel- darm meines Exemplars eine derartige Breite an, daß die dorsalen Seitentaschen tatsächlich als solche existieren. Nur dadurch weichen sie von WıureyY’s Exemplar ab, dab ihr Lumen sich noch nicht ab- geschlossen hat und sie in offener Verbindung untereinander stehen; außerdem erreichen sie in abweichender Weise nicht ganz die transversale Ausdehnung der ventralen Taschen. Auch scheint die taillenartige Einschnürung mehr ausgeprägt zu sein. Auf diese sehr charakteristischen Ausstülpungen der Taschen und die daher rührende quadratische Querschnittsform des Eicheldarmes mag bei Lösung verwandtschaftlicher Fragen einiges Gewicht zu legen sein. Daß nicht etwa hauptsächlich den Einwirkungen der vorderen Skelethörner die Sonderung in eine dorsale und ventrale Hälfte zuzuschreiben ist, erhellt schon daraus, dab die unten beschriebene Art von Numea dieselbe Differenzierung des Eicheldarmes aufweist, 368 Orro Maser, ohne überhaupt vordere Skelethörner zu besitzen. Die quadratische Form hat also eine tiefere Bedeutung, als wenn sie nur eine spezielle Gestaltung durch Einwirkung der Skelethörner darstellte. Auf der Schnitthöhe der Mitte des Blutraumes ist das rechteckige Divertikel an seiner dorsalen Wand rinnenartig vertieft, was dem Blutraum eine größere Kapazität gibt. Im Eichelstiel, im Herd der Skelet- bildung, ist der Kicheldarm zu einer dünnen Röhre reduziert, deren Querschnitt wie gewöhnlich bohnenförmig ist, da der Skelet- körper ventral in das Divertikel eindringt. Ganz in Übereinstimmung mit Wiczey trägt die Dorsalwand und zwar nur die Dorsalwand eine starke Bewimperung, während in der Ventralwand Körner- ablagerungen stattgefunden haben. Der Basis der Eichel noch mehr genähert, ist der Eicheldarm nach Wırrey durch die verstärkte Skeletmasse in drei Zweige aufgeteilt, während ich die Verhältnisse etwas unregelmäßiger fand, als sie Wırrey’s fig. 18, tab. 29 wieder- gibt, obwohl sie sich aus jenen leicht ableiten lassen. Ein durch- gehendes Lumen ist auch hier nicht vorhanden. Die Herzblase (Taf. 25 Fig. 1 u. 2). Sie erstreckt sich, wie oben beschrieben, nicht ganz so weit nach vorn wie der Eicheldarm und ist an ihrem vorderen Ende im Querschnitt kleiner als der Eicheldarm. Einige Schnitte weiter nach hinten hat sich die dorsale Spitze ihres Querschnitts schon an die Epidermis angelagert. Von dieser dorsalen Kante schweifen die Seitenwände dachartig ventralwärts, so daß die Herzblase an ihrer Ventralseite ihren größten transversalen Durchmesser aufweist, der den des relativ schmalen Eicheldarmes um das Doppelte übertrifft. Die der Eichelbasis genäherten Schnitte zeigen eine rasche Ab- nahme der dorsoventralen Höhe der Herzblase, ihre Ränder um- greifen den dorsalen Teil des Divertikels (was sie weiter vorn nie tun), wodurch sich eine bedeutende Verlängerung der den Glomerulus versorgenden Kanäle ergibt. Dabei verschiebt sich die dorsale An- satzkante der Herzblase nach rechts, um dem links in die Eichel- pforte ausmündenden Cölom das Feld zu räumen. Ihr hinteres Ende erreicht sie auf der Höhe des Eichelporus, immer noch dem Eichel- darm dicht angelagert. An ihrem vorderen und hinteren Ende ist sie mit Bindegewebe erfüllt, dessen Ähnlichkeit mit dem der Splanchno- thek schon Wıruey aufgefallen ist. Gleich weit von beiden Enden entfernt buchtet sich ihre Ventralwand derartig ein, daß sie fast die Balanoglossus carnosus und numeensis. 369 dorsale Kante berührt, und schafft so einen Blutraum von außer- ordentlicher Aufnahmefähigkeit. Doch unterscheidet sich diese Ein- stülpung von ähnlichen Fällen, wie etwa bei B. australiensis und Harrimaniiden, dadurch, daß es nicht zu einer seitlichen Verengerung der Verbindung zwischen der in der Herzblase gelegenen Höhle und dem zentralen Blutraum kommt. Hier ist vielmehr der ganze Blut- raum zwischen Herzblase und Eicheldarm durchaus einheitlich. In der Zone dieser Einbuchtung hat sich im Innern der Herzblase die Bindegewebsbekleidung auf eine dünne Deckschicht der ventralen Wand reduziert, so daß die Blase fast vollständig hohl ist. Bezüg- lich der Muskulatur der Herzblase weicht B. carnosus von den üblichen Verhältnissen nicht ab. Die Ventralwand liefert eine sehr dichte Lage Transversalmuskelfasern. Feine Muskelfasern ziehen auch durch das mit lockerem Bindegewebe erfüllte hinter Ende der Herzblase ebenfalls in querer Richtung, Befunde, wie sie SPENGEL bei Gl. minutus usw., Hizz bei B. australiensis gemacht hatte. Die Quer- muskulatur der lateralen Wände, die SpEnGEL bei B. aurantiacus nachweisen und deren Vorhandensein er auch für B. gigas wahr- scheinlich machen konnte, habe ich nicht mit Sicherheit feststellen können. PB. carnosus gleicht also hierin der Mehrzahl der Entero- pneusten, da außer für oben genannte Arten nur für A. kupfferi der Nachweis einer solchen Muskulatur gebracht ist. Die Muskulatur des splanchnischen Blattes fand sich als dünner, äußerer Belag der Dorsalwand der Herzblase. In der Verdickung des Bindegewebes der ventralen Wand vor der Ausbuchtung des zentralen Blutraumes sind eine Menge von Ausscheidungsprodukten in Körnerform ab- gelagert. Sie haben dasselbe Aussehen wie die Excretkörner, die man auch in anderen Organen oft findet. Der zentrale Blutraum besitzt eine Endothellage, die die Herzblasenwand in relativ dicker Schicht bedeckt. Ihr, sei es aus natürlichen Gründen oder durch die Fixierung künstlich hervor- gerufener, Anschein einer faserähnlichen Struktur läßt bei den die eingebuchtete Höhle tangierenden Schnitten leicht die Täuschung aufkommen, dab man es mit einer endothelialen Längsmuskulatur zu tun habe, die dicht unter der Transversalmuskulatur der ven- tralen Herzblasenwand liege. Der Glomerulus (Taf. 25 Fig. 1, 2, 3). Fast genau so weit wie das Divertikel erstreckt sich der Glome- rulus in die Eichel hinein. An seiner äußersten Spitze flankiert er 370 Orro Maser, den Eicheldarm an der dorsalen Hälfte der Seiten und umereift ihn wenige Schnitte nach hinten auch dorsal. Die Splanchnothek, die ihn bildet, ist, wie oben beschrieben, an seiner Oberfläche zu einer dicken Bindegewebsschicht gewuchert, die auch den Eicheldarm um- randet und dort an Stärke variiert. Dorsal steht dieses Bindegewebe sicher in festem Zusammenhang mit dem intermuskulären Binde- gewebe des parietalen Blattes, ventral ist der Zusammenhang durch die Zerklüftung der Muskulatur gelöst, jedoch ist er wahrscheinlich vorhanden. Wird die Herzblase im Schnitte sichtbar, so wird der Glomerulus von seinem Platz in der Mitte verdrängt und umgibt sie mit seinen radiären Gefäßen, den Flügeln eines Wappenadlers ähnlich. Die Enden dieser Flügel umschließen die Herzblase und berühren sich beinahe auf der Dorsalen. Die radiären Gefäße sind stark und besonders ventral wenig verästelt. Sie verlaufen direkt von Gefäßen aus, die aus dem zentralen Blutraum kommen, und haben in ihrer ganzen Länge etwa denselben Durchmesser, nur an ihrem Ende erweitern sie sich bläschenartig, d. h. ergießen sich in weitere Randgefäße. Im dorsalen Teil verzweigen sich die Radiär- eefäße und bilden ein kompliziertes Netz. In der hinteren Region weicht der Glomerulus von der dorsalen Seite der Herzblase zurück; und auch ventral kommt es zu starker Verästelung der Radiärgefäße. ‚Nach hinten geht der Glomerulus in die „abführenden Gefäße“ über, die an beiden Seiten des Eicheldarmes direkt dorsal von den vorderen Skelethörnern hinziehen. Sie rücken dann ventralwärts und ver- laufen dorsolateral vom Skelet in der Muskulatur des Eichelstieles. Dann biegen sie, dem allgemeinen Charakterzug der Ptychoderiden entsprechend, in der Höhe der dort endigenden Perihämalräume ventral- wärts um. Auch im Glomerulus finden sich die charakteristischen lichtbrechenden, aus kleinen Teilen zusammengebackenen Excret- körner, an deren Lagerstellen die Radiärgefäße vacuolenartig er- weitert sind. Bezeichnenderweise lagern sie sich nur dort ab, wo die Splanchnothek eine dicke Schicht bildet, also nur an der vorderen Spitze. In der Mitte und am hinteren Ende sind sie, da die schleier- artige Splanchnothek einem Austausch mit dem Wasser nicht im Wege steht, nicht zu beobachten. Das Skelet (Taf. 25 Fig. 3, 4, 5; Taf. 26 Fig. 7). Das Skelet entspricht im ganzen der Beschreibung WiLLey's. Die starken, vorderen Skelethörner, die den Eicheldarm flankieren, Balanoglossus carnosus und numeensis. 371 senken sich in ihrem Verlaufe nach hinten unter bedeutender Dickenzunahme und gehen stetig über zu der unter den ventralen Divertikeltaschen liegenden und von ihnen produzierten „End- scheibe“ (Spenge). Diese Endscheibe ist der Ausdehnung der Ventraltasche entsprechend breit und kräftig und bildet als das vorderste Skeletstück einen kompakten Block, der sich plattenartig auf den länglichen „Körper“ aufsetzt und die ventrale Cölom- tasche beträchtlich verengt. Caudalwärts fügt sich an die Endscheibe der Körper an als ein schmales, dorsoventral jedoch hohes Skelet- stück, das dorsal und ventral sehr verdickt ist, also einen fast hantelförmigen Querschnitt besitzt. Seine dorsale Verdickung dringt in den Eicheldarm ein, der den erwähnten bohnenförmigen Quer- schnitt annimmt. Jedoch ist seine Konstitution nichts weniger als fest gefügt, schon nach einigen Schnitten verzweigt er sich. Gleich- zeitig mit dem Auftreten des „Körpers“ bemerkt man ventrolateral von ihm zwei mächtige Platten, die in ventraler Richtung sich auf- einander zuneigen, vorerst jedoch weder unter sich noch mit dem Körper in Verbindung stehen. Diese Platten sind nichts anderes als der vorderste Teil des ventralen „Kiels“ oder „Zahns“. Sie sind keilférmig und nach unten scharf zulaufend. Wenig weiter hinten verschmelzen sie ventral miteinander und bilden einen sehr massiven Panzer von dichter Struktur mit abgerundeter Ventralseite. In diesem Gebilde ist das ventrale Cülomcücum eingeschlossen, das an der Bildung des Kieles und des dorsal angrenzenden Körpers eroben Anteil nimmt. Kiel und Körper verschmelzen in geringer Ausdehnung, und hierauf löst sich der dorsale Teil des Körpers in drei Zweige auf. Die mediale Partie der Vorsprünge bleibt mit dem Kiel noch in Konnex, die lateralen Zweige reichen frei nach hinten und dorsal- wärts und dringen seitlich eben so weit dorsal vor wie der mittlere Hauptteil. Von diesen beiden Seitenflügeln des Körpers gehen nach der Dorsalen unregelmäßige Fortsätze aus, die in den Eicheldarm eindringen und ihn regellos in Abschnitte zerlegen, die das Wrzzey’sche Schema des in drei Äste geteilten Kicheldarmes nur verwischt darstellen. Hierauf verdickt sich der Mittelteil des Körpers etwas, wobei er die Form des „Doppelkörpers“ annimmt, und läuft plötzlich in die nach beiden Seiten in senkrechter Ebene liegenden Schenkel des Skelets aus, die als kräftige Äste zwischen dem sie erzeugenden und daher sehr breiten Eicheldarm und dem Darm selbst verankert sind. Den ventralen Kiel verließen wir in unserer Betrachtung an der Stelle, wo er mit dem schwächlichen Körper verbunden waı 372 Orro MAsER, und das ventrale Cülomcücum umgab. Letzteres endet plötzlich in der Höhe, in der der Körper sich aufteilt, und bildet ein quer verlaufendes Skeletseptum an seinem hinteren Ende. Am sleichen Ort beginnen die beiden Platten des Kieles dünn und zer- brechlich zu werden. Sie verschmelzen nicht mehr auf der Ven- tralseite und werden zu einem Teil des Doppelkérpers. Doch schließen die beiden schmalen Platten noch eine aus einfachem Epithel bestehende Röhre ein, die bis zum oben genannten Quer- septum des Cülomcücums vordringt. Diese skeletbildende Röhre zwischen den hinteren Seitenplatten des Kieles ist ein Divertikel, das vom Darm ausgeht. Es mündet an dem Gipfel einer durch das Skelet verursachten und vom Darmepithel bekleideten Erhebung in den Darm ein und ist an seinem Ende von dem Epithel desselben histologisch kaum zu unterscheiden. Diese dünne Röhre, die nur einen Fall der bei den Enteropneusten so leicht eintretenden Diver- tikelbildung repräsentiert, kann an Größe mit dem Eicheldarm nicht verglichen werden, hat aber die Funktion der Skeletbildung mit ihm gemein. — Ein Vergleich mit Enteropneusten mit freier Eichel und minder großem Kragen ergibt, daß der „Körper“ des Skelets bei BD. carnosus bedeutend schwächer ist, daß es außerdem nicht zur Entstehung eines scharfen Zahnes, der ventralwärts vorspringt, kommt, ein Zustand, der auf die neuerworbene Fortbewegungsart deutet, sich hauptsächlich des Kragens als Locomotionsorgan zu be- dienen. Sie muß sich naturgemäß vor allem an der Koppelung zwischen Eichel und Kragen, dem Skelet, bemerkbar machen. Der Kragen. Wirrey findet das vordere Ende des Kragenmarkes im Besitze eines einfachen, queren Lumens, das von dem vorderen „Neuroporus“ ausgeht, und er fährt fort: „This soon ceases and the central canal is thereafter represented by a large number of separate, minute medullary cavities, until the neighbourhood of the posterior neuro- porus is approached, when a large median lumen again occurs“ (ibid., p. 252). Daß es sich bezüglich des vorderen und hinteren Endes des Kragenmarkes um nichts anderes handelt als um gut ausgebildete „Epidermistaschen“ (neuerdings „Vorhöhlen“ genannt ISPENGEL|), braucht nach den Ausführungen Sprexger’s kaum betont zu werden. Die vordere Vorhöhle, deren vorderer Rand durch die Einmündung des Eichelporus gekennzeichnet ist, hat spaltförmiges Balanoglossus carnosus und numeensis. 373 Lumen und stülpt sich genau über das vordere Ende des Kragen- markes. Sie ist besonders an der ventralen Wand reich von Drüsen- zellen durchsetzt. Ebenso liegt die hintere Vorhöhle in der Achse des Kragenmarks und besitzt „a large median lumen“, dessen dorsale Wand hauptsächlich aus Drüsenzellen besteht. Kurz vor ihrem hinteren Rand mündet in sie der erste Kiemenporus. Was das Kragenmark angeht, so sind einige Abweichungen von Wirvey’s Angaben bemerkenswert. So finden sich in meinem Exemplar nicht zwei Kragenmarkswurzeln, von denen „the second is short, mostly solid and without intraepidermal canal“, sondern drei im Durchmesser voneinander abweichende, die bis in die Epidermis mit ihrem intraepidermalen Kanal eindringen. Die erste, weitaus mächtigste der Wurzeln verläuft sehr schräg, so daß sie über der vorderen Vorhöhle als intraepidermaler Kanal hinzieht, die zweite beginnt in demselben Querschnitt als intraepidermaler Kanal, in dem die erste in das Kragenmark einmündet, und senkt sich rasch zu ihm herab. Die dritte dagegen steht senkrecht zum Mark, sie ist die schmächtigste von den dreien. Die erste Wurzel enthält durchgängig ein zentrales Lumen, das an manchen Stellen unterteilt ist, z. B. von drei kleineren Lumina vertreten wird. Die Höhlung ist jedoch teilweise so reduziert, dab sie nur aus der Stellung der radiär ausstrahlenden Zellen erkannt wird. Beim Eintritt in die Epidermis ist das Lumen wieder gut sichtbar und läuft als intraepidermaler Kanal noch ca. 150 « weiter nach vorn, um allmählich sich zu verlieren (Taf. 26, Fig. 7). Direkt über dem Kanal zieht sich eine tiefe, im vordersten Teil ihn fast be- rührende Einsenkung der Epidermis hin. Die periphere Nerven- faserschicht nimmt etwa ein Drittel des Halbmessers ein. Doch finde ich nicht die von Wırvey erwähnte Andeutung einer kleinen Höhle unter dem Ursprung der Wurzel, „which however is quite filled up by a drop of deeply staining mucus“. Die zweite Wurzel ist zylindrisch wie die erste, nur dünner, und umfaßt ein deutliches Lumen. Sie schiebt eine zum dorsalen Mesenterium werdende Falte der Basalmembran vor sich her, die besonders an der Oberfläche der Wurzel mit Blut erfüllt ist. Dieses dorsale Mesenterium dehnt sich aber nicht weiter aus, als die Wurzel selbst verläuft, trennt also nur für ein kurzes Stück das linke und rechte Cölom des Kragens. Ihre periphere Nerven- schicht ist dünner als die der ersten, der intraepidermale Kanal nur 80 « lang. Die dritte Wurzel ist fast massiv, sehr dünn und 374 Orro Maser, besitzt entsprechende Nervenfaserschicht. Sie hat einen kurzen Intraepidermalkanal von 40 « Länge. Hinter ihr beginnt das dorsale Mesenterium seinen stetigen Verlauf zu nehmen. Die Kragenpforten sind nach Wiuvey charakteristisch ge- faltet. Tatsächlich weichen sie hierin von demselben Organ bei anderen Dalanoglossus-Arten ab. Bei PB. carnosus sind es ziemlich große Organe, die an ihrem vorderen Ende mit dorsolateraler Biegung sich in die Kragenhöhle öffnen. Da auf den vordersten Schnitten nur die eine Wand der umgebogenen Röhre getroffen ist, erscheint die Pforte als Rinne, deren konkave Fläche der dorsalen Seite zu- gekehrt und deren Wand in der Mitte erhöht ist. Hinter der Aus- mündung ist die Röhre seitlich abgeplattet, so dab ihre dorsoventral verlaufenden Seitenwände sehr ausgedehnt sind und der dorsoventrale Durchmesser der Pforte den transversalen bedeutend übertrifft. Auch auf Wizzey’s Abbildung ist diese dorsoventrale Streckung sehr aus- gesprochen und von dem gewöhnlichen Verhalten der Pforten ab- weichend. Die schmale ventrale Wand der Pforte ist in ihrer Mitte erhöht. Die Pforten kommunizieren mit der ersten Kiementasche und münden mit ihr am Rande der hinteren Vorhöhle aus. Die Kiemenregion. Da ich eine ausführliche Schilderung des branchiogenitalen Übergangs gebe, will ich mich hier darauf beschränken, die Befunde Wizzey's zu bestätigen. Die Kiementaschen fand ich ebenfalls mit ventralen Blindsäcken ausgestattet, die im hinteren Ende der Region verschwinden. Charakteristisch für den Dorsalnerven der Kiemen- region scheint mir seine Überlagerung durch Epidermiszellen. Die Epidermis neben dem Nervenstamm ist weit höher und reicher an angequollenen Drüsenzellen als dessen niedrige Stützzellen. Sie legt sich daher, zwei laterale Falten bildend, über den Nerven. Die in der Mitte zusammentreffenden Epidermiszellen verkleben dann über dem Nerven und bilden eine Schicht von beträchtlicher Höhe. Die Gonaden. In den Genitalflügeln treten die Gonaden rechts in einer Distanz von ca. 180 u, links erst in etwa 215 w Entfernung hinter dem Kragen auf als kurze Schläuche und Kügelchen, die in einer Aus- sackung der Membran des somatischen Blattes, also zwischen diesem und der Epidermismembran, liegen. Immer ist der Rand der Pleuren Balanoglossus carnosus und numeensis. 375 frei von ihnen. Wiczzey beschreibt die Gonadenverhältnisse: „In a mature female, such as the one represented in fig. 6, tab. 26 acces- sory genital ducts occur laterally from the main series“ (WILLEy, 1902, p. 254). Ein Wort noch über die Begriffe „akzessorisch“ und „sekundär“ bei ihrer Anwenduug auf die Gonaden. Spencer hat sie in seiner Monographie aufgestellt und präzisiert. Er schreibt: „Unter secundären Genitalporen verstehe ich die Mündungen be- sondrer, secundärer Gonaden, die entweder medial- oder lateralwärts von der Hauptreihe der Gonaden vorkommen, unter accessorischen aber Nebenöffnungen, welche die Gonaden der Hauptreihe noch ausser ihrem primären Porus besitzen. Auch sie finden sich sowohl medial- als auch lateralwärts von den Hauptmündungen“ (p. 652). Es handelt sich also bei 5b. carnosus um die Konstatierung, ob die Gonaden der Hauptreihe tatsächlich außer dem primären Porus noch selbst akzes- sorische Pori haben oder ob sich wirklich selbständige Gonaden mit eigener Ausführung neben ihnen vorfinden. Es hat nun unstreitig einige Schwierigkeit, die Gonaden von PB. carnosus mit Bestimmtheit zu definieren. Ein tiefgreifender Unterschied liegt allein in der Entstehung; und hier allein ist das Kriterium sicher gegeben. Winey, der dies empfunden hat, schreibt: „It seems quite certain. that the subdivision of the gonads, which accompanies the appearance of accessory ducts, in Pf. carnosa, is simply due to growth and con- striction from the original gonad; not to the formation of independent accessory gonads“ (WiLLey, 1902, p. 254). Unter den letzteren wären also wirkliche sekundäre Gonaden zu verstehen. Er stützt sich dabei auf die Untersuchung eines jungen Tieres derselben Art, das drei (Gonadenschläuche aufweist, die von einem Punkt der Submedianlinie ausstrahlen, denen er also einen gemeinsamen Ursprung aus einer jungen Gonadenanlage zuschreiben muß. Es kann dieser Befund jedoch nicht als Gegenbeweis gegen die Auffassung gelten, dab das alte Exemplar echte, sekundäre Gonaden besitzt, denn es scheint durchaus nicht nötig zu sein, daß sekundäre und primäre Gonaden gleichzeitig auftreten müssen. Dem Verhalten fertiger Gonaden gemäß läßt sich gegen die Ansicht, dab es echte sekundäre Gonaden sind, nichts einwenden. Zu den Genitalpori, die lateral von den primären Geschlechtsöffnungen der Submedianlinie liegen, konvergieren unsere Gonadenschläuche in derselben Weise wie’ bei der primären Reihe. Spencer hat bei A. kupfferi dieselbe Frage behandelt und die selbständige Entstehung der sekundären Gonaden. die nicht auf dem Wege der Sprossung erfolgt, bei dieser Art zu 376 Orro MAser, erweisen gesucht. Sollte das Verhalten allgemein sein, das SPENGEL bei der Untersuchung von Pf. laysanica vorgefunden hat, in der die gemeinsame Anlage der dort vorkommenden primären Gonaden als ein sich verzweigender Zellenstrang festgestellt wurde, so würde die Entscheidung von nicht so großer Bedeutung sein. Eigenartig und von B. aurantiacus abweichend ist die Be- schränkung der lateralen Genitalporen auf einen sich lateralwärts von dem Lateralseptum ausdehnenden Streifen, der frei von Längs- muskulatur ist. Medialwärts von der Submedianlinie konnte ich, wie Wırvey, nie außer dem Porus der Gonaden der Dorsalkammer, die ebenfalls stark verästelt sind, noch andere Ausmündungen an- treffen. Auf Querschnitten durch die Genitalregion eines alten Männchens stellten die Gonaden hohle, an ihrer ganzen Innenfläche mit Dottertrümmern ausgelegte Kapseln dar, deren Mitte mit unge- heuer vielen Spermatozoen erfüllt ist. Die die Gonaden umspin- nenden Blutgefäße sind außerordentlich stark, so dab sie als be- trächtliche kreisförmige Erhebungen die Gonadenwandung umsäumen. Auf eine genaue Behandlung der Geschlechtszellenbildung werde ich in einer späteren Arbeit eingehen. Der branchiogenitale Übergang. Nachdem SPENGEL in seiner Monographie 1893 das Vorhanden- sein eines Postbranchialdarmes bei Ptychodera erythraea festgestellt hatte, allerdings ohne ihn als solchen zu bezeichnen und ihn als allgemeinen Charakterzug der Ptychoderidae erkennen zu können, nachdem ihm auch diese eigenartige Bildung bei Glossobalanus minutus und Gl. sarniensis als Endregion und Fortsetzung des Kiemendarmes aufgefallen war, ist dieses Organ noch öfter der Anziehungspunkt des Interesses geworden. Außer SpEnGEL haben hauptsächlich Wirvey und Hitt an der Klarlegung der Verhältnisse gearbeitet. Zuerst für Genus Ptychodera allgemein nachgewiesen, wurde sein Bestehen durch SrEenGEen und Wizzey auch bei Glossobalanus als sämtlichen Arten zukommendes Merkmal festgestellt, und als bisher einziger Fall ist in der Gattung Balanoglossus der Postbranchial- darm von D. carnosus beschrieben worden, während sein Vorkommen bei D. clavigerus nur konstatiert wurde. In ein neues Stadium trat die Untersuchung durch SpexGer's eingehende Beschreibung der komplizierten Blutgefäßverhältnisse im Postbranchialdarm von Pt. caledoniensis, Pt. laysanica und Pt. funafutica, jener eigentümlichen — Balanoglossus earnosus und numeensis. 311 Querverbindungen, die die in den Lateralsepten verlaufenden Stämme an das dorsale Längsgefäß anschließen (SPexcer, Neue Beiträge I). „Jedoch boten sie hier noch nicht das klare Bild der „seitlichen Gefäß- commissuren“ von Gl. elongatus, wo sie sich in schematischer Ein- fachheit vorfinden. Andere Arten des Genus Glossobalanus, nämlich Gl. hedleyi und Gl. sarniensis, bestätigten die Ergebnisse der Unter- suchung der vorhergehenden Art und ergaben normale Befunde, was auch für Gl. ruficollis wahrscheinlich ist. Es sei noch bemerkt, daß 1902 H. Kuwano eine Kommunikation der Lateralgefäße mit dem dorsalen Stamm in der Übergangsregion bei Bal. misakiensis Kuwano gefunden und abgebildet hat. Er glaubte jedoch irrtümlicherweise ein Merkmal anzugeben, „by which this species is distinguished from all other Enteropneusts“. Nach seiner einfachen Abbildung zu urteilen, tritt hier eine eigentliche selbständige Lateralcommissur gar nicht auf. Die Verbindungsgefäße haben sich noch nicht von der Darmmembran abgeschnürt, sondern verlaufen innerhalb der Membran zu dem das dorsale Mesenter allein vertretenden dorsalen Blutgefäß. Der Begriff „Postbranchialdarm“ war ihm jedoch nicht bekannt. Da über das Gefäßsystem des Postbranchialdarmes in Genus Balanoglossus noch keine Untersuchung angestellt worden ist, so mögen meine Ausführungen die in dieser Gattung auftretenden Modifikationen klarlegen. Balanoglossus clavigerus. Ich gehe von den Verhältnissen des Postbranchialdarmes bei B. clavigerus aus (Taf. 25 Fig. 6, Taf. 26 Fig. 8, 9, 10, 11). SPENGEL schreibt (Neue Beiträge III), „dass die ‚Endklappe‘, welche nach den Angaben in meiner Monographie den Kiemendarm von Gl. minutus und Gl. sarniensis abschliesst, nichts anderes ist als eine solche dorsale Rinne eines Postbranchialdarms; ferner dass durch Untersuchungen im Giessener Zoologischen Institut festgestellt worden ist, dass auch B. clavigerus ein solcher Darmtheil zu- kommt“ (p. 341). Das Material, das mir schon fertig in Schnitt- serien vorlag, war vorzüglich erhalten. Die Variationsmöglichkeit, die sich aus einer Anzahl Serien ergibt, ist erstaunlich. Außer der morphologischen Verschiedenheit hat ein wechselnder Kon- traktionszustand der Längsmuskulatur auf die Rekonstruierung der Teile großen Einfluß. Ich gehe daher von der Beschreibung eines ‚Jungen, kleinen Exemplars von B. clavigerus aus, dessen Verhältnisse wesentlich einfacher und unentwickelter sind als bei den später zu Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. Anat. 25 378 Orro Maser, beschreibenden Formen (Taf. 25 Fig. 6). Da das Stiick auBerordentlich gestreckt ist, sind die letzten Kiementaschen nicht aufwärts gebogen, und die Querschnitte zeigen nicht das Bild vieler übereinanderliegender, von einem Schnitt getroffener Kiemen. Diese sind der starken Ver- kleinerung des Pharynx wegen nur im medialen Kiel enthalten, dessen Darmhohlraum nur einen Bruchteil desjenigen des Öso- phagus ausmacht. Außerdem ist er diesem gegenüber noch ganz bestimmt abgeschlossen, was bei einer dorsalen Rinne nicht der Fall ist. Einige Schnitte weiter hinten wird, nachdem die Kiemen verschwunden sind, das Epithel, das weiter vorn den Kiemendarm vom Ösophagus scheidet, hoch, drüsenreich und erhält das Ge- präge der für den Postbranchialdarm charakteristischen Zellen- bekleidung. Es bildet sich also das aus, was man dorsale Rinne nennt. Da die Genitalflügel des Tieres fast horizontal vom Körper abstehen, ragt dessen dorsale Mitte als Kiel auffällig hervor, derart, daß eine Verbindungsebene der wagrechten dorsalen Pleuren- flächen den Pharynx vom Ösophagus zu trennen vermag. Kurz vor dem postbranchialen Darm sind noch Anlagen von Kiemenfurchen vorhanden, die allerdings, da die Kiemenporen viel höher und medial- wärts ausmünden, zu diesen in keiner Beziehung stehen. In der Mitte der Kiemenregion hat sie jedoch noch bestanden. Dort öffnen sich die Kiemenporen, wie es bei B. clavigerus Regel ist, in den Grund der Furchen. Vor den später zu beschreibenden Formen zeichnet das erste Exemplar sich noch dadurch aus, daß auch die Kiemenbildung einer Beobachtung zugänglich ist und eine Anzahl Entwicklungsstadien der Kiemen die Ergebnisse SpexGer’s über die Kiemenentstehung bestätigen. In der Endpartie der Branchialregion nimmt der Kiel die Gestalt eines spitzwinkligen Daches an. Nach Verschwinden der Kiemen, was in diesem hintersten Bezirk nichts anderes bedeutet, als daß die Sack- und Schlauchbildung des Pharynxepithels in seitlicher Richtung unterbleibt, reduziert sich der Kiemendarm derart, daß er nur den medialen Kiel einnimmt und nicht unter den Boden der flan- kierenden „Kiemenfurchen“ herabsinkt. Durch sein höheres Epithel streng vom Ösophagus geschieden, geht er in den Postbranchialdarm über. Da der als Ganzes erhöhte mediale Kiel dem an sich abge- schlossenen Körper wie eine dachförmige Leiste aufsitzt, so stellt demgemäß auch die dorsale Rinne eine auf dem abgerundeten Öso- phagus aufsitzende dorsale Falte dar, die vom Ösophagus durch ihr hohes Epithel abweicht. Einen Blindsack stülpt diese dorsale Rinne nicht aus, dies ist eine Eigentümlichkeit der älteren Individuen. Der Balanoglossus carnosus und numeensis. 379 Ösophagus läßt gegen Ende der Kiemenregion typische dorsolaterale Darmfalten dorsalwärts aufsteigen, die aber für die Gestaltung des medialen Kieles keine Bedeutung haben. Es hat dies seinen Grund darin, daß an dem sehr jungen Exemplar das Entoderm fest auf der Längsmuskelschicht aufliegt, wodurch die Faltenbildung sehr er- schwert ist. Das Mesenterium zeigt seine immer wiederkehrenden Eigen- schaften. Kurz vor Ende der Kiemenregion beginnt es etwas länger zu werden, erreicht gerade über den letzten Kiemenspalten seine größte Ausdehnung, verringert allmählich wieder seine Länge in den folgenden Schnitten bis auf die Ausdehnung des dorsalen Blut- sefäßes. Alle diese Schwankungen sind jedoch gering. Das Lateralseptum schließt in der eigentlichen Kiemenregion eine Dorsalkammer ab, die nur einen dicken Längsmuskelstrang enthält, und endet medialwärts mitten zwischen Kiemen und Genital- porus. Weiter hinten dehnt die Dorsalkammer ihre Membran bis zur Kiemenfurche aus. Diese Verhältnisse bleiben bestehen bis zum letzten Kiemenporus. Direkt hinter demselben hat sich eine Membran gebildet, die die der Furche mit der Membran des nun auftretenden Postbranchialdarmes verbindet. Denn die letzte Kiementasche, die bis an die Epidermis reicht, läßt bei ihrem Zurückweichen von ihr, auf Schnitten, die ihren hinteren Teil treffen, eine Membranfalte zwischen ihr und der Epidermis zurück, die nichts anderes ist als der Abschluß der medianwärts vordringenden Dorsalkammer: das Lateralseptum. Der ganze Vorgang vollzieht sich ganz in der gleichen Weise, wie ihn SPENGEL in seiner Monographie wiedergibt. Auch hinter dem eben beschriebenen Ort strömt das Blut nur in dem Teil des Septums, der lateral von den bei diesem Exemplar sich noch weiter fortsetzenden Kiemenfurchen gelegen ist. Circa 25 Schnitte hinter dem letzten Kiemenporus ebnen sich die Furchen aus, und das Septum verläuft stracks von der lateralen Darmfalte, die sich einige Schnitte hinter dem Beginn des Postbranchialdarmes bis zur Berührung mit dem Septum erhoben hat, zum Postbranchial- darm. Das Lateralgefäß steigt nunmehr schräg nach hinten längs der Wandung des postbranchialen Darmes in die Höhe, und ihm folgen die sich erhebenden Darmfalten. Die Septen verlaufen etwas unsymmetrisch. Das eine zieht geradewegs als Tangente an die obere Rundung der dorsalen Rinne und entsendet eine sehr kurze Strecke vor der Vereinigung mit der Membran derselben, etwa 55 Schnitte zu 10-«# hinter dem Ende der Kiemen, eine laterale 25* 380 Orro Maser, Commissur, die in das ventrale Ende des kurzen Mesenters mündet. Dabei liegt es mit einer Wand der Membran der dorsalen Rinne dicht auf, so daß bei ungenauer Betrachtung das Septum selbst das Blut in das Mesenterium zu ergießen scheint. Das andere Lateralseptum setzt sich etwas tiefer am Darm an und gabelt ganz deutlich die laterale Commissur ab, die etwa 5 Schnitte hinter der Mündung der anderen mit weiter, fast die ganze Länge des Mesenters einnehmender Öffnung mit diesem kommuniziert. Wir haben hier das Stadium einer kaum erst erfolgten Abschnürung der Commissuren aus der Membran, die der dorsalen Rinne anliegt. Die Commissur ist daher kaum größer als die Strecke zwischen dem Anheftepunkt des Septums und dem des Mesenters an den Post- branchialdarm. Einen Zustand, der dem eben beschriebenen voraus- geht, hat Kuwano für PB. misakiensis abgebildet. Dort ist die Commissur nichts anderes als eine längliche Ausbuchtung der post- branchialen Basalmembran, die das Blut von dem endigenden Lateralseptum zum Mesenter befördert. Zirka 48 Schnitte hinter den Commissuren endigt die dorsale Rinne, die noch eine Strecke von dem medialen Teil des Lateralseptums begleitet wird. Diese einfachen Verhältnisse können auf verschiedene Art modifiziert werden (Taf. 26 Fig. 8, 9, 10). Bei älteren Exemplaren derselben Art ist der mediale Kiel in den dem Postbranchialdarm vorhergehenden Schnitten nicht auffallend gestaltet, das Mesenter ist wie bei Gl. elongatus und verlängert sich nur wenig am Ende der Branchialregion, auch die mediodorsalen Muskelplatten ver- ringern nur um geringen Betrag ihre Breite, um den die Kiemen- furchen der Mediane zugerückt sind. Über den letzten Kiemen er- strecken sich bei dem einen Exemplar zwei übereinanderliegende Blindsäcke nach vorn, die beiden Membranen des Mesenters aus- einanderdrückend; in dem anderen dagegen ist nur ein regelmäßiges, ovales Divertikel mit spaltförmiger Öffnung vorhanden. Bei beiden Exemplaren zeigen die Schnitte durch den Postbranchialdarm eine eigentümliche Beziehung der Kiementaschen zu demselben. Die ventralen Enden der Kiementaschen flankieren die dorsale Rinne selbst auf Schnitten, die längst keinen Porus mehr aufweisen. SPENGEL traf bei Gl. elongatus einen entsprechenden Zustand und reduzierte ihn dort, wo er Hand in Hand mit einer Kontraktion, Nebeneinanderlagerung und Zusammenschiebung der Poren und Taschen ging, auf das normale Verhalten (SPENGEL, 1904, 6, p. 339). Tatsächlich konnte ich mich auf Ganzpräparaten von verschieden Balanoglossus carnosus und numeensis. 381 gestreckten Stücken überzeugen, dab das Ende des Kiemendarmes sich dorsalwärts krümmt und mit der Spitze der Krümmung in den Postbranchialdarm eindringt. Dies hat zur Folge, dab die am weitesten nach hinten dringenden Kiementaschen nicht die letzten der Kiemenreihe sind, d. h. daß sie zu Kiemenporen gehören, die viel weiter vorn liegen. Auf diese Weise kommt das Bild der Schnitte zustande, das im dorsalen Teil der Endregion den Post- branchialdarm darstellt, in der Mitte der dorsoventralen Höhe da- gegen Kiemendarm und im ventralen Teil wieder Postbranchialdarm aufweist. Dieses Aufwärtssteigen des branchialen Teils wird durch die Kontraktion der Längsmuskulatur veranlaßt, die am deutlichsten auf der dorsalen Oberfläche durch ein mehr oder weniger steiles Aufsteigen des medialen Kieles zutage tritt. Aus dieser Aufwärts- krümmung des branchialen Teils, die ich in sehr verschiedenem Grade beobachten konnte, resultiert dann die Erscheinung, „dass 2, selbst 3 Kiemenporen in einem einzigen Querschnitt nebeneinander zu sehen sind“ (ibid., p. 339). Bei dem ersten der älteren Exemplare tritt der untere Blindsack bald aus dem Mesenter aus und verläuft als selbständiger Kanal an der dorsalen Wand der Rinne, um dann 24 Schnitte hinter seinem vorderen Ende mit der dorsalen Rinne zu kommunizieren. In dem anderen Exemplar verläuft der einzige Blindsack 24 Schnitte im Mesenter, worauf sein Epithel mit dem der dorsalen Rinne in Kontakt tritt. Seine ganze Länge beträgt 52 Schnitte. Wie bei dem Genus Balanoglossus allgemein zuzutreffen scheint, sind dorsolaterale Darmfalten in höchster Ausbildung vorhanden. Sie um- greifen fast den ganzen Medialkomplex und nähern sich dem dorsalen Mesenter auf ganz geringe Entfernung. Sie lassen dadurch zwei dorsale, vom Cölom eingenommene Falten, die von der Decke des Darmes in den Ösophagus herabhängen, entstehen. Später vereinigen sich die dorsolateralen Darmfalten dorsal und trennen das hinterste Ende des Postbranchialdarmes vom Mesenter, so daß er als 2 cölo- matische Taschen sich in den Darm der Genitalregion erstreckt. Sie verschwinden bei dem einen Stück erst 115 Schnitte hinter ihrer Abtrennung, während sie bei dem anderen Exemplar als mächtige, besonders dorsoventral sehr ausgedehnte Aussackungen, die in paariger Anordnung fast das ganze Darmlumen ausfüllen, 92 Schnitte in die Genitalregion eindringen. Dieses letzte Exemplar zeigt zudem noch die Modifikation, daß das Divertikel erst dann sein Lumen mit dem der dorsalen Rinne vereinigt, wenn der Zusammenhang des 382 Orro Maser, Postbranchialdarmes als Ganzes mit dem dorsalen Mesenter auf- gehoben ist. Die lateralen Gefäßcommissuren fand ich bei beiden Individuen als gerade, normale Stämme. Balanoglossus carnosus (Taf. 26 Fig: 12, Taf. 27 Wig. 13, 14, 15, 16, Taf. 29 Re a An B. clavigerus läßt sich bezüglich der Postbranchialdarm- verhältnisse am besten B. carnosus angliedern. Sein Postbranchial- darm ist von Wizzey kurz behandelt worden. Er schreibt: „The pharynx is succeeded by a thickwalled postbranchial canal similar in all essential respects to the corresponding structure in Pt. flava“ (tab. 30 fig. 23) (Wınıey, 1902, p. 254), und bei seiner Beschreibung des Postbranchialdarmes von Pt. flava erwähnt er: „Behind the last pair of gillslits it possesses a narrow vertical lumen with a slight dorsal dilatation, the lumen opening below, throughout its entire extent into the general cavity of the gut“ (ibid., p. 239). Solch einfache Ver- hältnisse haben sich in den beiden von mir untersuchten Exemplaren nicht ergeben, ich konnte zudem noch eine bedeutende Verschieden- heit der Individuen untereinander feststellen. Das jüngere kleinere Exemplar schließt sich den eben beschriebenen sehr nahe an. In seiner Genitalregion ist es verwachsen und unsymmetrisch, im hintersten Teil derselben dorsal aufgeschlitzt. Ein Bruch hinter dem Postbranchialdarm machte es unmöglich die Verhältnisse der Lateral- commissuren wiederzugeben. Das dorsale Mesenter bleibt immer niedrig, und die Kiemenfurchen sind kaum angedeutet. Auch die beiden dor- salen Muskelplatten behalten bis zum Ende der Kiemenregion ihre fast wagrechte Lage und bleiben weit ausgebreitet, ohne von medialwärts rückenden Kiemenfurchen verschmälert zu werden. Der Postbranchial- darm tritt als durchaus stetige Fortsetzung des Kiemendarmes auf. Die Endpartie des Kiemendarmes bildet schon eine dorsale Rinne, an deren Decke nur die letzten Kiemen entstehen. Nach Wıruer’s Beschreibung entspricht er also gut demselben Organ bei Pt. flava: „The postbranchial canal occurs in direct continuity with the branchial division of the gut“ (Wrzzey, 1902, p. 239). Auch läßt sich sein Ver- halten mit dem des jungen Exemplars von Pt. flava vergleichen, das SPExGEL beschreibt (SPENGEL, 1903, p. 307): ,[Es] . . . . setzt sich der Postbranchialdarm vom Ösophagus nicht scharf ab, sondern ist nur durch sein diekeres Epithel von diesem zu unterscheiden.“ Andrer- seits sind gewisse Abweichungen vorhanden. So finden sich hier Balanoglossus carnosus und numeensis. 383 die dorsolateralen Darmfalten schon weit vor dem Ende des Pharynx. Außerdem erstreckt sich über die letzten, entstehenden Kiemen ein Blindsack in die Kiemenregion, der von seiner Vereinigung mit der dorsalen Rinne 70—80 u nach vorn reicht. Hinter dieser Vereinigung setzt er sich noch als selbständige Röhre ca. 120 « als epithelialer Bestandteil der dorsalen Rinne fort, worauf er erst mit der Rinne kummuniziert. Die lateralen Gefäßcommissuren fand ich nur noch angeschnitten, doch ist es wahrscheinlich, daß sie normale Zustände aufgewiesen haben. Was das andere Stück der Branchiogenitalregion eines alten Exemplars betrifft, so ergeben sich bedeutende Abweichungen. Es war in der fraglichen Region kontrahiert, wodurch ein außerordent- liches Ansteigen des medialen Kieles bewirkt wurde. In dem hinteren Teil der Genitalregion vertieften sich die Kiemenfurchen außer- ordentlich, und die dorsalen Muskelplatten wurden kurz vor dem Postbranchialdarm dadurch, daß der Offnungsspalt der Kiemen der erhöhten Mitte zu rückte, erheblich verschmälert (Taf. 26 Fig. 12). Kurz vor diesem (durch Kontraktion veranlaßten) raschen Anstieg des „medialen Kieles“ (Taf. 29 Fig. 51) wird das Mesenterium, wie es schon Wırrey beschrieben hat, durch Sinken des epibranchialen Streifens verlängert. Die im Gegensatz zu der peripheren Epidermis mit niedrigem, drüsenlosem Epithel ausgekleideten Kiemenfurchen werden hinter der letzten Kiementasche, dort wo der mediale Kiel seine höchste Erhebung erreicht, plötzlich ausgeebnet. Die hinterste Partie des Pharynx wird gegenüber dem mächtigen, mit seinen dor- salen Seitenfalten den ganzen dorsalen Mittelkörper umspannenden Osophagus zu einem unbedeutenden Teil des medialen Kieles und steht zuletzt fast in seiner ganzen Querausdehnung mit dem Öso- phagus in Kommunikation. So kommt es, daß das endliche Aufhören der Kiemen fast gar keine Gestaltveränderung verursachen würde, wenn nicht in dem Querschnitt, wo die Kiemenfurchen aufhören, ein großes Divertikel entspränge, das man mit den Worten be- schreiben kann, die SPENGEL bei seiner Nachuntersuchung von Gl. ruficollis schrieb: „Nach vorn zu erstreckt der Postbranchial- darm sich als ein Blindsack in den am Hinterende der Kiemenregion befindlichen, von zwei tiefen Gruben eingefassten Vorsprung und liegt dabei über mehreren Kiemen, erstreckt sich also nach Wutury’s Ausdrucksweise dorsal von den Kiemen in die Kiemenregion hinein“ (SPENGEL, 1904b, p. 345). Die Länge der Strecke von seinem vorderen Ende bis zur Durchbruchsstelle der Membran seiner ven- 384 Orro MAsER, tralen Wand, die ihn vom Ösophagus trennt, beträgt 0,7 mm, wobei jedoch eine vielleicht vorhandene Fortsetzung als rein epitheliales Gebilde im Epithel der dorsalen Rinne der schlechten Erhaltung des Epithels wegen unberücksichtigt bleibt. Hinter diesem Divertikel besteht ein einheitlicher Raum von der Art, wie ihn Wizrey als Postbranchialdarm auch abgebildet hat. Das Divertikel selbst hat eine relativ außerordentliche Ausdehnung in dorsalventraler Richtung, zu der ihm das lange, nur bei Gl. ruficollis annähernd gleichhohe Mesenter Gelegenheit gibt. Zirka 0,750 mm hinter der Divertikel- mündung setzt sich der Postbranchialdarm nach hinten fort, wird von den dorsolateralen Darmfalten umfaßt und ragt schließlich in bekannter Weise in Gestalt zweier taschenartigen Ausstülpungen frei in die Genitalregion hinein. Gegen Ende der Kiemenregion verläuft das Lateralgefäß nahe der medialen Anheftungsstelle des Lateralseptums an den Kiemen- furchen. Sobald diese sich ausgeebnet haben, springen zwei gewaltige Gefäße, die Lateralcommissuren, über die geschaffene Brücke und münden, ihren ganzen Lauf fast in einem Querschnitt nehmend, in den ventralen Teil des Dorsalgefäßes ein (Taf. 26 Fig. 15). Glossobalanus sarniensis. SPENGEL hat in seinen „Neue Beiträge III“ das Blutgefäß- system des postbranchialen Darmes von Gl. sarniensis erwähnt und auch genauere Angaben über den Postbranchialdarm selbst ge- macht, den er schon in seiner Monographie als eine die Kiemen- region abschließende ,Darmklappe“ bespricht. Er schreibt darüber: „Es ist wie bei Gl. hedleyi und Gl. ruficollis am Hinterende der Kiemenregion jederseits eine tiefe Grube vorhanden, in die die letzten Kiementaschen einmünden, zwischen beiden ein hoher, dorsaler Kiel des Körpers, und in dessen Hohlraum springt ein vorderer Blindsack der Postbranchialrinne hinein“ (SPENGEL 1904b, p. 349). Das von mir untersuchte Exemplar weicht in seinem Verhalten voll- kommen von dem üblichen Schema ab. Auch bei ihm finde ich einen Medialkomplex mit weiten, wagrecht liegenden dorsalen Muskelplatten, abgeschlossen durch zwei tiefe Furchen, die sehr schmal und spaltenartig sind, und einen erhöhten medialen Kiel. Der Kiemendarm geht kontinuierlich in eine Dorsalrinne über, an deren obersten Teil sich auch das Lateralseptum ansetzt. Von einem Divertikel, das in dieser Schnitthöhe in dem von SPENGEL beschriebenen Exemplar von Gl. sarniensis sich vorfindet, ist keine Balanoglossus carnosus und numeensis. 385 Spur vorhanden. In den darauffolgenden Schnitten wird der dorsale Teil der Rinne breiter, wirft sein mächtiges Epithel in Falten und füllt fast den ganzen medialen Kiel aus. Das Mesenterium ist ganz niedrig geworden. Etwa 45 Schnitte hinter dem Beginn des Post- branchialdarmes wird es wieder länger, die dorsale Rinne schmäler, und ihre Falten verschwinden. Die Kiemenfurchen, in die in der vorhergehenden Region die Kiemen mündeten, setzen sich fort, werden aber seichter. Auch die wirkliche Höhe des medialen Kieles wird geringer. Da macht sich plötzlich nach 100 Schnitten Post- branchialdarm der obere Teil der Rinne selbständig. Er wird zu einem in das Mesenter vorspringenden Divertikel, das nur durch einen einige Hundertstel Millimeter hohen Spalt mit der Rinne kommuniziert. Abgesehen von der Mündung hat dieser Blindsack die Form des- jenigen, den ich bei 5. carnosus beschrieben habe, mit dem Unter- schied aber, daß er nach hinten verläuft. Die Lateralsepta enden medial gerade an der Grenze zwischen dem Darm und dem darüber liegenden Blindsack und setzen sich weiter hinten schließlich an den Darm an. Das Divertikel hat rechteckigen Querschnitt und steigt caudalwärts an, wobei gleichzeitig sein Lumen sich verringert. Da sein Epithel vollständig zerstört ist, zeigt es sich als breiter Spalt in dem Mesenter. Schon nach 18 Schnitten ist es vollständig ver- schwunden. Gerade wie das Verhalten des Divertikels und der dorsalen Rinne abnorm ist, weicht auch das Gefäßsystem des post- branchialen Darmes von dem der bekannten Formen ab. Der Ver- lauf der lateralen Commissuren wird dadurch verwickelt und ver- wischt, dab jederseits unter dem Divertikel eine kleine Gonade sich in der Zugrichtung der vom Septum abzweigenden Commissuren vorfindet. Durch die Membranen derselben, durch die des schräg nach oben gerichteten Blindsackes, die ebenfalls noch angeschnitten werden, durch das unsymmetrisch verschobene Mesenter und die auf beiden Seiten ungleichmäßig ausgebildeten lateralen Septa entsteht ein Wirrwarr zum Teil mit Blut gefüllter Membranen, das ein ge- naues Unterscheiden der Commissuren unmöglich macht. Erst nach einigen Schnitten haben sich die Verschlingungen nach der Mitte verschoben, auch das Mesenter läuft in der Mittelebene, worauf sich 2 Gefäße aus dem Membrannetzwerk frei machen und in der Höhe eines Viertels des sehr langen Mesenters über dem Darm in das- selbe münden. Gerade in demselben Querschnitt endet mitten im Mesenter die Spitze des Divertikels. Im Mesenterium zieht das aus den lateralen Commissuren durch deren Vereinigung entstandene 386 Orro MAsER, Gefäß ca. 500 « in aufsteigender Richtung, um sich in das dorsale Gefäß zu ergießen. Hinter dieser Kommunikation wird der mediale Kiel schmächtiger, und der Postbranchialdarm geht stetig in die Genitalregion über, ohne daß irgendwelche dorsale Taschen in das Lumen des Darmes der Genitalregion einragen. Das Verhalten dieses Tieres scheint mir nicht normal zu sein und zeigt, ebenso wie das zweite Stück von D. carnosus, wie locker die Gestaltung des Post- branchialdarmes an ein bestimmtes Schema gebunden ist. Glossobalanus minutus. Sein postbranchialer Darm ist von SPENGEL in seiner Mono- graphie mit auseinandergezogenen ventralen Wülsten als Flächen- präparat abgebildet worden. Postbranchialdarm wie laterale Gefäß- commissuren verhalten sich normal. Einen Blindsack sendet die dorsale Rinne nicht aus. Die Symmetrie derselben wird durch ein- gelagerte Pakete von Sporozoen gestört, die als ziemlich große Zellen die Leibeshöhle besonders in der Nähe der Commissuren bevölkern. Die Parasiten sind rund bis eiförmig, enthalten einen großen Kern, an dessen Peripherie ein sich in Hämatoxylin tief schwärzender Nucleolus haftet. Die Lateralcommissuren treten 22 Schnitte hinter dem letzten Kiemenporus auf. Direkt hinter ihnen wird schon der Darm der Genitalregion ringförmig angeschnitten. Dieser ist im Gegensatz zu dem vorhergehenden, engen Ösophagus und der dorsalen Rinne, die beide am meisten dem Ösophagus einer jungen Pt. laysanica gleichen (SPENGEL, 1903, tab. 27 fig. 39), weit offen. Er stülpt sich über den Darm der vorhergehenden Region wie ein halb umgekrempelter Handschuhfinger (Taf. 29 Fig. 32). Der Ösophagus samt dorsaler Rinne bildet nämlich im Querschnitt nur einen seitlich zusammen- gedrückten Ring, der zwischen dem dorsalen und ventralen Mesenter hängt, der Darm der Genitalregion ist dagegen bei derselben dorso- ventralen Höhe transversal sehr ausgedehnt und kann sich so leicht über den Darm der vorhergehenden Partie schlagen, wie es ähnlich, doch nicht so ausgeprägt, bei Gl. hedleyi geschieht, dessen postbranchialen Darm SpEnGEL in „Neue Beiträge III, fig. K“ abbildet. Die Strecke, die dieser Übergang des Postbranchialdarmes in den Genitaldarm einnimmt, ist verglichen mit den paarigen Ausläufern desselben Organs bei den Balanoglossus-Arten sehr kurz. Sie beträgt nur 17 Schnitte. ‘s ist im Hinblick auf Wuinuny’s Kiementheorie nicht un- interessant, auf die Tatsache einzugehen, daß die Kiemenregion an Balanoglossus carnosus und numeensis. 387 ihrem Ende durch eine Gefäßcommissur abgeschlossen ist, die die drei dorsalen Stämme miteinander verbindet. Nach Wizzey’s Theorie soll, nachdem in phylogenetisch früheren Stadien eine abwechselnde Zonenverteilung der Kiemen und Gonaden bestanden habe, für die Gonaden eine Verlagerung in die Pleuren und eine Verdrängung aus der Kiemenregion stattgefunden haben. Während die Gonaden der oxydierenden Nähe der Kiemen entzogen wurden, sollen sich in korrelativer Weise die Lateralsepten gebildet haben, zu dem eigent- lichen Zweck, die Gonaden mit Blut zu versorgen. Daß eine Be- ziehung zwischen den Lateralsepten und den Gonaden wirklich besteht, aber in anderer Weise als Wıruey angenommen hat, bewies SPENGEL, indem er darlegte, daß die Lateralsepten die Bahnen sind, in denen das Wachstum und die Verbreitung der Gonaden im Körper vor sich geht (SPENGEL, 1904a, p. 302). Jedoch ist die ernährende Funktion der Lateralsepten durch das Blut, das sie in ihren Gefäßen führen, gewiß nicht der zureichende Grund ihrer Entstehung, denn in diesem Falle würden die Lateralgefäße nicht ihren Inhalt durch die Commissuren in das dorsale Hauptgefäß zurückfließen lassen, bevor sie in die Genitalregion, den Ort der verlegten Gonaden, eintreten. Ein kurzes Wort noch über eine mechanische Funktion des Post- branchialdarmes! Die beiden Ausstülpungen der Cülome, die frei nach hinten in die Darmhöhle eindringen, schließen den Postbranchial- darm ventilartig ab. Es ist klar, daß sie einem Flüssigkeitsstrom, der von vorn nach hinten fließt, keinen Widerstand entgegensetzen können, denn sie würden dann auseinandergedrückt werden und ver- größerten so das Lumen. Anders ist es, wenn durch Stauungen in dem mit Schlamm gefüllten Darm, wie sie bei Bewegungen des Tieres eintreten müssen, ein Rückdrängen des Darminhaltes erfolgt. Durch den Druck von hinten werden sich die beiden Lappen klappen- artig schließen und so den Kiemendarm vor Verunreinigung be- wahren. Die Leberregion. Wie es typisch für die Gattung ist, besitzt B. carnosus zwei Wimperfurchen, was schon WırLey festgestellt hat. Was die in zwei Reihen angeordneten Lebersäckchen betrifft, so weise ich auf die Bemerkungen hin, die ich in der Schilderung des Äußeren ge- macht habe. Das Epithel der Säckchen, die ich histologisch gut erhalten fand, fiel durch seine Trennung in eine basale und eine 388 Orro Maser, dem Lumen des Säckchens zugekehrte Hälfte auf. Die basale Grenze der letzten Schicht bildete eine regelmäßige Reihe unverrückbarer, länglicher Zellkerne. Dieses eigentümliche Aussehen entsteht durch die Differenzierung der das Epithel bildenden Drüsenzellen. Ihr basaler Teil ist außerordentlich geschwellt und enthält eine sehr fein granulierte Masse. Dieser bauchige untere Zellteil erhält seinen Abschluß durch den Zellkern, über den hinaus die regelmäßigen feinen Fortsetzungen der Zellen den Drüseninhalt befördern, die mit der unteren Schicht zusammen ein charakteristisches Bild des Leber- epithels hervorrufen. Balanoglossus numeensis n. sp. Als Pu. Francois im Jahre 1890 Neucaledonien bereiste, fand er, Wie er in seinen „Choses de Nouméa“ mitteilte, bei Numea auf Neucaledonien Bruchstücke eines ,, Balanoglossus“ (Francois, 1891, p. 232). Da zu damaliger Zeit die. Ptychodera flava EscHscH. noch nicht wiedergefunden war, so gab SPENGEL in seiner Monographie der Vermutung Ausdruck, daß die gefundenen Stücke möglicherweise mit Pt. flava identisch sein könnten, eine Annahme, die an Wahr- scheinlichkeit gewann, als Wizzey eine „Pt. flava“ in der Nähe von Neucaledonien auffand. Als nach einigen Jahren aber durch freund- liche Vermittlung von Herrn Prof. CAULLERY das von FRANÇOIS ge- sammelte Material in die Hände meines verehrten Lehrers, Herrn Prof. SpENGEL, kam, stellte sich doch heraus, daß es sich um eine ganz andere Art handelte Herr Prof. SPENGEL überließ mir die Stücke freundlichst zur Untersuchung samt einigen Abbildungen, die François nach dem frischen Objekt ausgeführt hatte (Fig. 18—21). Material und äußere Beschreibung. Das in meinen Händen befindliche Material war folgendes: 3 Individuen mit vollständiger Eichel und Kragen und einem Teil der Branchiogenitalregion. Die Stücke waren vor der Leber- region abgebrochen und mehr oder weniger stark gekrümmt. Das 4. Stück war vollständig bis auf die Eichel, von der nur der Stiel noch erhalten war. Der Rumpf war auf der Ventralseite aufgeschlitzt. Außerdem lagen noch einige kleinere Bruchstücke des Tieres vor, fast alle Teile aus der Branchiogenitalregion, nur eines enthielt den Übergang der Leber- zur Caudalregion, wobei auf die Leberregion etwa 1,4 cm, auf den Caudalabschnitt 1,1 cm kamen. Balanoglossus carnosus und numeensis. 389 Schon auf den ersten Blick läßt sich die neue Form der Ptycho- deridengattung Balanoglossus einreihen, denn ihre weiten, gut aus- gebildeten Genitalflügel, ihre runden Kiemenporen, die sie von der Gattung Ptychodera trennen, stellen ebenso wie der außerordentlich lange, die reduzierte Eichel einhüllende Kragen unverkennbare Charakteristika dieses Genus dar. Dieses letzte, überaus eigen- tümliche Merkmal des die kleine Eichel wie eine Scheide umgebenden Kragens ist in diesem Grade bis jetzt nur bei D. carnosus bekannt gewesen; es legte daher einen Vergleich der Numea-Form mit B. car- nosus nahe. Ihrem Habitus nach könnte man sie für ein uner- wachsenes Exemplar dieses Balanoglossus halten, denn bei ober- flächlicher Betrachtung ist die Größendifferenz beider Formen der Hauptunterschied. Da andrerseits erfahrungsgemäß die Entero- pneusten einer Art nach den Fundorten variieren, konnte doch SPENGEL die Art Pt. flava nach den 3 Fundorten Neucaledonien, Funafuti und Laysan in ebenso viele Unterarten spalten, so sollte eine Untersuchung die Frage der Artselbständigkeit entscheiden. Diese schien um so wahrscheinlicher, als B. carnosus von Neu- caledonien noch nicht bekannt ist, außerdem das Material von Numea sich durch auffallende Einheitlichkeit und Gleichförmigkeit auszeichnet, was sich von den gesammelten Stücken von D. carnosus bezüglich Größe und Mächtigkeit nicht behaupten läßt. Durch die Untersuchung hat es sich herausgestellt, daß die Numea-Form eine neue, wohlunterschiedene Art ist, die mit D. carnosus in naher Ver- wandtschaft steht. Nach ihrem Fundort benannte ich sie Balano- ‚glossus numeensis. Ich lasse ihre Maße folgen und, um den Größenunterschied von B. carnosus zu kennzeichnen, die entsprechenden Maße dieser Art nach Wizzev's Tabelle. Bal. numeensis (in mm). Exemplar 1 2 a 4 Eichellänge nicht gemessen 5 5 = Kragenlinge 92 1,3 73 29 Länge der Branchialregion 24,5 18 —— 19,5 Länge der Genitalregion — über 45 — 60,5 Zwischenstrecke — _- — 0 Länge der Leberregion — — — 17—18 Länge der Caudalregion — — — fast 100 390 Orro MaAsER, Bal. carnosus (in mm) nach WILLEy. Exemplar 1 2 3 4 5 Eichellänge 6 8 10 — — Kragenlänge 17,5 16 22,5 14 12,5 Länge der Branchialregion — — 92 26,5 205 Länge der Genitalregion — — 160-170 — 64 Zwischenstrecke == 10 — — Länge der Leberregion — — 106 — — Länge der Caudalregion -- — aboutlfoot — — Auffallender noch als bezüglich der Länge der Regionen diver- sieren die Arten in bezug auf Quer- und Höhendurchmesser. Hat B. carnosus in der Kiemenregion 9,5—11,2 mm Querdurchmesser, bei dorsal geschlossenen Pleuren einen Höhendurchmesser von 14—14,5 mm, also ein Verhältnis von ca. 10:14, so sind die konstanten Abmes- sungen von D. numeensis 4,9—5,4 mm Querdurchmesser und 5—5,8 mm Höhendurchmesser derselben Region, sie verhalten sich also wie ca. 10:10. Äußere Beschreibung (Taf. 27 Fig. 18, 19, 20, 21). Der Kragen hüllt, wie schon oben gesagt wurde, die Eichel vollständig ein, in weit höherem Grade noch als bei dem mir zu Gebote stehenden Stück von B. carnosus und dem Exemplar, dessen Abbildung WırLey gegeben hat. Der Kragen selbst ist, verglichen mit dem von BD. carnosus, länger und erscheint daher schlanker, ob- wohl er einen verhältnismäßig größeren Durchmesser besitzt. Die für B. carnosus typische eine Einschnürung des Kragens in kontra- hiertem Zustande, die ihn in der Mitte einengt, ist nicht vorhanden, vielmehr fand ich eine Abteilung des Kragens durch 2 Ringfurchen angedeutet, die je ein Drittel der Kragenlänge abgrenzen. Als (Ganzes betrachtet, überwiegen Eichel und Kragen gegenüber den übrigen Teilen weit, was bei B. carnosus nicht zutrifft, dessen Branchio- genital-, Leber- und Caudalregion enorm verlängert ist. Auch bei B. numeensis fallen die Genitalfliigel am Ende der Geschlechtsregion steil ab, um aber ohne Zwischenraum (das Intervall der Genital- und Leberregion von BD. carnosus beträgt 1 cm) von den Leber- anhängen abgelöst zu werden. Die Pleuren sind wie bei B. carnosus in der Nähe des Kragens am kürzesten und schließen dort eng zu- sammen; ihre Länge ist am größten in der Mitte der Branchio- genitalregion. Auf der Innenwand der Pleuren ist das drüsige Balanoglossus carnosus und numeensis. 391 Epithel in bekannter Weise gefurcht, ohne daß die Bildung von auffallenden Drüseninseln sehr ausgesprochen wäre. Die Leberanhänge sind relativ kurz, beilförmig und bilden zwei regelmäßige, dorsale Parallelreihen, die, kleiner und kleiner werdend, allmählich verschwinden. Wie bei B. carnosus liegen die Lebersäcke blattähnlich ‘aneinander gedrängt und sind daher vollständig platt- gepreßt, so dab bei einer Betrachtung der Rückenseite nur die kon- vexen, dorsalen Ränder zu sehen sind, nicht aber, weil die distalen Enden des haken- bis beilférmigen Anhangs fest auf die Epidermis, seitlich von ihrer Einmündung, gedrückt sind, die konkaven Ränder der Unterseite des Säckchens. Die von WıLrLEeY bei B. carnosus vorgefundene Zähnelung des Randes ist bei meiner Art nicht vor- handen. Was die Caudalregion betrifft, so findet sich auf ihrer Dorsal- seite der bekannte und verschiedenemal beschriebene Doppelstreifen aus drüsigem Epithel, der links und rechts vom dorsalen Nerven verläuft und scheinbar die Fortsetzung der Lebersäcke in der Caudal- region bildet. Wie SPENGEL (1903, p. 315) nachgewiesen, bestehen zwar Beziehungen der Lebersäcke zu den schrägen, unter sich paral- lelen Darmfurchen, indem sie als lokale Vertiefungen derselben auf- zufassen sind, keineswegs „in streng gesetzmäßiger Weise“ aber entsprechen jenen die Drüsenwülste der Haut. Die Eichel (Taf. 28 Fig. 22—28). Die Eichel erscheint im vorderen Teil ihres Sagittalschnitts von fast gleichem dorsoventralen Durchmesser und verläuft in ihrem weitaus größeren, vorderen Abschnitt, der den Zentralkomplex der Eichel nicht mehr enthält, parallel dem die äußere Scheide bildenden Kragen. An der Stelle des Übergangs zu dem die basalen Organe enthaltenden Stiel knickt sie scharf um und setzt sich mit gedrungenem Hals in der Höhe des ersten hinteren Drittels der Kragenlänge an die Dorsalwand dieses Körperteils. Diese Knickung, eine Folgeerscheinung des verlängerten Kragens, macht sich in der Lage und Gestalt der inneren Organe bemerkbar und ergibt besonders in den Biegungen des Eicheldarmes und der fast horizontalen Lage des Eichelskelets charakteristische Unter- scheidungsmerkmale von anderen Arten. Ebenso nähert sich der Winkel, unter dem der Eichelstiel der Kragenwand aufsitzt, mehr einem rechten als bei irgendeiner anderen Enteropneustenart. Epidermis. Die Eichel ist mit einer gleichmäßigen Epidermis 392 Orro Maser, bedeckt, in der sich die „dreierlei Elemente . . . , die drüsige Natur haben dürften“ vorfinden. „Die grob alveolären und die wasser- hellen Drüsen sind hier sehr spärlich, es herrschen also die fein- körnigen vor“ (SPENGEL, 1903, p. 355). Am Stiele der Eichel läßt sich jedoch eine Differenzierung der Epidermis feststellen, die mit der außerordentlichen Vermehrung und Schichtverdickung der Nerven- fasern in Verbindung steht. Zwei Wülste umziehen den Stiel, ihre Zellen sind meistens einfache Stützzellen, untermischt mit nur sehr wenigen „Eiweißzellen“, deren distales Ende als drüsiger Secret- becher lebhaft bei der Tinktion gefärbt ist. Die Nervenfaserlage ist äußerst dünn, kaum zu konstatieren an der Eichelspitze, nimmt, je mehr man sich der Basis der Eichel nähert, an Mächtigkeit zu und erreicht in den oben erwähnten Epidermiswülsten fast die Hälfte des gleichhoch gebliebenen Epithels. Dorsal steht diese Nervenfaserlage mit dem Kragenmark in kontinuierlichem Zu- sammenhang und erscheint als Fortsetzung des Dorsalnerven im Kragenmark über dem Nacken der Eichel. Von diesen beiden Epidermisringwülsten liegt der hinterste auf der Höhe des Eichel- porus. Auf Sagittalschnitten von Dal. clavigerus, welches Objekt ich auch fernerhin zur Vergleichung als den am leichtesten zu be- schaffenden Balanoglossus oft benutzen werde, sind die zwei Ring- wülste in der bei Bal. numeensis auch auf der dorsalen Seite so deutlichen Ausbildung nicht vorhanden. Wohl aber findet sich die- selbe dicke Nervenfaserschicht, dieselbe eigenartig differenzierte, fast drüsenlose Epidermis des Eichelstiels, der durch eine Furche von der übrigen mit dem gewöhnlichen Drüsenepithel versehenen Eichel abgetrennt ist. Außerdem ist durch das aufrechter stehende Skelet die Nervenfaserschicht und die differenzierte Epidermis in eine mehr nach vorn verschobene Lage gekommen. Cölom. Die Ringmuskulatur unter der Basalmembran der Epidermis bildet nur eine dünne Schicht und steht hierin weit dem gerade durch seine Ringmuskulatur ausgezeichneten D. clavigerus nach, dessen spezifischer Ringmuskelwulst an der Eichelbasis ihm abgeht. Ebenso übertrifft ihn an Stärke der Schicht Bal. austra- liensis und vor allem sein nächster Verwandter D. carnosus. Eine ebenfalls äußerst schwache Ringmuskulatur erwähnt SPENGEL in seiner Beschreibung des B. gigas. Nach innen ist diese einfache Muskellage von einer feinen Membran gegen die Längsmuskulatur abgeschlossen, deren Analyse SrEnGEL in seiner Monographie gibt. Die Längsmuskulatur des somatischen Blattes entspricht dem Balanoglossus carnosus und numeensis. 393 Typ der Ptychoderiden, den SPENGEL durch seine Beschreibung der sich bei Gl. minutus vorfindenden Verhältnisse festgestellt hat. Sie erfüllt hier den ganzen Raum zwischen Spitze der Eichel und dem Ende des Zentralkomplexes mit ihren in das Bindegewebe einge- scheideten Fasern, nimmt also, da die basalen Organe kaum über den Hals hinaus in die Eichel eindringen, etwa drei Viertel der Eichel- länge ein. Trotz dieser relativ größeren Länge ist sie im Vergleich mit D. carnosus nur sehr schwach, was ja durch den Verlust der Funktion der Eichel, als Fortbewegungsorgan zu wirken, erklärlich ist. Bei der gewohnten radialen Zerklüftung der Längsmuskulatur imponieren die kompakten, sehr dicken Längsstränge von B. carnosus, denen gegenüber das Perimysium in seiner schwammigen Konsti- tution sehr in den Hintergrund tritt. Bei D. numeensis dagegen ist gerade das Bindegewebe der hauptsächliche Bestandteil des Füll- materials der Eichelspitze, das besonders in den hinteren Schnitten vor dem Eichelstiel vollkommen die Lücken zwischen den Muskel- radien ausfüllt. Die Längsmuskulatur entspricht insofern den typi- schen Befunden, als ihre Fasern sich an beiden Enden der Epi- dermis anheften, doch ist ihr Zug etwas spezialisiert. Vor dem Zentralkomplex hat sich ein großer Teil der Muskelfasern zu einem zentralen Bündel vereinigt, das jedoch nicht lange als solches be- steht. Kurz vor den basalen Organen biegt es plötzlich ab, seine Fasern breiten sich aus und setzen sich an den Seiten jener dorsalen Knickung der Eichelwand an, die so eigentümlich für B. numeensis ist. Man findet daher in den betreffenden Querschnitten die Fasern sehr dicht, symmetrisch auf beiden Seiten der Medianen und zwar fast nur dorsal verlaufen. An der entsprechenden Stelle lassen sich bei D. carnosus zwei Muskelzüge beobachten. Auf Schnitten im vorderen Teil der Eichel, in dem die bekanuten radialen Spalten dominieren, ist die Höhle hauptsächlich mit Binde- gewebe erfüllt, neben dem die Muskulatur geradezu verschwindet. In diesen Schnitten und auf peripheren Längsschnitten fielen radiale und Längsstreifen auf, die aus Bindegewebszellen bestanden, welche zeilenartig hintereinander geordnet sind. Sie sind stärker färbbar als die gewöhnlichen Zellen und haben eine bestimmte Richtung. Ob sie Muskeisträhnen einscheiden, vermag ich nicht gewiß festzu- stellen. Die dorsoventrale Muskelplatte ist äußerst reduziert, noch mehr, als es bei der schon sehr schwachen von D. carnosus der Fall ist. Die Differenz von der gut ausgebildeten, an Muskelfasern Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 26 394 Orro Maser, reichen Platte des B. clavigerus, die frei iiber die Spitze des Zentral- komplexes zieht, ist daher äußerst prägnant. Nach hinten setzt sie sich als eine dünne, die dorsolateralen Dachflächen der Herzblase bekleidende Schicht fort. Das Lageverhältnis des Zentralkomplexes und des Eichelcöloms. Die einzelnen Organe des Zentralkomplexes ragen gleichweit in das Innere der Eichel hinein. Die Splanchnothek deckt sie mit ihren charakteristischen, kleinen, reich wuchernden Zellen zu, während an gleichem Ort der Hohlraum des Cöloms die axialen Organe um- gibt. Auf den Querschnitten durch die Spitze des Komplexes hat das Divertikel kreisrunden Umfang, und dorsal von ihm setzt sich dicht die im Querdurchmesser schmälere, dorsoventral jedoch zwei Eicheldarmdurchmesser sich ausdehnende Herzblase an. Der Glome- rulus, ganz bedeckt von der üppigen Splanchnothek, läßt seine dünnen, feinen Gefäße fast das ganze Pericard umspinnen, obwohl sie sich nur wenig über die Herzblasenwand emporheben. In dieser Höhe verlaufen einige dorsoventrale Muskelfasern, Überreste der bei anderen Enteropneusten gut entwickelten Muskelplatte. Nach hinten zu bleiben diese Fasern dorsal bestehen und bilden ein Septum, das die dor- salen Cölomtaschen voneinander scheidet. Hier finde ich auch wieder die schon bei D. carnosus angetroffenen Concremente im vorderen Teile der Herzblase und des Eicheldarmes in kleinen Häufchen ab- gelagert. Wenige Schnitte nach hinten hat sich dorsal die Herz- blase schon mit der Spitze ihres herzförmigen Querschnittes an die Epidermismembran angeschlossen und auch einen Seitendurchmesser erreicht, der den des immer noch kreisrunden Eicheldarmes um das Doppelte übertrifft. Ventral ist das noch -im Zentrum des Stieles befindliche Divertikel durch ein dünnes Septum mit der Epidermis verbunden, so dab das Cölom nach hinten zu vollkommen in zwei Hälften getrennt ist. Die Muskelschicht des somatischen Blattes ist sehr hoch und reduziert so den eigentlichen Hohlraum zwischen den beiden Cölomblättern auf zwei schmale, sichelförmige Spalten um den Zentralkomplex (Taf. 28 Fig. 22). Der Eicheldarm beginnt sich zu ver- dicken, weicht aber in seinem Lageverhältnis zur Herzblase von B. car- nosus ab. Das Pericard nämlich umfaßt mit seinen beiden ventralen Flügeln den dorsalen Teil des Eicheldarmes, ein Befund, der bei B. carnosus nur für das hinterste Ende der Herzblase zutrifft. Je Balanoglossus carnosus und numeensis. 395 weiter man sich der Basis der Eichel nähert, desto schwächer wird die Längsmuskulaturschicht, nur in den Ventraltaschen behält sie eine die laterale und dorsale Schicht vielfach übertreffende Stärke (Taf.28Fig.24). Vergleicht man diese Verhialtnisse mit den entsprechenden von Bb. clavigerus, so findet man einen weitgehenden Unterschied bezüg- lich der Längsmuskulatur. Bei der Numea-Art entspricht einer relativ kräftigen ventralen Muskelschicht eine schwache Dorsal- muskulatur, während bei Bb. clavigerus nur sehr schwache Ventral- muskeln zu beobachten sind, die übrige Muskulatur jedoch starke laterale Verdickungen bildet. Im ganzen steht auch in der An- ordnung der Längsmuskulatur B. carnosus der neuen Art am nächsten. Der Glomerulus erreicht bei weitem nicht die Ausdehnung, die er bei B. carnosus und B. clavigerus hat, so daß dementsprechend in diesem hinteren Teil eine verhältnismäßig geräumige Höhle den Zentralkomplex umfängt. In seinem hinteren Teil weicht der dorsale Ansatzfirst der Herz- blase von der Medianen nach der rechten Seite zu ab, was zur Folge hat, dab die rechte dorsale Cölomtasche sich verengt und schließlich blind endigt, während die linke in eine mit hohem, typischen Epithel ausgekleidete Eichelpforte mündet, deren Porus sich auf einem dor- salen Hügel genau in der Mittelebene öffnet (Taf. 28 Fig. 25, Taf. 29 Fig. 27). Die Eichelpforte bildet keine lange Röhre, sondern eine im Querschnitt fast kreisrunde Blase, die mit kurzem Gang auf der Höhe der zu einer beträchtlichen Erhebung aufgewulsteten Epidermis mündet. Die Blase selbst hat eine etwas andere Gestalt als die von B. carnosus. Ihr Lumen ist kreisrund, in der Längsrichtung des Tieres jedoch ganz niedrig und mündet in beiden Exemplaren fast direkt nach außen, so dab der Porus gerade an den Rand der vorderen epidermalen Kragentasche zu liegen kommt. Sie ähnelt also der des B. carnosus, ohne dessen angedeutete Zweiteilung aufzuweisen. Ebenso schickt sie wie jene einen kurzen, zweizipfeligen, taschen- förmigen Fortsatz nach hinten unter das Kragenmark. Wie grundverschieden die Gestaltung der Pforte dieser Gruppe von der von B. clavigerus ist, beweist die Tatsache, daß sich dort ein dünner Kanal vom Porus noch etwa 30 Schnitte zu 10 « nach vorn in die Eichel erstreckt. In Schnitten hinter dem Eichelporus macht sich ziemlich plötz- lich, durch das Schmälerwerden des Eichelstieles und eine Ver- dickung des Eicheldarmes veranlaßt, eine Zurückdrängung der Ventraltaschen nur auf die Ventralseite und ihre Reduzierung 26* 396 Orto Maser, zu einem durch das Ventralseptum halbierten, zuerst spaltförmigen, dann mehr zylindrischen Kanal bemerkbar (Taf. 28 Fig. 26, Taf. 29 Fig. 28). Das Ventralseptum schließt fast bis zum Ende des Kanals beide Halbteile voneinander ab, dann aber scheint es in seiner Mitte aufgelöst zu sein. Die beiden dorsalen und ventralen Ansatzstellen sind dort allein als unvollständige Scheidewand erhalten, überzogen von den zu einem regelmäßigen, einzelligen Epithel angeordneten kubischen Zellen des Cöloms. Zwischen den beiden Membranen des Septums verlaufen mit Blut gefüllte Gefäße. Eicheldarm und Eichelskelet. Nach den allgemeinen Angaben, die ich über den Eicheldarm im vorigen Kapitel gemacht habe, kann ich seine Beschreibung nur mangelhaft vervollständigen, da sein Gewebe keineswegs so erhalten ist, wie es wünschenswert wäre. Seine Gestalt im Sagittalschnitt wird bestimmt durch die oben erwähnte Einknickung der Eichel und ihres Stieles und durch die Fortsätze und Vorsprünge des eigenartig horizontal liegenden Skelets. Bei einem schön ausgestreckten Exemplar wendet sich das enge Lumen, nachdem der Eintrittskanal nach dem Porus gerichtet war, über dem Skelet ventralwärts, biegt dann wieder in die Richtung der Längsachse ein und endet wenig über den Eichelstiel hinausragend. Der Eicheldarm hat seiner Schmächtigkeit und Kürze wegen nicht die Bedeutung im Zentral- komplex wie das gleiche Organ bei PB. carnosus und Bb. clavigerus. In seinem Anfangsteil erscheint er auf Querschnitten als Rinne im Darm, von ihm abgetrennt durch die quergeschnittenen Hörner des Eichelskelets. Einige Schnitte weiter vorn hat sich die Rinne mit den einander genäherten Schenkeln, die bald verschmelzen, überdacht. Aus diesen Schenkeln hat sich dann jener charakteristische Doppel- körper gebildet, der in dem Skelet einer jeden Enteropneustenart die Fortsetzung des eigentlichen „Körpers“ (nach der Nomenklatur SPENGEL’S) bildet. Er geht ohne Unterbrechung in den viereckigen „Körper“ über, der in die Ventralseite des Divertikels eindringt und dieses die gewohnte Bohnenform im Querschnitt annehmen läßt. Schon hier ist der Kicheldarm durch verdickte Membranen an seinen Wandungen ringsum versteift. An derselben Stelle, wo der Körper zu einem einheitlichen Block wird, legt sich von der Ventralseite der Kiel auf den Körper, um gleichzeitig vollkommen mit ihm zu verschmelzen. Während der Kiel bei anderen Arten aus zwei einen spitzen Winkel einschließenden Dachflächen besteht, die an ihrem Balanoglossus carnosus und numeensis. 397 ventralen Teil verschmolzen sind und alsdann kielartig vorspringen, liegen die beiden Platten in ihrem hinteren Teil fast in einer Ebene, nur medial verdickt, so daß sie hier als eine Annäherung an andere Arten einen kleinen Zahn aufweisen. Weiter vorn wird allerdings der von ihnen eingeschlossene Winkel stumpf und die Platten zugleich dicker. Der Kiel, der das festeste und kompakteste Stück des Skelets ist, hat sich auf dieser Höhe ganz vom „Körper“ getrennt. Ein merklicher Zwischenraum scheidet ihn von diesem Bestandteil, der gleich vor der Abtrennungsstelle reduziert wird und schließlich nichts anderes darstellt als eine geringfügige Verdickung der ventralen Wand der Eicheldarmmembran. Für diese kurze Strecke ist sein in das Innere des Divertikels kammförmig ein- dringender Block vollkommen geschwunden. Die senkrecht auf dem vorderen Ende des Körpers stehende Endscheibe (SPENGEL) ist bei der neuen Art sehr dünn und erstreckt sich lange nicht so weit ventral- und seitwärts, wie man gemäß der Ausdehnung der Divertikel- ausstülpung erwarten sollte. Die Endscheibe ist eigentlich weiter nichts als eine mäßig verdickte Basalmembran. Nach vorn von dieser Endscheibe lassen nur noch die ventrolateralen Taschen des Eicheldarmes bogenförmig geschwungene Verdickungen der Membran entstehen, die natürlich mit der Endscheibe zusammenhängen (Taf. 29 Fig.28). Diese Verstärkungder Membranenringsum den Eicheldarm führt zur Entstehung einer außerordentlich wohlentwickelten „chondroiden Substanz“. Der Einfluß der Ventraltasche des Eichelcüloms auf die Bildung des Skelets ist im Gegensatz zu D. carnosus unbedeutend. Sie beschränkt sich darauf, als vordere Fortsetzung des Kieles eine chondroide Masse zu bilden, die den Raum zwischen Epidermis und „Enndscheibe* ausfüllt. Der von einer starken Membran umgebene Eicheldarm hat, während er über dem Skelet verläuft, seine Gestalt nicht wesentlich verändert, nur in dem vorderen Teil des „Körpers“ geht von diesem Block eine Membranbrücke quer durch den Eichel- darm zu dessen dorsaler Decke, unterbricht aber das Lumen nur in der Mitte und für die Strecke von einigen «. Der Eicheldarm unterscheidet sich auch in diesem Punkt von DB. carnosus, wo die Skeletsubstanz mit mehreren Fortsätzen in das Divertikel eindringt und eine Aufteilung (nach Winury in drei Äste) zur Folge hat, wobei die Masse des Organs außerordentlich zurückgebildet ist. Dorsal grenzt er direkt an die Perihämalräume an, soweit diese nach vorn dringen. Nachdem der Eicheldarm schwächer geworden ist, also kurz vor der Endscheibe, vertauscht er seinen bohnenförmigen 398 Orro Maser, Querschnitt mit einem etwa quadratischen, und sein Lumen wird, soweit es aus den vorhandenen Resten des Epithels geschlossen werden kann, ziemlich groß und elliptisch. Allmählich wird er umfangreicher, bis er plötzlich vor dem Skelet zu einem mächtigen, fast den ganzen Querschnitt der Eichel einnehmenden Organ wird. Er stülpt an jedem seiner vier Ecken eine umfangreiche Tasche aus, von denen die beiden ventrolateralen den Ventraltaschen des B. clavi- gerus entsprechen (Taf. 28 Fig. 26). Den Überresten der Epithelzellen des Eicheldarmes zufolge ist das Hauptlumen der so charakteristischen Erweiterung des Eicheldarmes in einen horizontal liegenden Spalt auseinandergezogen, der zwei Drittel der Breite des Divertikels ein- nimmt und im Querschnitt so gekrümmt ist, daß seine Konkavseite ventralwärts gerichtet ist. Die vier Taschen haben ebenfalls ihre eigenen Lumina, die teils spalt-, teils Kreisförmig, nie aber groß sind. Daß sie mit dem Hauptlumen in Verbindung stehen, glaube ich in Abrede stellen zu können. Neben dem Hauptlumen kommen noch einige unregelmäßige Teilöffnungen vor, wie man sie immer antrifft. In seinem weiteren Verlauf nach vorn wird das Divertikel in allen vier Richtungen stark reduziert, seine Taschen verschwinden, und es bleibt ein Stab übrig, an dessen dorsale Seite sich zuerst un- symmetrisch die Herzblase anlegt, während ventral die in das Haupt- cölom der Eichel übergehenden ventralen Cölomtaschen sich an- schließen. Seine Gestalt bleibt etwa viereckig, nur daß seine dorsale Fläche sich in ihrer Mitte kuppelartig in die Herzblase bzw. den zentralen Blutraum hineinwölbt, was ein sehr gutes Merkmal abgibt gegeniiber der rinnenartigen Vertiefung an der entsprechenden Stelle bei B. carnosus. Kin deutliches Lumen konnte ich nicht beobachten. An seiner vordersten Spitze wendet er sich etwa hakenartig dorsal- warts, jedoch nicht so ausgeprägt wie bei B. clavigerus. In seinem hintersten Teil enthält seine dorsale Wand (wie bei PB. carnosus) viele Driisenzellen. Widmen wir der quadratischen Region mit den vier Taschen des Divertikels einige vergleichende Betrachtungen. Gerade sie scheint ein brauchbares Merkmal für die Gruppierung der Arten zu liefern. Es ist augenscheinlich, dab D. carnosus fast die- selben Verhältnisse des Eicheldarmes in der Höhe hinter dem Eichel- porus bietet, dab aber auch D. biminiensis und die dieser Form außerordentlich nahestehende Art D. jamaicensis nach der Unter- suchung Wırvey’s den charakteristischen, im Querschnitt quadratischen Eicheldarm mit je einer Tasche mit Lumen an jeder Ecke besitzt. Balanoglossus carnosus und numeensis. 399 Se on Wrzey fällt die Übereinstimmung der drei letzten Arten auf. Er schreibt von B. biminiensis: „It [the coecal dilatation] recalls somewhat the condition met with in Pt. /B.] carnosa, especially in regard to the occurrence of dorso-lateral pockets in connection with the dorsal or main division of the lumen of the stomochord“ (Wıutry, 1902, p. 289.). Diese drei sicherlich nahe verwandten Formen erhielten also in PB. numeensis eine Art, die die Gruppe vervollständigte. Sie zeigt zwar bezüglich des Eicheldarmes die Abweichung, daß die bei den anderen Formen ihn seitlich flankierenden vorderen Skelet- hörner vollkommen fehlen. Aber dies ist nur eine Folgeerscheinung des an und für sich schon degenerierten Zustandes des Skelets und des Verlustes der Fortbewegungsfunktion, die die Eichel an den Kragen abgegeben hat. Unter den übrigen Arten des Genus Dalanoglossus ist nur eine Form sicherlich im Besitze auch einer dorsalen Ausstülpung: B. gigas. SPENGEL hat in seiner Monographie diese Art beschrieben und einen Querschnitt durch die fragliche Region des Eicheldarmes abgebildet. Es finden sich dort zwei dorsolaterale Ausstülpungen, die allerdings insofern von den anderen, durch dorsolaterale Taschen ausgezeichnete Dalanoglossus-Arten abweichen, als hier ein großes Lumen den Eicheldarm durchzieht und die dorsolateralen Taschen noch nicht abgeteilt sind. Doch ist dieses Verhalten nicht weiter auffallend, denn auch in dem von mir untersuchten Exemplar von BD. carnosus kommunizierte in ganz ähnlicher Weise das Hauptlumen mit den dorsolateralen Teillumina. Ob PB. aurantiacus in Konnex mit der Gruppe steht, erscheint zweifelhaft. SpEnGEeL beschreibt seinen Eicheldarm: „Die seitliche Verbreiterung des ventralen Blind- sacks ist nicht sehr beträchtlich, dagegen ist die Ausdehnung in dorso-ventraler Richtung in seinem Bereich sehr auffallend und noch aus einem den Blindsack nur tangierenden Schnitte ersichtlich“ (SPENGEL, 1893, p. 168). Doch läßt sich hieraus nicht ohne weiteres auf eine Ausbildung der dorsalen Taschen schließen. Wahrscheinlich stehen die genannten Formen mit 6. awrantiacus in nicht so nahem Zusammenhang, un so mehr als diese Art auch in anderer Weise ab- weicht, ihr z. B. die ventralen Kiemencöca der anderen Arten ab- gehen. Die genannten Arten der abgegrenzten Gruppe haben alle als gemeinsame Eigenschaft das Bestreben einer funktionellen Ver- drängung der Eichel durch den Kragen, die in der neuen Art D. numeensis ihren Höhepunkt erreicht hat. In dem Kapitel über Systematik werde ich die Folgerungen aus diesem Verhalten ziehen. Vergleichen wir zum Schluß die Skeletverhältnisse der neuen 400 Orto MASER, Art mit denen von B. carnosus und B. clavigerus. Das Skelet von B. numeensis scheint einer Degeneration entgegenzugehen. Selbst das festeste Stück, der Kiel, setzt sich aus lockeren Membranen zusammen, die Lamellen des „Körpers“ sind nicht festgefügt und enthalten große Intervalle. Die nach vorn entspringenden Skelet- hörner, die bei Bb. carnosus so kräftige Stücke darstellen und auch bei den beiden zugehörigen westindischen Arten gut entwickelt sind, sind gänzlich geschwunden. Sowohl bei B. carnosus wie bei B. numeensis ist eine ziemlich weitgehende Selbständigkeit von Körper und Kiel zu konstatieren. Von dem Skelet des B. clavigerus sind sie beide sehr weit verschieden. Schon die Endscheibe ist dort von einer Mächtigkeit, die dasselbe Gebilde bei beiden Arten klein er- scheinen läßt. Der „Kiel“ oder „Zahn“ hebt den Unterschied be- sonders hervor. Bei PB. clavigerus verdient er wirklich den letzten Namen. Er besteht aus den unter spitzem Winkel aufeinander- laufenden Seitenplatten, als deren mediale Fortsetzung er zahnartig mit scharfer, langer Spitze ventralwärts vorspringt. Außer einer Unterbrechung, bei der der „Körper“ des Skelets äußerst reduziert ist, kann man ihn immer mit dem „Körper“ zu einem einheitlichen Block sich zusammenfügen sehen. Ganz anders bei B. numeensis. Von dem „Zahn“ oder „Kiel“ sind eigentlich nur die Seitenplatten vorhanden in relativ schwacher Ausführung, der einheitliche zahn- artige Vorsprung fehlt fast ganz. Bei B. carnosus ist es ähnlich, doch sind die Seitenplatten immerhin kräftig, bilden aber keinen Vorsprung. Auch ist der Winkel, den sie zwischen sich einschließen, spitz. Aber sie klaffen an ihrem hinteren Ende ventral auseinander, was bei D. numeensis nicht stattfindet. Ebenso ist bei letzterer Form keine Spur des seltsamen, kleinen, wohl als eine individuelle Besonderheit anzusehenden Divertikels zu finden, das ventral vom Eicheldarm zum Skelet emporsteigt. Was die Bildungsart des Skelets und der Membranen betrifft, so kann ich nicht umhin, auf die Theorie Dawyovorr’s über die Ent- stehung dieser Elemente näher einzugehen. Dawyporr glaubt, dab „die Ansicht von der ectodermalen Natur“ dieser Gebilde fallen selassen werden müsse (die von SPENGEL niemals behauptet worden ist), weil er bei der Beobachtung früher Stadien eine deutliche, zellige Struktur der Basalmembran gefunden habe: „Ich möchte hier die Aufmerksamkeit darauf richten, dass diese Basalmembran kein strukturloses Gebilde darstellt. denn in ihm sind deutlich Kerne zu erkennen. fig. 16 tab. 14, Textfig. 2a, 2b, 5 beweisen in über- Balanoglossus carnosus und numeensis. 401 zeugender Weise die zellige Struktur der Basalmembran“ (Dawy- DOFF, 1909, p. 248). In Wirklichkeit beweisen diese Figuren nichts. Die fünf Kerne der fig. 16, die in relativ ungeheurer Entfernung voneinander in die Basalmembran gezeichnet sind, können ebensogut zu den der Membran anliegenden Zellen gehören. Ebenso unbegründet sind seine „Beweise“ von der zelligen Struktur des Skelets. Die Entstehung desselben aus der zelligen Basalmembran und „durch Verknorpelung der Colenchymzellen“ ist nur behauptet. Die Lektüre von SPENGELS kritischer Unter- suchung über das Skelet in seiner „Speciellen Morphologie“ würde diese Unklarheit beseitigen. Ich habe gerade auf diese Ansicht hin mir Membranfalten angesehen, die nicht von der Epidermis oder von anderen regelmäßigen und ursprünglichen Epithelien gebildet werden und auch frei von ihnen wachsen, da gerade solche Membranen am ehesten den Forderungen DAwYvorr'’s in bezug auf das Wachstum auf zelliger Grundlage entsprechen müßten. Es sind dies die Lateralcommissuren des Postbranchialdarmes, deren Membranen in der Jugend von der Darmmembran abgefaltet werden und zwar als kurze Striche, um dann frei durch die Leibeshöhle zu ziehen. Hier konnte ich nie eine Spur der zelligen Struktur entdecken, wohl aber fand ich die feinen, cölomatischen Zellen, die in dünner Schicht die Commissuren umkleiden und die Membranen bilden. Bei numeensis ist die chondroide Substanz auf beiden Seiten des Eicheldarmes, besonders dort, wo er seine vier Taschen ausstülpt, in mäßiger Schichtdicke vorhanden und leitet ihren Ursprung von dem Eichelcélom her. Hier findet man die Cülom- zelleneinlagerung gröber und mehr haufenweise als in der Nähe der Ventraltasche. Seitlich erstrecken sich dicke Membranen kulissen- artig in die Muskulatur und geben ihr Gelegenheit zur Verankerung. Die Herzblase und der zentrale Blutraum. Die Herzblase des B. numeensis ist ein sehr langgestreckter Sack. Die hintere Hälfte ihrer Länge legt sich an die dorsale Epidermis an und zwar in der Medianebene bis etwa zur Kragenpforte, dann aber nach rechts abweichend gibt sie der linken Cölomtasche der Eichel Raum, die zur Eichelpforte führt (Taf. 29 Fig. 27). Vorn wird ihr und dem zentralen Blutraum durch eine leichte Krümmung der Eicheldarmspitze nach hinten, die bei BD. carnosus etwas deutlicher, in hohem Grade bei B. clavigerus ausgebildet ist, ein gewisser Abschluß gegeben. Im Querschnitt betrachtet erscheint 402 Orto Maser, a sie als gleichschenkliges Dreieck, das mit seiner Basis auf dem dünneren Eicheldarm aufsitzt. Wie bei PB. carnosus ist ihre vordere Spitze mit jenem lockeren, spongiösen Bindegewebe erfüllt, das in derselben Beschaffenheit auch das splanchnische Blatt des Eichel- cöloms aufbaut. In weiter nach hinten gelegenen Schnitten häufen sich die Gewebemassen mehr auf der ventralen Seite auf. Bezüglich des ausfüllenden Gewebes im hinteren Teil der Herzblase läßt sich SPENGEL’S Beobachtung durchaus bestätigen: „Er [der hintere Zipfel der Herzblase] enthält bei keiner Art einen freien Hohlraum, sondern ist von Fasern durchzogen, die vorzugsweise in Querebenen von der rechten zur linken Wand verlaufen, aber in etwas verschiedenen Richtungen, so dass sie vielfach einander kreuzen. Dass dies Muskel- fasern sind, kann nach ihrem Aussehen und ihrer Verbindungsweise mit der Wand kaum bezweifelt werden“ (SPENGEL, 1893, p. 512). In der Muskulatur der Herzblase fand ich nichts Abweichendes. Die Ventralseite ist mit kräftiger Quermuskulatur versehen. In den Dorsalwänden konnte ich keine Eigenmuskulatur feststellen. Dab sie keine aus ihrer Wand selbst entstandene Muskulatur auf- weisen, war nach SPENGELS Untersuchungen zu erwarten. Auch Hitt fand sie bei D. australiensis nicht (Hırı, 1894, p. 16). Doch hat bei D. numeensis zum Unterschied die cölomatische Bekleidung der dorsalen Herzblasenwände nur eine schwache Quermuskulatur entwickelt, da, wie ich schon oben ausführte, die dorsoventrale Muskelplatte sehr reduziert ist. Ventral ist die Herzblase der Länge nach tief eingebuchtet, in diese Rinne ist aber der dorsale Längswulst des Eicheldarmes gut eingepaßt, so dab fast nur in der Mittelebene ein zentraler Blutraum entstehen kann, dessen dreieckiger Querschnitt seine Basis dem Eicheldarm zukehrt. Die Gestalt des Blutraumes unterscheidet sich also wesentlich von B. carnosus, wo der Blutraum bei breiter Basis eine ebenso breite und tief gewölbte Aussackung in die Herzblase treibt, ganz abgesehen davon, daß bei B. carnosus zum Teil durch eine dorsale Rinne des Eicheldarmes, in ähnlicher Weise wie bei Gl. minutus, der Blutraum noch vergrößert wird. Ob eine so aus- geprägte Zweighöhle des zentralen Blutraumes in der Herzblase bei starker Füllung gebildet werden kann, läßt sich natürlich nicht ent- scheiden, jedoch würde sie dann nicht so in sich abgeschlossen und relativ selbständig werden, wie sie von Harrimaniiden und B. australiensis bekannt geworden ist. Die mesenchymatische Schicht des Zentralblutraumes ist äußerst Balanoglossus carnosus und numeensis. 403 dicht und bildet ein dickes Epithel. Auf Querschnitten lassen sich in dieser Zellenlage feine rillenartige Faltungen der Membran der Herzblase beobachten, die derartig scharf ausgearbeitet sind, dab man bei ihrem streng regelmäßigen, parallelen Verlauf leicht der Täuschung unterworfen ist, sie für Muskelfasern zu halten. Be- zeichnenderweise hat schon SPENGEL bei der Beschreibung des B. clavigerus auf diese feinen Längsfalten hingewiesen. Vergleicht man Querschnitte durch die Herzblase des B. nume- ensis mit entsprechenden Schnitten von B. clavigerus, so ergibt sich eine bedeutende Differenz in den Größenverhältnissen der basalen Organe. So ist bei 5. clavigerus der dorsoventrale Durchmesser der Herzblase winzig dem des Eicheldarmes gegenüber. Der starke, dorsoventral besonders ausgedehnte Eicheldarm nimmt dort fast den ganzen Raum des Eichelstieles ein und weicht so ganz beträchtlich ab von dem schwachen Divertikel und der relativ mächtigen, ihn umgreifenden Herzblase der neuen Art. Von rudimentären Herz- ohren (SPENGEL), den zwei vorderen blinden Taschen, die WiLuEy bei Gl. ruficollis gefunden und deren Vorhandensein Kuwano auch in der Gattung Balanoglossus bei B. misakiensis nachgewiesen hat, ist keine Spur zu finden. Der Glomerulus (Taf. 28 Fig. 23, 24). Der Glomerulus hängt in seiner Form von der Gestalt der Herz- blase ab. Die weitausladende Herzblase von PB. carnosus, die an Breite den rechteckigen Eicheldarm weit übertrifft, gibt dem Glome- rulus die außerordentliche Größe und Ausdehnung und läßt ihn in den vordersten Schnitten fast einen vollen Kreis beschreiben. Bei der Numea-Art ist demgemäß die Gestalt des Glomerulus mehr dorsoventral gestreckt. Die radiär verlaufenden Gefäße erreichen in der Mitte der Herzblase nur geringe Länge, die sie im hinteren Teil, an dem die Anzahl der Glomerulusgefäße dafür geringer ist, vergrößern. Bei der an und für sich schon geringen Zahl dieser von der äußeren Peripherie der Herzblase ausgehenden Gefäße und ihrer geringen Größe ergibt es sich, daß der Glomerulus eine unter- geordnete Bedeutung in dem Komplex der Organe hat. Er nähert sich in dieser Beziehung dem kleinen Excretionsorgan von B. apertus. Im Gegensatz zu dem von B. australiensis und B. aurantiacus er- streckt es sich nur über die Herzblase selbst, nicht aber über den Eicheldarm, den die ventralen Glomeruluszweige, die zugleich die längsten des Organs sind, flankieren. An der vorderen Spitze der 404 Orto Maser, Herzblase wird sie auch dorsal vom Glomerulus umkränzt, jedoch verschieben sich seine dorsalen Grenzen auf dem größten Teil des Pericards auf etwa zwei Drittel der dorsoventralen Höhe der Herz- blase, bis sie gegen Ende derselben auf ihre Basis herabsinken. Die Struktur des Glomerulus stimmt mit der Schilderung des Organs überein, die SPENGEL bei Gl. minutus gegeben hat. Der Zentral- komplex, besonders aber der Glomerulus, ist mit einer Schicht des splanchnischen Gewebes überwuchert, die die einbettenden Gewebs- massen, welche Hırı bei B. australiensis abgebildet hat, im Ver- hältnis zur Höhe der Glomerulusgefäße, übertrifft und sich am besten vergleichen läßt mit dem von SPENGEL bei Gil. sarniensis ange- troffenen Umstand, nur daß die Schicht zum Unterschied von Gl. sarniensis über dem Eicheldarm plötzlich zu einer dünnen Zellenlage abfällt. Nur im hinteren Teil der Herzblase, wo diese etwa die Stärke des Divertikels hat oder ihm wenig nachsteht, überzieht sie der Glomerulus nicht mehr. Demzufolge ist auch die splanchnische Schicht auf ihr sehr reduziert, wohingegen das spongiöse Gewebe jetzt auf dem Eicheldarm zu zwei dicken, lateralen Polstern ange- schwollen ist, die ihn nach hinten begleiten. Diese sehr verdickten Gewebsmassen kommen übrigens B. carnosus nur in beschränktem Mabe zu, da sie an der Spitze des Komplexes zwar gut entwickelt, aber in der Höhe der stärksten Ausbreitung des Glomerulus stark ‚rückgebildet sind. Nach Kuwano sind sie auch bei B. misakiensis vorhanden. Aus den Enden der ventralen Gefäße des Glomerulus öffnen sich die abführenden Stämme des Gefäßsystems. Auf beiden Seiten des Eicheldarmes, umhüllt von dem oben erwähnten Gewebs- polster, ziehen sie caudalwärts, durchbrechen als schräge, spaltartige Öffnungen das chondroide Gewebe (Taf. 28 Fig. 26) und wenden sich schließlich in normaler Weise nach der Ventralseite um. Als Anhang der Beschreibung der Eichel erwähne ich noch, daß ich ein sehr kleines Distomum fand, das im Gewebe des somatischen Blattes eingelagert war und erst aus wenigen Zellen bestand. Der Kragen. Der Kragen ist fast der auffallendste und charakteristischste Körperteil der neuen Art. In seiner Epidermis findet sich wieder die allgemein zutreffende zonenweise Verschiedenheit der Epithel- zellen, nur daß die Zonen und ihre Grenzen hier nicht so deutlich zutage treten, wie es bei Gl. minutus geschieht. Die erste, vorderste Balanoglossus carnosus und numeensis. 405 Region ist, wie bei 5. australiensis, die größte aller Zonen, da gerade sie bei der außerordentlichen Verlängerung des Kragens am meisten beteiligt ist. Die zweite Region, deren Breite an zweiter Stelle zu stehen kommt, ist von verhältnismäßig größerer Ausdehnung als bei B. australiensis, erscheint aber nicht scharf abgegrenzt, sowohl nach vorn wie nach hinten, was damit zusammenhängt, daß auch die Ringfurche, die gerade mit dem differenzierten Drüsenepithel be- setzt ist, nicht so genau abgemessen ist, sondern auch eine gewisse Verbreiterung erfahren hat. Die Zellen dieser Region weichen auch in der Höhe sehr ab von denen des ersten Ringes, da sie allmählich, besonders dorsal, fast 3mal so lang werden können wie die der ersten Zone, während ventral ihre Schwankungen gemäßigter sind. Die dritte Zone, noch schmäler als die zweite, enthält besonders jene distal mit Hämatoxylin sich färbenden Drüsenzellen. Die Zellen sind etwas höher als die der ersten Region und bilden den Über- gang zu den wieder niedrigen Zellen der vierten Zone, die, nur die Ringfurche austapezierend, kurz sein müssen. Anders als bei Gi. minutus, D. clavigerus und BD. australiensis ist die letzte Zone ge- staltet (bei einem Vergleich mit Bb. carnosus macht sich der Mangel einer Sagittalschnittserie von dieser Art sehr fühlbar). Hier hat sich ein typischer, scharf konturierter Ringwulst abgehoben, dessen Zellen besonders dorsal auf der Wulsthöhe am längsten sind. Was die Zellenbekleidung des hinteren Ringwulstes des Kragens betrifft, die nach SPENGEL’'s Nomenklatur der Zonen mit ,Hinterzone“ zu bezeichnen ist, so fehlen „grobalveoläre Drüsenzellen“ vollständig. Die feinalveolären Drüsenzellen, deren peripheres, birnförmiges Ende in Hämatoxylin sich färbt, sind spärlich auf der dorsalen, aber in bedeutend größerer Zahl vorhanden als ventral, wo hauptsächlich undifferenzierte Stützzellen von beträchtlicher Höhe zu finden sind. Im dorsalen Teil sind außerdem sehr schlanke Drüsenzellen vor- handen, die in ihrem die ganze Epidermis durchsetzenden Verlauf eine gleichmäßige Füllung bewahren. Ihr Inhalt ist außerordentlich fein granuliert. Die Muskulatur. Sie halt sich in den Grenzen, die nach SPENGEL’s Untersuchung für Gl. minutus gelten. Die Unterschiede rühren daher, wie SPENGEL treffend in der „Speciellen Morphologie“ be- merkt, „fast ausschliesslich von ungleicher Ausbildung der einzelnen Schichten her, während diese selbst nach den gleichen Grundzügen überall wiederkehren“. Eine periphere Längsmuskelschicht bildet einen dichten Zylinder unter der Basalmembran, trennt sich im 406 Orro Maser, hinteren Teil, nach und nach in einzelne Strähnen aufgelöst, von der Wand und durchkreuzt das hintere Cölom mit vielen Fasern, die dann an der Membran der hinteren Cölomwand und an der Scheidewand des Kragen- und des Rumpfcüloms ihren Anheftungs- punkt gemeinsam mit der inneren Längsmuskulatur finden. So kommt es, daß man auf Querschnitten durch die hintere Region des Kragens eine merkwürdig dicke Innenmuskulaturschicht vorfindet, während die Muskulatur der äußeren Wand zu einer dünnen Lage zusammengeschmolzen ist. Für die Ringmuskulatur trifft SPENGEL’S Beschreibung von D. clavigerus zu, ebenso Hırr’s Schilderung: „Internal to these there is a layer of circular fibres which terminate at the beginning of the second epidermal zone“ (Hırı, 1894, p. 19). Auch die fächerförmige Anordnung der Muskeln, die vom Eichel- skelet ausstrahlen, teils längs des dorsalen Kragenrandes nach vorn ziehen, teils die Mundhöhle umspannen, fand ich in typischem Verlauf. Auch hier dringen diese Muskelringe auf der Ventralseite am meisten nach vorn und kommen ventral in einer weit vor ihrer Ansatzstelle am Skelet liegenden Querschnittshöhe zum Vorschein. Einen Unterschied in der Längsmuskulatur von anderen Arten möchte ich noch erwähnen. Bei D. clavigerus ist die innere Längs- muskelschicht des Kragens weit schwächer als bei D. numeensis, auf der Rückenseite bildet sie dorsal vom Kragenmark nur eine einzige Lage dünner Muskelfasern. BD. numeensis besitzt, gemäß der un- gleich wichtigeren Rolle des Kragens, eine so kräftige, innere Längs- muskulatur, daß sie sogar über dem Kragenmark in starker Schicht den Ring schließt. Dieselben Verhältnisse finden sich auch bei B. carnosus wenigstens im vorderen Teil des Kragens, während auf den hintersten Schnitten die Fasern sich von der inneren Wand entfernt haben, so daß eine Entscheidung auf Grund der Quer- schnitte sich nicht sicher treffen läßt, ob sie der inneren Längs- muskulatur oder dem kreuzenden System angehören. Der vordere Rand des Kragens ist mit einem die Muskelfasern umhüllenden Bindegewebe erfüllt, das besonders die Fasern der Radiärmuskeln umscheidet. In diesem Teil des Kragens beginnt die innere Längs- muskulaturschicht, die weiter hinten einen Zylinder mit dicht an- einanderliegenden Fasern darstellt, sich aufzulockern, und sie zer- fasert sich in dem vordersten Raum derart, daß eine bestimmte Schicht als solche nicht mehr festzustellen ist. Was die Fortsetzung der Rumpfeölome in den Kragen betrifft, so schließen die Perihämalräume in ähnlicher Weise wie bei JB. Balanoglossus carnosus und numeensis. 407 australiensis, B. misakiensis, B. apertus die ventrale Hälfte des Kragen- markes ein, dagegen ist der Unterschied in der Form des Quer- schnitts der Perihämalräume von D. carnosus ziemlich erheblich. Bei dieser Art fand ich den Komplex der Perihämalräume und des Kragenmarkes als einen fast zylindrischen Stab, dessen beide Be- standteile mittels dreier Furchen, einer medialen kleineren und zweier lateralen größeren (Kuwaxo erwähnt Ähnliches bei B. misakiensis), fest aufeinander gekittet sind, wobei die Perihämal- räume mehr als halbwegs das Kragenmark umspannen. Bei B. numeensis sind beide Organe relativ größer und ganz flach aus- gebreitet. Sie bestehen fast durchweg aus dorsaler Muskulatur, die aus Muskelfasern von sehr verschiedener Stärke zusammengesetzt ist. Die ventrale Muskulatur, die bei manchen Arten, etwa wie bei B. australiensis und B. clavigerus, eine vollständige Schicht dünner Muskelfasern an der ganzen Ventralwand bildet, scheint bei anderen Arten mehr und mehr reduziert zu werden. B. apertus läßt nach den die Muskeln berücksichtigenden Abbildungen SPENGEL’s eine Verminderung der Faserzahl und eine Verdrängung der Fasern nach der Mittelebene erkennen. (Nach SPENGELS Abbildung ist dies auch für B. clavigerus geltend, doch war bei dem abgebildeten Exemplar die peripharyngeale Ringmuskulatur sehr kontraktiert, so daß die Verschiebung der Fasern durch den Zustand des Tieres bedingt ist.) BD. aurantiacus zeigt sie als ein winziges Häuflein dünner Fibrillen, die neben dem ventralen Ende des Blutgefäbes kümmerlich bestehen. B. »umeensis gleicht ihm in dem Verhalten der Fibrillen, die hier jedoch sich auf einer kleinen Fläche aus- breiten, aber außerordentlich dünn und fein sind. Der Verlauf und die Anordnung der Fasern bei 5. carnosus stimmt mit dem Befund bei seinem nächsten Verwandten überein. Außer beiden erwähnten Muskelschichten findet man Radiärfasern, die die dorsale und ventrale Wand der Perihämalräume miteinander verbinden. Im hintersten Ende des Kragens, wo die hintere Vorhöhle ihre zylindrische, blinde Röhre in den Kragen treibt, stellen die Perihämalräume breite, dünne Platten dar, die zur Bekleidung der Röhre bogenförmig ge- krümmt sind. Der Peripharyngealraum reicht ventral weiter nach vorn als dorsal und gleicht ganz dem für die Ptychoderiden geltenden Typ. Das Cölom. Bei dem einen Exemplar sind die Cölome beider Seiten fast vollständig verschmolzen, der ganze vordere Teil des Kragens bildet einen unabgeteilten Raum. Nicht einmal hinter den 408 Orto MAser, Kragenwurzeln, die rein mechanisch einer Mesenterbildung günstig sind, erhebt sich eine Membranfalte. Erst ganz im hintersten Ende des Kragens, im Bereich der hinteren Epidermistasche, läßt sich ein dorsales Septum unterscheiden. Im ventralen Kragen ist vorn ebenfalls kein Mesenter vorhanden, und auch das ventrale Blutgefäß, das ein äußerst reich gefalteter, aus kubischen Zellen zusammen- gesetzter Sinus ist, bewirkt hier keinen Abschluß des rechten und linken Cöloms. Nur im hinteren Teil lassen sich echte Membran- falten beobachten, die die Epidermis mit dem proximalen Blutsinus verbinden und so ein Paar ventraler, hinterer Cölomtaschen schaffen. Sicherlich können die Septa stark variieren, denn das zweite unter- suchte Exemplar besitzt ein sehr weit nach vorn reichendes dorsales Mesenter. So konnte Hırıu bei einem reichen Material von B. australiensis feststellen, daß „considerable variation exists in this species“, dab sogar „dorsal and ventral septa may be entirely absent, the two side halves of the coelom then standing, as in Balanoglossus kupfferi according to SPENGEL, in open communication“ (Hrur, 1894, p. 21). Ein eigentlicher Hohlraum, der nur von Radiärmuskeln durchzogen wird, tritt innerhalb der zweiten und dritten Epidermis- zone auf. Im ventralen Cölom fand ich eine Menge großer, runder Zellen, die besonders die Nähe des ventralen Sinus bevorzugten. Die Struktur ihres reichlichen Plasmas ist locker, schwammig und leicht verletzlich, und ihre Färbbarkeit ist verschieden von der der umgebenden Bindegewebs- und Muskelzellen. Diese haben sich mit Fuchsin geradezu imprägniert, die Flottierzellen aber nahmen nur das Blau des Hämatoxylins auf. Es dürften Haplo- sporidien (CAULLERY U. MESNIL) sein. Was die Kragenpforten angeht, so findet eine Abweichung von dem Schema derselben nicht statt. Kleine Unterschiede in der Lage und Richtung sind alles, was sich von diesen oft und genau untersuchten Organen berichten läßt. Bei PB. numeensis stülpen sie sich in etwa 45° nach der Dorsalseite geneigter Richtung in die Kragenhöhle und kommunizieren mit ihr durch eine weite, dorsalwärts gewandte Öffnung. Auf Querschnitten ergeben sie das charakteristische Bild der Pforten von PB. clavigerus. In weiter hinten gelegenen Schnitten sieht man die ventrale Wand zu- erst endigen, da die Pforte sich nicht direkt von vorn in die Taschen der Kiemen öffnet, sondern schief vom Rücken her. Da- her kann man noch lange die dorsalen Falten, deren seitliche Balanoglossus carnosus und numeensis. 409 Fortsetzung jetzt aber vollständig ausgebreitet ist und zu der Wand der Kiementasche gehört, in der Kiementasche verfolgen. Das Kragenmark. Auch BD. numeensis weist, wie B. carnosus, eine vordere Vorhöhle auf. Sie ist bei den beiden untersuchten Exemplaren etwas ver- schieden ausgebildet. In dem einen trifft sie direkt auf das vordere Ende des Kragenmarks, in dem anderen ist eine kleine Modifikation eingetreten. Wie aus dem medialen Sagittalschnitt zu ersehen ist, liegt der tiefste Punkt der Epidermistasche nicht vor, sondern etwas ventral vom Mark, was auf eine Einknickung des Eichelhalses zurückzuführen ist, die jedoch nicht künstlich zu sein braucht. Die Nervenfaserschicht des Kragenmarks geht daher in die nervöse Schicht des Eichelhalses über, indem sie sich ventralwärts nach hinten wendet und die Tasche umgeht. Die hintere Vorhöhle dringt etwa ein Drittel der Länge des Kragenmarkes in den Kragen ein und stellt wie immer einen Hohlraum dar, an dessen Ventral- seite der dorsale Nervenstamm hinzieht. Um eine Möglichkeit des Vergleichs zu geben, sei es gestattet, auch hier wieder auf 5. clavigerus zurückzugreifen und die Be- ziehung der Epidermistasche zum Kragenmark bei dieser Art zu schildern, da mir besser gestreckte und erhaltene Exemplare zur Verfügung stehen als seinerzeit SPENGEL. Bei D. clavigerus verläuft das Kragenmark und seine Fortsetzung, das nervöse Gewebe des Eichelhalses, in einer Geraden bis zum Eichelporus (Taf. 29 Fig. 29). Wie sich aus Längs- und Querschnitten erkennen läßt, tangiert der hinterste Zipfel der vorderen Vorhöhle gerade das Ende des Kragen- marks an dessen dorsaler Seite. Die Tasche ist reich an Drüsen- zellen, und ihre ventrale Wand wird von Zellen gebildet, die einen eigenartigen Verlauf haben. Da der Zipfel nicht wie in dem von SPENGEL beschriebenen Fall bei Sch. brasiliense vollständig getrennt vom Kragenmark verläuft, sondern sich dem Mark dicht anlegt, so streben die Zellen, die an der Zusammensetzung der Ventralwand beteiligt sind, aus der hinteren Basis der Tasche und aus der dorsalen Wandung des Kragenmarks in einer dem Verlauf der- selben parallelen Richtung nach vorn und biegen dann in kurzem Bogen dorsalwärts um. Das Exemplar zeigt übrigens eine Erscheinung, auf die schon SPENGEL in seiner Monographie hingewiesen hat. Die Markhöhlen Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 27 410 Orro MAser, finden sich nämlich nicht nur im Kragenmark, sondern auch in dem freiliegenden nervösen Gewebe des Eichelhalses, was, wie schon SPENGEL in der Monographie (p. 605) angibt, „wenn auch nicht zwingend für ihre gesonderte, so doch für ihre vom Axencanal unabhängische Entstehung spricht.“ Über die Gestalt des Querschnitts des Kragenmarks habe ich schon einiges bei der Besprechung der Perihämalräume gesagt. Auch hier will ich von B. clavigerus ausgehen. Sein Kragenmark läßt sich in der Mitte des Kragens ansehen als eine regelmäßige, dicke oder dünne Platte, deren seitliche Ränder etwas aufgewulstet sind. An dem reichen mir zur Verfügung stehenden Material konnte ich die Verschiedenheiten der Form des Kragenmarks bei ver- schiedenen Kontraktionszuständen vergleichen. So zeigten die un- betäubt fixierten Exemplare aus Neapel jene eigentümliche Kompakt- heit des Kragenmarkes und jene drei Riefen längs der dorsalen Wand der Perihämalräume, wodurch eine innige Berührung mit dem Kragenmark zustande kommt. Wahrscheinlich ist diese Form auf die Kontraktion der Ringfasern des Peripharyngealraumes zu- rückzuführen, denn in langgestreckten, unkontrahierten Exemplaren aus Triest hatte das Kragenmark die Gestalt einer breiten, dünnen Platte. Einen gewissen Gradmesser der Kontraktion geben die Wellen und Falten des Darmepithels ab, die besonders in dem von SPENGEL in seiner Monographie abgebildeten Exemplar aus- geprägt sind. Das gut ausgestreckte Exemplar der Numea-Art steht in der (Gestalt des Kragenmarks zwischen den beiden eben beschriebenen Zuständen. Die Ventralwand ist leicht geschweift, hat in der Mitte die immer sich vorfindende Rinne und ist als Ganzes ziemlich flach und nach der Seite zugeschärft. In seinem Gewebe finden sich zahl- reiche Markhöhlen, die meist sehr klein sind und in deren Anordnung ich keine Regelmäßigkeit bemerken kann. Die Nervenfasern sind auf beiden Seiten der Medianen in stärkster Schichtdicke gelagert, wenn man einen firstartigen Vorsprung dieser Lage ausnimmt, der bis zur Mitte der Höhe des Kragenmarks reicht. Die Wurzeln des Kragenmarks (Taf. 28 Fig. 22). In seiner „Spe- ciellen Morphologie“ schreibt SPENGEL von ihnen (p. 610): „Was sodann ihre Zahl betrifft, so habe ich gefunden, dass dieselbe nicht nur bei ver- schiedenen Arten, sondern auch innerhalb einer solchen individuellen Schwankungen unterliegt.“ So fand auch ich in dem einen Fall zwei, in dem anderen drei vollständig ausgebildete Wurzeln. Ich will sie Balanoglossus carnosus und numeensis. 411 nacheinander beschreiben. In dem in Sagittalschnitte zerlegten Exemplar, das nur zwei Wurzeln besitzt, erhebt sich in der Mitte zwischen dem vorderen Ende des Kragenmarks und dem vorderen Ende der hinteren Vorhöhle eine außerordentlich starke Wurzel, die an Durchmesser der dorsoventralen Höhe des Marks nur wenig nachsteht. Sie zieht schräg nach hinten zur Epidermis, wo sie pilzförmig anschwillt und einen kurzen intraepidermalen Kanal enthält. Da die Erhaltung des Gewebes dieser Wurzel sehr schlecht ist, kann ich über ihren Hohlraum nichts sagen, andrerseits konnte ich jedoch in der Epidermis den überaus kurzen Epidermal- kanal deutlich erkennen. Er läuft übrigens nicht in der Längs- richtung des Tieres wie bei B. carnosus, sondern erstreckt sich quer zu ihr. Die hintere Wurzel ist weit schwächer, läuft ebenfalls nach hinten geneigt zur Epidermis, nicht gradewegs wie die erste Wurzel, sondern mit seitlicher Ausbiegung in ihrer Mitte, doch so, daß ihr Anfang und Ende auf den gleichen Sagittalschnitt zu liegen kommen. Das pilzförmig geschwollene Ende in der Epidermis ist auch kleiner als das des vorderen. Der winzige Intraepidermalkanal wird durch zwei bis drei feine Poren repräsentiert, deren Lumina man auf dem Sagittalschnitt erkennen kann. Von den drei Wurzeln des anderen Individuums ist die erste stark entwickelt, hält sich in ihrer ganzen Länge in einem Querschnitt und trägt in der Epi- dermis eine kolbenförmige Verdickung, in der ein Hohlraum konstatiert werden kann. Der Intraepidermalkanal ist auf ein Bläschen beschränkt. Ein feines Lumen durchzieht die Wurzel, wenigstens glaube ich, daß die verschiedenen angeschnittenen, feinen Hohlräume einem stetigen, etwas gewundenen Kanal angehören. Dieser ist mit einer stark lichtbrechenden, glashellen Masse erfüllt und läßt sich noch eine kleine Strecke in das Kragenmark hinein verfolgen. Wenige Schnitte nach hinten folgt die zweite Wurzel, - deren Verlauf und Lumen mit dem der ersten übereinstimmt, nur daß ihr Intraepidermalkanal noch mehr reduziert ist und kaum als winziges Löchlein in der Epidermis erkennbar ist. An Mächtigkeit steht diese Wurzel der ersten nach, ist aber als ein vom Kragenmark selbständiger Kanal durch einige Schnitte nach hinten zu verfolgen. Die dritte Wurzel ist sehr breit und kurz, genau senkrecht zum Mark. Sie hat das charakteristische Lumen und einen ganz un- bedeutenden Intraepidermalkanal. Es ist auffallend, daß gerade für B. carnosus und B. numeensis allein die Existenz eines intraepithelialen Kanals der Kragen- 27* AD Orro Maser, wurzeln nachgewiesen werden konnte. Vielleicht kann man darin eine Stütze für ihre nahe Verwandtschaft erblicken. Der Rumpf. Unter der Epidermis befindet sich eine einschichtige Ring- muskulatur, wie auch bei BD. australiensis. Darunter liegt die sehr starke Längsmuskulatur, die lateral bis dorsolateral ihre größte Schichtdicke erreicht, während sie ventral- und dorsalwärts abfällt. Solange jedoch keine Gonaden die Pleuren erfüllen, und dies ist in dem vordersten Teil der Kiemenregion der Fall, reicht sie mit gleicher Stärke in die Genitalflügel hinein und nimmt fast deren ganzen Querdurchmesser ein. Nur im distalsten Rand der Pleure reduziert sie sich beträchtlich und läßt dem Cölom Raum, das, nur von einzelnen Fasern des Radiärmuskelsystems durchzogen, die mäch- tige äußere Schicht von der dünnen Innenmuskulatur der Pleuren trennt. In diesem distalen Rand treten, wie bei PB. carnosus, nie Gonaden auf. Doch ist dieser gonadenfreie Rand der Pleuren von dem des B. carnosus bezüglich der Muskulatur deutlich unter- schieden. Natürlich sind die Verhältnisse nicht ganz die gleichen, wenn man den vorderen oder den hinteren Teil der Branchiogenital- region einer Prüfung unterzieht, aber man kann sagen, dab bei B. carnosus die ziemlich kräftige Innenmuskulatur der Pleure vor dem distalen Rand auf eine einschichtige Lage sehr dünn gesäter Fasern abfällt, so daß man glauben könnte, sie setzte vollständig aus, dann aber in langsam sich verdickender Schieht um den Rand herum zieht und in die äußerst starke Außenschicht übergeht. Bei B. numeensis ist ein solcher rascher Absturz der Innenlage nicht zu konstatieren. Sie ist vielmehr schon von, der Submedianlinie an lateralwärts außerordentlich dünn, und dies um so mehr, je weiter man dem Hinterende sich nähert, so daß man ihre spärlichen Fasern leicht übersehen kann. In der vorderen Region wird sie gegen den Pleurenrand kräftiger und geht gleichmäßig in die äußere Muskulatur über. Proximal von der Submedianlinie schwillt die Längsmuskulatur zu einer kräftigen Schicht an, die an der Übergangsstelle der Pleure in den Rumpf ihr Maximum hat. Dicht daneben kommt der Kiemenporus zu liegen, also fast an die Spitze des Winkels zwischen Genitalflügel und der dorsalen Körperfläche. In der Region, in die die Dorsalkammern noch eintreten, sieht man ihre Muskulatur, von dem Lateralseptum umgeben, als zylin- drischen Strang unter der Submedianlinie verlaufen, der sich aus der Balanoglossus carnosus und numeensis 413 umgebenden, dünnen Längsmuskulatur in sehr auffälliger Weise, wie es auch für D. carnosus gilt, heraushebt. Der Darm ist in etwa gleiche Hälften, den Kiemendarm und den Ösophagus, geteilt, deren Raumverhältnis im hinteren Ende der Kiemenregion sich zuungunsten des Kiemendarmes verschiebt. Ich fand ihn ventral durchweg weit auseinanderklaffend, was ja nicht der natürliche Zustand zu sein braucht, obwohl die Parabranchial- wülste sehr schwach und nicht so charakteristisch entwickelt waren wie etwa bei D. carnosus. Die Kiemen, denen ich des kläglichen Zustandes der Kiemen- epithelien wegen nur einige Worte widmen kann, sind weniger stark gekrümmt als die von B. carnosus und B. clavigerus. Ihre Kiementaschen sind mit „ventralen Blindsäcken“ versehen, die mit denen von B. carnosus übereinstimmen. Nach dem Bildungs- herd der Kiemen zu werden diese Ventralcôca kürzer und ver- schwinden gänzlich, da die Kiementaschen selbst zu dem kleinen Raum zwischen Zunge und Porus zusammengeschrumpft sind. Der erste Kiemenporus mündet in die hintere Vorhöhle des Kragens. Diese bemerkenswerte Tatsache, die auch von B. carnosus bekannt ist, findet Wırvev von außerordentlicher Wichtigkeit, da hier in entsprechender Weise wie beim „anterior trematic complex“ eine enge Beziehung des „cerebralen“ Teils des Nervensystems mit dem Eichelporus eine solche mit dem Kiemenporus und durch ihn mit den Kragenpforten bestände. Durchaus unannehmbar finde ich WILLEy’s Folgerung, jene Hypothese: „that the association of posterior neuropore and blastopore which generally leads to the formation of a neurenteric canal is the posterior trematic complex of the embryos of vertebrata* (Wizzey, 1902, p. 320). Selbstverständlich entstünde ein neurenterischer Kanal, wenn man annehmen wollte, daß der dorsale Nerv auch hinter dem Kragenmark sich einsenkte oder abgeschlossen würde „by the fusion of the medullary folds“, aber nichts berechtigt tatsächlich diese so ins Einzelne gehende Homologisierung. Die Synaptikelzahl der Kiemen schwankt beträchtlich; ich schätze den Durchschnitt bei den Kiemen der vorderen Region auf 15—18. Der Postbranchialdarm. Nach meinen Ausführungen über den Postbranchialdarm und dessen Blutgefäßsystem bei anderen Ptychoderiden wird es nicht mehr zweifelhaft sein, daß die Unter- suchung des Postbranchialdarmes als unterscheidendes Merkmal der 414 Orro MAsER, Arten wenig praktischen Wert hat. Ich muß von vornherein er- warten, daß bei den vorliegenden, verhältnismäßig jungen Exemplaren der neuen Art die Ausbildung dieses Körperteils noch unfertig und nicht so charakteristisch ist wie in alten Tieren. Der postbranchiale Darm dürfte dem des von mir untersuchten kleineren Exemplars von B. carnosus am nächsten stehen. Einige 50 Schnitte vor dem Ende der Kiemenregion haben die Dorsalfelder der Muskulatur noch die Dicke der die Kiemenfurche auskleidenden Muskelschicht. Sie bleiben überhaupt in ihrem ganzen Verlauf dünner und verhältnismäßig breiter als die dicken, plumpen Muskelplatten von D. carnosus. Entsprechend ihrer weiten Ausdehnung und horizontalen Lage hat auch der Kiemendarm eine größere Quer- ausdehnung als bei der anderen Art, ohne aber dessen dorsoventrale Tiefe und seine Geschlossenheit zu erreichen. Demgemäß haben die Kiemen eine stärkere Biegung als weiter vorn, sie sind schließlich am hintersten Ende fast zu Halbkreisen geworden und werden durch die eigentlich nur in diesem Teil der Region gut ausgebildeten Parabranchialwülste vollständig vom Ösophagus abgeschlossen. Die Kiemen werden in den folgenden Schnitten rasch kleiner, die Form des Kiemendarms bleibt dabei erhalten, nur wird seine Ventral- seite, die die Kiemenenden nicht mehr erreichen, von einem dicken Epithel eingenommen. Die kürzer werdenden Kiemenzungen, die kurz und gedrungen fast die ganze Kiementasche erfüllen, enthalten kräftige, sehr breite und gebogene Zungenzinken. Mit ihrer Ver- kürzung geht eine Verschmälerung und hiermit natürlich eine Ver- dickung der dorsalen Muskelplatten Hand in Hand, wodurch wieder- um der Eindruck eines medialen Kiels hervorgerufen wird. Wie bei BL. carnosus und BD. clavigerus haben sich schon die dorsolateralen Darmfalten erhoben, allerdings vorerst nur mit ihrem äußersten Rand. Während noch im Teil des Kiemendarms kleine Kiemen gebildet werden, hat nun durch den Wegfall der Parabranchialwülste und durch den Übergang zu einem mehr rechteckigen Lumen sein ventraler Teil die Gestalt und die Struktur einer dorsalen Rinne angenommen. Im übrigen folgen die einzelnen Erscheinungen wie bei den oben be- schriebenen Formen. Divertikel werden überhaupt nicht abgezweigt. Auch das Lateralseptum verhält sich normal. Nur 7—10 Schnitte hinter dem letzten Kiemenporus, also eine im Vergleich mit anderen Balanoglossus-Arten sehr geringe Entfernung bei einem sehr schön aus- gestrecktem Exemplar, zweigen die lateralen Gefäßcommissuren ab (die beiden Commissuren entstehen nicht ganz an gleicher Stelle) (Taf. 27, Balanoglossus carnosus und numeensis. 415 Fig. 27). Sie haben der schwach gewölbten Decke der dorsalen Rinne wegen einen nur wenig geneigten Verlauf und vereinigen sich direkt mit dem dorsalen Blutgefäß. Die beiden Seitenverbindungen ziehen dabei der Membran des Postbranchialdarmes parallel und haben vollstän- dige Selbständigkeit gewonnen. Nach der Abzweigung der Com- missuren verändern die Lateralsepten einige Schnitte weiter nach hinten ihren Ort nicht; sie sind noch straff gespannt zwischen der lateralen Darmfalte oder einer ihrer Tochterfalten und dem Post- branchialdarm, mitten an dessen Seitenwand sie sich anheften. Merk- würdigerweise führen sie jedoch noch Seitengefäße, zwar unregel- mäßig auf beiden Seiten, auf der einen als einheitliches, großes Gefäß von dem Durchmesser des Lateralstammes vor der Commissur, auf der anderen in eine Anzahl kleinerer Stämme geteilt, als ob eine Abspaltung durch die Seitenverbindungen gar nicht stattgefunden hätte. Verfolgen wir die Serie weiter nach hinten, so sehen wir die dorsale Rinne, die den Postbranchialdarm repräsentiert, flach und flacher werden, bis schließlich das Lateralseptum mit ihrer Membran zusammenfällt, aber trotzdem sein Gefäß weiterführt. Es besteht immer noch auf der einen Seite aus mehreren kleinen Stämmchen, auf der anderen aus einem einheitlichen Gefäß, das fast zu einem selbständigen Stamm abgeschnürt ist. 22 Schnitte hinter der Ein- mündung der Lateralcommissuren erfolgt gleichzeitig die der beiden „Restgefäße“ in das dorsale Mesenterium, denn auch die kleinen Gefäße der einen Seite haben sich zu einem Stamm vereinigt. Ich lege dieser Erscheinung wenig Wert bei, da sie ein mehr zufälliges Verhalten darstellt, das bei der Natur der Enteropneustengefäfe auch an jedem anderen Stück eintreten könnte. Die einzige Be- deutung dieses Falles beruht darin, daß er uns den Weg zeigt, auf dem die Entstehung der Lateralcommissuren vermutlich vor sich gegangen ist. Bei einem Exemplar von B. clavigerus fand ich eine solche sekundäre Verbindung, schwach angedeutet, eben- falls vor. Die Gonaden. Zirka 0,45 mm hinter der Einmündung der Kragenpforte in die erste Kiementasche zeigen sich im linken, etwa 0,15 mm weiter nach hinten im rechten Genitalflügel die ersten Gonaden. Ihre Erhaltung war außerordentlich schlecht, so daß eine histologische Untersuchung unmöglich war. Die Anordnung der Gonaden erinnerte an das unreife Exemplar von D. carnosus, das Wizzey beschrieb: „In immature specimens the medial and lateral branches of the gonads, in the posterior branchial and genital 416 Orto Maser, region, abut simply on the lateral or gonaducal line as shown in fir. 23 tab. 30.“ Doch sind in Stücken der neuen Art die Gonaden vollständig reif. Es sind weder sekundäre Gonaden noch akzes- sorische Poren vorhanden, und es wäre nach dem Beispiel des jungen B. carnosus nicht auszuschließen, daß sich bei weiterem Wachstum sekundäre Gonaden mit den zugehörigen Pori einstellen würden. Die Gonadengruppierung selbst folgt demselben Plan, der für B. australiensis und B. clavigerus gilt. Es sind drei Äste vor- handen, ein dorsolateraler, der allein im Genitalflügel sich aus- dehnt, ein ventrolateraler und ein die Dorsalkammer erfüllender mediodorsaler Ast. Doch weist diese Gonadengruppe nicht jene mehr oder weniger reiche Verästelung der drei Zweige auf, wie man es gerade bei den genannten Arten beobachten kann. Die Leberregion. Die Leberregion von B. numeensis ist die für die Gattung typische: wir finden den weiten Darmkanal mit den vielen Falten wieder, deren Beziehungen zu den Lebersäckchen, Wimperfurchen und Epidermiswülsten für Pt. flava caledoniensis von SPENGEL in so eingehender Weise auseinandergesetzt worden sind, und die dünne Längsmuskulatur, deren Stärke ventral und lateral ihr Maximum erreicht, dorsalwärts aber rasch abnimmt. Die Längs- muskelschicht reicht bis zur Ansatzstelle der Lebersäckchen, während medial von dieser, zu beiden Seiten des dorsalen Gefäßes, die vorher breite Muskulatur der Dorsalfelder zu einem sehr dünnen Bündel reduziert ist. Diese verschmälerten Dorsalfelder haben die Höhe des dorsalen Mesenters, das nur aus dem Hauptgefäß besteht. Dicht neben ihnen entspringen die Lebersäcke. Diese ähneln denen von B. carnosus sehr, stehen ihnen natürlich an Größe nach, obwohl der Größenunterschied nicht derartig ist, wie man ihn gemäß der sonstigen Massenverhältnisse beider Arten erwarten sollte. Ihre Kniekung ist nicht so scharf, das laterale Ende des Hakens nicht Kreisförmig abgerundet, sondern mehr spitz, sie scheinen ihnen sehr ähnlich, ohne ganz so eigentümlich zu sein. Bei den mir zu Gebote stehenden Präparaten konnte ich jene eigen- artige, bei BD. carnosus beschriebene histologische Zusammensetzung des Epithels nicht wiederfinden. Seine Zellen enthalten eine Füllung feiner Körnchen und erweitern sich an ihrem dem Lumen des Leber- säckchens zugekehrten Ende, indem sie ein überall gleichmäßig aus- gebildetes Excretbläschen entstehen lassen. Dieselbe Erscheinung der hellen Bläschen, die durch ihre große Zahl dem Epithel der Säckchen ein eigenartiges Gepräge verleihen und auch im Darm der Balanoglossus carnosus und numeensis. 417 Leberregion sich nachweisen lassen, hat schon SPENGEL beobachtet. Er schreibt: „In den Zellen vermißt man auch bei übrigens guter Erhaltung oftmals die Cilien. Die Zellen sind dann gegen ihr freies Ende angeschwollen, mehr oder minder in das Darmlumen vorge- quollen und haben dann nicht selten große Mengen klarer, kugliger Bläschen ausgeschieden. Es wird sich wohl um eine Einwirkung der Reagentien handeln; frisch zerzupfte Zellen zeigten mir die Cilien immer sehr deutlich“ (SPeNGEz, 1903, p. 566). Auf Anschnitten des Epithels der Säckchen sieht man die überaus regelmäßigen Um- risse der Zellen die lauter gleichseitige Fünfecke bilden. Gut er- halten sind die beiden Wimperfurchen, die das typische Aussehen besitzen und in der Caudalregion noch zu beobachten sind. Die Caudalregion. Schon makroskopisch läßt sich ein Überwiegen des ventralen Nervenstammes konstatieren, tatsächlich sieht man, daß ihm gegen- über der dorsale Stamm beträchtlich reduziert ist. Er verschwindet fast zwischen den aus Drüsenzellen bestehenden Epidermisinseln, die sich aus den bekannten drüsigen Epidermisstreifen abgegliedert haben. Unter ihm verläuft das klein gewordene, dorsale Blutgefäß, das den alleinigen Uberrest des dorsalen Mesenters darstellt. Er wird von einigen Bindegewebszellen, die besser konturiert sind als die übrigen Zellen des Cöloms, umgeben. Nur ventral ist linkes und rechtes Cölom durch das Blutgefäß, das ein sehr kurzes Mesenter dargestellt, getrennt. Die äußere Längsmuskulatur ist sehr schwach, eıfüllt nur einen winzigen Bruchteil des cölomatischen Raumes und behält auf dem ganzen Körperumfang ihre gleiche Stärke Außerhalb dieser Schicht ist noch die dünne Ring- muskulatur vorhanden. In guter Ausbildung existiert die radiäre Muskulatur. Am meisten Interesse erregt nach den Erwartungen, die besonders von seiten Wırrey’s an seine Existenz geknüpft worden sind, der ventrale Kiel, wie ihn sein Entdecker SPENGEL, oder das Pygochord, wie ihn Wırtey benannt hat. Bei B. nwmeensis ist das kurze ventrale Mesenter seiner Bildung sehr ungünstig. Der ventrale Kiel ist hier eine nur unvollkommen vom Darmepithel abgegrenzte ventrale Längsfalte, deren Zustand SPENGEL’s Angabe entspricht: „dass ein successives Hervortreten der Substanz des „Pygochords“ aus dem Darmepithel und ein Abschluss der fertig ge- bildeten Stücke durch die Grenzmembran stattfindet . . .“ (SPENGEL, 1904a, p. 15). 418 Orro Maser, Ein dem Darm anliegendes dorsales Gebilde findet sich in der vordersten Strecke der Caudalregion. Es ist ein zwischen Darmepithel und dorsalem Mesenterium (nur im vordersten Teil der Caudalregion findet sich ein dorsales Mesenter) eingeschaltetes Zeilenpolster, das in seiner Histologie von dem Pygochord ab- weicht. Das mit Blut erfüllte Mesenter endigt dorsal über dem Polster, und die Blutflüssigkeit wird in vielen feinen Kanälen, die die Zwischenräume der kleinen, spindelförmigen Zellen darstellen, in die Lacunen der Darmwand überführt. Ob dieses dorsale Zellen- polster aus dem Darmepithel wie das Pygochord entsteht oder seinen Ursprung aus cölomatischen Zellen nimmt, kann ich nicht entscheiden. Zur Systematik der Gattung balanoglossus. Die Systematik einer so artenarmen Klasse, wie es die Entero- pneusten sind, wird einer fortwährenden Reorganisation unter- liegen müssen, sobald neue Arten hinzukommen. So konnte schon 1593 SPENGEL, dem wir das System verdanken, von den beiden artenreicheren Gattungen Ptychodera und Balanoglossus schreiben: „Für diese beiden liegen die Dinge nun so, dass es meines Erachtens nur eine Frage der Zeit ist, ob eine weitere Zerlegung derselben in Untergattungen, oder richtiger, eine Erhebung dieser Gat- tungen zum Rang von Familien eintreten soll oder nicht. Ich habe gezögert, den Schritt jetzt schon zu tun, obwohl ich nicht daran zweifele, dass er sich in kurzem als unvermeidlich erweisen wird“ (SPENGEL, 1903, p. 358). Nachdem eine Vermehrung der Arten eingetreten war, hat Wırey in seinen „Zoological Results“ eine Synopsis der Enteropneusten gegeben, die diejenige SPENGEL’s nur so weit abänderte, als es die erweiterte Kenntnis der Arten er- forderte. In ihr wurden aus den Gattungen Schizocardium und Glandiceps und der neuen Gattung Spengelia die Familie der Spen- gelidae aufgebaut. Im übrigen wurden weitere Unterteilungen nicht gemacht. Später nahm SPENGEL zu der wichtigen Frage der Nomen- klatur Stellung und stellte die anerkannte, neue Synopsis der bis dahin bekannten Enteropneusten auf, die in 3 Familien aufgeteilt wurden, deren jede sich wieder in 3 Gattungen zerlegte. Wir wollen uns hier nur mit der Gattung Balanoglossus beschäftigen. Die bis Jetzt bekannten Balanoglossus-Arten sind: 1. B. clavigerus Devin ÜHIAJE. la. B. robinii SPENGEL. Balanoglossus carnosus und numeensis. 419 . B. apertus (SPENGEL). B. australiensis (Hr). B. gigas Fr. MÜLLER. B. carnosus (WILLEY). B. aurantiacus (GIRARD). B. biminiensis (WILLEY). D. jamaicensis (WILLEY). B. misakiensis KUWANO. . numeensis N. Sp. Anmerkung: Hier wäre noch B. occidentalis RITTER zu er- wähnen, den Rirrer als eine mit B. clavigerus verwandte Form kurz anführt, ohne jedoch eine nähere Beschreibung zu geben. Die von GILCHRIST beschriebenen süd-afrikanischen Arten: Ptychodera capensis, Pt. proliferans und Pt. natalensis gehören möglicherweise auch hierher. GiucHrist’s Beschreibung ist jedoch so ungenügend, daß sich nicht einmal entscheiden läßt, ob die Arten tatsächlich der Gattung Ptychodera oder der Gattung Balanoglossus zugehören. Balanoglossus tricollaris (SCHMARDA) wurde von SPENGEL als eine Ptychodera erkannt. Dazu käme noch nach Punxerr’s Beschreibung D. parvulus PUNNETT. Vorerst möchte ich kurz auf letztere Form eingehen: bis jetzt ist als das charakteristischste Merkmal der Gattung Glossobalanus die Existenz rudimentärer Genitalflügel erkannt worden. PuNNETT hat nun eine Form, deren Pleuren mit Glossobalanus verglichen ver- hältnismäßig groß, aber „relatively smaller than in any other member of the genus“ Balanoglossus waren, zu letzterer Gattung gestellt. Nun ist aber nicht eigentlich die Größe der Pleure selbst das wesent- lichste, was beide Gattungen unterscheidet, vielmehr sind es die Cölomverhältnisse der Flügel, d. h. der Verlauf des Lateral- septums. Dieses ist bei beiden Gattungen so konstant und sein Verlauf so grundverschieden, daß eine Unsicherheit bezüglich der Zugehörigkeit einer Art zu einer der beiden Gattungen kaum auf- kommen kann. Bei B. parvulus ziehen die Lateralsepten, PUNNETTS Abbildung gemäß, direkt vom Darm zum distalsten Ende der Pleure, verhalten sich also ganz wie bei Glossobalanus. Demgemäß befindet sich auch die Gonadenausmündung am obersten Rand des Genitalflügels, was nie bei Balanoglossus vorkommt. Die Pleuren selbst gleichen auch in der äußeren Gestalt durch ihre dorsale Rundung den „rudimen- a EEE En & 420 Orro MAsER, tären“ Flügeln der Glossobalanus- Arten. Zweifellos ist daher der seitherige B. parvulus ein typischer Glossobalanus, der nach den Regeln der Nomenklatur als Gl. parvulus (PUNNETT) zu be- zeichnen wäre. Was die übrigen Arten anbetrifft, so hat Wırrey ihre Ein- ordnung in 2 Gruppen angeregt, die sich durch den Bau ihrer Kiemen- taschen unterscheiden. A. Arten, deren Kiementaschen Ventralcöca besitzen, B. Arten mit Kiementaschen ohne Ventraleöca. Außerdem schlug er vor, die Gonaden als spezifisches Mena verschiedener Gruppen anzunehmen, und schied sie in A. Arten mit akzessorischen Gonaden, B. Arten ohne akzessorische Gonaden. Meiner Ansicht nach scheidet die letztere Einteilung ohne weiteres aus, da akzessorische Gonaden (richtiger sekundäre Gonaden) durchaus kein derartig eigentümliches Merkmal bedeuten, das als Einteilungsprinzip zulässig wäre, um so weniger als es bei manchen Arten erst mit zunehmendem Alter auftritt. Die erste Klassifizierung hat dagegen den Nachteil, daß einander fernstehende Formen wie B. clavigerus und B. carnosus in einer Gruppe untergebracht werden. Unter allen Umständen wird ein Kompromiß geschlossen werden müssen. Legen wir daher den Hauptwert auf die Gesamtorgani- sation und im besonderen auf die der Eichel und des Kragens und versuchen wir von unten aufzubauen! Die beiden Arten B. carnosus und B. numeensis weichen von den übrigen so weit ab und nähern sich andrerseits unter sich der- artig, daß man beide als eine natürliche Untergruppe ohne weiteres von den übrigen wird trennen können.. Ihre übereinstimmende Morphologie, besonders das bei beiden ausgesprochene Übergewicht des Kragens über die Eichel, große Ähnlichkeit der Eichelcülom- verhältnisse, der Eichelpforte und vor allem des Eicheldarmes recht- fertigen ihre Zusammenstellung und Abtrennung. Als Typ dieser Untergruppe wird B. carnosus zu betrachten sein. In ähnlicher Weise kann man mit den allerdings weniger bekannten Arten B. jamaicensis und B. biminiensis verfahren, die, verschieden groß, sich ebenfalls außerordentlich nahe zu stehen scheinen. Als Typ der aus diesen beiden Arten gebildeten Untergruppe betrachte ich den kleineren, besser bekannten B. biminiensis. Beide Untergruppen bestehen also aus je einer riesigen und einer kleineren Art. 3eim Vergleich ergibt sich ein Hauptmerkmal, das den vier Balanoglossus carnosus und numeensis. 421 Arten gleichmäßig zukommt: es ist der im Querschnitt quadra- tische Eicheldarm mit vier Divertikeltaschen, zwei ventralen und zwei dorsalen. Da gerade diese Form des Divertikels die übrigen Architekturverhältnisse der Eichel sehr stark beeinflußt — man denke nur an die restierenden Cölomräume —, so scheint es mir wie kein anderes Merkmal dazu geschaffen, als Einteilungsprinzip verwendet zu werden, um so mehr, als andere Qualitäten durchaus unterstützend ihm zur Seite treten. Was die Bedeutung des im Querschnitt quadratischen Eicheldarmes als Merkmal vermehrt, ist die begründete Annahme, daß die dorsalen Taschen eine ganz neue Erwerbung einer be- stimmten Gruppe sind, denn sowohl bei den übrigen Angehörigen des Genus Dalanoglossus wie bei allen sonstigen Arten der Enteropneusten findet sich nur der primitivere ventrale Blindsack. Die nach diesem Prinzip geschaffene Gruppe würde außer den Arten der beiden ange- führten Untergruppen nach D. gigas umfassen, der, wie ich schon im Kapitel „Eicheldarm“ dargetan habe, die nämlichen Eigenschaften besitzt. Diese fünf Arten zeichnen sich durch beginnende Vorherr- schaft des Kragens aus und besitzen, außer den charakteristischen Eigenschaften der Eichel, Ventralcöca der Kiementaschen. Viel- leicht dürfte es sich empfehlen, in einem zukünftigen System sie zu einer Gattung zu vereinen, als deren typische Art man PB. carnosus annehmen könnte. Die übrigen Arten des Genus zeigen nicht die Einheitlichkeit der eben genannten Gruppe. Als gemeinsames Merkmal kommt ihnen der nur einseitig ventralwärts Taschen ausstülpende Eicheldarm zu. B. clavigerus und seine Unterart (oder Varietät) D. robinii steht durch seine ventralen Kiemenblindsäcke abseits und nähert sich hierin der Gruppe carnosus. Durch die eigenartige Wulstbildung der Ringmuskulatur der Eichel zeichnet er sich vor allen in dieser Hinsicht bekannten Enteropneusten aus und vertritt vielleicht eine selbständige Gruppe. Ebenso weicht B. aurantiacus von den übrigen Arten ab, vor allem durch die bedeutende Höhe des Divertikels, jedoch besitzt er, obwohl man ebengenannte Eigenschaft als An- näherung an die Gruppe carnosus auffassen könnte, keine Ventral- cöca der Kiementaschen. Jetzt schon zur Aufstellung einer fertigen Systematik zu schreiten, wäre verfrüht, da ständig neue, unbe- kannte Arten den relativ kleinen Stock bekannter Enteropneusten ergänzen. 422 Orto MAsEr, Gegenüberstellung der Hauptmerkmale der Arten B. carnosus (WILLEY) und BD. numeensis n. sp. B. carnosus. Riesige Art. *) Eichel vom Kragen fast ganz umhüllt. Starke Längsmuskulatur der Eichel, die in der Schnitthöhe der vorderen Herzblase als 2 dorso- laterale Muskelwülste erscheint. Eicheldarm mit 2 ventralen und 2 dorsalen Taschen. Herzblase sehr breit und ge- riumig; der zentrale Blutraum stülpt sich sehr tief ig sie hinein. Glomerulus demgemäß breit und mit seinen Gefäßen weit aus- ladend. In seiner Mitte und seinem hinteren Ende ist die überdeckende Splanchnothek dünn. Das Skelet noch ziemlich stark. Der kräftige Kiel ist ventral ab- serundet, bildet keinen ventralen zahnartigen Vorsprung. Seine Seitenplatten schließen einen spitzen Winkel ein und umgeben die ventrale Cölomtasche der Eichel, so daß diese in ihrem| hinteren Teil eine in Skeletmasse | eingeschlossene Röhre ist. Von der vorderen dicken Endscheibe streben 2 sehr kräftige, den Eichel- darm flankierende ,,vordere Skelet- hérner“ nach vorn. Die Eichelpforte mit Blindsack versehen, der un- symmetrisch in einen linken 1) Genauere Maße sind in den B. numeensis angegeben, blasenartig, | B. numeensis. Kleine Art. Vom Kragen vollständig ein- gescheidet. Sebr schwache, fast rudimentäre Längsmuskulatur der vorderen Eichel. Ebenso. Herzblase schmäler, umgibt mit ihrer ventralen Fläche den dorsal sich verschmälernden Eicheldarm. Glomerulus mit kurzen und relativ wenigen Gefäßen, von hoher Splanchnothek überlagert. Das Skelet ist schwach, der ventrale Kiel ein flaches, nur in der Mitte eine kleine, Kanten- artige Erhöhung tragendes Ge- bilde. Seine Seitenplatten sind fast 180° gegeneinander geneigt (und an ihrer ventralen Ver- schmelzungsstelle am dicksten. Vordere Endscheibe außerordent- lich dünn, sendet keine ,vor- deren Skelethérner“ aus. Die ventrale Cölomtasche dringt nicht in das Skelet ein. Die Kichelpforte eine Blase, 'Blindsack unter dem Kragenmark kürzer. Tabellen eingangs des Kapitels über Balanoglossus earnosus und numeensis. 493 größeren und rechten kleineren Teil zerfällt, welche Unsymmetrie auch im hinteren Teil der Blase angedeutet ist. Der Blindsack er- streckt sich unter das Kragenmark. Eichelporus am Rande der vor- Ebenso. deren Vorhöhle. | Kragen sehr lang, besitzt eine, Kragen außerordentlich lang, typische Einschnürung in der hat 2 nicht sehr ausgesprochene Mitte. ı Einschnürungen. Vordere Vorhöhle (Epidermis- Ebenso. tasche) gut ausgebildet, direkt über dem Kragenmark. | Hintere Vorhöhle in der Ver- Ebenso. längerung des Kragenmarks; in sie mündet der erste Kiemenporus. Zahl der Kragenwurzeln 2—3. Ebenso. Kragenpforten charakteristisch‘ Kragenpforten entsprechen dem gefaltet. üblichen Schema. Rumpf. Pleuren groß mit Ebenso. gonadenfreiem Rand und steilem Abfall am hinteren Ende. | Kiemen gewöhnlich, Parabran- Kiemen mit schwacher Biegung, chialwülste gut entwickelt. 'Kiemendarm ventral offen mit sehr schwach entwickelten Para- branchialwülsten. Im Postbranchialdarm kräftige Postbranchialdarm ähnlich aus- laterale Gefäßcommissuren. gebildet. Sekundäre Gonaden in einem Keine sekundären Gonaden muskelfreien Streifen lateralwärts wurden angetroffen. (Ihre Ab- von der Submedianlinie. 'wesenheit auch an alten Exem- 'plaren ist damit nicht erwiesen.) Zwischenstrecke der Genital- Keine Zwischenstrecke. und Leberregion ca. 1 em lang. | Leberregion typisch für die) Ebenso. Gattung. Caudalregion. Pygochord ein Pygochord sehr wenig ent- dünnes Band, sehr hoch. wickelt. Fundort. Bismarckarchipel, Neucaledonien (Numea). Gazelle-Halbinsel, Malediven. | 424 Orro Maser, Literaturverzeichnis. ASSHETON, Ricu. (1908), A new species of Dolichoglossus, in: Zool. Anz., Vol. 33, p. 517—520. BENHAM, W. Br. (1899), Balanoglossus otagoensis n. sp., in: Quart. Journ. microsc. Sc., Vol. 42, p. 497—505. — (1900), Note on the occurrence of the genus Balanoglossus in New Zealand Waters, in: Trans. Proc. New Zealand Inst., Vol. 32, p. 9—10. McBripr, E. W. (1898), The early development of Amphioxus, in: Quart. Journ. microsc. Sc., Vol. 40, p. 589—608, 609—612. Bury (1889), Studies in the embryology of Echinoderms, ibid., Vol. 29, p. 45—136. — (1896), The metamorphosis of Echinoderms, ibid., Vol. 38, p. 409—449. CAULLERY M. et F. 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Erklärung der Abbildungen. b zentraler Blutraum der Eichel cl laterale Commissuren des Post- branchialdarmes cöa Kragencölom cöp Rumpfeölom cöp' Perihämalräume cöp“ Peripharyngealraum d Darm df dorsale Falten desselben div Eicheldarm div,d dorsale Taschen des Eicheldarmes div. v ventrale Taschen desselben dm dorsale Längsmuskulatur Eichel dw Kragenwurzel eh Eichelhöhle elv ventrale Tasche derselben ek Glomerulus ept vordere Vorhöhle ept‘ hintere Vorhöhle go Gonaden h Herzblase iec Intraepidermalcanal kev ventrale Coca taschen der der Kiemen- kf Kiemenfurche kh Kiemendarm kp Kiemenporus ks Kiemensepten kt Kiementasche kx Kiemenzunge md dorsales Mesenterium mh Höhlen des Kragenmarks nd dorsaler Nervenstamm ndk Kragenmark nv ventraler Nervenstamm oe Osophagus p Porus der Eichelpforte pb Postbranchialdarm pb’ vordere Blindsäcke desselben pe Eichelpforte rev rückführende Gefäße der Eichel sd dorsales Septum des Kragens sk Eichelskelet sk‘ vordere Hörner des Eichelskelets sl Lateralseptum st Synaptikel sv ventrales Eichelseptum vd dorsaler Gefäßstamm vv ventraler Gefäßstamm Tafel 25. Hip. de Fig. 2. Querschnitt durch die Eichel von Balanoglossus carnosus, dem vorderen Ende des Zentralkomplexes genähert. ara Querschnitt durch die Eichel desselben Exemplars in der Balanoglossus carnosus und numeensis. 429 Mitte des Zentralkomplexes mit dem ausgedehnten Blutraum und der dor- salen Muskulatur dm. 72:1. Fig. 3. Desgl. durch die Eichel auf der Höhe des Eichelporus. 30:1. Man beachte: die rechte Seite der Figur entspricht der linken des Tieres. Fig. 4. Querschnitt durch den Eichelhals; das unsymmetrische Hinter- ende der Eichelpforte durchquerend. 99:1. S. Bemerkung zu Fig. 3. Fig. 5. Desgl. durch das Skelet und den Kragen. 72:1. Fig. 6. Querschnitt durch den Postbranchialdarm eines jungen Exemplars von B. clavigerus, die Lateralcommissuren schneidend. 50:1. Tafel 26. Fig. 7. Querschnitt durch den Eichelhals von D. carnosus, der die Tasche der Eichelpforte und die vordere Vorhöhle trifft. 72:1. 8. Be- merkung zu Fig. 3. Fig. 8. Querschnitt durch das Ende der Kiemenregion von Balano glossus clavigerus. Die postbranchialen Blindsäcke werden auf gleicher Höhe mit den Hinterenden der Kiementaschen angeschnitten. 50:1. Fig. 9. Desgl. durch den Postbranchialdarm mit den lateralen Commissuren. 50:1. | Fig. 10. Querschnitt durch den Postbranchialdarm eines anderen Exemplars derselben Art. Der Schnitt zeigt das einheitliche Divertikel der dorsalen Rinne und die mächtigen Lateralcommissuren. 50:1. Fig. 11. Längsschnitt (sagittal) durch den Postbranchialdarm von be clanigerus. 22.21. Fig. 12. Querschnitt durch das Ende der Kiemenregion eines alten Exemplars von DB. carnosus. Der Schnitt zeigt das Aufsteigen des medialen Kieles. 30:1. Tafel 27. Fig. 13. Querschnitt derselben Serie, den Anfang des postbranchialen Darmes darstellend. 30:1. Fig. 14. Desgl. einige Schnitte weiter nach hinten. Das große Divertikel ist sichtbar. Die Kiemenfurchen schließen sich. 30:1. Fig. 15. Schnitt hinter den Kiemenfurchen durch den Postbranchial- darm. Es treten die riesigen Commissuren el auf. 30:1. Fig. 16. Querschnitt derselben Serie durch den Anfang der Genital- region mit den Resten des postbranchialen Darmes. 30:1. Fig. 17. Querschnitt durch den postbranchialen Darm von B. nume- ensis, 1221. Fig. 18—21. Balanoglossus numeensis von der Rückenseite mit ge- schlossenen und geöffneten Genitalpleuren und Ansicht bei geöffnetem Darm von der Ventralseite. 2:1. Nach Originalzeichnungen von FRANCOIS. 430 Orro Maser, Balanoglossus carnosus und numeensis. Tafel 28. Fig. 22. Medialer Sagittalschnitt durch Kragen und Eichel von B. numeensis, 16:1. Fig. 23. Querschnitt durch die Eichel derselben Art auf der Höhe des vorderen Teils des Zentralkomplexes. 60:1. Fig. 24. Desgl. weiter hinten durch den Zentralkomplex gelegt. 92:1. Fig. 25. Querschnitt durch die Eichel derselben Art von B. nume- ensis auf der Höhe der Kragenpforte. 92:1. Fig. 26. Desgl. durch die vier Taschen des Eicheldarmes und das Kragenmark. 92:1. Tafel 29. Fig. 27. Querschnitt durch die Eichel von 6, numeensis vor den Divertikeltaschen, noch den Porus treffend. 99:1. Fig. 28. Querschnitt durch den Eichelhals von 5. numeensis, die Divertikeltaschen hinten tangierend. 92:1. Fig. 29. Medianer Sagittalschnitt durch Balanoglossus clavigerus, Der Schnitt demonstriert die vordere Vorhöhle und die vor dem Kragen- mark gelegenen Markhöhlen. 99:1. Fig. 30. Querschnitt durch den Übergang von Kragen und Rumpf bei B. numeensis mit den Einmündungen der ersten Kiementasche in die hintere Epidermistasche. 72: 1. Fig. 31. Konstruierter medianer Sagittalschnitt durch die Post- branchialregion von B. carnosus. 32:1. Fig. 32. Querschnitt durch den Übergang von Postbranchialdarm zur Genitalregion bei Glossobalanus minutus. 50:1. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Über das Stamm-, Gliedmaßen- und Hautskelet von Dermochelys coriacea L. Von Heinrich Völker. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Gießen.) Mit Tafel 30—33 und 3 Abbildungen im Text. Inhaltsübersicht. Seite Vorwort . . lc INS N nn, u I L8 A. Ronnie Teil 3 5 FORCE os AN at Se oo, 55 Das Material . . stint ME ANR ke ne Stamm- Ana nee Se eee 3 SC . Die Wirbelsäule . . So oil, Re, clan a) Die Halswirbelsäule . . ey ee b) Die Rumpfwirbel und Rumpfrippen en 45 c) Die Sacralwirbel und Sacralrippen . . . . . 446 dyeDier Schwanzwirbel .„ „ 20 4 «> « na asDerrSchülterpürtel . 2 3 a: Die Morderextremitit:, UN ad AU, TONNES a) Der Humerus . RE 8 M aos b) Die Knochen des Unterarmes nous. Sheen eee oo e) Die’ Handwurzelknoehen.., , ... shee 2.0.0045 d) Die Metacarpalia und en N) 4. Der Beckengürtel . . . . fet ns DRE Oe oo Wirembinterextrematit.. „7 11.3 20 Tk N 465 DE Das Memur..t. rar ar ren TE 65 432 HenricH VÖLKER, Seite b) Die Unterschenkelknochen . 2 2 3 =. eeoo e) Der Tarsuse 7: IT Sal AO d) Die Metatarsalia and Pialeneen 2. II. Der Hantpanzer’ . Tue... RP RE RCE 1.. Der Rückenpanzer.. 230. 2 00 2 NN EE a) Das Rückenschild .. 2. 5) ER ET b) Das Nuchalar \.. u. CU ln. 2 CN A 2. Der Bauchpanzer . . NEA a) Der epithecale Bi pinces fee Enke 0 fe EE b) Die thecale Schicht (das Plastron) . . . . . 482 3. Sonstige Hautknochen NON TEE B. Allgemeiner Teil. Zusammenfassung der Besonderheiten des Dermochelys-Skelets, Vergleich mit dem Skelet verwandter Formen und hieraus sich ergebende Folgerungen über die systematische Stellung von, Dermochelys 3) ai a es Ste 1. Allgemeine Bermerkungen. Konvergenz, Divergenz. 485 2. Das Stamm- und Gliedmaßenskelet . . . . Ag 3. Die Verwandtschaft von Dermochelys und Chelonndan 504 4. Vergleichende - Betrachtung des Hautpanzers von Dermochelys und Bemerkungen über den Haut- panzer der Schildkröten überhaupt . . . . . 511 a) Die Frage der Costalia . . . = youd b) Der Schildkrétenpanzer ein Doppelpanzer ae Thecophorenpanzer . . 515 c) Die ursprüngliche bar a Marina und Bemerkungen über die Panzerform ‘von Dermochelys . . st. 5906 d) Die Stammesgeschichte des Nine {4 298 5. Zusammenfassung lan am. ANS HER Vorwort. Die vorliegende Arbeit über das Rumpf-, Gliedmaßen- und Haut- skelet der Lederschildkröte (Dermochelys coriacea L.) bildet die Er- sänzung einer Untersuchung von L. Nick über das Kopfskelet dieses Tieres (s. den ersten Artikel dieses Bandes). Wie der Verfasser auf p. 206 selbst bemerkt, konnten die Erkenntnisse, welche die 3earbeitung des Kopfskelets lieferte, nicht genügen, um mit aller wiinschenswerten Sicherheit die systematische Stellung von Dermo- chelys festzulegen, um so weniger, als gerade bei dieser Form die Hauptunterscheidungsmerkmale gegenüber allen anderen rezenten Dermochelys coriacea L. 43: Schildkröten in den ganz eigenartigen Panzerverhältnissen zutage treten. Es war also meine Aufgabe zunächst, eine eingehende, durch Abbildungen unterstützte, zusammenfassende Darstellung der von Nick nicht bearbeiteten übrigen Skeletteile zu geben und ferner die hieraus fließenden Folgerungen über die systematische Stellung von Dermochelys mit denen zu vereinen, welche die Bearbeitung des Kopfskelets ergeben hatte. Wenn es mir gelungen ist, dieser Auf- gabe gerecht zu werden, so geschah dies nicht zum mindesten durch die überaus liebenswürdige Unterstützung, welche mir dabei von meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. SPENGEL zuteil wurde. Er stellte mir nicht allein das kostbare, in seinem Privatbesitz befindliche große Exemplar zur Verfügung, sondern brachte auch meiner Arbeit jederzeit das regste Interesse entgegen. Weitgehende Anregung und Förderung verdanke ich aber auch Herrn Prof. Dr. Verszuys, unter dessen besonderer Leitung meine Arbeit stand. Beiden Herren möchte ich an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank zum Ausdruck bringen. Auch Herrn Prof. Dr. K. LAMPERT fühle ich mich verpflichtet für Überlassung eines in Alkohol kon- servierten jungen Exemplares von Dermochelys. A. Beschreibender Teil. Das Material. Die im Folgenden gegebene Beschreibung des Rumpf-, Glied- maBen- und Hautskelets von Dermochelys coriacea L. beruht hauptsäch- lich auf Befunden an dem schon erwähnten großen Exemplar, dessen Kopfskelet (Schädel VII.) die Hauptgrundlage für Nrcx’s Arbeit ge- geben hat. Das Tier war ein noch nicht geschlechtsreifes Weib- chen von etwa 1,50 m Gesamtlänge. Es. wurde durch Herrn Prof. Dr. SPENGEL von Mr. ALAN Owston aus Yokohama käuflich erworben. Die Weichteile des in Formol konservierten Tieres waren größten- teils noch erhalten. Bis auf eine. anscheinend beim Fang durch Harpunieren entstandene unbedeutende Beschädigung des Rücken- schildes ist das Skelet, insbesondere auch in seinen knorpligen Teilen, vorzüglich lol oe lanı an dem gesamten Skelet ist eine gewisse Asyımnetrie der beiden Hälften, was sich sowohl im Schädel, wie insbesondere im Carpus und Tarsus, die auf der rechten Körperseite abnorm aus- gebildet sind, äußert. Asymmetrische Züge zeigen auch das Plastron 434 HEINRICH VÖLKER, und die dermalen Längsreihen des Bauchpanzers in Anordnung und Ausbildung ihrer Bestandteile. Im Folgenden gebe ich einige Maße vom Skelet dieses Exem- plares in cm. Gesamtlänge des Kopfes (nach NICK) Die Wirbelsäule. Gesamtlänge der Wirbelsäule auf der Ventralseite gemessen Länge der 8 Halswirbel Länge der 10 Rumpfwirbel Länge der 3 Sacralwirbel Länge der 17 Schwanzwirbel Der längste (3.) Rumpfwirbel mißt Der Schultergürtel. Länge des knöchernen Teils des Coracoids Länge des knorpligen Supracoracoids Breite des knorpligen Supracoracoids Länge der Scapula auf dem dorsalen Rande, Krümmung mit gemessen Länge des Procoracoids auf dem ventralen Rande, Krümmung mit gemessen Der Humerus. Gesamtlänge des Humerus Breite des Humerus proximal von dem Proc. radialis Breite des Humerus distal von dem Proc. radialis Längsachse des knorpligen Oberarmgelenkkopfes Querachse des knorpligen Oberarmgelenkkopfes Höhe des knorpligen Proc. medialis (FÜRBRINGER, HOFFMANN), Proc. ulnaris (Ocusxi) Längsachse seiner Grundfläche Länge der Vorderextremität von der Beuge zwischen Ober- und Unterarm bis zur Endphalange des 3. Fingers Länge des Unterarms (Radius) Länge des Carpus, gemessen auf der Dorsalseite von Ulna- kante bis Carpale 3 Breite des Carpus von Carpale 1 zu Pisiforme (einschl.) Krüm- mung mit gemessen Länge des 3. (längsten) Fingers 22 Dermochelys coriacea L. Das Becken. Länge des Beckens von Vorderrand der Epipubis bis Spitze des Proc. hypoischiadicus Breite des Beckens etwas vor dem For. obtur. Länge des die Epipubis durchbrechenden Loches Breite des die Epipubis durchbrechenden Loches Die Hinterextremität. Gesamtlänge des Femurs Gesamtlänge der Fibula Länge des Tarsus gemessen von dem stumpfen, nach dem Spatium interosseum gerichteten Höcker des Astragolo- scaphoids zu Tarsale 3 (einschl.) Breite des Tarsus von Tarsale 1 zu Tarsale (4 +5) (einschl.) Länge der 3. (längsten) Zehe Der Rückenschild. Länge des mittleren Längskieles (Epineuralreihe) Krümmung mit gemessen Breite des Rückenschildes in Gegend der 2. Rumpfrippe dorsal, Krümmung mit gemessen Absolute Breite des Rückenschildes in dieser Gegend Das Nuchale. Länge von Spitze zu Spitze Breite, hohl gemessen Das Plastron. Länge des Plastrons Breite des Plastrons unmittelbar hinter den Querfortsätzen der Hyoplastra, von Außenrand zu Aubenrand 2, o> Or 26 124 84 66 14 21 86 36 Das von mir präparierte junge Exemplar stammt aus dem künig- lichen Naturalienkabinet in Stuttgart. Es ist ein sicher noch nicht lange aus dem Ei geschlüpftes Tier, dessen Rückenschild bei einer Länge von 5,6 cm eine Breite von 4,2 cm besitzt. Der Kopf wurde von Nick geschnitten (Embryo A). Außerdem war es mir durch die Liebenswiirdigkeit von Herrn Dr. L. Nick möglich, ein zweites, vollkommen unversehrtes junges 436 HeixricH VOLKER, Exemplar des Senckenbergischen Museums zu Frankfurt a. M. genau zu besichtigen. I. Das Stamm- und GliedmaBenskelet. Eine allgemeine Übersicht der sehr umfangreichen Literatur über Dermochelys und eine Geschichte der Ansichten über die syste- matische Stellung dieser Schildkröte hat Nıck bereits gegeben. Ich kann deshalb in dieser Hinsicht auf dessen Ausführungen auf p. 4 bis 12 verweisen. ; Von älteren Arbeiten über die Osteologie von Dermochelys will ich nur diejenige von Gervais (1872) besonders hervorheben, weil sie überhaupt die erste und bis jetzt einzige geblieben war, welche eine umfassende und durch verhältnismäßig gute Abbildungen er- läuterte Beschreibung und Vergleichung des Skelets geboten hatte. Heute ist diese vor nunmehr über 40 Jahren erschienene Arbeit stark veraltet und enthält neben manchen Unrichtigkeiten auch zahl- reiche Ungenauigkeiten, besonders im illustrativen Teil. In meiner Beschreibung des Skelets habe ich nach jedem größeren Abschnitt auf Gervais’ Arbeit Bezug genommen, häufig unter Zitierung wichtiger Abschnitte. 1. Die Wirbelsäule. Die Wirbelsäule gliedert sich entsprechend der verschiedenen Ausbildung der Wirbel in einen Hals-, Rumpf-, Becken- und Schwanz- abschnitt. a) Die Halswirbelsäule (Taf. 31 Fig. 3—5, Taf. 32 Fig. 8 u. 9). Dieser verhältnismäßig kurze Teil des Achsenskelets von Dermo- chelys coriacea besteht aus 8 Wirbeln. Ihre Körper zeigen eine recht gedrungene Form und tragen wohlentwickelte, aber völlig selbständig bleibende obere Bogen mit vorderen (pr. art. a) und hinteren (pr. art. p) Gelenkfortsätzen. Auf der Unterseite lassen die Körper vom 2. ab mediale Cristae erkennen (cr. med. ven). Infolge ihrer sehr breiten Basen und geringen Höhe treten die knorpligen, seitlichen Fortsätze der Wirbelkörper, die Querfortsätze Processus transversi (pr. tr), welche ohne jede Grenze in die Zwischenwirbelscheiben übergehen, wenig hervor. Die Intervertebralscheiben (J) selbst sind im Halse ziemlich dick; ihre Differenzierung in Gelenkkopf und Gelenkgrube bleibt aber auf einer ziemlich unvollkommenen Stufe Dermochelys coriacea L. 437 stehen. Außerlich ist oft nicht deutlich festzustellen, wo die Grenze zwischen dem Gelenkkopf und dem die Gelenkgrube bildenden Knorpel hinzieht. Die ganze Halswirbelsäule zeigt eine deutliche Krümmung, mit der Konvexität nach unten (Fig. 3), wie sie besonders auch die Cheloniiden besitzen. Besonders bemerkenswert jedoch ist die bisher unbekannt gewesene Tatsache, daß an den vordersten Hals- wirbeln primäre Intercentren Fig. 5 (pr. int) vorkommen. Atlas und Epistropheus erhielten gemäß ihrer besonderen Funk- tion eine von den übrigen Halswirbeln abweichende Gestalt; sie zeigen denselben Typus wie bei den Cryptodiren; eine Verwachsung des Epistropheuskörpers mit seinem Bogen, wie es die meisten Pleurodiren und Carettochelys (Trionychoidea) zeigen (VAILLANT, 1880, Kasper, 1902, Waıre, 1905, p. 113), findet nicht statt. = Der Körper des Atlas, das Os odontoideum, Processus odontoideus, Dens epistrophei (d. epst), läßt noch deutlich den opisthocölen Typ erkennen, dem auch der Epistropheus und der 3. Halswirbel an- gehören; der 4. ist bikonvex, die 4 letzten sind procöl bis auf die Articulation zwischen dem 6. und 7. welche durch ebene Flächen bewirkt wird. Der Atlas (Fig. 3—5 u. 8) läßt sich mit einem breiten Gürtel vergleichen. Die obere Hälfte wird von den 2 knöchernen Bogen- stücken gebildet (Fig. 8 B). Sie vereinigen sich medial dorsal nicht miteinander (Fig. 4). Ihre Verbindung wird hier durch Bindegewebe bewerkstelligt. Nach hinten sendet jedes Bogenstück einen kräftigen, rechtwinklig abgebogenen Processus articularis posterior (pr. art. p. at) (Postzygapophyse) aus, der seine Gelenkfläche nach unten und innen wendet und mit dem gegenüberstehenden Processus articularis anterior episthrophei articuliert. Nach vorn, in gerader Verlängerung des hinteren Gelenkfortsatzes, findet sich an jedem der beiden Bogen- schenkel des Atlas ein stumpfer Höcker, welcher an derselben Stelle sitzt, die der Proc. art. anterior einnehmen würde (Fig. 3°). An ihrem Grunde sind die beiden Bogenstücke durch ein kräftiges binde- gewebiges Band, das Ligamentum transversum (lg. tr), vereinigt. Es bildet den Grund des Rückenmarkkanals, dessen Seiten und Decke von den knöchernen Schenkeln gestellt werden. Ventral und medial von den Bogen des Atlas findet sich noch ein 3. knöchernes Element in Gestalt eines unpaaren „nierenförmigen Schlußstückes“ (RaTHKE), „piece accessoire“ (GERvAIS) (Fig. 5 u. 8s). Es ist mit den Basen der Bogenstücke durch 2 Knorpelschenkel, welche auch noch rings seinen Rand umfließen (Fig. 5), verbunden. Am Hinterrande 438 HEINRICH VÖLKER, verbreitert sich dieser Saum zu 2 stumpfen, nach hinten gerichteten Ecken (Fig. 3, 5 *.® Das von dem unpaaren Knochen ventral, den Knorpelspangen seitlich und dem Lig. transv. dorsal umgrenzte Loch wird voll- kommen von einem Knorpelzapfen des Os odont. ausgefüllt. Es ragt noch ein. Stückchen daraus hervor (Fig. 3, 5, 9 k). Die von den genannten Skeletstücken gebildete vordere Gelenkgrube er- scheint in zwei seitliche und eine kleinere ventrale Facette zerlegt. In diesen Gelenkflächen spielt der Condylus des Hinterhauptes (Fig. 8). Die Knorpelspangen, welche beim Atlas Bogen und Schlußstück verbinden, wölben sich nach hinten zu einem deutlichen Fortsatz vor (Fig. 3). Wie der ventral von dem Lig. transv. gelegene vordere Teil des Atlas eine Gelenkpfanne für den Proc. condyloideus occipitis darstellt, so bietet die hintere Fläche dieses Abschnittes dem Proc. odontoideus eine Articulationsfläche. Der Zahnfortsatz des Epistropheus ist, abgesehen von seiner verhältnismäßigen Größe, noch dadurch ausgezeichnet, daß er in hohem Grade die Gestalt eines typischen Wirbelkörpers bewahrt hat. Er erscheint als ein kurzer, im Querschnitt ungefähr dreieckiger Knochen, dessen dorsale, wenig vertiefte Fläche den Boden des Rückenmarkskanals mitbilden hilft. Er läßt noch deutlich den opi- sthocölen Typ erkennen. Nach vorn bietet seine nicht besonders dick überknorpelte Wölbung infolge des nahe ihrem oberen Rande sich erhebenden, in das ventrale Atlasloch passenden Zapfens (Fig. 9 K) 3 Gelenkfacetten, 2 laterale und 1 ventrale. Von der Basis dieses Zapfens nach dem vorderen und oberen Rand des Schluf- stückes des Atlas zieht eine Ligamentum accessorium. Auber an der dorsalen Oberfläche tritt auch noch zu beiden Seiten der Knochen des Proc. odont. frei zutage. Die hintere End- fläche verbindet sich durch Vermittlung einer ziemlich dicken Knorpelschicht mit der vorderen des eigentlichen Epistropheus- kérpers. In der Mitte dieser Zwischenwirbelscheibe ist eine Trennungslinie noch zu erkennen. Aber eine eigentlich bewegliche 1) JAEKEL (1912) hat neuerdings die Ansicht verteidigt, das Schlub- stück sei der Wirbelkörper eines ursprünglich vor dem Atlas liegenden Wirbels, kein Intercentrum. Lage und Form desselben sprechen aber recht klar für seine Homologie mit einem Intercentrum; diese sind an den nächsten Wirbeln auch noch erkennbar. Dermochelys coriacea L. 439 Verbindnng, wie sie nach C. K. Horrmann (1879, p. 27) bei Chelonia zwischen dem 2. Halswirbel und seinem Zahnfortsatz bestehen soll, konnte ich bei Dermochelys nicht feststellen. Doch ist nicht aus- geschlossen, daß beim frischen Skelet Zahnfortsatz und Epistropheus- körper doch gegeneinander beweglich sind; denn auch die übrigen Halswirbelkörper ließen sich infolge der Härtung des Knorpels durch die Konservierungsflüssigkeit nicht mehr gegeneinander be- wegen. Ventral (Fig. 5) zeigt der Intervertebralknorpel zwischen dem Proc. odont. und dem Epistropheus eine bedeutende Verstärkung, die sich in 3 Zapfen differenziert, einen sehr stumpfen mittleren und 2 etwas größere seitliche, welche nach außen und hinten gerichtet sind (Fig. 3 u. 5). Diese Knorpelzapfen, welche sich auch am eigent- lichen Epistropheuskörper sowie bei den nächstfolgenden Wirbeln in ähnlicher Form vorfinden, tragen sehr viel zu der ausgeprägt wirbelkörperartigen Gestalt des Proc. odont. bei. Der Epistropheus (Fig. 9) zeigt die Form eines typischen Hals- wirbels. Seine breiten oberen Bogen, die, wie überhaupt die oberen Bogen der Halswirbel, nur durch Knorpelnaht mit den zugehörigen Körpern verbunden sind, verschmelzen dorsal vom Rückenmarkskanal miteinander unter Bildung eines kleinen, mit einer winzigen Knorpel- epiphyse versehenen Dornfortsatzes (Fig. 9, pr.sp). Nach vorn und hinten entsenden sie Gelenkfortsätze. Die ersteren wurden schon erwähnt. Sie sind ziemlich kurz und articulieren mit den hinteren Gelenkfortsätzen des Atlas; die Proc. artic. posteriores des Epi- stropheus und diejenigen der folgenden Wirbel wenden ihre Gelenk- tlächen mehr nach unten und außen, während sie beim Atlas nach unten und innen gewandt sind (Fig. 3 u. 4). Die knorpligen Querfortsätze (pr. tr) am Grunde der oberen Bogen nehmen schon beim Epistropheus eine ziemlich große Grund- fläche ein. Ein Blick auf die gesamte Halswirbelsäule belehrt uns aber, daß sie unter Beibehaltung desselben stumpfdreieckigen Um- risses bei den nächstfolgenden Wirbeln immer dicker werden, während ihre Höhe entsprechend immer mehr abnimmt. C. K. Horrmann’s Ansicht, wonach in diesen niedrigen Knorpelhöckern Rippenrudi- mente enthalten sein sollen, könnte bei Dermochelys nach dem rein morphologischen Befund für die vordersten Halswirbel schon zu- treffen. Die Rippen hätten dann einen Grad der Rückbildung er- litten, wie er ganz entsprechend bei der Schwanzwirbelsäule am 10, oder 11. Wirbel ausgebildet ist. 440 HEINRICH VOLKER, Der Wirbelkörper des Epistropheus ist etwa doppelt so grob wie. der Proc. odont. Ventral medial geht er in einen am Rande überknorpelten Kamm über, wie ihn auch die folgenden Wirbel zeigen. Beim 6. Halswirbel erreicht diese Crista mediana ventralis (Horrmann, 1890, unterer Dornfortsatz, Hypapophyse) ihre größte Länge und Höhe; am 8. fand ich jedoch anstatt eines einfachen, am Randteil aus Knorpel gebildeten Kammes zwei niedrige, ausschlief- lich knöcherne Wälle. Auch beim Epistropheus treffen wir auf der Ventralseite am Hinterrande des Körpers zwei an ihrer Basis noch zusammenhängende Knorpelhöcker, die kontinuierlich in den Knorpel der Crista mediana und der Zwischenwirbelscheibe übergehen. Beim 3. Halswirbel sind die entsprechenden Bildungen schon etwas selbständiger geworden, was wohl mit der größeren Längenausdehnung dieses Wirbels zu- sammenhängt. Beim 4. Halswirbel geht dieses Streben sich loszu- lösen noch weiter;. an Stelle von Knorpelzapfen sind ovale, etwas abgeplattete Körper getreten, die aber immer noch mit ihrem Wirbel- körper in knorpligem Zusammenhang stehen, sich mit ihrer Breit- seite auf die Zwischenwirbelscheibe auflegen, aber von dieser durch Bindegewebe getrennt bleiben. Beim 5. Wirbel haben sie den Zu- sammenhang mit ihrem Wirbelkörper verloren, sie sind zu abge- platteten, rundlichen Körpern geworden, die auf dem Knorpel der Intervertebralscheibe am Vorderrande des 6. Wirbelkörpers ihren Platz gefunden haben (Fig. 3 u. 5, pr. int). Der Vergleich lehrt, dab die eben besprochenen Gebilde, deren GERVAIS in seiner „Osteo- logie du Sphargis Luth“ keine Erwähnung getan, die aber an- deutungsweise an den 4 ersten Halswirbeln von fig. 1, tab. 8 seiner Arbeit zu erkennen sind, die auch Horrmann und, soviel ich aus der mir zu Gebote stehenden Literatur ersehe, den übrigen Beob- achtern entgangen sind, als primäre Intercentra gedeutet werden müssen; dies ergibt sich unmittelbar aus einem. Vergleich mit dem Schlußstück des Atlas, welches sicher einem primären Inter- centrum entspricht. ‘Bei Emys europaea kommen ähnliche Gebilde am 4. 5. und 6. Wirbel vor, in Gestalt vollkommen selbständiger Knüchelchen, die sich an den Hinterrand des betreffenden. Wirbel- körpers anfügen und von Bosanus ,,Ossa sesamoidea“ benannt wurden. Die oberen Bogen des 3. Halswirbels sind ebenfalls dorsal in der Mittellinie verwachsen, um einen sehr schwachen Dornfortsatz zu bilden. Demgegenüber finden wir beim 4. und 5. Wirbel median wieder vollkommen getrennte obere Bogen; bei den 3 letzten (6., 7. Dermochelys coriacea L. 441 8.) Halswirbeln vereinigen sie sich jedoch wieder, unter Bildung breiter Platten beim 6. und 7. und eines mächtigen Zapfens beim 8. Halswirbel (Fig. 4). Die etwas konkave Verbindungsplatte des 6. Wirbels entsendet von der Mitte ihrer Seitenränder schief nach oben und außen 2 kurze mit Knorpelepiphysen versehene Zapfen (er. 1). Beim 7. Wirbel stellen die entsprechenden Gebilde sehr kräftig entwickelte Knochenhöcker dar, die mehr nach außen und vorn gerichtet sind und ziemlich große, warzenartige knorplige Epi- physen tragen. Sie scheinen mit dem eigentlichen Dornfortsatz — vergleiche auch die Beckenwirbelsäule Fig. 10 — nichts zu tun zu haben, sondern den von OGusxr 1911 bei Triony& beschriebenen Cristae laterales zu entsprechen. Der beim 8. Halswirbel von dem medianen Verbindungsstück der oberen Bogen senkrecht aufsteigende, seitlich zusammengedrückte Knochenfortsatz verbreitert sich an seinem mit einer großen Knorpelepiphyse versehenen Ende ziemlich be- deutend, um Raum für eine große, sattelförmige Gelenkfacette zu schaffen. In ihr spielt der Gelenkkopf der Nuchalplatte (Fig. 3 u. 4). Infolge der breiten Vereinigungsflächen der oberen Bogen von Wirbel 6—8 wird im hinteren Abschnitt der Halswirbelsäule der Rückenmarkskanal dorsal besser abgedeckt als im vorderen, wo große intervertebrale Löcher (for. int. d) offen bleiben (Fig. 4). Während sie aber vorne wirklich auch intervertebral liegen, lassen sie uns vom 6. Wirbel ab auf die Dorsalfläche des betreffenden Wirbel- körpers sehen; sie haben also eine Verlagerung erfahren und zwar nach vorn hin (Fig. 4). Diese ist dadurch zustande gekommen, daß die oberen Bogen nach und nach ihre in der vorderen Halsregion vertebrale Stellung aufgaben, um mit dem letzten Halswirbel eine vollkommen intervertebrale anzunehmen. Natürlich erfahren auch die seitlichen Foramina intervertebralia eine gleiche Lagenänderung wie die dorsalen. Vorn liegen sie genau intervertebral; bei den letzten Halswirbeln, wo sie größer sind, da die Bogen besondere Verstärkung erfuhren, öffnen sie sich genau vertebral (Fig. 3). Die Wirbelkörper nehmen in bezug auf Länge und Breite bis zum 6. stetig zu, dann werden sie wieder nach dem letzten hin etwas schwächer, besonders kürzer. Da Gervais auf die Halswirbelsäule von Dermochelys sich be- ziehende Abbildungen anscheinend nach einem trockenen oder allzu stark macerierten Skelet angefertigt worden sind, ist daraus nicht ersichtlich, welch großer Anteil dem Knorpel bei Bildung dieses Teiles des Achsenskelets selbst bei alten Tieren noch zukommt, und Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 29 449 HEINRICH VÖLKER, a es wird verständlich, warum die primären Intercentra nicht genügend abgebildet und in der Beschreibung überhaupt nicht erwähnt sind. Besonders augenfällig offenbart sich die Mangelhaftigkeit von Gervais Untersuchungsmaterial bei einem Vergleich der von ihm gegebenen Vorderansicht des Atlas mit meiner Figur, Taf. 31 Fig. 8. Auf der Ventralseite des 8. Halswirbels bildet GERvAIS eine einfache Crista ab; ich finde einen doppelten niedrigen Knochenwulst. An der Seitenansicht fällt mir noch das große Übergewicht des zum Nuchale gehenden Dornfortsatzes des 8. Wirbels auf, gegenüber dem Dornfortsatz des 7. Bei dem von mir untersuchten Exemplar ist dieser Gegensatz lange nicht in dieser Weise ausgeprägt und die Gelenkgrube für den Höcker des Nuchales mehr rund als langoval. Fernerhin zeichnet Gervais die oberen Bogen vom 4. und 5. Wirbel medial in ähnlicher Weise geschlossen, wie es in meiner Abbildung beim 3. Halswirbel zu sehen ist. Als primitiv dürften sich für die Halswirbelsäule von Dermo- chelys folgende Züge ergeben: das zwischen Atlas und Epistropheus bestehende Verhältnis, insbesondere die ausgeprägte Körpernatur des Proc. odont. und das Vorhandensein primärer Intercentra. Sekundär ist die Dicke und unvollkommene Differenzierung der Zwischenwirbelscheiben, ein Zustand, der sich infolge des Meeres- lebens herausgebildet haben mag, da überhaupt unvollständige Ver- knöcherung und Verschmelzung von Wirbeln bei Meerestieren eine häufige Erscheinung ist. Nicht ursprünglich ist auch wahrscheinlich die intervertebrale Stellung der oberen Bogen und der Zustand, daß die oberen Bogen des 4. und 5. Wirbels offen geblieben sind. Auch die verhältnismäßige Kürze des Halses, ein Merkmal, das auch den anderen Seeschildkröten zukommt, darf man hier wohl anführen. Besondere Beachtung verdient die Art der Gelenkung der Hals- wirbel. Während die Bildung der Gelenkspalten in den dicken intervertebralen Knorpelscheiben eine so unvollkommene ist, daß die Biegsamkeit der Halswirbelsäule mehr auf der Elastizität des Knorpels als auf Bewegungen in den intervertebralen Gelenken beruhen kann, finden wir doch diese Gelenke von sehr wechselndem Typus. Der Atlas sowie der 2. und 3. Wirbelkörper sind konvex-konkav (opistho- cil); der 4. Wirbel ist bikonvex ; der 5., 6., 7. und 8. Wirbel sind konkav- konvex (procöl), nur finde ich in der Verbindung des 6. und 7. Wirbel- körpers einen eigentlichen Gelenkspalt nicht mehr erkennbar und ist anscheinend (an meinem unversehrten Präparat ist dies nicht sicher zu entscheiden) die procöle Verbindung hier weniger aus- POP Dermochelys eoriacea L. 443 gesprochen als bei den benachbarten Wirbelverbindungen; sie dürfte mit nahezu planen Flächen (der knöchernen Wirbelkörper) statt- finden. Und dies steht in Einklang mit dem Befunde von Baur, der betont, daß die Verbindung zwischen 6. und 7. Wirbel bei Dermochelys plan sei (Baur, 1896, p. 186). Man bekommt also fol- gende Verbindung der Wirbelkörper: Halswirbelsäule von Dermochelys (I (II (IIT AV) V) VI | VID VI) I— VIII 1.—8. Halswirbel. Diese Differenzierung der Gelenkflächen ist so bemerkenswert. weil sie auch bei den Cheloniiden (Varzzanr, 1880, p. 53) und, unter allen bekannten Schildkröten, nur bei diesen in genau derselben Weise gefunden wird. b) Die Rumpfwirbel (Taf. 30 Fig. 1). Das Rumpfskelet von Dermochelys ist dadurch ausgezeichnet daß weder die Wirbel noch die Rippen in irgendeine engere Ver- bindung mit dem Panzer treten. Wirbel und Rippen einerseits und Carapax andrerseits sind durch eine mächtige Bindegewebsschicht voneinander geschieden. Es sind 10 Rumpfwirbel vorhanden, die gegenüber denen der anderen Regionen durch die gestreckte Form ihrer Körper sich aus- zeichnen. Der längste ist der 3. Rumpfwirbel; bei den übrigen nimmt nach hinten fortschreitend die Länge allmählich wieder ab. In der Mitte sind die Wirbelkörper am schwächsten, ihre verdickten Enden schließen durch Vermittlung verhältnismäßig dünner Zwischen- wirbelscheiben aneinander. Es unterbleibt auch jede Gelenkbildung in den Intervertebralscheiben. Dieser Befund hängt wohl mit der intervertebralen Stellung der Rumpfrippen zusammen, die als Haupt- träger des Panzers eine starke, feste Stützfläche verlangen. In dem- selben Sinne dürfte auch die Tatsache zu deuten sein, daß zwischen Rippen und Wirbeln ebenfalls keine Gelenke vorhanden sind. Der 1. Rumpfwirbel zeigt am Vorderrande eine sehr tiefe Gelenk- grube. der letzte am Hinterrande einen Gelenkkopf. Die Körper der übrigen Rumpfwirbel fügen sich mit fast ebenen, genau gesagt, schwach konkaven Flächen aneinander. Gervais beschrieb sie als biplan. Der obere Bogen des 1. Thoracalwirbels zeigt eine ähnliche Gestalt wie am 8. Halswirbel. Dorsal von der Vereinigungsfläche seiner beiden Stücke entspringt ebenfalls ein mächtiger, seitlich etwas 29* 444 HeinriCH VOLKER, zusammengedrückter Knochenzapfen, der bis zur Bindegewebsdecke des Rückenpanzers reicht. Er wird von einer Knorpelepiphyse ab- gedeckt. Von dieser aus zieht ein offenbar aus einer Sehne hervor- gegangener zum Teil faseriger Knorpelstreifen (Fig. 1 Ast) nach dem Condylus der Nackenplatte (©. Nu), legt sich mit seinem ver- dickten Ende an dessen rechte Seite an und vergrößert dadurch die Gleitfläche für den Dornfortsatz des letzten Halswirbels. Dieser Befund dürfte nicht ganz normal sein; jedenfalls scheinen die Ver- hältnisse bei Gervais Exemplar etwas anders, mehr symmetrische gewesen zu sein. In der ganzen Rumpfwirbelsäule treten die oberen Bogen, wie wir es auch bei den Halswirbeln gefunden haben, nur durch Knorpel- naht mit ihren Körpern in Verbindung. Sie sitzen wie die Rippen genau intervertebral. Während der 1. Rumpfwirbel nach Art des letzten Halswirbels einen seitlich zusammengedrückten Dornfortsatz besitzt, zeigen die übrigen Thoracalwirbel lateralwärts verbreiterte Dornfortsätze. Ihre Endfläche ist in der Mitte etwas ausgehöhlt und sendet nach außen und oben 2 warzenartige, mit knorpligen Epiphysen versehene Fortsätze (vel. Gervais Abbildung). Der 1. Rumpfwirbel zeigt noch paarige vordere Gelenkfortsätze. Statt paariger hinterer finden wir in der Mittellinie einen einfachen Knochenzapfen, der genau nach hinten gerichtet ist und sich mit einem ihm von der Vorderseite des 2. Rumpfwirbels entgegen- kommenden ähnlichen Zapfen durch Naht vereinigt. Alle Rumpf- wirbel verbinden sich in dieser Weise durch median gelegene Knochenspangen. Der letztere hat jedoch wieder 2 hintere Gelenk- fortsätze. Seitlich über den Wirbelkörpern klaffen ziemlich große Foramina intervertebralia. Erwähnen will ich noch, daß auf der Ventralseite des letzten Rumpfwirbelkörpers nahe dem Hinterrande ein medianes Knochen- höckerchen sitzt (Fig. 1+). Von allen Regionen des Achsenskelets hat wie immer bei Schild- kröten die Rumpfwirbelsäule allein noch den bikonkaven Bauplan der Wirbel bewahrt. Diesen primitiven Zustand verdankt sie — wie man annehmen muß — der Ausbildung des Panzers, welcher der Rumpfwirbelsäule die Beweglichkeit nahm und dadurch eine Weiterdifferenzierung ihrer Elemente unterband, andrerseits aber auch sekundär die Differenzierung der Zwischenwirbelscheiben und Dermochelys coriacea L. 445 die Gelenkbildung zwischen Rippen und Wirbelsäule zum Ver- schwinden kommen lieb. Die Rumpfrippen (Taf. 30 Fig. 1). Wie schon erwähnt, bleiben die Rumpfrippen von Dermochelys vollkommen selbständig, ohne jede direkte Verbindung mit dem Panzer. Es sind ihrer 10 Paare, von denen das erste und letzte wie bei anderen Schildkröten den anderen gegenüber an Länge bedeutend nachstehen. Über die allgemeine Gestalt und Verbindung der Rumpf- rippen mit den Wirbelkörpern schreibt Gervais folgendes: „Les côtes sont insérées par une synchondrose analogue à celle des neurapophyses, au-dessus de la jonction des corps entre eux et à la base de la partie élargie de ces neurapophyses. Cette articu- lation se fait par Vintermédiaire de leur propre tete surmontant une sorte de col, après lequel chacune d’elles s’elargit brusquement pour se continuer en une lame ensiforme convexe en dehors concave en dedans.“ Diese Beschreibung ist sehr zutreffend. Ich will ihr noch Folgendes beifügen. Die ersten Paare sitzen genau intervertebral. Aber schon vom 5. ab macht sich immer mehr die Neigung geltend, eine vertebrale Lage anzunehmen. Das 1. Rippenpaar zieht genau seitwärts, ebenso das 3. Das 2. liegt mit seinem distalen Ende etwas nach vorn. Vom 4. Paare ab weisen die distalen Enden nach hinten, in einer bei jedem folgenden Paare immer deutlicher hervor- tretenden Weise. Besonders betonen möchte ich die Tatsache, dab bei Dermochelys das 1. Rippenpaar genau seitlich gerichtet und nicht, wie bei allen anderen rezenten Schildkröten, an den Vorder- rand der 2. Rippe zurückgebogen ist. An den distalen Enden tragen alle Rumpfrippen, mit Ausnahme der 1., kleine Knorpelepiphysen. Die schwertförmigen, in den Rand- partien äußerst dünnen Verbreiterungen der Rippen sind proximal am breitesten und verlieren sich ganz allmählich nach dem distalen Ende zu. Bei der Rumpfwirbelsäule konnte ich durch Vergleich von Gervais Figuren mit meinem Befund keine wesentlichen Unter- schiede feststellen, aber für die Rumpfrippen ergaben sich einige Abweichungen. Das 1. Rippenpaar fand ich verhältnismäßig stärker ausgebildet, umgekehrt das letzte aber viel schwächer. Das 9. zeigte in der Form eine Abweichung; Gervais bildet es als ziemlich gerade ver- A6 HEINRICH VÖLKER 446 ; laufend ab, bei meinem Exemplar zeigt es eine starke Schweifung. Die Verbreiterungen der Rippen haben einen weniger schartigen Rand. Gervais’ Exemplar scheint auch in dieser Hinsicht nicht ganz unversehrt gewesen zu sein; auch ist es ihm bei der Montierung nicht gelungen, die Rippen wieder genau in die ursprüngliche natürliche Lage zu bringen. Über meine Stellungnahme zu der Frage, ob die unbedeutenden Verbreiterungen der Dermochelys-Rippen Homologa der Thecophoren- Costalplatten sind und Teile eines Hautpanzers enthalten, möge man im allgemeinen Teile nachlesen. c) Die Sacralwirbel und Sacralrippen (Taf. 32 Fig. 10). Von Beckenwirbeln finde ich bei Dermochelys nicht, wie Hay, 1908, p. 15 angegeben hat, 2, sondern 3 Stück. Das Vorhandensein von 2 Sacralwirbeln muß aber als der ursprünglichere Zustand be- trachtet werden. Horrmann, 1890, p. 36: „Die Zahl der Sacral- wirbel ist zwei, bei Cheloniat) und Trionyx kommen auch bei aus- gewachsenen Exemplaren immer nur zwei Sacralwirbel vor, bei den Süsswasser- und Landschildkröten begegnet man dagegen oft drei Sacralwirbeln, indem auch noch die Rippe des ersten postsacralen Wirbels sich dem Ilium anfügt. Dieser Zustand ist aber als ein später acquirirter zu betrachten, denn untersucht man sehr junge Thiere, so findet man immer auch hier nur zwei Sacralwirbel.“ Die Sacralwirbel sind bei Dermochelys alle procöl. Der vorderste ist der größte. Die oberen Bogen gehen, wie an der Hals- und Rumpfwirbelsäule, nur eine knorplige Verbindung mit den Wirbelkörpern ein. Sie sitzen ausgesprochen intervertebral und zeigen vordere und hintere Gelenk- fortsätze. Die dorsale Verbindungsfläche der oberen Bogen erscheint verstärkt durch einen Doppelhöcker mit warzenartigen Knorpel- epiphysen. Diese Höcker sind beim 1. und 2. am Grunde noch völlig getrennt. Beim 3. verschmelzen ihre Basen jedoch miteinander, eine Eigentümlichkeit, die bei den Schwanzwirbeln einem immer höheren Grad der Ausbildung zustrebt. Auf der Vereinigungsfläche der oberen Bogen des 1. und 2. Sacralwirbels findet sich außer den beiden Höckern in der Mittellinie noch ein unpaarer Fortsatz, welcher einem Dornfortsatz zu entsprechen scheint, während die 1) Bei einem Exemplar von Chelonia mydas von ca. 45 cm Carapax- länge aus der Instituts-Sammlung ist noch ein 3. Sacralwirbel vorhanden, dessen Rippe wesentlich dieselben Verhältnisse aufweist wie bei Dermochelys. Dermochelys coriacea L. 447 paarigen Höcker (vgl. auch Halswirbelsäule) möglicherweise Cristae laterales sind. Die Wirbelkörper sind im Vergleich zu denen der Rumpfregion - recht klein und an ihrem vorderen Ende am dicksten. Die Zwischen- wirbelscheiben sind stark ausgebildet und gehen ohne Grenze in den Knorpel der Sacralrippen über. Ihre Differenzierung in Gelenk- kopf und Gelenkpfanne bleibt auf einer gleich tiefen Stufe stehen wie am Halse. Die Sacralrippen vermitteln in 3 Brücken die Verbindung mit dem Darmbein (Fig. 10). Die vorderste, etwas nach hinten gerichtete Sacralrippe ist die stärkste, die mittlere zieht gerade nach dem Ilium hinüber, die 3., eine dünne Spange, erscheint noch stärker nach vorn gebogen als die 1. nach hinten. Auffällig ist der Knorpel- reichtum der, im ganzen betrachtet, recht lockeren Verbindung zwischen Ilium und Wirbelsäule Die distalen Enden der knöchernen Abschnitte der 3 Sacralrippen bleiben ziemlich weit voneinander getrennt. Eine gemeinsame Knorpelmasse schließt sie an das Ilium an. Was Gervais Abbildung der Sacralregion anlangt, so ist sie zu klein und ungenau (vgl. Dorsal- mit Ventralansicht), als daß ein genauerer Vergleich mit meinem Befund ausgeführt werden könnte. Wie nahe er jedoch daran war, die Spangen zwischen den Sacral- wirbeln und dem Ilium als Rippen zu deuten, möge folgendes Zitat beweisen, p. 214: „Il faut ajouter que les apophyses transverses des vertebres sacrees qu’on pourrait aussi bien appeler des côtes sacrées!), et par lesquelles ces vertèbres donnent attache à l'os des îles, ne sont pas seulement en rapport avec le corps de ces vertèbres, mais également insérées comme les côtes sur la base latérale externe de leurs neurapophyses et comme à cheval sur la double surface articulaire que présentent les vertèbres sacrées sur leur partie antéro-latérale.“ d) Die Schwanzwirbel (Taf. 31 Fig. 6 u. 7). Am Schwanze zähle ich 17 Wirbel, alle von procölem Typ. Ein 18. Schwanzwirbel wird höchstwahrscheinlich dargestellt durch den Endteil des 17. Wirbelkörpers, der seinem Ansehen nach durch Ver- schmelzung zweier Wirbelkörper entstanden ist. Hierauf weist vor allem auch das kleine, nach hinten von dem oberen Bogenpaar des 17. Schwauzwirbels sitzende Knochenhöckerchen hin, das ich als Rest 1) Bei GERVAIS nicht gesperrt. 448 HEINRICH VÖLKER, der oberen Bogen des 18. Schwanzwirbels betrachten muß. Gervais fand 18 und BoULENGER gibt ihre Zahl als 18—20 an. Nach dem Schwanzende zu werden sie immer weniger differenziert. Ihre oberen Bogen sind anfangs noch gut entwickelt, besitzen vordere und: hintere Gelenkfortsätze, und ihre dorsale Vereinigungsfläche läßt bei den ersten noch eine Gliederung in zwei warzenartige Teilgebiete erkennen. Nach der Schwanzspitze hin schließen sich die oberen Bogen immer enger aneinander, die seitlichen wie auch dorsalen intervertebralen Löcher werden immer kleiner, was auch eine Folge davon ist, dab die Gelenkfortsätze nach hinten immer kürzer werden. Bei den letzten sind sie nur noch andeutungsweise vorhanden. Die anfangs bei den ersten Schwanzwirbeln breite dorsale Ver- einigungsfläche der oberen Bogen wird bei den folgenden nach und nach zu einer schmalen, nach Art einer stumpfen Kante. In der Schwanzwirbelsäule vollzieht sich wieder ein bemerkens- werter Stellungswechsel der oberen Bogen (Fig. 6). In ihrem vorderen Abschnitt sitzen sie intervertebral, bei den letzten aus- gesprochen vertebral. Beide Zustände werden durch Übergänge verbunden. Vom 5. Schwanzwirbel ab beginnt sich übrigens die Grenze zwischen oberen Bogen und Wirbelkörper zu verwischen. Im Schwanz- ende finden wir also einen Zustand, der in keiner anderen Region der Wirbelsäule mehr vorkonmt: nahtlos mit den Wirbelkörpern verschmolzene obere Bogen. Es trifft somit für das Schwanzende von Dermochelys Horrmann’s Angabe 1890, p. 37, nicht zu, wonach bei den See- und Landschildkröten im Schwanze die oberen Bogen bis zum hohen Alter, wenn nicht zeitlebens, durch eine Knorpelnaht von den zugehörigen Wirbelkörpern getrennt bleiben sollen. Die Wirbelkörper der Schwanzregion sind durch ihre Breite ausgezeichnet und durch mangelhaft differenzierte, dicke Zwischen- wirbelscheiben voneinander getrennt. Interessant ist das Verhalten der Schwanzrippen (Fig. 6 u. 7 Swr). Bei den ersten Wirbeln sitzen sie genau wie im Rumpfe an der Basis der Neurapophysen und ein wenig an dem oberen und vorderen Rande des Körpers, intervertebral. Nach hinten wandern sie allmählich auf ihre Körper, werden ganz unscheinbar, um schließ- lich bei den letzten Schwanzwirbeln vollkommen zu verschwinden. Die Rippen der 4 vordersten Schwanzwirbel bestehen aus Knorpel- stäben, die ungefähr in ihrer Mitte einen rundlichen Knochenkern einschließen. Bei den folgenden 4 nimmt der Knochenkern Stäbchen- Dermochelys coriacea L. 449 form an. Diese Knochenstäbchen tragen an ihrem distalen Ende je eine kleine Knorpelepiphyse, welche nicht mit dem Knorpel am Grunde der Neurapophyse zusammenhängt, was bei den 4 vordersten Schwanzrippen der Fall ist. Beim 9. Schwanzwirbel ist die verte- brale Stellung der Rippen, die sehr kurze Stümpfe mit kleinem Knochenkern geworden sind, fast schon erreicht. Beim folgenden (10.) ist nur noch rechts ein Knochenkern ausgebildet, beim 11. über- haupt keiner mehr. Die Knorpelhöcker, welche hier die Schwanz- rippen darstellen, stehen aber immer noch mit den Zwischenwirbel- scheiben in Zusammenhang. Diese Verbindung ist beim 12. Wirbel aufgegeben und damit die ausgeprägte vertebrale Stellung des Rippenhöckers erreicht. Auch bei den folgenden Schwanzwirbeln finden wir noch kleine, mit winzigen Knorpelepiphysen versehene Knochenzäpfchen an Stelle der Rippen, beim 14. und 15. nur noch sehr unbedeutende epiphysenlose Knochenhöckerchen; bei den beiden letzten Schwanzwirbeln sind derartige Gebilde jedoch nicht mehr deutlich nachweisbar. Besonders bemerkenswert und interessant ist die Tatsache, dab an der Schwanzwirbelsäule von Dermochelys noch Reste von Inter- centra, die Homologa von unteren Bogen, Gabelbeinen, Chevrons, nach- gewiesen werden können (Fig. 6 u. 7 w. DB). Am deutlichsten aus- gebildet erscheinen sie beim 2. Schwanzwirbel, wo sie sich als ein Paar flache Knorpelkuppen dem ventralen und hinteren Rande des Körpers anfügen. Sie ließen sich aber leicht von ihrer Basis los- lösen. Eine Andeutung dieser paarigen Gebilde läßt ja auch schon der 1. Schwanzwirbel erkennen. Vom 3.—10. finden sich statt paariger Knorpelhöcker median gelegene, unpaarige. Beim 11., 12. und 13. war wegen einer kleinen Beschädigung nicht genau zu ent- scheiden, ob derartige Höcker ebenfalls vorhanden gewesen waren. Doch ist dies sehr wahrscheinlich, da am 14. Schwanzwirbel wieder ein deutliches Knorpelhöckerchen auftritt und am 15. und 16. an entsprechender Stelle ebenfalls eine kleine Vorwölbung des Knorpels sitzt. Bei der Schwanzwirbelsäule von Dermochelys bemerkt GERVAIS nichts über rudimentäre untere Bogen. Auch seine Abbildungen zeigen keine Andeutung derselben. Sie waren an dem von ihm be- arbeiteten Skelet wahrscheinlich eingeschrumpft oder verloren ge- gangen. Dah die in der Beschreibung als Intercentra, also als Reste unterer Bogen, bezeichneten Gebilde tatsächlich so gedeutet werden müssen, lehrt die vergleichende Betrachtung. Untere Bogen kommen 450 HEINRICH VÖLKER bei den Schildkröten in der Schwanzwirbelsäule meist nicht mehr vor. Sie sind aber recht gut ausgebildet bei Chelydra serpentina (vgl. Craus, 1876). Diese Art besitzt typische Gabelbeine im größten Teil ihres wirbelreichen Schwanzabschnittes. Wenn nun auch bei Dermochelys im Vergleich zu Chelydra nur rudimentäre untere Bogen vorhanden sind, so haben wir darin doch ein primitives Merkmal zu erblicken gegenüber den Cheloniiden, wo diese Gebilde ganz zu fehlen scheinen. Auch in der Länge des Schwanzes und der großen Wirbelzahl hat Chelydra einen ursprünglicheren Zustand bewahrt als Dermochelys, deren Schwanzskelet aber verhältnismäßig immer noch stärker entwickelt und daher primitiver ist als das von Cheloma oder Thalassochelys. BOULENGER (1889, p. 8) bemerkt für Dermochelys: „Chevron bones are absent.“ Demgegenüber ergab sich, daß zwar keine knöchernen unteren Bogen vorhanden sind, wohl aber rudimentäre knorplige. 2. Der Schultergürtel (Taf. 32 Fig. 11). Wie bei allen Schildkröten setzt sich der Schultergürtel von Dermochelys aus 3 Schenkeln zusammen, die von der Gelenkpfanne für den Gelenkkopf des Oberarmknochens nach drei verschiedenen Richtungen ausstrahlen. Der gemeinsame Teil dieser 3 Äste, der Körper des Schultergürtels, besitzt in der Nähe der Gelenkpfanne keine halsartige Einschnürung, wie sie z. B. ganz ausgesprochen bei Trionyx vorkommt. Von seiner hinteren Fläche medial nach hinten entsendet der Körper das große Coracoid (Fig. 11 cor), von seiner vorderen die dorsalwärts zur Wirbelsäule aufsteigende Scapula (sc«) und ventralwärts das mit seinem Gegenstück und der Bauchdecke in Verbindung tretende Procoracoid (procor). Das Coracoid ist der größte Knochen des Schultergürtels. Es bleibt von den beiden anderen, die eine einheitliche Knochengabel bilden, durch eine Knorpelnaht getrennt. An seinem proximalen Ende erscheint es etwas verdickt, nach außen Kehrt es eine ebene Fläche, nach innen eine stumpfe Kante, die sich auch bei Protostega und Chelonia an derselben Stelle vorfindet. Indem der Knochen sich nach hinten ganz wenig verbreitert und schließlich von einem mächtigen plattenfürmigen, knorpligen Supracoracoid fortgesetzt wird, erfährt er eine leichte Drehung um seine Längsachse, derart, daß die Endplatte vollkommen in der Wagrechten liegt. In der natürlichen Lage sind die distalen Enden der Coracoide soweit ge- Dermochelys coriacea L. 451 Fig. A. Übersichtsbild des Skelets von Dermochelys coriacea L.; etwa 1:9. Die knorpligen Teile sind punktiert angegeben. Zu den Abkürzungen png F Si: 5 vergleiche Text und Tafelerklärung. 452 HEINRICH VOLKER, nähert, daß ihre Epiphysen sich teilweise überdecken. Das rechte Supracoracoid hat bei einer Länge von 8,5 cm eine Breite von 10 cm. Hervorzuheben ist, dab zwischen dem distalen Ende der Coracoide und dem Vorderrande des Beckens bei Dermochelys eine große Lücke besteht (vgl. Textfig. A), im Gegensatz zu dem Zustand bei Eretmo- chelys sowie auch bei Protostega und Archelon (vgl. WIELAND, 1909, p. 124) und anderen Schildkröten, wo der distale Rand der Cora- coide, von denen zudem doch nur die knöchernen Teile erhalten sind, fast die Präpubica berührt. Dies dürfte mit der mehr gestreckten Form des Rumpfes bei Dermochelys in Zusammenhang stehen, wohl einer Anpassung dieses Tieres an die schwimmende Lebensweise. Die beiden vorderen Äste des Schultergürtels schließen zwischen sich einen stumpfen Winkel ein. Die Scapula ist nur ein wenig länger als das Procoracoid und etwas weniger massiv. Sie sitzt mit breiter Basis am Körper des Schultergürtels und zeigt hier eine starke Abplattung in der Richtung von vorn nach hinten. Aber indem sie fast gerade nach der Wirbelsäule hinzieht, kehrt sich dieses Verhältnis um, so dab sie an ihrem distalen Ende seitlich abgeplattet erscheint. An das freie Ende des Schulterblattes schließt sich das ziemlich kleine, knorplige Suprascapulare an (suprsc). Es heftet sich mit Hilfe von Bandmasse in einer seichten Grube an, die am Hinterrande der Nackenplatte in dem Winkelfelde zwischen dem unpaaren medialen und dem großen seitlichen Zacken sich ein- dellt, nach vorn von der 1. Rippe. Das kurze und kräftige Procoracoid erreicht die Bindegewebs- schicht der Bauchseite vorn, am Innenrande des Plastrons an der Stelle, wo man das bei Dermochelys fehlende Entoplastron erwarten sollte (Taf. 30 Fig. 2°). Es bietet einen rundlich-dreieckigen Quer- schnitt und geht am Grunde ebenfalls mit breiter Basis in den Körper des Schultergürtels über. Hier wird der kantige Querschnitt haupt- sächlich durch einen starken Höcker hervorgerufen, der sich auf der hinteren Seite vorwölbt. Die knorplige Epiphyse des Procoracoids (supr.-procor) über- trifft an Größe das Suprascapulare ganz bedeutend. Sie ergänzt das Procoracoid derart, dab dessen Endstück einem ungespaltenen Huf nieht unähnlich sieht. Nach dem Humerus zu wird der Kopf des Schultergürtels von einer mächtigen, 2—3 cm dicken Knorpelmasse gebildet, welche die grobe Pfanne für das Caput humeri enthält. Beide Procoracoide werden durch ein Band miteinander ver- Dermochelys coriacea L. 453 bunden, außerdem jedes mit dem Coracoid seiner Seite durch ein Ligament, Horrmann’s Lig. coraco-claviculare. Der Schultergürtel von Dermochelys macht nach GERvAIS Ab- bildung einen etwas massiveren Eindruck als nach meinem Skelet. Sehr ungenau und schematisch wurden von ihm die knorpligen Teile angegeben. Das gilt besonders für das Supracoracoid. 3. Die Vorderextremität. a) Der Humerus (Taf. 32 Fig. 12—15). Der Humerus ist ein kurzer, platter, aber ungemein kräftiger Knochen. Das proximale Ende gliedert sich in zwei Abschnitte, den Gelenkkopf des Humerus und den Processus medialis (FÜr- BRINGER, HOFFMANN) oder ulnaris (OGusx1). Der zum größten Teil aus Knorpel bestehende Gelenkkopf hat einen breit ovalen Umriß und paßt in die entsprechend konkave Gelenkgrube des Schulter- gürtels. Seine Längsachse steht senkrecht zur Breitfläche des Humerus. Der Gelenkkopf des Humerus wird von dem ebenfalls noch größtenteils knorpligen Proc. medialis weit überragt. Etwas vor der Mitte seiner Länge zeigt der Humerus in einer halsartigen Einschnürung seine geringste Breite (Fig. 12). Der Proc. lateralis (FÜRBRINGER, HOFFMANN) oder Proc. radialis (OÖgusar) erfuhr bei Dermochelys eine besondere Verstärkung und erscheint bemerkens- wert weit von dem Caput humeri abgerückt. Er teilt den Humerus ungefähr in zwei gleiche Abschnitte. Sein Kamm besitzt einen Knorpelüberzug, der an seinem radialen Ende zu einer dreieckigen, stumpf abgerundeten Knorpelmasse anwächst (Fig. 14*), aber am ulnaren ziemlich schwach entwickelt bleibt. Distal vom Proc. lateralis (radialis) erfährt der Humerus eine zweite halsartige Einschnürung, um dann unmittelbar in das breite distale Ende überzugehen, das die Articulationsflächen für die Unter- armknochen aufweist. Dem Radius entspricht der Condylus radialis (Horrmann), Ectocondyle (WıELAND, 1906), der Ulna der Condylus ulnaris, Entocondyle. Diese beiden Condylen, welche durch eine deutliche Grube getrennt sind, nehmen der Breite nach ungefähr die Hälfte des distalen Humerusendes ein. Der übrige Teil wird von einem sehr großen Epicondylus radialis (Ectepicondyle) gebildet. Während der Humerus als Articulationsfläche für die Ulna an dem Condylus ulnaris eine Art Gelenkgrube darbietet (Fig. 14 u. 15+), 454 HEINRICH VÖLKER, weist er für den Radius auf der Ventralseite des Condylus radialis eine gelenkkopfartige Vorwölbung auf (Fig. 13—15 *. Zwischen Condylus radialis und Epicondylus radialis findet sich die Öffnung des Canalis ectepicondyloideus. Wie bei Thalassochelys beginnt dieser auf der Dorsalseite an der Grenze des Epiphysenknorpels und durch- bohrt ihn schräg nach vorn, so daß die Öffnung auf der Ventral- fläche vollkommen von Knorpel umgeben wird. Auf der Dorsalseite des Knochens führt eine seichte, in der Längsachse verlaufende Furche nach der Öffnung des Canalis ectepicondyloideus hin (Fig. 12). Bei dem von mir untersuchten Tier war also noch nicht der Zu- stand erreicht, den Hay. 1908, p. 16, folgendermaßen beschreibt: — „The ectepicondylar passage is a foramen wholly in the bone, about the middle of its width“ — ein Zustand, der wahrscheinlich eine Folge weiter fortgeschrittener Verknöcherung des Skelets bei sehr alten Tieren ist. Der Humerus von Dermochelys hat sich infolge der hochgradigen Anpassung dieser Form an die schwimmende Lebensweise viel weiter als bei allen übrigen Seeschildkröten von der Urform des Schild- krötenhumerus entfernt (vgl. WıerAnp, 1900a, und Doro, 1903). Er ist nicht allein der verhältnismäßig kürzeste, sondern auch breiteste bekannte Schildkrötenhumerus. Infolge der Abplattung erfuhren Gelenkkopf, Processus medialis und lateralis eine Ver- lagerung. „The head is turned downward and proximad into the plane of the bone, while the tuberosities are lifted into this plane each on its proper border of the bone. The radial tuberosity is carried along on the shaft of the bone until it has lost its connec- tion with the head. It becomes divided into two parts one for the deltoid muscle, the other for the supracoracoid.“ Diese allgemeinen Angaben Hay’s (1908, p. 9) über den Humerus der Seeschildkröten treffen auch für Dermochelys zu, nur ist bei dieser Form keine Zwei- teilung des Proc. lateralis (radialis) zu beobachten (Fig. 12—15). Auch Wırrann (1900a) und Doro (1903) haben die besondere Form des Dermochelys-Humerus, insbesondere die außergewöhnliche Lage und Größe des Proc. lateralis (radialis), als eine Anpassung an die schwimmende pelagische Lebensweise betrachtet. Dono (1903) p. 828: „Ainsi, quand on passe de l’humérus chélique [von Emys, über den Humerus thallasique von Chelonia| a lhumérus parathalassique [von Dermochelys|, — pour prendre les deux termes les plus charactérisés d’une méme série — le développement et la Dermochelys coriacea I. 455 migration distale de la crêté radiale sont une conséquence de l’adap- tion à la vie pelagique.“ Auf Gervais Abbildung ist der Humerus nach beiden Enden hin weiter verknöchert; besonders deutlich offenbart sich dies am Proc. medialis. Die Knorpelepiphysen sowohl der proximalen wie distalen Endfläche sind sehr unvollständig und schematisch an- gegeben. Sein Umrißbild des Humerus weicht insofern von dem meinigen ab, als es die geringste Breite des Humerus zwischen Proc. lateralis (rad.) und dem distalen Ende zeigt, während ich sie zwischen Proc. lateralis und dem proximalen Ende finde; dadurch erscheint der Humerus meines Exemplares noch viel gedrungener. b) Die Knochen des Unterarmes (Taf. 32 Fig. 16). Im Gegensatz zu Chelonia übertrifft der Radius die Ulna nur ganz wenig an Länge. Beide sind ungefähr nur halb so lang wie der Humerus. In der Mitte zeigt der Radius einen ungefähr kreis- runden Querschnitt; nach beiden Enden hin verdickt er sich ziem- lich stark, um mit großen Knorpelepiphysen abzuschließen. Bei Dermochelys besteht zwischen Radius und Ulna am proximalen Ende keine engere Verbindung, wie sie z. B. bei Thalassochelys oder Trionyx vorkommt. Überhaupt ist das Gelenk, welches der Radius mit dem Humerus bildet, vollkommen getrennt von dem zwischen Ulna und Humerus. Die Knorpelepiphyse des Radius höhlt sich zu einer flachen Grube aus, in der eine Hervorwölbung der Humerusepiphyse spielt; umgekehrt zeigt der proximale Ulnaknorpel eine mehr gelenk- kopfartige Bildung und paßt in eine entsprechende Gelenkgrube am Humerus (Fig. 16). Das distale Radiusende ist etwas weniger stark verdickt als das proximale. Seine Knorpelepiphyse zeigt die Gestalt eines flachen Gelenkkopfes, der in einer Gelenkgrube des Radiale spielt. Die Ulna erscheint in ihrem distalen Ende stark verbreitert. Eine stumpfe Kante teilt ihre Epiphyse in 2 Facetten, von denen die eine zu dem Interinedium, die andere zu dem Ulnare gehört. Das proximale Ulnaende ist weniger breit, dafür aber auch dicker. Radiocarpal- und Ulnocarpalgelenk sind zwar völlig gesondert, wirken aber trotzdem im gleichen Sinne. Abgesehen von der mangelhaften Wiedergabe der knorpligen Teile, gibt Gervais’ Abbildung der Unterarmknochen zu keinen Bemerkungen Anlaß. 456 HEINRICH VÖLKER, c) Die Handwurzelknochen (Taf. 32 Fig. 17 u.’18). Der Carpus (und auch der Tarsus) von Dermochelys zeichnet sich durch ganz besonderen Knorpelreichtum aus. Mit zunehmendem Alter scheint ja die Verknöcherung immer weitere Fortschritte zu machen, wie aus einem Vergleich meiner Figuren mit den von GERvAIS gegebenen hervorgeht, aber selbst bei sehr alten Lederschildkröten befindet sich im Carpus (und Tarsus) so viel Knorpel. wie es bei keiner anderen rezenten Schildkröte auf einer entsprechenden Ent- wicklungsstufe mehr angetroffen wird. Beim erwachsenen Tier besteht der Handwurzelabschnitt aus 8, mit geraden Kanten aneinanderstoßenden Knorpelstücken, von denen eines keinen, aber zwei je zwei Knochenkerne enthalten, so dab insgesamt 9 Knochenkerne im Carpus zu zählen sind. Diese zeigen zwar eine verschiedene Größe, sie sind aber alle rundlich diskusförmig und erinnern, wie GERVAIS treffend bemerkt, an die Knochen der Zchthyosaurus-Klosse. Die Knochensubstanz dieser Kerne läßt bei ziemlich poröser Struktur einen strahligen Aufbau erkennen. In der ersten Carpalreihe liegen, abgesehen von dem Pisiforme (Fig. 17 p), 3 Stücke: ein Radiale (r), ein durch Verschmelzung des Intermediums mit dem Centrale entstandenes Intermediocentrale (ic) und ein Ulnare (uw). Wie bei Thalassochelys besteht das Radiale nur aus Knorpel. Es articuliert außer mit dem Radius noch mit dem Intermediocentrale und Carpale 1. Gegen die Hohlhand springt es ziemlich stark vor. Das Intermediocentrale und Ulnare, die, ab- gesehen von dem Pisiforme, die größten Handwurzelknochen sind, bieten dem distalen Ende der Ulna eine breite Articulationspfanne. Bemerkenswert ist, dab der dem Intermedium zukommende Teil des Intermediocentrales seiner Größe nach dem Ulnare ungefähr gleich kommt. Die distale Carpalreihe setzt sich aus 4 Stücken zusammen: Carpale 1, 2, 3 und den verschmolzenen Carpalien 4 + 5. Die Größen- unterschiede zwischen den einzelnen Carpalien fallen nicht so sehr auf wie z. B. bei Chelonia und Thalassochelys. Die 3 ersten sind un- gefähr gleich groß, am stärksten ist das 4., am schwächsten das 5. Die 5 Carpalien bieten den Metacarpalien Articulationsflächen. Meta- carpale I und V nehmen nun insofern eine Sonderstellung ein, als sie deutlich mit je 2 Carpalien articulieren. Metacarpale I verbindet sich mit Carpale 1 und 2, Metacarpale V mit Carpale 5 und einem Abschnitt des damit verwachsenen Carpale 4. Metacarpale II heftet sich an Dermochelys coriacea L. 457 die von Metacarpale I noch freigelassene Vorderfläche von 2, articu- liert aber auch noch ganz wenig mit 3, Metacarpale III mit 3 und im geringen Grade mit 4, Metacarpale IV allein verbindet sich aus- schließlich mit einem Carpale, dem 4. Das größte Element im Carpus von Dermochelys ist das Pisi- forme, Cuviers „os hors de rang“, Os accessorium carpi GEGEN- BAUR’s, ein platter, an der Ulnarseite der Hand sitzender Skeletteil, der sich in den vom Ulnare und Carpale 4 +5 gebildeten Winkel einfügt, aber weit mehr mit dem Ulnare articuliert als mit Car- pale 4+5. Es berührt aber auch noch mit einem seitlich gerichteten Fortsatz seiner proximalen Knorpelspitze die Epiphyse der Ulna. Die starke Entwicklung des Pisiformes hängt wohl mit der weit- gehenden Umbildung der Hand in ein Ruderorgan zusammen. Besondere Beachtung verdient das mit dem Intermedium ver- schmolzene Centrale (Fig. 17 c). Es besteht wie bei Thalassochelys keine Berührung zwischen Centrale und Radiale, während bei Chelonia mydas beide eine kleine Grenzfläche gemeinsam haben. Gervais entging aus den früher angegebenen Gründen, daß ein knorpliges Radiale vorhanden ist, ebenso wie ihm das Vorhanden- sein eines Intermediocentrales und die Verschmelzung von Carpale 4 und 5 verborgen blieb. Doch beschrieb er die Lage des dem Centrale oder, wie er es nannte, „os intermédiaire“, zugehörigen Knochenkernes ganz richtig. Horrmann bemerkt 1890, p. 45, folgendes über den Carpusbau von Dermochelys: „Im hohen Grade merkwürdig ist die Gattung Sphargis. Hier besteht derselbe nur aus 8 Stücken (vel. tab. 10, fig. 9). In der ersten Reihe liegen drei Stücke, von denen eines dem Radius angefügt ist, das Radiale, während ein zweites an die Ulna stösst und somit das Ulnare repräsentirt, ein drittes aber, von diesen beiden, wie von den Vorderarmknochen begrenzt, wohl ohne Zweifel dem Intermedium entspricht. Von einem Centrale ist dagegen nichts zu sehen, es scheint vollständig zu fehlen.) An einem Längsschnitt durch den Carpus einer Sphargis, wo die Verknöcherung in diesen drei Stücken eben angefangen hatte, während die übrigen Carpusstücke noch vollkommen in knorpeligem Zustand verharrten, liess sich in jedem dieser drei Knorpelstücke nur je ein Knochenkern nachweisen, welcher bei allen fast genau 1) Bei HOFFMANX nicht gesperrt. Zool, Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 30 . 458 HEINRICH VÖLKER, die Mitte jedes Stücks einnahm.!) Ich glaube daher berech- tigt zu sein, anzunehmen, dass bei Sphargis das Cen- trale vollkommen verschwunden ist.“ Die Tatsache aber, daß die knorpligen Carpalia der 2. Reihe des von HOFFMANN untersuchten Stückes ja auch noch keine Knochen- kerne enthielten, dann die besondere Gestalt (vgl. Horrmann’s Figur tab. 10) des von ihm für das Intermedium gehaltenen Knorpels und schließlich Gervais’ Arbeit, in der ein zweifelloses Centrale be- schrieben und abgebildet ist, hätte Horrmann von der allzu be- stimmten Behauptung, wonach Dermochelys ein Centrale fehle, ein Zustand, den er selbst als einzigartig dastehend bei den Cheloniern bezeichnen muß, bewahren dürfen. Wie schon beschrieben (S. 457), ist bei Dermochelys tatsächlich ein knéchernes Centrale vorhanden.’ Den Gegensatz zwischen Gervais’ und Horrmann’s Darstellung suchte RaBz (1910, Anm. No. 12, p. 198) in folgender Weise zu überbrücken: „Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass ursprüng- lich ein getrenntes knorpeliges Centrale vorhanden war, das später mit dem Intermedium verschmolz. In dem dadurch entstandenen einheitlichen Knorpel dürften dann später zwei Knochenkerne auf- treten, von denen der eine dem Intermedium, der andere dem Cen- trale entspricht. So erklärt sich mir die Beobachtung GERvAIS und ihr scheinbarer Widerspruch mit derjenigen HorrmAnn’s in sehr un- gezwungener Weise.“ Diese von RABL ausgesprochenen Vermutungen können unmöglich das Richtige treffen. Mit demselben Rechte, wie Rast für das Centrale annimmt, daß es im primitiven Zustande 1) In der Bemerkung, daß in den 3 proximalen Carpalien, dem Radiale, Intermedium und Ulnare, eben erst die Verknöcherung angefangen habe, dürfte insofern ein Irrtum enthalten sein, als das Radiale auch bei sehr alten Tieren noch keinen Knochenkern enthält und wahrscheinlich niemals mehr einen solchen ausbildet. Darauf scheint mir der Umstand hinzudeuten, daß bei dem von mir untersuchten erwachsenen Exemplar das Innere des Radiales nicht aus massivem, sondern von zahlreichen Kanälen durchsetztem Knorpel bestand. Dann ist das noch aus dem Grunde sehr wahrscheinlich, weil sowohl bei dem großen von GERVAIS untersuchten wie bei dem ebenfalls sehr großen im British Museum zu London aufgestellten und von RABL näher besichtigten Skelet eben- falls kein dem Radiale zugehöriger Knochenkern festzustellen war. Auch bei diesen Tieren muß das Radiale noch völlig knorplig gewesen sein. An den trockenen Skeleten ließ es sich deshalb nicht mehr nachweisen. Wohl dürfte aber bei HorrMann’s Exemplar außer in dem Inter- medium und Ulnare auch in dem Pisiforme ein Knochenkern sich gerade habe bilden wollen. Dermochelys coriacea L. 459 rein knorplig gewesen sei und erst sekundär einen Knochenkern ausgebildet habe, könnte man dasselbe auch für die Carpalia der 2. Reihe, die ja nach Horrmann’s Angaben gleichfalls noch völlig knorplig waren, behaupten. Warum sollte das Centrale eine der- artige Sonderstellung gegenüber den übrigen Carpuselementen ein- nehmen, wie sie Rasy ihm einräumt? Meiner Ansicht nach, gestützt auf die Untersuchung des Carpus eines kürzlich ausgeschlüpften Tieres, liegen die Verhältnisse ganz einfach so, dab die verschiedenen Carpalelemente in verschiedener Reihenfolge ossificieren und zwar in der Weise, daß der Beginn der Knochenbildung bestimmt ist . durch die Größe des betreffenden Skeletstiickes. Die größten Carpus- elemente bilden zuerst ihren Knochenkern aus; es sind das bei Der- mochelys Pisiforme, Ulnare und Intermedium, dann kommt das nächst- größere Stück Carpale 4, dann etwa gleichzeitig 3 und 2, und zuletzt folgen die kleinsten Carpusteile, das Carpale 5 und das Centrale. Das Radiale aber kommt, wie man unbedenklich behaupten darf, nicht mehr dazu, einen Knochenkern auszubilden, eine Eigentümlich- keit, die als sekundär erworben betrachtet werden muf.!) Meine eigene Untersuchung des Carpus einer jungen Dermochelys gibt mir Anlaß zu einigen Bemerkungen, die nunmehr folgen mögen. Die Formverhältnisse der einzelnen Elemente zeigen eine auffallende Ähnlichkeit mit den beim erwachsenen Tier festgestellten (vgl. Fig. 17 u.18). Der hervorstechendste Unterschied liegt wohl darin, daß Pisiforme und Ulna beim Embryo durch einen großen Abstand getrennt sind, beim erwachsenen aber sich berühren. Horrmany’s schon erwähnte Schnittabbildung durch den Carpus einer jungen Dermochelys scheint die Verhältnisse nicht ganz richtig wieder- zugeben, vor allem sind — was schon RaBz vermutete — Inter- medium und Ulnare zu kurz, der ganze Carpus daher verhältnis- mäßig zu breit. Besonders interessant ist aber die Tatsache, daß ich das knorplige Centrale durch eine sehr deutliche Grenze von dem Intermedium geschieden fand, ebenso wie sich Carpale 4 und 5 1) Es ist ganz interessant, daß die Reihenfolge, in welcher bei Dermochelys die Knochenkerne in den Carpalien der 2. Reihe auftreten, sich fast deckt mit der Reihenfolge, in der nach RABL’s Untersuchungen bei Chelonia und Emys die erste gewebliche Differenzierung derselben während der Embryonalentwicklung erfolgt. Aus Rapn’s Abbildungen dürfte sich folgende Reihenbildung ergeben: 4, 3, 5, 2, 1. Für Dermo- chelys glaube ich die Reihenfolge des Auftretens der Knochenkerne in den Carpalien der 2. Reihe (beurteilt nach der Größe der Knochenkerne) durch folgende Zahlenreihe ausdrücken zu können: 4, 3, 2, 5, 1. 30* 460 HeixricH VÖLKER, noch gesondert zeigten. Die Grenzlinie zwischen Centrale und Intermedium geht nun nicht, wie man nach den. beim erwachsenen Tier herrschenden Formverhältnissen erwarten sollte, von der vor- springenden Ecke des Ulnares nach der gleichfalls vorspringenden Ecke von Carpale 2, sondern folgt dem Unterrande des Intermedium- Knochenkernes, um sich, immer undeutlicher werdend, nach der radialen Seite hin zu verlieren. Schon dieser Befund machte es wahrscheinlich, daß der schmälere radiale Teil des Centrales einem zweiten Centrale entspreche. Die Untersuchung der Carpen beider Vorderextremitäten von der Unterseite ergab nun tatsächlich, daß eine sehr feine, aber mit unbewaffnetem Auge schon deutlich wahr- nehmbare Grenze zwischen beiden Knorpelregionen vorhanden war. Sie zog von der vorspringenden Ecke des Carpale 2 gerade hinüber zu der Grenzlinie zwischen Intermedium und Centrale. Dermo- chelys besitzt also von Haus aus zwei Centralia, ein Ergebnis, das uns mitGewißheit zeigt, wie das Fehlen eines zweiten Centrales bei der erwachsenen Lederschildkröte und . dann wohl auch bei den Cheloniiden auf Rückbildung beruht. Wir werden hierauf im allgemeinen Teil, bei der Besprechung von Rast’s Ansichten über den Carpus der Schildkröten, zurückzukommen haben. - d) Die Metacarpalia und Phalangen. Von den 5 Metacarpalien ist das 4. am längsten. Dann folgt das 3., 2., 1. und zuletzt 5. Bemerkenswert ist, daß 1 größer ist als 5, statt umgekehrt wie bei den Cheloniiden. Die Längsachsen der 3 mittleren sind ungefähr parallel gerichtet, die des 1. und 5. etwas ulnarwärts abgebogen. Das Metacarpale des Daumens nähert sich dadurch der Mittelachse der Hand, während das des 5. Fingers sich von ihr entfernt. An Dicke übertrifft das 1. weit alle übrigen Metacarpalia. Es schmiegt sich unmittelbar der am Vorderrande der Flosse sehr stark entwickelten Bindegewebsschicht an. Als besondere Ver- stärkung dieses Vorderrandes ist wohl auch der große, stumpfe Knorpelfortsatz aufzufassen, welcher von der proximalen Epiphyse ausgeht und, mit der Außenseite von Carpale 1 articulierend, bis fast zum Radiale hinaufreicht. Nach der Mitte zu verschmälert sich das Metacarpale I ziemlich rasch und zwar so, dab der radiale Rand viel weniger konkav erscheint als der ulnare. Das distale Ende ist viel schmäler als das proximale. Metacarpale If und III sind fast vollkommen symmetrisch gebildet, in der Mitte im Querschnitt bei- Dermochelys coriacea L. 461 nahe rund und nach den Enden zu gleichmäßig verbreitert. Das- selbe gilt von Metacarpale IV, nur ist dieses noch durch eine leichte Biegung ausgezeichnet, deren Konkavität nach dem radialen Flossen- rand sich öffnet. Am schwächsten entwickelt zeigt sich Metacarpale V. In seiner Form erinnert es noch am ersten an Metacarpale I. Es ist ein ziemlich platter Knochen, der, proximal am breitesten, all- mählich in eleganter Schweifung in das distale Ende übergeht. Die Zahl der Phalangen beträgt bei dem von mir untersuchten erwachsenen Tier und beim Jungen vom Daumen aus gezählt 2, 3, 3, 3, 2. GERVAIS gibt an 2, 3, 3, 3, 3. Da aber RABz an dem im British Museum zu London sich befindenden Skelet ebenfalls 2, 3, 3, 3, 2 feststellte und Gervaıs beim jungen Tier beiderseits am 5. Finger nur 2 Phalangen abbildet, so scheint diese Zahl die nor- male zu sein. Der 3. Finger ist weitaus der längste, dann folgte der 2., 4., 1. und zuletzt der 5. Die kurzen Endphalangen tragen keine Krallen mehr. Die- jenige des 4. Fingers besaß eine ganz kleine, die des 5. eine etwas größere Knorpelepiphyse am freien Ende. Die übrigen Phalangen weisen im großen ganzen dieselbe Gestalt auf wie die Metacarpalia. Die Gelenke zwischen den Phalangen untereinander wie auch zwischen Metacarpalien und Phalangen sind fast eben. Die Knorpel- epiphysen der distalen Enden bilden ganz flache Gelenkköpfe, die proximalen Knorpelepiphysen der folgenden entsprechende Gelenk- pfannen. Die Beweglichkeit zwischen den einzelnen Gliedern kann nicht groß sein, da die Phalangen fest in einer dieken Schicht äußerst zähen und elastischen Bindegewebes verpackt sind. Funktionell bilden die 3 ersten Finger eine Einheit. Sie stützen vorwiegend den radialen Rand der Flosse und sind daher eng an- einander geschlossen. Der 4. und 5. Finger haben hauptsächlich den ulnaren Rand der Flosse zu verstärken, wie besonders aus der Stellung der End- phalangen dieser Finger sich ergibt. Etwas Ähnliches tritt uns an der Hand von Mosasauriern (Platecarpus abruptus) entgegen, wo der 5. Finger weit abgespreizt erscheint. Vgl. ABEL (1912), p. 160, fig. 105. Beim jungen Tier fand ich im Gegensatz zum Carpus die Meta- carpalia und Phalangen fast ebensoweit verknöchert wie beim er- wachsenen. Bemerkenswerte gestaltliche Unterschiede ergab ein Vergleich nicht. Aber in der Stellung der Metacarpalia und Finger zueinander zeigte das junge Tier noch primitivere Verhältnisse als das alte. 4. und 5. Finger ließen zwar schon eine deutliche Ab- 462 HEINRICH VÖLKER, lenkung nach dem ulnaren Flossenrande hin erkennen, aber die 3 ersten waren noch nicht in so ausgeprägter Weise am radialen Flossenrande zusammengedrängt. Im Metacarpal- und Phalangengebiet scheinen die Cheloniiden ursprünglicher zu sein als Dermochelys. Sie stimmen in dieser Hin- sicht auch viel besser mit den Protostegiden überein als Dermochelys. Dieser Befund wird leicht verständlich im Hinblick auf die aus- gesprochen pelagische Lebensweise von Dermochelys, welche besonders den Bau der Vorderextremität beeinflussen mußte. Infolgedessen hat sich der Arm von Dermochelys in mancher Hinsicht auch viel weiter vom Urzustand entfernt als der von Cheloniiden und Proto- stegiden. Als solche Anpassungscharaktere sind anzusehen die Kürze, Breite und Abplattung des Humerus, die Verkürzung des Unter- arms, die mächtige Entwicklung des Pisiformes und die unvoll- kommene Verknöcherung des Carpus, die bedeutende Verlängerung der Finger (Metacarpale I wird länger als Metacarpale V), der Ver- lust der Krallen an den Endphalangen, die besondere Stellung der Finger, ihre Ausbreitung in einer Ebene und Einpackung in die zähe Bindegewebsmasse der Ruderplatte, wodurch die Bewegungs- möglichkeit der Finger nach den Seiten hin fast unmöglich gemacht wurde und auch die tiefe Stufe der Gelenkbildung zwischen den Fingergliedern eine Erklärung findet. Als Anpassung an die Schwimm- tätigkeit der Vordergliedmaßen erscheint bei Dermochelys, wie bei anderen Meeresschildkröten auch, die Lage der Hand in einer fast senkrechten Ebene. Der Beckengürtel (Taf. 33 Fig. 19—21). Der Beckengürtel von Dermochelys ist etwas schwächer aus- gebildet als derjenige von Chelonia. Von seinen 3 Komponenten ist das Pubicum (pu) der Größe nach weitaus der bedeutendste. Es beginnt am Acetabulum (Fig. 19 acet) mit einem kurzen, im Quer- schnitt stumpf-dreieckigen Corpus pubis (Fig. 19 corp.pu) und er- weitert sich medianwärts unmittelbar in einen breiten, beilförmigen Fortsatz, den Processus medialis (pr. m) (Entopubis, Baur, 1891). Von der Dorsalseite betrachtet erscheint dieser Fortsatz gewölbt. Lateralwärts geht die Pubis in einen großen Proc. lateralis (pr. 2) (Ectopubis, Baur) über. Das freie Ende der Ectopubis trägt eine Knorpelepiphyse in Gestalt eines mit breiter Basis aufsitzenden, in sanfter Biegung caudalwärts sich zuspitzenden Knorpelhornes (Prä- pubis, WIEDERSHEIM). An seiner Basis ist der Knorpel 2 cm dick. Dermochelys coriacea L. 463 Durch einen ziemlich breiten medianen Knorpelstreifen werden rechte und linke Entopubis voneinander getrennt. Als Fortsetzung dieses Streifens nach vorn hin, in die Schambeinfuge, finden wir eine mächtige, knorplige Epipubis (epipu) mit einem großen lang ovalen Loch an ihrem Grunde (Fig. 19 u. 20°). Von der Mitte dieses Loches bis zum Vorderende der Epipubis maß ich 7” cm. In- folge dieses Foramens hat die Epipubis an ihrer Basis zwei kräftige Aste, die etwas ventral (Fig. 21) und medialwärts (Fig. 19) gerichtet sind und nach ihrer Vereinigung. eine auf ihrer Unterseite etwas ausgehöhlte, schwach dorsalwärts aufsteigende und vorn fast recht- winklig abgestutzte Platte bilden (Fig. 19 u. 21). Die Ischia sind bei Dermochelys kleine, nur an der hinteren Seite ihres Umfangs nicht von Knorpel umgebene Knochenplatten, fast ebenso breit wie lang. Indem die Pubica sich in einem stumpfen, nach der Ventralseite zu offenen Winkel zusammenneigen, gleich- zeitig aber auch in der Richtung von vorn nach hinten, so daß die konkave Seite ventralwärts zeigt, krümmen und nun die Ischia diese Wölbung fortsetzen, bietet das Becken von Dermochelys von der Unterseite betrachtet den Anblick einer tiefen Schüssel. Die beiden Ischia sind median durch einen ziemlich breiten Knorpelstreifen ver- bunden. Nach der Bauchseite zu geht dieser Knorpel in eine stumpfe Kante über (Fig. 19), die nach hinten einen kurzen Fortsatz, den Processus hypoischiadicus (pr. hy. ischi), bildet. Infolge der sehr breiten (über 5 cm), aber äußerst kurzen knorpligen Ischiopubical- brücke von Dermochelys bleiben nur zwei sehr kleine Foramina obturatoria offen (Fig. 19 u. 20 for. obt). Dermochelys unterscheidet sich hierin von Cheloniiden, bei denen (Horrmann, 1890, Baur, 1891) die beiden großen For. obt. durch einen schmalen Knorpelstrang ge- schieden sind; die Protostegiden zeigen einen vermittelnden Zustand (vgl. WıELAnD, 1909). Das Ilium erscheint als ein kurzer Knochenstab, der mit breit ovaler Basis an dem allen 5 Beckenknochen gemeinsamen Knorpel des Acetabulums (acet) aufsitzt, sich allmählich verjüngt, zunächst ziemlich steil dorsalwärts und nach hinten strebt, um mit seinem letzten Drittel sich entschiedener nach hinten zu wenden und mit den Sacralrippen in Verbindung zu treten. Die innere Fläche des Diums legt sich dabei unmittelbar an den großen Epiphysenknorpel der Sacralrippen an, eine Vereinigung, die noch durch Bindegewebe verstärkt wird. Außerdem dient aber auch noch der dem freien Ende des Iliums aufsitzende Epiphysenknorpel der Befestigung mit den 464 HEINRICH VÖLKER, Sacralrippen; er überdeckt kappenartig den Knorpel der Sacral- rippen, ohne jedoch mit diesem zu einer zusammenhängenden Masse zu verschmelzen. — Erwähnen will ich noch, daß den Enden des Iliums auf der Bindegewebsschicht des Rückens flache Gruben ent- sprechen, in denen sie wie ein Gelenkkopf in einer Gelenkpfanne darinsitzen. Bei dem Acetabulum nähern sich Ischium, Pubis und Ilium nur so weit, daß eine durchschnittlich 1 cm breite, mächtige Knorpel- masse ihre Verbindung herstellt und für den Gelenkkopf des Femurs die Pfanne abgibt. Diese Gelenkhöhle schaut wie bei Thalassochelys mehr nach hinten, weniger nach der Seite, wie es z. B. bei Zrionyx der Fall ist. Ihr nach unten gelegener, dem Pubicum und Ischium zu- gehöriger Abschnitt ist breiter als der oben gelegene, von dem Ilium begrenzte Teil. Gervais Abbildung des Beckens von Dermochelys weicht von der meinigen ab, sowohl in der Wiedergabe der Formverhältnisse der knöchernen wie der knorpligen Teile, welch letztere von ihm ganz schematisch und zum Teil auch falsch ergänzt wurden. Die Verschiedenheiten in den knöchernen Teilen erklären sich zum Teil wohl daraus, dab Gervais Exemplar ein viel stärker verknöchertes Becken besaß, zum Teil auch aus individuellen Verschiedenheiten zwischen beiden Tieren. So hätten z. B. die Foramina obturatoria an dem von mir untersuchten Becken auch bei fortschreitender Ver- knöcherung niemals so groß werden können, wie sie GERvAIS fand, da bei meinem Exemplar die Körper der Schambeine verhältnis- mäßig viel breiter sind. Überhaupt erscheint nach meinem Befund das Becken von Dermochelys viel gedrungener, als GERVAIS es ab- gebildet hat. Was die knorpligen Teile anlangt, so ergänzt GERVAIS die Epipubis als eine breit ovale Platte ohne Foramen am Grunde. Da ich nun am jungen Tier auch kein derartiges Loch in der Epipubis feststellen konnte und dasselbe in der Literatur ebenfalls keine Er- wähnung findet, so ist es wahrscheinlich, daß in dieser Durch- löcherung eine individuelle Kigentiimlichkeit vorliegt. Die Epiphysen der Ectopubica ergänzte Gervais als gerade nach vorn gerichtete zungenförmige Platten. Ich finde sie in Gestalt sanft gebogener Knorpelhörner, deren Spitze mehr nach hinten als nach vorn zeigt. Bezüglich der Frage, ob die knorplige Beschaffenheit der Ischio- pubicalbrücke bei Dermochelys ein primitives Merkmal sei oder nicht, weist Hay (1908, p. 21) darauf hin, daß bei den Amphichelydia Dermochelys coriacea L. 465 Emydidae und Testudinidae diese Zone aus Knochen besteht. Bei Amphibien und älteren Reptilien sei zwar die Ischiopubicalbrücke zweifellos knorplig gewesen, aber gerade der Umstand, dab die phylogenetisch sehr alten triassischen Amphichelydia eine knöcherne Ischiopubicalbrücke besaßen, mache wahrscheinlich, dab der knorplige Zustand derselben bei den rezenten Seeschildkröten einen sekundären Zustand darstelle. Dieser Auffassung Hay’s kann ich auch noch aus dem Grunde zustimmen, weil mir in dem Nichtverknöchern der Ischiopubicalbrücke des in seiner Gesamtheit rückgebildeten See- schildkrötenbeckens ein analoger Fall vorzuliegen scheint zu dem überaus hohen Knorpelgehalt des Dermochelys-Skelets, einer Eigen- tümlichkeit, die ebenfalls als Begleiterscheinung der schwimmenden Lebensweise bezeichnet wurde. Bei den Cheloniiden insbesondere läßt die Schmächtigkeit der Ischiopubicalbrücke diese unmittelbar als in Rückbildung begriffen erscheinen. — Hintere Fortsätze der Ischia gingen sekundär dem .Dermochelys- Becken verloren, das sich darin also ebenso verhält wie das Protostegiden- und Cheloniidenbecken. Die an das Becken primitiver Reptilien er- innernde Plattenform, die Folge der kleinen Foramina obturatoria, des Dermochelys-Beckens ist vielleicht doch nicht ursprünglich. Die großen For. obt. der Cheloniiden sind jedoch sicher sekundär. 5. Die Hinterextremitat. a) Der Oberschenkelknochen (Taf. 33 Fig. 22 u. 23). Das proximale verdickte Ende des Femurs von Dermochelys gliedert sich in drei Fortsätze, von denen der größtenteils knorplige Gelenkkopf am meisten in die Augen fällt (Fig. 22 cap. f). Der Hals des Caput femoris ist nur ganz schwach ausgebildet. Die gerade Fortsetzung der Achse des Femurs bildet ein zweiter, mehr dorsal gelegener stumpfer Vorsprung, der Trochanter major (fr. ma). Er ist von dem Gelenkkopf nur durch eine seichte Furche getrennt. Etwas tiefer ist die Einsenkung zwischen dem Gelenkkopf und dem dritten, mehr ventral gelegenen Vorsprung, dem Trochanter minor(ér.mi). Die beiden Trochanteren werden durch Knorpelkuppen repräsentiert, die untereinander zusammenhängen. Wie bei Trionyx und Thalassochelys findet sich am Grunde des Gelenkkopfhalses und in der Mitte zwischen den beiden Trochanteren eine muldenartige Vertiefung, die Bosanus als Fossa trochanterica bezeichnete. In der Mitte erscheint das 466 HEINRICH VÖLKER, Femur am dünnsten, nach dem distalen Ende zu geht es in eme stark erweiterte Endfläche über, die eine große knorplige Epiphyse trägt. Diese wölbt für Tibia und Fibula 2 Gelenkhöcker zur Articulation vor, den nach der Innenseite zu gelegenen Condylus tibialis (Fig. 22 con. ti) und den etwas kleineren Condylus fibularis (Fig. 22 con. fi. Gervais gibt eine Ansicht des Oberschenkelbeines, von der Innenfläche gesehen, entsprechend meiner Abbildung 23. Aus seiner Figur ist jedoch nicht zu ersehen, wieviel Knorpel noch vorhanden war. Sie stellt das Femur etwas massiver dar, als es nach meinem Befund sich ergibt, an den Enden stärker verdickt, besonders am proximalen. Der Trochanter major zeigt eine mächtigere Ausbildung, und das auffallend kleine Caput femoris hat Kugelform Das Femur von Dermochelys ist zwar stark verkürzt, hat aber eine weniger weitgehende Umgestaltung erfahren als der Humerus. Aber doch läßt sich, wie schon Doro (1901 u. 1903) bemerkt hat, für das Femur der Meeresschildkröten ein ganz entsprechender phylo- genetischer Entwicklungsgang nachweisen, wie ihn auch der Humerus durchgemacht hat. Er schreibt p. 831: „On assiste, alors, en passant du premier [fémur chélique de Chelydra] (primitif) au second [fémur thallassique de Chelone] (spécialisé), — non pas tant à une migration distale de la crête tibiale (— petit trochanter, homodyname de la crête radiale), qui descend, cependant, un peu, — qu'à un refoule- ment (en arrière de la tête du fémur) de la crête péréonéale (= grand trochanter), de moins en moins séparée de la crête tibiale, — et à une réduction de la fosse inter-trochantérienne, rejetée sur le bord interne de l’os Sans parler de la diminution de la longueur du fémur: d’abord égal (Emys), ou même plus long (Chelydra) que ’humerus, il finit (Chelone, Dermochelys) par ne plus en former les deux tiers.“ b) Die Knochen des Unterschenkels (Taf. 33 Fig. 24). Die Tibia (t) ist, was allgemein für die Schildkröten gilt, stärker als die Fibula (f). Ihr proximales Ende hat im Querschnitt den Umriß eines stumpfwinklig gleichschenkligen Dreiecks, dessen Basis der Fibula zugekehrt ist. Der Epiphysenknorpel zeigt an der Ecke, die der Hohlhand zu liegt, und zwar auf der inneren, fibularen Seite dieses Abschnittes, eine flache Grube zur Aufnahme des Condylus tibialis femoris (Fig. 24 +). Das Distalende der Tibia ist weniger verdickt als das proximale und rundlich im Querschnitt. Wie bei Thalassochelys findet sich auch hier ein allerdings vollkommen knorp- Dermochelys coriacea L. 467 liger Malleolus medialis, der hinten auf der tibialen Seite der Fub- wurzel sich dem Astragaloscaphoideum anfügt. Das übrige Gelenk zwischen Tibia und diesem Tarsale proximale ist ganz flach, die Epiphyse der Tibia nur wenig gewölbt, das Tarsale mit einer ent- sprechenden Pfanne versehen. Von den drei Kanten, die am proxi- malen Ende der Tibia bemerkbar sind, reicht diejenige, welche dem zwischen Tibia und Fibula gelegenen Spatium interosseum zu- gekehrt ist, am weitesten nach dem distalen Ende hin. Sie hört erst im letzten Drittel der Tibia auf mit einer deutlich hervor- springenden Rauhigkeit (Fig. 24 *), welche dem Ligamentum inter- osseum cruris zum Ansatz dient. Die Fibula hat etwas andere Gestalt als die Tibia, vor allem ist sie platter und am distalen Ende am stärksten verdickt. Ihr proximales Ende wird durch eine fast halbkuglige, mit einer Ge- lenkpfanne für den Condylus fibularis femoris versehene Epiphyse ergänzt. Das distale Ende der Fibula articuliert mit dem die beiden Knochenkerne der ersten Tarsusreihe gemeinsam umschließenden Knorpelstück. An dem proximalen Ende ist eine rauhe, nach dem Spatium interosseum gekehrte Kante bemerkbar, die für das Liga- mentum interosseum cruris bestimmt ist. Im Gegensatz zur Tibia findet sich bei der Fibula am distalen Ende kein Malleolus. GERVAIS Abbildung der Unterschenkelknochen von Dermochelys gibt keine Veranlassung zu besonderen Bemerkungen. c) Der Tarsus (Taf. 33 Fig. 25 u. 26). Die Tarsalia sind, wie die Carpalia, in zwei Reihen an- geordnet. Die erste wird dargestellt durch einen großen Knorpel, der zwei Knochenkerne umschließt. Der kleinere dieser Kerne entspricht dem Fibulare (f), Calcaneus. Nach dem Handrücken kehrt er eine kugelförmig gewölbte, nach der Hohlhand eine kreis- förmige plane Fläche, von denen die letztere nicht überknorpelt ist. Der größere Knochenkern und der zugehörige Knorpel enthalten das Tibiale, das Intermedium und vermutlich auch das Centrale. GEGEN- BAUR nennt dieses Tarsuselement Astragaloscaphoideum (astr); RABL hat dafür die Bezeichnung Tritibiale in Vorschlag gebracht, welche den Vorzug größerer Kürze für sich hat. Der Knochenkern des Astragaloscaphoideums (Tritibiales) besitzt den Umriß eines un- regelmäßigen Fünfecks, dessen eine Ecke nach dem Spatium inter- osseum gerichtet ist. Nach der Tibia zu verdickt er sich ziem- lich bedeutend, was besonders bei Betrachtung der Hohlhand gut 468 Heinrich VÖLKER, hervortritt. Der Rand ist aufgeworfen und springt derart vor, dab die Dorsalfläche schwach schüsselförmig ausgehöhlt ist. Bezüglich der Articulation des Tarsus mit dem Unterschenkel ist noch zu be- merken, dab die Fibulaepiphyse sich mit stumpfer Kante in den Winkel einfügt, der zwischen Fibular- und Astragaloscaphoid-Abschnitt vorhanden ist. Ohne die geringste Verbindung mit der Fibula zu besitzen, sogar durch einen kleinen Zwischenraum und stumpfen Höcker von dieser getrennt, heftet sich die Tibia an die obere und hintere Fläche der Fußwurzel. An der Articulationsfläche, welche die zu einem Stück ver- schmolzenen Tarsalien der proximalen Reihe (mit Einschluß des Centrales) für die distalen Tarsalien (1—5) bieten, lassen sich drei Abschnitte unterscheiden, auf der tibialen Seite eine ganz flache Grube für Tarsale 1, dann ein niedriger Gelenkkopf für Tarsale 2 und 3 und schlzeßlich wiederum eine Gelenkpfanne il das 4. Stück der 2. Tarsalreihe. Die Knochenkerne der Tarsalia distalia kehren dem Handrücken kreisförmige, etwas ausgehöhlte, der Hohlhand aber kugelartig ge- wölbte Flächen zu. Die Tarsalia der zweiten Reihe zeigen das Bestreben, sich fest miteinander zu verbinden. Die der Längsachse der Hand parallelen Articulationsflächen haben anscheinend keine Bedeutung mehr. So ist am Tarsus des linken Fubes zwischen dem Knorpel des dritten und vierten Stückes keine Grenze mehr vor- handen. Zwischen Tarsale 2 und 3 schien sie im Verstreichen zu sein. Nur zwischen Tarsale 1 und 2 war sie noch deutlich zu er- kennen. Beim Tarsus des rechten Fußes fehlte sie auf der Ventral- seite zwischen Tarsale 1 und 2 jedoch völlig, andrerseits war hier zwischen Tarsale 2 und 3 eine recht deutliche Grenze zu beobachten. Mit dem fibularen Rande des 4. Stückes der zweiten Tarsalreihe articuliert ein platter Knochen, über dessen Deutung man sich bis jetzt noch nicht einigen konnte. GEGENBAUR sah darin ein Meta- tarsale V, Horrmann ein Tarsale 5, RaBz betrachtet ihn als ein Verschmelzungsprodukt von Tarsale 5 und Metatarsale V, und ÖsusHr möchte ihn für ein Konkreszenzprodukt eines dem Pisiforme am Carpus entsprechenden Skeletstückes mit dem Tarsale 5 halten. Andere Forscher haben sich weder für den einen noch für den anderen Deutungsversuch dieses Skeletstückes entschieden und die neutrale Bezeichnung ,S“ vorgeschlagen. Wiïezanp (1906) und ABEL (1912) deuten den entsprechenden Knochen bei Protostega und anderen Formen als Metatarsale V. Dermochelys coriacea L. 469 Das wichtigste Argument gegen Ragr’s Auffassung von „S“ ist wohl, daß ein Verschwinden des ursprünglich zweifellos gut ent- wickelten Gelenkes zwischen dem an den übrigen Tarsus eng an- geschlossenen Tarsale 5 und dem großen, frei in der Reihe der anderen Metatarsalien liegenden Metatarsale V kaum angenommen werden darf, dagegen eine Verwachsung von einem Tarsale 5 mit einem Tarsale 4 bei der viel geringeren Beweglichkeit zwischen diesen beiden sehr leicht möglich erscheint, um so mehr als bei vielen Formen tatsächlich Verwachsungen zwischen zweifellosen Carpalien und Tarsalien der zweiten Reihe zu beobachten sind. Selbst wenn man Rarr’s eigene, hypothetische Urform des Reptilien- tarsus diesen Betrachtungen zugrunde leet, kommt man über die in seiner Auffassung liegende Schwierigkeit nicht hinweg. Osusurs Ansicht jedoch beruht auf der gänzlich unbewiesenen Voraussetzung, daß im Tarsus ursprünglich ebenfalls ein dem Pisi- forme des Carpus entsprechendes Element vorhanden gewesen sei. Gegen Horrmann’s Auffassung von „S“ als einem Tarsale 5 und für GEGENBAURr’s Deutung als Metatarsale V lassen sich ver- schiedene Tatsachen verwerten, weshalb ich mich auch veranlaßt sehe, die GEGEnBAURr’sche Deutung anzunehmen. Wenn „S“ nämlich tatsächlich ein Tarsale 5 wäre, dann sollte man doch erwarten, dab es sich bei jungen Tieren in seiner Form mehr einem Tarsale nähere, als dies bei alten Tieren der Fall ist. Bei Dermochelys ist nun gerade die gegenteilige Beobachtung zu machen. „S“ hat beim jungen Tiere (Fig. 26 M. V) eine ausge- sprochene Metatarsale-artige Form; es ist ein kurzer Knochen, dem an beiden Enden, genau wie einem Metatarsale, Knorpelepiphysen aufsitzen; sein Knochenkern ist also nicht wie ein Tarsalknochen- kern in Knorpel vollkommen eingebettet. Dieser Befund ist um so bemerkenswerter, als gerade für Dermochelys beim erwachsenen Tier die ausgeprägt Metatarsale-ähnliche Form geschwunden ist, um einer Pisiforme-ähnlichen Platz zu machen (Fig. 25). Chelonia und Tha- lassochelys führen in bezug auf die Deutung des fraglichen Skelet- stückes zu demselben Ergebnis wie Dermochelys. Bei einer jungen Chelonia zeigt das Metatarsale V in auffälliger Weise eine gestalt- liche Übereinstimmung mit dem Metatarsale I (vgl. Rası’s Bau- steine, tab. 4 fig. 9). Bei der erwachsenen Chelonia und Thalasso- chelys haben sich aber Metatarsale I und V in gleicher Weise von dem beim jungen Tier noch erhaltenen symmetrischen Bau der Metacarpalien entfernt, um sich nach einer Seite hin zu verbreitern. 470 HEINRICH VÖLKER, Diese gestaltliche Änderung erklärt sich meines Erachtens durch die besondere Stützung, welche sowohl der Vorder- wie der Hinter- rand der Flosse beim Schwimmen bedarf; indem das Metatarsale V dieselbe Funktion, Verbreiterung der Flosse, übernahm, wie sie am Carpus dem Pisiforme zukommt, ward es diesem auch gestaltlich sehr ähnlich. Gerade Dermochelys bietet für die Richtigkeit dieser Darlegungen ein besonders gutes Beispiel, indem die Entwicklung von einer ausgeprägt metatarsalen Form des Metatarsale V zu einer ebenso ausgeprägten pisiformen hinüberleitet. Es wird aber auch hierdurch begreiflich, daß das Metatarsale V vielfach eine über- raschende Ähnlichkeit mit einem . Tarsale erlangen konnte, ins- besondere bei solchen Formen — man vgl. z. B. Ragr’s Abbildungen von Testudo graeca, tab. 5 fig. 9 u. 10, Pelomedusa galeata SCHOEPFF, tab. 3 fig. 11, Chelydra serpentina L., tab. 3 fig. 9, Hydromedusa tectifera Corr, tab. 3 fig. 10 —, bei denen eine Reduktion der 5. Zehe bis auf das Metatarsale oder bis auf das Metatarsale und eine Phalange erfolgte. In diesem Sinne sind wohl auch zum Teil Horrmann’s Abbildungen zu beurteilen, die auf dem ersten Blick verblüffend die Richtigkeit seiner Deutungen „S“ als eines Tarsale 5 zu beweisen scheinen (vgl. 1890, tab. 10 u. 12). Weiterhin spricht für GEsEnBAUR’s Deutung die besondere Stellung des 4. distalen Tarsals gegenüber den 3 anderen, welche es wahrscheinlich macht, daß darin ein verschmolzenes Tarsale 4--5 enthalten ist, um so mehr als auch beim Carpus einiger Formen (Dermochelys, Testudo tabulata, Rawu, tab. 4, fig. 3) sich ein ganz ent- sprechender Vorgang — Zusammenschluß von Carpale 445 — beobachten läßt. Die Entwicklung des Tarsus zeigt einige Befunde, die man in diesem Zusammenhange wohl anführen darf, wenn auf sie auch kein allzu hohes Gewicht zu legen ist. Der Knochenkern des 4. distalen Tarsalelements, das ich also mit GEGENBAUR für verschmolzene Tarsalia 445 ansehe, verhält sich bei jungen Tieren ganz ähnlich wie derjenige des Astragaloscaphoids, der zweifellos ein Verschmelzungsprodukt mehrerer Carpusteile ist (vgl. C. K. Horr- MANN, 1890, tab. 12 fig. 2 u. 3). Bei Dermochelys z. B. erscheint er als zweiter Knochenkern unmittelbar nach dem Knochenkern des Astragaloscaphoids und ist schon zu einer Zeit wohlausgebildet, wo in den übrigen distalen Tarsalien noch keine Spur eines Knochen- kernes siehtbar ist. Daß man ontogenetisch keine doppelte Anlage des 4. distalen Tarsalelements nachweisen konnte, ist kein zwingender Einwand gegen die Deutung als verschmolzene Tarsalia 4--5; denn Dermochelys coriacea L. 471 es dürfte dieser Verschmelzungsvorgang phylogenetisch schon so früh eingetreten sein, daß er ontogenetisch nicht mehr in die Er- scheinung tritt; ebensowenig konnte bei dem Astragaloscaphoid eine mehrfache Anlage bisher aufgezeigt werden. GERVAIS gab folgende Schilderung des Tarsus von Dermochelys (p. 220): „Il y a deux os au protarse ou premiere rangée du tarse, l'un plus grand, en rapport avec les extrémités inférieures au tibia et du péroné; l’autre, plus petit, sous la partie externe de extrémité du peroné. Quatre os forment la seconde rangée ou le mésotarse. Ils sont inégaux entre eux et ne correspondent pas aussi bien que ceux du mésocarpe aux rayons digitaux. Leur forme est aplatie et rappelle celle constituant les deux rangées de la partie carpienne.“ Wie aus dieser Darstellung hervorgeht, konnte GERvAIS über die Verwachsungsverhältnisse der Carpalelemente gar nichts angeben. Auch Ragr’s Mitteilungen sind unvollständig. Daß Tarsale 3 und (445) miteinander verwachsen sind, konnte er an dem Londoner Skelet feststellen, doch nicht, daß auch Fibulare und Astragaloscaphoid beim erwachsenen Tier von einem einheitlichen Knorpel umschlossen werden. Er glaubte vielmehr bei Dermochelys denselben Zustand feststellen zu können wie bei Zhalassochelys: ein getrenntes Astragalo- scaphoid und Fibulare. „Wie der Carpus von Dermochelys sich mehr dem von Thalassochelys als dem von Chelonia anschließt, so auch der Tarsus. Es giebt sich dies in erster Linie an der erwähnten Trennung von Tritibiale (Astragaloscaphoid) und Fibulare zu er- kennen.“ Doch bestätigen meine Untersuchungen Ragr’s Vermutung, dab im Tarsus einer erwachsenen Dermochelys noch viel Knorpel vorhanden ist. Dieser Knorpelreichtum des Tarsus ist entsprechend zu beurteilen wie derjenige des Carpus (vgl. allg. Teil). Zwischen Horrmann’s (1890, tab. 12 fig. 1) und meiner Ab- bildung des Tarsus einer jungen Dermochelys wird man im allgemeinen eine größere Übereinstimmung finden als bei den Carpusbildern. Im einzelnen habe ich jedoch folgendes zu bemerken: zunächst finde ich das Fibulare noch sehr deutlich von dem Astragaloscaphoid ab- getrennt, ebenso Tarsale 3 von Tarsale 445. Ob sich auf diesem Stadium auch noch eine Selbständigkeit von Tibiale oder gar Cen- trale findet oder nicht, kann ich nicht bestimmt entscheiden. segenüber Chelonia zeigt der Tarsus von Dermochelys einige bemerkenswerte Unterschiede. Bei einer erwachsenen Chelonia !) 1) Offenbar bleiben beide Elemente bei Chelonia lange getrennt; denn 472 HEINRICH VOLKER, wird die proximale Tarsusreihe durch einen einzigen Knochen dar- gestellt, der durch Verschmelzung zweier beim jungen Tier in einem einheitlichen Knorpelkern eingebetteter Knochenkerne ent- steht (Rabi, Horrmann). Die junge Chelonia zeigt also denselben Befund wie die erwachsene Dermochelys. Andrerseits sehen wir, daß bei der erwachsenen Thalassochelys noch eine deutliche Grenze zwischen Tritibiale und Fibulare vorhanden ist wie bei der jungen Dermochelys. Im Protarsus ist also Dermochely zwar nicht mehr ganz so primitiv wie Thalassochelys, aber immerhin noch primitiver als Chelonia.!) Im Mesotarsus stimmen Chelonia und Thalassochelys überein. In der distalen Tarsalreihe von Dermochelys haben die Ver- schmelzungsbestrebungen zwischen den einzelnen Elementen eine größere Ausdehnung erlangt als bei Cheloniiden; doch zeigen die Tarsalia im übrigen bei Dermochelys einen einfacheren und daher wohl auch ursprünglicheren Zustand als bei den Cheloniiden. Bei diesen ist Tarsale 445 sehr groß, 3 sehr klein und 1 größer als 2. Bei Dermochelys ist das Tarsale 4+-5 allerdings das größte, aber es übertrifft die übrigen bei weitem nicht so stark wie bei den Chelo- niiden. Tarsale 1, 2 und 3 sind aber fast gleichgroß. Im Mesotarsus sind die Cheloniiden insoweit primitiver als Dermochelys, als bei ersteren die Tarsalien selbständig bleiben, bei letzterem teilweise verwachsen sind, aber in der recht verschiedenen bei einer Chelonia mydas von ca. 45 cm Carapaxlänge des Zoolog. Instituts finde ich noch eine sehr deutliche Naht, und GEGENBAUR (1898, p. 574 u. p. 576) bildet auch beide als selbständige Knochen ab. 1) Es ist allerdings nicht möglich, mit Gewißheit zu entscheiden, ob wir es hier bei Dermochelys nicht doch mit einem im Vergleich mit Chelonia sekundären Zustande zu tun haben, mit einem Stehenbleiben auf Jugendlicher Stufe. Durch die langsame und unvollständige Verknöcherung könnte sehr gut die Verwachsung von Tritibiale und Fibulare sekundär wieder unterblieben sein. Bei den Mosasauriern finden wir ja Ähnliches. Auch sie zeigen in der proximalen Tarsalreihe zwei getrennte Elemente. Wir wissen aber, daß die Mosasaurier von Lacertiliern abstammen, bei welchen Tieren die proximale Tarsalreihe nur von einem Knochen gebildet wird, und wir müssen daher annehmen, daß die Mosasaurier letzteren Zu- stand wieder verloren haben, indem infolge mangelhafter Verknöcherung (was wieder mit dem Meeresleben in Zusammenhang steht) die Verwachsung der Knochen unterblieb. Da aber eine Verwachsung der proximalen Tarsalia bei den Landschildkröten jedenfalls in der Regel fehlt, ist es wahrscheinlicher, daß Dermochelys hierin primitivere Verhältnisse aufweist als Chelonia. Dermochelys coriacea L. 473 Größe der einzelnen Tarsalia erweisen sich die Cheloniiden als weniger primitiv denn Dermochelys. Da diesem letzten Merkmale eine höhere Bedeutung innewohnen dürfte als den im Gegensatz zu Cheloniiden bei Dermochelys sich geltend machenden Verschmelzungs- bestrebungen der distalen Tarsalien und auch die Trennung des Tritibiales vom Fibulare bei Dermochelys wahrscheinlich ein primitives Merkmal darstellt (vel. Fußnote 1, S. 472), so dürfte man insgesamt betrachtet den Tarsus von Dermochelys für etwas primitiver halten als den von Chelonia. d) Die Metatarsalien und Phalangen. Der Metatarsal- und Phalangenabschnitt der Hinterextremität zeigt, abgesehen von der geringen Größe der einzelnen Glieder, im groben ganzen dieselben Verhältnisse wie an der Vorderextremität. Auch hier finden wir in der Stellung der Zehen Anzeichen für die Rudertätigkeit des Fußes. Die 3 ersten Zehen gehen mehr zum Vorderrande der Ruderplatte, die beiden letzten lassen eine deutliche Abductionsstellung nach dem Hinterrande erkennen (Fig. 25). Die Metatarsalien ordnen sich der Länge nach wie folgt: 4, 3, 1. 2, 5. Das erste ist wie das erste Metacarpale weitaus das massivste und articuliert auch in ganz entsprechender Weise wie dieses außer mit Tarsale 1 auch noch mit einem Abschnitt von Tarsale 2. Am tibialen Rande zeigt seine Knorpelepiphyse ebenfalls einen mit der Außenseite von Tarsale 1 artieulierenden Fortsatz, der aber verhältnismäßig schwächer entwickelt ist als an dem Meta- carpale I. Am fibularen Rande des Metatarsale I der linken Hinter- extremität finden sich zwei größere Höcker, denen bei Metatarsale II ein einzelner gegeniibersteht. An der rechten Hinterextremität waren diese drei Höcker nicht vorhanden. Sie scheinen keine nor- malen Bildungen darzustellen; Gervais bildet sie auch nicht ab. Metatarsale II articuliert in der Hauptsache mit Tarsale 2, greift aber noch etwas nach Tarsale 3 hinüber. Metatarsale III zeigt in seiner Mitte den kleinsten Querschnitt von allen Knochen dieser Reihe; es articuliert mit Tarsale 3 und ebenfalls noch etwas mit Tarsale 445. Das gleich Metacarpale IV nach der tibialen Seite zu schwach konkav gebogene Metatarsale IV heftet sich noch an Tarsale 4+5 an. Dieses kann aber nicht ganz sein proximales Ende aufnehmen. In den von dem überstehenden Ab- schnitt des Metatarsale IV und dem fibularen Rande der Tarsalia 4+5 gebildeten Winkel schmiegt sich das Metatarsale V Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 31 474 HEINRICH VÖLKER, hinein. Sein Knorpelsaum verdickt sich an der distalen und fibu- laren Ecke und bietet der ersten Phalange der 5. Zehe eine Arti- eulationsfläche. Über die Phalangen der Hinterextremität ist wenig zu bemerken. Die Endphalangen der 4. und 5. Zehe tragen wie der 4. und 5. Finger kleine Knorpelepiphysen am freien Ende. Die en der Phalangen beträgt von der großen Zehe aus gezählt: 2, 3, 3,35 als nr der Zehen, die größte zuerst genannt, er- LiDE sich : Be NE GERVAIS ln M etatarsus und Phalangenabschnitt fol Benders maBen (p. 220): „Le premier et le cinquième metacarpien [es muss heissen metatarsien| sont plus larges que les autres, mais le premier l’emporte sensiblement en longueur sur le cinquième dont la forme rappelle à quelques égards celle du pisiforme. Il y a deux phalanges au premier et au cinquième orteil et trois à chacun des trois autres. Les phalanges terminales sont sensiblement les plus courtes.“ Hieraus erhellt, dab Gervais mit GEGENBAUR in der Deutung von „S“ übereinstimmt; trotzdem gibt er die Zahl der Phalangen der 5. Zehe als 2 an, während er doch 3 hätte zählen müssen, wie auch seine Abbildungen richtig zeigen. An Horrmann’s Abbildung des Tarsal- und Metatarsalabschnitts einer jungen Dermochelys (tab. 12 fig. 1) scheint die Articulations- weise des Metatarsale I nicht richtig angegeben. Er läßt es mit seiner ganzen Endfläche ausschließlich mit Tarsale 1 in Berührung sein. Ich fand nur die halbe proximale Endfläche von Metatarsale I mit dem Tarsus in Articulation, und zwar mit Tarsale 1 und Tarsale 2. Dieses Verhältnis hat ja RABL auch schon besonders betont. Auch entsprechen Metatarsale II und III nicht so genau Tarsale 2 und 3, wie HOFFMANX gezeichnet hat, sondern verhalten sich abnlich wie beim erwachsenen Tier, d. h. sie articulieren auch ein wenig mit dem nächstfolgenden Tarsale. 3eim jungen Tier zeigt ferner Metatarsale V eine schlankere (sestalt als beim erwachsenen. Die Metatarsalien und Phalangen aber erscheinen im allgemeinen verhältnismäßig weniger gestreckt, plumper. Die Stellung der Zehen zeigt ebenfalls einen primitiveren Zustand gegenüber der Zehenstellung am Fuß des erwachsenen Individuums. Entsprechendes ergab sich ja auch für die Vorder- extremität. Doch sind hier die Phalangen schon in fast gleichen Verhältnissen ausgebildet wie beim erwachsenen Tier. Die Finger- Dermochelys coriacea L. 475 entwicklung hat also vor der Zehenentwicklung einen gewissen Vorsprung. Gegenüber dem Metatarsus der Cheloniiden zeichnet sich der von Dermochelys dadurch aus, dab Metatarsale I seine typische Gestalt, trotzdem es verstärkt wurde, bewahrt hat, während es bei jenen beinahe zu einer Scheibe verbreitert wurde. Die Phalangen von Dermochelys sind im allgemeinen schlanker als bei den Cheloniiden oder gar Protostegiden, haben alle Krallen verloren und sind in ähnlicher Weise im Bindegewebe verpackt wie an der Vorderextremität. II. Der Hautpanzer. Der Hautpanzer von Dermochelys ist bekanntlich ein Doppel- panzer, d. h. seine Elemente gehören nicht einer, sondern zwei Schichten von Verknöcherungen an. Die tiefere Schicht, welche bei den thecophoren Schildkröten die Hauptmasse des Panzers bildet, kann man als thecale bezeichnen. Die oberflächliche Schicht, bei Dermochelys auf dem Rücken als Mosaikpanzer mächtig entwickelt, nennt man dann zweckmäßig die epithecale. Hay, der zuerst diese beiden Schichten erkannt hat (vgl. den allgemeinen Teil weiter unten), unterscheidet sie als subdermale und dermale Da ich mich der Auffassung, die tiefere Schicht des Panzers liege nach innen von der Haut, „subdermal“, nicht anzuschließen vermag, so will ich mich nicht der Hay’schen, sondern obiger neuer Bezeichnungen bedienen.!) 1. Der Rückenpanzer (Carapax). Auf dem Rücken ist die oberflächliche, epithecale Panzerschicht auBerordentlich stark entwickelt. Sie wird dargestellt durch das Rückenschild. Zu der tiefer gelegenen, thecalen Schicht gehört vor allen Dingen die Nackenplatte. Dann sind hierzu zu rechnen jene Hautknochen, welche vielleicht in den verbreiterten Rippen von Dermochelys mit enthalten sind (vgl. den allgemeinen Teil). a) Das Rückenschild. Zwischen dem äußeren dermalen Rückenpanzer von Dermochelys und dem inneren Skelet (Wirbelsäule mit Rippen) liegt eine mächtige 1) Nähere Angaben über diese Frage finden sich in einer für den Druck vorbereiteten Arbeit von MENGER, die im Gießener Zoolog. Institut durchgeführt wurde. 31* 476 HEINRICH VÖLKER, Bindegewebsschicht von 2—3 cm Dicke. Das Panzerschild zeigt keinerlei Verwachsung mit den oberen Bogen der Wirbel oder mit den Rippen. Es bedeckt in sanfter Wölbung die ganze Oberseite des Rumpfes, erreicht im Bereiche der 2. Rumpfrippe seine größte Breite, um sich allmählich nach hinten zu verschmälern und schließlich schwanzartig zuzuspitzen (vgl. Textfig. A) Seine be- sondere Gestalt hat zu dem alten Speciesnamen Sphargis luth (Laute) die Veranlassung gegeben. Bemerkenswert ist die schlanke Form des Dermochelys-Panzers. In der folgenden Tabelle habe ich die Breite des Panzers immer gleich 100 gesetzt und die entsprechende Länge berechnet. Wir erhalten folgende Übersicht: Rückenpanzer Länge Breite Dermochelys rer 100 Chelonia 125 100 Protostega copei 116 100 Archelon ischiros 110 100 Wie hieraus hervorgeht, hat Dermochelys von allen angeführten Formen den weitaus schlanksten Rückenpanzer. Diese schlanke Panzerform muß wohl als unter dem Einfluß der schwimmenden Lebensweise erworben betrachtet werden. Ebenso muß man, scheint mir, ein zweites in der Form des Panzers hervortretendes Merkmal des Dermochelys-Panzers beurteilen: den durch vier Ecken charakterisierten Vorderrand. Hierzu vergleiche Textfig. A (S. 451) und die Ausführungen des allgemeinen Teils (8.5302): Beim erwachsenen Tier setzt sich der Rückenschild aus einer großen Anzahl kleiner, rundlicher oder vieleckiger, aber ziemlich dünner Knochenplättchen zusammen, die durch zackige Nähte mit- einander verbunden sind. Der ganze Carapax hat dadurch ein mosaikartiges Aussehen. Die größten und stärksten Knochentäfelchen sind längs der sieben Kiele aufgereiht: jederseits findet sich ein marginaler, supramarginaler und costaler, und ein unpaarer, neuraler Kiel verläuft längs der Mitte. Diese mehr viereckigen als rund- lichen und stark gekielten Knochenplättchen messen durchschnittlich 20—30 mm in Länge und Breite. Die Elemente des Panzermosaiks aber, welche die leicht konkave Fläche zwischen den Längskielen ausfüllen, sind ganz platt, nicht gekielt und in der Regel bedeutend Dermochelys coriacea L. 471 kleiner. Ihre Größe schwankt zwischen 1—20 mm im Durchmesser, Interessant ist, daß sich beim jungen Tier noch Reste eines vierten dorsalen Längskielpaares nachweisen lassen, allerdings nicht auf dem Rückenschild selbst, sondern auf dem Halse. Dies braucht ja weiter nicht zu überraschen, da man für die mittleren Kiele annehmen muß, daß sie im primitiven Zustand auch auf den Hals und Schwanz übergetreten sind (vgl. hierzu den alle. Teil). Bei Dermochelys liegen für diese Untersuchungen besonders günstige Verhältnisse vor, da sich die Längskiele auch in ihrer Färbung als rein gelblich-weiße Streifen sehr auffallend von dem dunkelbraunen Grunde der Rückenseite abheben. An einem un- verletzten jungen Exemplar der Senckenbergischen Sammlung zu Frankfurt a. M, das genau zu besichtigen mir durch die Liebens- würdigkeit des Herrn Dr. L. Nick möglich war, konnte ich sehr deutlich feststellen, daß die hellen Streifen des unpaaren Neural- kieles und der Costalkiele sich unmittelbar auf den Hals fortsetzen und daß in der Mitte zwischen Costal- und Neuralkiel auf dem Halse jederseits noch ein weiterer weißer Längsstreif hinzieht, der auf dem Rücken keine Fort- setzung hat und als Rest eines auf dem Rücken ver- schwundenen Costoneuralkieles gedeutet werden muß. Wie Taf. 30 Fig. 1 und Textfig. A zeigt, bilden die Elemente der beiden Randkiele (m) im hinteren Drittel des Panzers (von c—d), wo sie besonders groß ausgebildet sind, den Abschluß nach der Ventralseite hin. Sie haben hier dieselbe Lage und Gestalt wie die Marginalia anderer Schildkröten. Ihr Querschnitt zeigt die Figur eines spitzen Winkels, der den Scheitel nach außen, den einen Schenkel nach der Rücken-, den anderen nach der Bauchfläche richtet. Im vorderen Abschnitt des Rückenpanzers setzt sich das Knochenmosaik noch ein wenig über die seitliche Kiellinie ventral- und medialwärts fort. Diese Zone (von b—c, Fig. 1 und Textfig. A) erreicht ihre größte Breite gegenüber dem Ende der 7. Rumpfrippe in einer Ausdehnung von ungefähr 4 em. Vorn im Bereiche der 3. Rumpfrippe schließen sich nur vereinzelte Knochenplättchen ventralwärts an die Elemente der Längskiele an. Ich halte nun den Zustand im letzten Drittel des Seitenrandes, wo dessen Elemente nach Art von Margi- nalien einen besonders verstärkten Abschluß des Panzers bilden, gegenüber dem Befund im vorderen Abschnitt des Panzers, wo der Rand ganz unregelmäßig ist und die verstärkten Kielplättchen nicht die Begrenzung bilden, für den ursprünglicheren. Allgemeine Er- 473 HEINRICH VÖLKER, wägungen, die noch näher dargelegt werden sollen, machen diese Annahme wahrscheinlich. Ich bin also der Ansicht, daß ursprünglich bei Dermochelys die Elemente der Randkiele nach Art von Marginalien anderer Schildkröten den Abschluß bildeten, und ich sehe vom rein morphologischen Standpunkt aus keinen Grund, der eine Gleich- setzung dieser Randkielplatten von Dermochelys mit den Marginalien „thecophorer“ Schildkröten unmöglich machte, um so mehr als man bei fossilen Verwandten von Dermochelys (Protosphargis, Archelon, Protostega) ganz entsprechende Randplatten des Panzers gefunden hat, die allgemein als Marginalia angesehen werden. Besonders die Marginalia von Archelon sind diesen Randplatten von Dermochelys in solchem Grade ähnlich, daß letztere wohl ebenfalls als Marginalia gedeutet werden müssen. Auch bei Archelon schließen sich den Marginalien noch epithecale Panzerelemente an (vgl. Wirtanp, 1909, p. 119—120). Dann ist auch bei Dermochelys die Lagebeziehung dieser Randplatten zu den Rippenenden genau dieselbe, wie sie bei Chelonia caouana oder Thalassochelys zwischen Marginalien und Rippen- enden besteht, nur daß bei Dermochelys die Rippenenden nicht ganz bis an die Marginalien heranreichen, ein Zustand, der früher einmal ganz gut bestanden haben mag, da die mächtige Ausbildung der Bindegewebsschicht zwischen Panzer und Rippen bei Dermochelys sicher sekundär ist. Außerdem gleichen die Randplatten am hinteren Drittel des Dermochelys-Panzers in ganz auffälliger Weise den Margi- nalien von Emyda granosa. Aus diesen Verhältnissen müssen wir also den Schluß ziehen: Dermochelys besitzt Marginalia, die denen der Theco- phoren homolog sind; zugleich ergibt sich hieraus mit größter Gewißheit, daß die Marginalia allgemein beidenSchildkröten der epithecalen Panzerschicht an- gehören. Im allgemeinen Teil über den Panzer wird gerade auf diese letzte Frage nochmals genauer eingegangen werden, und es wird sich zeigen, daß auch entwicklungsgeschichtliche Befunde von GOETTE gut mit dieser Deutung im Einklang stehen. Nach vorn hin läßt sich bei Dermochelys die Reihe der Marginalia verfolgen bis zu der Stelle, wo der Panzer seine größte Breite erreicht (Taf. 30 Fig. 1 und Textfig. A bei 5). Weiter nach vorn zeigt der Carapax zunächst einen ganz unregelmäßigen Rand (Zone a—b). Auf dieser Strecke finden sich keine Elemente, die man als Marginalia betrachten könnte. Wohl aber läßt sich bei der jungen Dermochelys eine Fortführung der Marginalkiele bis fast an die Dermochelys coriacea L 479 vorderen Ecken der Costalkiele beobachten. Die Grenzplättchen des vorderen Randes (Zone a—a') lassen jedoch wieder eine deutliche reihenhafte Anordnung erkennen und bilden einen ganz glatten Abschluß des Panzers. Auf diese letzte Eigentümlichkeit darf man jedoch kein besonderes Gewicht legen, da die Bewegung des Halses in diesem Gebiet des Panzers einen glatten Rand verlangen dürfte. Die Tatsache, daß die mehr medialen Längskiele sich auf den Hals fortsetzen, sowie die Unterbrechung der Reihe der Marginalia nach vorn von der Ecke 6 sprechen gegen die Annahme, daß zwischen a und a’ früher einmal Marginalia vorhanden waren. Dab im Randsaum des Panzers von Dermochelys eine Reihe größerer Elemente liegt, die im hinteren Teil des Randes den Marginalien der thecophoren Schildkröten gleichen (besonders denen von Emyda granosa) und die dementsprechend als Marginalia zu deuten sind, finde ich in der Literatur nirgends erwähnt. Im Gegenteil, einige Autoren (BOULENGER, GRAY, Hay) betonen aus- drücklich das Fehlen von Marginalien bei Dermochelys. Erwähnen will ich noch, daß in dem bräunlichen Panzermosaik ganz schmale helle, mehr gelblich gefärbte Streifen von verschiedener Länge und Richtung hervortraten (Breite etwa 2 mm, Länge bis mehrere cm). Sie zeigten keine besondere Beziehung zu den Nähten zwischen den einzelnen Mosaikplättchen, sondern gingen oft mitten durch einzelne Panzertäfelchen hindurch, Auch ihre Anordnung ließ keine Gesetzmäßigkeit erkennen. Die Tatsache, daß die in Frage stehenden Streifen oft mitten durch z. T. ganz kleine Panzerelemente verliefen, scheint mir gegen die sonst vielleicht naheliegende Annahme zu sprechen, man könnte es mit verheilten Bruchstellen zu tun haben. Ein Bruch wäre doch wohl dem Rande der keineswegs besonders fest zusammengefügten Panzer plättchen gefolgt. Wie diese Streifen jedoch sonst zu deuten sind, ist mir unklar. Gervais bildet (1872, tab. 9) vom Panzer der erwachsenen Dermochelys eine Querzone ab, die ungefähr der Mitte des Rücken- schildes entnommen wurde. Danach erscheint (vgl. Gervais’ fig. 30) der Rand in diesem Teil des Rückenschildes nicht unregelmäßig, wie ich bei meinem Exemplare feststellen konnte, sondern ganz auf- fallend glatt und sogar noch durch einen kleinen Wulst verstärkt. Nach meinen Befunden erscheint es mir ganz unwahrscheinlich, daß der Panzer meines Exemplares sich noch so hätte weiter entwickeln können, dab der Rand ähnlich geworden wäre, wie GERvAIS es ab- 480 HEINRICH VÖLKER, gebildet hat. Es dürfte sich bei Gervais höchstwahrscheinlich um eine unzutreffende Ergänzung handeln. b) Das Nuchale (Taf. 30 Fig. 1, Textfig. A Nu). Der thecale Rückenpanzer von Dermochelys erscheint gegenüber dem epithecalen recht schwach ausgebildet. Während bei den Thecophoren die der thecalen Schicht zugehörigen Neuralia und Costalia die Hauptkomponenten des Rückenpanzers darstellen, finden wir bei Dermochelys überhaupt keine Neuralia (vgl. hierzu allg. Teil) und höchstens ganz rudimentäre Costalia (als Verbreiterungen der Rippen). Nur das Nuchale ist gut entwickelt, und über seine Zu- gehörigkeit zu dem thecalen Panzer kann nicht der allergeringste Zweifel bestehen. Denn es wird von dem Mosaikpanzer des Rücken- schildes durch eine dicke Bindegewebsschicht getrennt, und das Rückenschild zieht vollkommen über das Nuchale hinweg, so daß das Nuchale deutlich einer tieferen Panzerschicht angehört als der Mosaikpanzer. Die Nackenplatte (Fig. 1) liegt oberhalb der letzten Halswirbel, direkt nach vorn von der Stelle, wo die Halswirbelsäule sich an die Rumpfwirbelsäule anschließt, ganz flach der Innenseite der Binde- sewebslage der Haut aufgelagert. In seiner Gestalt erinnert das Nuchale lebhaft an ein Hyo- oder Hypoplastron von Archelon ischyros. Es erscheint als eine große gewölbte Platte mit zahlreichen Zacken, besonders am Seitenrande. Die mittlere ziemlich kurze Spitze des wenig zackigen Vorderrandes reicht gerade bis zum Vorderrande des Rückenschildes. Nach hinten entsendet die Nackenplatte drei große Zacken, von denen die unpaare, mittlere an ihrem Grunde einen Gelenkhöcker (c. Nu) hervorwölbt, mit dem, wie schon bei der Beschreibung der Wirbelsäule erwähnt, der Dornfortsatz des 8. Hals- wirbels articuliert. Einen entsprechenden Gelenkhöcker besitzt auch das Nuchale von Chelonia. Nach den beiden Seiten hin entspringen zahlreiche kräftige Spitzen, die zum Teil etwas in das Bindegewebe eindringen und dadurch das Nuchale wirksamer verankern. Gervais’ Exemplar besab ein Nuchale, das etwas unregelmäßiger gezackt war, aber dieselben allgemeinen Formverhältnisse aufwies wie das von mir untersuchte. 2. Der Bauchpanzer (Taf. 30 Fig. 2 u. 2a—c). Auf der Bauchseite sind die Verhältnisse des Hautskelets in- sofern interessant, als wir hier die zwei verschiedenen Schichten Dermochelys coriacea L. 481 von Verknöcherungen sehr gut voneinander getrennt antreffen. Die tieferen Elemente sind dem Plastron der thecophoren Schildkröten- homolog; sie gehören also zu den typischen Skeletelementen des Thecophoren-Panzers und können dementsprechend auch als thecale Skeletelemente bezeichnet werden. Die mehr oberflächlichen Haut- knochen entsprechen dagegen dem Mosaikpanzer des Rückenschildes von Dermochelys, sind epithecale Elemente. Dies geht besonders klar aus den Verhältnissen des Bauchpanzers bei Psephophorus hervor. a) Der epithecale Hautpanzer der Bauchseite. Die oberflächliche, epithecale Schicht besteht aus einzelnen Hautknochen, die ganz unregelmäßig über 5 Längslinien (Fig. 2, 1—5) der Bauchseite, die seitlichen inframarginalen, die plastralen und die mittlere interplastrale, verstreut sind. Seither wurden immer nur 5 einfache Längsreihen von Verknöcherungen auf der Bauchseite von Dermochelys beschrieben. Aber wie aus meinen Untersuchungen hervorgeht, ist die mittlere (3) derselben in einem Teil ihres Ver- laufs eine Doppelreihe von. Hautknochen. Wenn die am Bauche des jungen Tieres infolge ihrer weißen Färbung auf der sonst dunklen Haut scharf hervortretenden Längszonen den Reihen der Hautverknöcherungen des älteren Tieres entsprechen sollten, was eigentlich kaum zu bezweifeln ist, da beim erwachsenen Tier die einzelnen Hautknochen in den noch deutlich erkennbaren weiben Längsstreifen angetroffen werden, so muß man den Befund einer teilweise doppelten medianen Knochenreihe eigentlich erwarten, denn die mittlere Zone zeigt beim jungen Tier unter Einfluß des Nabel- stranges in ihrem hinteren Abschnitt eine doppelte Anlage. Die einzelnen Hautknochen selbst liegen ziemlich oberflächlich, die größeren zum Teil bloßgescheuert, auf der mächtigen, bis 3 cm dicken (Fig. 2a‘) Bindegewebsplatte des Bauches, welche für sich schon einen vor- trefflichen elastischen Panzer darstellt. Die Längslinien der Bauch- seite entsprechen zweifellos den Kielen des Rückenschildes. Auch haben die größeren Elemente dieser ventralen Längslinien genau dieselbe Gestalt wie die gekielten Knochenplättchen der dorsalen Längskiele. Meine Fig. 2a usw. auf Taf. 50 gibt über Gestalt und Befestigung dieser Knochen im Bindegewebe Aufschluß. Die beiden nächst den 2 mittleren gelegenen Längsreihen der Bauchseite folgen ungefähr dem Knochenring des Plastrons, das die zweite, tiefer gelegene, thecale Skeletschicht des Bauchpanzers darstellt. Im Vergleich zu den Kielen des Carapax erscheinen die Längs- 482 Heinrich VÖLKER, linien der Bauchseite sehr schwach entwickelt, was wohl als ein rückgebildeter Zustand zu deuten ist. Als Stütze dieser Auffassung läßt sich verwerten: die sehr unregelmäßige, beiderseits durchaus unsymmetrische Anordnung der einzelnen Elemente und ihre sehr verschiedene Größe (vgl. Fig. 2). b) Die thecale Bauchpanzerschicht (das Plastron) (Taf. 30 Fig. 2). Von keiner anderen Schildkrötenart ist ein Plastron bekannt, das sich aus ähnlich schmächtigen Stücken aufbaut wie dasjenige von Dermochelys. Besonders bemerkenswert ist auch das völlige Fehlen eines Entoplastrons; auch beim jungen Tier ist, wie über- einstimmend verschiedene Autoren angegeben haben und was auch ich bestätigen kann, keine Spur eines solchen zu finden. Das Plastron von Dermochelys hat die Gestalt eines langovalen Knochenringes, der aus 4 Paar Stücken besteht. Vorn liegen die Epiplastren (Claviculae). Von der Vereinigungsstelle in der Mittel- linie sendet jedes Epiplastron (ep) einen dünnen, breiten Fort- satz nach vorn, dagegen nach hinten und außen einen scharfen, spitzen. Die Hyoplastren (hy), welche die längsten Knochen des Plastrons darstellen, schieben sich von der Innenseite betrachtet (vel. Fig. 2) mit den vorderen Spitzen unter die Epiplastren. In der Mitte verbreitern sich die Hyoplastren unter gleichzeitiger Ab- plattung und entsenden seitlich und nach außen einen breiten Fort- satz. Nach hinten werden sie jedoch wieder schmal und im Quer- schnitt rundlich. Die hinteren Enden der Hyoplastren verhielten sich insofern ungleich, als das eine unter, das andere über dem Vorderrande des anschließenden Hypoplastrons (hyp) lagerte. Das Hypoplastron der rechten Seite erscheint bedeutend kleiner als das der rechten. Die Hypopiastren sind in der Mitte breite und flache Knochen, die sich beiderseits zuspitzen. Dasselbe gilt von den Xiphiplastren (zi), welche den Knochenring des Plastrons hinten ab- schließen, ohne jedoch in der Mittellinie zusammenzutretten. Die Vorderenden der Xiphiplastren schmiegen sich von außen her den Hinterenden der. Hyoplastren an. Beim erwachsenen Tier bestand zwischen Länge und Breite des Plastrons das Verhältnis 100:39 (rund). Das im Bindegewebe der Bauchdecke belassene Plastron des jungen Tieres färbte ich nach Luxpvazr’s Angaben (in: Anat. Anz. 1905, Vol. 27, p. 520) mit Alizarin. Diese Methode lieferte Dermochelys coriacea L. 483 ein ganz vorzügliches Präparat. Nach der Überführung des Ob- jektes in reines Benzol wurde das Bindegewebe ganz durchsichtig, und die schön rotgefärbten Knochen des Plastrons waren bis in die feinsten Einzelheiten der Form leicht erkennbar. Das Präparat zeigte auch mit größter Deutlichkeit, daß bei der eben ausgeschlüpften Dermo- chelys in den Längsreihen der Bauchseite noch keine Spur von der- malen Verknöcherungen vorhanden ist. Ebenso war auch nicht die kleinste Verknöcherung aufzufinden, welche man als Rest eines Entoplastrons hätte deuten können. Am Plastron selber waren die 8 Stücke schon alle ausgebildet und in denselben gegenseitigen Lagebeziehungen, nur klaffte zwischen den gegenüberstehenden Enden der Hyo- und Hypoplastren noch eine weite Lücke. Wie der Vergleich mit dem fertigen Plastron lehrt, sind es vor allem die Hyoplastren, welche bei der weiteren Entwicklung sich verlängern und den Zwischenraum überbrücken. Doch scheint diese Verlängerung nicht kontinuierlich von ihrem hinteren Ende aus vorzuschreiten, denn ich finde in dem freien Zwischenraum einzelne winzige Knochenzentren, die vermutlich später untereinander und mit dem betreffenden Hyoplastron ver- . schmelzen. Auch die Hyoplastren verlängern sich bei der weiteren Entwicklung etwas nach vorn hin und tragen so dazu bei, dab die beim jungen Tier vorhandene Lücke in dem Ring der Plastron- elemente geschlossen wird. Die Länge des Plastrons verhält sich zur Breite wie 2:1. Eine sehr mangelhafte Beschreibung hat Rarukz (1848, p. 122) vom Plastron der jungen Dermochelys gegeben: „Am unvollkommen- sten gebildet und nur schwach angedeutet fand ich das Bauch- schild (Plastron) bei dem jüngern Exemplar von Sphargis. Es be- stand dasselbe aus 4 paarigen, bogenförmig gekrümmten und relativ, wie absolut, sehr schmalen Streifen, die fast allenthalben gleich breit und so gelagert waren, dass das vordere Paar von dem hintern weit abstand, und dass die des erstern Paares einander mit ihren vordern Enden berührten, die des andern aber mit ihren hintern Enden einander nur sehr nahe lagen (tab. 4 fig. 5, a und b). Ein jeder Streifen war an seinen beiden Enden knöchern, in der Mittehingegen auf eineziemlich grosse Strecke knorp- lig, so dass demnach im ganzen 8paarige Knochen- punkte vorkamen. Von den vordern Streifen sendete ein jeder in einiger Entfernung von seinem hintern Ende nach aussen einen kurzen, einfachen, spitz auslaufenden und horizontal gelagerten Ast 484 HeixricH VOLKER, ab, der eine Andeutung eines sogenannten Flügels des Bauch- schildes bezeichnete. Von einem unpaarigen Stücke konnte ich keine Spur auffinden.“ Von den Knorpelteilen im Plastron der jungen Dermochelys, wie sie RATHKE in dieser Weise beschrieben hat, konnte ich nichts sehen. Es scheint sich bei RATHKE um eine ungenaue Beobachtung zu handeln, um so mehr, da seine Abbildung des Plastrons mehr als schematisch genannt werden muß und anstatt 8 nur 4 Stücke zeigt. Auch GOETTE und Horrmann konnten RATHKE’S Behauptung, das Plastron der jungen Dermochelys entstehe auf knorpliger Grundlage, nicht bestätigen. Eine gute Abbildung vom Plastron der jungen Dermochelys scheint es noch nicht zu geben, da auch diejenigen WAGLERS (1830, tab. 1 fig. 23) und Gray’s (1873, tab. 6 fie. 5) sehr ungenau sind. Überhaupt gilt dies von vielen Abbildungen WaGrer’s vom Skelet einer jungen Dermochelys (ganz davon ab- gesehen, daß er nur die knöcheren Teile berücksichtigt hat). Man vergleiche seine figg. 4, 17, 18, 19, 20, 21, 22 und 23 mit meinen Abbildungen. In seiner Gesamtheit betrachtet macht das Plastron von Dermo- chelys den Eindruck einer rudimentären Bildung. Hierauf weist hin: das vollkommene Fehlen eines Entoplastrons, die Zierlichkeit aller Elemente und ihre asymmetrische Bildung. Offenbar ist es funk- tionell auch ziemlich bedeutungslos. Schließlich darf man auch die Tatsache, dab fossile Verwandte von Dermochelys (Protostega, Archelon und Protosphargis) ein besser entwickeltes Plastron besaßen, als Stütze für die Annahme einer Reduktion des Dermochelys-Plastrons anführen. Baur (1886c, p. 687, 1889b, p. 186 und WrezanD (1906, p. 11) haben ebenfalls das Plastron von Dermochelys für reduziert und nicht ursprünglich gehalten. Hay scheint gleichfalls hierzu zu neigen. Auch im Hinblick auf die mächtige Verstärkung, welche die Binde- sewebsschicht der Bauchseite erfuhr, wird man annehmen dürfen, daß Hand in Hand damit eine Rückbildung des Plastrons ging. Nach Gervais Abbildung zu schließen, muß sein Exemplar ein viel regelmäßiger gebautes und aus etwas kräftigeren Stücken zu- sammengesetztes Plastron besessen haben als das meinige. Besonders fällt mir aber der große Querdurchmesser des Plastrons bei GERVAIS’ Abbildung auf. Die Gesamtlänge verhält sich nämlich zur Breite wie 100:57, während ich an meinem erwachsenen Exemplar das Verhältnis 100:39, beim jungen 100:50 finde. Gervais’ Abbildung des Plastrons des jungen Tieres zeigt ungefähr dasselbe Verhältnis Dermochelys coriacea L. 485 100:50; es scheint annähernd das normale für sehr junge Tiere zu sein, denn auch WAGLeEr’s und Gray’s Abbildungen vom Plastron ganz junger Tiere stimmen damit gut überein. 3. Sonstige Hautknochen. An dieser Stelle wäre zu erwähnen, daß in den Vorderflossen, an ihrem vorderen Rande, und zwar in der Zone des Bindegewebes, die durch das Metacarpale I begrenzt wird, mehrere rundliche, ganz im Bindegewebe eingeschlossene Hautknochen von Erbsengröße und kleiner gefunden wurden. Sie sind bis jetzt noch nicht beschrieben worden. Die Ausbildung von Hautknochen an dieser Stelle kann man in Zusammenhang bringen mit der besonderen Beanspruchung des Flossenvorderrandes beim Schwimmen !), aber auch damit, daß das schwere Tier, wenn es gelegentlich ans Land gehen muß (Eiablage) sich vorwiegend auf diesen Teil der Flosse stützt. Beide Faktoren mögen wirksam gewesen sein. B. Allgemeiner Teil. Zusammenfassung der Besonderheiten des Dermochelys-Skelets, Vergleich mit dem Skelet verwandter Formen und hieraus sich ergebende Folgerungen über die systematische Stellung von Dermochelys. 1 Allgemeine Bemerkungen. Fragestellune. Dermochelys ist eine, besonders im Panzer, sehr wesentlich von allen lebenden Schildkröten abweichende Form. Sie wurde und wird noch jetzt (Hay, 1898; 1908, p. 27) häufig als der Rest eines sehr primitiven Astes des Schildkrötenstammes betrachtet und als Vertreter der Atheca in Gegensatz zu allen übrigen Schildkröten, den Thecophoren, gestellt. Andrerseits wurde aber diese primitive Stellung von Dermochelys bestritten, indem auf nähere Beziehungen 1) Bekanntlich zeigen auch einige Wale hier Hautverknöcherungen, Reste eines früheren Hautpanzers, die am Vorderrande der Brustflossen (und an einigen anderen Stellen) wegen ihrer funktionellen Bedeutung er- halten geblieben sind (vgl. ABEL, 1912, p. 474). An der Vorderflosse von Ichthyosauriern hat FRAAS ebenfalls Hautverknöcherungen im Vorder- rande nachgewiesen (ABEL, 1912, p. 475). 486 Heinrich VOLKER, zu den Cheloniiden hingewiesen wurde; die Atheca wären nur die am meisten spezialisierten Cheloniiden (Baur, DorLzo, 1901) oder stammen doch jedenfalls von typischen Thecophoren ab (van BEMMELEN, 1895: Case, 1898; WıELAnD, 1906a, 1909). Nick (1912, p. 207, 208) neigt dazu, als Stammform aller Meeresschildkröten eine Form an- zunehmen, die schon eine Meeresschildkröte war oder doch jedenfalls eine wasserbewohnende Form; aus dieser sollten dann unabhängig sowohl Dermochelys wie die Cheloniiden sich entwickelt haben, womit er sich besonders dem von Case vertretenen Standpunkte nähert. Diese Frage ist eben von größerem Interesse, weil man es entweder mit einer im Panzer sehr primitiven Form zu tun hat oder mit einer sehr weitgehenden und interessanten Umbildung des Panzers in relativ kurzer Zeit.!) Bei Behandlung der Frage nach der systematischen Stellung von Dermochelys sucht Nick (1912) die Eigentümlichkeiten des Kopf- skelets in zwei Gruppen zu ordnen; der ersten weist er solche Merkmale zu, deren Zustandekommen als Folge der gleichen Lebens- weise von Dermochelys und Chelonia anzusehen ist oder doch sich unabhängig voneinander in Anpassung an die gleiche Lebensweise ausgebildet haben könnten; es sind dies die Konvergenzen resp. möglicherweise auf Konvergenz beruhenden Ähnlichkeiten. Ihre Erkennung ist von größter Bedeutung, denn diese auf Parallel- entwicklung beruhenden Ähnlichkeiten im Bau beider Formen haben für die Beantwortung der Frage nach der Art und dem Grade ihrer Verwandtschaft keinen Wert. Im besonderen ergibt sich noch hierbei, daß Dermochelys in zahlreichen Merkmalen eine viel weitergehende Beeinflussung durch das Meeresleben erfahren hat als Chelonia: Unter- schiede des Dermochelys-Skelets gegenüber dem von Chelonia, die daraus entstanden sind, bezeichnet Nıck als rezente Divergenzen. Eine andere Gruppe von Merkmalen sind solche, die weder auf Kon- vergenzentwicklung zurückgeführt noch als rezente Divergenzen er- klärt werden können: es sind die primitiven Merkmale, Uberein- stimmungen, welche man als gemeinsames Erbgut betrachten darf, ferner solche Unterschiede, die den Charakter alter Divergenzen zu tragen scheinen. Sie allein sind wertvoll für die Erkennung der phyletischen Zusammengehörigkeit von Dermochelys und Chelonia. An die Spitze der Merkmale, die man als Folge des Meeres- |) Nähere Angaben über die Literatur brachte Nick, 1912 (p. 7—11); um Wiederholungen zu vermeiden, sei darauf verwiesen. Dermochelys coriacea L. 487 lebens ansehen muß, stellt Nick den großen Knorpelreichtum des Meerschildkrötenschädels im allgemeinen und des Dermochelys-Schädels im besonderen. Wie meine Untersuchungen dartun, zeigt das übrige Skelet genau das gleiche Verhältnis. Der hohe Knorpelgehalt des Skelets der Seeschildkröten ist also kein Beweis für eine nähere Verwandtschaft dieser Tiere; es kann sich genau so gut um eine parallele Umbildung infolge der gleichen marinen Lebensweise handeln, um eine Konvergenz. Als eine rezente Divergenz ist, vom gleichen Gesichtspunkte aus, der ungleich größere Knorpelreichtum zu betrachten, den das Dermochelys-Skelet im Vergleiche mit dem Cheloniidenskelet aufweist. Diesen Knorpelreichtum des Meerschildkrötenskelets darf man aus dem Grunde als Folee der pelagischen Lebensweise betrachten, weil man entsprechende Befunde bei anderen marinen Reptilien, z. B. Ichthyosauriern und Mosasauriern, gemacht hat. Die Ossification geht bei derartigen Tieren viel langsamer vor sich als bei Land- bewohnern, so dab man bei ihnen an vielen Stellen noch Knorpel vorfindet, wo man hätte erwarten dürfen, Knochen zu finden. So enthält z. B. der Carpus und Tarsus einer selbst sehr groben Dermochelys unvergleichlich viel mehr Knorpel, als bei jeder anderen rezenten Schildkröte auf einer entsprechenden Entwicklungsstufe angetroffen wird. Im Carpus von Dermochelys z. B. bildet das Radiale anscheinend niemals mehr einen Knochenkern aus (vgl. hierzu S. 461). In diesem Zusammenhange erinnere ich auch an die bei meinem Exemplar gewaltigen Knorpelplatten der Supracoracoide — das rechte mift 8,5 cm in der Breite und 10 cm in der Länge —, die von einer 2—3 em dicken Knorpelmasse gebildete Gelenkpfanne für den Gelenkkopf des Humerus, an den größtenteils aus Knorpel bestehenden Gelenkkopf des Humerus selber und den benachbarten 5 em hohen und 6 cm breiten Knorpelzapfen des Processus medialis (FÜRBRINGER). Für das Femur gilt in dieser Beziehung entsprechendes wie für den Humerus. Weiterhin zeichnet sich der Beckengürtel durch eine ungemein große knorplige Epipubis aus und durch seine ansehnlichen nach Art von Knorpelhörnern gebildeten Praepubica. Auch das Knorpligbleiben der Ischiopupicalbrücke bei Dermochelys und Chelonia mag hier Erwähnung finden. Weiter glaube ich hier anführen zu können: die knorplig-bindegewebige lockere Vereinigung von Hium und Sacralrippen einerseits und Sacralrippen und Sacral- wirbel andrerseits. Als möglicherweise nur auf Konvergenz beruhend muß ich HEINRICH VÖLKER, 48 eo auch die verhältnismäßige Kleinheit des Sacrums, des Beckens und der Hinterextremitäten bei Chelonia und Dermochelys betrachten. Denn wenn man die Art der Befestigung des Beckens an der Wirbel- säule, überhaupt die ganze Beckenregion betrachtet, drängt sich der Gedanke auf, daß in diesem Gebiete des Skelets eine Rückbildung erfolgt sei. Dieser Vorgang mag ausgegangen sein von der Ver- kleinerung der Hinterextremitäten — Hay, 1908, p. 16: „The hinder limb is reduced in size, as in the Cheloniidae, . . “ —, die nur noch zur Steuerung, weniger zum aktiven Schwimmen dienen (Douro, 1903, p. 833); er übertrug sich auf das Becken, das bei Dermochelys recht schwach erscheint für ein so großes Tier, und beeinflußte natürlich auch die Sacralwirbel, deren Zusammenhang mit dem [lium so locker wurde, daß er niemals für die Bedürfnisse eines gleich- schweren, landbewohnenden, seine Hinterbeine als Träger der Körper- last verwendenden Tieres ausreichen würde. Unmittelbar spricht auch die verhältnismäßig viel stärkere Ausbildung der Beckenregion bei Archelon ischyros und Protostega (vgl. WIELAND, 1909, fig. 4 u. 9) für eine erfolgte Reduktion derselben bei Dermochelys. Bei den Seeschildkröten, vor allem bei Dermochelys, ist also an vielen Stellen, offenbar wo dies aus mechanischen Gründen möglich war, die Verknöcherung des Knorpelskelets unterblieben; zum Teil, z. B. im Knorpelreichtum von Carpus und Tarsus, dürfte eine be- stimmte Anpassung vorliegen, indem Hand- und Fußwurzel dadurch eine mehr nachgiebige Verbindung der Flossen mit dem Unterarm resp. dem Unterschenkel darstellten, als es der bei den Stammformen gut verknöcherte Carpus und Tarsus gewesen war. Aber meist ist nicht klar ersichtlich, in welcher Hinsicht eine Anpassung vorliegen könnte, und dies legt die Schlußfolgerung nahe, dab die langsamere, mangelhaftere Verknöcherung des Skelets nicht so sehr eine An- passung ans Meeresleben ist, als vielmehr eine Folge desselben, in- dem dadurch die Verknöcherung, soweit es nicht nachteilig ist, ver- langsamt wird, schließlich selbst unterbleibt (z. B. im Radiale) (vgl. hierzu auch Nick (1912), p. 185). Nick fand auch Anzeichen dafür, daß an zahlreichen Stellen des Schädels sowohl von Dermochelys wie in geringerem Maße von Chelonia der Knochen reduziert wurde, der nicht knorplig präformiert war, so dab ein Ersatz durch Knorpel nicht eintrat. Ein ganz entsprechender Vorgang, auf den ich jetzt schon des Zusammenhangs wegen hinweisen will, dürfte sich, wie auch Doro (1901) angenommen hat, in dem jüngsten Abschnitt der phylogenetischen Entwicklung des Hautpanzers bei Dermochelys ab- Dermochelys coriacea L. 489 gespielt haben. Besonders deutlich geht das aus dem Zustand des Bauchpanzers hervor, und zwar dürfte mit der sekundär erfoleten Verstärkung der durchschnittlich 3 cm dicken Bindegewebsschicht der Bauchseite Hand in Hand gegangen sein sowohl eine Reduktion der epithecalen Bauchpanzerschicht, die ganz sicher keinen primi- tiven Zustand mehr darstellt, wie auch der thecalen, des Plastrons (vgl. hierzu S. 482 u. 484). Der Rückenpanzer ist in dieser Hinsicht nicht so einfach zu beurteilen. Ohne weiteres ergibt sich aller- dings, daß der thecale Rückenpanzer stark reduziert worden sein muß, da Neuralia völlig fehlen und die Rippen nur sehr geringe Verbreiterungen zeigen, so daß Costalia ebenfalls entweder ganz ver- schwunden oder nur noch in sehr geringen Resten erhalten geblieben sind. Verhältnismäßig gut ausgebildet ist nur noch das Nuchale. Weniger klar liegen die Verhältnisse des epithecalen Rückenpanzers von Dermochelys. Da er jedoch, wie der stark reduzierte Bauch- panzer, ebenfalls eine dicke Bindegewebsschicht als Unterlage be- sitzt, erscheint es im Hinblick hierauf und im Hinblick auf das mächtige Epithecalskelet des nahverwandten fossilen Psephophorus doch äußerst wahrscheinlich, daß auch das epithecale Rückenschild bei den unmittelbaren Verfahren von Dermochelys dicker und stärker aus- gebildet war, aber gleich dem Bauchpanzer unter dem Bestreben, die Masse des schweren Knochen möglichst zu beschränken, und unter gleichzeitiger sekundärer Verstärkung der Bindegewebsschicht zu jenem dünnen Belag von knöchernen Mosaikplättchen rückge- bildet wurde, den wir heute bei Dermochelys (vgl. Dotto, 1901) antreffen. Aus demselben Entwicklungsbestreben mögen sich auch die Fontanellen im Panzer der Cheloniiden erklären lassen. Auch bei Walen (Aser, 1912, p. 471) läßt sich unter dem Einfluß des Meereslebens ein gleicher allgemeiner Rückgang der Verknöcherungen, insbesondere des Hautpanzers, feststellen (vgl. auch Ichthyosaurier, Plesiosaurier und Thalattosuchier [Aser, p. 477)). Der Knorpelreichtum und die Verminderung der Knochensub- stanz im Skelet der Seeschildkröten können also eine Konvergenz- erscheinung darstellen. Auch fanden wir, daß Dermochelys im Ver- gleich zu Chelonia eine viel stärkere Beeinflussung durch das Meeres- leben erfahren hat. Wichtig ist diese Erkenntnis deshalb, weil daraus hervorgeht, dab der höhere Knorpelgehalt des Dermochelys- skelets gegenüber dem Cheloniidenskelet nicht ohne weiteres als ein primitives Merkmal gedeutet werden darf, sondern sich ebenso wie die bei Dermochelys in höherem Maße als bei Cheloniiden er- Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 32 490 HEINRICH VÖLKER, folgte Reduktion des Knochens wohl als höhere Anpassung, als rezente Divergenz dokumentiert. Die höhere Spezialisierung von Dermochelys für die schwimmende Lebensweise äußert sich auch in der schlankeren Rumpfform, vor allen Dingen aber in dem Bau der Extremitäten. Der Humerus von Dermochelys hat sich viel weiter von der Urform des Schildkrötenhumerus entfernt, als dies bei Cheloniiden der Fall ist. Er ist nicht allein der verhältnismäßig kürzeste, sondern auch breiteste bekannte Schildkrötenhumerus (WrEeLAND, 1900; Dozzo, 1903). Der Unterarm zeichnet sich gleich- falls dem der Cheloniiden gegenüber durch stärkere Verkürzung aus. Im Carpus muß die riesige Vergrößerung des Pisiformes mit der Umbildung der Hand zu einem höchst vollkommenen Ruderorgan in Verbindung gebracht werden, ebenso die bedeutende und bei Dermochelys im Verhältnis zu Cheloniiden viel stärkere Verlängerung der Metacarpalien und Phalangen. Auch darin, daß die Endphalangen der Dermochelyshand — für den Fuß gilt dasselbe — keine Krallen mehr haben, während bei Chelonia an der Hand noch Krallen am ersten Finger vorkommen, bei Protostegiden sogar noch an dreien, tritt diese höhere Spezialisierung von Dermochelys zutage. Diese vollkommenere Anpassung von Dermochelys an das Leben im Meere kann man nach Nick auf zwei Ursachen zurückführen. Einmal könnte Dermochelys ein längeres pelagisches Leben hinter sich haben als die übrigen Seeschildkréten; dann wäre aber auch möglich, daß Dermochelys und Cheloniiden sich ungefähr gleich- zeitig dem Meere zugewandt hätten und Dermochelys nur infolge eines ihr eigenen leichteren Umbildungsvermögens oder unter dem Einfluß einer etwas anderen Lebensweise jenen Vorsprung in bezug auf Anpassung vor den Cheloniiden erreicht hätte. Besonders mit Unterschieden in der Art des marinen Lebens (ob Küstenformen oder Hochseetiere, Pflanzenfresser oder Carnivoren) der Stamm- formen wird zu rechnen sein. Wir werden also bei unseren, vor allem eine Prüfung der Verwandtschaft bezweckenden, vergleichenden 3etrachtungen über das Skelet von Dermochelys darauf zu achten haben, dab wir uns nicht durch mögliche Konvergenzen oder rezente Divergenzen irreführen lassen; sondern wir müssen besonders die- jenigen Merkmale in Betracht ziehen, die, sei es als gemeinsames Erbgut, sei es als alte Divergenzen, die wesentliche Grundlage für die Beurteilung der Verwandtschaft von Dermochely und der Cheloniiden bilden. Dermochelys coriacea L. 491 2. Das Stamm- und Gliedmaßenskelet. Hinsichtlich der Halswirbelsäule ist Dermochelys und Chelonia gemeinsam die verhältnismäßige Kürze des Halses, die charakte- ristische Art der Gelenkbildung zwischen den einzelnen Wirbeln und zwischen dem 8. Halswirbel und der Nackenplatte, das Selb- ständigbleiben der oberen Bogen, das Auftreten ventraler Cristae und die primitive Ausbildung von Atlas und Epistropheus. Ähnlich bei Dermochelys und Cheloniiden sind auch die Verhältnisse der Rumpf-, Sacral- und Schwanzregion. Was dabei vielleicht als Kon- vergenzerscheinung zu deuten wäre, wurde schon bezeichnet (S. 444 f.), wie z. B. die unvollständige Differenzierung der Zwischenwirbel- scheiben (auch im Halse), Kleinheit der Sacralwirbel und Ver- kürzung des Schwanzabschnitts. Die Ähnlichkeit in der Bildung des Cerviconuchalgelenkes von Dermochelys und Cheloniiden glaubte Hay 1898, p. 932, als Konvergenz deuten zu können. Ich halte diese Ansicht für kaum zutreffend, weil auch die Zozxochelyidae (WrerAnn, vgl. Hay, 1908, p. 164) und die Protostegidae (WIELAND, 1909, p. 115) dieses Gelenk besitzen. Auch zeigen Dermochelys und die Cheloniiden, im Gegensatz zu den anderen Schildkröten, wie Baur ausdrücklich betont (1889b, p. 186 und 1890, p. 533; vgl. hierzu S. 445), ausnahmslos dieselbe komplizierte und eigentümliche Gelenkbildung der Halswirbel, wodurch doch sehr wahrscheinlich wird, daß dieser Gelenktyp von den gemeinsamen Vorfahren über- nommen worden ist. Besonders die Art der Verbindung des 6. und 7. Wirbels ist interessant: auch bei den Cheloniiden finden wir hier plane Endflächen der Wirbelkörper und keinen Gelenkspalt mehr (vel. BOULENGER, 1889, p. 160, auch die Fußnote), eine Eigentümlich- keit, die sonst nirgends wieder gefunden wird. Die Ähnlichkeit in der komplizierten Art der Verbindung der Wirbelkörper weist auf Verwandtschaft von Dermochelys mit Chelo- niiden hin, und zwar um so deutlicher, als die Beweglichkeit in den Wirbelverbindungen bei Dermochelys eine so geringe ist, dab die wechselnde Gestalt der Verbindungen funktionell jetzt be- deutungslos sein muß, Konvergenz hier also kaum in Frage kommen kann. Dermochelys muß diese wechselnde Wirbelverbindung von ihren Stammformen ererbt haben, und zwar muß bei diesen die Verbindung der Wirbelkörper eine viel beweglichere gewesen sein, denn sonst hätte sich dieser Zustand nie ausgebildet; dies kann nur geschehen sein 32* 492 HEINRICH VÖLKER, zu einer Zeit, als diese Komplikation funktionell noch wichtig war. Mehr oder weniger trifft dies auch für die Cheloniiden zu; denn auch bei diesen Schildkröten scheint doch die Beweglichkeit des Halses zu gering, bei der Kürze des Halses auch von zu geringer Bedeutung, als dab sich hier die abwechselnde Gelenkbildung neu ausgebildet haben könnte. Die Toxochelyidae (vgl. WıELAnD, 1902, p. 2 und Hay, 1908, p. 166) und Protostegidae (vgl. WIELAND, 1909, p. 113) zeigen zwischen dem 6. und 7. Wirbelkörper noch keine plane Gelenkflächen, sondern der 6. Wirbel ist hinten konvex, der 7. vorn konkav. Dasselbe finde ich bei Chelydra, und es ist bekanntlich bei Cryptodiren (auch bei den Testudiniden) der verbreitetste Zustand. Denken wir uns nun die planen Flächen in der Verbindung des 6. und 7. Wirbels durch den primitiveren, gebogenen ersetzt, so bekommen wir für die ganze Halswirbelsäule folgendes Schema’): (I (II (IIL (IV) V) VD VID VID) Die drei vordersten Wirbelkörper sind opisthocöl, der 4. ist bikonvex, die 4 hinteren (5.—8.) sind procöl. Und dies ist ein Zu- stand, den wir bei Chelydra und, mit geringen Modifikationen, bei vielen anderen Cryptodiren finden. Aber nur bei diesen, nicht bei Trionychiden (wenn wir Carettochelys, wo wir die Halswirbelsäule noch nicht vollständig kennen, außer Betracht lassen) und nicht bei Pleurodiren. Auch die Amphichelydia zeigen andere, wohl wesent- lich primitivere Verhältnisse (vgl. Hay, 1908, p. 20, 79, 90). Be- sonders die bikonvexe Gestalt des 4. Halswirbels kommt den Chely- dridae, Platysternidae und (meisten) Testudinidae zu und fehlt allen Pleurodiren, Trionychiden (Carettochelys vielleicht ausgenommen) und Amphichelydia. Die Art der Verbindung der Halswirbel von Dermochelys weist also auf eine Verwandtschaft dieser Form mit den Cheloniiden hin, wie es zuerst Baur, 1886, p. 687; 1889b, p. 186 und 1890, p. 533 betonte; sie spricht weiter für eine Abstammung sowohl von Dermochelys wie den übrigen Meeresschildkröten von Cryptodiren, nicht direkt von den in der Halswirbelsäule primitiveren Amphichelydia. Unter den letzteren zeigt Chisternon hebraicum allerdings schon den Anfang der Differenzierung der Cryptodiren, denn der 2. und 3. Halswirbel sind 1) Man vergleiche das S. 445 gegebene Schema der Wirbelkörper- verbindung im Halse bei Dermochelys, das auch für Cheloniiden paßt. Dermochelys eoriacea L. 493 opisthocöl, der 5.—8. procöl, wie bei diesen. Aber der 4. ist noch nicht bikonvex, sondern hat noch die anscheinend primitive bikonkave Gestalt; Hay, 1908, p. 90. (Bei Glyptops, einer Amphichelydide aus der oberen Jura und Kreide, sind alle Halswirbel noch bikonkav, Hay, 1908, p. 20; bei Baena riparia, p. 79, bildet die Verbindung der Wirbel- körper im allgemeinen einen Übergang von Glyptops zu Chisternon.) Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die komplizierte, wechselnde Verbindung der Halswirbel ihre Erklärung nicht im jetzigen Bau der wenig beweglichen Halswirbelsäule von Dermochelys oder den Cheloniiden finden kann. Sie kann nur erklärt werden durch die Annahme, Dermochelys und die Cheloniiden stammten von (eryptodiren) Schildkröten ab, bei denen die Halswirbelsäule einer sehr starken Krümmung, besonders in der Gegend des 4. Hals- wirbels (der bikonvex ist), fähig war. Dann müssen wir aber auch annehmen, daß Dermochelys und die Cheloniiden von cryptodiren Schildkröten abstammen, die ihren Kopf in den Panzer zurückziehen konnten, wie es jetzt Chelydra noch zu tun vermag. Die Hals- wirbelsäule wird dann auch wohl länger gewesen sein als jetzt bei Dermochelys (bei Toxochelys war die Halswirbelsäule noch beinahe doppelt so lang wie der Schädel (Hay, 1908, p. 166, nach WIELAND, 1902, p. 102); bei Chelone mydas finde ich den Hals 1°/,mal so lang wie den Schädel, bei Dermochelys noch nicht 1?/,mal so lang, den Schädel immer bis zum Hinterhauptcondylus gemessen). Die schwimmende Lebensweise ist wohl ohne weiteres als der hier um- bildende Faktor zu erkennen, da ein weniger beweglicher und kürzerer Hals beim Schwimmen vorteilhaft sein mußte (s. Wale usw.); dafür wurde die Möglichkeit, den Kopf in den schützenden Carapax zurückziehen zu können, aufgegeben. Vielleicht hatte diese Fähig- keit auch in der neuen Umgebung viel von ihrem Nutzen eingebüßt; auch kommt die erhebliche Größe und enorme Körperkraft dieser Tiere in Betracht, die ihr wohl eine aktive Verteidigung viel eher erlaubte, als es bei den kleineren, landbewohnenden Stammformen der Fall war. Die Ähnlichkeit zwischen der Halswirbelsäule von Dermochelys und Cheloniiden ist also sehr speziell und kann in ihrer Gesamtheit weder in der abwechselnden Form der Verbindung der Körper noch im eigentümlichen Gelenke zwischen Nuchale und Dornfortsatz des 8. Halswirbels, durch Konvergenz, durch gleiche Anpassung infolge gleicher Lebensweise erklärt werden, sondern nur als ein Zeichen näherer Verwandtschaft. Primitivere Züge zeigt die Wirbelsäule 494 HEINRICH VÖLKER, von Dermochelys gegenüber derjenigen der Cheloniiden durch die besonders ausgeprägte Körpernatur des Processus odontoideus des Epistropheus und das Vorkommen rudimentärer Intercentra oder unterer Bogen (vgl. S. 442 u. 451) und stärker entwickelter Rippen im Schwanzabschnitt; derselbe ist auch weniger verkürzt worden als bei Cheloniiden. Gewisse Anhaltspunkte für die Beurteilung der verwandtschaft- lichen Beziehungen zwischen Dermochelys und Cheloniiden ergibt ein Vergleich des Carpus und Tarsus. Die Ähnlichkeiten zwischen beiden Formen sind hier bemerkenswerterweise ja recht erheblich und so bezeichnend für die Seeschildkröten, daß Ragı (1910) daraufhin versuchte, die Cheloniiden und Dermochelyiden als Eretmopoden zu- sammenfassen und in schärfsten Gegensatz zu allen übrigen Schild- kröten, den Dromopoden, zu bringen. Die wichtigste Ähnlichkeit zwischen dem Carpus von Dermo- chelys und dem von Cheloniiden bildet das Auftreten nur eines Cen- trales, statt zweier bei den Land- und Flußschildkröten, wo sie allerdings allgemein nachträglich verwachsen. Weiter das grobe Pisiforme des im Vergleich mit dem Unterarm überhaupt großen Carpus. Die geringe Größe des Radiales erhöht die Ähnlichkeit. Baur (1889b, p. 189) war wohl der Erste, der diese Ähnlichkeit betonte; er schreibt: „Nichts desto weniger aber sind die Verhältnisse des Carpus von Dermochelys absolut identisch mit denen der Cheloniidae und nur mit diesen zu vergleichen. Es findet sich nur ein Centrale, und das Intermedium berührt das Carpalet), wodurch das Centrale vom Radiale ausgeschlossen wird (bei Baur gesperrt). Bei keiner anderen Schildkröte kommt dieses Verhältnis vor.“ Von allen neueren Arbeiten über den Carpus der Schildkröten tritt diejenige RagL's (1910) hervor wegen der Menge der unter- suchten und vorzüglich abgebildeten Carpusformen; auch auf Dermo- chely wird darin Bezug genommen. Ragz greift zurück auf zwei seiner früheren Veröffentlichungen: „Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten“ (in: Z. wiss. Zool., Vol. 70) und „Ueber einige Probleme der Morphologie“ 1903. Auf Grund von Folgerungen, die einesteils an die eigentümliche Armhaltung der 1) Hierzu muß ich bemerken, daß bei Chelonia das Intermedium das (1.) Carpale nicht erreicht und das Centrale mit dem Radiale articuliert (vgl. Textfig. B, S. 497); Baur’s Angabe trifft zu für Thalassochelys (vgl. Fig. C, 8. 497). (=) a 0 Dermochelys coriacea L. 495 Schildkröten, anderenteils an die von ihm für primitiv gehaltenen Formen des Carpusbaues der Amphibien anknüpfen, dann sich noch stützen auf den Bau des Schildkrötenschädels sowie Bau und Ent- wicklung der Rippen, kommt RaBz dazu, die Schildkröten in zwei scharf gesonderte und sehr ungleich große Gruppen zu teilen. Zu der ersten, den Eretmopoden (Euereta s. Pinnata), rechnet er die Cheloniidae und Sphargidae s. Dermochelyidae, zu der zweiten, den Dromopoden (Digitata), alle übrigen Schildkröten. Seine Auffassung möge im Genaueren durch folgende Zitate charakterisiert werden: „Bausteine“, 1910, p. 132. „Die Eretmopoden bilden, insoweit das Verhalten des Carpus (und Tarsus) in Betracht kommt, für sich eine streng abgeschlossene Gruppe, eine ebenso streng abgeschlossene, nur sehr viel artenreichere Gruppe bilden die Dromopoden.“ Bezüglich des Carpus der Dermochelyiden und Cheloniiden, die er als nahe verwandte Familien betrachtet, bemerkt RABz zusammen- fassend folgendes, p. 83: „Nach dem Gesagten haben wir es bei Chelonia, Thalassochelys und Dermochelys mit einer ausserordent- lich primitiven Form des Carpus zu tun.“d)) Und p. 84: „Was den Carpus der Cheloniden so ursprünglich erscheinen läßt, ist vor allem das einfache Centrale und das Verhalten der Basalia?) |Carpalia]. Es wurde schon bemerkt, daß die Urodelen, von denen wir bei Beurteilung des Carpus und Tarsus auszugehen haben, nur ganz ausnahmsweise ein doppeltes oder selbst dreifaches Centrale besitzen, dab wir also in der Zwei- oder Mehrzahl dieses Skeletstückes einen primitiven Charakter nicht erblicken dürfen.“ Über den Carpusbau der Dromopoden schreibt er p. 133: „Die interessanteste Eigentümlichkeit ist wohl das Vorhandensein eines Radiobicentrale. Die Bedeutung-dieses Skeletstückes, das gewöhnlich in einem einheitlichen Knorpel zwei Knochenkerne einschließt, wird durch die Entwicklungsgeschichte sicher gestell. Der Carpus der Dromopoden ist also zum Unterschiede von dem der Eretmopoden durch den Besitz zweier Centralia charakterisiert.) Zwei Centralia kommen aber nicht, wie GEGENBAUR und seine Schüler gemeint haben, besonders primitiven Formen des Carpus zu, sondern sind, wie die urodelen Amphibien lehren, bei denen nur ausnahmsweise im Carpus und Tarsus das Centrale doppelt ist, als eine secundäre Erscheinung zu betrachten.“ 1) Bei RABL gesperrt. 2) Ich sperre. 496 HEINRICH VÖLKER, Bis so weit Rast. Mein Befund, daß sich bei Dermochelys noch ein zweites (radiales) Centrale anlegt, wenn es auch kaum noch als selbständiges Element in die Erscheinung tritt, ist wohl kaum un- gezwungen mit Ragr’s Auffassung in Einklang zu bringen. Daß es sich hier um ein in Neubildung befindliches Element handeln sollte, scheint mir sehr unwahrscheinlich, weil es funktionell so absolut bedeutungslos erscheint; so ist hier wohl nur an Rückbildung zu denken, und zwar darf, in Anbetracht seiner sehr geringen Ent- wicklung, die Rückbildung des zweiten Centrales als eine schon länger zurückliegende gedeutet werden. Die Ähnlichkeit aber, die in bezug auf das Centrale zwischen Dermochelyiden, Protostegiden und Cheloniiden besteht, macht es dann doch sehr wahrscheinlich, daß auch bei letzteren das einfache Centrale einen sekundären Zu- stand darstellt. Im Gegensatz zu RagL halte ich deshalb folgenden phylogenetischen Entwicklungsgang der Centralia für wahrscheinlich: ursprünglich waren beide Centralia selbständig und besaßen wohl auch je einen Knochenkern. Das radiale Centrale trat jedoch in Rückbildung, es verlor zunächst — wie das Radiale — seinen Knochen- kern, dann auch seine Selbständigkeit, indem es mit dem ulnaren Centrale verschmolz, um schließlich völlig zurückgebildet zu werden oder mit seinen letzten geringen Resten ebenfalls in das knorplige Intermediocentrale Aufnahme zu finden. Das ulnare Centrale, das aber immer seinen Knochenkern bewahrt hatte, verschmolz dann ebenfalls mit dem Intermedium, womit der heutige Zustand erreicht war. — Rast mußte annehmen, daß bei den Dromopoden zwei Centralia durch Zerfall des ursprünglich einfachen Centrales ent- standen seien. Mit dieser Auffassung steht die Tatsache zweifellos in Widerspruch, daß das zweite Centrale des Schildkrötencarpus seine Selbständigkeit bei allen bekannten Formen sehr bald nach der ersten Anlage wieder verliert. Von RaBr's Standpunkt aus bleibt es völlig unverständlich, warum überhaupt dieser Zerfall des primitiv einfachen Centrales während der Ontogenese bei den Dromopoden eintreten sollte, wo doch beim erwachsenen Tier die Trennung in zwei Komponenten wieder aufgegeben ist. Bezüglich der Gesamtkonfiguration des Carpus von Chelonia (vgl. Textfig. B), wo Centrale und Radiale miteinander articulieren, ver- glichen mit der von Dermochelys und Thalassochelys (T'extfig. C), wo dieser Zusammenhang fehlt, vertritt RaBz im besonderen die Ansicht, dab der erste, durch Chelonia verkörperte Zustand der primitivere sei. Folgendes Zitat möge das beweisen (Bausteine, p. 89): „Wenn tat- Dermochelys coriacea L. 497 sächlich bei Dermochelys das Centrale das Radiale nicht erreichen sollte, so wäre das ein Verhalten, wie es Thalassochelys aufweist. Daß dieses Verhalten gegenüber dem von Chelonia als sekundär be- zeichnet werden muß, wurde schon erwähnt.“ Auch in diesem Punkte kann ich RaBz nicht beistimmen und zwar aus folgenden Gründen: das bleibende Centrale von Dermo- chelys entspricht zweifellos seiner Lage nach demjenigen von Thalas- sochelys und dieses dem von Chelonia.t) Dies nimmt ja auch RABL an. Fig. B. Fig. C. Fig. B. Handwurzel von Chelonia mydas L. nach Rast, 1910, tab. 3 fig. 1, vereinfacht. 1:3. c Centrale. i Intermedium. p Pisiforme. 7 Radiale. R Radius. wu Ulnare. U Ulna. 1—5 Carpale 1—5. 1—V Metacarpale 1—5. Fig. C. Handwurzel von Thalassochelys caretta L. (nach Ragr, 1910, tab. 3 fig. 3, vereinfacht). ca. 2:3. Die gleichen Buchstaben wie in Fig. B. In allen Fällen haben wir also im Centrale der Seeschild- kröten dasselbe Skeletstück und, wie aus meinen Untersuchungen an Dermochelys hervorgeht, ein ulnares Centrale zu erblicken. Das ulnare Centrale kann aber ursprünglich niemals mit dem Radiale articuliert haben; denn das radiale Centrale lag dazwischen. Der Zustand, wie er uns bei Chelonia entgegen tritt, muß daher 1) Übrigens kann ja auch bei Chelonia cauana der Zusammenhang zwischen Centrale und Radiale fehlen, ein Zustand, der sich dem Befund bei Dermochelys und Thalassochelys nähert (vgl. C. K. HoFFMANN’s Ab- bildung tab. 10 fig. 11). 498 HEISRICH VÖLKER, sekundär erworben sein, und Dermochelys und Thalassochelys zeigen einen primitiven Zustand. Die bei Chelonia sekundär entstandene Artieulation zwischen Radiale und Centrale glaube ich auf zwei Ursachen zurückführen zu können, erstens auf die Verlängerung des Radius, wodurch das Radiale von dem proximalen Ende des Intermediums nach dessen distalem Ende geschoben und «un- gefihr in dieselbe Querebene mit dem Centrale gebracht wurde, und zweitens auf die Überlagerung des Radius durch die Ulna, was eine Verschmälerung des Carpus nach sich zog, so daß das Radiale an das ulnare Centrale, welches bei Chelonia gut entwickelt ge- blieben war, herangerückt werden mußte. Damit steht auch sehr gut Raps Befund im Einklang, dab bei Chelonia-Embryonen ein zweites Centrale nicht mehr nachweisbar war, denn der Raum zwischen Radiale und ulnarem Centrale, wo früher das radiale Cen- trale lag, ist bei Chelonia überhaupt nicht mehr vorhanden. Mehr als Chelonia scheint mir Thalassochelys die Möglichkeit zu bieten, dab Reste eines zweiten radialen Centrales nachzuweisen sind, da hier (wie bei Dermochelys) Radiale und ulnares Centrale sich nicht berühren. Der weitere Vergleich zwischen dem Carpus der Cheloniiden und von Dermochelys ergibt, dab die letztere Form die weniger differenzierten Verhältnisse darbietet. Die Carpalia sind gleich- förmiger entwickelt, Intermedium und Ulnare gleichgroß. Bei den Cheloniiden und den Protostegiden dagegen hat das Ulnare ein bedeutendes Übergewicht gegenüber dem Intermedium erlangt, und von den Carpalien ist bei den Cheloniiden das 4. weitaus das größte, das 3. aber sehr klein. Die Gleichförmigkeit in der Größe der Carpuselemente von Dermochelys darf man wohl als ein primitives Merkmal betrachten, das den Cheloniiden nicht in demselben Grade zukommt. Dermochelys ist darin den Cryptodiren ähnlicher geblieben. Bei den Toxochelyidae, diesen primitiven, den Cheloniiden nahe stehenden Meeresschildkröten der Kreide, fehlen auch noch die den Cheloniiden zukommenden Größendifferenzen der einzelnen Elemente des Carpus größtenteils; sie stehen in dieser Beziehung auf derselben primitiven Stufe wie Dermochelys (vgl. WırLAnD, 1906, p. 293 und Hay, 1908, p. 166). Auch in der geradlinigen Verbindung der Car- pusstücke verkörpert Dermochelys eine tiefere Stufe der Forment- wicklung als die Cheloniiden, bei denen die einzelnen Komponenten der Handwurzel doch mehr differenziert wurden. Man kann dabei allerdings eine sekundäre Vereinfachung nicht ganz ausschließen, Dermochelys coriacea L. 499 die im Zusammenhang mit der weniger mannigfaltigen Inanspruch- nahme des Carpus bei der schwimmenden Lebensweise sich aus- gebildet haben könnte. Auf eine solche Vereinfachung weist die Ver- schmelzung des ulnaren Centrales mit dem Ulnare und des Carpale 4 mit 5 hin. Aber in der Hauptsache möchte ich den Mangel an Differenzierung im Carpus von Dermochelys gegenüber dem Chelonii- dencarpus für einen primitiven Zustand halten, wo doch auch das Auftreten eines zweiten Centrales auf ursprünglichere Verhältnisse hinweist. Auch die Verschiebung des Radius hinter die Ulna bei Cheloniiden mußte Änderungen im Carpus mit sich bringen, deren Fehlen bei Dermochelys die Erhaltung primitiverer Verhältnisse be- günstigte. Besonders auffallend ist aber der ungeheure Knorpelreichtum des Dermochelys-Carpus im Vergleich zu demjenigen der Cheloniiden. Dieser Knorpelreichtum scheint mit zunehmendem Alter allmählich abzunehmen; bei schon längst erwachsenen Tieren geht die Ver- knöcherung immer noch weiter. Dieser Zustand des überaus lang- samen Ossificierens der einzelnen Carpuselemente darf nicht als primitiv gedeutet werden, sondern ist vielmehr als eine Folge des Meereslebens zu betrachten (vgl. S. 487). Die Handwurzel blieb auf einer so unvollkommenen Stufe der Verknöcherung stehen, daß sie infolge ihres hohen Knorpelgehaltes ein besonders elastisches, nachgiebiges Verbindungsstück zwischen Unterarm und eigentlicher Hand bildete. Daß der Aufenthalt im Meere in irgend einer Weise zu der geringen und langsamen Ver- knöcherung des Carpus in Beziehung steht, ergibt sich aus ent- sprechenden Befunden bei anderen Meeresreptilien (Mosasauriern, Ichthyosauriern), von denen wir auch annehmen müssen, daß sie von Landformen abstammten, die im Besitze eines gut verknöcherten Carpus waren. Als zweifellos sekundär muß folgendes am Carpus von Dermo- chelys gedeutet werden: die Rückbildung der Centralia, die bei den erwachsenen Tieren zu einem völligen Verschwinden des radialen, zu einer bedeutenden Verkleinerung des ulnaren führte; dann die Verschmelzung des ulnaren Centrales mit dem Intermedium, der Verlust des Knochenkernes im Radiale sowie die in der distalen Carpusreihe sich geltend machenden Verschmelzungserscheinungen. Außerdem ist sekundär die besondere Größe des Pisiformes. Mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit geht dies aus einer Ver- gleichstafel hervor, die WırLann (1906, p. 290) gegeben hat, wonach 500 HEINRICH VOLKER, Dermochelys von allen angeführten Formen, fossilen und rezenten, das relativ größte Pisiforme besitzt. Der Carpus von Dermochelys ist also durchaus nach dem Typus des Carpus der Cheloniiden gebaut, oder, besser gesagt, die Cheloniiden haben einen sehr Dermochelys-ähnlichen Carpus. Auf den ersten Blick fällt dies vielleicht durch die Unterschiede in einigen Einzel- heiten, besonders in der Form der einzelnen Elemente, noch nicht so sehr auf, aber genauere Prüfung lehrt, daß in den wesentlichen Punkten Übereinstimmung besteht. Die Unterschiede zwischen beiden Formen ergaben sich bei näherer Untersuchung als sekundäre, besonders auf seiten der Cheloniiden erworbene zu erkennen. Die Carpen haben sich nach verschiedenen Richtungen entwickelt, und zwar dürfte Dermochelys die Formverhältnisse des Urtyps noch reiner bewahrt haben als z. B. Chelonia. Während bei der ersten Form ein Bestreben sich Geltung verschaffte den Carpus zu verbreitern, strebte der Carpus der zweiten Form umgekehrt danach sich zu verschmälern, gleichzeitig aber auch zu verlängern. Nach meiner Ansicht zeigte der gemeinsame Urtyp des Carpus, von dem der Dermochelys- wie der Cheloniidencarpus ab- zuleiten sind, folgende Züge: in der ersten Carpusreihe lagen wohlentwickelt ein Ulnare, Intermedium und Radiale. Das Ulnare dürfte etwas größer gewesen sein als das Intermedium, jedoch nicht so viel wie bei Protostega (Case) und Archelon (WırLand, 1909); Ulnare und Intermedium waren aber bedeutend kürzer als bei Chelonia und traten ungefähr in einer Ausbildungsform auf, wie wir sie bei der jungen Dermochelys finden. Das Intermedium besaß eine Articulationsfläche sowohl an der Ulna als auch an dem Radius und nicht allein an der Ulna, wie es Chelonia zeigt. Das Radiale mußte besser entwickelt gewesen sein als jetzt bei Dermochelys und Chelonia. In der zweiten Reihe lagen die 5 Carpalia, von denen das 4. das größte, das 5. das kleinste war. Die 3 ersten waren ungefähr gleich- grob. In verhältnismäßig rezenter Zeit, denn bei der jungen Dermo- chelys ist eine Grenze noch vorhanden, hat bei Dermochelys eine Vermelzung von Carpale 4 und 5 stattgefunden, während Chelonia keine Verschmelzung dieser Carpalia, dagegen eine auffallende Ver- kleinerung von Carpale 3 erwarb. Das Pisiforme der hypotheti- schen Urform muß bedeutend kleiner gewesen sein, als es heute bei Dermochelys ist. Am meistenjedoch unterschied sich jener Urcarpusvon dem der Cheloniiden und von Dermochelys durch den Besitz zweier und, wie man annehmen muß, Dermochelys coriacea L. 501 wohl entwickelter Centralia. Dies ergibt sich aus dem Be- fund bei der jungen Dermochelys und aus der Notwendigkeit, den Cheloniidencarpus von einem in bezug auf Anordnung der Elemente mehr Dermochelys-ähnlichen Carpus abzuleiten. Das radiale Centrale dürfte ursprünglich mit dem Radiale artieuliert haben. Die bei Chelonia zwischen Centrale und Radiale bestehende Articulation muß ich im Gegensatz zu RABL als sekundär erworben betrachten, da es ein ulnares Centrale ist und deshalb ursprünglich niemals mit dem Radiale articuliert haben kann (vgl. S. 497). Die Konfiguration des Carpus von Chelonia läßt sich auf die des Thalassochelys-Carpus zu- rückführen, der in gewissem Sinn über die hypothetische Urform das Verbindungsglied zum Dermochelys-Carpus darstellt. Im Hin- blick auf die Articulationsverhältnisse des Dermochelys- und Thalas- sochelys-Carpus, insbesondere des Centrales, müssen wir annehmen, daß bei Cheloniiden und Dermochelyiden zunächst dieselben Ent- wicklungsbestrebungen geherrscht haben. Wie bei den Dromopoden (Ras) ein frühzeitiger Verschmelzungsprozeß der beiden gut ent- wickelten Centralia beobachtet werden kann, fand auch das gleiche bei den Eretmopoden (Cheloniiden und Dermochelys) statt. Dies er- gibt sich daraus, daß das knorplige Centrale bei der jungen Dermo- chelys von dem Intermedium durch eine sehr deutliche, die beiden Centralien voneinander aber durch eine äußerst feine Grenze ge- schieden werden. Dann muß in die Folge sowohl bei Dermochelys wie bei Cheloniiden eine starke Rückbildung des radialen Centrales sich geltend gemacht haben, wobei dies, wie auch das Radiale von Dermochelys, seinen Knochenkern ganz verlor, um schließlich völlig rückgebildet zu werden oder nach dem erfolgten Anschluß des ulnaren Centrales an das Intermedium ebenfalls mit seinen letzten Resten in dem so entstandenen Intermediocentrale Aufnahme zu finden. Hiermit war die bei Dermochelys und Thalassochelys verkörperte Konfiguration des Carpus erreicht. Dann setzte eine divergierende Entwicklung ein. Der Dermochelys-Carpus zeigte das Bestreben sich zu verbreitern. Dies offenbart sehr deutlich die phylogenetische Entwicklungsgeschichte des Pisiformes; es mußte, damit eine der Länge des mächtigen Metacarpal- und Phalangenabschnittes ent- sprechende Breite des Carpus zustande kommen konnte, das Pisiforme um ein Beträchtliches größer werden als Ulnare und Intermedium, die beiden nächstgrößten Carpuselemente, zusammengenommen. Dem- gegenüber beachte man die verhältnismäßige Kleinheit des Pisi- formes bei Chelonia; es ist bei dieser Form noch kleiner als das 502 Heinrich VÖLKER, Intermedium, das selbst wieder dem Ulnare an Größe nachsteht (vel. Textfig. B, S. 497). Da die Verbreitungsbestrebung im Carpus von Dermochelys hauptsächlich die Größe des Pisiformes beeinflußte — wie ich nebenbei erwähnen will, war es bei den Protostegiden das Ulnare —, blieb der Carpus im allgemeinen auch viel näher der gemeinsamen Urform als der Cheloniidencarpus, der sich in der Folge nach einer ganz anderen Richtung differenzierte. Bei Chelonia schob sich die Ulna über den Radius; infolgedessen mußte sich der Carpus verschmälern, aber auch zu einer Verlängerung der Ruder- platte beitragen, was bei Dermochelys anscheinend ausschließlich der Metacarpal- und Phalangenabschnitt besorgte. Der Carpus von Chelonia wurde derartig in die Länge gestreckt, daß sein Durch- messer, gemessen von der Ulna bis zur distalen Endfläche des Carpale 3, das größte (IIL) Metacarpale an Länge übertrifft, während bei Dermochelys der Carpus etwa nur die halbe Länge des Meta- carpale III zeigt. Außerdem wirkte auf den Carpus von Chelonia um- gestaltend die Verlängerung des Radius oder, was denselben Erfolg haben mußte, die stärkere Verkürzung der Ulna. Dadurch wurde das Radiale von dem proximalen Ende des Intermediums nach dessen distalem Ende geschoben und geriet ungefähr in dieselbe Querebene wie das Centrale, mußte bei dem im Carpus von Chelonia auftreten- den Bestreben, den Querdurchmesser zu verringern, an das Centrale herangerückt werden und mit ihm in Articulation geraten. Dies war dadurch möglich, daß bei Chelonia das radiale Centrale verloren gegangen ist; RABL konnte es bei seinen Embryonen nicht finden. Rau selbst deutete natürlich (vgl. das oben über Rapr’s Ansicht (sesagte) dieses Fehlen als einen ursprünglichen Zustand. An sich schon unwahrscheinlich (weil die Neubildung eines Elementes, welches überall das Bestreben zeigt, seine Selbständigkeit zu verlieren, durch- aus unverständlich wäre), wird die Ansicht RAgr’s direkt hinfällig durch meine Entdeckung eines rudimentären, radialen zweiten Centrales bei der jungen Dermochelys. Der Vergleich des Dermochelys- und Cheloniiden- Carpus ergab also, daß beide nach entgegengesetzten Richtungen hin differenziert worden sind. Esistdes- halb nicht möglich, den einen Typ aus dem anderen abzuleiten, vielmehrmußman für die beiden einen ge- meinsamen Ausgangstyp annehmen, denzucharakteri- sieren ich oben versuchthabe. Der Dermochelys-Carpus verkörpert den Ausgangszustand noch reiner als der Dermochelys coriacea L. 503 Chelonia-Carpus. Nach dem Carpusbau müssen zwar nähere verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Cheloniiden und Dermochelys bestehen, die weit- gehende Spezialisierung beider Handwurzeltypen zwingt aber zu der Annahme, daß die Trennung zwi- schen Dermochelyiden und Cheloniiden schonin früher Zeit erfolgte. Während der Carpus von Chelonia und Dermochelys zunächst eine gleichlaufende, dann eine divergierende Entwicklungsrichtung eingeschlagen haben dürfte, zeigt eine vergleichende Betrachtung des Tarsus, daß hier die formgebenden Faktoren dauernd ungefähr dieselben geblieben sind. Der Knorpelreichtum des Dermochelys- Tarsus gegenüber dem Cheloniiden-Tarsus ist ebenso zu beurteilen wie beim Carpus. Das Studium der Verschmelzungserscheinungen zwischen den einzelnen Tarsalien der proximalen Reihe lehrt, daß Dermochelys in der Mitte steht zwischen Chelonia und Thalassochelys. Die weitestgehende Verschmelzung im Protarsus zeigt die erwachsene Chelonia (Protarsus ein einheitlicher Knochen), die junge Chelonia stimmt mit der erwachsenen Dermochelys überein (Protarsus ein einheitlicher Knorpel mit zwei Knochenkernen), und die junge Dermochelys gleicht der erwachsenen Zhalassochelys caretta (Astragalo- scaphoid und Calcaneus [Fibulare] getrennt). Im Mesotarsus ver- halten sich Chelonia und Thalassochelys gleich. Tarsale 1, 2 und 3 sind selbständig, doch hat das 3. schon das Bestreben. sich an das verschmolzene 4. und 5. anzuschließen. Bei Dermochelys äußern sich im Mesotarsus noch stärkere Verschmelzungsbestrebungen als bei Cheloniiden (vgl. S. 468). Aber ich glaube diesem Merkmal eine geringere Bedeutung zuschreiben zu dürfen als der viel stärkeren Differenzierung und Individualisierung der distalen Tarsalien bei den Cheloniiden. Insgesamt betrachtet dürfte daher der Tarsus von Dermochelys noch etwas primitiver sein als derjenige der Cheloniiden. Die Ähnlichkeit beider Tarsen steht in Einklang mit einer Ver- wandtschaft der Cheloniiden mit Dermochelys. Sie kann aber als Beweis für diese Verwandtschaft nicht herangezogen werden, da ein ähnlicher Tarsus auch bei Landschildkröten gefunden wird und eine wesentliche Differenzierung des Tarsus bei den Meeresschildkröten nicht stattgefunden hat. — Der Tarsus der Protostegiden stimmt in seinen Formverhältnissen mehr mit dem von Dermochelys überein als mit dem der Cheloniiden. Die Tarsalia distalia sind ziemlich gleichförmig entwickelt, und im Protarsus scheint ein Astragalo- 504 HEINRICH VOLKER, scaphoid und ein Calcaneus (Fibulare) vorhanden gewesen zu sein (vgl. Wievanp, 1906, p. 291). Diese Ähnlichkeit berechtigt zu der Annahme, daß der Protostegidentarsus auch ähnlich mit Unter- schenkel bzw. Metatarsus articuliert hat wie der Dermochelys-Tarsus. Hiermit stimmt aber nicht WiezanD’s Rekonstruktionsbild auf p. 291 seiner „Osteology of Protostega“, das die nach meiner Ansicht hier bestehenden Verhältnisse weniger zutreffend wiedergibt als die Photo- graphie des natürlichen Objekts auf tab. 32. Tibia und Fibula haben etwas weiter fibularwärts verschoben am Protarsus articuliert, ebenso der gesamte Metatarsalabschnitt am Mesotarsus. Wie bei Dermochelys und den Cheloniiden wird Metatarsale I außer an dem ersten auch noch ein Articulationsgebiet an dem 2. Tarsale besessen haben. Ebenso dürften Metatarsale II und Metatarsale III außer mit den ihnen entsprechenden Tarsalien noch in geringem Grade mit dem folgenden in Berührung gewesen sein. Außerdem gibt Wiezaxp's Zeichnung und auch seine Photo- graphie auf tab. 31 und 32 die Zehenstellung wahrscheinlich nicht richtig an. Besonders der erste Finger dürfte in natürlicher Lage nicht so weit abgespreizt gewesen sein, denn ebenso wie die Ruder- flosse von Dermochelys oder gar die noch kleinere von Chelonia eine besondere Stützung des Flossenvorderrandes benötigt, wie sie durch Aneinanderlagerung der drei ersten Zehen erzielt wird, bedurfte die gewaltige Ruderplatte von Protostega einer gleichen Einrichtung. Der Schultergürtel aller Schildkröten bietet zu wenig charakteristische Besonderheiten, als daß ein Vergleich besondere Aufschlüsse über unsere Frage geben könnte. Immerhin ist aber die auffallende Ähnlichkeit zwischen dem Schultergürtel von Dermo- chely und dem der Cheloniiden bemerkenswert. Demgegenüber erfuhr der Beckengürtel in der Ordnung der Schildkröten eine weit mannigfaltigere Ausgestaltung. Ähnlichkeiten zwischen dem Dermochelys- und Cheloniiden-Becken haben deshalb auch größeres Gewicht bei Beurteilung des Verwandtschaftsverhält- nisses. In seiner Gesamtform erinnert das Becken von Dermochelys lebhaft an das von Protostega und Archelon; andrerseits treten aber auch gewisse Züge des typischen Cheloniiden-Beckens an ihm her- vor. Bei den Protostegiden dürfte in einer ganz ähnlichen Weise wie bei Dermochelys die Trennung der beiden Foramina obturatoria durch eine kurze, breite Knorpelzone gebildet worden sein. Auch bei Chelonia und Thalassochelys finden wir diese Ischiopubicalbrücke aus Knorpel ‚gebildet, aber sie ist hier sehr schmal und auch länger. Dermochelys coriacea L. 505 Außerdem stimmen das Protostega-, Cheloniiden- und Dermochelys- Becken in dem großen Übergewicht der Pubica über die Ischia überein. Die Pubica von Dermochelys haben mit denen der Proto- stegiden den kurzen Hals gemeinsam, mit denen der Cheloniiden das Überwiegen der Entopubis gegenüber der Ectopubis. 3. Die Verwandtschaft von Dermochelys und Cheloniiden. Prüfen wir jetzt, inwieweit der Bau des Rumpf- und Glied- maßenskelets uns Aufschluß gibt für die Beantwortung der Frage nach der Verwandtschaft von Dermochelys. Es ergibt sich, daß eine ziemlich große Übereinstimmung zwischen dem Skelet von Dermochelys und dem der Cheloniiden besteht, so daß eine nähere Verwandtschaft dieser Formen an- senommen werden muß; die besonders früher oft vertretene Ansicht, daß Dermochelys und einige Verwandte (wegen ihres abweichenden Panzers zusammen als Atheca bezeichnet) einen sehr primitiven und selbständigen Seitenast des Schildkrötenstammes bilden (jetzt u. a. noch von Hay, 1908, p. 27 vertreten), wird dadurch meines Erachtens unhaltbar. Die Ansicht einer näheren Verwandtschaft von Dermochelys und den Cheloniiden wurde zuerst von Baur (1886. p. 687; besonders 1889b, p. 180—191 und 1889 c, 1890, p. 533) ausführlicher begründet. Er vereinigt diese Formen mit einer Reihe fossiler Meeresschild- kröten als Pinnata und führt als charakteristische Pinnatenmerkmale fünf Punkte an (1890, p. 533): „il. The foramen palatinum, between palate and maxillary is absent ; 2. The articular faces between the sixth and seventh cervicals are plane; | 3. The nuchal has a distinct process on the lower side for the articulation of the neuroid of the eighth cervical ; 4. The small trochanters of the femur are united and there is a fossa between these and the large trochanters (this condition is also seen in the true land Tortoises, Testudinidae); 5. There is only one centrale in the carpus; the intermedium reaches the first carpale, excluding the centrale from the radiale. The characters, with the exception of No. 4, are typical for the Zool. Jahrb. XXXIH. Abt. f. Anat. 33 506 HEINRICH VÖLKER, Pinnata, but they are also typical for Dermochely. That the Dermochelyidae represent a specialized branch ofthe Pinnata there cannot be any doubt whatever.“ 1) Case (1897) stimmte, nach Untersuchung von zwei Skeleten von Protostega, BAUR zu. Dotto (1901, 1903) hat die Ansicht von Baur weiter ausge- arbeitet. Wichtig sind auch die Arbeiten von WıErAnp (1902, 1906a, 1906 b, 1909), weil sie uns über Bau und Verwandtschaft der fossilen Meeresschildkröten manches Neue bringen. Auch er schließt aus seinem Materiale, daß die Meeresschildkröten miteinander verwandt sind. Eine Übersicht über die wichtigsten paläontologischen Be- funde bringt das große Werk von Hay (1908); das fossile Material ist mir natürlich nicht zugänglich, und ich kann daher nur auf die Literatur verweisen. Nıck (1912) kam auf Grund seiner genauen Untersuchung des Kopfskelets von Dermochelys zu Resultaten, die auch zugunsten der Ansicht sprechen, es bestehe eine nähere Verwandtschaft zwischen Dermochely und den Cheloniiden. Zur Vervollständigung meiner eigenen Resultate will ich ganz kurz Nıck’s Ergebnisse seiner ver- gleichenden Untersuchung des Kopfskelets hier aufnehmen. Zu- sammenfassend äußert sich Nick (p. 206) folgendermaßen: „Die Betrachtung des Schädels von Dermochelys und Chelonia ergibt meiner Auffassung nach keinen Anhalt für die alte Ansicht, dab die Athecae so durchaus von allen anderen Schildkröten ver- schieden sind, auch von den Cheloniiden, daß sie als ein besonderer primitiver Ast des Schildkrötenstammes betrachtet werden müßten. Vielmehr glaube ich, daß Dermochelys gerade den Cheloniiden von allen lebenden Schildkröten noch am nächsten steht, so groß auch die Differenzen sein mögen, die die Einzeluntersuchung des Kopf- skelets aufdeckte. Die wichtigsten, oft ins Detail gehenden Belege für diese Meinung gibt uns einmal das Verhalten der Nase und des Munddaches und dann die Intertrabecula. Alle diese weisen Speziali- sierungen auf, die nicht als Konvergenzen gedeutet werden können, und lassen eine gemeinsame Stammform annehmen, die sich in diesen I) Zu Punkt 5 möchte ich berichtigend bemerken, daß bei Chelonia das Intermedium das Carpale 1 nicht erreicht und das Centrale mit dem Radiale articuliert. Wie diese Ausnahmestellung des Chelonia-Carpus gegenüber dem Dermochelys-Carpus zu erklären ist, wurde 8. 502 ff. erörtert. Dermochelys coriacea L. 507 Spezialisierungen schon von den übrigen Schildkröten abgetrennt hat.“ Und p. 200: „Für Nase und Munddach müssen wir einen alten, gemeinsamen Ausgangszustand annehmen, mit Wahrscheinlich- keit eine Anpassung der Urform an ein Leben im Süßwasser oder an der Küste, jedenfalls an ein Wasserleben, von dem aus sich Munddach und Nase der heutigen Chelonia und Dermochelys ent- wickelt haben. In der Intertrabecula haben wir eine auffallende Übereinstimmung, die einen tiefen einschneidenden Unterschied zwischen der Schädelbasis in der hinteren Orbitalregion bei Dermo- chelys und Chelonia einerseits, den anderen Schildkröten (soweit be- kannt) andrerseits darstellt. Dazu kommt eine Fülle weiterer Merk- male, die ebenfalls auf eine gemeinsame Abstammung von Dermo- chelys und Chelonia hinweisen: Wir müssen eine Blutsver- wandtschaft zwischen Dermochelys und Chelonia an- nehmen. Dermochelys ist im knöchernen Schädel keiner einzigen Schildkröte so ähnlich wie Chelonia, und auch für das Chondro- cranium, soweit darüber bei Schildkröten etwas bekannt ist, trifft dies zu.“ Meine Untersuchung führt gleichfalls zu einer Bestätigung der Ansicht, daß die Cheloniiden und Dermochelys näher verwandt sind, wie im zweiten Abschnitt des allgemeinen Teils meiner Arbeit dar- gelegt wurde. Auch wenn wir manche Übereinstimmung, weil sie die Folge paralleler Anpassung ans Meeresleben sein kann, nicht gelten lassen (z. B. den Knorpelreichtum im Skelet und die Flossen- form der Gliedmaßen), bleiben noch einige wesentliche Überein- stimmungen über, die nur den Meeresschildkröten zukommen. Es sind dies folgende: 1. Die Gelenkflächen der Halswirbelkörper zeigen denselben komplizierten Zustand; die vorderen Wirbel sind opisthocöl, der 4. Wirbel ist bikonvex, der 5. und 8. Halswirbel sind procöl; der 6. und 7. Wirbel sind gleich dem 5. und 8., nur sind sie durch eine plane Gelenkfläche verbunden, und dies ist eine auffallende, kaum anders als durch Blutsverwandtschaft erklärliche Übereinstimmung der Cheloniiden mit Dermochelys (vgl. S. 445 u. 491). 2. Der Dornfortsatz des 8. Halswirbels tritt in bewegliche (ge- lenkige) Verbindung mit dem Nuchale Dies ist nur von Meeres- schildkröten bekannt. 3. Am Becken ist die Ischio-pubicalbrücke knorplig; die Ischia sind klein, die Pubica auffallend groß. Hier ist allerdings der Ein- fluf konvergenter Umbildung schwer zu beurteilen. 39* 508 HEINRICH VOLKER, 4. Es ist im Carpus nur ein Centrale, bei Dermochelys allerdings noch ein Rest des zweiten Centrales, vorhanden, während sonst bei allen Schildkröten zwei Centralia angelegt werden. Dazu kommen nun noch die von Nıck (1912, p. 190—200) hervor- gehobenen Zeichen einer Verwandtschaft: 5. Übereinstimmung im Munddach, wo Palatinum und Vomer den Vorderrand (Unterrand) der inneren Nasenéffnungen bilden. 6. Übereinstimmungen im Bau der Nasenhöhlen, die denselben Typus aufweisen, trotzdem bei Dermochelys offenbar rezente Um- bildungen stattgefunden haben. 7. Das Auftreten einer Intertrabecula. Diese Übereinstimmungen sind deswegen so bedeutungsvoll, weil wir sie antreffen bei Skeletteilen, die sich offenbar seit einiger Zeit in divergenter Entwicklung befinden, wie bei dem Carpus und bei den Merkmalen 5, 6 und 7, oder, wie bei dem unter 1 aufgeführten Merkmale, bedeutungslos geworden sind, d.h. auf frühere Zustände zurückgehen, also alte Übereinstimmungen sind. Etwas weniger sicher sind die unter 2 und 3 aufgeführten Übereinstimmungen zu beurteilen. Sie könnten schließlich ebenso wie das von Baur an- geführte Fehlen eines Foramen palatinum am Munddach Konver- senzen enthalten. Baur weist noch (vgl. S. 505) auf die Verhält- nisse der Trochanteren und das Vorkommen einer Fossa zwischen dem großen und kleinen Trochanter am Femur hin. Hier scheint mir aber Konvergenz möglich, da es sich in diesem Falle doch wohl um Besonderheiten handelt, die mit der Ausbildung der Muskulatur, also mit der schwimmenden Lebensweise, im engsten Zusammenhang stehen (vgl. Doro, 1903, p. 43ff). Das gleiche trifft auch zu für sehr viele andere gemeinsame Züge im Skelet der Meeresschild- kréten; als Anpassungen an die neue Lebensweise kann (und muß oft) eine annähernd gleiche Umbildung erfolgen. Daher auch die Ähnlichkeit in der Umbildung des Humerus von keinem Wert für unser Problem ist, so typisch sie auch ist (vgl. Douro, 1903, p. 38; Wrenanp, 1900a). Doch ist bei allen diesen Ähnlichkeiten zu be- achten, daß sie nicht Konvergenzen zu sein brauchen, und besonders, daß die in mancher Hinsicht bestehende Ähnlichkeit in der An- passung darauf hinwies, daß ein gleicher Ausgangszustand vorlag, also doch auch einigermaßen gegen eine vollständig unabhängige Entstehung der Atheca und der Cheloniiden von durchaus ver- schiedenen Landschildkröten spricht. Wir kommen also zu dem Schlusse, daß Dermochelys mit den Dermochelys coriacea L. 509 Cheloniiden näher verwandt ist als mit irgendeiner anderen leben- den Schildkröte. Wir müssen dann weiter den Schluß ziehen, dab wegen dieser Verwandtschaft mit den Cheloniiden Dermochelys keine primitive Schildkröte sein kann. Denn ebensogut wie die Chelo- niiden von landbewohnenden Schildkröten abstammen und zwar, wie die Paläontologie bestätigt, von Cryptodiren, müssen wir dann auch Dermochelys und ihre fossilen Verwandten von cryptodiren Schild- kröten ableiten. Dies muß ausdrücklich betont werden, da RaBz (1910) neuerdings die Meeresschildkröten, einschließlich Dermochelys in Gegensatz zu allen anderen Schildkröten gebracht und dem- entsprechend eine Einteilung der Schildkröten in Kretmopoden (Meeresschildkröten) und Dromopoden (alle übrigen Schildkröten) vor- geschlagen hat. Dies ist nicht haltbar (vgl.S.495 ff.); die Eretmopoden stammen von Cryptodiren ab, und die Pleurodiren bilden zweifellos einen älteren und wichtigeren Seitenast des Schildkrötenstammes als die Meeresschildkröten. Besonders die Gelenkbildung der Halswirbel bei Dermochelys und bei Cheloniiden ist nur verständlich durch die Annahme einer Abstammung dieser Tiere von Cryptodiren (vgl. S. 491 ff.); auch im Carpus sind die Meeresschildkröten nicht primitiver als die übrigen Schildkröten, wie es RaBz befürwortet, sondern weniger primitiv, indem sie das radiale Centrale verloren haben (vgl. S. 460 u. 462). +) Es bleibt nun noch zu prüfen, wie nahe Dermochelys mit den Cheloniiden verwandt ist. Man kann da mit van BEMMELEN (1895) und WiELAND (1906a, p. 11—13) eine unabhängige Anpassung beider ans Meeresleben annehmen, dab also die gemeinsamen Stamm- formen noch Landschildkröten gewesen wären, aus denen sich poly- phyletisch die marinen Schildkröten entwickelten (Dermochelys, die Cheloniidae, Desmatochelyidae, Toxochelyidae, Protostegidae). Anderer- seits wäre auch denkbar, daß die Trennung der Meeresschildkröten in verschiedene Gruppen erst nach dem Erwerb des Meereslebens erfolgte, wenn auch die Stammformen nur erst wenig angepaßte Be- wohner des Littorals geworden waren. Eine solche engere Ver- wandtschaft von Dermochely mit den Cheloniiden nehmen Baur (1886 c, 1889b, 1889c) und Dorro (1901, p. 20) an. Meine Untersuchung hat ergeben, daß sichere Beweise für eine 1) Auch das Fehlen der Mesoplastra und der Nasalia, die beide ursprünglich bei Schildkröten vorhanden waren, spricht gegen eine primitive Stellung der Meeresschildkröten. 510 Heinrich VOLKER, durchaus getrennte Anpassung von Dermochelys und den Cheloniiden ans Meeresleben im Stammskelet nicht vorliegen; jedenfalls habe ich solehe nicht gefunden. Wohl aber ist zu betonen, daß zwischen beiden Formen so tiefgreifende Unterschiede vorliegen, daß man eine frühe Trennung beider Entwicklungsreihen annehmen muß. Dafür spricht ganz besonders der verschiedene Bau des Panzers, der im nächsten Abschnitt auch in diesem Zusammenhange näher be- sprochen werden soll. Dann aber weist noch eine andere Divergenz darauf hin, daß die Trennung ziemlich frühzeitig erfolgt sein muß, nämlich die etwas andere Art der Umbildung des Carpus, der bei Dermochelys Neigung zur Verbreiterung, bei Cheloniiden zur Ver- schmälerung zeigt. Besonders im Kopfskelet findet man ganz er- hebliche Differenzen, die auf eine baldige Trennung der Entwicklung beider hindeuten. Nick Schreibt hierüber: p. 203. „Es handelt sich dabei teils um primitive Zustände, die Dermochely mehr gewahrt hat als Chelonia, teils um weitgehende Spezialisierungen in ver- schiedenen Richtungen, alles Merkmale, die auf eine frühe Trennung von Dermochelys und Chelonia hinweisen. So hat das Munddach beider im Prinzip noch den gleichen Bau; aber es hat extreme Umbildungen nach zwei entgegengesetzten Richtungen er- fahren aus einem Grundplane heraus, dem Chelonia heute noch relativ näher kommt als Dermochelys. Aehnlich steht es mit der Nase; wenn auch hier keine so tiefgehenden Differenzen wie im Munddach entstehen konnten, so ist doch die Spezialisierung der Dermochelys-Nase, die senkrechte Achse und die Verkürzung der Nase in der Längsrichtung des Kopfes Chelonia gegenüber recht auffallend. Andere Unterschiede zwischen den Nasen von Dermochelys und Chelonia beruhen meist auf primitiven Zuständen bei Dermochelys die sie, wie wir gesehen haben, oft mit Chelydra gemein hat.“ Besonders auffallend ist auch die divergente Entwicklung. der Intertrabecula innerhalb der beiden Gruppen und in Zusammenhang damit die ganz anderen Verhältnisse des Rostrums bei den Er- wachsenen; Dermochelys hat ein sehr primitives, vom Parasphenoid gebildetes Rostrum sphenoidale und zeigt Rückbildung der Inter- trabecula, Chelonia hat ein eigenartiges, wesentlich von den Trabekeln und der Intertrabekel gebildetes Rostrum (vgl. Verstuys, 1909, 1910 und Nick, 1912, p. 34 ff, p. 203). Wir sehen also, daß, nachdem zunächst die gemeinsamen Stammformen einige Merkmale erworben hatten — plane Fläche zwischen Halswirbel 6 und 7, das Cervico- Dermochelys coriacea L. 511 nuchal-Gelenk, Verlust des radialen Centrales, die Intertrabecula, ein sekundäres Munddach (Doro, 1903, Nıck, 1912, p. 63), An- passungen der Nasenhöhle —, bald eine divergente Entwicklung ein- setzte, die zum Teil recht weitgehende Unterschiede entstehen lieb. Und dieser letzte Punkt in Verbindung mit der Tat- sache, daß Dermochelys in zahlreichen Merkmalen des Kopf-, Rumpf-, Gliedmaßen- und Hautskelets primi- tiveristals Chelonia und schonimEocänneben Atheken (Psephophorus) typische Cheloniiden vorkommen, gibt derAnnahme einer schon frühzeitig erfolgten Trennung von Dermochelys und Cheloniiden eine gute Begriindung. Damit steht auch im Einklang, daß die im Vergleich zu Cheloniiden viel höhere Spezialisierung von Dermochelys für die pelagische Lebens- weise auf ein im Vergleich zu Chelonia schon länger währendes Hochseeleben zurückgeführt werden darf. Weiterhin möchte ich zur Stütze dieser Auffassung auf den Hautpanzer hinweisen, der sich, wie sich ergeben wird, als eine ganz spezielle Anpassung an die pelagische Lebensweise ausgebildet hat. Ob die Trennung aber erst vor oder nach dem Übergang der Stammformen zum Littoral statteefunden hat, ist damit nicht zu entscheiden, und ich finde dafür keine sicheren Anhaltspunkte in den Ergebnissen meiner eigenen Untersuchung. Wie Nick meint (1912, p. 207—208), weist der Bau der Nasenhöhlen und des Mund- daches auf eine anfänglich gemeinsame Anpassung an das marine Leben oder doch an das Leben im Wasser hin, ohne aber in dieser Hinsicht Gewißheit zu bringen. Doch scheint mir nicht fraglich, daß sehr bald nachher schon die Trennung beider Gruppen einsetzte, indem Dermochelys wesentlich früher vom Littoral zum Hochseeleben überging und dadurch, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, eine Anpassung des Panzers ausbilden konnte, welche den Cheloniiden nicht mehr möglich war. Es ist nicht leicht, obige Resultate über die Verwandtschaft von Dermochelys im System der Schildkröten in befriedigender Weise zum Ausdruck zu bringen. Es ist klar, daß eine Einteilung aller Schildkröten in die zwei Unterordnungen Atheca und Theco- phora (BoULENGER, 1889; Hay, 1908), die den großen Vorzug hat, daß der sehr abweichende Bau von Dermochelys scharf hervorgehoben wird, ein sehr falsches Bild von der Verwandtschaft von Dermochelys gibt, wie auch Nıck hervorhebt (1912, p. 211, 214). Es scheint mir nicht berechtigt, das System so sehr unabhängig von den Verwandt- 512 HEınkıcH VÖLKER, schaftsverhältnissen zu gestalten: die Verwandtschaft von Dermochelys mit den thecophoren Meeresschildkröten muß darin zum Ausdruck gebracht werden. SIEBENROCK erreicht dies (1909), indem er Cheloniidae und Dermochelyidae in einer Superfamilie Cheloniidea vereinigt, als gleichwertige Gruppe neben die Pleurodira, Cryptodira und Trionychoidea stellt. Dabei muß aber betont werden, daß die Superfamilie Cheloniidea nähere Beziehungen zu der Crypto- dira besitzt, als in diesem Systeme hervortritt. Die Verwandt- schaftsverhältnisse von Dermochelys kommen am besten zum Ausdruck, wenn man die Meeresschildkröten einschließlich Dermochelys als eine Superfamilie zu den Cryptodiren bringt, nicht neben diese stellt. 4. Vergleichende Betrachtung des Hautpanzers von Dermochelys und Bemerkungen über den Hautpanzer der Schildkröten überhaupt. a) Die Frage der Costalia. Wenn man sich über die Zusammensetzung des Hautpanzers von Dermochelys Klarheit verschaffen will, so muß man vor allen Dingen Stellung nehmen zu der Frage, ob die geringfügigen Verbreiterungen der Dermochelys-Rippen überhaupt mit den Costalplatten der Thecophoren zu homologi- sieren sind, ferner wie die Costalplatten allgemein ihrer Entstehung nach zu beurteilen sind, ob sie tat- sächlich nur Rippenverbreiterungen darstellen oder auch noch Elemente eines Hautpanzers enthalten. Im Hinblick auf die erste Frage muß die Tatsache in Betracht gezogen werden, dab die Verhältnisse der Rippenausbildung bei Dermochelys genau denen entsprechen, wie sie bei gewissen fossilen Thecophoren, dann aber auch bei den Jugendstadien rezenter Theco- phoren in die Erscheinung treten. Dies betonte auch GOETTE (1899, p. 426): Das Stammskelet von Protostega, Protophargis und Psephophorus stimme mit demjenigen von Dermochelys coriacea überein. |Von Protostegiden gilt dies jedoch weniger als von Psephophorus und Protosphargis|. „Dieses Stammskelet gleicht nun in allen hier in Frage kommenden Stücken vollkommen demjenigen der jungen Chelonen, das doch alle Elemente des späteren Mittelstückes des Carapax schon enthält.“ Rippenplatten kämen auch den Atheca zu, „so dass ihr Stammskelett nur graduell von einem Dermochelys coriacea L. 513 vollkommenen Carapax verschieden ist, nicht anders als wie sich die Stammskelette junger und alter Thecophora unterscheiden.“ Auch Hay (1908, p. 14) spricht einen ähnlichen Gedanken aus: „The only thing, that may be supposed to represent the costal plates is the irregular border of the somewhat expanded ribs.“ Wie aus diesen Zitaten hervorgeht, erblickte man seither in den Rippenverbreiterungen von Dermochelys Homologa der thecophoren Costalplatten. Die weitere Beurteilung der Dermochelys-Rippe kann aber nach zwei Richtungen hin erfolgen. Entweder kann man sagen, sie stelle tatsäch- lich eine Art Embryonalstufe dar, verkörpere also einen primitiven Zu- stand. Hierzu neigt GOETTE, was auch daraus geschlossen werden muß, daß er für die Vorfahren der Thecophoren den Besitz eines vollkommen geschlossenen „atheken“ Hautpanzers annimmt. Den- selben Standpunkt vertrat auch GEGENBAUR (1898, p. 176). Man kann aber auch mit Hay (1898 und 1908) und Dorzo (1903) die Dermo- chelys-Rippe als eine Rückbildungsform betrachten, eine Auffassung, der ich mich anschließen möchte. Denn für ein neuauftretendes Be- streben nach Verbreiterung der Rippen kann bei Dermochelys im Hin- blick auf die Verhältnisse des Panzers gar kein Bedürfnis vorliegen, da eine solche Rippenverbreiterung nicht nur völlig zwecklos wäre, sondern auch noch die Masse des spezifisch schweren Knochens er- höhen würde. Auch können wir sonst an sehr vielen Stellen im Skelet von Dermochelys das Bestreben nachweisen, die Masse des Knochens zu verringern (vgl. S.488 ff.). Weiterhin zeugt die Paläonto- logie für die Deutung der Dermochelys-Rippe als eine Rückbildungs- form; besonders wichtig sind hier die Protostegiden (Archelon, Proto- stega), Formen, die ebenfalls unter dem Einfluß des Meereslebens Reduktion der Costalia erlitten haben müssen, aber noch nicht in dem Grade wie Dermochelys. Auch ÆEosphargis, Protosphargis und Allopleuron können als analoge Beispiele hier angeführt werden (Dotto, 1903, p. 850). G. Baur vertrat (1886, p. 688) ebenfalls die Ansicht, daß die Rippen von Dermochelys keinen primitiven Zustand darstellen. 1889b p. 182 schreibt er folgendes: „Die Ahnen der Seeschildkröten hatten das Rückenschild geschlossen und es haben sich erst allmählich durch Reduktion der Pleuralia (Costalia) die Fontanellen gebildet.“ Jedenfalls nahm Baur, wie hieraus erhellt, eine erfolgte Reduktion der Rippenplatten von Dermochelys an. Bevor ich etwas sagen will über den Grad der Reduktion der Costalplatten von Dermochelys, will ich zuerst auf die zweite 514 HEINRICH VÖLKER, Frage, die nach der Entstehung und morphologischen Wertung der Costalplatten und auch Neuralplatten überhaupt etwas näher eingehen.!) Diese Frage hat die Gelehrten in zwei Hauptlager ge- schieden. Die einen, wie z. B. Carus, J. MÜLLER, PETERS, Owen, GEGENBAUR, STANNIUS, HOFFMANN, ZITTEL, Cops, BAUR, DoLLo, Hay, in allerneuster Zeit OGusar u. andere sind der Meinung, daß darin Elemente eines Hautpanzers enthalten seien ;, demgegenüber erklärten Cuvier, RATHKE, CLAUS, HAYCRAFT, Newman u. A. Costal- und Neuralplatten seien zum inneren Skelet zu rechnen, verbreiterte Rippen, bzw. verbreiterte Dornfortsätze Zu einer ähnlichen Auf- fassung bekannte sich auch GOETTE, indem er die in Frage stehenden Skeletstücke als rein periostale Bildungen bezeichnete, deren Ent- stehung eine Deutung als Hautknochen, selbst wenn im Laufe ihrer phylogenetischen Entwicklung Hautknochen in ihnen aufgegangen sein sollten, jetzt nicht mehr zulasse. Durch allgemeine Erwägungen, besonders durch Gegenüberstellung von Bauch- und Rückenpanzer, sowie einige gleich zu besprechende besondere Punkte sah ich mich veranlaßt, den zuerst genannten Forschern beizupflichten und anzu- nehmen, daß in den Rippenverbreiterungen der Thecophoren Haut- knochen enthalten seien, die derselben Schicht angehörten, zu der auch Nackenplatte und Plastron zu rechnen sind. Es ist nun — und hiermit komme ich wieder auf die Frage nach dem Grad der Reduktion der Costalplatten von Dermochelys zurück — durchaus nicht ausgeschlossen, daß auch die Rippenverbreiterungen von Dermo- chelys Reste echter Costalplatten enthalten. Es wäre aber auch denkbar, daß bei Dermochelys der Hautknochenanteil der früheren Costalia völlig verschwunden sei und der schneidenartige Randteil der Rippe eine wirkliche reine Rippenverbreiterung darstelle, der Sockel, auf dem früher die Costalplatte ruhte. Welche von beiden Auffassungen richtig ist, kann vorerst noch nicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Jedenfalls werden aber die Vorfahren von Dermo- chelys einmal echte Costalia besessen haben. Diese Annahme muß auch bestehen bleiben, selbst wenn sich ergeben sollte, daß die jetzigen Rippenverbreiterungen keine thecalen Reste mehr enthalten sollten. In diesem Sinne hat sich auch Hay (1898, p. 955) aus- gesprochen, indem er folgendes schrieb: 1) Ich fasse mich hier kurz, weil diese Frage in der bereits erwähnten Arbeit von MENGER (s. Anm. 1 S. 475) ausführlicher behandelt wird, und beschränke mich darauf, sie nur soweit zu besprechen, wie es von meinen Befunden an Dermochelys aus sich ergibt. Dermochelys coriacea L. 515 „As regards the deeper layer of bones even in this turtle (Dermochelys) the ribs, flattened, and with jagged edges,!) seem to me to indicate that at some time in the remote past there have been costal plates of membrane bone fused with them.“ Ocusar sagt (1911, p. 11) im Hinblick auf Trionyx: „Bei frisch ausgeschlüpften Tieren besteht der Carapax fast ausschließlich aus dem bloßliegenden Endoskelet. Bald aber entwickelt sich das Hautskelet mit deutlichvon einanderabgesetzten An- lagen über den Wirbelbögen und dem medialen Ab- schnitt der knorpelig präformierten Rippen, auch die Nuchalplatte ist dann in Ausbildung.“ Noch auf einen Punkt, welcher ebenfalls die Verschmelzung eines Hautpanzers mit den Rippen wahrscheinlich macht, hat derselbe Autor hin- gewiesen.) Er schreibt im Hinblick auf. GorrtTE's Deutung, welcher die Costalplatten als exzentrische periostale Erweiterungen der Rippen betrachtet, p. 13 folgendes: „Diese Deutung bietet . sofort sehr erhebliche Schwierigkeiten, sobald man der eigen- tümlichen Verlagerung des Schultergürtels gedenkt, welche ja offenbar mit dem Zustandekommen des Schildpanzers innige Be- ziehungen hat. Einmal ist es schwer zu verstehen, wie die gelenkige Verbindung zwischen der Scapula und der ersten Costalplatte zu- stande gekommen sein soll, denn die Scapula, der dorsale Fortsatz des Schultergürtels, welcher bei andern Wirbeltieren ganz aufer- halb des Brustkorbes lagert, articuliert oberhalb der ersten Rippe an der Innenfläche der ersten Costalplatte, die nach GoETTE’s Anschauung nichts andres ist, als die echte zweite Rippe“. Als eine unmittelbare Stütze der Ansicht einer erfolgten Verschmelzung von Hautpanzerteilen und Rippen (bzw. oberen Dornfortsätzen der Wirbel) bei dem Zustandekommen des Thecophorenpanzers darf man auch die von Baur (1889b, p. 183) betonte Tatsache anführen, dab besonders bei den erwachsenen Seeschildkröten an den Enden der Rippenplatten deutlich Hautknochen- und Rippenteil zu unterscheiden sind, der erstere deutlich auf dem letzteren liegt und vielfach sogar noch loszulösen ist. Selbst wenn entwicklungsgeschichtlich der hypothetische Ver- 1) Der Rippenrand ist nicht so stark gezackt, wie HAY, anscheinend auf Grund von GERVAIS’ Abbildung, angenommen hat. 2) Dies kann jedoch kein Hautpanzer gewesen sein, der dem Panzer- mosaik von Dermochelys gleichzusetzen ist, wie OGUSHI im Anschluß an HAECKEL angenommen hat. 516 HEINRICH VOLKER, schmelzungsvorgang zwischen Hautknochen und Rippen nicht mehr nachweisbar sein sollte, wie GoETTE behauptet hat, kann man mit GEGENBAUR annehmen, es habe in der Ontogenie eine solche Ab- kürzung des sicher schon sehr weit zurückliegenden phylogeneti- schen Vorgangs stattgefunden, daß der Hautknochen nicht mehr selbständig, sondern gleich im Anschluß an die Verknöcherung des Innenskelets auftritt. b) Der Schildkrétenpanzer ein Doppelpanzer von Haut- knochen; der Thecophorenpanzer. Am Rücken und Bauche von Dermochelys haben wir zwei Lagen von Hautknochen zu unterscheiden (vgl. S. 475ff.), eine oberflächliche, epithecale, und eine tiefer gelegene, thecale. Der epithecalen ge- hören an: das Rückenschild und die Verknöcherungen der fünf Längskiele auf der Bauchseite; der thecalen: das Nuchale, vielleicht die Rippenverbreiterungen (also rudimentäre Costalplatten ?) und dann das Plastron. Neuerdings ist man sich nun darüber klar geworden, daß in diesem Nebeneinanderstehen zweier Hautpanzerschichten ein primitives Merkmal liegen müsse, eine Erkenntnis, welche in erster Linie O. P. Hay (1898 u. 1908) zu verdanken ist. Seine grund- legenden Ausführungen werde ich deshalb eingehender besprechen. Der Ausgangspunkt war der Panzer von Dermochely. Hay weist zunächst darauf hin, dab man überhaupt bei den Amnioten zwei Arten von Hautknochen zu unterscheiden habe. Die erste Art findet sich ganz oberflächlich der Haut eingelagert; es sind das die dermalen Hautknochen; die Elemente der zweiten Art liegen tiefer, weshalb sie Hay „fascia bones“, später (1908) „subdermal bones“ ge- nannt hat. Dermale Hautknochen sind z. B. die Knochenschuppen der Scineiden und anderer Lacertilier, außerdem die Panzerschuppen in der Haut der Crocodile, aber auch die Mosaikplättchen des Dorsal- panzers und die Verknöcherungen der ventralen Längskiele von Dermochelys. Der tiefer gelegenen subdermalen Hautpanzerschicht gehören jene Hautknochen an, welche man als Abdominalrippen (Gastralia Baur) bezeichnet hat. Sie kommen bei Sphenodon vor und bei Crocodilen, waren auch bei Ichthyosauriern, Plesiosauriern, Sauro- pterygiern und bei Stegocephalen (Archegosaurus) entwickelt. Diese Abdominalrippen primitiver Reptilien und Panzerlurche haben ihre Homologa bei den Schildkröten in gewissen Elementen des Plastrons, und zwar in Hyo-, Hypo- und Xiphiplastren und in den meist ver- loren gegangenen Mesoplastren, welch letztere nur einige rezente Dermochelys coriacea L. 517 Pleurodiren (Sternothaerus) noch besitzen. Die Epiplastra und das Entosternum gehören zwar ebenfalls dem subdermalen Hautpanzer an, gehen aber nicht auf Abdominalrippen zurück, sondern auf die bei anderen Reptilien als Clavikeln (Epiplastra) und Interclavikel (Entoplastron) bezeichneten Hautknochen. Wie man sieht, hat der ventrale Subdermalpanzer von Dermochelys, das Plastron, eine starke Verringerung in der Zahl der es ursprünglich zusammensetzenden Ele- mente erfahren, indem nicht allein, wie bei den meisten Schildkröten, die Mesoplastra, sondern auch noch das Entoplastron verloren ging. Im Hinblick auf die im Hautpanzer von Dermochelys sich äußernde Eigentümlichkeit einer Doppelpanzerlage und auf die Anknüpfungs- punkte, welche der Hautpanzer der Stegocephalen, der erwähnten primitiven, fossilen Reptilien, ferner der Crocodile und der Haut- panzer von Sphenodon bietet, Typen, welche doch auch in einer ge- wissen verwandtschaftlichen Beziehung zu den Vorfahren der Schild- kröten gestanden haben müssen, glaubte Hay Atheken und Theco- phoren von Vorfahren herleiten zu müssen, die außer einem Dermal- noch einen Subdermalpanzer besaßen.!) Der Dermalpanzer oder Epithecalpanzer dieser Urschildkröten wurde nach Hay auf der Rückenseite dargestellt durch sieben Längsreihen von Hautverknöcherungen, eine unpaare mittlere (neurale) und je ein Paar costale (pleurale), supramarginale und marginale Längsreihen. Jeder dieser Längskiele bestand aus einer Reihe größerer Knochen- plättchen, die beiderseits von kleineren noch begrenzt wurden und, wie allgemein die oberflächlichen Hautknochenschuppen der Reptilien von Hornplättchen überdeckt waren. Daß die Zwischenräume zwischen den einzelnen Längsreihen von kleineren Plättchen mosaik- artig vollständig überbrückt gewesen seien, wie heute bei Dermochelys, braucht nach Hay (1908, p. 23) nicht angenommen zu werden; meiner Meinung nach dürfte dies sogar unwahrscheinlich sein (vgl. Nick, 1912, p. 210). Ventral, auf der Bauchseite fanden sich fünf ähnliche Längskiele wie auf dem Rücken: ein mittlerer (inter- plastraler), zwei, die sich wie bei Dermochelys (vgl. Taf. 30 Fig. 2) in der Längsachse der Hyo- und Hypoplastra erstreckten (plastrale), und zwei seitliche, inframarginale. Zum dorsalen Subdermal- hautpanzer (Thecalpanzer) jenes hypothetischen Vorfahrs der 1) Ich bediene mich statt der Hay’schen Bezeichnungen der Aus- drücke epithecaler und thecaler Panzer, weil ich eine subdermale Lage des thecophoren Panzers (Costalia, Neuralia, Nuchale) nicht für erwiesen halte (vgl. S. 475 und die Arbeit MENGER’s). 518 HEINRICH VOLKER, Schildkröten rechnet Hay das Nuchale, dann Platten, welche später im Anschluß an das Innenskelet zu Neural- bzw. Costalplatten um- gebildet wurden, außerdem die Marginalia, was ich besonders hervorheben möchte, ferner das Pygale und ein oder zwei Supra- pygalia, zum ventralen das Plastron. Wenn es nun Hay gelang, auch bei Thecophoren, denen man seither immer einen einschichtigen Panzer zugesprochen hatte, einen Doppelpanzer oder Reste einer zweiten Panzerlage nachzuweisen, so war der Beweis für seine ver- mutete Herleitung des Panzers der Schildkröten so gut wie erbracht und die Möglichkeit geboten, die wahren Beziehungen zwischen dem Atheken- und Thecophorenpanzer, welche schon zur Aufstellung so vieler und so verschiedener Theorien Veranlassung gegeben hatten, aufzudecken. Im Folgenden will ich kurz darlegen, was Hay als Reste eines Dermalpanzers bei Thecophoren gedeutet hat, und seine Ausführungen ergänzen durch entsprechende Befunde WıELAnD’s (1909) an Protostegiden, Fraas’ (1899) an Proganochelys und Newman’s (1906) an Chelydra und anderen Formen. Besonders NewMAn’s Darlegungen enthalten einige wichtige Daten zu unserer Frage, wenn er auch eine Auffassung von der Zusammensetzung des Schildkrötenpanzers vertreten hat, welche ich nicht annehmen kann. Hat Hay die normalen Verhältnisse zu seinen Untersuchungen herangezogen, so ging NEWMAN von dem Standpunkte aus, daß gewisse Abnormalitäten in der Ausbildungsweise der Horn- schilder und auch der entsprechenden Knochenplatten als Atavismen zu betrachten seien und deshalb zu phylogenetischen Schlüssen Hand- haben bieten könnten. Case (1898) hatte schon flüchtig erwähnt, daß bei Toxochelys, einer fossilen Thecophore aus der Verwandtschaft der Cheloniiden, eine Reihe getrennter Hautknochen längs der Mittel- linie des Rückens gesessen hat. Hay untersuchte diese Gebilde ge- nauer und kam zu dem Schluß, daß diese Reihe höckerartiger Haut- knochen, von denen jeder die Naht zwischen zwei Neuralien abdeckt, einfach zu deuten sind als Weiterführung der Reihe epithecaler Haut- knochen nach vorwärts, die auch längs der dorsalen Mittellinie des Schwanzes von Toxochelys vorhanden gewesen sein mus, genau wie heute noch bei Chelydra. Ihre Lagerung auf den Nähten zwischen zwei Neuralien bei Toxochelys zeigt, dab sie einer oberflächlicheren Hautpanzerschicht angehören müssen als die Neuralia selber. Ganz ähnliche selbständige Knochenkörner, wie sie bei Toxochelys ausgebildet waren, fand Newman bei Graptemys geograplica unter dem 2., 3. 4. und 5. Neuralscutum, je auf der Mitte eines Neurales Dermochelys coriacea L. 519 sitzend. Auch bei Graptemys pseudogeographica konnte NEWMAN un- mittelbar unter den dunklen Pigmentflecken der Neuralschilder freie, kleine Knochenzentren nachweisen, die aus weniger dichtem Knochen bestanden als die darunterliegende Neuralplatte. Wenn auch das Selbständigwerden dieser Knochenzentren nach Newman vielleicht durch Resorptionsvorgänge infolge einer längeren Hungerperiode ent- standen sein könnte, so müssen sie seiner Ansicht nach doch als Reste eines früheren Epithecalpanzers gedeutet werden, genau wie bei Toxochelys. Noch viel deutlicher als bei Toxochelys war diese epithecale mediale Längsreihe von Hautverknöcherungen bei Archelon ischyros entwickelt (WIELAND, 1909). Hier fanden sich in der Mittel- linie des Rückens eine Reihe von 11 dünnen supraneuralen Elementen, welche anscheinend alle Neuralia und den proximalen Teil der stark reduzierten Rippenplatten bedeckten. In Größe und Aussehen gleichen diese oberflächlichen Hautknochen von Archelon ganz typischen Neu- ralien, deren Funktion sie bei dieser Form auch übernommen hatten, wie aus dem stark rückgebildeten Zustande der thecalen Neuralia unmittelbar geschlossen werden muß. Bemerkenswert gegenüber der nicht zusammenhängenden Reihe dieser epithecalen Hautknochen von Toxochelys ist die Tatsache, daß sie bei Archelon vom Nuchale bis zum caudalen Panzerrand eine völlige geschlossene Serie bilden, in einer Ausbildung, welche eine größere Annäherung an den Epithecal- panzer von Dermochelys zustande bringt, als er seither bei irgend- einer Schildkröte beobachtet worden ist. Der dorsale mediale Längs- kiel von Archelon ist ja auch dem entsprechenden Kiel des Dermo- chelys-Panzers homolog. Das gleiche gilt von dem mehr rückgebil- deten mittleren Längskiel des Toxochelys-Carapax. Hay weist dann darauf hin, daß ein Mittelkiel überhaupt keine ungewöhnliche Er- scheinung bei den Schildkröten ist. Nahezu alle Arten besitzen ihn auf einem frühen Lebensstadium. Bei einigen Thecophoren ist dieser Kiel in gewissen Abständen durch hervorragende Höcker ausge- zeichnet, und zwar entspringen diese Höcker nahe dem Hinterrande der Neuralplatten, also gerade an der Stelle, wo bei Toxochelys jene epithecalen Hautverknöcherungen gefunden wurden. Hieraus zieht Hay den Schluß, daß diese dorsalen Höcker des Mittelkieles unserer rezenten Schildkröten aus einer Reihe von epithecalen Hautknochen entstanden sind, welche bei älteren Formen, wie Toxochelys, noch vollständig waren, aber nunmehr mit den darunterliegenden thecalen Neuralplatten verschmolzen sind. Besonders bei jungen Malaclemmys terrapin sind diese Rückenhöcker des Mittelkieles stark 520 HEınrıcH VÖLKER, entwickelt, und es wäre interessant, entwicklungsgeschichtlich festzustellen, ob sie noch getrennte Ossifikationszentren haben. Nach Newman, 1906, p. 76 ist das jedoch nicht der Fall: „the tubercular keels on the neural and costal plates [von Chelydra| are produced by gradual thickening of the growing plate. These thicke- nings send out branching processes that gradually displace the dermal connective tissue of the tubercles and fill the space with bone.“ Die Elemente des dorsalen Mittelkieles sind größere, gekielte Knochenplattchen. So müssen wir uns auch die Beschaffenheit des Mittelkieles des gemeinsamen Vorfahrs der Atheken und Thecophoren vorstellen. Als nun bei den Schildkröten, welche die Entwick- lungsrichtung der Thecophoren einschlugen, mit der Verstärkung des thecalen Panzers Hand in Hand Reduktion des epithecalen ging, konnten leicht einige der größeren medialen Epithecalplatten zurückbleiben, erst als unabhängige Knochen wie bei Zoxochelys, dann noch als Höcker auf den Neuralien, wie bei gewissen rezenten Thecophoren. Bei Dermochelys finden sich auf der Rückenseite jederseits vom Mittelkiel noch drei weitere Längskiele; die äußeren bilden jedoch nicht unmittelbar den Panzerrand, wie Hay angegeben, sondern das Mosaik setzt sich noch etwas ventralwärts über diese seitlichen Kiele hinaus fort. Bei einer beträchtlichen Anzahl von Schildkröten kann man nach Hay außer einem mittleren noch zwei laterale feststellen, welch letztere gewöhnlich jedoch nicht so bervor- ragen wie der Mittelkiel. Drei Kiele finden sich z. B. bei jungen Chelydren und in auffallender Ausbildung bei alten Macroclemmys. Von anderen dreikieligen Formen führt Hay an Staurotypus tripor- catus, Damonia reevesii und Nicoria trijuga. Diese seitlichen Kiele entsprechen genau den Costalkielen von Dermochelys, und Hay scheint es ganz gut möglich, daß sie von einem gemeinsamen Vorfahren ererbt sind und gleich dem Mittelkiel von Reihen ursprünglich ge- trennter Knochen erzeugt wurden. Wenig fruchtbar war Hay’s Bestreben, bei anderen Thecophoren Spuren der supramarginalen Längskiele aufzufinden. Nur die Supra- marginalscuta von Macroclemmys glaubte er als letzte Spuren der epithecalen Supramarginalkiele, welche die Urschildkröten gleich Dermochelys gehabt haben sollen, ansprechen zu können. Deutliche Anzeichen für das Vorhandensein von Supramarginalien zeigt die von E. Fraas (1899) genauer beschriebene, aus dem Stubensandstein Dermochelys coriacea L. 521 (ob. Trias) stammende Proganochelys quenstedtii Baur.!) Bei dieser Form finden sich an den vorderen und hinteren Ecken des grob- vierseitigen Panzers zwischen die Marginalhornschilder einerseits und Vertebral- und Lateralhornschilder andrerseits mehrere Supra- marginalscuta eingeschaltet. Aus Fraas’ Angaben ist nicht zu ent- nehmen, ob unter diesen supramarginalen Hornschildern auch tat- sächlich selbständige, knécherne supramarginale Knochenstiicke lagen, und nach freundlicher brieflicher Mitteilung von Herrn Prof. FrAas läßt sich dies am Original nicht sicher entscheiden. Doch dürfte das Vorhandensein dieser, infolge ihrer höckerartigen Wölbung einen sehr selbständigen Eindruck machenden Supramarginalscuta auf früher vorhandene knöcherne Supramarginalia hinweisen (vgl. JAEKEL, 1906, p.65 — 66). Bezüglich der seitlichen Längskiele schreibt Hay, 1898, p. 939: „As to the third pair of lateral keels, they have probably left traces of themselves in the serration that mark the margins of the carapace of many turtles more especially the posterior marginal.“ — Diese Auffassung Hay’s ist meiner Ansicht nach unbe- rechtigt, denn die seitlichen Längskiele von Dermo- chelys und die Marginalreihen anderer Schildkröten sind als identisch anzusehen. Bei Archelon, der neben den Marginalreihen einen so auffallend gut entwickelten medialen Epi- neuralkiel zeigte, konnte WıELAnD zwar keine zusammenhängende Supramarginal- und Pleuralkiele feststellen, doch fand er einzelne getrennte Knochenplättchen, davon eines anschließend an den Innen- rand des linken 8. oder 9. Marginales, die den Schluß zulassen, daß zwischen dem Neural- und den Marginalkielen noch weitere epithecale Hautknochen lagen, und daß bei Archelon auf jeden Fall die 7 epi- thecalen Dorsalkiele vorhanden waren, wie bei Dermochelys (1909, p. 120). Die seitlichen Kiele von Archelon erscheinen also wie bei Dermochelys als Bestandteile einer epi- thecalen Hautpanzerschicht. Da nun aber die Margi- nalia von Archelon morphologisch genau dieselben Gebilde sind wie die Marginalia der nahverwandten Protostegiden und weiterhin der Cheloniiden, d. h. wie dieRandplatten typischer Thecophoren, so müssen sie auch bei diesen epithecalen Ursprungs sein. Meine Deutung der Elemente der Seitenkiele von Dermochelys als Homo- 1) Vgl. auch Hay (1905), Fraas (1913) und JAEKEL (1906). Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 34 522 HEINRICH VÖLKER, loga der Thecophoren-Marginalia muß also richtig sein.!) Auch Newman's (1906) Ausführungen (vgl. S. 518) stützen diese Ansicht. Kehren wir nunmehr zurück zu Hay’s Versuch, auch auf der Ventralseite von Thecophoren Spuren von Längskielen nachzuweisen. Dermochelys besitzt ventral 5 Längskiele, einen mittleren, der, wie ich beschrieben (S. 481), unter dem Einfluß des Nabels teilweise zu einer Doppelreihe wurde (vgl. Taf. 30 Fig. 2), und zwei seitliche, jederseits einen hyo-hypoplastralen und einen inframarginalen. Beim jungen Tier sind diese ventralen Längskiele viel ansehnlicher und treten mehr hervor als beim erwachsenen, sowohl durch die helle Färbung als auch durch die starke Hervorwölbung aus der Ebene der Bauchplatte. Doch konnte man bei meinem erwachsenen Exemplar noch deutlich ihren Verlauf an der etwas verwischten helleren Zeich- nung und an den Verknöcherungen erkennen. Bei anderen See- schildkröten finden sich nach Hay nur noch sehr geringe Spuren ventraler Längskiele. Verhältnismäßig gut entwickelt waren sie nach diesem Autor bei einer jungen Thalassochelys, bei der sowohl her- vorgewölbte (sogar „tuberculated“) Hyo-Hypoplastralkiele wie Infra- marginalkiele vorhanden waren, letztere längs der Reihe der bei dieser Form ausnahmsweise in die Erscheinung tretenden Infra- marginalschuppen hinziehend. Der Befund von Inframarginalien und dazugehörigen hervortretenden Kielen bei Thalassochelys war es gerade, der Hay veranlabte, die Supramarginalschuppen von Macro- clemmys zu prüfen, um Spuren entsprechender dorsaler Längskiele aufzufinden. Auch weist Hay darauf hin, daß das Plastron von Toxochelys jederseits einen niedrigen, aber ganz deutlichen Kiel be- sitze, der dem ersten Längslinienpaar von Dermochelys entspreche; ebenso sollen nach Hay bei Protostega ventrale Längskiele vorhanden gewesen sein (1898, p. 937). WıeranD (1909, p. 121) hat für Archelon gleichfalls das Vorhandensein von 5 Ventralkielen angenommen. Außer bei Seeschildkröten fand Hay auch bei einigen Landschild- kröten Spuren ventraler seitlicher Längskiele (vgl. Gray’s Figuren von Kachuga lineata und K. dhongoka; Cat. of Shield-Rept., tab. 17, 18); von dem mittleren ventralen Längskiele mußte er jedoch auf 1) GEGENBAUR (1898, p. 176) und GoETTE (1899, p. 427), davon ausgehend, daß der Athekenpanzer von Dermochelys ursprünglicher sei als der Thecophorenpanzer, bezeichneten auch schon die Marginalia der Theco- phoren als aus dem Athekenpanzer hervorgegangene Elemente. GOETTE findet sich dazu veranlaßt durch seine Deutung der Costalia und Neuralia als Teile des Innenskelets (der Rippen bzw. Wirbel). Dermochelys coriacea L. 523 Grund seiner Untersuchungen annehmen, daß er völlig bei den Thecophoren verschwunden sei. Zusammenfassend äußert sich Hay, 1898, p. 940, folgendermaßen über die dorsalen wie ventralen Längs- kiele der Schildkröten: „All these keels, as we now find them in the Thecophora, I look upon as having originated through the fusion of rows of distinct dermal ossicles with the underlying bones of the carapace and plastron. The presence, in turtles of these keels and rudiments thereof, always more or less tuberculated at an early stage of life, is rendered comprehensible if we once admit that the common ancestors of the groups possessed corresponding rows of tuberculated bones.“ Aber noch aus einer anderen Tatsache muß nach Hay ge- schlossen werden, daß die Urschildkröten einen Doppelpanzer be- saben, nämlich aus der Beschaffenheit des thecophoren Hornschuppen- panzers. Dieses Hornplattensystem muß mit einem Epithecalpanzer in Verbindung gewesen sein, genau wie bei Lacertiliern und Croco- dilen, bei denen, wenn epithecale Hautknochen entwickelt sind, die- selben durch entsprechende Hornschuppen abgedeckt werden.!) Bei Dermochelys sind in erwachsenem Zustande zwar keine Hornschuppen mehr nachweisbar, die zu den Knochenplättchen des Panzermosaiks gehören, aber beim jungen Tier zeigt sich die ganze Körperober- fläche in zahlreiche vieleckige Felderchen geteilt. Hay hält es für ganz sicher, daß diese schuppenartigen Felderchen den epithecalen Panzerplättchen entsprechen, die später in der Haut entstehen. In dieser Auffassung möchte ich mich Hay anschließen. Der Beweis für ihre Richtigkeit steht allerdings noch aus, da bei den nicht allzuseltenen frisch ausgeschlüpften Exemplaren von Dermochelys in der Haut noch keine knöchernen Elemente des Epithecalpanzers nach- zuweisen sind und etwas ältere Tiere nie gefangen wurden. Man kennt von Dermochelys bis jetzt nur ganz junge und erwachsene oder fast erwachsene Exemplare. Hay nimmt nun an, daß die älteren Schildkröten einen Panzer aus Hornschuppen besaßen, unter denen dazugehörige Epithecalhautknochen lagen. Von solch einem landbewohnenden Vorfahren, mit Gliedmaßen, die für 1) Dies ist nicht ganz zutreffend, wie aus den Arbeiten von SCHMIDT (1910, p. 640; 1912, p. 86) hervorgeht; es ist kein so fester Zusammenhang von Hornschuppen und Hautverknöcherungen vorhanden, wie HAY glaubt; doch besteht derselbe meist, und es ist daher interessant, wie es HAY und NEWMAN getan haben, für die Beurteilung der ehemaligen Anordnung epithecaler Verknöcherungen auch die Schuppen oder Scuta heranzuziehen. o4* 594 HEINRICH VÖLKER, ein Landleben eingerichtet waren, leitet er einen Stamm ab, der in Dermochelys seinen Gipfelpunkt erreicht hat. Die Gliedmaßen wurden weitgehend umgebildet und möglicherweise auch die Haut- schuppen und darunterliegenden Knochenplatten. Sicher unterlag der subdermale (thecale) Hautpanzer einer beträchtlichen Reduktion. Von demselben primitiven Urtyp und zwar von einer Form mit breitem, unbeweglichem Rumpfe, langsam in der Bewegung und wenig wehrhaft, nahmen nach Hay auch die Thecophoren ihren Ursprung, welche länger am Land blieben. Für ein solches Tier möchte es nach Hay’s Ansicht vorteilhaft gewesen sein, einen wider- standsfähigeren Panzer zu besitzen, als ihn die dünnen, beweglich verbundenen Epithecalpanzerplättchen bieten konnten. Hay nimmt nun an, dab von den Elementen des Epithecalpanzers einige ebenso wie die dazugehörigen Hornschuppen sich auf Kosten der anderen ausdehnten und gekielt wurden. Möglicherweise soll ihre Funktion als Kiele ihre Größenzunahme bedingt haben. Das Endergebnis war,dab ein solcher epithecaler Knochenplattenpanzer mit entsprechen- den Hornschuppen den größten Raum bedeckte, welche bei den rezenten Thecophoren die Hornplatten einnehmen. Schließlich er- reichte der ursprünglich noch ziemlich indifferent entwickelte Thecalpanzer jedoch eine solche Stärke, daß die epithecalen Haut- knochen überflüssig wurden und in Rückbildung traten, ohne daß jedoch die weitergehende Vergrößerung der Hornplatten beeinflußt wurde. !) Epithecale Hornplatten und thecale Carapaxteile kamen schließlich bei den Thecophoren aufeinander zu liegen. Da jedoch beide ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten, wird auch die merkwürdige und auffallende Tatsache verständlich, warum die Hornplatten des Thecophorenpanzers in keiner Weise mit den dar- unterliegenden knöchernen Panzerstückchen korrespondieren, sondern im Gegenteil bei den seitlichen Hornplatten jede einzelne eine Costalplatte und noch die Hälfte der vorhergehenden und der nach- folgenden abdeckt. Die hornigen Neuralschilder sind ähnlich ver- 1) Wie ich zu diesen Ausführungen HAY’s bemerken möchte, halte ich es für sehr unwahrscheinlich, daß die epithecalen Hautpanzerplatten jemals auch nur annähernd eine solche Ausdehnung gehabt hätten, wie heute die Hornschilder sie zeigen. Schon sehr frühe scheint das Horn- schildersystem der Thecophoren eine eigene, vollkommen selbständige Ent- wicklungsrichtung eingeschlagen zu haben, wie auch die sehr konstanten Zahlenverhältnisse dartun, während der Epithecalpanzer allmählich ver- schwand. Dermochelys coriacea L. 525 teilt; sie bedecken bisweilen ganz oder teilweise zwei bis vier Neu- ralia. Aber: „The marginal scutes are only as long as the marginal bones wich they cover, but, instead of coin- ciding with the latter, they break joints with them“ (p. 941). Die Ausnahmestellung der marginalen Hornschilder des Thecophoren- panzers, welche allein unter allen Hornschildern ebenso groß sind wie die Marginalknochen, möchte ich ganz besonders betonen, da sie durch meine Deutung der Marginalia als epithecale Hautpanzer- stücke eine Erklärung findet. Noch vollkommen ursprüngliche Ver- hältnisse vorausgesetzt, müßte man eigentlich erwarten, daß die marginalen Hornschilder der Thecophoren nicht allein in ihrer Größe, sondern auch in ihrer Lagerung mit den dazugehörigen Knochen übereinstimmten. Der ursprüngliche Zustand muß auch so beschaffen gewesen sein; aber er ging meiner Meinung nach da- durch verloren, daß, wie schon erwähnt, das Hornschildersystem der Thecophoren für sich eine eigene Entwicklungsrichtung einschlug und die marginalen Randplatten nicht unbeeinflußt geblieben sind von den Umbildungen, welche die sehr groß gewordenen costalen Hornplatten erlitten. Und noch eine andere Tatsache, welche NEw- MAN (1906) festgestellt hat, paßt für meine Deutung der Marginalia als epithecale Panzerteile und meine Annahme einer ursprünglich vorhandenen Konvergenz von Hornschuppe und epithecaler Knochen- platte bei den Urschildkröten: die Marginalia sind die einzigen Platten, bei denen mit abnormer Ausbildung der Hornschilder aus- nahmslos entsprechend abnorme Ausbildung der darunterliegenden Knochen verbunden ist. Hierzu tritt der genetische Zusammenhang zwischen epidermaler Hornschuppe und epithecaler Knochenplatte wieder klar an den Tag. Bei Abnormalitäten in den Costal- wie Neuralreihen jedoch ergab sich keine derartige ausnahmslose Korre- spondenz wie bei der Marginalreihe. Eine solche ist auch nicht zu erwarten, da die Knochenschilder dieser Region nach unserer Auffassung (im Gegensatz übrigens zu NEwMAN, der darin periostale Bildungen sieht) thecale Hautknochen sind und deshalb gar keine Beziehung zu den epidermalen, ursprünglich dem epithecalen Panzer angeschlossenen Hornschildern besitzen können (vgl. Newman, 1906, p. 96). Im genaueren hat Hay (1908) die Beziehungen zwischen Dermal- und Subdermalpanzer (Epithecal- und Thecalpanzer) der Schildkröten folgendermaßen zusammengefaßt: „Starting with this outfit, the vast majority of turtles have wholly or almost wholly divested themselves 596 HEINRICH VÖLKER, of the dermal layers and have acquired a solid shell composed of the subdermal bones. On the other hand, the leatherback turtle, Dermochelys, appears to have retained the dermal and to have almost wholly surrendered the subdermal bones, for the costal plates now form only unimportant fringes on the ribs; the peripherals and neurals are wholly gone; the nuchal is reduced and the plastral bones are only eight slender rods. As regards the carapace, Dermo- chelys possesses little, that ist homologous with that of most other turtles.“ Mit Hay und im Gegensatz zu Dorzo (1901) nehme ich für die gemeinsamen Vorfahren von Atheken und Thecophoren den Besitz eines Doppelpanzers an. Bezüglich der Zusammensetzung dieser beiden Panzerlagen unterscheidet sich meine Auffassung von derjenigen Hay’s hauptsächlich in dem Punkt, daß ich auf Grund meiner Befunde an Dermochelys, die auch sehr gut im Einklang stehen mit dem, was man vom Hautpanzer von Archelon weiß, die Marginalia deute als Bestandteile des Dermal- (Epithecal-) und nicht des Subdermalpanzers (Thecalpanzers). Ferner glaube ich für die Rückenseite als ursprüngliche Zahl 9 Kiele annehmen zu müssen. Ich fand nämlich bei der jungen Dermochelys auf dem Halse in Ge- stalt zweier sehr deutlicher, heller Streifen ganz entsprechend denen, welche die Längskiele des Rückenschildes kennzeichnen, ein Längs- kielpaar angedeutet, das auf dem Rücken zwischen den mittleren neuralen und den costalen Kielen seine Fortsetzung gefunden haben muß, das aber hier völlig verschwunden ist, also Andeutungen für das frühere Vorhandensein eines costo-neuralen Kielpaares. Eine sehr hübsche Ergänzung findet diese Beobachtung durch NEwman’s (1906) entsprechende Befunde an dem „tail trunk“, der Schwanz- wurzel, von Chelydra serpentina. Er fand dorsal im ganzen ebenfalls 9, ventral 5 deutliche Längsreihen von Verknöcherungen oder Höckern bzw. Schildern. Von den dorsalen bestanden die beiden seitlichen (marginalen), die costalen und die mittlere (neurale) aus größeren Elementen, während die zwischen der marginalen und costalen Reihe gelegene Supramarginalreihe, ebenso wie die zwischen neuraler und costaler Reihe gelegene neurocostale Längsreihe, aus kleinen, weniger regelmäßig angeordneten Höckerchen oder Schildern bestand. Ventral sind die medianen Interplastralen und die seitlichen Inframarginalen aus kleinen, die dazwischen gelegenen Plastralen aber aus größeren Schildern zusammengesetzt. Es sind also im ganzen 14 Reihen vor- handen, 7 primäre Hauptreihen und zwischen jedem Paar nochmals Dermochelys coriacea L. 527 eine sekundäre Nebenreihe. Von der Annahme ausgehend, daß die Panzerreihen von Schwanz und Rumpf ursprünglich ununterbrochen ineinander übergingen, müssen wir uns vorstellen, daß die sekundären Reihen durch die primären nach und nach verdrängt wurden, wie denn auch in den höchst spezialisierten Fällen, wie sie bei den land- bewohnenden Emydiden vorliegen, nur noch 7 primäre Reihen übrig geblieben sind (entsprechend den Hornschildern der Neuralia, paarigen Costalia, Marginalia und Plastralia). Newman schreibt nun p. 103: »This condition as derived from the tail-trunk of Chelydra differs rather radically from the ancestral condition derived from Dermo- chelys, in which there are twelve rows (7 +5) of equal rank. I am inclined to believe that Dermochelys is an extremely aberrant type with only a most distant connection with the phylogenetic line of Chelonia. The twelve keels of Dermochelys are comparable, I believe, to the seven keels of modern forms, and the irregular rows of plates and scutes between the keels are com- parable to the secondary rows of scutes seen in the tail-trunk of Chelydra and representedinthecarapace and plastron byinframarginals, supramarginals, inter- plastrals and neuro-caudals.“ Dieser letzteren Ansicht kann ich mich jedoch nicht anschließen, da ich Homologa aller der im Schwanz von Chelydra angetroffenen Längsreihen auch bei Dermo- chelys als Kiele zu finden glaube; selbst die von Newman als Neuro- costale bezeichnete Reihe ist bei der jungen Dermochelys andeutungsweise noch vorhanden. Beim älteren Tier ist sie verloren gegangen, wie ja überhaupt diese Reihe von allen sekundären Längsreihen als erste infolge Ausdehnung der costalen und neuralen Nachbarreihen ver- loren gegangen zu sein scheint (NEWMAN, p. 103). Wir hätten also bei Dermochelys den Neuralkiel, ferner die Costal-, Marginal- und Plastralkiele als Hauptkiele, Costo- neural-, Supra- und Inframarginalkiele sowie den un- paaren Interplastralkiel als Nebenkiele anzusehen. In dieser Hinsicht besteht also nicht, wie Newman annahm, ein wesentlicher Unterschied zwischen Cheloniiden und Dermochelys und kein Grund, nur eine sehr entfernte Verwandtschaft beider Typen von Meeresschildkröten anzunehmen. Ferner muß ich, im Gegensatz zu Hay, den Thecal- oder Sub- dermalpanzer gegenüber dem Epithecal- oder Dermalpanzer als den phylogenetisch älteren Besitz betrachten. Denn allgemein, wenn man zwei Schichten von Hautverknöcherungen übereinander antrifft, 528 HEINRICH VOLKER, pflegt, wie GOETTE (1899, p. 432) meiner Meinung nach ganz richtig bemerkt hat, immer oder fast immer die oberflächlich gelegene Schicht die phylogenetisch jüngere Erwerbung zu sein. GOETTE schreibt p. 431 Folgendes: „Mit dem besprochenen Hautskelett, dem Panzer der Atheca und seinen Resten bei den Thecophora, den Randplatten, haben die übrigen Hautknochen, die allen Schildkröten gemeinsam sind, die Nackenplatte und das Plastron, nichts zu tun. Sie liegen bei den Atheca nicht nur unter dem Panzer, sondern entstehen auch ebenso- viel früher, dass an einen genetischen Zusammenhang beider Teile nicht gedacht werden kann“ und p. 432: „Wir haben also bei den Schildkröten ein doppeltes Hautskelett zu unterscheiden, geradeso wie am Schädel der Lacertiden über den cutanen Deckknochen noch die später hinzukommenden Schuppenknochen liegen.“ GOETTE ist bezüglich der Marginalia auf Grund seiner an Embryonen thecophorer Schildkröten ausgeführten Untersuchungen zu derselben Beurteilung gelangt wie ich auf Grund der vergleichen- den Betrachtung des Dermochelys-Panzers, daß nämlich die Margi- nalia der oberflächlichen, epithecalen Hautpanzerschicht angehören. GOETTE mußte zu dieser Schlußfolgerung kommen durch seine Deutung des thecalen Panzers (Costalia und Neuralia) als Teil des Stamm- skelets (Verbreiterungen der Rippen und der Dornfortsätze der Wirbel). Denn es ist klar, daß die Marginalia sich nicht aus dem Stammskelet, wozu sie niemals Beziehungen aufweisen, herleiten lassen. Sieht man aber im Gegensatz zu GOETTE, wie auch ich es tue, im thecalen Panzer keinen Teil des Stammskelets, so wird der GoETTE’'schen Deutung der Boden entzogen; denn wenn die Costalia und Neuralia gleichfalls Hautknochen sind, so könnten die Margi- nalia doch derselben tieferen Schicht von Hautknochen angehören wie diese und nicht der oberflächlichen epithecalen Schicht, der dem Mosaikpanzer von Dermochelys homolog ist. Diese Auffassung ist ja auch von Hay (1908) tatsächlich vertreten worden (vgl. S. 518). Aber richtig scheint mir die Deutung der Marginalia als homolog dem epi- thecalen Mosaikpanzer doch zu sein, sowohl weil man bei Dermochelys Marginalia erkennen kann, wie wegen der Verhältnisse bei Archelon (vgl. S. 521 ff). Weiter enthalten Gorrre’s Darlegungen Verschiedenes, dem ich mich nicht anschließen kann. Er betrachtet, wie gesagt, Neuralia und Costalia als Abkömmlinge des Innenskelets, während ich darin mit dem Innenskelet in Verbindung getretene Hautknochen sehe. Und während nach Gorrre für Dermochelys insbesondere die Costalia Dermochelys coriacea L. 529 im Beginn ihrer Ausbildung stehen, muß ich sie als stark reduziert betrachten. Baur, 1890, p. 534 nahm ebenfalls eine spätere Ent- stehung des Thecalpanzers von Dermochelys an: „The mosaiklike carapace and plastron of these forms is probably a secondary forma- tion, which appeared after the dermal part of the ribs had dis- appeared entirely.“ Jedoch setzt Baur diese Entstehung des Epi- thecalpanzers (Panzermosaik) in eine viel spätere phylogenetische Periode, als ich das tue. Er betrachtet als Vorfahren von Dermochelys Thecophoren, die zuerst ihr thecales Skelet verloren und dann erst einen Epithecalpanzer überhaupt und schließlich in der Form eines Panzermosaiks, wie es Dermochelys aufweist, ausgebildet haben sollen. Für eine phylogenetisch spätere Entstehung des epithecalen Schuppenpanzers im Vergleich zum Thecalpanzer spricht die Tatsache, daß bei Dermochelys der Epithecalpanzer in der Ontogenese viel später in die Erscheinung tritt als der thecale. Beide aber waren bei den Stammformen der Schildkröten schon vorhanden. Bei den primi- tivsten Schildkröten hatte schon eine Kombination beider Panzer- schichten zu einer geschlossenen Kapsel stattgefunden, indem die- jenigen epithecalen Elemente, welche den Seitenrand des Rumpfes bedeckten, sich vergrößert hatten und als Marginalia zu einem wesent- lichen Teil des Panzers geworden waren. Die übrigen epithecalen Elemente dürften dagegen relativ kleine Elemente geblieben sein, die nicht in sehr feste Verbindung mit dem thecalen Panzer ge- treten waren, denn sonst würden wohl bei den primitiveren Schild- kröten (bei den Amphichelydia und den älteren Meeresschildkröten) diese Klemente besser und öfters erhalten sein. Der primitive Panzer der Schildkröten war also ein Thecophorenpanzer (mit Marginalia), wozu akzessorisch epithecale Elemente in zahlreichen Längsreihen kamen (12: nämlich einer neuralen und paarigen costo- neuralen, costalen, supramarginalen Reihen auf der Rückenseite und einer unpaaren interplastralen und paarigen plastralen und infra- marginalen Reihen auf der Bauchseite). Unter den Cheloniidea (vgl. S. 512) schlugen nun die Stamm- formen der Atheken und Thecophoren direkt entgegengesetzte Ent- wicklungsrichtungen in der Panzerentwicklung ein. Hay (1909) nimmt an (vgl. S. 525), daß bei Thecophoren völlig oder fast völlig der Epithecalpanzer verloren ging und eine feste Knochenkapsel aus den Thecalpanzerteilen entstanden sei. Andererseits soll bei Dermo- chelys ausschließlich der Epithecalpanzer eine Ausbildung erfahren haben, während der Thecalpanzer sehr stark rückgebildet worden 530 HEINRICH VÖLKER, sei, so daß der Panzer dieser Form wenig besitze, was mit dem anderer Schildkröten homolog sei. Meiner Ansicht nach sind der Dermochelys- und der Thecophorenpanzer zwar die Endglieder zweier entgegengesetzten Entwicklungsreihen, aber doch besteht zwischen beiden keine solche grundsätzliche Verschiedenheit, wie Hay befür- wortet. Vor allem setzt sich der Thecophorenpanzer nicht ausschließlich aus thecalen Bestandteilen zusammen, sondern er enthält auch epi- thecale und zwar in den Marginalien und wahrscheinlich auch in dem Pygale. Der Thecophorencarapax ist also zustande sekommen durch Zusammenschlußzweier Hautpanzer- lagen. Es ergibt sich folgende Scheidung seiner Kom- ponenten: Thecalen Ursprungs sind das Nuchale, die Neuralien, Costalien und die Teile des Plastrons, epi- thecale Hautknochen sind die Randplatten und das Pygale. Was die Suprapygalia anbetrifft, so möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß Hay’s Befund, wonach bei Toxochelys einer der in der Mittellinie gelegenen Höcker das zweite Suprapygale überdeckte, es wahrscheinlich macht, daß die Suprapygalia thecalen Ursprungs sind. Dermochelys gibt zur Entscheidung dieser Frage keinen Anhalts- punkt, da thecale Elemente in der Region der Pygalien, ebenso wie die Neuralien bei dieser Form fehlen. Auch die Verhältnisse bei Archelon und Protostega geben keinen sicheren Aufschlub. c) Die ursprüngliche Beschaffenheit der Marginalreihe und Bemerkungen über die Panzerform von Dermochelys. Einen lückenlos geschlossenen Ring von Marginalien kann man als ursprünglichen Zustand wohl kaum annehmen, da man sich doch vorzustellen hat, daß zum mindesten die mittleren Längskiele auch auf dem Halse (wie Schwanze) eine Fortsetzung gefunden haben. Es handelt sich also darum, zu entscheiden, wie weit sich die Marginalkiele am Vorderrand fortsetzten, ob sie ursprünglich wie bei Cheloniiden bis an das Nuchale, bzw. bis an die Endpunkte der Pleuralkiele reichten, oder ob sie wie bei Dermochelys schon in der Höhe der zweiten Rippenenden, an den seitlichen Eckpunkten des Panzers, ein Ende fanden. Wenn man von dem Gedanken aus- geht, dab bei Dermochelys der Epithecalpanzer nicht so erheblich von dem Thecalpanzer beeinflußt wurde wie bei den Thecophoren, Dermochelys coriacea L. 531 wo ein Zusammenschluß der dermalen Marginalia an das Subdermal- skelet zu einem einheitlichen Carapax stattfand, ferner wenn man daran denkt, daß die Längskiele früher auch einmal auf den Hals übergetreten sein müssen (Hautpanzer der Crocodile!), so könnte man wohl dazu kommen, den Zustand bei Dermochelys als den ursprüng- lichen anzusehen. Als der Rumpfpanzer durch kräftigere Aus- bildung aus dem übrigen Hautskelet sich hervorzuheben begann, wären die Längskiele einfach unterbrochen worden und auf diese Weise am Vorderrande des Panzers jene vier typischen Ecken ent- standen. Diese durch vier vordere Ecken gekennzeichnete Panzer- form von Dermochelys ergäbe sich dann als eine primitive Panzer- gestalt. Bei den meisten Thecophoren wären sekundär nicht allein jene vier Ecken verschwunden, sondern auch eine sekundäre Weiter- führung der Marginalreihe bis zum Nuchale hin ausgebildet worden. Während nun, wie schon früher beschrieben, die erwachsene Dermo- chelys in der Zone von den seitlichen Panzerecken bis zu den vor- deren (Textfig. Aa—b) keine Spur von Marginalia erkennen läßt, zeigt das junge Tier eine deutliche Weiterführung des marginalen Längskieles bis fast an die Endpunkte des costalen Kielpaares (vordere Panzerecken). Hieraus er- gibt sich also mit aller Deutlichkeit, daß der Befund am erwachsenen Tier, wo die Marginalreihen an den seitlichen Panzerecken unter- brochen sind, nicht der ursprüngliche sein kann, sondern, daß der Befund bei Cheloniiden der ursprünglichere ist. Diese Marginalien, welche bei Cheloniiden die Verbindung zwischen Nuchale und den durch die distalen Enden des zweiten Rippenpaares gekennzeichneten Seitenecken des Panzers bewerkstelligen und die Dermochelys auch einmal besessen haben muß, will ich Prosomarginalien nennen. Es taucht hiermit die Frage auf, warum Dermochelys ihre Proso- marginalien verloren hat. Die Betrachtung des Tieres von der Rückenseite zeigt, daß wir die Verlagerung der gewaltigen Vorder- flosse dorsalwärts hierfür verantwortlich machen müssen; der Raum, den die mächtigen Muskelmassen des Oberarmes beanspruchten, ver- langte eine Ausbuchtung des Panzers, und so gingen die Proso- marginalia infolge der auch hierin sich äußernden hochgradigen An- passung von Dermochelys an die schwimmende Lebensweise verloren. Wie die Verlängerung der Vordergliedmaßen das Verschwinden der Prosomarginalien und die Ausbuchtung des Panzers in diesem Ge- biet hervorgebracht haben dürfte, so ist die Ausbuchtung des Panzers zwischen den vorderen Panzerecken vielleicht auf den zunehmenden 532 HEINRICH VÖLKER, Umfang des Halses zurückzuführen. Als primitiven Zug der Panzer- form von Dermochelys glaube ich das Vorhandensein der vier Eck- punkte des Vorderrandes um so weniger ansprechen zu dürfen, als sie bei Landschildkröten (die in der Lebensweise doch ursprünglicher sind) und bei wenig angepaßten Meeresschildkröten (Toxochelyidae und Thalassemydidae) fehlen. Archelon besaB sie schon, allerdings noch nicht so ausgeprägt wie Dermochelys (vgl. WıELAnD, 1909, Text- und Tafelfiguren). Auf eine bemerkenswerte Tatsache möchte ich noch hinweisen, nämlich darauf, daß es bei den Thecophoren in der Regel jederseits nur zwei Prosomarginalia gibt, welche die Verbindung bewerk- stelligen zwischen dem Nuchale (costalen Panzereckpunkten) und den seitlichen Panzerecken, welche auch, wenn sie ausgeglichen wurden, immer durch die distalen Enden des ersten langen Rippen- paares festgelegt werden. |Vgl. Archelon und Protostega (WIELAND, 1909) Chelone mydas, Lytoloma angusta (WıELAnD, 1904, tab. 5, 6), Chelydra serpentina, Macroclemmys temminckii (BOULENGER, 1889, fig. 4 u. 6) sowie zahlreiche andere Formen.] Da die Marginalien der epithecalen Skeletlage des Panzers an- gehören, kann die Verbindung zwischen ihnen und dem subdermalen, einer tieferen Skeletlage angehörigen Nuchale nicht ursprünglich sein. Dieser Anschluß ist aber offenbar schon bei den ältesten Schildkröten zustande gekommen, denn schon die Amphichelydia be- sitzen ihn vollständig ausgebildet. Die das Nuchale bedeckenden epithecalen Elemente, insbesondere die vordere Endplatte der Neural- reihe, verschwanden bei den Thecophoren, wenn solche überhaupt typisch ausgebildet waren. Nicht ausgeschlossen ist es, dab die un- mittelbar an das Nuchale grenzenden Randplatten aus den Endplatten der Pleuralkiele hervorgegangen sind. Zu der Auffassung, dab ursprünglich über dem Nuchale epithecale Panzerteile lagen, die jetzt meist verschwunden sind, komme ich durch Vergleich der ex- tremen Verhältnisse bei Dermochelys und Thecophoren einerseits mit dem Mittelzustand bei Archelon ischyros andrerseits. Nach WıerAanv’s Angaben 1909 war bei Archelon das Nuchale schon wie bei typischen Thecophoren an Marginalia angeschlossen gewesen; aber es scheint, daß einiges doch anders war als bei diesen. Wıerrann schildert das Nuchale von Archelon folgendermaßen (1909, p. 114): „The nuchal is very large and very thin, especially in the lateral portion, indeed so thin as to suggest the necessity for strengthening by overlapping dermal ossifications. The anterior edge Dermochelys coriacea L. 533 is strongly concave, being sharp, not rounded, in the middle region“, und p. 116: „On the nuchal itself no additional elements were observed but as just stated, one may suppose from the great reduction in thiekness such may well have been present. Indeed it is not impossible, that the posterior end of the nuchal extended beneath the first of the median supra-neural-elements, and that as a consequence our restoration is thus some ten centimeters too long.“ Diese Vermutung von WIELAND erhält eine bedeutende Stütze durch die Befunde bei Dermochelys, deren Nuchale ja vollständig vom Epithecalpanzer bedeckt ist. Auch bei dieser Form schließt die neurale Längsreihe des Epithecalpanzers nicht durch eine größere Platte ab. Es finden sich vielmehr längs des konkaven Vorder- randes des Rückenschildes eine Reihe kleiner Knochenplättchen. Es mögen deshalb auch bei Archelon vor der vordersten von WIELAND aufgefundenen Epineuralplatte noch kleinere, das Nuchale abdeckende Knochenplättchen gelegen haben. Dies ist noch aus einem zweiten Grunde wahrscheinlich. WrELAnD hebt hervor, daß der Vorderrand des auffallend dünnen Nuchales von Archelon schneidenartig sei. Wir sehen aber am Dermochelys-Panzer, dab die Bewegungen des Halses in diesem Abschnitt einen verdickten, stumpfen Rand fordern. Ich betrachte dies als einen besonders deutlichen Hinweis dafür, daß die Nackenplatte von Archelon tatsächlich noch von epithecalen Hautpanzerknochen überlagert wurde, welche, an deren Vorderrande hinziehend, nach dem Halse zu einen verstärkten Abschluß des Panzers bildeten und sich gleich dem Nuchale selber an die Marginal- platten anfügten. Die Nackenplatte von Archelon war also nicht so gut entwickelt wie bei typischen Thecophoren und auch bei Protostega. Sie wurde von epithecalen Elementen überdeckt; ob sie, wie bei Dermochelys, von dem Epithecalpanzer getrennt wurde durch eine, dann aller- dings dünne Lederhaut, ist nicht zu beurteilen; das Nuchale von Archelon konnte trotzdem an der unmittelbaren Verstärkung des Panzervorderrandes teilnehmen und mit seinen vorderen seitlichen Fortsätzen den Anschluß an die Prosomarginalia erreichen. Der bei Protostega und Chelonia bestehende Zustand, wo die Reihe der Marginalia vorn mit dem Nuchale verbunden ist, dürfte also der primitivere sein. Auch Archelon besitzt ihn noch, trotz der Reduktion seines Nuchales zu einer größtenteils dünnen Knochenplatte. Bei Dermochelys ist, bei immer geringerer Bedeutung des Nuchales für die Festigkeit des Carapax — auch die Rückbildung der Prosomargi- 534 HEINRICH VÖLKER, nalia ist zu beachten —, die direkte Verbindung des Nuchales mit den Marginalia und mit den Elementen des epithecalen Panzers über- haupt verschwunden. Man könnte hier an einen primitiven Zustand denken, aber Archelon zeigt uns, wie der Dermochelys-Zustand ent- stehen konnte. Primitiv ist für Archelon und Dermochelys wohl die Überlagerung des Nuchales durch epithecale Elemente, die wir ja mit Hay als einen alten Bestandteil des Schildkrötenpanzers erkannt haben; ob diese epithecalen Elemente ursprünglich eine so voll- ständige Bedeckung des Nuchales bildeten wie jetzt bei Dermochelys und vielleicht bei Archelon, bleibe dahingestellt; mir ist dies nicht wahrscheinlich. Bei Dermochelys ist der Carapax hinten zu einer eigentümlichen Spitze verjüngt, wie man es bei keiner anderen Schildkröte (auch nicht bei Archelon) findet. Wie die schlanke Form des Carapax (vgl. S. 476) überhaupt, dürfte auch dies eine Anpassung an die schwimmende Lebensweise sein. Die Form des Carapax von Dermo- chelys ist nicht primitiver als bei anderen Schildkröten, sondern in Zusammenhang mit der Lebensweise erheblich modifiziert. d) Die Stammesgeschichte des Athekenpanzers. Der Thecophorenpanzer, dessen Zusammensetzung auf den vorher- gehenden Blättern darzulegen versucht wurde, muß betrachtet werden als eine ganz spezielle Anpassung an die Bedürfnisse landbewohnender Tiere. Für so schwerfällige und wehrlose Geschöpfe, wie es die ältesten Schildkröten schon gewesen sein müssen, muß die Ausbildung einer festen, aus großen, starr verbundenen Knochenplatten zusammen- gefiigten Knochenkapsel, welche auch noch Raum zum Schutze des Kopfes, Halses und der Gliedmaßen bot, vorteilhaft gewesen sein; die epithecalen Elemente waren von geringer Bedeutung, verfielen der Rückbildung und sind meist, mit Ausnahme der Marginalia, ver- schwunden. “Wenn nun bei den Atheken, wie z. B. Dermochelys, ganz gegen die allgemeine Regel der Epithecalpanzer, der sich dem Thecophoren- panzer gegenüber, abgesehen von der anderen Herkunft seiner Ele- mente, durch seine Zusammensetzung aus kleinen, sehr zahl- reichen Knochenplättchen charakterisiert, zur Ausbildung gekommen ist, während der Thecalpanzer bei diesen Formen sozu- sagen fast jede Bedeutung verlor, so müssen wir uns sagen, dab hier andere Bedürfnisse vorgelegen haben müssen als bei den Theco- phoren. Es liegt nun auf der Hand, daß wir für die eigentümliche Dermochelys coriacea L. 539 Panzerentwicklung der Atheken das Meeresleben dieser Tiere ver- antwortlich machen müssen. Stellt der Thecophorenpanzer mit der weitgehenden Rückbildung der epithecalen Elemente das eine Extrem der Panzerentwicklung der Schildkröten dar, so muß als das andere der Panzer von Dermochelys betrachtet werden. Die ausführlichsten Angaben über den vermutlichen Entwick- lungsgang des Athekenpanzers verdanken wir L. Dorzo (1901). }) Seine Ansicht ist kurz folgende: Die sekundär wieder pelagisch ge- wordene atheke Dermochelys stammt von einer sekundär littoralen Atheke vom Typ Psephophorus, mit dickem, dorsal und ventral ge- schlossenem Panzermosaik, welche zurückgehen soll auf eine primär pelagische Thecophore mit sehr stark reduziertem Carapax und Plastron und völlig rückgebildetem Epithecalpanzer. Diese primär pelagische Thecophore leitet er ab von einer primär littoralen typischen Thecophore und diese von terrestrischen Formen. Dermochelys, Pse- phophorus, Protosphargis, Archelon, Protostega, Allopleuron, Chelone und Thalassochelys sollen zwar nicht die Genealogie von Dermochelys in gerader Linie verkörpern, aber die „types représentatifs“ der ein- zelnen Entwicklungsphasen darstellen, seit der Zeit, wo die Schild- kröten zum ersten Male sich der pelagischen Lebensweise anpaßten. Auf eine Schwäche dieser Stammesgeschichte hat schon Nick hin- gewiesen. Er schreibt 1912, p. 209: „Der „Thecophore pélagique“ soll ganz ohne Panzer gewesen sein. Dann müssten die Knochen- plättchen des Dermochelydenpanzers eine vollkommene Neubildung sein, obwohl wir in der Reihe der Reptilien vielfach ein altes Dermalskelet antreffen. Auch fragt es sich, ob bei einer derart weitgehenden Rückbildung der die ganze Körperform der Schild- kröten bedingenden Hartteile diese selbst gewahrt bleiben konnte, wie es doch bei Dermochelys noch im ganzen der Fall ist, nament- lich hinsichtlich der scharfen Seitenränder (vgl. die Fischform der Cetaceen, Pinnipedier, Ichthyosaurier usw.).“ Nick vermeint viel- mehr, ein vermittelnder Weg zwischen den beiden extremen An- sichten Hay’s, der einen kräftig entwickelten epithecalen Panzer als primitiv betrachtet (1898 u. 1908), und Dozro's (1901) sei nicht von der Hand zu weisen. Das Vorhandensein eines Dermalpanzers (Epi- thecalpanzers) über dem reduzierten Subdermalpanzer (Thecalpanzer) von Dermochelys betrachtet er mit Hay als ein primitives Merkmal, 1) Vgl. auch ABEL (1912, p. 616—619). 536 HEINRICH VÖLKER, um so mehr als Reste eines Epithecalpanzers auch bei anderen Thecophoren noch nachweisbar sind, und meint im Anschluß an Hay, bei der primitiven alten Form, welche die gemeinsame Stamm- form von Chelonia und Dermochelys sein muß, brauche man erst recht keine völlige Reduktion des Dermalpanzers (Epithecalpanzers) anzunehmen, vielmehr dürfte dieser zum mindesten in einigen Längs- reihen entwickelt gewesen sein. Auch die neueren Befunde von WiıErAnD bei Archelon sprechen gegen Doro. Ich habe oben S. 508 und 529ff. ausgeführt, daß ich die Stammform von Dermochelys und Chelonia als eine Thecophore mit epithecalen Panzerelementen betrachte. Was sie von den Atheken unterscheidet, ist die stärkere Ausbildung des thecalen und schwache Entwicklung des noch in nicht zu- sammenhängenden, sondern in einzelnen Längsreihen angeordneten Epithecalpanzers. Viel weniger groß sind die Unterschiede jener Urform gegenüber den Thecophoren. Der Thecalpanzer war kräftig, vermutlich durchaus normal entwickelt. Über dem Thecalpanzer, noch nicht durcheine dicke Lage Bindegewebe von ihm getrennt, lag der Epithecalpanzer, zuerst in schwacher Aus- bildung, in getrennten Längsreihen, wovon nur die Randreihe der Marginalia gut entwickelt war. Besonders betonen muß ich, dab das Nuchale noch in der Ebene der Marginalia lag und damit ver- bunden war, wenn es auch noch von epithecalen Elementen über- lagert wurde. Auch die Panzerform der Stammschildkröte glich nicht der bei Dermochelys ausgeprägten, wo der Vorderrand durch vier deutliche Ecken gekennzeichnet und das Hinterende zugespitzt ist, sondern mehr der ovalen Form des Thecophoren- carapax. Es ergeben sich hiernach als primitive Züge des Dermochelys-Panzers nur die Ausbildungder dorsalen und ventralen Längskiele mit ihren epithecalen Ele- menten. Sekundär ist die schlanke Panzerform mit den vier vorderen Ecken und der caudalen Zuspitzung, die Bildung eines geschlossenen Panzermosaiks, das neuerdings (man denke an Psephophorus) dorsal und ventralwiederumder Rückbildung unterlag. Sekundär ist auch der Verlust der Neuralia, das völlige oder fast völlige Verschwinden der Costalia, die Unter- brechung der Marginalien an den seitlichen Panzer- ecken, das Verschwinden des costo-neuralen Längs- kielpaares, ebenso die starke Rückbildung des Pla- Dermochelys coriacea L. 537 strons, welche dasselbe zu einem schwachen Knochen- ring reduzierte und neben den alten auch bei vielen Thecophoren verloren gegangenen Mesoplastren auch das allgemein vorhandene Entoplastron verschwinden ließ. Wie Nıcr’s Untersuchungen (1912, p. 200) wahrscheinlich gemacht haben, dürfte die gemeinsame Stammform von Cheloniiden und Dermochelys keine Land-, sondern eine schon an ein Wasserleben angepaßte Form gewesen sein. Aus diesem primitiven Typ, vermut- lich einer littoralen Form, dürften zu verschiedenen Zeiten Schild- kröten entstanden sein, die sich zu hochseebewohnenden Formen entwickelten. Kine Entwicklungsreihe hat ihren Gipfelpunkt heute in Dermochelys, eine jüngere in den Cheloniiden erreicht. Erst nach- dem der Cheloniidenstamm schon den epithecalen Panzer mit Aus- nahme der Marginalia verloren hatte, wandte er sich der Hochsee zu, und hier machte sich, ebenso wie bei Dermochelys, der Einfluß des Hochseelebens in der Rückbildung des Panzers geltend. Dies geht deutlich daraus hervor, daß bei Thalassochelys erst im späteren Alter, bei Chelonia sogar nie mehr die Fontanellen des Carapax ge- schlossen werden. Früher als die Stammformen der Cheloniiden wandte sich der Dermochelys-Stamm dem offenen Meere zu; jedenfalls weist die viel weiter gehende Anpassung der letzteren Formen an das schwimmende Hochseeleben darauf hin (Extremitätenbau, Panzerform und Panzer- zusammensetzung, verhältnismäßig viel größerer Knorpelgehalt des Skelets |Folgeerscheinung des Meereslebens] etc.) Es geschah dies offenbar zu einer Zeit, da die epithecalen Elemente noch ziemlich gut entwickelt waren. Dadurch war bei Dermochelys die Möglichkeit der eigentümlichen Umbildung des Carapax gegeben. Wohl unter dem Einfluß des Hochseelebens erlangte der Epithecalpanzer das Übergewicht über den thecalen. Der Gang dieser Umbildung wird uns anscheinend einigermaßen verdeutlicht durch Archelon (wobei es bis auf nähere Prüfung dahin- gestellt bleiben muß, wie nahe Archelon mit Dermochelys verwandt ist und ob Konvergenz in der Ausbildung des epithecalen Panzers vorliegt). Wie allgemein bei Meeresschildkröten fand auch in der zu Dermochelys führenden Entwicklungsreihe eine Rückbildung des thecalen Panzers, der Costalia und der Elemente des Plastrons, statt. Diese wurde aber hier zum Teil kompensiert durch eine progressive Entwicklung der epithecalen Elemente, wozu die Möglichkeit ge- Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 35 538 HEINRICH VÖLKER, geben war durch die noch relativ gute Entwicklung derselben in Gestalt von Längsreihen kleiner Knochenstückchen (neben den gut entwickelten Marginalia). Diese wurden offenbar zu dünnen, etwas größeren Knochenplättchen, die anfingen, mit zackigen Rändern an- einander zu schließen; so entstanden ziemlich breite, kontinuierliche Längsreihen von epithecalen Plättchen, die wohl schon sehr bald (vielleicht auch schon bei Archelon) mit den Rändern einander er- reichten und so einen geschlossenen Mosaikpanzer bildeten. Die Neuralia, überflüssig geworden, wurden immer zarter. Da auch das Nuchale von epithecalen Elementen bedeckt wurde, konnte es gleich- falls in Rückbildung treten, behielt aber anfänglich noch die Ver- bindung mit den Marginalia bei. Auf dieser Umbildungsstufe steht Archelon (nur wissen wir nicht, ob der Mosaikpanzer schon ganz ge- schlossen war). Die weitere Fortsetzung dieser Umbildung führte zum typischen Athekenpanzer von Dermochelys. Das Nuchale wurde noch zarter, verlor den Zusammenhang mit den Marginalia und wurde durch Ausbildung einer sehr dicken Lederhaut in die Tiefe verlagert; die Neuralia gingen vollständig verloren, ebenso die Costalia. Die Elemente des Mosaikpanzers wurden kleiner und zahl- reicher, die Marginalia undeutlich. Die Lederhaut blieb auch nach der Rückbildung der ursprünglich in ihr liegenden thecalen Panzer- platten (der Costalia und Neuralia) dick, ja nahm wahrscheinlich noch wesentlich an Dicke zu, so daß sie allein schon einen mächtigen Schutzmantel darstellt, der auf der Bauchseite von Dermochelys 3 em Dicke erreicht. Über die Ausbildung des Mosaikpanzers, der epithecalen Ele- mente, an der Bauchseite von Archelon wissen wir nichts. Wir haben aber Grund anzunehmen, daß es auch dort bei den Stamm- formen von Dermochelys zur Ausbildung einer geschlossenen Panzer- schicht kam, denn die Atheke Psephophorus zeigt uns diesen Zustand, und die sehr starke Rückbildung des Plastrons bei Dermochelys dürfte durch die Ausbildung dieses ventralen Mosaiks begünstigt worden sein. Archelon zeigt erst den Anfang der Rückbildung des Plastrons, besitzt auch noch ein gut entwickeltes Entoplastron. Bei Dermochelys könnte der Mosaikpanzer der Bauchseite dann nachträg- lich wieder nahezu völlig rückgebildet worden sein. Wie oben mitgeteilt, spielt Psephophorus in Douuo’s Hypothese (1901) über die Phylogenie von Dermochelys eine sehr wichtige Rolle. Doro, der für den Anfang der Entwicklungsreihe der Atheken eine vollständige Rückbildung des ganzen Panzers infolge des Hochsee- Dermochelys coriacea L. 539 lebens annahm, sieht in einem daran anschließenden littoralen Leben den Grund für die Entstehung des Mosaikpanzers, wobei er durch Analogien diesen panzerbildenden Einfluß der littoralen Lebensweise begründet. Wenn ich nun auch, wie oben dargelegt, einen voll- ständigen Verlust des Panzers bei den Stammformen von Dermochelys nieht anzunehmen vermag, sondern den Mosaikpanzer auf die bei den primitivsten Schildkröten vorhandenen epithecalen Knochenelemente zurückführe, so bin ich doch geneigt, Dotto darin beizupflichten, daß die vollkommene Ausbildung des Mosaikpanzers, wie ihn Pse- phophorus aufweist, die Folge einer Rückkehr zum Littoral ist. Die Mosaikplättchen von Psephophorus erreichen bisweilen eine Dicke von nahezu 1 cm (SEELEY, 1880, p. 408), und die Ausbildung eines so festen und schweren Panzers bei einer Hochseeform scheint auch mir unverständlich, während er in der Brandungszone einen Nutzen haben könnte. Damit ist aber auch für Dermochelys die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß bei dieser Form das Hochseeleben durch eine littorale Periode unterbrochen wurde und während dieser Zeit der Panzer fester war, ventral geschlossen und aus dickeren Ele- menten bestand als jetzt (sie sind bei Dermochelys nur ca. 2 mm dick). Die sehr weitgehende Rückbildung des Plastrons scheint eher möglich, als ein fester, geschlossener Mosaikpanzer auch die Bauchseite des Tieres bedeckte und das Plastron dadurch nahezu ohne Bedeutung sein mußte. Ein neues Hochseeleben führte dann wieder zu einer Reduktion des Panzers, besonders an der Bauch- seite, ohne daß eine Verstärkung des Plastrons eintrat. Dabei blieb bei der Rückbildung des Mosaikpanzers als Schutz die sehr dicke Lederhaut zurück, worin früher der dicke Panzer gelegen war.!) Mit Gewißheit behaupten, daß die Ausbildung des Mosaik- panzers bei Dermochelys ohne ein littorales Leben seiner Stamm- formen unmöglich wäre, möchte ich nicht, aber ich bin mit Doro (und wohl auch ApEn, 1912, p. 614) geneigt, einen Einfluß dieser Lebensweise anzunehmen. Der Panzer von Dermochelys, besonders der Bauchseite, erscheint jetzt in Rückbildung begriffen, und dies würde durch eine neuerliche Änderung der Lebensweise in der von Doro angegebenen Weise noch am ersten eine befriedigende Er- klärung finden. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß die Umbildung des Theco- 1) Es wäre interessant mehr darüber zu wissen, ob Archelon eine littorale oder eine Hochseeform war. DD 540 HEINRICH VÖLKER, phorenpanzers zum Athekenpanzer auch funktionell insoweit ver- ständlich erscheint, als der Panzer von Dermochelys, wie ich bei der Präparation meines Stückes erfuhr, recht elastisch ist und daher der Gefahr eines Bruches infolge Wellenschlages wohl weniger aus- gesetzt ist als der starre Thecophorenpanzer und auch, bei seinem Aufbau aus vielen kleinen Knochenplättchen, unterstützt von einer sehr zähen Lederhaut, ein Bruch eine weniger ernste Beschädigung bedeuten wird und besser heilen dürfte als bei einer Thecophore. 5. Zusammenfassung. Der beschreibende und illustrative Teil der vorstehenden Arbeit konnte eine wesentliche Ergänzung unserer Kenntnis von Form und Ausdehnung der knorpligen Bestandteile des Dermochelys-Skelets liefern, denn GERvAIS (1871) hat gerade diese Teile — anscheinend weil seiner Untersuchung ein Trockenskelet zugrunde lag — nicht genau berücksichtigen können. Es ergab sich, daß bei Dermochelys der Knorpel einen so hohen Anteil an der Zusammensetzung des Skelets hat, wie er weder bei Cheloniiden noch bei anderen Schildkröten auf einer entsprechenden Entwicklungsstufe angetroffen wird. Gedeutet wurde diese Tatsache als Folge des Meerlebens. Im Halse konnten knorplige primäre Intercentra und im Schwanze ebenfalls aus Knorpel bestehende rudimentäre untere Bogen (Chevrons) nachgewiesen werden. An der Epipubis wurde ein großes Foramen gefunden, das vielleicht eine individuelle Abweichung darstellt. Die Untersuchung der Hand- und Fußwurzel des erwachsenen Tieres bestätigte im Carpus das Vorhandensein eines Intermedio- centrales und verschmolzener Carpalia 4+5 und im Tarsus die Vereinigung des Fibulares (Calcaneus) mit dem Astragaloscaphoid, sowie des Tarsale 4 mit Tarsale 5. Beim jungen Tier konnte noch eine Trennung der einzelnen Komponenten dieser Verschmelzungs- produkte nachgewiesen werden. Besonders wichtig aber ist der Befund zweier Centralia im Carpus der jungen Dermochelys. Die Entwicklungsgeschichte und vergleichende Betrachtung spricht für GEGENBAURr’s Deutung von Metatarsale V. Die lateralen Kiele des Rückenschildes wurden als Homologa der thecophoren Marginalia erkannt. Und dies bestätigt die Ansicht von Hay, daß bei den primitiven Schildkröten zwei Schichten von Dermochelys coriacea L. 541 Hautknochen vorhanden waren (thecale und epithecale). Der epi- thecale Panzer der primitiven Schildkröten war wohl nur schwach entwickelt, aus Längsreihen von Knochenknötchen bestehend, die keinen geschlossenen Panzer bildeten und, mit Ausnahme der Margi- nalia, nur eine untergeordnete Rolle bei der Bildung des Panzers spielten. Die Randkiele setzen sich im primitiven Zustand bis an die Endpunkte der Costalkiele (Seitenflügel des Nuchales) fort und sind also bei Dermochelys zurückgebildet. Die mediane, ventrale Längszone des Epithecalpanzers (Inter- plastralkiel) ergab sich in ihrem hinteren Drittel als eine Doppel- reihe von Hautknochen. Beim jungen Individuum konnten auf dem Halse noch Reste eines costo-neuralen Längskielpaares nachgewiesen werden, so dab auf dem Rücken nicht, wie es seither geschah, 7, sondern 9 Längs- kiele als primitiver Zustand anzunehmen sind. 5 davon: der neurale, die costalen (pleuralen) und die marginalen, sind Haupt-, die 4 übrigen: die costo-neuralen und supramarginalen, sind Nebenkiele. Ent- sprechend sind ventral die beiden plastralen als Kiele erster Ordnung, die inframarginalen und der interplastrale als Kiele zweiter Ordnung anzusehen. Von den dorsalen Nebenkielen verschwindet zuerst das costo- neurale Paar, von den ventralen der Interplastralkiel. An der Hand — und zwar in der Zone des Bindegewebes, die von Metacarpale 1 begrenzt wird — fanden sich ebenfalls Reste des dermalen Hautpanzers in Gestalt mehrerer rundlicher Hautknochen von verschiedener Größe. Am Plastron hat sich auch beim jungen Tier, trotz Anwendung der Knochenfärbemethode mit Alizarin, keine Spur des Entoplastrons mehr nachweisen lassen. Die auffallende Übereinstimmung im Bau des gesamten Skelets von Dermochelys und Chelonia zwingt zu der Annahme einer Ver- wandtschaft zwischen beiden Typen. Andrerseits finden sich jedoch auch wieder zahlreiche Unterschiede, welche gegen einen allzu nahen Verwandtschaftsgrad sprechen. Die Tatsache, daß Dermochelys in zahlreichen Merkmalen des Skelets primitiver ist als Chelonia, ins- besondere die Eigenart des Carpus- und Panzerbaues, weisen auf eine schon frühzeitig erfolgte Trennung beider Typen hin. Als ge- meinsame Stammform für Dermochelyiden und Cheloniiden darf man eine thecophore Schildkröte mit epithecalen Panzerelementen, wahr- 542 HEINRICH VÖLKER, scheinlich eine littorale Form, annehmen, die allem Anschein nach zuerst den Dermochelyidenzweig ins offene Meer schickte, dann auch, nachdem die epithecalen Panzerelemente weiter reduziert waren, den Cheloniidenast nachfolgen ließ. Die zu den Protostegiden gerechnete Gattung Archelon aus der oberen Kreide hat mit Dermochelys eine kräftige Entwicklung der epithecalen Elemente des Carapax gemein. Die Platten sind aber größer, weniger zahlreich, und es ist nicht bekannt, ob sie schon zu einem ganz geschlossenen Mosaikpanzer vereinigt waren. Primitiver als Dermochelys ist Archelon in der breiteren Gestalt des Carapax, in der vollständigeren und mehr typischen Ausbildung der Marginalreihen, die sich vorn noch mit dem Nuchale verbinden, in der geringeren Reduktion des Nuchales, der Costalplatten und des Plastrons (Entoplastron vorhanden), sowie im Vorhandensein der allerdings schon sehr zarten Neuralia. Es ist nicht unwahrscheinlich, dab Dermochelys mit Archelon verwandt ist; jedenfalls ist Dermochelys Archelon ähnlicher als irgend- einer anderen Schildkröte und zeigt uns Archelon, wie eine thecophore Schildkröte sich zu einer atheken umbilden kann. Gieben, März 1913. Dermochelys coriacea L. 543 Literaturverzeichnis. (Werke, die in vorliegender Arbeit nicht besonders zitiert wurden und in Nick’s (1912) Literaturverzeichnis bereits aufgeführt sind, wurden nicht mehr angegeben. Die mit einem * bezeichneten Arbeiten lagen mir nicht vor.) ABEL, O. (1912), Grundzüge der Palaeobiologie der Wirbeltiere, Stuttgart 1912. Baur, G. 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Erklirung der Abbildungen. acet Acetabulum at Atlas astr Astragaloscaphoid (Tritibiale) B oberer Bogen c Centrale cap. f Caput femoris cap. h Caput humeri c. ect Canalis ectepicondyloideus con. f Condylus fibularis con. nu Condylus des Nuchales con. ra Condylus radialis con.t Condylus tibialis con, ul Condylus ulnaris cor Coracoideum corp. pu Corpus pubis cr. l Crista lateralis cr, med. vent Crista mediana ventralis d. epst Dens epistrophei ep Epiplastron epipu Epipubis ep. ra Epicondylus radialis epst Epistropheus fi Fibulare for. int. d Foramen intervertebrale dorsale for. int. l Foramen intervertebrale laterale for. obt Foramen obturatorium for.s Foramen sacrale fov. art. a Fovea articularis antrorsum g Gelenkfacette für den Höcker des Nuchales hy Hyoplastron hyp Hypoplastron HEINRICH VOLKER, or or © I Intervertebralscheiben i Indermedium il Ilium isch Ischium K Knorpelzapfen des Dens epistrophei Kst Knorpelstreif vom Dornfortsatz des ersten Rumpfwirbels zum Gelenkhöcker der Nackenplatte ig. ir Ligamentum transversum M. I—V Metacarpale I—V m Marginale Nu Nuchale p Pisiforme pr.art.a Processus articularis anterior pr. art. p Processus articularis posterior pr. art. p. at Processus articularis posterior atlantis pr. hy. isch Processus hypoischiadicus pr.l Processus lateralis pr.m Processus medialis pr. int Primäres Intercentrum procor Procoracoideum pr. sp Processus spinosus pr. tr Processus transversalis pu Pubicum r Radiale ra Radius S Schlußstück des Atlas sca Scapula Sr Sacralrippe suprsc Suprascapulare supcor Supracoracoideum sup.-procor Supra-procoracoideum Swr Schwanzrippe t Tibiale it Tibia tr. ma Trochanter major ir. mi Trochanter minor wu Ulnare u. B unterer Bogen ul Ulna xt Xiphiplastron Alle Abbildungen beziehen sich auf Dermochelys coriacea. Tafel 30, Fig. 1. Rumpfwirbelsäule mit Rippen; Nuchale und Rückenpanzer. 1:6. Fig. 2. Kombinationsbild des Plastrons (von der Innenseite be- trachtet) und der außen, ganz oberflächlich gelegenen Verknöcherungen (rot) Dermochelys coriacea L. 551 der fünf ventralen Längskiele, Mittelkiel eine Doppelreihe von Ver- knöcherungen. 1:6. Fig. 2a—c. Einzelne Knochenelemente von den Längskielen der Bauchseite, 2a° ihre Befestigung im Bindegewebe (in Fig. 2 mit a, b, e bezeichnet). 1:1. MNartelgal: Halswirbelsäule, Seitenansicht. 1:2. Halswirbelsäule, Dorsalansicht. 1:2. Halswirbelsäule, Ventralansicht. 1:2. Schwanzwirbelsäule, Seitenansicht. 2: 3. Schwanzwirbelsäule, Ventralansicht. 2:3. ie] i œ GD NP ORD MMartieliva2. Fig. 8. Atlas von vorn gesehen. 1: 2. Fig. 9. Epistropheus von oben gesehen. 1: 2. Fig. 10. Beckenwirbel und deren Verbindung durch die Sacralrippen mit den distalen Enden der Ilia. 1:2. Fig. 11. Linke Hälfte des Schultergürtels von oben und hinten ge- sehen. 1:4. Fig. 12. Linker Humerus von der Dorsalfläche gesehen. 1:4. Fig. 13. Linker Humerus von der radialen Seite gesehen. 1:4. Fig. 14. Linker Humerus, ventrale Ansicht. 1:4. Fig. 15. Linker Humerus, ulnare Seitenansicht. 1:4. Fig. 16. Ulna und Radius der linken Extremität von der Dorsal- seite gesehen und ihre Articulationsweise an dem Humerus. Die Vorder- ansicht des Humerus erscheint in der Breite nach dem spitzen, radialen Ende zu verkürzt. 1:4. Fig. 17. Linke Vorderextremität von der Dorsalfläche. 1:4. Fig. 18. Junges Tier; Unterarm und Handabschnitt der linken Vorderextremität von der Dorsalfläche. Beachtenswert ist die Trennung von Carpale 4 und 5, besonders aber die Grenze zwischen Intermedium und Centrale, aus deren Verlauf hervorgeht, daß der Centralknorpel von Dermochelys aus den Anlagen zweier Centralia entstanden sein muß. Fingerstellung primitiv. 11:4. Tafel 33. Fig. 19. Becken von der Ventralseite 1:4. Fig. 20. Becken von der Dorsalseite. Ilia und Processus laterales (pr.!) erscheinen etwas verkürzt. 1:4. Fig. 21. Beckengürtel und Beckenwirbel von der Seite. 1:4. 552 HeixricH VÖLKER, Dermochelys coriacea L. Fig. 22. Linkes Femur von der Vorder- und AuBenfläche. 1:4. Fig. 23. Linkes Femur von der Innenfläche. 1:4. Fig. 24. Tibia und Fibula der linken Hinterextremität. Dorsal- ansicht. 1:4. Fig. 25. Unterarm und Fuß der linken Hinterextremität von der Dorsalseite. 1:4. Fig. 26. Junges Tier; Fufteil der linken Hinterextremität. Fibulare noch selbständig. Metatarsale V besitzt noch die typische metatarsale Form. Zehenstellung primitiv. 3:1. G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Die Augen der Arachnoideen. de Von Ludwig Scheuring. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Gießen.) Mit Tafel 34—39 und 15 Abbildungen im Text. Inhaltsübersicht. Seite i, Augen, der ‚Scorpioniden, .. m Seen en ee oS FL Augen der? Bedipalpent.! OR OR TEE II.’ Augentder’Solitugena«, va. WR 609 IV. Augen ‘der Pseudoscorpionident))) ya rs a ER GO I. Die Augen der Scorpioniden. (Taf. 34 u. 35 und 8 Textfig.) Mit einer Revision unserer Kenntnis der Augen der Arach- niden beschäftigt, hatte ich ursprünglich mehr die Absicht, die noch in bezug auf den Bau ihrer Augen nicht oder nur oberfläch- lich und unzulänglich bekannten Gruppen einer genauen Unter- suchung zu unterwerfen als eine Nachprüfung der schon so oft be- arbeiteten Augen der Scorpioniden vorzunehmen. Daß ich dies jetzt doch tue, hat seinen Grund darin, daß ich bei der Durchsicht der einschläglichen Literatur auf einige strittige und zwar sehr wesentliche Fragen kam, die mir eine exakte histologische und physiologische Untersuchung als lohnend erscheinen ließen. Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 36 554 LuDwIG SCHEURING, Der histologische Bau der Augen der Scorpioniden war schon oft Gegenstand mehr oder weniger eingehender Untersuchungen. GRABER (1879), GRENACHER (1880), Ray LANKESTER u. BouRNE (1883), Patren (1886), Mark (1887), PARKER (1887), Hesse (1901) und Porıcz (1908) beschäftigten sich mit diesem Thema. Vergleicht man aber die letzte Arbeit mit allen anderen, so fällt sofort der Gegen- satz der Resultate, zu denen PoLıcz gelangt, mit den Ansichten aller übrigen Forscher auf. Ich kann es an dieser Stelle unterlassen, eine genauere Schilde- rung und Kritik der Ansichten aller genannten Autoren zu geben, da ich bei Beschreibung der einzelnen Teile des Auges doch noch den einen oder anderen zu zitieren habe, und dann auch, weil man bei Porice einen genauen historischen Rückblick findet. In physiologischer Beziehung machte ich Studien über die Pig- mentwanderung. Außerdem versuchte ich an der Hand von Messungen Beziehungen zwischen den Sehfeldern der verschiedenen Augen fest- zustellen, und schließlich wurden auch der Verlauf der Nerven und ihre Einstrahlung ins Gehirn von diesem Gesichtspunkt aus be- trachtet. Zu diesen Untersuchungen diente mir vornehmlich Euscorpius carpathicus L., den ich lebend hielt, um an ihm Versuche über Pigment- wanderung anzustellen. Ich fixierte zur histologischen Untersuchung auf verschiedene Weise. Heißer absoluter Alkohol erwies sich für das Pigment vorzüglich, hatte jedoch den Nachteil, das Plasma der Retina- zellen zu grobkürnig gerinnen zu lassen und es zum Teil zu zerreißen. Pikrinsalpetersäure gibt gute Übersichtsbilder. Für die histologischen Feinheiten am geeignetsten erwies sich neben den verschiedenen Sublimatgemischen ein Gemisch von 48°/, Alkohol abs., 48°, Formol und 4°/, Eisessig. Dieses wurde sowohl kalt als lauwarm an- gewandt und fixierte durchweg vorzüglich. Es hat außerdem die angenehme Eigenschaft, das Chitin etwas quellen zu lassen und zu erweichen, so daß es bei dieser Art der Fixation nicht allzu schwer war, ununterbrochene Serien von 5—10 mw dicken Schnitten durch die Frontal- und Lateralaugen mit Linse zu erhalten, was bei An- wendung jeder anderen Methode beim erwachsenen Tier kaum zu erreichen ist. Dann und wann ergaben auch Tiere, die in gewöhn- lichem 70—80°/,igen Alkohol konserviert waren, sehr brauchbare histologische Bilder. Weiter stand mir Spiritusmaterial zur Verfügung, das sich teils in der Sammlung des Gießener Zoologischen Instituts befand, teils Die Augen der Arachnoideen. 555 mir von Herrn Prof. Dr. KrAEpELIN, Direktor des naturhistorischen Museums zu Hamburg, in liebenswürdigster Weise überlassen wurde. Besonderen Dank schulde ich Herrn Prof. Dr. KRAEPELIN für eine Anzahl verschiedener Arten ganz junger, frisch geschlüpfter Scor- pione, deren Erhaltungszustand durchweg ausgezeichnet war, obwohl sie nur in ,hochprozentigem“ Alkohol fixiert waren. Von ausgewachsenen Tieren untersuchte ich PButhus afer*) und DB. quinquestriatus (H. E.), Scorpio rosellii (Poc.), Heterometrus longi- manus (H»sr.), Isometrus maculatus (DE GEER), Hormarus australiasiae (FABRE) und Centrurus margaritatus (GERV.); von jungen Tieren standen mir zur Verfügung Buthus quinquestriatus (H. E.), Hormarus australiasiae (FABR.), Centrurus margaritatus (GERv.) und Zsometrus maculatus (DE GEER). Bei jungen Tieren und bei in Formol-Alkohol-Eisessig fixierten älteren gelingt es bei Einbettung in Celloidin-Paraffin fast immer, ganze Schnittserien von 5—10 u zu erhalten. Bei anderen Fixations- methoden wird dies jedoch durch die dicke Cuticula des erwachsenen Tieres unmöglich gemacht und erfordert besondere Behandlung. Die von Hesse empfohlene Methode, vor oder nach dem Einbetten in Paraffin die Cuticula abzusprengen, ist für die Frontalaugen gut an- wendbar, nicht aber für die Seitenaugen, die in den allermeisten Fällen ganz mitgerissen oder doch wenigstens stark zerrissen werden. Besonders ist dies der Fall bei kleineren oder mittelgroßen Arten, wohingegen bei Scorpio rosellii (Poc.) und Buthus afer auch die Seiten- augen immer gut erhalten bleiben und sogar einzeln herausge- schnitten werden können. Aber auch wenn das Absprengen glückt, so ist das Stück noch nicht chitinfrei, da das starke Thoracalskelet sich ventral tief in den Körper einsenkt. Diese Teile lassen sich aber nicht oder doch nur unvollkommen heraussprengen. Versuche, die ich sowohl an Spinnen als auch an Scorpionen anstellte, um das Chitin geschmeidiger und zum Schneiden geeigneter zu machen, schlugen entweder ganz fehl, oder sie hatten den Nach- teil, auch auf das Gewebe lösend und macerierend einzuwirken. So ergab z. B. der Gebrauch von Eau de Javelle sowohl bei den eben fixierten als auch bei den schon in Paraffin eingebetteten Ob- jekten durchaus ungünstige Resultate. Weiter erwies sich Seifen- 1) Da Buthus afer ein Synonym sowohl für Pandinus imperator (C. L. Koch) als auch für Heterometrus swammerdami (EK. Sım.) ist, so kann ich nicht angeben, welche von beiden Arten vorlag. 36 556 Lupwie SCHEURING, u spiritus, wie ihn BEpAu!) bei Wasserwanzen anwandte, als unge- eignet. Die besten Resultate ergab die Methode, beim Einbetten in Paraffin als Zwischenmedium statt Chloroform Tetrachlorkohlen- stoff zu benutzen. Zur Entpigmentierung der Augenschnitte verwandte ich durch- wee Salpetersäure in verschiedener Konzentration. Gewöhnlich ist das Pigment selbst gegen konzentrierte Säure sehr resistent, und es bedarf bis zu seiner völligen Lösung öfters einer langen Ein- wirkung. Gefärbt wurden die Schnitte entweder in Hämatoxylin nach BÖHMER (Hansen) oder in Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN. Als Plasmafarben dienten Pikrofuchsin, Pikrinwasserblau, Pikrinsäure- Eosin und Orange G. Macerationspräparate benutzte ich nur, um besondere Fragen zu entscheiden. Da wo es erforderlich war, wandte ich mit Erfolg die bekannte GRENACHER’sche Macerationsflüssigkeit an und färbte mit Pikrinwasserblau oder Thionin. Topographie der einzelnen Augen. Die Scorpio- niden besitzen 6—12 Augen, die in verschiedener Anordnung auf dem Cephalothorax verteilt sind. Immer sitzt ein Paar sogenannter Frontal-, Mittel- oder Hauptaugen nahe der Medianlinie, oft auf einem erhöhten Augenhügel (Textfig. G). Die Seiten-, Lateral- oder Nebenaugen liegen nahe dem äußeren Vorderrand. Man kann sie je nach ihrer Größe in Haupt- und Nebenseitenaugen (LEUNIS-LUDWwI1g, KRAEPELIN) einteilen, principal and accessory eyes (PARKER). Sie sind in ihrer Zahl so schwankend, daß sie nicht einmal bei dem- selben Genus konstant bleiben; so hat z. B. Buthus quinquestriatus (H. E.) 3 Haupt- und 2 Nebenseitenaugen, während PButhus hotten- tottus (F.) nur 3 Hauptseitenaugen besitzt. (Siehe auch LEUNIs- Lupwie, 1886, Vol. 2, p. 572 u. 573.) Auf die Sehrichtung der verschiedenen Augen werde ich noch in einem besonderen Abschnitt einzugehen haben. Frontalaugen. Die Anschauungen, die die bisherigen Untersucher über den Bau der Mittelaugen der Scorpioniden sich bildeten, scheiden sich 1) BEDAU, K., 1911, Das Facettenauge der Wasserwanzen, in: Z. wiss. Zool., Vol, 97, p. 417—456. Die Augen der Arachnoideen. 557 in 3 Gruppen. GRABER, GRENACHER und Ray LANKESTER u. BOURNE finden 2 Schichten, nach PARKER, PATTEN, LAURIE und BRAUER ist dieses Auge triplastisch, und Porice endlich glaubt 4 Lagen an- nehmen zu müssen. Alle Forscher vor Porrce beschreiben einen Dimorphismus zwischen den Frontal- und Seitenaugen. Während jene Augen mehrschichtig sind, sollen diese nur einschichtig sein. Entwicklungsgeschichtlich erklärt sich dieser Unterschied daraus, daß die einen durch eine Inversion, die anderen durch eine einfache Einsenkung aus der Hypodermis entstanden sind. Nach den Resultaten von Porıcz sind aber sowohl Frontal- als auch Seitenaugen durch Einfaltung aus der Hypodermis hervor- gegangen und beide ursprünglich vierschichtig. Wie er zu dieser Annahme kommt und wie weit sie nach meinen Untersuchungen zu Recht bestehen kann, werde ich im Verlauf meiner Arbeit zu zeigen haben. Die von den anderen genannten Forschern gefundenen drei Lagen sind: Glaskörper, Retina, Postretina. Uber diesen liegt als kontinuierliche Fortsetzung der Cuticula eine bikonvexe Linse, deren Struktur von PARKER und Pozice eingehend beschrieben wurde. Ich habe dem Befund der beiden nichts hinzu- zufügen. Die Linse stellt eine bikonvexe Verdickung der Cuticula dar, die die drei Chitinschichten derselben gut erkennen läßt. Der weitaus gröbte Teil, besonders die stärker konvexe innere Partie, wird von der untersten stark färbbaren Lamelle gebildet (Fig. 1, Taf. 34). Glaskörper. Schon GRABER gibt eine gute Beschreibung des Glaskörpers von BDuthus. Vervollstindigt wurde diese von PARKER (p. 182). Der Glaskörper besteht aus cylindrischen Hypodermiszellen, die zu gleicher Zeit die Matrix für die Linse sind. Ihr Plasma ist hell durchsichtig und stark reduziert (GRABER). Seitlich in der Nähe ihres Übergangs in die gewöhnliche Hypodermis tragen die Glas- körperzellen viel Pigment und bilden einen dunklen Gürtel um die Linse, die „Iris“ GRABER'S. Uber die Bildung des Glaskörpers spricht sich Parker folgender- maßen aus. Die Glaskörperzellen entwickeln sich direkt aus den ursprünglich indifferenten Hypodermiszellen. An den Stellen über dem schon eingestülpten pigmentierten Augenbecher werden die Zellen länger und kegelförmig. Nach Pozrce liegen in der Bildungs- 558 LupwiG SCHEURING, zone des Glaskörpers flache Kerne übereinander. Diese fangen zuerst in der Mitte an rundlicher zu werden und ein einfaches Lager zu bilden. Zwischen Glaskörper und Retina zieht sich eine dünne Membran hin, die sogenannte „präretinale Membran“ (Fig. 1—3 Pr. M). Entdeckt wurde diese präretinale Zwischenlamelle von GRENACHER (p. 64—67). GRABER (p. 63 u. 64) hat schon ganz richtig beobachtet, daß sie sowohl mit der Basalmembran der Hypodermis als auch mit der als „Sclera“ angesehenen „postretinalen Membran“ in kontinuier- licher Verbindung steht (Fig. 3 Pr.M). Er spricht sie deshalb, da er keine Zellkerne darin findet, als Cuticulargebilde an, während GRENACHER, der einige Kerne in ihr beobachtete, ihr celluläre Natur zuschreibt. SCHIMKEWITSCH (p. 8, 9, 11, 12) gelangt zu derselben Ansicht, während Ray LANKESTER u. Bourne (p. 189) mehr mit GRABER übereinstimmen. Mark (p. 71) hält die „basement membrane“ für chitinös. Die wahren Verhältnisse wurden jedoch erst von PARKER (p. 185) angedeutet und von PoLıce (p. 32—34) klargestellt. Ersterer be- schrieb die beiden die „präretinale Membran“ in der Hauptsache zusammensetzenden Lagen als die Basalmembran des Glaskörpers, die Fortsetzung der Basalmembran der Hypodermis, und als Frontal- membran der Retinazellen. Die eingestreuten Zellkerne, die sich besonders bei jungen Tieren finden, sind nach ihm mesodermaler Herkunft und aus dem umliegenden Bindegewebe eingewandert (Fig. 1 M. K). Porice präzisiert PArker’s Angaben insofern, als er deutlich 2 Lagen Mesodermkerne beschreibt, einen Zug, der der Hypodermis resp. dem Glaskörper anliegt, und einen, der sich an die „postretinale Membran“ anschmiegt und seine Fortsetzung zwischen die präreti- nalen Lamellen schickt. Ich kann mich der Beschreibung Pouice’s anschließen. In den allermeisten Fällen ist es unmöglich, wenigstens beim erwachsenen Tiere, die beiden mesodermalen Lagen zu trennen. Vielmehr liegen dann beide Lamellen fest aneinander und schließen die sehr flach ge- wordenen Mesodermkerne beiderseits ein. Doch kommt es ab und zu, besonders bei einer weniger guten Fixierung, vor, daß beide Lagen voneinander gerissen sind; dann lassen sie deutlich die zwei Reihen Kerne erkennen (Fig. 2, Taf. 34). An der Seite, wo die verschiedenen Lamellen ineinander über- gehen, schleißen sie sich auf und bilden eine lockere fibrilläre Füll- masse, die die Nische ausfüllt (Fig. 3). | Die Augen der Arachnoideen. 559 Bau der Retina. Über den Bau der Retina gehen die Ansichten der Forscher weit auseinander. Während nämlich GRENACHER (79, p. 40, 80, 422—425) und Lan- KESTER U. BOURNE (p. 189) die Retina als einschichtig ansehen und PATTEN (p. 672), PARKER (p. 187—192) und Hesse (p. 442) in dem auf den Glaskörper folgenden Teil 2 Schichten beschreiben, findet Pozice (p. 10—31) deren 3. Er konstatiert außer dem Lager der eigentlichen Retinazellen und der postretinalen Zellenlage noch zwischen diesen beiden eine Schicht runder Zellen, die die Phao- sphären tragen (sein „strato faosferico*). Betrachtet man einen Schnitt durch die Retina eines Median- auges, so kann man wohl 3 Arten von Kernen unterscheiden (Fig. 1 u. 2). Die eine Art liegt in einer Reihe am proximalen Ende der Rhab- dome (P9.Z.K), eine zweite Lage etwas tiefer (R.Z.K) und eine dritte ganz an der Wand oder in der Nähe der postretinalen Mem- bran (P.R.K). Auch bezüglich ihrer Affinität gegen Eisenhäma- toxylin und gegen Hämatoxylin nach BÖHMER unterscheiden sie sich voneinander. Am stärksten tingieren sich die proximalen Kerne, am schwächsten die in der mittleren Schicht gelegenen. Letztere sind mehr oder weniger rund, während die beiden anderen Kern- arten eine mehr elliptische, flache Form haben, mit dem Unter- schiede, daß die vordersten senkrecht, die untersten fast parallel zur Wand des Augenbechers liegen (Fig. 1). Diese drei Zellkernlagen waren schon LANKESTER u. BOURNE bekannt und gehören zweifelsohne verschiedenen Zellen an. Lan- KESTER U. BOURNE (p. 188) sprechen von „pigmented cells, nerve- end-cells and mesodermic cells“. Sie sind der Ansicht, daß sowohl die Pigmentzellen als die Zellen, die der postretinalen Membran an- liegen, aus dem umgebenden Bindegewebe eingewandert seien. PARKER und Hesse sehen in ihnen Pigment-, Retina- und post- retinale Zellen. Pozice dagegen unterscheidet Retina-, Phaosphären- und postretinale Zellen. Er leugnet also die Existenz von Pigment- zellen, die er als Retinazellen ansieht. Die Kerne der Retinazellen der anderen Forscher müssen nach ihm einer anderen Zellengattung angehören — Phaosphärenzellen. Es wird sich also zunächst um die Frage handeln: Sind die Phaosphären (deren physiologischer Wert vor der Hand nicht 560 Lupwie ScHEURING, diskutiert werden soll) in ein eigenes Zellenlager einge- bettet oder nicht? Unter Phaosphären versteht man stark lichtbrechende Gebilde, die GRABER zuerst in den Augen von Scorpioniden fand und die sowohl ihm als allen ihm folgenden Forschern Gelegenheit gaben, hypothetische Betrachtungen über ihre Herkunft und ihren Wert anzustellen. Porıcz wird zur Annahme einer vierten Schicht im Mittelauge der Scorpioniden zuerst durch die große Anzahl von Kernen ver- leitet, die er in den Augen junger Scorpione findet (p. 14): „I primo fatto che mi colpi nell’ osservare delle sezione di occhi mediani nei varii stadii di sviluppo (fig. 2, 4, 5, 7) fu l’abbondanza di nuclei nella parte profonda dell’ occhio.“ Die Zahl der Kerne übertraf die der Rhabdome, und außerdem lagen sie nicht in direkter Fortsetzung der percipierenden Elemente. „Ora osservando che la posizione di questi nuclei non sempre & in corrispondenza diretta coi rabdomeri...“ Wohl findet er aber proximal von den Rhabdomen Kerne. Er schließt also weiter, da die Retinazellen nicht kernlos sein können, da aber auch kein Zu- sammenhang zwischen den runden Kernen und den rhabdomtragenden Zellen festgestellt werden kann, so müssen die Kerne, die direkt bei den Rhabdomen liegen und die bis jetzt den Pigmentzellen zuge- sprochen wurden, den eigentlichen Retinazellen angehören, während die Existenz von Pigmentzellen damit fällt. Die runden Kerne, die bis jetzt als Retinakerne angesehen wurden, liegen nach ihm in mehr oder weniger runden Zellen, die die Phaosphären tragen und das „strato faosferico“ bilden. Das Vorhandensein einer eigenen Phaosphärenschicht legt die Annahme nahe, dab es sich um eine für den Sehakt wichtige Ein- richtung handle. Diese Ansicht muß aber sofort auf Widerspruch stoßen, da Phaosphären von genau demselben Verhalten sich sowohl in dem Bindegewebe des Thorax als auch in der Leber der Scorpio- niden finden. Einige Versuche, die ich in bezug auf das Verhalten der Phaosphären gegen Farbstoffe (Kisenhimatoxylin, Hämatoxylin nach BöHmer, Eosin, Orange G, Pikrinsäure, Wasserblau, Fuchsin, Karmin und Thionin) machte, ergaben in bezug auf ihre Färbbarkeit gar keinen Unterschied zwischen den Leberphaosphären und denen der Augen. Man wird sich fragen: wozu existiert für Gebilde, die durchaus nicht nur dem Auge eigentümlich sind und die für den Sehakt Die Augen der Arachnoideen. 561 sicher keine Bedeutung haben, im Auge ein eigenes Zellenlager ? Wie sollten die stark lichtbrechenden Kugeln auch das Sehen be- günstigen? Die Annahme, eine geschlossene Schicht dieser stark refraktierenden Gebilde könne als Tapetum wirken, muß ich ab- lehnen, da erstens, wie wir noch sehen werden, das Pigment die Rolle eines lichtreflektierenden Schirmes übernimmt und weil zweitens das Vorhandensein und die Lage der Phaosphären nicht so regel- mäßig ist, um als Tapetum zu wirken. Das Vorkommen der Phaosphären ist nämlich durchaus nicht konstant. Bald fand ich sie bei ein und derselben Art in Menge, bald überhaupt nicht. Alle vorhergehenden Untersucher beschreiben sie als hinter den Rhabdomen gelegen, der eine vor, der andere hinter den Kernen der Retinazellen. Nun fand ich sie aber auch in verschiedener Größe und Anzahl, sowohl vor als zwischen oder hinter den Rhabdomeren (Fig. 7). Diese Tatsache erschwert einerseits die Deutung ihrer Funktion wesentlich, andrerseits gestattet sie aber, die Annahme auszuschließen, dab diesen Gebilden eine für den Seh- akt spezifische Funktion zukommt. Sowohl theoretische Erwägungen als auch die schon angeführten Tatsachen sprechen also dagegen, daß die Phaosphären einer ihnen eigenen Matrix angehören. Wenn dies nämlich der Fall wäre, so müßte man erwarten, daß diese Schicht immer Phaosphären enthielte, was aber, wie wir bereits gesehen haben, nicht der Fall ist. Ferner könnten Phaosphären nur innerhalb ihrer Bildungszellen liegen, also nur hinter den Rhabdomen, auch dies widerspricht den Tatsachen. Aber auch an einem direkten Beweis dafür, daß die Annahme einer eigenen Phaosphärenschicht irrig ist, fehlt es nicht. Günstige Präparate haben mir deutlich gezeigt (Fig. 1, 2,5 u. 7), daß die rhabdomtragenden Zellen bis zur postretinalen Schicht reichen und in ihrem Innern Phaosphären in wechselnder Zahl und verschiedener Größe bergen. Dies ist auch an Macerationspräparaten deutlich festzustellen (Textfig. A). Die Beobachtung PozicE’s, es seien mehr runde (Phaosphären- zell-)Kerne als Rhabdome vorhanden, scheint mir durchaus nicht den Tatsachen zu entsprechen. Zählungen, die ich an verschiedenen Präparaten von Euscorpius carpathicus vornahm, ergaben zwischen den mittleren (runden) Kernen und den Rhabdomen das Verhältnis 16:35. Also kommen auf ein Rhabdom 2 Kerne. Nun besteht aber bekanntlich (LANKESTER u. Bourne, PARKER, HESSE, POLICE) ein Rhabdom in den Mittelaugen der Scorpioniden aus 5 Rhabdomeren, 562 LUDWIG SCHEURING, die um eine Achse gruppiert sind. Man kann also rechnen, daß man bei jedem Schnitt 2 Rhabdomere und so auch 2 Retinazellen anschneidet, was durch die gefundene Verhältniszahl gut zum Aus- druck kommt. Stellt man aber das Verhältnis zwischen den Rhab- domeren und den direkt unter ihnen liegenden Kernen (von PoLıck als Retinazell-, von den anderen als Pigmentzellkerne angesprochen) auf, so kommt deren Anzahl der der Rhabdome gleich, ja letztere übersteigen diese noch, was aber nach der soeben angestellten Über- legung nicht der Fall sein darf. Ich kann also Porices Ansicht nicht teilen. Dagegen stimmen meine Resultate mit denen von PARKER und Hesse bis auf einen wesentlichen Punkt gut überein. Fig. A. Macerationspräparate von den Hauptaugen von Scorpio roselli unpigmentiert, mit Pikrin-Wasserblau gefärbt und in Wasser (mit Wasserimmersion X, L£ırz) untersucht. Der weitaus größte Teil des halbkugligen Augenbechers wird von den Retinazellen ausgefüllt, die sich zu 5strahligen Retinulae gruppieren. LANKESTER u. BOURNE beschreiben p. 183 die „nerve-end-cells“ folgendermaßen: „The nerve-end-cells... are much larger than the neighbouring indifferent cells. They are elongated... The nucleus is placed near the capsular or filamentary extremity (that which is connected with the nerve filament) of the nerve-end-cell, and is of large relative size, spherical and with well marked nucleolus... A very important feature in the structure of the nerve-end-cells is the existence of a special rode-like cuticular thickening on the side of each cell. The thickening is highly re- Die Augen der Arachnoideen. 563 fringent, and very possibly it is of a chitinous nature, though we are unable to offer any evidence as to its chemical nature.“ PARKER, p. 190 (tab. 2 fig. 5): „The retinal cells are elongated and rounded at their outer ends; they terminate in nerve fibres. From the rounded external end the calibre is uniform till the region of the rhabdomeres is reached. Here the cells increase in diameter, and then continue for some distance uniform in size. Finally, each cell, enlarging slightly at its deep end, rapidly tapers into a nerve fibre.“ Hesse geht auf die Gestalt der Retinazellen nicht ein. Pouice gibt von seinen Retinazellen eine Beschreibung, die mit der Parker’s von den Pigmentzellen sehr große Ähnlichkeit hat und auf die ich deshalb nicht einzugehen brauche. Nach Schnitten und nach gelungenen Macerationspräparaten möchte ich an jeder einzelnen Retinazelle 4 Abschnitte unterscheiden 1. einen distalen, prärhabdomeren Teil, dessen Plasma fein struk- turiert ist; 2. einen rhabdomtragenden, auf dessen einer Seite sich das Rhabdom befindet. Das Plasma dieses Abschnitts zeichnet sich durch seine Dichte aus; 3. einen dünneren fibrillären Teil (Verbindungsteil) ; 4. den kerntragenden Abschnitt mit grobkörnigem Plasma. Der dritte Abschnitt, der längsgestreiftes Plasma aufweist, ver- dankt seine Struktur dem Umstand, daß Fibrillen vorhanden sind, auf denen, wie ich zu zeigen versuchen will, das Pigment wandert. Eine ähnliche Streifung beobachtete MERTON in den Retinazellen der Cephalopoden. Bei Scorpioniden sieht man häufig auf den Längs- linien perlschnurartig die Pigmentkörner hintereinander liegen. Pozice beschreibt p. 22 ebenfalls eine feine Längsfibrillierung auf den Rhabdomen und vor denselben. Auch er hält sie für Pig- mentbahnen. Doch konnte ich in dem präbacillären Teil keine An- deutungen derselben erkennen. Die einzelnen Retinazellen sind ungleich lang. Denn da sie an ihrem proximalen Ende am dicksten sind, müssen die vierten Ab- schnitte sich übereinanderschieben. Mit dem mehr oder weniger langen, ziemlich dünnen fibrillären Verbindungsteil (Textfig. A) drängen sie sich aneinander vorbei, auch müssen sie den Nerven- bündeln Raum geben, die in dieser Höhe das Auge durchziehen und sich aufspalten. Dies macht es verständlich, daß Porıcz, der ja meist nichtentpigmentierte Schnitte untersuchte, die relativ dünne 564 LupwıG SCHEURING, Verbindung zwischen dem stäbchentragenden und dem unteren dicken Teil übersah und letzteren als selbständig beschrieb. Um so mehr mußte er in dieser Ansicht bestärkt werden, als es auch bei Macerationspräparaten gerade an dieser Stelle sehr leicht zu Zerreißungen kommt (Textfig. A). p. 24 erwähnt Porıcz, daß sein „strato faosferico“ in der Jugend ‘, des Auges, im Alter dagegen nur noch 1/, desselben ausmache und daß man auf einem Schnitt durch ein junges Tier viel mehr Kerne antreffe als bei einem alten. Dies glaube ich folgendermaßen erklären zu können. Bei einem Auge, das wie das Frontalauge der Scorpioniden durch Inversion entstanden ist, ist die Menge der es zusammensetzenden Zellen von vornherein fixiert. Denn es ist nach dem Verhalten der Postretina, die das Auge völlig einschließt, nicht gut denkbar, wie nach der Einstülpung noch neue Zellen in den Augenbecher gelangen sollten. Das Auge kann nur dadurch wachsen, dab seine Elemente sich vergrößern. Hierbei rücken die einzelnen Zellen durch das Dickerwerden ihrer rhabdomtragenden Teile weiter auseinander. Es vergrößert sich dabei auch der Raum proximal von der Rhabdomschicht. Und die Kerne, die hier liegen, finden in dem vergrößerten Raum nebeneinander Platz, während sie vorher sich übereinander schichten mußten. Die Retinazellen gruppieren sich, wie schon erwähnt, zu 5 um eine Achse (Fig. 4). An der gegenseitigen Berührungsfläche befinden sich die Rhab- domere. GRABER beschreibt p. 71 u. 85 zum erstenmal retinula- artige Gebilde bei Buthus und Euscorpius (Scorpio) europaeus. Was ich über den Bau der Rhabdomere noch nach Ray LANKESTER U. Bourne, PARKER, PATTEN, Hesse und Porıc zu bemerken habe, ist nur weniges. Besonders verweise ich hier auf Hesse, der sich ja speziell mit der feineren Struktur der Stäbchen bei Scorpioniden beschäftigt hat (p. 440). Doch muß ich gestehen, daß ich nicht mit absoluter Sicherheit Nervenfibrillen und Stiftchensäume sah. Wohl ließen meine Prä- parate fast immer eine leichte Querstreifung erkennen und so einen Stiftchensaum vermuten, aber so klar, wie ich ihn bei anderen Arachniden beobachten konnte, trat er mir hier nie entgegen. Die einzelnen, das Rhabdom zusammensetzenden Rhabdomere fand ich nach unten ungleich lang. Hat man einen Querschnitt durch ein Medianauge von Buthus oder von Scorpio roselli, der die Rhab- dome in der Mitte des Augenbechers an ihrem distalen Ende quer Die Augen der Arachnoideen. 565 getroffen hat, so zeigen die zentralen Rhabdome 5 Strahlen, während nach der Peripherie eine Zone mit 4, dann eine mit 3 folgt und vereinzelt 2teilige oder gar einstrahlige Stäbchen auftreten. Da nun die Rhabdome infolge der Wölbung der Retina umsomehr proximal geschnitten werden, je mehr peripher sie liegen, so zeigt dies, daß die Zahl der Rhabdomere um so geringer ist, je weiter proximal ein Rhabdom getroffen wird. Von einer Verschmelzung der distalen Enden der Rhabdome, wie dies LANKESTER U. BOURNE für Androctonus funestus beschreiben, habe ich bei den Medianaugen nie etwas beobachtet. Zu jeder Retinazelle geht eine Nervenfaser, die von einem größeren Bündel kommt und der Zellwand entlang läuft, um dann kurz unterhalb des Rhabdomers in die Zelle einzudringen. Sie spaltet sich hier in Fibrillen auf, die den von Hesse (p. 441) be- schriebenen Weg zu machen scheinen. Zu derselben Ansicht kommt Porice. Dagegen behaupteten LANKESTER uU. BOURNE und PARKER, der Nerv trete von hinten an die sich verjüngende Retinazelle. Nur einmal will letzterer beobachtet haben, wie bei einem Embryo die Nervenfibrille von vorn in die Zelle eintrat. Fig. B. Innervation der Hauptaugen von Scorpis rosellii. Es findet eine unregelmäßige Durchsetzung der einzelnen Fasern statt. Durch Maceration der Retinazellen erhält man häufig Bilder, wie sie in Textfig. A dargestellt sind. Es spaltet sich die Retina- zelle der Länge nach auf in einen rhabdomtragenden Teil und in einen kernhaltigen Teil; beide bleiben nur distal miteinander ver- bunden. Dies legt die Vermutung nahe, daß sich hier ursprünglich 566 Lupwic SCHEURING, der kernhaltige Teil der rhabdomtragenden in gerader Richtung gegen den Glaskörper hin fortsetzte, daß also der Kern vor dem Rhabdom lag und dab die Abknickung beider Teile gegeneinander sekundär ist. Da die Befunde bei den Arachniden diese Vermutung stützen, so werden wir erst zum Schluß näher darauf eingehen. Die aus dem Auge austretenden Nervenfasern gruppieren sich in 4 Äste. Von diesen ist der mittlere der stärkste. Ehe die Gruppierung eintritt, haben sich die Fasern zu einzelnen Zügen vereinigt, die sich bei ihrem Austritt aus dem Auge vollständig un- regelmäßig durchkreuzen (Textfig. B. Ein mehr regelmäßiges Chiasma, wie bei Phalangiden, kommt nicht zustande, weder direkt unterhalb des Auges noch innerhalb des Nervus opticus noch im Ganglion. Den Verlauf des Nervus opticus und seine Herkunft aus dem Gehirn habe ich noch später zu sprechen. Pigmentzellen. Nächst den Retinazellen treten die Pigmentzellen in den Median- augen der Scorpioniden am meisten hervor (Pg. Z). LANKESTER U. BOURNE beschreiben sie zum erstenmal. Nach ihrer Meinung hat man es hier mit eingewanderten Mesodermzellen zu tun. Einen Beweis für ihre Behauptung, es handle sich um „intrusive mesodermic cells“, erbringen sie jedoch nicht. Sie berufen sich hauptsächlich auf den Bau anderer Arthropodenaugen. PARKER beschreibt p. 190 die Pigmentzellen folgendermaßen: „Ihe pigment cells (tab. 2 fig. 6) at their anterior ends... abut against the preretina membrane. From this they pass backward, and in the region of the rhabdome, where the retinal cells enlarge, they contract to thin fibres, which, after the rhabdome has been passed, again expand into irregular pigment sacs at the deep part of the retina. When isolated, they present the appearance (tab. 2 figs. 6, 7) of two sacs of pigment connected by a slender rigid fibre. The large round or slightly oval nuclei have been identified as belonging to the retinal cells, and the smaller oval nuclei occupy the deep swollen ends of the pigment cells... The filamentous middle portion connecting the two extremities of the long pigment cells is constant and characteristic in maceration preparations...“ Ich kann diese Befunde vollkommen bestätigen (Fig. 1, 2 u. 7 u. Textfig. A). Sowohl auf gelungenen Macerationspräparaten als VE Die Augen der Arachnoideen. 567 auch auf Schnitten läßt sich die Zwerchsackgestalt der Pigment- zellen deutlich erkennen. Von der Anordnung des Pigments in den Pigmentzellen wird später die Rede sein. Fig. C. Schematischer Querschnitt durch das Frontalauge von Euscorpius carpathicus. b.m Basalmembran. 5l.l Blutlacune. cu Cuticula. Ay Hypodermis. g.k Glas- körper. k.pr Kerne der Postretina. / Linse. m Mesoderm. n.f Nervenfasern. n.o Nervus opticus. pg.2 Pigmentzelle. p.r.m Postretinale Membran. p.r Post- retina. pr.m Präretinale Membran. pr. m! distale Lamelle der präretinalen Mem- bran. pr. m? proximale Lamelle. r Retina. r.z Retinazelle. rh Rhabdome. Postretina. (Fig. 5 u. 6.) Die dritte Art von Zellen, denen wir in dem Augenbecher be- gegnen, sind die Zellen des postretinalen Lagers (p.r). Die Kerne 568 LUDWIG SCHEURING, dieser Zellenschicht färben sich, wie schon erwähnt, am stärksten. Ihr Plasma ist fein und verfilzt und vollständig mit Pigment durch- setzt. Die einzelnen Zellgrenzen sind nicht sichtbar. In feinen fingerförmigen Zotten und Fortsätzen drängen sich die Zellen dieser Schicht zwischen die Retinazellen ein. Proximal bilden sie eine starke Basalmembran, die, durch außen angelagerte Mesodermzellen verstärkt, die postretinale Membran bildet (Sclera von GRABER). Diese zeigt vier Durchbrechungen, die Eintrittsstellen für die Nerven- äste des Nervus opticus. Die beiden Postretinae der Mittelaugen können miteinander verwachsen und eine gemeinsame Capsula optica bilden. In der Jugend ist dies nie der Fall; jedes Auge ist vielmehr von einer eigenen Sclera vollständig eingehüllt. Später verschmelzen diese in der Medianen. Die Trennungswand wird aufgelöst, und es entsteht eine einheitliche Kapsel. Dies ist z. B. der Fall bei Huscorpius europaeus, Isometrus maculatus. Bei Scorpio rosellii und Heterometrus longimanus bleiben zeitlebens zwei getrennte Augenkapseln bestehen. Tritt eine Verschmelzung ein, so wird der Zwischenraum, der zwischen beiden Retinae entsteht, mit einer serösen Flüssigkeit angefüllt, die sich als feines Gerinnsel beim Fixieren niederschläst (Fig. 5 u. 6). Porice beschreibt (p. 29) noch eine Art von Stützzellen, die zwischen seinen Phaosphärenzellen liegen sollen: „Elemento ramificato riscontrantesi negli spazii fra le cellule faosferiche (p. 69, tab. 1 fig. 9)“. Ich konnte von diesen kleinen verzweigten Elementen nichts finden und vermute, daß PorıcE die manchmal erheblich distal vor- dringenden Fortsätze des postretinalen Zellenlagers (Fig. 5), in denen noch dann und wann vereinzelt Kerne liegen, als diese Stützzellen angesehen hat, um so mehr, als er sie nur auf Schnitten, nicht aber auf Macerationspräparaten feststellen konnte. Lateralaugen. Der Bau der Seitenaugen der Scorpioniden beschäftigte bis jetzt GRABER, LANKESTER U. BOURNE, MARK, PARKER, HESSE und POLICE. Und wieder stehen die Befunde des letzteren mit den Ansichten aller anderen (mit Ausnahme GrABEr’s) in schroffem Gegensatz. Während alle früheren Forscher die Seitenaugen als einschichtig beschreiben, glaubt Porice, genau wie im Medianauge, 4 Schichten unterscheiden zu müssen. Embryologisch findet dies seinen Ausdruck darin, daß Mark, PARKER, LAURIE und Braver die Seitenaugen aus einer einfachen Hypodermiseinsenkung hervorgehen lassen, während Die Augen der Scorpiouiden. 569 Porice zu der Ansicht kommt, daß man es auch bei der Bildung der Seitenaugen mit einer Inversion zu tun habe. Nach meinen histologischen Untersuchungen muß ich die ältere Ansicht als die richtige anerkennen. (Entwicklungsgeschichtliches Material stand mir nicht zur Verfügung.) Die Seitenaugen liegen, wie schon erwähnt, an dem vorderen seitlichen Rande des Kopfbrustschildes (Textfig. F), also in sehr exponierter Lage. Sie erhalten in der an dieser Stelle sehr stark ver- dickten Cuticula einen wirksamen Schutz. Der Panzer erreicht hier einen Durchmesser, der dem des Auges fast gleichkommt, was sich bei der Anfertigung von Schnitten oft genug unliebsam bemerkbar macht (Fig. 11 u. 10). GRABER unterscheidet 2 Schichten: einen Glaskörper und die retinalen Lager. Seine Resultate sind zu sehr von seiner Ansicht von dem ganglionären Aufbau des Insectenauges beeinflußt, als daß darauf einzugehen sich lohnen würde. LANKESTER u. BOURNE, denen wir die erste eingehendere Be- schreibung dieser Organe verdanken, unterscheiden in dem retinalen Lager „nerve-end-cells and indifferent cells“, die verschiedene Differenzierungen der Hypodermiszellen darstellen. Den größten Teil des Augenbechers nehmen die Sinneszellen, die „neural cells“, ein; zwischen diese schieben sich die indifferente Stützzellen, die „inter- neural cells“, ein. Seitlich an der Stelle, an der beim Medianauge die stark pigmentierten Iriszellen (GRABER) liegen, befinden sich die perineuralen Zellen. Parker kann nur die letzteren finden, während er interneurale Zellen nicht zu entdecken vermag. Dagegen behauptet er, daß sich dünne Fortsätze der perineuralen Zellen vor die Retina legten und die Linse bildeten. Hesse beschäftigt sich nur mit den recipierenden Teilen des Auges. Auf die Befunde von PorLıc müssen wir näher eingehen, da er der letzte ist, der sich mit den Seitenaugen beschäftigt und da mir seine Ansichten sich zu widersprechen scheinen. Das ganze Auge zerfällt in 2 Teile (p. 37). „Nell’ occhio late- rale, come nel mediano, anatomicamente distinguiamo due parti, una anteriore, ottico, il cristallino, ed una parte posteriore, la parte re- tinica. Questa ultima è costituita da uno strato retinico ed uno strato faosferico.“ Dagegen kann er ebensowenig peri- als inter- neurale Zellen finden. Wohl aber konstatiert er Zellen direkt unter Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 37 570 » Lupwie SCHEURING, der Linse (p. 39). „Ho bensi notato delle cellule immediatamente a disotto dello strato chitinoso e superiormente alla retina, esse perö, come cercherd di mostrare studiando lo sviluppo non si addossano alle cellule retiniche ma alla periferia del cristallino.“ In fig. 14 gibt er eine Abbildung durch die Augenanlage eines sehr jungen Embryos. Direkt unter der Linse lagern sich parallel Kerne, „al disotto dello strato di chitina si scorge una serie di nuclei allungati, posti longitudinalmente con l’asse maggiore parallelo allo strato chitinoso perfettamente identici e in perfetta corrispondenza con i nuclei dell’ipoderma che si continua su tutto il resto del corpo e che segrega la chitina“. Diese Schicht ist also als die Matrix der Linse anzusehen. Auf späteren Stadien verschwindet jedoch dieses Zellenlager bis auf eine Membran, die zwischen Linse und Retina der genannten fest anliegt (Fig. 16, 17, 18). „Ho potuto osservare che la citata membrana basale si continua sempre, fino all’ incontro con l’epitelio ipodermico“. Die „membrana preretinale“ der Seitenaugen setzt sich also aus dem Rest einer hypodermalen Schicht und der Frontalmembran der darauffolgenden Retinazellen zusammen. Da mir embryologisches Material nicht genügend zur Verfügung stand, so bin ich nicht imstande, die Befunde Porıcr’s betreffs einer crystallogenen Schicht nachzuprüfen. Immerhin muß es be- fremden, daß die embryonal vorhandenen Zellen nicht bestehen bleiben, um bei Häutungen jedesmal von neuem die Linse zu bilden. Es ist doch kaum anzunehmen, daß diese später aus einem anderen Stratum hervorgeht. Außerdem ist nach Porice noch nicht zu ersehen, welches Lager dafür später in Anspruch genommen werden soll. Denn die kernlose, der Linse anliegende Membran kommt nach meiner Ansicht hierfür nicht in Betracht. Außerdem konnte ich bei keinem der zahlreichen Schnitte, die ich untersuchte, eine präretinale, in die Basalmembran der Hypo- dermis übergehende Lamelle finden. Im Gegenteil, es geht die Hypo- dermis ohne Unterbrechung in den Augenbecher über; ihre Basal- membran bekleidet, in scharfem Knick abgesetzt, sowohl diese wie jene. Auf die crystallogene Schicht folgt nach Porice die „parte retinica“. Nachdem er die Ansichten der früheren Autoren referiert hat, meint Por1ce, die Ergebnisse dieser Forscher hätten dadurch beein- trächtigt werden müssen, daß sie nicht genügend entpigmentiert Die Augen der Scorpioniden. 571 hätten; er selbst tut dies zwar auch nicht, macht dafür aber sehr dünne Schnitte (p. 43). Auf diesen findet er dann genau dieselben Lagen, die auch (nach seiner Ansicht) die Medianaugen zusammen- setzen, d. h. das „strato retinico“, das „strato faosferico“ und die „postretina“. Nach PoricE zeigt sich bei jungen Tieren die erste Differen- zierung in rhabdomtragende und Phaosphärenzellen darin, daß sich die Kerne der ersteren verlängern, während die der letzteren rund sind. Die Retinazellen strecken sich, und das Pigment, das ur- sprünglich zwischen ihnen liegt, wandert in sie ein. Schließlich be- kommen sie dieselbe Gestalt wie in den Mittelaugen, nur sind sie geschweift. Die Kerne haben aber inzwischen eine Umwandlung erfahren, die sie denen der Phaosphärenzellen ähnlich macht (p. 44, fig. 19): „Il nucleo che nell’ embrione era allungato, qui, come per gli occhi mediani, nell’adulto si riduce a minime dimensioni rispetto alla cellula e rispetto ai nuclei delle cellule faosferiche“. Diese bilden eine eigene Schicht mit freilich etwas seltsamem Verhalten bei Em- bryonen und erwachsenen Tieren (p. 46). „Le cellule faosferiche anche negli occhi laterali costituiscono uno strato a parte che, grandemente sviluppato nell’embrione (fig. 14 u. 16) man mano si assotiglia (fig. 17) fino che si arriva all’adulto, in cui le cellule faosferiche sono in numero scarsissimo.“ Auch eine Postretina aus kubischen Zellen mit langen Kernen wird beschrieben und abgebildet (p. 46 u. 47, fig. 19) und ebenso eine Augenkapsel, genau wie im Medianauge. Was die Entwicklung der Seitenaugen anbetrifft, so habe ich schon erwähnt, daß Pozice eine Inversion für diese annimmt. Doch muß schon der Umstand, daß meine Untersuchung keine Teilung in die 2 Lagen, strato retinico und strato faosferico, ergab, eine Inversion, jedenfalls in der Art, wie sie PoLıcz verlangt, unwahr- scheinlich erscheinen lassen. In demselben Sinne ist weiter mein Befund zu verwerten, dab die Retina die direkte Fortsetzung der Hypodermis ist (Fig. 10, 11 u. 13 u. Textfig. B. Siehe auch PARKER, p. 198 u. 199; fig. 18, 20 u. 21, tab. 3). Andrerseits sind PoLıcr’s Angaben nicht derart, dab sie sich zu einem einheitlichen, über- zeugenden Bilde vereinigen ließen. Das Auffinden einer Retina- und einer Phaosphärenschicht ließ ihn, wie er selbst sagt (p. 48 u. 49), die Entwicklungsvorgänge mit der größten Genauigkeit auf eine Inversion hin untersuchen und + 3T* 572 Lupwic SCHEURING, auch eine Umkrempelung („introflessione“), den Rest einer Falte, finden (fig. 14 u. 15), die der der Hauptaugen entspricht. „E non Vho fatto inutilmente, poichè ho potuto riscontrare negli occhi in via di sviluppo una introflessione mediana (fig. 14 rip) la quale si pre- senta come il residuo di una più profonda ripiegatura, che corri- sponde perfettamente a quella da me riscontrata per gli occhi me- diani (fig. 2)“. Auch bei dem erwachsenem Tier will er eine Zeitlang geringe Spuren dieser Einstülpung der Hypodermis gefunden haben (fig. 15 rip). Nach meiner Ansicht geht aber aus der Figur von Porrce die Inversion durchaus nicht so klar hervor, wie er annimmt; denn Falten, wie er sie zeichnet, treten an einem Embryo mehrfach auf und können durch verschiedene (äußere) Faktoren erzeugt sein. Dann bringt er in dem folgenden Kapitel: Über den Wert der Phaosphären, einige Tatsachen, die mir sowohl gegen ein eigenes „strato faosferico* als auch gegen eine Inversion der Seitenaugen zu sprechen scheinen. Bei ganz jungen Embryonen ist die Zahl der Phaosphärenzellkerne viel größer als bei älteren oder gar erwachsenen Tieren (p. 50). „Il numero delle cellule faosferiche diminuisce, quindi, a misura che dall’ embrione si passa all adulto.“ Außerdem findet er bei einigen Stadien Phaosphären in Zellen, die ohne Zweifel zur Retina gehören. Er glaubt deshalb annehmen zu müssen, dab Phaosphärenzellen das retinale Lager bilden helfen. (p. 51) ... „le cellule faosferiche si transformano in retiniche“. Ich muß dem Leser überlassen zu beurteilen, wie weit dadurch die ganze Auffassung von 2 getrennten Zellenlagen unwahrschein- lich wird. Im Folgenden will ich im Zusammenhang meine eigenen Befunde darstellen, nachdem ich schon bei der Besprechung der früheren Untersuchungen einiges vorweggenommen habe. Zunächst Konnte ich mich von dem einschichtigen Bau der Seitenaugen oft genug überzeugen. Von einer selbständigen Phao- sphärenlage kann ebensowenig die Rede sein wie bei den Mittel- augen. Denn deutlich sieht man die Retinazellen bis zu der post- retinalen Membran hindurchgehen. Phaosphären liegen bald vor, bald hinter den Retinazellkernen, bald fehlen sie wohl auch ganz. Die Abgrenzung des Augenbechers gegenüber dem umgebenden Bindegewebe ist nicht so stark wie bei den Frontalaugen. Sie wird allein durch die Basalmembran der Retinazellen, die eine direkte Fortsetzung der Hypodermis ist, gebildet; verstärkt wird sie durch Die Augen der Scorpioniden. 573 anliegende Mesodermzellen. Es kommt nun vereinzelt vor, daß sich diese Kerne etwas zwischen die Retinazellen einschieben. Durch diese Tatsache sind auch wohl LANKESTER u. Bourne zu ihrer An- nahme von interneuralen Stützzellen gekommen. Diese konnten weder von PARKER noch von mir wiedergefunden werden (Fig. 10, 11. u. 15e Dextiige. D) Von der Linse gilt das gleiche wie bei den Medianaugen (Fig. 10 u. 11). Der Augenbecher geht kontinuierlich in die Hypodermis über, und ich habe den An- gaben von LANKESTER U. BOURNE und PARKER nicht viel hinzuzufügen. LANKESTER U. BOURNE (p. 187) finden: „a thiekening of the superficial hypodermis . . .“ PARKER (p. 197) schreibt: „In the adult eye not the least appearance of a lentigen Fig. D. : à £ Etwas schematisierter or preretinal membrane is to be found, even Querschnitt after careful depigmentation ... the pigmenti- durch ein Seitenauge . i von Scorpio rosellit. ferous tissue extends up to the lens.“ Weiter findet er vor den Rhabdomen keine Kerne, was für ihn auch ein Beweis von der Abwesenheit des Glaskörpers ist. Betrachtet man einen Schnitt durch die Lateralaugen, so sieht man 2 Arten von Zellkernen, in der Mitte runde große Kerne, gegen die Seite, an der Übergangsstelle in die Hypodermis, etwas kleinere, stärker färbbare, die auch etwas gedrängt liegen und immer mehr den Hypodermiszellkernen ähnlich werden. Erstere gehören den Retinazellen, letztere den sogenannten „perineuralen Zellen“ (Parker) an (Fig. 10, 11 u. 13). Jedoch ist der Ausdruck „perineurale Zellen“ etwas irreführend. Man könnte glauben, dab diese noch als typisch zu dem Auge ge- hörig anzusehen seien. Die Grenze, wo die perineuralen Zellen in die gewöhnlichen Hypodermiszellen übergehen, ist aber nicht strenge zu ziehen. Man kann also wohl besser von gewöhnlichen, etwas gehäuften Übergangszellen reden, statt von besonders differenzierten „perineuralen Zellen“. PARKER gibt p. 199 folgende Beschreibung: „The perineural cells surround the depressed retinal area, and their attenuated ends, especially on the ventral side of the eye, often reach out, even in the adult condition, in front of the retinal cells themselves (tab. 3 fig. 18). The positions that the nuclei occupy in the ventral portion 574 LupwIG SCHEURING, of the perineural ring suggest that these cells may at ône time have extended far enough to have completely covered the retina, and the fact that in young individuals (tab. 3 fig. 21) the retina is largely covered by the perineural cells indicates that in all pro- bability the lens is the product of these cells. ... The peripheral margin of this lentigenous ring passes by insensible gradations into the surrounding hypodermis.“ Wohl konnte ich immer wieder sehen, daß die keilförmigen Randzellen sich mit ihrem dünneren zugespitzten Teil leicht nach dem Innern des Augenbechers zu umbiegen, dagegen ist aber nie ein völliges Hinübergreifen und Verschmelzen derselben festzustellen. Eine kurze Strecke (Fig. 13 u. Textfig. D) ziehen wohl feine Plasma- fortsätze, fest der Frontalmembran der Retinazellen anliegend, über diese. In der Mitte aber konnte ich immer die Frontalmembran allein feststellen. Außerdem ist dieses Übergreifen resp. Umbiegen der Randzellen ein sehr wechselndes. Bei Augen mit stark konvexer Linse tritt es weit deutlicher in Erscheinung als bei sehr flachem Augenbecher. In letzterem Fall kann man häufig gar kein Neigen oder Umbiegen gegen die Mitte feststellen. Man könnte aber auch daran denken, daß diese „perineuralen Zellen“ eine Wachstumszone des Auges darstellten. Solche Stellen in Bildung begriffener Retinazellen sind uns von dem Auge des Flußkrebses, Astacus fluviatilis L. (PARKER), bekannt. Ob man es hier mit ähnlichen Verhältnissen zu tun hat, konnte ich jedoch nicht mit Sicherheit entscheiden. An den Retinazellen kann man wie bei denen des Medianauges 4 Zonen unterscheiden. Nur ist hier der präbacilläre Abschnitt größer als dort, was wohl seinen Grund in dem Fehlen des Glaskörpers hat (Fig. 12), den jener funktionell zu ersetzen scheint. Hierfür spricht auch die Tatsache, daß vor den Rhabdomen selten Pigment liegt. Nur bei einem Präparat war spärliches Pigment, bis zur Linse reichend, zu finden. Das mag auch die Beschreibung von PARKER erklären, die einen präbacillären Pigmentbelag beschreibt. Vielleicht sind auch die Pigmentverhält- nisse bei verschiedenen Arten verschieden. LANKESTER u. Bourne und PARKER finden auch in den Neben- augen die Gruppierung der Retinazellen zu fünfen. Demgegenüber stellten Hesse und Porıce fest, daß nicht nur fünfstrahlige Rhab- dome gebildet werden, wie bei den Mittelaugen, sondern daß hier vielmehr eine große Mannigfaltigkeit herrscht und daß man 2- bis Die Augen der Scorpioniden. 575 10zellige Retinulae antrifft (Fig. 14), ein Zustand, den Hesse (p. 448) als primitiv ansieht, in dem aber KoRSCHELT u. HEIDER (p. 602) Rückbildungserscheinungen erblicken.') Distal verwachsen häufig nebeneinander liegende Rhabdome in ähnlicher Weise, wie Purcezz dies für manche Phalangiden (Acan- tholophus) beschreibt. Ich fand ähnliches bei Heterometrus longimanus und Scorpio rosellii. Diese Verschmelzung geht aber nicht regelmäßig von Rhabdom zu Rhabdom, sondern es sind auf solche Art Komplexe von verschiedener Größe miteinander verbunden. Die feinere Struktur der Rhabdome und die Innervierung der Retinulazellen ist durch Hessr’s Untersuchungen bekannt. Die Rhabdome sind dann und wann von runden hellen Stellen unter- brochen, die mir auch bei Spinnen auffielen. Ob es sich hier um Arte- fakte handelt, darüber bin ich mir nicht klar. Pigment findet sich im ganzen Auge, nur nicht in den Rhabdomen. Von den präbacillären Teilen der Retinazellen und ihren Pigmentver- hältnissen war schon die Rede. Be- sonders stark sitzt Pigment in den hinteren Partien der Retinazellen und Fig. E. in den Übergangszellen. Besondere Aufspaltung des Nervus optieus Pigmentzellen sind nicht vorhanden. vor dem Eintritt in das Seitenauge 2 3 von Scorpio roselli. Phaospharen finden sich ebenso wie im Medianauge bald vor, bald hinter den Kernen. Hin und wieder fehlen sie; gelegentlich sind sie zwischen den Rhabdomen und selbst vor diesen anzutreffen (siehe Medianauge) (Fig. 12 u. Textfig. D). Die Innervationsverhältnisse sind der Art, dab sich von einem Hauptstamm so viele Nerven abspalten, wie Seitenaugen vorhanden sind (Textfig. E). Diese lösen sich dann in 2—4 Aste auf und dringen durch ebenso viele Öffnungen in den Augenbecher ein. Von einer partiellen Durchkreuzung, wie bei den Mittelaugen, ist nichts 1) Meine eigene Stellungnahme werde ich präzisieren, wenn ich über rudimentäre Seitenaugen berichtet habe, 576 Lupwic SCHEURING, zu sehen. Auf den weiteren Verlauf und Ursprung der Nerven gehe ich noch später ein. Die funktionellen Beziehungen der einzelnen Augen untereinander. Über die physiologischen Beziehungen der verschiedenen Augen der Scorpioniden ist noch wenig bekannt, während über das Sehen der Spinnen mehrere Abhandlungen (PLATEAU, Foren, RAINBOW, PECKHAM usw.) vorliegen. Die Resultate, zu denen diese verschie- denen Forscher gelangt sind, differieren beträchtlich. Während PLATEAU -annimmt, daß die Tiere nur auf Entfernungen von 2—3 cm deutlich sehen, schreibt RairnBow ihnen ein scharfes Sehen auf 25—30 cm Entfernung zu. Für Scorpione liegen in bezug auf Seh- vermögen keine Versuche vor. Trotzdem wird man aber nicht fehl- gehen, wenn man den Augen dieser Tiere keine allzu großen Fähig- keiten, in die Ferne zu sehen, zuschreibt. In Gefangenschaft gehaltene Æuscorpius carpathicus reagierten bei ihrem Umherlaufen in ihrem Behälter erst dann, wenn sie sich auf 2—3 cm genähert hatten, ja häufig erst, wenn sich ihre Scheren berührten. Daraufhin griffen sie sich entweder lebhaft an, oder sie zogen sich beide erschrocken zurück. Auch Heuschrecken, Schaben und Spinnen, die ihnen als Futter vorgesetzt wurden, erregten erst in unmittelbarer Nähe ihr Interesse; häufig griffen die Scheren erst dann zu, wenn die Kerfe über den Scorpion hinwegzumarschieren versuchten. Es ist allerdings auch zu berücksichtigen, daß die Beobach- tungen am Tage gemacht sind und daß man daher nicht berechtigt ist, hieraus auf eine Myopie des Scorpionidenauges zu schließen. Man beachte außerdem, daß es überhaupt kaum möglich ist, bei Tieren, die keine Fixierbewegungen mit den Augen ausführen, durch diese Art des Versuchs ihre Sehweite zu finden. Wie vorsichtig man in der Beurteilung der Resultate eines solchen Versuchs sein muß, lehrt eine Beobachtung von DEMOLL an Squilla mantis. Dieses Tier macht schon bei einer Objektentfernung von 80 cm und einer ObjektgréBe von 2 qem (Objekt ist ein schwarzer Gegen- stand) seine Fixierbewegungen, während es erst bei einer Annäherung auf 3 cm zuschlägt. Würden hier die Fixierbewegungen fehlen, so könnte man zur Vermutung kommen, es sei dem Tiere ein deutliches Sehen nur für 3 cm zuzuschreiben. Die Augen der Scorpioniden. 577 Ebenso wäre es möglich, daß bei den Scorpionen ein Reflex eben nur dann ausgelöst wird, wenn sich das Objekt bereits in einer Entfernung befindet, die eine Verfolgung desselben wirkungsvoll er- scheinen läßt. Der Größe und dem Bau nach zu schließen, sind die Seiten- augen wohl für das Fernsehen weniger geeignet als die Hauptaugen. Wir werden später noch sehen, daß auch die Lage ein Sehen in die Ferne ausschließt. Weiter sind die Rhabdome im Seitenauge häufig gruppenweise verwachsen, was auch eine Beeinträchtigung des Bild- sehens zur Folge haben mub. Aus der starken Krümmung der Linse kann jedoch nicht, wie dies so häufig getan wird, ein Schluß auf das Nahesehen gezogen werden. Denn die Kurzsichtigkeit oder Fernsichtigkeit eines Auges hängt nicht allein von der Brennweite der Linse ab, sondern auch von dem Verhältnis dieser zu dem Abstand der Receptoren. Außer- dem muß man ja überlegen, daß bei einer Bildverschiebung inner- halb der Länge der Rhabdome doch eine Bildreception stattfindet. Da aus diesem Grunde die Bestimmung der Brennweite der Linse keinen Schluß gestattet auf die Funktion des Auges, so habe ich von diesen Messungen abgesehen, zumal da mir schon die Lage der Augen wichtige Hinweise auf die Myopie derselben zu geben schien. Die Messungen der Sehfelder ließen nämlich erkennen, daß den Seitenaugen als Sehfeld nur ein Bezirk zukommt, der in nächster Nähe der vorderen Gliedmaßen und der Mundwerkzeuge liegt, so dab den Augen kaum Gelegenheit gegeben ist, in die Ferne zu sehen. Damit wird aber sehr wahrscheinlich, daß sie dem Nahesehen angepaßt sind. Meine Messungen !) an Centrurus gracilis und Buthus hotten- tottus ergaben, bei beiden Arten fast genau übereinstimmend, für die Seitenaugen in der (Gesamtheit nach vorn ein Sehfeld von 240° (davon 20—30° binokulares Sehfeld); nach oben lassen sie eine Lücke von 100°, ebenso nach unten; sie bestreichen also seitlich einen Winkel von 80°. Von unten (senkrecht unter dem Tiere) nach oben in der Mediane gemessen, erscheinen sie nach 60—70° und haben hier ein 1) Die Messungen wurden mit demselben Apparat und nach derselben Methode ausgeführt, wie sie von DEMOLL u. SCHEURING, Die Bedeutung der Ocellen, in: Zool. Jahrb., Vol.31, Syst., p. 556 u. 557 beschrieben sind. 578 LupwiG SCHEURING, Sehfeld von 100—110° (Textfig. G1, 2, 3). (Man vergleiche die folgenden Protokolle.) Diese Resultate lehren, daß die Seitenaugen hauptsächlich eine Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme ausüben. Man wird ihnen die Funktion zuschreiben dürfen, die schon zwischen den Kiefertastern befindliche Beute zu beobachten. l.o.s. . I i] wine ey aes % NASA EN YARIS TES ; TE Nabe TEE RAD À Ä ASS 2 EEE CLS ERNEST CE PEUT PURES Lo ai oe yee LT À PT % SEIEN INS A PROS ANA a * HAN At BEE EST Fie. F. Sagittalschnittt durch das Gehirn von Hormarus australiasiae. Aus 5 aufeinanderfolgenden Schnitten kombiniert. a Auge. /.0.s Lobus opticus superior. 2.0.‘ Lobus optieus inferior. n.o.f Nervus opticus frontalis. n.o.2 Nervus opticus lateralis. o.w obere Wurzel. w.w antere Wurzel. Was die einzelnen Seitenaugen anbetrifft, so mußte ich darauf verzichten, ihre einzelnen Sehfelder festzustellen, da dies infolge der geringen Dimensionen und des nahen Beisammenstehens unmöglich war. Doch konnte ich beobachten, daß sie sich im großen und ganzen ergänzen und sich nur sehr wenig mit ihren Sehfeldern über- decken. | Die Sehfelder der Frontalaugen lassen sich am besten aus den beiden nun folgenden Protokollen und den Textfiguren G 1—3 ersehen. I. bedeutet die Spiegelung von vorn nach der Seite in der Horizontalen. Nullstellung direkt nach vorn. IL bedeutet die Spiegelung von oben nach der Seite in der Frontalebene. Nullstellung direkt nach oben. Die Augen der Scorpioniden. 579 III. bedeutet die Spiegelung von unten über den Cephalothorax inder Medianen nach oben hinten. Nullstellung senkrecht nach unten. Da mir zu den Spiegelungen tote, in Spiritus befindliche Tiere zur Verfügung standen, wählte ich nur hellfarbige, weil bei diesen sich die pigmentierten Augen am besten von dem umgeben- den Chitin mit seinen vielen Reflexen abheben. Doch sind aus ver- schiedenen Gründen die Werte nicht ganz genau und mögen inner- halb einer Fehlergrenze von 5° schwanken. Erstens läßt der ziem- lich breite Cephalothorax keine genaue Zentrierung zu; zweitens ist der schwache rötliche Schimmer, nach dem ich bestimmte und der von dem darunterliegenden Pigment herrührt, nur schwer von den vielen Reflexen auf dem Chitin zu unterscheiden. Buthus hottentottus K. I. Frontalaugen erscheinen nach 8—10°; lassen also nach vorn eine Lücke von 15—20°; verschwinden nach 165°; ihr Sehfeld ist also 155°. Seitenaugen, als Gesamtheit, erscheinen —10°, haben also ein binokulares Sehfeld nach vorn von 20°; verschwinden nach 125°. Untereinander überdecken sich die einzelnen Augen nur in geringem Maße. II. Frontalaugen erscheinen bei —20°; binokulares Sehfeld nach oben also 40°; verschwinden nach 120°. Seitenaugen erscheinen nach 50°, verschwinden nach 130—140°, sehen also auf die Taster. III. Frontalaugen erscheinen nach 100°, verschwinden nach 260°, Seitenaugen erscheinen nach 65°, verschwinden nach 175°. Centrurus gracilis LATR. I. Frontalaugen erscheinen nach 10— 12°, Lücke nach vorn also 20 — 25° verschwinden nach 1600. Seitenaugen, als Gesamtheit, erscheinen (ungefähr) bei —5 — 8°, haben also nach vorn ein kleines binokulares Sehfeld, verschwinden nach 115°. Unter sich überkreuzen sie sich nur in sehr geringem Maße. II. Frontalaugen erscheinen bei —20°, haben also ein binokulares Seh- feld nach oben von 40°, verschwinden nach 120°. Seitenaugen erscheinen nach 25°, verschwinden nach 120°. III. Frontalaugen erscheinen nach 95—100°, verschwinden nach 250°, Seitenaugen erscheinen nach 60—65°, verschwinden nach 165— 170°. Wir sehen aus den beiden Protokollen, daß sich die Werte fast gleich bleiben. Es ist aus beiden Spiegelungen klar ersichtlich, daß erstens keine Uberdeckung der Sehfelder der Frontalaugen mit 580 Lupwic SCHEURING, denen der Seitenaugen stattfindet, und zweitens, daß sowohl bei diesen als auch bei jenen nur jeweils ein kleines binokulares Seh- feld zustande kommt. Da für diese Art von Augen im stereoskopischen Sehen der wichtigste Faktor gegeben ist, der Entfernungslokalisationen er- möglicht, so folgt aus dem obigen, daß bei diesen Tieren ein präzises Entfernungstaxieren nur in beschränktem Maße möglich ist. Dies kann von den Mittelaugen nach oben auf einem Bogen von 40° ge- schehen, während den Seitenaugen nach vorn nur in ganz geringem Maße ein binokulares Sehfeld zukommt. Die Selbständigkeit der einzelnen Augen hinsichtlich ihrer Seh- felder und ferner ihre Differenzierung in zwei physiologisch ver- schiedene Gruppen (Fernsehen der Hauptaugen, Nahesehen der Seitenaugen) mag es erklären, warum die einzelnen Augennerven beim Einstrahlen ins Gehirn nicht eine derartige gegenseitige Lage- rung erfahren, daß die Erregungsimpulse, die sie leiten, eine solche Orientierung zeigen, wie sie der Anordnung der äußeren Objekte entspricht. Zunächst müßte sich dies in einem partiellen Chiasma kund tun, das wir jedoch völlig vermissen. S. 566 habe ich eine partielle Verwerfung der einzelnen Faserzüge innerhalb des Opticus der Mittelaugen beschrieben. Auf die geringe Bedeutung dieser Durchsetzung werde ich erst später bei der Betrachtung des Phalan- gidenauges eingehen, da wir dort diese Erscheinung in viel aus- geprägterem Mabe finden. Die Forderung, daß bei binokularem Sehfeld von Linsenaugen ein Chiasma bestehen muß, hat neuerdings an Berechtigung gewonnen dadurch, daß von Link, v. ALTEN und JonEscu bei Insecten und von Demo. bei Alciopa ein Chiasma nachgewiesen wurde. Textfig. G stellt einen kombinierten Schnitt von 4 aufeinander- folgenden Sagittalschnitten durch das Gehirn von Hormarus austra- liasiae FABR. dar. Wir ersehen daraus, daß die Nerven der ver- schiedenen Augen, resp. Augengruppen in verschiedene Gehirnpartien einstrahlen. Über den anatomischen und histologischen Bau des Gehirns der Scorpioniden wissen wir durch die Untersuchungen von SaAINT-REMY und Porice (1) genauen Bescheid, so dab es überflüssig ist. hier weiter auf seine Struktur einzugehen. Was speziell die mit den Augen in Beziehung stehenden Teile anbetrifft, so gibt letzterer eine völlig erschöpfende Darstellung (p. 9): «I nervi degli occhi mediani sono due per ogni occhio; quindi Die Augen der Scorpioniden. 581 sono quattro nervi, i quale partendo, in due coppie distinte dagli extremi appuntati del protocerebrum (fig. 1 e 3 nom) camminano strettamente paralleli rivolgendosi in avanti ed in dentro, arrivati in prossimita dell’ occhio ogni nervo si biforca, per modo che ad Fig. G. Sehfelder von Buthus hottentottus. ogni occhio vanno quattro rametti, i quali poi si sfioccano negli ommatidii. I nervi degli occhi laterali (fig. 1 e 3 not) partano più indietro di quelli degli occhi mediani; come nei mediani andavano due nervi per ogni occhio, qui va un solo nervo per ognuna delle coppie di occhi. Quindi ogni nervo degli occhi laterali si dirige ai lati del capo dove sono i due occhi con cui & in relazione; esso è unico 582 LupwıG ScHEURING, appena uscito dal cervello: pero ben presto si biforca in due rami ognuno di quali si biforca a ma volta permodocchi ad ogni occhio“. Die Seitenaugen können physiologisch als eine Einheit aufgefaßt werden. Erstens werden sie von einem Nerven innerviert. und zweitens sind sie so gestellt, daß jedes einzelne mit seinem Sehfeld dort einsetzt, wo das andere aufhört. Es könnte so gut ein Auge mit großem Sehfelde alle kleinen Augen ersetzen. Andrerseits ist ihre physiologische Spezialisierung sowie ihre Isolierung von den Hauptaugen wohl auch dadurch schon gekennzeichnet, daß die Lobuli, die in die verschiedenen Augennerven einstrahlen, völlig voneinander getrennt sind und nur durch die Medullarmasse des Lobus cerebralis indirekt miteinander in Beziehung gesetzt werden. Die Rudimentation der Seitenaugen. Das Variieren der Zahl der Seitenaugen läßt vermuten, daß die jetzige Anzahl derselben keine primäre ist, sondern ursprünglich bei den Vorfahren der Scorpioniden eine andere war. Während die An- zahl aller Augen bei den Scorpionen zwischen 6—12 schwankt, haben die Araneiden meist 8, nur in 2 Familien (Scytoidae und Dysderidae) 6. Die Phalangiden und Solifugen besitzen nur noch 2 Augen. Die Paläostraken hatten eine weit größere Augenzahl als die jetzigen Scorpioniden. KoRsCHELT u. HEIDER deuten die Verwachsung der Rhabdome in den Seitenaugen als auf einer Degeneration beruhend. Doch ist immerhin zu beachten, daß ein Abnehmen der Zahl noch nicht zur Annahme berechtigt, daß die Elemente, die das Organ zusammen- setzen, sich auch auf absteigendem Wege befinden, und es ist wohl möglich, daß diese Art von Rhabdombildung ein Stehenbleiben auf früherer Entwicklungsstufe darstellt, eine Ansicht, wie sie bekannt- lich Hesse vertritt. Nach meiner Überzeugung braucht aber der Grund für ein solches Verwachsen nicht in der Phylogenie gesucht zu werden, sondern es geniigt dazu schon die geringe physiologische Inanspruchnahme des Organs. Die Anforderungen, die an die Seitenaugen der Scor- pione gestellt werden, sind, wie wir schon gesehen haben, nur geringe, und deshalb ist es leicht erklärlich, daß, wenn keine große Bild- schärfe erzielt zu werden braucht, die Rhabdome verschmelzen — eine Tatsache, die ich auch bei Spinnen zu beobachten Gelegenheit hatte. — Auch die Rudimentation ganzer Augen läßt sich unter diesen Gesichtspunkt bringen. Die Augen der Scorpioniden. 583 Es ist mir gelungen, ein in Rudimentation befindliches Seiten- auge bei Heterometrus longimanus nachzuweisen. Diese Art hat zwischen dem 2. und 3. Hauptseitenauge ein zum größten Teil rück- gebildetes akzessorisches, das schon manche Merkmale eines Auges eingebüßt hat. Es liegt fest dem größten Seitenauge an, von dessen Nerven es auch durch einen Nebenast innerviert wird. Zwischen dem fraglichen Gebilde und dem Auge liegen nur wenige Hypodermiszellen, die etwa den früher beschriebenen Übergangszellen ähneln. Zwischen diese und den akzessorischen Ocellus schiebt sich die Basal- membran der Retina- resp. Hypodermiszellen ein (Textfig. H). Auf dieser stehen ziemlich recht- winklig die dasGebildezusammen- setzenden Zellen. Die mittleren Zellen erinnern noch an typische Retinazellen. Sie haben birn- formige Gestalt und runden Kern. & Außerdem liegen in ihnen Phao- sphären, die sonst nie in gewöhn- tichen Hypodermiszellen zu finden sind. Von einer Rhabdombildung ist aber nichts zu beobachten. Pigmentkörner finden sich noch in ziemlicher Menge in dem Rudiment, doch ist dies gegen- über den gewöhnlichen Hypo- au? kein charakteris- Fig. H. Schnitt durch den rudimen- tischer Unterschied, da auch tierten Ocellus von Heterometrus longi- diese durchweg pigmentiert sind. Manus. eu Cuticula. hy Hypodermis. oie ace n.o Nervus opticus. s.a Seitenauge. Die Ubergangszellen legen +. a rudimentäres Auge. sich beiderseits mit einer leichten Biegung zum Teil um die mittleren Zellen und hiillen diese fast völlig ein. Nach außen gehen sie allmählich in gewöhnliche Hypo- dermiszellen über. Die hypodermale Basalmembran umschließt das Ganze. Der Nervenast, der zu dem Zellenkomplex geht, spaltet sich kurz vor dem Eintritt des Nerven in das Hauptseitenauge ab, zieht, diesem fest anliegend, zu dem Rudiment hin und dringt in dieses ein. Den feineren Verlauf der einzelnen Fibrillen konnte ich jedoch nicht feststellen, da die Fixierung des Objekts zu wünschen übrig ließ. 584 LupwıG SCHEURING, Die Rudimentation des Ocellus erfolgte von außen nach innen. Denn nur die inneren Zellen besitzen noch Phaosphären (ohne hiermit sagen zu wollen, dab Phaosphären ein den Retinazellen eigenes Charakteristikum seien) und sind in ihrer Gestalt den Retinazellen am ähnlichsten. Die Cuticula bildet über dem Gebilde noch eine schwache Linse aus (Textfig. H). Pigmentwanderung. Wenn wir beachten, daß bei dem Linsenauge der Wirbeltiere ein lichtregulierender Faktor in der Veränderlichkeit der Iris ge- geben ist und dab diese bei dem Linsenauge der Arthropoden nicht existiert, so legt das die Vermutung nahe, daß entweder diese Formen nur bei einer gewissen Lichtintensität zu sehen vermögen oder aber, daß der andere Faktor, der im Linsenauge als Regulator der Reizintensität in Betracht kommt, nämlich die Pigmentwande- rung, hier stärker ausgebildet ist. Da nun von Szcawinska bei einigen Spinnen und von PURCELL bei Phalangiden eine Pigmentwanderung nachgewiesen wurde, so konnte man vermuten, daß sich bei Scorpioniden das Pig- ment ähnlich verhalte wie bei diesen beiden Gruppen. Doch ließ schon die Untersuchung mit dem Augenspiegel einen Unterschied zwischen den Augen der Scorpione und denen der übrigen Arachniden erkennen. Während dort die Seitenaugen einen hellen Glanz haben, zeigen hier alle Augen nur ein mattes rötliches Leuchten. Dieses bleibt unverändert, gleichgültig, ob man das Tier vorher im Dunkeln oder im Hellen gehalten hat. Dies konnte zur Vermutung Veranlassung geben, daß eine Pigmentwanderung hier nicht stattfinde. Ich war daher einigermaßen erstaunt, als mich die Schnitte von Tieren, die im Hellen und im Dunkeln fixiert waren, erkennen ließen, daß hier eine Pigmentwanderung in sehr aus- giebigem Maße stattfindet. Einige gesunde, lebenskräftige Tiere von Æuscorpius carpathicus wurden während 2 Stunden der grellen Mittagssonne ausgesetzt, andere für ebenso lange Zeit im Dunkeln gehalten. Dann wurden sie unter den gleichen Bedingungen abgetötet. Hierzu wurde heifer absoluter Alkohol benutzt, in den die Tiere nach vorhergehendem Anschneiden geworfen wurden. Dieses Fixierungsmittel hat den Vorzug, äußerst rasch zu wirken und sofort das Pigment in seiner Lage zu fixieren, andrerseits aber den Nachteil, das Chitin sehr spröde und zum Schneiden ungeeignet zu Die Augen der Scorpioniden. 585 machen. Infolgedessen mußte ich das Chitin absprengen, was ge- wöhnlich mit dem Verlust der Seitenaugen verknüpft war. Daher beschränkte ich meine Untersuchungen in der Hauptsache auf die Medianaugen. Ehe ich nun die Wanderung des Pigments bespreche, will ich zunächst auf die morphologischen Verhältnisse der Pigmentlagerung näher eingehen. In den Mittelaugen der Scorpioniden liegen zwischen den Retinulae Pigmentzellen, die Isolatoren zwischen diesen darstellen. Außerdem lagert Pigment in den Retinazellen, und besonders sind die postretinalen Zellen mit einem sehr starken Pigmentbelag ver- sehen. Ein dünner Pigmentstreifen im Mesoderm folgt noch den Nerven. Chemisch sind die den 3 Arten Zellen eingelagerten Pig- mentkörner verschieden. Ihre Resistenz gegen Säure ist ungleich. Entpigmentiert man einen Schnitt in Salpetersäure, so verschwindet zuerst das Pigment der Retinazellen, dann löst sich das der Pig- mentzellen, während das der Postretina am längsten der Wirkung der Säure widersteht. An der Pigmentwanderung hauptsächlich beteiligt sind die Gra- nula der Pigmentzellen, in geringerem Maße nimmt das der Retina- zellen daran teil. Demgegenüber zeigen die Granula der Postretina . überhaupt keinen Ortswechsel. Die Pigmentzellen haben, wie wir bereits sahen, zwerchsack- förmige Gestalt. Treffen die Lichtstrahlen in a Fülle das Auge, so wandert das Pigment zum größten Teil in die vordere Verdickung der Pigmentzelle (Fig. 8), so daß die hintere zwar nicht völlig pigmentfrei wird, doch aber einen wesentlich dünneren Pig- mentbelag erhält. Ein ähnliches Verhalten, nämlich Vorwandern gegen den Glaskörper, zeigen auch die Pigmentkörner der Retina- zellen. So entsteht durch die kolbigen, pigmentierten distalen Enden der Pigmentzellen im Verein mit dem Pigment der Retinazellen ein dichter Lichtschirm zwischen Glaskürper und den Rhabdomen. [Hieraus erklärt es sich auch, daß alle früheren Forscher einen Pigmentbelag vor den Rhabdomen fanden. Sie untersuchten, wie leicht begreiflich, alle nur Tiere, die im Hellen fixiert waren.] In der Dunkelheit dagegen zieht sich alles Pigment, sowohl das der Retina- als auch das der Pigmentzellen, hinter die Rhab- dome zurück. Besonders sind nun die proximalen Keulen der Pig- mentzellen dicht erfüllt. Betrachtet man das Pigment sowohl eines frischen als auch Zool. Jahrb. XXXIIT. Abt. f. Anat. 38 586 Lupwic SCHEURING, eines fixierten Auges im durchscheinenden Licht, so erscheint es tief braun bis dunkel schwarz; in auffallendem Licht leuchtet es in einem dunklen Orange bis zu einem hellen Gelb auf (Fig. 8 u. 9). Im Lichtauge, wo sich das Pigment vor die Rhabdome ge- schoben hat, wird das Licht, das das Reizoptimum überschreitet, durch diesen Lichtschirm zurückgeworfen und auf diese Weise die recipierenden Elemente durch Reflexion in der gleichen Weise geschützt, wie es bei anderen Tieren durch Absorption geschieht. In der Dunkelstellung werden alle die Strahlen, die die Rhabdome schon durchsetzt haben, durch dieses Pigment, das jetzt als Tapetum bezeichnet werden darf, wieder zurückgeworfen. So wird also hier von dem Pigment eine doppelte Aufgabe er- füllt, in die sich in dem Auge anderer Tiere meist zwei verschiedene Apparate, ein absorbierender und ein reflektierender, teilen. Auch bei den Seitenaugen findet eine Pigmentwanderung statt, die ähnlich wie die der Hauptaugen verläuft. Hier liegt alles Pigment in den Retinazellen, da weder Pigment- zellen noch eine postretinale Zellenschicht vorhanden sind. In diesen vollzieht sich bei starker Belichtung des Auges ein Vorwandern der einzelnen Granula in den prärhabdomeren Abschnitt der Zelle, und zwar derart, daß die mittleren Teile fast pigmentfrei werden, während das kolbige Hinterende noch eine relativ große Menge Körner enthält. Bei der Dunkelstellung dagegen zieht sich alles Pigment hinter die Stäbchen zurück. Auch bezüglich ihres Ver- haltens gegen auffallendes und durchfallendes Licht gleichen die Granula denen der Hauptaugen. Literaturverzeichnis. v. ALTEN, H., 1910, Zur Phylogenie des Hymenopterengehirns, in: Jena, Ztschr. Naturw., Vol. 46, p. 511—550, tab. 18—21 und 28 Textfigg. BEpau, K., 1911, Das Facettenauge der Wasserwanzen, in: Z. wiss. Zool., Vol. 97, p. 417—456, tab. 19—20 und 5 Textfigg. BRAUER, A., 1895, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Skorpions, II., ibid., Vol. 59, p. 351—435, tab. 21—25. Demozz, R., 1909, Über die Augen und die Augenstielreflexe von Squilla mantis, in: Zool. Jahrb., Vol. 27, Anat., p. 171—221, tab. 13—14 und 6 Textfigg. —, 1909, Die Augen von Alciopa cantrainii, ibid., p. 651—686, tab. 42 und 4 Textfigg. Die Augen der Scorpioniden. 587 DEMOLL R. und L. ScHEURING, 1912, Die Bedeutung der Ocellen der Insecten, ibid., Vol. 31, Syst., p. 519—628 und 23 Textfigg. Forez, A., 1886—1887, Sensations des Insectes, in: Rec. zool. 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Während über die Augen der Scorpione eine ganze Reihe aus- führlicher Untersuchungen vorliegt, sind die Angaben über die Struktur der Augen ihrer nächsten Verwandten, der Pedipalpen, dürftig. In den verschiedenen Arbeiten über die Systematik und Morphologie der Pedipalpen finden wir nur zerstreut hin und wieder einige Notizen, die sich aber mehr auf die Zahl und Gruppierung der Augen beziehen als auf deren feineren Bau. Bezüglich ihrer Histologie und Entwicklungsgeschichte wird gewöhnlich die Analogie mit den Augen der Scorpioniden betont, ohne daß aber diese Be- hauptung eine eingehendere Prüfung erfahren hätte. Vereinzelte Bemerkungen über Vorkommen, Entstehung und Ausbildung und über die Innervationsverhältnisse finden sich bei VAN DER HoEvEN (1842), Buancuarp (1852), TARNANI (1896), LAURIE (1896), PEREYSLAWZEWA (1897 und 1901), Goucx (1902), Pocock (1902), Börner (1904) und Hansen u. SORENSEN (1905). Die ausführlichste, bis jetzt vorliegende Arbeit, in der den Augen, speziell ihrer Ent- wicklung, weitgehende Beachtung geschenkt wird, ist die 1906 er- schienene Abhandlung von SCHIMKEWITSCH. Doch läßt diese, be- sonders bezüglich der histologischen Einzelheiten, so vieles unsicher und dunkel, daß eine erneute Untersuchung am Platze schien. Leider mußte ich von vornherein darauf verzichten, meine Arbeit auch über die Ontogenese der Augen auszudehnen, da es mir an dem hierzu nötigen Material gebrach. Ja schon erwachsene Tiere waren, in der für histologische Untersuchungen erforderliche Erhal- tung, schwer zu bekommen. Daß ich schließlich doch in den Stand vesetzt wurde, meine Arbeit in der vorliegenden Form auszuführen, danke ich zum großen Teil Herrn Prof. Dr. Srgusezz in Bonn und Herrn Prof. Dr. Krarreuıy in Hamburg, die mir beide in der liebens- würdigsten Weise Material zukommen ließen. Ersterem bin ich für die Überlassung sowohl von Spiritus- als auch von Sublimatmaterial von Thelyphonus caudatus verpflichtet, letzterem schulde ich für eine ganze Reihe verschiedener Uropygii und Amblypygii meinen auf- richtigsten Dank. Außerdem fand ich noch in der hiesigen Institutssammlung 2 sehr gut erhaltene Exemplare von Tarantula withei. Zum größten Teil waren alle die Tiere, obgleich Museums- 590 LuDwIG SCHEURING, material, recht gut konserviert und ließen eine unzweideutige Er- kennung und Deutung selbst der feineren Einzelheiten zu. Meine Untersuchungen erstreckten sich auf folgende Arten: Thelyphonus caudatus L., Typopeltis stimpsoni Woon, Mastigoproctus proscorpio LATr., Tarantula withei GERV., Tarantula margine-maculata C. Koch, Tarantula pulmata-barbodensis Poc., Charon gragi GERYV. (juv.) und Titanodamon medius-johnstoni Poc. Die Anfertigung von Schnitten ist bei Pedipalpen durch den flachen Thorax, in den das Entosternitskelet tief eindringt, noch mehr erschwert als bei Scorpioniden. Dieser Umstand verdarb mir manches Präparat, bei dem ich versuchte, das Chitin von dem Thorax ab- und aus ihm herauszusprengen. Doch gelang dies hin und wieder. Außerdem gab die Einbettung in Celloidin-Paraffin und das Schneiden mit schraggestelltem Messer meist befriedigende Resultate. Im übrigen waren, was Entpigmentierung und Färbung anbetrifft, die Methoden dieselben, wie ich sie bei Scorpionen anwandte. Topographie der Augen. Nach ihrer Stellung lassen sich die Augen der Pedipalpen, geradeso wie die der Scorpioniden, in Frontal- und Lateralaugen scheiden. Erstere liegen auf einer kleinen Erhöhung in der Median- ebene, nahe dem vorderen Cephalothoraxrande. Letztere sitzen zu je 3 Stück in der Nähe des seitlichen Randes (Textfig. J). Ein systematischer Unterschied in der Stellung besteht nur in- sofern bei den beiden Sub- familien der Pedipalpen, als bei den Uropygii die Seiten- augen ziemlich weit an den Fig. J. lateralen Rand des Cephalo- Schema der Augenstellung der Amblypygii thorax rücken, während sie nach Tarantula margine-maculata. bei den Amblypygii etwas mehr in die Nähe der Median- linie zu liegen kommen. Von außen erscheinen die Frontalaugen hellbraun bis dunkel, nur die Peripherie ist heller; die Seitenaugen sind immer weiß bis gelb und stark leuchtend. Die Zahl der Augen ist bei den Pedipalpen ziemlich konstant. Immer sind 2 Mittelaugen vorhanden. Für die Seitenaugen gab ich oben die Zahl 3 an; jedoch zeigen sich hin und wieder Abweichungen von der Norm. Hansen u. SORENSEN glauben deshalb annehmen zu Die Augen der Arachnoideen. 591 dürfen, daß 3 nicht die typische Anzahl für die Seitenaugen dar- stelle. Marx hatte schon 1886 bei Mastigoproctus giganteus Luc. 5 Seitenaugen in einer Gruppe gefunden, und 1893 beobachtete Hansen 2 kleine Augen neben den 3 großen bei Thelyphonus sepiaris. Ebenso hat Hypoctonus rangunensis 5 Augen. „And we think there- fore that five eyes in each group are present in all Oxopoei.“ Es stand mir leider keine der 3 Arten zur Verfügung, um nach- zuprüfen, in wie weit die Angaben von einer Gruppierung zu fünfen zu Recht bestehen. Möglich ist es, daß ähnlich wie bei Scorpio- niden auch hier eine Rückbildung der Seitenaugen im Gange ist oder war und daß die Zahl 5 ursprünglichere Verhältnisse darstellt. Jedoch konnte ich bei den von mir untersuchten Arten keine Reste eines 4. oder 5. Seitenauges finden, obwohl sich darunter auch ein Mastigoproctus (M. proscorpio) befand und ich doch auch Thelyphonus caudatus in mehreren Exemplaren eingehend studierte Immerhin darf aber nach dem, was wir bei Scorpionen gesehen haben, eine Differenz in der Anzahl der Augen innerhalb desselben Genus nicht als unmöglich angesehen werden. Frontalaugen. Wenden wir uns dem Bau der Frontalaugen zu, so erscheint es hier angebracht, etwas auf die bisherigen Angaben einzugehen. Die meisten früheren Untersuchungen sind mehr systematischer oder ontogenetischer Art. Da ich nun, wie schon erwähnt, aus Mangel an geeignetem Material auf die Augenentwicklung nicht eingehen konnte, so will ich hier nur die Resultate erwähnen, die schon einen Schluß auf den definitiven Bau der Augen zu- lassen. Van DER Horven (1842) gibt nur eine Beschreibung der Linse, wie sich diese von außen darstellt. Nach Cuatin ähneln die „quatre paires d’organes“, durch die „la vue s'exerce“, in ihrer Struktur den Augen der Scorpioniden und Mygaliden. Tarnanı (1896) kommt wie LAURIE (1896) zu der Ansicht, daß die Mittelaugen der Pedipalpen, wie die Hauptaugen der Scorpione und Spinnen, aus einer Inversion der Hypodermis entstehen. Es wäre also für sie eine Dreischichtigkeit zu erwarten. Nach PEREYSLAWZEWA (1897 u. 1901) differenzieren sich die Mittelaugen aus dem oberen vorderen Teil der Gehirnanlage. Nach ihrer Zeichnung eines Frontalauges von einem weit vorgeschrittenen Embryo von Damon medius, die viel klarer ist als der dazugehörige 592 LupwiG SCHEURING, Text, kann man 4 Arten von Zellen in den Medianaugen des er- wachsenen Tieres unterscheiden (p. 294, tab. 13, fig. 78). Auf diese Befunde komme ich später nochmals zurück. Goucx (1902) findet, daß die Bildung der Augen der Pedipalpen sich so vollzieht, wie sie BRAUER für die der Scorpioniden beschreibt (p. 615). Es entstehen 3 Lagen (p. 620), „the corneal, the retinal and the subretinal layer“, letzteres von den anderen durch einen Spalt getrennt. Das „stratum corneum“ besteht aus einer Lage Kerne, vor der sich Chitin anlegt. Die Retina ist in ihrem vor- deren Teil stark pigmentiert. Unter sich sind die beiden Augen durch eine unpigmentierte Lamelle getrennt. Das „subretinal layer“ ähnelt der Hypodermis. Er ist jedoch nicht in der Lage zu er- klären, wie diese Verhältnisse aus den vorhergehenden Stadien ent- standen sind. SCHIMKEWITSCH veröffentlichte 1903 eine vorläufige Mitteilung in: Zool. Anz. „Über die Entwicklung von Thelyphonus caudatus“. Danach entstehen die Mittelaugen, d. h. der retinale Teil derselben, aus der oberen Wand der Frontalgruben. An der Annäherunesstelle an die Hypodermis wird diese zu einem Glaskörper umgebildet. In seiner Hauptarbeit (1906) bringt SCHIMKEWITSCH diese Resultate in vollständigere Form. Er untersucht aber auch noch ältere Stadien und gibt eine Beschreibung (p. 38) und Abbildung (fig. 43) von den Mittelaugen eines fast erwachsenen Embryos. Bezüglich ihrer Färbbarkeit differenzieren sich nach ihm die Retinazellkerne in eine proximale stark färbbare Reihe und eine distale blassere. Zwischen der Retina und der einschichtigen peri- neuralen Zellenlage bleibt eine Höhle. Er unterscheidet — von innen nach außen: 1. eine perineurale Schicht; 2. einen retinalen Abschnitt, in dem a) recipierende Zellen mit mattfärbbaren Kernen und b) Pigmentzellen mit stark tingierbaren Kernen vorhanden sind; 3. eine kernlose Schicht, die sich an den von oben hinten ein- tretenden Sehnerven anschließt. Auf dieser Schichtenfolge liegt der Glaskörper, dessen Zellen vor der Linsensecretion hoch sind, später aber niedrig werden. Auffallend ist, daß seine Zeichnungen, sowohl die der Haupt- als auch Nebenaugen, weit mehr den wirklichen Verhältnissen ent- sprechen als seine manchmal etwas dunkel gehaltenen Beschrei- Die Augen der Arachnoideen. 593 bungen. Bisweilen ist es nur möglich, sich nach seinen Zeichnungen zu orientieren, die viel klarer sind als der Text. Von fast allen früheren Forschern wird also, sowohl was die Entwicklung als auch was die Ausbildung der Mittelaugen der Pedipalpen anbetrifft, die Ähnlichkeit mit den gleichen Gebilden der Scorpione hervorgehoben. Dies nicht mit Unrecht. Jedem mub beim ersten Anblick eines Quer- oder Sagittalschnittes durch ein Medianauge eines Pedipalpen die Ähnlichkeit mit den Hauptaugen der Scorpioniden auffallen. Besonders trifft dies für die Gestalt des ganzen Augenbechers der Retina- und Postretinazellen zu, während die Pigmentzellen in ihrer Ausbildung und Lage etwas von denen der Scorpione verschieden sind. Die größten Differenzen weisen jedoch Linse und Glaskörper auf. Die Augen der Amblypygii gleichen denen der Uropygii derart, dab sie gemeinsam beschrieben werden können. Linse und Glaskörper. Linse und Glaskörper stehen in so engen Beziehungen zueinander, dab sie in der Beschreibung kaum voneinander getrennt werden können. Es ist nämlich zwischen beiden eine gegenseitige Ver- tretung zu beobachten. Diese führt zu zwei extrem verschiedenen histologischen Bildern, die durch Übergänge miteinander ver- bunden sind. Einerseits findet nämlich eine Ergänzung des Glaskörpers durch die Linse, andererseits ein Stellvertreten der Linse durch den Glas- körper statt. Gehen wir zunächst auf die wahrscheinlich ursprüng- lichen Verhältnisse ein, wie wir sie bei Scorpionen gefunden haben. Bei Tarantula palmata (Fig. 10) stellt die Linse eine bikonvexe Ver- dickung der Cuticula dar. Die innere Krümmung ist stärker als die äußere, und die 3 Chitinlamellen und deren Schichten, die die Cuticula aufbauen, lassen sich deutlich in ihr erkennen. Die untere Schicht hat den größten Anteil an der Linsenbildung. Die Glas- körperzellen, die eine direkte Fortsetzung der Hypodermiszellen sind, nehmen etwas längere, cylindrische Gestalt an als diese. Ihr Plasma wird durchsichtiger und bis auf einen proximalen Teil stark reduziert. Die Kerne sind etwas weniger stark tingierbar als die Hypodermiszellkerne und werden runder als diese. Linse und Glas- körper zeigen also Gestalt und Aussehen, wie wir es von anderen Arachniden her gewöhnt sind. Diese Verhältnisse scheinen jedoch nur bei wenigen Pedipalpen 594 LupwiG SCHEURING, gewahrt zu bleiben. Weit öfter fand ich die Ausbildung des diop- trischen Apparats derart abgeändert, daß ein besonders ungebil- deter Teil der Linse an Stelle des stark reduzierten Glaskörpers tritt. Diese Verhältnisse sind z. B. Thelyphonus caudatus und bei Typopeltis stimpsoni ausgebildet (Fig. 9). Hier ist ebenfalls eine bikonvexe Linse von ähnlicher Form wie bei Tarantula palmata vor- handen. Doch schließt sich hier an die gewöhnlichen drei Schichten noch eine vierte an. Diese hat hyalines Aussehen mit nur schwach erkennbarer Schichtung und ist proximal nicht scharf begrenzt. Ihre Färbbarkeit ist eine mäßige und besonders gegen den Rand zu sehr schwach. Unter dieser vierschichtigen Linse liegt ein ganz niedriger Glaskörper, dessen Zellen viel kürzer sind als die der Hypodermis und gerade noch die runden Kerne einschließen, die sogar manchmal kleine Ausbuchtungen der vorderen Membran bedingen. Die starke Rückbildung des Glaskörpers hat die eigenartige Differenzierung der Linse zur Folge, die darin besteht, daß sich nach innen eine wohl schwach lichtbrechende, weiche, aber ziemlich mächtige Schicht bildet, die die Rolle des Glaskörpers zu übernehmen im- stande ist. Auf der anderen Seite ist bei Titanodamon medius-johnstoni wohl noch außen über dem Auge eine konvexe Erhebung vorhanden, die eine cuticulare Linse vermuten läßt. In Wirklichkeit geht aber hier das Körperintegument kaum verdickt über den stark hervorgewölbten Glaskörper (Fig. 11) hinweg. Dieser hat durchaus nicht mehr die von anderen Arachniden her gewohnte Gestalt und Ausbildung, sondern erinnert an die Linsenbildung durch die umgewandelte Hypodermis, wie wir dies von den Ocellen der Ephemeriden (siehe Hesse und Linx) her kennen. Die Glaskörperzellen werden viel länger als die gewöhnlichen Hypodermiszellen. Es gelang mir nicht, Schnitte zu gewinnen, auf denen die Zellen ihrer ganzen Länge nach getroffen waren; dennoch vermute ich, daß die Einschichtigkeit der Lagen nicht aufgegeben ist, da man sonst auch in der Mitte derselben Kerne hätte finden müssen, was nie der Fall war. In ihrer Gestalt unterscheiden sich diese Kerne von den gewöhnlichen Hypodermiszellkernen durch ihre etwas rundere Form; auch ist ihre Affinität zu Farbstoffen etwas geringer als die jener. Da also hier jede Andeutung einer bikonvexen Linse fehlt, so mub der linsenartig ausgebildete Glaskörper die Funktionen des dioptrischen Apparats übernehmen. Die Augen der Arachnoideen. 595 Am Rande des Glaskörpers liegt bei allen Formen ein starker peripherer Pigmentgürtel, die Iris. Zwischen Glaskörper und Retina zieht sich eine trennende Lamelle hin, die präretinale Membran. Diese besteht ähnlich wie die der Scorpione aus zwei einander fest anliegenden Lamellen. Die distale ist bei weitem die stärkere (Fig. 1, 2, 3, 4 Pr.M). Sie ist die direkte Fortsetzung der Basalmembran der Hypodermis. Die proximale dünnere stellt die Frontalmembran der die Retina bildenden Zellen dar. Sie steht in kontinuierlichem Zusammenhang mit der später zu beschreibenden postretinalen Membran. An dem Augenrande, wo sich beide Lamellen, d. h. die hypodermale Basal- membran und die postretinale Lamelle, treffen, sind beide aufge- schlossen und bilden eine fibrillenartige Lage wie bei Scorpioniden (Fig. 3). Kerne mesodermalen Ursprungs, wie sie sich dort finden, konnte ich hier nicht mit Sicherheit nachweisen. Retina. Auf die präretinale Membran folgt der große Komplex der die Retina bildenden Zellen. Auf den ersten Blick fallen hier zweierlei Kerne auf, die sich in zwei Lagen scheiden. Die proximale Reihe besteht aus runden, schwach färbbaren Kernen, während die der distalen längliche Gestalt und starke Affinität zu Farbstoffen haben. Schon PEREYSLAWZEWA zeichnet zwei Lagen Kerne (fig. 78, taf. 13). Doch ist die Beschreibung, die sie dazu gibt (p. 294), nicht ganz klar, da sie nicht von differenten Zellen, sondern nur von je zwei verschiedenen „couches pigmentaires“ und „zones claires“ spricht. Ähnlich ist es mit Scnimcewrrscu. Seine figg. 43, 49 u. 50, taf. 3 lassen deutlich drei Zonen in der Retina erkennen. p. 38 äußert er sich dahin: „In dem retinalen Teil des Auges kann man... zwei Abschnitte unterscheiden, einen äußeren oder oberen und einen inneren oder unteren“... Die „untere Schicht“ besteht „wahrscheinlich aus recipierenden Zellen“, die „obere aus verlängerten Pigmentzellen. Noch weiter oberhalb der Pigmentschicht liegt eine Schicht ohne Kerne, an welche sich unmittelbar der von hinten ein- tretende Sehnerv anschließt. Wir finden hier also zum ersten Male eine Trennung in reci- pierende und pigmenttragende Zellen. Diese Unterscheidung be- steht vollkommen zu Recht, und auch insofern vermutet SCHIMKE- wırscH das Richtige, als er die obere Kernreihe den letzteren, die 596 LULWIG SCHEURING, untere den ersteren zurechnet. Über die Gestalt und gegenseitige Lagerung beider gibt er jedoch keine Auskunft. Außerdem hat er nicht gesehen, daß seine dritte kernlose Schicht, die sich an den Nerven anschließt, die Rhabdomschicht darstellt und in einem direkten Zusammenhange mit den recipierenden steht. Wenden wir uns zunächst den eigentlichen Retinazellen zu, d.h. den rhabdomtragenden Elementen des Auges. Bei den Mittelaugen der Scorpione konnten wir beobachten, daß hier eine ausgesprochene Neigung der Retinazellen bestand, sich zu Fünfer-Gruppen zusammen zu legen und so eine fünfteilige Retinula zu bilden. Eine ähnliche Erscheinung kann man auch für die recipierenden Elemente der Frontalaugen der Pedipalpen konstatieren. Doch ist hier das Be- streben, immer gleichartige und gleichstrahlige Retinulae zu bilden, nicht so fixiert wie dort. Vielmehr ist bei dem Zusammenlegen einer Anzahl verschiedener Sehzellen eine ziemlich große Inkonstanz be- züglich der Zahl die Regel. Die Figg. 6 u. 7 zeigen Querschnitte durch die Rhabdomregion von Zhelyphonus caudatus und von Tarantula palmata. Man ersieht daraus, dab bei ersteren die Rhobdome zwei- bis achtteilig sind, während bei letzterem eine Dreistrahliekeit vorherrscht. Diese Zahlen gelten nicht nur für diese beiden Vertreter, sondern im allge- meinen ist die Zahl der einzelnen Rhabdomere bei den Uropygii weit variabler als bei den Amblypygii. Hier herrscht die Zahl 3; nur in wenigen Fällen lassen sich 4—5 Rhabdomere beobachten. Dort finden sich nebeneinander zwei- bis achtstrahlige Gruppen, ja dann und wann sind auch zehnarmige Stäbchen zu sehen. Ein Dominieren einer bestimmten Zahl findet nicht statt, nur sind die mittleren Werte häufiger als die Maximal- und Minimalgrößen. Auf die feinere Struktur der Rhabdome komme ich nach der Besprechung der Retinazelle zurück. Die rhabdomtragenden Zellen sind innerhalb der Retina bei weitem häufiger als die Pigmentzellen (Fig. 1, 2 u. 4). Von diesen unterscheiden sie sich sehr deutlich. Ihre Gestalt ist lang, keulen- förmig. Jedoch sind die einzelnen Zellen nicht gleich lang, sondern drängen sich aneinander vorbei, wodurch sie häufig zu kleineren Biegungen und Windungen gezwungen werden. Der proximale, dickere Teil trägt den fast ganz kugligen Kern. Dieser ist chromatinarm und infolgedessen wenig tingierbar. Deutlich erkennt man in ihm immer 1—2 Nucleoli. Er liegt in einem fein granu- lierten Plasma, das sich mit Eisenhämatoxylin dunkler färbt als die Die Augen der Arachnoideen 597 übrigen Teile der Zelle (mit Ausnahme der Rhabdome), weiter distal verschmälert sich die Retinazelle, und ihr Plasma nimmt fibrilläre Struktur an. Die einzelnen die Retina bildenden Zellen legen sich sereneinander, und an den Berührungsflächen werden die Rhabdomere ausgebildet. Nach oben zu wird das Plasma der Retinazelle wieder feiner und bildet vor dem Rhabdom einen nur kurzen, präbacillären Abschnitt. Die einzelnen Retinulae lassen auf dem Querschnitt noch deut- lich die sie bildenden Zellen erkennen. Häufig kommt es vor, dab 2—3 nebeneinanderliegende Rhabdome distal miteinander teilweise verwachsen. Die Innervation der Retinazellen erfolgt ähnlich wie bei Scorpio- niden. Der von hinten oben in das Auge eintretende Sehnerv teilt sich in mehrere Äste, die in zwei Drittel der Höhe der Retinazellen direkt unter dem rhabdomtragenden Teil hinziehen. Diese Äste spalten sich in einzelne Fasern auf, die zu den einzelnen Retina- zellen gehen und in diese direkt unter dem Rhabdom eindringen. Wieviel Fibrillen zu einer Zelle ziehen, ob eine oder mehrere, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, da in diesem Teil das ganze Plasma fibrilläre Struktur hat und der Erhaltungszustand meines Materials doch nicht derart war, daß Nervenfasern von Plasmazügen zu unterscheiden waren. Es scheint mir, daß die Fibrillen (ob eine oder mehrere für eine Zelle?) an den einander anliegenden Wänden entlang laufen, ähnlich wie bei Scorpioniden (Hesse, p. 440), und sich dann aufspaiten. Die Rhabdome lassen, wie schon erwähnt, deutlich den Aufbau aus einzelnen Rhabdomen sowohl auf Quer- als auch auf Längsschnitten erkennen (Fig. 4, 6 u.7). Betrachten wir uns zunächst einen Längs- schnitt, auf dem ein Strahl, d. h. zwei Rhabdomere eines Rhabdoms, angeschnitten ist. Wir sehen in der Mitte einen schmalen hellen Hof, in dem eine feine dunkle Kontur läuft, die Trennungslinie der beiden Rhabdomere resp. Retinazellen. Links und rechts von dieser schmalen Zone folgt je ein breites dunkles Band, das deutlich einen Stiftchensaum erkennen läßt (Fig. 4). Auf Querschnitten (Fig. 6 u. 7) sind die Trennungslinien der Rhabdomere immer deutlich zu erkennen, ebenso lassen sich die Stiftchensäume unzweifelhaft feststellen. Nur ist der mittlere helle Hof häufig schwer und nur unklar sichtbar. Weiter fallen in den Rhabdomen runde helle Hohlräume auf. 598 Lupwia SCHEURING, Doch möchte ich diese, gerade so wie die bei Scorpioniden, als Fixierungsprodukte ansprechen. Ein interrhabdomerer Hohlraum an der Stelle, wo alle Rhabdome einer Retinulae zusammenstoßen, ist teilweise vorhanden, doch will ich es dahingestellt sein lassen, inwieweit es sich auch hier um ein Artefakt handelt. Bei Scorpionen fallen uns häufig in den Retinazellen stark lichtbrechende Gebilde, die Phaosphären, auf. Auch bei Pedipalpen, so z. B. bei Tarantula palmata, konnte ich diese sonderbaren Kugeln beobachten, und wieder ist weder ihre Lage noch ihre Gestalt in der Zelle irgendwie fixiert. Einige liegen vor, einige hinter den Kernen. Weiter findet man bisweilen kleine sich dunkler als das Plasma färbende Körperchen, die vorzugsweise in der Nähe der Kerne liegen. Die Zahl derselben ist verschieden und schwankt zwischen 1—6 (Fig. 4). Bei starker Vergrößerung (Fig. 8) lassen sie einen inneren ziemlich scharf abgegrenzten helleren Kern erkennen, der von einer dunkleren Zone umgeben wird. Diese wird nach dem Rande zu lichter und geht mit unsicherer Kontur in das Zellplasma über. Ob man es hier mit Vorbildungsstadien von Phaosphären zu tun hat, ist mir völlig unsicher. Pigmentzellen. Zwischen den Retinazellen liegen langgestreckte, schmale Pigment- zellen (Fig. 1, 2, 3, 4), die sich zwischen erstere einschieben und die Zwischenräume zwischen diesen ausfüllen. Ihre Anwesenheit verrät sich schon durch das in ihnen liegende Pigment und dann durch die Form und Färbbarkeit ihrer Kerne, die im ausgebildeten Zustande von dem der Retinazellen abweichen. Die Gestalt der Pigment- zellen ist im wesentlichen diejenige, wie wir sie bei Scorpioniden (S. 566) gefunden haben, d. h. die einer Doppelkeule mit dünnem Verbindungsstück. Nur ist hier die typische Zwerchsackgestalt nicht so gut ausgeprägt wie dort. Der proximale Abschnitt ist hier viel länger als der distale und auch mehr spindel- als keulenförmig Infolgedessen liegen auch die Kerne nicht so schön in einer Reihe. wie dies bei Scorpionen der Fall ist, sondern sie sind in ver- schiedener Höhe fest zwischen die Retinazellen eingekeilt. Ihre Ge- stalt ist länglich, elliptisch. Sie sind stark färbbar und lassen nur selten einen deutlichen Nucleolus erkennen (Fig. 4, tab. 36). Das Plasma der Pigmentzellen ist durchweg fein fibrillär. Der Die Augen der Arachnoideen. 599 die beiden Keulen verbindende mittlere Teil ist sehr dünn. Der distale breite Abschnitt legt sich schirmartig vor die Retinazellen. Das Pigment besteht aus Granula von tief dunkelbrauner bis dunkel rotgelber Farbe. Jedoch konnte ich nicht beobachten, daß es im auffallenden Lichte eine andere Farbe zeigte als im durch- fallenden, wie dies bei Scorpionen der Fall war. Ebenso konnte ich keine Versuche über die Wanderung des Pigments in den Augen anstellen, da mir keine lebenden Tiere zur Verfügung standen. Doch bin ich geneigt, eine solche bestimmt an- zunehmen, da auf meinen nicht entpigmentierten Präparaten bald das Pigment vor, bald hinter den Rhabdomen lag. Es ist anzu- nehmen, daß die Tiere entweder in der Hell- oder Dunkelstellung konserviert waren. Über die weitere Verteilung des Pigments werde ich später noch einiges zu sagen haben. Die Retinae der beiden Frontalaugen liegen, wie die der Scor- pione, in einer gemeinsamen Augenkapsel. Wohl spricht SCHIMKE- WITSCH von einer pigmentlosen Lamelle zwischen den Retinae. Ich konnte nun tatsächlich in einigen Fällen schwache Reste einer der- artigen Trennungsmembran bei Z’ypopeltis beobachten. Wahrschein- lich tritt hier dasselbe ein wie bei Scorpioniden, nämlich daß in der Jugend diese trennende Lamelle vorhanden ist, später aber resorbiert wird. Der Augenkapsel liegen die Retinazellen nur in den lateralen Partien an. Sonst sind sie sowohl von dieser als auch die beiden Retinae unter sich durch einen Abstand getrennt (Fig. 1). Dieser Zwischenraum, der schon von SCHIMKEWITSCH für Thelyphonus cau- datus erwähnt wird, enthielt bei allen von mir untersuchten Tieren ein feines Gerinnsel. Ich nehme deshalb an, daß man es hier mit einer groben Blutlacune zu tun hat, von der die Retinae umspült werden. Nach vorn wird dieser Hohlraum abgeschlossen durch die beiden Augen und durch die zwischen ihnen liegende Strecke von Hypo- dermis. Letztere erhält hierbei durch ein starkes mesodermales Zellenlager eine nachhaltige Unterstützung (Fig. 1). Nach hinten bildet die Postretina mit ihrer Membran den Abschlub. Diese Postretina wird sowohl von PEREYSLANZEWA als auch von SCHIMKEWITSCH erwähnt und gezeichnet. Die Beschreibung der ersteren ist durch mangelhafte Zeichenerklärung und Buchstaben- verwechslung kaum verständlich und bezieht sich auch mehr auf die Herkunft der Postretina als auf deren Ausbildung. Letzterer gibt in fig. 50 eine ziemlich übersichtliche Zeichnung eines „perineuralen 600 Lupwie SCHEURING, Abschnittes der Retina“ und beschreibt seine Herkunft (p. 36—38). Zu diesem perineuralen Teil gehören auch (nach SCHIMKEWITSCH) die peripheren Pigmentzellen des Augenbechers. Die eigentliche Postretina aber ist pigmentfrei. Die Gestalt der Postretina ähnelt im ausgebildeten Zustande sehr derjenigen der Scorpione. Wieder finden wir eine einschichtige Zellenlage, deren einzelne Zellen nicht durch deutliche Grenzen von- einander getrennt sind, sondern vielmehr ein feines verfilztes Gewebe darstellen, das sich auch nach vorn gegen die Blutlacune in feinen Fortsätzen nur allmählich verliert (Fig. 5). Die Kerne sind flach elliptisch und stark färbbar. Nach der Seite wird die ganze Schicht niedriger, und die Kerne legen sich mehr ihrer Basalmembran an. Die postretinale Membran geht, wie schon erwähnt, so- wohl in die präretinale als auch in die Basalmembran der Hypo- dermis über. Von außen wird sie durch angelagerte Mesodermzellen verstärkt, genau wie dies bei Scorpioniden der Fall ist. Nach oben hinten, wo der Zwischenraum zwischen Retina und Postretina nur ein geringer ist, wird letztere zweimal von der Mitte her durch- brochen und gewährt den beiden Augennerven Eintritt (Fig. 1). Über das Verhalten dieser innerhalb des Auges habe ich schon S. 596 gesprochen, von ihrem weiteren Verlauf und ihrem Einstrahlen ins Gehirn wird später noch kurz die Rede sein. Seitenaugen. Haben wir gesehen, daß die Frontalaugen der Pedipalpen mit denen der Scorpioniden recht viel Ähnlichkeit haben, so ist dies bei den Seitenaugen durchaus nicht der Fall. Die Angaben, die über die Seitenaugen vorliegen, sind noch dürftiger als die über Frontalaugen. Nur PEREYSLAWZEWA und SCHIMKEWITSCH äußern sich über ihre Bildung und geben auch Zeichnungen von dem Auge nahezu erwachsener Tiere. Aber sowohl die Angaben als auch die Abbildungen der ersteren sind unver- ständlich. So sind nicht allein die Figurennummern, sondern auch die erklärenden Buchstaben verwechselt, ja auch die fig. 84 selbst, auf die sich scheinbar der Text p. 295 beziehen soll, ist nicht Klar. Ich verziehte deshalb darauf, die Meinung dieser Forscherin hier zu zitieren. Etwas mehr den wirklichen Verhältnissen entsprechen die Zeich- nung und Beschreibung, die SCHIMKEWITSCH (fig. 36, tab. 3 und p. 36) von einem weit vorgeschrittenen Entwicklungsstadium von Thely- Die Augen der Arachnoideen. 601 phonus caudatus gibt. Nach ihm entstehen die Seitenaugen durch eine Invagination ohne Invaginationshöhle aus einer verdickten Partie der Hypodermis. „Die becherförmige Anlage stellt den reti- nalen Teil des Auges dar. Die demselben anliegenden Zellen des Ectoderms ziehen sich in die Länge und die der Anlage zunächst liegenden Zellen bilden den perineuralen Teil des Auges. Bei älteren Larven sind diese Teile des Auges deutlich ausgesprochen (fig. 56). Wahrscheinlich ist auch die äußere die Seitenaugen einhüllende Schicht von Pigmentzellen ebenfalls perineuralen Ursprungs. In dem tieferen Teil des Auges ist sie durch eine faserige, wahrschein- lich durch die Verästelung der Augennerven gebildete Schicht von der Retina getrennt.“ SCHIMKEWITSCH ist also selbst weder über die Herkunft der ein- zelnen Teile noch über deren Eigenschaften und gegenseitiges Ver- halten ganz im Klaren. In seiner fig. 36 kann man wohl deutlich die das Auge zusammensetzenden Teile erkennen. Wir werden zu prüfen haben, inwieweit seine Erklärung und Beschreibung Gültig- keit hat. Betrachtet man einen Sagittalschnitt durch die 3 Seitenaugen eines Pedipalpen (Fig. 12), so ergibt sich daraus ihr gegenseitiges Lagenverhältnis. Während ein Augenbecher median getroffen ist, bieten die beiden anderen schiefe Querschnitte dar. Weiter ersieht man aus der Figur, daß, wenn die Retina längs geschnitten ist, dies nicht auch für die Linse der Fall ist. Es muß also die Haupt- sehrichtung der 3 Augen eine verschiedene sein. Auf diesen Punkt gehe ich später noch ausführlicher ein. Der Bau der Seitenaugen ist in den beiden Familien der Pedi- palpen der gleiche. Immer lassen sich 4 Schichten unterscheiden: 1. Glaskörper, 2. Retina, 3. Tapetum, 4. Postretina. Die Linse stellt durchweg eine bikonvexe Verdickung der Cuti- cula dar, die die 3 chitinösen Lamellen derselben deutlich erkennen läßt. Die äußere Krümmung ist stärker als die innere. Die durch- schnittliche Gestalt ist die, wie sie sich in Fig. 10 u. 12 für das mittlere Auge darstellt. Eine Beziehung mit dem Glaskörper, wie sie bei den Frontalaugen zu beobachten war, konnte ich bei den Seiten- augen nicht finden. Vielmehr wiesen die Linse sowohl als auch der Glaskörper bei allen von mir untersuchten Arten die gleiche Gestalt auf. Daß bei dem dritten Auge in Fig. 12 die Linse so groß erscheint, liegt daran, dab sie sehr schief getroffen ist. Der Glaskörper, der die direkte Fortsetzung der Hypodermis Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 39 602 Lupwie SCHEURING, darstellt, überlagert in gleicher Ausbildung die drei Augenbecher. Sein Aussehen gegenüber der Hypodermis ist nicht viel verändert; nur sind die einzelnen Zellen etwas niederer geworden. Die Kerne weisen mehr runde Formen auf als die gewöhnlichen hypodermalen Kerne; auch ist ihre Färbbarkeit gegenüber diesen geringer (Fig. 13). Zwischen Glaskörper und Retina zieht sich gerade wie bei den Hauptaugen eine präretinale Membran hin (Fig. 13 u. 14). Diese weicht jedoch in ihrer Struktur etwas von jener ab. Be- sonders lassen sich keine zwei Lamellen unterscheiden, oder es ist die proximale so dünn, dab sie von der distalen nicht getrennt werden kann. Sicher ist die Membran völlig kernlos. An der Seite geht sie in die Basalmembran der Hypodermis über und steht auch mit der postretinalen Membran in Verbindung. Die Uber- gangsstelle ist gerade wie bei den Hauptaugen durch eine Auf- schleißung der beiden Lamellen kenntlich. Auf die präretinale Membran folgen die Retinazellen, die ein wesentlich anderes Verhalten zeigen als die der Hauptaugen. Die einfallenden Lichtstrahlen müssen erst sowohl die Retinazelle als auch die Nervenschicht durchsetzen, ehe sie zu den recipierenden Elementen gelangen. Die Lage der Rhabdome ist (mit GRENACHER gesprochen) eine postnucleare (Fig. 12, 13, 14, 15). Innerhalb der Retina treffen wir nur eine Art von Zellen an. Alle tragen Rhabdome. Von einer Gruppierung derselben zu Re- tinulae ist jedoch nichts zu bemerken. Jede einzelne Retinazelle hat die Form einer sich schwach verjüngenden Keule (Fig. 15), deren dünnerer Teil in den Augen- becher hineinragt. In dem distalen diekeren Ende liegt der Kern. Dieser ist ziemlich chromatinarm, hat aber meist einen deutlichen Nucleolus. Das Plasma der Retinazelle ist in ihrem distalen Teil fein granuliert und mit Eisenhämatoxylin ziemlich stark färbbar. Weiter proximal wird es immer mehr fibrillar, um in dem rhabdom- tragenden Abschnitt wieder fein strukturiert zu sein. In diesem letzten Drittel ist an jeder Retinazelle, sowohl auf Längs- als auch auf Querschnitten, ein deutlicher, peripherer Stiftchensaum zu er- kennen (Fig. 14u.15). Die einzelnen Zellen legen sich fest gegeneinander und deformieren dabei sich sowohl als ihre Rhabdome. Man erhält infolgedessen auf Querschnitten durch das Auge, besonders durch die Rhabdomregion, wabenartige Bilder (Fig. 13). Die Innervierung der Retinazellen erfolgt, wie schon erwähnt, von distal. Der Nerv tritt von vorn in den Augenbecher ein (Textfig. K), Die Augen der Arachnoideen. 603 direkt unter den Retinazellkernen, teilt sich hier in einzelne Fasern auf, die ungefähr in derselben Höhe zu den einzelnen Zellen ziehen (Fig. 14). Die Fasern dringen in die Zellen ein und ziehen wahr- scheinlich in der Mitte derselben bis zu der Rhabdomregion, wo sie den peripheren Stiftchensaum bilden. Auf die Retina folgt eine fibrilläre Lage, die SCHIMKEWITSCH als die aufgespaltenen Fasern des Nervus opticus ansah. In Wirk- lichkeit haben wir es aber hier mit einem sehr starken Tapetum zu tun (Fig. 12, 13, 14). Diesem ist der für die Seitenaugen schon Fig. K. i Schema der Innervation der Hauptaugen. LE a Nach einem etwas schief getroffenen Schnitt von Tarantula withei. (Nach einer Photographie gezeichnet.) b.m Balsalmembran. cw Cuticula. hyp Hypodermis. n Nerv. p.r Postretina. p.r.m Postretinale Membran. rh Rhabdome. r.z Retinazelle. anfangs erwähnte starke Glanz zu verdanken. Der Tapetumbelag ist vollständig lückenlos. In durchfallendem Lichte erscheint er aus hell-leuchtenden gelben Fasern zusammengesetzt, in auffallendem Licht dagegen stellt er eine homogene, silberweiß glänzende Masse dar. Die Kerne dieser Schicht liegen nur an der Seite. Sie sind stark färbbar und von langer, flacher, elliptischer Gestalt. Nach unten und nach der Seite folgt auf das Tapetum die Postretina (Fig. 12, 13, 14). Diese stellt eine einschichtige Zellen- lage von fast gleicher Ausbildung wie die Postretina der Frontal- augen dar. Die einzelnen Zellen sind nicht mehr voneinander zu 39* 604 LupwiG SCHEURING, unterscheiden, sondern bilden ein feines, verfilztes Polster. Die Kerne desselben sind flach elliptisch und nicht so stark tingierbar wie die des Tapetums. Nach vorn ist die Grenze der postretinalen Zellenlage unscharf, nach hinten setzt sich diese durch eine starke Membran deutlich von dem umgebenden Mesoderm ab (Fig. 13). Sie vereinigt sich seitlich mit der Basalmembran des Glaskörpers und mit der der Hypodermis. Von außen wird diese Lamelle durch Anlegen von mesodermalen Zellen verstärkt. Vorn oben befindet sich in ihr eine Öffnung, die dem Nerven Eintritt gewährt (Fig. 14 u. Textfig. K). Eine größere Blutlacune zwischen Retina und Postretina, wie in den Hauptaugen, ist nicht vorhanden. Wir haben im Anfang gesehen, daß die Seitenaugen nicht immer in der Dreizahl vorkommen. Nach Hansen u. SÖRRENSEN sollen ur- sprünglich alle Pedipalpen 5 Seitenaugen besessen haben. Ich richtete daher bei allen von mir untersuchten Arten mein besonderes Augen- merk auf eventuell vorhandene überzählige oder in Rudimentation befindliche Augen; doch mit negativem Erfolg. Selbst bei einem Vertreter des Genus Mastigoproctus, bei M. proscorpio (nach Marx sind bei M. giganteus 5 Seitenaugen mit Linsen vorhanden), fand ich keine Gebilde, die als Lichtsinnesorgane, und sei es auch in mehr oder weniger starker Rückbildung, hätten gedeutet werden können. Das- selbe gilt von Thelyphonus caudatus, während Th. sepiaris nach HANSEN 5 Seitenaugen zukommen. Ich gebe jetzt meine Resultate über die Messungen der Seh- felder der einzelnen Augen resp. Augengruppen, um daran an- schließend die physiologische Bedeutung und Funktion derselben zu diskutieren. Sowohl von einem Vertreter der Uropygii als auch der Amblypygii wurden die Sehfelder bestimmt. Die Messungen machen selbstverständlich, da sie ja an Spiritusmaterial ausgeführt, keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit, sondern mögen in einer Fehlergrenze von 5—10° schwanken. Als Beispiel für die Uropygii diente mir Thelyphonus caudatus; als Vertreter der Amblypygii wählte ich Tarantula withei, Sehfelder von Thelyphonus caudatus. I. Sichtbar: Beide Frontalaugen. Seitenaugen gliinzen gerade noch schwach. Frontalaugen erscheinen bei —20°, binokulares Sehfeld der- selben 40°, verschwinden nach 120°, Gesamtsehfeld also 140°. Die Augen der Arachnoideen. 605 Seitenaugen erscheinen bei 0°, verschwinden bei 1600, IL. Sichtbar: Beide Frontalaugen. Frontalaugen erscheinen bei —25°, binokulares Sehfeld 55°, verschwinden nach 135°, Gesamtsehfeld also 153°, Seitenaugen erscheinen nach 20°, verschwinden nach 130°, ihr Gesamtsehfeld also 110°. III. Sichtbar: — Frontalaugen erscheinen nach 80°, verschwinden nach 250°, ihr Sehfeld also 150°. Seitenaugen erscheinen nach 90°, verschwinden nach 240°, ihr Sehfeld also 150°. Sehfelder von Tarantula withei. I. Sichtbar: Beide Frontalaugen (schwach). Seitenaugen. Frontalaugen erscheinen bei —3—5°, binokulares Sehfeld also 5—10° (schätzungsweise), verschwinden nach 160°, ihr Sehfeld also 165°. Seitenaugen erscheinen bei —20°, binokulares Sehfeld 40°, ver- schwinden nach 165°, ihr Gesamtsehfeld also 185°. II. Sichtbar : Frontalaugen. Seitenaugen. Frontalaugen erscheinen bei —15—20°, binokulares Sehfeld 30— 40°, verschwinden nach 100°, ihr Gesamtsehfeld also 115 bis 120°. Seitenaugen erscheinen bei — 30°, binokulares Sehfeld 60°, ver- schwinden nach 160°, ihr Sehfeld also 190°. III. Sichtbar: —. Frontalaugen erscheinen nach 70°, verschwinden nach 240°, ihr Sehfeld 180°. Seitenaugen erscheinen nach 60°, verschwinden nach 260°, ihr Sehfeld 200°. Wir ersehen aus beiden Protokollen, daß die beiderseitigen Sehfelder der Frontal- und auch die der Seitenaugen ziemlich weit einander überdecken und daß ein nicht unwesentliches binokulares Sehfeld sowohl für die ersteren als auch letzteren nach oben und nach vorn besteht. Weiter liegen bei Thelyphonus caudatus die Seh- felder der Seitenaugen fast ganz innerhalb der der Frontralaugen, während bei Tarantula withei das Gegenteil der Fall ist. Es sind hier, wenn von den Seitenaugen die Rede ist, immer die 3 in einer Gruppe sitzenden Ocellen gemeint, denn eine genaue Bestimmung der Sehfelder jedes einzelnen Auges ist sehr schwierig und auch für unsere Zwecke gar nicht nötig. Innerhalb einer Gruppe 606 LupwiG SCHEURING, kommt eine Überlagerung der Sehfelder nicht vor. Das Sehfeld eines Ocellus hört vielmehr da auf, wo das des nächsten beginnt, eine Tatsache, die wir ja schon nach Schnittpräparaten vermuten konnten und die durch die Untersuchung mit dem Augenspiegel bestätigt wurde. Wenn die Sehfelder der Seitenaugen vollständig in die der Medianaugen fallen, so legt dies die Vermutung nahe, daß den beiden Augengruppen verschiedene Funktionen zukommen, die dann wohl mit Recht in einer Anpassung an das Fern- resp. Nahesehen angenommen werden dürfen. Welche der beiden Gruppen aber dem Fernsehen dient und welche kurzsichtig ist, ist schwer zu sagen. Bei Scorpionen gab uns die Lage der Augen hierüber Aufschluß, bei Pedipalpen fehlt uns ein Hinweis dieser Art, da beide Augen ungefähr dieselben Bezirke sehen. Aus der Krümmung der Linse allein auf Myopie oder Hyperopie zu schließen, ist, wie wir an auderer Stelle!) gezeigt haben, nicht möglich. So bleiben uns nur noch Vermutungen, die sich auf analoge Befunde bei Scorpioniden stützen. Dort sind die Seitenaugen zweifelsohne für das Nahesehen bestimmt, während die Frontalaugen der Fernsicht dienen. Wir werden in Parallele dazu auch dieselbe Spezialisierung für die beiden korrespondierenden Augengruppen der Pedipalpen vermuten dürfen. Wenn die Funktion für beide Augen die gleiche wäre, d. h. wenn sie zu gleicher Zeit denselben Gegenstand in demselben Um- fang sähen, so dürfte man wohl annehmen, daß die enge Be- ziehung, die in der gleichartigen und auch gleichzeitigen Funktion gegeben ist, sich auch darin äußerte, daß die zugehörigen Augen- nerven in die gleichen Gehirnzentren einstrahlten. Erfahren wir aber, daß dies nicht der Fall ist, so wird hiermit die geäußerte An- sicht wahrscheinlicher, ohne daß darin ein zwingender Beweis für sie erblickt werden könnte. Alle früheren Untersucher beschreiben voneinander getrennte optische Ganglien, eines für die Hauptaugen, das vorn oben an der Spitze des Protocerebrums gelegen ist, und zwei seitliche unterhalb dem ersteren befindliche Zentren für die Seitenaugen. Über die Entstehung dieser Ganglien lassen sich PEREYSLAWZEWA und SCHIMKEWITSCH eingehend aus. Ich verweise auf deren Ar- |) Die Augen der Scorpioniden, 8. 577. Die Augen der Arachnoideen. 607 beiten. Die Verhältnisse bei den ausgewachsenen Tieren beschreiben BuaNcHARD, LAURIE, Pocock und Borner. Ich zitiere hier den letzteren (p. 61): ,An der Vorderseite des Gehirns entspringen dorsolateral die 2 Augennervenpaare. Das seitliche Paar innerviert die jederseits in Drei- (selten Vier- oder Fiinf-)Zahl vor- handenen Seitenaugen, das mittlere Paar die stets in der Zwei- zahl entwickelten Medianaugen. Die Augennerven sind schon von ihrer Wurzel an sehr zart; nach vorn hin konvergieren sie zu- nächst, flachen sich ab, indem sie gleichzeitig ihre Breitseite der Sagittalebene der Körper parallel stellen, und verlaufen zwischen dem ersten pro- somalen Dorsoventralmuskelpaar hin- durch, um nach dem Durchtritt wieder zu divergieren. Die beiden Seitennerven biegen dann ziemlich plötzlich um und gehen oberflächlich oder zum Teil unter n. und zwischen den Fasern des Musculus rotator dorsalis chelicerae durch, am Seitenrande des Carapax nach hinten kehrend zu den Seitenaugen. Die beiden Mittelnerven ziehen in ziemlich gerader Richtung nach vorn zu den Mittelaugen.“ Ich kann sowohl nach Schnitten als auch nach Totalpräparaten diese Beschreibung bestätigen. Auch scheint es mir ausge- schlossen, dab von den Sehnerven Teil- te, ans be Ouen äste an den Muskel abgegeben werden, der Seitenaugen der Pedipalpen wie dies Braxcxanp angibt. — ii, einem uae ron ype Die Wurzel der Frontalnerven cula. hy Hypopermis. n Nerv. scheint eine doppelte zu sein, ähnlich wie bei Scorpioniden. Doch kann ich dies nicht mit absoluter Sicher- heit behaupten. Irgend eine Commissur, die die beiden Mittelaugen- nerven direkt verbindet, habe nicht gesehen. Literaturverzeichnis. BÖRNER, C., 1904, Ein Beitrag zur Kenntnis der Pedipalpen, in: Zoo- logica, Vol. 17, Hft. 42, p. 1—174, 7 Taf. und 114 Textfigg. CHATIN, J., 1880, Les organes des sens dans la serie animal, Paris. GouGH, L. 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Die Arbeit von Durour: Histoire naturelle des Galéodes (1847), verbreitet sich wohl über alle Organe des Solifugenkörpers, aber sie stützt sich nur auf Präparate, die mit Skalpell und Pinzette ge- macht wurden, und erfuhr keine eingehende Prüfung an Hand von Schnittserien. Dem feineren Bau der Augen widmet er (p. 340 u. 347) ein kurzes Kapitel und kommt zu dem Schluß, dab sie den Mittelaugen der Scorpionen homolog sind: „une seule paire d’yeux qui représent parfaitement les grands yeux médians du scorpion“. Aber seine Behauptung steht auf schwachen Füßen, denn er kann nur eine eiförmige Retina mit dunklem Pigment sehen. Er ver- mutete auch einen Glaskörper unter der Linse, obwohl er diesen nicht finden konnte. Auch die Arbeiten von BERNARD (1894, 1895) lassen uns über Vieles im Unklaren und scheinen durchweg nicht ganz zuverlässig zu sein. Dies gilt auf jeden Fall in sehr umfassendem Maße für seine Be- schreibung der Augen. Neben einigen richtig beobachteten Tat- sachen, wie der äußeren Form der Linse und dem Vorhandensein eines großen Ganglions direkt unter dem Auge, sind alle Angaben über Einzelheiten der Struktur des Glaskörpers, der Retina- und Pigment- zellen usw. entweder falsch oder doch sehr ungenau. Ich lasse in gedrängter Form seine Hauptresultate („Certain important points were however clear“) folgen. 1. Ein Glaskörper ist nicht vorhanden, sondern die aus einer gedriingten Anhäufung von Hypodermiszellen bestehende Retina ist von der Linse nur durch eine dünne Membran getrennt. 2. Die Retinazellen sind an der Peripherie des Auges länger als in der Mitte und tragen keine Stäbchen. 3. Im Auge ist eine starke Pigmentzone. Unter dieser scheinen die Kerne der Retinazellen zu liegen. Eine Gruppierung derselben um Rhabdome findet nicht statt. Kerne von Pigmentzellen glaubt er annehmen zu dürfen (... pigment clumps may in some cases indicate the presence of the nuclei of the pigment-cells). 4. Die Hypodermiszellen, die die Linse bilden, sind durchsichtig, andere, die die Iris zusammensetzen, stark pigmentiert. [Es blieb 610 Lupwic SCHEURING, mir unverständlich, welche Zellen der Autor mit den hellen Zellen, die die Linse absondern, meint.| Bei der Besprechung der einzelnen Teile werde ich noch Ge- legenheit haben, einiges aus der Arbeit von BERNARD zu Zitieren. Als ich mich daran machte, die Augen der Solifugen einem genauen Studium zu unterziehen, schien dieses Vorhaben zunächst an der Materialfrage zu scheitern, denn mein Suchen nach einigen fixierten oder lebenden Tieren blieb fast ein ganzes Jahr lang ohne Erfolg. Für die liebenswürdigen Bemühungen, mir zu meinem Zwecke geeignete Solifugen zu verschaffen, bin ich Herrn Prof. Dr. Heymoxs Berlin, Herrn Dr. SErerus Sarnow, Direktor der biologischen Station der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Sewastopol, Herrn Dr. MoxrsretsKy, Direktor des Naturhistorischen Museums zu Sym- feropol, und Herr Dr. Gesrro, Direktor des Museums zu Genua, zu Dank verpflichtet. Schließlich wurde ich wieder durch die Liebenswürdigkeit und Freigiebigkeit von Herrn Prof. Dr. Krarreuıs, Direktor des Natur- historischen Museums zu Hamburg, in den Stand gesetzt, meine Untersuchungen, die ich bereits an zwei Sammlungsexemplaren des hiesigen zoologischen Instituts begonnen hatte, zu vollenden. Für die freundliche Überlassung von Vertretern von 5 Arten, worunter auch einige junge Tiere waren, spreche ich ihm an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank aus. Ich konnte nun meine Arbeit auf folgende 7 Arten ausdehnen: Solpuga flavescens (C. L. KocH) und Ceromia sclateri (Purc.) (aus dem Gießener zoologischen Institut), Galeodes fatalis (LCHT.), Solpuga venator (Poc.), Solpuga monteiri (Poc.), Daesia hottentotta (KrpL.) und Pseudocleobis andinus (Poc.) (Geschenk von Herrn Prof. Dr. KRAEPELIN). Alle Exemplare waren in Alkohol konserviert. Ihr Erhaltungs- zustand war entschieden schlechter als der in Alkohol konservierter Pedipalpen und Scorpione. Ich bin geneigt, aus der Beschaffenheit des Gewebes zu schließen, daß durch die starken Fettmassen, die die Tiere in ihrem unförmigen Abdomen haben, ein rascheres Ver- derben des Alkohols und infolgedessen eine Maceration des Tieres leichter eintritt als bei den weit magreren Scorpionen und Pedi- palpen. Immerhin war die Konservierung so, dab man, wenn auch nicht immer, durch eine gelungene Schnittserie ein klares Bild von der Morphologie des Auges erhalten konnte. Wenn einzelne unter- geordnete Fragen, wie das genaue Verhalten der postretinalen Membran, nicht mit der gewünschten Präzision dargestellt werden Die Augen der Arachnoideen, 611 konnten, so liegt das an dem schlechten Krhaltungszustand, der die ohnedies schon komplizierten Verhältnisse noch mehr verschleierte, Auch stand mir gar kein embryologisches Material zur Verfügung, und ich mußte deshalb von vornherein darauf verzichten, die Onto- genese des Auges zu untersuchen, was auch wieder die Deutung der einzelnen Lagen bei dem erwachsenen Tiere erschwerte, Ganz zuletzt nach Abschluß der vorliegenden Arbeit hatte ich aber Gelegenheit, meine Beobachtungen an einer Querschnittserie durch eine gut fixierte Solpuga flavescens nachzuprüfen. Das Tier verdanke ich der Liebenswürdigkeit von Herrn Prof. H. B. Bux'ron, der die Tiere selbst gesammelt und in dem Pikrin-Formol-Kssig- gemisch nach Duposca fixiert hatte. Durch diese Nachprüfung wurden alle meine früheren Resultate bestätigt, und ich konnte meine Be- obachtungen über den Aufbau der Rhabdome, die Innerierung der Retinazellen und dann besonders die Beschreibung der rudimentären Seitenaugen vervollständigen. Ich möchte deshalb nicht versäumen, auch Herrn Prof. B. H. Buxton hier meinen besten Dank auszu- sprechen. Weil es mir bei meiner Arbeit vor allen Dingen darauf ankam, die Hauptaugen der Solifugen genau zu untersuchen, schnitt ich zu- nächst den weitaus größten Teil des mir zur Verfügung stehenden Materials in der für die Untersuchung der ausgebildeten Augen günstigsten Richtung, d.h. sagittal. Ks blieben mir deshalb für das Studium der rudimentären Seitenaugen nur wenige Schnitte übrig. Denn auf Längsschnitten werden die Seitenaugen in sehr ungünstiger Weise getroffen und müssen fast ausschließlich auf Querschnitten untersucht werden. Da ich aber nur je ein Exemplar von Daesia hottentotta, Solpuga flavescens und Solpuga venalor hatte, so mußte ich mich darauf beschränken, bei diesen die Verhältnisse der „vestigial eyes“ (Bernakp) nur an Längsschnitten zu studieren. Nun ist aber an der Stelle, an der diese rudimentären Gebilde sitzen, das Chitin sehr hart — weil in der Nähe die Gelenke der Beine und Palpen ansetzen —; infolgedessen war fast immer bei Solpuga venalor die ganze Partie herausgerissen. Solpuga flavescens lieh infolge schlechter Fixierung keine Seitenaugen erkennen. Es blieb mir also nur Daesia hottentotta, wo ich denn auch einige Klarheit über den feineren Bau dieser sehr stark rückgebildeten Organe zu gewinnen vermochte, Die hier gemachten Beobachtungen wurden dann an Solpuga flavescens bestätigt und ergänzt. Über den Bau der Augen liegen bis jetzt, außer den schon er- 612 LUDWIG SCHEURING, wähnten Angaben von Durour und BERNARD, keine speziellen Unter- suchungen vor; nur existiert von letzterem eine kleine Arbeit über „Lateral eyes in the Galeodida“. Alle anderen Bemerkungen, die sich in der Literatur zerstreut finden, beziehen sich auf die Stellung und Lage der Augen, gehen jedoch nicht auf ihre innere Struktur ein. Es lag zunächst der Gedanke nahe, für die Augen der Solifugen eine ähnliche Ausbildung zu erwarten wie bei denen der Phalangiden. Die Phalangiden ähneln in einzelnen Zügen ihres Baues etwas den Solifugen (Vorhandensein eines Tracheensystems, Segmentierung des Abdomens, Ausbildung der Kieferfühler und Maxillarpalpen) und sind neben diesen die einzigen Arachniden, die nur zwei deutliche Medianaugen besitzen. Um so mehr war ich überrascht, Verhältnisse vorzufinden, die ebenso weit von dem Bau des Phalangidenauges verschieden sind, wie sie sich von allen anderen bei Arachniden vorkommenden Augen- typen unterscheiden. Die Topographie der Augen der Solpugen ist sehr einfach und in allen Familien annähernd die gleiche. KRAEPELIN sagt hierzu (p. 4): „Seine Dorsal- fläche [die des Cephalo- hyp.--.. = / thorax] ist mehr oder m u fl: = ? weniger trapezformig | AT nach vorn verbreitert | und besitzt in der Mitte 22 rd 7 des Vorderrandes zwei / < einem Augenhügel lateral eingefügte Augen. Zuweilen ist dieser Augenhügel zwischen den Augen Fig. M. Schema für die Augenstellung der Solifugen. Nach vorn kegelformig Nach einem Präparat von Daesia. verlängert.“ Dadurch ist das Auge beiderseits von Chitin umschlossen (Textfig. M). Zwischen dem Augenbecher und der Cuticula bleibt nur ein dünnes mesodermales Polster. Was die Hauptsehrichtung der Augen anbetrifft, so ergibt sich schon aus der Textfigur, daß die Sehachse des Auges schief nach oben gerichtet ist. Doch will ich auf die Stellung der einzelnen Die Augen der Arachnoideen. 613 Augen sowie die Beziehungen ihrer Sehfelder usw. erst später ein- gehen. Von außen deutlich sichtbare Seitenaugen sind nicht vorhanden. BERNARD, der zum ersten Male Rudimente derselben fand, beschreibt ihre Lage und Aussehen folgendermaßen (p. 518); „The accessory eyes apparently, as in Scorpio, wandered off laterally, i. e. in the transverse plane, thus retaining their frontal position. But the enormous development of the mandibles, which is doubtless a secon- dary acquirement, together perhaps with the development of the curious foldings of the cuticule (to form the buttresses upon which the mandibles rotate), have led to the shifting of the eyes down, over the edge of the dorsal surface, on the lateral surface, so that they now look downwards and forwards (Textfig. B). In spirit-specimens the eyes themselves appear, when looked at with a pocket-lens or even with the naked eye, as whitish patches, which vary greatly in form and arrangement.“ Dieses Wechseln in Form und Anordnung betont er auch in seiner zweiten Arbeit (p. 344): „The most interesting point about these eyes is their extreme irregularity . . . .. These lateral eyes vary in size and shape, the anterior being sometimes long and elliptical, while the posterior ist small and round: sometimes they have run together to form a long narrow single eye.“ Völliges Verschwinden soll jedoch nie eintreten. Die Tiere, die ich unter dem Binokular auf ihre Seitenaugen untersuchte, ließen äußerlich nichts vom Vorhandensein dieser Ge- bilde erkennen. Zur Untersuchung der Augen?) dienten mir hauptsächlich Sagittal-, daneben aber auch noch Frontal- und Querschnitte und außerdem Macerationspräparate. Fast immer war es nötig, zu ent- pigmentieren. Das Pigment erwies sich hierbei gegen Salpetersäure ziemlich widerstandsfähig. Besonders auf dickeren Schnitten be- durfte es oft einer sehr langen Einwirkung. bis der Pigmentschleier dünner wurde. Da die Cutieula bei den Solifugen nicht so derb ist wie bei anderen Arachniden, so präparierte ich sie nicht erst vor dem Schneiden von dem Körper ab. Eingebettet wurde in Celloidin- Paraffin und dann mit schräg gestelltem Messer geschnitten. Es 1) Es sind hier, wenn ich kurzerhand nur von Augen spreche, immer die Hauptaugen gemeint. 614 Lupwic SCHEURING, wurden auf diese Weise lückenlose Serien 5—10 u erhalten. Für die Untersuchung der Augennerven und des Ganglium opticum ge- nügten 15 w dicke Schnitte. Die Augen der Solifugen zeigen einen mehrschichtigen Bau. Wir werden sehen, daß sich eine dieser Schichten in der Jugend anders zu verhalten scheint als im Alter. Es ist dies die für den Sehakt gar nicht oder nur als Tapetum (Scorpione und Pedipalpen) in Betracht kommende postretinale Zellenlage. Neben dieser sind Glaskérper und Retina stets vorhanden. Von auben zeigen die Augen der Solifugen deutlich eine kon- vexe Linse, die bei Spiritusmaterial häufig auf ihrer Oberfläche ge- runzelt erscheint. Auf Schnitten stellt sie eine fast- kuglige Ver- dickung der Cuticula dar, in die die drei Schichten der letzteren übergehen und sich verschieden stark an ihrem Aufbau beteiligen. Den geringsten Anteil hat die äußere Lamelle, die nur wenig verdickt sich vorwölbt. In weitaus größtem Maße beteiligt sich die mittlere Schicht an dem Zustandekommen der Linse. Aber auch die dritte stark färbbare Schicht trägt wesentlich dazu bei (Taf. 38 Fig. 4) Alle drei Schichten der Linse zeigen lamel- lierten Bau. BERNARD hatte die Verhältnisse der Linse schon insofern ganz richtig beurteilt, als er sagt (p. 346): „The lens is formed by a sudden thickening of the chitinous lamellae of the cuticle, and is thus itself laminate.“ Wenn er aber aus der starken Färbbarkeit derselben schließt „that these layers are largely protoplasmic or permeated with fluid in the interest of transparency“ so kann ich dies durchaus nicht bestätigen. Auch kommt nach meiner Ansicht die Runzelung der Linse nicht durch eine „abstraction of such fluid“ zustande, sondern erklärt sich aus der Schrumpfung der einzelnen Chitinlamellen, die in der Linse selbstverständlich viel voluminöser sind als in der Cuticula. Auch für die nun zu besprechenden zelligen Elemente des Auges nimmt BERNABD eine starke Durchflutung von Flüssigkeit an. Daher — nach ihm — die vielen Kanäle, die das Gewebe durchziehen. Ich konnte weder Kanäle noch Gerinnsel einer Flüssigkeit finden. Ich vermute vielmehr, daß Brernarp durch das Studium von stark maceriertem Material zu einer Ansicht kam. sei der Untersuchung der Weichteile des Auges fällt uns sofort die Kleinheit aller Elemente auf. Nach dem Text von Bernarp ist kein Glaskörper vorhanden. Doch Die Augen der Arachnoideen. 615 zeichnet er (tab. 31, fig. 19) unter der Linse eine dünne einschich- tige Zellenlage, die nichts anderes sein kann als ein ziemlich niederer Glaskörper, wie er auch tatsächlich vorhanden ist. Auch seine Be- schreibung läßt erkennen, daß man es hier bei seiner dünnen hypo- dermalen hellen Zellenreihe, die die Linse absondert, mit einem Glas- körper zu tun hat, nur belegt er diese Lage nicht mit dem Namen „Glaskörper“. „There is no developed vitreous body, the hypo- dermis cells being confined to a single thin layer of closely packed cells with large nuclei, separated from the distal ends of the retinal cells by a very thin membrane (p. 347).“ Weiter spricht er dann noch von „hypodermis-cells secreting the lens are naturally clear and free from pigment“. Diese Schilderung paßt fast Wort für Wort auf den Glaskörper, der eine direkte Fortsetzung der Hypodermis darstellt. Die Höhe seiner Zellen ist bei den verschiedenen Arten verschieden. Bei Ceromia sclateri ist der Glaskörper nicht viel dicker als die Hypo- dermis, während er bei Solpuga venator oder bei Galeodes fatalis dreimal so hoch wird wie diese. Die einzelnen Zellen unterscheiden sich von den gewöhnlichen Hypodermiszellen dadurch, dab ihre Kerne alle an das proximale Ende zu liegen kommen, runder und stärker färbbar als diese sind. Ihr Plasma wird gegenüber den Hypo- dermiszellen sehr stark reduziert und liegt in nennenswerter Menge nur noch in der Nähe der Kerne.” Rings um die Linse läuft ein starker Pigmentstreifen, die sog. Iris, die dadurch zustande kommt, dab die randständigen Glaskörperzellen einen starken Pigmentbelag erhalten. Aber nicht allein hier, sondern in den benachbarten Hypodermiszellen liegen Pigmentkörner. BERNARD schreibt hierzu p. 347: „In the angle between the globular lens and the cuticle from which it is developed a thick fold of pigmented hypodermis forms a kind of iris —..... In Galeodes it is a thick and very definite fold, arranged right round the retina “ Zwischen den Glaskérper und die Retina schiebt sich eine dünne kernlose Lamelle, diepräretinale Membrane (Fig. 3 u. 5). Diese hat dasselbe Aussehen, wie wir es von anderen Arachnoideen her gewöhnt sind. Sie setzt sich auch hier wie dort aus zwei ge- trennten Lamellen zusammen, von denen die distale als Basalmembran des Glaskörpers aufzufassen ist und infolge davon mit der hypo- dermalen Basalmembran iin direkter Verbindung steht, die andere aber die Frontalmembran der Retinazellen darstellt und in die später 616 Lupwic SCHEURING, zu besprechende postretinale Membran übergeht (siehe Scorpo- niden). Die Feststellung, ob man es hier mit zwei Lamellen zu tun hat, ist sowohl durch die Kleinheit der einzelnen Elemente des Auges als auch durch die Feinheit der Membran selbst sehr erschwert. Nur an einigen Stellen, wo durch Druck oder durch Zerreißen beim Schneiden beide Lamellen auseinander gezerrt waren, konnten die wirklichen Verhältnisse klar erkannt werden.!) Kerne konnte ich, wie schon erwähnt, innerhalb der Membran nicht finden. Stimmten soweit die Verhältnisse des dioptrischen Apparats der Solifugenaugen mit anderen Arachnidenaugen überein, so zeigen sich in den recipierenden und leitenden Elementen gegenüber diesen grobe Unterschiede. Betrachtet man einen Längs- oder Querschnitt (Fig. 3) durch ein Solifugenauge, so fällt zunächst das direkt unter diesem liegende Nervenpolster auf, das an das Ganglion opticum der Insecten er- innert. Nervöse Elemente liegen direkt unter den Retinazellen. Eine trennende Schicht konnte ich bei dem erwachsenen Tier nie finden; aber auch bei jüngeren Exemplaren erscheint mir das Vor- handensein einer solchen fraglich. Wenden wir uns zunächst der eigentlichen Retina zu. Sie wird aus nur einer Art Zellen zusammengesetzt. Von Pigmentzellen konnte ich im Gegensatz zu BERNARD nichts sehen. Dieser spricht, durch einen dicken Pigmentbelag im Auge dazu verleitet, von „retinal-cells“ und „pigment-cells“. Von den ersteren findet er die Kerne in der Pigmentlage: „A short way below the commencement of the pigment- layer is found a zone of large nuclei, which are apparently the nuclei of the retinal-cells“. Von den „pigment-cells“ kann er aber, wie schon S. 610 erwähnt, die Kerne nicht mit Bestimmtheit nach- weisen. Die Retinazellen haben schwach zugespitzte Keulenform. In ihrem dickeren proximalen Ende liegt der ziemlich runde Kern, der regelmäbig einen starken Nucleolus zeigt. Die keuligen Enden der Zellen sind nicht abgerundet, sondern durch den Druck der benach- barten Zellen unregelmäßig deformiert und ausgezogen. Die Länge der einzelnen Zellen ist nicht dieselbe, sondern an kürzeren drängen 1) Schließlich konnte ich aber 2 Lamellen an dem BuxTon’schen Material einwandfrei feststellen. Die Augen der Arachnoideen. 617 sich längere in schwacher Windung vorbei. Dabei werden die Zellen gegenseitig abgeflacht und gewähren auf einem Flächenschnitt so- wohl in der rhabdomfreien wie auch in der rhabdomtragenden Partie ein wabiges Bild. Die Retinazellen sind an der Peripherie des Augenbechers etwas länger als in der Mitte und am Rande leicht gegen die Tiefe des Augenbechers zu umgeknickt, wie dies BERNARD in fig. 8, tab. 31 zeichnet und p. 846 erwähnt. Doch sind diese Verhältnisse schwankend und nicht bei allen Arten gleich ausgesprochen zu be- obachten. Von einer Retinulabildung wie bei Phalangiden, Scorpioniden oder Pedipalpen ist nichts zu beobachten. ‚Jede einzelne Zelle bildet distal ein peripheres, rührenfürmiges Rhabdom aus, das infolge des gegenseitigen Druckes das oben beschriebene polygonale Aussehen erhält. Die Rhabdome benachbarter Zellen scheinen, bei schwacher Vergrößerung betrachtet, miteinander zu verschmelzen. Doch ist bei Anwendung starker Systeme eine feine helle Trennungszone zwischen zwei nebeneinander liegenden Rhabdomen zu konstatieren (Ver- hältnisse, wie sie uns später auch bei einigen echten Spinnen be- gegnen werden). Manchmal ist auf Flächenschnitten zu beobachten, wie sich um etwas dunklere Zellen hellere gruppieren (Fig. 6). Da man alle möglichen Übergänge findet und da sich auch hin- und wieder Zer- reißungen zeigten, so glaube ich nicht, daß man es hier mit einer bestimmten Anordnung zu tun hat, und bin eher geneigt anzunehmen, daß durch Spannungsunterschiede beim Fixieren ein derartiges eigen- tümliches Kunstprodukt entstanden ist. Über die feinere Struktur der Rhabdome gaben mir einige Querschnitte durch Solpuga flavescens genügenden Aufschluß. Bei dem weniger gut fixierten Alkoholmaterial erschienen die Stäbchen ohne weitere Struktureinzelheiten, dagegen lieb sich bei der ge- nannten Serie schon bei schwächerer Vergrößerung ein geblätterter Aufbau erkennen, der lebhaft an das Aussehen eines Lattenzaunes erinnerte. Bei genauer Betrachtung mit den stärksten Systemen ließ sich eine Struktur erkennen, wie sie in Fig. 2 dargestellt ist. In den dunkleren Plättchen vermute ich Nervenendplatten. Eine direkte Verbindung der dunkleren Striche mit Nervenfibrillen konnte ich jedoch nicht finden. Die Rhabdomregion erstreckt sich distal bis dicht an die prä- retinale Membran. Sie nimmt !/, der ganzen Zellänge ein. Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 40 618 LupwiG SCHEURING, In der proximalen Verdickung um den Kern herum ist das Plasma grobkörniger und stärker färbbar als in dem mittleren fibril- lären Stück. Der distale rhabdomtragende Teil ist wieder etwas stärker tingierbar. Das Plasma zeigt hier ganz fein fibrilläre Struktur. Die Nervenfasern ziehen aus dem Ganglion opticum einzeln und in kleinen Bündeln zu den Retinazellen und dringen proximal in das schwach zugespitzte keulige Ende derselben ein. Den Verlauf der Nervenfasern innerhalb der Retinazelle, ebenso die Anzahl der in sie eindringenden Nervenfasern festzustellen ist mir nicht ge- lungen. Diese Feststellung ist durch die fibrilläre Struktur des Plasmas sehr erschwert. Bei Ceromia sclateri fand ich auf einigen (aber nur wenigen) Schnitten in den Retinazellen Gebilde, die ähnliche Färbbarkeit zeigten wie die Phaosphären der Scorpioniden und die vielleicht als solche angesprochen werden können. Wir haben schon bei der Besprechung des Glaskörpers gesehen, daß sich ein starker Pigmentring um die Linse herumzieht. Aber nicht allein in der Iris liegt Pigment, sondern auch alle Retina- zellen tragen in ihrem proximalen Ende einen dichten Belag von dunklen Granula. Die Farbe derselben wechselt je nach der Dichte ihrer Anhäufung von einem matten, lichten bis zu einem dunklen, satten Braun. Ein Unterschied bei auffallendem und durchfallendem Licht konnte nicht beobachtet werden. An den beiden Seiten des Augenbechers ist das Pigment stärker, doch erstreckt es sich nur sehr wenig proximal und umkleidet den unter dem Auge gelegenen Nervenkomplex schon nicht mehr. Bei den Hauptaugen der Scorpioniden und Pedipalpen folgt auf die retinale Schicht eine Postretina. Wie diese Verhältnisse bei den Solifugen sind, kann ich nicht mit absoluter Sicherheit ent- scheiden. Auf jeden Fall scheint mir soviel sicher zu sein, daß eine postretinale Membran mit eigener Matrix streckenweise vorhanden ist; wenigstens konnte ich dies an der Seite des Auges feststellen. Diese seitliche Membran geht in die präretinale über. Aber ihre Beziehung zu der Nervenscheide, mit der sie auch in direkter Ver- bindung steht, konnte ich nicht einwandsfrei entscheiden, besonders da mir jedes jüngere entwicklungsgeschichtliche Material fehlte (Fig. 3 u. 8). Nach BERNARD ist „the whole of the soft parts of the eye... enclosed in a well-developed connective-tissue membrane which Die Augen der Arachnoideen. 619 stretches across below the ocular tubercle“. In welchem Verhältnis diese Bindegewebsmembran jedoch zu der Hypodermis, dem Glas- körper und der Nervenscheide steht, wird nicht erläutert und ist auch aus den Figuren nicht ersichtlich. An der unteren Seite soll durch sie der Nerv eintreten und sofort zu einer Ganglienmasse an- schwellen. Immer liegen nach meinen Befunden die Verhältnisse bei jungen Tieren anders als bei alten. Hier ist an der Seite und zwischen den Retinae der beiden Augen — denn diese liegen bei jungen Tieren nahe beieinander — eine deutliche Scheide ausgebildet, die das Produkt einer distal von dieser gelegenen Zellenlage ist. Auch bei alten Tieren läßt sie sich erkennen, wenn auch viel schwerer, weil sich hier die Kerne fest der Membran anlegen. Eine Zellkernreihe schiebt sich bei jungen Tieren stellenweise zwischen die Retina und das auf diese folgende Ganglion. Die Kerne sind kleiner, flacher und stärker färbbar als die Retinazell- kerne und die Ganglienzellkerne. Unmittelbar unter ihnen zieht sich eine fibrilläre Lamelle hin (Fig. 3, 8 u. 9). Doch konnte ich infolge des schlechten Erhaltungszustandes des Präparats (von Daesia hotten- totta) nicht genau entscheiden, ob man es hier mit einer Anzahl nebeneinander liegender Nervenfibrillen zu tun hat oder mit einer Membran. Doch möchte ich eher das letztere annehmen. Bei alten Tieren dagegen ist zwischen Retina und Ganglion nie eine dritte Art von Kernen zu finden. Ich bin deshalb geneigt anzunehmen, daß ebenso wie bei den Hauptaugen der Scorpione, Pedipalpen und Phalangiden eine Postretina angelegt wird, die eine postretinale Membran ausbildet. Dadurch aber, daß das Ganglion fest an das Auge heranrückt, hat die Membran ihre Bedeutung als Schutz der Retina verloren und wird an den Stellen, wo sie mit dieser in so enge Berührung tritt, d. h. in der Mitte, resorbiert. An den Seiten dagegen wird sie erhalten, und zwischen sie und die recipierenden Zellen schiebt sich eine Nervenfaserschicht, die noch Ganglienzellen enthält, die aber lange nicht die Mächtigkeit erreicht wie direkt unter dem Auge. Das Aussehen der seitlichen Postretina ähnelt am meisten der der Phalangiden, d. h. sie besteht aus einer sehr dünnen einschich- tigen Zellenlage mit flachen Kernen (siehe PURCELL, p. 35). Immer setzt sich diese „perineurale Membran“ in die Nervenscheide fort. Diese wird ausschließlich von mesodermalen Zellen abgeschieden. 40* 620 LUDWIG SCHEURING. a Mesodermale Elemente legen sich auch an die seitliche postretinale Lamelle des Solifugenauges an und helfen diese verstärken. Sowohl bei jungen als auch bei alten Tieren bleiben die post- retinalen Membranen der beiden Augen getrennt; eine Fusion der- selben, wie sie bei einigen Scorpionen, Pedipalpen und Phalangiden im Alter erfolgt, findet nicht statt. Im Gegenteil, im Alter, rücken die Augen und mit ihnen die Membranen weiter auseinander, und der Zwischenraum zwischen beiden wird durch mesodermales Füll- gewebe und Blutlacunen ausgefüllt. Schon BERNARD beschreibt um das Auge herum schwammiges mesodermales Gewebe und Blut- zellen. Bei der Untersuchung des Ganglions machte sich besonders un- liebsam der Mangel von embryologischem Material geltend. Ich konnte deshalb nicht die ontogenetischen Beziehungen zwischen Auge und Ganglion feststellen und blieb besonders über die Frage im Unklaren, ob das Ganglion eine selbständige Neubildung dar- stellt oder ein ausgezogener Gehirnteil ist. Direkt unter der Retina liegt, diese umfassend, ein fibro-ganglio- näres Lager, das seine größte Dicke in der Mitte erreicht. Die Kerne der darin liegenden Ganglienzellen ähneln denen der Retinazellen in Gestalt sehr, sind aber etwas stärker färbbar. Die Nervenfasern bilden größtenteils ein unregelmäßiges Gewirr, das sich nur seitlich parallel zu der Nervenscheide und direkt hinter den Retinazellen parallel zu deren hinteren Fläche ordnet. Hier drängen sich die Fasern zwischen die rhabdomtragenden Zellen und dringen distal vom Kern, unmittelbar neben diesem, in den Zell- körper ein. Ihr weiterer Verlauf und ihre Anzahl konnte infolge der fibrillären Struktur des mittleren Teiles die Retinazellen nicht sicher festgestellt werden. Doch ist nach einigen Bildern zu ver- muten, daß sich die Fasern in der Mitte der Zelle entlang ziehen, um ihre Fibrillen zu den Rhabdomen zu entsenden. Auf das fibro-ganglionäre Lager folgt ein rein fibrilläres, das aus den Fasern, die aus dem ersteren austreten, gebildet wird. In seiner Größe bleibt es weit hinter jenem zurück. Aber nicht alle Fasern, die die Ganglienzellen aussenden, passieren das fibrilläre Lager, sondern ein Teil zieht seitlich vorbei (Fig. 5). Nachdem die Fibrillen dieses Lager durchsetzt haben, teilen sie sich in einem nun folgenden fibro-ganglionären Bezirk wieder auf. Die Ganglienzellkerne dieses Teils ähneln denen des ersteren in dem distalen Bezirk; weiter proximal werden sie länglicher und Die Augen der Arachnoideen. 621 Fig. N. u. O. Querschnitte durch das Gehirn von Solpuga flavescens. 10 x. Hämatoxylin nach Bönmer (Hansen). 30:1. 622 LupwiG SCHEURING, nehmen auch an Häufigkeit ab, um allmählich die Gestalt der Nervenzellkerne anzunehmen. Denn diese ganze fibro-ganglionäre Masse geht langsam in den Nervus opticus über (Fig. 3). Dieser senkt sich in ziemlich stumpfem Winkel nach unten und strahlt in 2 Wurzeln in das Gehirn ein (Textfig. N). Der Teil, in den er einmündet, gehört dem Lobus cerebralis an und besteht aus dichter fibrillärer Masse. Unmittelbar unter und etwas hinter der Einmündungsstelle des Nervus opticus sind die beiden Hälften des Lobus cerebralis durch eine starke Com- missur miteinander verbunden. Doch ist diese Verbindung keine direkte Fortsetzung der Fibrillen des Augennerven, sondern diese haben sich schon vorher unregelmäßig aufgeteilt (Textfig. O). An das Auge tritt eine ziemlich starke Trachee, die sich um den Augenbecher in feineren Ästen herumlegt (Textfig. M). Sehen wir uns jetzt die Stellung der Augen an, um ihre Haupt- sehrichtung und deren gegenseitige Beziehungen festzustellen. BER- NARD fand, daß bei Galeodes die Sehachsen der beiden Augen un- gefähr senkrecht aufeinander stehen und im wesentlichen nach der Seite gerichtet sind und daß bei Rhax die Augenachsen einen weniger kleinen Winkel bilden und etwas mehr nach oben sehen (p. 346). Nach meinen Beobachtungen und Messungen ist die Stellung der Augen derart, daß ihre Sehfelder sich nicht wesentlich über- kreuzen (Fig. 1 u.2). Die Sehlinie ist seitlich und nach oben gerichtet. Direkt nach vorn auf die Cheliceren reicht der Wirkungskreis der Augen nicht; hier scheint das Tier beim Ergreifen der Beute nur auf sein Tastgefühl angewiesen zu sein. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb sowohl auf den Palpen als auch auf den Cheliceren eine so außerordentliche Menge von Tasthaaren steht. Aus den Figg. 1 und 2 ist die Ausdehnung der Sehfelder von Galeodes flavescens deutlich zu erkennen. Nur der Sehraum nach der Seite ist ziemlich groß. Direkt nach vorn und nach hinten können keine optischen Wahrnehmungen gemacht werden. Diesem schein- baren Mangel wird dadurch abgeholfen, daß das Tier nach Durour imstande ist, die drei vorderen verschmolzenen Thoraxsegmente, auf denen die Augen sitzen, stark zu heben und zu senken und auch nach links und rechts zu drehen. Durour kommt p.348 zu dem Schluß, daß die Augen der Soli- fugen weitsichtig seien. Da mir aber seine Ausführungen nicht absolut zwingend erscheinen, sehe ich davon ab, sie hier zu zitieren. Und da ich weiter aus Mangel an lebenden Tieren keine Gelegen- Die Augen der Arachnoideen. 623 heit hatte, Beobachtungen und Versuche über die Sehschärfe und Sehweite anzustellen, verzichte ich hier darauf, irgendwelche Be- trachtungen darüber anzustellen. Inwieweit die Augen der Solifugen mit denen anderer Arach- niden in Beziehungen gebracht werden dürfen, läßt sich nicht sicher entscheiden. Vielleicht könnte die Untersuchung der Ontogenese hier wertvolle Anhaltspunkte schaffen. Seitenaugen. Meine Resultate stützen sich, wie ich schon zu Anfang sagte, nur auf je eine Querschnittserie von Daesia hottentotta und Solpuga flavescens. Doch glaube ich, daß sie dennoch genügen, um ein Bild dieser stark rückgebildeten Lichtsinnesorgane zu geben und den Gang der Rückbildung deutlich erkennen zu lassen. Diese Degene- Fig. P. Vorderende von Rhax melana Orrv nach BERNARD (geändert). ration läßt vermuten, daß die Solifugen, ähnlich wie die Scorpione und Pedipalpen, von Formen abstammen, die eine größere Anzahl Seitenaugen besaßen. Die Reduktion der Zahl ist auch jetzt noch innerhalb der Solpugen zu verfolgen, da diese zum Teil zwei, zum Teil nur noch ein Seitenauge jederseits besitzen (BERNARD, p- 518). Die Lage der Seitenaugen habe ich S. 643 schon besprochen. Der innere Bau ist ähnlich dem der Hauptaugen; wenigstens trifft dies für die Zusammensetzung aus 3 Hauptlagen, nämlich dem Glas- körper, der Retina und einem fibrillären Komplex, zu. Das Aus- sehen der einzelnen Teile dieser Schichten differiert jedoch von dem der Hauptaugen und zeigt vor allem durchweg Spuren einer weit- gehenden Degeneration. Am auffallendsten macht sich diese bei der Linse geltend. „The lens has entirely atrophied, and the eyes are inserted into pits on 624 LupwiG SCHEURING, the inner side of a thick cuticula“ (BERNARD, p. 347). Bei Daesia hottentotta läßt sich die letzte Spur einer einstmaligen Linse als eine kleine kaum wahrnehmbare Verdickung noch erkennen. Bei Solpuga flavescens findet sich wohl über dem Auge eine ver- dickte Stelle der Cuticula, aber diese ist von außen durchaus nicht zu erkennen, weder durch eine Konvexität noch durch größere Durchsichtigkeit. Ich glaube daher, besonders da auch auf Schnitten kein Unterschied in der Färbbarkeit gegenüber der gewöhnlichen Cuticula zu konstatieren ist, daß die Verdickung nur eine Ver- stärkung des an dieser Stelle stark geknickten Chitins darstellt (Textfig. P) und gar nichts mit dem Auge zu tun hat. Ebensowenig wie die Cuticula ist deren Matrix irgendwie ver- ändert. Auf ihrer ganzen Ausdehnung sind kleine Pigmentkörner in sie eingestreut, die auch nicht an der Stelle, an der die Retina liegt, aussetzen (Fig. 10). Diese ist von der Hypodermis durch deren Basalmembran ge- trennt. Nach BERNARD ist ihre Gestalt häufig unregelmäßig. Bei Daesia und auch bei Solpuga zeigte sie auf medianen Schnitten eine halbkuglige bis elliptische Begrenzung. In ihr liegt nur eine Art von Zellen, die alle einen reichlichen Pigmentschleim besitzen. Die Gestalt der einzelnen Zellen ist keulenförmig. Das dickere Ende liegt proximal. In diesem ruht ein runder Kern, der ähnliche Färb- barkeit hat wie die Retinazellkerne der Hauptaugen. Das Plasma der Zellen ist ziemlich grobkörnig. Nach vorn wird der Pigment- belag dünner, und hier sind noch wenige Rhabdome ausgebildet, die ähnlich zustandekommen wie bei den Hauptaugen. Gerade diese Gebilde zeigen typische Rudimentationserscheinungen. Einmal bilden nicht mehr alle Zellen Stäbchen aus, sondern diese Fähigkeit scheint nur den mittleren erhalten geblieben zu sein; dann sind diese Ge- bilde selbst nicht mehr scharf von dem in dieser Partie sich dunkler färbenden Plasma abgegrenzt; die lattenzaunartige Struktur wie bei den Stäbchen der Hauptaugen konnte ich hier nicht beobachten. Auf die Retinazellen folgt eine fibrilläre Lage, deren Fasern aus einem weiter proximal liegenden Ganglion kommen. Zwischen beide schiebt sich jedoch eine Membran, die streckenweise deutlich zu erkennen ist. Doch kann ich nicht sagen, ob diese Lamelle die >asalmembran einer Postretina ist oder ein rein mesodermales Pro- dukt. Es lassen sich an ihr Bindegewebskerne unterscheiden, wäh- rend innerhalb der Lamelle keine Kerne zu finden waren. Das Ganglion besteht im wesentlichen aus einem ziemlich Die Augen der Arachnoideen. 625 lockeren fibrillären zentralen Teil, um den Ganglienzellen herum- liegen. Den Verlauf des aus ihm proximal austretenden Nerven zum Gehirn konnte ich nicht feststellen. Können wir dem beschriebenen Organ noch Lichtsinnesfunktion zuschreiben? Dafür, daß es noch Lichtreize zu recipieren imstande ist, spricht der große nervöse Apparat, mit dem es in so enger Verbindung steht. Dagegen spricht, daß die Hypodermis durchweg pigmentiert sich vor den Retinazellen hinzieht und daß in diesen Zellen selbst eine Reduzierung der recipierenden Elemente einge- treten ist. Außerdem ist auch zu beachten, dab das unter dem Auge liegende Ganglion, entgegen dem Verhalten, das es bei anderen Arthropoden immer aufweist, ein lockeres Gefüge besitzt. Vielleicht darf auch dies als eine Degenerationserscheinung betrachtet werden. Da mir selbst zu wenig Material zur Verfügung stand, um Ver- gleiche zwischen verschiedenen Arten anzustellen, will ich hier darauf verzichten, meinen Standpunkt in irgendeiner Art festzu- legen. Mir scheint nur so viel sicher zu sein, daß bei dem Mangel einer eigentlichen Linse eine Bildentstehung nicht mehr zustande kommen kann und daß höchstens noch an ein Richtungssehen ge- dacht werden darf. Literaturverzeichnis. BERNARD, H. M., 1894, Lateral eyes in the Galeodidae, in: Ann. Mag. nat. Hist. (6), Vol. 13, p. 517—520 und 3 Textfigg. —, 1895, The comparative morphology of the Galeodidae, in: Trans. Linn. Soc. London (2), Vol. 6, 1894— 1897, p. 305—415, tab. 27—34. Durour, L., 1862, Anatomie, physiologie et histoire naturelle des Galéodes, in: Mém. Acad. Sc. Paris, Vol. 17, p. 338—446. HEYMONS, R., 1902, Biologische Beobachtungen an asiatischen Solifugen nebst Beiträgen zur Systematik derselben, in: Anhang Abh. Akad. Wiss. Berlin v. Jahre 1901, p. 1— 65. KRAEPELIN, K., 1901, Palpigradi und Solifugae, in: Tierreich, Lief. 12, p- 1—159 und 118 Textfigg. PURCELL, F., 1894, Uber den Bau der Phalangidenaugen, in: Z. wiss. Zool., Vol. 58, p. 1—54, tab. 1—2. IV. Die Augen der Pseudoscorpioniden. (Taf. 39.) Noch diirftiger als unsere Kenntnis der Augen der Solifugen ist unser Wissen iiber die Lichtsinnesorgane der Pseudoscorpio- 626 Lupwie ScHEURING, niden. Waren dort in der Literatur doch wenigstens einige wenige Angaben über die Bildung und den Bau der Augen zu finden, so lassen uns hier in diesem Punkte die embryologischen Arbeiten völlig im Dunkeln. Denn die Untersuchungen von METSCHNIKOFF und Barroıs über die Entwicklungsgeschichte von Chelifer be- schäftigen sich nicht mit der Ontogenese der Augen. Nur in der Arbeit von BERNARD, „On the Chernetidae“, sind den Augen von Obisium zwei Absätze gewidmet. Die Tatsache, daß wir keine spezielle Untersuchung über die Augen der Pseudoscorpioniden besitzen, hat wohl ihren Grund in der außerordentlichen Kleinheit dieser Organe und in dem vari- ierenden Auftreten derselben. Letzteres benutzt PICKARD-CAMBRIDGE in seiner „Monograph of the British Species of Chernetidae“ zu einer Trennung der Pseudoscorpione in 3 Gruppen: 1. solche mit 4 Augen (Chthonius und Obisium). 2. x APE APRES. (Roncus und Chelifer). 3 À ON ake (Chernes und Chiridium). Der systematische Wert des Vorkommens und der Anzahl der Augen wird von Sımon lebhaft bestritten. Ohne auf die Gründe für und wider hier näher einzugehen, wollen wir hier die Einteilung von PrckARD-CAMBRIDGE adoptieren, weil sie für unsere Zwecke die passendste ist. Doch will ich gleich von vornherein feststellen, daß die 3 Gruppen keine exakte Trennung von augenlosen Arten und solchen mit Augen ermöglichen lassen. Denn die Untersuchung von Chelifer cermanicus zeigte, dab bei diesem Tiere an der Stelle der beiden Augen noch helle Flecken in dem dunkleren Chitin vorhanden sind, daß aber keine Spur einer Linsen- bildung zu beobachten ist und daß die Hypodermis unverändert auch unter der helleren Zone hinläuft. Die Untersuchung der Augen der Pseudoscorpioniden ist durch die Kleinheit dieser Gebilde sehr erschwert. Es ist nötig, ganz dünne Schnitte anzufertigen. (Schnitte über 5 « Dicke sind meist unbrauchbar.) Ihre Herstellung erfordert äußerste Sorgfalt. Denn obgleich das Chitin hier nicht von der Härte ist wie bei anderen Arachnoideen, so neigt es doch gerade in den vorderen Regionen, in denen die Augen liegen, infolge der dort ansitzenden ziemlich kräftigen Cheliceren und Pedipalpen zu Zersplitterungen und Zer- reißungen, denen dann fast immer die Augen zum Opfer fallen. Die Methode, das Chitin vor dem Schneiden abzusprengen, führte hier nicht zum Ziel. Am besten erwies sich die Einbettung in Celloidin- Die Augen der Arachnoideen. 627 Paraffin und Schneiden mit schräggestelltem Messer. Doch geht es auch dann nicht ohne gelegentliche Zerreißungen ab. Die Färbungen waren dieselben wie früher. Ich war in der angenehmen Lage, Vertreter der 3 erwähnten Gruppen untersuchen zu können. Obisium muscorum, Chelifer can- croides und Ch. cermanicus verdanke ich wieder der Freundlichkeit von Herrn Prof. Dr. KRAEPELIN, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen will. 2 weitere Exemplare von Obisium sp. erhielt ich durch meinen Freund Herrn Dr. Lupwie Nick aus den reichen Sammlungen des Senckenbergischen Naturhistorischen Museums zu Frankfurt. Auch ihm sei hier bestens gedankt. Chelifer degeeri sammelte ich in Bienenkasten, und Chernes cimmoides fand sich in der hiesigen Institutssammlung. Mit Ausnahme der von mir gesammelten Tiere waren alle in Alkohol konserviert. Doch war ihr Erhaltungszustand im großen und ganzen befriedigend. Die beiden Exemplare von Obisium waren sogar von einer ganz vorzüglichen Beschaffenheit. Chelifer degeeri fixierte ich in Alkohol-Formol-Eisessig und in Pikrinsalpetersäure, beides mit gutem Erfolge. Die Untersuchung zeigt, daß die Formen mit 4 Augen auch die am besten ausgebildeten Augen besitzen. Ich möchte deshalb an- nehmen, daß der Augentypus von Obisium und Chthonius über Chelifer und Roncus zu Chernes und Chiridium eine Rudimentation erfahren hat, womit jedoch nicht gesagt werden soll, dab die 4äugigen und 2äugigen als die Stammformen der augenlosen anzusehen seien. Die Ausbildung der Augen der Pseudoscorpioniden, wenigstens in der höchsten Vollkommenheit, ähnelt in sehr vielem dem Bau der Seitenaugen der Pedipalpen. Die Augen von Obisium heben sich von außen von dem dunklen Körperintegument als zwei helle konvexe Stellen ab. BERNARD, der sie als erster und einziger untersuchte, gibt p. 426 eine Beschreibung und in fig. 65, tab. 32 eine Abbildung derselben. Beide treffen im großen und ganzen das richtige. „The lenses were not very compact, the layers of chitin showing in section a loose lamination which, if not due to the action of alcohol, must detract from dioptric efficency.“ Es erübrigt nur noch hinzuzufügen, daß die Gestalt der Linse eine plan- bis konvexkonkave ist. Die ziemlich dicke Cuticula wölbt sich über dem Auge etwas vor, wobei sie aber nur wenig anschwillt. Ihre distale, am übrigen Körper gelbbraune Lamelle wird farblos und wesentlich dünner; die proximale bleibt 628 Lupwie SCHEURING, an Dicke gleich, und die mittlere bestreitet hauptsächlich die Volum- vergrößerung (Fig. 1 u. 2, Taf. 39). Unter der Linse zieht die Hypodermis in ziemlich unveränderter Ausbildung hin. Die einzelnen Zellen werden nur um ein geringes höher und etwas plasmaärmer (Fig. 1 u. 2). Der Kern dieser „Glas- körperzellen“ übertrifft den der anderen Hypodermiszellen nur um ein geringes. BERNARD hatte diese Schicht bereits gesehen. .The cells secreting the lens form a very distinct layer. the vitreous body.“ Zwischen dem Glaskörper und den Retinazellen zieht bei Obisium eine Lamelle, die sich zu der Basalmembran der Hypodermis und zu der postretinalen Membran genau so verhält wie dort die präretinale Membran bei den anderen Arachniden, deren Auge ein Glaskörper besitzt. Überall ist diese präretinale Membran doppelt. Zweifels- ohne besteht sie auch bei Obisium aus zwei Lamellen, obgleich ich dies infolge der Kleinheit der Elemente nicht genau entscheiden konnte. Von der nun folgenden Retina sagt BERNARD: „The retinal cells were very large and seemed to be continued into rods, the distal ends of which were embedded in the pigment-cells forming the cup. I could not find out the connection between the nerve and these inverted retina cells.“ Die Retinazellen sind gegenüber den übrigen histologischen Elementen des Obisium-Körpers wahre Riesenzellen (Fig. 1 u. 2). Die Anzahl derselben ist gering und dürfte die Zahl 20 wohl kaum über- schreiten. Ihre Gestalt ist keulenförmig, wobei das dicke Ende distal liegt. In diesem ruht der große, ovale bis runde Kern. Er ist ziemlich chromatinreich und weist neben kleineren randlichen Nucleoli einen deutlichen zentralen Kernkörper auf. In dem zu- gespitzten proximalen Teile der Retinazellen werden an den gegen- seitigen Berührungsflächen derselben Rhabdome ausgebildet. Ihre feinere Struktur ist aus Fig. 1 zu ersehen. Sie liegen am Rande der Zellen und heben sich in einem von ihnen nach dem Zellinnern liegenden hellen Hofe deutlich ab. Die Trennungslinie zweier einander anliegender Rhabdome tritt scharf hervor, -da sich das Stäbchen an der Berührungsstelle schwächer färbt als an seinem inneren Rande. Ein Stiftchensaum ist nicht deutlich zu erkennen. Die Längsseiten der äußeren Retinazellen, die dem Tapetum anliegen, bilden keine Rhabdome aus. Die Augen der Arachnoideen. 629 Das Plasma der Retinazellen zeigt in der Nähe des Kernes und auch etwas in der Mitte körnige Struktur, während sonst die fibril- läre Ausbildung vorherrscht. Der Verlauf der Nervenfasern in der Zelle ist nicht zu erkennen. Die Nervenfasern stammen von dem Nervus opticus, der von vorn seitlich direkt unter der Hypodermis an die Augen heranzieht, sich teilt, in das Auge eindringt und seine einzelnen Nervenfasern, immer mehrere in eine Zelle, zu den recipi- renden Elementen schickt. Die Fasern treten in die Retinazellen in der Höhe des Kernes ein (Fig. 2). Was die Ganglia optica betrifft, so konnte ich hier nicht mit absoluter Sicherheit entscheiden, wie die Verhältnisse liegen. Es scheint mir, daß der Lobulus opticus superior, der bei den anderen Arachnoideen (z.B. Scorpione und Araneen) die Hauptaugen mit Nerven versorgt, hier bis auf zwei kleine fibro-ganglionäre Komplexe medio dorsal auf den Lobus cerebralis rückgebildet ist, eine Erscheinung, wie wir sie durch die Untersuchungen von SAINT-Remy bei Segestria perfida (p. 186) kennen, wo die Hauptaugen fehlen und daher auch nur ein Lobulus inferior ausgebildet ist. Die Nerven für die zwei Paar Augen, die bei Obisium vorhanden sind, entspringen latero- dorsal an dem vorderen Ende des Gehirns, also an der dem Lobulus opticus inferior entsprechenden Stelle Für jede Seite wird ein Nerv abgegeben, der beide Augen innerviert. Nach hinten folgt auf die Retina ein sehr stark ausgebildetes Tapetum. Dieses kommt an Volumen mindestens dem übrigen Auge gleich. Es besteht aus einer fibrillären Lage, in der die ein- zelnen Fasern konzentrisch gegen den Augenbecher geschichtet sind (Fig.1u.2). Im durchfallenden Lichte heben sich die einzelnen Fibrillen deutlich gegeneinander ab und glänzen in einem hellen Gelb; bei auffallendem dagegen verschwindet die fibrilläre Struktur, und die ganze Lage leuchtet in einem einheitlichen, sehr intensiven Silber- blau. Kerne liegen nur an der Seite, in der Nähe der Hypodermis. Sie erscheinen flach gedrückt und chromatinreich. Nach hinten bildet das Tapetum eine kräftige Membran aus, die durch spärliche Bindegewebszellen verstärkt sind. Vorn seitlich geht diese postretinale Membran in die Basalmembran der Hypodermis über. Weitere Anhaltspunkte über die Art und Weise, wie sich das Tapetum seiner Entstehung nach zu der Hypodermis verhält, konnte ich nicht gewinnen. Da mir jegliches embryonale Material fehlte, muß ich darauf verzichten, etwas über die ontogene- tischen Beziehungen der einzelnen Lagen des Auges zu äubern. 630 LunwiG SCHEURING, Auffallend ist die Tatsache, daß das Auge von Obisium jeglichen Pigments entbehrt, ein Umstand, der seine Begründung in der Lebensweise der Tiere haben mag. Obisium lebt wie alle Pseudo- scorpioniden an Orten mit diffuser Beleuchtung oder gar in ständiger Dämmerung. Das erklärt sowohl den Mangel eines Lichtschutzes, d.h. von Pigment, als auch die starke Ausbildung eines Licht- reflektors, des Tapetums. An ein Bildsehen darf wohl bei der mangelhaften Isolation der einzelnen Rhabdome — Fehlen von Pig- ment und unscharfe Abgrenzung der Rhabdome — kaum gedacht werden. Die Funktion dieser Augen ist mit einem Richtungssehen jedenfalls erschöpft. Chelifer degeeri und Ch cancroides. Die Gattung Chelifer hat, wie anfangs erwähnt, nur zwei Augen. Schon äußerlich unterscheiden sich diese von den Augen von Obisium dadurch, daß ihr Glanz dem jener um ein Beträchtliches nachsteht. Auf Schnitten tritt die Ursache davon klar zutage. Es fehlt jegliches Tapetum (Fig.3u.4). Die Lage, die dort die Hälfte des Auges ausmacht, ist hier vollständig rückgebildet. Auch sonst zeigt das ganze Ge- bilde durchweg Degenerationserscheinungen. Eine Ausbildung von Rhabdomen findet nicht mehr statt; die Retinazelien haben ihre regelmäßige Gestalt und Anordnung aufgegeben, ja eine exakte Scheidung in Retina- und Glaskörperzellen ist schwierig. Auf den ersten Blick erweckt das Auge von Chelifer den Eindruck eines Haufens von Hypodermiszellen. Bei näherem Zusehen unterscheiden sich die Kerne dieses Komplexes durch ihre Größe von den Hypo- dermiszellkernen, und auch innerhalb der Anhäufung lassen sich noch zweierlei durch ihre Gestalt und Färbbarkeit verschiedene Kerne erkennen. Die größeren, ovalen bis runden Kerne, von denen etwa 16—20 vorhanden sind und deren Chromatin hauptsächlich peripher liegt, gehören Zellen zu, die als Retinazellen angesprochen werden müssen. Sie haben ihre keulenförmige Form völlig verloren und liegen unregelmäßig, einander deformierend, in einem wirren Haufen. Ihr Plasma zeigt fibrilläre Struktur und färbt sich in der Nähe des Kernes weniger stark als an den Zellgrenzen (Fig. 3). Diese selbst sind nicht deutlich zu erkennen. Nach innen, d. h. proximal, bilden die Zellmembranen eine als postretinale Membran anzusehende Lamelle, an die sich nur spärlich Mesodermzellen anlegen. Inner- halb des Gebildes finden sich häufig kleinere Vacuolen. Doch weiß Die Augen der Arachnoideen. 631 ich nicht, inwieweit an deren Zustandekommen die Fixierung be- teiligt ist. Die andere Art Kerne ist kleiner und stärker färbbar (Fig. 4). Sie gruppieren sich seitlich an den Stellen, an denen die Hypodermis das Auge erreicht; zweifelsohne gehören sie dem Glaskörper an. Dieser zeigt aber gegenüber den Retinazellen keine deutliche Ab- grenzung in Form einer präretinalen Membran, sondern diese schieben sich zum Teil in ihn hinein (Fig. 3). Das Plasma der Glaskörperzellen ist etwas heller als das der Retina- und Hypo- dermiszellen und zeigt schwach fibrilläre Struktur parallel zur Linse. Diese selbst stellt bei Chelifer degeeri eine schwach bikonvexe, bei Chelifer cancroides eine plankonvexe Chitinverdickung dar, die gleichen Bau wie die Linse von Obisium zeigt. An das Auge tritt hier ebenso wie dort von vorn seitlich ein Nerv heran, der in das Auge eindringt und sich darin aufspaltet. Sein Verlauf zum Gehirn ist ein ähnlicher wie bei Obisium. Pigment fehlt auch bei Chelifer völlig. Chelifer cermanicus. Diese Art stand mir nur in einem Exemplar zur Verfügung. Von außen erkennt man unter dem Binokular beiderseits nur eine ganz schwache helle Stelle in dem braunen Thorax. Auf Schnitten zeigt sich, daß dies durch das Dünner- und Farbloswerden der distalen braun gefärbten Cuticulalamelle bedingt ist. Im übrigen ist aber das Integument unverändert, und es kommt nicht zur Aus- bildung einer linsenartigen Verdickung. Auch fehlt jede Spur von Glaskörper- oder Retinazellen. Die Hypodermis zieht in gleicher Ausbildung unter dem dunklen, wie hellen Chitin hin. Es ist hier also schon eine vollständige Rudimentation des Auges eingetreten, und nur noch ein heller Fleck ist Zeuge seines einstigen Vorhandenseins. Bei Chernes und Chiridium ist auch noch dieser geschwunden, und nichts läßt mehr auf das Bestehen von Lichtsinnesorganen schließen. Die Tiere sind nur noch auf ihren photodermatischen Sinn angewiesen. Literaturverzeichnis. Barrois, J., 1896, Mémoire sur le développement des Chelifer, in: Rev. suisse Zool., Vol. 3, 1895— 1896, p. 461—539, tab. 15—17. 632 Lupwic SCHEURING, BERNARD, H. M., 1893, Notes on the Chernetidae, with special reference to the vestigial stigmata and a new form of trachea, in: Journ. Linn. Soc. London, Vol. 24, Zool., 1894, p. 410—430, tab. 31 u. 32. METSCHNIKOFF, E., 1871, Entwicklungsgeschichte des Chelifer, in: Z. wiss. Zool., Vol. 21, p. 515—526, tab. 38 u. 39. PICKARD-CAMBRIDGE, F. O., 1892, Monograph of the British species of Chernetidae, Dorchester. SAINT-REMY, G., 1897, Contribution à l'étude du cerveau chez les Ar- thropodes Trachéates, in: Arch. Zool. expér. (2), Vol. 5bis, p. 1—274, tab. 1—14 u. 10 Textfigg. SIMON, E., 1879, Les Arachnides de France, Paris, Vol. 7, p. 1—78, tab. 17—19. Die Augen der Arachnoideen. 633 Erklärung der Abbildungen. B. M Basalmembran BI. L Blutlacune Cu Cuticula Gl. K Glaskérper Gl. K. K Kerne des Glaskörpers G. Z. K Ganglienzellkern Hy Hypodermis JTE) I. Rh interrhabdomerer Hohlraum K Körperchen in den Retinazellen K. P. R Kerne der Postretina L Linse L! 4. Schicht der Linse M Mesoderm M. K mesodermale Kerne N Nerv N. F Nervenfaser N. O Nervus opticus Py Pigment Pg. Z Pigmentzelle l'y. Z. K Kerne der Pigmentzelle P., Phaosphäre IP. K Porenkanal /’. M postretinale Membran P. R Postretina P. R. K postretinale Zellkerne l’r. K präretinale Kerne Pr. M präretinale Membran P.. M* distale Lamelle der präreti- nalen Membran I’, M? proximale Lamelle der prä- retinalen Membran R Retina Rh Rhabdom I’. Z Retinazelle R. Z. K Retinazellkerne St. S Stiftehensaum T Tapetum T.K Kerne des Tapetums Üb. Z Übergangszellen Tafel 34. Hig. 1. Querschnitt durch ein Frontalauge von Æuscorpius carpathicus. 5 4. Hämatoxylin nach HEIDENHAIN, Pikro-Fuchsin, halbentpigmentiert. 320:1. Fig. 2. 10 u. Ok. 2 WINKEL, Obj. D. Zeiss (EDINGER’scher Zeichenapparat). (Querschnitt durch ein Frontalauge von Hämatoxylin nach HEIDENHAIN, schwach entpigmentiert. Scorpio rosellüt. 250:1. Fluorit. Obj. 3,2 WINKEL, Ok. 2 WINKEL. Zool. Jahrb. XXXIII. Abt. f. Anat. 41 634 Lupwie SCHEURING, Fig. 3. Randpartie eines Längsschnittes durch ein Frontalauge von Buthus afer. 10 u. Hämatoxylin nach HEIDENHAIN. 500:1. Ok. 2 Zeıss, Öl-Imm. 22 mm WINKEL, ABBÉ’scher Zeichenapparat. Fig. 4 Querschnitt durch die Rhabdome von Scorpio rosellii. 10 u. Hämatoxylin nach BÖHMER (HANSEN), Eosin, schwach entpigmentiert. 500 :1., Ok. 2 WINKEL, Ol-Immersion 22 mm WINKEL. Fig. 5. Teil eines Querschnittes durch die Retina und Postretina von Scorpio rosellu. 10 4. Hämatoxylin nach HEIDENHAIN, völlig ent- pigmentiert. 900:1. Ok.4 Zeiss, Öl-Imm. 22 mm WINKEL, Agen’ scher Zeichenapparat. Fig. 6. Teil eines Längsschnittes der Retina und Postretina von Buthus afer. 10 u. Nur schwach entpigmentiert. 500:1. Ok. 2 Zærss, Ol-Imm. 22 mm WINKEL, ABph’scher Zeichenapparat. Fig. 7. Querschnitt durch das Frontalauge von Scorpio rosellit. 10 uw. Hämatoxylin nach HEIDENHAIN, völlig entpigmentiert. 500:1. Ok. 2 Zeiss, Öl-Imm. 22 mm WINKEL, ABBÉ scher Zeichenapparat. Tafel 35. Fig. 8. Sagittalschnitt durch das Hellauge (Frontalauge) von Æu- scorpius carpathicus. 10 u. Hämatoxylin nach BOHMER (HANSEN). 320:1. Ok. 2 WINKEL, Obj. D. Zeiss, EpinGer’scher Zeichenapparat. Fig. 9. Sagittalschnitt durch das Dunkelauge (Frontalauge) von Æu- scorpius carpathicus. 10 u. Hämatoxylin nach BÖHMER (HANSEN). 320:1. Ok. 2 WinKkeL, Obj. D. Zeiss, EpiNGER’scher Zeichenapparat. Fig. 10. Sagittalschnitt durch 2 Seitenaugen von Æuscorpius carpa- thieus. Das erste ist median getroffen, das zweite nur in proximalen Teilen der Retina angeschnitten. 10 u. Halbentpigmentiert, Hämatoxylin nach HEIDENHAIN. 320:1. Ok. 2 WINKEL, Obj. D. ZEIss, EDINGER- scher Zeichenapparat. Fig. 11. Querschnitt durch ein Seitenauge von Æuscorpius carpa- thicus. 5 4. Halbentpigmentiert, Hämatoxylin nach BOHMER (HANSEN), Pikro-Fuchsin. 320 : 1. Ok. 2 WINKEL, Obj. D. Zeiss, EDINGER’scher Zeichenapparat,. Fig. 12. Teil der Retina eines Seitenauges von Heterometrus longi- manus. 10 u. Hämatoxylin nach HEIDENHAIN, stark entpigmentiert. 320:1. Ok. 2 WINKEL, Obj. ZEISS, EpINGER’scher Zeichenapparat. Fig. 13. Sagittalschnitt durch die Retina eines Seitenauges von Kuscorpius carpathieus. 10 u. Hämatoxylin nach BOHMER (HANSEN). 500:1. Ok. 2 Winker, Öl-Imm. 22 mm Wınkev, ABBh’scher Zeichen- apparat, Fig. 14. Querschnitt durch die Rhabdome von Scorpio rosellii. 10 y. Hämatoxylin nach HEIDENHAIN. 900 :1. Ok. 4 WINKEL, Ol-Imm. 22 mm WINKEL, ABBE’scher Zeichenapparat. * ” Die Augen der Arachnoideen. 635 Marke 36: Fig. 1. Querschnitt durch die Frontalaugen von Thelyponus caudatus. 10 w. Eisenhimatoxylin nach HEIDENHAIN. 75:1. Ok. 4 WINKEL, Obj. Fluorit 15 mm WINKEL. Fig. 2. Querschnitt durch ein Frontalauge von Thelyphonus caudatus. 5 u. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN, halbentpigmentiert. 320 : 1. Ok. 2 WinkEL, Obj. D. Zriss, ABBE’scher Zeichenapparat. Fig. 3. Querschnitt durch ein Frontalauge von Tarantula palmata. 10 w. Hämalaun nach BÖHMER (HANSEN). 320:1. Ok. 2 WINKEL, Obj. D. Zeiss, ABBE’scher Zeichenapparat. Fig. 4. Teil eines Querschnittes durch Glaskörper und Retina eines Frontalauges von Thelyphonus caudatus. 5 4. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN, stark entpigmentiert. 500:1. Ok. 2 WINKEL, Öl-Imm. 22 mm WINKEL, ABBE’scher Zeichenapparat. Fig. 5. Teil der Postretina eines Hauptauges von Thelyphonus caudatus. 10 w. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN, völlig entpigmentiert, Ok. 4 WINKEL, Ol-Imm. 22 mm WINKEL. Fig. 6. Querschnitt durch die Rhabdome eines Frontalauges von Thely- phonus caudatus. 5 4. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN. JOUR Ok. 4 WInkEL, Öl-Imm. 22 mm Winkel, ABBh’scher Zeichenapparat. Fig. 7. Querschnitt durch die Rhabdome eines Frontalauges von Tarantula withei. 10 u. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN. 500:1. Ok. 2 Wınker, Öl-Imm. 22 mm WinKkez, Apph’scher Zeichenapparat. Fig. 8. Gebilde im proximalen Abschnitt der Retinazellen von Thelyphonus caudatus, Ok. 18 Leitz, Öl-Imm. 22 mm WINKEL. Wawel Bye Fig. 9. Schnitt durch die Linse und den Glaskörper eines Frontal- auges von Thelyphonus caudatus. 10 u. Hämalaun nach BOHMER (Hansen). 200:1. Ok. 2 WINKEL, Obj. C. Zeiss, EDINGER’scher Zeichenapparat. Fig. 10. Schnitt durch die Linse und den Glaskörper eines Frontal- auges von Tarantula palmata. 10 u. Hämalaun nach BÖHMER (HANSEN). 200:1. Ok. 2 WINKEL, Obj. C. ZEISS, EDINGER’scher Zeichenapparat. Fig. 11. Schnitt durch die Linse und den Glaskörper eines Frontal- auges von Tilanodamon medius-johnstoni. 10 u. Hämalaun nach BOHMER (Hansen). 200:1. Ok. 2 WINKEL, Obj. C. Zeiss, EDINGER’scher Zeichenapparat. Fig. 12. Längsschnitt (schief zur Längsachse des Körpers) durch die Seitenaugen von Typopeltis stympsoni. 10 u. Hämalaun nach BOHMER (Hansen). 200:1. Ok. 2 WINKEL, Obj. C. Zeiss, EDINGER’scher Zeichenapparat. Fig. 13. Längsschnitt durch ein Seitenauge von Typopeltis stympsoni. 10 u. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN, stark entpigmentiert. 320:1. Ok. 2 WINKEL, Obj. D. Zeiss. ABBÉ’scher Zeichenapparat. Fig. 14. Teil eines Querschnittes durch ein Seitenauge von Tarantula 41* + *, 636 LupwiG SCHEURING, Die Augen der Arachnoideen. withei. 5 4. Hämalaun nach BÖHMER (HANSEN). 500:1. Ok. 2 Winker, Öl-Imm. 22 mm WiNKEL, Appf’scher Zeichenapparat. Fig. 15. Retinazellen aus einem Seitenauge von Typopeltis stympsoni. DL. en ne nach HEIDENHAIN. 900:1. Ok. 4 WINKEL, Ol- Imm. 22 mm WINKEL. Natel 38: Fig. 1. Cephalothorax von Solpuga flavescens. Ansicht von oben. Fig. 2. Cephalothorax von Solpuga flavescens. Ansicht von der Seite. Fig. 3. Querschnitt durch das Auge von Galeodes falalis. 10:1. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN, stark entpigmentiert. 320 u. Ok. 2 WINKEL, Obj. D. Zeiss, EDINGER’scher Zeichenapparat. Fig. 4. Schnitt durch die Linse von Solpuga venator. 10 u. Häm- alaun nach BOHMER (HANSEN). 70:1. Ok. 2 WINKEL, Obj. A. Zeiss, EDINGER’scher Zeichenapparat. Fig. 5. Teil eines Querschnittes durch das Auge von Daesia hotten- totia. 7,5 u. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN, völlig entpigmentiert. 900 : 1. Ok. 4 WINKEL, Ol-Imm. 22 mm WINKEL, ABBE’scher Zeichen- apparat. Fig. 6. Querschnitt durch die Rhabdomregion von Galeodes fatalis. 10 w. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN. 900:1. Ok. 4 WINKEL, Obj. Ol-Imm. 22 mm WINKEL, ABBE’scher Zeichenapparat. Fig. 7. Längsschnitt durch ein Rhabdom von Solpuga flavescens. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN. ca. 2000:1. Gez. mit Ok. 5,2, Ol-Imm. 1,8 mm. Fig. 8. Querschnitt durch die Augen von Duesia hottentotta juv. 10 u. Eisenhämatoxylin nach HRIDENHAIN , entpigmentiert. 500:1. Ok. 2 WINKEL, Öl-Imm. 22 mm WINKEL. Fig. 9. Teil eines Längsschnittes durch die Augen von Daesia hottentotta juv. 10 4. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN, entpigmentiert. 900 : 1. Ok. 2 WINKEL, Ol-Imm. 22 mm WINKEL. Fig. 10. Queen durch ein rudimentäres Seitenauge von Solpuga flavescens. 7 u. Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN. 590: 1 Tafel 39. Fig. 1. Nahezu medianer Querschnitt durch das Auge von Obisium sp. > 4. Hämalaun nach BOHMER (HANSEN). 500 :1. Ok. 2 WINKEL, Er Öl-Imm. 22 mm WINKEL, ABBE’scher Zeichenapparat. Fig. 2. Querschnitt, flach getroffen. Färbung und Vergrößerung wie bei 1. Fig. 3 u. 4. Querschnitte durch das Auge von Chelifer degeeri. 5 y. Hämalaun nach BÖHMER (HANSEN). 500: 1. Ok. 2, Obj. Ol-Imm. 22 mm WINKEL, ABBf’scher Zeichenapparat. G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S. ail a L » | + pe 5 wane noe dR aos hand \Jena Zoolog. Jahrbücher Bd. 33. Abt. f. Morph. TH TC 5 von Gustay pie x L. Nick phot. Verlag v Fischer in Jena Lichtdruck der Hofkunstanstalt von Martin Rommel & Oo,, Stuttgart ae , dE à Alp". f. Morph. — gg TR Jo u Rommel & © Stat 4 Martie 3 U Zoolog. Jahrbücher Bd. 33. Abt. f. Morph. Taf. 2 R yon Gustay Fi; L. Nick phot. h Verlag yon fav Fischer in Jena Lichtdruck der Hofkuastanstalt von Martin Rommel & Go., Stuttgart. A +9 (ts $e a) ae, Lied tae i fjug.ant > Kine XT fine X Verlag von Gustav Fischer in Jena th Anstv es i ‘ 4 “ . 2 ‘ a q a Ben A u _ i. oF MX 5 Van . 3 6 . > 17 N Zoolog. Jahrbücher Bd 33 Abt. f Morph. Verlag von Gustav Fischer in Jena P Weise, Lith., Jena Er = Zoolog. Jahrbücher Bd.33 Abt.f Morph. j TG 2 x IS SZ EIS ; Beer SS DE Verlag von PT her in Jena = N | S N & Vie À JE LEZ CN S EN a if c » FOS IT À N P Weise. Lith., Jena Nick gez. 4 5 _ a> % Zoolog. Jahrbücher Bd. 33 Abt. f Morph. Zoolog. Jahrbücher Ba.33 Abt f Morph. Taf! 7. : Z P P Weise, Lith., Jena. Nick gez. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Or et 1\ = Zoolog Jahrbücher Ba. 33 _Aht f Morph. CU SSS = Fo I \ ee N EN LS ER V2 L EIN ER, > = : Verlag von US ischer in Jena, Nick gez. P Weise, Lith., Jena 1 Zoolog. Jahrbücher Bd. 33 Abt. £ Morph. ee Zoolog. Jahrbücher Bd.33 Abt.f Morph. OO Cel D-2 SQN TZ FALLS INS As Y N ED Verlag vor Gusta Fischer in Jena, P Weise, Lüh., Jena. Nick gez. Zoolog. Jahrbücher Bd.33 Abt.f Morph. pr m, pP Nick gez Verlag Jena Lith. Anst.v. À Gil Zoolog. Jahrbücher Bd.55 Abt.t Morph. leVnasi 68. fprp » den | ten A feVnasl SE — — on Gustav Fischer in J ~~ Terlag V‘ Tena iG A L. Hoffmann. Fig. 4. Fig. 10. Lichtdruck der Hofkunstanstalt von Martin Rommel & Oo., Stuttgart. Verlag von Gistay Fischer, Jena Zoolog. Jahrbücher Bd.33 Abt.t Morph. Taf. ES = STILL N ES À SEA a > "dE ' 5 ARTE. = LithAnstyE. A Funke Leipzig. Hoffmann. Verlag von Gustav Fischer in Jena = ae A ; a N y pu — 1 u { 7 : IL > A _ if Taf. 13. Zoolog. Jahrbücher Bd. 33. Abt. ts Worph. Hoffmann. * 2 > 1 4 BE: FR cher Bd. 33. Abt. f. Morph. “à lix : | a | | | | L, Hoffmann Lichtdruck der Hofkunstanstalt von Martin Rommel & Uo.. Stutteart. Verlag vo" Gusev Fischer, Jena. E h | Zoolog. Jahrbücher Bd. 33, Abt.t Morph. \ RBC Inf, SuprC;z ~--=\~--t Kn Int Supr C2 r | N RBc EnBe Gr Hoffmann, a Verlag von Gusta¥Fischey in Jena. Tith AnstvEAFunke Leipzig. Zoolog. Jahrbücher Bd. 33.Abt.f Morph. i rf | 1 | Inf C6 X In Beer ROph prot Sia & Supr C4 Hoffmann. Verlag von 1 2 1 1 rCoEnBeGr | 1 | en InfCg gh Vro R.Be h 1 es 1 | ' | i] N 1 Re Vroft„EnBear SuPre2 ess Supr Ci \ : Vro ‘ RBC Bp tn Int Cy | lath AnstviEA Funke Leipzig. Gustav Fischer in Jena. Zoolog. Jahrbücher Bd.33.4bt.fMorph. Taf 19. Dr i er i i eee RBcLP. Art.ro 1 , / Ve / / K la Lon Artro R.Be' i / z ‚Oph.sup G4 = K-Ophuprot Inf Cy 7 1a mn Gustav fischer 1, Hoffmann. Verlag von Gustavfischer in Jena, r\ Zoolog. Jahrbücher Bd. 33.1bt.f.Morph. i Taf. 20. rahe. LA ete Sop gen sk Sry ee ee DUT SL S | Fi. Oph. prot ~~! i 1 7 VA sil Derv Eni RBe = Verlag von Ces Fischer in Jena. Hoffmann. Lith AnstvE AFumke Leipzig | Verlag yon Gustav Fischer in Jena Lith Anst v. Johannes Arndt, Jena. ücher Bd.33 Abt.f. Morph. Jahrb Zoolog. —-- COL NU. Jena Verlag von Gustav Nischer yy A! D ee — m > 4 u ei FRE Ben Zoolog. Jahrbücher Bd.33 Abt.f Morph. [ Taf.31. u.B: Be for: ir. L. S7U7: ap # TER ker gez Verlag vu Gustav Fisc her nJdena = Ivo Eat = au . LA i | : i al Pi 5 iD En A = J [ ' RAS i iy A is b “ j 4 , | Li 5 - | ; u i 1 | {01 i A | : + 1 A = | 2 j Sy H 1 ae I NL zu . | u iy = an Bi — 4 = B À 5 . \\ Zoolog. Jahrbücher Bd.33 Abt.f Morph: Tah 32. 18. Procor conr@. Völker gez 1 * ö Verlag von Gustaffischerin Jena AP Tomi | a} N CN | | fi ve À ad} i | | Mar ’ ; 4 | EIER. iat as LES a = 4 ne 7 I at ot | e e vr —_— i % , se i -. 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Morph. Scheuring del. Verlag von Gust® Fischerin Jena. Lith.Anst.P Weise, Jena Taf, 38. Zoolog. Jahrbücher Bd. 33 Abt. f. Morph. N i ee ATI Denn anal) ABER ach Utena UT | oat VAN ELITE Dear: is ll “; i) BARA AWS i (N E Lith.Anst.P Weise, Jena Verlag von Gustav Fischerin Jena. log. Jahrbücher Bd. 33 Abt. f. Morph. Zoo Lith.Anst. P. Weise, Jena. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Scheuring del. 1 u uw PTE A sn) AIN ( mi, | itty 1 Du hit tH Kal 10 (à \ NLR BE ON RAT AN END DEREN : LEN. PAU N nou Non N 0 EL A ER } TM RAT | LATRMARE \ RE [a bh nn nn mn AE PE LTE Sit a nn ee eee Ses oe Et ae . 2e - . an, = 2 = =. u : 3 . a a 127 2 x 3. Fe ‘ DER - ur e- +