-^'W ^:^^m ■%* ^ ; !p%'^ ««LMi- »"•^Ji-l •ip^' ^'' ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER. ABTEILUNG FÜE SYSTEMATIK, GEOGRAPHIE UND BIOLOGIE DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. J. W. SPENGEL IN GIESSEN. ACHTCNDZWANZKiSTER BAND. MIT 11 TAFELN UND 117 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA, VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1910. Alle Rechte, uamentlich das der (ibersetzuiig, vorbehalten. /^'7v Inhalt. Erstes Heft. (Ausgegeben am 23. August 1909.) Seite (tALZOW , P. , Chaetognatha der pacifisch-borealen Subregion. Mit Tafel 1 und 2 Abbildungen im Text 1 WuNDEKER, Hans, Beiträge zui- Biologie und Entwicklungsgeschichte des Alpensalamanders (Salamandra atra Laur.). Mit 2 Ab- bildungen im Text 23 Lehrs, Philipp, Studien über Abstammung und Ausbreitung in den Formenkreisen der Gattung Lacerta und ihre Verwandten. Mit Tafel 2 und 11 Figuren im Text 81 Zweites Heft. (Ausgegeben am 15. Oktober 1909.) SCHEPOTIEFF. ALEXANDER, Studien über niedere Insecten. Mit Tafel 3-5 121 Griffini, Achille, II sottogenere Papuogryllacris 139 ]\[INKIEWICZ, EOMUALD, Versuch einer Analyse des Instinkts nach objektiver vergleichender und experimenteller Methode. Mit 1 Abbildung im Text 155 Jentink, f. A., Beiträge zur Kenntnis der Fauna von Süd-Afrika. Mit 22 Abbildungen im Text 239 Drittes Heft. (Ausgegeben am 21. Oktober 1909.) Werner, Feanz, Neue oder seltnere Reptilien des Musee Royal d'Histoire naturelle de Belgique in Brüssel. Mit 2 Abbildungen im Text 263 FULMEK, Leopold, Siphonaptera I^ATR. von Tripolis und Barka. Mit 3 Abbildungen im Text 289 ,^. [nhalt. Seite Stkanu, Embrik, Neue oder wenig bekannte südamerikanische Cupiennius- und Ctenus-Arten 293 TrXcäRDH, Ivar, Cryptopteromyia, eine neue Phoriden-Gattung mit reduzierten Flügeln, aus Natal, nebst Bemerkungen über Thau- matüxeua Br. et BÖKN. und Termitodeipnus Enderl. Mit Tafel 6 und Iß Abbildungen im Text 329 Viertes Heft. (Ausgegeben am 16. Dezember 1909.) ('arlsson, Albertina, Die Macroscelididae und ihre Beziehungen zu den übrigen Insectivoren. Mit 11 Abbildungen im Text . 349 .Strand, Embrik, Neue oder wenig bekannte neotropische cteniforme Spinneu des Berliner Museums 401 SCHEPOTIEEF, Alexander, Bie Pterobranchier des Indischen Ozeans. Mit Tafel 7—8 429 Leche, Wilhelm, Zur Frage nach der stamm esgeschichtlichen Be- deutung des Milchgebisses bei den Säugetieren. Mit Tafel 9 . 449 Fünftes Heft. (Ausgegeben am 31. Dezember 1909.) SjriTKüW, B. M. u. L. L. Sabanejew, Über Ovis heinsii Sewertz. und über den Bau der Hörner der Wildschafe. Mit 11 Ab- bildungen im Text 457 Hagmann, Gottfried, Die ßeptilien der Insel Mexiana. Mit Tafel 10 473 BlRULA, A. A., Scorpione und Solifugen von Tripolis und Barka. Mit 6 Abbildungen im Text 505 DemolIj, Reinhard, Tiber die Beziehungen zwischen der Aus- dehnung des binokularen Sehraumes und dem Nahrungserwerb bei einigen Insecten. Mit 1 Abbildung im Text 523 Sechstes Heft. (Ausgegeben am 12. Januar 1910.) Wester, D. H., Über die Verbreitung und Lokalisation des Chitins im Tierreiche. Mit Tafel 11 und 1 Abbildung im Text . , 531 Carlsson, Alrertina. Die genetischen Beziehungen der mada- gassischen Eaubtiergattuug Galidia. Mit 32 Abbildungen im Text 559 Baumeister, L., Über ein Ei von Rhinophis trevelyanus. Mit 6 Ab- bildungen Text 603 Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Chaetognatha der pacifisch-borealen Subregion nach den Sammlungen des Zoologischen Museums der k. Universität zu Moskau. Von Stud. P. Galzow. (Aus dem Laboratorium des Zoologischen Museums der Universität zu Moskau.) Mit Tafel 1 und 2 Abbildnngen im Text. Die Chaetognathen-Sammlung, welche mir zur Verfügung gestellt wurde, ist durch Sammlungen von selten einiger Militärärzte zusammen- gebracht worden, der Herren N. W. Sljunin und W. J. Issajew, welche die Fahrten von Kriegsschiffen in den Gewässern des fernen Ostens mitmachten. Diese Sammlungen stammen aus den Jahren 1889 — 1893 und bestehen aus 15 Gefäßen mit Plankton, das in Spiritus konser- viert ist. Die ganze Sammlung enthält 868 Exemplare, die einer Gattung. Sagitta, angehören und zwar 6 Arten, darunter 3 neuen; 116 Exemplare konnten wegen schlechter Konservierung nicht be- stimmt werden. Die Sammlung kam durch gelegentliche Fänge zustande und gibt uns daher nicht die Möglichkeit, sich eine vollständige Vor- stellung von der Chaetognathen-Fauna jener Meeresteile zu machen, zumal beim Sammeln des Materials nur horizontale, oberflächliche Fänge ausgeführt wurden. Hierdurch blieb uns eine ganze Reihe von Arten, die in bestimmter Tiefe leben oder zeitweilig sich in die Tiefe hinabbegeben, wie anzunehmen ist, unbekannt. Ungeachtet ihres sehr geringen Umfanges bietet die Sammlung ein großes In- teresse, da die Chaetognathen-Fauna dieses Gebietes bisher fast ganz Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 1 2 ' P. Galzow, unbekannt geblieben ist. Mit Ausnalime von Aida's Abhandlung (2), die sich auf das Japanische Meer bezieht, waren uns bisher von dort nur S. rapax Molt. und S. melanognatha Molt. bekannt, die neuer- dings von Moltschanow aus der Beringsstraße und dem Berings- meer beschrieben worden sind. Sag Uta levis n. siy. (Fig. 1, 2, 3, 4, 5.) Diese Art ist in 291 Exemplaren in folgenden Fängen ent- halten : Gefäß No. 79. — 140 Exemplare: Wladiwostok, Juni 1889, Dr. ISSAJEW. Gefäß No. 10. — 130 Exemplare: Wladiwostok, 16.4. 1893, Dr. Sljüxix. Gefäß No. 39. — 20 Exemplare : Petropawlowsk, 15.7. 1893, Dr. Sljuxin. Gefäß No. 6 — 1 Exemplar: Petropawlowsk, August 1890, Dr. ISSAJEW. Diagnose: Länge des erwachsenen Tieres 9 — 10 mm. Das Schwanzsegment bildet etwa ^L der Gesamtlänge des Körpers. Die 2 Paar Seitenflossen sind voneinander getrennt. Das 1. Paar ist schmäler und länger als das 2. und geht gewöhnlich bis hinter das Bauchganglion, seltner endet es in einer Höhe mit letzterm. Das 2. Paar liegt genau auf dem Schwanz- und Rumpfsegment; seine Gestalt ist halboval. Die Schwanzflosse hat die Form eines schmalen Dreiecks mit schwach abgerundeten Rändern und beginnt ein wenig von den Samenblasen zurücktretend. Der Kopf ist schmal, im Ruhe- zustand etwas breiter als der Körper. Die Epidermis hinter dem Kopfe ist nicht verdickt. Der Rumpf ist zylindrisch, mit gut ent- wickelter Muskulatur. Die Seitenfelder sind schmal, Tastorgane fehlen. Die Greifhaken sind dünn, schwach umgebogen; ihr innerer Rand ist glatt, die Spitzen sehr klein, nicht gebogen. Die Zähne der vordem Reihe sind spitzig, die der hintern Reihe länger als die vordem, ihre Spitzen sind leicht gezähnelt. Vestibularorgane fehlen. Die Ovarien sind kurz; sie reichen bis zum Vorderrande des 2. Flossenpaares. Die Samenblasen sind oval, sehr wenig nach außen hervortretend. Chaetognatha der pacifisch-borealen Subregion. 3 3 5 FormeP): 8 — 9 - .^ • Das Bauchganglion ist lang, breit und vorstellend. Beschreibung: Die Größe der geschlechtsreifen Tiere schwankt zwischen 9 und 10 mm; das Schwanzsegment beträgt jedoch stets 3 mm. Die 2 Paare der Seitenflossen sind deutlich voneinander ge- trennt. Das 1. Paar ist gewöhnlich länger als das 2. und bedeutend schmäler als letzteres. Im untern Drittel des Rumpfes beginnend, fast an der Stelle, wo die Flossen des 2. Paares enden, zieht es sich als schmaler Saum nach oben, geht über das Bauchganglion hinaus und endet im vordem Drittel des Körpers, zuweilen fast bis an den Kopf des Tieres heranreichend. Der Vorderteil dieser Flossen ist an den Spirituspräparaten von der Rücken- und Bauch- seite her fast gar nicht zu sehen, da er in dem schmalen Streifen der Seitenfelder liegt. Die ganze Flosse tritt deutlich hervor, wenn man das Tier auf die Seite legt. Die Länge des 1. Paares ist be- deutenden Schwankungen unterworfen. Als typisches Verhalten dieser Flosse muß es beim erwachsenen Tiere angesehen werden, wenn die Flosse hinter das Bauchgangiion reicht und zwischen letzterm und dem Kopfe endet. Da ich nicht die Möglichkeit hatte, die Maße der Flossen bei Sagitta levis zu nehmen, weil viele Exemplare sich im Spiritus zusammengebogen hatten, beschränkte ich mich auf eine Durchsicht aller Exemplare der Sammlung, wobei ich jedesmal das Verhalten der Flosse zum Bauchganglion notierte, zumal die ge- bogene Haltung des Tieres, die eine genaue Messung ausschloß, durchaus kein Hindernis für derartige Beobachtungen bildete. Auf der beigegebenen Zeichnung Fig. A sind 5 Lagen des 1. Seitenflossen- paares gegeben. Diese Lagen kommen natürlich in solcher scharfen Scheidung nicht vor und sind durch kaum merkliche Übergänge verbunden. Von 132 Exemplaren von Sagitta levis aus Wladiwostok (Gefäß No. 79) endete bei 100 Stück die Flosse hinter dem Bauch- ganglion (Stellung 1), bei 12 Stück in gleicher Höhe mit dem Vor- derrande der Bauchganglions (Stellung 2), bei 14 Exemplaren in gleicher Höhle mit der Höhe des Bauchganglions (Stellung 8) und bei 6 Stück in gleicher Höhe des untern Randes derselben (Stel- lung 4). 1) Die an der Seite stehenden Zahlen bezeichnen die Anzahl der Greifhaken ; die Zahlen über dem Strich geben die Anzahl der Zähnchen der obern, die unter dem Strich die der untern Reibe an. 1* P. Galzow, I 1 2 3 Fig. A. Somit hatten 75,7 ^/o die Stellung 1, Q 1 <>/ 9 ^jJ- 10 )• 11 ^1 10,6% „ , 3, 4,6 % „ „ 4. Die Länge der Flossen von Sagitta levis aus einem andern Ge- fäß (No. 10) zeigt schon ganz andere Verhältnisse. Freilich hatten sich von den 130 Exemplaren dieses Gefäßes nur 49 Exemplare gut erhalten und konnten also untersucht werden. Von diesen endeten die Flossen hinter dem Bauchganglion (1. Stellung) bei 17 Stück; in gleicher Höhe mit der Mitte des Bauchganglions (3. Stellung) bei 20 Stück; in gleicher Höhe mit dem Unterrande des Bauchganglions (4. Stellung) bei 6 Stück; vor dem Bauchganglion (5. Stellung) bei 6 Stück. Somit hatten 40,8 7o die Stellung 3, ^4,7 /ö „ „ 1, 12.25 7o 12,25 «/o 4, Chaetognatba der pacifisch-borealen Subregion 5 In diesem Falle haben wir schärfere Schwankungen in der Länge der Flosse; so fehlt z. B. die 2. Stellung gänzlich. Diese Tatsache kann natürlich dadurcii erklärt werden, daß wir es im gegebenen Falle mit einer viel geringern Zahl von Exemplaren zu tun hatten. Andrerseits aber darf man nicht unbeachtet lassen, daß hier eine neue, die 5., Flossenstellung sich findet. Alle Exemplare aus diesem Gefäße (Wladiwostok 16.4. 1893, Sljuxin) unterscheiden sich von den ebendaselbst gefangenen im Juni 1889 (Gefäß No. 10) durch unvollkommen entwickelte Genitalorgane. Von 7 Exemplaren, die bei Petropawlowsk gefangen waren , hatten 4 die Stellung 5 der Flosse und je 1 Exemplar die Stellung 1, 2 und 3. Alle Sagitta levis aus dieser Gegend zeichneten sich durch etwas geringere Größe, durch schwächer entwickelte Muskulatur und unvollkommen ent- wickelte Genitalorgane aus. Ob nun die Schwankungen in der Größe des 1. Flossenpaares als Altersvariationen anzusehen oder ob es wirkliche Variationen sind, kann jetzt noch nicht entschieden werden, da sich in unserer Sammlung keine jungen S. levis mit unentwickelten Genitalorganeu vorfanden. Das 2. Flossenpaar ist kürzer als das 1. und bedeutend breiter. Seine Form ist halboval. Es liegt ziemlich genau auf dem Rumpf- abschnitt und Schwanzabschnitt, zuweilen etwas mehr auf dem Schwanz. Auf dem letztern endet die Flosse etwas höher als die Samenblasen. Die Gestalt und Länge der Flossen des 2. Paares ist bei allen Exemplaren dieselbe. Von Interesse ist der Umstand, daß 1 Exemplar von Sagitta levis aus Petropawlowsk (Gefäß No. 39) eine merkwürdige Anomalie bildet. Beide Seitenflossenpaare bei diesem Exemplar sind zu einer einzigen Flosse zusammengewachsen. Ihre Breite im vordem Teile überstieg das gewöhnliche Maß fast um das Doppelte, so daß sich die ganze Flosse in Form eines breiten Bandes vom Schwänze bis an das 1. Körperviertel hinzog. Das Tier erinnerte auf den ersten Blick an eine Art Krohnia, und erst eine genaue Untersuchung ergab, daß wir es hier mit einer anomal entwickelten Sagitta levis zu tun hatten. Beide Paare Seitenflossen haben deutlich ausge- prägte Strahlen, die an der Flossenbasis beginnen. Am stärksten sind die Strahlen im untern Teile des 2. Paares entwickelt. Im 1. Flossenpaare und im obern Teile des 2. Paares sind sie nicht so dicht gestellt und weniger massiv. Die Schwanzflosse ist lang, von dreieckiger Gestalt mit ieicht- gerundeten Rändern. Sie beginnt etwas vor den Samenblasen zu- g P. Galzow, rücktretend. Ihre Länge beträgt etwa 2 mm, und die Breite im untersten Teile ist etwa 1 mm. Die Form dieser Flosse ist im höchsten Grade charakteristisch für Sagitta levis und bei allen Exem- plaren beständig dieselbe. Bei einigen Exemplaren konnte man eine unbedeutende Vergrößerung der Flossenbreite bemerken, aber sie überstieg niemals die Länge derselben, und ihre Gestalt war stets dieselbe. Der Eumpf des Tieres ist zjiindrisch, wird in seinem untern Teile etwas breiter und geht ohne scharfe Grenze in den Schwanz- abschnitt über. Die Rumpfseite ist etwa 0,5 mm im vordem Teile und 0,75 mm in der Gegend der Ovarien. Die Breite dieses Rumpfteiles schwankt in Abhängkeit von der größern oder geringern Entwicklung der Eierstöcke. Der Kopf ist schmal und lang, mit gut entwickeltem Präputium, im Ruhezustande etwas breiter als der Rumpf. Die Epidermis hinter dem Kopfe verdickt sich nicht. Die Rumpfmuskeln sind sehr gut entwickelt. Die Seitenfelder sind schmal; an den Spiritusexemplaren sind sie gewöhnlich nach innen eingedrückt, so daß eine Rinne entsteht, in deren Tiefe die Flossen liegen. Die Ovarien sind kurz, gehen gewöhnlich und bis zum Vorder- rande des 2. Flossenpaares. Die Samenblasen sind oval und treten sehr wenig nach außen hervor. Der Verdauungskanal erweitert sich allmählich und erreicht an der Stelle des Überganges in den Darm seine Maximalbreite; an dieser Stelle sind seine Wände stark verdickt und bilden 2 kleine Divertikel, die nach außen gerichtet sind. ^) Im optischen Durch- 1) Nicht zu verwechseln mit den wirklichen Darmdivertikeln. Siebe die Zeichnung (3) Textfig. B und Tafelfig. Chaetognatha der pacifisch-borealen Subresfion. Zähue Zähne No. Greifhakeu der vordem der hintern Reihe Reihe l 8 5 9 2 9 4 9 3 9 4 9 4 8 4 11 ö 10 4 11 6 8 4 8 7 8 3 9 8 9 •j 9 9 8 3 6 10 9 3 9 11 8 4 8 12 8 ? 9 13 ? 4 10 14 8 3 11 15 8 3 8 16 9 3 8 17 8 4 13 18 8 4 8 19 9 4 7 20 9 4 7 21 8 4 7 22 10 4 7 23 8 4 7 24 8 4 10 25 10 4 9 26 8 3 7 27 9 3 8 28 9 3 9 29 10 2 7 30 8 4 8 31 9 3 8 32 8 3 5 33 9 4 8 34 9 4 8 35 9 4 8 36 9 3 7 37 9 4 9 38 8 3 6 39 8 4 9 40 9 9 8 41 9 4 9 42 8 3 12 schnittt der Vereinigung-sstelle von Verdauung-skanal und Darm wird man an 2 hohle Kegelabschnitte erinnert, die mit den Basen auf- einander gestellt sind, wobei die Divertikel genau in die Mitte zu liegen kommen und durch die Wände der beiden Kegel gebildet werden. Dieser Bau des Verdauungskanals und Darmes wurde bei vielen Exemplaren von S. levis beobachtet, doch nicht bei allen. Zu- weilen fehlten, trotz der verdickten Wandungen des Verdauungskanals, g P. Galzow, die Divertikel (Fig. B 2); in einigen Fällen aber erwiesen sich als ver- dickt nur die Wände des obern Teiles, und der untere Kegel war nicht vorhanden (Fig. B 1). Alle 3 Fälle sind schematisch auf der beigegebenen Zeichnung dargestellt. — Andere Eigentümlichkeiten im Bau des Darmes fanden sich nicht. Als ständiges Merkmal von S. levis muß man die stete Abwesenheit von Tastorgane ansehen, die an keinem der vorhandenen Exemplare entdeckt wurden. Was die Corona ciliata anbelangt, so wurde eine solche ebenfalls nicht gefunden, ob sie aber tatsächlich fehlt, können wir nicht sagen, da es möglich ist, daß die zarten Zellen dieses Organs infolge langen Liegens im Spiritus zu- grunde gingen. Die Greifhaken, die in der gewöhnlichen Anzahl von 8—9 und zuweilen 10 auf jeder Seite sich befinden, sind sehr dünn, mit kleinen, nicht umgebogenen Spitzen; ihr Innenrand ist glatt, und sie sind gebogen, hauptsächlich in ilirem obern Drittel. Die Linien der Verteilung der vordem und hintern Zähne bilden fast rechte Winkel. Die Zähne der obern Reihe sind spitzig; die untern Zähne sind länger als die obern und die Spitzen leicht ge- zähnelt. Vestibularorgane fehlen. In der vorstehenden Tabelle (S. 7) sind die Zahl der Greifhaken und Zähne bei 42 Exemplaren aufgeführt. Die Nummern 1 — 17 beziehen sich auf Exemplare aus dem Gefäß No. 79, die Nummern 18—31 auf das Getäß No. 39 und die Nummern 32—42 auf das Gefäß No. 10. Fundorte: Wladiwostok, Petropawlowsk. Wie ich schon oben bemerkte, waren bei den Exemplaren aus Petropawlowsk die Genital- organe nicht vollkommen entwickelt, die Muskulatur viel schwächer entfaltet, die Größe geringer als bei S. levis von Wladiwostok. Scif/itta lonfßicauda n. sp, (Fig. 6, 7, 8, 9, 10.) Diese Art Avurde in einem einzigen Exemplar gefunden, im Gefäß No. 39. Etikette: AVladiwostok 17./3. 1893. Dr. Sljunin. Diagnose: Länge des erwachsenen Tieres 8 mm, Schwanzab- schnitt 2,5 mm, sein unterer Teil ist durch eine unvollständige Längs- scheidewand in zwei Hälften geteilt. Die Seitenflossen reichen eine über dieandere hinaus, fließen aber nicht zusammen. DieSchwanzflosse istsehr lang, schmal, mit abgerundeten Rändern. Die Seitenflossen haben eine halbovale Gestalt. Das 1. Flossenpaar geht bis an den Vorderrand des .Bauchganglions; das 2. ist bedeutend breiter und länger als das 1. und liegt genau auf dem Schwänze und Rumpfe. Der Kopf ist schmal Chaetoguatha der pacifisch-borealeu Subregion. 9 und lang-. Die Epidermis hinter dem Kopfe ist stark verdickt. Der Körper ist zylindrisch, mit scliwach entwickelter Muskulatur. Seiten- leider fehlen. Die Tastorgane liegen hauptsächlich am vordem Teile des Körpers. Die Greif haken sind dünn, stark gebogen, mit sehr kleinen, nicht gebogenen Spitzen. Die Innenwände der Greifhakeu sind glatt. Die vordem Zähne sind bedeutend länger als die untern und schmäler als diese. Die hintern Zähne sind kurz, ihre Basis breit. Die Spitzen der Zähne sind nicht gezähnelt. Das Vestibular- üi'gan ist stark entwickelt und besteht aus einzelnen Papillen und einem äußern Auswuchs. Das Bauchganglion ist dünn, deutlich geteilt, in zwei Längshälften. 4 Formel : 9 • Beschreibung: Obwohl ich nur 1 Exemplar dieser Art zur Verfügung hatte, erlauben es doch einige Eigentümlichkeiten der Organisation mit großer Wahrscheinlichkeit sie als selbständige Art hinzustellen. Als besonders charakteristische Merkmale er- scheinen: 1. Lage und Form der Seitenflossen, 2. Länge und Form der Schwanzflosse. Die 2 Paar Seitenflossen erscheinen bei dorsaler oder ventraler Ansicht wie zu einer Flosse zusammengeflossen. Legt man aber das Tier auf die Seite, so sieht man deutlich, daß das 1. und 2. Paar Flossen eines hinter das andere reichen, wobei das 1. Paar mehr dorsal liegt, das 2. aber mehr nach der ventralen Seite. Das 1. Paar erscheint als ein schmales Band mit schwach gerundeten Bändern und zieht bis an den Vorderrand des Bauch- gauglions heran. Das 2. Paar ist deutlich halboval, bedeutend breiter und länger als das 1. Paar und liegt gleich auf dem Schwanz- und Rumpfabschnitt. Beide Flossenpaare besitzen zarte, von ihrer Basis ausgehende Strahlen. Die Schwanzflosse beginnt an der Stelle, wo die Flossen des 2, Paares aufhören, fließt aber mit ihnen nicht zu- sammen. Sie hat das Aussehen eines sehr langen und relativ schmalen Dreiecks, mit leicht gerundeter Basis. Die Länge der- selben beträgt 0,9 mm, die Breite (Basis des Dreiecks) 0,3 mm. Der Kopf ist schmal, lang; die Epidermis hinter dem Kopfe ist sehr stark verdickt. Der Rumpf ist zylindrisch; er verschmälert sich sehr schwach im vordem Teile, in der Gegend des Kopfes. Die Muskulatur ist sehr schwach entwickelt. Seitenfelder fehlen. Die Tastorgane sind hauptsächlich am Vorderteile des Rumpfes ver- teilt. Der Darm bildet keine Divertikel. Der Schlund ist vor der IQ P. Galzow, Vereinigung mit ihm erweitert, doch sind seine Wände nicht ver- dickt. Die Greif haken sind dünn, gleich von der Basis an stark ge- bogen, mit sehr kleinen nicht gebogenen Spitzen, ihr Innenrand ist glatt. Die vordem Zähne sind bedeutend länger als die hintern und schmäler; ihre Spitzen sind sehr stark zugespitzt. Die hintern Zähne sind kürzer, mit breiter Basis. Ihre Spitzen sind stumpfer als die der vordem Zähne und nicht gezähnelt. Die Linien der Verteilung der Zähne bilden einen spitzen Winkel, der nach der Rückenseite offen ist. Das Vestibularorgan besteht aus einigen Pa- pillen, die horizontal unter der untern Reihe der Zähne liegen. Die Innern Papillen haben eine konische Gestalt, die äußern sind massiver als die Innern und breiter als sie (knopfförmig). Eine Corona cilata wurde nicht gefunden. 4 Formel: 9q- Fundort: Wladiwostok. Sagitta japonica n. sjy. (Fig. 11, 12, 13, 14, 15.) Diese Art wurde in 30 Exemplaren vorgefunden, von denen nur 16 sich als erwachsen erwiesen, in dem Gefäß No. 52. Eti- kette: Japanisches Meer. Windstille. 38n2' n. Br. und ISO^öö' ö. L. Dr. Sljunin. Diagnose: Länge des erwachsenen Tieres etwa 15 mm. Schwanzabschnitt ^4 — Vö der Gesamtkörperlänge. Die Seitenflossen treffen zusammen. Die Schwanzflosse hat die Gestalt eines gleich- seitigen Dreiecks mit leicht eingebogener Basis und beginnt un- mittelbar hinter den Samenblasen. Das 1. Flossenpaar geht bis zur Höhe des Bauchganglions ; das 2. Paar ist halboval, breiter und länger als das 1., liegt zu gleichen Teilen auf dem Schwanz- und Rumpfabschnitte. Der Kopf ist breit und kurz. Die Epidermis ist hinter dem Kopfe verdickt. Der Rumpf ist im vordem Teile etwas breiter als in der mittlem und hintern Partie. Die Seitenfelder sind schmal und hauptsächlich im hintern Teile des Rumpfes entwickelt. Die Tastorgane sind über den ganzen Rumpf verteilt. Die Ovarien gehen ungefähr bis an den Vorderrand des 2. Flossenpaares. Die Samenblasen sind breit und treten wenig nach außen hervor. Die Greifhaken sind dick, schwach gebogen, mit nicht gebogenen Spitzen. I Chaetognatha der pacitisch-borealen Subregion. 11 Ihr Innenrand ist glatt. Die Zähne der vordem und hintern Reihe sind von gleicher Länge. Die vordem Zähne sind spitzig, die Enden der hintern Zähne sind gezähnelt. Die Vestibularorgaue erscheinen in Form einer Walze, mit leicht gezähnelter Innenpartie. Formel.- 7j^-Jg. Beschreibung: Länge des erwachsenen Tieres 13—15 mm. Der Schwanzabschnitt kommt gewöhnlich ^5 der ganzen Kürper- länge gleich, zuweilen auch ^1^. Die Seitenflossen vereinigen sich miteinander. Das 1. Paar ist schwächer als das 2. und reicht bis zum Unterrande der Bauchganglions. Das 2. Paar beginnt im untern Drittel des Schwanzabschnittes, ohne sich mit der Schwanzflosse zu vereinigen. Dasselbe hat das Aussehen eines Dreiecks mit leicht abgerundeter Spitze, wobei ihr größerer und breitester Teil auf dem Schwanzabschnitte liegt. Auf dem Rumpfe geht diese Flosse fast plötzlich in einen sehr schmalen Streifen über, der sich ver- breiternd in die Flosse des 1. Paares übergeht. Die Flossen liegen bei den Spiritusexemplaren in der Vertiefung der Seitenfelder, und daher ist die Vereinigung des 1. und 2. Paares nur bei einer Be- trachtung des Tieres von der Seite sichtbar. Die Schwanzflosse hat die Gestalt eines fast gleichseitigen Dreiecks, dessen Basis ein wenig eingebogen erscheint. Ihre Länge ist 0,9 mm, die Breite 0,8 mm. Die Flossen besitzen scharf ausgeprägte Strahlen, die von der Basis auslaufen. Der Kopf ist breit und kurz. Die Epidermis hinter dem Kopfe ist verdickt. Die Rumpfmuskeln sind im hintern Teile stärker entwickelt. Die Seitenfelder werden, je mehr sie sich dem Kopfe nähern, desto breiter, verschwommener und treten nicht so deutlich hervor. Die Tastorgane sind gleichmäßig entwickelt über den ganzen Rumpf hin. Eine Corona ciliata wurde nicht ge- funden. Darmdivertikel fehlen. Die Greifhaken sind dick, mit kurzen, nicht gebogenen Spitzen; ihre Ränder sind glatt. Die Zähne der vordem und hintern Reihe sind von gleicher Länge und enden in einer flachen, gezähnelten Spitze. Die Linien ihrer Verteilung bilden einen spitzen Winkel, der nach der Rückenseite often ist. Die Vestibularorgaue sehen walzenförmig aus; die innere Partie dieser Walze stellt eine Reihe zusammengeflossener Wärzchen dar, so daß das ganze Gebilde wie eine gezähnelte Walze aussieht. Formel: 7^|=Jg. Fundort: Japanisches Meer, 38» 12' n. Br., 130" 55' ö. L. 22 P' Galzow, Sciffitta elegans Vereill. Nur 1 Exemplar aus dem Gefäß No. 14. Etikette: Petropawlowsk, 5. Oktober 1892. Dr. Sljunin. Länge des Körpers 20 mm; Schwauzabschnitt 5 mm. Die Seitenflossen vereinigen sich nicht. Das 1. Paar erreicht nicht die Höhe des Bauchganglions; das 2. Paar ist länger als das 1. und liegt mit seinem größern Teile auf dem Rumpfe. Die Schwanz- flosse ist breit, dreieckig, mit abgerundeten Rändern. Die Epidermis hinter dem Kopfe ist ein wenig verdickt. Die Tastorgane sind ziemlich dünn verteilt. Die Seitenfelder sind schmal. Der Darm- kanal bildet 2 Divertikel in seinem vordem Teile, die external ge- richtet sind. Die Ovarien sind sehr kurz. 5 Formel: IOt-t • 14 Zur Bestimmung dieser Art benutzte ich die von Conant (7) gegebene Beschreibung. Diese letztere ist sehr unvollständig, da ich aber leider nur 1 Exemplar von S. elegans zur Verfügung hatte, so kann ich sie nicht erheblich vervollständigen. Fowler (11) meint, daß S. elegans Vereill = S. arcfica Aueiv. = S. falcidens Leidy sei. Tatsächlich sind die von den Autoren aufgeführten Diagnosen dieser Arten höchst unvollständig, was zu der Annahme Veranlassung gibt, daß wir es hier mit einer Art zu tun haben. Fowlee nimmt die Identität dieser Arten deshalb an, weil ihre Formeln einander so nahe stehen. Ich denke aber, die Frage wird einstweilen oifen bleiben müssen. Ungeachtet der Verwandtschaft der Formeln dieser Sagitta- Arten können wir nicht eher entscheiden, ob sie identisch sind oder nicht, als bis uns andere Eigentümlich- keiten ihrer Organisation bekannt geworden sind, wie z. B. die Corona ciliata, die Tastorgane usw., die eine größere oder ge- ringere systematische Bedeutung haben. Es ist möglich, daß wir es hier mit verschiedenen Arten zu tun haben, die aber in höchstem Grade oberflächlich beschrieben worden sind, weshalb sie uns auch identisch erscheinen. Fundort: Petropawlowsk. Bisher war diese Art von Wood's Holl (Ostküste von Nordamerika) bekannt. Chaetognatha der pacifisch-borealen Subregiou. 13 Saf/itta ffJacialis Moltsch. Diese Art wurde in einer Anzahl von 427 Exemplaren in den Gefäßen Xo. 46 und No. 53 gefunden. Etikette: No. 46, Traverse des Cap Chronozkij, 6. August 1892. 54» 52' n. Br., 130" 28' ö. L. Dr. Sl.juxin. Etikette : Gefäß No. 53, Nähe von Riziri und Kebumziri, 6. Juli 1892. 8 Uhr abends. Dr. Sljunin. Von den 427 Exemplaren befanden sich 425 im Gefäß No. 53 und nur 2 im Gefäß No. 46. Alle Exemplare sind nicht geschlechtsreif. Länge des Tieres 18—19 mm (erwachsene Stücke erreichen 39 mm). Der Schwanzabschnitt, der scharf vom Rumpfe abgesetzt ist, erreicht etwa 4 mm. Die Seiten- und Schwanztiossen unter- scheiden sich in nichts von Moltschanow's Beschreibung. Der Kopf ist etwas kürzer als bei erwachsenen S. glacialis. Das Verhältnis der Breite des Kopfes zur Länge ist nach Moltschanow 1 : 1,5, bei unsern Exemplaren aber 1 : 1,2. Der Körper des Tieres ist musku- lös, und die Seitenfelder sind gut entwickelt. Hinter dem Kopfe findet eine sehr kleine Verdickung der Epidermis statt. Tast- organe fehlen. Der Darmkanal bildet 2 Divertikel in seinem vordem Teile. Diese Divertikel liegen unmittelbar hinter dem Ein- tritt des Schlundes und sind nach außen gerichtet. Der Schlund ist vor dem Eintritt in den Darm stark erweitert. Die Greifhaken sind nicht stark gebogen, mit einer kleinen Spitze. Ihre Innen- wand ist glatt. Die Zähne der hintern Reihe sind bedeutend höher als die der vordem, ihre Spitzen sind stumpf. Die Zähne der obern Reihe haben eine breite Basis, ihre Spitzen sind etwas abgestumpft. Die Vestibularorgane haben das Aussehen einer kleinen Walze mit leicht gewelltem obern Rande. Formel: 9^^^ — va- 13—14 Fundort: Japanisches Meer. Bisher war S. glacialis aus dem Weißen Meer und dem Barents- See bekannt. Sagitta flaccida Co^üa^t? = in fiata Gkassi? Diese Art wurde nur in 2 Exemplaren in den Gefäßen No. 16 und No. 46 g-efunden. 14 P- Galzow, Gefäß No. 16. Etikette: Beringstraße, 50° 20' n. Br., 157^4' ö. L., 1892. Dr. Sljunin. Gefäß No. 46. Etikette : Traverse des Cap Chronozkij. 54'' 52' n. Br., 163^28' ö. L., 6 August 1892, Dr. Sljunin. Beide Exemplare nicht geschlechtsreif. FowLER hält S. flaccida Conant für identisch mit S. inflata Grassi. In der Tat ist Conant's Beschreibung sehr kurz, und da- her ist eine derartige Annahme wohl möglich. Unsere Exemplare unterscheiden sich deutlich von S. inflata Grassi und sind vielleicht tatsächlich S. flaccida Conant, obwohl sie ein wenig von Conant's Beschreibung abweichen (7). Länge des Körpers etwa 22 mm. Schwanzabschnitt 4 mm. Die Seitenflossen sind deutlich getrennt. Das 1. Paar ist schwächer und kürzer als das 2. und erreicht nicht die Höhe des Bauch- ganglions. Das 2. Paar ist breiter als das 1. und liegt größten- teils auf dem Rumpfe. Die Schwanzflosse hat das Aussehen eines breiten Dreiecks. Der Rumpf besitzt eine schwachentwickelte Muskulatur, die aber dennoch schärfer ausgeprägt ist als bei S. inflata Grassi. Die Seitenfelder sind breit. Der Kopf ist breit, aber etwas länger als bei S. inflata. Die Epidermis hinter dem Kopfe ist nicht verdickt. Die Tastorgane sind sehr locker verteilt. Der Darm bildet 2 nach außen gerichtete Divertikel. Die Greif- haken sind stark gebogen, mit nicht gebogenen Spitzen; ihr Innen- rand ist glatt. Die Zähne der vordem Reihe sind von ungleicher Größe; die Innern sind fast doppelt so groß wie die äußern. Die hintern Zähne sind gleichlang. Die Spitzen der Zähne sind stumpf. Vestibularorgane fehlen. 6 5 Formeln: 9^^, 9-^- Fundort: Sacfitta flaccida Con. wurde früher von Bimini, Ba- hamas, beschrieben. Unsere Exemplare stammen aus der Bering- straße und dem Beringsmeer. Bei der Bestimmung der Sagitta- Arten hielt ich mich an Langer- hans' System und das Strodtmann's, da es das bequemste und allgemein angenommene ist. Nach diesem System haben wir fol- gende Diagnose der Gattung Sagitta: Genus Sagitta. „2 Paar seitliche Flossen. 2 Reihen Zähne. Keine oder nur unbedeutende seitliche Verbreitung der Epidermis." Obwohl dieses System seine Mängel besitzt, auf die schon ver- Chaetognatha der pacifisch-borealen Subregion. 15 schiedene Autoren hingewiesen haben, so bleibt es dennoch das beciuemste, bequemer z. B. als das System von Grassi. In letzter Zeit hat Abkie (1) eine neue Klassifikation der Chaetognathen vorgeschlagen, die ausschließlich auf Lage, Form und Grijße der Flossen basiert ist, v^obei er wünscht, daß alle bestehenden Gattungs- benennungen geändert und durch neue ersetzt werden. Dieses System hat im Vergleiche zum bestehenden keinerlei Vorzüge und bringt nur einen unnützen Wirrwarr in die Systematik hinein, um so mehr, als sein eigner Urheber seine Künstlichkeit anerkennt. „Ces series morphologiques" — schreibt Abrie hinsichtlich seiner Unterabteilungen der Chaetognathen — „ne representent nullement des series evolutives reelles. II est parfaitement impossible d'en eta- blir de telles par l'etude des variations d'un seul organ . . ." In diesem Falle sehe ich also keine Notwendigkeit, das alte System durch ein neues zu ersetzen. Gegenwäi'tig ist die Bestimmung der Arten der Gattung Sa- yitta in bedeutendem Maße erschwert dadurch, daß wir neben gut beschriebenen Arten (valid species — wie Fowler sagt [11]), wie z. B. S. hexaptera d'Oeb., S. bipunctata Q. et Gaim,, S. macrocephala FowL. und andern, eine ganze Reihe sehr oberflächlich beschriebener Arten haben. Abgesehen von den unvollständigen Beschreibungen neuer Arten, stellen die Autoren sehr oft eine neue Art auf, indem sie ganz verschiedene Merkmale zur Grundlage ihrer Ansicht nehmen, was die Bestimmung noch mehr erschwert. Andrerseits sind die verschiedenen Merkmale, die zur Abtrennung einer Art von der andern angewandt wurden, nicht gleichwertig vom Standpunkte der Systematik aus. Infolgedessen erreichte die Syuonymie eine hohe Entwicklungsstufe.^) In der beigegebenen Tabelle will ich versuchen, alle Scujitta-Arten (außer einer) zu vereinigen, wobei ihre Beschrei- bung nach einzelnen Merkmalen, die in vertikalen Kolonnen unter- gebracht sind, geordnet wurden. In der horizontalen Reihe sind die verschiedenen Merkmale enthalten, die von verschiedenen Autoren angegeben wurden. Die neben der Artbenennung stehenden Zahlen weisen auf die Arbeiten hin, denen die Beschreibungen entnommen wurden. In einigen Fällen mußten, um den Umfang der Tabelle nicht allzu groß werden zu lassen, mehrere Merkmale in einer Ko- lonne vereinigt w^erden. So wird in der Rubrik „Form des Kopfes" oft auf das Vorhandensein oder Fehlen des Halses hingewiesen. 1) Die letzte Zusammenstellung in dieser Sache gab FowLER (11). Iß P. Galzow-, Eine derartige Zusammenziehung ist sehr wohl möglich, da beide Merkmale einander gleichsam ergänzen. Manchmal konnte die Be- schreibung nicht in ihre Bestandteile zerlegt werden, daher wurden solche Ausdrücke wie „schlaffes Aussehen" oder „straffes Aussehen" auf einige entsprechende Kolonnen verteilt. Der Zweck dieser Tabelle ist, die Diagnose aller Arten von Sagitta^) nach Möglichkeit zu vergleichen. Ein solcher Vergleich zeigt deutlich, ob wir es mit einer „valid species" oder mit einer „doubtful species" zu tun haben, und erlaubt zu gleicher Zeit, die Wichtigkeit des einen oder andern Merkmals zu erkennen, wie sie von den verschiedenen Autoren aufgefaßt wird. Welche Merkmale vom sj^stematischen Standpunkte aus als die wichtigern anzusehen sind, das ist eine Frage, die wir gegen- wärtig nicht endgültig gelöst sehen. Aus der beigegebenen Tabelle ist ersichtlich, daß einige Merkmale nur für einzelne Arten ange- geben sind, bei der Beschreibung anderer Arten aber gar nicht aufgeführt werden. Solches sind z. B. die Tastorgane, das Nerven- system u. a. (siehe die Tabelle). Zuweilen besteht die ganze Be- schreibung in einem Hinweis auf ein oder zwei Eigentümlichkeiten, wie z. B. die Beschreibung von 8. rapax Molt., S. melanognatha Molt., S. Orientalis Molt. (19). Daher ist es sehr schwer zu entscheiden, wie weit irgendeine Eigentümlichkeit des Baues einer Sagitta wichtig ist, da das in einem Falle aufgeführte Merkmal in einem andern uns unbekannt bleibt. Infolge einer so kurzen und unvoll- ständigen Beschreibung kann man zuweilen die Frage nach der Identität der Arten nicht entscheiden. Fowlee (11) nimmt auf Grund der Übereinstimmung der Formeln an, daß S. arctica Aue., S. eJegans Voe., S. falddens Leydy identisch sind und das S. flaccida identisch ist mit S. inflata Geassi und mit S. gardineri Donc. Ich glaube aber, daß im gegebenen Falle die Übereinstimmung in der Formel allein noch nicht genügt und die Frage nur durch das Studium aller Merkmale dieser Arten an einer großen Zahl von Exemplaren entschieden werden kann. Die Identität von S. hexaptei-a d'OEB. mit S. tricuspidata Kent, und S. magna Lang, von S. lyra Keohn mit S. furcata (22) und von S. inflata Geassi mit S. brachycephaJa Molt. (22) ist gegenwärtig 1) Sagitta srrrulata Cleve wurde nicht in die Tabelle aufgenommen, da mir die Arbeit, in der sie beschrieben ist (Planeten of the Africa Seas, -Vol. 2. 1905) nicht zuffängrlich war. Chaetognatha der pacifisch-borealen Subregiou. 17 nachgewiesen, und cliesö Arten sind in die Tabelle nicht aufgenonimen worden (natürlich mit Ausnahme von S. hexaptera, lijra und inflata). Alle Sagitten können in 2 Gruppen geteilt werden, die sich durch den Habitus unterscheiden. Das sind die Sagitten vom Typus der hexapiei-a, inflata, die ein „schlaffes Aussehen" haben, und vom Typus hqmnctafa und pJandonis, die ein „straffes Aussehen" haben. Andrerseits aber werden diese 2 scharf ausgeprägten Typen durch Zwischenformen verbunden, wie z. ß. S. flaccida Con., und außerdem werden auch in einander näher stehenden Gruppen einige Arten als Übergangsformen anzusehen sein, wie z. B. S. ganlineri Donc, die zwischen S. hexaptera und S. inflata steht. Infolge einer so nahen Ähnlichkeit muß die Artunterscheidung auf dem Studium aller Merkmale aufgebaut werden, und es können nicht nur allein Hin- weise auf einzelne Eigentümlichkeiten miteinander verglichen wer- den. Nur in diesem Falle werden die Unterscheidungsmerkmale jeder Art klar werden. Als die wichtigsten Merkmale erscheinen meiner Ansicht nach folgende : 1. Die relativen Maße des Schwanzabsclmittes des erwachseneu Tieres und seine Gesamtlänge. 2. Die relativen Maße, die Lage und Form der Seitenflossen. 3. Die Form und Lage der Schwanz- flosse. 4. Das allgemeine Aussehen des Eumpfes: seine Form, die Muskel- und Seitenfelder. 5. Die Form des Kopfes und sein Ver- hältnis zum Rumpfe (der Hals). 6. Die Collarette - Verdickung der Epidermis. 7. Die Tastorgane. 8. Die Corona ciliata. 9. Zahl und Bau der Greifhaken und Zähne. Die übrigen Merkmale, die Vestibularorgane, die Divertikel, die Geschlechtsorgane sind weniger wichtig in systematischer Hinsicht. So erscheinen die Divertikel als ziemlich unbeständige Gebilde. Schon CoNANT (7) wies darauf hin, daß bei S. eJegans Veee. die Divertikel sowohl nach außen wie nach innen liegen können. Fo^vLER (11) hob hervor, daß diese Gebilde fast ganz unsichtbar werden können, in Abhängigkeit von der Verkürzung des Kopfes. So muß man denn zugeben, daß sie keine systematische Bedeutung besitzen. Die Geschlechtsorgane können einen verschiedenen Bau haben, je nach dem Moment, in dem das Tier gefangen wurde, und solche Merkmale wie die Länge der Ovarien und die Größe und Form der Samenblasen können sehr stark variieren. Wie weit bei Zool. Jabrb. XXYIII. Abt. f. Syst. 2 Jg P. Galzow, den verschiedenen Arten der Bau, die Lage und die Größe des Bauchganglions beständig sind und welche Bedeutung dieses Merk- mal hat, das ist eine durchaus nicht geklärte Frage, und darüber läßt sich nichts sagen. Fowler wies in seinen Arbeiten zuerst darauf hin, wie wichtig das Studium der Zahl der Borsten und Zähne im Zusammenhang mit der Länge des Tieres und den relativen Massen des Schwanzabschnittes sei. Es stellt sich heraus, daß in Abhängig- keit von der Länge des Tieres sein Schwanzabschnitt variiert (bei kleinen Exemplaren relativ größer wird), ebenso die Zahl der Borsten und der Zähne (die Schwankungen dieser Zahlen sind nicht be- stimmt). So ist z. B. bei /S. zetesios Fowl. bei verschiedener Größe des ganzen Körpers — von 5 — 18 mm — der Schwanzabschnitt 0,28 bis 0,40 der ganzen Länge (bei kleinern Stücken mehr), die Zähne der vordem Reihe 3 — 10, der hintern Reihe 5 — 32 und die Greif- haken 9 — 11. Bei S. dedpiensYo^xij. beträgt die Schwanzflosse 0,25 bis 0,40 der Gesamtlänge, bei allgemeiner Größe des Körpers von 6—11,5 mm, die Zähne der vordem Reihe 5 — 10, der hintern 12 bis 18, die Greifhaken 5—6. Somit kann die in der Diagnose als Merk- mal aufgeführte relative Länge des Schwanzabschnittes nur in Be- ziehung auf Exemplare von bestimmter Länge Bedeutung haben. i) Die Lage und Größe der Seitenflossen kann ebenfalls stark abändern — ein Beispiel dafür bildet S. levis, wo bei ganz er- wachsenen Exemplaren die Lage des 1. Flossenpaares ziemlich un- bestimmt ist, und S. lyra Krohn, wo die Lage der Flossen sich je nach dem Alter sehr stark verändert (22). Wie variabel die an- dern Merkmale sind, dafür haben wir keine irgendwie bestimmte Angaben, Wir sehen, daß in dieser Gruppe sogar die wichtigsten Merk- male (vom systematischen Standpunkte) bedeutenden Schwankungen unterworfen sind. Wir treffen hier auf eine scharf ausgeprägte Unbeständigkeit der Artmerkmale, so daß die Grenzen jeder Art gleichsam verschwimmen und sich verwischen. Folglich muß auch das Studium der Systematik von Sagitta in dieser Richtung geführt werden, zu welchem Zwecke an einer großen Zahl von Exemplaren die Hauptmerkmale so untersucht werden müssen, wie es Fowler 1) Bei der Beschreibung der neuen Arten konnte ich diese Methode nicht anwenden, da die Exemplare sich stark im Spiritus gebogen hatten, was bei der geringen Größe des Körpers den Messungsfehler hätte zu groß werden lassen. :i K l!ä1 ' IUI - ii' 1 U 1 11 !■=' 1 I m 11 51 1 1 j i 1 ^ \ J ^1 '■^i lii = 1 lll 1 lll ifi ä-S- =■5! igä lll ' i Is iS IJl < Ii h - Ilil . - ; i 1 S5 1 1 ' 1 ||l i 1 i 1 11 1 ^ j > ' Ii 1 ' 1 - 1 1 - 1 ' 1 = Ii '^ 1 1 j ||t 1^ 1 liläi 1 i !I3 l i ' 1 f 1 1 sl f 1 jii j fti ' 1 II 1 1 ' 1 ll 11 ' lll ll i 1- |l 1 1 j 1 1 1 % f i 1 { 1 I'I ' 1 1 iilll 1 i iii m 1 1 1 ! jl i lfj|= 1 1 i-i 1 ' 1 MI = t." ■ l — 1 1 1 1 lllj„ i 1 ! 1 t'i ¥1 II 1 1 1 1 3 1 1 1 1 1 ä 1 ä s 1 1 i" 1 ' j Ilil 1 i *;-.= t. -i 1 11 lii 1« % ii 1 ll 1 1 1 1 1? 1 1 II j »1 il m 1 1 ' 1 ll if Ij T-fl ll iJ 1 1 1 1 ' ' jft ^> = l°'^lS i'^i' |ii ' 1 5s__ ■ 1 ^ 1 j!| 1 äs 3 Pj } 1 1 S i ll II Hl 5 r 1° i f. 1 1 ll 1 II i^ 1 l|i ir 1,« II 11 |S BS Ii lii lll il ll 1 f 1 1 1 ^1 1 !i 1 1 'i 1 1 ll i ~ ? il ' { 1 1 ~ s p i 8 1 '5 il i — s 1 j 1 1 1 lii ^3 5 kr 1 1? 1.- liS.|_ il s II || 1 1 ll Pi lll 1 1 'Sil l|l Uli 1 1 1 1 i|l 1 ■£ef i||| ' 1 ' 1 1' I-: ll 1 1 llli i 1 Ii: 1 1 1 1 tili ii SS 1 1 ' litl Pll 5||l 1 jlf 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 i|i |-|s 1 l- if 1 II a 1 41 ' ll ilil 1 1 1 Hl Uli ■2 1 l-|si sä-S" 1 1 B i 3 1 1 1 sii ifl PI ' 1 i^fl =ili 1 1 äi litl 1 II»! jpl fii ijiil' Sil Pi 1 1 y ' 4 If j T f ilil 1, == !!!=' -' s 'l :^ 1 = f ^^ 5 - 1 f i|i s s- ' 'S ! j ^ 1 ■ 1 ? =1 ° 7 . s s 3 1 3 - t S s ^ - ^ = 2 ! ^^ i < 8 1 1 1 1 i 1 1 1 1 1 i |i j i 1 J ■i % 1 1 5 1 1 i 1 1 i 1 i ^ 1 3 ■| IS- IS ll 1 15 1 ; 1 1 1 ! 1 ' ll ^ tili l'2 |_ 1 jlj 1 ■ 1 iW|l ll il 1 ii IUI ii II 1 1 s tri! 1 j Ii 1 11 j s 1 1 1 i|4 lli! 3 1 1 mm 1 1 1 ' i ' 2-1 " 1 II il ^1 II 1 l3s ' 1 = 3 _ III 1 1 1 ■13 1 ' 1 1 II 1 ;"' 1 n ?! = J J, 7 s I 7 I =1* 7 i 7 l ^ " i il 1 " i 5 - 2 ' i i 1; l ! 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Koshewnikow, für seine bestän- digen Hinweise und sein lebhaftes Interesse für meine Arbeit aus- zusprechen. 2* 20 P- Gälzow, Literaturverzeichnis. 1. Abrie, M, Paul, Sur la systeraatique des Chaetognathes, in: CR. Acad. Sc. Paris, 1905, Vol. 141, p. 222—224. 2. AlDA, T., Chaetognaths from Misaki Harbor, in: Annotationes zoologicae Japonenses, Vol. 1, 1897. 3. AuEiviLLius, Cael W. S., Das Plankton der Baffins Bay und Davis' Strait, in: Zoologische Studien, Festschr. LiLLJEBOEG, 1896. 4. Beraneck, Ed., Les Chaetognathes de la Baie d'Amboine, in: E,evue Suisse Zool., Vol. 3, 1895. 5. Beoch, Hjalmar, lieber die Chaetognatben des Nordmeeres, in: Nyt Mag. Naturv., Kristiana, Vol. 44, 1906. 6. CoNANT, F. S., Description of two new Chaetognaths, in : Ann. Mag. nat. Hist. (6), Vol. 16, p. 288—292. 7. . — , Notes on the Chaetognaths, in : Johns Hopkins Univ. Circ, Vol. 15, No. 126, 1896, p. 82—85. 8. 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Vordere Zähne. Zeiss Obj. A, Ok. 4. 97: 1. Fig. 10. Sagitta longicauda n. sp. Hintere Zähne. Zeiss Obj. A, Ok. 4. 97 : 1. Fig. 11. Sagitta japonica n. sp. 10:1. Fig. 12. Sagitta japonica n. sp. Kopf. Zeiss Obj. A, Ok. 4. 97: 1. Fig. 13. Sagitta japonica n. sp. Mittlerer Greif haken. Zeiss Obj. A, Ok. 4. 97:1. Fig. 14. Sagitta japonica n. sp. Hintere Zähne. Zeiss Obj. A, Ok. 4. 97 : 1. Fig. 15. Sagitta japonica n. sj). Vordere Zähne. Zeiss Obj. A, Ok. 4. 97 : 1. Fig. 1, 6 und 10 sind schematisch, die übrigen mit Abbe's Zeichen- apparat gezeichnet (Fig. 2, 7 und 12 von 0. Romanova, die übrigen vom Verfasser). Nachdruck verboten. Vbcrsctzungsrecht vorbehalten. Beiträge zur Biologie und Entwicklungsgeschichte des Alpensalamanders (Salamandra aträ Laur.). Von Dr. med. Haus Wunderer in Lieiiz (Tirol). Mit 2 Äbbildnngen im Text. Seit dem Jahre 1903 war ich bemüht, die Entwicklungsg-eschichte des Alpensalamanders {Salamandra atra Laur.) zu erforschen. Trotz zahlreicher, oft recht erfolgreicher Exkursionen wai- ich erst im ver- flossenen Jahre zu einem Abschlüsse der ^^orarbeiten gekommen. Das Sammeln eines ausreichenden Embryonenmaterials dieses eigenartigen Urodels war eine schwierige technische Arbeit. Einmal ist der zwar stellenweise häufige schwarze Salamander nur in verhältnis- mäßig wenigen und meistenteils höher gelegenen Orten zu finden ; dann ist er nur während warmen Kegens oder nach demselben in größerer Anzahl außerhalb seiner Sclilupfwinkel anzutreffen; bei kühlem Regenwetter oder bei Wind erscheint er nicht; gerade diese Eigentümlichkeit des Tieres habe ich oft unangenehm empfunden, wenn ich nach mehrstündigem nächtlichem Marsche bei Morgen- grauen an von Alpensalamandern reichbevölkerten Orten die „Regen- mannln", wie sie in der Umgebung von Lienz heißen, außerhalb ihrer Schlupfwinkel nicht auffinden konnte; manchmal entschädigt einen aber doch das eine oder andere trächtige Weibchen, das man unter Steinen oder Holz- und Rindenstücken hervorholt. Der schlimmste t^belstand aber war, daß über die Fortpflanzungszeit und Trächtiofkeitsdauer des schwarzen Salamanders nichts Verlaß- 24 Hans Wunderer, liclies bekannt war, so daß icli notgedrung-en mir zuerst über diese biologischen Fragen Klarheit verschaifen mußte, um rationell und planmäßig das Embrj'onenmaterial sammeln zu können. Meine Be- mühungen Avaren so erfolgreich, daß ich nicht nur in diesen bio- logischen Fragen zu greifbaren Kesultaten kam, sondern auch das für eingehende embrj^ologische Untersuchungen nötige Material sammeln konnte. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen über bio- logische Fragen finden in vorliegender Abhandlung ihren Platz, während die Ergebnisse der morphologischen Untersuchungen später zur Veröffentlichung gelangen. In vorliegender Arbeit kommen hauptsächlich folgende, die Entwicklungsfrage des Alpensalamanders betreffende Punkte zur Sprache: 1. Die Fortpflanzungszeit und die Trächtigkeitsdauer. 2. Anomalien der Fortpflanzung. 3. Das Embryonalei und die Embryotropheier. 4. Die phylogenetische Stellung des Alpensalamanders. Einzelheiten, welche nur zur Erläuterung der erwähnten Punkte dienen oder andere Fragen betreffen, werden, soweit sie in die Haupt- abschnitte nicht eingeflochten sind, als Anmerkungen und Noten im Anhange mitgeteilt. Die eckig eingeklammerten Zahlen des Textes verweisen auf die betreffende Note. Es gliedert sich somit vorliegende Arbeit in zwei Haupt- abschnitte ; dem geschichtlichen I. Hauptabschnitte folgt der IL Haupt- abschnitt, welcher die eignen Untersuchungen und kritischen Be- merkungen in obigen Fragen enthält; diesem ist dann der Anhang, eine Zusammenfassung der gewonnenen Resultate und das Literatur- verzeichnis angefügt. Bei Beschattung des nötigen Untersuchungsmaterials kam mir hauptsächlich der Umstand zugute, daß ich von meinem jetzigen Aufenthaltsorte (Lienz in Tirol) aus Gelegenheit hatte, den Alpen- salamander in seinen Standorten fortgesetzt zu beobachten. Von Herrn Hermann v. Eelach, mag. pharm, und stud. phil. aus Lienz, hatte ich nämlich erfahren, daß in der sogenannten Galitzenklamm sich reichlich schwarze Salamander finden; diese Mitteilung, für die ich dem genannten Herrn meinen wärmsten Dank ausspreche, fand ich in reichem Maße bestätigt. Allein und vielfach auch im Vereine mit meinem Bruder habe ich dort und andernorts reichlich Material [1] gesammelt. Meinem Bruder Wilhelm Wundeeer, stud. med., sage ich für seine Bemühungen ebenfalls meinen besten Dank. Entwicklungsgeschichte des Alpensalamanders. 25 I. Geschichtliclier l berblick. Seit dem Erscheinen der Arbeiten, welche v. Schreibers (1819 1833) veröffentlichte, ist es bekannt, daß Salamandra aira abweichend von Salamandra maculosa nur 2 lebende Junge zur Welt bringt, ob- wohl angeblich annähernd dieselbe Zahl von Eiern in die Eileiter treten. Die 2 bevorzugten Eier (Enibrj'onaleier nach Czeioiak), je 1 in jedem Uterus, einer p]rweiterung des Oviducts, entwickeln sich anfänglich innerhalb einer Gallerthülle, wie sie bei andern Urodelen sich findet (Schwalbe's 1. Embryonalstadium); nach Sprengung der Gallertliülle nährt sich der Embryo hauptsächlich durch Verschlucken der rahmartigen Masse, die durch Konfination aller übrigen in den Oviduct gelangten Eier (Embrj'otropheier nach Czermak) entstanden ist (Schwalbe's 2. Entwicklungsstadium). Ist der Dotter vollkommen aufgezehrt, verbleibt der Embryo noch bis zur Vollendung seines Larvenlebens im Uterus und findet dort jedenfalls teils vermittels der Kiemen aus dem flüssigen Uterusinhalte und der Uteruswand, teils vermittels des Darmes aus dem im Darme aufgestapelten, ver- schluckten Dottermaterial seine Nahrung (Schwalbe's 3. Entwicklungs- stadium). Gegen Ende dieser Entwicklungsepoche verliert die Larve die Kiemen und wird dann als bereits fertiger, etwa 50 mm langer Erdsalamander geboren. 1. Die Fortpflanzungszeit und die T r ä c h t i g k e i t s d a u e r. Über die Trächtigkeitsdauer finde ich in der Literatur folgende Angaben vor: Nach V. Schreibers (1833) ist die Dauer der Trächtigkeit bei Salamandra atra „ungleich länger oder beinahe noch einmal so lang" wie bei Salamandra maculosa,, da die Jungen so lange im Mutterleibe verbleiben, bis sie ihre ganze Metamorphose vollendet haben, ferner weil die Stadien der Entwicklung des Eies und des Embryos in den Eiergängen dieselben sind wie die des gefieckten Salamanders, und deren Entwicklungsdauer „wohl ebensolange währe" (p. 534). Sala- mandra macidosa gebiert nach diesem Autor „wie es scheint mehr- mals im Jahre vom May bis September" (p. 529). Es würde nach diesen Angaben also eine Trächtigkeitsperiode wohl weniger als 1 Jahr dauern. CzERMAK (1843, p. 8) berichtet, „daß jedes Salamanderweibchen jährlich wenigstens zwei Trachten zu vollenden im Stande sey, und 26 Haxs Wundeeer, daß die zweite Tracht in vielen Fällen ohne neuerdings erfolgte Begattung vor sich gehen könne." [10] Zu diesem Schlüsse wurde der Autor einerseits durch direkte Beobachtungen, welche nicht weiter erörtert sind, andrerseits dadurch bestimmt, daß noch während des Forschreitens der Entwicklung des Embryos im Uterus neuer- dings eine bestimmte Anzahl von Ovarialeiern zu wachsen beginne und sich zu einer neuen Einsaat [2] verbreite, „die wohl kurz nach der Geburt des entwickelten Thieres erfolgen mag". Außer Zweifel aber werde letztere Behauptung dadurch gesetzt, daß mehrere Weibchen, nachdem sie im Monat Mai geboren hatten, vollkommen abgeschlossen wurden und abermals im Verlaufe des Sommers Embrj'- onen in verschiedenen Entwicklungsstadien in sich trugen. V. Siebold (1858) schließt sich den Angaben Czeemak's, daß Weibchen von Salamandra atra jährlich wenigstens zweimal trächtig sein können, vollkommen an. Auch sagt er, „daß sich der Geburts- akt von nur zwei Jungen bei Salamandra atra während eines Jahres wahrscheinlich mehrmals wiederholt" und daß in dem langen Zeit- raum von 12 Monaten „mehrmals hinter einander in jedem Ovarium die beträchtliche Summe von je 50 bis 60 Eiern zur Reife" (p. 466) kommt. Einzig dürfte v. Siebold mit seiner Angabe dastehen, daß „den Winter über eine zweite Trächtigkeit" (p. 474) stattfinden könne. Nach V. Chauvin (1877) gebiert das Weibchen des Alpensala- manders ,.im Laufe des Jahres, zur warmen Zeit, mehrere Male, wahrscheinlich 2—3 Mal" (p. 327). WiEDERSHEiM (1890, p. 470) erwälmt , daß „der Eintritt der . . . Eier in den Oviduct . . . mehrmals vom Frühjahr bis tief in den Sommer hinein" erfolge, eine Copulation aber nur einmal und zwar im Frühjahre stattfinde. Schwalbe (1896, p. 343) scheint sich den Angaben Czermak's und V. Siebold's bezüglich der Trächtigkeitsdauer anzuschließen, ohne bestimmt seine Ansicht hierüber auszusprechen; denn er hält den von v. Siebold bei Salamandra atra, maculosa und Triton gemachten Befund, welcher die von lebhaft sich bewegenden Spermatozoen strotzenden Receptacula seminis betriift, für geeignet, die während eines Jahres wenigstens zweimal stattfindende Trächtigkeit des Alpen- salamanders ohne neuerlich erfolgte Begattung zu erklären. Kammerer (1903, p. 84) glaubt, „daß Salamandra atra nur in der Montan- und untern Alpinregion zweimal, in der höhern Alpin- und in der Schneeregion . . . unbedingt nur einmal gebären dürfte". Er stützt Entwicklungsgeschichte des Alpensahiinanders. 27 diese Ansicht damit, daß „unter naturgemäßen Bedingungen gefangen gehaltene Alpensalamander beweisen, daß das Weibchen zwei Trächtigkeitsperioden im Jahre" vollendet. „Es ist kaum denkbar, daß deren in der noch kürzeren, im P'reileben verfügbaren Zeit mehr ... zu Stande kommen.'' Wenn ich nun die vorliegenden, die Trächtigkeitsdauer be- treuenden Angaben zusammenfasse, so ist hervorzuheben, daß während eines Jahres als oberste Grenze für ein einzelnes Weibchen von Salamandra aira eine zwei- bis dreimalige Wiederholung des Ent- wicklungszyklus [3], als unterste Grenze in der Montan- und untern Alpinregion ein einmaliges Durchlaufen dieses Zj'klus angenommen wairde. Für die obere Alpin- und Schneeregion läßt sich die unterste Grenze nicht feststellen, da für diese Region nur ein ,, einmaliges Gebären" behauptet wurde, somit der Alpensalamander den Zyklus innerhalb eines Jahres oder — wie ich es eher auslegen möchte — innerhalb zAveier Halbjahre durchlaufen würde. Erst in diesem Falle wäre der Entwicklungszyklus von Salamandra aira analog dem von Salamandra maculosa, der in gemäßigten Regionen in der Regel an- fangs Juli trächtig wird und im Mai des nächst folgenden Jahres die junge Brut (allerdings als noch nicht fertige Erdsalamander) zur Welt bringt. In innigster Beziehung zur Frage über die Trächtigkeitsdauer steht die über die Fortpflanzungszeit. Für jene Autoren, welche eine mehrmalige Wiederholung des Entwicklungszyklus inner- halb eines Jahres annehmen, ist es selbstverständlich, daß der Alpen- salamander im Gegensatz zu andern Batrachiern an eine Fort- pflanzungszeit nicht gebunden ist, sondern sich diese zwanglos über die w^ärmere Jahreszeit ausdehnt. Eine bestimmte Fortpflanzungs- zeit könnte nach den bestehenden Angaben nur in jenem Falle in Frage kommen, in welchem ein Weibchen jährlich eine Trächtigkeits- periode vollendet. Allein Kammerer (1903), der den Salamander in der höhern Alpin- und untern Schneeregion nur eine Trächtig- keitsperiode im Jahre vollenden läßt, stellt eine bestimmte Fort- pflanzungszeit deshalb in Abrede, weil „das Vorkommen von geburts- reifen Embryonen im Uterus an keine bestimmte Jahreszeit gebunden ist" (p. 84). Es besteht somit in dieser Frage unter den Autoren vollkommene Einstimmigkeit. 28 Hans Wunderer, 2. Anomalien der Fortpflanzung. Vom normalen Befund, daß sich sowohl die beiden Ovarien als auch beide Uteri samt deren Inhalt auf annähernd gleicher Ent- Avicklungsstnfe finden, sind mannigfache Abweichungen bekannt geworden. So berichtet zuerst v. Schreibers (1833), daß zwar die Jungen eines Weibchens gewöhnlich auf gleicher Entwicklungsstufe sind; es komme aber auch vor, daß das eine nahezu geburtsreif ist(„pullus"), während das andere noch lange Kiemen besitzt („gjTinus"). v. Schreibers erklärt sich diese Anomalie dadurch, daß er annimmt, ein ursprüng- lich vorgereiftes Ei sterbe durch irgendeine Ursache ab oder werde an der Entwicklung verhindert, an seiner Statt aber komme später ein anderes Ei zur Entwicklung. Auch fand er in einem Eiergange 2, auch 3 in verschiedenem Grade entwickelte Eier, während „alle übrigen bereits mehr oder weniger verdrückt und verunstaltet oder zum Theil schon zusammengeflossen waren" fp. 531). CzERMAK (1843) fand „ein einziges Mal zwei halbentwickte Embry- onen im rechten Uterus, wovon der eine sehr verkümmert und todt war" (p. 3, Anm.). Ferner berichtet er von einem einzelnen Fall, „daß in einem Uterus ein beinahe vollkommen entwickelter Embryo enthalten war, während der andere einen kaum der Hülle ent- schlüpften trug" (p. 9). Wenn ich Czermak recht verstehe, führt er diese Anomalie darauf zurück, daß durch vorzeitige Geburt des Embryos der einen Seite das Ovarium derselben Seite seine Tätigkeit wieder aufgenommen habe und es zu einer Ablösung von Eiern ge- kommen sei zu einer Zeit, als im andern Uterus die Geburt des Embryos noch nicht stattgefunden hat. Auch V. Siebold (1858, p. 469) fand in einem Uterus „neben einem erwachsenen Embrj^o einen ganz mißgestalteten Embryo", der sich aus einem „unvollkommen befruchteten Ei" entwickelt habe. Nach Fatio (1872) entwickeln sich zuweilen in einem Uterus 2 Embryonen bis zu einer Größe von 12 — 16 mm, worauf dann der eine zugrunde geht, Schreiber (1875, p. 74) vermerkt: „Nur ausnahmsweise kommt es vor, daß zwischen der Geburt der beiden Embryonen ein längerer oder kürzerer Zwischenraum verfließt, was wahrscheinlich davon herrühren dürfte, daß von den bereits in der Entwicklung be- griifenen Eiern eines abstarb und dann das nächst folgende an seine Eutwicklimgsgeschichte des Alpensalaiuaiulers. 29 Stelle rückte. Avodurch dann dessen Ausbildunj^ gegenüber dem andein wahrscheinlich verspätet wurde." WiEDERsiiKTM (1890) traf in einem Falle 3. in einem zweiten sogar 4 Embryonen, je 2 auf jeder Seite, an. Schwalbe (1896) führt 4 Anomalien an: 1. Im linken Uterus normaler Befund mit einem Hauptembrj'o von 33 mm Länge, rechts nur ein 9 mm langer mißgebildeter Embrj'o ohne Kiemen in einer von Dotterbrei strotzenden Uterin anschwellung. 2. Beider- seits neben einem wohl ausgebildeten Hauptembryo ein mißgestalteter Nebenembryo. 3. Links ein nahezu reifer Hauptembryo, rechts im zerflossenen Dotterbrei ein von einer Eihülle umschlossenes, bei makroskopischer Betrachtung unentwickeltes Ei. 4. Rechterseits Uterus leer, linkerseits ein gelber Dotterkörper von 4 mm Durch- messer. Kammeeee (1903) fand (Tabelle B, p. 83) in Weibchen von Salamandra atra 3mal je 3 Embryonen und Imal 4 Embryonen, ferner 2mal 1 und Imal 2 Nebenembrj'onen ; allerdings ist das Verhältnis der Nebenembrj^onen zu den Hauptembryonen nicht angegeben. Außerdem gebaren 5 gefangen gehaltene Weibchen zusammen lOmal je 3 Embryonen und 3mal je 4 Embrj'onen, jedes- mal Frühgeburten; solche hatte er an 11 Weibchen zusammen 37mal beobachtet. Kammeeee hat also die zuerst von Wiedees- HEiM beobachtete Tatsache vom gelegentlichen Vorhandensein mehrerer lebender, normaler Embryonen bei 1 Weibchen (höchstens 2 in einem Uterus) in 17 Fällen bestätigt. 3. Das Embryonale i und die Embryotrop heier. V. ScHEEiBEES (1833, p. 530) hat die Frage, ob die Eier, welche später dem Embryo zur Nahrung dienen, befruchtet werden oder unbefruchtet bleiben, als unentschieden dahingestellt; nach diesem Autor bleiben sie wenigstens unentwickelt. CzEEMAK (1843, p. 11) hat in der Befruchtungs- und Entwick- lungsfrage folgende Möglichkeiten in Erwägung gezogen: 1. Daß die Lagerung des Fruchteies am Cloakenende des Ei- leiters der Entwicklung des Embryonaleies etwa durch leichten Zu- tritt der atmosphärischen Luft günstiger sein könne. Der Autor selbst stellt dieser Theorie die Einwände entgegen, daß vor dem EmbrA'onalei oft noch mehrere Embr3-otropheier liegen, dann, daß die Öifnung des Uterus während der ganzen Trächtigkeitsdauer fest und vollkommen verschlossen ist, endlich, daß die Fortleitung des 30 Hans Wunderer, Eies gegen die Cloake hin ihren Grund in der Veränderung des Eies selbst haben müßte, z. B. in differenter spezifischer Schwere. 2. Daß nur ein Ei befruchtet werde. Die Schwierigkeiten gegen diese Erklärungsweise seien, daß sich gerade diese Tiere durch eine ungeheure Samenproduktion auszeichnen. Die Annahme, daß den Tierchen etwa die Wahl eines Eies frei stehe, streite gegen alle Erfahrung, während die Annahme, daß das Ei eine besondere An- ziehungskraft zur Spermamasse habe, eine materielle Veränderung voraussetzen würde. 3. Daß dem Embryonalei doch eine bisher unbekannte Eigen- schaft in bezug auf seine feinste Struktur zukomme; diese Annahme sei wohl die wahrscheinlichste und könne mit der Zeit nur bestätigt werden. V. Siebold (1858) meint, daß durch die enge Umschnürung der Eier durch den Uterus die in diesen eindringenden Spermatozoen nur zu dem untersten gelangen könnten, so daß dieses allein be- fruchtet werde, die übrigen mithin unbefruchtet bleiben. Nach Fatio (1872, p. 505) werden 3 — 4 Eier befruchtet, welche bis auf eines später zugrunde gehen; die übrigen Eier bleiben un- befruchtet. Schwalbe (1896) ist im Gegensatz zu den anderen Autoren zur Anschauung gelangt, „daß alle in den Oviduct gelangenden Eier der Salamandra afra befruchtet werden und zwar im cranialen Ende des Oviduct, daß aber alle bis auf eins früher oder später in der Ent- wicklung zurückbleiben, um entweder frühzeitig zu zerfallen oder es noch zur Bildung kleiner Nebenembryonen zu bringen" (p. 380). Dieser Autor stützt seine Ansicht nicht mit Beobachtungen an Alpen- salamandern, die das 1. Stadium betreifen; denn diese hat er nie zu Gesicht bekommen. Maßgebend für ihn war die Angabe Czeemak's dieses Stadium betreffend, daß nämlich ursprünglich alle Eier einer Ovulationsperiode sich gleich verhalten und eine Hülle besitzen und daß erst später die im vordem Teile des Uterus befindlichen Eichen samt ihrer eiweißartigen Hülle einen Schmelzungsprozeß eingehen, der sich nach und nach auf alle Eichen, mit Ausnahme eines einzigen, am meisten nach rückwärts gegen das Cloakenende hin liegenden erstreckt. Die Beobachtungen Schwalbe's über den Alpensalamander betreffen nur das 2. und 3. Stadium. Von diesen hebt er das Vor- handensein von Zellkernen, welche in der Dottermasse gelegen sind, von WiEDEESHEiM aber auf Kerne roter Blutkörperchen bezogen werden, als maßgebend für die Ansicht hervor, daß auch die Em- Entwicklungsgeschichte des Alpensalaniaiiders. 31 bryotropheier nicht nur befruchtet worden sind, sondern sich sogar bis zu einer gewissen Stufe weiter entwickelt haben. Ausschlag- gebend scheint für ihn die schon von Czrümak festgestellte Tatsache gewesen zu sein, daß sich neben dem Hauptembryo liin und wieder ein Nebenembryo findet, also tatsächlich wenigstens 2 Eichen be- fruchtet worden sind. Diese Tatsache wird nun in eine Parallele mit dem Vorkommen von Abortivembryonen bei Salamandra maculosa gestellt. Kammeeer(1903) scheint die eben ausgeführte Ansicht Schwalbe's als Tatsache hingenommen zu haben; denn p. 5 schreibt er, daß alle in den Eileiter gelangenden Eier befruchtet werden; auch scheint er seinen „Versuch A" (p. 27) in dieser Annahme gemacht zu haben [4]. Die „Nebenembrj^onen" Schwalbe's nennt Kammerer „Abortiv- embryonen"'; unter den in der Entwicklung zurückgebliebenen und frühzeitig zerfallenden Eiern unterscheidet er solche, welche etwas länger erhalten bleiben; er nennt diese ..Abortiveier" (s. Abschn. I, 4). 4. Die phylogenetische Stellung des Alpensalamanders. Bezüglich der phylogenetischen Stellung von Salamandra atra und maculosa bestehen in der Literatur zwei eigentlich w^enig differente Anschauungen. Schwalbe (1896) leitet den Alpensalamander direkt von Sala- mandra maculosa ab, indem er ihn als eine „specifisch fixierte Kümmer- form" desselben bezeichnet. Kammerer (1903) tritt wenigstens an einigen Stellen seiner Arbeit für eine dichotomische Abzweigung ein, daß also beide eine gemeinsame Urform besitzen, die nach Kammerer lebend gebärend nach Art von Salamandra maculosa war. Mitunter vertritt dieser Autor allerdings ganz den ScHWALBE'schen Standpunkt, indem er von Salamandra maciüosa als der „hypothetischen Stammart" spricht; auch sagt er: „Daß Salamandra atra die höher differenzierte, phylo- genetisch jüngere Species ist, darüber kann kein Zw^eifel bestehen; Salamandra maculosa stünde somit der Stammart näher, falls sie nicht selbst die Stammart darstellt, von welcher die atra direkt abzuleiten wäre" (p. 97). Eine wichtige Eolle spielt bei beiden Autoren die Annahme, daß bei Salamandra atra alle Eier befruchtet werden; es komme aber zur Bildung dreier Entwicklungsformen: 1. zur Bildung eines, in seltnen Fällen zweier Hauptembryonen ; 2. zur Bildung eines oder mehrerer Xebenembryonen, d. s. mißgestaltete Embryonen. 3. Der 32 Hans Wunderek, größere Eest der Eier bringt es bis zu einer verhältnismäßig niedern Stufe der Entwicklung. Kammeeer unterscheidet unter letzern sogar neben den angeblich einige Furchungen durchmachenden, früh in Dotterbrei zerfallenden Eiern Abortiveier, die länger erhalten bleiben und in ihrer Entwicklung einige Furchungen mehr durch- machen. Die Unterschiede in der Fortpflanzung seien somit keine prinzipiellen, sondern nur graduelle. Nach Kammeüer spräche zugunsten der nahen Verwandtschaft beider Species das Vorhandensein annähernd der gleichen Zahl der Ovarialeier und bei Salamanda atra der Besitz mächtig entwickelter Kiemen, der ja „laut des biogenetischen Grundgesetzes darauf hin- deutet, daß diese Organe in einer früheren Zeitepoche demselben Zwecke gedient haben, wie noch heutigen Tags die der Maculosa- Larven, nämlich der Wasserathmung" (p. 25). Weitere Belege für seine Ansicht glaubt Kämmerer in der Tatsache zu finden, daß das Volumsverhältnis zwischen geburtsreifen Embryonen [5] und der Mutter bei beiden Species mit der vertikalen Höhe steigt, während die Zahl der Embryonen bei Salamandra maculosa abnimmt; bei Salamandra atra wäre ein Parallelismus hierzu in der Tatsache ge- geben, daß Weibchen mit mehr als einem Embryo in einem Uterus nur aus nieder gelegenen Fundstellen bekannt sind. Die natürliche Folge dieser Vergrößerung des Volumsverhältuisses ist selbstver- ständlich, daß der geburtsreife Embryo mit zunehmender vertikalen Höhe an Größe zunimmt; Kammeeer hebt dies für Salamandra atra zwar nicht besonders hervor. Eine große Bedeutung legt dieser Autor der von ihm festgestellten Tatsache bei, daß bei Salamandra niacidosa mit Zunahme der vertikalen Höhe des Verbreitungsgebietes die Abortivgebilde, das sind befruchtete, aber auf einer niedern Stufe der Entwicklung stehen gebliebene Eier, zunehmen und zum Teil sogar zerfallen und dem Embryo als Nahrung dienen ; so finde „in Gebieten, wo Salamandra mactdosa und atra einander berühren, ein förmlicher Übergang zwischen den Fortpflanzungsformen beider Arten statt" (p. 90). Das gelegentliche Vorkommen zweier Embryonen in einem Uterus bei Salamandra atra spreche für eine atavistische An- näherung an Salamandra maculosa. Als ein in dieser Frage unter Umständen vielleicht wichtiges Ergebnis der Versuche Kammeeee's sei hervorgehoben, daß sich die Möglichkeit ergab, im Wasser ganz junge Embryonen, die sich noch in der Hülle befunden haben, zur Weiterentwicklung zu bringen und ältere Embryonen (des 2. und 3. Stadiums) der Metamorphose zuzuführen. Entwicklungsgeschichte des Alpensalamanders. 33 Umgekehrt ließen sich die Weibchen von Salamandra maculosa durch Wasserentzieliung- zwingen, ihre Jungen am Trockenen zu gebären; es Avurden hierbei bei zweckmäßiger Anordnung des Versuches von jedem ^^'eibchen größere, bereits metamorphosierte Landsahimander, aber in geringerer Anzahl, zur Welt gebraclit. 11. Eigue Uiitei>;uchuiigeii. Meine Beobachtungen, die an einem sehr ausgiebigen Material des Alpensalamanders [1] angestellt sind, umfassen alle einzelnen Phasen des Entwicklungszyklus [3]. Betreffs der Ablösung der Eier vom Ovarium und deren Eintritt in den Oviduct beobachtete ich als jüngsten Zustand das Vor- handensein von 2 Eiern im caudalen Abschnitte des Oviducts, während mehrere Eier in der Bauchhöhle vorhanden waren; der größte Teil derselben aber befand sich noch in den Ovarien. Zu dieser Zeit war das (ungefurchte) Embryonalei schon als solches durch seine starke, nicht eng anschließende Gallerthülle gekennzeichnet, während das Embryotrophei eine viel zartere Hülle besaß. Als nächst ältere Phase fand ich zu wiederholten malen den ganzen Eischlauch von reihenweise gestellten Eiern erfüllt ; er zeigte noch keine Gliederung in Uterus und Eileiter, sondern besaß in seinem ganzen geschlängelten Verlaufe nur annähernd den Durch- messer hüllenloser Eier. Nur am caudalen Ende war er, der weiten Gallerthülle des Embryonaleies entsprechend, dicker. Einige Eier waren noch in der Bauchhöhle gelegen; vom Ovarium waren ent- weder bereits alle Eier abgelöst, oder es waren deren nur sehr wenige in seinem Verbände, Einzelne Eier in der Bauchhöhle werden ge- legentlich noch bei spätem Entwicklungsstadien angetroffen. Das Embryonalei, das ich in 2 Eischläuchen im Zweier- und in 2 andern im Viererstadium angetroffen hatte, unterschied sich von den Embryotropheiern auffallend nicht bloß durch die starke Gallerthülle, sondern auch durch einen nunmehr sehr Aveiten, zwischen Hülle und Ei vorhandenen, von Flüssigkeit erfüllten Hohlraum [8J. Von den Embryotropheiern besaßen einige eine zarte, eng anschließende Gallert- hülle, w^ährend die übrigen dieser Hülle vollkommen zu entbehren schienen. Diese Eier sind dicht gedrängt, so daß sie sich gegenseitig vielfach abplatten und deformieren. In der nächsten Phase beginnt der Uterus dadurch kennt- lich zu werden, daß die ursprünglich reihenweise hintereinander gelegenen Eier, offenbar durch Muskelkontraktionen, gegen den Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 3 34 Hans Wunderer, caudaleu Teil des Oviducts vorrücken, so nunmehr zu mehreren neben- einander zu liegen kommen und diesen ausweiten. Es stellt nun der Oviduct ein größeres oder kleineres, caudalwärts zugespitztes und cranialwärts abgestumpftes Säckchen dar, das zahlreiche Eier enthält und sicli in einen Schlauch fortsetzt, dessen Inhalt aus reihen- weise gestellten Eiern besteht. In zwei derartigen, noch nicht voll- kommen ausgebildeten Uteri beobachtete ich Zweierstadien, in einem ein vorgeschrittenes Furchungsstadium. Erst nach Eintritt sämt- licher Eier zeigt der vollkommen ausgeweitete Uterus das bekannte Bild des Eisäckchens. Mitunter triift man einen vollkommen aus- gebildeten Uterus neben einem nur zur Hälfte ausgeweiteten an, wie auch ein mit reihenweise gestellten Eiern erfüllter Eischlauch neben einem unvollkommen ausgebildeten Uterus auftreten kann. Im ausgebildeten Uterus fand ich als jüngste Stadien Eier in vorge- schrittener Furchung vor. Es besteht somit zwischen den Entwicklungsphasen des Oviducts und dem Entwicklungszustande der Embryonaleier nur insoweit eine Gesetzmäßigkeit, als jüngere Furchungsstadien schwerlich in einem vollkommen ausgeweiteten Uterus anzutreffen sind. Die Frage, mit welcher Berechtigung das Eisäckchen als Uterus bezeichnet werden kann, will ich mangels genügender Beobachtungen nicht näher berühren, sondern ich hebe nur hervor, daß für eine sachgemäße Beurteilung, neben eingehenden Untersuchungen am Alpensalamander, solche bei Salamandra maculosa und etwa Triton wünschenswert wären, um womöglich über die Homologie der einzelnen Teile des Oviducts klar zu werden. Ich nenne Oviduct den ganzen Eiergang bis zur Einmüdung in die Cloake. Der unterste Teil des- selben, dessen obere Partie in den Uterus einbezogen zu werden scheint, enthält bekanntlich die SiEBOLD'schen Schläuche ; die cranial- wärts gelegene Partie des Oviducts, die ich Eischlauch nenne, scheint bis zur Tube einen gleichartigen Bau zu haben und in ihrem untersten Teil bei der Bildung des Uterus in diesen einbezogen zu Averden und dessen größten Teil auszumachen; den cranialwärts vom ausge- bildeten Uterus gelegenen Schlauch nenne ich Eileiter. 1. Die Fortpflanzungszeit und die Träch tigkeitsdauer. Meine Untersuchungen w^urden hauptsächlich an Material ange- stellt, das im Gebiete des Galitzenbaches bei Lienz in Tirol (in einer Höhe von etwa 900—1200 m) gesammelt wurde. Ich begann bereits Mitte April, das Gebiet abzustreifen. Am 5. Mai fand ich die ersten Entwicklungsgeschichte des Alpensalamanders. 35 Salamander (3 Männclien), am 16., 20.., 23. und 28. Mai entnalim ich der Beute Stichproben, welche folgenden Befund ergaben: Es fanden sich neben A\'eibclien mit leerem Uterus und meistenteils naiiezu reifen Ovarialeiern solclie, welche Embryonen des 2. und 3. ScHWALBE'schen Entwicklungsstadiums in sich trugen. Junge, in der Hülle befindliche Embryonen wurden nicht gefunden. Da es mir hauptsächlich auf das Einsammeln derartiger junger Embryonen ankam, wurde von der Untersuchung einer großen Anzahl von Sala- manderweibchen noch abgesehen. Am 3. Juni, an einem schönen, klaren Morgen, dem eine regnerische Nacht vorausgegangen war, fand ich 428 Salamander innerhalb zweier Stunden; von den 8 als Stichprobe mitgenommenen, an der Bauchseite auffallend gelb ge- färbten [1] Salamanderweibchen fanden sich 2 mit je 2 Eiern im jungen Entwicklungsstadium, in einer klaren Gallerthülle einge- schlossen. Von diesem Tage ab wurden alle Weibchen mit gelblicher Bauchseite einer genauem Untersuchung unterzogen. In 13 Exkur- sionen vom 7. Juni bis 8. Juli wurden 2954 Alpensalamander beiderlei Geschlechts erbeutet. Das Ergebnis der Ausbeute waren etwa 400 Embryonen im 1. ScHWALBE'schen EntAvicklungsstadium. Es war interessant zu sehen, wie die Weibchen der ersten Exkursionen nur vorwiegend ganz junge Eier (Furchungsstadien, Blastula, Gastrula) enthielten; in spätem Exkursionen fanden sich neben den nun älter gewordenen Embryonen die jungen Stadien allmählich an Zahl in Abnahme begriifen, so daß ich am 8. Juli relativ sehr wenige, junge Embryonen und von diesen einige abgestorben oder mißgebildet vor- fand; ganz junge Eier waren um diese Zeit überhaupt nicht mehr auffindbar. Die Zahl der trächtig werdenden Weibchen nimmt, soweit meine Erfahrungen reichen, in einer durchschnittlichen Höhe von 1000 m von anfangs Juni allmählich zu, erreicht etwa kurz vor Mitte Juni den Höhepunkt, um bis zum Juli allmählich bis nahezu auf den Nullpunkt zu fallen. Daß Weibchen in genannter Höhen- lage nach diesem Zeitpunkt höchstens nur ausnahmsweise trächtig werden, geht daraus hervor, daß ich am 16. August unter 8 ^^'eib- chen, deren Trächtigkeit im laufenden Jahre begonnen hatte, 7 an- traf, deren Embryonen ihre Hülle bereits verlassen hatten, und nur eins, deren Eier noch in der Hülle vorhanden waren; beide Eier aber waren mißgestaltet, vielleicht sogar abgestorben; es konnte somit deren Entwicklungsbeginn auch nicht annähernd festgestellt werden. Es scheint mir von '\\'ichtigkeit zu sein, wenigstens un- gefähr die Zeit zu bestimmen, welche vom Entwicklungsbeginn des 3* -36 Hans Wunderer, Embryos bis zu dessen Verlassen der Hülle verstreicht. Am 15. Juni gab ich einen großen Teil der etwa 120 an diesem Tage er- beuteten Weibchen in ein Terrarium behufs Gewinnung von Em- bryonen verschiedener Entwicklungsstadien. Fast täglich wurden einige Weibchen getötet und deren Embryonen konserviert. Zur Zeit des Fanges hatte ich mich überzeugt, daß ganz junge Embryonen (Furchungen selbst im Zweierstadium) sich vorfanden. Die ersten ausgeschlüpften Larven fand ich bereits Ende Juni, die letzten noch in ihrer Hülle befindlichen Embrj^onen am 8. Juli vor. Es hat also im Terrarium bei sommerlicher Zimmertemperatur der Embryo in etwas mehr als 3 Wochen das 1. Entwicklungsstadium durchlaufen. Die Beobachtungen, welche gleichzeitig an freilebenden Weibchen angestellt wurden, ergaben einen in die Augen springenden Unter- schied zwischen den Entwicklungsgaug bei freilebenden und im Terrarium gehaltenen Tieren. Viele angestellten Vergleiche brachten mich zum Schlüsse, daß in meinem ßeobachtungsgebiete die Em- bryonen freilebender Salamander in etwa der doppelten Zeit das 1. Entwicklungsstadium durchlaufen wie die im Terrarium ge- haltnen Weibchen. Selbstverständlich trifft eine langsamere Ent- wicklungsdauer bei freilebenden Tieren auch im 2. und 3. Stadium zu. Am 6. Juli fand ich im Freien zwar schon Embrj^onen mit Eigenbewegung vor, die aber noch weit vom Ausschlüpfen entfernt waren. Schätzungsweise würde ich den Beginn des Ausschlüpfens im Freien, den ich nicht beobachten konnte, etwa in die 2. Hälfte des Juli verlegen. Es durchläuft somit der Alpensalamander seine Entwicklung innerhalb der Hülle im Freien in einer Höhenlage von ca. 1000 m in 6 — 7 Wochen. Was nun das weitere Wachstum der Embryonen des Alpensalamanders betrifft, so war mir folgende Beobachtung für dessen Beurteilung maßgebend. Am 16. August fand ich an dem von meinem Bruder eingesammelten ]\Iaterial die nunmehr ausgeschlüpften Embryonen in einer Größe von 13 — 20 mm. Die mittlere Größe dieser Embryonen betrug 15 mm [6]. Weitere Beobachtungen waren mir nicht mehr möglich : es hätten überdies Exkursionen wegen des unwirtlichen Wetters meistenteils wenig Aussicht auf Erfolg gehabt; denn Mitte September war in jenen Regionen bereits der Herbst unverkennbar in einer Form ein- gezogen, daß eine namhafte Weiterentwicklung von dieser Zeit ab als ausgeschlossen betrachtet werden kann. Wenn wir, wie wir es aus meinen Beobachtungen wohl berechtigt sind, das Ausschlüpfen der etwa 9 — 10 mm langen Larven frühestens auf Mitte Juli an- Eutwicklungsgeschichte des Alpensalamanders. 37 setzen, so ergibt sich innerlialb eines Monats ein Wachstum von etwa 10 nnn, d. i. von 10 auf 20 mm. Da das Wachstum sowolil von Embryonen als aucli von jungen Tieren unter gleiclibleibenden Um- ständen umgekehrt proportional zur Größe der Avachsenden Indivi- duums ist, kann man kaum annehmen, daß die am IG. August beob- achteten Embryonen von einer mittlem Größe von 15 mm bis zum Aufhören einer namhaften Weiterentwicklung-, die jedenfalls späte- stens im Oktober stattfindet, in einer der Entwicklung unstreitig' ungünstigem Zeit mehr als etwa 24 — 25 mm erreicht. Diese wohl begründete Annahme findet, wie wir später sehen werden, in den Beobachtungen, welche zu Beginn des Frühjahres an Material des 2. ScHwALBE'schen Stadiums gemacht wurden, eine feste Stütze. Aus meinen Beobachtungen ergeben sich nun H wichtige Sätze, die durch später erörterte Beobachtungen noch vielfach gestützt werden und mit den Angaben früherer Autoren vollkommen im Widerspruch stehen : 1. Salamandra atni besitzt eine begrenzte Fortpflanzungszeit, die sich bei einer Höhenlage von etwa 1000 m über den ganzen Juni ausdehnt; nach dieser Zeit werden Weibchen in genannter Höhen- lage in der Regel nicht mehr trächtig. 2. Die Folge des Besitzes einer beschränkten, ununterbrochenen Fortpflanzungszeit ist, daß das Embryonenmaterial eines Jahrganges bezüglich der Größe der einzelnen Embryonen ein zusammenhängen- des Ganze bildet; dies tritt, genügendes Beobachtungsmaterial und gleichbleibende Beobachtungszeit vorausgesetzt, bei einer statistischen Eintragung der diesbezüglichen Daten ins Koordinatensystem deut- lich hervor, [6]. In einer solchen Embryonengruppe ergibt sich, der größten Embryonenproduktion in der Mitte der Fortpflanzungszeit entsprechend, ein annähernd mit der mittlem Größe zusammen- fallender Kulminationspunkt. 3. Die Embryonen von Salamandra atra erreichen innerhalb des 1. Jahres ihrer Entwicklung höchstens die mittlere Größe von 25 mm, finden sich also im Herbste erst etwa in der Mitte des 2. Schwalbe- schen Stadiums. Zu Beginn des Frühjahres finden sich, wie bemerkt, 2 Gruppen von Embryonen, solche im 2. und solche im 3. ScHWALBE'schen Ent- wicklungsstadium. Namentlich das 2. Stadium habe ich im Laufe des Juni einer genauen l'ntersuchung unterzogen und gefunden, daß die Embryonen dieses Stadiums eine zusammenhängende Gruppe bilden und in Größe zAvischen 18 und 30 mm schwanken; der Kultiminationspunkt liegt etwa bei 24 mm. Die Gruppe ist von 38 Hans Wunderer, den Embiyonen des 3. Stadiums, die in Größe zAvischen 40 und 48 mm schwanken und eine mittlere Größe von 42^/2 mm aufweisen, durch einen zwischen 30 und 40 mm gelegenen, vollkommen leeren Zwischen- raum getrennt [6]. Es sind somit beide Embryonengruppen die in verschiedenen Jahren erzeugte Brut und zwar die Embrj'onengruppe mit der mittlem Größe von 24 mm die des letzten, jene mit der mittlem Größe von 42 Va nim die des vorletzten Jahres. Es erscheint somit die V. SiEBOLD'sche Angabe, daß den Winter über eine 2, Trächtig- keit stattfinden könne, widerlegt. Die Embryonengruppe im 2. ScHWALBE'schen Stadium trat bereits in der 2. Hälfte des Juni, zum Teil erst im Juli in das 3. Stadium über und wies am 16. August eine mittlere Größe von 39^2 ^^^^ ^^^f; sie wird erst im Frühling des nächstfolgenden Jahres geboren. Die Embryonen der im Früh- jahr im 3. Stadium stehenden Gruppe verlieren sich bereits im Laufe des Juni fast vollständig, dadurch daß sie geboren werden. Der kleinste, bereits geborene Alpensalamander, den ich auffand, maß 46 mm (Galitzenklamm, 16. Aug.). Aus diesen Beobachtungen ergibt sich ein abermals mit den Behauptungen sämtlicher früherer Autoren gänzlich im Widerspruch stehender Schluß: Der Alpensalani ander bringt in der Montanregion erst im 3. Jahre der Trächtigkeit seine Jungen zur Welt; er besitzt somit eine zweij ährige Trächtigkeitsdauer. Nun wende ich mich den Beobachtungen zu, die ich an Sala- mandern der Alpenregion in einer Höhenlage von ungefähr 1600 — 1800 m gemacht habe. Auf den sog. Pfriemeswiesen bei Innsbruck fand ich in der zweiten Hälfte des Mai zur Zeit der Schneeschmelze in den Uteri etwa 16 — 18 mm lange Embryonen des 2. und ältere des 3. ScHWALBE'schen Entwicklungsstadiums. Es ist also auffallend, daß es die Embryonen im Vorjahre in dieser Höhe viel weniger weit, oft nicht viel über die Größe einer gerade ausgeschlüpften Larve gebracht haben, da ich oft noch Reste der Hülle finden konnte. Die Embryonen des 3. Sta- diums hatte ich, da ich damals noch nicht die Tragweite des sta- tistischen Weges, den zuerst Schwalbe empfohlen hat, voraussah, nicht weiter untersucht. In den letzten Tagen des Juni und anfangs Juli fand ich die ersten von einer Hülle umgebenen Eier. Der Be- ginn der Fortpfianzungszeit erscheint also in der Alpenregion um etwa einen Monat verschoben [9]. Weitere Beobachtungen habe ich Entwicklungsgeschichte des Alpensalamauders. 39 an Material angestellt, welches anf der etwa gleichliocli wie die Pfriemeswiesen gelegenen Klosterfrauenalpe im Iseltal bei Lienz gesammelt worden war. An diesem Material [6J fand ich am 8. August die Embryonen des laufenden Jahres am Übergange des 1. zum 2. ScHWALBE'schen Entwicklungsstadium; die altern Em- bryonen des 1. und die jüngsten des 2. Stadiums waren gleich stark vertreten. Die Embryonen des Vorjahres bildeten eine zusammen- hängende Gruppe von einer mittlem Größe von 36 mm, die sich namentlich durch ihre Ausbildung auffällig von naliezu gleich zahl- reich vorhandenen noch altern Embryonen unterschied |6|. Es finden sich somit in dieser Höhe noch im Spätsommer wenigstens ein großer Teil der Larven des vorletzten Jahres im Uterus vor, meistenteils in einer Größe, die die Annahme, daß sie noch im selben Jahre zur Welt gebracht werden könne, verbieten. So fand ich z, B. neben einem 53 mm langen Embryo, der keine Kiemen mehr besaß, also zweifellos geburtsreif war, einen offenkundig gleich alten nur 48 mm langen. Letzterer hätte sicherlich nicht mehr im laufenden Jahre zur Welt gebracht werden können, da in jenen Regionen wenige Wochen später der Herbst einzog. Es ergibt sich somit, daß in der Alpenregion wenigstens ein großer Teil der Weibchen die Em- bryonen erst im 4. Jahre ihrer Entwicklung zur Welt bringt. Von großem Interesse wären Untersuchungen von Salamander- weibchen aus der Schneeregion (aus einer Höhe 2800 — 3000 m); denn dort wirken die folgenden Einflüsse, welche schon eine auf- fallende Verzögerung der Entwicklung in der Alpenregion hervor- rufen, mit um so größerer Macht ein: 1. Der Beginn der Fortpflauzungszeit ist in höhern Regionen verspätet [9]. Wenn Salamandra atra in einer Höhenlage von ca. 1700 m seine Entwicklung erst Ende Juni oder anfangs Juli be- ginnt, wird er kaum vor Mitte oder Ende Juli oder gar erst anfangs August in seinen höchsten Standorten bei 2800—3000 m zur Fort- pflanzung schreiten können ; es erscheint somit nicht unmöglich, daß vor dem Beginn der Winterruhe das Ausschlüpfen der Embryonen zum Teil noch nicht stattgefunden hat, demnach vielleicht zu Beginn des Frühlings noch ein Teil der vorjährigen Embryonen im 1. Ent- wicklungsstadium gefunden werden könnte. 2. nimmt die Zeit, welche dem Alpensalamander zur Entwick- lung zu Gebote steht, mit zunehmender Höhe seines Standortes pro- gressiv ab, weil sowohl der Frühling später beginnt als auch der Herbst früher einzieht. 3. nimmt die Temperatur, welche, wie die Terrariumversuche 40 Hans Wundekek, gelehrt haben, die Entwicklung- begünstigt, mit zunehmender abso- luter Höhe ab. 4. endlich scheint der Salamander in den höhern Regionen genötigt zu sein, widerstandsfähigere, also größere Embryonen zur Welt zu bringen. Diese Vermutung stützt sich sowohl auf die eignen Beobachtungen, daß man in höhern Eegionen größere ge- burtsreife Embr3^onen als in den nieder gelegenen Gebieten im Uterus findet, wie auch auf die Angaben Kammeeer's, daß das Vo- lumsverhältnis zwischen geburtsreifen Embryonen und dem Mutter- tiere mit zunehmender absoluter Höhe sich vergrößert [5]. Es fin- den sich derartige Verhältnisse auch bei Salmandra maculosa; sie dürften da wie dort wohl einzig und allein auf Rechnung der An- passung an rauhere Klimate, nicht auf Rechnung der Verwandt- schaft zu setzen sein. Zahlenmäßig kommt die lange Trächtigkeits- dauer des Alpensalamanders im großen Überwiegen der altern Embryonen gegenüber der Tracht des laufenden Jahres zum Aus- druck, wenn auch solche statistische Aufzeichnungen erst bei großem Material, welches in derselben Höhe gesammelt worden ist und aus einer bestimmten Zeit verschiedener Jahre stammt, einen wirklichen Wert besitzen [6]. Umgekehrt dürfte es nicht unberechtigt sein, für die Trächtig- keitsdauer eines Teiles der Alpensalamander, welche in tiefen Stand- orten etw^a zwischen 650 und 850 m Seehöhe leben, wenigstens aus- nahmsweise weniger als 2 Jahre zu vermuten; denn einmal be- ginnt die Fortpflanzungszeit voraussichtlich schon Ende Mai; dann ist die zur Entwicklung verfügbare Zeit länger und die durch- schnittliche Temperatur höher als an hoch gelegenen Orten ; endlich dürften weniger ausgebildete Embryonen den Anforderungen eines wärmern Klimas genügenden Widerstand entgegensetzen; in diesem Sinne erscheint es durchaus möglich, daß es, wie Kammerer meint, in tiefern Regionen schon normalerweise zu Frühgeburten kommen könne. Die Angabe bezüglich der Trächtigkeitsdauer bei Salamandra atra, wie sie v. Schreibers gemacht hat (s. Absclin. I, 1), könnte möglicherweise für die in den tiefsten Standorten lebenden Sala- mander zutreffen; allerdings müssen wir die Trächtigkeitsdauer bei Salamandra maaüosa, für welche dieser Autor irrigerweise nur wenige Monate angenommen hat, richtig mit 9 bis 10 Monaten an- setzen. Unstreitig aber ist unter den Autoren v. Schreibers der Wahrheit am nächsten gekommen. Für die Annahme, daß mitunter im 2. Jahre der Entwicklung die Geburt stattfinden könne, habe Entwicklungsgeschichte des Alpeusalanianders. 41 ich einig-e Belege, ich laiid nämlich in den tiefsten Punkten meines Beobachtungsgebietes sowohl zeitlich im Frühjahre als auch im Spätsommer, wie unter den Anomalien näher erörtert werden wird, nicht selten den Fall, daß in einem Uterus eines A\'eibchens ein Embryo des 3. Embr^'onalstadiums sich vorfand, während der an- dere Uterus leer war. Diese Anomalie, wenn sie so genannt werden darf, kam so häufig- vor, daß sie durch eine ähnliche Anomalie (s. Absclin. II, 2), welche bei g*leichzeitig-em Vorhandensein jüng-erer Entwicklungsstadien vorkommt, nicht erklärt werden kann, sondern zur Annahme führen muß, daß der andere g'leichaltrige Embryo wenigstens in vielen Fällen bereits geboren wurde. In den im Spätsommer beobachteten Fällen hätten somit, da der eine sich noch vorfindende P^mbryo offenkundig vom Vorjahre stammte, die Geburt des andern Embryos im 2. Jahre der Trächtigkeit stattgefunden; in den zeitlich im Frühjahre beobachteten Fällen ist eine solche Annahme zwar nicht zwingend, jedoch naheliegend. Ehe ich auf die Besprechung des Enwicklungszyklus des Alpen- salamanders eingehen kann, bleibt noch die Frage zu erörtern, Avelche Zeit von der Geburt der Embrj^onen bis zum Beginn einer neuen Trächtigkeitsperiode verstreicht. Für jenen Teil der Sala- manderweibchen, welche nach oder selbst w^ährend der Fortpflan- zungszeit gebären, ist es selbstverständlich, daß sie nicht mehr im gleichen Jahre trächtig werden, somit zur Vollendung eines Ent- wicklungszyklus wenigstens 3 Jahre brauchen. Nur für jene wenigen Weibchen, welche vor Beginn der Fortpflanzungszeit gebären, wäre ein 2 Jahre dauernder Entwicklungszyklus denkbar. Allein nament- lich bei Weibchen der untern Eegion sind die Ovarialeier zur Zeit der Geburt noch so klein, daß deren Heranwachsen und Reifen innerhalb eines oder zweier Monate kaum möglich sein wird. Am ehesten käme ein zweijähriger Entwicklungszyklus für jene in den tiefsten Standorten lebenden Weibchen in Betracht, welche etwa ausnahmsweise bereits im 2. Jahre ihrer Trächtigkeit gebären. Im übrigen finden sich auch in niedern Standorten zu einer Zeit, da die Fortpflanzung längst vorüber ist und auch keine Embrj'onen, vom vorletzten Jahre stammend, angetroffen werden, durchschnitt- lich etwas mehr offenkundig geschlechtsreife Weibchen ohne Em- bryonen vor, als solche mit Embryonen des laufenden Jahres an- getroffen werden; dies sagt aus, daß neben den wenigen ^^'eibchen der jungen Brut, welche erst geschlechtsreif geworden sind, sich annähernd alle ^^'eibchen vorfinden, welche im laufenden Jahre ge- 42 Hans Wunderer, boren haben und erst im nächsten Jahre trächtig- werden; somit dauert in der Montanregion der Entwicklungszyklus im allgemeinen 3 Jahre [7]. ülir ist es aufgefallen, daß die Ovarien von Salam ander weibchen, welche nahezu geburtsreife Embryonen in sich trugen, in der Alpen- region meistens viel weiter entwickelt waren als in tiefern Standorten. Diese Beobachtung gibt zur Vermutung Veranlassung, daß durch den Beginn der AVachstumsvorgänge im Ovarium vor der Geburt der Em- bryonen vielleicht wenigstens einigermaßen die in der Alpenregion bestehende Verzögerung in der Entwicklung ausgeglichen wird. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die hier allgemein erörterten Fragen, welche den Entwicklungszyklus betreffen, einer Lösung durch das Experiment zugänglich sind; es wäre eine derartige ex- perimentelle Untersuchung um so wünschenswerter, als man dann an Hand der erhaltenen Daten und der klimatischen Verhältnisse der einzelnen Standorte direkte Schlüsse auf die Dauer der ein- zelnen Epochen des Entwicklungszyklus ziehen könnte. Beiläufig läßt sich sagen, daß Salamandra atra in der Montanregion zum Durchlaufen seines drei Kalenderjahre dauernden Entwicklungs- zyklus tatsächlich nur 12—14 Monate bedarf, da für eine namhafte Entwicklung die Monate Oktober bis April gar nicht, der Mai und September aber nur wenig in Betracht kommen können. Es kann also kaum wundernehmen, wenn die Salamander Kammeeer's im Terrarium, da doch gleichmäßigere und höhere Temperatur eine wesentliche Entwicklungsbeschleunigung hervorruft, in etwa 6 bis 7 Monaten den Entwicklungszyklus vollendeten, zumal nicht aus- getragene Embryonen, sondern jedesmal nur Frühgeburten zur Welt kamen. 2. Anomalien der Fortpflanzung. An Anomalien habe ich folgende beobachtet: A. Anomalien der Ovarien. 1. Mitunter traf ich in den im übrigen normal aussehenden Ovarien stellenweise größere oder kleinere bläschenartige Bildungen, von denen ich mangels einer mikroskopischen Untersuchung vor- läufig nicht aussagen kann, ob die pathologische Veränderung vom Ovarialei oder dem Follikelepithel oder andernorts ausgegangen ist. Solche Ovarialcj'sten findet man manchmal abgelöst in der Bauch- höhle oder in sehr seltenen Fällen sogar im Oviduct vor. In der Wand größerer cystöser Bildungen sind häufig Dotterreste als gelbe Eutwicklungsgescbichte des Alpeiisalauuiuders. 43 zirkumskrii)te Flecken makroskopisch erkennbar. Kleinei'e Cysten machen den Eindrnck von einem Ei. dessen Dotter zur Hälfte von Flüssigkeit ersetzt ist. Es wäre nicht unmöglich, daß durch diesen pathologischen Vorgang manchmal die Eier nur so wenig verändeit werden, daß sie befruchtungsfähig bleiben, aber gelegentlich zu ]\Iiß- bildungen Veranlassung geben könnten. 2. Eine bisher mir nur einmal zu Gesicht gekommene Anomalie betrifft das ungleichzeitige Heranreifen der beiden Ovarien. Czek- MAK hat eine solche Unregelmäßigkeit zur Erklärung einer von ihm beobachteten Anomalie angenommen. In dem von mir be- obachteten Falle war rechterseits ein reifes Ovarium, der ent- sprechende Uterus war leer; linkerseits waren die Eier des Ova- riums nur als winzige, weißliche Pünktchen erkennbar; der be- treifende Uterus enthielt einen Embryo, dessen Entwicklung offen- kundig im Vorjahre begonnen hatte. Es ist bei diesem abweichenden Verhalten beider Eierstöcke Avohl anzunehmen, daß beide Ovarien zu verschiedenen Fortpflanzungszeiten, d. i. in verschiedenen Jahren, ihre Eier dem Uterus überliefern und infolgedessen zu einer Ano- malie des Uterusinhaltes führen, welche zuerst und bisher allein CzEKMAK in einem einzigen Falle beobachtet hat, dem ich einen zweiten ähnlichen hinzufügen werde. B. Anomalien des Uterusinhalts. 1. Entweder sind die Embryonen der beiden Uteri derart von verschiedener Ausbildung, daß sie zu verschiedenen Fortpflanzungs- zeiten, d. i. in verschiedenen Jahren, ihre Entwicklung begonnen haben, oder der eine Uterus ist leer, der andere enthält einen Embryo beliebigen Stadiums, aber der verschiedene Zustand der Ovarien bekundet, daß die Geschlechtsapparate beider Seiten zeit- lich verschieden funktionieren. Den ersten Fall dieser Anomalie beobachtete ich ein einziges Mal, indem ich im Juni in einem Uterus einen Embryo des 2. Entwicklungsstadiums (also einen Embrj^o des Vorjahres) antraf, im andern Uterus aber einen normalen jungen Emi3ryo des 1. Entwicklungsstadiums (also einen Embryo, der in der gerade bestehenden Fortpflanzungszeit seine Entwicklung be- gonnen hatte) auffand. Dieser Fall ist nur in bezug auf das Alter der Embryonen etwas verschieden von dem ähnlichen von Czermak mit- geteilten. Der zweite Fall dieser Anomalie wurde auch nur einmal be- obachtet und ist unter den Anomalien des Ovariums erörtert. Czer- mak. der für Salamanderweibchen mehrere Trächtigkeitsperioden 44 Hans Wunderer, im Jahre annahm, hat natürlich die Altersdilferenz der beiden Embryonen nicht auf ein Jahr, sondern nur auf einen Bruchteil eines Jahres geschätzt. 2. Entweder haben die Embryonen beider Uteri zwar offen- kundig- zur selben Fortpflanzungszeit ihre Entwicklung begonnen, sind aber von verschiedener Länge, oder der eine Uterus ist leer, der andere enthält einen Embryo im vorgeschrittenen 3. Entwick- lungsstadium; die Ovarien stehen auf gleicher Entwicklungsstufe. Den ersten Fall dieser Anomalie habe ich sehr häufig beobachtet. Von ungleichzeitiger Geburt habe ich gegen 20 Fälle notiert; aller- dings läßt sich nicht mit Bestimmtheit ausschließen, daß in dem einen oder andern Falle der Altersunterschied wenigstens ein Jahr betrug, wie bei der frühern Anomalie, oder der Uterus von vorn- herein überhaupt leer blieb oder frühzeitig infolge abgestorbener Embryonen entleert wurde, Fälle, die später ihre Besprechung finden werden. Immerhin aber beweist das häufige Vorkommen zweier gleichaltriger, verschieden großer, älterer Embryonen, daß die meisten als zweiter Fall angeführten Anomalien auf ungleich- zeitige Geburt zurückzuführen sind. Der Erklärung dieser Anomalie, welche v. Schreibers gegeben hat, kann ich nicht beipflichten ; er meint nämlich, daß die Differenz in der Größe der Embryonen durch Befruchtung eines ursprünglich zum Embryotrophei bestimmten Eies stattgefunden habe, nachdem das Embrj'Onalei durch irgendwelche Ursachen zugrunde gegangen sei. Ich fand nämlich unter 200 Weibchen mit Embryonen des 1. Stadiums kein einziges, das eine auffällige Differenz seiner beiden Embryonen aufwies; trotzdem konnte ich unter relativ viel weniger Weibchen mit altern Embryonen zahlreiche Fälle von difterenter Länge verzeichnen. Die Differenzen sind um so größer und häufiger, je mehr sich der Embryo seiner Geburt nähert. Es sind somit die Größendifferenzen erst im Laufe der Entwicklung zum Ausdruck gekommen; an Stelle abgestorbener Embryonen treten, wie die spätem Mitteilungen zeigen werden, keine Embryotropheier. Über die Ursachen dieser Anomalie kann ich nur Vermutungen vorbringen. Ich meine, daß größere Eier vielleicht auch zu großem und kräftigern Embryonen heranwachsen ; dann, daß auch ein ungleiches Nahrungsmaterial, da bedeutendere Differenzen in der Zahl der in den Uteri befindlichen Embryotropheier nicht selten sind, auch eine Ditterenz in der Größe gleichaltriger Embryonen verursachen könnte. Es ist nämlich eine häufige Erscheinung, daß die beiden Embryonen Eutwickhmgsgeschichte des Alpeusalamandeis. 45 ihren Dotter ungleiehzeitig aufzehren. Auffällig bleibt die große Zalil der Fälle ungleichzeitiger Geburt, so daß ich der Vermutung Ausdruck geben muß, es mik-lite sich hierbei nicht um eine Ano- malie, sondern um einen normalen Vorgang handeln; sein Zweck wäre, wenigstens einem Embryo nach der Geburt des größern, widerstandsfähigem eine m()glichst gute Ausbildung in dem nunmehr relativ weitern Mutterleibe zu gestatten. ]\reine Beobachtungen führen mich zur Annahme, daß die Geburt offenkundig ungleicher EmbrA'onen häufig in verschiedenen Jahren erfolgt. Die Fälle einer großen zeitlichen Differenz in der Geburt beider Embryonen könnten möglicherweise eine ungleiclizeitige Entwicklung der beiden Ovarien und Embryonen im Gefolge haben. 3. Andere Fälle, in welchen sich bei einem Weibchen ein Uterus leei" vorfand, der andere aber einen Embryo enthielt, lassen, wenn auch nur in sehr seltnen Fällen, darauf schließen, daß das Zustande- kommen einer solchen Anomalie dadurch erfolgt ist, daß der Eintritt der Eier in einen Oviduct unterblieb. Ich kann nur einen einzigen derartigen einwandfreien Fall an- führen : Es fand sich in dem Uterus ein Embryo des laufenden Jahres (2. Stadium, 18 mm Länge, 16. August, 900 m Seehöhe); die Dotter- masse dieses Uterus war im Vergleiche zu normalen Befunden nahezu verdoppelt; im andern Ovidukt war nur trübe Flüssigkeit vorhanden; beide Ovarien aber zeigten im gleichen Maße die Spuren von statt- gehabter Ovulation. An diese Anomalie schließt sich eng eine andere, ebenfalls nur einmal beobachtete an: In beiden Uteri fand sich je ein Embryo des 1. Stadiums; trotzdem aber beide Ovarien Spuren von gleich- mäßig stattgehabter Ovulation erkennen ließen, fanden sich im einen Uterus nahezu dreimal soviel Embrj^otropheier (gegen 100) wie im andern Uterus vor. Dieser Befund leitet zu jenen häufigem Fällen über, in welchen eine mäßige Ditterenz in der Zahl der Embryotropheier besteht ; eine solche wäre wohl, wie bereits erwähnt, geeignet, die gelegentlich auftretende Größendiflerenz der Embryonen zu erklären. In dem einen oder andern dieser Fälle ist es nicht unmöglich, daß die in beiden Uteri bestehende Differenz in der Zahl der Embryothropheier vielleicht auf eine Difterenz in der Zahl der Eier in den betreffen- den Ovarien zurückzuführen ist. Die drei von mir beobachteten Fälle, in welchen neben einem leeren Uterus sich ein solcher mit einem Embryo, dessen Entwick- 46 Hans Wunderer hing im verflossenen Jahre begonnen hatte, zu einer Zeit vorfand, in welcher erst die Embryonen des vorletzten Jahres geboren wurden, lassen die Anomalie in ihrem ursächlichen Zusammenhang nicht ganz beurteilen, da sie ja auch durch ein ungleichzeitiges Funktionieren der Geschlechtsapparate beider Seiten ihre Erklärung finden könnten; immerhin aber spricht der gleichartige Zustand beider Ovarien gegen eine solche Erklärungsweise. Auch wäre daran zu denken, daß der Embryo des einen Uterus, wie es häufig beobachtet wird, abgestorben war oder überhaupt seine Bildung nicht erfolgt ist und dann der ganze Uterusinhalt vorzeitig entleert worden sei. Da man aber beobachten kann, daß selbst neben Uteri mit geburtsreifen Embryonen sich solche mit reichlicher Dottermasse ohne Embryo vorfinden, möchte ich diese Entstehungsweise der 3 erwähnten Anomalien erst an letzter Stelle in Betracht ziehen. 4. Nun komme ich zur Besprechung einer Eeihe von Fällen, in welchen die Embryonen entweder auf einer oder auf beiden Seiten abgestorben waren oder in der Dottermasse sich nicht vorfanden oder wenigstens nicht erkannt werden konnten. Diese Anomalien beobachtete ich in 17 Fällen einseitig und in 3 Fällen doppelseitig. a) Einseitige Anomalien: Bei gleichzeitigem Vorhandensein eines normalen vom laufenden Jahre stammenden Embrj^os fand ich einmal einen abgestorbenen, ein anderes Mal überhaupt keinen Embryo vor; die Embryotropheier waren nicht zerfallen. Neben Uteri mit Embryonen des verflossenen Jahres fand ich solche ohne Embryonen in 8 Fällen; die Embryotropheier waren hierbei in 5 Fällen nicht zerflossen, in 3 Fällen zu einem Dotterbrei zerfallen. In einem dieser Fälle traf ich am caudalen Ende des Uterus eine massive Gallertkugel mit einem Durchmesser von etwa 6 mm. In 3 andern Fällen, in denen der Dotter nicht zerfallen war, fand sich zweimal ein abgestorbenes Ei in Hülle und einmal eine abgestorbene Mißbildung ohne Hülle vor. Neben Uteri mit Embryonen des vorletzten Jahres traf ich in vier Fällen solche ohne Embryonen; in drei derselben waren die Embryotropheier vollkommen, in einem teilweise zerfallen. b) Doppelseitig notierte ich diese Anomalie in 3 Fällen; einmal traf ich je einen abgestorbenen Embrj^o in Hülle, die Em- bryotropheier waren nicht zerfallen; ein anderes Mal waren sowohl im Uterus als auch im Eileiter, im letztren etwa 10, wenig zer- fallene, mißgestaltete Embryotropheier vorhanden; von einem Embryo war nichts zu finden; im dritten Falle war in jedem Uterus je ein abgestorbener, scheinbar normaler, älterer Embryo. Entwickluujjsgescbiclite des Alpensalamaiulers. 47 Was nun die Genese dieser sehr häufigen Anomalie betrifft, so dürfte es ziemlicli klar sein, daß es infolge einer Ursache entweder gar nicht zur Bildung oder Befruchtung eines Embryonaleies ge- kommen ist oder dieses, obwohl befruchtet, mißgebildet wurde oder wenigstens abstarb. Es wären somit hierher auch jene Fälle zu rechnen, in denen mehr oder weniger mißgebildete, aber noch lebende Embryonen, je einer in einem Uterus, sich vorfinden, da doch im Laufe der Zeit der mißgebildete Embryo abstirbt. Beiderseits trifft man mißgebildete, noch von einer GallerthüUe umschlossene Eier nicht selten an; namentlich nach Ablauf der Fortptlanzungszeit und nach Ausschlüpfen der Embryonen fallen diese Fälle um so mehr auf. als man anfänglich an eine verspätete Fortpflanzungszeit denkt; bei näherer Betrachtung der konservierten Embryonen überzeugt man sich aber leicht von deren Abnormität. Von altern ein- seitigen Mißbildungen, deren ich 5 Fälle notiert habe, habe ich 4 im zerfallenen Dotter angetroffen, nur 1 hatte den Dotter bereits aufgezehrt. Ein Teil dieser Anomalien läßt einen Schluß auf die Gründe des Zeifalles der Embryotropheier zu, da die einzelnen Gelege, wenn sie vom laufenden Jahre stammten, immer, wenn sie vom verflossenen Jahre stammten, in den meisten Fällen, und wenn sie vom vorletzten Jahre stammten, in einem von 4 Fällen aus zwar mißgestalteten, aber noch nicht vollends zerfallenen Eiern bestanden. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß hauptsächlich die Bewegungen des ausge- schlüpften Embryos den Zerfall der Embryotropheier zu einer rahm- artigen Masse bewirken, zumal man tatsächlich in normalen Fällen vor dem Ausschlüpfen die Embryotropheier nur mißgestaltet, aber gar nicht oder nur teilweise zerflossen vorfindet. Besser würde man vielleicht die Hauptursache des Zerfalles eine mechanische nennen, da ja auch ofienbar das erschwerte Eindringen in den sich eben bildenden Uterus, dann die Bewegungen des Weibchens selbst und in unserm Falle die mechanische Schädigung bei Fang und Trans- port der Weibchen den Zerfall wenigstens begünstigen. Die wenigen, durch eine zarte GallerthüUe geschützten Eier zerfallen zuletzt. 5. Nun komme ich zur Besprechung der Anomalien, welche die Zahl der Embryonen eines Uterus betreffen. Von diesen Anomalien, bei welchen sich in einem oder in beiden Uteri eines Weibchens zwei Embryonen vorfinden, deren beide entweder vollkommen aus- gebildet sind oder deren einer mehr oder weniger mißgebildet er- 43 Hans Wunderer, scheint, habe ich 9 Fälle verzeichnet; in 6 Fällen traf ich nur auf einer Seite 2 Embrj'onen, in 3 Fällen beiderseits je 2 Embryonen an. Unter den ersten 6 Fällen wurden 4mal ausschließlich normale Embryonen und zwar 3mal ältere Embryonen des 2. und 3. Stadiums und einmal solche des 1. Entwicklungsstadiums ang-etroffen. Bei Vor- handensein von altern Embryonen war es auffällig, daß bei aufge- zehrtem Dotter der einzelne Embryo stets größer war als einer der beiden Zwillingsembryonen. Es wird hierdurch meine Vermutung, daß die Menge des Dottermaterials auf die Größe der Embryonen von bedeutendem Einfluß sei, auch durch diese Beobachtung gestützt. Die häufig bestehende Größendifferenz zwischen den beiden Zwillings- embryonen scheint eher auf die Größendifferenz der Embryonaleier bezogen werden zu müssen. Jener Uterus, welcher 2 Embryonen des 1. ScHWALBE'schen Stadiums in sich barg, zeigte im übrigen mit normalen Uteri und deren Inhalt durchaus übereinstimmende Ver- hältnisse; nur das Embryonale! [8] enthielt in seinem von der Gallert- hülle umschlossenen Hohlraum, der sonst nur einen EmbrA'O birgt, 2 Embryonen; der von beiden Embryonen gemeinsam eingenommene Hohlraum war einheitlich, nicht etwa durch eine Scheidewand ab- geteilt. Die drei Embryonen des betreffenden Weibchens waren von mittlerer Größe und unter sich von derselben Größe und Aus- bildung. Unter den noch nicht besprochenen zwei Fällen fand sich einmal als Mißbildung neben einem normalen Embiyo eine Doppel- mißbildung vor. Unter den 3 Fällen mit 4 Embryoneu traf ich 2 mal durch- wegs normale Embryonen an, Imal ältere, unter sich gleichgroße, einmal solche des 1. Entwicklungsstadiums. Dieser letztere Fall war durchaus analog dem bereits mitgeteilten, also je 2 Embrj'onen in einer und derselben Hülle. Die vier Embryonen waren klein, unter sich aber von gleicher Größe und Ausbildung. Der dritte Fall wies 3 verschieden große normale Embryonen des 3. Stadiums und eine Mißbildung auf, die sich in Größe wenig von der kleinsten normalen Larve unterschied. Der wichtigste Befund, welcher an Anomalien bei Salamandra aira gemacht wurde, ist wohl das gelegentliche Vorkommen von eineiigen Zwillingen; zu diesem Befunde an sich wäre eigentlich kaum mehr zu bemerken, als daß er sich an ähnliche bei Anamnien gemachte Beobachtungen anreiht, z. B. an den Befund v. Chauvin's (1883, p. 678) bei Froteus angninus und Leydig's (1853, tab. 3, fig. 8) bei Acantliias. Bei Salamandra atra aber besitzt der Befiyid eine Entwicklungsgeschichte des Alpensalamanders. 49 große Bedeutung; er gibt nämlich eine befriedigende, von den An- gaben der frühern Autoren abweichende P^rklärung für das Vor- handensein von mehreren Embryonen; außerdem besitzt er, wie wir später sehen werden, eine Bedeutung sowohl in der Befruchtungs- ais auch Abstammungstrage von Salamandra atra. Zur Begründung der Tatsache, daß mitunter zwei Embryonen in einem Uterus vorhanden sind, wurde bekanntlich bisher die An- nahme gemacht, daß sicli neben einem Embryonalei ein Embi-yotrophei, namentlich ein solches, welches von einer Gallerthülle umgeben ist. entwickelt. Wenn auch zugestanden werden muß, daß eine solche Annahme sich möglicherweise in dem einen und andern Falle bewahrheiten könnte, so stehen ihr doch drei Fälle entgegen, die bisher allein ein berechtigtes Urteil über die Entstehungweise dieser Anomalie erlauben; so klein auch noch die Zahl der beobachteten Fälle ist, so übereinstimmend sind sie doch. unter sich, daß wir mit Berechtigung eine Mehrzahl von Embryonen älterer Stadien auf eine Mehrzahl von Embrj'onen in einem und demselben Embrj^onalei, also zwei ältere Embryonen auf eineiige Zwillinge zurückführen müssen. Letztere Anomalie scheint dadurch zu entstehen, daß durch irgendeinen Zufall zwei Eier in jene Hülle geraten, die offenbar allein die Bedingungen für die Befruchtung erfüllt (s. Abschn. II, 3). Da bei Salamandra atra die Eier häufig von verschiedener Größe sind, ist es naheliegend, daß es um so eher zur Bildung von eineiigen Zwillingen kommt, je kleiner die abgelösten Ovarialeier sind, welche zuerst im Oviduct caudalwärts vorrücken; denn es dürfte kaum ein Zufall sein, daß in den drei Fällen von eineiigen Zwillingen zweimal kleine und einmal nur mittlere Embr3'onen angetroifen wurden. Es ist nach meinen Befunden nicht berechtigt, Mißbildungen als Neben- embryonen im Sinne Schwalbe's oder als Abortivembryonen im Sinne Kammerer's zu bezeichnen; denn die Entstehungsweise dieser Miß- bildungen ist die gleiche wie die normaler Embryonen; sie ent- wickeln sich nämlich, soweit meine Erfahrungen reichen, stets aus Embryonaleiern, nie aus Embryotropheiern, gleichgültig ob sie in einem Uterus einzeln oder neben einem normalen Embryo vorkommen. Es ist naheliegend, daß die Möglichkeit für die Entstehung einer Miß- bildung mit der Zunahme der Zahl der Embryonen in einer Eihülle wächst, nicht nur deshalb, weil kleine Eier die Entstehung dieser Anomalie zu begünstigen scheinen, sondern auch weil die Embryonen in dem dürftigen Räume sich an der Entwicklung gegenseitig be- Zool. Jahrb. XXYIII. Abt. f. Syst. 4 50 Hans Wunderer, hindern. Es erscheint mir nicht unmöglich, daß man gelegentlich einmal drei Embryonen in einer Hülle antreifen könnte. Wieweit die kleinen Eier entwicklungsfähig sind, darüber kann ich keine Angaben machen, jedoch aber meine ich, daß die kleinsten gelegent- lich im Uterus vorhandenen kaum einen normalen Embryo liefern können. Ein Teil der Mißbildungen mag also von Eiern herrühren, welche eine zur Ausbildung eines normalen Embryos nicht mehr ausreichende Größe besitzen; ein anderer Teil vielleicht von mehr oder weniger kranken Eiern, die unter andern etwa aus Eierstöcken mit Blasen- bildungen stammen; ein Teil verdankt sicherlich seine Entstehung der Raurabeengung bei Vorhandensein zweier Embryonen in einer Hülle. Solche Mißbildungen sterben jedenfalls meistens vor der Geburt ab und geben zu bekannten bereits mitgeteilten Anomalien Veranlassung. Ein Teil abgestorbener Eier dürfte vielleicht aber auf eine fehlende oder nicht ausreichende Befruchtung (bei zu alten oder kranken Spermatozoen) zurückzuführen sein. 3. Das Embryonalei und die Embrj^otropheier. Wie ich bereits in dieser Abhandlung mitgeteilt habe, ent- hält ein eben ausgebildeter Uterus zwei Arten von Eiern: das Embryonalei [8] mit 1 oder in sehr seltnen Fällen 2 Embryonen und die Embryotropheier, welche später hauptsächlich durch die Be- wegungen des ausgeschlüpften Embryos zu einem Dotterbrei zerfallen ; einige Embryotropheier, etwa 1 — 3, die wenigstens anfänglich im caudalen Abschnitte des Oviducts liegen, sind meistens von einer zarten Gallert- hülle umgeben, die den betreffenden Eiern eine längere AViderstands- kraft gegen den Zerfall gewährt. Der größte Teil der Embryotroph- eier besitzt keine Gallerthülle, sondern es findet sich höchstens stellen- weise zwischen den Eiern wenig Gallerte eingelagert. Die iVngabe Czeemak's (1843, p. 9 u. 10), daß die Eier einer Einsaat ursprüng- lich unter sich auch in bezug auf ihre Hülle gleich sind und sich ein diesbezüglicher Unterschied erst später durch eine regressive Meta- morphose ausbildet, erscheint somit als unrichtig. Es ist dies um so mehr hervorzuheben, als Schwalbe hauptsächlich auf diese irrige Angabe von Czeemak gestützt zu ganz unhaltbaren Annahmen ge- kommen ist. In der Frage der Stellung des Embryonaleies zu den Em- bryotropheiern sind zwei Ansichten vertreten: die eine, daß der Unter- Entwicklungsgeschichte des Alpensalaiuanders. 51 schied zwischen Embiyonalei und Embryotropheiern insofern ein prinzipieller sei, als nur ein Ei, das Embryonalei nämlich, befruchtet werde; die zweite, daß nur ein gradueller Unterschied bestehe, daß alle Eier befruchtet werden, bis zu einem gewissen Cirade der Ent- wicklung fortschreiten und dann früher oder später zugrunde gehen oder es noch bis zur Bildung von Nebenembryonen bringen. Ge- wissermaßen in der Mitte steht Fatio's Ansicht, welche nur wenigen, offenbar den von einer Gallerthülle umgebenen, Eiern eine Befruch- tung und einen kürzern Entwicklungsgang zuschreibt. Gestützt sind diese Ansichten, soweit sie das 1. Stadium betreffen, nur durch makroskopische Beobachtungen. Maßgebend für die zweite Ansicht waren ferner zwei bei altern Stadien gemachte Befunde : das gelegent- liche Vorkommen von 2 Embryonen oder eines Embryos und einer Mißbildung in einem Uterus und der Kernreichtum der Dotter- masse. In engster Beziehung zu der erörterten Frage über die Be- fruchtung der Embryotropheier ist die Frage über das Zustande- kommen der eigentümlichen Entwicklungsverhältnisse bei Salamamlra atm. In dieser Frage stehen sich zwei Ansichten gegenüber: die eine, welche Czeemaiv als die wahrscheinlichste angenommen hat, vertritt den Standpunkt, daß der Grund der eigentümlichen Entwick- hmgsverhältnisse im Ei selbst liege, also dieses vermöge seiner eigentümlichen Struktur allein einer normalen Befruchtung fähig sei und tatsächlich zu einem normalen Embryo sich entwickle; die übrigen Eier werden infolge ihrer abw^eichenden Struktur entweder über- haupt nicht befruchtet oder können wenigstens keine ausgebildeten Embryonen liefern. Die andere Ansicht Avird von mehreren Autoren geteilt und auch von Czekmak als möglich, wenn auch als unwahrscheinlich, hingestellt: der Grund der Tatsache, daß in einem Uterus nur 1, in seltnen Fällen 2 Eier befruchtet werden, liege in den dem Alpensalamander eigentümlichen Verhältnissen des Uterus; die Eier an sich seien einer normalen Befruchtung fähig, es finde eine solche aber nicht statt oder schlage wenigstens infolge der im Uterus ge- troffenen Einrichtungen fehl. Ich teile nun meine Beobachtungen und die Ergebnisse meiner Untersuchungen mit, soweit sie zur Lösung vorstehender biologisch wichtigen Fragen beitragen können: a) Makroskopische Beobachtungen: Aus den zu Beginn des 2. Abschnittes gemachten Mitteilungen, welche den Eintritt der 52 Hans Wunderer, Eier in den Oviduct betreffen, geht Folgendes hervor: Ein Teil der Eier (2 in dem von mir beobachteten Falle) ist schon von einer Gallerthülle nmgeben und hat den caudalen Abschnitt des Oviducts erreicht, wenn die übrigen Eier zum geringen Teile in der Bauchhöhle liegen, größtenteils aber noch im Ovarium festsitzen. Die Ablösung der Eier ist manchmal noch nicht vollendet, wenn bereits das Em- bryonalei die Zweiteilung vollendet hat. Zur Zeit der Vierteilung fand ich noch Eier in der Bauchhöhle. Diese Tatsachen legen die Vermutung nahe, daß die Ablösung der Ovarialeier und deren Eintreten in den Oviduct etappenweise erfolgt, wie es bei gewissen Salamandrinen, z. B. Triton, die Regel ist. Nur unterscheidet sich Salamandra atra schon am ersten Ge- lege dadurch, daß die Eier nicht abgelegt, sondern zurückbehalten werden und nicht alle im gleichen Maße eine Gallerthülle emp- fangen. Die übrigen Gelege, die z. B. bei Triton in gewissen Inter- vallen stattfinden, dürften vielleicht bei Salamandra atra ohne merk- liche Zwischenpausen erfolgen, jedenfalls aber ist die für die spätem Gelege nötige Zeit bei Salamandra atra gegenüber Triton sehr ab- gekürzt. Unter der Voraussetzung der Richtigkeit dieses nahe- liegenden Vergleiches zwischen Salamandra atra und Triton wäre an die Möglichkeit zu denken, daß die Eier der spätem Gelege sich von jenen des ersten Geleges dadurch, wenigstens zum Teil, unter- scheiden könnten, daß diese infolge einer beschleunigten Ablösung ihre volle Reife nicht erlangt hätten ; es würde aber dies nur einen Unterschied zwischen dem Ovarialei und dem größten Teil der um- hüllten Embrj^otropheier einerseits und den vorwiegend nackten Embryotropheiern andrerseits im Gefolge haben. Ferner scheinen die nackten Embryotropheier bei ihrem Durchtreten durch den Oviduct offenbar infolge des hohen Muskeldruckes, der die Bildung des Uterus bewerkstelligt, viel zu leiden haben, da sie oft defor- miert, ja manchmal zerdrückt erscheinen. Ich hebe diese beiden möglicherweise vorhandenen Unterschiede zwischen nackten und umhüllten Embryotropheiern deshalb hervor, weil sie bei experi- mentellen Untersuchungen vielleicht sehr in die Wagschale fallen könnten. Obwohl ich einigemal sehr junge Stadien zu Gesicht bekommen habe, habe ich doch im Drange der Geschäfte der Frage zu wenig mein Augenmerk geschenkt, ob das Embryonalei, dem oft bei aus- gebildeten Uteri Embryotropheier vorgelagert sind, stets, wie ich vermute, das erste sei und ein Vorlagern der Eier somit eine sekun- Entwicklungsgeschichte des Alpensalanmnders. 53 ^ ersten Geleges, bestehe. Zu Ungunsten der früher erörterten Frage sprechen aber die angeführten Anomalien. Unter der Voraussetzung eines bereits im Ovariuui zur Entwicklung bestimmten Eies müßten wir in jenem Falle, wo alle Eier beider Ovarien in einen Uterus wandern , 2 befruchtete Eier vorfinden. Bei Vorhandensein zweier Embrj'onen in einer Hülle müßten wir zur Erklärung annehmen, daß ,.zufällig" 2 zur Bil- dung von Embrj'onen befähigte Eier in einem Ovarium sich ge- bildet haben; dann daß durch irgendwelche Umstände diese 2 unter den ersten sich finden, welche in den caudalen Abschnitt des Oviducts vorrücken und obendrein noch in eine und dieselbe Hülle zu geraten ptiegen. Eine solche Annahme aufrecht erhalten, hieße den Eiern geistige Fähigkeiten zuschreiben. Mit Berechtigung kann man nur annehmen, daß zumindest die zuerst in den Uterus gelangenden Eier, das spätere Embryonalei und einige Embryotropheier , ursprünglich einander vollkommen gleichwertig sind und sich ein Unterschied erst im Oviduct selbst dadurch ausbildet, daß im caudalen Abschnitte Vorkehrungen ge- troffen sind, die nur die Befruchtung eines Eies gestatten. \\'ie im besondern diese Vorgänge stattfinden, müssen weitere, jedenfalls wegen der Schwierigkeit, mit welcher das Material be- schafft werden muß, sehr mühevolle mikroskopische Untersuchungen an Ovidncten mit jungen Eiern lehren, mit denen experimentelle und vergleichend anatomische Untersuchungen Hand in Hand gehen. 4. Die phylogenetische Stellung des Alpen- salamanders. Mir liegt es fern, in der ungemein schwierigen Frage, welche die Abstammung des Alpensalamanders und dessen Stellung zu Salamandni maadosa betrifft, den Versuch zu machen, entscheidend einzugreifen. Meine Ausführungen sollen nur dartun, daß einerseits die Gründe, welche für die Abstammung des Alpensalamanders von Salamandni maculosa oder einer gemeinsamen nach Art des ge- fleckten Salamanders lebend gebärenden Urform vorgebracht wurden, zum Teil unrichtig sind, zum Teil nichts beweisen, andrerseits aber noch andere Abstammuugsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen. Mir scheinen überhaupt die in anderer Beziehung wert- vollen Exi)erimente, die Kammerer anstellte, nicht geeignet zu sein, in dieser Frage eine Entscheidung herbeizuführen. Die vergleichende Anatomie und Embryologie wird hier unzweifelhaft dem Ziele näher 56 Hans Wunderer, kommen. Experimente, welche an Urodelen die Befriichtungsfähig- keit der Eier mit Spermatozoen verschiedener Species überprüfen, und mit Serum angestellte Versuche hätten jedenfalls auch Aussicht auf Erfolg. Ich unterziehe nun die in der Frage betreffs der phylo- genetischen Stellung des Alpensalamanders vorgebrachten Behaup- tungen einer kurzen Kritik. 1. Nach Schwalbe und Kammeeee werden alle Eier befruchtet ; die neben dem Hauptembryo dabei auftretenden Entwicklungsformen (Nebenembryonen, Abortivembryonen, Abortiveier, Embryotropheier) gehen zugrunde. Aus meinen im Abschnitt II, 3 mitgeteilten makroskopischen und mikroskopischen Beobachtungen geht hervor, daß überhaupt nur ein Ei [8], das in seltnen Fällen wohl 2 Dotterkugeln enthalten kann, befruchtet werde und sich entwickelt. Es besteht somit in der Art der Befruchtung zwisclien Salmnandra atra und maculosa ein prinzipieller Unterschied. Die Abortivgehilde bei Salamandra maculosa sind somit den Embryotropheiern von Salamandra atra nicht ebenbürtig. Der Theorie Schwalbe's und Kammeree's wird hierdurch die wichtigste Stütze entzogen. 2. Es wird behauptet, daß Salamandra atra und Salamandra macidosa annähernd die gleiche Anzahl Eier besitzen. Bezüglich Salamandra macidosa geht aus Kammeree's Tabelle A (p. 83) hervor, daß die Zahl der Eier bei Salamanderweibchen mit zunehmender vertikaler Höhe abnimmt und zwar von 50 m (durch- schnittlich in einem Uterus 30 Eier) bis 1000 m Seehöhe (durch- schnittlich in einem Uterus 12 Eier) [11] von durchschnittlich 30 Eiern auf 12 Eier herabsinkt. Es enthält somit ein Oviduct, nach Angaben Kammeree's berechnet, im Durchschnitt 21 Eier. Wenn wir nun die Angaben betreffs Salamandra atra vergleichen, so hat die Zahl der Eier Fatio am niedersten (10 — 25), v. Siebold am höchsten (50 — 60) angegeben. Ich selbst habe eine so geringe Anzahl, wie Fatio angibt, nie beobachtet; die Salamander aus meinen tiefsten Untersuchungsgebieten enthielten zum Teil aber in einem Uterus 70 Eier, ja sogar darüber. Auch bei Salamandra atra scheint mit zunehmender Höhe die Zahl der Eier abzunehmen; in welcher Weise, muß erst festgestellt werden; unser Molch scheint aber auch lokale Verschiedenheiten in der Eierzahl aufzuweisen; auch mag die Größe und das Alter der Weibchen von einiger Bedeu- tung sein. Wollten wir nun auf Kammeree's Gedankengang eingehen und Entwicklungsgeschichte des Alpensahxinanders. 57 in jenen Bezirken, wo sich Sahihumdru atm nnd maculosa berühren, einen Übergang; der Entwicklungsformen beider Species annehmen, so wäre zu erwarten, daß gerade in diesen Gebieten der Alpen- salamander annähernd die gleiche Anzahl von Eiern besitzt wie der gefleckte Erdmolcli. Wir finden aber, daß dort der Alpen- salaniander etwa fünfmal soviel Eier besitzt, wie wir nach den An- gaben Kammekek's, welche den gefleckten Salamander betreffen, er- warten sollten. Aber auch die Durchschnittszahl der Eier ist nicht einmal an- nähernd dieselbe. Das Mittel zwisclien der niedersten Angabe von Fatio und der von mir beobachteten hohen Zahl von 70 Eiern ist 40; Salaniandra atra besitzt somit annähernd doppelt soviele Eier wie Salamandra macidosa. 3. Der Besitz mächtig entwickelter Kiemem beim Alpensala- mander spricht nach Kammerer dafür, das die Larven früher ein- mal ihre Entwicklung im Wasser durchgemacht haben, wie es noch heutigentags die Larven von Salaniandra macidosa tun. Der Besitz mächtig entwickelter Kiemen kann nichts weiter beweisen, als daß die Larven ursprünglich ihre ganze Entwicklung im Wasser durchgemacht haben ; ob sie in einer spätem Epoche zum Teil eine intrauterine, zum Teil eine extrauterine Entwicklung durch- gemacht haben, wie Salamandra macidosa, dafür ist nicht der ge- ringste Anhaltspunkt gegeben. Die Größe der Kiemen an sich spricht eher dafür, daß sie infolge der intrauterinen Entwicklung an Be- deutung gewonnen haben. 4. Das Anwachsen des Yolumsverhältnisses zwischen geburts- reifen Embryonen und der Mutter mit zunehmender Höhe hat Kammerer sowohl für Salamandra macidosa als auch für Scdamandra atra nachgewiesen [5]. Bezüglich Scdamandra atra habe ich die aus den Angaben Kammerer's sich ergebende Tatsache, daß unser Molch mit zunehmender Höhe größere Junge zur Welt bringt, bestätigt (Abschn. II, 1). Jedoch mußte ich dies lediglich als eine Anpas- sungserscheinung hinstellen, die mit verwandtschaftlichen Verhält- nissen nichts zu tun hat oder wenigstens in keinem Zusammenhang zu stehen braucht. Die Abnahme der Zahl der Embryonen mit zu- nehmender Höhe ist bei Scdamandra macidosa jedenfalls die Folge der eben erwähnten Größenzunahme der Embryonen. Bei Scdamandra atra kann die Zahl nicht abnehmen, weil der Uterus in der Regel nur einen Embryo enthält. Mit einer gewissen Bereclitigung könnte man beim Alpensalamander von einer ähnlichen Erscheinung sprechen, 58 Hans Wunderer, wenn talsächlich das gelej^entliche Vorkommen von 2 Embryonen in einem Uterus als Atavismus bezeichnet werden könnte und eine solche Anomalie nur in tief gelegenen Standorten sich fände. Allein, wie aus meinen Untersuchungen hervorgeht (s. Abschn. II, 2), kann von einem Atavismus hierbei keine Rede sein; denn dieser würde die Entstehung dieses Vorkommnisses aus 2 Eiern mit je 1 Em- bryo und nicht, wie es tatsächlich zutrifft, aus 1 Ei mit 2 Dotter- kugeln zur Voraussetzung haben; außerdem traf ich auch in der Alpenregion Salamanderweibchen mit mehr als 2 Embryonen an. 5. Das Aufziehen junger Eier oder Embryonen im Wasser (nicht Kochsalzlösung!) könnte unter Umständen insofern von Bedeutung sein, als man mit gewisser Berechtigung jene Salamanderspecies für die phyletisch ältere ansehen könnte, deren Embryonen von einem frühern Stadium an aufgezogen werden könnten. In dieser Rich- tung scheinen aber keine namhaften Versuche vorzuliegen. Die experimentelle Erzielung von Feuersalamandern, welche ihre Larven im Trocknen ablegen, scheint mir wohl für die große Anpassungsfähigkeit der Urodelen im allgemeinen, des Feuersala- manders im besondern zu sprechen, allein für eine Verwandtschaft im Sinne Kammeree's keine begründete Handhabe zu bieten. Die Ableitung des Alpensalamanders von einer lebendgebärenden Stammform im Sinne Kammerer's und die als selbstverständlich hin- gestellte Annahme, daß Salamandra atra die phyletisch jüngere Form sei, ist durchaus nicht begründet. Im Gegenteil treten bei Sala- mandra atra Erscheinungen auf, die dafür zu sprechen scheinen, daß diese Species ohne Vermittlung einer lebendgebärenden Zwischenform direkt von einem eierlegenden Urodel mit innerer Befruchtung ab- stammt, wie wir ein solches in unsern Regionen in Triton vorfinden. Es spechen dafür folgende Erscheinungen: 1. Es finden sich ursprünglich im Oviduct, der wenigstens makroskopisch einen Uterus nicht vorgebildet zeigt, die Eier hinter- einander, wie sie anscheinend bei eierlegenden Urodelen mit innerer Befruchtung im Moment sich vorfinden, da die Eier in den Sperma enthaltenden Abschnitt eintreten. 2. Der Uterus bildet sich erst später offenbar infolge eines Hindernisses, welches den Eiern den Austritt verwehrt, und der auch bei eierlegenden Urodelen vorhandenen Kraft, welche die Eier austreibt. Dies ist ein bedeutender Unterschied gegenüber Sala- mandra maculosa, wo diese Kraft wenigstens in der Art nicht zum Ausdruck kommt. Salamandra atra hätte somit den ursprünglichen Entwicklungsgeschichte des Alpensalanianclers. 59 Besitz dieser Kraft gewalirt, müßte somit aucli eher als pliyletiscli älter als Salamandra maculosa bezeichnet werden. Bei Fseudophryne vivipara, dem von Tornier (1905) jüiijist beschriebenen, lebendig ge- bärenden Frosch, dessen Ahnen selbstredend auch eierlegend ge- wesen, ist es, wie bei Salamandra atra, zur Bildung einer sackartigen Auftreibung der Enden beider Eileiter gekommen, welche aber zahl- reiche Larven beherbergt. 3. Die Ablösung der Eier und deren Eintritt in den Uterus erfolgt wie bei Triton etappenweise (s. Abschn. II, 3). Vielleicht trifft dies auch für Salamandra macidosa zu. Irgendein bedeuten- der Unterschied muß aber in jedem Falle bestehen; denn bei Sala- mandra atra findet man Eier in der Bauchhöhle noch zu einer Zeit, da im Oviduct das Embryonalei im Viererstadium sich befindet. Bei Salamandra macidosa sind nach den Angaben von Gröxroos (1896, p. 162), mit welchen meine allerdings spärlichen Erfahrungen im Einklang stehen, die Eier auf annähernd gleicher Entwicklungs- stufe; dies könnten sie nicht sein, wenn zur Zeit der Befruchtung oder sogar des Auftretens von Zweier- und Viererstadieu noch Eier in der Bauchhöhle sich fänden. 4. Die Gallerthülle ist bei Salamandra atra derber und dicker als bei Salamandra macidosa und von einer ähnlichen Konsistenz, wie sie sich bei unsern eierlegenden Tritonen findet. Es wäre, soweit aus vorigen Angaben sich schließen läßt, nicht unmöglich, daß die Viviparität von Salamandra macidosa und Sala- mandra atra von jeder Species selbständig ohne Vermittlung einer lebendgebärenden Urform zustandegekommen sei; die gemeinsame Urform, die selbstredend bestand, wäre in diesem Falle eierlegend gewiesen, wie es unter andern unsere l'ritonen sind. Ich meine natürlich nicht, daß diese Urform ein Triton war, sondern ziehe diesen nur als nächsten, in unserer Gegend lebenden Verwandten einer solchen Urform heran. Es würde eine derartige Annahme um so weniger auf Schwierigkeiten stoßen, als ja doch der selbständig erworbene Besitz von Viviparität oder Ovoviviparität bei Vertretern aller Amphibienordnungen bereits festgestellt ist; so ist es bekannt, daß bei Gymnophionen die Eier im Oviduct die Furchung durch- machen (Brauer, 1897, p. 392) und daß es selbst lebendgebärende Frösche gibt (Tornier 1905, p. 855; Spengel, 1906, p. 801). Eine Besprechung erfordert noch die geographische Verbreitung des Alpensalamanders, da sich unter Umständen hieraus Anhalts- punkte für die Abstammungsfrage ergeben könnten. ßQ Hans Wunderer, Salammidra aira, der nur in den Alpen lebt, hat größtenteils beschränkte, inselförniige, meist hochgelegene Wohnplätze inne. Seine geographische Verbreitung erinnert an die spezifischer Alpenpflanzen. Es ist naheliegend, um nicht zu sagen zwingend, die Artenwandlung unseres Molches in dieselbe Zeit zu verlegen, in der zum großen Teil unsere Flora ihr alpines Gepräge erhalten hat, in die Eiszeit. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann gesagt werden, daß Sala- mandra atra vor Beginn der Eiszeit, etwa in der Präglacialperiode (s. Katser, p. 532), nicht gelebt hat, sondern erst während der Eis- zeit in den Alpen aus einem andern Urodel sich herausgebildet hat; denn sonst dürfte man sein Vorkommen auch außerhalb der Alpen erwarten. In w^elcher der Glacialzeiten und w^o die Artenwandlung vor sich gegangen und ob in den Interglacialzeiten oder in der Post- glacialzeit seine Verbreitung stattgefunden, läßt sich schwer sagen, wäre aber vielleicht eine lösbare geologische und paläontologische Frage. Am meisten Wahrscheinlichkeit scheint mir für eine An- nahme vorzuliegen, daß die Stammform des Alpensalamanders durch Vorrücken der Gletscher dadurch am Zurückweichen verhindert wurde, daß die Gletscher zweier Täler sich vereinigt und so zwischen sich eine Insel gebildet haben. Das nun dort in dem fortwährend sich verschlechternden Klima zum Weiterleben gezwungene Urodel hat sich der Kälte anpassen müssen und ist so zu seiner eigentümlichen Fortpflanzung gekommen. In der der Glacialzeit folgenden klimatisch günstigem Epoche hat der Salamander Gelegenheit gehabt, sich wenigstens über einen größern Teil der Alpen zu verbreiten. Eine einzige solche Epoche scheint mir bei der ungemein trägen Lebens- weise dieser Tiere für die Ausbreitung über nahezu die ganze Alpen- kette nicht hinzureichen. Die eigentümliche Verbreitung des Alpen- salamanders scheint mir nämlich darauf hinzuweisen, daß der in der Eiszeit entstandene Molch in der darauffolgenden Interglacial- zeit sich über einen beschränkten Teil der Alpenkette ausgebi'eitet hat, in der nunmehr neuerlich beginnenden Eiszeit in die großen Täler zurückgedrängt wurde und von dort aus zum Teil während der Glacialzeit, zum Teil während der folgenden Interglacialzeit oder Postglacialzeit seine weitere Verbreitung gefunden hat. Eine Glacialperiode vermag, falls die Vergletscherung keine vollständige ist, wie dies für die erste und dritte zutrift't, von einer Species zwei extreme Formen zu zeitigen: die eine, welche in den ungünstigsten, von Eis eingeschlossenen Inseln zu leben gezwungen Eutwicklungsgeschichte des Alpensalamanders. 61 wird, die andere, welche vom Kise talabwärts gegeu Flachland ge- drängt wird. Solche zwei Extreme, die durch alle möglichen Zwischenstufen verbunden sein können, scheinen bei iSalamandra aira vorzukommen; wenigstens reicht der Alpensalamander mitunter in seinen Ver- breitungsgebieten auf Alpen nur bis zu einer gewissen Grenze herab, obwohl er unter derselben vielfach dieselben Lebensbedingungen fände, in welchen schwarze Salamander in tiefer gelegenen Stand- orten leben. Viel deutlicher scheinen die extremen Formen bei Felias lerus und Lacerta vivipara ausgeprägt zu sein. Gredler (1872, p. 10 u. 23) z. B. fand beide Tiere in den Sümpfen der Ebene des Etsch- landes, ohne daß durch ihr Vorkommen in den Vorbergen eine Ver- mittlung mit den hochgelegenen Wohnstätten vorhanden gewesen wäre. Auch von der Forelle scheinen sich in den Alpen zwei extreme Formen gebildet zu haben, eine, welche das Gletscherwasser verab- scheut und vor diesem talabwärts flieht, die andere, welche die Gletscherbäche und die von diesen gespeisten Alpenseen liebt (s. Brehm's Tierleben, Vol. 8, p. 341). Vielfach bewohnt die Forelle Hochseen, in die sie in der Jetzt- zeit wegen unterirdischen Abflusses oder anderer Verhältnisse un- möglich einwandern konnte. Gleiches trifft auch für den Saibling zu. In solchen Seen mögen wohl beide Species vielfach die letzte Glacialperiode erfolgreich überstanden und durch geologische Ver- änderungen die Fühlung mit den Talbewohnern verloren haben. Während nun Salamandra atra den Eindruck einer orts- entstandenen Species macht, erscheint Salamandra maculosa in den Alpen als ein eingewandertes oder zum Teil sogar eben in Ein- wanderung begriffenes Tier; so ist es z. B. im Unter-Inntal häutig (Gredler), ist aber scheinbar niclit über Jenbach vorgedrungen, wo es Kammerer noch antraf. Ich habe es wenigstens trotz eifrigen Suchens nicht auffinden können. Vielleicht ist Salamandra mactdosa über Vinschgau in die Gegend von Landeck oder über den Brenner in das Wipptal von Südtirol aus schon vorgedrungen. An diese Möglichkeit wäre um so eher zu denken, als Gredler durch eine ähnliche Verbreitungsart das Vorkommen von Lacerta muralis bei Landeck zu erklären sucht. Ich fand, allerdings nur ein einziges Mal, bei Gärberbach in der Nähe von Innsbruck die Mauereidechse vor, obwohl sie im Inntal außer an dem von Gredler namhaft 62 Hans Wcndereh, gemachten Orte nicht vorzukommen scheint. Es wäre somit für Lacerta muralis auch ein Überspringen des Brenners anzunehmen. Soweit aus der geographischen Verbreitung des gefleckten Sala- manders geschlossen Averden kann, war er zu Beginn der Glacial- periode in Süd-Europa vorhanden und scheint sich von dort einerseits über das ägäische Festland nach Kleinasien und Palästina, andrer- seits über die damals zwischen West-Europa und Nord-Afrika be- stehende Landbrücke nach Marokko und Algier verbreitet zu haben. Es ist somit auch anzunehmen, daß in den Interglacialzeiten Sala- mandra maculosa in die Alpen vorgedrungen ist und von dort während der Glacialzeiten wieder zurückgedrängt wurde; somit wäre vom tiergeographischen Standpunkte aus gegen eine direkte Abstammung des Alpensalamanders von SaJamandra maculosa allerdings vorläufig nichts einzuwenden. Sollten meine Vermutungen, welche die Abstammung des Alpen- salamanders betreffen, ihre Bestätigung finden, so hätte SaJamandra atra gewisse ursprüngliche Eigentümlichkeiten der Stammart ge- wahrt, die Salamandra maculosa bereits verloren hat, müßte also deshalb eher als phjdetisch älter bezeichnet werden, die Artenwandlung von Salamandra atra hätte sich aber in einer spätem erdgeschicht- lichen Epoche vollzogen als bei Salamandra maculosa. A n h a n g. Anuierkungen und Noten. 1. Mein mehr oder weniger vollständig untersuchtes Material des Alpensalamanders wurde in folgenden Standorten gesammelt: I. Pfriemeswiesen und deren nächste Umgebung; Pfriemes bei Innsbruck, ca. 1750—1950 m (Mitte Mai bis Mitte Juli 1903) . 500 St. IL Bei den Herrnhäusern im Halltal bei Innsbruck (Ende Juni 1904) 40 „ III. Vomperloch (beiderseits) bei Schwaz (Anfangs Juli 1904) [9] 700 „ IV. Klosterfrauenalpe im Michelbachertal; Iseltal bei Lienz, ca. 1750 m (Ende Aug. 1906, Anfangs Aug. 1908) . . 332 „ V. Gebiet der Galitzenklamm bei Lienz, 850— 1200 m (Früh- jahr bis Spätsommer 1908) 4274 „ 5846 St. Entwickhuig-sgeschicbte des Alpensalainanders. 63 Der Vollständigkeit wegen verzeichne ich noch jene Fundorte, die mir bekannt geworden sind, welche ich aber selbst nicht unter- sucht habe : a) Xordtirol: Gebiet der Zugspitze, Hinteriß, Bettelwurt Kematener Alpe, Gebiet der Serles, Igelser Alpe, Alpen im Hinter- grunde des Yoldertales. Übergang vom A\'eertal ins Zillertal, Alpen ober Sclnvaz gegen das Kellerjoch, Gebiet des Kaiseigebirges. b) West- Tirol: Graun im Vinschgau. c) Ost-Tirol: Kais im Iseltal, Lienzerdolomiten bei Mittewald, an der Wacht im Lesachtal (Grenze zwischen Tirol und Kärnten). d) Kärnten: Plöckenpaß am Übergang zur Valeutinalpe, Liesinger Wiesen bei Liesing im Lesachtal. Von meinem großen Material wurden in der Regel nur jene Weibchen getötet, deren gelbe Bauchfarbe auf jüngere Embrj'onen im Uterus schließen ließ. Es fallen auf diese Weise alle Weibchen zum Opfer, welche dem 1.. und viele, welche dem 2. Entwicklungs- stadium angehören, hin und wieder auch eins, welches nicht trächtig ist, sondern große Ovarien besitzt, endlich, wenn auch selten, solche mit altern Embrj^onen, deren Darmtract vom aufgefressenen Dotter vüllgei)fropft ist, dessen gelbe Farbe oft durch die BauchAvand des Muttertieres durchscheint. Wenn die Embryonen des 2. Stadiums durch die Bauchwand der Weibchen fühlbar waren, wurden letztere wie alle Männchen und die für die Untersuchung nicht ausgewählten ^^'eibcllen entweder sofort frei gegeben oder später in Freiheit ge- setzt. Nur in letzter Zeit habe ich von dem zum Zwecke der statistischen Untersuchung gesammelten Material alle trächtigen Weibchen und einen Teil der nicht trächtigen getötet; so groß auch mein untersuchtes Material war, so konnten doch nur von einem Teil genauere statistische Aufzeichnungen gemacht werden, da ich meine Hauptarbeit, das Sammeln von Embryonen, nicht hintansetzen wollte; diese nahm oft die ganze mir zu Verfügung stehende Zeit in Aiisprucli. Die ]ilännclien sind von den Weibchen leicht durch den Besitz des Cloakenwulstes zu unterscheiden. Kammeree (1903, p. 39) hebt noch einen andern äußern Geschlechtscharakter hervor; er behauptet nämlich, daß der Schwanz bei Männchen ebenso lang oder etwas länger, bei Weibchen stets kürzer als der übrige Körper sei. Ich habe nun an ausgew^achsenen Tieren der Galitzenklamm und der Klosterfrauenalpe diese Angaben nachgeprüft. Die :Messungen er- folgten sowohl von der hintern \\'urzel des Oberschenkels als auch ß4 Hans Wunderer, vom hintern Cloakenende bis zur Schwanzspitze. Die Ergebnisse der Messungen erster Art sind in folgender Zusammenstellung ein- geklammert angefülirt : Der Schwanz ist länger gleichlang kürzer Aus der Galitzenklamm a Is der Rump f Zahl der Männchen 30 18 (30) 11 (0) 1 (0) Zahl der Weibchen 43 41 (43) 2 (0) 0(0) Aus der Klosterfrauenalpe Zahl der Männchen 100 61 (100) 26 (0) 13 (0) Zahl der Weibchen 30 28 (30) 2 (0) 0 (0) Es ergibt sich somit aus dieser Aufstellung, daß der von Kammerer angegebene äußere Geschlechtscharakter an meinem untersuchten Material nicht besteht, sondern im Gegenteil die Schwänze derWeibchen, soweit ich finde, nahezu durchaus länger sind als der Rumpf. Weiter geht hervor, daß die untersuchten Salamander beider Gebiete in bezug auf relative Schwanzlänge differente Verhältnisse aufweisen. Vielleicht trifft Kammerer's Behauptung für die Salamander seiner Fundorte teilweise zu; allgemeine Gültigkeit hat sie aber keinesfalls. Wie ich durch den Tierhändler Jon. Roracher in Lienz erfahren konnte, stammt Kammerer's Serie XI aus der Galitzenklamm, weshalb ich annehmen muß, daß diese Serie einer eingehenden Messung nicht unterzogen worden ist. Auch noch einige andere Verschiedenheiten zwischen den Sala- mandern der beiden obengenannten Standorte konnte ich festellen. Die Salamander aus der Klosterfrauenalpe waren größer und stärker als die der Galitzenklamm; der Unterschied war so in die Augen fallend, daß man die Tiere auf den ersten Blick unterscheiden konnte. Das größte Männchen aus dem Gebiete der Galitzenklamm maß 135 mm, hingegen 144 mm das größte aus der Klosterfrauenalpe, aus deren Material 7 7o die Größe von 135 mm überrschritten. Das größte trächtige Weibchen aus dem Gebiete der Galitzenklamm maß 130 mm, das kleinste 110 mm; dagegen aus der Klosterfrauen alpe das größte 143 mm, das kleinste 122 mm, (dO^Iq der trächtigen Weib- chen maß 130 mm und darüber. Schwalbe gibt die durchschnittliche Länge eines Salamanderweibchens mit nur 112 mm an. Es ist naheliegend, daß infolge des Größenunterschiedes auch die Embryonen aus der Klosterfrauenalpe bei sonstiger gleicher Aus- Eutwicklungsgescbichte des Alpensalamanders. 65 bildung größer und kräftiger erscheinen, wenn aucli der hierfür an- gegebene Grund nicht der einzige ist, der zur Erklärung dieser Er- scheinung liinreicht. Endlich zeigten sich unter den auf der Klosterfrauenalpe ge- fangenen Salamandern die Männchen an Zahl so vorherrschend, daß ich dies nicht als bloßen Zufall ansehen möchte, wenn ich auch von dem tatsächlich vorgefundenen Verhältnis von 230 Männchen zu 30 Weibchen annehmen möchte, daß es in Wirklichkeit zu Ungunsten der Weibchen ausgefallen sei. In andern Standorten und auch im Gebiete der Galitzenklamm traf ich etwa Vs bis -'5 Weibchen an, was auch den Angaben Ka:\imerer's ungefähr entspricht [10]. Salamandra atra tritt zweifellos in zahlreichen Variationen auf; diese zu erforschen wäre wünschenswert und für die Biologie von Bedeutung. Vorbedingung einer solchen Arbeit wäre die Erforschung der Fundorte und womöglich deren Eintragung in Karten, wie es Schwalbe bereits vorgeschlagen hat. Es dürfte die Arbeit aber nicht auf Kosten unseres Molches geschehen, der wie unsere Alpen- pflanzen eines ausreichenden Schutzes wert ist, sondern es müßten, wo tunlich, an Ort und Stelle die gesammelten Salamander gemessen werden usw., um dann einigermaßen entbehrliches Material wieder in Freiheit setzen zu können. Unter „Einsaat" verstellt Czermak ,,die Lostrennung der Eichen vom Eierstocke und die Überlieferung derselben in den Eileiter" (p. 6). Schwalbe schreibt hierfür „Eisaat". Unter Entwicklungszyklus verstehe ich die Vorgänge, welche sich sowohl im Ovarium als auch im Uterus von einer Geburt (der 2 Embryonen) zur andern abspielen. Die ersten sinnfälligen Vorgänge einer solchen Periode wickeln sich im Ovarium ab, das zur Zeit der Geburt meistenteils nur ganz kleine Eier besitzt, die dann erst zu ihrer vollen Größe heranwachsen. Auch die Reife- erscheinungen dürften sich zum größten Teil wenigstens im Ovarium selbst abspielen. Nach Ablösung eines Teiles der Eier vom Ovarium, deren Eintreten in die Bauchhöhle und in den Eileiter erfolgt im caudalen Abschnitte des Oviducts die Befruchtung des Embryonaleies, das dann seine 3 Entwicklungsstadien durchläuft. Die zur Vollendung eines Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. ö QQ. Hans Wundeker, Entwicklungszyklus nötige Zeit zerfällt in 3 selbstverständlich ver- schieden lange Zeitabschnitte: 1. in den Zeitabschnitt, den das Ovarium zu seiner Entwicklung bis zum Eintritt der Reifeerscheinungen bedarf; 2. in die Zeit, die vom Beginn der Reifeerscheinungen bis zur Befruchtung reicht, und 3. in die Zeit vom Beginn der Befruchtung bis zur Geburt. Bei eierlegenden Urodelen umfaßt der Entwicklungszyklus die Zeit, die von der Vollendung der Eiablage des einen bis zur Voll- endung der Eiablage des nächsten Jahres verfließt. Es erscheint bei diesen Tieren die 3. Epoche des Entvi'icklungszyklus auf eine sehr kurze Zeit reduziert. Kammeeer bringt „befruchtete" Eier von Salamandm atra aus dem Oviduct und Uterus in phj^siologische Kochsalzlösung und zwar „reihenweise" auf ein Gitter von Glascapillaren; bei Einhaltung gewisser Maßregeln gelang es, die Eier in dieser Flüssigkeit bis zu 12 Tagen so zu erhalten, „daß die Furchung ihren Fortgang nahm" (p. 28). Aus diesen und andern An- gaben Kammeeee's scheint mir zweifellos hervorzugehen, daß er, wie es ja seiner Anschauung entspricht, keinen Unterschied zwischen Embryonalei und den Embrj'otropheiern machte, so daß seine Ver- suche nur unter der Voraussetzung einen Wert besitzen, daß tat- sächlich alle Eichen, auch die Embryotropheichen, befruchtet werden ; da dies nun, wie ich nachweise, nicht zutrifft, wird die Angabe über den „Fortgang der Furchung" kaum einen Wert besitzen, zumal, soviel ich entnehmen kann, nur makroskopische Beobachtungen vor- liegen. Es kann sich wohl nur um Fältelungen gehandelt haben. Einen weitern Einwand gegen diesen Versuch, soweit er wenigstens zur Klärung der phyletischen Stellung beitragen soll, er- fordert die Verwendung von physiologischer Kochsalzlösung, da die Urform ihre Eier ins Wasser abgelegt hat. Der Versuch ist mit der nötigen Abänderung jedenfalls der Wiederholung wert. Sollen die bei Salamandra atra zwischen Embryo und Muttertier aufgestellten Verhältnisse einen Wert besitzen, so können selbst- verständlich nur geburtsreife Embryonen in Betracht kommen. Nun trifft man aber äußerst selten im Uterus zweifellos ffeburtsreife Entwickhingsgeschichte des Alpeusalamaiideis. 67 Embryonen an, das sind solche ohne Kiemen oder höchstens mit noch knötchenförmigen Kiemenresten. Kammerer (1903, p. 26) be- hauptet allerdings, ..daß die Kiemen der im Uterus verbleibenden Embryonen bis kurz vor der Geburt stetig an Länge zunehmen und sich erst wenige Tage vor der letzteren reducieren". Diese Be- hauptung Ka:\i:mi:ker's läßt es als selbstverständlich erscheinen, daß ihm bei Aufstellung seiner Statistik obige Annahme als Leitschnur diente und er alle Embryonen mit kurzen Kiemen als geburtsreif ansah. Meine Beobachtungen stimmen mit denen von Czeemak und Schwalbe überein, daß eine allmähliche Eeduktion der Kiemen statt- findet. Im Freien beansprucht sie nicht Tage, sondern ]\[onate. Ich finde nämlich im Spätsommer bereits mit kurzen Kiemen viele Embryonen, deren Geburt erst im folgenden Jahre stattfinden kann. Kammeeer's Aufstellung besitzt somit nicht den vollen Wert und kann in ihrem Resultat den Kernpunkt der Sache nur ungenau treifen. Soviel aber scheint doch aus seinen Untersuchungen hervor- zugehen, daß im allgemeinen die Länge geburtsreifer Embryonen mit zunehmender Höhe zunimmt, wie ich es selbst an zahlreichen Weibchen feststellen konnte. 6. Einen guten Überblick über die Größenverhältnisse einer Em- bryonengruppe gewinnt man durch graphische Darstellung. Trägt man etwa auf Millimeterpapier die möglichen Längen der Embryonen der Reihe nach von Millimeter zu Millimeter auf und zeichnet jeden Embryo auf den seiner Größe entsprechenden Abschnitt (von 5 mm Seite) als Quadrat auf (Textfig. A), so erhält man für die Embryonen derselben Größe Parallelogramme, deren Kuppen unter sich an- nähernd dieselbe Kurve bilden, welche man erhalten würde, ^venn man im Koordinatensj'stem die Längen der Embryonen als Ab- szissen, die Zahl der Embryonen jeder Länge als Ordinate einträgt und die gewonnenen Punkte miteinander verbindet. Die größte Genauigkeit einer solchen Kurve erzielt man, wenn man mit großem Material arbeitet, das zur selben Zeit, in derselben Höhe und dem- selben Standorte gesammelt wurde. Alle diese Bedingungen voll zu erfüllen, wird selten möglich sein. Man gewinnt jedoch schon bei sehr geringem Embryonenmaterial die wesentlichen Charaktere einer Embryoneugruppe. Es wäre auch für einen Tierfreund kaum zu verantworten, die Existenz des Alpensalamanders einer untergeord- neten, dem Experimente zugänglichen Frage zuliebe auch nur in 5* 68 Hans Wundeeer, wenigen Standorten zu gefährden. Die Zahl der erzeugten Em- bryonen scheint im allgemeinen für jedes Jahr sich annähernd gleich zu bleiben, wenn auch an die Möglichkeit gedacht werden muß, daß größere Diiferenzen namentlich in höhern Eegionen vorkommen können, wie sie z. B. im Auftreten des Maikäfers sich vorfinden. Beim Einsammeln der Weibchen spielt Zufall und scheinbar auch die Witterung eine nicht unerhebliche Rolle. Mir wäre es sonst nicht erklärlich, daß Kammeeer z. B. in Tabelle B (p. 83) Ende August in einer Höhe von 1800 m unter 117 gesclilechtsreifen Weibchen 15 ohne Embryonen, 15 mit Embryonen des 1. und 2. Stadiums (die um diese Zeit nur vom laufenden Jahre stammen können) und 76 mit Embr3'onen des 3. Stadiums (unter denen kein einziger Embryo des laufenden Jahres sich vorfinden kann) auffand. Ich setze natürlich voraus, daß Kämmerer die Untersuchung kurze Zeit nach dem Fang unternommen hat. Wären diese Befunde wirk- lich jährlich konstant, so finden sich im Embryonenmaterial des 3. Stadiums nicht 2, wie in dem von mir beobachteten Falle, sondern 3, 4 und mehr Jahrgänge vor, wie es zum Teil für Salamander der höchst gelegenen Standorte zu erwarten ist. 1 i^f^&^ J3 Iß 17 13 19 20 21 ZZ 23 2^ 25 20 27 26 29 JO Ol 32 33 Fig. A. Graphische Darstellung einer Gruppe von 88 Embryonen von Salamandra atra, deren Entwicklung im Vorjahre begonnen hatte; in der ersten Hälfte des Juni in einer Seehöhe von 900 — 1200 m (Galitzenklamm bei Lienz) gesammelt. Weitere Erklärungen im Texte. Entwicklungsgeschichte des Alpensalamanders. 69 Fig. B. Graphische Darstelhmg der Erabryonengruppen von Salamandra atra im Früh- iahr ixnd Spätsommer. Die Basis der Dreiecke veranschaulicht die Großen einer Gnappe. der Fuiipunkt der Höhe bezeichnet die mittlere Größe , die Hube die relative Zahl der Embryonen einer Gruppe. Weitere Erklärungen im Texte. 70 Hans Wunderer, In Fig. B habe ich die Größenverhältnisse ähnlich wie in Fig. A dargestellt. Die Basis des Dreiecks bezeichnet die Grüßen, welche die Embrj^onen eines Jahrgangs aufweisen, der Fußpnnkt der Höhe des Dreiecks die mittlere Größe und die Höhe der einzelnen Drei- ecke die relative Zahl der in einer Gruppe vorhandenen Embryonen. Die Entfernung der basalen Ecken verschiedener Dreiecke veran- schaulicht die Größendifferenz der einzelnen Embrj'-onengruppen. Auffällig ist in Fig. Ba die breite Basis des mittlem Drei- ecks; diese rührt davon her, daß die Embryonen in einem Höhen- gürtel von 900—1200 m und innerhalb 14 Tagen gesammelt wurden, also während dieser Zeit zum Teil etwas wachsen konnten. Die Aufzeichnungen in Textfig. Bb u. c rühren von Material her, das an einem und demselben Tage in gleicher Höhe und am gleichen Standorte gefangen wurde. Auch in Fig. B c weist die durch das Dreieck dargestellte Embryonengruppe von mittlerer Größe von 45 Vg mm eine sehr breite Basis auf. Es wäre durchaus nicht unmöglich, daß diese Gruppe zwei, wenn auch nicht vollständige Jahrgänge präsentiert. Es ist der Nachwuchs von Salmnandra atra noch viel geringer als bisher angenommen wurde; um so auffallender ist es, daß trotz der trägen Fortpflanzung der Alpensalamander stellenweise in un- geheurer Anzahl vorkommt. Es dürfte dies einerseits auf Rech- nung des Umstandes kommen, daß der vielleicht langlebige Molch bereits vollkommen ausgebildete Junge zur Welt bringt, andrerseits dem Besitze eines namentlich für Warmblüter äußerst wirksamen Giftes, dem von Netolitzkt (1903) aufgefundenen und beschriebenen Salamanatrin, zuzuschreiben sein. Dieser Giftstoff scheint die in höhern Regionen seltnen Feinde vollends von ihm abzuhalten. Den Ausdruck „Embryonale!" gebrauche ich in jenen Fällen, in welchen innerhalb der Gallerthülle nur ein Elmbryo sich vor- findet und ein Mißverständnis ausgeschlossen erscheint, ohne Berück- sichtigung der sekundären Hüllen. Es steht also der Ausdruck so- wohl im Sinne von „Ei mit Hüllen" (wie der Ausdruck „Ei" bei Sauropsiden verwendet wird), als auch im Sinne von „Ei ohne Hüllen" (also als Analogon des „Dotters" im Sauropsidenei). Wenn 2 Embryonen vorhanden sind, wende ich den Aus- Entwicklungsgeschichte des Alpensalanianders. 71 druck Enibryonalei nur im übeitrao:eueu Sinne, also füi- „Eiliüllf samt deren Inhalt" an, und gebrauclie für Ei im engern Sinne die Ausdrücke „Eichen, Dotterkugel, Embrj'o". Der von der Gallerthülle umschlossene Hohlraum wird um so größer, je mehr das Ei in der Entwicklung fortschreitet. Aus der im Hohlraum vorhandenen Flüssigkeit scheidet sich bei Verwendung gewisser Fixierungsgemische, z. B. Sublimatlösungen, ein trüber Niederschlag aus (offenbar gefälltes Eiweiß), der um so reichlicher ist, je weiter der Embiyo entwickelt ist. 9. Der Beginn der Fortpflanzungszeit ist selbstverständlich nicht bloß von der Höhenlage der Standorte, sondern noch von andern Verhältnissen des Klimas und der Lage abliängig. Im Vomperloch z. B. fand ich in einer Höhe von etwa 1400 — 1500 m noch anfangs Juli keine Embryonen des 1. Stadiums vor. Allerdings habe ich von den 50 auf der Bauchseite gelb gefärbten A\'eibclien nur einen kleinen Teil untersucht, weil ich unter wohl einem Dutzend Weibchen nur Embryonen im 2. Entwicklungsstadium angetroffen hatte, also ein weiteres Hinschlachten für zwecklos halten mußte. 10. Auf das Überwiegen der Männchen, die alljährlich paarungs- lustig zu sein scheinen, und auf die Tatsache, daß alljährlich höchstens ein Drittel der Weibchen trächtig wird, mag es zurückzuführen sein, daß, wie ich finde, die „Pärchen", welche die bekannten „Liebes- spiele" aufführen, meistens aus 2 Männchen bestehen. Mir scheint es äußerst unwahrscheinlich, daß die Spermatozoen in den SiEBOLü'schen Schläuchen länger, als ein Entwicklungszyklus währt, also über 3 Jahre lebend bleiben sollten; es ist wohl kaum denkbar, daß im Freien eine Begattung zur Befruchtung der Eier mehrerer Ovulationsperioden ausreicht, wenn dies auch für gefangen gehaltene Salamander nachgewiesen zu sein scheint. IL Salamandra maculosa fand ich in erheblicher Anzahl in Südtirol noch in einer Höhe von 1600 m (Sarntal: oberhalb Reinswald und am Agratsberg). In den ^^'eibchen fanden sich aber die Embryonen viel zahlreicher, als aus Kammeker's Angaben zu erwarten wäre. Ich will damit die Richtigkeit seiner Angaben nicht bezweifeln. 72 Hans Wündeber, sondern nur auf die Notwendigkeit ]iin weisen, die Untersuchungen über die Abnahme der Embryonenzahl bei SaJamandra maculosa mit steigender Höhe an Salamandern einer und derselben Gegend vor- zunehmen, da der gefleckte Erdmolch voraussichtlich bezüglich der Zahl der Embryoneu lokale Verschiedenheiten aufweisen wird. Es wäre daran zu denken, daß SaJamandra maculosa in so hoch gelegenen Standorten trotz seiner nahezu einjährigen Trächtigkeit zu einem zweijährigen Entwicklungszyklus gezwungen ist. Es wäre dies um so näher liegend, als Grönroos (1895) von seinen in mäßiger Höhe gefangenen Salamandern angibt, „daß ein großer Teil der Weibchen überhaupt nicht alljährlich trägt" (p. 156); aller- dings trilft dies für die von Kammerer beobachteten Weibchen nicht zu, da in der Tabelle A (p. 83) die Zahl geschlechtsreifer Weibchen nahezu mit der trächtiger Weibchen übereinstimmt. Zusaiumenfassuug. Der Uterus von Salamandra atra bildet sich erst während des Fortschreitens der Entwicklung des Embryonaleies dadurch aus einem Teile des schlauchförmigen Oviducts aus, daß mit Muskelkraft die zahlreichen Embryotropheier gegen den caudalen Abschnitt gedrängt werden und diesen ausweiten. Ganz junge Furchungsstadien trifft man nie in einem schon ausgebildeten Uterus an. Der Alpensalamander ist an eine Fortpflanzungszeit gebunden, die in einer Seehöhe von etwa 1000 m anfangs Juni beginnt und Ende Juni endet. Mit steigender Höhe des Standortes verspätet sich der Beginn der Fortpflanzung, so daß Scdamandra atra in der Alpen- region bei ca. 1700 m Seehöhe erst Ende Juni oder anfangs Juli zur Fortpflanzung schreitet. Ungefähr in der Mitte der Fortpflanzungs- zeit findet die größte Embryonenproduktion statt. Werden die Zahlen der gefundenen Embryonen einer Länge als Ordinate, die Längen selbst als Abscissen ins Koordinatensystem eingetragen, so fällt der Kulminationspunkt der aus der Verbindung der erhaltenen Punkte hervorgegangenen Kurve annähernd mit der mittlem Größe der Embryonengruppe zusammen. Im Freien durclilaufen in der mittlem Montanregion die Em- bryonen von Salamandra atra in 6 — 7 Wochen das 1. ScHWALBE'sche Entwicklungsstadium. Gegen Ende des ersten Jahres erreichen sie Entwickhingsgeschichte des Alpensalamanders. 73 etwa die Mitte des 2. Entwickliiiigsstadiiims, das sie etwa im Juni oder anfangs Juli des 2. Jahres vollenden. Die Geburt erfolgt erst im Frühjahre und Sommer des 3. Jahres. In tiefer gelegenen Standorten erfolgt die Geburt der Embryonen ausnahmsweise vielleicht schon im Spätsommer des zweiten Jahres der Trächtigkeit. In der Alpenregion werden die in einem und demselben Jahre erzeugten Embryonen mindestens teilweise erst im Laufe des vierten Trächtigkeitsjahres geboren. Der Alpen Sala- mander besitzt somit wenigstens in seinen höhern Stand- orten eine Trächtigkeitsdauer, wie sie von keinem einzigen bekannten Tiere erreicht wird. Die Zeit von der erfolgten Geburt bis zur neuerlichen Ablösung der Eier beträgt in der IMontanregion annäherd 1 Jahr. SaJamandra atra vollendet somit in der Montanregion den Entwicklungszyklus in der Regel in 3 Jahren, so daß ungefähr ein Drittel der vor- handenen Weibchen jährlich zur Fortpflanzung schreitet. An Anomalien, welche die Fortpflanzung betreifen und bisher noch nicht beschrieben wurden, habe ich folgende beobachtet: A. Anomalien der Ovarien. 1. Cystöse Bildungen im Ovarium, die sich zur Zeit der Ovulation ablösen können, so daß bläschenartige Gebilde mitunter sowohl in der Bauchhöhle als auch im Oviduct angetroffen werden. 2. Derartig ungleichzeitiges Heranreifen beider Ovarien, daß der Eintritt der Ovulationsperiode in beiden Ovarien in verschiedenen Jahren zu erwarten ist. B. Anomalien des Uterusinhaltes. Dadurch, daß entweder gänz- lich oder teilweise der Eintritt der Eier in einen der beiden Oviducte unterbleibt, bilden sich Anomalien des Uterusinhaltes aus; bei der einen findet sich ein Uterus ohne Dottermasse und ohne Embryo neben einem embrj^ohaltigen mit dem doppelten Dottermaterial ver- sehenen Eisäckchen vor ; bei der andern Anomalie ist ein auffälliger Unterschied im Dottermaterial beider Uteri vorhanden; letztere Anomalie dürfte einen auffälligen Unterschied in der Größe der ausgebildeten Embryonen im Gefolge haben. Im Embryonalei finden sich mitunter 2 Embryonen vor. Dieses gelegentliche Vorkommen von eineiigen Zwillingen läßt den Schluß zu, daß das Vorkommen von 2 altern Embryonen in einem Uterus auf diese Anomalie zurückzuführen ist. 74 Hans Wunderer, Betreffs bereits bekannter Anomalien wurden folgende von den Angaben der Autoren meist abweichende Resultate erzielt: Größendifferenzen bei Embryonen älterer Stadien, in deren Ge- folge ungleiclizeitige Geburt der Embryonen stattfindet, bilden sich erst im Laufe der Entwicklung gleichalter Embrj'onen aus; ab- gestorbene Embryonaleier werden nie durch Embryotropheier ersetzt. Mißgebildete Embryonen, mögen sie nun einzeln oder neben einem normalen Embryo in einem Uterus sich vorfinden, gehen stets aus Embryonaleiern [7] hervor. Das Embryonalei zeichnet sich, abgesehen von seiner Fähigkeit, Embryonen aus sich hervorgehen zu lassen, vor den Embryotroph- eiern durch den Besitz einer starken, weiten Gallerthülle aus; die Embryotropheier sind zum geringsten Teil von einer zarten Gallert- hülle umgeben, größtenteils erscheinen sie nackt. Eine selbst nur teilweise Entwicklung der Embryotropheier findet nicht statt. Der Unterschied zwischen Embryonalei und Embryotropheiern ist nicht im Ei vorgebildet, sondern durch die eigentümlichen Ver- hältnisse im Uterus bedingt. Die Befruchtung erfolgt im caudalen Abschnitte des Ovi- ducts. Die Hauptursache des Zerfalles der Embryotropheier ist eine mechanische, hauptsächlich durch die Bewegungen des ausgeschlüpften Embryos bedingte. Die Gründe, welche für die Abstammung des Alpensalamanders von Salamandra maculosa oder einer nach Art des gefleckten Erd- salamanders lebendiggebärenden Urform vorgebracht wurden, sind zum Teil unrichtig (die Angaben, daß auch die Embryotropheier befruchtet werden und sich bis zu einem gewissen Grade entwickeln, und die Behauptung, daß beide Species annähernd die gleiche Anzahl von Eiern besitzen), zum Teil ohne Beweiskraft (Vorhandensein mächtig entwickelter Kiemen bei Salamandra atra, das Anwachsen des Volum Verhältnisses beider Species zwischen Embryo und Mutter- Entwicklungsgeschichte des Alpeusalama nders. 75 tier und die gleichzeitige ^'erminderung der Embryonen bei Salamamlra maculosa mit zunehmender Hölie der Standorte). Es wurden hingegen Beobachtungen gemacht, welche den Alpen- salamander eher als einen direkten Abkömmling einer eierlegenden ürodelenform mit innerer Befruchtung erscheinen lassen. 76 Haks Wunderer, Nachwort. Da ich nach Abschluß vorliegender Abhandlung noch Gelegen- heit hatte, neuerdings an Alpensalamandern Beobachtungen anzu- stellen, möchte ich diese, soweit sie für die vorliegende Abhandlung bedeutungsvoll sind, nachtragen und noch auf einige Literaturangaben hinweisen. Die ersten Embryonalstadien, durchwegs in Furchung begriffen, fand ich im laufenden Jahre am 28. Mai vor. In den tiefsten Standorten dürfte also wenigstens in der hiesigen Gegend der Beginn der Fortpflanzungszeit in die letzte Woche des Mai zu setzen sein. Eine Woche später waren neben in Furchung begriffenen Keimen auch solche bis zur vollendeten Gastrula anzutreffen. Mitte Juni hatte ich noch keine Embryonen mit geschlossenem Medullarrohr aufgefunden. Offenbar ist diese auffällige Entwicklungsverzögerung der kalten Witterung, welche nahezu die ganze erste Hälfte des Juni andauerte, zuzuschreiben. Die heurigen Befunde an Embryonen, welche vom letzten und vorletzten Jahre stammten, decken sich nahezu vollkommen mit den im Vorjahre erzielten Ergebnissen. Sowohl in den 13 von mir beobachteten Eischläuchen, welche noch keinen Uterus ausgebildet zeigten, sondern von reihenweise gestellten Eiern erfüllt waren, als auch in den 20 Oviducten, an denen der Uterus bereits mehr oder weniger in Ausbildung begriffen war, fand ich durchwegs das Embryonale! als erstes vor; in den 82 beobachteten ausgebildeten Uteri mit noch ganz jungen Embryonal- stadien fand sich das Embryonalei in 73% der Fälle an erster, in 27 % derselben an einer andern Stelle des Eisäckchens vor. Es er- scheint somit die Lage des Embryonaleies am caudalen Ende des Eiitwicklimgsgeschichte des Alpensalanianders. 77 Eisclihiuches und des Uterus als der primäre Zustand; das an erster Stelle liegende Embryonalei wird erst durch sekundäre Ver- schiebungen, welche meist zu einer Zeit einsetzen, in welcher der Embrj'O in der Entwicklung bereits vorgeschritten ist, aus seiner bevorzugten Stellung verdrängt. Je weiter der Embryo entwickelt ist, um so häufiger trifft man Lageveränderungen an, so daß, wie mir vom Vorjahre erinnerlich ist, bereits in die Länge gewachsene Embryonen selten am caudalen Ende des Uterus angetroffen werden. Bezüglich des Eintritts der Eier in den Oviduct habe ich im heurigen Jahre ein noch jüngeres Stadium als in -frühem Jahren angetroffen. In einer Entfernung von IY2— 2cmvom caudalen Ende des Eischlauches fand ich nämlich jederseits ein einzelnes, von einer starken Hülle umgebenes Ei. Der Oviduct war nur an der Stelle, wo das Ei sich vorfand, erweitert, im übrigen aber ganz vom Aus- sehen, wie man ihn bei Weibchen antrifft, welche große Eierstöcke besitzen : es schloß sich an das caudale dicke Ende, das die Siebold- schen Schläuche trägt, der ganz dünne, sehr lange Eischlauch an. In der Bauchhöhle waren nur sehr wenige Eier, die meisten be- fanden sich noch in den Ovarien. Aus diesem Befunde ergibt sich, daß die Bildungsstätte der Gallerthülle nicht ein eng beschränkter Bezirk (etwa das caudale Ende) des Eischlauches ist, sondern wenigstens einen größern Abschnitt desselben darstellt; ferner daß das „erste Gelege" mitunter aus je einem einzigen Ei besteht. In Einklang damit steht die Tatsache, daß mitunter ausgebildete Uteri angetroffen werden, deren sämtliche Embryotropheier einer Gallert- hülle vollkommen entbehren. Die eben erörterten und die früher erwähnten Beobachtungen lassen nun einen Schluß auf die ersten Vorgänge, welche sich im Oviduct abspielen und die Befruchtung nur eines Eies erlauben, als berechtigt erscheinen: Die erste Eizelle (in seltnen Fällen sind es deren zwei) wird während ihrer Fortbewegung gegen das caudale Ende des Eischlauches von einer starken Gallerthülle umschlossen. Am caudalen Ende findet anscheinend dadurch die Befruchtung statt, daß das Embryonalei etwas in den Endabschnitt des Oviducts, der die SiEBOLD'schen Schläuche und die Spermatozoen enthält, vorrückt, so daß der caudale Pol der Hülle dem Sperma zugänglich wird. Eine besondere Besprechung erfordert ein von Kammeeee (1908) mitgeteiltes, außerordentlich interessantes Ergebnis, daß Salamamlra aira in der Gefangenschaft unter bestimmten Voraussetzungen mit- unter bis zu 9 Embryonen zur ^^'elt bringt,' mithin die Zahl der in 78 Hans Wunderer, einem Uterus zur Entwicklung- gekommenen Eier in einem Falle wenig- stens 5 betragen haben müßte. Es scheint mir nun außerordentlich wichtig, das Wesen dieses Vorganges aufzudecken. Zum Teil wird wohl die Vermehrung der Embryonenzahl voraussichtlich durch Eier, welche mehrere Eizellen enthalten, eingeleitet. Bei der schnellen Aufeinanderfolge der einzelnen Trächtigkeitsperioden gefangen ge- haltener Alpensalamander wäre aber nicht bloß an eine Verkümmei-ung der Ovarialeier, welche die eben erwähnte Anomalie entschieden be- günstigen würde, sondern auch an eine Schädigung des Oviducts zu denken, insofern wenigstens, als der Genitaltract in der Zeit, welche von der Geburt bis zum Beginn einer neuen Trächtigkeitsperiode verstreicht, jenen Zustand nicht erreichen kann, den er bei frei- lebenden Salamandern besitzt. Ich denke an die Möglichkeit, daß entw^eder die Eier in den mit den SiEBOLD'schen Schläuchen besetzten Abschnitt vorrücken oder daß der Verschluß zwischen diesem End- abschnitt und dem Eileiter nicht vollständig ist, so daß Spermatozoen zu den im Eischlauch sich vorfindenden Eiern vordringen könnten. Die Zahl der Embryonen einer Trächtigkeitsperiode dürfte jeden- falls von der Zahl der Eier des ersten Geleges sich als abhängig erweisen. Ferner möchte ich darauf hinweisen, daß die Ableitung des Alpensalamanders von einem eierlegenden, den Tritonen angehören- den Urodel durchaus kein gewagtes Unterfangen ist, da nach An- gabe Balfour's (1881, p. 129, Anm. 1) Triton cristatus mitunter vivipar ist, und außerdem, wie ich an meinen zahlreichen Embryonen finde, Salamandra atra mit dem bisher nur bei Triton und Axolotl gefundenen RuscoNi'schem Häkchen ausgestattet ist. Endlich wäre noch der Viviparität des Proteus anguinus zu ge- denken, die durch die Mitteilungen Nusbaum's (1907) und Kammerer's (1907) ihre Bestätigung gefunden hat. Zur Erklärung der Tatsache, daß Proteus anguinus sowohl eierlegend als auch lebend gebärend ist, möchte ich vor allem andern die Möglichkeit hervorheben, daß sich die Olme der verschiedenen Verbreitungsgebiete auch ver- schieden verhalten könnten, da letztere offenbar meist in sich ab- geschlossen sind und nicht ein unterirdisch zusammenhängendes Ganze bilden; es wäre somit möglich, daß wir 2 extreme Varietäten des Olmes finden, eine eierlegende und eine vivipare, die allerdings durch Übergänge miteinander verbunden sein könnten. Eatwicklnngsgeschicbte des Alpensalamanders. 79 Terzeichnis der zitierten Literatur. Balfoue, f. M., Handbuch der vergleichenden Embryologie. Aus dem Englischen übersetzt von Dr. B. Vetter, Vol. 2, Jena 1881. Bkaüek, A., Beiträge zur Kenntniss der Gyranophionen, in: Zool. Jahrb., Vol. 10, Anat., p. 309—370, 1897. Brehm, A., Tierleben, 3. Aufl., Leipzig u. Wien, 1890—1893. V. 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Denn als eine ständig wiederkehrende Erfahrung ergab sich's mir, daß Urteile, die an dem auf die übliche, meist unzureichende Weise, konservierten Material basieren, nur allzuleicht unzulänglich, zum Teil direkt irregeleitet sind. Das ]\laterial selbst habe ich seit nahezu 10 Jahren, wo es sich mir nur bot, selber gesammelt oder durch Privatverbindungen und befreundete Herpetologen erlangt. Um mir zur Abrundung der mir unerläßlich erscheinenden Ein- blicke in die tiergeographischen Verhältnisse die nötigen eignen Anschauungen bilden zu können, wurde zuletzt im Sommer 1907 noch eine Studienreise durch Ungarn, Bosnien und die Herzegowina nach Süd-Dalmatien unternommen, die zum Teil recht bemerkens- werte, tiergeographisch jedenfalls ungemein belehrende Resultate ergeben hat. Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. ß g2 Philipp Lehrs, Für Material- und Literatur Vervollständigung; schulde ich allen meinen zahlreichen Freunden und Korrespondenten Dank; ganz be- sonders aber fühle ich mich zu Danke verpflichtet gegenüber meinem hochverehrten Chef, Sr. Exzellenz Geh.-Rat Prof. Dr. Eenst Haeckel,. der mir auf meine spezielle Bitte hin die selbständige Bearbeitung dieses mir sehr am Herzen liegenden Themas freundlichst gestattet hat! „NessuD gruppo di Rettili europei presenta uno studio cosi intricato e cosi difficile come quello delle Lucertole. Questa difficolta proviene in parte dall' enorme variabilitä di questi Sauri, e in parte anche dalle incertezze delle descrizioni date da molti fra gli Autori che si sono occupati di questo argumento." — LOEENZO CaMEEANO. Monografia dei Sauri Italiani. I. Lacerta viridis Laueenti (1768) und Genossen. Es dürfte kaum ein besseres Beispiel geben für die auf unserm Gebiete oft zu beobachtende Tatsache, wie stark und nachhaltig unsere eignen Anschauungen beeinflußt werden von Auffassungen, die einmal vor längerer Zeit schon festgelegt wurden — und viel- leicht gerade weil sie schon vor längerer Zeit festgelegt wurden — , als das Beispiel, welches uns Lacerfa viridis mitsamt ihren nächsten Verwandten bietet: Während im sogenannten „muraIis"-FoYmeii- kreise fast alle prägnanteren Formen erst relativ spät wirklich bekannt und präziser beschrieben worden sind und zum Teil immer noch nicht genügend bekannt sind, während dort- deshalb heute noch — eben wegen des geringen historischen Abstandes, den wir ihnen gegenüber einnehmen — auch unser Skeptizismus noch lange nicht zur Ruhe kommen will, finden wir demgegenüber bei Lacerfa viridis und Genossen Verhältnisse, die in uns den Anschein größerer Geklärtheit zu erwecken geeignet sind. Den Anschein nur, denn in Wirklichkeit liegen die Dinge so, daß hier eben rein zu- fällig — und in einem gewissen Gegensatze zu jenen andern Gruppen — gerade die hauptsächlichsten und besonders charakteristischen Formen relativ frühzeitig bekannt und gut beschrieben wurden und daß die allerneueste Zeit erst uns hier auch unausgeprägtere und schwankendere Zwischenformen und Beziehungen zwischen den Gattung Lacerta und ihre Verwandten. g3 Haiipttypen kennen gelelirt liat, die nun alls-ennich doch aucli liier nnseni bisher so beruhigten AutTassuno-en von der rehitiven Konstanz dieser Tj'i)en arge Erschütterung-en zuzufügen beginnen. So galten und gelten in der Hauptsaclie heute noch Lacerta viridis Laurenti (1768), Lacerta agiNs Wolf (1799), Lacerta ocellata Daudin (1802) für wohluuterschiedene Arten, und niemand wird sich beikommen lassen, an ihrer specifischen Vollwertigkeit zu zweifeln; niemand wird eine echte Smaragd ei dechse mit einer echten Zauneidechse verwechseln, wenn er beide auch nur einmal ordentlich angesehen hat: wie grundverschieden sie sind, das sieht sogar jeder unbefangene Laie, wenn er nur blickbegabt ist. Es spricht nicht dagegen, wenn dafür mancher Tierkundige von Fach gelegentlich diese Unterschiede nicht sieht und, wie es nur allzu häufig immer noch vorkommt, eine Zaun ei dechse (vorzugs- Aveise eine männliche) für eine Smaragdeidechse hält (der umgekehrte Fall ist seltner). Auch die immerhin noch recht be- trächtlich anders aussehende Perl ei dechse wird von zoologischer Seite manchmal für die Smaragdeidechse gehalten: wurde mir doch von einem sehr versierten altern Zoologen mit aller Bestimmt- heit erklärt, daß er im Etschtale bei Bozen überall echte Lacerta ocellata beobachtet habe; natürlich meinte er die in ganz Süd- Tirol grassierende und dominierende typische Lacerta viridis. Gravierender aber ist es jedenfalls noch, wenn ein immerhin angesehener Zoolog allen Ernstes angesichts lebender Stücke ver- schiedener L. ^'im^/s- Weibchen, die den recht wohl (und sogar schon ziemlich lange) bekannten — hier nahezu rein indi- viduellen — vom S differierenden Polymorphismus des Farbkleides aufweisen, jedes Stück nachdrücklich als „artlich oder doch wenigstens unterartlich verschieden" bezeichnet wissen möchte. Die angeführten Beispiele sprechen, wie gesagt, nicht dagegen, daß echte viridis und echte agilis leicht zu unterscheiden sind. Denn was hier das Urteil des gelehrten Zoologen trübte, ist der Umstand, daß er sich verleiten ließ, unwesentliche Charaktere für wesentlich zu nehmen. Und davor kann eben nur genaueste Kenntnis des ganzen Tieres bewahren. Anders aber liegt die Sache, wenn wir je eine Smaragd- und Zauneidechse vergleichen, die n i c h t dem uns geläufigen mittel- europäischen Typus angehören, sagen wir also: tm^ viridis aus 6* 34 Philipp Lehhs, dem südlichen Don -Gebiet und eine agüis aus Ciskau- kasien. Hier steht selbst der beschlagenste Spezialist vor einer großen Schwierigkeit. Und die Größe dieser Schwierigkeit hat bereits in den achtziger Jahren ein Bedeiaga erkannt und darauf hingewiesen. Derselbe Bedeiaga aber hat zur selben Zeit noch sehr anfecht- bare Vorstellungen über die Verhältnisse in einer ähnlich schwierigen Gruppe gehabt: Lacerta sclireihcri — gaäoivii, iberischen viridis- Fornien, bei denen er einen direkten Zusammenhang mit der nord- west-afrikanischen Lacerta pater Lataste (1880) ^) supponierte. ^) Ein Zusammenhang besteht — vielleicht — auch dort; ob aber so direkt, und überhaupt so, wie man damals annahm, das ist doch noch recht zweifelhaft. Während nämlich Bedeiaga bei Besprechung der LATASTE'schen L. pater sehr treffend sagt: „In Bezug auf die der pater eingeräumte Stellung im S^'stem [als Subspecies von L. oceUata nämlich; Anm. d. Verf.] kann ich mich insofern nicht einverstanden erklären, als sie mir eher in systematischer als in phylogenetischer Beziehung ge- rechtfertigt erscheint." Während er dann weiter bekundet, daß doch auch Lataste schon in der Namengebung ,,pater^' auch gewisse phylogene- tische Beziehungen^) dieser Nord- Afrikanerin zu oceUata und viridis habe andeuten wollen — es findet sich am Ende derselben Seite ein „Nachträglicher Zusatz. — -Herr Lataste teilt mir neuerdings folgendes mit: »J'ai la meme idee que vous sur les rapports phylogenetiques de 2)<^i€r par rapport ä oceJJata et viridis, et je Tai exprime implicitement par le nom de pater.<(.'-^ — bemüht er sich nun, diesen phylogenetischen Zusammenhang zu 1) In: Le Naturaliste, No. 39, p. 306. 2) „Daß die soeben beschriebenen, nur unbedeutende Abweichungen aufweisenden Formen sozusagen nichts Anderes als die europäischen ^;r/icA" repräsentieren." Bedeiaga, Beitr. z. K. d. Lac.-Fam., p. 63, 2. Abs. 3) Johann a\ Fischee freilich (in: Zoolog. Garten, Vol. 29, 1888) ist der Meinung, daß Lataste's Bezeichnung eher auf den indigenen Namen „Bou-Rioun" zurückzuführen sei; „Bou" soll dabei etwa unserni „Gevatter" entsprechen. Gattung Lacerta und ihre Verwandten. 85 erklären und kommt dabei auf Ableitungen, die ihn offenbar selber nicht recht befriedigen: die Reihenfolge ocellata y 2)ater y viridis will ihm — aus mehrfachen sehr plausiblen Gründen — nicht recht scheinen [die umgekehrte Möglichkeit viridis y 2K(fcr y ocellata zieht er gar nicht erst in Betracht], und so gelangt er, da er keinen andern Ausweg zu finden vermag, schließlich zu der Annahme: „Daß die pater, welche Merkmale von 2 Arten in sich birgt, nur insofern eine Yerbindungsform repräsentiert, als sie das Mutter- tier sein dürfte, von dem sich erst nachträglich die Tochterformen „ocellata" und „viridis''' abgezweigt haben, und daß sie wohl nicht als eine Zwischenform von unsicherer sj'stematischer Stellung, sondern eher als selbständige Species aufzufassen sei. Wahrscheinlich er- streckte sich der Verbreitungsbezirk der Urform der pater über jene Halbinsel, welche einst, wie es allgemein angenommen wird, im Süden vom Sahara-Meer begrenzt war. Ebenso wahrscheinlich ist es, daß die Isolierung und die veränderten Verhältnisse, Avelche durch den Durchbruch der Straße von Gibraltar bewirkt wurden ihre Umwandlung beeinflußt haben." Diese Ausführungen hatten auch für mich längere Zeit viel Wahrscheinliches — bis ich Lacerta pater lebend und zwar wiederholt und in recht beträchtlicher Anzahl in allen Altersstadien gesehen hatte; es werden alles in allem ziemlich an 100 Exemplare gewesen sein, darunter ganz kolossale alte Stücke Jetzt freilich stellt sich mir die Sachlage ganz anders dar. Und nur darin stimme ich auch heute noch Bedkiaga uneingeschränkt bei, daß „Isolier ug" und „veränderte Verhältnisse ihre Umwandlung beeinflußt", d. h. i h r e A u s p r ä g u n g a 1 s m a r k a n t e Form vollzogen haben; das ist für mich nicht nur „wahrschein- lich", sondern einfach selbstverständlich. Vor allem hat Bedriaga keine maximal ausgebildeten für das (J für das $ 314—315 mm 309 mm 31V. 33 205 173 86 Philipp Lehrs, patcr g-ekannt; das geht hervor ans seiner nnmittelbar folgenden Bemerknng: „Ihre Länge beträgt höchstens 470 mm (vergl. „L. viridis'-'' in Steaüch's „Erpetologie de l'Agerie", 1. c.) meist aber nur 315 mm." Im Detail gibt er dann an: Gesamtlänge Länge des Kopfes Länge des Schwanzes was Kopfrumpflängen von nur 110 is) und 136 (?) ergibt und woraus hervorgeht, daß ihm nur ganz unbedeutend entwickelte Exemplare vorgelegen haben können. Aus Franz AVeenee's^) instruktiver Tabelle aber entnehmen wir, daß sein größtes S (I.) größtes $ (IV.) (aus Lambesa) (ebendaher) Totallänge 430 mm 385 mm Kopflänge 42 — Schwanzlänge 250 215 Kopfrumpflänge 180 170 aufweist; das sind aber natürlich Stücke mit verstümmelten Schwänzen. Jüngere, mit unversehrtem Schwänze, zeigen dagegen schon: Totallänge Kopflänge Schwanzlänge Kopfrumpflänge letztem Zustande Schwanzlängen von mindestens 360 mm {$) und 330 mm (?), demnach Totalmaße von 540 mm {S) und 500 mm (?) annähernd berechnen lassen! s (in.) ? (V.) (Philippeville) (Lambesa) 440 mm 415 mm 42 — 300 275 140 140 )igen Maximal stücke in unver 1) Zweiter Beitrag zur Herpetologie von Ost- Algerien (in : Verb. zool.-botan. Ges. Wien, 1894). Gattung Lacerta und ihre Verwandten. Ö7 Mit solclien Ausmaßen, die keineswegs vereinzelt dastehen, kommen diese patcr aber der Perleideclise viel näher als der Smaragdeidechse (NB. natürlich kann hier nicht von der var. onajor Boulenger die Rede sein !), und dasselbe g'ilt auch von ihrem übriüen morphologischen Exterieur. Lediglich in den allgemeinen Proportionen des Kopfes (übrigens auch nicht in allen!) und in einem weiter unten zu erörternden Färbungscharakteristikum . dem Blau der Kehlgegend, erscheinen deutlicliere Anklänge an viridis gegeben; beides aber bildet, wie wir sehen Averden, keinen, wie bisher angenommen, fundamentalen, sondern nur einen rein gra- duellen Unterschied von occllafa. Auch das entschieden in Betracht zu ziehende Gebaren im Leben bietet uns keine Anhaltspunkte, die allzuweit von oceZ/ct/a wegweisen : Wenn Werner. der in seinem 1. Bericht (1892) noch bemerkt „diese P^idechse möchte ich nicht so ohne weiteres als eine Varietät von der ocellata auffassen"', in seinem 2. Bericht (1894), nach- dem er reichlicheres Material beobachten konnte, aber bereits ein- räumen muß, daß seine Ansicht über deren Artbeständig- keit durchaus nicht mehr so unbedingt feststeht, es als „biologisch merkwürdig" hervorhebt, „daß beide Oeschlechter wenigstens in der Paarungszeit (Mitte April bis Mitte Mai) wie die Lacerta viridis gemeinsam leben"', so ist dem entgegenzuhalten, daß wir über das Freileben — namentlich in der Brunftzeit — der ocellata eben nur noch viel 7A\ wenig genaue und eingehende Berichte haben: ich persönlich möchte aber, nach meinen Erfahrungen an andern Arten, mit aller Bestimmtheit auch bei der Perleidechse ein derartiges vorüber- gehendes Eheleben voraussetzen. Ganz alte S6 von viridis (wie von den meisten Eidechsen- Arten) gehen übrigens immer und überall, soweit nur irgend möglich, ihre eignen Wege; das weiß ich aus eigenster Be- obachtung ! ^) Wichtig dagegen erscheint mir Werners Bemerkung über L. pafer: „Die Eidechse läuft (auch an senkrechten Mauern) sehr schnell. . . ." Das tut die echte viridis entschieden nicht (L. major. 1) Vgl. hierzu: LeYDIG, 1. c, p. 156, 2. Abs. (klein gedr.) und be- sonders 158, 3. Abs. „. . . eine Erscheinung, die bekanntlich auch weit durch die Reihen der höheren Tiere sich erstreckt '• 88 Philipp Lehrs, die eben ein ganz anderes Tier ist, dafür um so lieber!), sehr gern scheint es dagegen die iberische o cell ata zutun; wenigstens wissen alle aufmerksamen Beobachter der spanischen Perleidechsen von deren offenbar bevorzugtem Leben an und in altem Ge- mäuer zu berichten: „Comün en los muros, ruinas, y montones de escombros" (V. L. Seoane), Weenee selbst weist auch schon in seiner ersten Abhandlung darauf hin, daß der Kopf der pater, der er (NB, er kannte da- mals nur erst jüngere Exemplare!) im allgemeinen „mehr dem der viridis ähnlich" findet, „auf seiner horizontalen Ober- fläche*' (der Pileus-Decke) „dieselbe narbige, grubige Be- schaffenheit wie die Perleidechse besitzt"; und in dem 2. Bericht betont er die „Kopfschilder beim ? und Jungen (namentlich Parle talia) mit deutlichen concentrischen Anwachsstreifen, wie die Hornplatten des Schildkrötenpanzers". Ebenso hebt er auch später einmal in seiner „Reptilien- und Amphibien-Fauna von Klein- Asien" ^) hervor, daß (zum Unterschiede der major von viridis) „die Oberseite des Kopfes nament- lich bei alten S6 stark uneben, grubig, fast wie bei ocellata, bei viridis aber stets glatt ist". Das alles sind Hinweise, die entschieden mehr auf ocellata als auf viridis deuten. Dazu ist nun aber noch zu bedenken, daß die 2)ater durchaus^ nicht etwa im ganzen nordwest-afrikanischen Litorale gleich- förmig aussieht: Weener betont ausdrücklich, daß seine Materialkenntnis sich auf vornehmlich ost-algerische Stücke stütze, Stücke von BOne, Philippeville, Batna, Lambesa; Boulexger'^) kennt sie (durch Lataste) außerdem noch von Anmale, Setif, El Guerrah. Bougia und dem Plateau von S e r s o u ; Steauch erwähnt sie von 0 r a n und Consta ntine (dorther übrigens auch Weenee); J. v. Fischee von Boghar, Blidah, La Chitfa, Fiaret, El Kantarah (von Wernee für die Südgrenze angesehen!), El Eouached, St. Arnaud; und KoBELT von Tlemcen und Biskra (von Weenee bezweifelt). Außerdem gibt Boulengee noch für Tunis den Ort Tunis selbst an und (nach Lataste) auch die nördlichen Teile des Landes zwischen Ferriana und Tebesa. 1) In: SB. Akad. Wiss. Wien, math.-naturw. Kl., Vol. 111, Abt. 1, Dezember 1902. 2) Boulengee, Eeptiles and Batrachians of Barbary, p. 124. Gattung Lacerta und ihre Verwandten. g9 Auffallend ist die Bemerkung : „ M a r ([ u i s Dom a f ü u u tl i t on Galita Island." Nun hat aber Boulexgeh selbst schließlich noch (1887) nach 11 Exemplaren, die er durch ]\1. H. Vauciieu aus Tanger erhielt, eine weitere Form als vai: tangitana der L. ocellata aufgestellt, die nach seinen eignen Worten ,.comes very near the Algerian var. pafer'^, sich aber von dieser wie von ocellata selbst durch die etwas schmälern Rückeuschuppen (77 — 100 rings um den lieib) und die zahlreichern Femoralporen (17—21; — i^^^^^^"- 1-1— 1^) unter- scheiden soll. Wenn er aber meint, daß „in the usually smaller size of the occipital and the number (6 or 8) of longitudinal rows of ventral shields it approaches near er still the Spanish-Por- tuguese form of L. viridis (var. schreiberi, Bedkiaga), from which some specimens are with respect to these two characters indistingnishable" — (wobei wir noch beachten müssen, daß die Längsreihenzahl der Ventralschilder „usually" 8 und nur „some- times" 6 ist und daß ihm offenbar hauptsächlich ?? und jüngere Stücke vorgelegen haben), so werden wir einen etwaigen hierauf basierenden Versuch, die nordwest-afrikanischen Perl- eidechsen - Formen an die iberischen viridis-Formen anzugliedern, keineswegs gutheißen können, um so weniger, als die Größe von 140 (= Körper-) -f- 300 (= Schwanz-) = 440 (= Totallänge) — dabei jedenfalls noch nicht einmal ganz aus- gewachsene Exemplare — wohl mit den sonstigen paler (und mit ocellala), nicht aber mit den in puncto Maßverhältnissen ganz viridis- typischen bisher bekannten Exemplaren der var. schreihet-i überein- stimmt! Ein Umstand aber scheint mir hier bei uns in Mitteleuropa überhaupt noch nicht — und anderwärts wenigstens in seiner phylo- genetischen Tragweite noch lange nicht genügend — gewürdigt worden zu sein, und gerade ihn muß ich hier für aus- schlaggebend erklären: der Umstand nämlich, daß ent- gegen der allgemeinen Annahme der (Art-) Begriff Lacerta ocellata (= Perleidechse) durchaus kein kon- stanter ist, daß er in seiner bisherigen Fassung über- haupt nicht aufrechterhalten werden kann! Ein einziger Mann hat schon zu Bedkiaüa's Zeiten diesen lockern Zusammenhalt der Formen, die wir hier als „Perl- 90 Philipp Lehrs, eidechsen" zu bezeichnen belieben, richtig- empfunden und dieser Empfindung- Ausdruck verliehen; es war ein Spanier, der die Tiere seiner g-alicischen Heimat gut und genau kannte: Victor Lopez Seoane hat in seiner kleinen Schrift „Identidad de Lacerta schreiberi (Bedeiaga) y Lacerta viridis, var. gadovii (Boulengee) e investigaciones herpetolögicas de Galicia" (La Co- runa, Imp. y est. de Vincente Abad, 1884), die auf 16^2 Seiten sehr viel des Besten und Feinsinnigsten an eigner Beobachtung- und Reflexion birgt, unwiderleglich nachgewiesen, daß die spani- schen Perleidechsen von dem süd-französischen Typus, den Daudin gekannt und auf dem er seine Lacerta ocellata 1802 auf- gebaut hat, beträchtlich und deutlich abweichen, „qne Lacerta ocellata, de Espana, debe considerarse como una subspecie ö variedad", eine Form, die er vorläufig iherica nennt, „ sinperj uicio de hacer un estudio mas detenido de esta forma"; denn: „Nuestra Lacerta ocellata, tiene generalmente oche series de «scamas ventrales, la placa occipital e mäs pequeiia que en el tipo, como al parecer sucede con Lacerta pater del N.O. de Africa, que no conozco, y las escamas son algo aquilladas y mas pro- longadas y ovales." Es wäre ja auch zu merkwürdig und kaum verständlich, wenn eine Art von so ausdedehnter Verbreitung wie L. ocellata — während L. viridis sich schon in viel weniger ausgedehnten Gebieten in allerlei lokalen Modifikationen ergeht — sich auf der ganzen riesigen iberischen Halbinsel überall und immer konstant verhalten sollte! Sie tut es denn auch keineswegs, wie wir soeben gesehen haben, und was Seoane für den Norden des Landes, für Galicien, nachge- wiesen hat, das gilt in vielleicht noch gesteigertem Maße für die zentralen Teile und den Süden; sowohl in Castilien wie in Anda- lusien machen sich jene von Seoane zuerst zusammengefaßten, vom Typus divergierenden Merkmale deutlich bemerkbar: jüngere Exem- plare aus Madrid, die ich dank der Güte meines verehrten Freundes Prof. Dr. FoRTUNAT von Schubert-Soldeen, der die Art u. a. auch an den Außenmauern des Escorial in mächtigen Stücken sich herum- treiben sah, 1900 in lebendem Zustande untersuchen konnte wiesen diese Charakteristika merkbar auf; und faßt nocli klarer er- schienen sie bei einem riesenhaften Pärchen aus Malaga, das ich im Gattung Laceita und ihre Verwandten. 91 Oktober 1900 durch die piivaten Bemülmngen des Herrn Oberförster Eugen Dobiasch in Wien lebend erhielt.^) Wenn also in einem ausgedehnten Kontinentaigi;])!^!, wie es die iberische Halbinsel darstellt, bereits deutlich erkennbare und teil- weise gilt fixierte Abänderungen sich bei den Tieren, die früher für uns einfach „Perleideclisen" waren, haben feststellen lassen, so ist es eigentlich noch viel weniger verwunderlich, wenn jenes Tier, das von Lataste mit dem Namen Lacerta paier bedacht (und als Unter- art zu L. occellata gezogen wurde), sich in seiner absoluten Ab- geschlossenheit vom europäischen Festlande zu einer besonders charakteristischen verhältnismäßig stark differenzierten (Lokal-)Form herausgebildet hat. Zu den Eigenheiten einer solchen Form müssen wir es ent- schieden auch rechnen, wenn wir bei ihr einem nicht selir (wenig- stens nicht so W'ie bei viridis) ausgeprägten, aber doch deutlich merk- baren Polymorphismus im Färb kleide der Geschlechter begegnen: beim $ finden wir nämlich ständig — bei o st- alge- rischen Stücken nach Weknee, und ebenso auch bei tunesischen, nach meiner Beobachtung — zwei Zeichnungsformen: ei ne, deren ^^'esen im Überwuchern der schwarze n V e r - m i k n 1 a t i 0 n e n , auch auf Oberkopf und Schwanz, über die — im Jugendkleide über den ganzen Rücken verstreuten — Ocellen zu finden ist, wobei diese Ocelli teilweise ganz erhalten bleiben, aber an Größe unbedeutend erscheinen und die blaue Körperfärbung nur schwach zeigen: und eine zweite, bei der die (meist 3 — 4) lateralen Ocellen- reihen auf Kosten der dunklen Primärzeichnung sich stärker entW'i ekelt und mit Blau gefüllt haben (mehr oder minder hervortretende dunkle Marmorierung der Rumpfseiten ver- mittelt den Übergang hierzu), w^ährend auf der Dorsalzone ver- löschende kleinere Ocellenreihen mit nur schwach gelbgrüner Kern- färbung die hier beginnende sekundäre E i n f a r b i g k e i t einleiten. Eine 3. Form wird dann durch vollständig erwachsene, ge- schlechtsreif e SS repräsentiert: sie steht, wie Weknee (1. c, 353) ganz richtig hervorhebt, „der typischen süd-französischen ocellata in der Färbung und Zeichnung am nächsten", d. h. sie neigt zum Frei- werden e i n e r b r e i t e n . n a h e z u v o 1 1 k u m m e n z e i c h n u n g s - 1) Vgl. hierzu Werner (1. c, p. 351): „Allerdings besitze ich auch eine ocellata, deren Occipitale nicht größer ist als bei paler. '^ 92 Philipp Lehrs, (li i e r = 0 c e 1 1 e n -) 1 0 s e 11 , also sekundär e i n f a r b i g- e n D o r - s a 1 z 0 n e. Interessant ist. daß gerade solche in puncto Zeichnung- am weitesten entwickelten Exemplare nach Wernee (1. c. 353) gleich- zeitig „große R a n d s c h i 1 d c h e n besitzen, so daß man 10 R e i h e n von Ventralen zählen könnte" (8 soll die normale Zahl sein). Zur Ergänzung sei bemerkt, daß ich unter No, 15562 im Berliner „Museum für Naturkunde" ein erwachsenes $ der pater aus Böne (a. d. Sammlung Bedeiaga stammend) fand, das jederseits ein deutliches helles Lateralband an Stelle der untern seitlichen Ocellenreihen zeigt. Und als Parallelerscheinung mag erwähnt werden, daß, wie ich am 11./4. 1906 feststellen konnte, in der Sammlung des Zoologischen Instituts der Deutschen Universität zu Prag unter No. 5916 eine etwa '^1^ erwachsene Lacerfa ocellata steht, deren Rücken eine auf- fallend deutliche dunkle Median -Flecken -Li nie sowie daran anschließend, ehe die eigentlichen Ocelli beginnen, jederseits einen lichten, zeichnungslosen Längsbarren aufweist. Solche Rückschlagserscheinungen mögen sehr selten sein ; sie kommen aber auch bei diesen, in der Zeichnung sonst allgemein weiter entwickelten Formen dennoch vor und sind, wie wir gesehen haben, bei genauem Beobachten immerhin zu finden! Ist nun aber in der sogenannten tj^pi sehen Lacerta ocellata, den Begriff in dem Sinne gefaßt, wie ihn etwa die von Daudin gekannte und benannte süd-franzüsische Form repräsentiert, die höchste und letzte Entwicklungsmöglichkeit in dieser Entwicklungsrichtung erreicht? Nach meiner Meinung: nein! Die ligurischen Höhen im Osten (die echte ocellata geht, nach Cameeano, etwa bis in die Gegend von Savona, also jedenfalls nicht über Genua östlich hinaus) und der atlantische Ozean — besonders dieser! — im Westen scheinen zwar genügende natürliche Grenzen zu bilden. Wenn wir aber noch weiter westwärts und zugleich etwas südwärts gehen, so begegnen uns auf den Ca n arischen Inseln zwei ganz eigenartige Formen großer Lacerten, die um so geheimnisvoller erscheinen, als man sie lange Zeit hindurch überhaupt selir wenig gekannt, nach heutigen Begriffen: gar nicht gekannt hat. Die eine davon, die kleinere, hat von Dumeeil u. Bibeon in Gattung Lacerta und ihre Verwandten. 93 ihrer seinerzeit so hoch geschätzten „Erpetologie generale" 1839 den Namen Lacerta (jalluti erhalten und ist von Paul Gervais („Reptiles des lies Canaries, recueillis par MM. P. Barker et S. Bertiielot, Paris 1841) ') unter Beip-abe einiger Bemerkungen leidlich oder doch wenigstens erkenn- bar in einem weiblichen Exemplar abgebildet worden. Sie blieb dann lange noch ein recht wenig bekanntes Ding, so daß noch im Jahre 1874 Boettger, der uns in seiner vortrefflichen Abhandlung über ,.Die Reptilien von Marocco und von den cana- rischen Inseln" (in: Abh. Senckenberg. naturf. Ges. Frankfurt, Vol. 9) zuerst reichlicheres Licht über dieses dunkle Wesen schenkte, sich zu Anfang (p. 54) noch veranlaßt fühlte, eigens darauf hinzuweisen, daß sie „von )nnralis Laur. leicht zu unterscheiden" sei! Ihn erinnert sie (wie merkwürdigerweise noch manchen andern Forscher — denn es kann das nur allenfalls auf die ganz ungefähre Größe Bezug haben — sonst aber auch auf rein gar nichts) seltsamer- weise „in mancher Hinsicht an viridis Daud.", Seine 16 Expl. stammten von Tenerifa, die 3 größten davon vom Pic de Teyde („in etwa 4000 bis 5000' Höhe"). „Weiter hatte ich Gelegenheit, die Skelette zweier . . . auf Ferro gesammelter P^xemplare dieser Art, sowie einen sehr großen subfossilen Kiefer, sicher von einer echten Lacerta, vermutlich von dieser Art -), von Agulo auf Gomera zu sehen." — Soweit Boettger. Auf Gomera ist auch bis heute (NB. rezent) nur L. gaUoti selber gefunden worden. Die große Eidechse von Ferro (Hierro) dagegen ist, wie wir jetzt wissen, ein anderes Tier, das sich außerdem auch noch auf Gran Canar findet. Wir wissen das, seitdem wir durch eine eingehende Arbeit „Über die Eeptilien und Batrachier der östlichen und westlichen Gruppe der canarischen Inseln" (in: Ann. naturh. Hofmus. Wien, Vol. 6, 1891) von Fra^z Steindachxer endlich über alle die Ver- 1) (p. 4) „Le preraier individu de cette espece que le Museum ait po.ssede lui avait ete donne par feu M. GallOT, amateur zele d'bistoire naturelle sont eile rappellera le nom." 2) Vielleicht aber doch eher noch von einer andern, nahestehenden, Dcämlich der gleich im Folgenden zu erörternden L. simoniji SteindacHNER, die einstmals auch auf Gomera gelebt haben mag! Der Verf. 94 Philipp Lehes, Wicklungen und Widersprüche aufg-eklärt worden sind, die uns den kritischen Überblick über jene großen Inselformen bis dahin so sehr umnebelt und erschwert hatten. Wir wissen jetzt auch, was es mit jenen halb sagenhaften Eidechsen-Riesen von Hierro auf sich hat, den „Lezards grandes comme des chats et hideuses ä voir", A^on denen die BETHENCoußT'schen Kapläne zu berichten wissen; ja mehr noch: wir wissen jetzt sogar, daß Plinius — der nach Steiis^dachner nicht, wie Leopold von Buch annahm, Hierro, sondern vielmehr Gran Canar mit seinem „Capraria" gemeint haben muß — also schon von diesen einsamen Giganten gewußt hat, wenn er seine Insel als „lacertis granäibtis referta'''- bezeichnet. — Und eben diese gewaltige Eidechsenform, die jetzt nur noch auf zwei isolierten Felsklippen vor Hierro ihre maximale Körper- entwicklung erreicht, die früher aber auch auf Hierro selbst und ebenso auf Gran Canar in riesigen Exemplaren (und vielleicht ehedem auch anderwärts noch, z. B. eben auf Gomera) ver- breitet gewesen ist, sie ist damals (1891) durch Steindachneb i) von L. galloti abgetrennt und Lacerta sinionyi getauft worden zu Ehren von Prof. 0. Simony, der sie in zahlreichen Exemplaren von seinen beiden Reisen nach den Canaren 1889 und 1890 mitgebracht hatte. 1) Nach Boulenger (On Simony's Lizard, Lacerta simonyi , in; Proc. zool. Sog. London, 1891, p. 201) bereits in: Anz, Akad. Wiss. Wien, 1889, p. 260, bekannt gegeben; diese Publikation ist mir leider nicht zugänglich. Fast gleichzeitig beschreibt übrigens (1900) E. SCHENKEL im 8. Nachtrag z. Kat. d. herpet. Sammlung des Basler Mus. (die ersten 7 Nachträge stammen aus der Feder des hochverdienten F. Müller) auf p. 187 dasselbe Tier unter der Bezeichnung: Lacerta galloti rar. stehlini (3 Expl.) von Gran Canaria : Las Palmas (Dr. H. G. Stehlin). „Ventralen in 16 — 18 Längs- und 34 — 36 Querreihen; Masseterschild größer als bei der gewöhnlichen Form ; Parietalen jederseits von 2 ziem- lich großen Supratemporalen begrenzt ; Postnasale einfach oder in 2 Schilder gespalten ; heller gefärbt als gleichgroße Exemplare von Teneriffe ; Analgegend und Schwanzunterseite rötlichgelb , ebenso Ohr und Kehle ; letztere mit den dunklern , hier hell blaugrünen Schrägbinden ; Rest der Unterseite hell blau-, Oberseite graugrün ; 4 dunkle Längsbänder sind beim einen Exemplar ziemlich scharf und deutlich , bei einem andern ausge- wachsenen dagegen unregelmäßiger von hellen Querbinden durchsetzt." ^ Gattung Laeerta uiitl ihre Verwandten. 95 BoulexctEij liat ilir dann noch eino kurze Besprechunf? pfewidmet und uns vor allem als wertvolle Ergänzung eine gute (:iesamt- abbildung sowie Detailzeiclinungen eines jetzt im British ^fuseum aufbewahrten Riesenexemplars geliefert, des größten von dreien, die Canon Tiusteam von dem einen „Rock of Zalmo"' mitgebracht und die Lord Lilford der Zoological Society überwiesen hatte. Dieses Exemplar des British Museum ist das größte über- haupt bis jetzt bekannt gewordene; denn während Steix- DACHXER als größtes bisher beobachtetes Ausmaß von „Zalmor"- Stücken 48—52 cm angibt (natürlich Stücken mit verstümmelten Schwänzen), zeigt uns Boülengee's Maßtabelle: Totallänge 535 mm Kopflänge 57 Kopfbreite 45 Schnauzenspitze bis Vorderbeinansatz 90 Schnauzenspitze bis Afterspalte 210 Vorderbein 80 Hinterbein 120 Schwanz (regeneriert) 325 Während Steindachner von seinen Exemplaren sagt: „Mit Ausnahme der vordersten, meißeiförmigen Zähne sind die Ober- und Unterkieferzähne meist vierzackig, nur wenige dazwischen drei- zackig — ", erklärt Boulexger: ,.The teeth have tricuspid crowns, the lateral cusps being stronger and more regulär than any of the adult Lacertae which I have examined." Dann hebt er hervor, daß „Laeerta simonyi has been correctly compared by Steixdachner with L. galloti . . ., which most be regarded as its nearest ally. Its afflnities to Laeerta ocelJata are, however, equally striking, for though it agrees with the former in its Single postnasal, its five anterior labials, and the number of femoral pores, it differs from it and agrees with the latter in its temporal scutellation and its denticulate collar. It appears to me, therefore, that L. oeellata and L. galloti are more intimately connected than has been hitherto believed." Auch mir erscheinen jetzt, nachdem ich an lebendem Material von L. galloti reichliche Erfahrungen sammeln und auch 96 Philipp Lehrs, von L. simonyi wenigstens ein junges Exemplar einige Zeit lebend beobachten konnte, wie ich gestehen muß, die Beziehungen zur Lacerta ocellata (und paterl) ebenso auffallend, und auch ich möchte jetzt nachdrücklich dafür eintreten, daß zwischen L. ocellata (im altern, weitern Sinne) und L. galloti ein Zu- sammenhang besteht, der inniger ist, als man bislang anzunehmen geneigt war! Diesem mutmaßlichen Zusammenhange suchte ich bereits vor 6 Jahren in meinen Beiträgen „Zur Kenntnis der Gattung Lacerta und einer verkannten Form: Lacerta ionica" (in: Zool. Anz., Vol. 25, No. 666, p. 225) wenigstens andeutungsweise Ausdruck zu geben durch die Bemerkung: „Eine ziemlich geschlossene Gruppe bilden die größten Vertreter der Gattung: Lacerta agilis, viridis, major, gaclowii, pater, ocellata, galloti, simonyi^^ ; der Zu- satz „auch L. atlantica ist wohl anzuschließen" bedarf aber heute insofern einer Korrektur, als ich mich inzwischen durch Autopsie eines lebenden Exemplars dieser der östlichen Gruppe der Canaren eigenen und zwar dort ausschließlich endemischen Art überzeugen konnte, daß sie mit den vorgenannten kaum etwas gemein hat; sie sieht eher einem Acanthodactylus ähnlich. In der Originalbeschreibung der Art: „Note erpetologiche e descrizione di una nuova specie di Lacerta delle Isole Canarie" per W. Peteks e G. Doeia (in : Ann. Mus. civ. Stör. nat. Genova, Vol. 18, 1882) findet sich zwar folgende Bemerkung der Autoren: „Di questa specie distintissima furono raccolti alcuui esemplari ad Arrecife nell Isola di Lanzerote ed un solo a Sta. Crux nel Isola di Teneriffa" . . ., aber ich möchte den letztgenannten Fundort ent- schieden bezweifeln. Schon Bedriaga („Lac.-Fam.", p. 298) hebt hervor: „Wir haben es hier mit einer recht isoliert stehenden Art zu tun, die wiederum Charakteristika der verschiedensten Formenkreise in sich birgt. In der Gestalt und besonders in bezug auf die Kopf- form erinnert sie an L. dugesii; ihre Kopfpholidose ist nahezu identisch mit derjenigen bei L. muralis, und ihr Jugendgewand hat Ähnlich- keit mit dem einer jungen galloti.'-^ Die vermeintliche atlantica von Santa Cruz di Tenerife wird denn auch wohl eine jugendliche L. galloti gewesen sein. Gattuii;:^ Lacerta und ilire Verwandten. {»7 Wie liabeii wir uns miii den Znsammenliang- dei- caii a i-isr li c u Laccrta-Fovmeu untereiiiaiulLT und mit denen der zunächst gelegenen Oebiete zu erklären; und wie mag sich ihre Ditterenzieruno- voll- zoi^en haben? A\'arum überhaupt ist eine solche Dift'erenzierung eingetreten ? Daß Lacerta aflantica Peters et Dühia eine Etappe dieser Ent- Avicklunüslinie bildet, d. h. eine, die in direkter Richtung liegt, er- scheint mir zunächst ziemlich ausgeschlossen, trotzdem die dem afrikanischen Festlande genäherte Lage ihres A\'ohngebietes (nadi Steixdachner die Inseln Fuerteventura, Lanzarote, Lobos, Graciosa. Montana (Hara, Roque del Este, Allegranza) auf der östlichen Gruppe der Canaren zur Annahme einer solchen Etappe verleiten kfinnte ; doch erscheint das Tier selbst morphologisch zu different von den beiden größern Arten. Wir müssen also von L. atlantica vorerst absehen und uns auf die Verhältnisse, die bei Lacerta cjalloti und LMcerfa simonyi obwalten, beschränken. Sie bieten uns auch des Bemerkenswerten genug, mehr als genug, wenn wir die Grenzen ihrer heutigen Beurteilbar- keit eingestehen wollen. Vor allem können nach dem heutigen Stande unserer Kennt- nisse die von Boulenger und von SxEmDACHXER selbst angegebenen Unterscheidungsmerkmale zwischen galloti und simonyi nicht mehr als die einzigen gelten: Siebenrock, der beide Formen osteologisch bearbeitet hat\), hat nachweisen können, daß L. simonyi in aus- gew^achsenen Individuen konstant einen vollständigen Schläfenpanzer, aus 19 Schildern bestehend, besitzt (..während die Schläfenhaut bei jungen Tieren keinerlei Verknöcherung auf- weist"). ..Merkwürdigerweise ist bei Lacerta galloti der Schläfen- panzer nur auf einige [Anm. d. Verf.: fünf] Knochentafeln be- schränkt." „Durch diese Tatsache unterscheidet sich Lacerta simonyi wesentlich von L. galloti." Siebenrock hat auch, nach seiner Angabe (p. 231) bei simonyi in erwachsenem Zustande stets vier zackige Kronen der Maxillar- 1) Das Skelet der Lacerta simonyi Steind. und der Lacertiden- familie überhaupt (in: SB. Akad. Wiss. Wien, math.-naturw. Kl., Vol. 103, Abt. 1, p. 249, 1894). Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. ' 98 Philipp Lehks, Zähne gefunden, bei galloti dagegen genau wie "bei o cell ata immer nur zwei- bis dreizackige. Wenn wir noch die aus der vermehrten Anzahl von Ventralschilder längs reihen (16 — 18 bei simoniji, 12—14 bei galloti) ersichtliche stärkere Differenzierung der größern Art in Betracht ziehen, so wird nach alledem L. simoiiyi als die weiter entwickelte, L. galloti als die konservativere Form erscheinen müssen. Dazu kommt noch im Gebaren lebender Stücke von L. galloti eine geradezu frappante Ähnlichkeit mit L. ocellata und ;^xnnen", fährt VON Fkitsch p. 83 fort, ..nur annehmen, daß unter den heute auf den genannten Inselgruppen vorkommenden Organismen ein Theil von jenen früheren abstammt, daß aber seit der Zeit auch noch andere Wesen dort eingewandert sind oder eingeführt wurden, während auch manche von den früheren Formen wieder ausstarben." In der Tat kann w^eitaus der größte Teil der Landfauna — vor allem die Landmollusken, die Insecten und die Spinnen — der Canarischen Inseln als aus dem circummediterranen Faunen- gebiete eingewandert betrachtet werden, wenige Arten deuten auf Beziehungen zum spezifisch afrikanischen Faunengebiete, und nur ein kleiner Teil den Inseln wirklich eigentümlicher Tiere scheint im Laufe der Zeiten sich erhalten zu haben. Ganz dasselbe läßt sich nun auch von der Reptilienfauna der Canaren sagen . . . meint (also 1874 schon!) Oskae Boettgek. In einem jüngsterschieneneu Werke „Die Entwicklung der Kontinente und ihrer Lebew^elt" von Theodor Arldt (Leipzig 1907) konnte ich nun aber (auf p. 305) noch folgende Ausführungen finden: „Die Kauarischen Inseln zeigen nach WoLLASTON(Testacca Atlantica, London 1878) von allen atlantischen Inseln die meisten mittelmeerischen Elemente in ihrer Molluskenfauna. Er sieht sie deshalb als ein zerbrochenes Festlandsgebiet an, auf dem tertiäre europäische Formen wie Craspedopoma^) bis zur Jetztzeit überleben konnten. Als Anschlußgebiet kommt Marocco in Betracht, die Kanarischen Inseln liegen ja in der geraden Fortsetzung des Hohen Atlas . . . 1) Eine deckeltragende Landschnecke aus der Familie der Cyclo- stomiden. 7* 100 Philipp Lehrs, Daß die Inseln nicht ozeanisch sind, beweist auch das Vorkommen von Diabas auf Palma, Fuerteventura und Gomera, jedenfalls auch unter Teneriffa. Nach F RITSCH und Reiss sind die Inseln mindestens seit der Mitte der ]\Iiocänzeit vorhanden. . . . Südmarocco mag' damals ziemlich isoliert gewesen sein, nach Süden durch die Wüste gegen die äthiopische Eegion, nach Norden gegen die oben erwähnte große Insel zu beiden Seiten der jetzigen Straße von Gibralter durch einen Meeresarm, der vom Wadi Um er Eebia über Meknesa, Fes nach dem Wad ul Asfar und Muluja und von hier durch die Täler des Tafna, West-Isser, Sig, Scheliff, Metidja, Ost-Isser, Sahel und Seybouse in die Gegend von Bona führte. Algerien aber hat seine reiche Pliocänfauna wahr- scheinlich erst nach dieser Zeit von Pikermi her erhalten, indem diese über Süditalien und Sizilien einwanderte.'' AUe^ranxwO Gra tlOSCL "5, O LaiixaroU //^ LaPcd Gonuera ^"^ Tenerife / J • Fu ~s / c ^ffierro u Gran Canar CapeJuliji Canar ische Insel V ) ^ (ticu hBromn) False Cape . — - (Bqjador) / zr w- Z7' 18 • 17' W.von 16' Greervwkh 15" rr Daraufhin habe ich mich nun bemüht, die annähernden Distanzen der wichtigsten Can arischen Inseln von ein - a n d e r und vor allem auch vom Festlande festzustellen. Mit Hilfe einer englischen Seekarte und der Spezialkarte in Beown's Gattung Laceita und ihre Verwandten. 101 „Madeira and tlie Oanary Islands" (1901) gelang es mir für die Entfernnng- der dem Festlande znnäclist gelegenen. Fncrtevcntnia, vom afrikanischen Kontinent („('ap July") etwa 100 km zn finden: Gran Canar aber, das für nnsere Zwecke erst in Betracht kommt, weil Fuerteventnra wie die ganze r)Stlirhe (-tnippe nnr L. atlanlica beherbergt, weist von Cap Bojador („False Cape") schon das Doppelte, rund 200 km Distanz auf. Interessant ist es nun, daß die Entfernung Gran Canars von Hierro, wo doch auch L. simomji vorkommt, genau ebensoviel, wieder 200 km beträgt, während Hierro von Gomera, wo eine ganz andere Form, L. gallofi, lebt, und ebenso Gran Canar von Tenerife, wo wir ebenfalls nur die andere Form antreffen, nur je 60 km entfernt sind. Bei Betrachtung der Kartenskizze dürften die Lageverhältnisse anschaulicher wirken. Was ergibt sich nun für uns aus diesen Verhältnissen? Zweierlei: Erstens einmal, daß die relativ geringe Entfernung der Inseln Hierro und Gran Canar von Gomera und Tenerife bereits ge- nügend ist. um die Differenzierung in zwei Tierformen zustande kommen zu lassen; dann aber zweitens, daß in der bedeutendem Distanz zwischen Hierro und Gran Canar offenbar noch kein Hinderungsgrund für das Konstantbleiben einer Form(i.e. Lacerta simomji) liegt. Jedenfalls können wir diesen Tatsachen soviel entnehmen, daß die einstmalige Stammform beider jetzt insular fixierter Arten — in Anbetracht des Umstandes, daß Gran Canar vom Festlande nicht weiter als von Hierro entfernt ist — durchaus nicht so sehr different gewesen zu sein braucht, wenn sie auch durch gewisse lokal erhärtete Charaktere zunächst weniger nahestehend erscheinen mag. Das ^^'ie und Warum dieser aus- geprägten morpholügisclien Wandlungen festzustellen vermögen wir freilich ebensowenig wie die Ursachen der Spaltung in Lacerta (jalloü und Lacerta simonyi auf den Inseln selbst; doch dürfte, wie icli im Vorstehenden auszuführen suchte, nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse kaum ein stichhaltiger Einwand mehr zu erheben sein gegen die Annahme, daß — wie wir die iberischen und Süd-französischen ocellata als Abkömmlinge der nordwest- afrikauischen pater erkannt haben — wir in ähnlicher Weise gaUoti und simonyi als die can arischen Ausstrahlungen der- selben Stammform, eben der pater, betrachten müssen. 102 Philipp Lehks, Immerhin kann nns das in Vorstehendem genauer ausgeführte Beispiel, das durch canarische Derivate unserer großen Gesamt- gruppen so schön dargeboten wird, es verständlicher erscheinen lassen, wenn wir bei uns, auf dem europäischen Kontinent, wo die enge natürliche Umgrenztheit nicht vorliegt, die in den Inselgebieten wenigstens den Überblick einigermaßen erleichtert, teilweise noch größern Schwierigkeiten bei der phylogenetischen Beurteilung und Ableitung der oft so vielseitig differenzierten Formen begegnen. Daß wir für die Ausbildung der L. schreiben Bedkiaga bisher keine rechte Deutung und Erklärung haben geben können, ist solch ein den geschilderten Inselverhältnissen entsprechender kontinentaler Fall; es ist aber durchaus kein Grund, etwa an der ziemlich direkten Ableitung eben dieser schreiben von der echten viridis (oder doch einer geringfügigen Lokal modifika tion der viridis) zu zweifeln, um so weniger, als die von Boulengee aufgestellte ,,mr. gadowii^^ bereits — oder vielmehr: noch — so wenig von typischen viridis differiert, daß namentlich manche $$ fast gar nicht von ^i der Stammform zu unterscheiden sind. Autopsie hat mich auch das gelehrt. In ähnlicher Weise, wie — fußend auf den trefflichen Beob- achtungen von Seoane — weiter oben dargetan werden sollte, daß der Begriff Lacerta o cell ata durchaus kein konstanter ist, möchte ich nun im Folgenden darzulegen suchen, daß — auf Grund meiner eignen, geraume Zeit angestellten Beobachtungen — ebensowenig für Lacerta viridis ein starrer, unwandel- barer Artbegriff angenommen werden darf. Wir werden sehen, daß sich diese These sogar schon für ver- hältnismäßig wenig verschiedenartige, gar nicht einmal sehr aus- gedehnte Gebiete nördlich der Alpen beweisen läßt; ehe ich aber daran gehe, meine Anschauungen über die Eidechsenformen, die man im engern Sinne unter dem Namen Lacerta viridis Laurenti (1768) begreift, zu rechtfertigen, sehe ich mich genötigt, zuvor eine spezielle Form kritisch zu beleuchten, deren fortgesetzter Nicht- beachtung oder doch Geringachtung, wie sie ganz unbegreiflicher- weise — trotzdem sie längst gut charakterisiert wurde — immer und immer wieder zu finden ist, auf das entschiedenste Einhalt geboten werden muß, wenn anders wir überhaupt klar sehen und vorwärts kommen wollen. Ich meine jene Form, die von Boulenger 1887 als Gattung Lacerta iiud ihre YerwaiuUeii. 103 rar. major ^) der L. viridis klar und jj;ut bezeiclinet worden ist. unbe- kümmert um diese Tatsache . und unbekümmert um das viel wichtigere P'aktum, daß viridis und major auch in biologischer Hinsicht ganz verschiedenartige Tiere sind, finden sich sogar hier und da noch spezielle Herpetologen, die Unterschiede nicht zu sehen vermögen, welche so ins Auge springend sind, daß man sich gar nicht vorstellen kann, wie denn alle jene vielen, die vor Boulenger dieses große grüne Tier in Händen gehalten und im Freien beobachtet haben, nicht seine Anders- artigkeit bemerkt und berücksichtigt haben. BouLEXGER hob zuerst hervor, daß die „größere" Form nie das klassische Merknral der echten viridis, die leuchtend blaue Kehle, besitzt; ferner macht er aufmerksam auf das größere Occipitale, die größere Schuppen zahl rings um den Leib, 8 Yentralschilderlängsreihen (viridis meist nur 61 zahlreichere Schenkelporen und eine Reihe un- bedeutenderer — deshalb hier übergangener — Merkmale. Werner, der das Tier in seinen beiden Hauptheimatländern, in Dalmatien und Griechenland (wo es überall auch kleinere Inseln bewohnt, während von der echten viridis, meines Wissens noch nie Vertreter auf solchen gefunden wurden — fehlt sie doch schon auf dem recht ansehnlichen Corsica! — eine Tatsache, die über die S t a m m e s g e s c h i c h t e beider Formen, wenn man feststellen möchte, welche sich früher fixiert hat, zu denken gibt — ), Werner, der das Tier dort so oft und so gut, wie wohl wenige außer ihm, im Freileben beobachten konnte, hat Gelegenheit genug gehabt, seine Verschiedenartigkeit von viridis einzusehen. Und auch ich möchte hier, abgesehen von allen morpho- logischen Differenzen, wie der ganz andern Art der Kopfform des sehr eigenartigen, phj^logenetisch primitivem Jugend- kleides, der, im Gegensatz zur viridis nicht vollständig verknöcherten Schläfenhaut'-) und andern specifisclien Er- scheinungen, die sich in der Folge herausgestellt haben, auf zwei Beobachtungen hinweisen, die, weil seltsamerweise kein Her- 1) In: Catalogue of the Lizards in the Brit. iAFus., Vol. 3, p. 16. 2) Siebenrock, Skelett der Lacertiden, p. 247 — 248. ]^Q4 Philipp Lehrs, petolog bisher sie erwähnt oder verwertet hat, wohl bisher entgangen, also „neu" sein müssen: Die eine findet sich bei Leydig^), dem Manne, der so vieles gesehen hat, was andere wieder übersahen. „Ich halte", so schreibt er, „in diesem Sommer (1869) zwei lebende Tiere aus Dalmatien, wovon das eine Exemplar reichlich zwei Fuß Länge hat. Beide sind am Rücken über und über grün, mit Ausnahme des Endteiles vom Schwanz; die Kehle hat keine Spur von Blau, sondern ist, wie die Bauchseite überhaui)t von schönem, reinem Gelb" — schon mit diesen wenigen Worten cha- rakterisiert Leydig, der eben ein Kenner auch des lebenden Tieres war, ganz unverkennbar und eindeutig die spätere major Boulengee's; ja er betont sogar noch eine uns erst sehr viel später — durch Franz Werner — wieder gewordene Erkenntnis, nämlich „daß diese große grüne Eidechse aus Osteuropa nicht bloß in der Stärke ihres Körpers von den Tieren z, B. aus Tirol abweicht, sondern auch noch in andern Punkten, so z, B. durch den großen, stark gestreckten Kopf; dann auch" — und nun kommt eben das Neue. d. h. meiner Meinung nach vor allem sehr Beachtens- werte: — „dann auch durch die Krallen: während nämlich bei den Tieren aus Südtirol alle Krallen schlank und sichelförmig sind, haben sie bei diesen eine größere Höhe an der Wurzel [worin jedenfalls der morphologische Ausdruck einer angenommenen bio- logischen Eigenart, des bevorzugten Kletterns an senk- rechtem Gestein und Gemäuer zu erblicken ist. Anm. des Verf.]. Auch weichen die Tiere durch lebhaft braun gefärbte Schenkelwarzen, welche weit hervorstehen, von der gewöhnlichen viridis ab." Da haben wir zwei — anscheinend unscheinbare — Merkmale, die aber auch so verläßlich und konstant sind, wie wir sie uns zur Vervollständigung der Einzelcharaktere nur wünschen können, und niemand hat sie vor Leydig gesehen; und niemand nach Leydig hat ihnen bisher Beachtung geschenkt! Und nun zu einer zweiten, eignen Beobachtung; sie ist bio- logischer Natur und hat sich mir geradezu aufgedrängt, als ich im Sommer 1907 die Okkupationsländer und Süd-Dalmatien bereiste und zum ersten Male Gelegenheit hatte, en pleine aire die Lebens- gewohnheiten von Lacerta viridis und major vergleichend zu studieren : 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, Tübingen 1872, p. 190 — 191. Gattung Lacerta und ihre Verwandten. 105 Während viridis, meine alte Bekannte ans Süd-Tirol, West- Ungarn nnd dem Oberrliein-Gebiet sich anch in Bosnien nnd der Herzegowina wie überall, wo ich sie bislang beobachten konnte, mit ansgesprochener Vorliebe an reich mit Vegetation versehene Bezirke hielt, mnßte ich zu meinem Erstaunen die major, wo sie's nur irgend haben konnte, dürre, öde, vor allem wenn mög- lich felsige, steinige Plätze, am allerliebsten aber — ganz wie L. oceUata und ihre Nächstverwandten — altes Ge- mäuer bevorzugen sehen! Ja, die major ist in der Tat, wie auch die verschiedeneu ,,Perleidechsen"-Formen, in gewissem Sinne zugleich eine „Mauer- eidechse", und sie unterscheidet sich auch darin sehr wesentlich von der echten viridis; diese findet sich zwar auch gelegentlich in der Nähe vom Gemäuer, aber nur wenn reichliches Busch- oder Krautwerk dicht dabei ist — sie recht- fertigt den niederösterreichischen Volksnamen „Krauthahn" oder ,. K r a u t h e n n e " also aufs schlagendste ! Sie kriecht auch ganz gern einmal in ein (möglichst dem Boden nahe liegendes) Mauer- loch, „um darin der Ruh zu pflegen"; aber noch niemand wird sie wohl an mehrere Meter hohen Cyklopenmauern hinauf- oder hinuntersausen gesehen haben, ein eigenartiger Anblick, den mir L. major mit größter Sicherheit und Eleganz an den Umwallungen und Grabenbefestigungen des alten Kastells auf der stillen Insel Lacroma vor Ragusa bot. Eine ausschlaggebende Rolle scheint übrigens hierbei das ganz V e r s c h i e d e n e W a s s e r b e d ü r f n i s der beiden Formen zu spielen : L. major ist entschieden ein Produkt wasserarmer, dürrer Ge- genden und Länder^); darum vermochte sie sich dem heutigen Klima der ihres einstmaligen Wälderreichtums und der damit ver- bundenen Wasserüppigkeit beraubten Karstländer so wohl anzu- passen und scheint sich auch noch in einer ganz allmählich steigenden Ausbreitung zu befinden (für Triest, von wo sie früher nicht be- 1) Ihre Ableitung von gewissen, in ihren Einzelheiten leider noch immer nicht ganz klar erscheinenden west-asiatischen Formen, die offenbar Charaktertiere der syrischen und der ödem anatolischen Bezirke darstellen, ist ziemlich gesichert; — ich meine hier die viel- umstrittene .sfrif/ntd EiCHWALD und deren Modifikationen, über die ich mir — trotz Wernpjk's trefflichen Untersuchungen — immer noch kein Urteil erlauben möchte. — Vgl. dazu Weener, Eept. u. Amph. -Fauna von Klein- Asien, p. 13 — 19. 106 Philipp Lehrs, kamit war und wo sonst viridis zu Hause ist, konnte ich sie selbst erst vor einigen Jahren n a c li w e i s e n ! ^ ) Lacerta viridis dagegen liat von allen mir lebend bekannten echten Lacerten — nur einige Vertreter der von mir als Lacertae platycephalae zusammengefaßten Gruppe (besonders L. graeca und L. hedriagai) kommen ihr darin gleich, und gerade sie sind sicher Relikte einer für diese Gegenden jedenfalls vege- tationsreichern und darum auch wassergesch wän- gertern Zeit — das entschieden ausgeprägteste Wasserbedürfnis. Mir ist das schon lange aufgefallen, ganz besonders aber bei einigen vor Jahren (1902 und 1903) wiederholt vorgenommenen Exkursionen in das sehr eigenartige Gebiet des Kälterer Sees (in den Ausläufern des Plateaus von „Überetsch" bei Bozen). Dort herrscht an den Hängen und in den Einsattelungen des „Mitter- berges", der bis zur halben Höhe mit Eeben und im übrigen mit dichtestem Busch- und Krautwerk geradezu überladen ist, eine Atmosphäre, die wir am besten als „Treibhausluft" bezeichnen. Und nirgendwo im ganzen Etschrevier habe ich s o mächtige und behäbige, dabei auch in der Pigmentie- rung so gesättigte Exemplare von viridis getroffen. Und was finde ich im Leydig, jetzt erst, bei Durcharbeitung dieser Studien? Auf p, 189 — 190 stehen die gewiß von Vielen (gleich mir bisher) übersehenen oder nicht w^eiter beachteten Worte: „. . . recht häufig und groß kam sie mir wieder am K alterner See vor die Augen, und es scheint, daß die Feuchtigkeit des Sees, welche an den Felsen des Mittelgebirges einen ungemein üppigen Pflanzenwuchs hervorruft, auch die Entwickelung dieser Eidechse befördert.'' Es ist manchmal ordentlich komisch: man kann gehen, wohin man will, auf herpetologischen Pfaden — eines Tages belehrt einen das genauere Literaturstudium wieder mit dem alten Satze „im Anfang war — der Leydig!" 1) 1897 erhielt ich von dort einige „Smaragdeidechsen" ; da es über- haupt die ersten waren, die ich lebend zu sehen bekam, hielt ich sie da- mals für die typische Form, ein Irrtum, den ich erst später einsah und in dem ich anfänglich bestärkt wurde durch die Abbildung in „Brehm's Tierleben" : die dort abgebildete Zeichnung MÜTZEL'a stellt nämlich nicht die echte L. riridii,', sondern L. major, offenbar nach dalmatinischen Exemplaren, dar ! Gattung Lacerta nml ilire Verwandten. 107 Halten wir aber dieses erwiesen starke Wasserbedürfnis der eigentlichen viridis nns fest vor Augen, so wird es uns zugleich ein zweckdienlicher Führer sein, wenn wir den Linien ihrer Aus- breitung und iiires heutigen Vorkommens nachgehen. Lacerta viridis ist also ein Tier, das eine gewisse Üppigkeit der Vegetation verlangt. Ein Kulturgewächs aber stellt ganz ähnliche klimatische Bedingungen an seine Umgebung und macht sein reich- liches Gedeihen davon abhängig: die edle Rebe. Und so ist es ganz auffallend: fast überall, wo wir heute noch in Deutschland ausgedehntere Weinbaugebiete haben, kommt L. viridis vor oder — ist dort einmal vorgekommen. Denn die Annahme einer noch steigenden Ausbreitung der viridis auf deutschem Boden ist wohl endgültig abgetan. Dagegen haben wir deutliche, zum Teil verbürgte Beweise für ihr Vorkommen und für ihr erst in relativ jüngerer, teilweise aller- neuester Zeit erfolgtes Aussterben in einstmaligen Weinbau- gegenden. Der merkwürdigste und wegen seiner anscheinend iso- lierten Lage klassischste Punkt dafür sind die Rüdersdorfer Kalk- berge, ganz nahe bei Berlin, wo sie nachweisbar erst vor einem Menschen alt er erloschen ist. Ich habe das ganze — übrigens engbegrenzte — Gebiet mehrfach (in den Frühjahren 1905 und 1906) gründlich abgesucht, aber kein einziges Exemplar mehr auftreiben können; Leute in mittlem Jahren aber, die in den kümmerlichen, jetzt halb verfallenen Rebbergen arbeiteten, wußten sich aus ihrer Kindheit noch genau der „großen grünen Eidechsen mit die blauen Hälse*' zu entsinnen und bestätigten mir, daß jetzt nur noch „die gewöhnlichen" (= L. agilis) vorkämen. Also bei Rüdersdorf ist sie gewesen; war sie aber dort so isoliert, wie wir bisher annehmen mußten? Ich glaube das Gegenteil beweisen zu können. Eenst FRiEDEL,in seinen „Wirbeltieren der Provinz Brandenburg", nennt außer Rüdersdorf ferner Od erbe rg und Teupitz, dann die R u d 0 w e r Wiesen (wobei er sich auf Effeld stützt, der sicher nicht geirrt hat), Liepe und Brodewin (a. d. Oder) und schließlich Egsdorf (südlich von Königswusterhausen und übrigens gar nicht weit von dem schon länger bekannten Teupitz), wo Schalow zu- sammen mit BÖHM das Tier noch 1885 gefunden hat (briefliche Mitteilung): „Wir haben hier prächtige alte Tiere mit herrlich blauer Kehle erhalten." Das Hervorheben der blauen Kehle allein verbürgte mir die richtige Bestimmung, und als ich Gelegen- 108 Philipp Lehrs, heit hatte, Herrn Heemann Schalow, einen in ornithologischen Kreisen liochg-eschätzten und kenntnisreiclien Naturfreund, persönlich in dieser Angelegenheit zu befragen, bestätigte er mir, daß er und BÖHM und auch der damals junge Gadow, jetzt Professor der Zoologie in Cambridge, der Sohn des Egsdorfer Pfarrers — merkwürdiger- weise gleichzeitig derselbe Gadow, nach dem jene iberische viridis-Form var. gadowü heißt — , daß sie zu dritt gemeinsam auf die dortigen Smaragdeidechsen Jagd gemacht hätten. Ob die Kolonie heute noch besteht, ist bisher nicht festzustellen gewesen. Wenn wir aber jene alten Fundorte zusammenstellen und noch einige weiter vorgeschobene, die sich immer wieder in altern und neuern Literaturangaben finden lassen, daneben halten, so ergibt sich überraschenderweise eine, wenn auch jetzt sehr lückenhaft er- scheinende, Kette, deren Fundortsetappen etwa dem Laufe der alten, ehemals so „bruch"reichen Oderlinie folgen. Damit wäre die eine deutsche, wie man bisher sagte. ..Ein- wanderungslinie" — wie es mir richtiger erscheint zu sagen: „Re- lictenlinie" angedeutet. Die andere Linie ist die genauer und länger erforschte des ßheintales: die sogenannte Rheinhalde vor dem Gren- zach er Hörn bei Basel; der Isteiner Klotz (wo sie er- loschen scheint); der Kaiser stuhl bei Freiburg im Breisgau; und (neuerdings von R. Steenfeld entdeckt) die Höhen des Tuni-Berges bilden dort, wo ich ihr selber nachspüren konnte, die Hauptpunkte ihres rezenten Vorkommens. An dem sehr reichen Material, das ich während meiner Freiburger Studienzeit an den angegebenen Arten sammeln und untersuchen konnte, haben sich vom östlichen Typus in Proportionen, P h 0 1 i d 0 s e , Z e i c h n u n g s e n t w i c k 1 u n g , somit im ganzen „Habitus", so auffallend abweichende, eigenartige Befunde ergeben,, daß ich mir vorbehalten möchte, sie zum Gegenstand einer zu- sammenfassenden monographischen Behandlung zu machen, zu deren Bearbeitung mir jedoch die persönliche Durchforschung der mittel- rheinischen Gebiete (Pfalz, Rheingau etc.) unerläßlich erscheint. Hier will und muß ich mich damit begnügen, auf die Tatsache hin- gewiesen zu haben, daß wir in Deutschland allein schon 2 geo- graphisch wie morphologisch wohlgeschiedene Stämme der viridis besitzen, daß demgemäß, wenn wir einen bei Obern z eil (bei Passau) gerade noch auf reichsdeutsches Gebiet ausstrahlenden 3. Stamm, den ich als den Donau-Stamm bezeichnen möchte, in Betracht Gattung- Lacertii und ihre Verwandten. 109 zielieii. schon 3 sehr unliomoo-eiie Entwickluii<>slinien gegeben er- seheinen. Inwieweit zwischen diesem Do nun- und dem Oder- Stamm ein Zusammenhang besteht oder bestanden hat — etwa durcli die .JJährisclie Pforte" zwischen Mäliriscliem Gesenke (Sudeten) und West-Beskiden (Karpaten), insbesondere wie weit L. viridis im Marchtal heute noch nordwärts geht, das wäre noch der Unter- suchung wert. Ich möchte es mir nicht versagen, die vorstehenden Ausführungen mit dem vorläutigen Hinweis auf eine Erscheinung abzuschließen, die. wiewohl in ihrem Auftreten bei verschiedenen Formen dieses — Avie manch andern — Formenkreises im allgemeinen bekannt, immerhin meines Wissens noch nie in zusammenfassender und kritisch vergleichender Weise gebührend berücksichtigt worden ist: ich meine das Blau in der Färbung der Kehlgegend. Als am längsten und allgemeinsten bekannt darf diese Er- scheinung bei der eigentlichen Laccrta viridis Laukenti gelten. Sie bildet dort eine so auffallende — wenngleich durchaus nicht bei allen Exemplaren sich zeigende — Eigenart des Tieres, daß man schon frühzeitig hierin das Kriterium für eine diagnostische Ab- grenzung erkennen zu sollen glaubte : Bonapaete's var. mento-caendea ist im wesentlichen auf solchen intensiv blaukehligen, geschlechts- reifen viridis -Männlichen aufgebaut; ausdrücklich sage ich ,.im wesentlichen", denn es handelt sich hierbei nicht ausnahmslos um ein männliches Monopol: spätere und eingehendere Beobachtungen haben allerdings ergeben, daß wir es hier vornehmlich mit einem sekundären Sexualcharakter des vollentwickelten S zu tun haben. Der Grad seiner Ausbildung erscheint aber freilich durchaus nicht immer und überall konstant: die von mir genauer untersuchte west-deutsche Easse vom Oberrhein bietet ein gutes Beispiel dafür; und andrerseits begegnen wir an den verschiedensten Orten auch ab und zu ??, besonders alten (vielleicht bereits gelt gehenden ?), die eine ganz blaue Kehle zeigen. — Hiei' haben wir dann also ent- schiedene Fälle von Arrhenoidie, von „Hahnenfedrigkeit", wie der schöne Ausdruck bei den Vögeln lautet, vor uns. Fälle, die selbst unter Eidechsen nicht so ganz vereinzelt sind : denn ich habe sie noch bei andern blaukehligen Formen, bei Lacerta laevis Geay und bei Algiroides niyropunctaius D. et B., beobachtet; und sogar bei Formen, deren sekundäre Sexualfärbungscharaktere sich in anderer 110 Philipp Lehrs, Weise zeigen, kommt dergleichen — obwohl äußerst selten — vor: am 30./6. 1907 fand ich in dem ausgedehnten Park der gräflich KÄEOLY'schen Herrschaft Föth (nördlich Budapest) unter einer Anzahl normal gefärbter Tiere 3 $? von Lacerta agiUs, die leuchtend grüne Seiten aufwiesen, eine Eigentümlichkeit, die sonst aus- schließlich den SS, «nd zwar auch nur den geschlechtsreifen, dieser Art zukommt ! ^) Die var. gadoivü der Lacerta viridis soll auch häufig genug blau- kehlig auftreten. Nie dagegen finden wir dergleichen bei Lacerta major Bou- LENGEE; ihr mangelt anscheinend überhaupt alle und jede Tendenz zum Blau: dafür finden wir liier beim S ein eigenartig schimmerndes Spangrün oder — und in der Regel beim ? — ein diese Region beherrschendes fahles Chromgelb. Blau aber begegnet uns wieder bei Lacerta pater Lataste. Und wie steht es mit Lacerta ocellata Daudin? Die hat natür- lich keine „blaue Kehle", gewiß; und doch ist die Färbung der Kopf- und Halsgegeud, wie sie oft schon bei kaum halbwüchsigen Exemplaren auftritt, bei dieser Art so eigenartig, daß ich mich oft staunend und vergeblich gefragt habe, wieso in den zahlreichen und ausführlichen Beschreibungen, die wir just vom Exterieur der ocellata haben, nie auf diese eine Tatsache besonders hingewiesen worden ist?! Was zeichnet denn jede einigermaßen „ausgefärbte" Perleideclise vor eigentlich allen andern bekannten Lacer^«-Formen so unver- kennbar aus? Das Vorhandensein einer vom übrigen Körper lebhaft abstechenden Färbungszone, die Hals und Nacken kapuzenartig umschließt; ihre Tönung erscheint für gewöhnlich bronzebraun; erhebt sich aber in der Brunft zeit zu leuchtendem Aschblau, das oft auch den ganzen Kopf mit überzieht! Und dasselbe zeigt sich uns auch bei Lacerta galloti D. et B., an der Kehle wenigstens, die diese aschfarbene Tönung nur — ent- sprechend der allgemeinen Verdunklung ihrer Grundfarbe — mehr 1) Leydig (Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier) bemerkt (p. 184): „Uebrigens scheint mir dies Hinüberspielen der Farbe des einen Greschlechts in die des andern noch von allgemeinerer Bedeutung zu sein. Es bezeichnet eine nicht durchgreifende Sonder ung des Geschlechts nach außen, wozu auch einzelne Arten niederer Tiere Beispiele liefern." Gattung- Lacerta und ihre Verwandten. Hl „verwaschen" aufweist, während sie bei Lacoia simonyi Stein- DACiiNER endlich fast g'anz verlosclien erscheint. Gemeinsam aber scheint doch allen diesen Farbtönungen der Ursprung- aus sexueller Sphäre zu sein; ihr Verblassen nach abgelaufener Brunft zeugt nachdrücklich dafür. So haben wir also doch wohl in der lebhaften Färbung der Kehlgegend bei den hier abgehandelten Lacerti den -Formen ein ähnliches Beispiel zu er- blicken, wie es uns u. a. durch S y 1 v i d e n in der A^ogelwelt geboten wird : es sei hier nur an Erithacus phoenicurus L., an E. ruheculus L. erinnert und an E. cyancculus Wolf. Derlei Fragen zu klären und zu erklären, ist, das verhehle ich mir keineswegs, durchaus nicht leicht. Und es erfordert noch vor- aussichtlich langjährige, hingebungsvolle Arbeit nicht eines Einzelnen, sondern Vieler, ehe wir auch hierin merklich vorwärts rücken ; aber nicht Vieler, die ein jeder für sich und unbekümmert umeinander ihre eignen Wege gehen, sondern solcher, die Hand in Hand arbeiten. Die Wege und Mittel mögen verschiedenartige sein, und ich bilde mir nicht ein, daß die von mir verfolgten Wege und Methoden die einzigen oder auch nur die einzig zweckmäßigen seien. Aber weil ich fand, daß sie im allgemeinen zu wenig begangen und zu gering bewertet wurden, deshalb schlug ich sie ein, und die Erfahrungen einer Eeihe von Jahren haben immerhin allerlei erfreuliche Resultate gezeitigt und mir manches nach meiner Meinung Wesentliche, Wich- tige und Beachtenswerte eingebracht. Und so glaube ich denn, daß wir auf jedem Wege mit jeder Methode gut vorwärts kommen werden, wenn nur stets zwei Begriffe uns leiten, in denen Quelle und Kraft alles organischen Naturforschens beschlossen liegt: Beobachtung und Reflexion. A n h a n g. Tergleichende Maßtabelleu. Es soll hier an 90 ausgewählten Exemplaren verschiedenster Provenienz eine möglichst instruktive Übersicht geboten werden über die Proportionsdifferenzen, die jede größere Serie von Vertretern der Formen ocellata, galloti-simonyi, maior, virklis-gadomi uns zu zeigen vermag. Dabei ist zu beachten, daß die je 10 von mir genommenen I^faße in der Reihenfolge: 1. Totallänge — 2. Kopfrumpf länge — 3. Schwanz- 112 Philipp Lehes, länge — 4. Läiig-e von der Schnauzenspitze bis zum Vorderbeinansatz — 5. Kopflänge — 6. Kopfbreite — 7. Kopfhölie — 8. Pileusbreite — 9. Vorderbeinlänge — 10. Hinterbeinlänge — in mm notiert sind. Zweckmäßig erschien es mir, bei jedem Stück mit nicht ganz unversehrtem Schwanz die Maße unter 1. und 3- in Klammern zu setzen; diese so einfache Maßnahme, die meines Wissens noch nie in der Literatur benutzt worden ist, bewahrt vor irrigen Auffassungen von der Proportion des Körpers zur Schwanz- länge und läßt die Verhältnisse bei ganz intakten Stücken um so klarer hervortreten. Bei den Maßen unter 4., 9. und 10. muß selbst- verständlich die betreffende Extremität möglichst rechtwinklig vom Torso abgestreckt werden. Ganz genaue Maße sind überhaupt vor- teilhaft nur am frischgetöteten Tiere zu nehmen, dann aber auch sehr zuverlässig. Gattung Lacerta und ihre Verwandten. 113 e ^ CO ö CO o (m'd-"cc O 00 (N •>* (M 00 o o o o 00 >n >c »c ic o (M O w .O CM 00 "C CO CD -^ ccfMcococccg-^eo'TJ-'— I -^ascoc^i>ooa500sQO (Mr-(i— iT-lr-l.rHi— ItMi-Hr-l »O lO lO O O O O lO O O eCOllMfMOC^OCOCOiM pq o O CS ,2 g = 22 m H y^lA 6D bJD öß (ö c es 03 N *b O CM- O O "^ O "^ "^j 'b o ;-< c3 Ö eö O t-l o O ": -^ X r. r. 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Lacerta ocellata Daüdin. 9 (Exemplar 7. der MaCtabelle). Fig. B. Lacerta ocellata Daudin. (/ (Exemplar 8. der MaCtabelle). 118 Philipp Lehrs, Fiff. C. Fio. D. Fis-. E. Fig. F. Fiff. G. Fi-. J. Fis:. C. 9 (Exemplar 4. der Maßtabelle). 2jährig-es Junges (ca. lüÜ mm Kopfrumpf- _ _ Lacerta ocellata Daudin. G2j Fjg-. £). Lacerta ocellata Daudin. länge) aus Madrid. Fig. E. Lacerta major Boulenger. d^ (Exemplar 28. der Maßtabelle). Fig. F. Lacerta major Boulenger. 9 (Exemplar 30. der Maßtabelle Fig. G. Lacerta viridis Ijmjke.^ti. Altes (Z' vom Kaiser stuhl im Breisgan. W Figf. H. Lacerta viridis Laurenti. a^ aus der Herzegowina (Exemplar 46. der Maßtabelle). Fig. J. Lacerta viridis Laurenti. Erwachsenes 9 vom Kaiserstuhl. Gattung Lacerta und ihre Verwandten. 119 UV i^ !i; Fig:. L. Fis:. K. Lacerta viridis Laurbnti. Sehr altes ungarisches 9 (Exemplar 39. der Maßtabelle); zeigt die Entwicklung der Körperzeichnung (durch Auflösen und Verschwinden der Längsstreifen) zum Dominieren der Grundfarbe. Fig. L. Lacerta viridis Laurenti. Erwaclisenes bosnisches 9 (Exemplar 42. der MalJtabelle); zeigt die Entwicklung der Körnerzeichnung (durch Verschmelzen und Überwuchern der Längsstreifen und Flecken zum Dominieren der Zeichnung. Beides kann — im letzten Grade geben. sekundäre Einfarbiq-keit er- 120 Philipp Lehrs, Gattung Lacerta und ihre Verwandten. Erklärimg der Aibll)ildiiiigeii. Tafel 2. Laceria ocellata Daudin. Fig. 1. Sjähriges 5 (ca. 130 mm Kopfrumpflänge) aus Spanien. Fig. 2. Ausgewachsenes $ (Exemplar 8. der Maßtabelle), Zentral- Spanien. Lacerta galloti Dumeril et Bibeon. Fig. 3. Erwachsenes ^ mit fast einfarbig braunem Rücken — also sekundäre Einfarbigkeit bei rückgebildeter Dorsalzeichnuug — aber deutlichem blaugrauem Kehlanflug. Lacerta major Boulengee. Fig. 4. Erwachsenes $ mit indifferenter Kehlfärbung, aus Dalmatien. Lippei't & Co. (G. Pätz'sclie Buchdr.), Naumburg a. S. Nadidruck verboten. IJbersetzungsrecht vorbehalten. Studien über niedere Insecten. I. Protapteron indicum n. g., n. sp. Von Dr. Alexander SchepotieflF, Privatdozeut an der Universität zu St. Petersburg. Mit Tafel 3-5. Während meines Aufenthaltes im westlichen Indien (Mähe an der Malabarküste) im Frühjahr 1908 fand ich in den Hüllen abge- fallener Kokosnüsse, zusammen mit kleinen Acariden, Scolopendrellen und Thysanuren, noch besondere, sehr kleine Tiere, die ich beim Sammeln als Larven von Scolopendrellen ansah. Als ich nach meiner Rückkehr nach Europa ein genaueres Studium dieser Tiere unter- nahm, ergab es sich jedoch, daß dieselben nicht etwa Larven, son- dern geschlechtsreife Insecten darstellen und einer neuen, bis jetzt noch nicht beobachteten Form angehören. Diese neue Form, für welche eine neue Gattung aufzustellen ist, die ich Protapteron n. g. benenne, mit dem Speciesnamen indicum, sieht der kürzlich von SiLVESTiu ^) beschriebenen niedern Apterygote Acerentomon doderoi sehr ähnlich. Wie aus der weiter unten mitgeteilten Beschreibung hervorgeht, weist unsere Form auch viele gemeinsame Züge mit Campodea auf. Ein Hauptmerkmal von Protapteron bildet das Vor- 1) F. SiLVESTRi, Descrizione di un nuovo genere di insetti Apterygoti, in: Boll. Lab. zool. Scuola sup. Agricolt. Portici, Vol. 1, 1907, p. 296 bis 311, 18 Figg. Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 9 122 Alexander Schepotieff, handeiisein von 4 Paaren rudimentärer Füße an den ersten Abdominal- segmenten, während die Ventralsäcke und Cerci fehlen. Auf Grund dieser JVIerkmale gehört Protapteron zu den niedersten bis jetzt be- kannten Thysanuren. Alle von mir aus Indien mitgebrachten Exemplare wurden nach dem Auswaschen der Kokosnußhüllen in konzentrierter Sublimat- lüsung oder in GiLSON'scher Flüssigkeit aus dem dabei enthaltenen Niederschlag gesammelt. Lebende Exemplare wurden von mir nicht beobachtet. Eine Protapteron wahrscheinlich sehr nahe stehende Form, viel- leicht nur eine andere Art dieser Gattung, ist kürzlich durch Herrn RiMSKY-KoRSAKOw in Finland und in der Umgebung von St. Peters- burg beobachtet worden. Dieser Fund zeigt, daß Prota2)teron-ä\m- liche Formen höchst wahrscheinlich, wie dies bei den meisten Ap- terygoten der Fall ist, Kosmopoliten sind und nur wegen ihrer ge- ringen Dimensionen bis jetzt der Aufmerksamkeit der Forscher entgangen sind. Äußere K ö r p e r f o r m. Protapteron hat einen schlanken, walzenförmigen und reichlich behaarten, blassen oder hellgelblichen Körper (Taf. 3, Fig. 1 u. 2) mit kleinem, ovalem, deutlich abgeson- dertem Kopf (Kf). Nur am Kopf und an der hintersten Körper- partie ist eine stärkere Verdickung der Cuticula zu bemerken {Cut, Fig. 18 u. 19, Taf. 3; Fig. 9, Taf. 5). An allen übrigen Stellen des Chitinpanzers ist die Cuticula äußerst schwach entwickelt (z. B. Cut, St u. Tg, Fig. 15, Taf. 4; Fig. 1 u. 2, Taf. 5), so daß die ein- zelnen Segmentalplatten nur bei starken Vergrößerungen deutlich erkennbar sind. Es ist keine scharfe Teilung des Körpers in Thorax und Abdomen vorhanden. Der gesamte Körper zerfällt in 15 Seg- mente, 3 thoracale {Ihs^ — Ths^) und 12 abdominale {Äds'^ — Ads'^-). In der hintersten Abdominalpartie liegen Tergite und Sternite ziemlich dicht nebeneinander; an den übrigen Stellen sind sie durch breitere Zonen voneinander getrennt, an denen der Körper nur durch eine äußerst dünne Cuticula bedeckt ist (Cuticularzonen; Cuts, Fig. 1, 3, 4, 6 u. 9, Taf. 3; Fig. 7 u. 13, Taf. 4), welche auf Schnitten durch eine sehr feine Linie dargestellt ist (Cut, Fig. 15, Taf. 4). Die Länge des Weibchens erreicht ca. 1 mm ; die mittlere Breite übersteigt kaum 150—250 ^t/, die größte Breite fällt auf die vordere Partie des Abdomens. Die Männchen sind kleiner als die Weibchen Studien über niedere lusecten. 123 — bis '^ .j mm Länge — und haben die hintere Partie des Ab- domens etwas nach oben, dorsahvärts, gebogen (hAb, Fig. 2, Taf. 3j. Der Kopf ist sehr klein (ca. Vto der Gesamtlänge des Körpers) und kaum halb so breit wie die mittlere Körperbreite (A'/', Fig. 1 — 4, (5 u. 10, Taf. 3; Fig. 14, Taf. 5; auch Fig. 1, Taf. 4). Er ist ortho- gnath, eiförmig, schwach nach vorn verlängert und sehr deutlich vom Thorax abgeschnürt (Fig. 4, Taf 3). Die Ventraliiäche des Kopfes ist schwach abgeplattet {oFl, Fig. 18 u. 19, Taf. 3). Die Dorsal- fläche zieht im Querschnitt halbkreisförmig aus (dFl). Die breitere hintere Partie des Kopfes ist abgerundet {/iF, Fig. 4, Taf. 3) und stark dorsalwärts gewölbt (Fig. 10, Taf 4), so daß sie oft die vordere Partie des 1. Thoracalsegments bedeckt {Kf, Ths\ Fig. 4 u. 19, Taf. 3). An der Dorsalfläche der vordem Kopfpartie inserieren die ziemlich kurzen fadenförmigen Antennen (An, Fig. 1—4 u. 7, Taf. 3). Sie bestehen aus homonomen, kugligen oder halbkugligen Gliedern {Angl, Fig. 8), an denen Kränze kurzer Haare erkennbar sind {Hk\ und brechen äußerst leicht ab.^) Die Endglieder der Antennen sind oval oder in die Länge gezogen (Fgl, Fig. 7, Taf, 3). Die Mundötinung ist oval, ziemlich breit und liegt ventral ganz vorn an der Spitze des Kopfes .(Mf, Fig. 1, 6, 10, Taf 4; Fig. 14, Taf. 5; Fig. 1, Taf 4). Augen fehlen. Die ganze Oberfläche des Kopfes ist mit sehr zahlreichen kurzen Härchen bedeckt {H, Fig. 4, Taf. 3). Auf der Dorsalfläche des Chitinpanzers des Kopfes (Epicranium) ist keine Naht vorhanden {Kf, Fig. 4, Taf. 3). Auf der abgeplatteten Veutralfläche ist eine deutliche Längsnaht erkennbar, die von der Halsbasis bis zur Mundöönung median verläuft (LI, Fig. 1, Taf 4). Im Epicranium kann man also 2 Ölfnungen erkennen, die beide ventral liegen, eine vordere oder Mundötthung (il//) und eine hintere, von welcher der Hals ausgeht (Hs). Schon bei schwachen Vergrößerungen kann man im Kopfe be- sondere helle, stark lichtbrechende, ovale oder kuglige Gebilde er- kennen {iE, Fig. 2—4, Taf. 3), die sehr an die Linsen der Ocellen erinnern. Es sind 10 solcher Gebilde im Kopfe vorhanden, die regelmäßig in 2 seitlichen und einer mittlem Querreihe angeordnet 1) Das Fehlen der Antennen beim Acerentonwn SiLVESTRi's scheint mir aus diesem Grunde ziemlicli verdächtig. Vielleicht sind die von SlLVESTRl als „Ocellen" bezeichneten Gebilde nichts anderes als die An- heftunffsstellen der kurzen leicht abbrechenden Antennen. 5^24 Alexander Schepotieff, liegen, wie dies aus Fig-. 4, Taf. 3 hervorgeht. Außerdem sind noch 5 solcher Gebilde in der ventralen Partie des 1. Thoracalseg- mentes vorhanden, wo sie unregelmäßig zerstreut liegen {iE, Fig. 6, Taf. 3). Eine genauere Untersuchung zeigt, daß alle diese Gebilde als besondere „innere Einschlüsse" {iE, Fig. 18 u. 19, Taf. 3) im Innern des Körpers liegen, wobei diese Einschlüsse stets von einer breitem hellen Zone umgeben sind {Zs, Fig. 9, Taf. 3). Manch- mal kann man um diese Zone herum noch eine Schicht länglicher Zellen erkennen mit undeutlichen Grenzen und ovalen Kernen {Zs). Im Kopfe liegen diese Einschlüsse näher an dessen Dorsalfläche (Fig. 18 u. 19, Taf. 3), im 1. Thoracalsegment dagegen in der Hypo- dermis, die das Sternit auskleidet. Die Bedeutung dieser „Ein- schlüsse" bleibt ganz unklar. Vielleicht haben wir es hier mit be- sondern Drüsen zu tun (ähnlich den GßAssi'schen Drüsen bei Cam- podeä); es ist aber auch möglich, daß dieselben den TöMosvAEY'schen Organen entsprechen. Besonders rätselhaft ist ihr Vorhandensein im 1. Thoracalsegment. Die Mund teile. Die Mundteile (Fig. 1—5, Taf. 4), die man durch Maceration des Kopfes leicht isolieren kann, sind entognath, saugend und bestehen aus Oberlippe (Fig. 2), 2 stachelförmigen Mandibeln (Fig. 3), 2 Maxillen mit langem, 4gliedrigem Taster (Fig. 4) und einer Unterlippe aus 2 getrennten Hälften, mit je einem kurzen 3gliedrigen Taster (Fig. 8). Die Mundhöhle ist groß und dringt ziemlich tief in den Kopf hinein {Mh, Fig. 1, Taf. 4). 1. Die Oberlippe {Ol, Fig. 4, 6 u. 10, Taf. 3; Fig. 1 u. 2, Taf. 4) ist eine kleine, schwach verdickte Querplatte, die vorn abgerundet und vom Epicranium durch eine deutliche Quernaht getrennt ist {Ql, Fig. 4, Taf 3). Von der ventralen Kopfseite betrachtet sieht sie dreieckig aus (Fig. 2, Taf. 4). An ihrer ventralen Fläche be- finden sich 2 kleine zugespitzte Zähnchen {Z), die nach vorn ein- ander genähert sind. Der vordere Lippenrand ist mit einer Eeihe kurzer starker Borsten besetzt {Br). 2. Die Mandibeln (Fig. 3, Taf. 4; 3Iau, Fig. 1, Taf. 4) sind lange stachelförmige Gebilde mit einer breitern, flachen, proximalen Partie, die in den Kopf eingeschlossen ist, und einer schmälern, nach innen gebogenen distalen Partie, die frei in der Mundhöhle liegt und stark zugespitzt ist. 3. Jede Maxille (Max, Fig. 1, Taf 4) besteht aus einer hintern, kleinern, gebogenen Basalplatte {Cardo; Ca, Fig. 1 u. 4, Taf. 4), die quer zu den Kopfrändern liegt, und einer großen vordem Platte {Max) Studien über niedere lusecten. 125 mit dem Taster (Ta). Die Basalplatte heftet sicli mit ihrem Hinter- rande an dem Tentoriiim an {Ten, Fig. 1, Taf. 4). Die vordere Partie stellt eine breite und stark verlängerte dreieckige Platte dar {Max, Fig. 4, Taf. 4), die sich distal in 2 kurze mit langen Borsten ver- sehene Vorsprünge fortsetzt (Lobus externus und internus; Lob). Der Taster ist ein langer, 4gliedriger Anhang, der sich stets außer- halb der Mundhöhle hervorstreckt {Max, Fig. 4 u. 6, Taf. 3; To, Fig. 1, Taf. 4). Sein Basalglied {B(jl, Fig. 4, Taf. 4) heftet sich an dem Außenrande der vordem Partie der Maxillarplatte in der Nähe ihrer beiden distalen Loben an. Es ist breit und lang und erstreckt sich bis zu der Basis der Oberlippe. Die übrigen Glieder sind kurz, homonom und stark behaart. 4. Unterlippe. Jede der beiden Hälften der Unterlippe (Ul, Fig. 5, Taf. 4) stellt eine dreieckige Platte dar, deren innerer Rand vorn fast geradlinig, der äußere dagegen schwach gebogen ist. Nach vorn zu bildet sie 2 breite, aber kurze Vorsprünge (Lob), die mit wenigen langen Borsten versehen sind. An die Mitte der Platte, unterhalb der beiden Vorsprünge, heftet sich der Sgliedrige Taster an (Ta), der kaum halb so lang ist wie derjenige der Maxillen. Sein Basalglied (Bgl) ist kurz und oval, die 2 übrigen Glieder läng- lich und behaart. Von dem vordem äußern Rande des Basalgliedes erhebt sich eine starre lange Borste, die sich bis zu der Spitze des Tasters erstreckt (B). Tentorium (Ten, Fig. 1, Taf. 5). Das Tentorium besteht aus 2 Ästen, die ein halbkreisförmiges Aussehen besitzen und im Innern des Kopfes liegen. In der Höhe der vordem Partie der Unterlippe liegen sie ziemlich nahe aneinander. Nach vorn zu liegen sie an beiden Kopfseiten, gabeln sich und befestigen sich am Epi- cranium. Nach hinten zu verlaufen sie schräg zueinander, nach den Kopfseiten divergierend, als 2 geradlinige Stränge in die hintere Kopfpartie, wo sie frei in der Kopf höhle enden. Vor den Hinter- spitzen beider Äste gehen je 2 seitliche Zweige ab. Die hintern Zweige verlaufen quer zum Cardo der entsprechenden Maxillen; mit ihren vordem Zweigen verbinden sich beide Hauptstränge in der Kopfmitte miteinander. Der Hals, welcher, wie bereits erwähnt, von der ventralen Fläche der hintern Partie des Kopfes ausgeht (IIs, Fig. 1, Taf. 4), hat das Aussehen eines breiten Bandes. {Hs, Fig. 1—3, Taf. 3), dessen Oberlläche mit einer äußerst dünnen Cuticula bedeckt ist und schwach gerunzelt erscheint. 126 Alexander Schepotieff, Thorax. Von den 3 Thoracalsegmenten ist das erstere kleiner als die 2 homonomen übrigen {Ths^—Ths\ Fig. 2, 8 u. 10, Taf. 3; Fig. 14, Taf. 5). Das Sternit des 1. Segments ist länger als breit {Ths^, Fig. 6, Taf. 3), im ganzen fast von gleicher Größe wie die Sternite der übrigen 2 Thoracalsegmente (TÄs-, Ths% Fig. 1, Taf. 3). Das Tergit dagegen ist äußerst klein (Ths^, Fig. 2 u. 3, Taf. 3) und oft von der hintern Partie des Kopfes bedeckt (Fig. 4, Taf. 3). Auf Totalpräparaten ist daher das 1. Segment nur von der ventralen Körperseite gut erkennbar (Fig. 1, Taf. 3). Die Chitinplatten aller Thoracalsegmente sind durch breitere Cuticularzonen voneinander getrennt {Cut^, Fig. 1, 3 u. 6, Taf. 3); sie sind von viereckiger (Ths^, Fig. 5, Taf. 3) oder trapezoidaler Gestalt mit abgerundeten Ecken und alle äußerst dünn. Alle Sternite sind ganz flach {Sf, Fig. 14 u. 15, Taf. 4) und kleiner als die Tergite {Tg), welche im Querschnitt schwach gebogen erscheinen. Die Sternite tragen in ihrer submedianen Partie die Füße (Fs^ — Fs^, Fig. 1 — 3 u. 5, Taf. 3). An den vordem und den hintern Rändern der Chitinplatten, und zwar der ventralen wie auch der dorsalen, sitzen Reihen ziemlich langer Haare. Einen gut zu unterscheidenden Endothorax konnte ich nur im 3. Segment erkennen. Derselbe ist auch auf Totalpräparaten als eine mediane Längslinie erkennbar (Ena, Fig. 5, Taf. 3). Flügelorgane fehlen gänzlich. T h 0 r a c a 1 f ü ß e. Das vordere Fußpaar {Fs^, Fig. 1 — 4, Taf. 3) ist stets nach vorn gerichtet und länger als die beiden andern Paare {Fs-, Fs''). Im übrigen sind alle Paare einander ziemlich gleich. Jedes Bein (Fig. 11 u. 12, Taf. 3) besteht aus der drei- eckigen Coxa (Co, Fig. 4—6, 11 u. 12, Taf. 3), dem kurzen, schmalen Trochanter {Tr, Fig. 11, 12 u. 14), dem schwach abgeplatteten, lang- gestreckten Femur (Fe), der kurzen Tibia (Ti) und dem eingliedrigen Tarsus (Tar; auch Fig. 13, Taf. 3). der mit einem langen Stachel endet (Est, Fig. 13 u. 14, Taf. 3). Alle Beine sind sehr stark behaart (H). Am Tarsus sitzen, zwischen den langen und feinen Haaren (H, Fig. 14, Taf. 3), nahe dem Endstachel (Est), noch besondere kurze, sichelförmige Borsten, die wahrscheinlich Tastorgane darstellen (Tbf). Abdomen (Ab, Fig. 2, Taf. 3; Fig. 10 u. 14, Taf. 5). Das Abdomen besteht aus 12 Segmenten (Ads^ — Ads^'^, Fig. 1, Taf. 3) und tiiägt keine endständigen Anhänge oder Cerci. Seine Länge übertrifft die Hälfte der Gesamtlänge des Körpers. Die ersten 8 Segmente sind sehr breit (Ads'^—Ads^, Fig. 8, Taf. 3; Ads'', Ads^, Stndieu aber niedere lusecten. 127 Fig. 15; Ads''—Äds\ Fig. 13, Tal". 4) und durch ebenfalls breite Cuticularzonen voneinander getrennt {('ntz). Besonder.s groL> sind das 4. — 7. Abdominalsegraent beim \\'eibclien. Die letzten 4 (9. — 12.) Segmente {Ads-'—Ads^'K Fig. 1 u. 15. Taf. 3) sind sein- schmal; ihre Chitinplatten liegen dicht nebeneinander ohne erkennbare Cuticular- zone. Die Gesamtlänge aller dieser letztern Segmente erreicht kaum Vs der Abdoniinallänge und ist beim ^^'eibchen manchmal nicht größer als ein einziges der mittlem Segmente. Man kann demnach diese Segmente als „Endanhang" des Abdomens bezeichnen [Ean, Fig. 2, Taf. 8 ; Fig. 10 u. 14, Taf. 5), im Vergleich mit der übrigen Partie [oder dem „echten Abdomen" (Ah)]. Die Tergite des 1. — 8. Abdominalsegments, also des echten Ab- domens, sind bedeutend größer als die entsprechenden Sternite, dachförmig gebogen und mit ihren Seitenrändern nach der Ventral- fläche des Körpers gerichtet {Ads^ — Ads^, Fig. 13, Taf. 4). Auf Querschnitten erscheinen sie fast halbkreisförmig {Tg, Fig. 3—6, Taf. 5j. Die Sternite sind bedeutend kleiner {St"—St^, Fig. 13, Taf. 4) und fast ganz flach (St, Fig. 3—6, Taf. 5). Im Endanhang sind die Tergite wie auch die Sternite schwach halbkreisförmig gebogen (Fig. 9, Taf. 5), alle fast gleichgroß und liegen hier mit ihren Rändern ziemlich dicht aneinander. Auf den hintern Rändern aller Abdominalplatten sind Reihen von je 8 Borsten vorhanden, deren Aussehen und Länge man leicht aus Fig. 13, Taf. 4 und Fig. 15 u. 16, Taf. 3 (Br) erkennen kann. Das 12. oder Endsegment {Ads^'^, Fig. 16, Taf. 3) besitzt drei- eckige, nach hinten zugespitzte Chitinplatten, an denen zahlreiche lange Borsten in je 3 Querreihen sitzen (Br^ — Br'-^). Auf der Ventralfläche des Abdomens treten auf den Segmenten 1—4 die Abdomin alfiiße auf (Adf^—Adf*, Fig. 1 u. 2, Taf. 3; Fig. 14, Taf. 5). Die Genitalöifnung ist paarig und liegt ventral und seitlich in der Cuticularzone, zwischen dem 8. und 9. Segment (Gp. Fig. 15, Taf 3; Fig. 13, Taf. 4). Abdominalfüße. An den hintern Ecken der Sternite des 1. — 4. Abdominalsegments sitzen besondere, nach hinten gerichtete Anhänge, die an den ersten 3 Segmenten 2gliedrig, am 4. dagegen Igliedrig sind. Die 2gliedrigen Anhänge {Adf—Adp, Fig. 6, Taf. 4) sind ziemlich lang und auf ihrer Ventralfläche durch eine Querfalte in 2 fast gleichlange Glieder getrennt: ein breiteres Basal- glied {Bfjl, Fig. 6—9, Taf. 5) und ein flaches Endglied (Egl). 128 Alexander Schepotieff, Das Basalglied ist dreieckig mit abgerundeten Ecken und konvexem Außenrande. Es ist durch eine feine Längsrinne {LI, Fig. 7 u. 8) vom mittlem Teile des Steruits {St) getrennt und setzt sich nach vorn in eine sich verflachende Ecke fort. Das Basalglied verläuft gewöhnlich schräg zur Ventralfläche des Körpers. Auf seiner Ober- fläche sind nur wenige Borsten vorhanden. Das Endglied ist flach {Egl, Fig. 6) und oval (Fig. 7), mit wenigen langen Haaren besetzt. Die Vorderspitze des Gliedes bildet einen kleinen dorsalen Vor- sprung, auf w^elchem ein langes Haar sitzt {Eh, Fig. 7 — 10). Von der Innenfläche der Sternite der entsprechenden Segmente gehen einige Muskeln in das Innere des Basalgliedes ab, die dort in verschiedener Richtung verlaufen und das Endglied erreichen {M, Fig. 10, Taf. 4). Unter den Elementen der stark entwickelten Hypodermis der Endglieder {Hp) sind einige besondere, sich stärker färbende, wahrscheinlich drüsige, Zellen zu erkennen {Dz, Fig. 7, 9 u. 10). Die Igliedrigen Anhänge des 4. Abdominalsegraents (Fig. 11, Taf. 4 und Adf\ Fig. 1 u. 2, Taf. 3; Fig. 6, Taf. 4; Fig. 14, Taf, 5) sind bedeutend kürzer als die 2gliedrigen und liegen dicht an den hintern Ecken des Sternits. Nach ihrer Basis, die von einer Duplikatur der Cuticula umgeben ist, gehen von der Mitte des Sternits schwach entwickelte Muskelfasern ab. Die ersten 3 Paare von Abdominalfüßen bei Protapteron ent- sprechen demnach im allgemeinen dem 1. Abdominalfußpaar bei Campodea und Acerentomon. Das letzte Paar dagegen kann man mit dem 2. und 3. Paare von Abdominalanhängen bei Acerentomon ver- gleichen. Innere Organisation. • Die innere Organisation von Protapteron "wurde von mir nur in ihren Hauptzügen untersucht. Die fraglichen Seiten der Organi- sation der Thysanuren in bezug auf Protapteron konnte ich, wegen der geringen Dimensionen des Tieres und großer technischer Schwierigkeiten der Untersuchung, leider nicht berücksichtigen. Die Körper wand besteht aus einer sehr dünnen Cuticula und einer gut entwickelten Hypodermis, die aus platten Epithelzellen besteht und deren Grenzen oft deutlich erkennbar sind {Hp, Fig. 2, 3 u. 6, Taf. 5; Fig. 15, Taf 4). Am stärksten ist die Hypodermis im Kopfe {Hp, Fig. 18 u. 19, Taf 3) und in den letzten Abdominal- segmenten entwickelt (Fig. 9, Taf. 5). Stwdieu über niedere Insecten. 229 Der allgemeine Verlauf und Bau der Muskeln bei Frotaptcron {M, dvM und LM der Figg.) entspricht vollständig den Verhält- nissen bei den niedern Apterygoten. Darmkanal. Der Darmkanal (Fig. 14, Taf. 5) verläuft fast geradlinig und zerfällt in eine vordere Partie oder den Ösophagus (Oe), eine mittlere oder den Magen {Mg) und eine hintere oder den eigentlichen Darm {Dk). Speicheldrüsen. In der hintern Kopfpartie liegt 1 Paar besonderer Drüsen, die das Aussehen runder Bläschen haben und sowohl auf Schnitten {Sdr, Fig. 19, Taf. 3) wie manchmal auch auf Totalpräparaten zu erkennen sind {Sdr, Fig. 10, Taf. 8). Ferner erblickt man auf Querschnitten durch die hintere Kopfpartie häufig einen stark gewundenen, von Hypodermis umhüllten, dabei äußerst schmalen Ausführgang dieses Bläschens {Ak^ Fig. 18 u. 19, Taf. 3). Der weitere Verlauf dieses Kanals verliert sich zwischen den Muskeln der vordem Kopfpartie. Diese Drüsen bezeichne ich als Speicheldrüsen, da sie sowohl in ihrem allgemeinen Bau wie auch nach ihrer Lage im ganzen vollständig denjenigen der übrigen Thysanuren entsprechen. Die vordere Partie des Darmes — der Ö s o p h a g u s (Oe, Fig. 10, Taf. 3 ; Fig. 14, Taf. 5) — stellt ein einfaches, im Querschnitt kreis- förmiges Rohr dar (Fig. 15, Taf. 4), welches bis zur Höhe des Ab- domens fast geradlinig verläuft. Im Bereiche der hintern Partie des Thorax bildet der Ösophagus eine schwache Erweiterung {Oe, Fig. 14, Taf. 4), die man vielleicht als Saugmagen bezeichnen kann. Die Dicke der Wände nimmt in dieser Erweiterung etwas zu. Im übrigen Verlaufe des Ösophagus bestehen dessen Wände aus schmalen, platten Epithelzellen mit deutlichen Grenzen. Der Magen liegt im 1. — 4. Abdominalsegment {My. Fig. 14, Taf. 5) in Gestalt eines ziemlich breiten, dünnwandigen Sackes (Fig. 1, Taf. 5). Die Wände des Magens, die in seiner hintern Partie etwas dicker sind als in der vordem {Mg, Fig. 2, Taf. 5), bestehen aus kleinen kubischen Epithelzellen mit großen Kernen und sehr deutlichen Zellgrenzen. Der eigentliche Darm stellt ein sehr schmales Rohr dar. In seiner vordem Partie, die man als Mitteldarm bezeichnen kann, besteht seine Wand aus wenigen (3—4) großen und im Querschnitt oft dreieckigen Zellen {Md, Fig. 3—7, Taf. 5). Die hintere Partie (unterhalb der Genitalporen) oder der Enddarm {Ed, Fig. 9, Taf. 5) 2^30 Alexander Schepotieff, hat dünne Wände aus niedrigen, flachen Epithelzellen mit undeut- lichen Grenzen. Zwischen Mitteldarm und Magen (im 4. Abdomiualsegment) liegen 6 MALPiGHi'sche Gefäße {Mpg^—Mpg'', Fig. 3 u. 14, Taf. 5), die nach vorn gerichtet sind und den Darmkanal kreisförmig umhüllen (Md). Sie erscheinen als sehr kurze, papillenähnliche Auswüchse der Darmwandung. Der After liegt terminal zwischen beiden Platten des letzten Segments (A, Fig. 14, Taf. 5; Fig. 15, Taf 3j. Nervensystem. Das Nervensystem (Fig. 17, Taf. 3; Fig. 10, Taf. 5) besteht aus einem Cerebral- und einem untern Schlund- ganglion sowie einer Bauchkette von 3 thoracalen und 7 (8) ab- dominalen Ganglien. Das Cerebralganglion {Cgi, Fig. 10, Taf. 3; Fig. 14, Taf. 5) ist groß, liegt quer in der mittlem Partie des Kopfes und gibt kurze Lappen nach vorn und nach hinten ab. Seine dorsale Fläche liegt der Kopfhypodermis dicht au. Von seinen beiden Seiten verlaufen kurze Commissuren nach dem Unterschlundganglion (Ugl, Fig. 17, Taf. 3; Fig. 14, Taf 5), welches in der hintern Kopf- partie der Hypodermis anliegt und nach vorn 3 kurze Lappen aus- sendet. Eine mediane Längsnaht ist auf Querschnitten deutlich in beiden Ganglien zu erkennen. Alle Ganglien der B a u c h kette (Fig. 17, Taf. 3 u. Fig. 14, Taf. 5 ^)) sind doppelt vorhanden (z. ß. Thgl^, Fig. 14, Taf. 4; AgI u. Agl\ Fig. 12, Taf. 4) und durch doppelte, gut erkennbare Längscommis- suren untereinander verbunden {LJi\ Lk"^; Fig. 17, Taf. 3; Fig 12, Taf. 4; Fig. 1, 3 u. 10, Taf. 5). Nur die 2 letzten Ganglien im 7. und 8. Abdominalsegment sind durch eine breite, aber dünne Nerven- schicht miteinander verbunden {Agl, \ AgI, ^ Fig. 13, Taf. 4). Diese beiden Ganglien sind demnach gewissermaßen miteinander verschmolzen, so daß die Zahl der Bauchganglien auch nur 7 betragen kann. Alle übrigen Ganglien sind gleichgroß und stehen in engem Zusammen- hang mit der Hypodermis. Von dem letzten Ganglion gehen 2 Längs- stämme ins 9. — 12. Abdominalsegment ab {Ln, Fig. 10, Taf 5). Spezielle Sinnesorgane wurden nicht gefunden. T r a c h e e n s y s t e m. Man kann auf der dünnen Cuticula deutlich 2 Paar einfacher Stigmen an beiden Körperseiten im 2. und 3. 1) T/igl^—Thgl'\ Fig. 17, Taf. 3; riigl% Fig. 14, Taf . 4 ; rhql^—ThijP, Agl^—Agl^, Fig. 10 u. 14, Taf. 5, sowie Agl\ Fig. 2, ÄglK Fig. 4 u. AgP, Fig. 6, Taf. 5. Studien über niedere Insecteu. 131 Thoracalseo-ment erkennen (Sfg\ Sf(f\ F\^. 3—6, Taf. 3). Da die Tiere lebend von mir nicht beobachtet worden sind, konnte ich das Tracheensystem aucli nicht genauer studieren. Untersuchungen von macerierten Exemplaren, von Totalpi-;i])aiaten usw. luil)en gezeigt, daß die Tracheen einerseits nicht miteinander kommunizieren, andrerseits einfache Röhrchen ohne Spiralfaden darstellen (ähnlich wie bei Campodca). Es sind also bei Protapteron mindestens 4 von- einandei- unabhängige Teile des Tracheensystems vorhanden. Ein so einfacher Bau des Tracheensystems läßt sich leicht durch die schwache Entwicklung des Chitinpanzers erklären. Neben der Tracheenatmung findet hier sicher noch eine Hautatmung statt. ^Yie das Tracheens3'stem, so konnte auch das Gefäßsystem nicht genau untersucht werden. Auf Querschnitten kann mau in der mittlem Partie des Abdomens ein medianes Dorsalgefäß sehr deutlich erkennen (Dg, Fig. 4, 6, 8 u. 14, Taf. 5). Sein weiterer Verlauf sowie die Zahl der Ostien konnten nicht festgestellt werden. Fettkörper. Der Fettkörper erreicht seine stärkste Ent- wicklung im Thorax und in der vordersten Partie des Abdomens. Im Kopfe und in der hintern Partie des Abdomens konnte ich keine Spuren desselben auffinden. Im Thorax stellt der Fettkörper einen breiten Strang dar, der sich nach vorn allmählich verschmälert und im Halsteile endet (Fk, Fig. 10, Taf. 3). Im 1. Thoracalseg- ment bedeckt er den Ösophagus von oben her, in den übrigen Thoracalsegmenten umhüllt er denselben kreisförmig fast allseitig und bildet zwischen den dorsoventralen Muskeln seitliche Lappen {FJd, Fig. 15, Taf. 4). Nach hinten zu setzt er sich in das Abdomen als eine breite Masse fort, die zwischen Ösophagus und Nerven- kette liegt. Im Abdomen liegt der Fettkörper in Gestalt von zwei länglichen Massen beiderseits vom Darmkanal angeordnet (Fk^, Fk-, Fig. 1—3, Taf. 5); außerdem finden sich noch 2 schmälere Stränge zwischen den dorsoventralen Muskeln oder den Gonaden und den Körperseiten, welche näher der Dorsalfläche liegen {Fkl, Fig. 2, Taf. 5). Die thoracale Partie des Fettkörpers färbt sich viel in- tensiver als die im Abdomen liegenden Abschnitte, da in derselben neben Fettröpfchen auch noch zahlreiche eosinophile Körnchen ein- geschlossen sind. Auf Schnitten hat der Fettkörper überall das gewöhnliche Aussehen eines protoplasmatischen Netzwerkes, einer Art Sj'ucytium, innerhalb dessen kleine Kerne zerstreut angeordnet liegen. Geschlechtsorgane. Die Gonaden, sowohl die weiblichen als auch die männlichen, sind paarig und stellen je einen länglichen 132 Alexander Schepotieff, Schlauch dar, welcher distalwärts allmählich schmäler wird. Bei den Männchen sind die Gonaden relativ kurz und reichen nach vorn nur bis zur Mitte des Abdomens (d. h. etwa bis zur Höhe des 5. Segments; Hd, Fig. 13, Taf. 5); bei den Weibchen dagegen sind sie viel länger und reichen bis zum Thorax {Oi\ Fig. 11). Die Genitalötfnungen sind, wie bereits erwähnt, paarig, ziemlich klein und liegen ventral in der Cuticularzone zwischen dem 8. und 9. Ab- dominalsegment an den Seiten des Körpers {Gp, Fig. 15, Taf. 3; Fig. 13, Taf. 4; Fig. 11, 13 u. 14, Taf. 5). Besondere Copulations- organe oder Borsten wurden nicht gefunden. In reifen Exemplaren liegen die Genitalschläuche unterhalb des Darmkanals, der entweder durch dieselben stark abgeplattet ist oder dorsalwärts zwischen den beiden einander berührenden Gonaden und dem Dorsalgefäß liegt {Md, Ov oder Ovd, Fig. 5 u. 8, Taf. 5). a) Männliche Geschlechtsorgane. Bei den Männchen (Fig. 13, Taf. 5) stellt jeder Schlauch ein kurzes Rohr dar, welches in eine längliclie distale Partie — den eigentlichen H o d en {Hd) — und eine proximale Partie zerfällt, an welcher man das Vas de- ferens (vd) und den Ductus ejaculatorius (de) unterscheiden kann. Eine seitliche Erweiterung der proximalen Partie, die nach vorn gerichtet ist, bildet die Vesicula seminalis (vs). Beide Hoden bestehen aus je einem Zellenstrang (Hd, Fig. 4 u. 6, Taf. 5) mit einer Hülle aus platten Epithelzellen. Die Zellen des Stranges verwandeln sich in die länglichen, sehr kleinen Sper- matozoen, welche sich hier im Vas deferens ansammeln. Das Vas deferens ist ein schmales Rohr, dessen AVände aus großen Epithel- zellen mit deutlichen Kernen besteht. Der Ductus ejaculatorius ist ein breiteres Rohr aus platten Epithelzellen, welches von einer dünnen Cuticula ausgekleidet ist. b) Weibliche Geschlechtsorgane (Fig. 11, Taf. 5). Das eigentliche Ovarium {Ov), welches mit einer dünnen Membran versehen ist {Ovh, Fig. 7 u. 12), besteht aus einer Reihe Eizellen {E, Fig. 13, Taf. 4; Fig. 11, 12 u. 7, Taf. 5), zwischen welchen Dotterzellen (?) mit undeutlichen Grenzen liegen {I)U, Fig. 11 u. 12, Taf. 5). Die größern und reifern Eier liegen in der breiten caudalen Partie des Ovariums. Die rostrale, schmälere Partie, welche in der vordem Hälfte des Abdomens liegt, besteht aus kleinern, länglichen Zellen. Jedes Ovarium setzt sich in ein kurzes, schwach gebogenes Rohr (Oviduct; Ovd, Fig. 13, Taf. 4; Fig. 8 u. 11, Taf. 5) fort, das aus platten Epithelzellen besteht. In der Studien über niedere Insecten. 133 Höhe des 7. Segments bildet jeder Oviduct eine seitliche Erweite- rung: (Erw, Fig. 13, Taf. 4), die in zwei Taschen ausläuft: eine längere, vordere (wahrscheinlich die Bursa copulatrix, ha) und eine breite, hintere — das Receptaculum seminis (rs). Allgemeines. Wie aus dieser kurzen Beschreibung der äußern Körperfoi-m sowie der innern Organisation von Protnpieron hervorgeht, ist dieses Insect durch folgende ]\[erkmale charakterisiert: 1. Körper spindelförmig; er zerfällt in den Kopf mit kurzen fadenförmigen Antennen und 15 Segmente (3 thoracale, 12 abdomi- nale) mit äußerst schwacher Entwicklung des Chitinpanzers. Eine scharfe Trennung in Thorax und Abdomen ist nicht vorhanden. Die letzten 4 Segmente (9.— 12. Abdominalsegment) sind klein und schmal. 2. Am 1.— 4. Abdominalsegment sind je 1 Paar Abdomiual- füße vorhanden, von welchen die 3 vordem 2gliedrig sind. 3. Flügel, Cerci und besondere Copulationsanhänge fehlen. 4. Mundteile entognath, saugend. 5. 6 MALPiGHi'sche Gefäße. Darmkanal geradlinig mit 1 Paar Speicheldrüsen. 6. Tracheensystem ohne Anastomosen und Spiralfaden. Zahl der beobachteten Stigmen 2. 7. Das Nervensystem besteht aus dem Cerebral- und untern Schlundganglion und einer Bauchkette aus 11 Ganglien mit doppelten Längscommissuren. Die 2 letzten Ganglien sind halb miteinander verschmolzen. 8. Genitalporen paarig. Hoden und Ovarien einfache, mitein- ander nicht anastomosierende Schläuche. Nach allen diesen Merkmalen gehört Profapteron zweifellos zu den Apterygoten, und zwar zu den primitivsten Thj'sanuren. Für eine solche Annahme spricht die schwache Entwicklung des Chitin- panzers, die große Zahl von Segmenten, die paarigen Genitalporen, besonders aber das Vorhandensein von 4 Paaren von Abdominal- füßen. Von allen bis jetzt bekannten Thysanuren steht Profapteron einerseits Acerentomon, andrerseits Campodca am nächsten. Als Merkmale, die sowohl Profapteron als auch Acerentomon zu- kommen, kann man bezeichnen: die gesamte äußere Körperform (Absonderung des Kopfes, Bau der Beine, schwache Teilung in Thorax und Abdomen, Behaarung usw\); Bau der Mundteile 134 Alexander Schepotieff, nach demselben Typus; Vorhandensein von 3 Paaren Abdominal- füßen ; Fehlen der Cerci. Die Hauptunterschiede zwischen Protapteron und Acerentomon sind: in erster Linie das Vorhandensein von An- tennen \>Q\ Protapteron, die bei ^cerewi^omow fehlen; ferner das Fehlen eines Copulationsapparats bei dem erstem, welcher bei Acerentomon gut entwickelt ist. Außerdem besitzt Protapteron paarige Genitalporen und eine größere Zahl von Abdominalfüßen als Acerentomon. Nach Acerentomon zeigt Protapteron mit Campodea die größte Ähnlichkeit, wie in den allgemeinen Zügen der Innern Organisation so auch in dem Vorhandensein von Abdominalfüßen, obw^ohl Cam- podea zweifellos auf einer höhern Entwicklungsstufe steht als Prot- apteron. Als Hauptunterschiede in der Innern Organisation kann man die Lage der Gonaden unterhalb des Darmkanals und die schwächere Entwicklung des Fettkörpers bei Protapteron erwähnen. Alle diese Unterschiede sind jedoch nicht wichtig genug, um die erwähnten 3 Formen — Protapteron, Acerentomon und Campodea — im System voneinander zu trennen. Sie bilden eine besondere, primitivste Gruppe der Thysauuren, die als Prothysanura bezeichnet werden kann, im Gegensatz zu den Bicellura Handl. {Japygidae, Projapygidae) und den höher stehenden oder echten Thysanuren {Euthysanura mihi). Von den Prothysanuren ist Campodea die am höchsten entwickelte Form. Die ganze Gruppe der Thysanuren kann mau also folgender- weise darstellen: Thysanura Prothysanura Bicellura Euthysanura Protapteron Acerentomon Campodea Japygidae Projapygidae Macliiloidea Gastrotlieoidea Lepismatidae Die von Silvestei begründete Gruppe der „Protura" der Apterygoten kann meiner Ansicht nach nur dann angenommen w^erden, wenn das vollständige Fehlen von Antennen bei Acerentomon bewiesen sein wird, und zwar sowohl bei den erwachsenen Exem- plaren wie auch bei Embryonen, ferner wenn wir die innere Anatomie dieser Form besser kennen lernen werden. Jedenfalls weist das Fehlen von Antennen und die geringere Zahl von gegliederten Studien über niedere Insecten. 135 Abdominalfüßen bei dem SiLVESTRi'schen Acerentomon nicht darauf liiii. daß wir es hier nicht mit einer Urform der Thysanuren zu tun liaben. Als die niederste Form der Prothj'sanuren und als Ausgangs- form aller bis jetzt bekannten Apterj^goten überhaupt kann man nur Protapferon betrachten. Nach allen oben angeführten Haupt- eigentümlichkeiten in seiner Organisation kann Froiapteron auch mit den Myriopoden, speziell mit Scolopendrella, verglichen werden. Wenn wir die Apterygota als Ahnen der höhern Insecten betrachten, so wird Protapferon in der Reihe der Übergangsformen zwischen den MjTiopoden und den Insecten ein neues Zwischenglied darstellen, welches dem Urtypus der Insecten am nächsten steht. St. Petersburg, im Januar 1909. 136 Alexander Schepotiepf Erklärimsr der Abbildunsen. Allgemeine Bezeichnungen. A After Ab Abdomen Adf Abdominalfuß Ads Abdominalsegment Agl Ganglion der Bauchkette Ak Ausführungskanal der Speichel- drüsen An Antennen Aiifjl Antennenglieder B Borste bc Bursa copulatrix Bgl Basalglied Br Borstenreihe Ca Garde Cgi Gerebralganglion Co Goxa Cut Guticula Cutz Guticularzone de Ductus ejaculatorius dFl Dorsalfläche Dg Dorsalgefäß Dk Darmkanal Dtz Dotterzellen dv]\[ dorsoventrale Muskeln Dz Drüsenzellen E Eizelle Ean Endanhang des Abdomens Ed Enddarm Egl Endglied Eh Endhaar End Endothorax Ena Erweiterung Est Endstachel Fe Femur Fk Fettkörper Fkl Fettkörperlappen Fs^-Fs'^ Thoracalfüße Gp Genitalporus H Haar JiAb hintere Partie des Abdomens Hd Hoden Hk Haarkreis IIp Hypodermis liP hintere Partie Hs Hals iE innere Einschlüsse Kf Kopf Lk Längscommissur LI Längslinie LM Längsmuskulatur L)i Längsnerv Lob Maxillarlobus 31 Muskel Man Mandibel Max Maxille 3Id Mitteldarm Mf Mundöffnung Mg Magen Studien über niedere lusecten. 137 Mh Mundhöhle Mpg MALPiGHi'sche Gefäße Oe Ösophagus Ov Ovarium Ovd Oviduct Olli Ovarialhülle Ql Querlinie rs Receptaculum seminis Sdr Speicheldrüse St Sternit Stg Stigma Ta Taster Tar Tarsus Tht Tastborste Ten Tentorium T;i Tergit Tlh"^ Thoracalsegment Ti Tibia 7V Trochanter l 'gl Unterschlundgangliou Ul Unterlippe vd Vas deferens vFl Ventralfläche VM ventrale Längsmuskel vs Vesicula serainalis Z Zahn Zs Zellenschicht Zx Zwischenzone Tafel 3. Fig. 1. Protaptcron indicum. Weibchen von der ventralen Körper- seite gesehen. 135 : 1. Fig. 2. Profapteron indicum. Männchen, von der linken Körperseite gesehen. 135 : 1. Fig. 3. Vordere Körperpartie von P/-o/a;;ie snperantia, alis distincte breviora, sat angusta, marginibus subjyarallelis, latiiudineni maximam circitcr 9,5 mm atiingentia, apice rotundata, fere hyaliiia, levissime testaceo iineia, vcnis vemdisque testaceis vel testaceo fen-ugineis ; venae jJrineipales testnceae, venae secundariae et praesertim venidae ferrugineae. Älae sat amplae, hyalinae, leviter roseo tinctae, parte antica apicem versus et apice elyiris similibus, caeterinn maxima parte venis pallide testaceis, venidis pallidissimis. Pedes p)ollide testacei, sub lente longe sed piarum conferte pilosi. Apex summus femoriim et ima basis tibiarum (ideoque genicida) distindissime nigra, hoc coloix in $ magis obscuro et leviter minus angusto ; color niger gemudis in tibiis anticis ^ anterius continuatur, valde dilutiis, jncescens, ante apicem et ad latera evaneseens; apex extremus haruni tibiarum in S rursus leviter piceus ; color niger genualis in tibiis intermediis et posticis magis nitidus, abrupte terminatus ; in tibiis posticis color testaceiis colorem nigrum genualem sequens in p)arte basali superne rursus nigro macidatus, macula subquadrata; in tibiis intermediis macula simdis adest sed cum colore nigro genuali coniunda, vittam unicam genualem efficiens. Tibiae anticae et intermediae subtus utrinque sjnnis elongatis 3 fuscis, summo apice pallidis, p-aeditae, exceptis spinis apicalibus parvis pallidioribus. Femoi'a j)ostica basi modice dilatata^ ad apicem attenuata, 2)arte attenuata modice longa et modice exili, subtus in utroque margine apicem versus S2}inulis nigris circiier 7, basi haud nigro circumdalis, armaia. Tibiae 150 AcHiLLE Griffini, posticae siiperne j)Ost hasim planiusculae, et in läroque margine spinis 6 nigerrimis et hasi disiincte atque deßnite nigerrimo circiimdaiis, instrudae, necnon spinis apicalibus solitis fuscis apice nigris, p)raeditae. Abdomen testaceum, segmentis dorsalibus in utroque latere inferius piceo dilute unimacidatis, segmentis ventraltbus omnihus hasi late piceo himaculaiis. Segmentum dorsale ultimum $ cotivexum, posteriiis leviter deairvum, apice lobulum brevem rostriformem inferius versum, superius concavum, suhacutum sed haud aeuminatum, gerens. Cerci longi, subtiles, longe pilosi. Lamina subgenitalis transversa, lateribus et apice utrinque crassa, in lateribus apicis stylis sat longis, rectis, subconicis, praedita, quoruni basis in tume- scentiis duabus apicalibus laminae est inscrta; postice in medio haec lamina lobum rectum retrorsum versum, dimidiam stylorum longitudinem attingentem. , stylis niinime latiorem , totuni suhaeque angustum , apice roiundaium, praebet. Segmenta dorsalia idtima $ solito modo brevia. Ovipositor longus^ rectissimus, angustus, apice acuminatus, testaceo-ferrugineus nitidus, Lamina subgenitalis 5 sat ampla, apice rotundata, lateribus externis ante apicem sinuatis. Ho dedicata questa rimarchevole specie al prof. cav. R. Gesteo, chiaro zoologo, vicedirettore del Civico Museo di Geiiova, che gentil- mente ha messo a mia disposizione, per questi studi, il ricco materiale scientifico e la biblioteca del Museo. Gryllacris purarica n. sp, (J. Gryllacridi gestri n. sp. similis et valde proxima ; ab ea differt praecipue elytris majoribus, jit'onoto late piceo bivittato, geniculis tantum picescentibus, tibiis posticis supra post hasim picescentem haud maculatis, spinis nigricantibus sed hasi haud nigro circumdatis, segmento abdominali dorsali ultimo apice haud rostrato, lamina subgenitali apiee lobulum hrevioreni et latiorem, depressimi, in medio constrictum, effwiente. Corpore colore leviter fusciore: capite maculis ocellaribus nullis, sutura inter fastigia haud nigrata, antennis totis testaceo-ferrugineis. Longitudo corporis 29,5 mm Longitudo pronoti 6 Longitudo elytrorum 37 Longitudo femorum anticorum 9,4 Longitudo femorum posticorum 17,4 II sottogenere Papuogryllacris. 151 Habitat: Apud flumen Purari, in Nova Guinea. Ttjpus: 1 c? (Musaci Civiei Hist. Xatur. Januens-isJ a TJrc L. Loria, anno 1894, coUechis. Color corporis fernig i)ieiis. Caput ni in specie praecedente, magis elonyatum, occipite et vertice eodem modo confedis, maculis ocellarihus tantum sub lentc distinguetidis sed cum rcliquo cajnte concoloribtts vel leviier fuscioribus. Labrum maxima parte piceum, excepto in media ubi vertica- liter ferruginenm ; mandibidae apice piceae; palpi testaceo-ferrnginei, partim dilutissime piceo tincti. Antennae unicolores, testaceo-feirugineae, primis articulis cum reliqiiis concoloribus ; scrobes antennarum subtus et intus ut in Gr. gestri siibtiliter piceo limbati, his limbis unguium rectum sub antenna efficientibus, vertice leviter dilatato, macidiforme. Pronotum circiter ut in Gr. gestri confectum, lobis hteralibus eodem modo jJrtn«?i adpressis ; sulco antico melius expresso ; lobis lateralibus distinctius postice quam antice altiores, margine infero oblique, angidis rotundatis , sinu humerali leviter expresso^ sidco late V-formi 77iagis jyros fimdo. Color pronoti feirugineo-testaceus, margine antico dorsi (excepto breviter in mcdio) et margine piostico subtiliter dilute picescentibus, necnon vittis latis duabus lateralibus supra deflexionem loborum sitis et parum in lobos descendentibus, piceis, praeditus ; vittae hae irreguläres, parum jiost marginem anticum Orientes et subito dilatatae, sulcum V-formem replentes, postice attenuatae, marginem piosticum attingentes. Spatium vitiaeforme dorsale latum testaceo-ferrugineum inter has viitas situm, usque post medium gradaiini angustatum^ denique rapide dilatatum. Elytra longa et lata, apicem versus leviter dilatata, latiiudinem maximam 12 mm attingentia, margine postico late rotundato, apice rotundata, sub- hyalina, leviter testaceo tincta, venis venulisque omnibus testaceo-feirugineis. Akte longae, modice amplae, hyalinae, leviter roseo tinciae, anterius ad apicem ehjtris similes^ caeterum, maxima jjarte venis venulisque pallide testaceis. Pedes tesiaceo-ferrugineif apice femorum et basi tibiarum (ideoque geniculis) piceo tinctis. Sjnnae tibiarum 4 anticarum ut in Gr. gestri utrinque 3 longae, sed cum tihiis concolores. Femora postica ut in Gr. gestri confecta^ subtus tdrinque usque ad 12-spinidosa, spinis subapicalibus maioribusj tantum apice nigratis. Tibiae posticae supra utrinque spimdis 6 basi testaceis, apice nigratisj praeditae. Abdomen ferrugineum, macidis speeiei praccedentis haud expressis. Segmentum dorsale ultimum $ convexum, posterius dccurvum, apice sub- truncatum, in medio leviter emarginatum^ lateribus emarginationis leviter ^52 AcHiLLE Griffini, rotundatis. Lamina subgenüalis etiam transversa, stylis longiusculis, suh- conicis, eodeni modo in tumeseentiis lateralibus orientihus^ in medio lohuin rectum latiusculum et brevem, pla7ium depressum, laterihus sinuatis quia in medio constrictuni, apice transverswn, dilatatum, angulis rotundatis, gerens. Gryllacvis diluta n. sp. (?> ?• Gryllacridi puraricae n. sp. valde proxima et similis ; ab ea differt praeciptie: statura leviter nmiore, elytris multo minus longis et ininus latis, venis ventdisque concoloribus iestaceis vel 2)cillidioribus ; geniculis con- coloribiis , nee nigris neque distinde pieescentihus ; j^fonoto subunicolore tesiaceo , nee nigro neqiie piceo limbato, viiiis 2nceis subnuUis vel nullis ; capite maculis ocellaribus sat distinctis, fronte j^undis 2 nigris et basi clypei etiam pundis 2 nigris ornata. S ? Longitudo corporis 25—28,5 mm 28 mm Longitudo p)ronoti 6—6,5 6,5—7 Longitudo elytrorum 29—32,6 29,4—30,7 Longitudo femorum anticorum 9—9,4 9,5—10 Longitudo femorum posticorum 16,5—17 17,3—17,5 Longitudo ovipositoris — 23,6 Habitat : Nova Guinea. Typi: 2 $ (coUedionis meae) D. Bang-Haas acquisiti , indicationem : ^, Deutsch N. Guinea" gerentes. 2 5 {R. Miisaei Zoologici BcroUnensis) , quarum una indicationem: „iV. Guinea, Fruhstorfer''^ , altera indicationem: „N. Guinea, Müller''^, gerens. Color corporis fernig inco-testaceus. Caput ut in Gr. gestri. Fastigium verticis anterius minus convexum, lateribus ttimididis. Vertex infuscatus , interdum nigratus , occiput magis dilute infuscatum; in (J interdum etiam pars supera genarum leviter in- fuseata ; maculae ocellares fastigii verticis angustae, elongatae, pallidae, sat distindae sed haud bene limitatae; macida frontalis modice distincta vel subindistincta. Sutura inter fastigia capitis haud nigrata vel tantuni utrinque punctulo nigro ornata. Scrobes antennarutn intus et subtiis (subtus subtilius et interdum brevius vel indistinde) nigro limbati, his limbis angulum rectum sub utraque antenna efficientibus , verticibus leviter dilatatis at in I! sottogenere Papnogryllacris. 153 viltas hrcres piceas in mcdio froniis perdudis ; caeienim frons testacea, punctis dnohiis iiigris rel nigricaniihus, pams sed distinctis, inter se valde reinotis, inferiiis ^^raerfito. Suh utroque oculo niacula fusca viitaeforme inferiiis plus miniisve inceric producta adest. C/ijpeus basi in medio utrinque puncto parva nigricantc pracditiis ; his 2 punctis bene distinctis. Labrnni interdum infuscatum , interdiim tantuni partim et incerte, interdum cum reliquo capite tcstaceuni. Palpi testacei unicolorcs; antennac ferriigineae unicolorcs, rare articiilo prinio extus leviter fusco maciilato. Pronotiim circiter iit in Ch\ gestri confectum, sensim longius quam latiuSf lobis lateral ibus postice minime altioribns. Color pronoti ferrugineO' testaceuSf marginibus concoloribus. Vittac piceae Gr. piiraricae nullae rel incertissimc dcUneatac, subnullae , interruptae , confusae, nebulis tantuni plurimis indefinitis, diluiis, confectae, Ehjtra abdomen et femora p)ostica optime superantia, sed quam in specie praecedente viinus evoluta, sat lata tarnen, latitudinem 10,5 mm attingentia , testacea pallida , venis vemdisque testaceis concoloribus vel paUidioribiis. Alae ut in specie praecedente. Pedes testacei, genieulis nee nigris neque piceis. Tibiae 2^ost basim paUidac et deinde superne annido fusco plus minusve inconspicuo {interdum omnino nullo) ornatae. Spinae tibiarum 4 anticarum iit in specie piü~arica cum tibiis concolores , testaccae. Femora postica eodem modo confecta, subtus utrinque circiter 9 — 12 spinulosa, spiniilis tantum apicc nigratis, in margine interno jütis quam in externo saepe numerosis. Tibiae posticae superne extus spinis 7 {raro 6) infus spinis 6 armatae , his spinis basi testaceis, tantum ajnce infiiscatis. Abdomen feirugineum, macidis ventralibus in $ sat distinctis. Geni- talia S ut in Gr. purarica Qiaud ut in Gr. gestri). üvipositor $ rectissimus, longiis, ferriigineus, nitidus, totus subaeque angustus, apice acuminatus. Lamina sitbgenitalis $ sat ampla, rotundata, fere semicircularis, apice levissime emarginato. Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. U 154 AcHXLLE Gbiffini, II sottogßuere Papnogryllacris. Nota. Duraute la publicazione di questo lavoro ho ricevuto in com- municazione niiovi Grillacridi da vari Musei. Nelle collezioni del Museo di Budapest ho trovato alcune nuove PapuognjUacris le cui descrizioni sarauno pubblicate neg*li Annali del Museo Nazionale di Budapest. Nachdruck verboten. Vbersetzxingsrecht vorbehalten. Versuch einer Analyse des Instinkts nach objektiver vergleichender und experimenteller Methode.') Von ßomiiald Minkiewicz. Mit 1 Abbildung im Text. I. Allgemeiner kritisch -methodologischer Teil. Die Frage des Instinkts und die sogenannten objektiven Kriterien des „Psychischen" und „Bewußten" hei niedern Tieren. „Ich will keine Erklärung für alles suchen ; ich weiß, daß die Erklärung für alle Dinge ebenso wie der Anfang aller Dinge im Unendlichen liegen muß. Aber ich will zu verstehen suchen, daß ich dazu gelange ; ich will, daß alles, was nicht auszudrücken ist, auch so bleibt, nicht weil die Forderungen meines Geistes unberechtigte sind , sondern weil ich die Grenzen meines Geistes sehe." L. Tolstoi, Meine Beichte. Es ist die Pflicht eines jeden Forschers, der sich an die Er- klärung eines bedeutenderen wissenschaftlichen Problems heranwagt, seinen prinzipiellen Standpunkt in bezug auf den Gegenstand möglichst klar und deutlich zu präzisieren. Es ist dies eine Pflicht nicht allein gegen den Leser, dem man dadurch so manches Miß- verständnis erspart und die richtige Beurteilung der dargebotenen neuen Tatsachen wesentlich erleichtert, sondern auch — und zwar hauptsächlich — gegen das Problem selbst, um etwaige ^\ldersprüche und Abweichungen zu vermeiden. 1) Übersetzt von EoSA NusSENBLATT aus dem polnischen Original- manuskript der in „Przeglad Filozoficzny" (^ Philosophische Revue) in Warschau publizierten Arbeit (Vol. 10—11, 1907—1908). 11* 256 ROMUALD MiNKIEWICZ, Diese Pflicht wird zu einer kategorisclien Notwendig-keit, wenn das betreifende Problem derart bescliaifen ist, daß es gleichzeitig tief in mehrere wissenschaftliche Gebiete hineingreift und daß seine Lösung selbst in erheblichem Maße von dem subjektiven Standpunkte des Bearbeiters abhängen muß. Zu derartigen Problemen gehört nun gerade das Instinkt- problem, welches gleichzeitig in das Gebiet der Physiologie (oder allgemeiner: Biologie), Psychologie und der Erkenntnis- theorie hinüberleitet. Über die Wichtigkeit des Gesagten belehrt uns das Beispiel eines Forschers vom Range eines Metschnikoff, der in seinen be- kannten „Studien über die menschliche Natur" ^) zur Annahme eines „Todestriebes", einer völlig überflüssigen, jeder Begründung entbehrenden, vom biologischen Standpunkte sogar unzulässigen An- nahme gelangt. In meiner Kritik der Ansichten Metschnikoff's ^) war ich ge- zwungen, mich auf die fast allgemein angenommene Deflnitionen des Instinkts zu stützen, erstens deshalb, weil es mir, als Verfasser, nur auf diese Weise möglich war, alle Kraft der Kritik gegen die Kon- struktionen Metschnikoff's zu richten, zweitens weil ich sonst eine ganze Abhandlung über jenes Thema geschrieben haben müßte, was damals völlig außerhalb meiner Absicht lag. Endlich verfügte ich zu jener Zeit nicht über eigne Forschungen und neue Tat- sachen, die zur Begründung abweichender Anschauungen unent- behrlich sind. Eben damals beschloß ich solche Tatsachen zu suchen. Heute, da ich ihrer eine bedeutende Anzahl auf Grund zahl- reicher eigner Experimente gewonnen habe, schwand für mich die Notwendigkeit, mich an die allgemein geteilten Ansichten zu halten, deren wesentlichen Inhalt ich folgendermaßen zusammengefaßt habe^): „Als Instinkt bezeichnet man eine gewisse niedere Form unbewußter, nichtsdestoweniger zweckmäßig sich entwickelnder psychischer Tätigkeit, Nach den 1) Elie Metschnikoff , Etudes sur la nature humaine. Essai de Philosophie optimiste. Paris 1903 (Masson) (Polnische Übers, Warschau 1905). 2) R. MiNKIEWICZ , 0 dysharmoniach w oaturze ludzkiej , o smierci iiaturalnej i o t, zw. instynkcie smierci. (Über Disharmonien in der menschlichen Natur, über den natürlichen Tod und den sog. Todestrieb.) Kritische Anmerkungen. Warschau 1905. 3) 1. c, p, 38. Versuch einer Analyse des Instinkts. 157 modernen wissenschaftlichen Anschauungen entsteht der Instinkt in zweifacher Weise: entweder phylogenetisch, auf dem Wege einer langdauernden Kntwicklung einer stufenweisen und immer genaueren Anpassung an gewisse, für das Leben des Individuums und der Gattung notwendige Funktionen; dies ist die BeschaÜ'enlieit der Mehrheit der Instinkte. Oder der Instinkt unterscheidet sich nicht viel von der Gewohnheit, und dann entsteht er infolge Automatisierung gewisser vorher bewußt verrichteter Akte, wenn das Bewußtsein später verloren ging." Die Stellung verschiedener Forscher zu diesen beiden, ursprüng- lich von Darwin ^) ausgesprochenen Entwicklungsmüglichkeiten ist verschieden. Die Einen, wie Haeckel, Lloyd Mohgan, akzeptieren beide, Andere — u. zw. die Mehrheit — bloß die erste, selektioni- stische Theorie (Weismaxn, Zieglee, Bethe, Forel, W. Wagner usw.) ; wieder andere endlich, wie Wündt, Romanes, Preyer, Pouchet, Lewes, lassen ausschließlich die zweite Eventualität der erworbnen Automatismen gelten. Es ist nicht meine Absicht, mich hier unmittelbar mit dieser Frage zu beschäftigen. Hingegen werde ich mich bei der oben angeführten Definition des Instinkts aufhalten, um bei der Analyse der darin enthaltenen Behauptungen meinen eignen Standpunkt in dieser Hinsicht zu entwickeln und zu begründen. Um diese Prüfung zu erleiclitern und zu zeigen, daß es sich hier nicht etwa um einen Kampf gegen Windmühlen nach Art Don-Quichote's, sondern mit wirklichen, in der Wissenschaft lebenden Ansichten handelt, werde ich mich statt der oben angeführten ab- gekürzten summarischen Definition einiger originalen, sich gegenseitig ergänzenden Definition verschiedener Forscher bedienen, wobei haupt- sächlich jene Autoren berücksichtigt werden sollen, von denen in dem unlängst von H. E. Ziegler herausgegebenen zusammenfassenden Referate „Der Begriff des Instinktes einst und jetzt" -) ab- gesehen wurde. Die für die Geschichte dieses Problems besonders Interessierten werden auf die genannte Abhandlung verwiesen. Hermann Fol, dessen Aufsatz ich den ersten experimentellen Hinweis auf den Maskierungsinstinktder Krabben verdanke, definiert den Instinkt als „le desir imperieux et inne d'executer de series d'actes propres ä atteindre un but final que Tacteur ne com- 1) Darwin, The descent of man, 2. ed., London 1890, p. 67 — 68. 2) Ziegler, in: Zool. Jahrb., Suppl. 7, 1904. 158 ROMUALD MiNKIEWICZ, prend generalement pas. . . — La connaissance du biit final n'est ni necessaire ni meme utile ä l'accomplissement de l'instinct." ^) Eine der vollständigsten ist die Definition von Wladimir Wagner in seinem schönen, aber unbekannt gebliebenen, da nur russisch publizierten Buche, am Ende des Abschnitts über „Die ps3^chologische Natur der Instinkte".-) Sie lautet folgendermaßen: „Instinkt ist eine solche psychische Fähigkeit, der zufolge das Tier gewisse, zu Er- langung irgend einen Zweckes unentbehrliche Handlungen ausführen kann, wobei die Bedeutung jenes Zweckes dem Tiere nicht bewußt ist; der Verlauf jener Handlungen ist bei allen Individuen derselben Art immer derselbe und vom Einlernen oder von Erfahrung unab- hängig. Die Handlungen des Instinkts sind nicht nur de facto unbewußt, wie dies die von uns erlangten Resultate der Forschung beweisen, sondern können auch ihrem Wesen nach nicht anders sein." In letzterer Beziehung lautet die Aussage Wasmann's noch kategorischer: „Die unbewußte Zweckmäßigkeit ist somit das wesentliche Kriterium der instinktiven Hand- lungen gegenüber den intelligenten." =^) Wie Wasmann dieses „Kriterium" anzuwenden vermag, bleibt für immer sein Geheimnis. Wir würden nämlich zunächst ein Kriterium finden müssen, um zu entscheiden, ob die betreifenden Handlungen der Tiere „bewußt" oder „unbewußt" sind? Für Wasmann unterliegt dies keinem Zweifel, da er von der Voraussetzung ausgeht, allein und ausschließlich der Mensch sei mit einer unsterblichen, bewußten Seele ausgestattet, kein Tier hingegen könne ein Bewußtsein und eine unsterbliche Seele besitzen. ... Er ist daher gezwungen, außer den gewöhnlichen noch „Instinkte in weiterem Sinne" anzunehmen, worunter er alle höheren Lebensäußerungen der Tiere versteht. Nun aber selbst wenn ich damit einverstanden wäre, würde ich denn doch nicht einsehen, zu welchem Zwecke der Verfasser jenes „wesentliche Kriterium" einsetze, da er von vornherein allen Tieren das Bewußtsein abspricht, es wären somit alle Handlungen derselben instinktiv? Weit sonderbarer ist die Behauptung von der „U n b e w u ß t h e i t" 1) Fol, L'instinct et rintelligence, Part 1, in: ßev. sc, 1886, No. 7 (13. Fevrier), p. 197. 2) W. Wagner, Probleme der Zoopsychologie (russisch), Petersburg 1896, p. 142 — 143. 3) Erich Wasmann, Instinkt und Intelligenz im Tierreich, 3. Aufl. 1905, Freiburg i. B., Kap. 3, p. 27. Versuch einer Analyse des Instinkts. 159 instinktiver Handlung'en der Gesamtheit der Tiere im Gegensätze zu „bewußten" Handlungen bei gewissen höhern Tiergruppen, noch sonderbarer mutet es an, dergleichen von solchen Pionieren „der objektiven Methode" in der vergleichenden Psychologie zu hören, wie AV. Wagner, wie J. Loeb, i) Es fragt sich, worauf eine solche Behauptung, eine so willkür- liche Einteilung der tierischen Handlungen gestützt wird? Sind dies etwa erkenntnistheoretische Beweisführungen, die uns mit uner- bittlichem Zwang dazu nötigen, oder gar gewisse praktische Rück- sichten, zwecks Erleichterung einer wissenschaftlichen J^]rklärung? Betrachten wir die Sache näher. Nach allen Hoffnungen und Täuschungen, nach allen Qualen und verzweiflungsvollem Herum- irren, die der Gedanke seit Kant dui'chmachte, unterliegt es doch heutzutage keinem Zweifel mehr, daß die Annahme irgendeiner Welt, irgendeines absoluten, außer den Grenzen der Erfahrung liegenden Seins, dessen Äußerungen die uns durch die Erfahrung zugänglichen Tatsachen wären — daß eine solche Annahme eine willkürliche metaphysiche Konstruktion ist, schön und vielleicht be- rechtigt als poetische Schöpfung, jedoch erkenntnistheoretisch völlig unbegründet und auch ohne jeglichen erkenntnistheoretischen Nutzen, Nur das ist (hat ein Sein), was mir unmittelbar in der Er- fahrung (im Bewußtsein) gegeben ist, und nur so, wie es mir eben gegeben ist — sei es das Gefühl des Glückes oder des Schmerzes, sei es die goldene Sonnenscheibe, eine Amöbe im Gesichtsfelde des Mikroskops, die Gestalt einer geliebten Person oder mein eigner Körper ... Als solches, als ein mir unmittelbar Gegebenes, hat es ein reales, selbständiges, unabhängiges, absolutes Sein, da es sich weder verneinen, noch irgendwie beseitigen oder verändern läßt. Es ist einfach eine Tatsache, eine konkrete Wirklichkeit, eine vollständige Wahrheit, die keiner Beweisführung, keiner Verifizierung bedarf, die sich weder „näher erkennen" noch durch irgend etwas erklären noch reduzieren läßt. Es ist einfach das, was es ist, und dadurch, daß es ist. Nichts weiter. Einen andern Grund ..höherer" Kategorie, einen andern ,. wesentlichen" Inhalt, ein anderes realeres Sein besitzt es nicht. In einem integralen Ganzen und in einer idealen Klarheit kommt es auf einmal, unmittelbar zum Vorschein. 1) J. LOEB, Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie und vergl. Psychologie, 18!J9, Kap. 13 (poln. Ausg., p. 144, Warschau 1906). 160 EOMUALD MiNKIEWICZ, Die unmittelbare ^^'i^klicllkeit unterliegt natürlich als solche keinen Zusammenstellung-en, sie kann nicht ein Objekt von Denk- operationen sein, ist auch nicht Stoff der Wissenschaft, wenn sie auch o-leich ihr Ursprung und Bewährungsniittel ist. Das, womit wir im Alltagsleben, im Anfangswissen und auf den höchsten Stufen der Wissenschaft operieren, ist bloß ein Teil der dem Mutterschoß des Bewußtseins entrissenen Wirklichkeit, ein der Keimhaut des unmittelbaren Seins beraubter Teil, der sodann erst neuerlich als Objekt geschaffen wird, welches jetzt nur noch mit gewissen „Merkmalen*', gewissen „Eigenschaften" versehen v\ärd, herausgeschält mittels Schlußfolgerung aus den ursprünglichen Er- fahrungstatsachen. Diese gefolgerte, objektive, Lebens- und wissenschaftliche Wirklichkeit ist kein selbständiges Sein, ist nichts, was sich von der unmittelbaren Wirklichkeit unterscheiden sollte — ist sie doch ihr Kind und streckt ihr, als ihrer Mutter, die Arme entgegen — , nichtsdestoweniger aber eben deshalb, weil gefolgert, weil mittelbar, emanzipiert, mit herausgeschälten, im Schöpfungsakt verselbständigten Eigenschaften versehen, eben deshalb drängt sie sich dem Gedanken auf als etwas Eigenartiges und völlig Selbständiges, als etwas vom Bewußtsein Grundverschiedenes, das sein eignes, objektives, gleich- sam ebenso reales Sein hat. Leben und Wissenschaft haben volles Recht, ja sie sind ge- zwungen, die objektive Wirklichkeit als selbständig zu behandeln, da doch letztere einzig als solche ihren Stoff bildet. Es steht ihnen aber kein Recht zu, ihre abgeleitete Natur zu vergessen, und — was noch wichtiger — sie könnten es nicht tun, da jene Willkürlichkeit, mit der nur gewisse, der unteilbaren Gesamtheit von Tatschen der unmittelbaren Erfahrung entrissene Eigenschaften objektiviert werden, sich an ihnen vielfach rächt, indem sie sie zu Verirrungen und Miß- verständnissen verleitet, sie zwingt, sich neuerdings auf den Mutter- schoß des Bewußtseins zu berufen und neuerdings objektive Exi- stenzen zu schaffen. Hierin liegt eben das Bedürfnis der „exakten Wissenschaft", die Begründung mühevoller Forschungen nach „ob- jektiver Wahrheit", welche ausschließlich die objektive Welt, die gefolgerte Wirklichkeit betreffen können. Diese „Wahrheit" wird natürlicherweise immer nur relativ sein, da das Absolute die unmittelbare Erfahrung selbst ist, die sich weder zergliedern noch zusammenstellen läßt. Um so mehr aber wird sich jene „Wahrheit" ihrem unerreichbaren Ideal nähern, je Versuch einer Analyse des Instinkts. 161 besser, je genauer, je fester sie uns in der Umgebung der Er- scheinungen des Weltalls orientiert, indem sie die weitesten Reihen derselben in möglichst einfache Komiilexe zusammenfassen und ihren zukünftigen Verlauf voraussehen läßt. Um diese „Wahrheit" zu erreichen, ist es wohl gestattet, Theorien und Hypothesen aufzustellen, apriorische Voraussetzungen anzunehmen, „irrationale Begriffe'' einzuführen, insofern dieselben nützlich — vorderhand wenigstens unentbehrlich sind. Es ist hingegen unerlaubt, ihren Ursprung und Zweck zu vergessen, ihnen die Bedeutung eines realen Seins zuzuschreiben, sie mit der unmittelbaren Wirklichkeit zu vermengen, oder über die letztere zu erheben. . . . Übrigens kümmert sich die Wirklichkeit darum nicht und wird das Leben und die Wissenschaft zwingen, mit ihr zu rechnen und jene Hypothesen, Voraussetzungen und metaphysischen Existenzen in die ihnen ge- bührenden Schranken zurückzuweisen oder zu vernichten. Vor allem ist es nicht erlaubt, unnötigerweise „Irrationalitäten"^) an- zuhäufen, das ist, Begriffe, die sich nirgends zuordnen und auch nicht zurückführen lassen, da die Entwicklung der Wissenschaft sich insofern der „objektiven AVahrheit" nähert, als sich die Zahl der „Reste" vermindert, als die Anordnung immer weitere Kreise zieht, immer weitere, vorher unzugängliche Gebiete umfaßt. Wie nimmt sich nun in diesem Lichte das uns hier interessierende Problem der Erforschung von „Bewußtseinserscheinungen'' in der Reihe der lebenden Wesen aus? Unmittelbar gegeben sind sie nicht — darüber gibt es keinen Meinungsstreit. Somit wären sie ein gefolgerter Begriff. Wäre dem so, dann stehen sie nicht auf gleichem Niveau mit den übrigen Eigenschaften und Merkmalen der objektiven Welt, da es doch keine Tatsachen der unmittelbaren Erfalirung gibt, aus denen sie durch einen Akt objektivierender Verselbständigung direkt entstehen könnten. Indem sie also weder eine unmittelbar-reale noch eine objektivierte Existenz besitzen, so sind sie ein par excellence und für immer irrationaler Begriff, ebenso wie die Begriffe: Substanz, Materie, Atom, Äther, Kraft und Energie. Nein — sie sind dies nicht in demselben, sondern in einem bedeutendem, in einem ge- fährlichem Maße, denn sie unterliegen einer fortwährenden Ver- 1) s. J. KODIS, Irracjonalnosc pojec jako zrodlo metafizyki, in „Przeglad filoz.", Jg. 9, Heft 4, Irrationalität von Begriffen als Quelle der Metaphysik, Warschau 1906. 162 KOMUALD MiNKIEWICZ, wechsliiiig- mit den unmittelbar gegebenen Tatsachen, die g-ewölin- lich ebenfalls „Bewußtseinserscheiniingen" genannt werden. Daß dem so ist, lehrt gründlich die ganze traurige Geschichte der sog. „Zoopsychologie", anders „vergleichende Psychologie" ge- nannt. Für weitere Schlußfolgerungen und Beweisführungen ist die Feststellung der irrationalen Natur des Begriffs „eines die tierischen Akte (manche bloß oder alle — das ändert nichts an der Sache !} begleitenden Bewußtseins" von unermeßlicher Wichtigkeit, wiewohl jene Irrationalität allein noch nicht die Schäd- lichkeit, ja nicht einmal die Überflüssigkeit dieses Begriffs beweist. Darüber zu entscheiden vermögen bloß praktische Rücksichten der Wissenschaft, das Verhältnis dieses Begriffs zur objektiven Wahrheit. Zu dem Behuf sind wir gezwungen, ihn etwas näher zu analysieren. Seine Entstehung ist auf den Grund der Verzweifachung des Begriffs ^) „Bewußtsein" zurückzuführen — einer leider nur zu häufigen Erscheinung in der Geschichte des menschlichen Denkens. Einerseits ist nämlich das Bewußtsein eine andere begriffliche Fassung der mir ursprünglich in der Erfahrung gegebenen unmittel- baren Wirklichkeit, andererseits aber bedeutet „Bewußtsein" eine in meinem Organismus lokalisierte, „introspektive", subjektive Welt, als „innerer Reflex" des Verhältnisses dieses Organismus zur äußern Welt, zu andern Organismen und endlich zu sich selbst. In dieser letztern Bedeutung läßt sich „Bewußtsein" schwerlich vom Begriff' „Seele" absondern, mit dem es sich entweder völlig deckt oder zu dem es sich so verhält wie der Begriff „Erscheinung" zu demjenigen des substantiellen Seins, in welchem sich auch andere, nicht zum Bewußtsein kommende Erscheinungen entwickeln können — und so hätten wir dann „unbewußte Seelenerscheinungen". Bei näherer Betrachtung der Begriffe „Introspektion",-) „sub- jektive Welt" u. dgl. überzeugen wir uns indessen, daß sie nichts anderes enthalten als die unmittelbare Erfahrung, die ursprünglich 1) Eigentlich ist dies eine Verzweifachung des Ausdrucks, da Bewußt- sein in ersterer Bedeutung als unmittelbare Wirklichkeit kein Gegenstand der Erkenntnis sein kann, sich nicht begrifflich erfassen läßt. 2) s. die schöne Analyse der „Introspektion" in Edwaed Abra- MOWSKl's („Dusza i cialo", Prawo wspolrz^dnosci psychofizjologicznej), „Seele und Leib", Gesetz des psychophysiologischen Parallelismus, Kap. 1, AVarschau 1903. Versuch einer Analyi^e des Instinkts. 1G3 gegebene "Wirklichkeit, das Bewußtsein in ersterer Bedeutung; nichts weiter. Alles Übrige ist nur das Ergebnis eines lästigen, um 80 traurigem als stets sich wiederholenden Mißverständnisses infolge des irreleitenden Ausdrucks „Introspektion", der zu denken veranlaßt, man schaue in das Innere eines materiellen Etwas [d. i. des Organismus — daher das Bewußtsein als „innerer Reflex der Gehirntätigkeit" in Forel's ^) Monismus] oder wenigstens eines substanziellen Etwas (Seele !) hinein. Ein Bewußtsein in letzterer Bedeutung konnte in der Wissen- schaft natürlich nur so lange existieren, als in derselben die Seele, als ein substantielles, im Körper, im Organismus lokalisiertes Sein auftrat. Unterliegt es aber für mich keinem Zweifel, daß die Wirk- lichkeit sich keineswegs in den willkürlichen Rahmen einer Ein- teilung in Ph3-sik und Psj'chik hineinzwängen läßt, ist es für mich nicht mehr fraglich, daß die „substantielle Seele" ein irrationaler Begritf oder ein aus einem solchen geschaffenes metaphysisches Sein ist — zur wissenschaftlichen Erfassung betreffender Tatsachen durchaus nicht unentbehrlich und keineswegs ausreichend — , dann wird es mir auch klar sein, daß jenes „introspektive Bewußtsein" eben die in der Erfahrung erfaßte unmittelbare Wirklichkeit selbst ist. Die sog. Bewußtseins-„Zustände" oder -Erscheinungen — das sind jene realen, keiner Verneinung unterliegenden ursprünglichen und einzig mir gegebenen Tatsachen, von denen oben die Rede war, die — solange sie in ihrem ursprünglichen Wesen fortdauern, sich weder analysieren noch erklären noch klassifizieren lassen — überhaupt nicht als Erkenntnisproblem aufgefaßt werden können. Es ist unmöglich die Bewußtseinszustände zu verstehen, sie in einfache und zusammengesetzte einzuteilen , die einen von andern abzuleiten oder sie auf etwas Ursprünglicheres, auf irgendwelche Elemente zurückzufüliren, und wären es die primären Empfindungen ^) von Herbaet-Wuxdt-Helmholtz usw. oder andere. Ein derartiger Versuch wäre schon an sich ein Erkenntnisfehler, was sich aus dem Bankerott der rationalistischen Psychologie und aus dem Scheitern der ohnmächtigen Theorie von den psychischen 1) Aug. Foeel, Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen und einiger anderer Insekten, 4. Aufl., München 1907, p. 7. 2) s. u. a. die überreiche Kritik von W. HeineiCH, Theorien und Ergebnisse der psychologischen Forschungen (Teorye i wyniki badaii psychologicznych). Teil I, Warschau 1901. J[ß4 ROMUALD MiNKIEWICZ, Eiiilieiten, allen Verbesserungen und Heranziehungen zum Trotz, mit Klarheit ergibt. Entweder existiert die Psychologie als Wissenschaft nicht, oder sie muß, wie eine jede Naturwissenschaft, sich mit Erscheinungen der objektiven \¥elt befassen, da nur eine solche der wissenschaft- lichen Erkenntnis unterliegt, nur letztere sich erforschen, verbinden, klassifizieren, reduzieren, kausal, teleologisch oder auf irgendeine andere erdenkliche Weise erklären läßt. Es besteht kein Grund zu befürchten, daß die Psychologie da- durch mit der Physiologie oder gar mit der Physik usw. identisch werden könnte. Ilire ausschließliche Eigenheit bleibt es für immer, Korrelate objektiver Erscheinungen in der Welt der unmittelbaren Wirklichkeit aufzuweisen, ihre spezifische Beschäftigung die Aussteckung zweier parallelen Linien: einerseits der untersuchten objektiven Erscheinungen (der organischen Prozesse, Nerven- und Gehirnänderungen, der Ver- hältnisse im äußern Reizmedium usw.), andrerseits der ursprünglich gegebenen und den erstem parallelen Tatsachen des Bewußtseins, aus denen jene Erscheinungen durch den Akt objektivierender Ver- selbständigung, einen Schöpfungsakt der Lebenserkenntnis zutage gefördert wurden. Nur im Sinne eines parallelen Aussteckens jener beiden, ihrem Wesen nach grundverschiedenen Linien, die nie und nirgends zusammentreffen können, nnr im Sinne einer, wenn ich mich so ausdrücken darf, Koordinierung einzelner farbiger Punkte an jenen beiden Linien ist das Prinzip des psychophysischen Parallelismus zu verstehen, außer welchem es für die Psj-chologie keinen Gegenstand gibt; infolgedessen sind sogar jene Forscher, die sie theoretisch verwerfen, gewungen, in ihren Studien de facto an ihr festzuhalten und somit durch ihr Vorgehen ihren eignen An- schauungen zu widersprechen. Ein derart aufgefaßter Parallelismus ist keineswegs Dualis- mus, da er von der Voraussetzung ausgeht, daß die Wirklich- keit eine einzige — unmittelbare, ursprüngliche ist, während sich nur ihre sekundär verarmte, objektivierte Gestalt erforschen läßt. — Natürlich ist hier auch für keinen M o n i s m u s Platz, weder im Sinne des Psycho-Gehirn-Monismus von A. Foeel noch des Plastiduleu-Monismus von Haeckel noch des energetischen von W. Ostwald. Aus dem oben Gesagten ergibt es sich ferner, daß in der ob- jektiven Welt, sei es in meinem Organismus oder in der Natur, Versuch einer Analyse des Instinkts. 165 keine Erscheinung existieren kann, die niclit einen ihr entsprechenden primären Vorgang im Bewußtsein hätte. Kommt eine solche Er- scheinung in der Wissenschaft zum Vorschein, dann fällt sie selbst schon von vornherein das Urteil über sich, daß sie keine objektive, sondern eine außernatürliche, metaphj^sische ist. Entgegengesetztes läßt sich indessen nicht postulieren, da es ja möglich ist, das Vorhandensein solcher Tatsachen der ursi)rUngliclien Erfahrung a priori anzunehmen, denen Leben und Erkenntnis, sei es aus Unvermögen, sei es aus IMangel an Gelegenheit, keinen schöpferischen Ausdruck in der objektiven Welt verliehen hatten. Wenn also die wissenschaftliche Psychologie — behufs Unter- suchung oder Erklärungirgendeiner Erscheinung der menschlichen Seele, meiner Seele — gezwungen ist, ihre Zuflucht zu objektiver Forschung zu nehmen, einerseits der koordinierten physiologischen Prozesse des Organismus, andrerseits der mechanischen und physikalisch-chemischen Prozesse des äußern Eeizmediums und ihren gegenseitigen Ver- hältnissen zueinander — wie sonderbar ist demgegenüber das ganz entgegengesetzte Verfahren der „Zoopsychologen", die eine Erklärung der komplizierten Tierakte auf dem Wege der Auf- zeigung einer „Teilnahme von Bewußtsein" in denselben oder wenigstens „eines unbewußtenPsychischen" (W. Wagner) oder „eines Unterbewußtseins" (A. Foeel, Camillo Schneider^) usw., zu finden suchen. Ein Erkenntnisfehler und vergeblicher Zeitverlust ist es, insofern man nicht an dem metaphysischen Begriife der Seele festhält, die Existenz eines Etwas nachweisen zu wollen, das in der unmittel- baren Erfahrung nicht gegeben ist, jedoch der Definition und seiner Natur nach in die objektive Welt niciit hineingehören kann. Kein Kriterium vermag darüber hinwegzuhelfen, da es diesbezüglich weder irgendwelche Kriterien noch irgendwelche „Erkennungs- mittel" geben kann, die man mit „einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit" gebrauchen könnte, wie es nach der irrtümlichen Meinung von F. Lukas -) heißt. Welche AVahrscheinlichkeit kann denn dort vorhanden sein, wo nur eine absolute U^nmöglichkeit existiert? AVenn aber auch der Nachweis von „Bewußtsein in der Tier- welt" möglich wäre, was würde dies der Wissenschaft nützen, wenn — 1) K. Camillo Schneider, Grundzüge der vergl. Tierpsychologie, in: Biol. Ctrbl., Vol. 25, 1905. 2) Franz Lukas, Psychologie der niedersten Tiere, Wien und Leipzig 1905, Einl. p. 5 u. f. 166 EOMUALD MiNKIEWICZ, wie es oben bewiesen wurde — die Bewußtseinstatsachen zur Auf- klärung irgendwelcher Erscheinungen, Bewegungen, Handlungs- weisen sogar in der menschlichen, in meiner Welt nichts beizutragen vermögen, da sie doch von jenen absolut verschieden sind und keines- wegs in eine und dieselbe Welt mit ihnen hineingehören? Sollte die „Zoopsychologie" etwa dort irgendwelche Ansprüche erheben können, wo die Psychologie des Menschen nicht feststeht? Sollte der „Nachweis von Bewußt seins äußer un gen" (welch ein krasser Widerspruch in dieser Zusammenstellung!) bei der Amöbe (wie es Binet i) vermutet) oder bei der Hydra (nach Lukas) ein Verständnis für das Benehmen dieser Wesen ermöglichen können, wenn es doch auf diesem Wege unmöglich ist, zum Ver- ständnis meines Verhaltens zu gelangen? Als auch deshalb — bezüglich der praktischen Rücksichten der Wissenschaft — sind alle Bemühungen, für das Vorhandensein des Bewußtseins in der Tierwelt einen Beweis zu erbringen, völlig zwecklos und wissenschaftlich unzulässig. E. Clapaeede hat vollkommen recht, wenn er im letzten Satze seines sinn- und geistreichen Aufsatzes^) schreibt, auf die besagte Frage müsse die Antwort der Wissenschaft lauten: ,,non seulement: »Je l'ignore«, mais encore »Peu m' importe!«". Eichtig ist das Verfahren der neuen Schule des Phj^siologen und Psychophysiologen, wie Th. Beee, Albrecht Bethe, Jakob Uexküll, Heineich Eenst Ziegler, J. P, Nüel — die das Be- wußtseinsproblem aus dem Gebiete der wissenschaftlich-biologischen Studien gänzlich eliminieren. Berechtigt ist endlich die Beseitigung durch die amerikanischen Forscher der Benennung selbst „Zoo- psychologie" oder „vergleichende Psychologie" und der statt dessen eingeführte Ausdruck „Animal Behavior", das ist „Betragen, Ver- halten der Tiere". Den letztern Namen hat denn auch die be- treffende Sektion des 7. internationalen Zoologenkongresses in Boston getragen. Allem Begründungsmangel und der ganzen Zwecklosigkeit zum Trotz dauert jedoch der Streit um das Bewußtsein in der Wissen- schaft bis auf den heutigen Tag fort. Er erhält sich da eben in derselben Weise, wie er entstand — dank einer Vermischung von 1) Alfred Binet, La vie psychique des microorganismes, 1887. 2) Ed. Clapaeede, Les animaux sont-ils conscients?, in: Revue phil., Vol. 51, Mai 1901. Versuch eiuer Analyse des Instinkts. 167 Begriffen, der Verdopplung der Ausdrücke und dem Aufbewahren metaphysischer Anachronismen in den Dämmerwinkeln der Wissen- schaft. Nachdem man die Bewußtseinszustände — ihre ursprüngliche Existenz vergessend — im Innei-n des objektiven Organismus als eine gewisse introspektive Art seiner Äußerungen, als seine „Seele" (ob substantiell oder nicht, das ändert nichts an der Sache) lokalisiert hatte, drängten sich die weitern Schlüsse schon von selbst auf. Da die Organismen höherer Tiere (z. B. der Affen) sich in nichts Wesent- Jicheni von dem menschlichen — von meinem Organismus — unter- scheiden, dann müssen auch in ihrem Innern „Seelen", in der Intro- spektion der Affen sich äußernde bewußte Zustände existieren — von den meinigen vielleicht nur etwas verschieden — wer vermag denn dies zu wissen? Da aber,' von den Affen angefangen, eine fast ununterbrochene Reihe stufenweiser Vereinfachung der Organisationen weithin bis zu den einzelligen Infusorien, Flagellaten und Amöben führt, so müssen auch dort Seelen — wenn auch nur etwa „Urseelen" — vorhanden sein (Haeckel, Binet usw.). Einen hinreichenden Grund, die angeführte Schlußfolgerung irgendwo höher, z. B. bei der Hydra, wie es Lukas will, abzuschließen, gibt es nicht. Weshalb aber jene Folgerung ausschließlich auf die Tierwesen beziehen? Gehören doch die Amöben und Flagellaten in gleichem Maße in die Pflanzenwelt hinein — und die von ihnen immer höher aufsteigende Reihe führt stufenweise zu Moos, Farnkraut, Baum. . . . Und es gibt in der Tat eine Reihe von Botanikern, wie Massakt, Fkance u. A., bei denen von niederu Seelenerscheinungen der Tiere die Rede ist. Es ist unmöglich, ihnen nicht recht zu geben, um so mehr als dies eben neue, derart interessante Forschungsbahnen eröffnete, wie diejenigen von Habeelandt, Nemec, Czapek über die sog. „Sinnesorgane" bei den Pflanzen. Gibt es andrerseit wieder einen hinreichenden Grund, bei den Proto- zoen und Bakterien haltzumachen, wenn an Kolloiden, an „flüssigen Krystallen" von Lehmann, an künstlich konstruierten Zellen von Quincke, Bütschli, Rhumbler und letzthin von Leduc so viel Ana- logie mit den Lebenserscheinungen — Strukturen, Wachstum, Teilung, Bewegungen, Empfindlichkeit gegen Einflüsse — zu flnden ist? Auch da könnte man also panpsychische Schlüsse ziehen — , und von hier aus wäre kein weiter Sprung einerseits zum „H y 1 o z o i s m u s'' der Urvölker, andrerseits zu den LEiBNiz'schen Monaden. An der "IQQ EOJIUALD MiNKIEWICZ, naturwissenschaftlich, auf Analogien gebauten Beweisführung wäre nicht viel auszusetzen. Die ganze Schwierigkeit bestände darin, wo ihr einen Halt zu geben ? bis wohin anzuwenden ? welches Kriterium herauszufinden, daß bei gewissen Wesen bewußte oder seelische Erscheinungen vor sich gehen, bei andern hingegen nicht? Daher die ins Unendliche gehenden und völlig fruchtlosen Streitig- keiten, da es, wie wir dies bereits bewiesen haben, unmöglich ist, jenes Kriterium zu finden — unmöglich aus dem Grunde, weil der ganze Streit das Resultat eines Mißverständnisses, eines Erkenntnisfehlers ist, der gleich an der Fragestellung selbst, am Anfang der Beweis- führung liegt. Dieser Fehler besteht in der Annahme von unmittel- baren Tatsachen der Wirklichkeit (des Bewußtseins) für Erscheinungen, für „innere" Eigenheiten meines objektiven Organismus oder für „introspektive" Äußerungen einer metaphysischen substantiellen Seele. Nun aber betrachten wir näher, was denn das für angeblich „objektive" „Kriterien" sind, die die Gelehrten zur Feststellung bewußter Erscheinungen der Tierseele anführen, wenigstens zur Feststellung eines „tätigen Bewußtseins", wie es Lloyd Moegan ^) nennt, jenes „Imperium inimperio", das den physio- logischen Lauf der Bewegungsakte zu ändern vermag? Eigentlich wird als Kriterium fast ausschließlich die Tatsache der Wahl an- gewendet — nur verschiedenartig gestaltet und unter verschiedenen Benennungen. Direkt von einer „Wahl" (choix, choice) sprechen: A. Bestet, G. ROMANES, L. MOKGAN, WiLLIAM-MOKTON WhEELEE. — A. BeTHE, Robert M. Yerkes, J. Loeb hingegen sprechen von „Erlernen". Schwer wäre es da, einen tiefern Unterschied festzustellen, ganz abgesehen von der kritiklosen Auffassung des Wahlbegriifes von BiNET, welcher darunter das verschiedene Reagieren des Organismus auf verschiedene Reize derselben Kategorie, z. B. auf Tastreize, versteht. Binet's Ansicht wurde von Lloyd Morgan in seiner Kritik genügend bekämpft; er hebt ganz richtig hervor, daß auch die photographische Platte eine solche Wahl treife, indem sie aus der unermeßlichen Verschiedenartigkeit der Ätherwellen nur gewisse, z. B. die violetten, reflektiert. Weit entfernt von einer solchen „Wahl" ist das „Erlernen", das die Feststellung eines „Assoziationsgedächtuisses" (Loeb) be- dingt. Aber schon die „Wahl" von Romanes hat folgende Be- 1) Lloyd Moegan, Habit and Instinct, London 1806, Kap. 12. I Versuch einer Analyse des Instinkts. Iß9 deutung- (fast wörtlich): Besitzt der Organismus die Fähigkeit auf Grund eigner individueller Erfaiirung neue Anpassungen auszuführen oder frühere zu ändern? So wird jene „Wahl" aucli von andern aufgefaßt. Und dann — was ist sie denn anderes als „Erlernen", als Assoziation sgedächtsnis ? Wir können uns also ausschließlich mit der Analyse dieses letztern Kriteriums begnügen. Prüfen wir vor allem die konkreten Ergebnisse seiner An- wendung. Nur die neuesten Arbeiten werden hier bei-ücksichtigt. Sowohl in seiner großartigen Arbeit über den Bau und die Funktionen der Nervenzentren der Krebse^), wie auch in den überaus sinnreichen Versuchen an den Ameisen und Bienen ^j sieht sich Bethe genötigt, den genannten Tieren jede psychische Tätig- keit völlig abzusprechen. Es konnten jedoch seine Forschungen und insbesondere seine Schlüsse betreffs jeder von den drei von ihm behandelten Tiergruppen einer strengen, oft überaus sachlichen Kritik nicht standhalten. Es geschah dies von Wasmann in bezug auf die Ameisen (im 8. Kap. des bereits genannten Buches), von Buttel-Reepex =') bezüglich der Bienen, endlich von Yekkes*) und Spauldinct ■') in bezug auf Krebse. Die zwei letztgenannten ameri- nischen Autoren haben schöne Untersuchungen angestellt, welche die Fähigkeit einer individuellen Anpassung, einer Erlernung oder „Gestaltung von Gewohnheiten*', wie die Titel der Arbeiten lauten — dartun. Es ist hier nicht der Ort zu einer gehörigen Kritik jener For- schungen — ein andermal vielleicht. Hier wollte ich nur auf das 1) A. Bethe, Das Centralnervensystera von Carcinus maonas, in : Arch. mikrosk. Anat., Vol. 51, 1898. Auch spätere Arbeiten in: Arch. ges. Physiol. 2) A. Bethe, Dürfen wir den Ameisen und den Bienen psychische Qualitäten zuschreiben?, in: Arch. ges. Physiol., Vol. 70, 1898 und spätere Arbeiten in : Biol. Ctrbl. 3) H. Buttel-Reepex, Sind die Bienen „Reflexmaschinen" ? Experi- mentelle Beiträge zur Biologie der Honigbiene, in: Biol. Ctrbl., Vol. 20, 1900. 4) Robert M. Yeekes and Gurky E. Huggixs, Habit-formation in the Crawfish Cambarus affinis, in : Harvard Psychological Studies, Vol. 1, 1903, wie auch ein früherer Aufsatz von Yekkes in: Biol. Bull. 5) E. G. SpaüLDING, An establishment of association in Hermit Crabs Eupagurus longicarpus , in: Journ. comp. Neurol. Psychol., Vol. 14, 1904. Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 12 ] 70 EOMUALD MiNKIEWICZ, Unsichere der Resultate einer praktischen Anwendung' jen 5s Kri- teriums hinweisen. Noch besser. Nach Anführung- der Resultate von Bethe — der einzigen experimentellen Erg-ebnisse, über die er verfügte — schließt LoEB plötzlich, Bethe begehe ein Unrecht, indem er ein Assoziations- gedächtnis, somit auch das Bewußtsein den sozialen Insecten ab- spreche. Er selbst aber begeht dieses Unrecht an niedern Wirbel- tieren, Selachiern, ja sogar wenn nicht an allen, so doch an gewissen Fröschen. Daraus ergibt sich klar die ganze Willkürlichkeit und das Un- sichere jenes angeblich „objektiven Kriteriums", wenn eine dermaßen willkürliche Einteilung erlaubt — die Einteilung der Tiere in solche, die mit Bewußtsein ausgestattet sind und andere, die eines solchen entbehren — wie dies eben Loeb tut: manche Fische besitzen Assoziationsgedächtnis, andere wieder (Selachia) nicht; so sind die Laubfrösche bewußt, andere Froscharten nicht; ebenso manche Krebse usw. ^) Der Sinnlosigkeit solcher psychologisch-erkenntnistheoretischer Kunststücke, die von E. Clapaeede^) in einer überaus sinnreichen Weise verspottet wurden, ist sich Loeb bewußt und ist bemüht, ihre Möglichkeit zu begründen durch den mißglückten Exkurs (im nächsten, 16. Kap.) in das Gebiet der intermittierenden Funk- tionen, zu denen u. a. auch die Keimesentwicklung und das Auftreten bewußter Akte in der Reihe der Lebewesen gehören sollen (sie!). Damit letzteres keine allzu auffallende Überraschung sei, genügt es — nach Loeb — nur anzuerkennen, das, was wir psychische Erscheinung nennen, sei bloß eine meta- physische Wortbestimmung der Funktion des Asso- ziation sgedächtnisses. Eine Kleinigkeit! Vergißt doch der werte Verfasser, daß er am Anfang des vorangehenden (15. Kap.) eben zu beweisen ver- sprach, daß das, was die „Methaphysiker" Bewußtsein nennen, eine vom Mechanismus des Assoziationsgedächtnisses abhängende Er- scheinung sei. Es sollte dies in der Tat bewiesen werden. Das wäre eine unerhörte Entdeckung in der Erkenntnistheorie. Keine Be- 1) .T. Loeb, Einleitung . . ., Kap. 15. 2) 1. c. Versuch einer Analyse des Instinkts. 171 wußtseinstatsachen. keine Tatsachen der unmittel- baren Wirkliclikeit. Ks sind dies bloß metaphysische Wortbestimmung-en. Hinge.gen existieren materielle Prozesse des Mechanismus des Assoziationsgedächt- nisses!? Nein, das hätte entschieden bewiesen werden sollen. JMit meiner wfirmsten Sympathie stehe ich auf Seite des Ver- fassers im Eliminieren der Metaphysik aus dem ganzen Gebiete der Wissenschaft. Leider aber wurde da der Autor zum Opfer eines allzu eifrigen Proselytismns, einer Vermischung der bewußten sub- stantiellen Seele der Metaphysiker mit den Bewaißtseinsfakten als einziger realer AVirklichkeit. Die erstere mit Recht entfernend, vernichtete er im Eifer auch die zweite. Als Wirklichkeit ließ er die gefolgerte objektive Welt zurück. Und hiermit wieder ein Beweis, daß einzig und allein diese Welt Objekt der Wissenschaft sein kann. Hiermit ein Beweis, daß in dieser objektiven Welt jedes ,. Forschen"' nach Bewußtseinsfakten bei irgendwelchen Wesen eine Unmöglichkeit ist. Zugleich ein Beweis, das es hierfür keine ..Kriterien" geben kann. Nun könnte man aber mit Recht einwenden, die Verirrung eines einzelnen Forschers, wenn auch von dem Rang wie J. Loeb, sei noch nicht überzeugend genug. Leicht möglich. Kaum ein Jahr, nachdem die genannten Werke erscliienen, erklärten sich aber auch Bethe, Uexküll und Beer ^) dagegen, als könnte die Forschung nach der Existenz von Bewustseinstatsachen in der Tierwelt Objekt der exakten Wissenschaft sein. Betrachten wir aber noch andere ..Kriterien" näher. Unter den mir bekannten Autoren ist F. Lukas-) in dieser Hinsicht unbestritten der vorsichtigste und kritischeste. Die Ein- leitung zu seinem Buch ist einer der schönsten Aufsätze, die ich je gelesen. Wie wir bereits erwähnten, steht er auf dem Standpunkte: Untrügliche Kriterien könne es in besagter Frage nicht geben. Es lassen sich hingegen „Erkennungsmittel" finden, 1) Tu. Beer, Al. Bethe und J. Uexküll, Vorschläge zu einer objektivierenden Nomenklatur in der Physiologie des Nervensystems, in : Biol. Ctrbl., Vol. 19, 1899. Dasselbe Ziegler und Uexküll in spätem Arbeiten. 2) Fr.\nz Lukas, Psychologie der niedersten Tiere, Wien und Leipzig 1905. Einleitung: Über die Aufgaben und Methoden der Tierpsychologie. 12* 172 ROMÜALD MiNKIEWICZ, die „mit einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit" einen Anteil des Bewußtseins in den Lebensakten des Tieres feststellen lassen. Es g-ibt drei Erkennungsmittel: I. ein morphologisches — die Auffindung entsprechender, den unsrigen analog gebauter Zentral- organe; bei den untersuchten Wesen verwirft der Verfasser dieses Mittel mit Recht sowohl wegen Mangels an genügender Kenntnis des Baues unseres Gehirns und wegen der Unsicherheit in ent- sprechender paralleler Verbindung seiner Teile und Teilchen mit den verschiedenen psychischen Funktionen, wie auch wegen des Unvermögens, mit uns die niedersten Organismen zu vergleichen, um die es dem Autor gerade zu tun ist (Medusen, Polypen, See- sterne) ; IL ein physiologisches — Durchführung einer genauen und tiefgehenden Analyse der Bewegungen der Tiere mittels einer Vergleichung mit unsern Bewegungen und den ihnen entsprechenden Parallelvorgängen in unsern psychischen Zuständen. „Aber doch müssen wir daran festhalten — sagt Lukas bald darauf — , daß der Schluß von ähnlichen Lebenserscheinungen auf Bewußtseinserschei- nungen wie bei uns, als Analogieschluß doch nur Anspruch auf Wahrscheinlichkeit erheben darf, denn einerseits äußern sich psy- chische Zustände derselben Art in verschiedenen Be- wegungen. .. ; andrerseits entspringen Bewegungen der- selben Art aus verschiedenen psychischen Ursachen.^) ... Dazu kommt noch, daß nicht jeder psychische Zustand sich in einer sichtbaren Bewegung äußert (z. B. die Vorgänge des Denkens) und daß nicht einer jeden Bewegung ein psychischer Zustand ent- spricht. Diese letztere Tatsache mahnt zu ganz besonderer Vor- sicht. Bloße äußere Beobachtung einer Bewegung läßt von vornherein eine Entscheidung darüber, ob sie auf bewußte Veranlassung erfolgt ist, gar nicht zu."-) Ganz natürlich. Eine andere Forschungsweise der Bewegungen kann es aber doch nicht geben. Um jedoch die eben angeführte Behauptung genau und sicher festzustellen, analysiert Lukas des weitern überaus umständlich die verschiedenartigen Bewegungen und ihr Verhältnis zu deuBewußtseins- zuständen. Vortrefflich ist die Schilderung der besagten Analyse auf p. 15—16—17. Das Resultat ist traurig — als einziges Mittel 1) 1. c, p. 7. Hervorhebung des Verfassers. 2) 1. c, p. 8. Von mir hervorgehoben. Versuch einer Analyse des Instinkts. 173 bleibt schließlich der Nachweis „einer individuellen Zweckmäßigkeit" in den Äußerungen des Tieres, also desselben „Erlernens" oder einer Änderung der Anpassungen infolge individueller Lebenserfahrung, wovon bereits die Rede war. Und doch vielleicht trügt auch dieses letzte Mittel ! Denn jene „individuelle Zweckmäßigkeit" kann oft nur scheinbar sein und ist es auch häufig, sie kann das Resultat unwillkürlicher, resp. „un- bewußter"' Bewegungen sein. — Es müßte dann wieder ein Kriterium gefunden werden zur Untersuchung, ob die betreffende individuelle Zweckmäßigkeit wirklich besteht oder nur scheinbar ist. Dies aber ist rein unmöglich, „1) da es nicht leicht ist, eine Bewegung mit Sicherheit als individuell zweckmäßig zu erkennen, und somit leicht Täuschungen unterlaufen können; 2) da der Analogieschluß von der individuellen Zweckmäßigkeit der Bewegung auf das Vorhandensein von Bewußtsein eben als Analogieschluß doch nur Anspruch auf Wahrscheinlichkeit haben kann ; 3) da die individuell zweckmäßigen Bewegungen nicht die einzigen sind, die auf Bewußtsein schließen lassen, denn auch generell zweckmäßige und selbst zwecklose Be- wegungen sind, w^enn auch nicht selbst willkürlich, so doch Begleit- erscheinungen psjT-hischer Vorgänge (nämlich der Ausdrucks- bewegungen); endlich 4) weil selbst bei den ohne willkürliche Absicht ausgelösten und unbewußt ablaufenden Bewegungen gleich wie beim Menschen die Möglichkeit vorhanden ist, daß die Bewegung selbst, oder der sie auslösende Reiz nachher bewußt wird." ^) Wir sind also gezwungen, ein anderes Erkennungsmittel zu suchen. Und nun findet der Verfasser eins, das ihn endlich be- friedigt : III. ein teleologisches, das in der Erforschung der Frage besteht, „ob und welche Bedeutung das Be^vußt werden der Reiz- wirkung für das Tier haben könnte?" -) Damit ist die Ilias des Verfassers zu Ende, und es beginnt — leider — die Odyssee, ein Umherirren in unbegründeten Schlüssen und Widersprüchen, das von da an im ganzen Buch fortdauert, sich mit jedem neuen Kapitel, das einen sich stets wiederholenden Para- graphen enthält ..Wert des Bewußtseins für das Tier" steigert, um endlich zum Schluß in einer verallgemeinernden Zu- sammenfassung seinen Höhepunkt zu erreichen. 1) 1. c, p. 17. 2) p. 19. 174 ROMÜALD MiNKIEWICZ, Überflüssig und ermüdend wäre es, dem Autor Schritt für Schritt zu folgen. Die Hervorhebung einiger Punkte von größerer Be- deutung wird genügen. Vor allem das teleologische Prinzip selbst. Bereits hier findet nämlich, gleich am i^nfang der Beweisführung, eine Vermischung zweier ganz verschiedenartiger Dinge statt. Einerseits die Teleologie des untersuchten Organismus: Die Notwendigkeit des Auftretens von Bewußtsein in der Entwicklungsreihe, sobald die physiologischen Funktionen selbst zum Fortbestehen des Organismus im Kampf ums Dasein nicht mehr ausreichen. Andrerseits die Teleologie der Forschung: das ökonomische Prinzip der Naturwissenschaft, „sich überall möglichst einfacher Erklärungsgründe zu be- dienen"^); ist das Hinzulassen von Bewußtsein ein solches, dann müsse man dies auch tun (nach Lukas). Die beiden genannten Notwendigkeiten — wie wir sehen, von ganz verschiedenartiger Natur, da die eine die objektiven Gescheh- nisse der objektiven Welt, die andere ihre Erklärung mittels Ein- führung eines irrationalen Begrifts betriift — diese beiden Notwendig- keiten sind in den Erörterungen und Beweisführungen von Lukas derart miteinander verwickelt, daß sie am Ende zu einer gleichsam nur verschiedenen Ausdrucksbestimmung einer und derselben Tat- sache werden. Dies eben wird dem Verfasser zu einem verderb- lichen Hindernis in der Wahrnehmung seines eignen Fehlers. Erwägen wir beide. Zur Charakteristik der erstem genügt folgender Satz: ,.Das Eintreten des Bewußtseins in die Reihe der Lebenserscheinungen darf uns nicht als ein unverständliches Wunder, sondern muß als etwas Natürliches, leicht Begreifliches erscheinen, und das ist der Fall, wenn das Bewußtsein von allem Anfange an, schon bei seinem ersten Auftreten eine bestimmte Aufgabe im Dienste des Gesamt- organismus zu erfüllen hat, wie jede andere Lebenserscheinung." ^) Also das DARwiN'sche Prinzip ganz einfach in das Gebiet des Seelenlebens, der bewußten Äußerungen übertragen. Es ist dies keineswegs ein origineller Einfall von Lukas. Fast wörtlich finden wir es in den Arbeiten von Lloyd Morgan, so z. B. in dem oben bereits angeführten 12. Kap. des Buches „Habit and Instinct". „Der Sinn eines ursprünglichen Bewußt- 1) 1. c, p. li 2) ibid. Versuch einer Analyse des Instinkts. 175 seins — heißt es dort bei Morgan — bestellt darin, dem Orofanisnms eine vorteilhaftere Anpassung an die Umgebung zu ermögiichen, als dies unter organischen Bedingungen allein ge- schehen würde. Jeder Schritt der Anfangsentwicklung des Be- wußtseins ist durch den schmalen Kahmen völliger Abhängigkeit von jenem Zweck genau und eng begrenzt. Die Seele vermag sich nur dann zu entwickeln, wenn sie zur organischen Entwicklung verhilft'' etc. Dasselbe finden wir bei J. Kodis ^ ) als das sog. „biologische Gesetz oder Prinzip". Ich meinei'seits bin ein entschiedener Gegner jenes direkten Übertragens biologischer Theorien in andere Gebiete des Wissens, besonders von so verschiedener Beschaffenheit Avie die erkenntnis- theoretischen Forschungen von Kodis über das Wesen „der ob- jektiven Wahrheit". Insbesondere protestiere ich gegen das heutzutage so moderne Transponieren der DARwiN'schen natür- lichen Zuchtwahl als Entwicklungsfaktor auf die Gebiete der Soziologie, Psychologie und Erkenntnistheorie, und zwar nicht nur aus dem Grunde, weil der genannte Faktor infolge der Hiebe der mo- dernen Biologie (insbesondere der vergl. Physiologie und der Ent- wicklungsmechanik) auf seinem ureignen Gebiete immer mehr von seinem vermeintlich ,. allmächtigen" Werte einbüßt, sondern auch, und zwar hauptsächlich, deshalb, weil er auf jenen andern Gebieten keine Anwendung finden kann. Das beweist überzeugend genug die Geschichte der Soziologie wie auch diejenige der lang- wierigen und fruchtlosen Kämpfe des sozialistischen Darwinismus mit demjenigen der Bourgeoisie. Nehmen wir aber dennoch an, daß wir auf die oben angeführten Beweisführungen von Morgan und Lukas eingehen. Verwenden wir sie nun auf die konkrete Sache. Handelt es sich doch um das Vermögen, bei einem gegebenen Organismus, z. B. Hydra, das bei Vorhandensein „tätiger" Bewußtseinszustände beweisen zu können. Die letztern treten einzig und allein dort auf. wo sie im Kampf ums Dasein unentbehrlich sind. Wieso aber erfahre ich, daß sie bei Hydra unentbehrlich sind? Ob die Art Hydra ohne sie nicht existieren könnte? 1) J. Kodis, Irracjonalnosc pojec jako zrodlo metafizyki. Irratio- nalität der Begriffe als Quelle der Metaphysik, in: „Przeglad filozof." (Phil. Revue), Jg. 9, Heft 4, Warschau 1906, p. 379—382—383 etc. — Auch in andern Arbeiten. 2^76 ROMÜALD MiNKIEWICZ, Handelt es sich um irgendein organisches, objektiv greifbares Merkmal, um irgendein Organ, z. B. die Fühler, dann heißt es bei Darwin, sie seien nützlich, weil sie existieren. Wären sie nicht nützlich, unentbehrlich, so würden sie sich im Kampf ums Dasein nicht behaupten können, sie müßten verschwinden. Zugegeben. Hier aber ist es uns um die „Innern Zustände" der Hydra zu tun, die für den Forscher objektiv, greifbar nicht vorhanden sind. Es handelt sich ja eben darum, ihr Vorhandensein ,.nachzuweisen". Wie soll ich nun hier das biologische Zweckmäßigkeitsprinzip von Darwin anwenden? Es wäre natürlich ganz unmöglich. — Und dennoch bringt es Lukas zustande. . . . Gewisse eigenartige Bewegungen der Hydra — nämlich ein plötzliches Losreißen von der Unterlage, an der sie haftete und Übersiedeln mittels der als Beine gebrauchten Fühler auf einen andern Ort ■ — ist Lukas nicht imstande zu erklären, und zwar weder auf dem Wege der Erforschung von äußern Reizen, noch durch Annahme innerer, durch physiologische Prozesse bedingter Anregungen. Es ist nun notwendig und jedenfalls viel einfacher, einen tätigen Einfluß von Seelenprozessen anzunehmen. Ach so? Also wurde die biologische Notwendigkeit von der erkenntnis- theoretischen Notwendigkeit des Beobachters verdrängt ? Die letztere allein entscheidet also? Dann müssen wir sie einer tiefern Prüfung unterziehen. Das ökonomische Erkenntnisprinzip ist unbestritten berechtigt. Es soll unbedingt immer nach „möglichst einfachen Erklärungsgründen" gesucht werden. Nur muß leider ein solcher Erklärungsgrund möglich, zu- lässig sein und die Fähigkeit besitzen, wirklich etwas zu erklären. Hier aber ist das eben nicht der Fall, denn die Bewußtseinszustände besitzen als Tatsachen der unmittelbaren Wirklichkeit diese Fähig- keit nicht und können unmöglich zur Erklärung von Geschehnissen der objektiven Welt angewendet werden. Das haben wir klar genug bewiesen. Wir aber suchen doch nach einer Erklärung der objek- tiven Bewegungen der Hydra. — Hiermit also ist das teleologische Prinzip in seinen beiden Ab- arten (der biologischen und als Erkennungsmittel) für die von uns behandelte Frage absolut unbrauchbar. Schlimmer noch — es ist unanwendbar. Nehmen wir aber auch das noch an. Versuch einer Analyse des Instinkts. 177 Gehen wir für eine A\'eile mit Lukas auf die Notwendigkeit ein. die Bewegungen der Hydra mittels bewußter oder seelischer Erscheinungen zu erklären. Nehmen wir an, wir hätten ein Mittel gefunden zu beweisen, das Auftreten der erwähnten Äußerungen sei bei Hydra eine bio- logische Notwendigkeit. Wieso vermag dann ein psychischer Vor- gang die Bewegungen zu beeinflussen? Äußere und innere physiologische Reize genügten nach dem Verf. nicht, um die Hydra zur Ausführung jener erwähnten eigen- artigen Bewegungen zu veranlassen. \\'ieso wird dies nun der auf- tretende seelische Vorgang zustande bringen? Tritt er als Verbindungsglied von selten einer physiologischen Reihe ein, die ohne ihn einander nicht erreichen können? Nein, denn „die Reihe der physiologischen Vorgänge ist vollständig, lückenlos". . . . Also wie? Spontan erschienen, löst er auf eine ebensolche \\'eise eine physische Bewegung aus? Nein, denn der Verf. steht überall auf dem Standpunkte des psychophysischen Parallelismus und spricht stets von einem primären Bewußtsein als „Begleiterscheinung". ^) Alsdann wie? Sollte noch eine dritte Möglichkeit vorhanden sein? In einem Nu wird sie vom Verf. geschaifen: „Die Reihe der physiologischen Vorgänge ist eine vollständige, lückenlose, aber ein Glied dieser Reihe oder ein durcli mehrere Glieder dieser Reihe bedingter, schon vorhandener physiologischer Zustand wird durcli das Hinzutreten von Bewußtsein verstärkt . . . und löst nun . . . eine Bewegung aus, die ohne Bewußtsein nicht erfolgt wäre." ■-) Vor einem Augenblick erst sagte ja der Verf., die Tatsache „Bewußtsein" sei lediglich „eine Begleiterscheinung der Nerventätigkeit". Wie kann es also jene Tätigkeit fördern? Lautet doch das elementare Grundgesetz des Parallelismus, auf dessen Standpunkt der Verfasser steht: „Die beiden Reihen- glieder der Relation — B e w u ß t s e i n s z u s t a n d u n d sei n physiologisches Korrelat — stehen zueinander in keiner kausalen Beziehung; das Auftreten des physiologischen Parallel- vorgangs ist durch die physikaliscli-chemischen Erscheinungen, die ihm vorangingen, vollständig determiniert, und wird Avieder zur Ur- sache anderer physikalisch-chemischer Erscheinungen, die auf die 1) p. 261—262. 2) p. 129. 1^78 ROMÜÄLD MiNKIEWICZ, vorangehenden als ihr energetisches Äquivalent folgen. Der Be- wußtsei nszii stand vermag diese mechanischen Um- gestaltungen nicht im geringsten zu beeinflussen; das, was sich aus der Wirkung der äußern Reize auf den Organismus ergibt, ist bloß sein phj^siologisches Korrelat; dasjenige, das die Reaktionen des Organismus beeinflußt, ist ebenfalls nur sein physio- logisches Korrelat... Er selbst hingegen, als subjektives Bild dieses phj'siologischen Vorgangs, ist eine aus dem Lebensmechanismus vollständig ausgeschlossene Tatsache, die bloß eine Begleiterscheinung des letztern ist, ohne an ihm welchen Anteil nehmen zu können." ^) Wie wäre also jenes Verstärken des physiologischen Zustandes zu verstehen? Nicht genug daran. Warum die Wirkung des Be- wußtseins auf eine so kleine Bolle beschränken ? „So wird dadurch nicht nur die Wirkung des für sich allein so schwachen Reizes verstärkt, sondern auch in die Bewegung mehr Ordnung gebracht, indem sie nämlich gerade dann ausgelöst wird, wenn sie für den Organismus von Vorteil ist." -) Nicht wahr — wie natürlich das ist? Und das soll jener „möglichst einfache Erklärungsgrund" sein! Der nach Bedürfnis auftretende Bewußtseinsvorgang unterbricht die Reihe der physiologischen Vorgänge nicht, tritt nicht in letztere als ein eigenartiges Glied ein, nichtsdestoweniger aber verstärkt er, ordnet und leitet ihm ganz fremde und ungleichartige Pro- zesse, die er ja nur begleitet. Woher und wie er erscheint, wieso er verstärkt, auf welchem Wege er leitet? danach frage man nicht. Er soll erscheinen, verstärken und leiten, sonst wären wir nicht imstande, gewisse Äußerungen zu verstehen. Dies der ganze und einzige — schon keineswegs biologische Grund. Eine Weile nachher vergessen wir aber, daß dies unbegründete, willkürliche Voraus- setzungen sind, und nachdem wir im fetten Druck hingesetzt haben : „Dann also hätten wir hier die ersten Spuren psychi- schen Lebens gefunden"^), vertiefen wir uns in lange Beweis- führungen, welche jene „gefundenen" Erstlinge des Seelenlebens der Hydra wären? 1) Edward Abramowski, Seele und Leib, 1. c, p. 19. Dasselbe s. E. Clapaeede und andere Parallelisten. 2) p. 263, Lukas. 3) p. 129. Hervorgehoben von Lukas. Versuch einer Analyse des Instinkts. 179 Es gibt unter ihnen weder ,,Empfindung" nocli „Gefühl", einzig und allein ,.ein Begehren", das in dieser ursprünglichen Gestalt nichts anderes als „ b e w u ß t ge w o r d e n e r Bewegungs- antrieb" ist. Von dem empirischen "Wert der Beweisführung zeuge folgender Satz : ..Dieses Ergebnis unsei-er Untersuchung wird auch dann riclitig bleiben, wenn es sich herausstellen sollte, daß nicht bei den Hj'droid- polypen, sondern schon auf einer frühem oder erst auf einer spätem Stufe des tierischen Lebens das Bewußtsein zum erstenmal auftritt; wo immer es das erstemal erscheint, hat es nur in der Form eines bewußten Bewegungsantriebs Wert für den Organismus. Die Empfindung allein und das Gefühl allein ist für die Erhaltung des Organismus bedeutungslos." \) Sonderbar ist diese absolute Sicherheit der Schlüsse in einer empirischen Wissenschaft, zu der ja nach dem Verfasser auch die Zoopsj'cliologie zählen darf. Wo sind denn jene bescheidenen Bekenntnisse vom Anfang des Buches hin : „Untrügliche Erkennungs- zeichen", „Kriterien des Psychischen in Tieren gebe es nicht", „wir müßten uns mit einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit be- gnügen" etc.?-) Absolute Untrüglichkeit eines aus der Luft ge- griffenen Schlusses. So ist es nämlich und nicht anders, wenn der Verfasser selbst vermutet, es sei möglich, die Hudra habe noch keine bewußten Äußerungen, es werde sich vielleicht heraus- stellen, daß dieselben etwas später in der Entwicklung der Orga- nismen auftreten. Wenn dem so ist, was alsdann mit jener bio- logischen Notwendigkeit, die doch — nach dem Verfasser — die Hydra zwang, sich unter Drohung des Vergehens im Kampfe ums Dasein jene Bewußtseinszustände zu erwerben? Es ist also doch möglich, daß bei Hydra diese Notwendigkeit gar nicht eingetreten Aväre? Und wieder zeigt es sich, daß nicht die Teleologie des Lebens von Hydra, sondern die vermeintliche Notwendigkeit der Forschung hier jenes „primäre Begehren" in erster Instanz der Bewußtseins- äußerungen der Lebewesen geschaffen hatte. 1) p. 262. Hervorgehoben von LuKAS. 2) p. 5. IgQ ROMUALD MiNKIEWICZ, So rächt es sich, wenn man gleich am Anfang die Grund- prinzipien der Erkenntnis außer acht läßt. Umsonst gerät man immer tiefer in Widersprüche, umsonst werden Berge von immer weniger begründeten Voraussetzungen auf- gehäuft. Ein auf Eis fundiertes Gebäude muß einstürzen, sobald auf dasselbe ein Strahl der Wirklichkeitssonne fällt. So ist es eben stets und immer um den Bau „der Evolution des bewußten Lebens" bestellt. LoEB sah sich gezwungen, die Frösche und Fische in zwei Gruppen einzuteilen: in solche, denen Bewußtsein zukommt, und die eines solchen entbehren. Lukas tut dasselbe mit Cölenteraten, aber auf eine noch sonderbarere Weise : die niedern, Polj'pen, einschließlich Hydra, besäßen ein Seelenleben, die höher organisierten Medusen haben keines. Weshalb? — höre ich verwundert fragen. Bilden sich doch ein großer Teil der Medusen als Knospen an Polypenkolonien, von denen sie sich später ablösen, um frei in der Wellen Schoß zu leben. Aber was schadet es, wenn es uns erlaubt sein soll anzunehmen, daß „das psychische Geschehen keine kontinuierliche, sondern eine intermittierende Reihe bilde"' ?^) Die menschliche Findigkeit findet immer eine beruhigende Aus- flucht. Wie steht es aber mit jener „Nicht-Kontinuierlichkeit" auf praktischem Gebiete? IMüßte man doch, logisch schließend, jede Art, vielleicht sogar ein jedes Individuum, besonders untersuchen: ist dort Bewußtsein vorhanden oder nicht? Eine wahre Sisyphusarbeit. So gibt es z, B. Medusen, wie EleutJwria {ClavateUa) oder Gonio- nema, die imstande sind, ihre pelagische Lebensweise aufzugeben und herumzukriechen, ja selbst mittels der mit Saugknöpfen ver- sehenen veränderten Fühler sich für längere Zeit anzuheften. Lukas übergeht das vollständig; auch nimmt er ganz und gar keine Rück- sicht auf die schönen Arbeiten von Robbet Yerkes über die Be- wegungen der Gonionema und über die Abhängigkeit jener Be- wegungen vom Nervensystem und den Sinnesorganen.-) Es ist das 1) p. 264. 1) Egbert M. Yeekes, A contribution to the physiology of the nervous System of the medusa Gonionema Murbachii. Part 1. The sensory reactions. Part 2. The physiology of the central nerv, syst., in: Amer. Journ. Physiol., Vol. 6 — 7, 1902. Versuch einer Analyse des Instinkts. 181 um SO mehr zu bedauern, als dort u. a. aucli vun jenen ganz eigen- artigen Erscheinungen des spontanen Anheftens an die Unterlage und der gleichfalls spontanen Loslösung und Rückkehr zum freien Leben von Gonionema die Rede ist. Nach Lukas wäre daraus zu schließen, die genannte Meduse besitze ein zum mindesten so hoch entwickeltes Seelenleben wie die Hydra — wenn niclit ein noch höheres. Und dann müßte man ferner auch die Medusen in solche einteilen, die ein Bewußtsein haben (manche nur und zwar unter den tiefer stehenden), und solche, die keines haben. Welch wachsender Wirrwarr! Andrerseits wieder — hat denn der Verfasser bei den tiefer als die Hydroidpolj-pen stehenden Wesen nie und nirgends solche Lebensäußerungen angetroffen, welche die Wissenschaft heutzutage durch Zurückführung auf Reizwirkung nicht von Grund aus zu er- klären vermag? Kennt er nicht die vortrefflichen Arbeiten von Herbert Jennings über Protozoen — wenn auch nur die beiden folgenden Kapitel: „Phj^siological states as determining factors in the behavior of lower organisms" und ,.The method of trial and error in the behavior of lower organisms" ? ') Auch diese Arbeiten finden bei Lukas keine Berücksichtigung, wie auch die interessanten Versuche von S. 0. Mast, welcher mittels thermischer Reize, insbesondere durch Erhöhung der Temperatur, die Hydra zu Ort Wechsel zwingt. „The second reaction — sagt Mast (d. i. das Losreißen von der Unterlage) — is given onlj" in response to Stimulus due to increase in temperature" ^), obgleich auch Mast keine Möglichkeit sieht, diese thei-mischen Reaktionen auf die unmittelbare Wirkung des Reizes bei Hydra auf Bewegungsmechanismen zu beziehen, sondern vielmehr auf die durcli den Reiz hervorgerufene Änderung des allgemeinen physiologischen Zustandes des Organismus. Literessant ist es, daß eben hier, wo nach Lukas der ..ordnende" Bewußtseinszustand auftritt, „the re- actions are not directly protective . . . Hydms are as likely to move toward the source of Stimulation as away from it*'. — All dies untergräbt in überaus hohem Maße jenes ausschließliche Recht der 1) Herbert S. Jennings, Contributions to the study of the behavior of lower organisms, in: Carnegie Instit. Publicat., 1904. 2) S. 0. Mast, Reactions to temperature changes in Spirillum, Hydra and fresh-water Planarians, in: Americ. Journ. Physiol., Vol. 10, No. 4, 1903, p. 189. 132 ROMUALD MiNKIBWICZ, Hydra und der Hydroidpolypen an die biplogische Notwendigkeit, sich Bewußtseinszustände anzueignen. Mit Recht verwahrt sich Lukas, es sei möglich, daß jene Zu- stände mit der Zeit festgestellt werden — „schon auf einer frühern oder erst auf einer spätem Stufe des tierischen Lebens".^) Der A^erfasser täuscht sich hingegen und sucht umsonst sich selbst und uns einzureden, daß auch dann die Ergebnisse seiner Untersuchungen über das Wesen „des Primärbewußtseins" gelten würden. Ihm ist es wohl gestattet, daran zu glauben, wenn er will und kann, für uns aber und für die Wissenschaft ist weder eine Not- wendigkeit noch Möglichkeit eines solchen (jlaubens vorhanden. Obschon wir also der Eeihe nach alle willkürliche Voraus- setzungen und Schlüsse von Lukas angenommen, waren wir doch nicht imstande, gleich ihm gewisse positive, wenn nur im geringsten zufriedenstellende Resultate zu erreichen. Hingegen stießen wir auf Schritt und Tritt auf eine Menge von Widersprüchen, die zu über- steigen wir bei Aufgebot aller Kräfte nicht imstande wären. Uns war dies von Anfang an klar, da das Ziel der Wanderung unerreichbar ist. Bewußtseinstatsachen außerhalb meines Bewußt- seins, außerhalb der unmittelbaren Wirklichkeit, irgendwo in Wesen der objektiven Welt suchen — ist eine traurige contradictio in adjecto. Der Streit über die Lokalisierung jenes Bewußtseins in der Entwickiungsreihe, über „Kriterien des Bewußtseins" u. dgl. ist zweck- los und scholastisch, jenem Streite analog, in welcher Himmels- sphäre die einen himmlischen Mächte (z. B. die Erzengel), in welcher die andern (Engel usw.) verweilen. Es ist das eine von jenen, Zeit und schaffende Kräfte nutzlos raubenden Streitigkeiten, von denen W. Ostwald am Schlüsse des vierten seiner Vorträge über die „Philosophie der Natur" mit Recht sagt, an ihrer Entscheidung in dieser oder jener Richtung sei der Wissenschaft absolut gar nichts gelegen. Aus dem oben Gesagten ergibt es sich klar, daß die Ein- führung in die Definition des Tier Instinkts solcher Bestimmungen, wie „psychische Fähigkeit", „niederes 1) Lukas, p. 262. Versuch einer Analyse des Instinkts. 183 Seelenleben-', „eine ihrer Natur nach unbewußte Tätigkeit" u. a. unzulässig ist, als etwas, das die Voraus- setzung enthält, es gäbe eine Möglichkeit, eine Bewußtseinsbeteiligung an andern, höheru tierischen Äußerungen festzustellen. AVenn — wie wir es ja gesehen — eine solche Feststellung für immer unerreichbar ist, dann hätte es keinen Sinn zu definieren, der Instinkt sei eine unbewußte Tätigkeit der Tiere. a\Ian würde damit in die Begriffsbestimmung des Instinkts mehr hineinlegen, als sich aus der empirischen Forschung und den wissenschaftlichen Schlüssen ergeben kann. Es wäre das — mit Avenarius zu reden — eine Art von Introj ektion, unbegründet und vollständig zwecklos. ^^'LAu^MIR Wagner erlaubt sich zwar (s. a. Anfang dieses Kapitels) zu schließen, es hätten „die von ihm gelieferten Ergebnisse die fak- tische Unbewußtheit der Instinktäußerungen bewiesen"; um jedoch zu diesem Schluß zu gelangen , setzt er als These ^) voraus, daß nach Entfernung des Gehirns (bzw. des Kopfes) die höhern Tiere um alle Bewußtseinszustände völlig gebracht werden, und da die von ihm operierten Wirbellosen von allerlei Gruppen und Typen sich ganz so wie die normalen resp. Avie die Wirbeltiere nach Ent- fernung der Hirnhemisphären verhalten, daher — oben angeführter unberechtigter Schluß. Würden wir auch mit Wagner annehmen, das Bewußtsein der Wirbeltiere sei uns bekannt, daß wir auch seine ausschließlich auf das Vorderhirn (Großhirn) beschränkte anatomische Lokalisierung kennen, auch dann noch blieben zwei beträchtliche Hindernisse im Wege zur Annahme jenes Schlusses über „die Unbewußtheit des Instinkts de facto": 1. ist es im gegenwärtigen Stadium der vergleichenden Anatomie absolut unmöglich, die Nervenzentren niederer Tiere mit irgend- Avelchen Teilen des Zentralsystems der Wirbeltiere zu homologisieren ; 2. beweisen die aus Wagner's Wahrnehmungen selbst sich ergebenden Tatsachen klar und deutlich, daß die dekapitier- ten Tiere die Fähigkeit besitzen zu erlernen, aus eigner Erfahrung Nutzen zu ziehen {Blatta germanica, Geo- liliilus lomjkornis . . .). -) 1) Wl. Wagner, Probleme der Zoopsychologie (russisch), p. 89, Petersburg 1896. 2) p. 99—103, 112 etc. ]^g4 EOMUALD MiNKIEWICZ, Könnte man daraus irgendwelche Schlüsse betreffs der bewußten Äußerungen folgern und hätten die Kriterien von Romanes, Loeb, Bethe etc. irgendwelchen wirklichen Wert, dann müßte man bei jenen Wesen vielmehr das Vorhandensein von Bewußtseinszuständen nach Entfernung eines großen Teiles der Ganglien annehmen. Wagxer ist sich dessen bewußt und sagt in einem der folgenden Kapitel, wenn auch bei den Wirbellosen Bewußtsein in vollem Sinne nicht vorhanden sei, so gebe es doch dort schon „einen Rohstoff für Bewußtsein^), der in der Tätigkeit der „in- differenten Ganglienzellen" besteht; dem letztern widmet der Verfasser mehrere Seiten seiner Schrift. Was dies bedeuten soll, wie es zu verstehen ist — das ergründe man selbst. AVer hat je — wenigstens bei den niedern Tieren — jene „in- differenten" Nervenzellen von andern gewöhnlichen unterschieden? Welcher Weg von da aus zur „faktischen Unbewußtheit des Instinkts", die der Verfasser mit Versuchen an dekapitierten Tieren zu beweisen hatte? Und das eine wird dadurch bewiesen, daß das Problem von Bewußtheit oder Nicht-Bewußtheit gewisser Tierwesen oder ge- wisser ihrei' Tätigkeiten jeder wissenschaftlichen Untersuchung sich entzieht. Sprechen kann man ausschließlich von Lebenshandlungen selbst, von Bewegungsakten, vom „Verhalten (Betragen) des Tieres" (Animal behavior), nicht aber von seinen vermuteten psychischen Zuständen. Die Delinition des Instinkts muß sich derjenigen von Heebeet Spencer nähern: Instinkt ist ein zusammengesetzter Reflex. Nun kann sie sich aber etwas komplizierter gestalten: — nicht ein zusammengesetzter Reflex, sondern eine Reihe organisch so miteinander verbundener Reflexe, daß die Hervorrufung eines derselben mit unwidersteh- licher Macht die Auslösung der darauffolgenden ver- ursacht, soweit von außen oder vom Innern des Organismus kein Hindernis besteht, soweit die Gesamtheit der Bedingungen sich in normalem Zustande befindet. Die Untersuchung über einen Instinkt wird dem- nach bestehen in einer möglichst exakten Analyse gegenseitiger Abhängigkeit jener Reflexe von- einander und ihrer Bedingtheit — jedes besondern 1) p. 243 u. vor. Versuch einer Aualyse des Instinkts. 185 u n (1 aller z u s a ni in e n — durch die i n ii e r n (a ii a t o m i s c li - physiolog-iscli en) Verli äl t iiisse und die der äußern Um- gebuns^. Eine solche ausschließlich objektive wird im nächstfolgenden Kapitel vorliegender Arbeit die Analyse des Maskierungs- instinkts der Brachyura oxyrrhyncha sein. Natürlich wird diese objektive Untersuchung, um möglichst voll- ständig zu sein, darin bestehen, daß sie von beiden Abarten der objektiven ^Methode, sowohl von der vergleichend -biologischen wie auch von der e x p e r i m e n t e 1 1 - p h y s i o 1 o g i s c h e n , Gebrauch machen wird, welch beide übrigens miteinander gewöhnlich so eng zusammenhängen, daß es schwer wäre, sie in praktischer Anwendung vollständis: voneinander zu trennen. Ist aber auf dem Gebiete einer derart objektiv aufgefaßten Forschung bis jetzt keine eingehendere Definition des Instinkts ge- geben worden als jene konzise von Spencer? Allerdings. Es sind zwei einander ergänzende vorhanden. Die eine ist von Lloyd Morgan: „Instincts are congenital, adaptive, and coordinated activities of relative com- p 1 e X i t y , and i n v o 1 v i n g t h e b e h a v i o r o f t h e o r g a n i s m as a whole. They are similary performed by all like m e m b e r s o f t h e s a m e m o r e o r 1 e s s r e s t r i c t e d g r o u p . und er circumstan ces which are ei t her of frequent lecurrence or are vitally essential to the continuance of the race. They are to be distinguished from habits which owetheir definiteness to individual acquisition and the repetition of individual performanc e.'' ^) Die zweite von H. E. Zieglee lautet: „Unter Instincten sind ererbte Fähigkeiten zu verstehen, welche auf der körperlichen Organisation, insbesondere auf er- erbten Bahnen desNervensystems, beruhen*'-), ,. während das Gedächtnis und die Verstandstätigkeit mit der Bildung er- worbener Bahnen zusammenhängen". -^j 1) Lloyd Morgan, Habit and Instinct, p. 27. 2) H. E. ZiEGLEH, Der Begriff des Instinktes einst und jetzt, in : Zool. Jahrb., 8uppl. 7, 1907, p. 726. 3) Ibid., p. 72L Zool. Jabrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 13 136 ROMUALD MiNKIEWICZ, Auf vorangehenden Seiten seines Buches werden von Ziegleb objektive Merkmale des Instinkts festg-estellt, die sich in nichts von denen bei Wagnee. Morgan u. A. unterscheiden. Sie bestehen darin, daß 1. der Verlauf gewisser Tätigkeiten bei allen Individuen der- selben Art gleich ist, und daß 2. zu ihrer Ausübung das Tier weder lernen noch sie wiederholen muß, da sie von demselben fertig mitsamt der Organisation ererbt werden. Die Allgemeinheit dieser beiden Merkmale wurde jedoch schon von Wasmann ^) bezweifelt. Auch Ziegler bemerkt : „Bei d e n w e n i g e r v o 1 1 k o m m e n e n Instinkten muß allerdings noch einige Einübung hin- zukommen, und bei den unvollkommenen Instinkten (Trieben) hängt die x\usführung der Handlung in er- heblichem Maße von der Erfahrung, Übung und Ge- wohnheit ab." Schon dies allein würde ausreichen, um die Un- möglichkeit einer genauen Abgrenzung der Handlungen des Instinkts von den erworbenen Gewohnheiten zu beweisen — trotz allem, was sich aus dem oben angeführten Satze von Morgan ergeben zu haben scheint. — Die Untersuchungen über den Maskierungsinstinkt werden uns in dieser Überzeugung bestärken. Es beweist dies zugleich die Überflüssigkeit der Einführung der Behauptung von „ererbten" Handlungen und von den sie bedingenden „cleronomen" Nervenbahnen in die Definition des Instinkts. Wir besitzen aber dafür bessere Beweise. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß die Bienen die Fähigkeit besitzen, in Fällen des Todes ihrer Königin sich aus den jungen Larven der Arbeiterinnen eine neue Königin zu züchten — und zwar durch Anwendung einer reichlichen, königlichen Kost selbst bei Larven, die bis jetzt kleinere und minder gute Proletarierportionen zu erhalten pflegten. Und doch sind die Instinkte der Königin, die einzig und allein das Leben einer Zeugungsmaschine fristet, völlig verschieden von der Lebensführung der geschlechtlich unreifen Arbeitsbiene, die Nahrungsvorräte sammelt, Larven pflegt, Wachszellen zu bauen und den Weg zum Mutterkorb zu finden versteht. Auf welche Weise könnten sich sekundär statt jener so ver- schiedengeartete Instinkte entwickeln, wenn sie zugleich mit den 1) Erich Wasmann, Instinkt und Intelligenz im Tierreich, p. 27 — 28 (1905). Versuch einer Analyse des Instinkts. 187 Nervenbahnen (also schon im Ei) voransbestimmt Avären? Und doch ist diese sekundäre oder Ersatzentwicklung: eine festgestellte Tat- sache. Übrig'ens nicht nur bei den Bienen. ^Mehrere Jahre vorher hat Battist.v Grassi eine ähnliche, von Tieren künstlich hervorgerufene Umgestaltung der Instinktformen in den Kolonien von Tenness hicifugus und Calotermes flavicollis be- obachtet. Es g'elang- ihm sogar experimentell die Bedingungen zu schaffen, die die Zucht der ,.Ersatzkönigspaare"' ') verursachen. Sollte man angesichts dessen Aussagen über „erbliche" Hand- lungen in der Definition des Instinkts nicht eher meiden? Was aber die ZiEGLEii'schen „cleronomen" Nervenbahnen als materielle Grundlage des Instinkts, die „enbiontischen" hingegen als solche des Gedächtnisses und Denkens betriift. müßte man zunächst den Verfasser ersuchen, bei einem niedern Tiere wenigstens das wirkliche Vorhandensein dieser zwei Kategorien von Nervenbahnen nachzuw^eisen. Leider hat das die Wissenschaft bis heute noch nicht erreicht. Es sagt zwar Ziegler in einem andern, früher erschienenen Aufsatz -) : „ — auch lassen sich die enbiontischen Bahnen von den kleronomen leicht dadurch unterscheiden, daß die erstem bei den einzelnen Individuen der Species nicht übereinstimmend, sondern nach der bisherigen Lebensweise und Erfahrung des Indi- viduums verschiedenartig ausgebildet sind", — es ist dies aber bloß eine apriorische Voraussetzung, bisher, wie erwähnt, durch keine einzige morphologische Tatsache begründet. Wir wissen bis jetzt nicht einmal, worin eigentlich die Leitung des Reizes im Nervensystem besteht, Wohl ist es Ziegler erlaubt anzunehmen, es seien dies spezielle ,.fibrilläre" Bahnen, wiewohl die Neurologen noch weit davon ent- fernt sind, darüber einig zu werden, ob die „Nervenfibrillen" oder — nach der Schule von Ramox y Ca-jal*^) — eine ..perifibrilläre Substanz" der Nervenzellen und -fasern den Reiz leite; — es ist ihm auch erlaubt, Schemen der Entstehung jener hypothetischen enbiontischen Bahnen zu konstruieren.*) Die Einführung jener Kon- 1) B. Grassi, Ersatzpaare bei den Termiten, in: Zool. Anz., Jg. 11 (1888) wie auch Jg. 12 (1889). 2) H. E. Ziegler, Theoretisches zur Thierpsychologie und ver- gleichenden Neurophysiologie, in: Biol. Ctrbl., Vol. 2Ü, No. 1 (1900), p. 8. 3) Zum Teil auch nach SCHIßFFERDECKEE. 4) Ibid., folgende Seiten. 13* 188 ROMUALD MiNKIEWICZ, zeptioii in „objektive" Definitionen ist hingegen mindestens voreilig. Übrigens ist das auch ganz überflüssig, da es weder eine praktische Bedeutung besitzen noch als Erkennungsmittel gebraucht werden noch etwas erklären kann. Es ergibt sich das auch bei Ziegler nicht als Folge von praktischen Bedürfnissen der Wissenschaft, sondern ausschließlich ^) als ein unentbehrliches Postulat der Weis- MANx'schen Metamor phologie über die erblichen ,. Keimanlagen", die in ihren ..Determinanten", ,,Iden" und ähnlichen Gebilden alles vorausbestimmen. Meiner Meinung nach ist eine allzu morphologische Behandlung und Vereinfachung derart zusammengesetzter Probleme wie der Ent- stehung von Gewohnheiten, Gedächtnis u. dgl. eher schädlich als nützlich, was auch Loeb in seiner „Einleitung in die Psj'chologie" wiederholt hervorhebt. Entfernen wir nun — und dazu sind wir gezwungen — aus den Definitionen von Ziegler und Morgan die Behauptungen über erblichen Charakter und den bei allen Individuen derselben Species schablonenhaften Verlauf instinktiver Handlungen, dann werden jene Definitionen nicht über den Inhalt der von uns oben umgeänderten Definition von Spencer hinausgreifen, welch letztere auch den Vor- zug besitzt, sehr bündig und vollkommen klar zu sein. IL Experimenteller Teil. Analyse des Maskierungsiiistiukts der Brachyura oxyrrhynclia. „Toutefois il se peut faire, que je me tronipe . . . Mais je serai bien aise de faire voir en ce discours quels sont les cherains que j'ai snivis . . . afin que chacun en puisse juger, et qu'apprenant du briiit comraun les opiuious qu'on en aura, ce soit un nouveau moyen de m'instruire que j'ajouterai ä ceux dont j'ai coutume de me servir." DesCaRTES, Discours de la methode. Es lebt an den Meeresküsten bei verschiedener Beschafienheit des Grundes und in allerlei Tiefen, beinahe von der Wasserlinie an. 1) Ibid., p. 6 — in allen sonstigen Arbeiten Ziegler's („Der Be- griff etc."). Versuch einer Analyse des Instinkts. 189 eine weit verbreitete und ziemlich umfano:reiclie, mindestens 70 Arten zählende Gruppe von Krabben mit einem eigenartigen und ungemein hoch entwickelten I n s t i n k t ak t i v e r 3[ a s k i e r u n g, durch Nachahmung der Umgebung in der Weise, daß sie ihren Körper mit angehefteten Teilchen der sie umgebenden Gegenstände bekleiden. Zu recht typischen Vertretern dieser Gruppe gehören : Hijas (in nordischen Meeren), Maja, Pisa, StotorJujnchns, Imickus u. -d. Es sind dies jene gewöhnlichen, allgemein bekannten Tiere, die die Küsteu- bewohner hauptsächlich wegen der acht länglichen und meistens sehr dünnen Gehfüße Seespinnen zu nennen pflegen. Das Anheften von fremden Objekten der Umgebung an den Körper ist natürlich durch eine besondere Anpassung der Organisation vermittelt, die allein dieser Gruppe eigen ist. Diese Anpassung besteht einerseits in der wenigstens teil- weisen Umgestaltung der Rückenhärchen zu Haken, die an der Innenseite gewöhnlich scharf gezackt sind, so daß ein Stück Meer- gras ebenso schwer herunterfällt, wie ein Fisch dem Haken der Angel entgleitet. Andrerseits besteht die Anpassung in einer der- artigen Lagebeziehung der Gelenkachsen der Greiffüße zueinander und in einer solchen Veränderung der Gelenkflächen bzw. des Be- weg ungsbogens, daß es in dieser Krebsgruppe (und zwar einzig und allein in dieser) möglich wird, den Fuß weithin über den Rücken bis gegen die Mittellinie zu führen und jene bei ver- schiedenen Gattungen und Arten zu verschiedenartigen Büscheln und Reihen ^) gruppierten Haken mit der Schere zu berühren. Das Anheften selbst geht folgendermaßen -) vor sich. Hat das Tier irgendeine Wasserpflanze, z. B. ein breites, grünes Stück des sogenannten Seesalats (Ulva lactuca L.) gefunden, so packt es das- selbe mit der Schere, und ist das Stück von etwas größerm Um- fange (über einige cm), so wird es in kleinere Stücke zerrissen. Dies geschieht gewöhnlich auf diese Weise, daß das Tier den genannten 1) Die Anpassungsmorphologie behandelt Carl W. G, Aurivillius in der schönen Arbeit: Die Maskierung der Oxyrrhynchen-Dekapoden, durch besondere Anpassung ihres Körperbaues vermittelt, in : Svenska Vetensk. Akad. Handl., Vol. 23, No. 4, Stockholm 188^». 2) Alles in diesem Absätze Gesagte bezieht sich unmittelbar auf die Fani. der Majidac {Maja reirucosu M. E. und Maja s'janiddo Latr.), wie- wohl auch oft, parallel, gleichzeitig an andern Species dieser Gruppe Beobachtunnren und Versuche angestellt wurden. 190 ROMUALD MiNKIEWICZ, Gegenstand zum Munde führt und. den Rand zwischen den Kiefern festhaltend, den Graslappen mit einem Fuß gegen sich, mit dem zweiten liingegen von sich zieht, ganz so, wie wenn ein Mensch ein Stück Leinwand entzweireißt. Das abgerissene Stück nimmt das Tier zwischen die Kieferlüße und bearbeitet es so lange, bis es zu einem Knäuel zusammengeballt wird. Dann faßt es das Tier mit den länglichen Scherenfingern des linken oder rechten Fußes, streckt zunächst den Fuß aus, dann dreht es ihn im Gelenke um (wie beim Umdrehen eines Schlüssels im Türschloß), biegt ihn nach- her ein und legt ihn auf die entsprechende Seite des Rückens. — dann auf den Vorderteil des Kopfes, auf die Stirnfortsätze, auf die über dem Magen gelegene Rücken gegend — überhaupt überall dorthin, wo gerade die Haken noch frei sind. Dann schiebt es mittels einer feinen, sachten Bewegung den Fuß hin und zurück — so lauge, bis die Pflanze an den angestoßenen Haken festhaftet. Ganz so, als würden wir einen Haftel am Rücken zuhaken. Zu- weilen dauert diese Bewegung sehr lange. Zuweilen mißlingt sie schließlich, und die Pflanze gleitet zu Boden. Dann faßt sie das Tier manchmal wieder mit der Schere, und der Vorgang beginnt von neuem. Auf das erste Pflanzenstück folgt ein zweites, dann ein drittes und so fort, bis endlich alle Haken beladen und der ganze Rücken des Tieres bedeckt ist. Nun kommen die Gehfüße an die Reihe, deren Außenfläche gleichfalls mit Reihen von Haken versehen ist. Das Tier schiebt eins oder das andere Bein unter sich, nähert es dem operierenden Fuß, natürlich der gegenüberliegenden Seite; in analoger Weise bedeckt es auch von unten die Ränder der Branchialstücke des Panzers wie auch das hintere Stück des Cephalo- thorax samt dem 1. Segment des Abdomens. Auf diese Weise, sofern kein Hindernis in den Weg tritt und das Tier seine instinktiven Tätigkeiten ruhig ausüben kann, ent- steht eine Bekleidung, die so vollständig und so vollkommen das Tier maskiert, daß es auch das geübte Auge das Naturforschers im Dickicht der ülva zuweilen nicht zu entdecken vermag. Wie aus der grünen Ulva fertigt sich das Tier, von braunem Meergras umgeben, ein braunes Kleid aus Fucus, C3'stoseira, Ecto- carpus, Scj^tosiphon etc. an; in einer Umgebung von Kalkalgen (Corallineen) bekleidet es sich mit ihren Fragmenten. . . . Aus be- deutendem Tiefen (von ca. 10 m) herausgefischte Tiere sind in das Rot der dort wachsenden Rhodophyceen gehüllt. Zuweilen ist Versncli einer Analyse des Instinkts. 191 natürlicli das Kostüm der Maja gemisclit — wenn sie sich in o-e- mischter Umgebung- aufhält. Nun entsteht hier von selbst die Frage: Sind die Tiere gegen den F a r b e n u n t e r s c h i e d der Gegenstände, in die sie sicli nach Maßgabe der Umgebung kleiden, empfindlich? Diese Frage bildet die Hauptsache, um die sich vorliegende Untersuchungen und Beweisführungen vorwiegend drehen. p]s ist kein ausschließliches Vorrecht der Seepiianzen, zur Mas- kierung verwendet zu werden. Es können dazu ebensogut Zweige von Hydropolyiien, die am Rücken der Krabbe oft vortrefflich ge- deihen und weiter wachsen, Schwammstücke, Kolonien von zu- sammengesetzteu x\scidien dienen. . . , Die letztern bilden oft später an den länglichen Stirnfortsätzen von Pisa Zapfen von monströser Größe, unter deren Last das Tier, nicht mehr imstande sie zu entfernen, fortwährend über den Kopf stolpert. Ich habe am Strande von Mallorca Exemplare gefunden, wo jener aus zusammen- gesetzten Ascidien bestehende Rostralauswuchs 3mal so groß war wie die Krabbe selbst, die von ihrer lebendigen, als Versteckmittel dienen sollenden Bekleidung nach und nach völlig beherrscht wurde. In Seehäfen findet man Krabben, die mit Zwirnstückchen, Stroh, Stofflappeu, Schnüren, Papier, überhaupt mit allem, was sie nur vorfinden, bekleidet sind. In den von Seepflanzen gereinigten Aquarien heften sie an ihren Leib die Panzerschalen anderer aus- gefressener Krebse, Teile ihres eignen abgestreiften Integuraents, Fischknochen, unverzehrte Nahrungsteile, wie Eingeweide von Fischen, Kiemen von Weichtieren etc., manchmal sogar Stücke von Glasröhren. — Es ist klar, daß jene Gegenstände dem Krebs nicht nur zur ^laskierung nicht dienen können, sondern im Gegenteil allgemeine Aufmerksamkeit auf ihn lenken ^), besonders in Aquarien mit schwarzem Boden. Quantität und Größe der Kleidungsstücke ist ungemein ver- schieden, und zwar nicht nur bei derselben Art (z. B. bei 3Iaja verrucosa), sondern auch bei demselben Individuum, je nach Art des Stofl'es wie nach dem Nervenzustand, allgemeiner gesagt, dem physio- logischen Zustande des Tieres bzw. der Schnelligkeit des Bekleidmigs- vorganges. 1) Wie dies auch Heeman Fol schon bemerkte: „L'instinct et l'intelligence", in: Rev. sc, 1886, No. 7, p. 194. 192 KOMUALD MiNKIEWICZ, Es sind manchmal Krebse zu sehen mit bloß einigen großen, nachgeschleppten Ulvastücken oder lediglich mit einem Graslappen, den sie nach kecker Eitterart an die Rostralhaken stecken (meistens bei Pisa tetraodon). Die Meergrasstücke sind gewöhnlich klein, nicht über einige cm, zu Dutzenden am Rücken angeheftet, wie ein w^ahrer Garten! Mehrmals zählte ich an einer kleinen, 3 — 4 cm langen Maja an 110—130 Stücke. . . . Das Bekleiden geht gewöhnlich langsam und systematisch vor sich, zuweilen aber auch mit staunenerregender Schnelligkeit, so daß binnen einer Viertelstunde ein vollständiges köstliches Kostüm fertig wird. Es geschah dies allerdings nur bei sehr nachgiebigen Bekleidungsstotfen, und zwar mit farbigem Seidenpapier, das ich mit Erfolg dazu benutzte, die oben gestellte Frage nach dem Verhältnis der sich maskierenden Krebse zur farbigen Um- gebung, anders : nach der m i m e t i s c h e n V o 1 1 k o m m e n h e i t d e s Instinkts, zu beantworten. Um dieses Problem zu lösen, war es unentbehrlich, zwei Fak- toren voneinander unabhängig zu machen, die in normalen Verhält- nissen eins bilden: die Farbe der Umgebung und diejenige des für das Kostüm gebrauchten Stoffes. Unentbehrlich war es, solche Bedingungen zu schaffen, in denen ein jeder der ge- nannten Faktoren für sich, nach Willkür und in allen möglichen chromatischen Kombinationen, geändert werden könnte. Die Ausführung bot keine besondern Schwierigkeiten. Das ziemlich umfangreiche Aquarium richte ich so ein, daß ich, ohne es von der Stelle zu rühren, seinem Boden und den Seitenwänden be- liebige Farbe geben kann. Das ganze Aquarium ist aus Glas. Boden und Seitenwände belege ich von außen mit dickem (starkem), farbigem, auf Karton geklebtem Papier, damit die farbigen Strahlen des Mediums ausschließlich Reflexstrahlen seien. Sonst würde hier noch ein dritter Faktor hinzukommen — das durch verschiedenfarbiges Papier ungleichmäßig hiudurchgelassene Licht — dem wir durchaus Rechnung tragen müßten, da uns ja die Empfindlichkeit der Krabben im allgemeinen, insbesondere aber der unsrigen gegen die Intensität der Beleuchtung bekannt ist. Es sind das — wie wdr ja alle wohl wissen — das Tageslicht fliehende, früher „photophob'', nach der modernen Terminologie „negativ p ho to tropisch" genannte Tiere. Die zu Versuchen bestimmten Tiere werden vor allem von 4 Versuch einer Analyse des Instinkts. 193 Wasserpflanzen und andern Gegenständen vollständig gereinigt, dann eine Zeitlang zum Sklavenleben in Gefangenschaft und zum Herum- spazieren am glatten Glas des Aquariums abgerichtet, wo sie anfangs fortwährend ausgleiten. Sodann wird ein Aquarium von gewisser, z. ß. grüner Farbe errichtet. Darin lassen wir einige (2—3) Krabben und legen Seiden- papier von zweierlei Farbe hinein, grünes (Farbe der Umgebung) und irgendein anderes, z. B. rotes. Die hineingelegten Papierstücke müssen natürlich gleichgroß und gleichgeformt sein, wie auch für beide Farben in gleicher Quantität, damit kein sekundärer Faktor die ,.Wahl"' des Tieres beeinflussen könne. Nach einiger Zeit — insofern alle übrigen Bedingungen (Tem- peratur. Lüftung, innerer phj'siologischer Zustand des Tieres . . .) normal waren — finden wir die Krabben ausschließlich in Grün gekleidet. Wir unternehmen an ihnen von neuem eine völlige Reinigung vom Bekleidungsstoffe und gleichen gänzlich oder teilweise die Quantität des Stoffes aus. . . . Wieder dasselbe: in grünem Aquarium grünes Kostüm. Statt des roten tun wir weißes, schwarzes Papier hinein. . . , Es bleibt unberührt. Nun wechseln wir die Farbe des Milieus, z. B. in Weiß. Die Krebse werden sich jetzt ausschließlich in Weiß kleiden. Unberührt bleibt das grüne, gelbe, blaue, violette und schwarze Papier — kein anderes außer dem weißen wird verwendet. Diejenigen sogar, denen wir eine Hälfte des vorigen grünen Kostüms am Rücken belassen, kleiden die zweite Hälfte in Weiß. Hingegen solche Tierchen, denen das grüne Kostüm im ganzen zurückgelassen wurde, ergänzen es in dem Maße, als die grünen Paiderläppchen herunterfallen, jede Lücke im Kostüm auf solche "\\'eise flickend. So erhalten wir eine bunte, verschiedenfarbige Kleidung. Dasselbe geschieht in Aquarien mit jeder andern Farbe, mit Ausnahme von Schwarz. Hierüber weiter unten. In normalen Verhältnissen also, wo eine Wahl des farbigen Kostümstoffes stattfinden kann, wird das Kostüm des Tieres immer und stets der Umgebungsfarbe entsprechen. Soweit meine zahlreichen Versuche den Schluß gestatten, gibt es keine Wahl zwischen gelber und grüner Farbe, und zwar sowohl in grünen wie in gelben Aquarien. Mit voller Gewißheit ]^94 EOMÜALD MiNKIEWICZ, bin ich jedoch nicht imstande dies zu behaupten, in Anbetracht der Schwierigkeit des Sclilusses aus negativen Yersuchsergebnissen, wo es kaum mi^glich ist, ganz genau zu ergründen, ob das Tier in einem ganz normalen Zustande sich befand oder nicht. Abgesehen von jenen zwei, im Spektrum einander am nächsten stehenden Farben, welch hohe Vollkommenheit des mimetischen Instinkts! Doch nicht genug damit. Errichten wir ein zweifarbiges Aquarium, die eine Hälfte gelb, die zweite violett. Legen wir ferner keinen Bekleiduugsstoif hinein. Nun lassen wir in dasselbe der Reihe nach gelbgekleidete Krabben aus einem gelben Vorbereitungsaquarium und violette aus einem violetten. Setzen wir sie vorsichtig an die Grenzlinie beider Farben, so daß die Krabbe womöglich nicht gereizt wird, und daß eine Hälfte ihres Körpers samt einem Auge auf der einen Seite der Grenzlinie, die zweite hingegen mit dem andern Auge auf der andern sich befinde. Entfernen wir uns. Die gelbgekleideten Krabben wenden sich dem gelben Teile, die violetten dem violetten Teile des Aquariums zu. Lassen wir sie auf entgegengesetzte Farbenflächen gleiten, dann kriechen sie gewöhnlich auf die ihnen entsprechenden hinüber. Ein anderer Versuch. Dreifarbiges Aquarium. Der mittlere Teil schwarz, die beiden Seitenteile weiß. Die schwarzen Krabben nehmen ihren Weg zum schwarzen, die weißen zu einem der weißen Teile. Es ist dies um so mehr überzeugend, als unsere Tiere die Gewohnheit haben, in Ecken zu hocken, der mittlere Teil des Aquariums aber keine solche besitzt. Diese letztere Eigenheit der Krabbenspinnen und vieler anderer Tiere hat ihren Grund in einer eigenartigen Wirkung harter Gegenstandsflächen, überhaupt berührter Flächen auf den Lebeorganismus, einer Wirkung, die den Orga- nismus zwingt, sich zu entfernen oder an die betreffende Fläche enger anzuschmiegen, eine besondere Stellung, eine Gleichgewichts- stellung dieser Wirkung gegenüber einzunehmen. Darin besteht übrigens gleichsam das Wesen aller „Tropismen". In diesem Falle ist es der sogenannten Stereotropismus nach Loeb oder Thigmotropismus ^) nach Jennings. 1) OT£Qeog = hart, fest, d-iyua = berührter Gegenstand. Tro- pismus von Tgenoi-iai = etwas sich zuwenden (positiver Tropismus -[-) oder von etwas weg-, abwenden (negativer T. — ). Objektivierende Be- nennungen. Versuch einer Analyse des Instinkts. 195 Trotz dem überaus stark entwickelten Tliig-motro})isnms gingen also die schwarzen Krabben bei unserm Versuch auf den schwarzen, eckenfreien Mittelteil des Aquariums über und blieben dort die ganze Zeit der Beobachtungsdauer über, d. i. einige Stunden lan.g. Sie versuchten es, sich der Grenze der weißen Teile zu nähern. Immer aber waren sie gezwungen sich zurückzuziehen. Veränderte Farbenkombination der Umgebung: Schwarz- Weiß- Schwarz. Umgekehrte, immer der Kleidungs färbe ent- sprechende Wahl des Aufenthaltsortes. Ein in seiner „mimetischen Zweckmäßigkeit" bewunderungs- würdiger Instinkt — nicht wahr? Nicht nur, daß sich das Tier ein Kleid von entsprechender, in betrettender Umgebung am besten maskierender Farbe wählt, es „Avählt" auch noch nachher einen, mit der Farbe seines Kostüms harmonierenden Aufenthaltsort und flieht beständig eine dissonierende Umgebung. Und nun möge noch jemand die Fähigkeit differenzierter Empfindlichkeit der niedern Tiere, differenzierter Reaktion aut Farbeneindrücke bezweifeln ! Mit objektiven Beweisen in der Hand vermögen wir nun diesen allzu langwährenden Streit an Krabben zu entscheiden. Jene ob- jektiven Beweise — dies ist das Rückenkleid des Tieres — ein wahres corpus delicti, das jeder sehen kann, insofern er die zum Experiment notwendigen Bedingungen erfüllt. Bei allen bisherigen Untersuchungen über chromatische Em- pfindlichkeit der Tiere war das Resultat in erheblichem Maße von subjektiven Momenten beim Beobachter (wie Erfindungsgeist, vor- gefaßten Meinungen, Quantität des Versuchsmaterials u. dgl.) ab- hängig. Daher die so diametrale Verschiedenheit der Schlüsse. Daher eine so wenig überzeugende, wenn auch so reichliche Literatur darüber. Daher auch das Unvermögen einer definitiven Entscheidung jenes Streites z. B. inbetreff" der Insecten, trotz der Mitarbeit solcher Forscher wie Vitus Graber, John Lubbock, Hermann Müller. Feles Plateau mit ihren Schülern und Anhängern. Überhaupt muß sich die bei derartigen Fragen von den Ge- nannten ausschließlich angewendete statistische Methode not- wendig als unzureichend erweisen. Ein glücklicher Zufall gestattete uns auf Tiere zu stoßen, die man mittels Indi vidualisiermethode (Einzelmethode), jedes Individuum für sich bei allerlei chromatischen Kombinationen IQQ ROMUALD MiNKlEWICZ, untersuchen und bei denen man nebenbei — wie bereits liervor- g-ehoben wurde — aus der im Kostüm objektivierten schöpferischen Tätigkeit des Tieres, als unwiderleg- lichen Beweis seiner Farbenempfindlichkeit, Schlüsse ziehen kann. Was ist nun aber jene ..mimetische Zweckmäßig'keit und Voll- kommenheit" des Instinkts? Sollten wir uns mit der einfachen Feststellung begnügen und, den gebahnten Spuren der Darwinisten folgend, bloß in der Reihe anderer Mimetismen einen entsprechenden Platz für sie suchen? Ist keine Möglichkeit vorhanden, auf dem Wege einer tiefer gehenden Untersuchung wenigstens den Rand der Hülle zu heben, die das physiologische Wesen jenes Instinkts birgt? Das eben wird der Gegenstand meiner Versuche sein. Vor allem das Problem der „Zweckmäßigkeit". Für diejenigen, denen diese Etikette viel sagt und auf dem Gebiete des Lebens alles erklärt, besitze ich eine Anzahl „djsteleo- logischer" Tatsachen. Wie wir schon oben sagten, kleiden sich die Majae sowohl am heimatlichen Meeresgrunde als unter anormalen Verhältnissen des Aquariums oft in solche Gegenstände, die ihre Anwesenheit eher verraten als verbergen. — Auch sagten wir oben, daß sie in einer neuen Umgebung ihr früheres Kostüm nicht ablegen, und sollte diese Umgebung von einer andern, noch so sehr dissonierenden Farbe sein. Und doch sind sie im allgemeinen befähigt, die Panzerhaken zu reinigen (und tun es auch oft, nach Beobachtungen von H. Fol). Die Reinigungsbewegungen sind im ganzen Krabbenreich überaus lioch entwickelt, — Studien hierüber von Bethe in seinen Unter- suchungen über Carcinus maenas. — Und dennoch nehmen die Majae ihr altes, sie unter den neuen Bedingungen verratendes Kleid nicht herunter. Gehen war aber zu lehrreichen Tatsachen über. Das ganze Aquarium ist schwarz, von oben mit zerstreutem Tageslicht beleuchtet. Maskierungsstoflf zweifarbig: Schwarz und irgendeine andere Farbe (grün, gelb, weiß . . .). Die schwarzen P a p i e r s t ü c k e bleiben unberührt! Und doch ist das eben die Farbe des Mediums. Alle andern, sogar die weißen werden von den Tieren zum An- Versuch einer Analyse des Instinkts. 197 kleiden venvendet, die schwarzen allein nicht. JSchwaiz kleiden sie sich dann, wenn wir außer Schwarz nichts anderes mehr hinein- legen, und auch dann erst nach längerni Zeitverlauf. Was hätte denn das zu bedeuten? Weshalb sollte die Teleologie des Instinkts einzig und allein bei schwarzer Unigebungsfarbe ver- sagen müssen? Unmöglich ist es, den Grund hierfür darin zu suchen, das Tier finde diese Farbe in seinen normalen Lebensverhältnissen nicht, es hätte sich also auch der Instinkt an sie nicht evolutionsmäßig an- l)assen können. Es ist deshalb unmöglich, weil das Tier auch sonst weder weiße noch grellgelbe noch violette Farbe findet, sich aber dennoch bei diesen Farben zweckmäßig verhält. Ebensowenig ist es möglich, von eventuellen „Fehlern" des Instinkts zu sprechen, wie dies häufig — nicht nur im Alltagsgespräch, sondern auch in wissenschaftlichen Schriften — geschieht, denn schon die Zusammen- stellung selbst von Begriffen „Fehler" und „Instinkt" ist ein Un- sinn, wie dies ja übrigens Wladimie Wagner in einem speziell dieser Frage gewidmeten Kapitel seines Buches ^) an faktischen Beispielen vortrefflich klargelegt hat. Die im ersten Teil unserer Arbeit entwickelten Beweisführungen schließen die Möglichkeit aus, eine Erklärung in einer „Abneigung" oder „Angst" vor der schwarzen Farbe zu suchen. . . . Konkrete Aufschlüsse hierüber können nur in physiologischer Kausalität gesucht werden. Es ist dies bis vor kurzem nicht möglich gewesen. Erst die von uns 1906 entdeckten Erscheinungen des Tier chromotro pis- mus") wiesen darauf hin, auf welchem Wege eine Erklärung zu suchen wäre. Das Wesen der Entdeckung besteht im Nachweis einer eigenartigen Wirkung von farbigen Strahlen bzw. Flächen auf die Bewegung des Tieres in dieser oder jener Richtung. So bewegt sich z. B. eine kleine Nemertine, Lineus ruber, mit der ich ursprünglich in Eoscoft" meine Versuche angestellt habe, stets in der Eichtung der chromatischen Strahlen (resp. Flächen) der 1) W. AVagxer, Probleme der Zoopsychologie (russisch), 1896. 2) ROMUALD MiNKlEWiCZ, 1. Sur le chromotropisme et son Inversion artificielle, in: CE. Acad. Sc. Paris, Vol. 143, No. 21 (19. Nov. 1906). 2. Le role des phenoinenes chromotropiques dans l'etude des problemes biologiques et psychophysiologiques, ibid., Xo. 23 (3. Dez. 1906). Beide Artikel auch englisch iin amerikanischen „.lournal of comparative Neurology and Psychology, Vol. 17, No. 1, 1907. — Übers, v. Herausgeber. 198 KOMUALD MiNKIEWICZ, linken, d. i. roten Hälfte des Spektrums, er entzieht sich hingegen der Strahlenwirkung des rechten, violetten Teiles desselben. Er ist demnach — um die bereits festgesetzte Terminologie zu gebrauchen — positiv erythro tropisch und gleichzeitig negativ ian- thino tropisch (pur purotropisch). Fallen in einem kleinen Glasgefäße die Strahlen nur von einer Seite lier, dann wird die Richtung der Bewegung des Lineus gegen die Strahlen hin oder von ihnen weg durch die chromatische Beschaffenheit der Strahlen deter- miniert, wie dies die beigefügte Zeichnung veranschaulicht. Dift'uses Dämmerlicht ßotes Glas Blaues Glas Stärkere diffuse Belichtung (Tageslicht) Grünes Glas Gelbes Glas t >' *) Anfangslage des Wurmes, Kopf schwarz. Die Beobachtung wird durch die hintere, nicht verhüllte Wand des Behälters angestellt. Fig. A. Linien der chromotropischen Bewegung von Lineus am Anfange der Reizwirkuug. Die Differentialempfindlichkeit von Lineus ist — wie wir sehen — derart fein, daß sie sogar auf die einander nächstgelegenen gelben und grünen Strahlen verschiedenartig reagiert. Wenn wir eine bis zur Hälfte mit Seewasser gefüllte Glas- röhre mit einigen Lw^ews-Exemplaren wagerecht, parallel zur Licht- quelle hinlegen und sie mit einer Reihe farbiger Glasplatten be- decken, dann sammeln sich nach einiger (zuweilen ziemlich langer) Zeit die sämtlichen Würmer unter der roten Glasplatte an, oder in Emangelung einer solchen unter denjenigen, die die größte Anzahl langwelliger Strahlen hindurchläßt, somit unter der gelben, in Ermangelung einer solchen unter der grünen Platte etc. — ganz unabhängig davon, in welcher Ordnung die Platten aneinandergereiht wurden. — Es geschieht dasselbe, wenn wir, statt Glasplatten zu gebrauchen, Glasröhren mit farbigen Seidenpapierstreifen umwickeln. Versuch einer Analyse des Instinkts. 199 Legen wir endlich ein kleines längliches Glasgefäß auf zwei- farbiges Papier, so daß die eine Hälfte desselben einen roten, die zweite z. B. blauen Boden bekommt, dann sammeln sicli die ^^'ürmer immer am roten Hinter gründe, insofern natürlich die Quantität des von oben fallenden Lichtes in beiden Teilen des Gefäßes einander gleich ist. Wie immer die Strahlen ausfallen (ob sie reflektiert werden oder hindurchgehen) und woher sie auch kommen mögen, das Tier bleibt unveränderlich erythro tropisch. Solcher nach ^löglichkeit verschiedenartig gestalteter Versuche habe ich in Roseoff eine Menge ausgeführt mit tätigstem Anteil des Kollegen Mieczyslaw Oxner, mit dessen Erlaubnis ich die oben erwähnten Tatsachen angeführt habe. Auf die eventuelle Einwendung, daß lAneus — ein lichtscheues Tier — nicht etwa infolge einer besondern Wirkung verschieden- farbiger Strahlen sich ihnen gegenüber so oder anders verhält, sondern es geschehe dies ausschließlich infolge gi'üßerer Wirkungs- intensität der stärker brechenden Strahlen, wie dies schon Loeb im Jahre 1890^) annahm, auf solche eventuelle Einwendung ant- wortete ich damit, daß ich den Chromotropismus des Lii2e?fs^ künstlich, auf physikalisch-chemischem Wege in- vertiert habe, ohne daß die Art seiner Reaktion auf gewöhnliches Licht sich irgendwie geändert hätte.-) Hierüber jedoch später. Nun folge eine Anzahl anderer Beweise, stichhaltig genug, um uns von v o 1 1 s t ä n d i g e r U n a b h ä n g i g k e i t u n d S e 1 b s t ä n d i g - keit beider Erscheinungskategorien des Chrom o tro- pismus und des ge W' öhnlichen Photo tropismus zu über- zeugen. 1. Lassen wir auf einen Teil der waagerechten Glasröhre außer dem gedämpften zerstreuten Licht, sei es direkt vom Prismen- spektrum, sei es kombiniert, mittels roten Glases rotes Licht fallen, dann sammeln sich die Nemertinen (Lineiis) trotz bedeutend ver- stärkter Beleuchtung im roten Teil der Röhre, wiewohl sie in nor- malen Verhältnissen sogar vor gedämpftem Tageslicht in den Schatten fliehen. 1) Jacques Loeb, Der Heliotropismus der Tiere und seine Überein- stimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen, Würzburg 1890, p. "36, 109. 2) R. ^ii>^KiEWiCZ, 1. c, erster Artikel (November). 200 ROMUALD MiNKIEWICZ, Es geschieht dasselbe, wenn wir statt der Glasplatten mit farbigen Seidenpapierstreifen umwickelte Glasröhre benutzen. 2. Die unlängst eben in Villefranche an dem Einsiedlerkrebs Pagunis angestellten Untersuchungen. Diese eigentümlichen Krebse, deren Instinkt, ihren weichhäutigen Hinterleib in fremde Schneckengehäuse zu stecken, ebenfalls Gegen- stand meiner Studien ist, wenden sich, wie längst bekannt, d e m Lichte zu. Sie sind demnach positiv phototropisch. Gleich- zeitig können sie zwischen grünen and blauen (oder violetten) Flächen wählen, wenden sich unter normalen Verhältnissen immer nur den grünen Farbenflächen zu, somit gegen Strahlen des mittlem Teils des Spektrums, von mittlerer Brechbarkeit und mittlerer Wellenlänge. Unter gleichzeitiger Wirkung grüner und roter Flächen wählten sie wieder die grünen. Auf der Grenzlinie von roten und blauen (resp. violetten) Farbenflächen wählen sie hingegen die letztern. Somit überzeugen wir uns von einer ganz eigenartigen Wirk u n g de r g r ü n e n Strahlen: vom C h 1 o r o t r o p i s m u s des Pagurus. Es war dies zu erwarten angesichts der Untersuchungen von Paul Bert ^) und J. Lubbock -) an Daphnien, die von Loeb über- sehen oder gar mit Unrecht unberücksichtigt gelassen wurden, wie auch nach den vortretflichen Arbeiten von W. Engelmann ^) über Protozoen und Diatomeen, und von J. Wiesnee^) über junge Pflauzenstiele von Vicia sativa u. dgi. Es wäre überflüssig, nach weitern Beweisen zu suchen. Es ist nicht möglich, die Wirkung gegebener Strahlen oder Farbenflächen vorauszubestimmen, wenn auch das Verhältnis des Tieres zum Tageslicht bekannt wäre, da die Einwirkung dieser beiden Reiz- kategorien auf die Tierbewegungen keineswegs durcheinander be- dingt ist. Der Chromotropismus ist eine selbständige, autonome, unabhängige Erscheinung. 1) Paul Beet, Sur la visibilite des divers rayons du spectre pour les animaux, in: CR. Acad. Sc. Paris, Vol. 69, p. 363 — 365 (1860). 2) J. Lubbock, Les sens et l'instinct chez les animaux, in : Biblioth. sc. internation., Paris 1891, Kap. 10. 3) Wilhelm Engelmann, Über Licht und Farbenreception niederster Organismen, in: Arch. ges. Physiol., Vol. 29 (1882), p. 389—393. 4) Julius Wiesnee, Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzen- reiche, Teil 1, in: Denkschr. Akad. Wiss. Wien, A^ol. 39 (1879), p. 190 bis 191. Versuch einer Analyse des Instinkts. 201 Diese Tatsache ist von ungemein großer Wichtigkeit für unsere weitern Untersuchungen. Die ^^'irkung• eines bestimmten Farbenstrahles auf ein bestimmtes Tier ist jedoch keine einfache Funktion der chromatischen Beschatfeu- heit des geg-ebenen Straliles. Sie liängt nämlich in gewissem, oft sogar in erheblichem Maße vom physiolog-ischen Zustande des Tieres ab, der wieder durch äußere oder rein innere Verhält- nisse bedingt wird. Daß dem wirklich so ist, zeigt die Möglichkeit einer Inversion chroraotropischer Reflexe mittels entsprechender Experimentieimethoden. Es gelang- mir dies bis jetzt in zwei Fällen, jedesmal auf eine überaus interessante Weise. Es ist nicht hier der Ort, in die Details dieser Versuche einzugehen, wiewohl das Interessanteste an ihnen eben eine genaue Analyse derselben wäre. Die letztere ist zu finden in den oben erwähnten kurzen französischen Noten wie auch in einer umfangreichem Arbeit, die ich binnen kurzem der Krakauer Akademie der Wissenschaften zur Veröifentlichung vorzulegen ge- denke. Dasjenige, was sich unmittelbar auf vorliegendes Thema bezieht, verhält sich folgendermaßen: In mit 2b — 80 Teilen destillierten Wassers verdünntes Seewasser hineingelegten Exemplare von Linciis äußern nach einiger Zeit, ge- wöhnlich am nächsten Tage, einen derart veränderten Chrom o- tropismus, daß die vorher positiv wirkenden Strahlen nunmehr eine negative Wirkung ausüben und umgekehrt. Die Würmer werden i a n t h i n 0 1 r 0 p i s c h (purpurotropisch) und wenden sich den früher gemiedenen violetten, blauen etc. Strahlen und Flächen zu. Dagegen bleibt d a s V e r h ä 1 1 n i s zum Tageslicht un- verändert — negativ. Daß jedoch der Erythrotropismus von Lineus nicht einfach eine Funktion des normalen Seewassers, der lanthinotropismus aber eine Funktion des verdünnten Mediums ist, zeigt uns die Tatsache, daß nach einigen Tagen die im verdünnten Seewasser sich befindenden Stücke zur frühern Norm zurückkehren. Die Inversion des Chromo- tropismus verschwindet. Damit nicht genug, kann man wiederholt eine Inversion erzielen, wenn man die Würmer nach einiger Zeit in normales Wasser zurückversetzt. Die Änderungen in der Reaktion des Tieres gegen die Wirkung der Farbenstrahlen scheinen somit vom Zustande des physio- logischen Gleichgewichts des Organismus abzuhängen; Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. W 202 KOMUALD MiNKIEWICZ, bei einer jeden Gleichgewichtsstörung- tritt irgendeine Veränderung der chromotropischen Reflexbewegungen auf. So bei Lineus. Unlängst — Ende April — erlangte ich eine Inversion des normalen Chlorotropismus der Einsiedlerkrebse, indem ich sie längere Zeit hindurch in großen Gefäßen von 1—2 1 Inhalt in nicht ge- wechseltem Seewasser hielt. Indem die Paguriden nach und nach einer Vergiftung durch ihre eignen Excremente und der Asphyxie oder auch nur einem von den beiden Faktoren erliegen, ändern sie ihren Chlorotropismus in Erythrotropismus und wenden sich der roten Hälfte des Gefäßes zu. Noch sonderbarer ist es, daß die Krebse bei grünem und violettem (oder blauem) Boden die letztere Farbe wählen, wiewohl sie ja jetzt das Tageslicht fliehen. An die Grenzlinie von Eot und Blau gesetzt, begeben sich die intoxizierten Paguriden auf die rote Farbenfläche. Nun möge Loeb versuchen, diese Tatsachen mit seiner Theorie (eigentlich mit der Theorie des Botanikers J. Sachs, die er unver- ändert auf die Tiere übertragen hat) in Einklang zu bringen: in den Lichttropismen seien eigentlicli nur die am stärksten brechenden Strahlen tätig, die langwelligen hingegen seien von einer sehr geringen Wirkung, die ihrem Wesen nach jedenfalls dieselbe sei. Was sich für uns daraus als Wichtigstes ergibt, ist die sow^ohl bei Lineus wie bei Pagurus festgestellte Umwandlung der chromotropischen Reflexe zugleich mit jeder durch irgendwelche Einflüsse des Milieus hervorgerufeneu Änderung des physiologischen Zu Standes des Tieres. Könnte nicht auch in gewissen Fällen zu diesen Einflüssen des Mediums die unmittelbare Einwirkung der Farbenumgebung mit- gezählt werden? Es ist ja bekannt, daß die Richtung des Phototropismus oft von der Intensität des Lichtes oder von den dem Versuch vorangehenden Belichtungsverhältnissen abhängt. Es wurden von verschiedenen Beobachtern an verschiedenen Tierformen von der Beleuchtungsintensität abhängende Änderungen der Be- Avegungsrichtung (-j- oder — ) nachgewiesen, so von Loeb an der Balanus-hsiYye, von Parker an dem Copepoden Labidocera, von Holmes an dem Amphipoden Orchestia wie auch an Volvox unter Versuch einer Analyse des Instinkts. 203 den Flagellaten, endlich von Adams ^) am Regenwnrm. Vor kaum zwei Jaliren konstatierte Geohges Boiix -) eine ähnliche Wirkung eines längern Aufenthalts in Licht oder Dunkelheit an der kleinen Meeresschnecke Litiorina. Ks wären nun a priori analoge Fälle bezüglich der Richtung chromotropischer Bewegungen zu erwarten, bedingt durch die dem Versuche vorangehenden oder fortdauernden chromatischen Verhält- nisse des Mediums, in dem sich das Tier befindet. Natürlich muß man auf derartig empfindliche Tiere treffen. Sie müssen eine anpassungsfähige sensomotorische Organisation besitzen, daß die innere Zustandsänderung unter Einfluß cliromatischer Reize allein sich uns durch Bewegungen äußert. Es ist von vornherein zu erwarten, daß nur wenige A\'esen fähig sein werden, solch komplizierten Anforderungen zu entsprechen. Bis jetzt sind mir solche Organismen ausschließlich unter marinen Crustaceen bekannt. Es sind dies einerseits kleine Garneelen {Hippo- hjte varians), andrerseits die sich maskierenden Krabben, wenigstens die von mir am genauesten untersuchten Majae. Beginnen wir mit den erstem. Von Hippohjte ist es längst bekannt, daß die einzelnen Individuen verschieden gefärbt sind, je nach der Hauptfarbe der Umgebung. Am häufigsten sind sie natürlich unter Wasserpflanzen grün in ver- schiedenen Nuancen und braun oder braunrot gefärbt. Diese Färbung kann entweder einheitlich sein oder auch in Mustern, Streifen und Flecken bestehen, von verschiedenem Umfange und verschieden- artiger Gruppierung '^), und darin wieder mit den Mustern des Milieus übereinstimmen. Dieser so vollkommene variierende Mimetismus erklärt aucli den Artnamen varians. Nicht dies aber ist für uns an der Sache von Interesse, sondern die Tatsache , daß jede von diesen c h r o ra a t i s c h e n V a r i a - 1) Geoege P. Adams, On the negative and positive phototropism of the earthworm Allobophora foetida as determined by light of different intensities, in: Amer. Journ. PhysioL, Vol. 9, No. 1 (1903). 2) Georges Bohx, Attractions et oscillations des animaux marins littoraux sous l'influence de la lumiere, in: Mem. Instit. gen. PsychoL, Vol. 1, 1905, p. 41. 3) Siehe die vortrefflichen farbigen Tabellen in der Arbeit von F. W. Keeble u. f. W. Gamble, Hippolyte varians — a study in colour-change, in: Quart. Journ. microsc. Sc, Vol. 43 (1900), tab, 32, 33. 14* 204 ROMUALD MiNKIEWICZ, tionen einen eigenartigen Chromotropismus anfweist, indem sich das Tier stets diesem Milieu zuwendet, dessen Farbe es selbst an seinem Körper trägt. Dieser Schluß ergibt sich wenigstens aus den in der bereits erwähnten Arbeit von Keeble u. Gamble, p. 601, 602, 694 dar- gestellten Beobachtungen, daß nämlich die Verfasser oftmals in den Behälter mit Hippolyie verschiedenfarbige Wasserpflanzen hineinlegten, worauf die Krebse sich stets zu solchen wandten, die mit ihrer eignen Hautfarbe harmonierten. Sodann blieben sie an denselben bewegungslos haften. Es bezieht sich dies sowohl auf grüne wie auch auf gelbliche, braune und rote Algen und Krebse zugleich. Leider begnügen sich die englischen Verfasser mit der bloßen Angabe ihrer Beobachtungen, ohne die große Tragweite dieser Tat- sache erkannt zu haben. Weder weitergehende Schlußfolgerungen noch weitere Untersuchungen wurden von ihnen unternommen. Sie haben aber die Herkunft jener Farben Variationen erforscht, und dies bedeutet für uns schon viel. Die jungen, frisch aus der Larve umgewandelten Hippolijte sind farblos. In den Aquarien an irgendeine farbige Wasserpflanze gebracht, nehmen sie nach einiger Zeit deren Färbung an. Versetzen wir sie nachher auf einen andersfarbigen Hintergrund, dann harmonieren sie nach einigen Tagen wieder mit dem neuen Milieu, sich ihm in der Farbe anpassend. Es zeigt sich somit, daß die Farbe von Hippolyte nicht vererbt, angeboren oder konstant, sondern im Gegenteil individuell er- worben ist und individuell variiert. Auch erwachsene Individuen haben die Fähigkeit, ihre Farbe zu ändern, nur erfordert dies oft eine ziemlich lange Zeit (in Versuchsaquarien manchmal ca. eine Woche) und damit im allgemeinen um so länger, je größer bzw. älter ^) das Tier ist. In Roseoff habe ich die von Keeble u. Gamble angeführten Tatsachen nachgeprüft und kann sie nicht nur bestätigen, sondern noch hinzufügen, daß es mir gelang, die Farbe an weit größern Exemplaren zu ändern, als dies bei genannten Autoren der Fall war, durch Zucht in mittelgroßen Glasbehältern mit farbigem Papier- 1) Keeble and Gamble, The colour-physiology of higher Crustacea, Part III, in: Phil. Trans. Roy. Soc. London, V^ol. 198 (1905), p. 11—12. Versi;ch einer Aualj'se des Instinkts. 205 boden oder mit farbigen Deckeln aus Glas oder Seidenpapier, die das Licht durcliließen. Leider waren mir damals die Beobachtungen über den Chromotropismus der Hippolyte noch niclit bekannt, meine Versuche gingen unter Umständen vor sich, wo die chromotropischen Beweg"ang-en ausg-eschlossen waren. Ich kann also die fraglichen Daten vorläufig- nicht ergänzen, lioft'e es aber bald nachzuholen. Die Exaktheit anderer Beobachtungen und Versuche von Keeble u. Gamble bürgt jedocli hinreichend dafür, daß sie auch hierin das Riclitige getroffen, um so mehr als es ja Tatsache ist, daß die zu- sammen mit den sie bergenden Algen gefangenen Hippolyte immer an entsprechend gefärbten Pflanzenteilen haften, und wenn der untere Teil der Pflanze lichter, der obere hingegen dunkler ist, dann haften die Krebse an demjenigen, der ihnen im Farbentone näher steht. Wenn nun die Farbe von Hippolyte im Laufe ihres individuellen Lebens erworben wird, der Chromotropismus aber, soweit uns bekannt, stets mit der Farbe harmoniert, dann ergibt sich daraus der ein- fache Schluß, daß auch der Chromotropismus zugleich mit der Farbe mit erworben wird. Und da die betreftende Farbe sich, wie wir oben gesehen, unter unmittelbarem Einfluß des Milieus entwickelt und festigt, so faßt auch der ihr entsprechende Chromotropismus festen Fuß unter derselben unmittel- baren Wirkung der farbigen Strahlung im Medium. Wird eine Hippolyte auf irgendwelche Art in ein andersfarbiges, dissonierendes Milieu gebracht, z. B. eine grüne auf roten Unter- grund, dann ändert sich nach einiger Zeit ihre Farbe in ein dem neuen Milieu entsprechendes Rot und demgemäß ändert sich auch ihr Chromotropismus, in unserm Falle Chlorotropismus, in Erythro- tropismus. Ob dies gleichzeitig geschieht oder ob die beiden Vorgänge nacheinander verlaufen, das festzustellen ist die Aufgabe weiterer Untersuchungen, die voraussichtlich nicht allzu lange auf sich warten lassen werden. Wie dem auch sei, hier liegt ein vortreffliches Beispiel von Anpassungsfähigkeit der ganzen anatomisch-physiologischen Organi- sation vor, sowohl in betreff der Gruppierung der Chromatophoren ^) wie bezüglich des sensomotorischen Apparats. Der Änderungsvorgaug 1) Die hier ungemein kompliziert sind und sich aus 2 Arten von Pigmentkörnchen, gelb und rot, von selbständiger, voneinander unab- hängiger Bewegung, wie auch aus einem dritten — blauen, diffusen und zumindest periodisch auftretenden Pigment zusammensetzen. 206 KOMUALD MiNKIEWICZ, der erstem ist noch in hohem Grade unklar trotz der glänzenden und gehaltreichen Untersuchungen von Keeble u. Gamble. Der zweite Vorgang ist uns bis jetzt absolut unbekannt. Von seinem Vorhandensein zeugen jedoch klar die jedesmal veränderten Bewegungen des Tieres. Sowohl im erstem wie im zweiten Falle tritt eine gewisse direkte Zuordnung des reagierenden Organismus zu den Einflüssen des Milieus ein, eine chromatische Übereinstimmung, eine Art direkter, nichtsdestoweniger aber zu den Maskierungszwecken gleichsam voll- kommen geeigneter c h r o m o k i n e t i s c h e r Resonanz. — Direkte Anpassung, direkte zweckmäßige Reaktion. Dies klingt sonderbar, es ist aber so, und ist nicht verwunder- licher und unverständlicher als jeder Selbsterhaltiingsakt einfachster lebender Organismen. Sie sind bis jetzt sämtlich gleichdunkel ge- blieben. Wer weiß, ob die von uns formulierte Erklärung nicht eher zur nähern Erforschung derselben beitragen wird? Ob sie uns nicht den Saum jenes Vorhanges zu lüften verhilft, der eifersüchtig das Wesen der Lebenserscheinungen verhüllt. Überlassen wdr das der Zukunft. Was aber schon gegenwärtig eine Errungenschaft bedeutet, ist d i e T a t s a c h e der c h r o m o k i n e t i s c h e n Übereinstimmung sowohl der beweglichen Chromatophoren wie auch der chromo- tropischen Bewegungen des ganzen Tieres mit dem betreffenden farbigen Milieu. Da nun die beiden genannten Vorgänge als unmittelbare Re- aktion des Organismus gegen betreffende Einflüsse des Milieus vor sich gehen, sehe ich mich gezwungen, neue, objektive Bezeichnungen: S y n c h r 0 m a t i s m u s und s y n c li r o m a t i s c h e n C h r o m o t r o p i s - mus, einzuführen, die außer der Feststellung der Tatsache selbst nichts weiter aussagen, während der Ausdruck „Mimetismus" außer dem allzu anthropomorphischen Charakter noch den Begriff einer selektionistischen Entwicklung der Erscheinung enthält, wovon hier abzusehen wäre. Gehen wir endlich zu den sich maskierenden Krebsen über. Erst jetzt können wir eine tiefere Analyse ihres erstaunlichen Instinkts versuchen. Würde nämlich eine Erklärung dafür, daß sie ihr Kleid in Übereinstimmung mit der Farbe des Milieus wie auch ihren Aufent- Versuch einer Analyse des Instinkts. 207 lialtsort in Übereinstimmung mit der Kleidfarbe wählen, nicht in den Reaktionen des s yn ehr oma tischen variablen Chromo- tropismus zu suchen sein, wie Avir einen solchen bei Hippolyte gesehen ? Die Sache wird sich folgendermaßen verhalten. In ein grünes Aquarium hineingelegt, werden die Majae nach einiger Zeit unter Einfluß der Strahlung des Mediums chlorotropisch gestimmt, d.h. außer Grün wird eine jede andersfarbige Fläche für die Tiere von einer negativen, abstoßenden ^^'irkung sein. Somit kann das Tier unter den am Boden des Aciuariums liegenden Papierstücken weder die roten noch die weißen nehmen, und muß sie stets unbeachtet lassen, da sie auf dem grünen Grunde des Milieus Flecken von negativer Wirkung bilden. Auf das grüne Papier hingegen wird es, im Aquarium herumirrend, zu- fälligerweise stoßen. Es kann sich also nur (in normalen Verhält- nissen) mit Grün bekleiden. Wechseln wir die Farbe des Milieus, z. B. in Eot, dann tritt nach einer gewissen Zeit in der chromotropischen Stimmung des Tieres eine synchromatische Änderung ein ; aufs neue gezwungen, den mit dem Milieu dissonierenden Flecken auszuweichen, wird sich das Tier diesmal in Rot kleiden. Es leuchtet ein, daß die Krabbe ihr altes Kostüm, selbst wenn es in den neuen Verhältnissen für sie noch so verräterisch sein sollte, nicht herabnehmen wird, denn 1. tritt der Vorgang des Ankleidens selbst gar nicht in die Reihe der chromotropischen Re- aktionen, 2. könnte das Kostüm meistenteils, wenn überhaupt, dann nur eine sehr geringe Wirkung auf die Augen des Tieres ausüben, die nach vorn, etwas abwärts und nach außen gerichtet sind; sehr leicht möglich, gar keine. Wieso? Auf welche Weise könnte das Tier einen mit der Farbe des Kostüms harmonierenden Aufenthaltsort „wählen"? Sehr einfach. Wie die aus ihrem heimatlichen Milieu herausgefischten Hippohße noch eine Zeitlang die durch jenes Milieu in ihnen hervor- gerufene chromotropische Stimmung fort bewahren und bei entsprechenden Bedingungen sich den übereinstimmenden Farben- flächen zuwenden, ebenso behalten die aus weißem Aquarium heraus- geholten weißgekleideten Majae weiterhin ihre weiße Stimmung bei und sind somit gezwungen, in einem weiß-roten Aquarium z. B. den weißen Teil als Aufenthaltsort zu wählen. Sind sie aber dort, dann 208 EoiiT^ALD MI^^KIEW^cz, wird in ihnen die leucotropische Stimmung durcli die unmittelbare Einwirkung des Milieus aufrechterhalten, und die Krabben sind nicht imstande, den roten (oder irgendeinen andern) Teil des Aquariums aufzusuchen. Ebenso verhalten sich natürlich die in Vorbereitungsaquarien von jeder andern Farbe gezüchteten Maja.e. Das Kostüm des Tieres an sich ist hierbei von gar keinem Einfluß. Nicht das „Bewußtsein"', am Eücken ein rotes Kostüm anzuhaben. z\\ingt das Tier zum roten Aufenthaltsorte, auch ist dies nicht die unmittelbare Wirkung der Farbe des Kostüms, denn — soweit man denken kann — vermag das Kostüm nicht, diese TTirkung auszuüben, sondern einzig und allein liegt es an der chromotropischeu Stimmung, die eine Zeitlang fortdauert. Gleich- sam ein physiologisches Gedächtnis in betreff voraus- gegangener unmittelbarer Wirkungen des c h i- o m a - tischen Milieus. Das Kostüm der Majae, ebenso wie die organische Farbe der Hippoli/ie. ist aber bloß eine zufällige, mit dem Chromotropisraus kaum mechanisch zusammenhängende Erscheinung. Sie könnten auch überhaupt fehlen, und ihre Abwesenheit könnte doch die farblose HippoJiße und die nackte, nicht bekleidete Maja nicht hindern, die verfeinerte Empfindlichkeit ihres sj'uchromatischen Chromo- tropismus zu bewahren. Nur wäre dies bei weitem nicht so außerordentlich interessant, denn es würde nicht den zweckmäßigen Charakter des organi- schen oder instinktiven Mimetismus aufweisen. Es ist von vornherein das Vorhandensein von Tieren mit syn- chromatischem variierendem C h r o m o t r o p i s m u s voraus- zusehen, jedoch ohne mimetische Fähigkeiten. Es ist auch das Vorhandensein anderer Tiere anzunehmen, mit variierendem Synchromatismus (= Mimetismus), jedoch ohne irgend- welche chromotropischeu Fähigkeiten oder auch mit einem dauernden, den Einflüssen des Farbenmilieus nicht unterliegenden Chromotropis- mus. Es wären dies Fälle eines unvollkommenen Mime- tismus. Endlich existieren sehr zahlreiche Organismen, wie Liueus, Pagitrus u. dgl., mit einem dauernden Chromotropismus in ihrem normalen Meeresmilieu, wo aber alle anatomisch-physiologischen Be- dingungen des Mimetismus vollständig fehlen. Es sind dies Fälle des g e w ö h n 1 i c h e n A c h r 0 m a t i s m u s. Sind jene Wesen außerdem, Vensucli einer Analyse des Instinkts. 209 wie z. B. LiiiCKS, von verschiedener, jedoch unveränderlicher Farbe, dann werden bei ihnen oft Fälle von Apochromatismus, einer crrellen Dissonanz zwischen Farbe des Tieres und des Milieus, vor- kommen, auch dann, wo ihr Chromotropismus sich äußern könnte, da die Line US rube>'-\ siiietsiten aller Farben einen ausgesprochenen und dauernden Erythrotropism us besitzen. A p 0 c h r 0 m a t i s m u s und A c h r o m a t i s m u s sind bekanntlich sehr verbreitete Erscheinungen. Es gibt endlich Wesen, die weder durch Bewegungen noch organisch gegen die chromatischen Unterschiede des Milieus reagieren: achromo tropische und achromatische Wesen, eine voll- ständig farbenblinde Art. Kehren wir indessen zu den sich maskierenden Krabben zurück. Bei derartiger Auffassung der Erscheinungen der Farbenwalil von Jlaja gibt es keinen Platz für „dysteleologische" Tatsachen, auch nicht für „Fehler des Instinkts". Alles, was wir bis jetzt wahrzunehmen vermochten, findet seine Erklärung im physiologischen Determinismus der c h r o m o t r o p i - sehen Bewegungen des Tieres. Und dies ist schon sehr viel für die objektive Beurteilung unserer Auffassung in bezug auf wissenschaftliche Wahrheit. Die in einem schwarzen Aquarium weilenden Majae stehen unter keinem chromatischen Einfluß; da die Radiation des schwarzen Milieus nach unsern physikalischen Be- griffen gleich Null ist. Daher sind die Majae dort ohne jede ehr omo tropische Stimmung. Es ist klar, daß in solchen Verhältnissen ein jeder genügend umfangreiche farbige Papierfleck auf dem schwarzen Boden des Aquariums für die ungemein empfindlichen Tiere eine positive, sozusagen anziehende Fläche bilden wird. Das Tier richtete seine Schritte dorthin und, auf entsprechendem Stoff antreffend, kleidet es sich in denselben. Eben deshalb werden die Majae im schwarzen Aquarium eine jede Farbe zu ihrem Kleide verAvenden, da in diesen Verhältnissen jede Farbe (Grün, Eot, Gelb, Violett, Weiß) chromotropisch effektiv sein wird. Diese Null an chromotropischer Stimmung ist gleichsam der kritische Punkt im physiologischen Gleichgewicht des Tieres, wo der geringste Einfluß die Auslösung einer be- stimmten chromokinetischen Reaktion hervorruft. 210 ROMUALD MiNKIEWICZ, Findet das Tier auf dem Wege zu der positiven Farbenfläche zufällig- einen der wirkungslosen schwarzen Papierstücke, dann kann es sich natürlich damit bekleiden, da doch die Fähigkeiten des An- kleidens von den chromotropischen Handlungen unabhängig sind. Letzteres kam aber bei meinen Versuchen überaus selten vor. Um mir die Gewißheit zu verschaffen, daß die physiologische Auffassung der Farbenwahl erscheinungen bei Majiden, die einzig und allein durch die Reaktionen des synchromatischen variierenden Chromotropismus determiniert sind, tatsächlich berechtigt ist, unter- nahm ich nachträglich zwei Reihen von Experimenten an Tieren ohne Kostüm, ja sogar ohne Stoff zur Bekleidung; Erste Reihe. Die völlig gereinigten Tiere, oder mit etwas Meergras am Rücken, werden in zwei Vorbereitungsaquarien, in ein grünes und ein rotes, gebracht. Farbiger Kleidstoff wird nicht bei- gegeben. Nach einiger Zeit, manchmal einigen Tagen, setze ich sie in ein Aquarium, das aus zwei entsprechenden Farbenteilen besteht. Das aus dem grünen Aquarium kommende Tier geht unter normalen Umständen auf die grüne, dasjenige aus dem roten auf die rote Hälfte hinüber. Und es hat doch gar kein Kleid an! Zweite Reihe. Im grünen Aquarium beobachte ich den bei den Krabben „beliebten" Winkel, w^o sie zumeist verweilen, mit dem hintern Körperteil an der Glaswand hockend. Hierauf mache ich den Boden dieses Winkels rot. Es muß nun dieser Boden, wenn meine Auffassung richtig ist, eine negative Fläche für die cliloro- tropisch gestimmten Tiere bilden. Natürlich werden die Krabben vorher aus dem genannten Winkel verjagt. Es zeigt sich nun, daß die Majae gegenwärtig in jedem andern von den drei übrigen Winkeln hocken, auf der Suche nach Nahrung im A quarium herumirren, den roten Winkel jedoch nicht einmal betreten werden. Der Versuch dauerte mehrere Tage. Oft sah ich, wie sie sich der Grenzlinie nahten, dort stehen blieben und nach einiger Zeit umkehrten. Offenbar waren sie nicht imstande, die verhängnisvolle Grenze zu überschreiten. Hierauf wechselte ich den negativen Winkel; früher war es ein linker, nun war es ein rechter. Die Krabben suchen wieder den frühern, „liebgewonnenen" auf, wobei sie die neue rote Fläche sorg- fältig meiden. Versuch einer Analyse des Instinkts. 211 Jetzt wechsle icli die Farben. Das ganze Aquarium ist rot. Der dissonierende Winkel grün. Das Ergebnis bleibt dem vorigen gleich. Die empfindlichen :\rajae wurden erytlirotropisch gestimmt, und nun wirkt auf sie die grüne Fläche „abstoßend". Die genannten Winkel waren ungefähr von demselben Umfange wie die von mir als Maskierungsstoft" gebrauchten Papierstückchen. Diese Ergebnisse sind, glaube ich, überzeugend genug. So stellt sich der phj^siologische Determinismus jener ,.mime- tischen Teleologie" des Maskierungsinstinkts dar. Es war das der schwierigste Teil der Analj'se. Zugleich war dies der erste Moment, die erste Phase der instinktiven Eeflex- bewegungen des Tieres, von deren Ausführung auf diese oder jene W^eise die Wahl des maskierenden Stoffes abhing. Nun müssen wir uns der nächstfolgenden Phase, dem Vorgang der Maskierung, der Anfertigung des Kleides zuwenden. AVäre diese zweite Phase tat- sächlich nur mechanisch, durch Zeitfolge mit der vorangehenden ver- bunden, ließe sich alsdann nicht die eine von der andern absondern? Allerdings ist dies möglich — und zwar auf dem Wege einer vollständigen Ausscheidung der chromotropischen Phase. Es ist nur ganz einfach der Zutritt des Lichtes abzuschneiden. Dies Avurde bereits von Batesox an Steno r h y n c h e n ^) ausgeführt, ich wiederholte es an Majiden. Durch Abschneiden der Augenstiele blind gemacht, verhalten sich die Tiere ganz so wie die normalen, nur sind sie stark erregt und außergewöhnlich beweglich. Zufällig auf Meergras oder Papier gestoßen, führen sie eine Reihe von zusammengesetzten Maskierungs- tätigkeiten aus, und zwar in normaler Weise und in gewöhnlicher Ordnung, nur etwas eiliger, „nervös" und ohne die gewöhnliche „Pedanterie", wenn dieser anthropomorphische Ausdruck erlaubt ist. Ein solches Tier hielt ich wochenlang im Aquarium. Vom Kleid gereinigt, kleidete es sich immerfort aufs neue. So sind die Einflüsse der Augen, die Gesichts„eindrücke", das „Sehen" der Gegenstände des ]\Iilieus und des Maskierungsstoifes zu einem normalen Verlaufe der gegebenen instinktiven Tätigkeiten 1) Siehe kurze Notiz in: Journ. mar. biol. Associat., Vol. 1, No. 2 (October 1889), p. 213—214. 212 KOiirALD MiXKLEWICZ, durchaus nicht unentbehrlich. Nicht in ihnen ist die Quelle der Keize zu suchen, die das Tier ..seine Nacktheit zu hüllen" zwingen. "Wohl also ,.im Gehirn", in cerebralen Xervenzentren? Wäre dies auch nach den vortrefflichen Untersuchungen von Bethe ^) an der g-ewöhnlichen Krabbe (Carcinus maenas) und einer Eeihe anderer Krebse und Insecten sowie nach den Versuchen von LoEB -) und seiner Schule an verschiedenartigen Gruppen der niedern Tiere nicht unwahrscheinlich, so bezieht sich doch keine von den genannten Arbeiten auf einen derart zusammengesetzten Instinkt, somit lassen sie alle in dieser Beziehung so manchen Zweifel bestehen. Ich ging nun angesichts dessen daran, das Gehirn der Maja zu operieren. Die Operation brachte ich nach der Trepanationsmethode zu- wege, durch eine kleine Öffnung im Panzer, von der Tentralseite aus, dicht vor der Mundöffnung. Mittels eines kleinen Hakens mit scharfem Innenrande schnitt ich nach AVaed und Bethe die beiden Connective durch, die die Cerebralmasse mit den verschmolzenen Ventralganglien verbinden, den einzigen Weg der Zentralkommuni- kation. Die Majae vertragen die Operation der Gehirnabschneidung vortrefflich, auch dann sogar, wenn die Öffnung der Wunde über- haupt nicht verklebt wurde. (Gewöhnlich wird sie mit reinem Wachs verschlossen.) Nachdem die Xervenerschütterung vorüber Avar, gewöhnlich schon nach einer knappen Viertelstunde, bleiben alle einfachen Reflexe des Tieres, sowohl die durch die Ventralganglien bedingten (also die Eeflexbewegungen der Maxillarfüße. der Scheren- und der Gehfüße) wie auch die durch Cerebralganglien bedingten Reflexe der Antennen und Augen, intakt bestehen, wenn nur die Operation gut ausgeführt wurde. Einige Zeit nachher sind auch alle zusammengesetzten Reflexe wiederhergestellt: Nahrungsaufnahme, koordinierter Gang, die ,,Ab- wehr"-Bewegungen, das Reinigen des Panzers, Koordination der 1) A. Bethe, 1. Das Centralnervensystem von Carcinus maenas, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 50 (1897) und Vol. 51 (1898). 2. Ver- gleichende TTntersuchungen über die Funktionen des Centralnervensystems der Arthropoden, in: Arch. ges. Pbysiol., Vol. 68 (1897). 2) J. LoEB, Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie, 1899. Erste Hälfte des Buches. Versuch einer Analj'se des Instinkts. 213 Beweg-uiip:en der die Xaliriino- zuführenden Scheren mit den kauenden Bewegungen der Maxillarfüße und der Kiefer usw. Der Unterschied zwischen einem operierten und normalen Tier reduziert sich auf eine bedeutende Abnahme der Muskelkraft im allgemeinen, insbesondere aber der Streckmuskeln der Extremitäten. Daher hängen die Maxillarfüße z. B. etwas lose abwärts, und das Kauen ist nicht imstande, harte und große Xahrungsstücke zu bezwingen. Infolgedessen ist das Tier auch längere Zeit nicht fähig vorwärts zu schreiten, es stößt mit dem Kopfe und fällt dann ge- wöhnlich um. wobei es sich nachher auf den Rücken legt. All dies unterscheidet sich bei 2Iaja in nichts von andern, von Albrecht Bethe so schön und umständlich analysierten Krebsen. Geradeso ist auch der Mangel von reflexhemmenden Erregungen wahrzunehmen. Eine Maja, die mit der rechten Schere einen links- seitigen Fuß zu kratzen beginnt, tut dies langsam, methodisch, oft geradezu endlos, so daß die Geduld des Beobachters erschöpft wird. AVir können aber diese Tätigkeit unterbrechen, indem wir einen andern Körperteil reizen, z. ß. die Haken eines andern Fußes oder diejenigen des Rückens. Nun richtet das Tier all seine Anstrengungen auf diesen neuen Punkt, soweit es imstande ist. ihn mit dem ge- schwächten Fuß zu erreichen. Wieweit die Muskelkraft der Gliedmaßen abgenommen hat. zeigt die Tatsache, daß die von mir operierten Majiden der Auto- tomie unfähig sind. Zu diesem Zwecke schnitt ich zu wiederholten Malen die Englieder irgendeines Fußes ab. und zwar auf dieselbe Weise, wie ich das an normalen Tieren auszuführen pflegte, die das beschädigte Glied an der von L. Fredeeicq beschriebenen Stelle unverzüglich lostrennten. Die operierten haben die dazu nötige Kraft nicht mehr. Der verwundete Fuß blutet. Die Erregung ist so stark, daß das arme Tier fortwährend erfolglose Anstrengungen macht, den Stumpf abzuwerfen, hierauf nähert es der verwundeten Gliedmaße andere Füße, anfangs die derselben Seite, dann auch der entgegengesetzten, packt so mit ihnen den verwundeten Fuß. zieht ihn an sich heran, faßt ihn mit der Schere und so, dank den ko- ordinierten allgemeinen Anstrengungen, gelingt es ihm manchmal, den d a s T i e r r e i z e n d e n F u ß e n d 1 i c li a b - z u b r e c h e n. Es bleibt ein gewöhnlicher kurzer Stummel, der nicht blutet und sofort — wie gewöhnlich bei Autotomie — mit einer dünnen Haut vernarbt. Diese interessante Tatsache veranlaßte mich zu gewissen Be- 214 KOMUALD MiNKIEWICZ, obachtungen über den Vorgang der Autotomie, was aber hier nicht erörtert werden kann. Angesichts einer so bedeutenden Abnahme der Muskelkraft war es natürlich kaum zu erwarten, daß die Maja imstande wäre, Mas- kierungsbewegungen auszuführen, die ein Zurückschlagen der Scheren über den Rücken erfordern. Ich hegte also keine besondere Hoff- nung bezüglich einer Erklärung des mich interessierenden Instinkt- problems. Dennoch unterließ ich fernere Untersuchungen nicht. Ich wählte dazu große, starke, über 10 cm lange Exemplare von Maja. Vor allem bemerkte ich, daß diejenigen, deren Befinden besser war, oft Wassergras oder Papierstücke mit dem Fuß ergriffen, sie zum Munde führten, eine Zeitlang zerknitterten, um sie alsdann mit dem Fuß gewöhnlich vor sich hinzuwerfen. Ebenso pflegten sie überaus häufig mit der Nahrung zu ver- fahren, die sie sonst kauten und schluckten. Da die Geruchsorgane (die Hinterantenneu) samt den ent- sprechenden Ganglien von den Ganglien der Maxillar- und Gehfüße abgeschnitten waren, so waren jene oben erwähnten, voneinander verschiedenen Reaktionen gegen verschiedene, mit dem Mund in Be- rührung kommende Gegenstände ausschließlich von den peripheren Organen der Maxillarfüße , der Maxillen etc. wie auch von den be- treffenden Ventralganglien abhängig. Übrigens sprechen dafür hin- reichend die differenzierten Operationen von Bethe, der verschiedene Ventralganglien voneinander trennte. Hingegen hängt das Führen der Gegenstände zum Munde ausschließlich von den Taktilempfln- dungen der Scherenfinger ab, was klar durch die Tatsache bezeugt wird, daß die von mir in die Scheren einer ganz ruhig liegenden Krabbe so sachte als möglich gesteckten Seidenpapierstücke das Tier veranlaßten, sie zu ergreifen und emporzuheben. Es zeugt dies zugleich von einer außergewöhnlich entwickelten Taktilempfindlich- keit der Scherenfinger. Die oben angeführte Tatsache, das Reinigen des Körpers, ins- besondere der Haken, beweist an und für sich eine nach der Ope- ration bewahrte, große Taktilempflndlichkeit des Panzers, insbesondere der Haare und Haken. AVerden die letztern mit einer Nadel oder Borste gereizt, dann ruft dies immer Abwehr- oder Reinigungs- bewegungen der Scheren hervor. Es muß diese Empfindlichkeit hochentwickelt sein, wenn das Tier ohne jeden sichtbaren Reiz von außen, ganz spontan, wie es scheinen will, aus seiner Gleich- Versuch einer Analj'se des Instinkts. 215 gewichtslage gerät, den Fuß hebt, eine der Extremitäten unter sich biegt und die mit Haken versehene Außenseite derselben zu kratzen beginnt. Es ist dies in zweifacher Hinsicht ungemein interessant. Es zeigt erstens, daß die ,,Reinigungs"bewegung sich in niclits Wesentlichem von den oben beschriebenen Bewegungen „des Anheftens" unterscheidet, und daß die auslösende und richtungsgebende Ursache bei beiden dieselbe sein muß. nämlich die T aktil empfind lich- keit der Haken, — zweitens, daß die angeblich spontanen Be- wegungen nach dem Abtrennen der Gehirncommissuren stattfinden und daß dieselben von winzig kleinen, dem Beobachter entgehenden Reizungen der peripheren Organe abhängen müssen, die durch Außen- reize oder von innen durch innere Veränderungen im physiologischen Gleichgewicht des betreffenden Organs verursacht werden. An den operierten Majae beobachtete ich auch mehrmals spontane ohne jede sichtbare äußere Ursache auftretende Bewegungen des Vorwärts- schreitens wie auch ebensolche Bewegungen „des Bodenabsuchens" mit den Scheren. ^) Dies bestärkte mich in folgender Überzeugung: Wenn bei den 1) In bezug auf die spontanen Bewegungen nach Grehirnabtrennung könnte — was auch nach meinem Vortrag in ßoscoff getan wurde — eingewendet werden, es sei ja möglieb, daß die Durchschneidung der Längscomraissuren noch nicht über den Ausschluß eines jeglichen Gehirn- einflusses entscheidet; möglich, daß noch eine periphere Kommunikation zurückbleibt, u. zw. mittels eines peripheren Nervennetzes, z. B. des Nervus teguineutarius. Als Antwort habe ich damals auf die bereits erwähnten schönen Beobachtungen von Wladimir Wagnee an vollständig dekapi- tierten Insecten (z. B. Blntta geruianica) und Myriopoden {Geophilits lotigi- cor/iis), hingewiesen. Die Tiere besaßen nicht nur die i'ähigkeit „spon- taner" Bewegungen, sondern — trotz Dekapitierung — die Fähig- keit, aus ihrer individuellen Lebenserfahrung Nutzen zu ziehen, ihre Bewegungen unter AVirkung sich wiederholender Beize zu ändern, kurz gesagt, sie waren imstande zu lernen. Unlängst dekapitierte ich (in Villefranche) die eigentümliche Phronima sedenfaria. Trotzdem daß dies ein pelagisches, überaus zartes Tier ist und das Leben in Gefangenschaft der Aquarien nicht verträgt, führt es doch einige Stunden nach Dekapitierung normal und ohne von außen angereizt zu werden, Bewegungen von allerlei Art aus, wie Atmungs- und Schwimmbewegungen, Bewegungen des Anheftens an Tönnchen, der Reini- gung mit den Gnathopoden des Abdomens usw. All dies geht mit Pausen und unter einem jedesmal quasi spontanen Erneuern der Hand- lungen vor sich. — Eine Analogie mit den Majae dürfte — glaube ich — diesen Einwand entkräften. 216 EOMUALD MiNKIEWICZ, Majae mit abgetrenntem Cerebral gan gl ion das Maskieren nicht anf- tritt, dann wirkt irgendeine sekundäre Ursache, wie z. B. die Schwächung dei- Streckmuskeln der Scheren. Es gelang mir endlich, die Maskierung selbst zu beobachten. Das Tier hatte Papierstücke ergriffen und bemühte sich, dieselben an die Extremitäten oder an den hintern Teil des Rückenpanzers zu heften, das letztere, wenn es auf dem Rücken lag. Später hatte ich, dasselbe öfter bei einigen großen, starken Majae hervorgerufen, indem ich ihnen Papier in die Scheren steckte. Auch sah ich das Anheften von weggeworfener Nahrung, was übrigens auch bei normalen Tieren zu sehen ist. Als ich eines Tages meinen Arbeitskollegen in Roseoff jene Bewegungen einer operierten Maja zeigte und, um sie zum Vor- wärtsschreiten zu bewegen, stark am Rücken reizte, schlug das Tier plötzlich mittels einer außergewöhnlichen An- strengung den Fuß über den Rücken zurück und griff nach den Haken der gereizten Stelle. Mehreremal noch bekam ich das zu sehen, sowohl bei dem erwähnten wie auch bei einem andern Tier, gewöhnlich erst dann, wenn ich es auf den Rücken gelegt und nach einiger Zeit wieder umgekehrt hatte. Dann führte das Tier die genannte Bewegung aus — die schwierigste unter den Bewegungen, die die Bestandteile der Maskierungsreihe bilden. Ich erlangte also wider alles Erwarten vollkommen befriedigende Ergebnisse. Taktilerregungen der Rücken haken verursachen Bewegungen behufs Reinigung derselben und zum An- heften verschiedener Gegenstände, die das Tier in den Scheren fingern hält. Das Ergreifen von Objekten ist von der Taktilempfindlichkeit der Scherenfinger abhängig. Die Bewegungen, mit welchen das Tier einen Gegenstand zum Munde führt, ihn zerknüllt und zerreißt, unterscheiden sich in nichts von solchen beim Verzehren der Nahrung und hängen von taktilen und chemischen Erregungen der Maxillarfüße ab. Von diesen Erregungen ist auch die Wahl, das Verschlucken oder Fortwerfen des betreffenden Gegenstandes ab- hängig. Alle diese Bewegungen, wie auch ihre Koordination, Versiich einer Analyse des Instinkts. 217 erfordern, um e rfolg-reicli ausf^-e führt zu werden, allein d i e VA n Übung der genannte n p e r i p h e r e n 0 r g a n e , de r betreffenden Muskeln sowie der Reflexnerven, die d i e Ve n t r a 1 g a n g 1 i e n durchziehen. D i e C e r e b r a I zen tren des sog. „Gehirns" sind zur Ausübung oben genannter Reflextätigkeiten nicht unentbehrlich, sowohl im einzelnen wie in ihrer gegenseitigen Verknüpfung zu der zusammengesetzten Reihe des Maskierungsinstinkts in seinem vereinfachten, der chromatischen Zweck- mäßigkeit entbehrenden Modus. Hingegen sind zur Bestimmung der Farbe des maskierenden Stoäes sowie derjenigen des Aufenthaltsortes die Cerebralzentren unentbehrlich notwendig, da sie die Bahnen der Gesichtsempfindlich- keit enthalten. Da aber diese Bestimmung ihrem AVesen nach be- wegungsartig, chromotropisch sein muß, so ist auch für diese Phase des Instinkts die Gesamtheit der Leitungsbahnen unentbehrlich, die die optischen Ganglien (im allgemeinen Cerebralganglien) mit der Masse der ventralen Extremitätenbewegungszentren verbinden, d. i. die Gesamtheit der Längscommissui-en. Bei einem normalen Tier bilden die ehr omo tro- pischen Reaktionen jedesmal die erste Phase des In- stinkts, die völlig selbständig ist, unabhängig davon, was nachher folgt. Dagegen die Maskierung selbst bildet zeitlich die zweite Phase, die aber wieder ganz unabhängig ist und nach unserm experimentellen Beweise auch nach vollständiger Beseitigung der chromotropischen Reaktionen erfolgen kann. Natürlich bildet sie die Grundlage, den Kern des Instinkts, der unter normalen Lebensbedingungen im Meere, unter "Wasserpflanzen (Algen) und H3'dropol3'pen im allgemeinen zu Maskierungszwecken gewiß .ausreichen würde. Die Natur versah aber die Krabben noch mit einer außerordentlichen, eigentümlich verfeinerten Empfindlich- keit gegen chromatische Einflüsse des Milieus und verlieh ihrem In- stinkt einen ungewöhnlichen Reiz von Schönheit und Vollkommenheit. Dies ist in Kürze alles, was ich in der betreffenden Frage fest- zustellen vermochte. ^^'ohl weiß ich, wie weit die hier durchgeführte biologische Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 15 2X8 ROMÜALD MiNKIEWICZ, Analyse des Instinkts von dem Ideale entfernt ist, das die Wissenschaft in dieser Hinsicht hegt und das auch mir nicht fremd ist. Ich bin mir dessen bewußt, daß da eine ganze Reihe von Fragen unberührt beiseite blieb, die eine Lösung erfordern würden: was ist das Wesen des Chromotropismus und der Tropismen überhaupt? worin besteht die Änderung des physiologischen Zustandes des Organismus, die eine Änderung der Richtung der tropischen Be- wegungen verursacht? worin besteht jene eigentümliche chromoki netische Resonanz, jene direkte zweckmäßige An- passung? . , . und vieles andere. Nun weiß ich aber auch, daß die sich aus meiner Arbeit neu ergebenden Fragen keineswegs schwieriger sind als die sehr alten: was ist das Wesen des Reflexes? was ist Erregung durch äußere Reize? was der Vorgang der Nerveuleitung? u. dgl. m. Ich versuchte es nicht und konnte es auch hier nicht versuchen, die eine oder andere dieser Fragen zu losen. Für so manche unter ihnen mag vorliegender Beitrag eine vielleicht noch sehr weite Etappe sein im ununterbrochenen Vorwärtsschreiten der Wissen- schaft. Ich wollte nur die Analyse des Instinkts so weit durchführen,, wie dies im gegenwärtigen Zustande der Wissenschaft über die Lebenserscheinungen möglich war. Möge man mir die Lücken in der Ausführung dieses be- scheidenem Unternehmens nachsehen. III. Ergänzender Teil. Aus Vorigem sich ergehende Probleme uud Ausblicke für die Zukunft. „Noch manche Meerfahrt, viele WafFengänge, der sieggekrönten Kämpfe noch die Menge" . . . Stanislaw Wyspianski, Legende. Wie mich der enge Rahmen dieser allgemeine Probleme be- handelnden Schrift bereits im vorhergehenden Teil gezwungen hat, die experimentellen Ergebnisse meines Studiums so eng wie möglich zu fassen und oft von ungemein interessanten biologischen Tatsachen abzusehen, so bin ich auch jetzt gezwungen, den Umfang der aus Vorigem sich ergebenden Schlüsse möglichst einzuschränken. Versuch einer Analyse des Instinkts. 219 Wenn auch diese Schlüsse zu der Frage des Instiukts in keiner Beziehuno- stehen und somit außerhalb des Gebietes dieser Arbeit liegen, sind sie doch, wie man ersehen wird, für die weitern For- schungen auf dem Gebiete der allgemeinen Biologie, ver- gleichenden Physiologie und Psj'chologie des Farben- sehens von solcher Wichtigkeit, daß ich es für eine ernste Pflicht halte, dieselben schon an dieser Stelle zu berücksichtigen. Ich beginne mit den Fragen, die bereits im vorigen Teil ge- legentlich berührt wurden. 1. Die Feststellung der chromoti-opischen Erscheinungen bringt ein gewisses neues Moment in das Forschungsgebiet über den Synchromatismus (Mimetismus) der Tiere. Von nun an ist dies nicht nur eine Übereinstimmung der Färbung mit der Umgebung (d. i. Synchromatismus in engerm Sinne), sondern zugleich eine eventuelle „chromo tropische Wahl" des Farben- milieus, dem sich das Tier unvermeidlich zuwendet, um nachher in den Grenzen seines geradezu rätselhaften Einflusses zu verbleiben. Dieser Punkt vor allem sollte die Aufmerksamkeit der Biologen auf sich lenken. Es wäre die gegenseitige Abhängigkeit beider Faktoren des Synchromatismus zu erklären. Es wäre die Reihe der bekannten Fälle von Mimetismus aufs neue zu untersuchen, um die verschiedenen Abhängigkeitstypen jener Faktoren festzustellen. Die Ergebnisse dürften sich sehr interessant gestalten, nach gewissen wissenschaft- lichen Beobachtungen zu schließen, z. B. denen von Wladimie Wagner über die Abhängigkeit des Verhaltens der Spinnen von der Färbung ihres Körpers und ihrer Kokons. ' ) Besondere Aufmerksamkeit wäre den Fällen von polychromem (vielleicht panchromem) variablen Synchromatismus zu schenken, der z. B. bei Hippolyte varians, nach den Ergebnissen von Keehle u. Gamble, eng mit dem syn ehr omatischen variablen Chromotropismus verbunden ist. Ähnliche Fälle sollten von diesem neuen Standpunkte aus einer eingehenden experimentellen 1) AV. AVagxek, Über Färbung und ]\Iimicry bei den Tieren, in: Trav. Soc. Naturalist. St. Petersbourg, A'ol. 31, Heft 2 (1901). Russisch. Resume deutsch. 15* 220 ROMUALD MiNKIEWICZ, Analj'Se unterzogen werden. Auch sollte man nach andern, analogen Fällen suchen, da man, wie gesagt, nicht wissen kann, ob es uns nicht gerade hier glücken würde, einer Erklärung des Wesens der direkten Anpassung näher zu kommen, wenn auch nur jener ursprünglichen Form chromatischer Adaptation. Noch eingehender wäre meines Erachtens die Abhängigkeit der synchromatischen Änderungen von Gesichts- und Nerveneinflüssen zu untersuchen. Die bisherigen Ergebnisse, sowohl die altern von PoüCHET ^) wie auch die neuern von Iveeble u. Gamble -) und Victor BÄuEE ^), sind entschieden unzureichend und nicht immer überein- stimmend. Es hängt indessen von der Entscheidung dieser Frage in der oder jener Richtung ungemein viel ab, in bezug auf kausale Auffassung des variablen Synchromatismus, wenigstens in solchen Fällen, wo die Färbung, wie bei Hippolyte, durch besondere Zellen, sog. Chromatophoren, bestimmt wird. Es würde dies, glaube ich, ein helles Licht auf das dunkle Problem der ehr omoki ne- tischen Resonanz werfen, die bei den von uns untersuchten Krebsen in so eigentümlicher Vollkommenheit auftritt. Von ganz besonderer Tragweite aber wäre die Erforschung dieser Form der direkten Anpassung für die Beurteilung, ob und inwiefern die Selektionstheorie im allgemeinen (ob in DARwiN'schem oder WEisMANN'schem Sinne) und bezüglich des „Mimetismus" und „Mimikry" im besondern einen wissenschaftlichen Wert beanspruchen können. Vielleicht schon bald werde ich mich darüber ausführlicher äußern können. Für heute kann ich nur bemerken, daß die bis jetzt erlangten experimentellen Ergebnisse sowohl von mir wie auch von PouLTON^), Keeble u. Gamble bezügüch der Tiere und von Gaidukow ^) bezüglich der Pflanzen den genannten Theorien keines- wegs günstig sind. 1) G. PoüCHET, Les changements de coloration sous l'influeuce des nerfs, in: Journ. Anat. Physiol., Vol. 12 (1876). 2) Keeble and Gamble, 1. c, part 2 (1904). 3) V. BaüEE, Über einen objektiven Nachweis des Simultankontrastes bei Tieren, in: Ztrbl. Physiol., Vol. 10, No. 14 (1905). 4) E. B. PouLTON, Eine Reihe experimenteller Arbeiten über Fär- bungsänderungen der Schmetterlinglarven, vom J. 1888 an, d. i. von der Arbeit „An enquiry into the cause and extent of a special colour-relatiou betvpeen certain exposed Lepidopterous pupae and the surfaces which immediately Surround them", in: Phil. Trans. Roy. Soc. London, Vol. 178. 5) N. Gaidukow, Über den Einfluß farbigen Lichts auf die Färbung Versuch einer Analyse des Instinkts. 221 2. Die Feststellung der Tatsache, daß in Fällen des sj'nchro- matischen variablen Chromotropisnius die chromo tropische Stimmung', die durch Resonanz unter dem Einllusse des Farben- niilieus veranlaßt wird, noch eine Zeitlang- nach Aufhören jenes Einflusses fortdauert, vei-niehrt die Zahl der bereits bekannten Er- scheinungen des physiologischen Gedächtnisses. Es sind dies meistens erst neuerlich festgestellte Tatsachen, aus allerlei Ge- bieten des Lebens, verschiedenen Umfanges und verschiedener Be- deutung. Francis Dap^vin im Verein mit Dorothea Pertz ver- anlassen die äußerste Spitze junger Pflanzenstiele mittels rhj'thmischer Reize zu rhj'thmischen Bewegungen, die auch nach Entfall der Reizwirkung eine Zeitlang fortdauern; ein typisches Beispiel des von den Engländern sog. ..after-effect"', gleichsam eines Memori- sierens durch den Organismus der Bewegungen, die vorher durch unmittelbare äußere Reize hervorgerufen wurden.^) Georges Bohn beobachtete an winzigen Würmern und Weich- tieren, welche der bei jeder Ebbe entblößten Cferzone angehören, periodische Änderungen von Bewegungen und Tropismen, die, nach- dem das Tier dem Einflüsse des periodischen ^^'echsels des natür- li(,'hen Milieus — der Ebbe und Flut — entzogen wurde, noch einige Tage fortdauern. Mit jedem Tage tritt jene eingeprägte Periodizität der Tätigkeiten immer schwächer auf, bis sie schließlich ganz ver- schwindet. Der Organismus verliert sein physiologisches Ge- dächtnis.-) Noch interessantere Beobachtungen wurden von Keeble u. Gamble in ihren schon oft zitierten Arbeiten über Hippolyte gemacht. Unter normalen Bedingungen ward Hippoliße jede Nacht, nach Ver- schwinden des Lichteinflusses, bleich, verliert die Tagesfarbeu und nimmt einen hellblauen Ton an. AVird sie nun einer unveränder- lebender Oscillarien, in: Abhaudl. Akad. Berlin, 1902, wie auch spätere kurze Artikel in: Verb. Deutsch, botan. Ges., besonders der neueste, be- titelt ,.Die komplementäre chromatische Adaptation bei Porphyra und Phormidium-', Vol. 24, Heft 1 (1906). 1) Fr. Darwin and Dorothea Pertz, On the artificial production of rhythm in plants, in: Ann. Bot., Vol. 17, No. 65 (1903). 2) G. BoHX, Eine Reihe von Schriften in : CR. Acad. Sc. Paris, in: CR. Soc. Biol., in den Publikationen d. Instit. gener. Psychol., z. B. Sur les mouvements oscillatoires des Convoluta roscoffensis, in : CR. Acad. Sc. Paris, 1903, oder Interventions des influences passees dans les mouve- ments actuels d'un auiraal, in: CR. Soc. Biol., 1904 usw. 222 EOMUALU MiNKIEWICZ, liclien Beleuchtung oder beständiger Dunkelheit ausgesetzt, so ändert sie trotzdem in entsprechenden Zeitabständen ihre Farbe, als würde die Wechsel folge von Tag und Nacht in ihrem physiologischen Gedächtnis fortdauern und sich in den Bewegungen der Chromatophoren äußern. — Das „Gedenken" oder „Fortdauern" der chromotropischen Stimmung bei 3Iaja und Hippolijie gehört nicht in das Gebiet der periodischen Funktionen, wie die eben angeführten Tatsachen, verdient nichtsdestoweniger beachtet zu werden, ja vielleicht eben deshalb eine um so größere Be- achtung, als es sich um eine Tatsache handelt, die sich nur auf ein spezielles, und zwar auf das chromokinetische Gebiet bezieht und zur Erklärung der anatomisch-phj^siologischen Deter- minierung der Erscheinung beitragen könnte. Die Determination der Resonanz selbst wie auch ihres Fort- dauerns in Foi-m von chromotrophischer Stimmung ist vor allem in Veränderungen in den Netzhautelementen zu suchen, da von ihnen in erster Reihe sämtliche chromotropischen Erscheinungen bei unsern Krebsen abhängen dürften. Gewisse Punkte dieser Netzhautdeter- minierung lassen sich leicht voraussehen, und ihr Nachweis wird wahrscheinlich keine besondern Schwierigkeiten bieten. Es ist darunter die Bewegung des Augenpigments gemeint, die unter ver- schiedenen chromatischen Einflüssen sich gewiß verschiedenartig ge- staltet. Es wäre zu erwarten, wenigstens nach verschiedenen Arbeiten von Michalina Stefanowska, Wanda Szczawinska, S. ExNEE etc. etc. an bis auf die für mich interessantesten Be- obachtungen von Paekee^) und Smith ^). Diese Arbeiten handeln zwar ausschließlich vom Einfluß des weißen Lichtes und der Dunkelheit auf die Pigmentbewegung der Arthropoden überhaupt, doch scheinen andere in den Arbeiten von Peegens, Lodato u. A. enthaltene Beobachtungen über den Einfluß farbiger Strahlen auf die Netzhaut der Wirbeltiere, Fische und Frösche, mittelbar dafür zu sprechen, daß ich mich in meinen Erwartungen nicht täusche. Man müßte nur ein entsprechendes Untersuchungsobjekt ausfindig machen. 1) G. H. Paekee, Photomechanical changes in the retinal pigment cells of Palaemonetes, and their relation to the central nervous system, in: Bull. Mus. comp. Zool. Harvard Coli., Vol. 30, No. 6 (1897). 2) G, Smith, The effect of pigment-migration in the phototropisni of Gammarus annulatus, in: Amer. Journ, Physiol., Vol. 13 (1905) (mir aus «inem Refei-at bekannt). Versuch einer Analyse des Instinkts. 223 Die von Smith festgestellte enge Korrelation zwischen der (+) Richtung- der phototropischen Bewegung und der Lage des Augen- pigments bei Gammariis läßt bei unsern Krebsen ein ähnliches Ver- hältnis zu den Farbenstrahlen erwarten, um so mehr, als wir bei Hippolytc eine Abhängigkeit zwischen den Veränderungen der Körper- färbung und des Cliromotropismus wahrgenommen haben. — Doch die von Pakkek beobachtete Tatsache, daß zu der Rückkehr des Pigments in seine frühere Gleichgewichtslage nach Aufhören der Lichteinwirkung mehr Zeit nötig ist als früher zu seiner Ver- lagerung, läßt mich annehmen, daß jene fortdauernde chromo- tropische Stimmung der von mir untersuchten Krebse ebenfalls mit einem korrelativen Fortdauern ent- sprechender Lagerung des Augenpigments zusammen- h ä n g t. Ein Nachweis dieser Tatsachen wäre ungemein interessant und wichtig und auf histologischem Wege durchaus nicht unmöglich. Ich gebrauche absichtlich den Ausdruck „korrelative Ände- rungen", da ich die Bewegungen des Augenpigments keineswegs für die einzige anatomisch-phj'siologische Bedingung halte, die die Erscheinungen der chromokinetischen Resonanz allein be- stimmen dürfte. Es ist vielmehr möglich, daß sie nicht einmal die Hauptbedingung bildet, ähnlich wie die Pigmentbewegungen im Menschenauge und die Veränderungen des sog. Sehpurpurs nicht die einzige und genügende Bedingung für den Verlauf unseres Farben- sehens ausmachen. Sie sind aber eine objektive, leicht zu er- forschende Tatsache, deren Feststellung bei den mit variablem Chromotropismus ausgestatteten Krebsen einen vielverheißenden An- fang zur Lösung dieses komplizierten Problems bilden würde. 3. Die Feststellung d e r c h r o m o t r o p i s c h e n E m p f i n d 1 i c h- keit der niedern Tiere, besonders mit einem so objektiven Beweis an der Hand wie dem der Farbe des Milieus entsprechenden Kleid der Majiden, bringt ein neues und hoffentlich fruchtbares ex- perimentelles Element in den langwierigen Streit über das Verhältnis der Insecten zu den Blumen. Jener Streit ist bekanntlich von überaus großer Bedeutung für die selektionistische Evolutionsauffassung im allgemeinen und der Evolution der Blüten- pflanzen im besondern geworden, bediente sich doch schon Darwin 224 ROMUALD MiNKIEWICZ, des Beispiels der eigeiitümliclien Anpassungen der Blumen zur Heran- lockung- der sie unwillkürlich befruchtenden Insecten als eines seiner triftigsten Belege für die selektionistische Auffassung der Organismen- entwicklung. Es ist also nicht zu verwundern, daß man sich be- mühte, einerseits eine überaus große Empfindlichkeit der Insecten (insbesondere der Bienen) gegen die Blütenfarbe zu beweisen, während andrerseits diese Empfindlichkeit bis Null reduziert wurde. Alles das — wie bereits gesagt — ohne Resultat. Nach dem, was oben über den Chromotropismus, seine Ver- änderungen und Abarten angeführt wurde, ist der Schluß mancher neuern Forscher, wie Felix Plateau, Albrecht Bethe und auch J. P. Nuel: „Ce serait la quantite totale de la lumiere. et non sa qualite, qui attirerait les insectes . . . La c 0 u 1 e u r n ' e s t p o u r r i e n d a n s c e p h e n o m e n e. S e u 1 e Finten Site lumineuse est determinante" ^) — als etwas voreilig zu betrachten. Bis heute sind mir keine einschlägigen Untersuchungen bekannt, die sämtliche den Chromotropismus betreffenden Möglichkeiten gleichmäßig und einwandfrei berücksichtigten. Vor allem müßten die Forscher künftighin besonders beachten, daß sich in ihren Versuchen Einflüsse verschiedener Farben, gleichgültig ob überein- stimmend oder dissonierend; miteinander nicht kreuzen, wodurch die ihnen eigne tropische Einwirkung verringert oder gar gegenseitig ganz aufgehoben werden könnte. Ferner müßten die Experimente an jeder Species besonders unternommen werden, da, wie wir gesehen, verschiedene Tierarten sich in der Qualität ihres Chromotropismus voneinander unterscheiden, und die bis jetzt fast ausschließlich ge- brauchte statistische Methode, soweit sie nicht jede Species besonders berücksichtigt, kann leicht der Wirklichkeit entgegengesetzte oder ihr nicht vollständig entsprechende Resultate liefern. Endlich muß man in manchen Fällen auch das im Auge behalten, daß selbst im Gebiete derselben Art chromotropische Variationen stattfinden können, die, sei es vom Alter, Sexualleben, sei es von andern physiologischen Bedingungen des Individuums, hier von Nebeneinflüssen abhängen, wie wir es bei den Krebsen und Würmern wahrgenommen haben. Erst solche Untersuchungen, welche den oben angeführten, wenigstens den zwei erstem Bedingungen genau entsprächen, würden 1) J. P. Nuel, La Vision, in : Bibl. intern. Psycho!, experim. Paris. 1904, p. 113. Versiicli einer Analyse des Instinkts. 225 der wissenschaftlichen ^^'alnileil sich nähernde Ergebnisse liefern. Es ist dies eine Aufgabe der Zukunft. 4. Die Feststellung- des Chroniutropisnius im allgemeinen, seiner natürlichen Veränderungen aber im besondern {Hippolijte, Maja), er- weckt ernste Zweifel an der Eichtigkeit der unter Neuro- physiologen ziemlich verbreiteten Meinung, als würden „nur die Intensitätsdifferenzen der Erregungen von den Centren benutzt".^) Es sind uns zwar im Nervenvorgang selbst bis jetzt die Unterschiede nicht bekannt, welche die synchromatische Ver- änderlichkeit der Tropismen bzw. der Retiexe bestimmen ; wie immer aber jene Vorgänge geartet sein mögen, bleibt es Tatsache, daß verschiedenfarbigen Strahlen gewisse Unterschiede in der Leitung der betreffenden Erregung entsprechen müssen, nachdem die chromo- tropische Bewegungsreaktion entsprechend sich ändert. Jene Erregung aber durchläuft bei Maja oder Hippolyte immer- hin die Zentren. Wo gibt es übrigens experimentelle Daten darüber, daß wirklich j.nur die Intensitätsdifferenzen der Erregungen von den Zentren benützt werden?*' Man kann zwar sagen, das ganz feststehende entgegengesetzte Beweise bis jetzt nicht vorhanden waren; mit Recht hat Willibald Nagel vor kurzem geschrieben : „D lese r Nachweis qualitativ verschiedenartiger E r r e g u n g s w i r k u n g der Strahlen verschiedener Brechbarkeit ist wenigstens, soweit mir iDekannt, in keinem einzigen Falle mit Sicherheit und e i n w a n d f r e i g e f ü h r t."' -) Die oben geschilderte herrschende Auffassung des Phototropismus von Loeb war dieser Meinung günstig. Die apriorische, von Physiologen fast allgemein geteilte philosophische Voraussetzung, als hätten allein die (lualitätloseu Äußerungen der objektiven Welt ein reales Sein, während alle Qualitäten rein sub- jektiver Natur w^ären, ließ aber jener wiederholt zitierten physio- logischen Behauptung von UexivÜll ruhig zustimmen. Abgesehen von der Willkür und erkenntnistheoretischen Grundlosigkeit jener Voraussetzung, könnte man, selbst ihre Richtigkeit zugegeben, nicht begreifen, weshalb die Farbe des Lichts für die Physiologen 1) Jakob Uexküll, Psychologie und Biologie in ihrer Stellung zur Tierseele, in: Ergebn. Physiol., Jg. 1, Abt. 2 (1902), p. 232. 2) W. A. Nagel, Der Farbensinn der Tiere, Vortrag, Wiesbaden 1901, p. 19. 226 KOMÜALD MiNKIEWICZ, eine Qualität sein sollte, wenn dieselbe in der modernen Physik und Physiologie durch Bestimmung der Wellenlänge ausgedrückt wird, also durch Quantität, gleich der die Liclit- intensität bestimmenden Wellenamplitiide, und wenn der Physiologe gezwungen ist, die Objektivierung seiner Farbeneindrücke in den Vorgängen der Nervenbahnen und -Zentren zu suchen. Nach all dem über den Chromotropismus der Tiere hier Gesagten sind Zweifel wie die von Nagel nicht mehr am Platze; es erscheint vielmehr, wie ich glaube, möglich anzunehmen, daß die Nerven- bahnen (bzw. Nervenzentren) auch die sog. qualitativen Unterschiede der Erregungen leiten und ausnützen; die Annahme bezieht sich wenigstens auf die durch Wellenlänge resp. Schwingungsgeschwindigkeit bedingten Unterschiede der Licht- erregungen. Es scheint mir dies außerordentlich wichtig zu sein, nicht allein für die allgemeine Nervenphysiologie, sondern hauptsächlich für die Psychophj^siologie des Farbensehens. 5. Wo immer man bis jetzt die vergleichend- biologische Methode anzuwenden versuchte, hatte sie die Probe stets sieg- reich, oft glänzend bestanden. Ihre Bedeutung wächst von Tag zu Tag, und sie umfaßt bereits heute Gebiete, die uns noch gestern völlig unzugänglich waren. Eines der schlagendsten Beispiele liefert obige Analyse des Maskierungsinstinkts. Die neuen Tatsachen, die die Möglichkeit dazu gaben, erschließen uns einen neuen Weg zur Erforschung der Erscheinungen des F a r b e n s e h e n s (d. i. chromatischer Eindrücke) : „Es müssen diese Forschungen sich als Ziel setzen, nicht Spekulationen über Gesichtssubstanzen („hypo- thetische Substanzen, deren Vorhandensein gar nicht nachgewiesen wurde und deren Eigenschaften durch nichts gekennzeichnet sind"), sondern die Erforschung sachlicher Äußerungen, durch die wir jene Erscheinungen ebenso objektiv wie die physischen untersuchen könnten. Demgemäß müssen und werden auch die Forschungsmethoden von jenen, die bis jetzt von der physiologischen Optik be nützt werden, grundverschieden sei n." ^) 1) W. Heineich, Teorye i wyniki badaii psychologicznych. I. Badania wrazeii zmyslowych (1902j, Warschau. (Theorien und Ergebnisse psycho- logischer Porschungen. I. Forschungen der Siuneseindrücke.) Versuch einer Analyse des Instinkts. 227 Waliilich prophetische Worte des Krakauer Psycliologen und Pliilosopheii. Nun bietet sich uns eine dieser objektiven Methoden: verg-leichend-biologische und experimentelle Unter- suchung der Erscheinungen des Chromotropismus in der Keihe der Tierwesen, vollkommen objektiver, weil in Bewegungen bestehender Äußerungen, die dabei derart bewunderungs- würdige und auffallende Ähnlichkeiten mit den Erscheinungen unserer Farbenempfindungen aufweisen, daß sich dem vorurteilsfreien Be- obachter unwillkürlich die Möglichkeit eines Vergleichs behufs weiterer Untersuchungen von selbst aufdrängt. Über die ersten schüchternen, da auf ganz neuem und kärg- lichem Stoff gegründeten Versuche in dieser Richtung habe ich im Dezember 1906 in den Publikationen der Pariser Akademie (Vol. 143, No. 23) berichtet. Ununterbrochene weitere Experimentaluntersuchungen wie auch ein tieferes Eindringen in die pln^siologisch-optische Literatur brachten mir seitdem nicht nur die Gewißheit, daß meine ersten Versuche kein Irrtum waren, sondern gestatten mir zugleich den Kreis der Zuordnungen zu erweitern und gewisse einzelne Probleme endgültig zu präzisieren. Eine theoretische Begründung dieser neuen Methode, überflüssig für den Biologen, der sich stets im Kreise genetischer Beweis- führungen bewegt, kann von Philosophen und Psychologen mit Recht beansprucht werden. Sie bietet keine besondern Schwierigkeiten. "Wenn wir nämlich zugeben ^), daß auch die Psychophysiologie, wie jede andere Naturwissenschaft, ursächliche Erklärungen einzig und allein auf dem Gebiete zugeordneter Erscheinungen der objektiven Welt suchen und erforschen kann, da Bewußt- seinszustände, als Tatsachen der unmittelbaren Erfahrung, kein Problem der wissenschaftlichen Erkenntnis bilden können, dann müssen wir dies natürlich auch auf die Tatsachen des Farbensehens anwenden. Nun müssen wir auch hier, wie sonst überall, einen jeden Versuch verwerfen, gegebene bewußte Farbenempfindungen (z. B. Weiß) auf andere, angeblich einfachere, elementare (z. B. Rot -|- Grün -f Blau oder Violett, nach der Theorie von Youxg-Maxwell- Helmholtz-Natansox) zurückzuführen, da dies ein prinzipieller er- 1) Siehe d. I. Teil vorl. Arbeit. 228 EOMUALD MiNKIEWICZ, kenntiiistheoretisclier Fehler wäre, der natürlicherweise zu immer neuen Verwirrungen und Widersprüchen führen müßte. Auch hier, wie überall in der Psj^chophysiologie, die farbigen Punkte unmittelbar gegebener Bewußtseinslinien ununterbrochen im Auge behaltend, können wir ausschließlich an parallelen Linien zu- geordneter Phänomene erkenntnistheoretisch arbeiten: einerseits an der Linie der anatomisch-physiologischen Grundlage (Auge, Netzhaut, Sehnerv usw. bis zur Hirnrinde, möglicherweise bis zu den Reflexen), andrerseits an der Linie der den Organismus umgebenden, Eeize auslösenden, physischen Welt. Ist dem aber so, dann kann gegen die vergleichend-biologische Methode als Mittel zur Erklärung der von uns behandelten Er- scheinungen a priori nichts eingewendet werden. Im Gegenteil, man sollte sich an sie vor allem wenden, wie in vielen andern das Verhältnis des menschlichen Organismus zu äußern Reizen betreffenden Fragen. Daß dem aber wirklich so ist, beweist einerseits der soeben au- geführte Ausspruch W. Heinrich's, der ja ein Ergebnis mühevoller Studien über den gegenwärtigen Zustand der Wissenschaft von den Empfindungen ist, andrerseits der ungemein interessante Versuch des bekannten belgischen Ophthalmologen J. P. Nüel, eine analoge Methode in andere psychophysiologische Gebiete einzuführen.^) Es werden somit nicht etwa prinzipielle Erkennungspostulate, sondern einzig und allein praktische Rücksichten des betreffenden AVissenschaftsgebietes, die Möglichkeit, die Gesamtheit der Er- scheinungen zusammenzufassen und eine tiefergehende Erklärung zu geben, als dies bis jetzt möglich gewesen, hierüber entscheiden, ob die von mir angewiesene Methode wirklich daseinsberechtigt ist. Das wird sich nicht von heute auf morgen entscheiden lassen. Es ist dies eine Sache langwieriger Forschungen, experimenteller Untersuchungen, Zusammenstellungen und Generalisieiungen. Wir sind aber schon heute imstande, auf gewisse richtungs- gebende Momente hinzuweisen, die mit genügender Anschaulichkeit sich aus den von mir bis jetzt erhaltenen Daten ergeben, welch letztere ich zum Teil in meiner Analyse des Maskierungsinstinkts dargestellt habe. So kann ich auch hier meine Ausführungen und Aufstellungen 1) J. P. NuEL, La Vision, in: Bibliot. intern. Psycho], exp., Vol. I, Paris 1904. Versuch einer Analyse des Instinkts. 229 nur an jene Ergebnisse anknüpfen, indem ich den Rest auf die nächste, speziell dem Chromotropismus gewidmete Arbeit ver- schiebe. 6. Vor allem ist die Feststellung- chromo tropischer Beweg ung-en beim Menschen keine absolute Unmöglichkeit. Sie ist bei kleinen Kindern und in gewissen pathologischen Fällen sehr wohl denkbai'. Man müßte nur darauf die Aufmerksamkeit lenken und entsprechende Untersuchungsmethoden finden. In der Literatur, mit der ich im Laufe dieses Jahres gelegent- lich bekannt wurde, fand ich bereits einige ungemein wichtige Bei- spiele dafür. Es folge hier eines derselben aus der interessanten Arbeit von Victor Urbaxtschitsch „Über den Einfluß der Sinnes- empfinduugen auf die Sinnesfunktionen": „In einem Falle von heftigem Schwindel, wobei der Körper beim Stehen mit geschlossenen F" ü ß e n stetige Schwankungen n a c li vorn und hinten aufwies, erfolgte durch das Vorhalten eines grünen Glases vor den Augen eine bedeutende Beruhigung im Schwanken, durch Rot, Gelb, Blau und Violett trat dagegen ein Schwanken nach vorne auf, als ob der Körper von den betreffenden Glas tafeln magnetisch an gezogenwäre. Bei länger erEinwirkung einer der letztgenannten Farben entstand eineSturz- bewegung nach vorne. Unmittelbar nach Entfall der Farbeneinwi rkung stellten sich wieder die früheren Schwankungen nach vorne und hinten ein." ^) Welch vortreifliche Analogie zu dem negativen Chloro- tropismus des Pagurus unter pathologischen Bedingungen der Asphyxis. Wie schade, daß der Verfasser die relative Intensität des Einflusses der vier positiv-tropischen Farben nicht erforscht hatte. Ging die Analogie noch weiter? zogen die roten Strahlen stärker an als blaue und violette, wie in unsern Untersuchungen am Pagurus'^ Überhaupt könnte eine eingehende Erforschung ähnlicher, wohl nicht allzu seltner Fälle außerordentlich interessante Ergebnisse liefern. Mögen darauf die Spezialisten ihr Augenmerk werfen. Die ganze Arbeit von Uebantschitsch beweist, daß der physio- logische Zustand des gesamten menschlichen Nervensystems unter 1) V. Uebantschitsch, in: Arch. gas. PhysioL, Vol. 106 (1905), 102. 230 ROMUALD JIlNKIEWICZ, dem Einfluß chromatischer Strahlen gewisse wahrnelimbare Ände- rungen aufweist, ganz so wie in den von uns geschilderten Fällen der sich maskierenden Tiere. Noch instruktiver wären, wie ich glaube, Untersuchungen an kleinen Kindern, wenn man bedenkt, daß eben die Beweg u ngs- äußerungen der Kinder den einzigen Beweis ihrer chromatischen Empfindlichkeit bilden. Es wurde unlängst von Holden u. Bosse bewiesen, daß Kinder im Alter von 7 Monaten aufwärts bis zu 2 Jahren von den Farben des roten Teiles des Spectrums angezogen werden, und zwar in der Reihenfolge von links nach rechts. Von Vj^ Jahren an wird die Wahl der Farben immer mehr unklar, hingegen gewinnt vom 5. Lebensjahre an der rechte Spectrumteil die Oberhand, wobei die Vorliebe für blaue Strahlen besonders deutlich zum Vorschein kommt. \) Es müßte die All- gemeingültigkeit dieser Ergebnisse sichergestellt werden, unter ein- gehender Berücksichtigung des Einflusses jeder einzigen Farbe sowie des Umfanges der strahlenden Flächen und der Art ihrer Einwirkung auf das Kind. Die Feststellung von Änderungen in der Farben „wähl" im Laufe der physiologischen Entwicklung des Kindes würde vortreff- lichen Stoff liefern zu Vergleichen mit dem Einfluß physiologischer Veränderungen auf den Chromotropismus der Tiere. Es sollten sich Erzieher und Kinderpsychologen mit diesem Problem befassen. Es verdient ernstliche Beachtung, besonders wenn man nur für einen Augenblick annimmt, daß uns durch Zuordnung zu den Erscheinungen des Chromotropismus vielleicht eine nähere Erklärung gelingen würde, worin unsere besondere Vorliebe für eine Farbe bestehe, wodurch sie bestimmt werde, überhaupt, worauf das Wesen der gleichen Erscheinungen beruhe. Daß diese Voraussetzung kein leerer Wahn ist, beweist obige Analyse des „Wahl"akts eines farbigen Stoffes bei den sich maskierenden Krebsen. 7, Änderungen des Chromotropismus bei den ge- nannten Tieren bedingt durch unmittelbare Einflüsse der Um- gebung oder durch innere Veränderungen, durch Perturbation des physiologischen Zustandes des Organismus, insbesondere aber 1) W. A. Holden und K, K. Bosse, Über Entwicklung der Farben- wahrnehmung und Farbenbevorzugung bei Kindern, in: Arch. Augenklin., Vol. 44 (mir bekannt nach Referat von Delage, in: Annee bio- lügique). Versuch einer Analyse des Instinkts. 231 (las, was wir in so auffallender Form an den sich mas- kierenden Krebsen beobachteten, zwingen uns zu einer gründlichen Erwägun«: der Frage, ob es wirklich für eine richtige Auffassung der verwickelten Äußerungen unserer Lichtempfindungen unentbehrlich sei, mehrere hypothetische Substanzen des anatomisch- l)liysiologischen Sehsubstrates anzunehmen, wie etwa die 3 Arten von Nervengeweben (Young-Hklmholtz), von denen jede zur Leitung bloß einer einzigen der 3 „elementaren" chromatischen Erregungen dienen soll, oder die 3 Arten chemischer Substanzen, von deren Zer- legung und naclimaliger Synthese (nach Heking und seiner großen Schule) die 3 grundlegenden „Paare" von Empfindungen deter- miniert werden sollen, oder endlich die verschiedenartigen Pigment- körnchen in den die Netzhautelemente umgebenden Chromatophoren (Pizon) ^), die nur durch gewisse Eeize in ein spezifisches Schwingen geraten, welches nachher auf mechanischem Wege den Sehstäbchen und Zapfen mitgeteilt wird. . . . Sind nämlich bei einer Crustacee, z. B. lloja, mit einem ganz eigenartigen Augenbautypus derart (wenigstens scheinbar) ver- wickelte chromotropische Erscheinungen möglich; sind ferner bei dem im System so viel tiefer stehenden AVurm Lineiis mit wieder ganz auderm gegenüber dem unsrigen und demjenigen der Krabbe un- endlich einfachen Augentypus komplizierte Übergänge von dem einen zu einem ganz andern entgegengesetzten Chromotropismus möglich, wovon hier abgesehen werden mußte, worüber ich jedoch in einer der genannten franz()sischen Schriften -) kurz berichtet habe, — wäre es alsdann nicht viel einfacher zu versuchen, ob die Phänomene der Lichteindrücke sich nicht ebensogut lediglich auf dem Grunde objektiv festgestellter Tatsachen vei-stehen ließen, ohne die ad hoc geschatienen hypothetischen Elemente? Ich wenigstens glaube, daß dem so sei und daß die allgemeinen Eigenschaften der bekannten Netzhautelemente zu diesem Zwecke vollständig genügen dürften. Mit aufrichtiger Freude begrüßte ich daher den ersten und. 1) Ant. Pizon, Theorie mechanique de la vision, in: CR. Acad. Sc. Paris, Vol. 133 (1901), p. 835-837. Eine Theorie, die sich im Grunde durch nichts von der YouxG-HELMHOLTz'schen unterscheidet als durch die nicht weiter beglaubigte Annahme eines andern morphologischen Elements als hypothetischen vermittelnden Gliedes zwischen Reiz und Empfindung. 2) ß. MiXKiEWiCZ, in: CR. Acad. Sc Paris, November 1906 (No. 21). Insbesondere Punkt 3d. 232 EOMÜALD MiNKIEWICZ, was betont werden muß, völlig- gelungenen Versucli. der durcli den "Weimarer Ophthalmologen E. Raehlmann \) fast gleichzeitig mit meinen Schriften als vorläufige Mitteilung veröffentlicht wurde. „I c h fr e u e mich — schrieb mir der Verfasser — daß sich unsere Ansichten über das Wesen der Farben emp findungen auf zwei so verschiedenen Wegen der Forschung be- gegnen." Um so instruktiver ist diese Kongruenz unserer An- sichten, um so gewichtiger wird sie, und um so überzeugender spricht sie zugunsten der von mir benutzten vergleichend - biologischen Methode! Leider kann ich mich hier weder auf eine eingehende Schilderung der RAEHLMANN'schen Theorie noch auf die Beurteilung ihrer einzelnen Punkte einlassen. Bemerken muß ich, daß sie eine weitere Bearbeitung, eine genaue kritische Vergleichung mit dem experimentellen Materiale, sowohl dem ophthalmologischen als dem biologisch-chromotropisclien, vor allem aber neue, unmittelbar aus der Theorie abgeleitete Unter- suchungen erfordern würde. Und sollte auch vieles davon verworfen werden müssen, der gesunde Kern, den ich hervorgehoben habe, bleibt sicherlich be- stehen. Diese Gewißheit geben mir, außer den dargelegten Beweis- führungen, mittelbar — die im Laufe eingehenderer Studien immer anwachsende Zahl der Ungenauigkeiten und Widersprüche in den herrschenden Theorien, die nach ergänzenden Voraussetzungen ver- langen-), unmittelbar aber die Ergebnisse mancher neuern Be- obachter, wie z. B. Haas, daß die unter dem Einfluß verschieden- artiger Fai'benstrahlen in der Netzhaut entstehenden Aktionsströme gewöhnlich die gleiche Richtung haben, daß ihre Richtung jedenfalls in den sog. antagonistischen Farben v. Hering nicht ent- gegengesetzt ist, wie es zu erwarten wäre ^) ; ferner die erfolglosen Versuche von Pergens ^), irgendwelche Unterschiede verschieden- artiger Nervenfasern durch histologische Tinktion nachzuweisen, was 1) E. Kaehlmann, 1. Eine neue Theorie der Farbenempfinduug auf anatomisch-physikalischer Grundlage, in: Arch. ges. PhysioL, Vol. 112 (iy06). 2. Fortsetzung in: Ophthalmol. Klin., Vol. 10. 2) Siehe W. HEINRICH, Teorye i wyniki etc., Warschau 1902. 3) Haas, Elektrische Ströme in der Retina, in: Arch. Augenheilk., Vol. 56 (1906). 4) Ed. Pergens, Action de la lumiere culoree sur la retine, in: Trav. Inst. Solvay, 1897. Versuch einer Aualyse des Instinkts. 233 nacli den Voraussetzungen von Young-Helmholtz erfordeiiich wäre, Voraussetzungen, deren Unrichtigkeit neuerdings auf einem ganz andern "Wege Erdkidge Green ^) bewiesen hatte; sein Endresultat besagt nämlich, daß jede Faser des Selinervs allerlei chromatische Erregungen leiten muß usf. In prinzipieller und -theoretischer Hinsiclit habe ich bereits oben den Ausdruck W. Heixrich's über die Einführung h3'püthetischer morphologischer Elemente angeführt, eine Ansicht, die ich voll- ständig teile. Es ist mir übrigens klar, daß die Einführung derselben keines- wegs eine praktische Notwendigkeit des betrettenden Wissensgebietes bedeutet, sondern einzig und allein ein Ergebnis irrtümlicher philo- sophisclier Voraussetzungen war, die sich einerseits auf qualitativen und quantitativen Ersclieinungen andrerseits auf Synthese der „Primär- «mpfindungen" beziehen. 8. Die von uns nachgewiesene funktionelle Unabhängig- keit der Erscheinungen des Chromotropismus (des Einflusses von Farbenstrahlen) von denen des Phototropismus (des Einflusses des gewöhnlichen Tageslichts) und umgekehrt, erlaubt uns mit genügender Sicherheit zu schließen, daß die Empfindung der weißen Farbe in gleichem ]\I a ß e wie alle andern Farben eine ursprüngliche und autonome, nicht aber eine abgeleitete und sekundäre Erscheinung ist. Hierfür sprechen wieder zweierlei Beweise. Erstens die aus der ophthalmologischen Literatur entlehnten Tatsachen. Untersuchungen von Aug. Charpentier ^j über die von ihm sog. „sensibilite lumineuse brüte", der die Möglichkeit bewiesen hat, unweit der Reizschwelle der Netzhaut Empfindungen von Weiß mittels monochromatischer Spectralstrahlen hervorzurufen. Ferner Untersuchungen über die chemischen Veränderungen in der Netzhaut, wodurch weder ein unbedingt stärkerer Einfluß des weißen Lichts, noch eine Kontinuität von Abstufungen von Rot gegen Violett 1) Erdridge Green, Das Verhältnis der Vorgänge bei Farben- blindheit zur psycho-physikalischen Theorie, in : Arch. Augenh. Vorstehende Arbeit sowie die von Haas sind mir bloß nach Referaten in : Biophys. Ctrbl. bekannt. 2) Letzthin von AuG. Charpentier geschildert im Art. „L'origine «t le mecanisme des diflferentes especes de sensations lumineuses", in: Rev. gener. Sc, ann. 9, No. 13. Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 16 234 KOJIÜALD MiNKIEWICZ, und Weiß, noch die antagonistischen rotgrünen oder gelbblauen Schwingungen (Lodato i), Pekgens) bewiesen werden. Zweitens — theoretische, prinzipielle Belege : jener verhängnis- volle erkenntnistheoretische Fehler, gewisse unmittelbar gegebene Bewußtseinstatsachen auf angeblich einfachere, ursprünglichere, in unserm Falle die Empfindung des Weiß auf eine Synthese von „Primärempfindungen" chromatischer Strahlen zurückführen zu wollen. Und nun hätten wir wieder e i n e K o n g r u e n z d e r E r - gebnisse unserer vergleichend-biologischen Methode mit er kenn tnis theoretischen Untersuchungen, eine für die Beurteilung der genannten Methode — meiner Meinung nach — ungemein wichtige Tatsache. Weitere spezielle Untersuchungen über tierischen Chromo- tropismus und sein Verhältnis zum Phototropismus werden, glaube ich, imstande sein, deren beiderseitigen anatomisch-physiologischen Determinismus zu erklären, zugleich aber werden sie ein Licht werfen auf einen ebensolchen Determinismus weißer und chromati- scher Farbenempfindungen beim Menschen. In erster Reihe aber werden diese Forschungen die Frage entscheiden, ob wirklich zum Verständnis der Entstehung dieser Empfindungen die Annahme un- umgänglich sei, daß dieselben mit verschiedenen morphologischen Netzhautelementen zusammenhängen, von denen die einen (Seli- stäbchen) vermeintlich ausschließlich zur Erzeugung weißer, die andern (Zapfen) ausschließlich zur Erzeugung andersfarbiger Empfin- dungen dienen sollen (Keies, teilweise Paeinaud u. A.). Diese An- sicht scheint mir aus folgenden Gründen unrichtig. Die Ergebnisse ophthalmologischer Forschungen, besonders neuern Datums, stimmen in dieser Beziehung gar nicht überein. Die bereits erwähnten Ergebnisse von Charpentier z. B. scheinen direkt dagegen zu sprechen. In der unlängst erschienenen Arbeit des Finnen Siven lesen wir: „Das langwellige Licht (Rot) reizt nur dieZapfen, dieStäbchen aber gar nicht, das kurz- wellige Licht (Violett, Blau) nur die Stäbchen und die Zapfen gar nicht."-) Diese wie jene sind also chromatischer 1) Lodato, I mutamenti della retina sotto l'influenza della luce, dei colori etc., in: Arch. Ottalmol., Vol. 7 (1900), (nach einem Referat in: l'Annee biologique). 2) V. 0. SiVEN, Studien über die Stcäbchen und Zapfen als Vermittler von Farbenempfindungen, in: Skandinav. Arch. Physiol., Vol. 17 (1905), p. 372. Versach einer Analyse des Instinkts. 235 Erreo-ungen fähig. Pergens wiedeiuiu fand, daß ,. A u c u n e c o u 1 e u r du spectre n'a diminue la cliromatine soit dans les cones ä rexclusion des batoniiets, soit dans les bä- tonnets a Texclusion des cOues; nous ne sa Urions donc attribuer une fonction isolee a Tun de ces deuxordres d'elements. ') Alinlicli wird auch von Raeiilmanx keine spezielle ^Empfänglichkeit der Stäbchen und Zapfen gegen gewisse Lichtreize anerkannt; was aber die wirklich vorhandenen Empfindlichkeits- unterschiede verschiedener Netzhautteile betrifft, so erklärt Raehl- MANN dieselben durch verschiedene Stellung der winzigen Außen- gliederplättchen der Stäbchen und Zapfen zu den Strahlen. Es wird die Sache weiterer eingehender Forschungen sein, diese Frage endgültig zu entscheiden. Auf jeden Fall ist es sehr zweifelhaft, daß unter nurmalen Be- dingungen eine kategorische Einteilung in Elemente mit bloß „weißer" p]mpfindlichkeit und solche von einer ausschließlich „farbigen" vor- handen sein sollte. Das Beispiel der überreichen Erscheinungen des variablen syn- chromatischen Chromotropismus bei Maja spricht für die Möglich- keit verschiedenartiger funktioneller Veränderungen in denselben Elementen. Vom menschlichen Auge ist uns dies übrigens längstens bekannt, und in vielen Fällen sind wir da imstande wunderbar exakte Analogien aufzudecken. 9. Betrachten wir den Einfluß der Bedingungen, die dem Sehen vorausgehen: Die Anpassung des Auges zur Dunkelheit oder zu geschwächtem Licht (Dunkeladaptation, Jieme- lalopic'^ Paeinaup), welche die Empfindlichkeit gegen das Licht im allgemeinen, insbesondere aber gegen kurzwellige Strahlen, nach Parinaud, Keies u. A. steigert, was übrigens A. Chaepextier ver- neint. Genau dasselbe haben wir ja doch bei Maja gesehen. In einem Aquarium mit schwarzem Boden und ebensolchen Seitenwänden wird durch jede farbige Fläche (von Rot bis inklusive Weiß) von ver- hältnismäßig so kleinem Umfange wie dem des viereckigen Papierstückes zur Bekleidung einer Krabbe eine entsprechende chromotropische Stimmung hervorgerufen, die das Tier nötigt, sich mit Stückchen jener Papiersorte zu bekleiden. Es müßten genauere Untersuchungen angestellt werden, als dies 1) Pergens, 1. c, p. 33. 16* 236 ROMUALD MiNKIEWICZ, bei mir der Fall gewesen. Es ließe sich vielleiclit feststellen, daß da der Einfluß roter Strahlen auf die, für Dunkelheit adaptierten Ele- mente des Gesichtsorgans keine (oder eine nur unbedeutende) Änderung erleidet, wie dies Keies u. Parinaud vom Menschenauge behaupten. Das wäre ungemein interessant. Sollte sich ein negatives Eesultat ergeben, dann wäre dies am Menschenauge aufs neue festzustellen. Andrerseits ist jene gesteigerte chromotropische Einwirkung des farbigen Papierstückes am schwarzen Boden des Aquariums gleich- sam eine „Irradiation", eine Vergrößerung der Strahlungsfläche des Papierstückes, und kann vollständig mit den Erscheinungen der „Irradiation" in unserm Sehen verglichen werden. Der Determinis- mus dieser beiden Erscheinungen ist wahrscheinlich sehr ähnlich: eine Änderung des Empflndlichkeitsgrades der Netzhaut infolge einer Anpassung des ganzen Sehorgans oder seiner Teile an die ge- schwächte Intensität des ringsum strahlenden Lichts. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, daß eine Gegenüberstellung dieser beiden Erscheinungsreihen zur Aufklärung jenes Determinismus beitragen werde. Daß es sich hier wirklich um eine graduelle Veränderung der Empfindlichkeit handelt, beweist die jedesmalige Adaptation der 3Iaja bei einer gewissen Milieufarbe an einen damit genau überein- stimmenden Chromotropismus. Das Fortdauern der c h r o m o t r o p i s eh e n Stimmung eine Zeitlang nach Aufhören des Reizes entspricht vollständig dem „Nachbild" im allgemeinen, insbesondere aber den farbigen positiven Nachbildern und muß auch meines Erachtens ebenso durch fortdauernde physikalisch-chemische Vorgänge in den Netz- hautelementen (vielleicht im Nervensystem überhaupt) erklärt werden. Eine rein psychologische Erklärung vieler solcher Erscheinungen, z. B. mittels Trugschlüssen nach Helmholtz, ist in beiden Fällen gleich unbegründet und gleich überflüssig. Wer weiß, ob fortgesetzte Studien über das Wesen, den Bereich und die Änderungen jener chromatischen Stimmung und ein Ver- gleich der Ergebnisse mit den Tatsachen bei Victor ürbantschitsch ^) bezüglich der Änderungen der Schwelle und des qualitativen Cha- rakters der Empfindlichkeit unserer verschiedenen Sinne unter dem Einflüsse chromatischer Empflndungen, überhaupt bei farbiger Be- leuchtung, ob sie uns nicht einer kausalen Erkenntnis der 1) V. Urbantschitsch, 1. c. Versuch einer Analyse des Instinkts. 237 Wesenheit der ni e n s c li 1 i c h e n S t i mm u n g s z u s t ä n d e , wenigstens in ihren einfachem Änßerungsformen nähern würde? Hier wären meine Schlnßfolgernngen zu Ende. Ich besitze zwar genüg-ende viele experimentelle Ergebnisse, um für eine Ana- logisierung gewisser, ungemein interessanter Erscheinungen von künstlich hervorgerufener Inversion des Chromotropismus (bei Lineus, Piujnrus) mit Erscheinungen von Farbenblindheit (Dischroma- topsie und Achromatopsie) und mit rhythmischen Verände- rungen der Nachbilder, einer Fluktuation im Abklingen der Nachbilder durchzuführen, doch bin ich gezwungen, davon abzusehen, da mir der Rahmen vorliegender Arbeit nicht gestattete, im „ex- perimentellen Teil-' mich mit einer Schilderung betreffender, allzu sehr vom Thema abschweifender Tatsachen zu beschäftigen. Lassen wir das für eine künftige Arbeit. An dieser Stelle hätte ich noch eins zu bemerken. 10. Sowie sonst überall auf dem Gebiete der Lebenserscheinungen erhebt sich auch bei Erörterung der Farbenempflndungen oft die Frage nach ihrer genetischen Entwicklung, ihrer Evolution. ,.En supposant" — schreibt J. P, Nuel — ;,que les divers etats de conscience visuelle se soient developpes pro- gressivement dans Tech eile animale, il est tres probable qne ceux d'exteriorisation ont ete les Premiers ä apparaitre, et que les sensations de Couleurs diverses sont de date phylogenique relative- ment recente, au contraire de ce que pretend la theorie psychologique. II est infiniment probable que les Premier es representations psychiques visuelles n'avaient rien de color e." ^) Es wäre überflüssig zu wiederholen, daß die Frage nach der Ent- wicklung der „Farben Wahrnehmungen" in der Reihe der tierischen Orga- nismen ebensowenig wie die Frage nach dem „tierischen Bewußtsein" überhaupt ein Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis sein kann. Es könnte hier allein das Problem der En t Wicklung der sich in Bewegungen äußernden Farbenempfindlichkeit erörtert werden. Es sprechen aber die angeführten Tatsachen des Chromotropismus der Crustaceen, ^^'ürmer, Pflanzenstiele (Wiesner), ja sogar der Protozoen und Diatomeen (Engelmann) entschieden 1) J. P. XuEL, La Vision, Paris (1904), p. 288. 238 ßoMüALD MiNKiEwicz, Versucli einer Analyse des Instinkts. geg-en die angeführte Behauptung von Nuel. Es ist rein un- möglich a n z u n e h m e n , daß di e Empfindliclikeit gegen farbiges Liclit sicli erst in spätem Zeiten entwickelt haben sollte, da schon bei niedersten Organismen chromotropische Bewegnngen zugleich mit dem gewölmlichen Phototropismus beobachtet werden. Dagegen ist die Frage nach der Entwicklung der chromatischen Empfindlichkeitsskala heutzutage noch unlösbar. Nachdem in den siebziger Jahren die linguistischen Forscliungen über antike Literatur, besonders über Homer, wie auch ethnologische Aufschließungen über die Urvölker, Lazarus Geigee zu der viel besprochenen Annahme veranlaßt haben, die Skala der Farben- empfindungen hätte sich erst in geschichtlichen Zeiten entwickelt, einer, wie es nachher erwiesen wurde, voreiligen Annahme, da die maßgebenden Tatsachen vielmehr die mangelhafte Entwicklung des sprachlichen Ausdrucks betrafen (Magnus), taucht diese Frage auch heute noch in der ophthalmologischen Literatur manchmal auf. So hat sich unlängst z. B. Eedeidge Geeen geäußert, der Dalto- nismus sei eine niedere (atavistische) Entwicklungs- stufe d e r c h r 0 m a t i s c h e n Empfindlichkeit; die verschieden- artigen P'ormen der Farbenblindheit von den Achromaten an, wie die Monochromaten, Bi-, Tri-, Tetra- oder Penta- chromaten entsprächen einer Reihe einander folgender Ent- wicklungsstadien. Die Richtigkeit dieser Ansicht wäre nur durch exakte, eingehende, an der Hand entsprechend ausgearbeiteter Me- thoden geführte vergleichende Untersuchungen über den Photo- und Chromotropismus in der gesamten Entwicklungsreihe der lebenden Wesen sicherzustellen. Heute wäre dies Unternehmen noch verfrüht. Marjampol, gub. Suwalska (Russisch-Polen). NB. Seit der Publikation dieser Arbeit in polnischer Sprache hat der Verf. bereits mehrere experimentelle Beiträge veröffentlicht, welche auf die hier — im 3. Teile — gestreiften Fragen Bezug haben: 1. Etüde experimentale du synchromatisme de Hippolyte variaus, in: Bull, internat. Acad. Sc. Cracovie, 1908. 2. L'apparition rythmique et las Stades de passage de l'inversion experi- mentale du chlorotropisme des Paguies , in : CR. Acad. Sc. Paris, Vol. 147 (1908). 3. L'iuduction successive des images colorees apres une tres forte ex- citation de la retine et les theories classiques de la visiou, ibid., janvier 1909 usw. Nachdnick verboten. Übersctzungsrecht vorbehalten. Beiträge zur Kenntnis der Fauna von Süd-Afrika. Ergebnisse einer Reise von Prof. Max Weber im Jahre 1894. 10. Mammalia (Säugetiere). Bearbeitet von Dr. F. A. Jeutiuk in Leiden. Mit 22 Abbildungen im Text. Die glänzenden Sammlungen, welche von Herrn Prof. May Weber während seiner Süd-Afrika-Reise 1894—1895 zusammen- gebracht worden sind, haben eine Reihe von Arbeiten hervorgerufen, welche alle in den Zool. Jahrb., Abt. f. Syst., erschienen sind.^) Zusammen mit Max Webee's süd- afrikanischen Tieren ist in einigen der obigen Arbeiten auch eine Sammlung behandelt worden, 1) 1. Max Weber, Zur Kenntniss der Süsswasser-Fauna von Süd- Afrika, in: Vol. 10, 1898, p. 135 — 201. Süsswasser-Fische ; die deca- poden Crustaceen des Süsswassers ; Süsswasser-MoUusken. 2. C. Ph. Sluiter, Tunicaten, in: Vol. 11, 1898, p. 1—65. 3. — , Gephyreen, nebst Bemerkungen über Sipunculus indicua Peters, in: V'ol. 11, 1898, p. 442—451. 4. J. C. C. LoMAX, Neue Opilioniden, in: Yol. 11, 1898, p. 515 bis 531. 5. _, Pycnogoniden, in: Vol. 20, 1904, p. 375—387. 6. H. F. Nierstrasz, Chitonen, in: Vol. 23, 1906, p. 487—521. 7. Jean E,oux, Lacertilia, in: Vol. 25, 1907, p. 403 — 445. 8. — , Ophidia, in: Vol. 25, 1907, p. 732—742. 9. N. Anxaxdale, Beiträge zur Kenntnis der Fauna von Süd-Afrika, Freshwater Sponges, in: Vol. 27, 1909, p. 559 — 567. 240 ^- ^- JßNTINK. welche 1896 von Herrn Dr. Bebyee in Transvaal (Rustenburg und Prätoria-Distrikt) zusammengebracht worden ist. Mir scheint es aber besser, beide Sammlungen getrennt zu halten, damit man einen klareren Einblick in die zoogeographische Verbreitung der süd- afrikanischen Säugerfauna bekommt. Herrn Prof. Weber's Sammlung enthält 136 Exemplare, welche 39 Arten angehören. Dr. Breyee sammelte 26 Exemplare, zu 10 Arten gehörig. A. Weber's süd-afrikanische Säugetiere. Cercopithecus pygerytJirus F. Cüviee Otolemur garnettii Ogilby Otolemur crassicaudatus Geoefeoy Genetta iigrina Scheebee Herpesies piulverulentus Wagnee Herpestes ruddi 0. Thomas Herpestes sp.? Helogale p)arvula Sundevall Crossarchus fasciatus Desmaeest Suricata tetradadyla namaqiicnsis 0. Thomas et Schwann Zorilla striata Shaw Poecüogale alhinucJia Geay Xerus capcnsis Keee Graphiurus murinus Desmaeest Gerhillus paeba Smith Otomys irroratus Beants Otomys unisulcatus Cüviee Mus decumanus Pallas Mus rattiis Linnaeus Mus albiventer n. sp. Mus chrysophüus actieola 0. Thomas et Weoughton Mus musctdns Linnaeus Mus coucha Smith 3Iiis ülovoensis n. sp). Mus sp. ? Leggada minutoides Smith Arvicanthis pumilio Spaeeman Bathyergus suillus Scheebee Georyehus capcnsis Pallas Georychus hottentottis Lesson Pedetes caffer Pallas Thryonomys swinderianus Temminck Leims capensis Linnaeus EiepJiantulus rupesiris Smith Fauna vou Siul- Afrika. 241 Macroscelides melanotis Ogilby Pachjptra Uxa 0. Thomas Paclnjura ixtrilla 0. Thomas Chrijsochloris mora ZiMMER:\rANN Ambhjsomiis hoUeniotus Smith ^imiae. Cercopithecus puf/evifthrus F. Cuvier. Xo. 90. Halberwachsenes $. Oraiigeriver, Vioolsdrift. No. 215. Halbenvachsenes S- Lower Illovo, Natal. 90 215 Schwanz, ohne Haare Hinterfuß 525 124 Fig-. A. Gaumeiifalteii vou Cercopithecus pygerijthrus (No. 215). 1 : 1. 505 mm 120 Fig. B. Gaurn enf alten von Otolemur garnettii (No. 196). 1 : 1. Prosimiae. Otolemur garnettii Ogilby. No. 192, 198, 196. Erwachsene SS- Lower Illovo, Natal. Scrotum ohne jede Spur einer Behaarung-, aber dicht besetzt mit großen Körnern, eine Struktur, welche sehr unähnlich ist dem, was man bei andern Scrota sieht. Es mag sein, daß andere Säuge- tiere eine ähnliche Bekleidung des Scrotums aufweisen, aber ich habe so etwas bis jetzt noch nie gesehen. 242 F. A. Jentink, OtoJenmr crassieaudatus Geoffeoy. No. 233. Erwachsenes $. Mosambik. Fig. C. Gaumeiifalten von Otolemur crassieaudatus (No. 233). 1 : 1. Fig. D. Gai;menfalten von Herpestes 2mlveriilentus (No. 27). 1:1. Carnivora. Gefietta tufvlna Schrebee. No. 71. Erwachsenes $. Franschhoek. IIerx>estes pulverulentus Wagner. No. 27. Erwachsenes $. Dieprivier. Kapkolonie. Herpestes ruddi 0. Thomas. No. 85. Erwachsenes ?. Steinkopf, Klein-Namaqualand. Prima facie verscliieden von pnlvenüentus durch die im all- gemeinen mehr braune Farbe und schwarze Schwanzspitze. Fig. E. Gaumenfalteu von Herpestes ruddi (No. 85). 1 : 1. Fig. F. Gaumenfalten von Herpestes sp. ? (No. 200). 1 : 1. Fauna von Süd-Afrika. 243 Herpestes sp,'? No. -iOO. Sehr junges $. Lower Illovo, Natal. Alle Molares liegen noch im Zahnfleisch verborgen; die Gaumen- falten sind sehr verschieden von denen bei pulverulentus und ruddi. Helogale pavvula Sundevall. Xo. 137, Junges $. Redcliif, Verulam, Natal. Crossarchus fasciatus Desmaeest. Xo, 195. Erwachsenes S- Lower Illovo, Natal. Suricata tetradactf/7a naniaqtiensis 0. Thomas et Schwann. Xo. 101, 102. Junge Tiere. Steinkopf, Klein-Namaqualand. Einige Autoren nennen diese Art Surkatia Pallas; Pallas hat aber nie ein Tier so benannt. Im Gegenteil heißt es bei ihm (Miscel. Zool., 1766, p. 60, Anmerkung): „Animalculum, quod Buffonius tam graphice descripsit, elegantissimum, lepidissimum, proprium et in- quilinum non Americae sed Africae est. unde in Belgium interdum adfertur, et nuper etiam Promontoris Bonae Spei in Vivarium Sere- nissimi Belgiarum Gubernatoris mittebatur, adfirmantibus donatoris litteris, illud in intimis Africae cum compari, quod in itinere periit, captum fuisse. Deinde vero nomen Belgicum, Surikate, non huic animalculo convenit, sed vulgo Lemuri cattae et adfinibus adplicator. Haec hie incidenter." Scheeber beschrieb das Tier als Viverra tetradachjla Pallas (ein Name, den letzterer nie gegeben hat), und auf seiner Tafel steht Viverra suricatta Buff.; Büffon hat aber nirgends dieses Tier unter jenem Namen beschrieben. Suricatta ist wohl nur eine Übersetzung von Buffon's „le Suricate" (Hist. nat., Vol. 13); Scheebee's farbige Tafel ist offenbar eine farbige Kopie von Buffon's schwarzer Tafel. Da weder Pallas noch Buffon das Tier tetradadyla genannt haben, ist letzterer Artname ganz einfach der Name, den zum ersten Male Schrebee dem Tiere gegeben hat; und so müssen wir suricatta streichen und als korrekt tctradactyla annehmen. Ich bemerke noch, daß W. L. Sclatee zu Unrecht ge- sagt hat (]\Iammals of South Africa, Vol. 1, p. 77), Scheebee habe Buffon's Fehler korrigiert; dies hat Pallas getan (siehe oben), während Schrebee lediglich kurz das kopiert hat, was Pallas richtiggestellt hatte. Ich akzeptiere Thomas' Subspeciesuamen namaquensis, weil unsere 244 F. A. Jentink. Exemplare,, obwohl jung-, den tj^pischen Silberglanz der Stirn usw. zu zeigen scheinen, welchen Thomas in: Proc. zool. Soc, London, 1905, p. 134 erwähnt hat. Zorilla stfiata Shaw. No. 33. Erwachsenes ?. Matjesfontein. No. 230. Erwachsenes S- Mouut Edgecomb, Natal. No, 271. Halberwachsenes S- Mount Edgecomb, Natal. Weibchen mit 6 inguinalen Mammae. Der Volksname dieses Tieres kann nicht getrepte (Sclatee, Mammals of South Africa, Vol. 1, p. 113) Muishond sein; dieses Wort muß gestreepte geschrieben werden, denn getrepte ist gar kein Holländisch ! Nebenbei bemerkt, Grant (in : Proc. zool. Soc. London, 1904, Vol. 1, p. 177) sagt, die Holländer nannten Ictonyx capensis Kauf „Vit-röq" ; dies ist wieder kein Holländisch, es soll „Wit-rug" geschrieben werden, was Weiß-(wit-)Rücken (rüg) bedeutet. Foecilof/ale albinucha Gray. No. 194. Erwachsenes S- Lower Illovo, Natal. Rodentia. Xerus capensis Kerr. No. 89. Erwachsenes S- Oranjeriver, Vioolsdrift. Fig. G. Gaumenfalten von Xerus cuj^ensis (No. 89). 1 : 1. Von der Ohröffnung bis zur Nase 55 mm Schwanz, ohne die terminalen Haare 245 Hinterfuß 75 Fauna von Süd-Afrika. 245 Schädel, Basilarlänge 50 mm Joclibog:enbreite 37 Diastema 15,5 Obere Backenzahnreilie 11 Die Abbildimgen des Schädels in meinem „Catalogue osteolog-ique des Mammiferes'', 1887, tab. 6, hg-. 1, 2 nnd 3, nach einem Exem- plare unseres Museums, sind wesentlich verschieden von Sclater's Figuren (Mammals of South Africa, Vol. 2, 1901, p. 4); u. a. hat ScLATER die Bullae t3'mpani erheblich zu schmal dargestellt, und das Schädelprofil ist in Wahrheit viel mehr gebogen. Graphiurus mufiniis Desmarest. No. 236. Von Eingeborenen präpariertes trockenes Exemplar. Concordia. bei Knysna. Gei'b Ullis paeba Smith. Xo. 133. Altes S- Tafelberg. Otoniys irroratus Brants. No. 76. Erwachsenes S- Franschhoek. No. 109, 114, 119. Junge Exemplare. Klippfontein, Kapkolonie. No. 131 — 135. Erwachsene und junge Exemplare. Tafelberg. No. 225. Junges Exemplar. Lower Illovo, Natal. No. 228, 229. Junges und erwachsenes ?. Lower Illovo, Natal. Otoinys luiisulcatus Cuvier. No. 41, 42, 43. Erwachsenes S und $ und Junges. Laingsburg und Matjesfontein. No. 44. 3 junge EIxemplare. Matjesfontein. No. 53. Junges Exemplar. Matjesfontein. No. 82. 3 junge Exemplare. Matjesfontein. No. 108. Erwachsenes ?. Klipfontein, Kapkolonie. No. 110 — 115. Erwachsenes $ und S- Klipfontein. No. 116 — 120. Junge und erAvachsene SS- Klipfontein. 31us decunianus Pallas. No. 146, 148, 157, 158, 161, 162, 168. Erwachsene S6 und ?? und junges S- Knysna. 246 F. A. Jentink, No. 183. Erwachsenes S- Mosselbai. No. 226. Junges cJ. Lower Illovo, Natal. No. 285, 286. ??. Kapstadt. 3fus i'atttis LiNNAEus, No. 145, 147, 155, 156. Erwachsene Sd und $?. Knysna. 31i<^.s alhiventer n. sp. No. 184, Erwachsenes $. Mosselbai. Kopf und Rumpf + 160 mm Ohr 20 Nase bis Ohr 35 Schwanz 206 Hinterfuß 34 Schädel, größte Länge 40 Basallänge 32 Jochbogenbreite 19,5 Nasalia 14 Diastema 10,5 Obere Backzahnreihe 6,5 Mammae 2-1-1 + 2 = 10 ^^ Fig. H. Gaumeiifalten von Mus alhiventer (No. 184). 1: 1. Dies stellt vielleicht eine neue Form dar, welche zu den bis jetzt beschriebenen Arten der c/w^sop/w/ws-Gruppe hinzukommt. Die Type von chnjsopMlus de Winton hat die ganze Unterseite, ein- schließlich der Füße und Hände, beinahe rein weiß, alle Haare der untern Teile aber basal dunkel schieferfarbig. Mus chryso- pMlus ineptus 0. Thomas et Wegughton hat die s c h i e f e r f a r b i g e n Bases der Haare unten ausgesprochen heller, und Mus chrysophüus acticola hat auch die schieferfarbigen Bases der Haare der Körperunterseite deutlich kürzer und sehr viel heller als bei dem typischen chnjsophüus. Nun ist es sehr interessant, daß bei unserm Exemplar die Haare von den untern Teilen des Körpers bis zu den Bases weiß sind. Rein weiße Haare legen Fauna von Siul-Afrika. 247 sich auch über die hell gefärbten Krallen. Nase stumpfer als bei decumauus. Schnurrhaare ziemlich lang", bis 60 mm. Schupi)en des Schwanzes in Ringen von 10 zu 10 mm, wie bei DE AVixton's Type von cJiry.wphilus; sie stimmen auch vollkommen mit seiner weitern Beschreibung überein, aber ich erinnere mich,, daß ich den auffallenden Schieferglanz auch bei andern Mäuse- schwänzen beobachtet habe, de Winton (in : Proc. zool. Soc. London^ 1896, p. 801) erwähnt, daß „tlie tail is almost naked, but with a few verj' short adpressed hairs, which increase in number and length towards the tip". Das kann aber nicht richtig sein, da die Zahl der Haare bei Ratten im allgemeinen drei auf jede Schuppe ist, also die Länge eines jeden Haares kann zunehmen, so daß der Schwanz nach der Spitze hin mehr behaart erscheint, die Zahl der Haare aber, wie die der Schuppen in jeder Reihe nach der Schwanzspitze zu nimmt immer ab, und unser albiventris bildet keine Ausnahme von dieser Regel. Die Gaumenfalten zeigen einige Besonderheiten, welche man besser au der Abbildung erkennen kann, als sie in der besten Be- schreibung dargestellt werden könnten. Zu dieser Art gehört vielleicht die Ratte in der Sammlung des Prätoria-Museums, welche W. L. Sclater erwähnt hat (in: Ann. South African Mus., Vol. 1, 1899, p. 205). Mus clirysophilus actlcola 0. Tho^ias et Weoughton. No. 185, 186. Verulam, Natal. Diese Exemplare scheinen der chrysophüics-GrvLp^e anzugehören, am wahrscheinlichsten zu adicola. 185 186 Schwanz 140 180 mm Hinterfuß 28 34 Jochbogenbreite 19 — Backenzahnreihe 6 6 Diastema 9 8,5 Mus coucha Smith. Xo. 160. 167. Knvsna. Fig'. J. Ganmenfalten von Mus chrysophilus actlcola (No. 186). 2 : 1. Fig. K. Gaumen - falten von Mus coucha(ß 0.16&). 2 : 1. 248 F. A. Jentink, Mus niusculiis Linnaeus. No. 9, 12, 13. Kapstadt. No. 77, 78. Franschhoek. 3Ius illovoensis n. sx>. No. 227. Erwachsenes S- Lower Illovo. Natal. Kopf und Rumpf + 130 mm Schwanz 112 Hinterfuß 24,5 Ohr 16.5 Schädel, größte Länge 29 größte Breite 17 Diastema 8 Backenzahnreihe 5 Fig. L. Gaumenfalten von Mus illovoensis (No. 227). 1 :1. Schwanzringe etwa 44 auf einen englischen Zoll = 25 mm; Schuppen nicht übereinandergreifend. Unter den zahlreichen Species, welche Sclater (in: Ann. South African Mus., Vol. 1, 1899) auf- geführt hat, und der großen Reihe, welche von Thomas, Schwann, Weoüghton, de Winton und andern Autoren beschrieben wurde, kann ich keine Form linden, welche mit obiger in den Maßen über- einstimmt, so daß ich gezwungen bin, das erwachsene Männchen als T3'pe einer neuen Art zu beschreiben; sie mag illovoensis genannt werden. Alle Haare haben mausfarbige Bases, heller auf der Unterseite; Haare der Oberseite zwischen den Augen dunkel Mahagoni, der Seiten viel mehr braun, der Unterseite weißspitzig; Scrotum mit ganz weißen Haaren. Hände und Füße weiß. Schwanz sehr kurz behaart. Schnurrhaare nicht sehr verlängert, kaum die Spitzen der Ohren erreichend. 3Iiis sp.? No. 159, 160. Junge Exemplare. Knysna. Nur 2 Molares in jedem Kiefer vorhanden. Sie gehören sicher einer großen Art an, mit einem Schwänze von etwa derselben Länge Fauua von Süd-Afrika. 249 ■wie der Küri)er. besetzt mit Haaren, welclie die kleinen Schuppen beinahe verdecken. 159 160 Schwanz 78 90 mm Hinterfuß 28 30 Lcffgada niinutoides Smith. Xo. 7. Altes d. Diepriver. No. 10. Junges Exemplar. Kapkolonie. Arvicantliis ininiilio Spaermakn. In: Ann. Mag. nat. Hist, 1905 (7), Vol. 16, p. 629 ff. publizierte "Wkoughtox einen bemerkenswerten Aufsatz ..On the various forms of Arvicantliis pumilio''. Er unterschied 12 Subspecies, im all- gemeinen ziemlich gut übereinstimmend mit der geographischen Ver- breitung, aber mit verschiedenen Ausnahmen. Er gründete die 4 Gruppen, die er unterscheiden konnte, vor allem auf die antero- posteriore Länge der Bullae, resp. 6.5, 6, 5,5 und 5 mm. und er meinte, daß jeder dieser 4 Gruppen wahrscheinlich der Rang einer Species zukomme; aber er schließt, der einfachere und sichrere "Weg sei, sie alle als Subspecies der ursprünglichen Art pumilio zu be- zeichnen. Die normalen Dimensionen der im Wroughtox's Aufsatz auf- gezählten Subspecies sind folgende: Schädel r— • ca _ N *— ^ ^ — >=*- ^ S > S ^ ü -^ ' ' X ~ ^< G r u p p e I. bechuanae (Becbuaua und Groß-Xamaqiia- land) cinereus (Namaqualaud) meridionalis (Kapstadt, Deel fontein) griquae (Bechuaualand, Modderriver, Kimberley) 128 118 26,5 — — 120 125 26 24 5 125 120 25 24 5 115 110 24 22 4,6 6,5 6,5 6,5 jmmiUo (Kapstadt. Zululand, Poudoland) intermedius (Deelfontein) angolae (Angola) Zool. Jabib. XXVIII. Abt. f. Syst. 120 116 24 24 4.8 105 108 22 21.5 4.6 118 95 23 23 4,7 17 250 F. A. Jentink, •^ N3 C3 Schade == 5^ CS a Cd t4^ « ,0 :ce m Gruppe III. chakae (Zululand. Natal, Pondoland, Transvaal) (Uledus (Mashonaland, Transvaal) (Uminutus (Masailand) 115 105 94 105 95 62 22 20 20 23 22 23,5 4,6 4,4 4,5 5,5 5,5 5,5 Gruppe IV. niosheh (Basutoland, Transvaal, Zulu- laud) nyasae (Nyassa) 110 90 21 21 22 22 4,5 4,5 Die Exemplare in Weber's Sammluug" zeigen folgende Maße, alle im Fleische gemessen. 1^ D2 ci CO Schade "ici tS! [ m No. 86 (Klein-Namaqualand) No. 103, 104 (Klein-Namaqualand) No. 45 (Laingsburg, Kapkolonie) No. 46 (Laingsburg, Kapkolonie) No. 47 (Matjesfontein) No. 234 (Kapstadt) No. 224 (Lower Illovo, Natal) ±106 junge +106 -^106 + 99 +105 +105 105 Tiere 112 121 115 130 96 26 (2 Mola 25 25 25 26 23 res in 22,5 23 22,5 23 23 5 jedem 5,5 5 5,5 5 5 6,5 6 7 6 6 6 Wenn wir jetzt meine Maße vergleichen mit denjenigen, die Wroughton gegeben hat, so müssen wir zu folgenden Schluß- folgerungen kommen : daß 1 unserer Exemplare zu seiner Gruppe I (Bullae 6,5 mm) gehören würde, 4 zur Gruppe II (Bullae 6 mm), während 1 eine neue Gruppe bilden würde mit Bullae von 7 mm. daß No. 86 in Hinterfuß, Zahnreihe und Bullae (in Gruppe I) ziemlich gut korrespondiert mit cinereus; weil aber cinereus einen Schwanz hat, der länger als Kopf und ßumpf (125, 120 mm), und No. 86 einen Schwanz, der kürzer als Kopf und Eumpf (105, 106 mm) ist, so ist unsere No. 86 kein cmere?/s-Exemplar ; dies ist schade, weil cinereus sowohl wie No. 86 beide von Namaqualand sind; vertritt No. 86 eine neue Subspecies? daß zur Gruppe II nur eine Form gehört, intermedüis, deren Fauna von Süd-Afrika. 251 Schwanz länger ist als Kopf und Rumpf, g-leich unserer No. 284, 45 und 47; weil aber bei intermcdins alle Dimensionen (ausgenommen die Bullae) viel kleiner sind als in unsern Exemplaren, können letztere nicht zu ihr gehören ; wieder schade, weil Deelfontein sowohl wie Matjesfontein, Kapstadt und Laingsburg Lokalitäten im süd- lichen Teile der Kapkolonie sind; haben wir hier wieder eine neue Subspecies oder vielleicht zwei? — weil sehr große Unterschiede zwischen No. 234 und den beiden andern, No. 45 und 47, vor- handen sind! daß unsere No. 46 Bullae (7 mm) besitzt, die viel größer sind als in irgendeiner von Wkoüghton's Gruppen, dazu einen viel längern Schwanz als intermedius; ist dies die Type einer neuen Gruppe? Äußerlich stimmt sie ziemlich gut mit No. 45 und 47 überein. daß No. 224, was die Bullae (6 mm) anbetrifft, zur Gruppe II von Wkoughton gehört; weil aber eine Subspecies von Natal in dieser Gruppe nicht unterschieden worden ist, welche Dimensionen gleich unserer No. 224 von Illovo zeigt,' müssen wir sie als eine neue Subspecies betrachten, vielleicht enge verwandt mit pumilio s. Str. Weoughton, 1. c, p. 634! Ich denke aber, es wäre nicht vernünftig, unsere so abweichen- den Exemplare als verschiedene Formen oder Subspecies zu be- schreiben, überzeugt wie ich bin, daß nur sehr große Sammlungen es erlauben, exakte Grenzen zu ziehen, soll nicht die Bestimmung der Formen eine zweifelhafte bleiben ; schließlich scheint es mir, daß Wrougiitox seine Gruppen in unrichtiger Weise auf ein einziges ^Merkmal — die Bullae — basiert hat, ein Merkmal, das so variabel wie alle andern Merkmale ist, wie es auch unsere Exemplare zeigen, um so mehr, als Wroughton überzeugt war, daß die jMessung der Bullae schwerlich in gleichmäßiger Weise zu macheu sei, 1. c, p. 635. Da es von einigem Nutzen sein dürfte für den, der später die sehr schwierige p^«»u7^o-Gruppe studiert, so will ich kurz die Exem- plare der WEBER'schen Sammlung beschreiben : No. 86. Erwachsenes S- Steinkopf. No. 103, 104. Junge Exemplare. Klein-Namaqualand. Ohren und Schwanz von No. 86 zeigen die für pumilio so typische helle Farbe; hinter den Ohren ein Fleck rein weißer Haare; Ring um die Augen rötlich, oberer Teil des Ringes weißlich; untere Teile des Körpers schmutzig weiß, mit einem schwach rötlichen Anliug. 17* 252 F. A. Jentink, Der Hinterfuß mißt bei unserm erwachsenen Männchen 26 mm und ist also so laug- wie bei cmereus und größer als bei irgendeiner der übrigen beschriebenen Subspecies, nur mit Ausnahme von hechuanae, mit einem Rekord von 26.5 mm. No. 45, 46. Erwachsenes S und $. Laingsbnrg. Schwanz und Ohren nicht so hell wie bei No. 86; hinter den Ohren weiß wie in den Namaqualand-Exemplaren ; Ring um die Augen rötlich; Ober- sowohl wie Unterteile des Körpers zeigen einen viel dunklern Farbenton als bei unsern andern Exemplaren, so daß die Haare der Unterteile kaum heller gefärbt sind als die der Ober- teile; Schwanz stark behaart, viel mehr als bei irgendeinem unserer übrigen Exemplare. No. 47. Erwachsenes $. Matjesfontein. Fig. M. Gaumeilfalten von Arvicanthis pumilio sp. (No. 46). 2 : 1. Fig. N. Gaurn enfaheii von Arvicanthis pumilio sp. (No. 234). 2:1. Fig. 0. Gauinenf alten von Arvicanthis pumilio sp. (No. 224). 2:1. Wie No. 45 und 46; die Unterteile des Körpers aber nicht so dunkel gefärbt, mehr den Namaqualand-Exemplaren ähnlich; der Schwanz weniger stark behaart, als in 45 und 46. No. 234. Erwachsenes S. Kapstadt. Sehr ähnlich No. 47, aber mit viel längerm Schwänze, der auch weniger behaart ist. Interdentale Gaumenfalten 4 statt 5. No. 224. Erwachsenes ?. Lower Hlovo, Natal. Dieses Individuum ist unzweifelhaft das hellste von allen, von einem prachtvollen roten Tone; der weiße Fleck hinter den Ohren kontrastiert scharf damit; um die Augen ein roter Ring; Unterseite des Körpers auch mit einem roten Anflug. Fauna von Süd-Afrika. 253 BatJiyergns su Ullis Schrebee. No. 3, 4, 21, 22. Erwachsene SS- Diepriver, Kapkolonie. Xo. 143, 144, 176. Erwachsene $? und SS- Knysna. Mammae 2-1-1 = 6. Georychus capensLs Pallas. Xo. 5, 14. Junge Tiere. Diepriver, Kapkolonie. No. 65—69. 1 S und 1 $. Franschhoek. No. 130. S- Tafelberg-. No. 282. Erwachsenes ?. Diepriver. Geortjchus hottentotus Lesson. Xo. 38—41. Matjesfontein. No. 181, 182. Erwachsene ??. Balmoral, bei Knysna. JPecletes caffev Pallas. No. 238. Halberwachsenes ?. Umgegend von Prätoria. B>' - M Äj-'i ■ / '?3 ^^'■; pj ^'- »' >' "'4_^_ -- ''". Fig. P. Gaumenfalten von Pedetes caffer (Xo. 238). 1 : 1. Fig. Q. Gaumenfalten von Thryonomys swlnderiantis (No. 272). 1 : 1. TJn'yononiys swinderiamis Temminck. No. 199. Erwachsenes S- Verulam, Natal. No. 272, 273. Erwachsene SS- Mount Edgecomb, Natal. 254 ^- ^- Jentink, Die neuern Autoren schreiben suinderenimms; Temäunck aber schrieb swinderianus; obwohl die erste Schreibweise korrekter sein mag', weil die Art zur Ehre des Prof. van Swinderen genannt worden ist, hat Temminck's Name, sivinderianus, die Priorität, und wir haben nur der w^ohlbekannten Regel zu folgen und denselben zu respektieren. Lepus capensis Linnaeus. No. H6. Junges Exemplar. Laingsburg, Kapkolonie. No. 54. c?. Matjesfontein. lusectivora. Eleplia^itulus rupestris Smith. No. 100. Erwachsenes $. Steinkopf, Klein-Namaqualand. Fig-. E. Fig. S. Fig. T. Gaumeufalten'vou Lepus Gaumeu falten von Elephantulus Gaunieufalteu von capensis (No. 54). 1:1. rupiestris (^o. 100). 1:1. Macroscelides mela- notis (!so.8l). 1:1. Macroscelides nielanotis Ogilby. No. 48—52. $$ und junges Tier. Matjesfontein. No. 81, 83. Erwachsenes S und ?. Matjesfontein. No. 121 — 124. Junge Exemplare. Klipfontein, Kapkolonie. Pachyva lixa 0. Thomas. No. 1. Altes $. Verulam, Natal. Ein seltnes Stück! Diese Art ist von Oldfield Thomas be- schrieben nach 2 Exemplaren von N. Nyassa und Nyika Plateau (in: Proc. zool. Soc. London, 1897, p. 930) und scheint seitdem nicht wiedergefunden zu sein, jedenfalls nicht zitiert. Fauna von Süd-Afrika. 255 Pachyura varilht 0. Thomas. No. 6. Schleclit konserviertes Exemplar. Kn3'sna. No. 235. Von Eingebornen präpariertes, trocknes Exemplar. Concordia bei Kn3'sna. Der Tj^piis, ein altes S, wurde von Oldfield Thomas be- schrieben (in: Ann. Mag. nat. Hist. 1895, p. 54) und stammt aus British Caifraria, East London. Im British Museum waren 3 andere schlecht erhaltene Exemplare, wahrscheinlich auch zu dieser Art zu bringen. Im South African Museum befinden sich Exemplare von Bedford und Middelburg (Cape Colon}') und von Pietersburg (Trans- vaal). Chrysochlot'is aurea Ziimmekmann. No. 8, 25. Junges und erwachsenes Tier. Diepriver, No. 237. Von Eingebornen schlecht präpariertes, trocknes Exemplar. Concordia bei Knysna. Aniblysoams Jiottentotus Smith. No. 70. Erwachsenes Exemplar. Franschhoek. No. 178. Erwachsenes Exemplar. Knysna. No. 223. Erwachsenes Exemplar. Lower Illovo, Natal. Der Name Ambhjsomus wurde von A. Pomel 1848 geschaifen, als „sous-type du genre Chrysoclüora'-'- . Wir können Mh^aet's Vorschlag nicht annehmen, dieses Tier in CalcocMoris umzutaufen, weil Ämblysomus, nacli dem genannten Autor, präokkupiert sei durch Amblysoma Westwood 1841 (Nymenoptera) ; in meinen Ohren klingen die Endungen «s und a ganz verschieden! B. Bkeyer's Transvaal-Säugetiere. Dendroviys pumilio Wagnee Mus rattus Linnaeus Leggada minutoides Smith Ärvicanthis pumilio dilectus de Winton Rhinoloplius blasii enipusa Kntjd Akdersen Bhinolophus capensis Lichtenstein 2Iiniopterus natalensis Smith Nyctinomus aegyptiacus Geoffeoy Crocidura pilosa Dobson Crocidura martensi Dobson 256 F. A. Jentink, Rodentia. Dendromys xnimilio Wagner. No. 292. Erwachsenes ?. Transvaal, Distrikt Prätoria. Exemplare von Dendromys scheinen in Transvaal sehr selten zu sein, denn sie sind immer Seltenheiten in den Sammlungen; in den RüDD-Sammlung-en aus Nordost-Transvaal war nur ein einziges Exemplar, 1 S von Dendromys mesomdas (in : Proc. Zool. Soc. London 1906, p. 589), und in Ost-Transvaal erbeutete derselbe Sammler bei Legogot 1 $ von Dendromys nigrifrons (ibid., 1906, p. 781). In der GEANT-Sammlung (ibid., 1905, p. 136) v^ar ein anderes Exemplar von mesomelas, 1 $ von Zuurbron, Südost-Transvaal, dazu 1 ? von Den- dromys melanotis von Wakkerstroom , ebenfalls Südost-Transvaal. Diese 3 Exemplare besitzen den typischen schwarzen Rückenstreifen. Unser Exemplar hat keinen Rückenstreifen ; sein Schw^anz ist relativ viel länger als bei den erwähnten Arten, dazu ist es ein viel kleineres Tier. Es stimmt ziemlich gut mit Dendromys pumilio Wagnee nach der Beschreibung von Matschie (Säugetiere in Deutsch- Ost-Afrika, Vol. 3, p. 49), so daß im Augenblick mindestens 4 Den- dromys-Ai'ten als in Transvaal lebend bekannt sind. Hier gebe ich einige Maße von diesem sehr hübschen Tiere No.292, im Fleische gemessen. Kopf und Rumpf + 67 mm Schwanz 85 Hinterfuß 16.5 Schädel, Condylo-basal-Länge 19 Basilarlänge 14 größte Breite 11 Länge der Nasalia 8 Diastema 5 Backenzahnreihe 3.5 Fig-. U. Gaumeufalten von Dendromys imniilio (No. 2'J2). 2:1. Fig. V. Gaumeufalten von Mus rattus, Albiuo (No. 287). 1:1. Fauna von Süd-Afrika. 257 Der vordere obere :\ro]ar ist beträchtlich länger als der 2. und 3. zusammen. 3Ius ratttis Linnaeus. No. 287. Erwachsenes «i/io-Gruppe von Transvaal, Basutoland und Zululand ist beschrieben worden von Wroughton (in: Ann. Mag. 258 F. A. Jentink, nat Hist, 1905 (7). Vol. 16, p. 638) als moshesh; es sind vielleicht keine wesentlichen Unterschiede zwischen diledus und moshesh ; die Bullae scheinen bei letzterer schmäler zu sein (etwa V2 t^t^)- Chahae, wieder eine andere Subspecies, ist bekannt von Transvaal, Natal und Zululand; es scheint ein etwas größeres Tier zu sein als diledus, dazu auch mit ein wenig größern Zähnen als die andern Formen mit kleinen Bullae. Einige Maße von unsern erwachsenen $$, im Fleische genommen. Kopf und Kumpf +110 mm Schwanz 84 Hinterfuß 21 Ohr 13 Schädel, Basilarlänge 22 Backenzahnreihe 4 Diastema 7 Bullae 5,5 Diese Dimensionen sind praktisch nicht verschieden von den- jenigen der Type von diledus von Mashonaland, Mazoe (in: Proc. zool. Soc. London, 1896, p. 803), nämlich: 106, 82, 20 und 14 mm.^) Die Type war ein S, unser Exemplar aber ein $, daher vielleicht die geringfügigen Unterschiede. Mammae 2 — 2 = 8. Chiroptera. MJiinolojyJius blasli enipiisa Kkud Andersen. No. 307. Erwachsenes $. Transvaal, Prätoria-Distrikt. Nach einem sorgfältigen Studium des Tieres glaubte ich, es sei vielleicht ein Exemplar von empusa und gehöre jedenfalls sicher zur Uasii-Gnim^e. Weil neben dem Fundorte der Type der empusa, Nyassa (in: Ann. Mag. nat. Hist., Vol. 14, 1904, p. 378), mir kein anderer Fundort bekannt war, schien es mir vorsichtig, den Begründer der Art um Auskunft zu bitten; Herr Dr. Knud Andeesen untersuchte das Tier und teilte mir freundlichst mit, ich hätte ganz recht in meiner Vermutung, daß die Fledermaus zur Bhinolophus öZ«s«i-Gruppe 1) Nach Wroughton (in: Ann. Mag. nat. Hist., 1005, p, 637) sind diese Zahlen : 105, 95 und 20 mm, mit einer Basilarlänge des Schädels, die zwischen 21 und 22,5 mm wechselt. Fauna von Süd-Afrika. 259 gehöre und daß es siclier eine cmpusa sei. Herr Dr. Andersen schrieb mir, außer der Type habe er vor einigen Monaten zur Be- stimmung ein zweites Exemplar von Süd-Rhodesia zugeschickt be- kommen. Die Was//-Gruppe zählt demnach jetzt 3 Arten mit folgen- den Fundorten: Wi. hlasii Peters — von den östlichen Mittelmeerländern mit Ausnahme von Ägypten. 7.7?. andreimi Senna — von Eritrea, Adi Ugri und Gallaland, Harrar und Bh. empusa Knud Andersen — von Nyassa (Zamba), Süd-Rhodesia (Gwanda) und Transvaal (Prätoria-Distrikt). Unsere Fledermaus ist demnach eine sehr seltne, und Transvaal ist der südlichste Ort, von wo sie bis jetzt bekannt geworden ist. 307 (6) Type (?j Vorderarm 44 48 3. Finger, Metacarpale 30 30,8 1. Phalanx 15 15,7 2. Phalanx 23 24 Tibia 19 20.2 Bei der Tj^pe ragt die Schwanzspitze 2 mm über die Flughaut hervor; Knud Andersen hat darauf hingewiesen (1. c, p. 379), es werde sich wohl zweifellos herausstellen, daß dieses Merkmal einem gewissen Maße individueller Variation unterworfen ist. In unserm männlichen Individuum ragt tatsächlich die Schwanzspitze nicht vor, so daß sich Andersen's Vermutung als vollkommen richtig erweist. HhinolojyJius capensis Lichtenstein. Xo. 303, 308. Erwachsenes S und $. Transvaal, Prätoria- Distrikt. Obwohl diese Art seit 1823 aus verschiedenen Teilen Süd- Afrikas bekannt ist, sind unsere Exemplare die ersten Beispiele aus Transvaal. In Sclater's Mammals of South Africa, Vol. 2, p. 114, wird uns mitgeteilt, daß capensis im Britischen Museum vertreten sei durch Exemplare von den Cape Goldflelds, Transvaal. Herr Dr. Knud Andersen teilte mir aber in freundlichster Weise mit, daß zu der Zeit, wo Sclater dies geschrieben hat, die Gattung Ehinolophns noch in hoffnungsloser Verwirrung gewesen und seine Irrtümer demnach vollkommen zu entschuldigen seien; diese Exem- 260 ^- "^- Jentink, plare g-ehöreii tatsächlich zu Rh. migiir, so daß das Britische Museum keiue Exemplare von copcnsis aus Transvaal besitzt. Ferner kon- statierte Herr Dr. Andersen zu derselben Zeit, capensis von Mashona- land im Britischen Museum sei darlingi Dobson's (Catalogue. p. 122), und a, b, c von Zanzibar, Exemplare von lobatus, und Zanzibar ein Irrtum statt Zambese, Shupanga. Unsere Exemplare zeigen folgende Maße. 303 {6) (308 (?) Vorderarm 45 45 mm 3. Finger, Metacarpale 32 30 1. Phalanx 14 11 2. Phalanx 25 24 Tibia 19 16,5 Fuß 9 8 JPetalia C€ix*ensis Smith. No. 298. Erwachsenes S. Transvaal, Prätoria-Distrikt. ScLATEE, der Autor des bekannten Werkes ..Mammals of South Africa" sagt, dies sei eine gemeine Fledermaus in Süd-Afrika; neben einer Reihe anderer P'undorte sind im süd-afrikanischen ]\ruseum Exemplare von capensis von Eustenburg, Transvaal, vor- handen. Vorderarm 45 mm 3. Finger, Metacarpale 38 1. Phalanx 25 2. Phalanx + 28 Schwanz 53 Tibia 22 Fuß 12 Was den Gattungsnamen Petalia angeht, den Oldfield Thomas statt Nyderis anw^endet (in: Proc. zool. Soc. London, 1908, p. 538), so schrieb ich an ihn um Auskunft; er legte mir den „puzzle" wie folgt klar: „During Millek's work last year he found out that Nyderis was based on some other bat (an American one) tlian what we know under that name, and he promised to jet a note on it. As he expected to jet it out quickly he agreed it me that I should use Petalia (the next name) without assigning any reason, as his reasons were to come out. Now (1,/1. 1909) he has not yet got out the paper, but we may expect it any daj-." So weit Mr. Thomas. Fauna von Süd-Al'rika, 261 Da mein Freund ]\[illei{ allgemein als ein sorgfältiger Beobachter bekannt ist, so finde ich es korrekt, Thomas' Beispiel zu folgen, ob- wohl MiLLKR den ..puzzle" noch nicht gelöst hat (5./4, 1909). JEptesicu.s capensis Smith. No. 300, 301. 302. 304, 305, 309. 310, 311. Erwachsene i^; und ??. Transvaal, Prätoria-Distrikt. Miniopterus natalensis Smith. Xo. 297, 299. Erwachsenes ? und dito S- Transvaal, Prätoria- Distrikt. No. 312. Erwachsenes $. Transvaal. Rustenburg. Oldfield Thomas u. Schwann erwähnen (in: Proc. zool. Soc. London, 1906, p. 576) 3 Exemplare von Klein-Letaba, Nordost-Trans- vaal, und stellen die früher auf Dohson's Autorität als schreihersii beschriebenen Exemplare von Klipfontein, Namaqualand und Ngoye Hills, Zululand, zu natalensis. No. 299 (c?) No. 312 (?) Vorderarm 45 44 mm 3. Finger. Metacarpale 43 40 1. Phalanx 11 10 2. Phalanx 36 35 Tibia 19 17 Fuß 10 9 JSfyctinotnus uef/yptiaciis GEorrEor. No. 296, 306. Erwachsene S$. Transvaal, Prätoria-Distrikt. Diese Fledermaus scheint eine sehr weite geographische Ver- breitung zu haben, denn sie ist erwähnt von Ägypten bis in die Nähe von Kapstadt. Im süd-afrikanischen Museum sind Exemplare von Potchefstroom im Transvaal (Sclater's Fauna of South Africa. Mammals, Vol. 2, p. 141). No. 296 Vorderarm 45 mm 3. Finger, Metacarpale 47 1. Phalanx 19,5 2. Phalanx 18 Schwanz 39 Schwanz, frei von der Membran 21 Tibia 14 Fuß 9 262 -F- A. Jentink, Fauna von Süd-Afrika. Insectivora. Crocidura x>i^osa Dobson. No. 294. Erwachsenes $. Transvaal, Prätoria-Distrikt. Die Type, ein erwachsenes ?, von Transvaal ist im Berliner Museum [in: Ann. Mag. nat. Hist. (6), Vol. 6, 1890, p. 497]; Oldfield Thomas [ibid. (6), Vol. 16, 1895. p. 53] erwähnt von Prätoria ein anderes Exemplar, das dem Britischen Museum 1890 von Mr. Distant geschenkt ist. Ich habe seitdem diese kvi nie mehr vom Transvaal erwähnt gesehen, so daß durch unser Exemplar unsere Kenntnis von diesem kleinen Tiere eine willkommene Bereicherung erfahren hat. No. 294 Kopf und Rumpf + 65 mm Schwanz 44 Hinterfuß 14 Gebiß wie abgebildet in Dobson's Monograph of the Insectivora, Part 3, Fase. 1, 1890, tab. 28, flg. 9. Crocidura niartensii Dobson. No. 293, 295. Junge Tiere. Transvaal, Prätoria-Distrikt. Ich bringe dieselben, obwohl jung, zu tnartensn Dobson [in: Ann. Mag. nat. Hist. (6), Vol. 6, 1890, p. 496], weil das Gebiß im all- gemeinen übereinstimmt mit Dobson's Abbildungen in seiner Mono- graph of the Insectivora, 1890, Part 3, Fase. 1, tab. 28, fig. 15. Die Tj'pe vom Kap der Guten Hotfnung ist im Berliner Museum ; in der GEANT-Sammlung aus Ost-Transvaal waren 3 Exemplare von Croci- dura von Pietersberg und Legogot, die nach Oldfield Thomas u. Schwann (in: Proc. zool. Soc. London, 1906, p. 780) martensn nahe- stehen. Februar 1909. Lippert & Co. (G. Pätz'sche Buclidr.), Naumburg a. S. Nachdruck verboten. TJberselziingsrecht vorbehalten. Neue oder seltnere Eeptilien des Musee Royal d'Histoire naturelle de Belgique in Brüssel. Von Dr. Franz Werner. Mit 2 Äbbildnngen im Text. Im September 1907 konnte ich infolgfe freundlicher Einladung der Direktion des obeng-enannten Museums abermals nach Brüssel kommen und zwar, während meine erste Reise (1902) ^) der wissen- schaftlichen Aufarbeitung der herpetolog-ischen Neuerwerbungen des Museums galt, diesmal zur Revision der Hauptsammlung selbst. Es war mir freilich in den drei Wochen, die ich für diese gewaltige Arbeit verwenden konnte, nur möglich, die Ci-ocodile, Eidechsen, Chamäleons und Schlangen durchzuarbeiten, während Schildkröten und Batrachier nur flüchtig durchgesehen werden konnten; doch fand sich unter dem Material, abgesehen von vielen Raritäten, wie z. B. Rhacodactylus trachyrhynclms und ciUaüis, Laemanctus- Arten, Loxocemm hicolor u. a., die aber keinen Anlaß zu weitern Be- merkungen bieten, um so mehr als manche von ihnen bereits von Jan, Bocourt u. A. bearbeitet wurden, noch eine Anzahl von Arten, die mir entweder neu für die Wissenschaft erschienen oder von denen eine kürzere oder längere Beschreibung oder wenigstens einige kurze Notizen zu geben nicht überflüssig erschien. Ich mache hier speziell 1) Vgl. meine kleine Publikation in: Zool. Anz., Vol. 25, 1903, No. 693, p. 246 ff. Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 18 264 Franz Werner, auf die amerikanisclien Cr ocodüus- Arten, die eine eingehendere Durch- arbeitung auf Grund größern Materials wohl verdienen würden, sowie auf den bisher mit P. molurus verwechselten Java-Python (P. bi- viftatus) aufmerksam. Von der artenreichen Schlangengattung Lepto- gnathus habe ich im Anschlüsse an die Beschreibung einer neuen Art eine Synopsis ausgearbeitet. Alphabetisches Verzeichnis der hier erwähnten Arten, AblepJiarus houtoni var. quinque- iaeniata Ahkpharus descrtl Acanthodactylus tristrami Ameiva surinamensis Atractus badius Calamaria linnaei var. nndtiUneata Caiman palpebrosus Centropyx altamaxonicus und inier- medius Cohdm' novae-Uispaniae „ spiloides Contia collaris Crocodilus americanus „ moreleii „ j)acificus „ rho7nbifer DcndrelapMs modeshis Dendrophis calligaster Denisonia pallidicejjs D ip lodadylus pachyurus „ stemirus Diploglossus occidmis Doliophis intestinalis Egernia dorsalis Eremias nam aquensis Gecko vittatus Leptognathus maxillaris L iolaemus micropJiolis Liophis albiveniris Lygosoma atrocostatam „ euryqtis „ fasciolatum „ vioco „ nigrofasciolatum „ jnmciulatum „ sandum „ variabile Mahuia dolloi „ polylepis „ riigifera Platurns coliibrimis Python bivitiatus „ spilotes rar. macrospila Scincus officinalis Spilotes microlepis Tiliqiia gigas Trop)idonotus natrix „ sitbminiatus „ stumpffii Urotheea enryzona Varanns griseus „ indicus „ timoriensis Xenodon merremii Zamenis rhodorhacliis var, tessellata Crocodilus americanus Laur, Ich bin sehr geneigt, alle amerikanischen Crocodilus- kvitw hierher zu rechnen, da C. rhombifer und moreletil einerseits, C. intermedius andrerseits wohl nur Extreme derselben Form dar- stellen. Das mir seit Jahren durch die Hände gegangene Material an amerikanischen Crocodilen läßt für mich keinen andern Schluß zu, ebenso wie ich nicht daran zweifle, daß Crocodilus palustris Reptilien des Miisee Royal d'Histoiie naturelle de Belgiqne in Brüssel. 265 und uilotivus eine und dieselbe Art sind, da mit Ausnahme der Prämaxillo-Maxillarsutur kein einziges Merkmal zur Unterscheidung^ geeignet ist. Nun ist aber bei C. rolmstus Vaill, diese Sutiir so wie bei C. imlustris quer, und das madagassische Riesencrocodil ist zweifellos nichts anderes als ein etwas anormales C. nilotkus mit relativ kurzer Schnauze; und ebenso ist zu bedenken, daß der Unter- schied in der Ausbildung dieser Sutur ein gradueller (nach vorn gebogen oder quer bei palustris, quer bei rohusius, nach hinten ge- bogen oder wförmig bei niloticus) ist. Auch zwischen C. intermedius und amerkanus sind die Unter- schiede wohl kaum mehr als graduelle, obwohl der in der Schnauzen- länge liegende, wie ich gern zugeben will, mit zunehmendem Alter sich verstärkt. Bei jungen httermedins reicht die Symphyse des Unterkiefers in der Regel ebensowenig zum Niveau des 6. Unter- kieferzahnes wie bei ccdaphractus zum 7. oder 8. Zahn, und damit fällt eins der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der beiden Arten weg. Die Schw-ankungen in der Schnauzenlänge sind übrigens kaum größer als bei C. nilotkus, von dem manche Lokalformen kaum weniger vom Typus abweichen als die amerikanischen Crocodilus- Arten untereinander. So kenne ich eine überaus langschnauzige, gelb- äugige, dunkle Form aus West-Afriaka. — Als wirklich konstanten Charakter habe ich für C. intermedius die größere Zahl der Längs- reihen von Rückenschildern gefunden, die stets 6 in ununterbrochener Reihe beträgt, dagegen nur 4 (davon nur die zwei Mittelreihen durchlaufend) bei C. americanus. C. intermedius kommt auch in Mexiko und Columbien (Exemplare in meiner Sammlung) vor. C. americanus typ. besitze ich von Jamaica und Columbien. C. rhomhifer Cüv. Ein Exemplar in der Brüsseler Sammlung hat die Präorbitalleisten sehr undeutlich (wie auch mein Exemplar aus AVestindienj. Postoccipitalschilder in 2 Querreihen, 4 -{- 2 ; Nuchal- schilder ebenfalls zweireihig, groß, sehr stark gekielt, 4 -[- 2 ; Dorsal- schilder durch einen Aveiten Zwischenraum von den hintern Nuchalen getrennt. Schuppen der Gliedmaßen undeutlich gekielt; Schenkel- kamm deutlich. Das Exemplar stammt aus Mexiko ; es kommen hier demnach beide Extreme der Schnauzenentwicklung vor (vgl. auch C. pacificHS S. 266). C. moreletii A. Dum, Ich konnte die Tj^pen von Alligator lacor- dairei P. de Boree aus Belize, Honduras untersuchen, der mit dieser Art identisch ist. Sie haben eine schwach ausgesprochene Mittel- leiste auf der Schnauze; die Mandibularsymphyse reicht bis zum 18* 2QC) Franz Werner, 4. Unterkieferzalin. Kückenscliilder in 16 — 17 Quer- und 4 Längs- reihen. Schuppen auf der Oberseite der Hinterbeine stumpf, aber deutlich gekielt. Zwei Paare von Postoccipitalschildern, in der Mittellinie weit getrennt; 6 Nuchalia (4-|-2) von den Postoccipitalen und Dorsalen sehr deutlich getrennt. Schwanz wirtel 20-1-16, 17 + 17.^) Nach meiner Ansicht echte junge amerkanns. C. pacificiis Bocourt. Ich konnte 6 Exemplare aus Tehuantepec untersuchen. Allen fehlt die mediane Schnauzenleiste. Postoccipitalia, Nuchalia und Dorsalia sind durch einen großen Zwischenraum ge- trennt. Die Aufeinanderfolge der Postoccipital- und Nuchalschilder ist wie folgt: 2 + 2 2 + 2 1 + 2 2 + 2 2 + 1 2 + 2 2 4 2 2 2 2 2 2 — — 2 2 4 Reihen von Dorsalschildern, die äußern viel stärker gekielt. Bei 1 Exemplar von americamis ist die Anordnung wie folgt: 1 + 1 1 1 + 1 1 + 1 1 Die sehr starken Kiele der äußern Dorsalschilder hat C. 2)acifiais mit rhomhifer gemeinsam, ebenso das Fehlen der medianen Schnauzen- leiste. Ich kann daher keinen wesentlichen Unterschied zwischen beiden finden. Das C. rhomhifer ist meiner Ansicht nach nur der westindische Vertreter des C. pacificus und gehört schon im halb- wüchsigen Alter durchaus nicht mehr zu den kurzschnauzigen Arten, Ob es auf den Antillen irgendwo mit dem typischen ameriamus zusammen- lebt oder andere Inseln bewohnt, ist mir nicht bekannt. Der Schwanz von C. rhomhifer ist an der Basis stark verdickt. Caiman palpeWosus Cuv. 1 Exemplar aus Surinam: Unterkieferzähne 21 — 22. 2 Reihen von Postoccipitalschildern; 4 Reihen von Nuchalschildern, die 3. Reihe aus 3 Schildern be- 1) Die erste Zahl bedeutet die Anzahl der Wirtel bis zum Beginn des unpaaren Schwanzkammes. Reptilien des Musee Eoyal (VHistoire naturelle de Beli^iqne in Brüssel. 267 stehend ; 6 Längsreihen von Dorsalschildeni. Schilder zwischen den Hinterbeinen in 4 Reihen; der Schwanzkamm beginnt beim 11. Wirtel einfach zu werden. Kehlschikler konvex, aber nicht »ekielt. Seit- liche Bauchschilder konvex bis scharf gekielt. Ein 2. Exemplar weist folgende Charaktere auf: Unterkieferzähne 23, die seitlichen dreispitzig. Nur eine deut- liche Reihe von Postoccipitalschildern ; 5 Reihen von Nuchalschildern, die 2. und 3. aus 4 Schildern bestehend; 6 Längsreihen von Dorsal- schildern. Schilder zwischen den Hinterbeinen in 4 Reihen; der Schwanzkamm beginnt am 10. Wirtel einfach zu werden. Kehl- schnppen deutlich gekielt; die Älittel reihen von Dorsalschildern in der Sacralgegend schw^ächer gekielt als die seitlichen. Die beiden Exemplare vereinigen Merkmale von C. palpehrosus Cüv, und frigonatus Schneid. Dlplodactylus pachyams n, sp, „Australie" (No. 1281), 1 ?. Rostrale doppelt so breit wie hoch. Nasenloch zwischen 6 Nasalen, in Kontakt mit dem Rostrale und 1. Supralabiale. Supra- nasalia durch ein winklig in das Rostrale vorspringendes Schildchen voneinander getrennt; 9 obere und 10 untere Lippenschilder; die vordersten Sublabialia ragen nach hinten nicht über das Symphysiale hinaus; dieses doppelt so lang w'ie breit. Schnauze nicht länger als Entfernung vom Auge zur Ohrüffnung. Interorbitalraum nicht konkav, Schnauzenkante undeutlich. Rückenschuppen viel größer als ventrale; Schwanz regelmäßig geringelt, jeder Annulus oben mit 2 vergrößerten Schuppen. Hinterbein erreicht nicht die Achsel; Zehen kurz; unterseits mit mehreren Reihen von Höckerschuppen, an der Spitze schwach, aber doch deutlich erweitert. Die gegeneinander an den Körper angelegten Beine derselben Seite greifen stark übereinander. Totallänge 70 mm; Schwanz 29 mm ; Kopf 13 mm lang, 9 mm breit. Nächstverwandt D. tesseUatus Gthk., aber durch die kurzen Glied- maßen und die kurzen am Apex erweiterten Zehen unterschieden. Dlplodactylus stenurus n, sp, Queensland (No. 985), 1 S- Rostrale nicht das Nasenloch erreichend, doppelt so breit wie hoch; Nasenloch von 6 Nasalen umgeben, die Supranasalia groß, in Kontakt. Oberlippenschilder 12; vorderste Unterlippenschilder nach 268 Fkanz Werxer. hinten nicht über das Symphysiale Yorrag-encl: dieses breit, penta- gona!, nach hinten verschmälert. Rücken mit kleinen, gleichartigen Körnerschuppen, die nicht größer sind als die seitlichen oder ven- tralen. Gliedmaßen derselben Seite, au den Körper gegeneinander angelegt, greifen stark übereinander; Zehen am Apex schwach er- weitert, unterseits mit einer Reihe runder Platten. Schwanz lang. nicht verdickt. S mit einer Gruppe von 8 Tuberkeln an jeder Seite der Schwanz Wurzel und mit einer Präanalpore. Totallänge 72 mm ; Schwanz 32 mm ; Kopf 12 mm lang, 8 mm breit. Steht dem D. vittatus Geay nahe, unterscheidet sich aber durch den dünnen Schwanz und den Besitz einer Präanalpore. Die Zeich- nung ist ähnlich wie bei dieser Art. Liolaenius jnici'ojyholis n. sp. Aus der Gruppe des L. lemniscatus Geavh. — Schuppen der Oberseite des Kopfes polygonal, glatt, ungefähr gleichgroß, so daß weder Fi-ontale noch Interparietale oder Parietalia zu unterscheiden sind. Vorderraud der Ohrölthung mit 4 — 5 ziemlich großen, drei- eckigen Schuppen. Nasenloch oberhalb der Schnauzenkante; Schnauze ziemlich flach. Keine quer erweiterten Supraocularia. Eine Reihe von Schuppen zwischen Infraorbitale und Supralabialen. Temporal- schuppen gekielt. Halsseiten gefaltet, mit rhombischen, gekielten Schuppen, die merklich kleiner sind als die auf Nacken und Kehle. Rückenschuppen stark gekielt, rhombisch, in eine deutliche Spitze auslaufend ; die Kiele kontinuierliche Linien bildend, die nach hinten konvergieren. Die Rückenschuppen sind größer als die an den Rumpfseiten und auch noch größer als die lateralen Bauchschuppen (6 dorsale entsprechen 9 ventralen). 64—70 Schuppen um die Körper- niitte. Hinterbein reicht zwischen Schulter und Ohröffnung. Prä- analporen ? (kein S vorliegend). Färbung fast gleichmäßig hellbraun. Kopfrumpflänge des größten der 3 vorliegenden Exemplare 67 mm (Schwanz bei allen regeneriert); Kopf 18 mm lang, 11,5 mm breit; Vorderbein 30, Hinterbein 48 mm. Fundort: Chili. Obwohl die Exemplare gar nicht gut erhalten sind, so unterliegt es für mich keinem Zweifel, daß sie keiner der bekannten Arten angehören. Durch die große Zahl von Schuppenreihen ist die Art von den meisten bisher beschriebenen Arten leicht zu unterscheiden. Reptilien des Musee Royal d'Histoire uaturelle de Belgique iu Brüssel. 269 Centropy.r n^ i^ -f i CD '-' Oi •<# lO ^ §3 ^, c- ^ ^ ^ -H ^"l + (M ^ -r . r^ TZi 5 -^ *-i *j ■^ r! " '^ CS] o <^ « ^ W 35 L- ^ ^ ^.- (M I 1 CO fc. +j :-^^ . Ol - Loa o-ö 2 CO S3 ^ ~o 'b CO 'O'c 5 ^ tu « tD i 03 j; i? iS 5 c^' ^r^ »^ ^^ CM -t-"-^ aj *; «o,_L:o s +-> := ; S, K j -*^ a es So CO CO CO ^ O X o" |CO_ CO CO + £^ C I . l- ^ -^"i~c ©'S CO t-i^H !* S I 1?^ 3"^ ■^ ^ Cl, ^ i^ = Cß 4.d - . « ~ _ -_ X „=^ -^ CM rt ; y"- aj a oj 5 'S 'S -T- r- X r" ;^ Ä ;— r" 1^ -Ü -r ?^ c; ci 5 S c^ ö3 s a 6p < s a c o in O _ *> 'S -s SD K 276 Franz Werner, Musee Royal d'Histoire naturelle Kollektion Python bivittatns de Belgique (Brüssel) Werner o^ o^ (No. b&bS) (No. 565 <^) cT Totallänge in mm 2700 2540 2400 Schwanzläng-e 300 320 325 Verhältnis beider 9:1 8:1 7,4:1 Kopflänge 95 80 72 Umfang 290 200 185 Verhältnis von Länge 9,3 : 1 12,7 : 1 7,4:1 7A\ Umfang Schuppenreihen 71 69 71 Bauchschilder 264 259 257 Schwanzschilder 70/70+1 71/71+1 71/71+1 Supralabialia 12—12 13—13 12—13 Frenalia 2+3+3, 2+3+3 2+10+2. 2+4+2 2+2+3. 2+1+3 Ocularia Prae 2, Sub 1 Prae 2. Sub 2, Prae 2, Sub 2-1, Post 3 Post 3 Post 3 Hintere Präfrontalia getrennt — breit in Kontakt Parietalia 5 Paare, die ersten 5 Paare, alle ge- 5 (8) Paare, mit Aus- 4 getrennt trennt nahme des 5. in der Mitte getrennt Dorsalflecken 44 44 40 Frontale nur vorn halbiert seitlichen alterniert; die helle Grnndfärbung bleibt nur als Gitter- werk übrig-. Supralabialia 12—13 (1.— 3. oder 1.— 2. mit 1 Grube), Sublabialia 17—19 (9. oder 10.— 14. mit Grube); Frontale und Supra- ocularia nicht unterscheidbar; 11 — 12 Schildchen um das Auge; Ventralia 260 ; Subcaudalia 72 Paare. Totalläng^e 1750 mm; Schwanz 250 mm. Das Exemplar, ein S, entbehrt leider einer Fundorts- angabe. Tropidonotiis natrix L. Unter den in der Sammlung befindlichen Exemplaren fallen einige durch starke Anomalien in der Pholidose auf, nämlich: No. 215: Beiderseits 6 Supralabialia (links 5. u. 6., rechts 6. u. 7. verschmolzen). No. 215(5 (Soissons): Beiderseits 8 Supralabialia (links 4. u. 5., rechts 3., 4., 5. am Auge). No. 687 (Coimbra): Links 2 Frenalia übereinander. No. 687(5: Beiderseits 6 Supralabialia (rechts das 6. von der Begrenzung der Oberlippe ausgeschlossen, dreieckig zwischen das 5. u. 7. eingekeilt). No. 215/: Kopf nach vorn von dem gelben Halsband bis zum Hinterrande des Frontale und der Supraocularia schwarz (schwarzer Reptilien des Musee Royal d'Kistoire naturelle de Belgique in Brüssel. 277 Nackentieck einlieitlicli; gelbes Halsband durch eine Medianlinie halbiert), Zamenls rhodorliacfiis Jan v(u\ tesseUata n, var, (No. 245.) „Asie Mineure". (Wenn Habitat richtig, so wäre die Art nen für Kleinasien.) Kopf (Supraocnlaria, Frontale, Parietalia) mit arabeskenartigen dunklen sj'mmetrischen Zeichnungen. Schuppen in der Vorderhälfte des Körpers an der Basis schwarz, dann immer heller bis lichtgrau, weiter hinten ganz einfarbig. Yorderkörper mit 3 Reihen dunkler Querflecken, die nach hinten allmählich verschwinden, so daß der Hinterkörper einfarbig hellgrau ist. Temporalgegend mit 2 dunklen Vertikalflecken hintereinander. Ventralia jederseits mit 1 dunklen Flecken. Schnauze oben und seitlich sowie Supralabialia einfarbig hellgelb. Totallänge 812 mm; Schwanz (mit 140 Schilderpaaren) 230 mm. Spilotes micvolepis Wernek. S. Sq. 18. V. 213. A. 1. Sc. 128 128 + 1. Frenale vorhanden, trennt das hintere Nasale vom Präoculare. 8 Supralabialia, das 6. dreieckig, zwischen das 5. und 7. eingekeilt; Temporalia l-j-l, beide klein; 7. Supralabiale in Kontakt mit dem Parietale. Keine Fundortsangabe; die Art ist mir aber bisher nur aus Guatemala bekannt. Vrotheca euvyxona Cope. 1 erwachsenes und 3 junge Exemplare („Equateur"). Das erstere hat 124 Ventralia, 24 helle Rumpfquerbinden; Kopf- rumpflänge 430 mm. Der lange Schwanz ist, wie dies bei UrotJieca und Erythrolamiyrus so häufig der Fall ist, abgerissen. Die Jungen haben Ventralia Subcaudalia helle Querbinden 1. 125 103 103 + 1 25 + 14 2. 126 97/97 + 1 21 + 15 3. 127 99 99 + 1 22 + 10 Je ein heller Fleck unter jedem Nasale, auf der Internasalsutur, vorn auf jedem Supraoculare. vor der hintern Spitze des Frontale, in 'der Mitte der Parietalsutur; ein helles Querband vom Parietale 278 Fkanz Weener, vertikal über die Schläfe zur Oberlippe. — Die Übereinstinimimg- der 4 Exemplare in Färbung und Beschuppung ist sehr auffällig; möglicherweise liegt hier eine an einer und derselben Stelle ge- fangene Mutter mit Jungen vor. Calamciria limiaei Boie vav. rnultilineata n. rar. V. 150—156; Sc, 10 — 11 Paare. (Sumatra, leg. Süyckeebuyk, 1876 und P. Vermeesch, 1879.) Alle Eückenschuppen mit dunkler Mittellängslinie, so daß die Oberseite regelmäßig längsgestreift erscheint. Kopf oben mit kleinen dunklen Flecken; ein dunkles Längsband am Oberrande des 4. Supra- labiale; Untei-seite mit dunklen Querbinden, die vom Seitenrande der einzelnen Ventralia bis in die Mitte derselben reichen und regel- mäßig alternieren. Totallänge 337 mm, Schwanz 12 mm (T3''pe No. 1157). Ein weiteres Exemplar von Pondok Gedek (Sumatra) besitzt links ein sehr kleines, rechts kein Präoculare. V. 154, Sc. 10 Paare. Platurus colubrinus Schn. Von den 12 in der Sammlung befindlichen Exemplaren besitzen drei 23, neun 21 Schuppenreihen. Die Anzahl der dunklen Ringe ist nachstehend angegeben: 1. Sq. 23 R. 29 -f 4 2. 23 45 + 4 3. 23 35 4-4 4. 21 27 + 4 5. 21 28 + 2 6. 21 28 + 3 7. 21 28 + 3 8. 21 32 + 3 9. 21 27 + 2 10. 21 27 + 3 11. 21 28 + 3 12. 21 30 + 4 z. : ) I Mansinan, Nouvelle Guinee Baie de Manille 1) ß = Zahl der dunklen Ringe; die 1. Zahl gilt für die Ringe am Rumpf, die 2. für die auf dem Schwanz. Z ist die Breite der hellen Zwischenräume im Verhältnis zu den dunklen Ringen, also ^/., : helle Zw. .(ungefähr) halb so breit wie dunkle R. Reptilien des Musee Royal d'Histoire naturelle de Belgiqne in Brüssel. 279 Im Magen von No. 2, 4. 8 und 10 wurden kleine Muränen ge- funden. Bei Platurus latkaudatus L. war die Zahl der Ringe 28 -f- 3, 29 + 3, 40 + 5 (Z. 1). Leptognathus ^naxillavis n, sp. Sq. 15, V. 180, Sc. 84/84 -f 1. Schuppen der Vertebralreihe stark verbreitet, fast doppelt so breit wie lang. Rostrale fünfeckig, so hoch wie breit; Präoculare deutlich, klein, das Frontale nicht erreichend, Frenale groß, l^giii'il so lang wie hoch, unter dem Präoculare an das Auge anstoßend. Frontale fünfeckig, 1^ ..mal so lang wie breit, so lang wie sein Ab- stand von der Schnauzenspitze, viel kürzer als die Parietalia; 2 Postocularia; Temporalia 2-}- 2, 2 + 3; Supralabialia 6, das 3. und 4. am Auge; 2 Paar Kinnschilder; 2 Paar Supralabialia in Kontakt hinter dem Sj'mphysiale; 2 Paar Gularschuppen. Inter- nasalia breiter als lang, - . so lang wie die Präfrontalia. 40 katfeebraune Querbinden (breiter als die gelblichen Zwischen- räume) auf dem Rumpfe, 21 auf dem Schw^anze. Kopfoberseite bis hinter die Parietalia braun, mit nicht ganz symmetrischen hellen Zeichnungen. Hinterhälfte des 3., Vorderhälfte des 4., ebenso das 6. Supralabiale braun; Schläfen braun; Unterseite mit größern braunen Flecken. 1 Exemplar (No. 120) aus Tabasco, Mexico, von 335 mm Total- und 70 mm Schwanzlänge. Schnauze mit einer ankerförmigen, dunklen Zeichnung auf hell- grauem Grunde ; der Bogen reicht vom Vorderrande des einen Auges über die Mitte der Präfrontalia zum Vorderrande des andern Auges und besitzt einen medianen dreieckigen Fortsatz, der auf den Inter- nasalen liegt. Schaft des Ankers auf dem Frontale. Diese Art fand ich mit dem obigen Artnamen und dem bei- gesetzten Namen Jan's als Autor in der Sammlung. Meines Wissens ist sie niemals von Jan beschrieben worden, und ich gebe daher die Beschreibung, wobei ich den Namen beibehalte. Notizen über andere Lepio(jnatlius- kxitw des Museums: Leptognathm climidiata Gthe. V. 189; Sc. 122/122 + 1. Leptognathus ellipsifera Blngr. V. 158 — 160; Sc. 61/61 — 62 62+1. Leptotjnatlms mikani Schleg. V. 175 — 181; Sc. 72/72—82 82+1. AVie unter dem Material des Hamburger Museums, waren auch unter den obengenannten Exemplaren einige, bei denen nur Zool. Jahvb. XXYIII. Abt. f. Syst. 19 280 Franz Werner, 2 Supralabialia hinter denjenigen, die das Auge berühren, vorhanden sind, was eines der beiden Hauptmerkmale von L. ventriniaculata Blnge. ist. Da sich sonst kein wesentlicher Unterschied erkennen läßt, möchte ich letztere Art mit L. mihani vereinigen. Synopsis der Leptognatkus- Arten mit 15 Schuppen- reihen. 1. Vorderste 2 oder 3 Paare von Sublabialen hinter dem Symphj'siale in Kontakt; Ventralia 162 — 192; Subcaudalia 71—91 2. Schuppen der Vertebralreihe schwach verbreitert; 1—2 Prä- ocularia; 4. und 5. der 9 — 10 Supralabialia berühren das Auge 1. L. brevifacies Cope. (Yucatau) 2'. Schuppen der Vertebralreihe mäßig verbreitert; kein Prä- oculare; 3.-5. oder 3.— 6. der 9 — 10 Supralabialia berühren das Auge 2. L. variegata D. et B. ^) (Guyana) 2". Schuppen der Vertebralreihe stark verbreitert 3. Präoculare und Präfrontale verschmolzen; Supralabialia 8—9, das 4. und 5. oder 5. und 6. am Auge; 2 Paar Kinn- schilder 3. L. pratti Blngr. (Columbienj 3'. Präoculare deutlich 4. Supralabialia 9, das 5, und 6. am Auge; 3 Paar Kinn- schilder 4. L. triseriata Cope (Columbien) 4'. Supralabialia 6, das 3. und 4. am Auge ; 2 Paar Kinn- schilder 5. L. maxillaris Ween. (Mexiko) 1'. Vorderstes Paar von Sublabialen hinter dem Symphysiale in Kontakt 2. Schuppen der Vertebralreihe sehr stark verbreitert, die hintersten fast doppelt so breit wie lang; Ventralia 148 bis 188, Subcaudalia 60—102 1) MocQUARD (in: Miss. sc. Mexique, Vol. 3, Livr. 16, p. 898) hat zwar recht, daß er L. alhifrons Sauv. zu Dipsas stellt, aber Unrecht, wenn er meint, daß BoULENGEß's L. alhifrons eine andere Art darstellt. Das im Brit. Museum befindliche Exemplar sowie zahlreiche andere, die ich gesehen, stimmen sehr gut mit Mocquard's Abbildung tab. 73, fig. 4 überein, aber auch mit Boulengee's Beschreibung, Reptilien des Mnsee Royal d'Histoire naturelle de Belgique in Brüssel. 281 3. Oberlippenscliilder 7 6. L. leucomelas Blngr. (Columbienj 3'. Oberlippenscliilder 8 4. Kein Präocnlare; 184 Ventralia 7, L. andiana Blngr. (Ecuador) 4'. Präocnlare vorhanden 5. Ventralia 148—160; Subcaudalia 60—76 8. L. eUipsifera Blnge. (Ecuador) 5'. Ventralia 177—188; Subcaudalia 90—102 6. 3 Paar Ivinnschilder; 3 Oberlippenscliilder be- rühren das Auge (3. — 5. oder 4. — 6.) 9. L. schunkii Blngr. (Peru) 6'. 4 Paar Kinnschilder; 2 Oberlippenschilder be- rühren das Auge (4. und 5.) 10. L. eleyans Blngr. (Mexiko) 2'. Schuppen der Vertebralreihe mäßig verbreitert 3. Ventralia 156—180; Subcaudalia 45 — 90 4. 5 Oberlippenschilder hinter denjenigen, die das Auge berühren; Subcaudalia 61 11. L. inaequifasciata T>. et B. (Brasilien ?) 4:'. 2 — 3 Oberlippenschilder hinter denjenigen, die das Auge berührn 5. 3 Oberlippenscliilder hinter den an das Auge an- stoßenden; im ganzen 8 (Supralabialia 53—90) 6. Körper schwach seitlich komprimiert ; Unterseite gefleckt 12. L. milmni Schleg. (Brasilien, Ecuador, Columbien) 6'. Körper stark seitlich komprimiert; Unterseite großenteils einfarbig dunkel 13. L. peruana Bttgr. (Peru) 5'. 2 Obeiiippenschilder hinter den an das Auge an- stoßenden 6. Oberlippenschilder 5—6; Subcaudalia 45 — 52 14. L. venfrimacuJata Blngr. (S.-Brasilien, Paraguay) 19* 282 Franz Werner, 6'. Oberlippenscliilder 9; Subcaudalia 90 15. L. hoettgeri Ween. (Peru) 3'. Veutralia 164—197; Subcaudalia 95—114 4. Präocularia 2, das Loreale vom Auge trennend 16. L. altcrnans Fisch (Brasilien) 4'. Kein Präoculare, aber ein kleines Suboculare unter dem an das Auge anstoßenden Loreale; 2 Paar Kiuu- schilder 17. L. viguieri Bocoürt (Isthmus von Darien) 4". Präoculare vorhanden, über dem an das Auge an- stoßenden Loreale 5. 3 Paar Kinnschilder 6. Nasale ungeteilt 18. L. hrevis D. et B. (Mexiko) 6'. Nasale geteilt 19. L. pracornata Ween.^) (Venezuela) 5'. 2 Paar Kinnschilder 20. L. Icdifronialis Blnge. (Venezuela) 3". Ventralia 197—215; Subcaudalia 100—135 4. Kein Präoculare 5. 2 Supralabialia berühren das Auge 21. L. articiüaia Cope (Costa Rica) 5'. 3 Supralabialia berühren das Auge 22. L. gradlis Blnge, (Ecuador) 4', Präoculare vorhanden 6. Subcaudalia 122 23. L. incerta Jan (Guj-ana, Brasilien) 6'. Subcaudalia 100 24. L. boUviana Ween.^) (Bolivia) 2". Schuppen der Vertebralreihe nicht verbreitert 3. Ventralia 195; Subcaudalia 129; 3 unpaare Kinnschilder, dahinter 1 Paar 25. L. hicolor Gthr (Nicaragua) 1) In der Sammlung des Hamburger Museums ; werden später aus- fuhrlicher beschrieben werden. Keptilien des M\isee Royal dHistoire naturelle de Belgique in Brüssel. 283 3'. Ventraiia 149 — 159; Subcaudalia 41 — 51; keine impaaren Kinnschilder 4. Siipralabialia 7, das 3. nnd 4. das Anj^e berührend; 4 Paar Kinnschilder 26. L. tunjida Cope (Parag:uaJ^ Matto Grosso) Supralabialia 5, das 2. und 3. das Aug-e berührend; 3 Paar Kinnschilder 27. L. intermedia Stdchr. (Paraguay) 1". Alle Sublabialia durch Kinnschilder getrennt, deren erstes oder erstes Paar an das Symphysiale anstößt 2. Kein mipaares vorderes Kinnschild; Vertebralschuppen mäßig erweitert 3. Erstes Paar von Kinnschilderu viel kleiner als das folgende 4. Ein kleines Suboculare unter dem Loreale; 5. und 6. Supralabiale an das Auge anstoßend ; kein Temporalia berührt das Auge 28. L. anmdata Gthe, (Costa Rica) 4'. Kein Suboculare; 4. und 5. Supralabiale berührt das Auge ; das obere der beiden vordem Temporalia stößt zwischen den beiden Postocularen an das Auge an 29. L. temporalis "W^erx.^) (Ecuador) 3'. Erstes Paar von Kinnschildern größer als das folgende 5, Oberlippenschilder 7, das 4. — 6. das Auge berührend; kein Suboculare 30. L. argus Cope (Costa Rica) 5'. Oberlippenschilder 8. das 5. und 6. das Auge be- rührend; ein kleines Suboculare unter dem Frenale 31. L. pidiventris Cope (Costa Rica) 2'. 1 unpaares vorderes Kinnschild in Berührung mit dem Symphj'siale. Vertebralschuppen nicht verbreitert 3. Ventraiia 156; Subcaudalia 55; Nasale geteilt; 2 Prä- ocularia; Frenale höher als lang 32, L. sarmiola Cope (Yucatan) 3'. Ventraiia 165 — 193; Subcaudalia 98 — 126; Nasale ungeteilt; kein Präoculare; Frenale länger als hoch 1) Siehe Anm. auf der vorhergehenden Seite. 284 Franz Werner, 4. Frenale Vi^mal so lang als hoch; 3 Paare von Kinn- schildern hinter dem unpaaren; Ventralia 186 oder mehr 33. L. dhnidiata Gthe. (Zentralamerika) 4'. Frenale 3mal so lang als hoch; 1—2 Paare von Kinn- schildern hinter dem unpaaren; Ventralia 165 34. L. longifrenis Stezn, (Panama) Hinzu kommen noch als 35. und 36. die beiden Arten mit 13 Schuppenreihen L. catesbyi Sentz. und L. pavonina Schleg. Verbreitung. (Die für das Gebiet anscheinend charakteristischen Arten sind fett gedruckt.) Mexiko: L. eleganSf niaxillariSf hreviSf dimidiata, mikani{?) (Yucatan): i. sanuiolaf hrevifacies Guatemala: L. dimidiata Honduras: ? Costa Rica: L. artimlata, annulatcif avf/iiSf xtictiventvis Nicaragua: L, bicoloVf dimidiata Panama: X. viffllievif ariiculata C 0 1 u m 1) i e n : i. pvattif triseriata, leucomelaSf mikani Ecuador: i. undianaf ellipsifera, graciliSf temporaliSf catesbyi, ]javoni7ia, mikani Peru: L. schunUHf lyeruana, boettgerl, catesbyi Bolivien: i. bolivlafKZf catesbyi, paroiuna Guyana: i. vcivlegcitcif incerta, catesbyi, pavonina Venezuela: i. latifvontaliSf praeomata Brasilien: L, inaeqilifasciata, mikani, ventrimaculata, altemanSy incerta, trugida, catesbyi, pavonina Paraguay: L. ventrimactdata, turyida, ifitevmediu Verzeichnis der seit Boulengek's Catalogue of Snakes, Vol. 3, 1896 beschriebenen Leptoyuathus- Arten. L. pratti BOULENGEE (Medellin, Columbien), in: Ann. Mag. nat. Hist. (6), Vol. 20, 1897, p. 523. L. triseriata Cope (Bogota, Columbien), in: Bull. Philadelphia Mus., Vol. 1, p. 13, tab. 4, flg. 3, 1899. L. ellipsifera BoüLENGER (Ibarra, West-Ecuador), in: Proc. zool. Soc. London, 1898, p. 117, tab. 12, fig. 2. Keptilieu des Miisee Koyal d'Histoire naturelle de Belgique in Brüssel. 285 L. schunkii BoulengER (Chanchamayo, Ost-Peru), in : Ann. Mag. nat. Hiet. (8), Vol. 1, 1908, p. 115. L. pcruana Boettger (Sta. Ana, Prov. Cureo, Peru), in: Kat. Rept. Samml. Senckonberg. Mus., Vol. 1, 1893, p. 128. L. hocltgcri Werner (Chanchamayo, Peru), in : Abh. Mus. Dresden, Vol. 9, No. 2, p. 11 (1901). L, latifronialis Boulenger (Aricae^ua, Venezuela), in : Ann. Mag. nat. Hist. (7), Vol. 15, 1905, p. 561. L. gracilis Boulenger (Nordwest-Ecuador), ibid. (7), Vol. 9, 1902, p. 57. L. intermedia Steindachner (Paraguay), in: SB. Akad. Wiss. Wien, Vol. 112, p. 16. L. longifrenis Stejneger (Panama), in: Proc. U. S. nat. Mus., Vol. 36, p. 457 (1909), (Mesopeltis). 286 Fräxz Wernek, Kleine Notizen. (Neue Fundorte, Abweichungen in Pliolidose und Färbung etc.) Gecko vittaüis Houtt. „Preanger" (Java). Veemersch 1879. Varanus griseus Daud. (No, 368/?). „Ouargla" (Algerie). Varanus timoriensis Gray (No. 1143). „Batcliian" | (Pierre Ver- Varanus indicus Daud. (No. 1178). „Sumatra" j mersch 1879). Biploglossus occiduus Shaw. 44 Schuppen um die Rumpfmitte.^) Ameiva surinamensis Laue. (No. 827) ?. Supraocularia links ganz, rechts fast ganz von Schuppen umgeben und vom Frontale getrennt. Acantliodaciylus tristrami Gthr. (No. 1390) „Palestine". 1. Supra- oculare vorhanden, durch Körnerschuppen unvollständig vom 2. ge- trennt. Eremias namaguensis Smith. Von 12 Exemplaren waren bei 9 Interparietale und Occipitale getrennt (bei 1 davon weit), bei 3 mehr oder weniger in Kontakt. Von den Rückenstreifen war der mittlere entweder hinten einfach, vorn gegabelt (bei 8 Exemplaren) oder vollständig paarig (bei den übrigen 4). Egernia dorsalis Ptrs. (No. 980). Peak Downs. Sq. 38 (375 mm lang, Kopfrumpflänge 235 mm). Färbung gelblich, Spuren von 2 braunen Längslinien auf dem Rücken. Tiliqua gigas Sohn. (No. 438 /i). Sumatra (Sq. 32). (No. 438(3). Buitenzorg; P. Vermersch 1879; Sq. 28. Schwanz und Beine sowie Bauch braun; Kopfschilder dunkel gerändert. 1) Daß ich bei der Beschreibung meines Macrogongylus hranni die Zugehörigkeit zu den Anguiden nicht erkannte, ist z. T. auf das Fehlen der Zunge bei dem einzigen mir damals vorliegenden Exemplar zurück- zuführen. Reptilien des Musee Royal (FHistoire naturelle de Belgique in Brüssel. 287 Mabuia riKjifem Stol, Rückenschuppen mit nur 3 Längskielen (die Zahl derselben ist bei manchen Mabnia-kYtQw sehr inkonstant). Lißjosoma afrocosfatum (No, 1339). „Nouvelle Guinee". Sq. 34; Subdigitallamellen 41 ; keine Auricularschüppchen. Lifi/osoma moco D. et B. (No. 815). „Australie" (?). Rücken mit einem medianen Längsband, das am Hinterkopf beginnt und nach hinten sich verbreitert. Dunkles Lateralband, vom Augenhinterrand beginnend, oben und unten von dunklen Stricheln begrenzt. Lygosoma punctulatum Ptes. Links 2 Nuchalia hintereinander, rechts keins. Oberseits einfarbig gelblich, unten weiß. Lygosoma sanctum ü. et B. „Sumatra"' (3Ir. Suyckeebuyk 1877). Ahlepharus hontoni Desj. var. quinqiietaeniata Gthe. (No. 799/S). ..Amboine". Ahlepharus deserti Ste. Präfrontalia manchmal in Kontakt, aber nicht so viel wie bei A. hivittatus Men. (Färbung verschieden) (No. 1338). Sciiicus officinalis Laue. (No. 1009;?). Sq. 30; Rostrale vom Frontonasale getrennt (Algerie). Tropidonotus stumpffn Bttge. Von 3 Exemplaren 1 mit 3 Post- oculareu ; daher stößt nur das 4. Supralabiale ans Auge an, das 5. ist klein. Conüa coUaris Mex. „Constantiuople". Coluher spiloides (No. 1030). New Orleans. Rostrale fehlt; Nasalia stoßen ganz vorn an der Schnauze aneinander. Coluher novae-hispaniae. V. 210, Sc. 121/121-j-l. Das 6. Supra- labialia klein, zwischen 5. und 7. eingekeilt. Rückenmittelschuppen vergrößert, sechseckig. 3 Sublabialia in Kontakt mit den vordem Kinnschildern. Frenale höher als lang. Junges, schlecht erhaltenes Exemplar. Bcndrelaphis modestus Blxge. Ternate. Temporalia 1+2. Dendrophis calligaster Gthe. Ternate. Sq. 15. Liophis albiventris Jan. 1 Exemplar hat rechts das 7. Supra- labiale mit dem Temporale verschmolzen. Atractus hadius var. von Surinam: Kopffärbung wie var. D. iBlxge.), sonst wie var. A. ; var. von Ocana: Kopf braun, sonst wie var. D. Blxgr.; var. von Säo Paulo. Wie var. B, Querbinden am Rücken alternierend. Denisonia pallidiceps Gthr. (No. 1373). Sydney. V. 174. Sc. 3333-fl. Oberseite rötlich-graubraun, Kopf nicht heller. Unter- 288 F. Werner, Reptilien des Musee Royal d'Histoire naturelle de Belgique. Seite gelblich-weiß, Subcaiiclalia und hintere Ventralia in der Mitte braun. Kehle braun. Totallänge 435, Schwanz 55 mm (?). Mageninhalt verschiedener Schlangen. Xenodon merremü: eine Paludicola. BoliopMs intestinalis: Calamaria linnaei. Liophis albiventris: Reste eines wirtelschuppigen Teiiden. Tropdonoins suhminiatus: Bnfo jneJanostictns. Nachdruck verboten. Uberaetzungsrecht vorbehalten. Siphonaptera Latr. von Tripolis und Barka. Nach der Sammlung- von Dr. Bruno Klaptocz im Jahre 1906. Bearbeitet von Dr. Leopold Fulmek. Hit 3 Abbildangen Im Text. Fam. Pulicidae Stephens. Subfam. Fidicinae Bak. Genus Pulex L. P. irritans L. Bengasi, Zimmer. P. tripolitanus n, sp. Es liegt nur ein Männchen in 1 Exemplar vor. Die Art steht dem P. pallidns Taschbg. nahe; da ich aber einerseits die Type dieser Art nicht kenne, andrerseits die mir zugäng-lichen Be- schreibungen von paUidus [Taschenberg, Die Flöhe, 1880, p. 65, tab. 1, lig. 9. — Baker, in: Oanadian Entomologist, Vol. 27, p. 66, 1895. — EoTHscHiLD, in : Entomol. monthly Mag. (2), Vol. 14, p. 86, 290 Leopold Fulmek, tab. 1, fig. 2, 5, 6 und tab. 2, flg. 11, 15, 1903 (P. witJierhyi). — Rothschild, in: Novit. Zool., Vol. 10, p. 542, 1903. — Tieaboschi, in: Arch. Parasitol., Vol. 8, p. 249, 1904] in wesentlichen Punkten für mein Tier nicht zutreifen, sehe ich mich veranlaßt, vorliegendes Exemplar als neue Art zu beschreiben. Bei der Anordnung der Borsten sind auch die Borstennarben berücksichtigt, da voraussichtlich bei der Untersuchung die Be- borstung oft nicht vollkommen intakt zur Beobachtung kommen dürfte. i Fiff. A. Fig. B. Fig-. C. Fig. A. Rechtes Hinterbein von der Innenseite. 35 : 1. Fig. B. "Kopf und Vorderhüfte (c). 60 : 1. Fig. C. Hinterleibsende, h Haftapparat. IX Penisplatte. 100 : 1. ps be- zeichnet den Verlauf der Penisspirale (schematisch und im Verhältnis zu den übrigen Figuren stark verkleinert). Die Abdominalsegmente tragen auf jeder Seite nur 1 Querreihe von Borsten; an den Tergiten jederseits 7, am 7. und 8. Tergit nur 6 Borsten jederseits; zwischen diesen Borsten je 1 kürzeres, feines Börstchen. An den Sterniten jederseits 3 Borsten, am 8. Sternit 4 Borsten jederseits. Vorderhüften außen beborstet. An der Innenseite der Hinter- Siphonaptera Latr. vou Tripolis und liarka. 291 haften sind 6 kurze starke Zäline in einer kurzen 8clirägreilie an- geordnet ; an der rechten Hüfte steht der 6. (oberste) Zahn außerhalb, etwas oberhalb der Reihe; an der linken steht der 4. (von unten gezählt) außerhalb der Reihe unter dem Zahn 5; die Innenseite der Hinterschenkel mit einer Längsreihe von 6 Borsten; vor dieser Reihe stehen am distalen Ende des Schenkels an der Außenseite 2 etwas stärkere Borsten. Das Verhältnis der Tarsalg-lieder am Hinterbein ist: 22 : 16 : 8 : 5 : 10. Letztes Tarsalglied auf der Unterseite mit feinen, hellen Spieß- borsten und im Enddrittel mit 3 starken Dornen, von welchen der mittlere die Länge der 4 starken Seitenwandborsten (jederseits am Tarsenendglied) erreicht. Klauen gerieft. Prothorax mit 7, Mesothorax mit 6, Metathorax mit 6 starken Borsten jederseits. ]\randibeln und Labial palpen schlank, erreichen kaum das Ende der Yorderhüften. Labialpalpen 4gliedrig. Hinter dem Auge ist die Wange etwas blattartig über die Fühlergrube erweitert. Die Beborstung des Kopfes ist aus der Figur ersichtlich. Am stärksten sind die Borsten am Oberrande der Fühlergrube und die an der Unterecke des Kopfes über der Maxillenbasis stehende Borste ent- wickelt. Eine Reihe sehr feiner Börstchen zieht von der Wurzel der Fühlergrube zur Maxillarborste, eine zweite, ebensolche Reihe folgt dem Oberrande der Fühlergrube im Wurzeldrittel. Zwischen den Borsten am Hinterrande des Kopfes je eine kürzere, feine Borste. Außerdem stehen selir feine, kurze Börstchen ziemlich zahlreich über den Kopf verstreut. Antep3'gidialborsten jederseits 1 auf einem kleinen Höcker; daneben ober- und unterhalb je 1 kürzere Borste. Haftapparat (clasper der englischen und amerikanischen Autoren) des Männchens schlank, jederseits aus 2 lang-elliptischen, etw^as gegeneinander ge- krümmten Lappen auf gemeinsamer Basis bestehend; der Außen- lapi)en am Oberrande mit 5 langen, starken Borsten besetzt, welche die Länge des Lappens übertreffen; an der Basis der 3 mittlem Borsten steht noch je 1 etwas schwächere und kürzere Borste; der Innenlappen nur am distalen Ende mit einigen feinen Borstenhaaren. Chitingerüst des Penis verhältnismäßig kurz, keine vielfacli ge- wundene Spirale, sondern nur eine einzige volle ^^'indung be- schreibend. Penisplatte schlank, spateiförmig, gegen das Ende zu ver- 292 Leopold Fülmek, Siphonaptera Lätr. von Tripolis und Barka. breitert ; am freien Ende mit einer Anzahl feiner Borsten ; längs des Hinterrandes eine Eeilie ebensolcher, nach hinten an Länge zu- nehmenden hellen Borsten. Am Caudalrande des Körpers fallen jederseits 2 starke Borsten auf. Länge: 1,87 mm; Farbe: lichtbraun. Auf Eliomys tnunbianus tunetae Thomas; aus den Steinbrüchen von Gharian westlich von Tripolis, Nord-Afrika, 13.— 14./7. 1906. Type im K. K. naturhist. Hofmuseum in Wien. Genus CtenocepJialus Kolenati. CL ccinis (CüET.) Bak. Tripolis, Juli 1906. I^achdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Neue oder wenig bekannte südamerikanische Cupiennius- und Ctenus-Arten. Von Embrik Strand (Berliu, Kgl. Zool. Museum). Mit der Bearbeitung- der südamerikanischen Clubioniden des Berliner Museums beschäftigt, gebe ich hiermit im Folgenden Be- schreibungen sämtlicher vorhandenen neuen Arten der Gattung Cteniis Walck, und zweier Cupiennius- kri^n. während die ebenfalls zu den cteniformen Spinnen, wenn auch nicht zu den Cteninae im Sinne Simon's gehörigen Arten der Gattung Lycodemcs F. Cbe. {Ancylometes Sim. (ob Behtk. ?)) ungefähi' gleichzeitig im Zoologischen Anzeiger behandelt werden. Über weitere neotropische Clubionidae liolfe ich in kurzem hier au dieser Stelle berichten zu können. Berlin, März 1909. Gen. Cuinenniiis Sim. 1. Cuinenniits suhfoliatus n. sj)» Ein S von Ecuador (ß. Haensch), — Mit Ct. morclicus 0. Cbe. 1892, der sec. F. Cambkidge gleich Cupiennius saJlei (Keys.) sein soll, jeden- falls nahe verwandt, aber durch Folgendes abweichend : der Herzstreif ist lanzettförmig, etwa in der Mitte des Kückens in eine feine Spitze endend, dunklere Flecke an den Femoren sind nicht vorhanden, und 294 EiiBEiK Strand, diese sind heller als die folgenden Glieder, eine dunklere Mittel- längsbinde auf dem Ceplialotliorax fehlt gänzlich, ebenso Seiten- binden auf dem Clypeus, Lippenteil mit dunklerer Seitenrandbinde, Fortsatz des Tibialgliedes erscheint ein wenig länger. Die Di- mensionen nicht ganz gleich: Totallänge 20 mm. Cephal. ohne Mand. 8,5 mm lang, 7 mm breit. Beine: I Fem. 10,5, Fat. + Tib. 14,5, Met. -f Tars. 16,5 mm; II bzw. 10, 14,5, 16,5 mm; III bzw. 9,5, 10,5, 13,5 mm; IV bzw. 10,5, 12, 17 mm! Totallänge: I 41,5; II 41; III 33,5; IV 39,5 mm. Also: I, 11, IV, III. Mit Ciqjiennitis foliatus F. Cbe. am nächsten verwandt, aber die Färbung abweichend: Cephalothorax und die proximalen Glieder der Beine orangegelb, Patellen und Tibien dunkelrot, Metatarsen noch dunkler, Tarsen etwa orangefarben; Cephalothorax ohne An- deutung dunklei-er Längsbinde, Abdomen oben und an den Seiten dunkelgrau, längs der Mitte Andeutung einer heilern Längsbinde, in welcher vorn der schmal schwarz umrandete, in der ]\[itte heller als die Umgebung gefärbte, scharf zugespitzt lanzettförmige Herz- streif gelegen ist; weder dunkle Querstreifen noch helle Flecke er- kennbar. Die schwarze Bauchbinde scheint breiter als bei foliatus zu sein, ist kurz hinter der Spalte plötzlich verengt, hat die größte Breite kurz vor der Mitte und ist an den Spinnwarzen so breit wie an der schmälsten Stelle vorn. — Ferner Dimensionen etwas ab- weichend (siehe oben). Be stach elung. Alle Femoren oben, vorn und hinten je 1, 1, 1, nur IV hat hinten bloß 1; Patellen I — III vorn und hinten je 1, IV nur vorn 1 Stachel; Tibien I — II unten 2, 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, III— IV unten 2, 2, 2, vorn, hinten und oben je 1, 1; alle Metatarsen unten in der Basalhälfte 2, 2 lange, starke Stacheln, unten an der Spitze 1 ganz kleinen, vorn und hinten je 1, 1, 1 starke Stacheln sowie 1 kleinern jederseits an der Spitze. — Palpen. Fem. oben 1, 1, 3, Patellargiied anscheinend unbestachelt, Tibialglied in der Basalhälfte innen 2, oben 1 Stachel. Länge der Palpen : Fem. 4,2, Pat. 2, Tib. 3,5, Tars. 3 mm, zusammen also 12,7 mm. Mandibeln 4 mm lang, beide zusammen 3,5 mm breit. Die Palpenorgane ähneln denen von C. foliatus sehr, aber der hakenförmige Fortsatz (in der Mitte und längs der Innenseite des Bulbus) erscheint am Ende breiter und quergeschnitten, die vordere innere Ecke nicht vorgezogen, der nach außen gerichtete Quer- fortsatz (der eigentliche ,.Haken") länger. Südanierikanische Cupiennius- und Ctenus-Arten. 295 Am iintein Falzrande 4 Zähne, von denen No. 3 (von außen) unbedeutend kleiner ist, am obern Rande 3, von denen der mittlere der größte, der äußerste der kleinste ist. 2. Cui)iennms exterritorialis n. sp. S von „Südamerika?". Erinnert sehr an Cupiennius sallei (Keys.) [Ctemis mordicus 0. Cbr.). aber u. a. durch das Fehlen einer schwarzen Bauchlängsbinde leicht zu unterscheiden. Dadurch auch von C. foliatus F. Cbr, abweichend. Totallänge 22 mm. Cephal. ohne Mand. 9,5 mm lang-, 8 mm breit. Abdomen 10,5 mm lang, 6,5 mm breit. — Beine: I Fem, 11,5, Pat, 4- Tib. 16, Met, 12,5, Tars, 4,5 mm; II bzw, 11, 16, 12, 4,3 mm; III bzw. 10, 12, 10, 4 mm; IV bzw. 11, 13,5, 12,5, 4 mm. Total- länge : I 44,5 ; II 43,3 ; III 36 ; IV 41 mm. Also : I, II, IV, IIL Palpen : Fem. 4,2, Pat. 2,2, Tib. 3,5, Tars. 3,5, zusammen also 13,4 mm. Femoren I — III oben, vorn und hinten je 1, 1, 1 Stacheln, IV wie die andern, aber hinten nur 1 oder 1, 1; Patellen I — III vorn und hinten je 1. IV nur vorn 1; Tibien I — II unten 2, 2, 2, 2, vorn, hinten und oben je 1, 1, III— IV unten 2, 2, 2, vorn, hinten und oben je 1, 1; Metatarsen I — II unten 2, 2, 2 sowie 1 kleinen an der Spitze, vorn und hinten je 1, 1, 1 Stacheln. Färbung. Cephalothorax und Extremitäten hell rötlich- braun, ersterer mit 2 breiten, oben leicht gezackten Randbinden, die etwa halb so breit wde die dazwischen gelegene, von der Grundfarbe gebildete Binde sind und 2 — 3 undeutliche, unterbrochene Schräg- striche aufweisen; sie vereinigen sich an der hintern Abdachung nicht und werden vorn durch je eine schmale braune, zwischen den S. A. und dem Clypeusrande verlaufende Schrägbinde verbunden. Rücken däche des Kopfes ein wenig heller, jederseits von einer feinen, undeutlich dunklern, wellenförmig gekrümmten Linie begrenzt und von einer ebensolchen geraden Mittellängslinie durchzogen. Mittel- ritze und ein sich bis zum Hinterrande hinziehender Mittellängs- streifen weißlich behaart; die hintere Abdachung dunkelbraun, Clypeus und Augenfeld gelblich mit weißlicher Behaarung; 4 kurze, braune Längsstriche durch die beiderreihigen S. A, und beiderreihigen M. A.; die Augen sonst schmal schwarz umrandet. Mandibeln im Grunde dunkelrot, vorn mit je 3—4 schmalen weißen und dunklern Längshaarbinden. Palpen rötlich-gelb mit dunklerm Endgliede. Fe- moren oben mit 3 — 4 durcli die Behaarung gebildeten weißlichen Querbinden. Tarsen ein wenig heller als die übrigen Glieder. — Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. '20 296 Embrik Strand, Abdomen dunkel graugelblich, oben mit schmalen dunkelbraunen Zeichnungen: zwei an der Basis und der Mitte zusammenstoßende^ einen schmal lanzettförmigen Raum begrenzende Längsstreifen, an der Basis dieses Eaumes jederseits eine und an der Spitze derselben jederseits zwei ringförmige Figuren, von denen die basalen mehr länglich sind. An der hintern Hälfte des Rückens leicht gebogene dunkle Querstriche. Seiten des Abdomens undeutlich dunkel gefleckt. Spinnwarzen bräunlich-gelb. Bauch dunkel graugelblich. Die Palpen haben die allergrößte Älmlichkeit mit denen von Cup. subfoUatus, sind aber robuster, vor allen Dingen das Tibialglied in der Endhälfte, der Fortsatz des letztern erscheint im Profil mehr nach vorn gerichtet (bei subfoUatus mehr abstehend) sowie am Ende breiter und deutlicher schräg geschnitten als bei subfoUatus, die Spitze des hakenförmigen Fortsatzes erscheint im Profil nach unten und vorn, bei subfoUatus nach unten und hinten gerichtet etc. Gen. Ctenus Walck. 1. Ctenus nif/riventef Keys. 1891. Exemplare aus Paraguay, Mattogrosso. — cf. Steand in: Ztschr. Naturw., Halle, Vol. 79, p. 268—269. Ferner Exemplare von Rio Alto, Parana (Niedeklein). — Bei un- reifen Exemplaren von San Bernardino, Paraguay, unter Steinen gefunden (Fiebeig), die wahrscheinlich dieser Art angehören, ist eine schwarze Längs binde am Bauche nicht oder höchstens undeutlich vorhanden, dagegen befindet sich hinter der Spalte ein die ganze Vorderhälfte des Bauches einnehmendes tiefschwarzes Querfeld. Die helle Längs- figur des Abdominalrückens meistens wenig deutlich, die Beine am Ende bisw^eilen an der ganzen Oberseite geschwärzt, an den Beinen I — II unten mit je 1 tiefschwarzen Pleck am Ende der Femoren, an der ganzen Unterseite der Patellen und in der Endhälfte der Tibien. Mandibeln in der Flüssigkeit blutrot erscheinend. — Ein weiteres unreifes Exemplar (21 mm lang, c??) von Fiebrig, am 17. Dezember gefangen: „in der Krone eines hohen Baumes. Springt. Agressiv." Ferner fand Fiebeig ein Exemplar an einer ßlattuuter- seite, 8 m über dem Boden. — Ein unreifes Exemplar von 19 mm Körperlänge fand Fiebbig am 4. Dezember an einer Blattunterseite, 7 mm über dem Boden, wohin die Spinne 2 starke Fäden gesponnen hatte. Das eine Hinterbein dieser Spinne w^ar regeneriert. Südamerikanische Cupiennins- uud Cteuus- Arten. 297 Ein $ von Elumenan. Brasilien: Totallänge 32 mm. Ceplialo- thorax 15 mm lang ohne ^faml., 11,5 mm breit, vorn 6,5 mm breit. Abd. (nach der Eiablage) 16 mm lang, 11 mm breit. Beine: I Fem. 13,5. Fat. 6,5, Tib. 13, Met. 11, Tars. 4 mm; II bzw. 13, 6.2, 11.2, 10.2, 4 mm; III bzw. 10,5, 5, 8, 8, 4 mm; IV bzw. 13,5, 5, 12, 14,5, 4 mm. Totallänge also: I 48; II 44,6; III 35,5; IV 49 mm. Also: IV, I, II, III. — Das Exemplar hat offenbar schon die Eier abgelegt ; die Epigyne erscheint infolgedessen größer (3 mm lang nnd hinten breit; cf. Strand, 1. c), nnd der Bauch ist nicht schwarz, hinter der Spalte jedoch dunkel; letzteres wird viel- leicht zum Teil durch Abreiben zu erklären sein. Ferner ist eine deutliche Eeihe heller Flecke auf dem Abdominalrücken nicht vorhanden, der helle Herzstreif aber scharf ausgeprägt. Diese Form wird wohl gleich Cteiius keyserUncji F. Cbr. (ferus Keys.) sein, wenn auch weder die P'ärbung noch die Epigyne genau übereinstimmen; sowohl Cambridge als Keyserling waren übrigens geneigt, beide Formen als Varietäten einer Art anzusehen. Specilische morphologische Unterschiede kann ich nicht finden. Die Bauchfärbung erinnert mehr an die jungen Individuen; bei letztern können auch die Rückenfiguren ebenso undeutlich sein. Ferner unreifes Exemplar (?) von Santa Catharina in Brasilien iKilmann). — Ein reifes, gravides $ von: „Süd-Brasilien, St. Ca- tharina? Vom Botan, Garten erhalten" stimmt in Dimensionen genau mit Keyserling's Angaben über „Ct. ferus Perty" {:= Ct. JceijserUngi F. Cbr.), jedoch ist die Totallänge fast 40 mm (bei Keyseeling vielleicht Druckfehler?). Der Bauch schwarz behaart, etwa wie bei typischen nigriventer. Rücken mit scharf markiertem Herzstreif und dahinter zwei parallele Längsreihen von je 4 kleinen weißen, außen und liinten schmal schwarz begrenzten Haarfleckchen, die bei etwas abgeriebenen Tieren wahrscheinlich gänzlich ver- schwunden sind. Weiße Haarpunkte auch an der Basis aller Stacheln, — Zusammen mit diesem ein ganz junges Exemplar; auch bei diesem ist am Abdominalrücken an hellen Zeichnungen nur der Herzstreif vorhanden, der Bauch nur hinter der Spalte mit schwarzer Quer- binde. Unreifes Exemplar von Sapucay (Paraguay), Dezember 1904 i*rof. J. D. AxisiTs). Von San Bernardino (Fiebrig) liegt ein altes ? mit zahlreichen (ca. 700) zugehörigen Jungen vor, das oben wie die dunklern l-eijser- Jingi gefärbt ist (auch der Herzstreif undeutlich), der Bauch ist aber 2Ü^= 298 Embbik Strand, ganz einfarbig schwarz und zwar auch an den Seitenpartien. Bei einer Körperlänge von 36 Und Cephalothoraxlänge von 17,5 mm sind die Beine I: Fem. 15,5, Fat. 7,5, Tib. 15,5, Met. 14, Tars. 4,5 mm; IV bzw. 16, 6, 14, 18,5, 5,5 mm. Also: I 57; IV 60 mm. Die Dimensionen stimmen also ziemlich gut mit denen von mir (1. c.) mitgeteilten. — Die etwa 2,5 mm langen Jungen zeigen die ab- dominale Fleckenzeichnung der erwachsenen Exemplare in ihi-ei- stärksten typischen Ausbildung, Bauch wie die übrige Grundfarbe hell graugelb, Cephalothorax mit 3 ebensolchen Längsbinden, von denen die mittlere auf dem Kopf teile in 3 aufgelöst ist. Ein S von San Bernardino (Fiebeig), 8. März im Hause ge- fangen. Mandibeln und Abdomen ventralteils nach Fiebkig's Notizen ziegelrot (wohl trocken, im Leben?): S. Total länge 32 mm. Cephal. 16,5 mm lang, 12,5 mm breit, vorn 5— Q mm breit. Abdomen 15 X 10 mm. Beine : I Fem. 18, Fat. 7, Tib. 18,5, Met. 19, Tars. 7,5 mm; II bzw. 17, 7, 16, 17,5, 7 mm; III bzw. 14, 6, 12, 13, 5 mm; IV bzw. 18, 6, 16, 22, 7 mm. Totallänge: I 70; II 64,5; III 50; IV 69 mm. Also: I, IV, IL IIL Palpen: Fem. 9, Fat. 4, Tib. 5, Tars. 5,5 mm, zusammen also: 23,5 mm. Färbung wie die des ?; sowohl der Herzstreif als die Schräg- flecken des Abdominalrückens deutlich, Bauch aber mit gelblicher Behaarung; in Alkohol erscheint er aber, in gewissen Richtungen gesehen, schwärzlich mit 4 dichten Reihen gelblicher Flecken. Cephalothorax mit dichter graugelblicher Behaarung, aber die große tiefe Mittelritze dunkler erscheinend. Tibial- und Tarsalglied der Palpen innen dicht, scopulaähnlich behaart; ersteres vorn mit 2 schmalen, parallelen Haarblößen. Palpen. Tibialglied am Ende außen mit einem schwarzen, zungenförmigen, dem Tarsalgliede dicht anliegenden Fortsatz, der von der Seite gesehen schräg nach unten und vorn gerichtet er- scheint, oben der Länge nach gewölbt und leicht wellenförmig be- grenzt, am Ende breit abgerundet ist; von oben und etwas von vorn erscheint er gerade, schräg nach außen und vorn gerichtet, mit scharf zusammengedrücktem Ober- und Endrand; die Länge fast gleich der Breite des Gliedes an der Spitze. Der rotbraune, hinten quergeschnittene und etwas verjüngte, in Profil gesehen an der Unterseite kaum gewölbt erscheinende Bulbus trägt unten in der Endhälfte einen runden, am Rande etwas zackigen, weißen Fleck. Längs dem Innenrande des Bulbus ein starker, sichelförmig Südamerikanische Cnpiennins- und Cteuns- Arten. 299 o-ekrümniter, am Ende zu.^espitzter Fortsatz, der etwas hinter der Spitze an der Außenseite leicht ausgerandet ist. Am Ende des roten Bulbushügels befindet sich ein etwa bohnenfürmig'er, schwarzer, schräg: quergestellter Fortsatz, der vorn die Begrenzung des Aveißen Fleckes bildet. 2. Ctemis saltensis n. s^). Ein S von Prov. Salta, Bolivia, 600 m (J. Steinbach). S. Total länge 28 mm. Cephal. ohne Mand. 13,5 mm lang, 12 mm breit, vorn 5,5 mm breit. Abdomen 12X8 nim. Beine: I Fem. 14,5, Fat. 6,5, Tibia 13, Met. 13, Tars. 8 mm; II bzw. 13, 6, 11,5, 11,5, 7 mm; III bzw. 12, 5,5, 9,5, 11,5, 6 mm; IV bzw. 14, 6. 13, 16,5. 7 mm. Totallänge: I 55; II 49; III 44,5; IV 56,5 mm. Also: IV, I, II, III. Palpen: Fem. 7, Fat. 2,5, Tib. 4,5, Tars. 6 mm, zusammen also 20 mm. Mandibeln 5 mm lang. Färbung in Flüssigkeit gesehen: Cephalothorax dunkel- braun, mit 3 im Grunde rötlichen Längsbinden, von denen jedenfalls die am Kande weiß behaart gewesen ; die mittlere ist vorn so breit wie der Zwischenraum der hintern S. A., erweitert sich und bildet eine stumpfe Ecke jederseits auf der Mitte des Kopfes (daselbst etwa 4 mm breit), verschmälert sich dann ein wenig, um sich endlich an der hintern Abdachung zu erweitern und mit den Seitenbinden zu- sammenzufließen; auf dem Kopfteile ist sie ziemlich dunkel behaart, aber mit 6 schmalen weißen Haarbinden: 2 nahe beisammen und etwa parallel verlaufend in der Mitte, jederseits eine Grenzbinde, die sich nach unten erweiternd bis zum Ch'peusrande fortsetzt, und endlich zwischen dieser und der entsprechenden Mittelbinde, auf der Mitte des Kopfteiles, eine ganz kurze Binde. Die Randbinden oben gezackt. Die dunklen Seitenbinden werden von je 3 schmalen hellen Schrägstreifen geschnitten, von denen der eine gegen den Vorderrand der Coxen I, die andern gegen den Vorder- bzw. den Hinterrand der Coxen II gerichtet sind. Mandibeln dunkel rötlich- braun, vorn innen mit einem schwärzlichen Längsstreif; die lange abstehende Behaarung braungelb, die Grundbehaarung weißlich. Die ganze Unterseite des Cephalothorax rötlich, bräunlich behaart. Ex- tremitäten rötlich, die Endglieder wegen der Scopula dunkler, die Femoren scheinen oben hellere und dunklere Haarflecke zu haben. Palpen wie die Beine, das Endglied braun. — Abdomen nicht aus- gezeichnet erhalten, wird aber wahrscheinlich hellbraun erscheinen (die abstehende Behaarung bräunlich-gelb) mit je einem schwarzen 300 Embrik Strand, Fleck auf den Schultern und 2 kleinen weißen Flecken am Ende der Eückenfläche; 2 weitere ebensolche werden vielleicht auf der Vorderhälfte des Rückens vorhanden gewesen sein. Bauch dunkel- braun mit 4 weißlichen, nach hinten konvergierenden, die Spinn- warzen nicht erreichenden, aus zusammengeflossenen Flecken ge- bildeten Längsstreifen und ähnlichen, aber undeutlichem ebensolchen an den Seiten des Bauchfeldes. Bestachelung. Tibien I unten 2, 2, 2, 2, vorn 1, 1, hinten und oben je 1, 1, 1, II wie I, III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1, 1, IV wie III. Alle Patellen vorn und hinten je 1 Stacliel. Metatarsen I — II unten in der Basalhälfte 2, 2, vorn und hinten ebenda 1, 1, an der Spitze unten 1, vorn und hinten je 1, III unten 2, 2, 2, vorn 1, 2, 2, hinten 1, 1, 2, IV unten 2, 2, 2, 2, vorn 1, 1, 2, 2, hinten scheinen 2, 1, 1, 2 vorhanden zu sein. Palpen: Fem. oben 1, 1, 2, vorn und hinten an der Spitze je 1, Patellarglied innen 1, Tibialglied in der Basalhälfte innen 2, oben 1 Stachel. Palpen. Tibialglied am Ende außen mit 2 schwarzen, etwa gleichgroßen, kräftigen, am Ende kurz zugespitzten, gegeneinander gekrümmten Fortsätzen, von denen der untere in Seitenansicht etwa vogelsclinabelförmig erscheint, mit der Spitze nach oben gerichtet, der obere etwa dreieckig mit scharfer, nach vorn und ein klein wenig nach unten gerichteter Spitze, die etwas weiter nach vorn reicht als die des untern Fortsatzes. Bulbus mit dem gewöhnlichen Haken- fortsatz längs dem Außenrande; er ist etwa 2,3 mm lang, unten ab- geflacht und leicht ausgehöhlt sowie fein längsgestrichelt, am Ende stark zugespitzt, scharf, fast rechtwinklig, vogelschnabelförmig ge- krümmt; am Ende außen keine Ecke. Die Unterränder der Augen reihe II bilden eine schwach pro- curva gebogene Linie. 3. Ctenus siis n, «/>. Ein c^ von Surinam (Michaelis). (5. Totallänge mindestens 31 mm. Ceplial. ohne Mandibeln 15 mm lang, 11,5 mm breit, vorn 6 mm breit. Abdomen (geschrumpft!) 13 mm lang, 8 mm breit; in frischem Zustande walirscheinlich größer. Palpen : Fem. 7,5, Pat. 3, Tib. 3,(3, Tars. 6 mm lang und 3 mm breit, zusammen also 20,1 mm lang. Mandibeln 6,5 mm lang, an der Basis beide zusammen 3 mm breit. Beine: I Fem. 20, Pat. 7, Tib. 20, Met. 20, Tars. 5,5 mm; II bzw. 18,5, 7, 17,5, 17,5, 5 mm; III bzw. Südaiuerikaüische Cnpienuius- und Cteuus- Arten. 301 14,5, 6. 13. 13.5. 5 mm; IV bzw. 18,5. 6, 16, 23, 5.5 mm. Totallänge: I 72.5; II 65,5; III 52; IV 69 mm. Also: I, IV, II, III. Färb uro; nicht mehr genau zu erkennen; in Flüssigkeit er- scheinen jetzt Cephalüthurax und Extremitäten hell rötlich oder braungelblich, letztere, jedenfalls I und II, unten in der Endhälfte der P'emoren und Tibien geschwärzt, alle ]\[etatarsen wegen der Scoi)uliei'ung unten gesclnvärzt, Mandibeln wahi-scheinlich violettlich- I)rauu gewesen, Unterseite der Coxen und des Cephalothorax nur unbedeutend dunkler gewesen. Abdominalrücken hat wahrscheinlich vorn eine hellere Längsbinde, hinten hellere PaarÜecke gehabt. Ob Bauchfeld dunkler, bleibt fraglich. Augen. In Flüssigkeit und bei abgeriebener Behaarung der Umgebung erscheinen die vordem M. A. unbedeutend kleiner als die hintern, unter sich fast um ihren Durchmesser, von den hintern M. A. um weniger entfernt; vom Clypeusrande um etwa ihren doppelten Durchmesser entfernt. Das Feld der M. A. hinten recht wenig breiter als vorn und so lang wie hinten breit. Hintere M. A. und vordere S. A. unten eine gerade, horizontale Linie bildend. Tibialglied der Palpen am Ende außen mit einem kräftigen, 2,5 mm langen, stark abstehenden und daher auffallenden Haken versehen, der von oben bzw. von vorn gesehen wie aus 2, allerdings allmählich ineinander übergehenden Teilen zu bestehen scheint: der basale dicker, besonders an der Basis, nach außen und ein klein ■wenig nach vorn, gerichtet, am Ende etwa in Niveau mit der Spitze des Gliedes reichend, während die Apicalhälfte des Hakens parallel- seitig, gerade nach vorn etwa parallel zum Gliede gerichtet und am Ende außen schräggeschnitten erscheint. Von der Seite gesehen, erscheint er am Ende oben abgeschnitten (die untere Ecke also er- halten und zugespitzt), in der Endhälfte nach vorn gerichtet und schwach nach unten geneigt. Der Längsfortsatz am Innenrande des Bulbus nicht hakenförmig, sondern in seiner ganzen Länge gleichmäßig sichelförmig gebogen, vor der Spitze an der Außenseite mit einem kurzen, plattenförmigen, nach hinten gerichteten, etwa senkrecht zu der Längsachse des Hauptfortsatzes gestellten Fortsatz und gegenüber, an der entgegengesetzten innern oder vordem Seite des erstem befindet sich eine höckerförmige Verdickung. Tibial- und Tarsalglied innen dicht scopulaähnlich behaart. 302 Embrik Strand. 4. Cteniis sp, {boUviensis F. Cbr. [??]). Unreifes und schlecht erhaltenes S (ohne Abdomen!) von Prov. Sara, Bolivia, 600 m (J. Steinbach). Cephal. 15,5 ram lang-, 12 mm breit, vorn 6 — 7 mm breit. Beine : I Fem. 15,5, Fat. 6,5, Tib. 15, Met. 14, Tars. 5 mm; 11 bzw. 14,5, 6,5, 13,5, 12.5, 4,7 mm; III bzw. 12,5, 6, 10, 10, 4,5 mm; IV bzw. 15,5, 6,5, 13,5, 17, 6 mm. Totallänge : I 56 ; II 51,7 ; III 43 ; IV 58,5 mm. also: IV, I, II, III. Patellarg-lied an der Spitze innen sowie die ganze Innenseite vom Tibial- und Tarsalgliede dicht scopuliert. Tibialglied oben schwärzlich behaart mit 2 hellen, scharf markierten Haarblößen. Gesicht mit einer scharf markierten schwarzen Schrägbinde von den S. A. bis zu den Ecken des Clj'peusrandes. An den Femoren I— II unten in der Endhälfte ein tiefschwarzes Querfeld und ebenso ge- färbt ist die Unterseite der Patellen und die Endhälfte der Tibien. Die breite und tiefe, fast 9 mm lange Rückenfurche schwarz. Mau- dibeln rot. Nicht unwahrscheinlich, daß es sich hier um Ct. holiviensis F. Cbe. handelt; leider enthält seine Beschreibung keine Längenangaben über die Beine. — Charakteristisch ist für unsere Form, daß Beine IV länger als I sind, daß Tibia und Metatarsus III gleichlang sind, Tibia IV deutlich kürzer als I, aber gleich II, Pat. -j- Tibia IV kürzer als I (bzw. 20 und 21,5 mm), Femur IV = 1. — Für den Fall, daß es sich hier um eine neue Art handelt, möchte ich den Namen saraensis vorschlagen. 5. Ctetius niaciilisternis n. S2). Ein S, Prov. Sara, Bolivia, 600 m (J. Steenbach). S. Bestachelung. Alle Femoren oben mitten 1, 1, 1, I vorn im Enddrittel 2, 1, hinten 1, 1, 1, 1, II — IV vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, von denen der vorletzte etwas niedriger steht. Alle Patellen vorn und hinten je 1. Tibien I — II unten 2, 2, 2, 2, 2, I in der Basalhälfte vorn 1, hinten 1, 1, oben in der Endhälfte 1, II ebenda vorn und hinten je 1, 1, oben ], 1, III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je J, 1, oben 1, 1, 1, IV wie III. Metatarsen I — II 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, 2, III und IV mit vielen Stacheln. Palpen: Fem. oben 1, 1, 4, Pat. innen 1, Tibialglied in der Basalhälfte innen 2, außen 1 Stachel. * Cephalothorax und Extremitäten hellrot gefärbt, ersterer mit Südamerikanische Cupiennius- und C'tenus-Arten. 303 unbedeutend hellerer, wahrscheinlich weißlich behaart gewesener^ auf der hintern Abdachung in einer feinen Spitze endender Mittel- längsbinde. Die Tibien heller als die übrigen Glieder. ]\[andibeln blutrot. Sternum und Coxen olivenfarbig, ersteres mit 6 oder 7^ letztere mit 4 — 5 hellen Flecken und zwar unten vorn je 2, hinten am Ende sowie mitten je 1 und hinten an der Basis vielleicht 1; alle durch die Behaarung bedingt und daher wohl leicht verloren gehend. Abdomen dunkel gi-augelblich, oben mit undeutlich hellerer,, in der Vorderhälfte schwarz begrenzter Mittellängsbinde, die in der hintern Hälfte jederseits durch 3 dunkle Flecke begrenzt wird. Epigaster schwarz mit 2 größern bohnenfürmigen Flecken in der Mitte, 2 kleinen ebensolchen jederseits vorn und 1 in der Mitte hinten. Bauch mit schwarzem, nach hinten leicht verjüngtem Mittel- längsfeld, mit 4 nach hinten leicht konvergierenden, die Spinn- warzen nicht erreichenden, aus weißen, nicht zusammengeflossenen Fleckchen gebildeten Längsstreifen. Die untern Spinnwarzen jeder- seits mit schwarzem Längsfleck. Palpen lang und dünn; Patellarglied fast 272^1 al so lang wie breit; Tibialglied am Ende außen mit einem langen Fortsatz, der von oben ^ gesehen nach außen und ein wenig nach vorn gerichtet und schwach nach hinten konvex gebogen erscheint, von der ziemlich breiten Basis zuerst stärker, dann ganz schwach und allmählich gegen die Spitze verjüngt; letztere um die Hälfte der Länge des Fortsatzes weiter nach vorn als die Spitze des Gliedes reichend; die Länge des Fortsatzes gleich der Hälfte derjenigen des Tibial- gliedes. Bulbus längs der Innenseite mit einer feinen, halbkreis- förmig gekrümmten Spina und in der Mitte mit einem im Profil etwa kugelförmig erscheinenden Höckerfortsatz. Totallänge 18,5 mm. Cephal. ohne Mand. 9 mm lang, 7 mm breit. Abd. 9 mm lang, 5,5 mm breit. Beine : I Fem. 8,5, Pat. + Tib. 11,5, Met. -j- Tars. 10 mm; II bzw. 8, 10, 10 mm; III bzw. 7, 8,5, 9.5 mm; IV bzw. 9, 10,5, 14 mm. Totallänge: I 30; II 28; III 25; IV 33,5 mm. Also: IV, I, II, III. Palpen: Fem. 4,5, Pat. 2, Tib. (ohne Forts.) 2,5, Tars. 3,5, zusammen also 12,5 mm. 6. Ctenus hulinius n. sp. Ein S von Sierra Peral (Hensel). ■^. Am untern Falz ran de 3 gleichgroße und unter sich gleich- weit entfernte Zälme ; am obern ebenfalls 3, von denen der mittlere 304 Embrik Strand, erheblich größer als die beiden andern, der innerste bei weitem der kleinste ist. Totallänge 16,5 mm. Cephal. 8 mm lang, 6,5 mm breit. Abel. 8,5 mm lang, 6 mm breit. Beine: I Fem. 8, Pat. + Tib. 12,5, Met. 8. Tars. 3,5 mm; II bzw. 8, 11,5, 7,5, 3,3 mm; III bzw. 6.5, 8, 6,2, 2,5 mm; IV bzw. 7,5, 10, 8,5, 3 mm. Totallänge: I 32; II 30.3; III 23,2; IV 29 mm; also: I, II, IV, III. Best ach elung. Alle Femoren oben mitten 1, 1, 1, I vorn 2, 1, hinten 1, 1, 1, 1, II — III vorn nnd hinten je 1, 1, 1, 1, IV vorn 1, 1, 1, 1. hinten an der Spitze 1 ; Patellen I — II hinten 1. III— IV vorn und hinten je 1 ; Tibien I— II unten 2, 2, 2, 2, vorn und hinten je 1,1, oben scheinen 1, 1, 1 vorhanden zu sein, III — IV unten 2, 2, 2. vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1, 1 ; Metatarsen I — II unten 2, 2, 2 (oder 2, 2, 3?), vorn und hinten je 1, 1, III unten 2, 2, 2, vorn und hinten anscheinend 1, 1, 1 oder vorn 1, 1, 2, oben mitten scheint 1 vorhanden zu sein, IV scheint unten vorn 1, 1, 1, unten hinten 1, 1, 1, 1, vorn und hinten je 1, 1, 2 Stacheln zu haben. — Palpen: Fem. oben in der Endhälfte 1, 2, vorn ebenda 1, Patellarglied unbewehrt, Tibial- glied innen 2, oben 1 Stachel, Palpen. Fem. 3,5, Pat. 1,6, Tib. 1,8, Tars. 3 mm lang, zu- sammen 9,9 mm. Tibialglied von oben gesehen etwa 4mal so lang wie breit erscheinend, gegen die Spitze sehr wenig erweitert, aber daselbst schwach gebogen (am deutlichsten an der Innern, konvexen Seite), an der Spitze außen mit einem nach außen und schwach nach vorn gerichteten, etwa abgestumpft konisch erscheinenden, leicht nach hinten konvex gebogenen Fortsatz, der an der Basis vorn anscheinend einen kleinen Höcker trägt; der Fortsatz erscheint kürzer als die Breite des Gliedes. In Seitenansicht erscheint das Ende unten als eine kurze, scharfe, leicht nach unten gerichtete Ecke. Bulbus ziemlich groß; von außen gesehen zeigt er einen geraden, gerade nach vorn gerichteten, am Ende kurz zugespitzten bzw. schräg ge- schnittenen, von der Mitte des Bulbus entspringenden Fortsatz, Von unten gesehen erscheint die Lamina tarsalis in der Basalhälfte außen stark gewölbt, und der Bulbus ist an der ganzen Innen- und Vorder- seite von einer feinen Spina umgeben, Färbung. Cephalothorax und Extremitäten hellrot, an. den Beinen I— II sind die Tibien, Metatarsen und Tarsen dunkel braunrot, an den Hinterbeinen sind nur die Metatarsen etwas dunkler. Palpen, mit Ausnahme des letzten Gliedes, heller als die Beine. Abdomen graubräunlich erscheinend, mit bis zur Mitte reichendem gelblichem Südamerikanische Cupieimins- uiul Ctenus-Arten. 305 Herzstreif und an der hintern Hälfte des Rückens jederseits einer Längsreihe von etwa 4 schwarzen Flecken. Abdomen unten an- scheinend dunkler mit Andeutung eines heilern Rauchfeldes. Coxen und Sternum branngelb, letzteres dunkler umrandet. 7, Ctentis longfpes Keys. 1891. 2 SS, 2 $?. Theresopolis, Septbr.. Oktbr. 1887 (Feuhstorfee) ; l reifes S + unreife Exemplare von Lages, März 1887 (Fruhstoefer). 1 $. Sierra Peral (Hexsel). $ hat viel Ähnlichkeit mit Ctenus jjo'cgrinns F. Cbr, 1900 (in: Biol, Centr.-Am.. Vol. 2, p. 110, tab. 7, fig. 34, 34a), aber die Beine etwas kürzer, die Abdominalbinde in der vordem Hälfte parallelseitig (bei pereririnus beginnt die Verästelung derselben kurz hinter der Basis), helle Flecke auf dem Thoraxrücken und den ]\[andibeln nicht vor- handen (ob sie bisweilen, bei ganz unabgeriebenen Exemplaren, vor- hantlen sein können, möchte ich dahingestellt lassen); an der Epi- gyne erscheinen in Flüssigkeit die dunklen Seitenbinden stark ge- krümmt und vorn stärker genähert als bei per., und auch an den Seiten des letzten Drittels der Epigj-ne befinden sich schwarze Binden, die sich in ihrer Vorderhälfte nach innen und etwas nach hinten umbiegen, während daselbst bei im-egrinus, nach der Ab- bildung zu urteilen nur 2 kurze, schmale, gerade Querstriche vor- handen sind. Der Hinterrand breiter, mehr quergeschnitten. 8. Ctenus slf/nativenter n. sij» Ein S und 2 ??. alle unreif, etikettiert: „London, Rosenberg 28.9. 98" und „Collected by my correspondents, Paramba. Ecuador, 3500 feet June." (Erstere Angabe ist w^ohl als: Erhalten von Mr. RosENBEEG in London, zu verstehen.) — Ein zweites unreifes S trägt eine mit der ersten der hier angeführten gleichlautende Eti- kette, sowie eine zweite: „Cachabe", was wohl eine Lokalität in Ecuador sein wird. (Das S von Paramba. ) Bestach elung. Alle Femoreu oben mitten 1, 1. 1, I vorn 1, 2, 1, hinten 1, 1, 1. II— III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, IV vorn 1. 1. 1. 1. hinten nahe der Spitze 1. 1 Stacheln. Patellen I — II unbew-ehrt, III — IV vorn und hinten je 1 Stachel. Tibien I— II unten 2. 2, 2, 2, 2, II vorn in der Basalhälfte 1, 1 oder 0. 1, III — IV unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1. 1, 1 Stacheln. .Aletatarsen I— II unten 2, 2, 2, III unten wie I— II, vorn und hinten je 1, 1, 2, IV unten vorn 1, 1, 1, unten 306 Embeik Strand, hinten 1, 1, 1, 1, vorn 1, 1, 2, hinten 1, 2, 2 Stacheln. Palpen: Fem. oben 1, 4, Pat. innen 1, Tib. inneü 2, außen 1, Tarsalglied (unreif) innen 2, 1, außen 1, 1 Stacheln. Färbung. Cephalothorax und Extremitäten hell rötlich- braun, ersterer mit schwarzer, 4,5 mm langer, tiefer Mittelritze, die Umgebung der Mittelritze heller, und von derselben laufen 2 schmale, nach außen konvex gekrümmte, helle Binden bis zu den hintern S. A.; die Augen der beiden hintern Reihen in schmalen, schwarzen Ringen. Von den S. A. bis zu den Clypeusecken je eine dunkel- braune Binde. Mandibeln dunkelrot. violettlich schimmernd, außen mit einem undeutlichen schwärzlichen Längsstreifen, die Innenseiten mit tiefschwarzem, nicht bis zur Spitze reichendem Feld; die ab- stehende Behaarung der Mandibeln erscheint in Flüssigkeit blaß goldgelblich. Femoren oben ein wenig dunkler als die übrigen Glieder und mit schmalen, weißen Haarriugen um die Basis der Stacheln, I — 11 unten in der Endhälfte tiefschwarz, in der Basal- hälfte dicht und undeutlich schwarz punktiert, III — IV unten ein- farbig. Patellen unten geschwärzt. Tibien I — II unten in der größern Basalhälfte weiß behaart, in der kleinern Endhälfte ge- schwärzt. Metatarsen I — II unten schwärzlich. Behaarung des Abdomens nicht gut erhalten und dieses daher wahrscheinlich jetzt zu hell erscheinend : graugelblich, oben von der Basis 2 schmale schwärzliche Längsstriche, die an der Basis um etwa 1^2 iifini unter sich entfernt sind, nach hinten alhnählich konvergieren und kurz hinter der Mitte des Rückens sich vereinigen, um sich als eine feine Linie bis zu den Spinnwarzen fortzusetzen; außen in der ganzen Länge von einer undeutlich heilern, VU mm breiten Binde begrenzt. An der hintern Abdachung sind vielleicht dunklere Querfiguren vor- handen gewesen, und an den Seiten, in und hinter der Mitte, scheinen 2 — 3 hellere, vorn schwärzlich begrenzte Schrägbinden vorhanden zu sein. Bauchfeld schwärzlich, mit 4 nach hinten schwach kon- vergierenden Längsreihen von kleinen, weißen, in der Mitte mit je 1 dunklen Punkte versehenen Flecken; die Reihen scheinen weder Spinnwarzen noch die Spalte ganz zu erreichen, und zwar sind hinten die beiden mittlem am stärksten verkürzt. Spalte vorn schwärzlich begrenzt. Sternum und Coxen einfarbig braun. Maxillen charakte- ristisch gefärbt: in der Basalhälfte rötlich mit undeutlichem schwarzem Längsstreif längs der Innenseite, in der Endhälfte tief- schwarz. Lippenteil rötlich, in der Endhälfte geschwärzt. Palpen Südamerikanische Cupienmis- imd Cteiius-Arten. 307 am Tibial- und Patellarg-liede vorn mit tiefschwarzer, beiderseits weißlich begrenzter Mittellängsbinde. Dimensionen (NB. unreif!). Totallänge 81 mm. Cephalo- tliorax ohne Mand. 12 mm lang, 9 mm breit. Abd. 17 mm lang, II mm breit. Beine: I Fem. 12, Pat. + Tib. 17, Met. 11,5, Tars. 3,5 mm; II bzw. 11,5, 15,5, 10,5, 3,5 mm; III bzw. 9,5, 11,5, 7,5, 3,5 mm; IV bzw. 12,5, 14,5, 13, 4 mm. Totallänge: I 44; II 51; III 32; IV 44 mm. Also: I = IV, II, III. Palpen: Fem. 5,5, Pat. 2,5, Tib. 3. Tars. (NB. unreif!) 5 mm laug, zusammen also 16 mm. Am untern Falzrande 4 starke, gleichgroße Zähne sowie am innern Ende der Reihe ein 5., ganz kleines Zähnchen. Am obern Pande 3 Zähne, von denen der mittlere so groß wie die größten des ünterrandes, der innere erheblich kleiner und der äußere rudi- mentär ist oder wohl bisweilen ganz fehlt. 9. Ctenus niedius Keys. 1891. 1 $ ad., 1 S subad. Theresopolis, September— Oktober 1887 (Feuhstoefer). $. Totallänge 25 mm. Cephalothorax 12,5 mm lang, 9 mm breit, vorn 6 mm breit. Abdomen 11,5X^,5 inni. Beine: I Fem. 9, Pat. -f Tib. 13, Met. 7,5, Tars. 2,7 mm; II bzw. 8,5, 12,5, 1, 2,7 mm; III bzw. 7,5, 10, 6,5, 2,6 mm; IV bzw. 10, 12, 11, 3,5 mm. Also: I 32,2; II 30,7; III 26,6; IV 36,5 mm lang, und somit: IV, I, II. III. Palpen: Fem. 4,5, Pat. 2,5, Tib. 3, Tars. 3,5 mm, zusammen also 13,5 mm. Die Art war schon von F. Cambeidge (1897) von Theresopolis angegeben worden. Das unreife S, das ziemlich sicher der gleichen Art angehört, hat dieselbe Größe, aber längere Beine (I bzw. 10, 14, 8,5, 3,5 mm; IV bzw. 10, 13, 12, 3,5 mm); die Hinterbeine normal (beim reifen c? ist Metatarsus IV stark gekrümmt). 10. Ctenus incizensis n, si>. 2 ?? sowie ein wahrscheinlich dazu gehöriges S von Santa Inaz, Ecuador, März 1899 (R. Hänsch). ?. Bestachelung. Alle Femoren oben 1, 1, 1, I vorn 1, 2, 1, hinten 1. 1, 1 oder 1, 1, 1, 1, II vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, III wie II, IV vorn 1, 1, 1, 1, hinten am Ende 1, 1 Stacheln. An den Patellen sind keine Stacheln erhalten, aber wahrscheinlich sind jedenfalls an den beiden hintern Paaren deren je 1 vorn und hinten 308 Embrik Strand, vorhanden gewesen. Tibien I— II unten 2, 2, 2, 2, 2, vorn und hinten 1, 1 oder 1, 1, 1, III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben (1 ?), 1, IV wie III. Metatarsen I— II unten 2, 2, 2. vorn und hinten je 1 an der Basis, III und IV mit vielen Stacheln. Palpen : Femoralglied oben 1, 2, vorn am Ende 1, Patellarglied innen 1, Tibialglied innen 2, außen 1, Tarsalglied innen 2, 1, außen 1 (oder 1, 1?) Stacheln. ?. Total länge 26 mm. Cephalothorax ohne Maud. 10 mm lang, 7,5 mm breit, vorn 4.5 mm breit. Abd. 15 mm lang, 10 mm breit. Beine: I Fem. 11, Fat. 4, Tib. 11,5, Met. 10, Tars. 4 mm; II bzw. 11, 4, 10, 9,5, 4 mm; III bzw. 9,5, 3,5, 8, 9, 3,5 mm; IV bzw. 12, 4, 9, 13,5, 3,5 mm. Totallänge: I 40,5; II 38,5; III 33,5; IV 42 mm, also: IV, I, II, III. Palpen: Fem. 4.5. Pat. 2, Tib. 3, Tars. 4 mm, zusammen also 13,5 mm. S. Totallänge 13 mm. Cephalothorax 7 mm lang, 5,5 mm breit. Abdomen 7 mm lang, 4 mm breit. Beine: I Fem. 11, Pat. + Tib. 16, Met. 13,5, Tars. 4,5 mm; II bzw. 11, 14,5, 12, 4 mm; III bzw. 9, 11,5, 10, 3,5 mm; IV bzw. 11,5, 13, 15,5, 4,5 mm. Total- länge: I 45; II 41,5; III 34; IV 44,5 mm. Also: I, IV, II, III. Palpen: Fem. 4, Pat. 1,5, Tib. 3, Tars. 3,2 mm, zusammen also 11,7 mm. ?. Dunkelbraun gefärbt, Cephalothorax mit schwärzlichen Strahlenstrichen, der Kopfrücken heller mit schmalen, schwarzen Längslinien, das Augenfeld wahrscheinlich schwärzlich oder jeden- falls die Augen in schwarzen Eingen, Mandibeln schwarz mit violettem Anflug und rötlich-gelbem Basalfleck; Sternum und Coxen schwarz mit violettlichem Glänze; Maxillen schwärzlich mit rötlichem Innenrande und ebensolchem Längsstreif in der Basalhälfte ; Lippen- teil schwarz mit rötlicher Spitze. Femoren unten tiefschwarz, oben geschwärzt mit rötlichem Längsstreif gegen die Spitze, die übrigen Glieder rötlich-braun; Abdominalrücken mit hell rostbräunlichem, bis zur Mitte reichendem Herzstreif, der fast so breit wie das mittlere Augenfeld ist und hinten spitz endet ; hinter diesem scheinen einige schwarze Querstreifen angedeutet zu sein; im unbeschädigten Zustande wären wahrscheinlich zwei nach hinten konvergierende Längsreihen weißer, von langen abstehenden Haaren gebildeter Fleckchen vorhanden, und ähnliche kleine Flecke, die Schrägreihen gebildet haben, scheinen die Seiten getragen zu haben. Die untere Hälfte der Seiten roströtlich, ebenfalls mit eingemischten weißlichen Haaren; Bauch mit schwarzer Mittellängsbinde, die vorn die ganze Breite desselben einnimmt, nach hinten allmählich sich verschmälert Südamerikanische Cnpieunius- und Ctenus-Arten. 309 und 6 Längsreilien diclitsteliender, zum Teil zusammengeflossener^ weißer Flecke einschließt; diese Reilien konvergieren nach hinten (oline zusannnenzustoßen) und erreiclien die Spinnwarzen nicht (die beitlen mittlem hören schon in der Mitte des Bauches auf). Spinn- warzen unten und an den Seiten schwarz, oben braun. c^. Wie das ^ gefärbt, aber die Extremitäten heller, rötlicher, die Femoreu mit großen, schwarzen, zum Teil zusammenfließenden Flecken und auch unten nicht einfarbig schwarz, Andeutungen dunklerer Flecke oder Ringe auch an den folgenden Gliedern vor- handen. Der Kopfrücken scheint noch heller als beim ? zu sein, wenn nicht abgerieben, wahrscheinlich weißgelblich behaart. Der Herz- streif des Abdomens weißlich; ebensolche Haarflecke scheinen vor- handen gewesen, aber weniger deutlich als beim $ zu sein. Die untere Hälfte der Seiten schwärzlich mit undeutlichen, weißlichen Längsstrichen; ßauchfeld nicht scharf begrenzt und mit nur 4 Längs- reihen weißer Flecke. $. Die E p i gy n e erscheint in Flüssigkeit als ein rötlich-braunes, dreieckiges, vorn schmal zugespitztes, hinten an den Ecken gerundetes Feld, das 1,5 mm lang und 1,2 mm breit ist. In Profil erscheint die Epigyne als ein vorn ganz schwach, hinten ziemlich steil abfallender Längshügel von der beschriebenen Form, der an den Seiten der Länge nach tief ausgehöhlt ist, an der vom Bauche abgekehrten Seite mit glattem, leicht erhöhtem Seitenrande versehen ist, der sich an der hintern Abdachung zur Bildung eines kurzen spitzen, nach hinten und ein wenig nach innen gerichteten Zahnhöckers ver- längert. S. Palpen lang und dünn. Femoralglied von oben gesehen schwach Sförmig gebogen, Patellarglied parallelseitig, doppelt so lang wie breit, Tibialglied von oben gesehen an der Spitze un- bedeutend breiter als an der Basis, in der Endhälfte beiderseits lang und abstehend behaart, an der Spitze außen mit einem kurzen^ zugespitzten, nach vorn, außen und unten gerichteten Zahn, der nur halb so lang wie die Spitze des Gliedes breit ist und von sowohl Tibial- als Tarsalglied deutlich absteht; dieLamina tarsalis erscheint von oben etwa lang birnförmig, die größte Breite in der basalen Hälfte, daselbst etwa doppelt so breit wie das Tibialglied, an beiden Seiten gleichgeformt, an der Außenseite kommt (in Dorsalansicht) iler Bulbus als eine rötlich-gelbe, halbmondförmige „Blase" zum Vor- schein, die bis zum Anfang des apicalen Drittels der Lamina tarsalis reicht. In Profilausicht erscheint die Lamina tarsalis bootförmig, 310 Embbik Strand, der Bulbus etwa ellipsoidisch mit einem stabförmig-en, am Ende schräg abgeschnittenen, von der Mitte der Unterseite des Bulbus entspringenden, nach vorn gerichteten, in Niveau mit der Spitze des Bulbus reichenden Fortsatz. — Femoralglied oben längs der Mitte 1, 1, 1, innen nahe der Spitze 2, außen ebenda 1, Patellen innen 1, Tibialglied in der ßasalhälfte innen 2, oben 1 Stachel. Tibien I— II unten 2, 2, 2, 2, 2, sowie mit lateralen und dorsalen Stacheln. 11. Ctenus ruhrli^es Keys. 1880 (?). Ein $ von Cachabe (Ecuador?), von Rosenberg in London er- worben. Datiert 28./9. 1887 (Sammel- oder Eingangszeit?). 5. Leider ist der Epigaster des Exemplars so beschädigt, daß es «ich nicht länger erkennen läßt, ob das Tier reif ist oder nicht. Charakteristisch sind 3 — 4 weiße Längsstreifen vorn an den schwarzen Mandibeln sowie die lebhaft rotgelbe, goldig glänzende Behaarung an der Unterseite der Femoren I — III. Von oben gesehen erscheint das Tier in Flüssigkeit dunkelbraun, auf dem Kopfteile etwas heller, rötlicher; Augenfeld schwärzlich, zwischen den Augen 3 schmale weiße Längsstriche, von denen nur die beiden seitlichen den Clypeus- rand erreichen; in unbeschädigtem Zustande wäre wahrscheinlich der ganze Cephalothorax mit einer feinen hellgraulichen anliegenden Behaarung bedeckt. Das ebenfalls dunkelbraune Abdomen hat einen bräunlich-gelben, bis zur Mitte reichenden, hinten spitz endenden Herzstreif, der in der Mitte fast so breit wie die Reihe der hintern M. A. laug ist. Bauch schwärzlich mit von den Enden der Rima genitalis bis zu den Seiten der Spinn warzen je einer schmalen graugelblichen Linie. Sternum und Coxen dunkel rötlich-braun, Lippenteil und Maxillen noch dunkler, aber mit hellerer Spitze. Die Beine oben zum Teil rötlich ersclieinend, Scopula dunkelgrau, an den Seiten rötlich-gelb. Die Tibien erscheinen unten einfarbig dunkel graubraun, sind aber in der Tat mit blaß bräunlich- oder graulich-gelben ab- stehenden Haaren besetzt und ähnliche finden sich in der Endhälfte der Mandibeln. Total länge (ob reif?) 27 mm. Cephalothorax 10,5 mm lang (ohne Mand.), 8,5 mm breit. Abd. 14,5 mm laug, 9 mm breit. Beine: I Fem. 10,5, Fat. 5, Tib. 10, Met. 10, Tars. 4 mm; II bzw. 10,5, 5, 10, 10, 4 mm; III bzw. 9,5, 4, 7, 8.5, 3,5 mm; IV bzw. 10,5, 4, 8,5, 11, 4 mm. Totallänge: I 39,5; II 39.5; III 32,5; IV 38 mm, also: Südamerikanische Cnpiennius- und Ctenus-Aiteu. 311 I = II, IV, III. Palpen : Fem. 4,5, Pat. 2,5, Tib. 8,5, Tars. 3,6 mm, zusammen also 14,1 mm lang. Soweit man nach diesem beschädigten Exemplar (ohne Epigyne!) urteilen kann, ist diese Art Ct. rnbripes Keys., die aus Panama be- schrieben war. Sollte die Art doch verschieden sein, so möchte ich den Namen castratus m. in Vorschlag bringen. 12. Ctenus anisitsi n. si^. Ein ? von Villa Sana, Paraguay, 19./1. 1903 (Prof. J. D. Anisits). Ist mit Ct. similis F. Cbr. von Santarem ottenbar nahe verwandt, ist aber am Körper größer, die Extremitäten dagegen so lang wie bei similis (was Totallänge betriift, dagegen sind bei similis Pat. -j- Tib. I = IV und ein wenig kürzer als hier), die zweite Augenreihe unten gerade, das schwarze Bauchfeld scharf begrenzt und mit 2 Quer- statt Längsreihen kleiner weißer Punkte. $. Totall äuge 19 mm. Cephalothorax 8 mm lang, 6,5 mm breit. Abdomen 9,5 mm lang, 6 mm breit. Beine: I Fem. 6, Pat. -\- Tib. 8, Met. -|- Tars. 6.5 mm; II bzw. 5,5, 7,5, 6,3 mm; III bzw. 5, 6, 6 mm; IV bzw. 6.5, 8,5, Met. 7, Tars. 2 mm. Totallänge: I 20,5; 11 19,3; III 17; IV 24 mm, also: IV, I, II, III. Alle Femoren oben mitten 1, 1, 1 Stacheln, I vorn nahe der Spitze 2, hinten in der Endhälfte 1, 1, II vorn 1, 2, hinten 1, 1, 1, III vorn 1, 1, 1. 1, hinten wie vorn oder 1, 1, 1, IV vorn 1, 1, 1, 1, hinten am Ende 1 Stachel. Patellen I unbewehrt, II vorn 1 (ob immer?), III — IV vorn und hinten je 1 Stachel. Tibien I — II unten 2, 2, 2, 2, 2 kurze starke Stacheln, oben oder an den Seiten keine, III unten 2, 2, 2, oben 1, 1. 1, hinten 1, 1, vorn 1, 1, 1 (ob immer?), IV unten 2, 2. 2 oder 2, 1, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1, 1 Staclieln. Metatarsen I — II unten 2, 2, 2, III unten 2, 2, 2, vorn 2, 1, 2, hinten 1, 1, 2, oben mitten 1 Stachel, IV unten 2, 1, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, 2 oder 1, 1, 1, 2, oben mitten 1 Stachel. Palpen: Fem. oben 1, 4, Pat. innen 1, Tib. vorn und hinten je 2, Tars. innen 2, außen 1 Stachel. Färbung. Cephalothorax und Extremitäten rötlich-braun, ersterer mit hellerer Eückenbinde, die vorn so breit wie das Augen- feld ist, nach hinten sich allmählich verschmälert und in einen Punkt kurz oberhalb des Hinterrandes endet. Eine breite hellere Seiten- randbinde angedeutet. Augen innen bzw. hinten schwarz angelegt. Maiidibeln schwärzlich, vorn in der Basalhälfte dunkelrot. Die Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 21 312 Embrik Strand, beiden letzten Glieder der Palpen geschwärzt. Sternum nnd Coxen rötlich-braun, ersteres mit 6 — 7 undeutlich dunklern Eandflecken; Lippenteil und Maxillen schwärzlich, ersterer an der Spitze, letztere längs des Innenrandes gerötet. Behaarung des Abdomens stark ab- gerieben; es erscheint dunkel graubräunlich, oben mit Andeutung einer heilem Längszeichnung, die etwa so breit wie das Augenfeld ist, vorn eine kaum die Rückenmitte erreichende Längsbinde (?) bildet, dann als ca. 4 unter sich kaum verbundene, querrhombische Flecke erscheint. An den Seiten Andeutung schwärzlicher Schräg- streifen; die vordere Hälfte der Seiten sowie die Begrenzung des tiefschwarzen Bauchfeldes ockergelblich. Letzteres scharf markiert, vorn so breit wie die Spalte, hinten als eine gerundete Spitze die Spinnwarzen erreichend; kurz hinter dem Vorderrande eine aus 4 kleinen,, runden, gleichgroßen, weißen Punktflecken gebildete procurva gebogene Querreihe ; die beiden mittlem von den seitlichen und von der Spalte gleichweit und zwar ein wenig weiter als unter sich entfernt. Die beiden untern Spinnwarzen schwärzlich, die übrigen hellgelb. Die E p i g y n e erscheint in Flüssigkeit als ein rotbraunes, vorn und hinten parallelseitiges, an den Seiten breit gerundetes Feld, das 1,7 mm breit und 1,1 mm lang ist und jederseits, kurz innerhalb des Eandes, eine schmale, schwarze, etwa halbkreisförmig nach außen konvex gekrümmte Längslinie aufweist, die innen einen runden,, schwarzen Fleck einschließt; diese Linien erreichen den Vorder- aber nicht den Hinterrand. Trocken gesehen ähnelt die Epigj^ne sehr derjenigen von Ctenus simUis F. Cbk. (in : Ann. Mag. nat. Hist. (6), Vol. 19, tab. 3, flg. 4a), aber (trocken gesehen) der Vorderrand etwa gerade (bei similis stark procurva gebogen), der Hügel hat allerdings vorn mitten eine rundliche Einsenkung, so daß, wenn man die Epigyne schräg von hinten und unten betrachtet, die vordere Be- grenzung etwa wie bei similis erscheint, die Seitenhöcker scheinen bei similis nach innen fast senkrecht zur Längsachse gerichtet zu sein, hier dagegen nach hinten, etwa parallel derselben; hinten mitten bildet der Hügel eine stark gewölbte Erhöhung und der Hinter- rand desselben erscheint daher, von unten gesehen procurva gebogen, während er bei similis gerade zu sein scheint. In Profll erscheint der Hügel unten gerade, horizontal, vorn und hinten fast senkrecht abfallend, hinten etwas höher als vorn, die horizontale untere Seite mindestens doppelt so lang wie die senkrechte hintere. Eine subadultes, wahrscheinlich hierzu gehöriges Exemplar von San Bernardino, August 1903 (K. Fiebrig), unter Steinen. Ein Südamerikanische Cnpiennins- und Ctenus-Artcn. 313 ■weiteres unreifes Exemplar ebenda in einem Glas etikettiert: „Spinnen und Insekten am Boden und unter Termitenliaufen, Novbr.— Febr." (Fiebrig). Bei diesen unreifen Individuen ist eine ziemlich scharf markierte helle Rückenbinde am Cephalothorax vor- handen, die sich um die jVfittelritze sternfürniig- erweitert; liand- bindeu fast nur durch obere schwarze, stark gekrümmte Grenzlinien zu erkennen. Die beiden vordem Mittelflecke des Bauches größer und stärker hervortretend. PS. Seither habe ich 1 $ von San Bernardino (Fiebrig) auf- gefunden; es wurde von Fiebrig gefangen, während „es sich an einem sehr starken Faden aus einer 8 m hohen Baumkrone herabließ. Es trug in seinen Kauladen den Cocon, den es unter keinen Umständen freigab. 17. Dezember. Junge Spinnchen am 30. Dezbr." Der Kokon , wie er mir jetzt (in Alkohol) vorliegt, ist ca. 11 X 14 mm groß, hellgrau, filzig, die Hülle anscheinend nicht sehr dicht und fest, teilweise mit Blattstückchen bedeckt; er enthielt ca. 350 Eier, die einen Durchmesser von 1,3 mm hatten, weißlich bis gelblich er- schienen und sämtlich in frühen Stadien waren (die Extremitäten z. T. durch die Eihülle erkennbar). Am Kokon befand sich ein ganz junges Exemplar eines Argyrodes (vielleicht parasitisch lebend?). Die größere Hälfte der Eier scheint vertrocknet gewesen. In dem- selben Glase eine Anzahl Junge, die wohl von derselben Art, aber kaum aus demselben Kokon w^aren: 1,6 — 2 mm lang, weißlich, nur das Augenfeld tiefschwarz gefärbt, die Augen selbst grauweiß, der ganze Körper inkl. Extremitäten spärlich, aber lang und kräftig ab- stehend behaart, Abdomen fast kuglig, Sternum stark gewölbt, aber mit einer seichten Längseinsenkung, Cephalothoraxrücken ebenfalls stark gewölbt (aufgespeicherte Nahrung?). 13. Ctenus sp, äff. anisitsi Strand. Unreifes $ von Puerto Max, Paraguay, 19./10. 1902 (J. D. Anisits). Ähnelt sehr den oben erwähnten unreifen Exemplaren von Ct. anisitsi. Cephalothorax mit ebensolchen hellen Längsbinden, die mittlere ohne Einschnürung vor der Mittelritze, ßand des Brust- teils tiefschwarz, stellenweise unterbrochen. Abdomen schwärzlich mit graulichen Flecken: längs der ]\ritte 5 — 6 solche, die rhombisch, quergestellt, unter sich getrennt und etwa gleichgroß sind; die 3 vordem durch einen Herzstreif verbunden; an den Seiten unregel- mäßige hellere Flecke, wodurch die dunkle Grundfarbe als Scliräg- 21* 314 Embrik Strand, Streifen übrig bleibt. An Femoren, Tibien nnd Patellen undeutliche dunklere Flecke. Bauchfeld dunkelorau, undeutlich begrenzt, mit weißen Blecken wie bei anisitsi und außerdem einer Längsreihe feiner Punktflecke jederseits. — 9 mm lang. 14. Ctenus atrivulva n. sp. 2 ?? von Bahia (Selenka). $. Mit Ctenus anisitsi verwandt, aber der Hügel derEpigyne (trocken gesehen!) ist dunkler gefärbt, glatter, glänzender und die gewölbte Erhöhung hinten viel größer; in Profil erscheint daher der Hügel als ein nach unten und etwas nach hinten gerichteter, breit gerundeter Fortsatz, der allerdings breiter an der Basis als lang (in Profil!) erscheint, und die Länge der vordem Abdachung ist etwa doppelt so groß wie die horizontale untere (ventralabwärts gerichtete) Seite; der Vorderrand erscheint von unten gesehen schwach recurva gebogen, und eine vordere mittlere Einsenkung ist kaum zu erkennen. In Flüssigkeit erscheint das ganze Feld ein- farbig schwarz oder schwarzbraun, 1,5 mm breit, 1,2 mm lang, querellipseuförmig. Ferner weicht Ct. atrivulva von anisitsi durch Folgendes ab : Größe geringer und auch die relativen Dimensionen etwas ab- weichend (siehe unten), Färbung dunkler, aber Tegument mit mehr abstehender weißer Behaarung, die 2 mittlem der vordem weißen Bauchflecken größer (auch im Vergleich mit den seitlichen derselben Reihe) und diese Reihe weniger gebogen; das schwarze Bauchfeld erreicht kaum die Spinnwarzen, etc. Am untern Falzrande 5 Zähne, von denen No. 3 und 5 (von außen) viel kleiner sind. Färbung. Cephalothorax und Extremitäten dunkelbraun, ersterer scheint eine hellere, nach hinten verschmälerte Rückenbinde zu haben sowie schwärzliches Augenfeld ; Beine einfarbig. Man- dibeln schwarz, jedenfalls an der Basis abstehend weiß behaart. Abdomen heller braun, oben vorn Andeutung einer heilern Längs- zeichnung, an den Seiten heller mit unter sich entfernten runden dunklen Flecken. Bauchfeld dunkelbraun, weiß gefleckt (siehe oben). Total länge 14 mm. Cephalothorax 6,5 mm lang, 4,5 mm breit. Abd. 7 mm lang. 4 mm breit. Beine : I Fem. 5, Pat. + Tib. 7, Met. -f Tars. 5,5 mm ; II bzw. 4,5, 6, 4,5 mm ; III bzw. 4, 5, 5 mm ; IV bzw. 5, 6,8, 7 mm. Totallänge: I 17,5; II 15; III 14; IV 18,8 mm. Also: IV, I II, in. Südamerikanische Ciipiennius- und Ttenns-Arteu. 315 Das andere vorlieg-ende 4: ist grüßer. Totallän^-e 17 mm, Cephalothorax 7,5 mm lang. 15. Ctenus nieiitor n, .s/>. Ein 2 von Brasilien. $. ]\rit Cf. anisitsi und atrivulm nahe verwandt, aber u. a. durch den heilem Bauch zu unterscheiden. Die Epigyne ähnelt sehr der von atrivulva, aber der Vorderrand des Hügels ist deutlich recurva gebogen, und letzterer hat vorn, wo bei anisitsi eine Einsenkung vorhanden ist, eine schmale, kielförmige, den Vorderrand überragende Län.üserhöhung , Avähi-end die hinten mitten vorhandene gewölbte Erhöhung kleiner ist als bei anisitsi sowie nach hinten gerichtet, jederseits von einer kleinen Grube, vorn aber von einem schwachen Querwulst begrenzt wird; die Seitenhöcker sind niedrig, stumpf, nach hinten gerichtet. In Profil erscheint der Hügel etwa drei- eckig, hinten senkrecht oder leicht nach hinten überhängend, unten nach vorn allmählich abfallend und diese Seite doppelt so lang wie die hintere erscheinend. In Flüssigkeit erscheint die Epigyne schwärzlich-braun mit rötlichem, sich hinten etwa _Lförmig er- Aveiterndem Mittellängsfeld; am Vorderrande ragt die oben erwähnte kielförmige Längserhöhung als eine schwarze stumpfe Spitze hervor. Bestach eluug. Alle Femoren oben mitten 1, 1, 1, 1 vorn im apicalen Drittel 2, 1, hinten in der Apicalhälfte 1, 1, 1, II vorn 1. 1, 2, hinten 1, 1, 1, III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, IV vorn 1, 1. 1, 1, hinten 1, 1 oder 1, 1, 1; Patellen I-II unbewehrt, III— IV vorn und hinten je 1; Tibien I — II unten 2, 2, 2, 2, 2, II kann vorn an der Basis 1 haben, III— IV unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1, 1; Metatarsen I— II unten 2, 2, 2, III unten 2, 2, 2, vorn 1, 1, 1, 2. hinten 1, 2, 2, IV mit vielen, ziemlich unregelmäßig gestellten Stacheln. — Palpen: Fem. oben in der Apicalhälfte 1,1, Pat. innen 1, Tib. innen 2, außen 1, Tars. innen 2, 1, außen 1, 1 Stacheln. Färbung. Cephalothorax rötlich-braun mit hellerer, wahr- scheinlich weiß behaarter Rückenlängsbinde, die vorn so breit wie das Augenfeld ist, sich nach hinten allmählich verschmälert (vor der Mittelritze beiderseits leicht eingeschnürt) und mit der schmalen Spitze den Hinterrand erreicht; die Mittelritze tiefschwarz, 1,5 mm lang. Die Augen hinten innen schwarz angelegt. Mandibeln dunkel rotbraun, leicht violettlich schimmernd. Beine (mit Ausnahme der Metatarsen und Tarsen) ein wenig heller als der Cephalothorax, 316 Embrik Strand, einfarbig, ^teriium und Coxen rötlich-gelb, etwas olivenfarbig', mit weißer Behaarung, die am erstem etwa 3 Querreihen, an letztern je 2 Längsreihen zu bilden scheint. Lippenteil schwärzlich mit gelblicher Spitze, Maxillen hellrötlich mit weißlicher Spitze. — Ab- domen graugelblich, oben mit Andeutung einer breiten heilern Längsbinde, die vorn einen schmalen Längslieck einschließt; Bauch- feld regelmäßig und scharf begrenzt, vorn so breit wie die Spalte, hinten breit gerundet und die Spinnwarzen nicht ganz erreichend, etwa rostfarbig braun, die Haare leicht goldig glänzend, vorn mitten schließt es 2 rundlich ovale, schneeweiße, unter sich und vom Vorder- rande des Feldes um ihren doppelten Durchmesser entfernte Flecke, die mit 2 weitern weißen, viel kleinern und recht undeutlichen Punktflecken eine schwach procurva gebogene Reihe bildet, ein; weitere weiße Flecke sind im Bauchfelde nicht vorhanden. Dimensionen. Totallänge 15 mm. Cephalothorax 7 mm lang, 5 mm breit. Abdomen ca. 7,5 mm lang. Beine: I Fem. 5,5, Fat. -|- Tib. 7, Met. + Tars. 5,5 mm ; II bzw. 5, 6, 5,5 mm ; III bzw. 4, 5, 5 mm; IV bzw. 5,5, 6,5, 7,5 mm. Totallänge: I 18; II 16,5; III 14; IV 19,5 mm; also: IV, I, II, IIL 16. Cteiius datus n, sx>, 2 5? von Cachabe (Ecuador?) von Herrn Eosenbeeg in London erworben; datiert 28./9. 1898 (Sammel- oder Eingangsdatum?). ?. Mit Ct. anisitsi nahe verwandt, aber u. a. durch das Vor- handensein von schwarzen Schulterflecken, weiß begrenztes und helleres Bauchfeld, das mit Längsreihen weißer Fleckchen versehen ist, sowie durch die Form der Epigyne zu unterscheiden. Bei anisitsi und den andern nahestehenden hier beschriebenen Arten {atrivulva und metitor) erscheint die Epigyne im Pi'ofil hinten, hier da- gegen vorn am höchsten sowie vertikal, nach hinten allmählich und schwach abfallend; sie bildet hier keinen Hügel, sondern nur eine leichte Erhöhung; die Seitenhöcker treten in Profil deutlich hervor, die Unterseite überragend, und sie stehen weiter von dem Corpus der Epigyne ab etc. In Flüssigkeit gesehen erscheint die Epigyne als ein rötlich-braunes, in der hintern Hälfte größtenteils braunes Feld, das 2 mm breit und 1,4 mm lang ist, vorn und hinten breit gerundet oder vorn schwach ausgerandet, an den Seiten je 1 stumpfe Ecke bildend; die vordere Hälfte der Epigyne größtenteils von einem hellem, vorn gerundeten, hinten quergeschnittenen Querfeld ein- Südaiiierikanische Cupiennius- und Ctenus-Arten. 317 genommen, das duicli einen undeutlich dunklern Längsstreifen halbiert und an den Seiten von je 1 schwärzlichen Streifen begrenzt wird. Bestachelung. Alle F'enioren oben mitten 1, 1, 1, I vorn in der EndhiUfte 2, 1, hinten 1, 1 (1?), II vorn 1, 1, 1, 1, hinten 1, 1, 0. III vorn 1, 1. 1, 1, hinten 1, 1, 1. IV vorn 1, 1, 1, hinten an der Spitze 1; Patellen I — II unbewehrt, III — IV vorn und hinten je 1 ; Tibien I— II unten 2, 2, 2, 2, 2, vorn und hinten keine, III unten 2. 2. 2, vorn und hinten je 1, 1, III oben 1, 1, 1, IV oben in der Endhälfte 1; Metatarsen I — II unten 2, 2, 2, III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, 2, oben mitten 1, IV unten mit einem über- zähligen Stachel, sonst wie III. — Palpen: Fem. am Ende oben 1, 4, Pat. innen 1, Tib. innen 2, außen 1, Tars. innen 2, 1, außen 1 (oder 1, 1'?) Stacheln. Total länge 16 mm. Cephalothorax 7 mm lang, 5,3 mm breit. Abd. 8 mm lang, 5,5 mm breit. Beine : I Fem. 5,5, Pat. -j- Tib. 8, Met. 4.5, Tars. 2 mm; II bzw. 5,5, 7, 4,5, 2 mm; III bzw. 4,5, 6, 4, 2,2 mm; IV bzw. 6,2, 7,5, 6,5, 2,5 mm. Totallänge: I 20; II 19; III 16,7; IV 22,7 mm; also: IV, 1, II, III. Färbung. Cephalothorax und Extremitäten rötlich-braun, ersterer mit hellerer Rückenlängsbinde, die auf dem Kopfteile so breit wie das Augenfeld ist, sich dann bis zur Hinterspitze der Mittelritze stark verschmälert, um auf der hintern Abdachung als ein schmaler, gleichbreiter Streifen sich bis zum Hinterrande fortzusetzen. Der Kopfteil an den Seiten unten vorn geschwärzt, die Kopffurchen schmal schwarz und am Brustteile Andeutung dunklerer Schrägstriche und einer heilern Eandbinde. Augen in schmalen schwarzen Ringen, hinten und innen breit schwarz an- gelegt. Mandibeln dunkel rotbraun, leicht violettlich. Sternum und Coxen hellbi-äunlich, leicht olivenfarbig, ersteres jederseits schmal schwarz umrandet. Lippenteil schwarz, am Ende bräunlich. Maxillen dunkelbraun, am Ende weißlich. Beine einfarbig, die Femoren scheinen durch die Behaarung etwas gescheckt zu sein. — Abdomen oben dunkel graugelblich, mit schwarzen, unbestimmt begrenzten Schulterflecken, die einen weißlichen, nach hinten sich erweiternden und als eine helle Längsbinde fortsetzenden dreieckigen Fleck ein- schließen; letztere höchst undeutlich, hinten wahrscheinlich in Flecken aufgelöst und daselbst jederseits von einer Reihe von etwa 3 schwarzen Flecken begrenzt. Bauchfeld schwärzlich, bis zu den Spinnwarzen reichend und daselbst ' ^ so breit wie an der Spalte, jederseits von einem schmalen weißen geraden Streifen begrenzt, der vielleicht 318 Embrik Strand, mitunter in Flecken aufgelöst sein wird; in der vordem Hälfte 2 mit den weißen Grenzstreifen parallel verlaufenden, aus je etwa 4—5 Flecken bestehenden, vorn deutlicher ausg-eprägten weißen Längsreihen. In der untern Hälfte der Seiten scheinen feine weiße Punkte und Striche vorhanden gewesen. 17. Ctenus peregrifiiis F. Cbr. 1900. 2 $$ von Guatemala. ?. Totallänge 29 mm. Cephalothorax 12 mm lang, 9 mm breit. Abd. 16 mm lang, 10 mm breit. Beine: I Fem. 12, Pat. -j- Tib. 16,5, Met. 10, Tars. 5 mm; II bzw. 11,5, 15,5, 9, 4,5 mm; III bzw. 9,5, 13, 9,5, 4,5 mm; IV bzw. 12,5, 16, 14, 5 mm. Totallänge: I 43,5; II 40,5; III 36,5; IV 47,5 mm. Also: IV, I, II, III. Die Epigyne weicht von der Abbildung in : Biol. Centr.-Amer., Vol. 2, tab. 7, flg. 34 dadurch ab, daß der Seitenrand der Vorderhälfte des Hügels nicht so stark gebogen, sondern vielmehr fast gerade erscheint und die Konvergenz nach vorn ein wenig schwächer ist; ferner erstrecken die in der Figur angedeuteten 2 Querfurchen sich über die ganze Breite, so daß der hintere etwa halbmondförmige Teil des Hügels von dem vordem deutlich getrennt ist; allerdings ist aber die Furche an den Seiten am tiefsten. Die in der Figur dargestellten schwarzen Seitenbinden der vordem Hälfte der Epi- gyne sind von einem Secret gebildet, das fehlen oder vorhanden sein kann und meistens wenig regelmäßig erscheint. Beide Exemplare sind so abgerieben, daß von einer eventuellen Rückenzeichnung nichts zu erkennen sein kann. Sollte die Art neu sein, möge sie peregrinoides m. genannt werden. 18. Cteniis valdehirsutulus n. ä/>. 2 ?? aus Prov. Sara, Ost-Bolivia, 600 m (J. Steinbach), bzw. Prov. Sara, Dep. Sta. Cruz de la Sierra, 500 m (.1. Steinbach). Zum erstem Exemplar folgende Notiz vom Sammler: „Eine mittelgroße Grabwespe war dabei, die Spinne durch ihre Mandibeln fortzuschleifen. 14,/3. 1907." $. Totall an ge 24 mm. Cephalothorax 10 mm lang, 8.5 mm breit. Abdomen 12 mm lang, 8,5 mm breit. Beine : I Fem. 10, Pat. -f Tib. 13,5, Met. 8, Tars. 3 mm ; II bzw. 9,5, 13, 7, 3 mm ; III bzw. 7, 9,5, 6, 2,7 mm; IV bzw. 9,5, 12, 9,5, 3,5 mm. Totallänge: I 34,5; II 32,5; III 25,2; IV 34,5 mm. Also: I = IV, II, III. Südameiikanisclie Cnpiennius- uud Ctenus- Arten. 319 Die Epigyne hat viel Ähnliclikeit mit deijenig'en von Ctenus peregrinus F. Cbr., aber die Qiierfurclie ist sowohl breiter als tiefer, der vor dieser geleg-ene Hügel ist länger (fast so lang wie breit), nach vorn schwächer nnd mehr allmählich verschmälert, und dessen Seitenrand erscheint als je ein g-ewülbter, glatter, stark glänzender, deutlich erhöhter, hinten und mitten breiter Längswulst, der nur am Vorderrande des Feldes nach innen gekrümmt und undeutlich ist. Der hinter der Querfurche gelegene Teil der Epigyne ist halb so lang wie der vordei'e und reichlich so breit, querellipsenförmig, der Länge nach stark gewölbt, der Quere nach etwa gerade er- scheinend. Die ganze Epigyne ist 2 mm lang und ebenso breit über die beiden Seitenhöcker; diese sind schmal und spitz, mit der Spitze im Niveau der größten Wölbung der Seitenwülste des Vorder- teiles der Elpigyne; nach unten, innen und ganz schwach nach hinten gerichtet, von den Seitenwülsten deutlich getrennt, wenig hinter der Mitte der Seiten der Epigyne sitzend. In F'lüssigkeit erscheint die Epigyne hellrot oder rotbräunlich, am Rande kaum dunkler, die Seitenlängswülste schwarz. Färbung. Cephalothorax rötlich-braun mit schwarzer Mittelritze und Andeutung dunklerer Schrägstriche und ebensolchem Seitenrande; Augen II hinten und innen schwarz, sonst das ganze Augenfeld und der Clypeus schwarzbraun mit scharf markierter, geradliniger Grenze gegen die weißlich behaarten Seiten. Der ganze Körper mit Aveißen, feinen, abstehenden, meistens gekrümmten Här- chen besetzt, die z. T. aber so mit dunkler gefärbten gemischt sind, daß sie erst unter der Lupe deutlich zu erkennen sind: am Cephalo- thoi'ax kurz und zum großen Teil anliegend, an den Beinen, besonders unten an den Femoren sowie unten und seitlich an Patellen, Tibien und Metatarsen. insbesondere an III und IV, lang und abstehend, wenn auch nicht sehr dicht; die Hinterbeine erinnern in dieser Be- ziehung etwas z. B. an die gewisser Vogelspinnen {Tapinauclienius etc.). Mandibeln braunschwarz, leicht violettlich glänzend, mit lebhaft orangeroten Haaren besetzt. Beine oben ein wenig dunkler braun als der Cephalothorax, unten an Femoren und Tibien wegen der Behaarung grauweißlich erscheinend, die Patellen und Ende der Tibien I unten schwarz. Andeutung einer solchen schwarzen Binde an den Tibien II, alle Tarsen, die Metatarsen I — II und Endliälfte der Metatarsen III scopuliert und dadurch schwärzlich erscheinend. Sternum und Coxen rötlich-braun, Lippenteil und Maxillen schwarz mit hellerer Spitze. — Abdomen graugelblich-braun mit feinen 320 EiiBRiK Strand, und unregelmäßig- g-estreuten dunklern Pnnkten. oben mit 2 nach liinten fast unmerklich konvergierenden Längsreihen von je 4 — 6 gelblichen Flecken, von denen die beiden vordem jeder Reihe läng- lich sind und wohl häufig zusammengeflossen, während die übrigen meistens oval sind und hinten in einen schwarzen Punkt enden. Der Zwischenraum der vordem Flecke wird von einem schmal lanzett- förmigen gelblichen Streifen durchzogen. Die untere Hälfte der Seiten etwas heller; Bauch mit dunklem, sich nach hinten rasch ver- schmälerndem Längsfeld, das mit 4 Längsreihen schwarzer Flecke gezeichnet ist, von denen 2 das Feld an den Seiten begrenzen, W'ährend 2 parallel durch die Mitte verlaufen, ohne die Spalte zu erreichen; am Vorderende dieser beiden mittlem liegt je 1 runder, weißer Fleck. Spinn warzen bräunlich-gelb. Die Augen reihe II procurva. Feld der M. A. vorn kaum schmäler als hinten; die Augen unten etw^a gleichgroß, die vordem vom Clypeusrande um reichlich ihren Durchmesser entfernt, 19. Ctemis satanas n. si?. Ein $ von Santa Inaz, Ecuador, März 1899 (R. Haensch), $. Total länge 19 mm. Cephal. 9 mm lang, 6,8 mm breit. Abd. 9 mm lang, 6,5 mm breit. Beine: I Fem. 6,5, Fat. -f- Tib. 9,5, Met. + Tars. 7,5 mm; II bzw. 6,5, 9, 7,5 mm; III bzw. 5,5 7, 7 mm; IV bzw. 7, 9, 10 mm. Totallänge: I 23,5; II 23; III 19,5; IV 26 mm. Also: IV, I, II, IIL Schwarz gefärbt, C e p h a 1 o t h o r a x etwas bräunlich, mit 3 charakteristischen rötlich-gelben schmalen Längsbinden, von denen die mittlere vom Hinterrande bis zu den Augen verläuft, kaum so breit wie der Durchmesser der hintern M. A. ist, sich auf der Mitte des Kopfteiles ganz schwach, um die Mittelritze aber stark erweitert und zwar in Form eines dreieckigen Fleckes, von dessen Vorder- spitzen je 1 ebensolche Binde durch die Kopffurchen bis gegen die Palpen verläuft. Über die Seiten des Brustteiles eine ähnliche, aber weniger scharf markierte Längsbinde, die vom Seitenrande etwa um ihre doppelte Breite entfernt ist und sich über den Coxen II und III ganz leicht erweitert. Mandibeln violettlich angeflogen. Alle Femoren und Patellen oben mit 2 unter sich ganz schmal ge- trennten rötlichen Haarblößen, alle Tibien mit 2 ähnlichen, aber schmälern und unter sich weiter entfernten ebensolchen. Sternum mit je einem bräunlich-gelben Wische am Rande vor den Coxen. letztere mit einem ähnlichen, aber o-rößern in der Endhälfte. Ab- Südamerikauisclie Cupiennius- und Ctenus-Aiteii. 321 dornen tief schwarz, oben in der Basalhälfte mit einem undeutlichen, grauliclien, vorn plötzlich zugespitzten Längsfleck, der wenig schmäler als das Augenfeld ist und sicli vielleicht bisweilen als eine Längs- binde weiter nach hinten fortsetzt; hier trägt die hintere Ixücken- hälfte 2 Längsreihen von je 3 oder 4 kleinen, undeutlichen, weiß- lichen Querflecken. Bauch mit undeutlichen, anscheinend nicht ganz weder iSpalte noch Spinnwarzen erreichenden Längsreihen weißer Flecke, von denen die beiden seitlichen nach hinten rasch konver- gieren, während die beiden mittlem ganz kurz sind und vielleicht bisweilen ganz fehlen. Spinnwarzen mit heller Spitze. Epigone bräunlich-gelb. Epigyne 1,4 mm lang. 1,7 mm breit, hinten quergeschnitten, voi'n etwas verschmälert, charakteristisch durch 3 hohe, glatte, glänzende, rundliche, durch tiefe Furchen getrennte Hügel, von denen der vordere reichlich so lang wie breit sowie unten abgeflacht und daselbst chagi'iniert ist, während die beiden hintern schräg ge- stellt, bolinen- oder fast halbkugelförmig sind und die Hinter„ecken" der Epigyne bilden; ihr Zwischenraum wird von einer niedrigem, leicht gewölbten, matten und gestreiften Partie eingenommen. Vor diesen bohnenförmigen Hügeln bzw. seitlich vom Hinterrande des yordern Hügels befinden sich die bei Ctenus gewöhnlich vorhandenen Seiteuhöcker, die hier als schmale, spitze, gerade, nach unten und schwach nach hinten und innen gerichtete Fortsätze erscheinen; die Spitze aller 5 Erhöhungen in demselben Niveau. Die 2. Augenreihe in Flüssigkeit etwa gerade erscheinend. Das Feld der M. A. reichlich so breit wie lang , vorn ein wenig schmäler als hinten; die vordem M. A. kleiner und vom Clypeus- rande um fast ihren anderthalben Durchmesser entfernt. Ceplialothoraxrücken der ganzen Länge nach ganz schwach gewölbt. 20. Ctenus paranus n. sx)» Ein $ von Parä (W. A. Schulz); getrocknet gewesen. ?. Total länge ca. 13 mm. Cephal. 6 mm lang, 4,5 — 5 mm breit. Beine: I Fem. 5, Pat. + Tib. 7,5, Met. -f Tars. 6,3 mm; II bzw. 5, 7, 6,2 mm; III bzw. 5, 5,5, 6 mm; IV bzw. 5,5, 7, 9,5 mm. Total- länge: I 18,8; II 18,2; III 16,5; IV 22 mm. Also IV, I, II, IIL Die Epigyne ähnelt der von Ctenus medius Keys, und Ct. vehemens Keys., aber schon dadurch, daß die beiden vorn gelegenen Wülste erheblich größer sind, seitwärts das Hinterstück der Epigyne 322 Embrik Strand, weit überragen, sowie etwas abweichend geformt, mehr nieren- förmig etc. sind, zu unterscheiden. Ferner ist die Art kleiner als vehemens, viel kleiner als medius. Bestach elung. Alle Femoren oben 1, 1, 1, I vorn 1, 2, 1, hinten 1, 1, 1, II — III vorn 1, 1, 1, 1, hinten 1, 1, 1, IV vorn 1, 1, 1, 1, hinten 0, 0, 0, 1; Patellen I— II anscheinend unbewehrt, III — IV vorn und hinten je 1; Tibien I — II unten 2, 2, 2, 2, 2, III — IV unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1. 1; Meta- tarsen I — II unten 2, 2, 2, III unten 2, 2, 2, vorn 1, 1, 2, hinten 1, 2, 2, IV unten vorn 1, 1, 1, unten hinten 1, 1, 1, 1, vorn 1, 1, 2, hinten 1, 1, 2, 2 Stacheln. — Palpen: Fem. oben nahe der Spitze 1, 4, Pat. innen 1, Tibialglied in der Basalhälfte innen 2, oben und außen je 1, Tars. innen 2, 1, außen 1, 1 Stacheln. Färbung, soweit noch erkennbar, rötlich-braun, in der Mitte der Tibien, jedenfalls an III und IV, ein hellerer Ring, die Femoren oben anscheinend heller und dunkler gefleckt, aber bei der .schlechten Erhaltung des Exemplars nur noch als undeutliche Wische zu er- kennen. Mandibeln dunkelrot. Abdomen erscheint nun braun mit hellgelblichem Bauch, der an dem Exemplar, wie es jetzt vorliegt, vorn und hinten je 1 dunklen Längsstreif führt (vielleicht von „künst- licher" Natur). Die obern Spinn vvarzen hellgelb, die übrigen braun. Augen reihe II ganz leicht procurva, Feld der M. A. reichlich so breit wie lang, vorn ein klein wenig schmäler als hinten, alle M. A. etwa gleichgroß, die vordem vom Clypeusrande und unter sich um etwa ihren Durchmesser, von den hintern M. A. um weniger als denselben entfernt. Die S. A. I reichlich so weit von den M. A. II als von den S. A. II. Epigyne verhältnismäßig sehr groß, 2 mm breit und 1,5 mm lang, rotbraun, hinter der Mitte jederseits mit einem dunkelbraunen runden Fleck, vorn mit 2 breit nierenförmigen, schräg längsgestellten, nach hinten divergierenden Hügeln, welche die konvexe Längsseite nach innen (und hinten) gerichtet haben und zwischen der Mitte der konkaven Seite und der Mitte des Hügels eine seichte Ein- senkung tragen; unter sich sind sie so schmal getrennt, daß sie, flüchtig angesehen, sich zu berühren scheinen. An der hintern äußern „Ecke" jedes Hügels befindet sich je ein kleiner finger- förmiger, nach innen, unten und schwach nach hinten gerichteter Fortsatz, der sich ganz nahe dem Hügel befindet, aber das Hinter- stück der Epigyne nicht ganz erreicht. Letzteres ist etwa doppelt so breit wie lang, hinten quergeschnitten mit breitgerundeten Ecken. Südainerikaiiische ('upieunius- und Ctemis-Arten. 323 (Alles in Flüssigkeit gesehen, weil der Zustand des Exemplars eine Untersuchung der trocknen Epigyne nicht gestattet.) 21. Ctemis haitiensis n. sj). Ein reifes und mehrere unreife Exemplare von Haiti. $. Bestachelung. Alle Femoren oben 1, 1, 1, I— II vorn 1, 2, 1, hinten 1, 1, 1, 1, III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, IV vorn 1. 1, 1, 1, hinten in der Endhälfte 1, 1, 1; Patellen I— II unbewehrt, III— IV vorn und hinten je 1 ; Tibien I— II unten 2, 2, 2, 2, 2, III — IV unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1. 1; Meta- tarsen I— II unten 2, 2, 2, III unten 2, 2, 2, vorn 1, 1, 2, hinten 1, 1. 2, oben 1, IV unten vorn 1, 1, 1, unten hinten 1, 1, 1, 1, vorn 1, 1. 2, hinten 1, 2, 2 Stacheln. Totallänge 13 mm. Cephalothorax 8,5 mm lang, 6 mm breit, vorn 0 mm breit. Abdomen 9 mm lang, 5,5 mm breit. Beine: I Fem. 7,5, Pat. + Tib. 10,5, Met. + Tars. 8 mm; II bzw. 7, 9,5 7,5 mm; III bzw. 6, 8, 7,5 mm; IV bzw. 7,5, 9.5, Met. 8, Tars. 3^5 mm. Totallänge: I 26; II 24; III 21,5; IV 28.5 mm. Also: IV, I, II, III. Färbung. Cephalothorax dunkelbraun, vorn am dunkelsten, mit hell rötücher Mittelbinde, die auf der Mitte des Kopfteiles am breitesten ist, nach beiden Enden sich ganz allmählich und schwach verschmälert, zwischen den Augen III breit gerundet, am Hinter- rande schmal zugespitzt, endend. Eine weißlich behaarte Eandbinde scheint vorhanden gewesen und von den hintern M. A. ziehen 2 weiß behaarte Binden bis zum Clypeusrande. Mandibeln dunkel rotbraun mit violettlichem Anflug, Lippenteil und Maxillen braun, letztere mit W'eißlicher Spitze. Sternum und Extremitäten rötlich braungelb, ersteres mit braunem Seitenrande, letztere an I und II am hellsten und nur an den Femoren oben mit Andeutungen dunklerer Zeich- nungen; solche sind an den Femoren III — IV deutlicher vorhanden und die Tibien und Metatarsen III und IV tragen je 1 heilern ]\Iittelring. — Abdomen dunkelgrau an den Seiten, besonders vorn, unten gelblich-grau, oben mit einem hellgraulichen, vorn etwas zu- gespitzten Längsfelde, das bisweilen vielleicht als eine Längsbinde, die mitten reichlich so breit wie das Augenfeld ist, auftritt, Epigyne klein und unansehnlich, etwa 1 bzw. 1,8 mm breit und 0,8 mm lang, in Flüssigkeit gesehen als ein hell bräunlich-gelbes, trapezförmiges Feld erscheinend, das jederseits durch einen dunkel- braunen, etwas unregelmäßigen, den Hinterrand nicht ganz er- 324 Embrik Strand, reichenden Längsstreif begrenzt wird, welche Streifen nach vorn divergieren und, schmäler werdend, unter einem rechten Winkel nach außen umbiegen. Trocken gesehen erscheint sie als ein Üaches, wenig erhöhtes, leicht glänzendes, trapezförmiges Feld, das hinten mitten eine ziemlich seichte, matt erscheinende Längseinsenkung zeigt und an beiden Seitenrändern, offenbar zum Teil jedenfalls, durch ein verhärtetes Secret, schwarz erscheint; der Hinterrand quergeschnitten und senkrecht abfallend, während vorn eine deut- liche Grenze nicht vorhanden ist. 22. Cteniis convexus F. Cbk. 1900. ?. Ein schlecht erhaltenes Exemplar von Mexiko. 23. Ctenus blumeuauensis n. sp. Ein beschädigtes $ von St. Catharina, Blumenau (Dr. Ehren- eeich). $. Best ach elung. (Bein IV fehlt!) Ferneren I — III oben mitten 1, 1, 1, I vorn in der Endhälfte 2, 1, hinten 1, 1, 1, II— III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1; Patellen I — II unbewehrt, III vorn und hinten je 1 Stachel; Tibien I — II unten 2, 2, 2, 2, 2, II außer- dem vorn und hinten in der Basalhälfte 1 (der hintere fehlt wahr- scheinlich mitunter), III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1, 1 Stacheln ; Metatarsen I — II unten 2, 2, 2, III außerdem vorn und hinten je 1, 2, 2 Stacheln. — Palpen: Fem. oben 1, 4, Pat. innen 1, nahe der Basis innen 2, oben und außen je 1, Tars. außen und innen je 2, 1 Stacheln. Am untern Falzrande 4 nach außen an Größe allmählich zunehmende Zähne, am obern 3, von denen der mittlere der größte ist. Total länge ca. 16 — 17 mm. Cephalothorax 7 mm lang, 5.5 mm breit, vorn 3,5 mm breit. Beine: I Fem. 8, Pat. -|-Tib. 11, Met. + Tars. 9 mm; II bzw. 7,5, 10, 8,5 mm; III bzw. 6,5, 7,5, 8,5 mm (IV fehlt!). Totallänge: I 28; II 26; III 22,5 (IV?) mm. Palpen: Fem. 3,5, Pat. -f-Tib. 3,6, Tars. 2,5 mm, zusammen also 9,6 mm. Cephalothorax hell rötlich-braun gefärbt, längs der Rückenmitte ein wenig heller, im Gesicht dunkler, die Augen in schmalen, schwarzen, sich hinten bzw. innen verbreiternden Eingen. Ex- tremitäten helJrötlich, oben an den Femoren undeutlich dunkler ge- fleckt. Mandibeln dunkel blutrot. Sternum und Coxen olivenfarbig bräunlich-gelb, Lippenteil rotbraun mit schmaler hellerer Spitze, Maxillen hellrot mit weißlicher Spitze. Abdomen so schlecht er- Südamerikaiiiscbe Cnpiennias- und Ctenus-Arten. 325 lullten, daß die P"äi-biiiii>- bzw. Behaarung nicht melir sicher zu er- kennen ist; es ersclieint nun einfarbig graubraun, unten ein wenig lieller. Spinnwarzen graugelblich. Die zweite Augen reihe so stark procurva gebogen, daß eine die M. A. vorn und die S. A. hinten tangierende Linie fast gerade wäre; diese S.A. verhältnismäßig groß und von den hintern M.A. um kaum ihren kürzesten Durchmesser entfernt. Feld der M. A. reichlicli so breit wie lang, vorn ein wenig schmäler als hinten; die vordem M.A. kleiner, vom Clypeusrande um reichlich ihren Durch- messer entfernt. Die E p i gy n e erscheint in Flüssigkeit als ein hell rötlich-braunes, abgerundet dreieckiges oder etwa herzförmiges Feld, das hinten am breitesten ist (1 mm) und zwar reichlich so breit wie lang; die feine schwarze Handlinie biegt sich vorn mitten nach hinten kurz um und an den Seiten hinten verläuft eine ähnliche schwarze Linie innerhalb und etwa parallel zu dieser äußern Linie; über die Mitte des Feldes ein helleres Längsfeld, das den Vorderrand nicht erreicht und an der Mitte jederseits von einem kleinen schwarzen Fleck be- grenzt wird. Im trocknen Zustande erscheint die Epigj'ne vorn von einem hufeisenförmigen, hinten oifenen und erweiterten, gewölbten, glatten, glänzenden, vorn mitten schmal niedergedrückten oder unter- brochenen, hinter die Mitte reichenden ^\'ulste umgeben; an den Hinterenden dieses befinden sich je 1 kleiner schräggestellter Quer- liöcker, und das Mittelfeld der Epigyne erscheint vorn ausgehöhlt, hinten gewölbt, vorstehend und senkrecht geschnitten. 24. Cteniis lagesicola n, sp. Ein subadultes ? von Lages, März 1887 (Feuhstoefer). $ subad. Alle Femoren oben mitten 1, 1, 1, I hat vorn jeden- falls 2 Stacheln, hinten 1, 1, 1, II vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, IV vorn 1, 1, 1, (1?), hinten an der Spitze 1; vorn scheinen alle Patellen unbewehrt zu sein, hinten haben III und IV 1; Tibien I— II unten mit 2, 2, 2, 2, 2 langen, kräftigen, stark schräg gestellten Staclieln, welche die AVurzeln der vorhergehenden Stacheln mit zum Teil mehr als die Hälfte der Länge überragen, II außerdem vorn in die Basalhälfte 1 kleiner Stachel. III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben in der End- hälfte 1, IV scheint wie III zu sein; Metatarsen I— II unten mit 2, 2, 2 langen starken, fast anliegenden Stacheln, II außerdem vorn in der Basalhälfte mit 1 ganz kleinen Stachel, III unten 2, 2, 2, 326 Embrik Strand, vorn 1, 2, 2, hinten 1, 1, 2 Stacheln, IV wie IIL — Palpen: Fem. oben 1, 3, Pat anscheinend unbewehrt, Tib. in der Basalhälfte innen 2, oben 1 an der Basis und 1 viel kleinerer an der Spitze, Tarsal. innen 2, außen 1 Stachel. Total länge (NB. unreif!) ca. 17 mm. Cephalothorax 7,5 mm lang, 5,5 mm breit, Abd. 9 mm lang, 6,5 mm breit. Beine: I Fem. 5,5, Pat. + Tib. 8,5, Met. -f Tars. 7 mm ; II bzw. 5, 7,5, 6,5 mm ; III bzw. 4,7, 6, 6 mm; IV bzw. 6, 7,5, 8 mm. Totallänge: I 21; 11 19; III 16,7; IV 21,5 mm. Mandibelu 3 mm lang. Am untern Falzrande 3 gleichgroße Zähne, am obern eben- falls 3, von denen der mittlere erheblich größer ist. Epigyne unreif; Epigaster grau weißlich, hinten mit einem hellrötlichen, vorn quergeschnittenen Fleck, der reichlich so breit wie lang, hinten mitten etwas ausgezogen und durch 2 dunkler ge- färbte, nach hinten schwach divergierende Längsstreifen (-furchen) durchzogen ist. Färbung. Cephalothorax und Extremitäten rötlich-braun, ersterer oben, besonders um die Mittelritze, mit hellerm Längswisch, die Mittelritze tiefschwarz, vor derselben Andeutung einer feinen dunklen ringförmigen Zeichnung, Brustteil jederseits mit 2 schmalen dunklern, heller begrenzten Schrägstreifen, Kopfteil nicht dunkler; Augen in schmalen, schwarzen, hinten und innen erweiterten Ringen; Mandibeln dunkel blutrot, Sternum und Coxen graubräunlich, ersteres mit 6 schmalen dunklen Querflecken; Tibien und Metatarsen, ins- besondere an III und IV, mit Andeutung eines heilem Mittelringes; Tarsen gelblich; Lippenteil an der Basis unbedeutend dunkler. — Abdomen gänzlich abgerieben; das Tegument erscheint hellbraun, etwas gi'aulich; oben in der vordem Hälfte mit Andeutung eines hellem, jederseits von 2 hellen Längsflecken umgebenen Herzstreifens, während in und hinter der Mitte des Rückens 2 aus je 4 — 5 dunkel- braunen, etwas eckigen und quergestellten Flecken gebildeten par- allelen Längsreihen vorhanden sind. Die Unterseite nur unbedeutend heller, vielleicht bei gut erhaltenen Exemplaren mit 3 — 4 heilern Längsstreifen. — Spinnwarzen charakteristisch gefärbt: die untern schwarz mit gelblich- weißer Spitze, die übrigen ganz gelblich- weiß. Die 2. Augen reihe procurva: eine die hintern M. A. vorn tangierende Gerade würde die vordem S. A, oben nur ganz wenig schneiden; letztere klein, stark länglich, von den vordem M. A. um ihren längsten Durchmesser, von den hintern S. A. um etwas mehr entfernt. Feld der M. A. reichlich so lang wie breit, vorn un- Südamerikanische Cupiennius- und Ctenns-Aiten. 327 bedeutend sclimäler als liinteii; die vordem M. A, kleiner als die hintern, unter sich um ihren Durchmesser, von den hintern M. A, um kaum so weit, vom Clypeusrande um weniger als den Durch- messer entfernt. Die hintern M. A. unter sich um -.5 ihres Durch- messers von den gleichgroßen S. A. um deutlich mehr als den ganzen Durchmesser entfernt. 25. Ctenus annlnt i formt» n, sx>. Ein ^ von Theresiopolis (Fruhstorfer), ?. Bestäche hing. (Beine I fehlen!) Femoren II — IV oben mitten 1. 1, 1, II— III scheinen vorn und hinten je 1, 1, 1 gehabt zu haben, lY vorn wahrscheinlich 1, 1, 1, hinten nur 1; Patellen III — IV jederseits 1 Stachel ; Tibien II unten 2. 2. 2. 2, 2, die stark schräg gestellt und so lang sind, daß sie je die ^\'urzel der vorhergehenden um ein Erhebliches überragen, vorn und hinten an der Basis je 1 kleines Stachelchen; III unten 2, 2. 2, vorn und hinten je 1, 1, oben ist jedenfalls 1 vorhanden, IV wie III, oben scheinen 1, 1, 1 vorhanden gewesen. Met. II unten mit 2, 2, 2 kräftigen, stark schräggestellten Stacheln, von denen die basalen so lang sind, daß sie um die Hälfte ihrer Länge die Wurzel der mittlem überragen; III unten 2, 2, 2, vorn 1, 2, 2, hinten 1, 1, 2; IV unten 1, 2, 2, 2, vorn scheinen 1. 1, 2. hinten 1 , 2, 2 Stacheln vorhanden zu sein. Palpen: Fem. oben 1.8. Pat. unbewehrt ('?), Tib. nahe der Basis innen 2, oben 1, Tars. innen 2, !,■ außen jedenfalls 1 Stachel. Kein ganz typischer Ctenus, was schon aus der Bestachelung der vordem Tibien und ]\letatarsen hervorgeht. Total länge 9 — 10 mm. Cephal. 5 mm lang, 4 mm breit. Ab- domen 5 mm lang, 3 mm breit. Beine: (I fehlt!}, II Fem. 3,7, Pat. -{- Tib. 5, Met. + Tars. 4 mm; III bzw. 3,5, 4, 4 mm; IV bzw. 4,5. 5,5, 5,6 mm. Totallänge: (I?); II 12,7; III 11.5; IV 15,6 mm. Färbung. Cephalothorax bräunlich-gelb, die obere Hälfte der Seiten mit unregelmäßig begrenzter, durch hellere und dunklere Schräglinien vielfach geschnittener Längsbinde, der Rand des Brust- teiles schmal schwarz, die helle Randbinde mit etwa 3 kleinen un- regelmäßigen, dunklen Flecken, die Augen in schmalen, schwarzen, sich hinten und innen erweitei'nden Ringen. Mandibeln rotbraun, vom mit 2 zum Teil sich verzweigenden, schmalen, schwarzen Längs- linien. Extremitäten bräunlich -gelb, gegen die Enden gerötet, Femoren klein und sparsam schwarz gefleckt. Sternum gelblich mit Andeutung kleiner, dunkler Flecke vor den Coxen, letztere ein Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 22 328 Embrik Strand, Südamerikauische Cupiennius- und Ctemis-Arten. wenig dunkler als das Sternum. — Abdomen dunkelgrau mit parallel- seitiger. undeutlich hellerer, bis zu den Spinnwarzen reichender^ 1,3 mm breiter Längsbinde, die jederseits von einer Reihe von 5 — 6 schwärzlichen Fleckchen begrenzt wird; Abdomen im Grunde überall dunkler punktiert. Der Bauch undeutlich heller. Spiun- warzen und Analhöcker weiß, die obern Spinnwarzen oben, die untern außen mit schwärzlichem Längsstreif. Epigyne 1,3 mm breit, 1 mm lang, entfernt sechseckig, hinten quergeschnitten, die größte Breite in oder vor der Mitte, dunkel- braun gefärbt. Trocken gesehen erscheint sie als aus 2 stark ge- wölbten, glatten, glänzenden Längswülsten bestehend, die zwischen sich eine schmale, tiefe Längsfurche einschließen, die in der Mitte am schmälsten ist, nach vorn sich schwach, nach hinten plötzlich,, dreieckig sich erweitert und von einem Septum fast gänzlich er- füllt wird, das in der vordem Hälfte parallelseitig mit schwach erhöhtem Seitenrande ist, während es hinter der Mitte fast nur als eine den Hinterrand zum Teil bildende Querplatte erscheint. Das zugespitzte Hinterende der Längswülste trägt je einen kleinen^ nach unten, innen und ein wenig nach hinten gerichteten spitzen Fortsatz wie gewöhnlich bei den Ctenm-Arten. Nachdruck verboten. Ubersetzicngsrechl vorbehalten. Cryptopteromyia, eine neue P h o r i d e n - G a 1 1 u n g* mit reduzierten Flügeln, aus Natal, nebst Bemerkungen über Thaumatoxena Be. et BÖEN, und Termitodeipnus Endeel. Von Dr. Ivar Trägärdh, Dozent der Entomologie an der Universität zn Upsala. Mit Tafel 6 nnd 16 Abbildungen im Text. Die Art, die unten beschrieben werden soll, wurde vom Verf. im ^lärz 1905. nahe Pietermaritzburg in Natal, bei Siebung an ver- welktem Laub erbeutet. Ich bin daher nicht imstande, Angaben über ihre Lebensweise zu liefern. In Anbetracht des allgemeinen Vorkommens von Ächath/a-ÄYten an denselben Lokalitäten in Natal ist es aber wahrscheinlich, daß sie sich wie die in West- Afrika vor- kommende Gattung Wandolleckia ernährt, d. h. von dem Schleim der Arhaiina- kri^Xi [vgl. "Wandolleck (12), p. 412]. Leider wurde nur ein einziges ^\'eibchen gefunden. Diagnose der Gattung. ?. 3 Punk taugen vorhanden. Facetten äugen sehr reduziert, mit nur 14 Facetten. Clypeus wie h%\ Pulici- phora, d. h. nicht hervorragend groß, Antennen ügliedrig, von Phoriden-Typus. Thorax quadratisch, 22* 330 I"^''*^^ Trägardh, mit kurzen, birnförmigen Flügelrudimenten. Abdo- men 9g-liedrio-. Die 6 ersten Segmente mit stark cliitinisierten braunen Tergiten; am 5. Segment eine dorsale Öffnung, von einer halbmondförmigen Platte bedeckt. Cnjptopteroniyia Jeanssoni ^) n, sj). Mit den Merkmalen der Gattung. Die Länge der Tiere beträgt 1,2 mm; davon kommen auf den Kopf 0,"f35 mm , auf den Thorax 0.081 mm und auf das Abdomen 0,99 mm. Die Breite des Kopfes sowie des Thorax ist 0,153 mm, diejenige des Abdomens 0,342 mm. Der Kopf (Fig. 1 u. 2, Taf 6). Der Kopf ist, von oben gesehen, rundlich, mit schwach vor- springendem Vorderrande, beinahe geradem Hinterrande und nur wenig breiter als lang. In Profilansicht sehen wir, daß der Scheitel sehr flach ist und daß die Stirn nicht so steil wie bei den Gattungen WandollecUa und Fulicipliora ist [Wandolleck (12), fig. 2 u. 5, tab. 25]. Weiterhin ist der Hinterrand des Scheitels nach hinten ausgezogen und über- deckt vollständig den Hals und sogar den Vorderrand des Thorax. Auf dem Scheitel stehen 3 Ocellen und dahinter 2 nach hinten ge- richtete steife Borsten. Am Vorderrande, über den Fühlern, stehen 2 Paar Borsten und in den Hinterecken 1 nach hinten gerichtete Borste. Außerdem ist die Oberseite mit zahlreichen kleinen Härchen besetzt. Die Fühleraushöhlungen sind ebenso tief wie bei der Gattung Puliciphora und größtenteils von dem scharf vorragenden Vorder- rande der Stirn überdeckt. Die Augen (Textfig. A) sind klein, tief schwarz pigmentiert und unregelmäßig dreieckig, d. h. vorn abgerundet, oben und unten in eine Spitze ausgezogen, unten und hinten mit 2 — 3 Aus- buchtungen versehen. Die obere Hinterecke wird von einem dunkel getärbten Flecken umsäumt, der in eine schmale Zun^e ausläuft. 1) Ich benenne die Art nach meinem verehrten Freund Herrn Dispo- nenten Hj. JeanSSON in Durban, dem ich wegen seiner außerordentlichen Gastfreiheit und für vielfache Unterstützung bei meinen Forschungen in Natal zu großem Dank verpflichtet bin. Cryptopteromyia, 331 Es sind nur 14 Facetten vorhanden, die nicht sechseckig, sondern rund sind, ganz wie bei Wandollcckia und Fuliciiihora. Die inter- facettalen Räume sind verhältnismäßig groß und tragen im ganzen 5— G Borsten. Die Cornea springt kugelförmig vor. Die Antennen (Textüg. B) sind 6gliedrig. ^) Fio'. A. AuL'e. 609 : 1. Fis-. C. Taster. 465 : 1. X >. Fig. B. Alltenne. 465:1. Das 1. Glied ist zylindrisch, nackt und schwach gerunzelt; das 1. Glied erweitert sich nach vorn zu einer Halbkugel, die vom 3. Gliede umschlossen wird. Das 3. Glied ist beinahe kugelförmig, oben ein wenig zugespitzt und so lang wie breit. Es ist auf der äußern Fläche dicht tomentiert, nur am distalen Ende sind längere Haare vorhanden. 1) WaxdolleCK gibt für sämtliche von ihm beschriebenen Gattungen nur 5 Glieder an, indem er das große halbkugelförmige Glied als das 2. und den Stiel als Igliedrig auffaßt. Sowohl Becker (2, p. 3) als Wesche (13) und Brues geben jedoch an, daß es das 3. Glied ist, das er- weitert ist und das 2. glockenförmig umschließt, und aus Wandolleck's flg. 15, tab. 26, die einen Schnitt in sagittaler Richtung durch den Kopf darstellt, ist ein 2gliedriger Stiel zu ersehen. 332 IVAR TrÄGÄRDH, Das 4, Glied ist schmal, fast zylindrisch und von derselben Länge wie das 5. Glied, das etwas schmäler ist; beide zusammen- genommen sind sie so lang wie % des 3. Gliedes und kurz und dicht behaart. Das Endglied ist sehr lang, 5mal so lang wie das 4. und 5. Glied und 3mal so lang wie das 3.; es ist an der Basis beinahe so breit wie das 5. Glied, verschmälert sich aber allmählich nach vorn bis nahe dem zweiten Drittel, wo es sehr fein und von gleicher Breite bis an die Spitze wird. Es macht den Eindruck beborstet zu sein, ist aber wie bei WandoUecJcia mit starren Verästelungen versehen, die in Kränzen von 6—8 geordnet sind. Die Muudteile (Fig. 2, Taf. 6) bilden zusammen einen birn- förmigen Komplex, der sich leicht vom Kopfe trennen läßt, wobei jedenfalls die Taster am Kopfe zurückbleiben. Die Taster (Textfig. C) sind ziemlich lang, Igliedrig und ragen mit dem vordem Drittel vor dem Clypeus vor; die zwei proxi- malen Drittel sind zylindrisch, fein und dicht quergeringelt; im distalen Drittel erweitert er sich kolbenförmig bis zur doppelten Breite, um sich danach wieder zu verschmälern und in einer stumpfen Spitze zu enden. Am ventralen Rande in der proximalen Hälfte steht eine Reihe von 5 steifen, senkrecht nach unten gerichteten Textfig. D. Labrum mit Labium, vou unten gesehen. 435 : 1. Textfig. E. Labium. vou unten 2-esehen. 435 : 1. Cryptopteromyia. 333 Borsten; der Kolben ist fein tonientieit und trägt außerdem 12 — 14 ziemlich lanee Borsten, von denen die 2 terminalen die längsten sind. Das Labrum (Texttig. D u. E) ist groß nnd erinnert außer- ordentlich an dasjenige von Thaumatoxena [Tkägäkdh (11), Textfig. 2, 3 u. 4]; es ist kräftig muskulös, birnförmig, oben hochgewölbt, unten mehr flach; es reicht nicht bis zur Si)itze des Labiums vor, ist also kleiner als bei WandoUcclda [Wandolleck (12), flg. 2, tab. 25]. In der Mitte auf der Ventralseite ist eine schmale, longitudinale Einne vorhanden, die durch 2 parallele Chitinleisten begrenzt wird ; vorn biegen diese hakenföimig nach außen und hinten um. Vor dem Vorderende der Rinne, also im terminalen Drittel, sind 3 eigentümliche Platten vorhanden, die zusammen eine etwa huf- eisenförmige Scheibe bilden, die etwas höher als die übrige Ober- fläche liegt. Die lateralen sind unregelmäßig rhomboidisch und auf drei Seiten, d. h. innen, anßen nnd hinten, von einer hohen und schmalen Chitinleiste begrenzt, während der Vorderrand dünn ist. In der Mitte sind diese Platten tief konkav, und hier finden wir ein Paar dunkelgefärbter zahnförmiger Chitinstücke. Zwischen diesen ist eine länglich-ovale, stark konvexe und vorn scharf zugespitzte Platte vorhanden, die durch schmale Streifen von dünnwandiger Cuticula von den lateralen Platten getrennt ist. Die Verhältnisse bieten eine größere Übereinstimmung mit den- jenigen bei Pidiciphora, wie sie ^^'ANDOLLECK (12, p. 426) ge- schildert hat. Das Labium (Textfig. E u. F) besteht aus dem Mentum und den Labellen, die zusammen eine ziemlich flache, kahnförmige Scheibe bilden, die bedeutend schmäler als das Labrum ist (die Breite ver- hält sich wie 3,5 : 5), aber mit dem vordersten Fünftel über die Spitze des Labrums hinausreichen. Die Länge des Mentums verhält sich zu derjenigen der Labellen wie 2:3. Ersteres ist ein wenig länger als breit und rechteckig mit sanft gerundeten Ecken. In der Mitte ist eine verdickte Längsleiste vorhanden, die sich nach vorn in 2 kurze Äste gabelt. Auf der Unterseite sind 2 Paar Borsten vorhanden, das eine in der Mitte nahe der medianen Leiste, das andere sublateral vor der Mitte. Die Labellen (Textfig. E u. F) sind der ganzen Länge nach voneinander getrennt und dreieckig; ausgebreitet sind sie etwa 2mal so lang wie breit. Die Spitzen sind dünnwandig und gefaltet, und 334 IVAK TrÄgIrDH, die beiden Labellen liegen einander mit den Medianrändern dicht an; die etwas wulstigen Seitenränder sind nach oben umgebogen. Es sind auf der Unterseite der Labellen 7 Paar Borsten vor- handen, von denen 4 Paar, die sublateral inseriert sind, länger sind als die übrigen, die ein Dreieck im basalen Drittel bilden. Fig. F. Labellen und Spitze des Hypopharynx. 609 : 1. Außerdem sind nahe dem Medianrande in der vordem Hälfte eine Reihe von 8 — 10 kurzen Härchen vorhanden, die wohl Sinnes- haare sind. Auf der innern, d, h. dorsalen Seite ^) bemerken wir erstens 1 Paar ovaler, lateraler und dunkelbraun chitinisierter Körper, die den von Wandolleck (12, flg. 20, tab. 26) bei PuUciphora ab- gebildeten sog. Verbindungsstücken entsprechen. Ferner bemerken wir, in kleinen Vertiefungen sitzend, eine schiefe Längsreihe von etwa 4 stumpfen und ziemlich groben Borsten, die den von Wandolleck bei PuUciphora beschriebenen Chitinzähnen entsprechen. Sogenannte Pseudotracheen habe ich nicht wahrnehmen können. Wenn man die beiden Labellen durch Druck voneinander trennt^ sieht man zwischen ihnen einen kurzen Spieß, der einer Pfeilspitze ähnelt; es ist dies die vordere Spitze des Hypopharynx. Der Thorax (Fig. 2, Taf. 6 u. Textfig. G) ist, von oben ge- 1) Bei der Präparation ist es mir nicht gelungen, beide Seiten des Labiums zu sehen : ich muß mich daher damit begnügen, zu beschreiben, was man durch die dünnen Labellen von unten sehen kann. Cryptopteromyia. 335 sehen, rechteckig- und beinalie nm die Hälfte breiter als lang; im Profil ist er fast dreieckig-, mit sanft gewölbter Oberseite. Das Mesonotum ist g-roß und bildet die ganze von oben her sichtbare Oberseite des Thorax und biegt auf der Vorderseite bis zur Mitte um. Vom Pronotum ist dagegen keine Spur vorhanden, wenn nicht die kleine dreieckige Partie, die sich im obern Teile des Prosternums findet, so gedeutet werden kann. Fig. G. Thorax. Seitenansicht. 465 : 1. pn Pronotum (?). mn Mesonotum. sc Scutellum. st^ Prothoracalstigma. 8^2 Metathoracalstigma. fl Flügelrudimeut. p Prosternum. Das Mesonotum ist dunkel gefärbt und zeigt keine Trennung in Präscutuni und Scutum. Hinter dem Mesonotum liegt ein schmaler, weicher Streifen, und hinter diesem folgt eine dunkel ge- färbte Partie, die jedoch kaum scharf abgegrenzt ist; diese homo- logisiere ich mit dem Scutellum. Es sind 2 Paar Stigmen vorhanden, 1 prothoracales und 1 metathoracales; von diesen ist wie gewöhnlich das metathoracale etwa doppelt so groß wie das prothoracale. Auf dem Mesothorax finden sich Flügelrudimente in Form von kleinen, birnförmigen Zapfen, die auf einem schmalen Stiele sitzen ; sie sind etwas vorwärts gebogen, fein tomentiert und tragen eine kräftige Endborste, die Bmal so lang wie der Zapfen ist, sowie eine nach unten gebogene kleinere Borste an der Vorderseite. 336 I^'-^K Tbägardh, In Seitenansicht zeigt der Thorax die folgenden Merkmale. Sämtliche Eyimeren und Episternen sind fein tomentiert. Das Prosternum ist halbkreisförmig- und hinten durch eine deutliche, dunkel gefärbte Leiste vom Mesosternum getrennt; von dem prothoracalen Stigma erstreckt sich nach hinten bis zur pro- mesosternalen Leiste eine kleine, gerade und horizontale Leiste, jedoch ohne mit dieser Leiste zu verschmelzen ; durch diese wird eine kleine dreieckige Fläche oben abgegrenzt, die ich mit dem Pronotum homologisiere. Unten läuft das Prosternum in einen kleinen Zapfen aus, der zusammen mit einem Fortsatz des Mesostei'uums den Gelenkknopf für die Coxae I bilden. Auf dem Prosternum befinden sich 9 Paar ziemlich kräftige Borsten. Am Mesothorax sind das Episternum und das Epimer als lauge und schmale, oben abgerundete, unten zugespitzte Platten vorhanden, die durch eine schmale Leiste, die beinahe bis zum Veutralrande reicht, getrennt sind; sie erstrecken sich schräg nach vorn und unten und rechtwinklig gegen die Längsachse des Meso- sternums; letzteres ist außerordentlich wohlentwickelt, rechteckig, etwas länger als breit und erreicht beinahe die Länge der Oberseite des Mesonotums. Metathorax. Das Episternum und das Epimer sind lang und schmal, von gleicher Größe und erreichen beide zusammen- genommen nicht die halbe Breite des Mesosternums. Die Beine. Die Beine sind lang und kräftig; wie bei PiilicipJiora, Chono- eephalus und Wandolleckia sind die Vordercoxen gewaltig entwickelt, frei eingelenkt und etwa doppelt so breit wie diejenigen des 2. und 3. Beinpaares, Da das 2. und 3. Beinpaar verstümmelt waren, ist es mir leider unmöglich, über ihren Bau Auskunft zu geben. Soviel läßt sich ^/^^ Fig. H. Tarsus des 1. Beinpaares. 412 : 1. Cryi)tüi)teromyia. 337 jedoch beobachten, daß Tibia 3 mit 2 ty})ischen schwarzen Phoriden- borsten bewaifnet ist. Das 1. und das 5. Tarsalglied des 1. Beini)aares sind etwas läng-er als die übrigen, die von annäliernd gleicher Länge sind. Die Klauen sind ziemlich lang nnd stark gebogen ; die Pulvillen sind wie bei Pulkiphora u. a. gestaltet (Textfig. H). Das Abdomen. Das Abdomen ist sehr groß im Vergleich zum Kopfe und dem Thorax. Es bestellt aus 9 deutlichen Segmenten, wovon die 6 ersten zu- sammen eine Ellipse bilden und das 7. — 9. Segment an der Bildung der Legerühre teilnehmen. Auf dem 1. — 6. Segment sind rechteckige, glänzend braune Tergitplatten vorhanden, die von dem 2. Segment nach hinten be- deutend an Größe abnehmen, so daß das 6. sehr klein ist. und gleich- zeitig ihre Foi-m von rechteckigen zu halbmondförmigen ändern. Die Tergiten zeigen eine querschuppige Textur und tragen Borsten, die auf jedem Sternit in 4 Queri-eihen geordnet sind und nach hinten an Größe zunehmen, so daß dicht am Hinterrande eine Bei he Borsten steht, die bis zum Vorderrande der darauf folgenden Tergitplatte reichen. Auf dem 5. Tei-git ist eine halbkreisförmige Platte vorhanden, die mit dem geraden Vorderrande eingelenkt ist; diese Platte bedeckt eine Öffnung. Diese Platte wird von Wandolleck nicht erwähnt; Daiil aber (7. tig. 2, p. 186j bildet sie ab und rechnet sie sogar als ein Gattungs- merkmal der Gattung PuUciphora, was jedoch kaum berechtigt er- scheint, da sie außer bei Cnjptopteroimjia auch bei andern Phoriden vorkommt; so gibt z. B. Bkues (5, p. 388 — 390) eine solche Platte oder (jtthung sowohl für Xanionotum als für Ecitomijia und Acontisto- ptera an. Brues gibt an, es sei eine Drüsenmündung. Von der Bedeutung und Funktion derselben weiß man jedoch nichts, und in der Literatur finden sich, soweit ich weiß, keine An- gaben über Drüsenmündungen am 5. Tergit der Dipteren, wohl aber bei den Blattiden. wo solche von Mixciiin und Packard angetroffen worden sind. 338 IVAR TbÄgIrDH, Systematische Stellimg. Seitdem im Jahre 1898 von B. Wandolleck die Familie Stetho- pathidae für die Gattuiig-en Chonocephalus, Stethopaihns (= Puliciphora Dahl) und WandoUecJcia^) aufgestellt wurde, ist die Zahl von Dipteren mit im weiblichen Geschlecht mehr oder wenig reduzierten oder ganz verkümmerten Flügeln beträchtlich erweitert. Zunächst w^urde in demselben Jahre Wandolleck's Vermutung, daß die Männchen sich als geflügelt herausstellen würden, durch Dahl (7, p. 185), den Entdecker von zwei der oben erwähnten Gattungen, bestätigt, indem er in seiner Sammlung auch die Männchen fand. Später, 1905, wurde von Beues (4, p. 554) noch eine Chono- cephaltts- Art, Ch. simüis, aus Indien beschrieben; ferner 2 Arten von Fulicipliora, P. occidentalis M. et Brües (9, p. 17) aus Massachusetts und P. venata Alürich (1, p. 436) aus Westindien. Durch den Fund von den Männchen wurde es leicht, die syste- matische Stellung zu erkennen, und sowohl Becker (2, p. 1 — 3) wie Brues (5 u. 6) rechnen sie unbedingt zu den Phoriden. Außerdem ist eine Anzahl von Phoriden beschrieben worden, bei denen die Weibchen mehr oder wenig reduzierte oder modifizierte Flügel haben, nämlich Xanionotum Brueh, Acontistoptera Beues, Ecüomyia Beues sowie Termitoxenia Wasm. und Termitomyia Wasm. (Die Zugehörigkeit der beiden letztern zu den Phoriden, die von Beues urgiert wird, ist jedoch w^ohl ziemlich problematisch.) Man kann somit ohne Schwierigkeit die allmähliche Reduktion der Flügel bei den Weibchen in den verschiedenen Gattungen ver- folgen. Durch den Besitz von den kleinen birnförmigen Flügelrudimenten nimmt unsere Gattung eine vermittelnde Stellung ein zwischen Pulici- pJiora, Chonocephalus und WandollecUa einerseits, die ganz flügellos sind, und Ecitomyia und Xanionotum andrerseits, wo die Flügel zu fingerförmigen Anhängen reduziert worden sind. Durch den Besitz von Ocellen, ein Merkmal, das unter den be- treffenden Gattungen außerdem nur Puliciphora mit ihr teilt, steht sie jedoch den echten Phoriden näher. Der Bau der Mundteile stimmt auch am meisten mit demjenigen von Puliciphora überein; die meisten Phoriden sind aber in dieser 1) Dieser Gattung wurde erst später dieser Name gegeben [Wan- dolleck (12), p. 41 7J. Cryptopteromyia. 339 Hinsicht iiiclit oder nur zu ungenügend untersucht worden, um zu einem Verg^leich heranofezogen werden zu können. Weitere Beiträge zur Keiiiituis von Tltaunuitoxena Bb. et Böux. In einer frühern Abhandlung, wo die systematische Stellung" dieser Gattung diskutiert wurde und der Verf. Silvestri's Auffassung derselben als einer in der Nähe von den Phoriden stehenden Fliege beitrat, jedoch mit einigen Modifikationen in der Deutung der ^lund- teile, hob ich hervor, daß mein Exemplar sowohl mit SiLVEsiiifs Beschreibung von Th. andrcinn wie mit Breddin u. BfiRNER's Be- schreibung von Th, ivasmanni übereinstimmte, T/i. andreinii die nach SiLVESTRi kleiner ist, wäre das Männchen, 2h. ivasmanni das Weibchen. Deshalb identifizierte ich mein Exemplar nicht mit irgendeiner von diesen, die ja meiner Ansicht nach Synonyma waren. Kürzlich ist von G. Enderleix für Th. andreinii eine neue Gattung, Termitodeipnus, aufgestellt. ExBERLEm (8, p. 154), der erst bei der Korrektur meine Abhandlung erhielt, äußert bezüglich der oben dargestellten Auf- fassung: „T. hält die SiLVESTRi'sche Species für das -S von Th. nas- manni Bred. et Bökn., Börner beschreibt aber auch vom S aus- drücklich ein 2gliedriges Abdomen, und ich habe mich an den Originalstücken in der WASMANx'schen Sammlung in Luxemburg persönlich davon überzeugt. Die TRÄGARDH'sche Art gehört somit zur Gattung Termitodeipnus und ist vermutlich der T. andreinii Silv.. der demnach auch bei Termes natalensis in Natal vorkommt." Enderleix hat aber dabei übersehen, daß ich (11, Textfig. 7. p. 10) die von mir untersuchte Thaumatoxena mit 2gliedrigem Abdomen abgebildet habe. Ich gebe zwar zu, daß dieser Figur eine detaillierte Figurenerklärung hätte beigefügt sein können ; Verf. beabsichtigte jedoch dieselbe nur für die Besprechung der Körper- form im allgemeinen und ihre Übereinstimmung mit dem Wasmann- sclien Trutztypus zu benutzen. \\'eiterhin scheint es Enderleix entgangen zu sein, wie eigentümlich das Vorhandensein von zwei Formen bei einer und derselben Termite sein würde, von denen man zufolge des übereinstimmenden Körperbaues dieselben biologischen Beziehungen zu den Termiten annehmen könnte und die also Kon- kurrenten sein würden. Nachdem Wasmann mir gütigst Auskunft über Th. ivasmanni gegeben hat, woraus hervorgeht, daß die Abbildungen in Breddix u. Börxer's Abhandlung, wie ich vermutete, etwas schematisch waren. 340 IvÄR Trägardh, und daß besonders in fig. 1 das erste Abdominalsegment zu breit gezeichnet war, ist es außer Zweifel gestellt, daß die von mir erwähnte T/?. -Art mit Th. wasmanni identisch ist. Mein Exemplar kann folglich dazu benutzt werden, einen Ver- gleich zwischen TU. wasmanni und Th. andreinii anzustellen, aus welchem es hervorgehen dürfte, wieweit Enderlein berechtigt ist für letztere eine besondere Gattung aufzustellen. Bezüglich der Mundteile verweise ich auf meine frühere Dar- stellung (11, p. 4 — 10) derselben von Th. ivasmanni und hebe noch- mal hervor, daß sie sich nicht von denen der Th. andreinii unter- scheiden. Die Augen von Th. ivasmanni sind elliptisch, etwas mehr als 2mal so lang wie breit und an den Spitzen abgerundet (Textfig. J); sie ragen kaum merkbar über die Oberfläche empor. Fig. J. Auge. 412 : 1. Es sind 13 Facetten vorhanden, die folgendermaßen in Quer- reihen geordnet sind: 1, 2, 2, 2, 3, 2 und 1. Von diesen ist die erste etwa doppelt so groß wie die übrigen. Bei Th. andreinii sind 15 Facetten vorhanden, von denen eine, die ganz wie bei Th. ivasmanni an dem einen Ende liegt, größer als die übrigen ist; weiterhin besteht nur eine Querreihe, und zwar dieselbe, d. h. die 5. von der großen Facette gerechnet, aus 3 Facetten, und die einzelnen Facetten sind sogar in ganz genau derselben Weise geordnet, abgesehen davon, daß an den Enden je eine mehr vorhanden ist. Die Antennen (Textfig. K). Die relative Länge des 2. — 6. Gliedes ^) ist 3 : 1,5 : 1 : 5. -) Das 3. Glied ist sehr fein tomentiert und trägt an der distalen Spitze, rings um die Einlenkungsstelle des 3. Gliedes, mehrere längere Haare. 1) Über die Zahl der Antennenglieder vgl. S. 331. 2) Das terminale Glied war abgebrochen, es dürfte wahrscheinlich etwas länger sein. Cryptopteromyia. 341 An der Stelle, wo das 6. Glied sich verjüngt, sind 2 kleine runde Gruben vorhanden, die wohl Ixhinarien sind. Die Antennen sind in einei- tiefen (irube eingelenkt, aus welcher nur der oberste Teil des 3. Gliedes emporragt. Bei TJh andreinn ist die relative Länge des 2.-6. Gliedes 3,3 : 1 : 1,3 : 6,3. ^ . ^^ y ^ ^^^ Textfig-. K. Antenne und Antennenhöhle. 270 : 1. Ein genauer Vergleich mit den Antennen von Th. andreinii läßt sich kaum ohne weiteres anstellen, da augenscheinlich Silvestri's Abbildung nach einem Macerationspräparat gemacht ist, also das 3. Glied plattgedrückt und daher etwas zu groß erscheint und außerdem in meiner Textfig. K das 3. Glied nicht im Profil, sondern schräg von vorn gesehen ist und daher etwas kürzer, als es tat- sächlich ist, erscheint. Wenn wir aber diese beiden Umstände in Betracht ziehen, so ergibt sich, wäe außerordentlich groß die Über- einstimmung: im Bau der Antennen ist. Thorax (Textfig. L). Was die von Breddix u. Börner beschriebenen Flügelrudimente betrifft, so werden sie zwar nur in folgender Weise von Silvestri (10, p. 358) erwähnt „tJiorax . . . angulis posticis aliquantum per latera ühdominis acute produdis'^ ; aus seinen figg. 10 u. 15 ist aber ersicht- lich, daß sie mit denen von Th. wasmanni übereinstimmen. Da Enderlein die BimNER'sche Auffassung bezweifelt, habe ich die Bildungen genauer untersucht. Enderlein (8, p. 146) sagt: ..Die von Börner bei Thaumcdoxena als Flügelrudimente aufgefaßte Bildung ist wohl zweifellos eigenartigen sternalen Fortsätzen des Thorax homolog, die ich bei Oniscoimjia in schwächerer Ausbildung 342 IVAR TrÄGARDH, angetroffen habe, während hier die Flüg-elrudimente dicht unter den hintersten Seitenecken verborgen waren und sehr schwach ent- wickelt sind; hier finden sie sich vermutlich auch hei Thatimatoxena, falls sie nicht gänzlich verschwunden sind.*' Aus Textfig. L ersehen wir aber, daß die Bildungen deutlich vom Mesothorax durch eine deutliche Sutur abgegliedert sind, wie schon von Breddin u. Börner (3, p. 88) hervorgehoben wurde. Auf der Unterseite derselben sind keine Bildungen vorhanden, die als Flügelrudimente gedeutet werden können. Pig. L. Flügelrndiment, vou unten gesehen. 412:1. Fig. M. Teil des 1. und Vorderraud des 2. Äbdoniinalsegmeuts. 270:1. Die Flügelrudimente erweitern sich von einer schmalen Basis aus und en-eichen im proximalen Drittel ihre größte Breite, die beinahe 2mal die Basalbreite und halb so groß wie die Länge ist. Sie sind mit 4 langen, zugespitzten, tiefschwarzen und ungefähr 12 kleinern Borsten bewaffnet. Sie ähneln in der Tat auffallend dem von Randader und Cubital- •oder 3. Längsader begrenzten Teil eines Phoridenflügels [vgl, Becker (2, Textfig., p. 9)]. Abdomen. Bezüglich der Gliederung des Abdomens von TJi. andreinn hat SiLVESTRi mir keine Auskunft über das Vorhandensein eines 1. Ab- Cryptopteromyia. 343 dominalseofments geben können, da die von ihm imtersucliten Exemplare sich jetzt in Florenz befinden. ^^'ie oben hervorgehoben wurde, ist dieses Segment von Breddin u. BÖKXER zu breit abgebildet. Tatsächlich ist es sehr schmal, und die Sutur, die sie vom 2. Segment abgrenzt, ist so außerordentlich fein, daß sie nur unter Benutzung von Öl-Imm. ^/jo deutlich zu sehen ist. Wenn wir dazu in Betracht ziehen, daß in Silvestei's Textfig. 10, wo das Tier in Dorsalansicht abgebildet worden ist, der Vorderrand des Abdomens vom Thorax überdeckt wird, wie uns die punktierte Linie zeigt, und also der Hinterrand eines etwa vorhandenen schmalen Segments genau vom Hinterrande des Thorax würde be- deckt werden, so ist es klar, daß man, bei der sonstigen genauen Übereinstimmung der beiden Arten, kein Ge- wicht auf die Abwesenheit von Angaben über ein 1. Abdominalsegment bei Th. andreinii legen kann. In Textfig. M ist ein Teil des 1. Abdominalsegments von Th. icasmanni abgebildet. Es ist daraus ersichtlich, daß es den Vorder- rand des 2. Segments mit dem hintern Drittel kragenförmig über- deckt. Die Beine. Vergleichen wir zuletzt die Beine der beiden Arten, so ergibt sich auch hier eine sogar bis in die kleinsten Einzelheiten gehende Übereinstimmung. Das 1. Bein paar (Textfig. N). Das Femur beinahe doppelt so lang wie die Tibia und ungefähr 3mal so lang wie breit. Die Tibia erweitert sich distalwärts und trägt an der Dorsalseite nahe der Spitze 2 schwarze Borsten, von denen die eine doppelt so lang wie die andere ist. Von den Tarsalgliedern ist das 1. so lang wie das 2. — 4. zu- sammen, die von gleicher Größe sind; das 5. ist so lang wie das 3. und 4 zusammen. Sowohl in bezug auf die Form wie die Längen Verhältnisse der einzelnen Glieder und den Borstenbesatz stimmt es vollständig mit den Verhältnissen, die sich bei Th. andreinii vorfinden, überein. Vgl. SiLVESTRi (10), Textfig. 22a, p. 358. 2. Beinpaar (Textfig. 0). Femur länglich-oval, ein wenig mehr als 2mal so lang wie breit, mit dünnem, ausgeplattetem Hinterrand; die Unterseite ist mit zahlreichen steifen Haaren besetzt, die nach Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 23 344 IVAR TeÄGAHDH, hinten au Größe zunehmen. Ventral nahe der Spitze stehen 2 grobe schwarze und schwach gekrümmte Borsten. Tibia 3mal so lang wie breit, überall, ausgenommen an der Basis, gleichbreit. Sie trägt 8 tiefschwarze grobe und gerade Borsten, von denen 6 am Vorderraude, 2 am Hinterrande an der Spitze ein- o-efügt sind. Außerdem sind an der Unterseite nahe dem Vorder- raude 5 schräge dichte Querreihen von feinen ziemlich kurzen Börst- chen vorhanden. Ein Vergleich mit Silvestri's Textfig. 22B zeigt uns, wie außer- ordentlich groß auch hier die Übereinstimmung ist. Fig'. N. Tibieu und Tarsus des 1. Beiupaares, von oben geseben. 100 : 1. 0. 2. Beiu, von unten a-esehen. 100 : 1. Fig. Q. 3. Bein, von unten gesehen. 100 : 1. Fig-. P. Spitze der Tibien und 1. Tarsalglied des 3. Beines, von oben gesehen. 155 : 1. Cryptopterümyia. 345 3. Bein paar (Textfig. P u. Q). Femur viel breiter als bei den andern Beinpaaren, indem die größte Breite sich zur Länge wie 3.1 : 4,9 verhält. Die distale Hälfte des Hinterrandes ist zu einem dünnen, distalwärts an Höhe zunehmenden Blatte verbreitert, unter welches die Tibia zurückgeschlagen werden kann. Die Haare der Unterseite sind kleiner als die der Tibia 2. Nahe der Spitze am Vorderrande stehen 2 grobe, schwacli gekrümmte Borsten. Tibia schwach keulenförmig; die größte Breite zur Länge wie 17:42. Die Haare auf der Unterseite sind durchschnittlich doppelt so groß wie die des Femurs. Am Yorderrande stehen 5 Borsten, die denen der Tibia 2 gleich gestaltet sind. Am distalen Ende stehen vorn 4, hinten 3 sehr grobe Borsten. Außerdem befindet sich auf der Dorsalseite an der Spitze eine Reihe von 5 kleinern, sehr scharf zugespitzten Borsten. Auch in diesem Falle belehrt uns ein Vergleich mit Silvestei's Abbildung (vgl. 10, Textfig. 22C.), wie groß die Übereinstimmung ist. Aus dem oben angestellten Vergleich zwischen Th. andreinii und Th. ivasmanni dürfte hervorgehen: 1. daß die Übereinstimmung zwischen beiden in bezug sowohl auf die Mundteile wie die Augen, die Antennen und die Gliederung und den Borstenbesatz der Beine ganz außerordentlich und es sehr fraglich ist, ob sie als 2 verschiedene Arten auseinandergehalten werden können; 2. daß in Anbetracht dieser Übereinstimmung kein Gewicht auf die Abwesenheit von Angaben über ein kurzes basales Abdominal- segment in Silvestei's Beschreibung der Th. andreinii gelegt werden kann ; 3. daß folglich die von Endeelein aufgestellte Gattung Termito- deipnus als mit Thaumatoxena sj-nonym eingezogen werden muß. 23* 346 IVAR TeÄGAKDH, Literatiirverzeicliuis. 1. Aldkich, J. M., Diptera of St. Vincent, in: Trans, entomol. Soc. London, 1896, p. 436. 2. Becker, Th., Die Phoriden, in: Abh. zool.-bot. Ges. Wien, Vol. 1, 1901—1902, p. 1— 100, tab. 1—5. 3. Breddin und BÖRNER, Über Thauraatoxena wasmanni, den Vertreter einer neuen Unterordnung der ßhynchoten, in: SB. Ges. naturf. Freunde Berlin, 1904, p. 84—93, fig. 1—4. 4. Brues, Ch. T., Phoridae from the Indo-Australian region, in: Ann. Mus. nation. Hung., 1905, p. 554- — 555. 5. — , A raonograph of the North American Phoridae, in : Trans. Amer. entomol. Soc, Vol. 29, 1903, p. 331—404, tab. 5—9. 6. — , Phoridae, in: Genera Insectorum, fasc. 44, 1906. 7. Dahl, Fr., Der Floh und seine Stellung im System, in: SB. Ges. naturf. Freunde Berlin, 1898, p. 185—199, Textfig. 1—9. 8. Enderlein, G., Oniscomyia dorni, eine neue deutsche als Ameisen- gast lebende flügellose Fliegengattung, sowie über die systematische Stellung der Thaumatoxena, in: Zool. Jahrb., Vol. 27, Syst., 1908, p. 145—156, tab. 7. 9. Melander and Brues, Puliciphora occidentalis, in: Biol. Bull., Vol. 5, 1903, p. 17. 10. Silvestri, f., Contribuzione alla conoscenza dei Termitidi e Ter- mitofili deir Eritrea, in: Bedia, Vol. 3, fasc. 2, 1905, p. 350 bis 359, Textfig. 10—22. 11. TräGÄRDH, J., Contributions to the knowledge of Thaumatoxena Breddin and Born., in: Arch. Zool., Vol. 4, No. 10, 1908, p. 1—12, Textfig. 1—7. Cryptopteromyia. 347 12. "Wandolleck, B., Die Stethopathidae, eine neue flügel- und schwinger- lose Familie der Diptera, in: Zool. Jahrb., Vol. 11, Syst., 18!»8, p. 412—441, tab. 25, 2(3. 13. Wesche, W., The systematic affinities of the Phoridae and of several Brachycerous families in Diptera, in : Trans, entoraol. Soc. London, 1908, P. 2, p. 283— 29G, tab. 7. 348 I^'-'^^ TrägIrdh, Cryptopteromyia. Erklärimg der Al)l)il(luugeD. Tafel 6. Fig. 1. Cry})toptcromyia jeanssoni n. g. n. sp. Dorsalansicht. 75:1. Fig. 2. Kopf, Thorax und Vorderteil des Abdomens in Seitenansicht. 150:1. Lippert «& Co. (G. Pätz'sche Buchdr.), Naumburg a. S. Nachdruck verboten. TJbersetziingsrecht vorbehalten. Die Macroscelididae und ihre Beziehungen zu den übrigen Insectivoren. Von Albertiua Carlsson. (Aus dem Zootomischen Institut der Universität zu Stockholm.) Mit 11 Abbildungen im Text. Von einigen altern kurzen Angaben abgesehen, wird Macro- scelides tijpicus zuerst von Smith 1828 erwähnt und abgebildet (29); später gibt derselbe Forscher eine s^'stematische Übersicht der süd- afrikanischen Formen nebst Mitteilungen über den Schädel, die Zähne und die Eingeweide (30). Eine eingehende Darstellung des nord- afrikanischen Macroscelides roseii verdanken wir Duvekmoy (4) und Wagxek. Letzterer Forscher beschreibt besonders das Skelet und Gebiß und bildet diese und die männlichen Geschlechtsorgane ab (37). Mehrere Jahre später haben wir von Peters eine Beschreibung über Macroscelides und die von ihm zuerst beobachteten Gattungen Petro- dromus und lihynchocyon erhalten (22). Kurze Angaben über ver- schiedene Teile der Anatomie dieser Tiere sind hinsichtlich des Skelets von Mivart (17), des Schädels von Winge (39), der Becken- nmskulatur und des Gebisses von Leche (11 u. 13), des Gebisses von Thomas (32), des jACOBSON'schen Organs von Bhoom (2) und des Os bullae von van Kampen (9) gemacht. Der anatomische Bau der Macroscelididae ist, wie aus Obigem Zool. Jahrb. XXVllI. Abt. f. Syst. 24 350 Albertinä Caelsson, hervorgeht, teilweise bekannt; ihre nähere Verwandtschaft aber mit den übrigen Insectivoren ist bislier unentschieden geblieben. Ge- wöhnlich werden sie auf Grund des Vorkommens eines Blinddarmes und einer langen Sj'mphysis pubis in die Nähe der Tupaiidae ge- stellt. Aber ob sie auch in den übrigen Organsystemen mit der letztern Familie übereinstimmen oder ob sie vielleicht einer andern näher stehen, ist nicht nachgewiesen. Broom findet sie, was das jACOBSON'sche Organ betrifft, im Besitz von marsupialen Kennzeichen und betrachtet sie als mit den Beutlern nahe verwandt (2, p. 227). WiNGE vertritt eine andere Ansicht, indem er nachweist, daß sie und die Erinaceidae einige gemeinsame charakteristische Merkmale besitzen (39, p. 142 u. 143). Schlosser leitet sie vom obermiocänen Parasorex socialis (= Galerix) ab, der zugleich nach ihm eine Lücke zwischen den Macroscelididen und Tupaiiden ausfüllt (27, p. 116). Betreffs der Stellung von Galerix hat aber Leche nachgewiesen, daß dieser ein Erinaceide ist. Da die genetischen Beziehungen der Macroscelididen noch durch- aus unklar sind, habe ich durch anatomische Untersuchungen ver- sucht, einen Beitrag zu ihrer Beurteilung zu geben. Auf Vorschlag des Herrn Prof. Dr. W. Leche, dem ich sowohl dafür als auch für die Überlassung des in der Universität vorhan- denen Materials hier meinen ergebensten Dank ausspreche, habe ich diese Arbeit im Zootomischen Institut der Universität zu Stockholm ausgeführt, wobei ich zugleich den großen Vorteil gehabt habe, dessen umfassende Sammlungen zu vergleichenden Studien benutzen zu können. Als Untersuchungsobjekte standen mir zu Gebote: A. von Spiritusexemplaren 1 von MacrosceUdes typicus 4 „ „ rozeti 1 „ „ melmwtis 1 ,, Petrodromus tetradadylus 1 „ Bhynchocyon petersi B. von ganzen Skeleten 1 von MacrosceUdes typicus 1 „ „ roseti 1 „ ., malosae Die Macroscelididae. 351 1 von Peirodromus tdradartylus 1 ,, Bhijncliocyon chrijsoinjgns C. von Schädeln 1 \o\\ Macroscelides roscti ] 2 „ „ pnlcher \ mit Milcligebiß 1 „ „ delamerei 1 „ „ rufesccns 1 „ „ typicus \ mit Ersatzgebiß 5 „ ,, rozeti 1 „ Petrodromus tetradacUilus \ ., ^ 1 ü7 7 ■ • mit Ersatzgebiß 1 „ Jtihynchocyon arnez | *^ Einen Teil dieses Materials verdanke ich Herrn Direktor Prof. A. Bkaueu und Herrn Prof. P. Matschie; für ihr freundliches Ent- gegenkommen bin ich ihnen zu besonderem Danke verpflichtet. Skelet. Schade 1. Unter den spezifischen Kennzeichen desselben sind hervorzu- lieben : 1. Die Lage des Forameu lacrimale in der Orbit al - fläche des Os lacrimale. Ein scharf abgesetzter Rand teilt das bei Macroscelides, Petrodromus und Bhynchocyon sehr große Tränen- bein in 2 Hälften, die eine der Orbita, die andre dem Gesicht an- geliörend, und in der erstem findet sich das Foramen lacrimale. In dieser Hinsicht weichen die Macroscelididen von den übrigen Insecti- voren ab, denn bei diesen liegt die fragliche Öffnung entweder in der Gesichtsfläche des Tränenbeins {Talpa. Tiipaia) oder in dem Rande, welcher diese von der Orbitafläche trennt (38, p. 365). Da die Lage des Foramen lacrimale in der Gesichtsfläche nach Weber als ein primitives Merkmal (38, p. 745) gilt, haben also in diesem Punkte die Macroscelididen sich mehr als die übrigen Insectivoren vom ur- sprünglichen Verhalten entfernt. 2. Die kräftige Entwicklung des A rcus zygomaticus. Der Jochbogen verhält sich bei den Insectivoren verschieden; er fehlt einigen, wie den Centetidae, Solenodontidae und Soricidae, wird bei den Chrysochloridae von den Processus zygomatici des Maxillares und des Squamosums gebildet (15, p. 61). Erinaceus besitzt ein 24* 352 Albbrtina Carlsson, schwaches Jugale, an dessen dorsaler Fläche die kräftigen Processus zygomatici einander begegnen. Bei den Macroscelididae hat es eine größere Entwicklung erreicht; es überlagert in dem vordem Ende das Maxillare und verbindet sich mit dem scharfen Rande des Lacri- males, wodurch die Orbita nach vorn und lateralwärts eine deut- liche knöcherne Umrahmung bekommt. Ähnlich verhält iAoXi Tupaia\ die ganze Orbita ist aber so wie bei den Halbaffen von Knochen umgeben. 3. Die Processus postorbitales fehlen Macroscelides und Petrodromus, sind aber, wenn auch schwach, bei Ehynchocijon vor- handen. Sie verhalten sich bei letztgenanntem Tier, was ihre Ent- wicklung betrifft, wie bei Hißomijs (17, p. 136); unter den ver- schiedenen Arten von Erinaceus treten sie mehr oder weniger deut- lich auf. 4. Das Exoccipitale trägt bei BhyncJiocyon einen kaum sicht- baren Processus paroccipitalis. Ein ähnlicher Fortsatz ist weder bei Macroscelides noch bei Petrodromus vorhanden. Die Macrosceli- diden weichen, was dieses Kennzeichen angeht, von den Erinaceidae ab, bei welchen es kräftig auftritt. 5. Die T y m p a n a 1 r e g i o n. Hinsichtlich derselben habe ich nur die Angaben von van Kampen zu bestätigen. Die Macroscelididae und die Tupaiidae unterscheiden sich von den übrigen Insectivoren durch das Vorkommen eines Os bullae. Es bestehen jedoch wichtige Verschiedenheiten in dem Verhalten desselben zu den umgebenden Knochen in den beiden Familien. Das Os bullae verwächst bei den Macroscelididae mit dem Annulus tympanicus, bleibt aber frei bei Tupaia und bildet bei ihm den äußern Gehörgang, welcher bei den erstem aus dem verlängerten Os t3'mpanicum entsteht (9, p. 453). Die Basis der Bulla wird bei den Macroscelididae vom Petrosum und vom aufgeblähten Processus tympanicus des Alisphenoids gebildet; bei Tupaia nehmen diese 2 Knochen keinen Teil an fraglicher Bildung (9, p. 449). Ptilocercus vertritt nach van Kampen (9, p. 450) einen ursprünglicheren Zustand als Tupaia in der Entwicklung des Os bullae, da dasselbe weder eine Aufblähung noch einen äußern Gehörgang bildet, sondern nur aus einem breiten Halbring besteht. Die Macroscelididen bieten in dem Vorkommen eines Os bullae große Übereinstimmung mit den Tupaiidae dar, haben sich aber weiter und in anderer Weise als diese differenziert. Obwohl für die Familie der Macroscelididae eine große Bulla ossea charakteristisch ist, weisen ihre 3 Gattungen darin eine Die Alacrosceliilidae. 353 Verschiedenheit auf. Uhynvhocijon kennzeichnet sich durch eine so stark geschwollene Bulla, daß sie die der Gegenseite beinahe be- riilirt, und durch einen besonders langen äußern Gehörgang; das Foramen caroticuni posterius liegt in der Naht zwischen dem Petrosuni und dem Os buUae. Petrodromus und Macroscdidcs rosetiy rufcsccns, pidcher^ delamcrei und malosae besitzen einen kürzern Ge- hüi-gang, die Bullae sind mehr voneinander entfernt; das Foramen caroticum i)Osterius liegt im Petrosum. Bei 3IacrosceIides typicus hat die Bulla ossea eine stärkere Anschwellung erreicht und steht in Ver- bindung mit Höhlen, die vom Parietale, Squamosum und Mastoideum begrenzt werden, wodurch der Hinterkopf große Ausbuchtungen be- kommt. Das Foramen caroticum posterius liegt wie bei Rhjnchocyon zwischen dem Os bullae und dem Petrosum. Nach der verschieden- artigen Größe der Bulla und der wechselnden Anzahl der untern ^lolaren teilt Thomas die Gattung Macroscelides in 3 Gruppen, von denen die 1., Macroscelides. die Arten typkus und melanotis umfaßt; zur 2.. Elephantidus, mit kleinern Bulla gehören M. roseti u. a.; die ;')., Xasilio^ besitzt auch eine kleine Bulla, aber 3 untere Molaren im »Tegensatz zu den 2 erstem, bei denen 2 vorhanden sind (35, p. 577). 6. Der harte Gaumen ist in seinem hintern Teil durch eine ansehnliche Breite charakterisiert, was von M. typicus in höherm Grade als von den übrigen ^lacroscelid es- Arten gilt, verschmälert sich bei Macroscelides und Petrodromus stark nach vorn, ist aber bei llhynchocyon in seiner ganzen Länge gleichbreit. Er besitzt bei den 2 erstgenannten Gattungen mit Ausnahme von P. sidiani nacb Thomas (33. p. 425) mehrere Foramina im Palatinum und Maxillare außer den Foramina incisiva, mit dem Verhalten bei den Krinaceini übereinstimmend. Bei Ehynchocyon, welcher in dieser Hinsicht sich wie Tupaia und die Gymmirini verhält, treten nur die letztern auf. 7. Die Länge des Pr am axillar es. Bei JiJiyuchocyon er- reicht es ein Viertel, bei Petrodromus und Macroscelides ein Drittel der Länge des ]\[axillares. Ein langer Fortsatz desselben schiebt sich zwischen das Nasale und das Maxillare ein. 8. Die Frontalia sind bei Bhynchocyon bedeutend länger als die Parietalia, bei Petrodromus und Macroscelides von beinahe der- selben Länge; bei diesen ist im Gegensatz zum Verhalten hei Ehyn- chocyon der »Schädel zwischen den Augenhöhlen komprimiert. 9. Die Nasalia schieben sich bei Rhynchocyon zwischen die Stirnbeine hinein, was nicht der Fall ist bei Petrodromus und Macroscelides. 354 Albertina Carlsson, 10. Ein Rüsselknochen ist nicht vorhanden. 11. Der Canalis infraorbitalis hat, von Rhynchocyon ab- gesehen, wie bei den Erinaceidac eine kurze Erstreckung. 12. Der Processus coronoideus des Mandibulares ist be- sonders niedrig, von derselben Höhe wie der Processus condyloideus. und erinnei't dadurch an das Verhalten bei den Clirysochloridae, wie auch MivArxT (17, p. 131) bemerkt. Da dies durch eine Reduktion der Kaumuskeln verursacht wird, ist es als ein sekundäres Kenn- zeichen aufzufassen. 13. Die Crista sagittalis fehlt Macroscelidcs und Petrodromus, wie a priori zu erwarten war; sie kommt bekanntlich kleinen Formen nicht zu. Die Schläfenlinien sind markiert, nähern sich aboralwärts bei jungen Individuen, verschmelzen aber bei alten. Nur bei Rhyn- chocyon, welche Gattung die größten Tiere dieser Familie umfaßt, findet sich eine kurze Crista sagittalis sowie eine niedrige Christa occipitalis. 14. Die E n d 0 1 u r b i n a 1 i e n bei Macroscelides bieten nichts Ab- w^eichendes von denjenigen der übrigen Insectivoren dar. AVie bei diesen nach Paulli (21, p. 484 ff.) sind davon 4 vorhanden; da aber die Basallamelle der 2. Endoturbinalia sich in 2 Blätter gespalten hat, finden sich 5 Riechwülste. Der 2. von diesen scheint in frag- licher Ordnung der am meisten entwickelte zu sein; bei Erinaceus liegt sein vorderes Ende dem P-, \it\ Ericidus \\n(\. 3Iacroscelides ^%\\\ C gegenüber; der 3. ist bei den genannten Formen der kleinste von allen. Von den 2 hintersten übertrifft bei Macroscelides und Ericulus der 4. den darauf folgenden an Größe ; bei Erinaceus besteht ein ent- gegeugesetzes Verhalten. Die Foramina der Basis cranii. Ein selbständiges Fo- raraen opticum habe ich bei den 3 Gattungen gefunden, es fehlt aber bei Rhynchocyon nach Parker (20, p. 247), was genannter Forscher als einen Marsupialiercharakter bezeichnet. Sein Vorkommen bei diesem Tier scheint ein inkonstantes zu sein. Unter den Insectivoren kommt es gar nicht oder sehr selten bei Sorex vor (39, p. 130), wird aber bei den übrigen angetroffen. Ähnlich verhält sich das Foramen sub- opticum : es ist in den von mir untersuchten Macroscelididen-Schädeln, mit den Angaben von Winge (39, p. 143) übereinstimmend, vor- handen; MivAET hat es nicht bei Macroscelides, wohl aber bei Pe^ro- dromus und Rhynchocyon gesehen (17, p. 144). Es tritt bei den Erinaceidac, bei Sorex und Talpa auf. Nach Weber fließen das Fo- Die Macroscelididae. 355 ramen rotunduni und die Fissura orbitalis superior bei den Säugern oft zusammen ; solch ein Verhalten ündet sich bei den Macroscelididae. Krinacens u. a. wieder. Petrodromus besitzt ein Foramen glenoideum. bei Macroscelides wie bei Tupa/a fehlt es. Das Foramen magnum ist bei Macroscelides und Petrodromus sowie, wenn auch in geringerm Grade, bei Tupaia so weit ventralwärts gerückt, daß sein Umriß größtenteils sichtbar wird, wenn man die Basis cranii Avagerecht hält. Dasselbe gilt von Talpa, wie Winge nachgewiesen hat (39, \). Vll). Bei Bhynchocyon ist dieses Foramen, wie auch Mivart er- wähnt (18, p. 65), nach hinten gerichtet. Das jACOBSOx'sche Organ bei 3Iacroscelides prohoscideus (= typicus) ist von Beoom eingehend beschrieben und abgebildet worden; da ich über dasselbe keine Untersuchungen ausgeführt habe, zitiere ich hier seine Beobachtungen. Nach genanntem Forscher be- sitzt es die für die Beutler charakteristischen Kennzeichen (2, p. 224 f.), nämlich die Ausmündung in das nasale Ende des Canalis naso- palatinus — bei den übrigen Säugern verschiebt sie sich weiter gaumenwärts — , das Fehlen eines stützenden Knorpels in der Wand dieses Kanals, welcher vom Boden der Nasenhöhle ausgehend häufig bei Monodelphiern vorkommt (38, p. 152), das Auftreten eines Blut- gefäßes lateral wärts vom Organ und die Bildung eines Knorpels in der Papille zwischen den Mündungen der Kanäle, welcher bei höhern Säugern selten vorhanden ist. Außerdem findet sich bei Äfacro- scelides längs der Außenwand des fraglichen Organs ein Knorpelstab, welcher bei den Beutlern und Dasypiis entwickelt, bei einigen Nage- tieren rudimentär auftritt. Dieser Übereinstimmung darf man nicht zu viel Gewicht beimessen, weil die meisten dieser Merkmale sich nicht nur bei den Macroscelididen, sondern auch bei andern Insecti- voren wiederfinden. Aknbäck-Christie-Linde hat gefunden, daß Sorex ridr/aris, was fragliches Organ angeht, in den 4 erstei'n von den dargestellten Punkten wie die Beutler sich verhält, d. h. mit Macro- scelides übereinstimmt, nur der Knorpelstab längs der Außenwand des Organs kommt bei ihm nicht vor (1, p. 498). Wirbelsäule. Gliederung der Wirbelsäule bei den Macroscelididen: C. 7; Th. 13; L. 7 (8 bei Phynchocyon); S. 3; C. 25 [28 bei Pihynchocyon (22, p. 96 u. 103)]. Die 3 Gattungen verhalten sich in dieser Hinsicht gleich. Der Epistropheus besitzt einen kräftigen Dorn- fortsatz; an den folgenden Halswirbeln finden sich reduzierte Pro- 356 Albertina Carlsson, cessus spinosi. Die Qiierfortsätze des 6. und 7. Wirbels sind lang- und an ihrem Ende gespalten. An den 10 vordersten Tlioracal- wirbeln richten sich die Dornfortsätze schwanzwärts, und der 11. Wirbel ist der anteclinale, wie auch Duvernoy (4, p. 9) von M. rozeti bemerkt. An den 4 hintersten Lumbalwirbeln sind die Processus transversi und die Processus spinosi lang-, entsprechend der Entwicklung- der Hüftmuskulatur. W^ie mehrere Insectivoren kenn- zeichnen sich die Macroscelididen durch die ansehnliche Länge des Schwanzes. Nach Flowee treten bei RhyncJiocyon „chevron bones" auf (5, p. 73); bei Macroscelides und Petrodromtis fehlen sie. Brustkasten. Dieser wird von 13 Paar Rippen, von denen das vorderste bei Macroscelides und Petrodromus und mehrere bei Füiynclwcijon sich durch ihre Breite auszeichnen, und einem wie gewöhnlich unter den Insectivoren aus mehreren Stücken zusammengesetzten Brustbein ge- bildet. Das Manubrium sterni ist in dem vordem Teile, wie bei den Erinaceidae, breit, mit einer Crista versehen und schwanzwärts ver- schmälert. An dessen vorderm Rande und dorsaler Fläche befestigt sich das knorplige Episternum, ohne das der Gegenseite zu kreuzen. Es ist folglich mehr reduziert als bei Hylomys und Gymnura, welche starke Episternalia besitzen (14, p. 60), und nähert sich mehr dem Verhalten bei Erinaceus, vfo es ein unansehnliches ist. Vordere Extremität. Die Scapula erinnert, was die Form angeht, an diejenige der Erinaceidae durch den lang ausgezogenen hintern, Innern Winkel, die geringe Breite des glenoidalen Teiles, die beinahe gleichgroße Entwicklung der beiden Fossae und das Vorkommen eines Meta- cromions. Die Clavicula ist wie bei den übrigen Insectivoren lang. Im Humerus ist, wie bei einigen Erinaceus-A.Ytt\i (3, p. 41). sow^ohl ein Foramen entepicondyloideum als auch ein Foramen intercondyloideum vorhanden; bei Erinaceus europaens findet sich nur das letztgenannte; bei den meisten Tieren derselben Ordnung kommt gewöhnlich nur das Foramen entepicondyloideum vor. Wie Peters erwähnt (22, p. 96 u. 103), sind Radius und Ulna, bei Macroscelides und Petrodromus ver- wachsen, bei Pihynchocyon frei. Die Längsachsen des Radius und der Ulna kreuzen sich bei Petrodromus und Macroscelides im obern Teile des Vorderarmes, und da die Elle proximalwärts von der Mitte des Radius mit diesem verwächst, nimmt die Hand konstant die Die Macroscelididae. 357 Proiiatioiisstelluii<>- ein. Die Ulna erstreckt sich als ein feiner Knochen Stab bei Petrodromus bis zum letzten Drittel des Radius, bei Macroscclides ros-eii bis zum letzten Fünftel. Bei Macroscelides tijpicHs und M. nialosac fanden sich S{)ureu beinahe bis zum distalen Ende des Radius. Die Verwachsung ist von besonderer Bedeutung-, denn sie kommt bei keinem andern Insectivor vor und steht mit der hüpfenden Bewegung- der Tiere in Verbindung, wobei die vor- dem Extremitäten für die Lokomotion von geringer Bedeutung sind. Das ursprüngliche Verhalten rein'äsenüert Bkynchocyon. Betreffs der Länge verhält sich der Humerus zum Vorderarme verschieden in den 3 Gattungen: bei Macroscelides roseti wie 1 : 1.529 „ malosae wie 1 : 1,412 „ typicus wie 1 : 1,444 Petrodromus fefradacfylus wie 1 : 1,500 Rkynchocyon cirnei'^) wie 1 : 1,184 „ chrysoptjgtis wie 1 : 1.314 In der 1. Carpalreihe artikulieren das Naviculare, Lunatum und Triquetrum, welche alle selbständig auftreten, bei Macroscelides und Petrodromus mit dem Radius, bei EJiynchocyon nur die 2 erstem, das Triquetrum gelenkt mit der Ulna. Bei einigen Insec- tivoren, wie Tnpaia, den Erinaceidae u. a., verschmelzen das Navi- culare und das Lunatum, bei andern, wie Ericnlus, Potamogale, CJiryso- cJdoris (17, p. 148 f.), Centetes und Talpa, sind sie frei. Ein Os cen- trale ist zwischen dem Naviculare und dem ^rultangulum minus ein- geschoben, von Peters (22, p. 96 u. 104) als ein überzähliger Kno- chen beschrieben. Der von genanntem Forscher bei Petrodromus erwähnte, an der radialen Seite des Carpus gelegene überzählige Knochen ist einem radialen Randknochen homolog, welcher auch Macroscelides. nicht aber Rhynchocyon zukommt. Die Artikulation zwischen den Knochen der 2. Carpalreihe und den Metacarpalia bietet nichts Eigenartiges dar. Bei llhyuchocyon fehlen das 1. Meta- carpale und der Pollex; der 5. Finger ist kurz, zweigliedrig; bei den 2 andern Gattungen verhält sich der letztere Avie gewöhnlich, der Daumen aber ist verkürzt. Die Gelenkfacette an dem distalen Ende der 2. Phalange der 4 ulnaren Finger hat sich an der dorsalen Seite des Gliedes etwas 1) Nach den Längenangaben von Petees (22, p. 109). 358 Albertina Cablsson, verbreitert, was in Vereinig-ung- mit einer leicliten Konkavität an der Streckseite es ermög'liclit, die Krallen ein wenig rückwärts zu erheben, jedoch nicht in demselben Grade wie bei Viverra. Dieses Verhalten ist bei MacrosceUdes roseii von Düvernoy beobachtet, in- dem er das distale Gelenk der Finger mit dem entsprechenden einer Katze vergleicht (4, p. 6 u. 10). Hintere Extremität. Das Becken der Insectivoren variiert bekanntlich mehr als bei irgend einer andern Säugetierordnung. Nach Peters (22, p. 89, 96 u. 104) wird die Schamfuge bei MacrosceUdes fuscus, Petrodromus und Bhijnchocyon durch Vereinigung der Schambeine und Sitzbeine ge- bildet, was ich auch bei 31. delamerci gefunden habe. Nur bei den Tupaiidae und Macroscelididae findet sich eine lange Beckens3^mph3^se, worin das Os pubis und das Ischium eingehen. Da diese Art von Symphysenbildung nach Leche (11, p. 21) als die ursprüngliche an- zusehen ist, weisen diese Familien gegenüber den übrigen derselben Ordnung, was dieses Kennzeichen angeht, etwas Primitives auf. Die Beckensymphyse aber differenziert sich unter den Macroscelididen verschiedenartig: bei Bhynchocyon ist sie sehr lang, und der Winkel zwischen dem Darmbein und dem Ramus horizontalis pubis beträgt 100 ^, ist folglich kleiner als bei MacrosceUdes, wo er 150 "^ beträgt, was mit der kürzern Symphj'se des letztern zusammenhängt.^) Die Familie kennzeichnet sich weiter durch die Verlängerung der hintern Extremitäten, welche zu starken Springbeinen umgebildet worden sind. Wie oft in fraglicher Ordnung sind die Tibia und Fibula miteinander verwachsen; eine Crista tibiae tritt scharf hervor. Die Länge der Gliedmaßen steht in Verbindung mit der Verlänge- rung des Unterschenkels und des Metatarsus. Jedoch hat der erstere sich verschiedenartig entwickelt, denn die Länge des Femurs verhält sich zu derjenigen des Unterschenkels bei MacrosceUdes roseU wie 1 : 1,52 „ malosae wie 1 : 1,28 „ typicus wie 1 : 1,56 Petrodromus tctradactyhts wie 1 : 1,39 Bhynchocyon cirnei wie 1 : 1,18 (22, p. 109) „ chrysopygus wie 1 : 1,259 1) Da der ventrale Teil des Beckens bei meinem Exemplar von Petrodromus völlig zerbrochen war und mir eine Abbildung desselben nicht zu Gebote stand, so weiß ich nicht, wie seine Symphyse sich verhcält. Die Macroscelididae. 359 Da bei lllujnchocyon das Femur eine beträclitlicliere Länge als bei den andern Gattungen erreicht liat. beeinflußt die scheinbare Kürze des Unterschenkels wenig die Gesamtlänge der Extremität. Von den genannten 3 Macrosccliiles- Arten zeichnet sich M. malosae im Gegensatz zu den 2 andern durcli seine kürzern Extremitäten aus. d. h. er befindet sich in dieser Hinsicht in einem primitivem Stadium als diese, was auch von der Unterkiefermolarenreihe gilt (siehe unten), Rkijnchocijon chrtjsopygus untersclieidet sich, wie aus obigen Tabellen hervorgeht, von Rh. cirnei durch eine stärkere Ver- längerung der Gliedmaßen, was besonders von den hintern gilt; denn die Länge der freien vordem Extremität bei R/i. cirnei verhält sich zu derjenigen der hintern wie 1 : 1,697, bei Rh. chrysopijgus aber wie 1 : 1,724. Folglich ist bei dem letztern eine kräftigere Differen- zierung erfolgt. Der Unterschenkel gelenkt in seinem distalen Ende nicht nur mit dem Astragalus, sondern auch an der lateralen Seite mit dem Calcaneus. Eine gleichartige Artikulation findet sich bei mehreren niedrig stehenden Tieren, wie Monotremen, einzelnen Marsupialiern, Erinaceus, Gymnura u. a., und deutet auf etwas Primitives hin; sie findet sich bei Centeies und Tupaia nicht. Die 3 Ossa cuneiformia und das Cuboideum sind alle verlängert, was in noch höherm Grade von den 4 fibularen Metatarsalia gilt, jedoch am wenigsten bei Rhynchocyon. Der 1. Mittelfußknochen ist bei diesem und Petro- dromus rudimentär, ohne Phalangen und an die plantare Seite des Fußes geschoben. Bei Macroscelides besitzt der 1. Metatarsale die- selbe Stärke wie die übrigen, aber nur die halbe Länge derselben und trägt eine zweigliedrige Zehe. Er behält also mehr Ursprüng- liches als der entsprechende Knochen der 2 andern Gattungen, was auch aus der Muskulatur hervorgeht (siehe unten), fällt jedoch einer gleichartigen regressiven Entwicklung anheim, indem er sich an die Plantarseite verschiebt und nicht imstande gewesen ist, einen Längen- zuwachs wie die 4 äußern Mittelfußknochen zu gewinnen. Die Gelenkfläche am distalen Ende des 2. Gliedes der 4 äußern Zehen zieht sich ein wenig an der dorsalen Fläche des Knochens hin, welche schwach gewölbt ist. Infolgedessen sind die Tiere im- stande, die Krallen ein wenig vom Boden zu erheben. Gebiß. Das Milchgebiß tritt spät in Funktion: alle Zähne der beiden Kiefer vor Pd-' sind bei einem 21. rozeti von 58 mm Kürperlänge ßßQ Albertina Carlsson, und einem M. delamerei von ca. 60 mm von dem Zahnfleisch ver- steckt; nur die Spitzen der 2 hintern Prämolaren hatten dasselbe durchbrochen. Ein adultes Tier von dem erstem mißt 92 mm und von dem letztern 110 mm (34, p. 155). Ebenso verhält sich Bhyn- chocyon: ein junges Exemplar von llh. petersi von 170 mm Länge hatte keine funktionierenden Zähne. Ein ausgewachsenes Tier dieser Art schwankt in der Länge zwischen 250 und 300 mm (16, p. 31). Zum Vergleich sei das Verhalten bei Tupaia jmanica erwähnt: ein junges Tier mit einer Körperlänge von 130 mm — die definitive Größe ist 160 mm — besitzt das permanente Gebiß inklusive aller Molaren, was im Vergleich mit dem A-'erhalten bei den Macrosceli- diden auf einen frühern Durchbruch der Zähne hindeutet. Li dem jugendlichen Cranium von M. roseti waren die Molaren noch nicht erschienen, d. h. er besaß die Zahnformel id|,cd-;.P^,Pd||;| In dem kleinern der 2 Schädel von M. pulcher, mit einer Basallänge von 28 mm, waren die Molaren vom Zahnfleisch bedeckt, der andere, der 3 mm länger war, hatte die Schneidezähne gewechselt; der vor- derste Molar funktionierte mit den Milchprämolaren zusammen. Die bisher die Macroscelididen kennzeichuende Zahnformel, wenn wir von den Incisivi des PJiyncJiocyon absehen, 3 13 3 T— P™ P-~ IVT — 3 ' 1 ' 3 ' 3 ' ist durch die Beobachtungen von Thomas (32, p. 446) in T ^ C ^ P ^ M ^ ö' 1 ' 4 ' 2 korrigiert worden. Durch die reduzierte Anzahl Molaren unter- scheiden sich die Macroscelididen von den meisten Insectivoren, 3 welche M ,-, besitzen , und verhalten sich wie die fossilen Dimy- liclae (41, p. 568), gewisse Chrysoclüoridae und Ericulus ielfairi. wo nur 2 angetroffen werden. Macroscelides brach yrMjnchus, M. malosae 2 und einige andere haben M ., ; durch diese Anzahl unterer Molaren o bewahren die fraglichen Arten mehr Ursprüngliches als die übrigen. Nach Thomas (35, p. 577) können sie zu einer besondern Gattung, Nasüio. vereinigt werden. Die Macroscelididae. 361 --nr-rprTT^Jyp^pf^vi F£ w. P£' V. (1. Kanfläche Fig. A. Macroscelides rozeti 1. Dentitiou. Zähne des Oberkiefers von der Labialseite. 4:1. ^^^^^(^jr^-.'-^-^r'-'^^ Fig. B. Macroscelides rozeti. 2. Dentition. Zähne des Oberkiefers von der Labialseite. 3:2. ^-^r^^S^^TVij Fig. C. Pedrodromus tetradactylus. 2 Dentition. Zähne des Oberkiefers von der Labialseite. 3 : 2. Fig. D. Bhynchocyon cirnei. 2. Dentitiou. Zähne des Oberkiefers von der Labialseite. 3 : 2. 362 Albebtina Carlsson, Zähne des Oberkiefers. Die 3 Id bei Macroscelides roseii und delamerei sind an Größe voneinander sehr verschieden: Id^ ist der größte, Id^ sehr klein, Id^ größer als Id^ Von den Ersatzzähnen bekommt der kleine Id^ einen kräftigern Nachfolger als Id'-. Die Differenzierung tritt folg- lich mehr in der 1. als in der 2. Dentition auf. M. typicus verhält sich ein wenig anders: von den Incisivi sind die 2 lateralen meißei- förmig und zweilappig; der Unterschied in der Größe tritt weniger hervor, obwohl I^ der größte ist. M. rufesccns und M. malosae stimmen mit M. roseii überein. Bei Petrodromus hat I'^ eine hintere Basalspitze und wie I'^ bei Tiipaia melannra (13, p. 529) 2 Wurzeln, was bei Dentes incisivi selten auftritt; der Zahn hat dieselbe Form wie der 1. Prämolar. Bhynchocyon hat alle obern Schneidezähne mit Ausnahme des rudimentären I^ resp. Id-^ verloren, bisweilen fehlen auch diese. Die Differenzierung der obern Incisivi der Macrosceli- diden weist zwei verschiedene Richtungen auf. In der einen, durch Macroscelides und Petrodromus vertreten, entwickelt sich I^ weit über die lateralen; die andere wird durch JZ%«c/?oci/6>w repräsentiert: bei ihm Averden I^ und I- bis zum völligen Verschwinden reduziert, mir I-^ hat sich als ein rudimentärer, funktionsloser Überrest erhalten. C besitzt bei Petrodromus, BhyncJiocyon, Macroscelides roseti, riife- scens und malosae keine typische Eckzahnform, sondern eine prämolar- artige mit 2 Wurzeln und ist, mit Ausnahme von Bhynchocyon. mit einer hintern Basalspitze versehen, wodurch er die historisch ältere Gestalt bewahrt hat, ganz wie die Erinaceidae und Centetidae (15, p. 41), d. h. er weist etwas Ursprüngliches auf. Bei M. typicus ist er ein- wurzelig. Im Milchgebiß hat bei M. ro^eti, M. plädier, Petrodromus (32, p. 445) und Bhynchocyon dieser Zahn auch 2 Wurzeln. Cd und C unterscheiden sich bei Bhynchocyon von denjenigen der 2 andern Gattungen durch ihre Höhe, indem sie weit über die Prämolaren hervorragen, während sie bei 31acroscelides und Petrodromus dieselbe Höhe wie diese erreichen, und durch die damit in Verbindung stehende Verlängerung der Wurzeln, welche bei den permanenten Eckzähnen, wie auch Peters (22, p. 101) erwähnt, im Gegensatz zu den kurzen der Prämolaren so lang sind, daß sie fast bis zu den Nasenbeinen hinaufgehen. Sie haben sich eigenartig differenziert. Die Macroscelididae. 363 Od bei Wnjnclwcyou ist. wie Lecue bemerkt (13, p. 528), länger als C. also mehr prämolarälinlich als dieser. Der mit den Milchzähnen funktionierende, zweiwurzelige P' bei 21. rozeti ist kleiner als Pd-'. besitzt außer der Hauptsjjitze eine kleine, hintere Basalspitze. Ebenso verhält er sich bei den übrigen hier untersuchten Macroscelides- Arten nnd hei Fdrodroimis und lihyncho- cyon. GeAvöhnlich fehlt P^ den Insectivoren. z. B. den Cenietidae, SoJexodoniidae, CJirysocJ/Joridae und den Tiqmiidae; er kommt ausnahms- weise als ein atavistischer oberei- Prämolar bei Erinaceus europaeus vor, ist aber bei den Gijmnurini vorhanden. Bei Hylomys besitzt er bis- weilen, bei Galcrix und Necrogymnurns immer 2 Wurzeln (14, p. 20 u. 12). Das Auttreten eines P' im Ober- und Unterkiefer (siehe unten) ist selbstverständlich als ein ursprüngliches Kennzeichen zu deuten. Pd- bei M. rozeti, Petrodromus und BJiynchocyon ist wie P' zwei- wurzeiig- und besitzt, außer den bei diesem auftretenden Spitzen, eine kleine vordere Basalspitze. Diese ist in der 2. Dentition nicht vor- handen. Pd- ist folglich komplizierter als P^. Pd"^ bei Ehyn- chocyon. M. pnlcher und M. delamerei besitzt außerdem einen lin- gualen Innenhücker, der sich bei M. rozeti und Petrodromus in keiner Dentition wiederfindet, aber im Ersatzgebiß bei Rh. cirnei, M. typi- rus, 31. rufescens und M. malosae auftritt. Vergleicht man die Macro- scelididen mit solchen Insectivoren, w^elche einen P^ besitzen, so stehen sie einigen fossilen Gymmiruii, wie Necrogymnurus und Galerix, durch das Vorkommen von 2 Wurzeln bei P"^ und P- nahe, nicht aber Gymnura, wo fragliche Zähne einwurzelig sind; Hylomys schwankt in dieser Hinsicht (14, p. 12 u. 13). Eine beinahe molarartige Form hat Pd=^ bei M. rozeti, M. pid- clicr, M. delamerei, Rhynchocyon und Petrodromus (32, p. 445) be- kommen: außer den 3 äußern Spitzen, welche bei Pd^ auftreten, haben sich 2 Innenhöcker entwickelt, der vordere klein, der hintere groß, gefurcht und mit einer eignen Wurzel versehen. Der Ersatz- zahn w^eist wie die oben beschriebenen einen geringern Grad von Komplikation auf: die vordere Basalspitze und der dieser gegenüber- stehende Innenhücker fehlen allen 3 Gattungen. Nur bei 31. rozeti hat sich die vordere Basalspitze, obwohl rudimentär, erhalten. Der iiintere Innenhöcker hat bei 31. typicus eine tief gefui'chte Wurzel, bei M. rozeti und Petrodromus eine einheitliche. Der Milchzahn be- sitzt dieselbe Form wie P'^ bei Galerix, durch die Bildung von 364 Albertina Caklsson, von 3 Spitzen, 2 Innenhöckern und 1 Innenwurzel; der Ersatzzahn nähert sicli durch das Fehlen eines vordem Innenhöckers dem Ver- halten bei JSlecrogi/mnurus (14, p. 13 u. 14). P^ steht dicht an dem P-; zwischen allen vor diesem gelegenen Zähnen finden sich Zwischen- räume ; dies gilt für M. rozeti, M. rufescens, M. malosae, Petrodromus, Bhijnchocyon und nach Sclatek (28, p. 153) für M. intufi, M. brachyrhyn- clms u. a. Bei M. melanotis nach letzterm Forscher und bei M. ty- picus bilden die Oberkieferzähne eine geschlossene Reihe, was auf kürzere Kiefer deutet. Pd* ist größer als Pd^; die 3 Spitzen der lateralen Seite des Zahnes verhalten sich wie beim letztern. Der vordere Innenhöcker wie bei Pd^, der hintere ist deutlich gefurcht und durch eine Zwischenspitze mit dem labialen Rande vereinigt. Der Ersatzzahu besitzt dieselbe Form, obwohl von dem vordem Innenhöcker nur eine kleine Andeutung erhalten bleibt, was auch vom entsprechenden Zahn bei M. typicus, M. rufescens, M. malosae, Petrodromus und Rhynchocyon cirnei gilt. P* ist folglich einfacher als Pd^. Von den 2 obern Molaren der Macroscelididen erreicht der vordere nicht völlig dieselbe Länge wie P^, hat im übrigen dieselbe Form wie dieser; der hintere ist stark rückgebildet; dadurch und durch das Fehlen eines 3. Molars sind die Molarenreihen sehr verkürzt. Fig. E. Gymnura rafflesü. Einige Zähne des Oberkiefers von der Kaufläche. 2 : 1. In dem Auftreten einer Zwischenspitze weisen die Oberkiefer- molaren der Macroscelididen eine wichtige Übereinstimmung mit den- jenigen der Erinaceidae auf, für welche eine gleichartige charak- teristisch ist (14, p. 14). Die Molarenreihe hat bei beiden Familien eine Rückbildung erlitten, obschon bei den Erinaceidae nur die Die Macroscelididae. 365 Größe des 'S. Molars derselben anheimgefalleu ist. Mit den Tu- ixiiidae besitzen die Macroscelididen betrefts der Zähne keine nähere Verwandtschaft; die Form der Molaren und die Zahnformel sind bei beiden Familien verschieden. Eine molarähnliche Form des P^ ist nicht nur den Macroscelidi- den eigen, sondern wird bei Hißomys, Gymnura und Necrogymnurns (14, p. 14). den Centetidae, Chrysochloridac und Idoimdac (41, p. 561) angetroöen. Zähne des Unterkiefers. Die 3 Id sowie Cd besitzen eine gelappte Form; im persistieren- den Gebiß sind die Lappen der Incisivi bei Macroscelides sehr un- deutlich, bei Fetrodronms und Rhyndiocyon von 3 auf 2 reduziert, und der Eckzahn hat hinsichtlich der Krone eine prämolarartige Form bekommen, indem hinter der Hauptspitze eine Nebenspitze sich entwickelt hat, welch letztere jedoch Bhyncliocyon fehlt. Nur bei M. iypicus hat C dieselbe Form wie Cd bewahrt, d. h. er ist lappig. Bei andern Insectivoren finden wir bisweilen, daß wie bei Hyloniys, Mkrogcde und LinmogaJe die untern Schneide- und Eck- zähne der beiden Dentitionen in Form, Größe und Eichtung mitein- ander übereinstimmen (14, p. 15 u. 15, p. 21). Cd ist bei M. rozeti einwurzelig, C aber zweiwurzelig, bei den übrigen untersuchten Formen einwurzelig. Gewöhnlich besitzt der untere Eckzahn der Insectivoren nur 1 Wurzel; bei Hemicenietes hat Cd 2 diver- gierende Wurzeln, nach Leche als Anpassung aufzufassen; Cd bei Oryzorides, C und Cd bei Microgale dohsoni und C bei Limnogale haben gefurchte Wurzeln (15, p. 21). Ein entwickelter, zweiwurzeliger mit hinterer Basalspitze ver- sehener P^ tritt bei den untersuchten Tieren hervor; bei Macrosce- lides und Petrodromus ist er von derselben Größe wie C, bei Rhyn- chocyon höher als dieser und ohne eine hintere Basalspitze. Der untere Eckzahn stimmt also in der 1. Dentition mit den Schneide- zähnen, in der 2. hinsichtlich der Krone, nicht aber der Wurzel mit dem 1. Prämolar überein. Nur bei M. üjpicus verhält sich, wie schon erwiesen, C wie die Incisivi. Pd- unterscheidet bei M. rozdi, M. puk/ter, M. delamerei, Itlnju- chocyon und Petrodromus (32, p. 445) sich vom P^ durch ansehn- Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 25 366 Albertina Carlsson, Ci^Mb^^ci^^i^ Fig. F. Macroscelides rozeti. Zähne des Unterkiefers von der Labialseite. 1. Dentition. 4 :1. V_/^1]-^^4/V..A, x Fig. G. Macroscelides rozeti. 2. Dentition. Zähne des Unterkiefers von der Labialseite. 3:1. Fig- H. Rhynchocyon cirnei. 2. Dentition. Zähne des Unterkiefers von der Labialseite. 3 : 2. Fig. J. Petrodromus tetradactylus. 2. Dentition. Zähne des Unterkiefers von der Labialseite. 3 : 2. Die Macroscelididae. 367 Heilere Länge, durcli das Anftieten einer vordem Basalspitze und die talonartige Entwicklung der hintern, welclie von der hintern AVurzel getragen wird. Von einer geringern Höhe der vordem Basal- spitze abgesehen verhält sich P- ebenso bei Macroscclidcs und Pefro- dronms; bei Hhynchocyon cirnei fehlt die talonartige Verbreiterung der hintern Spitze. Eine weitere Entwicklung hat Pd^ erfahren: der Talon hat sich in B Spitzen gespalten , von denen die größere von den 2 Innern höiier als die äußere ist; die Hauptspitze hat sich verlängert und zeigt lingualwärts eine kleine Nebenspitze; die vordere Basal- spitze ist medialwärts gerückt. Durch den langen Talon und be- sonders durch das Auftreten der kleinen, lingualen Nebenspitze er- innert er an P* bei Necrogijmnurus, wo diese Kennzeichen sich wiederfinden. Im Ersatzzahn fehlen die linguale Nebenspitze und die kleine linguale an dem Talon; bei Wiynchocyon cirnei weicht P^ nur durch eine talonartige Erweiterung in Form von P- ab. ^i^^ii^iyi^ Fig. K. Macroscelides rozeti. 1. Dentition. Zähne des Unterkiefers von der Lingualseite. 4:1. _ Fig. L. Necrogymtmrus. P* von der Lingnalseite. 4:1. Für Pd* sind charakteristisch: 1. die hochgradige Entwicklung des Talons, welcher dieselbe Länge und Höhe wie der Vorderteil 368 Albertina Carlsson, des Zahnes hat — bei den Insectivoren ist er in der 2. Dentition im allgemeinen kurz, bei Sorex, Talpa und dem fossilen Mops (41, p. 561) besitzt er dieselbe Länge wie der vordere Teil, bei Necrogymnurus ist er nur wenig kürzer; seine Spitzen sind bei Sorex und Talpa niedrig, bei Necrogijmnurns hoch — ; 2. ein reichliches Vorkommen von Neben- spitzen ; so haben die vordere Basalspitze und die kleine Nebenspitze an der lingualen Seite der Hauptspitze sich gespalten, und an der medialen Seite des Talons ist eine dritte Spitze erstanden; 3. das Auftreten von Querjochen, wodurch der Zahn an der Kaufläche die Form zweier lingualwärts und vorwärts offenen gleichgroßen V be- kommt, und 4. die ansehnliche Höhe einiger Innern Spitzen, indem diese darin die äußern übertreffen. P*, der die größte Länge von den Unterkieferzähnen erreicht, zeigt wie die Molaren eine Ver- kümmerung in der Anzahl von Spitzen auf, indem die vordere Basal- spitze und die innere Spitze am Hauptteil des Zahnes ungespalten sind und der Talon nur eine äußere und eine innere besitzt. Der 2. Molar ist wenig kleiner als der 1., nicht so reduziert wie der 2. obere; bei BhyncJwcyon erreicht er gleichwohl wenig mehr als die Hälfte von dessen Länge. Die Rückbildung der untern Molarenreihe ist nicht so weit wie diejenige der obern fortgeschritten; einige Arten von MacrosceUdes besitzen, wie erwähnt, sogar 3 untere Mo- laren. M'^ ist bei M. malosae stiftförmig, jedoch mit hohen lingualen Spitzen versehen. Durch die Form zweier V und durch die Größe des Talons er- innern der hinterste Prämolar und die Molaren an diejenigen von Hylomys und Necrogymnurus. Mehr als bei diesen übertreffen bei den Macroscelididen die lingualen Spitzen an Höhe die labialen. Aus obiger Beschreibung geht hervor, daß die Macroscelididen betreffs ihres Gebisses wichtige Übereinstimmungen mit den Erina- ceidae darbieten, welche als genetische Beziehungen aufzufassen sind und hier in Kürze folgendermaßen zusammengefaßt werden können. 1. P^, P-, Pd^ und P'' verhalten sich wie obere Prämolaren bei Necrogymnurus und Galerix. 2. P* hat eine molarähnliche Form, was auch der Fall ist bei Hylomys, Gymnura und Necrogymnurus. 3. Die für die Erinaceidae charakteristische Zwischenspitze der obern Molaren findet sich bei den Macroscelididen wiedei-. 4. Das Vorkommen einer lingualen Nebenspitze an Pd-^; eine gleichartige wird an P^ bei Necrogymnurus angetroffen. Die Macroscelididae. 369 5. Pd'. 1" und die uiiteiii Molaren stimmen durch ihre Form, die Länge des Talons und beinahe durch die Höhe ihrer Spitzen mit dem hintersten Prämolar und den ]\rolaren des Unterkiefers bei XecrogynDiurKS überein. 6. Die Molaren sind rückgebildet, jedoch mehr als bei den Erinoceidae. Außerdem können folgende für die I\racroscelididen charakteri- stische Kennzeichen des Gebisses hervorgehoben werden. 1. Das Milchgebiß fängt erst zu funktionieren an, wenn das Tier eine relativ bedeutende Körpergröße erreicht hat. 2. Die 1. Dentition ist komplizierter als die 2. 3. Die Dentes incisivi weisen eine Rückbildung auf. Die hier untersuchten Macroscelides- Xrtew zeigen wenige Ver- schiedenheiten betreös ihrer Zähne. Da einige konstant bei den- jenigen Arten auftreten, welche nunmehr als selbständige Gattungen aufgestellt werden, so kann es von Interesse sein, sie hier zusammen- zufassen. Macroscelides Elephantuhis Nasilio I von beinahe derselben Größe und gelappt in der Größe deutlich differenziert und ungelappt in der Größe deutlich differenziert und ungelappt c einwurzlig zAveiwurzlig zweiwurzlig p- mit Innenhöcker mit Innenhöcker {M. rufescens) oder ohne [M. rozeti) mit Innen höcker c zweilappig und ein- wurzlig mit hinterer Basalspitze, zwei wurzlig (M. rozeti) oder ein\vurzlig [M. rufe- scens) mit hinterer Basalspitze und einwurzlig 5!^ fehlt fehlt ist vorhanden Gehirn. In betreff dieses Organs bin ich auf Beschreibungen und Abbil- dungen desselben von Smith (31) und Peters (22) angewiesen. Nach dem erstgenannten Forscher ist das Gehirn der Macroscelididen von derselben Konfiguration wie dasjenige von Talpa, ohne Zweifel, wie aus den Abbildungen von Peters hervorgeht (22, tab. 24, flg. 10, 12 u. 13), infolge der großen Ausdehnung des Cerebrums im 370 Albertina Caelsson, Verhältnis zu den dahinter gelegenen Hirnteilen, was nach Leche Talpa und die Soricidae im Gegensatz zu den Erinaceidae und Centetidae kennzeichnet; diese Partien besitzen bei den letztern bei- nahe dieselbe Länge (15, p. 101). Smith findet ferner, daß das Ge- hirn von Macroscelides durch die große Entwicklung des Bulbus ol- factorius, die Form des Cerebrums, des mit wenigen Furchen ver- sehenen Cerebellums und der Flocculi mehr Übereinstimmungen mit demjenigen bei Ferameles als mit den Insectivoren darbietet, fügt aber hinzu, daß diese Charaktere wenig systematische Bedeutung haben (31, p. 443 f.). Als etwas Macroscelides Eigenartiges be- zeichnet derselbe Forscher, daß die Corpora quadrigemina — das vordere Paar vollständig, das hintere größtenteils — und die Epi- physis cerebri unbedeckt sind; sie treten bei Dasyurus und einigen kleinen Dasyuridae nicht so deutlich hervor (31, p. 445). Hier ist jedoch zu bemerken, daß nach Leche die Insectivora lipotypla und alle kleinern Arten der Marsupialier, Glires und Chiroptera sowie auch Galeopithecus ein starkes ausgebildetes Rhinen- cephalon besitzen und daß bei den Erstgenannten die Corpora qua- drigemina mehr oder weniger frei zutage liegen (15, p. 101 u. 12, p. 48). In dieser Hinsicht sondern sich die MacrosccUdidae und die Tupaiidae wesentlich voneinander ab , denn bei den letztem wird nach Gaeeod (6, p. 305 u. fig. 1, 2 u. 3) das Cerebellum in seinem vordersten Teile von dem Cerebrum überlagert, woraus hervorgeht, daß, wie auch aus den Figuren erhellt, die Corpoi'a quadrigemina auf der dorsalen Hirnfläche nicht sichtbar sind. Es scheint mir daher, als ob das Großhirn bei Blacroscelides nicht dieselbe relative Länge wie dasjenige bei Tupaia erreicht hat. Wie bei den übrigen Insectivoren fehlen dem Cerebrum Furchen. Hat das Gehirn von Macroscelides äußerlich Kennzeichen, welche bei den Insectivoren und Marsupialiern angetroffen werden, so unter- scheidet es sich hinsichtlich der Commissuren von den letztern durch das Auftreten eines Corpus callosum (31, p. 445). Dieses ist be- sonders lang, dasjenige bei Erinaceus, Chrysochloris und Tupaia weit übertreffend (6, p. 304), weist ein wulstförmiges Splenium sowie ein gestrecktes Genu auf Außer dieser Coramissur finden sich eine Commissura anterior, die im Vergleich mit der gleichgenannten der Beutler an Größe reduziert ist, und ein Psalterium, das wie bei Ferameles, Notoryctes u. a. halbmondförmig gebildet ist (31, p. 447). Zuletzt stellt Smith als seine Ansicht vom Gehirn auf dasselbe weise eine merkwürdige Zusammenstellung von Marsupialier- und Die Ma(!rüscelidiclae. 371 Katlierier-C'liaraktereii auf. Es scheint mir gleichwohl, daß, was die erstem angeht, mit Ausnahme des Psalteriums, welches die den Beutlein eigenartige Form bewalirt. diese auch bei den Insectivoren auftreten, d. h. niedrig stehenden Säugern gemeinsam sind und daß 3Iacroscelicl€S sich wie diese verhält. Nur durch die Entwicklung des Corpus callosum übertriift er die übrigen Insectivoren und nähert sich den hohem Säugern. ]\r u s k u 1 a t u r. Hinsichtlich derselben habe ich gesucht, das für die Macrosceli- diden Charakteristische hervorzuheben, und beschreibe darum nur die ^luskeln. welche entweder durch ihr Verhalten etwas Eigen- artiges aufweisen oder durch ihre Beschaffenheit nähere Beziehungen zu denjenigen der einen oder der andern der Insectivoren-Familien darstellen. Wenn nicht anders gesagt wird, gilt die Beschreibung für die ]\ruskeln von Macroscelides iijpicus, Petrodromus tetradactylus und diejenigen des Vorderarmes und Unterschenkels von lihijnchocyon und iini der Vergleichuug willen für die Muskulatur der Schulter und des Oberarmes von Tttpaia javanka. H a u t m u s k u 1 a t u r. Sie ist wie bei den Insectivoren im allgemeinen gut entwickelt. Unter ihren verschiedenen Portionen muß besonders die Stärke des M. humeroabdominalis betont werden, welcher vom Humerus entspringt und, die Milchdrüsen umgebend, mit ventral- und caudal- wärts gerichteten Fasern teils in der Mittellinie des Körpers sich mit dem gegenseitigen verbindet, teils aponeurotisch sich an der hintern Extremität verbreitet. Eine andere starke Partie ist der M. Stern ofacialis. Diese entsteht am Sternum, in deren ganzer Länge, und erstreckt sich zum Kopfe. Es scheint, daß der Haut- muskel, nach der Beschreibung von Dobson (3, p. 23) zu urteilen, große Übereinstimmung mit demjenigen bei Gi/mmim darbietet. ^I US kein des Gesichts, des Visceralskelets und des äußern Ohres. Der M. levator labii superioris proprius verhält sich wie bei Gymnura, indem er einköpfig oberhalb des Foramen infra- orbitale und vor demselben entspringt. Bei Erinaceus und Cenietes besitzt dieser Muskel 2 Köpfe (3, p. 25, 44 u. 78). Der M. levator labii superioris et erector vibris- 372 Albertinä Carlsson, sarum hat infolge der Menge nnd Größe der Sclinurrliaare einen hohen Grad von Entwicklung erreicht. Der M. masseter ist zweischichtig. Die oberflächliche und kräftigere Schicht geht von der Lateralfläche des Jochbogens. unter dem vordem Teil der Orbita, aus ; sie ist teilweise von Sehnenfasern durchzogen und befestigt sich am hintern Bande des Unterkiefers bis zum Processus angularis. Die tiefe und dünne entsteht fleischig an der hintern Partie des Arcus zygomaticus und inseriert mit bei- nahe senkrecht verlaufenden Fasern am Unterkieferwinkel. Bei den Erinaceidae, Centetidae und Soricidae tritt keine Schichtenbildung auf (3, p. 44 u. 78 und 1, p. 469). Der M. temporalis verhält sich wie der gleichgenannte Muskel bei Erinaceus, indem er aus 3 Portionen besteht. Die kräftigste entspringt von der ganzen Fossa temporalis und heftet sich an den Processus coronoideus des Unterkiefers an. Eine schwächere geht vom caudalen Teile des Jochbogens aus, um sich mit Fasern, welche diejenigen der vorhergehenden spitzwinklig kreuzen, oberflächlich von diesen zu befestigen. Bei Gymnura (3, p. 24) entsteht diese Portion auch am Processus mastoideus. Die 3., welche den Cente- tidae fehlt (3, p. 78), kommt von der Medialfläche des Arcus zygo- maticus und inseriert gemeinsam mit den beiden andern. Der M. biventer maxillae inferioris ist zweibauchig, wie DuvEENOY angibt (4, p. 11), und mit einer starken Zwischen- sehne versehen, welche wde bei ChrysocUoris mit dem Zungenbein durch Bindegewebe verbunden wird (3, p. 117); bei Centeies, Hemi- centetes, Potamogale und Erinaceus fehlt eine ähnliche Vereinigung (10, p. 693). Der M. mylohyoideus zerfällt wie bei Erinaceus und Sorex (1. p. 471) in 2 Portionen; die vordere besteht aus quer verlaufenden Fasern, welche ohne Raphe in die entsprechenden der andern Seite übergehen, und hängt durch Bindegewebe mit der hintern zusammeUj worin deutliche Sehnenstreifen auftreten. Ein M. omohyoideus fehlt wie bei den Talpidae (3, p. 166) und Soricidae (1, p. 472), ist bei Tupaia und den übrigen Insectivoren vorhanden. Infolge der Länge des äußern Ohres muß die Ohrmuskulatur sehr entwickelt sein. Der M. levator auris wird durch einen von mehreren Portionen gebildeten Muskel repräsentiert. Dasselbe gilt von dem M. adductor auris. Der M. depressor conchae verhält sich bei Fetrodromus wie bei den Eaubtieren, indem er sich Die Macroscelididae. 373 mit dem entsprechenden der andern Seite an dem Kehlkopfe ver- bindet; bei Macroscclides ist er schwächer und erstreckt sich nur bis zum :\riuid Winkel. Ein deutlicher M. t r a n s v e r s u s a u r i c u 1 a e ist ebenfalls vorhanden. Baue h m u s k u 1 a t u r. Der M. obliquus abdominis externus entspringt fleischig bei Macroscclides mit 8, bei Petrodronms mit 10 Zacken, von denen die vordem zwischen diejenigen des M. serratus anticus major ein- greifen. Er bildet eine kräftige Muskelschicht, welche am Becken und Sternum in eine schmale, sonst aber breite Aponeurose über- geht. Dadurch verhält sie sich ganz verschieden von der ent- sprechenden bei Tnpaia, die nur ein schmales Sehnenblatt besitzt (11, p. 46). Im caudalen Teile begrenzen einige kräftige Sehnen- fasern den Muskel, welche zwar nicht mit dem Ileum in Verbindung- Stehen, aber doch mit einem Ligamentum Poupartii homologisiert werden müssen, da sie die Schenkelnerven und Gefäße überbrücken und am Ramus horizontalis pubis inserieren. Leche (11, p. 49) hat nachgewiesen, daß unter den Insectivoren nur bei 3Iacroscelides frag- licher Muskel mit dem Verhalten bei den übrigen Säugern überein- stimmt, d. h. er hat sicli bei den Macroscelididen am wenigsten vom gewöhnlichen Typus differenziert. Der M. obliquus abdominis internus ist kräftiger als der äußere schräge Bauchmuskel. Er entsteht an der Fascia lumbo- dorsalis. am Ileum, Ligamentum Poupartii und bei Feirodromns außerdem an einer vom Hüftbein verlaufenden Sehne, welche am mittlem Teile genanntes Ligament mit demselben verschmilzt. Die caudalen Fasern gehen fleischig, die mittlem und vordem aponeuro- tisch in die Linea alba über. Der M. rectus abdominis entspringt sehr schmal am obern Teile des S3'mphysis pubis, verbreitert sich im Bauchteile, um am Sternum mit zusammengerückten Fasern sich zu befestigen. In dem- selben treten in Übereinstimmung mit dem Verhalten der übrigen Insectivoren keine Inscriptiones tendineae auf, wie Leche konstatiert hat (11, p. 61). Der M. tr ans versus abdominis bietet nichts Bemerkens- wertes dar. Er bildet allein das dorsale Blatt der Fascie des ^I. rectus abdominis. Dei- M. pyramidalis fehlt den Macroscelididae sowie auch den 374 Albertina Carlsson, Chrysocldoridae, ist bei Gymnura rudimentär, bei den übrigen Insecti- voren mehr oder weniger stark entwickelt (15, p. 93j. Hals- und Brustmuskeln. Der M. sterno-mastoideus kennzeichnet sich durch seinen Ursprung vom vordem Drittel des Sternums, mit der gegenseitigen wäe bei Centeies (3, p. 78) verbunden, ist am Ursprung nicht mit dem M. cleidomastoideus verwachsen, welcher vom mittlem Teile der Clavicula ausgeht. Der M. omo-cleido-trans versarius ist einfach wie bei den meisten von Dobson beschriebenen Insectivoren ; Tiipaia weicht von diesem Verhalten ab, indem der Muskel bei ihm wie bei Chryso- chloris doppelt auftritt (3, p. 118). Der M. t r a p e z i u s zerfällt wie bei allen von Dobson beschrie- benen Insectivoren in 2 voneinander geschiedene Portionen. Bei Tupaia tritt er einheitlich auf. Der M. latissimus dorsi entspringt von den Lendenwirbeln, den 2 letzten ausgenommen, bei Petrodromns jedoch von allen und mit einem sehnigen Zipfel von der Fascia lumbodorsalis. Von der Insertionssehne geht ein M. latissimo-condyloideus aus; dieser ver- einigt sich bei Macroscelides mit dem scapularen Kopfe des M. triceps brachii, inseriert bei Petrodromns und Tupaia selbständig am Ole- cranon. Bei Tupaia ist er zweiköpfig; der stärkere Kopf sondert sich vom M. teres major, der schwächere vom M. latissimus dorsi ab. Bei den Insectivoren kann der M. rhomboideus entweder wie bei Gymnura, Erinaceus, Centeies und den Talpidae (3, p. 27 f.) aus 2 voneinander völlig getrennten Portionen, von welchen die eine vom Kopfe, die andere von den Hals- und Thoracalwirbeln ausgeht, oder wie bei Potamogale (3, p. 102) aus einer zusammenhängenden Muskelmasse bestehen. Was diesen Muskel betrifft, so verhalten sich Macroscelides und Petrodromns wie die erstere, Tupaia erinnert an Potamogale. Der M. 1 e v a t o r s c a p u 1 a e und der M. s e r r a t u s a n t i c u s major bilden bei Macroscelides, Petrodromus und Tupaia 2 selb- ständige Muskeln. Sie können unter den Insectivoren entweder wie bei Erinaceus und Myogale (3, p. 46 u. 150) durch einen Zwischen- raum isoliert sein oder stellen wie bei Gymnura und Centetes eine einheitliche Muskelscheibe dar (3, p. 27 u. 78). Die Macroscelididae. 375 Muskeln der vordem Extremität. Der M. deltoideus besitzt 2 Köpfe. Der laterale und sclnväcliere i^elit vom Acromion an dessen Verbindung- mit der Clavi- cula aus; der mediale und stärkere entstellt an der Spina scapulae und der ventraUiu Fläche des Metacromions. An der Insertion am Humerus schiebt er sich unter den lateralen. Der M. supraspin atus befestigt sich bei Macroscelides und FetrodroniHS wie g-ewölmlich am Tuberculum majus und außerdem mit einei- dünnen oberflächlichen Partie an der Mitte der Clavicula. Eine ähnliche Insertion findet sich weder bei Tupaia noch bei irgend- einem von den durch Dobson beschriebenen Insectivoren wieder. Der M. teres major verbindet sich bei Tupaia und Fetro- dromtis sowie bei den meisten Insectivoren mit der Sehne des M. latissimus dorsi. Eine gleichartige Verbindung kommt bei Macro- scelides nicht vor. Der M. teres minor fehlt bei Tupaia und Petrodromus, ist bei Macroscelides vorhanden, obwohl schwach. Sein Auftreten bei den Insectivoren ist ein sehr inkonstantes; er findet sich nach Dobson nicht bei Gijmnnra. Centetes, Potamo(jcde und den Talpidae. wird aber bei Erinaceus, Solenodon, ChrysocJdoris und Myogale angetroffen (3). Der M. coraco-brachialis longus geht gemeinsam mit dem kurzen Kopfe des M. biceps brachii und von ihm bedeckt vom Processus coracoideus aus. Er ist sehr schwach und inseriert am mittlem Teile des Humerus. Die bei den Insectivoren auftretenden Mm. coraco-brachiales sind natürlich miteinander homolog, verhalten sich aber verschieden; so kommen der M. coraco-brachialis longus und der M. coraco-brachialis brevis bei Tupaia, Centetes, Ericidus und Erinaceus vor; bei Hißomijs und den Macroscelididae ist nur der M. coraco-brachialis longus vorhanden, bei Orijsorictes der M. coraco- brachialis brevis, während der M. coraco-brachialis bei Gymnura, den Talpidae. ChrysocJdoridae und Soricidae gänzlich fehlt (15, p. 95; 8. p. 120 u. 153 und 1, p. 478). Der M. biceps brachii besitzt 2 Köpfe. Diese sind nur eine kurze Strecke an der Mitte des Humerus miteinander verbunden, an l^rsprung und Ansatz getrennt. Der kurze Kopf befestigt sich mit einer schwachen Sehne am Radius und der lange mit einer breiten, mit derjenigen des M. brachialis anticus vereinigt an der Ulna. Der Muskel stimmt am besten mit dem entsprechenden bei Centetes und Ericidus überein (15, p. 94). Da nach Leche (10, p. 801) 376 Albertina Carlsson, der M. biceps brachii als ein Yerschmelziingsprodukt mehrerer bei niederem Wirbeltieren getrennten Muskeln aufzufassen ist und da bei niedrig- stehenden Säugern {Echidna, Marsupiali a) 2 Insertions- sehnen vorhanden sind, stellt ohne Zweifel dieser Muskel bei den Macroscelididen etwas Ursprüngliches dar. Der kurze Kopf wird nach DoBsoN nicht bei Gymnura, Erinaceus und den Talpidae an- getroffen. Der M. supinator longus fehlt wie bei allen Insectivoren. Der M. extensor digitorum communis und der M. ex- te n s o r d i g i 1 0 r u m lateralis h aben einen gemeinsamen Ur- sprung, bilden aber bald 2 Muskelbäuche, die vor der Mitte des Vorderarmes in 2 Sehnen übergehen. Von diesen inseriert die radiale an den 2 — 5 Fingern, bei Bhynchocyon an den 2 — 4, die ulnare an den 2 ulnaren. Die Mm. extensor es digitorum profundi sind nur eine kurze Strecke fleischig. Sie befestigen sich durch 2 lange Sehnen, die eine, welche derjenigen eines M. extensor indicis proprius ent- spricht, an der 3. Phalange des 2. Fingers, und die andere, welche derjenigen eines M, extensor metacarpi pollicis homolog ist, am 1. Metacarpale. Die letztere von diesen inseriert am 2. Metacarpale bei Ehynchocyon ] die erstere aber fehlt diesem. Ein M. extensor pollicis longus tritt infolge der Reduktion des Daumens bei den Macroscelididen nicht auf, wird aber mit dem M, extensor indicis proprius verwachsen bei Gt/mnura, Erinaceus, Centetes u. a. gefunden (3, p. 30, 50 u. a.). Der M. extensor carpi radialis befestigt sich bei PJiyn- chocyon am 3. Metacarpale, bei Macroscelides und Petrodromus wie gewöhnlich. Der M. epitrochleo-anconeus erstreckt sich vom Condylus internus humeri zum Olecranon, den N. ulnaris überbrückend und von ihm versorgt. Er findet sich nur bei einzelnen Insectivoren, wie bei den Talpidae (3, p. 169), Erinaceus. Sorex und Crocidura (10, p. 808). Der M. pronator radii teres entspringt vom Condylus in- ternus humeri und inseriert proximalwärts von der Mitte des Radius. Bei den Talpidae wird er aus 2 Schichten zusammengesetzt und bildet bei den Erinaceidae und Chrysochloridae einen starken Muskel (3, p. 169 u. a.); im Vergleich mit dem Verhalten bei diesen ist er bei den Macroscelididen schwach entwickelt, was wahrscheinlich Die Macroscelididae. 377 (luicli die Vereinigung" der Ulna und des Radius bei Macroscelides und Pcirodromus verursacht ist. Als etwas Eigentümliches ist das Auftreten eines kräftigen M. Pronator quadratus anzuseilen. P]r erstreckt sich mit trans- versalen Fasern von der Ulna zum Radius die ganze Länge, wo diese Knochen voneinander getrennt sind. Die proximale Lage des Muskels beruht auf einer Wanderung in dieser Richtung, durch ein Vei'wachsen genannter Knochen in ihren distalen Enden hervor- gerufen. Obwohl die Vorderarmknochen bei Bhynchocyon nicht mit- einander vereinigt sind — in ihren distalen Teilen aber liegen sie dicht aneinander — , besitzt fraglicher Muskel bei diesem Tiere je- doch eine gleiche Lage, wahrscheinlich um eine Funktion ausüben zu können. Der Muskel scheint unter den Insectivoren nur aus- nahmsweise aufzutreten; er wird von Dobsox nicht erwähnt (3); ich liabe ihn bei einem Centefes stark entwickelt gefunden. Der M. flexor digitorum profundus besitzt außer dem langen Kopfe vom Condylus internus humeri auch einen kurzen, welcher längs dem innern Rande der Ulna, neben dem Ursprung des M. Pronator quadratus, ausgeht. Ein radialer Kopf, welcher Gymnura, Erinacens, Centetes u. a. zukommt (3, p. 30, 51, 80 u. a.), ist bei den Macroscelididae nicht vorhanden, was sicherlich mit der Lage des M. pronator quadratus in Verbindung steht. Die In- sertionssehnen erstrecken sich bei Bhynchocijon bis zum Endglied der 2., 3. und 4. Finger, bei Macroscelides und Fetrodromus bis zu dem aller 5. Von den Mm. lumbricales sind 4 vorhanden oder dieselbe Anzahl wie bei Gymnura, Centetes und Sole)iodon (3. p. 30, 80 u. 93); nur 2 finden sich bei Bhynchocyon; sie werden bisweilen bei Eri- nacens, niemals bei den Talpidae angetroffen (3, p. 52 u. 154). Der M. abductor digiti minimi ist ein sehr kräftiger Muskel, der M. abductor pollicis dagegen ein schwacher, welcher bei lihynchocyon fehlt. Er besitzt anstatt dessen einen M. abductor indicis. Ein M. palmaris brevis fehlt, wird aber bei einigen Insecti- voren wie Gymnura und Erinacens gefunden (3, p. 30, 52). Von den Mm. adductores breves sind 3 vorhanden, je einer zum 2.. 4. und 5. Finger. Gleichnamige Muskeln sind in fraglicher Ordnung sonst nur bei Fotamogcde, Solenodon und den Centetidae ge- 378 Albertina Carlsson, funden. verbreiten sich aber bei diesen an dem 1., 2. und 5. Finger (10, p. 835). Die Mm. int erossei der 4 ulnaren Finger sind vorhanden. Muskeln der hintern Extremität. Der M. tensor fasciae latae entsteht aponeurotisch ander Crista ilei und an den Processus spinosi der vordersten Sacralwirbel, vej'bindet sich in seinem hintern Teile mit dem M. glutaeus maximus, welcher von dem letzten Sacral- und einigen Caudal- wirbeln ausgeht. Die ganze Muskelscheibe ist sehr dünn und be- festigt sich am Trochanter tertius. Bei Tupaia bildet sie 2 getrennte Muskeln; die übrigen Insectivoren stimmen in dieser Hinsicht mit dem Verhalten bei den Macroscelididen überein (11, p. 67 f.). Der M. f emoro-coccygeus ist, wie Leche betont (11, p. 70), bei den Macroscelididen ein völlig selbständiger Muskel, sonst in fraglicher Ordnung mit den 2 vorigen Muskeln verwachsen. Er ent- springt wie bei Erinaceus am dorsalen Rande des Ischiums bis zum Tuber ischii, nicht wie bei den übrigen Insectivoren auch von der Wirbelsäule (11, p. 68 u. 70). Ein M. tenaissimus, welcher Tupaia, Talpa u. a. zukommt, ist, wie Leche bemerkt (11, p. 70), bei den Macroscelididen nicht vorhanden. Der M. g 1 u t a e u s m e d i u s ist viel kräftiger als der M. glutaeus maximus und entsteht von ihm und dem M. tensor fasciae latae be- deckt am vordem Rande des Ileums und an den Sacral wirbeln, um sich an dem Trochanter major zu befestigen. Die hintersten Fasern gehen von der Schwanzfascie aus, nehmen eine von denjenigen der vordem abweichende Richtung ein, indem sie sich, rechtwinklig zu den Wirbeln, bis zum Femur distalwärts vom Trochanter major er- strecken. Infolge der Lage und Faserrichtung scheint dieser Teil des Muskels dem bei Tupaia auftretenden M. glutaeus niedius posterior homolog zu sein, welcher sonst nicht bei der fraglichen Säugetier- ordnung, sondern nur bei den Halbaffen angetroffen wird (11, p. 73 u. 10, p. 855). Der M. pyriformis ist mit dem M. glutaeus medius völlig verwachsen, kann aber auf dessen innerer Seite beobachtet werden. Bei Tupaia hat er einen höhern Grad von Selbständigkeit erhalten; fehlt den übrigen Insectivoren (11, p. 75). Die Mm. adductores bilden wie bei Tupaia, Cenfetes und Chrysochloris (11, p. 81 f.) 3 getrennte Muskeln; bei andern Tieren Die Macrosceliclidae. 379 derselben Ordnung- sind sie miteinander verschiedener Weise ver- einigt. Der M. addnctor longus ist dünn; er entspringt von der medialen Partie des Ranins liorizontalis pubis bis zum Ursprung- des M. rectus abdominis und inseriert am mittlem Teile des Femurs. Der j\I. adductor brevis. welcher der grüßte von den Adductoren ist, entsteht an dem Ramus liorizontalis und einem Teile des Ramus descendens pubis. Kr verjüngt sich näher dem Ansatz, welcher sich distalwärts vom vorhergehenden bis zum Condylus medialis erstreckt. Der :M. adductor mag-nus geht, vom M. gracilis bedeckt, vom hintersten Teile des Ramus descendens pubis aus; er ist ein kurzer dreieckiger ^Muskel und befestigt sich im mittlem Teile des Femurs, proximal- wärts vom ^I. adductor brevis. Duveknoy (4, p. 12) erwähnt bei M. ro~cti nur 2 Adductoren. Bei EhyncJiocyon petersi ist der ^\. ad- ductor longus mit dem M. adductor brevis verwachsen. Der M. sartorius fehlt. Infolge seiner Lage im Verhältnis zum N. saphenus major, welchen er. wo er vorkommt, immer bedeckt (10, p. 865), kann er nicht mit dem M. gracilis verschmolzen sein, denn der fragliche Nerv und die Schenkelgefäße verlaufen nach ilirem Heraustreten aus der Beckenhöhle zwischen dem M. vastus internus und den Mm. adductores, um darauf den M. gracilis zu kreuzen. Sie liegen folglich nicht unter einem Muskel oder einer Muskelpartie, welche einem M. sartorius homolog wäre. Unter den Insectivoren wird dieser Muskel nach Leche nur bei Tupaia und den Krinaceidae angetroffen (11, p. 85 u. 14, p. 66). Der M. p e c t i n e u s entspringt am Ramus horizontalis pubis, wird ein wenig vom M. adductor longus bedeckt und heftet sich an die vordere Hälfte des Femurs an. Innerviert durch den N. cruralis. Ein M. cruralis, welcher bei Tupaia und Erinaceus auftritt (11, p. 89), ist nicht vorhanden. Der M. caudo-femoralis geht, teilweise mit dem M. biceps femoris verwachsen, vom Tuber ischii aus. Er kennzeichnet sich durch seine Lage ventralwärts vom N. ischiadicus; befestigt sich am Condjius lateralis femoris. In dieser Säugetierordnung wird er nur bei den Macrosceliclidae und den Tupaiidae angetroifen (11, p. 90). Der M. semitendinosus verhält sich wie bei Erinaceus, in- dem die von der Wii'belsäule entspringende Partie fehlt, welche sonst allen Insectivoren zukommt (11, p. 104). Ein M. praesemiraerabranosus ist vorhanden, jedoch wie bei Tupaia mit dem M. semimembranosus vereinigt, wie Leche nach- gewiesen hat (11, p. 94). 380 Albehtina Carlsson, Der M. tibialis anticus ist der kräftigste Muskel an der Vorderseite des Unterschenkels, entsteht an dem proximalen Teile der Crista tibiae und von deren latei-aler Seite, bei BhyncJiocijon petersi mit einem von der Ursprungssehne des M. extensor digitorum longus entspringenden Kopfe verstärkt, deckt größtenteils den M. extensor liallucis longus und inseriert bei Macroscelides wie bei Gymnura, Erinaceus und Chrysochloris (3, p. 33 f.) am Metatarsale 1, bei Petrodromus am Entocuneiforme und bei Bhynchocyon an diesen beiden Knochen. Der M. extensor h a 1 1 u c i s longus geht schwach und dünn vom medialen Fibularand, bis zu der Verwachsung der Unter- schenkelknochen, aus. Seine Sehne folgt derjenigen des vorigen Muskels und befestigt sich bei Macroscelides, ohne mit der Sehne des langen Streckers zu verwachsen, am Endgliede der 2. Zehe; sie steht folglich in keiner Verbindung mit dem Hallux. Sie wird bei Petrodromus durch ein Retinaculum medialwärts gezogen und ver- einigt sich mit der Endsehne der 2. Zehe des M. extensor digitorum longus, an der Basis der Grundphalange, um gemeinsam mit der- selben sich anzuheften. Der eigne Strecker der 1. Zehe hat folglich bei Petrodromus, wo vom Hallux nur ein kurzes Metatarsale übrig ist, mehr von seinem ursprünglichen Verhalten eingebüßt als bei Macroscelides, welcher eine wenn auch reduzierte 1. Zehe besitzt. Bei Erinaceus alhiventris, dem ein Hallux fehlt, ist ein M, extensor hallucis longus vorlianden, welcher sich nach Dobson (3, p. 54) in die Fascie des Os naviculare, des Metatarsale II und der Phalangen der 2. Zehe verbreitet. Der Muskel fehlt bei Bhynchocyon; er kann nicht mit dem M. tibialis anticus verwachsen sein, denn der N. peroneus profundus verläuft über den fibularen Ursprung des letztern Muskels, was mit dem Verschwinden des M. extensor hallucis longus typisch ist; hat eine Vereinigung der beiden Muskeln stattgefunden, so liegt jedoch der Nerv zwischen denselben (25, p. 623). Die 3 Mm. peronei sind schwach und besitzen kurze Muskel- bäuche und lange Insertionssehnen. Der M. peroneus longus ent- steht am Capitulum fibulae und befestigt sich bei Macroscelides am Metatarsale 1, bei Petrodromus, Bhynchocyon wie bei Gymnura und Erinaceus am Entocuneiforme (3, p. 33 u. 55). Der M. extensor digiti quinti geht von der lateralen Fibulafläche nahe dem Capitulum aus; er stimmt mit dem gleichgenannten bei den Carnivoren nach Rüge (25, p. 620) durch seine laterale Lage und seinen proximalen Ur- sprung überein und heftet sich bei Macroscelides und Bhynchocyon Die Macroscelididae 381 an das Endglied der 5. Zehe, bei Fetrodromus an dasjenige der 4., bei Gymnura und Erinaccus an die 2 fibularen Zelien an (3, p. 33 u. 55). Der ]\r. peroneus brevis entspringt an der tibialen P'ibula- fläclie, um am Metatarsale 5, bei MacrosceUdes an dessen Basis, bei Pcirodromus an dessen distalem ICnde und durch einen feinen Sehnen- strang an der 3. Phalange der 5. Zehe zu inserieren; er ist bei Bhij)tchoci)on nicht vorhanden, wodurch dieser sich von allen von DoBsox beschriebenen Insectivoren unterscheidet. Der M. plantaris entspringt einköpfig wie bei den meisten Insectivoren vom Condylus internus femoris; bei Gymnura besitzt er 2 Köpfe (3. p. 33). Seine Sehne schließt sich der Tendo Achillis an, dreht sich am Calcaneus medialwärts und spaltet sich am Fuß in 4 Sehnenstreifen, welche die laugen Flexorsehnen der 2. — 4. Zehe hindurchlasseu und sich an den Grundphalangen der genannten Zehen befestigen. Der M. plantaris hat folglich in der Fußsohle die Funktion des M. llexor digitorum brevis übernommen, und der letztere Muskel fehlt. Ein M. flexor digitorum brevis wird nach DoBSON bei Gymnura, Erinacens, Centetes und ChrysocJdoris, nicht aber bei den Talpidae angetroffen (3, p. 33f.). Bei Fetrodromus gibt die Sehnenverbreitung des M. plantaris einen feinen Sehnenstreifen ab, welcher wahrscheinlich einer Sehne an dem Hallux entspricht und, wie oben erwähnt ist, sich um die Sehne des M. extensor hallucis longus wie ein Retinaculum schlägt, um sich nachher am Entocunei- forme zu befestigen. Der M, flexor t i b i a 1 i s und der M. flexor f i b u 1 a r i s bilden eine zusammenhängende Muskelmasse, welche bald in eine kräftige Sehne übergeht. Diese spaltet sich bei Blacroscelides in o, bei Fetrodromus und Bhyncliocyon in 4 Sehnen, die wie gewöhnlich an den Findphalangen der 5 resp. 4 Zehen inserieren. Da eine Insertion am Naviculare oder Entocuneiforme nicht vorhanden ist,^ welche den M. tibialis posticus kennzeichnet, so ist dieser Muskel wahrscheinlich zugrunde gegangen. Er fehlt nach Dobson bei Scalops und Talpa (3, p. 171). Der M. extensor digitorum brevis wird durch ein kleines ^luskelbündel ersetzt, das vom Calcaneus kommt und sich an der Endphalange der 3. Zehe anheftet. Er ist im Vergleich mit dem Vei-halten des gleichgenannten Muskels bei Tieren derselben Ordnung sehr schwach, denn bei Erinaceus, Gymnura und Fotamogale befestigt er sich an der 2. — 4. Zehe, bei Centetes an der 2. (3, p. 34, 57, 82 Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 26 382 Albertina Carlsson, u. 105). Die Reduktion steht ohne Zweifel in Verbindung- mit der komprimierten Form des Tarsus und Metatarsus. Mm. lumbricales sind 3 vorhanden, je einer an der 3., 4. und 5. Zehe, bei Bhynchocyon nur 2, indem der fibulare fehlt. Mm. int er OS sei sind 7 vorhanden. Die 6 Innern inserieren an der 2., 3. und 4. Zehe; der 7. befestigt sich an der tibialen Seite der 5. Zehe. Ein M. abductor h all u eis wird hei MacrosceUdes, nicht aber bei Petrodromus und RhyncJwcyon angetroffen. Der M. abductor d i g i t i m i n i m i ist vorhanden. Sonstige tiefe Muskeln der Fußsohle fehlen. V e r d a u u n g s 0 r g a n e. Die Zunge hat bei Petrodrotmts tetradadylus , MacrosceUdes fypicus, M. roseii und M. fuscus (22, p. 89) eine langgestreckte Form und besitzt 3 Papulae circumvallatae oder dieselbe Anzahl, die Peters bei Petrodromus und Pihynchocyon gefunden hat (22, p. 97 u. 104). Ihre Menge wechselt bei den Insectivoreu zwischen 2 — Myogale (3, p. 156) und Sorex (1, p. 508) — und 3 — Centetes, ChrysocJdoris, Erinaceus (3, p. 84, 123 u. 59) und Tupaia (6, p. 302). Eine deutliche von festen Muskelfasern gebildete Lyssa ist wie bei Myogale (3, p. 156), Sorex (1, p. 507), Erinaceus und Talpa (10, p. 1057) vorhanden. Die Papulae filiformes liegen vorzugsweise über die vordere Hälfte der obern Fläche der Zunge und deren Seiten ver- streut. Eine Unterzunge ist nicht vorhanden; unter den Insectivoren tritt sie nur bei Tupaia auf (6, p. 302). Die Speicheldrüsen haben alle bei Petrodromus eine hoch- gradige Entwicklung erreicht, was in Verbindung mit der insecti- voren Nahrung steht. Die Glandula parotis ist von gleicher Größe wie die Glandula submaxillaris; die letztere zerfällt wie bei Gymnura in 2 Lobi (3, p. 35), einen kleinern vordem und einen größern hintern. Bei andern Tieren derselben Ordnung ist bald die eine, bald die andere von diesen Drüsen die größere (3, p. 59 f.). Die Glandula subungualis übertrifft an Länge und Breite die Glandula retrolingualis. Eine Glandula parotis accessoria fehlt. Die kleine Curvatura des Magens ist bei M. typicus sehr kurz, wodurch der Magen eine rundliche Sackform bekommt, die noch mehr ausgeprägt bei Bhynchocyon auftritt (22, tab. 24, fig. 5). Unter verwandten Tieren verhält sich fragliches Organ bei Tupaia nach Garkod (6, p. 302) gleich, bei andern wie Erinaceus und 3iyogale ist Die Macroscelididae. 383 es nielir langgestreckt (o, p. (30 ii. 156j. Da der Mageiiiiilialt eines 3Iacroscelidcs mekmoUs, der nicht in Gefangenscliaft g-elebt hatte, aus Termiten- und Ameisenresteu bestand, so geht daraus hervor, daß die ]\[acroscelididen sicli von Insecten ernähren, wie auch Peters angibt (22, p. 100). Was die Macroscelididen besonders charakterisiert, ist das Vor- kommen eines entwickelten Blinddarmes. Ein Cöcum tritt be- kanntlich in dieser Ordnung sonst nur bei Tupaia, aber als ein sehr kurzer auf und fehlt bei Tupaia tana (6, p. 303) ganz. Bei einem nicht ausgewachsenen Bhynchocyon petcrsi mißt er bis 52 mm und bei einem jungen Macroscelides delamerd bis 18 mm ; bei einem adulten M. typims mit einer Körperlänge von 110 mm besitzt er eine Ausdehnung von 53 mm und ein Lumen mehr als der Dick- darm. Dieser erreicht bei letztgenanntem Tiere eine Länge von 92 mm, und der Dünndarm, der vom Pylorus scharf abgesetzt ist, 320 mm. Der Darm ist folglich 4.23mal so lang wie der Körper oder sehr kurz im Vergleich zu dem Verhalten der meisten Insecti- voren, denn bei Gymnura ist er 6, bei Chrysochloris 3- oder 4- (3, p. 35 u. 123), Talpa 8 und Erinaceus 6mal so lang wie der Körper (10, p. 1071), jedoch länger als bei Sorex, wo er bis 2.6 der Körperlänge beträgt (1, p. 507). Leber. Bei einigen Familien dieser Ordnung wie den Centetidae {S, p. 84) ist die Leber nur in 3 Lappen — einen rechten lateralen, einen zentralen und einen linken lateralen — geteilt, bei andern wie den Tupaiidae in 4, wobei 2 zentrale sind. Bei Macro- scelides iypicus sind auch deren 4 vorhanden infolge der Existenz eines kleinen, linken, zentralen Lobus, der von der untern Fläche verschoben worden ist und sich nicht zum vordem Leberrande er- streckt, von dem weit größern rechten durch einen seichten Ein- schnitt getrennt. Er wird auch von Duvernoy (4, p. 14) und Peters (22. p. 89) als eine Partie desselben angesehen. Der rechte, zentrale Lappen umfaßt die große Gallenblase, die wie bei Tupaia (6, p. 302) auf der diaphragmatischen Fläche zum Vorschein kommt. Unter allen Lappen ist der linke laterale der größte; der Lobus caudatus umgibt wie gewöhnlich den obern Rand der rechten Niere; der Lobus Spigelii grenzt an den hintern Rand des linken lateralen Lappens. Ebenso verhält sich die Leber bei Petrodromus und Bhynchocyon (22, p. 105). Durch die unvollständige Spaltung der beiden zentralen Lobi nähern sich die Macroscelididen am meisten Gymnura, wo sich ein ähnliches Verhalten findet (3, tab. 6, tig. 1), 26* 384 Albertina Carlsson, und unterscheiden sich von den Tupaiidae, bei denen die beiden zentralen Lobi vollständig voneinander getrennt sind. R e s p i r a t i 0 n s - und C i r c u 1 a t i o n s o r g a n e. Der Kehlkopf bei Petrodromus verhält sich wie bei den übrigen Insectivoren , indem der Eingang seitlich durch die Plicae ary- epiglotticae, vorn durch den mittlem Teil des Epiglottisknorpels be- grenzt wird. Die Plicae epigiotticae laterales sind der Rück- bildung verfallen (8, p. 80). In der genannten Ordnung hat sich der Kehlkopf verschiedenartig entwickelt; es bietet aber ein ge- wisses Interesse dar, daß die Macroscelididae auch hier wie in mancher andern Hinsicht mit den Erinaccidae übereinstimmen. Die Basis des Epiglottisknorpels ist wie bei Erinaceus schmal, und seine Seitenteile, die Processus cuneiformes, biegen sich lateralwärts ; bei Talpa streben sie beinahe gerade empor (8, p. 80). Die auffallend großen MoKGAü^'I'schen Ventrikel werden wie bei Erinaceus in der vordem Mittellinie des Kehlkopfes durch einen sagittalen Vorsprung voneinander getrennt, während sie bei Talpa sowohl schwach entwickelt sind als auch ventralwärts miteinander zusammenfließen (8, p. 76). Die Lungen weisen nichts Eigentümliches auf; die rechte Lunge zerfällt in 4, die linke in 3 Lappen. Die Arteria carotis dextra und A. subclavia dextra gehen ge- meinsam von dem Aortabogen aus; die Arteria carotis und subclavia sinistra haben gesonderte Stämme wie bei BhyncJiocyon (22, p. 104). Wie bei diesem finden sich 2 obere Hohlvenen, indem die linke Vena jugularis und subclavia einen besondern Stamm bilden, ein Verhalten, welches die Insectivoren, Nager, Wiederkäuer, Dickhäuter und Fledermäuse nach Rose kennzeichnet (26, p. 53). Das äußere Ohr erreicht bei einem Macroscelides roseti mit einer Körperlänge von 8 cm eine Größe von 2,6 cm, d. h. beinahe ^/g der Länge des Tieres. Die an ihrer Spitze abgerundete Scapha ist an ihren Rändern und an dem medialwärts gerichteten Teile der Innern Fläche mit langen Haaren bekleidet. Der Anthelix setzt sich von der Scapha scharf ab; der Tragus wird durch eine kurze Incisur von der Scapha getrennt, hängt also größtenteils mit der- selben zusammen. Der Ringknorpel (der Küraß) ist in seinem hintern und lateralen Teile in 2 Partien gespalten, aber oral- und medial- wärts ungeteilt. Die Macroscelididae. 385 1 11 1 e g- u 111 e n t. Fußbällen. Nach AVinge (40, p. 162) beträgt die ursprüng- liche Anzahl der Ballen der vordem Extremität 6. nämlich 4 Sohlen- ballen, und 2 l'arpalballen, welche Entwicklunjisstufe sich bei Sorcx wiederfindet. Bei den Macroscelididae fallen die Ballen einer Reduktion anlieim, die bei den 3 Gattungen verschieden weit gegangen ist. Macroscclidcs besitzt 2 Carpalballen, der ulnare kräftig, der radiale schwach, und 3 Sohlenballen, die durch das Auftreten seichter Furchen ein runzeliges Aussehen bekommen haben. Bei Fcfrodromus sind die Sohlenballen eben, und der radiale Carpalballen wird durch eine geringe Erhebung ersetzt. Die Rückbildung ist bei Rhynchocyon weiter fortgeschritten: die Carpalballen fehlen, und es sind nur 2 ziemlich schwache Sohlenballen vorhanden. In der hintern Extremität weicht ebenso Macroscelides weniger vom Ursprünglichen ab als die beiden andern Gattungen. So finden sich bei ihm 3 Sohlenballen und 1 Ballen an der Basis der 1. Zehe. Mit der Reduktion der 1. Zehe ist deren Ballen bei Petrodromus und Ehi/nchocyon ver- schwunden ; von den 3 Sohlenballen ist der mittlere bei dem erstem, alle 3 bei dem letztern gering entwickelt. Von den Saugwarzen finden sich bei Macroscelides typicus 3 Paar oder dieselbe Anzahl, w^elche Petees (22, p. 89) bei M. fusciis und M. ininfi beobachtet hat. Das vordere liegt am Halse, das 2. an der Brust und das 3. am Unterleib; bei Fetrodromus fehlt das letztere; bei Elußichocyon sind deren nur 2 Paar, beide bauchständig, vor- handen (22, p. 100). Bei den Insectivoren schwankt die Zahl der Zitzen zwischen 1 — Fotomogale — und 12 Paar — Centetes — (3, p. 107 u. ^Q). Analdrüsen sind bei Macroscelides und Fetrodromus vorhanden — Ftlujnchocyon habe ich in dieser Hinsicht nicht untersucht; sie fehlen bei Erinaceus, kommen bei Talpa (23, p. 445 u. 453), Myogale pyre- naica (36, p. 63) und Centetes (3, p. 85) vor. U r 0 g e n i t a 1 i a. Urogenitalia eines Männchens von Macroscelides roseti. Die Nieren sind wie bei den übrigen Insectivoren ungelappt, bohnen- förmig und wie bei Rhynchocijon (22, tab. 24, fig. 7) in derselben Höhe gelegen, nicht wie bei Fetrodromus die rechte höher als die linke. An deren innere und vordere Seite lehnen sich die Neben- nieren, bei Fetrodromus nur an die vordere; bei Jiliynchocyon liegen sie von ihnen entfernt. Da bei dem untersuchten Tiere sowohl ein Ligamentum inguinale als auch ein M. cremaster fehlen, kann kein 386 Albertina Carlsson, Descensus der Testes stattfinden, sondern diese verbleiben in ihrer Lage, durch die Plica diaphragmatica befestigt, oben in der Bauchhöhle, ihr vorderster Teil ventralwärts von den Nieren bedeckt. In dieser Hinsicht stimmen, wie aus der Beschreibung von Peteks hervorgeht (22, p, 97 u. 105), Petrodromus und PJiyncJio- cyon — beim letztern liegen jedoch die Hoden ein wenig mehr schwanzwärts — mit Macroscelides überein; folglich bieten die Macroscelididen eine echte Testicondie dar, ganz wie die meisten Centetidae und ChrysocMoridae , und unterscheiden sich von den Ttipaiidae, wo die Testes eine bleibende extraabdominale Lage be- sitzen, und auch von den Erinaceidae u. a., bei denen eine Aus- stülpung resp. Einstülpung derselben jahreszeitlich eintritt (38, p. 274). An der medialen Fläche des Hodens tritt die Epididymis hervor, steigt darauf hinab, um in ein geschlängeltes Vas deferens über- zugehen. Dieses bildet in seinem Endabschnitt eine lange Schlinge, deren blinder Teil schwanzwärts gerichtet ist und an die Glandula Cowperi gedrückt aus dem Becken hervorragt. Eine derartige Windung wird von Peteks für Petrodronms und RJiyncJwctjon nicht erwähnt, findet sich aber deutlich abgebildet in tab. 2 von Wagner's Beschreibung von M. rozeti (37). An der dorsalen Seite des Canalis urogenitalis hat sich eine birntörmige, blindsackartige Erweiterung von 3 mm Länge entwickelt, welche wahrscheinlich einer Vagina masculina entspricht. Da sie bekanntlich ihren Ursprung von den Resten der MÜLLEE'schen Gänge nimmt (23, p. 440). müßte man, um dies endgültig zu bestimmen, einen Embryo untersuchen; aber ich glaube gleichwohl, daß diese Bezeichnung die richtige ist, nach der Lage zwischen den Öffnungen der Vasa deferentia, dorsalwärts von der Blase, und der Übereinstim- mung mit dem gleichgenannten Organ bei Tupaia javanica nach OuDEMANS (19, p. 81) ; sie wird von diesem Forscher ebenso benannt. Er hat unter andern Insectivoren eine Vagina masculina bei Erina- ceus und Talpa gefunden. Rauthee vertritt hier eine andere An- sicht, indem er bei den 2 letztern Tieren sie nur als einen Blindsack des Canalis urogenitalis betrachtet (23, p. 440 u. 448). Von den akzessorischen Geschlechtsdrüsen fehlen die Glandulae vasis deferentis (Oudemans) bei Macroscelides roseti sowie bei Petro- dronms und Rhynchocyou (22, p. 97 u. 105). Nach den Angaben von Rauthee (23, p. 441) scheinen sie bei keinem Insectivor aufzutreten. Nach Petees (22, p. 97 u. 105) geht bei Petrodromus das Vas deferens in eine große Samenleiterblase über, bei Bhynchocyon ist sie nicht Die Macroscelididae. 387 vorhanden. "\\'ahrsclieinlich entspricht sie einer langgestreckten ' Drüse, die bei M. roseti zwischen der Vesica nrinaria und dem Vas deferens liegt und kopfwärts von dem Samenleiter ausmündet. In- folgedessen ist sie der Prostata I von Rautjiek bei Erinaccus homolog und nicht einer Samenleiterblase. Außerdem sind bei Macroscelides, Fetrodromus und Bhynchocyon 2 Paar Glandulae prostaticae vorhanden, von denen das vordere ventral- und lateralwärts vom distalen Teile der Vesica urinaria liegt, das hintere mein- seitlich und dorsalwärts. Sie entsprechen ohne Zweifel den Drüsen bei Erinaceus, welche von Rauthek als Prostata II und III bezeichnet werden (23, p. 443). Durch das Auftreten von 3 Paar Prostatadrüsen verhalten sich 31acroscelides und Peirodromus wie Erinaceus. OuDEMAxs meint in mehreren Punkten eine Übereinstimmung in den akzessorischen Geschlechtsdrüsen zwischen den MacrosceUdidae und den Tupnüdae zu finden (19, p. 31), eine Ansicht, der ich nicht beipfiichten kann, da weder die Anzahl der auftretenden Drüsen bei diesen Familien dieselbe ist, noch die entsprechenden Glandulae immer bei beiden vorkommen. Ich glaube vielmehr, daß die Macro- scelididen, von der Lage der Glandula Cowperi abgesehen (siehe unten), sich mehr den Erinaceiden nähern. Die Glandulae Cowperi sind durch 1 Paar gut entwickelter, bohnenförmiger Drüsen von 5 mm Länge repräsentiert, welche ganz wie bei Tcdpa (23. p. 450) aus dem Becken hervorragen und einen sehr langen Ausführgang besitzen. Bei Bhynchocyon petersi nehmen sie eine gleiche Lage ein; ob sie es bei Peirodromus tun, wird von Peters nicht erwähnt. Sie liegen also frei von der Urethra, nicht innerhalb des M. urethralis, wie dies bei Erinaceus der Fall ist (23, p. 444). Der Penis liegt gestreckt der Bauchwand angedrückt, von der Haut derselben bedeckt, nicht wie bei Byloniys, Gymnura und Eri- naceus mehr oder weniger S-förmig (14, p. 75), und mündet gleich hinter dem Nabel aus. Durch das Vorkommen einer Glans erinnert Macroscelides an Erinaceus und sondert sich von Talpa, die keine eigentliche Glans hat (7, p. 64). Bei Peirodromus und lihynchocyon endet die Eichel mit einer fadenförmigen Fortsetzung, bei dem erstem mit 3 Spitzen versehen, bei dem letztern sägeförmig gezackt (22, p. 97 u. 105); eine ähnliche Bildung habe ich bei Macroscelides nicht ge- funden. Vielleicht entsjiricht diese Verlängerung dem langen, feinen, Spiral gedrehten Faden, zu welchem sich die Rute bei Cenieies plötzlich verjüngt (7, p. 63). Im Querschnitt zeigt der Penis ein 388 Albertina Cäelsson, Corpus spoiigiosum, von einer dicken fibrösen Scheide umgeben, welche nicht wie bei Erinacens und Talpa ein Septum aufweist (7, p. 71). Ein Os priapi ist nicht vorhanden; es fehlt allen Insectivoren mit Ausnahme von den Cenietidae und Talpa (15, p. 115). Akzessorische Schwellkörper kommen nicht vor; sie w^erden in fraglicher Ordnung- bei Talpa (24, p. 519), den Centetidae und Soricidae (15, p. 115 u. 119) angetroffen. Die weiblichen Geschlechtsorgane von Macroscelides typicus verhalten sich wie diejenigen von 31. f'uscus nach Petees (22, p. 89) und von M. rozeti nach Duveenoy (4, p. 15). Der Uterus ist wie bei den übrigen Insectivoren in 2 lange Hörner ausgezogen. Der Eileiter verläuft in der äußern Wand der Peritoneal-Eierstock- säcke. Ebenso verlialten sich die entsprechenden Organe bei Fetro- dromus, mit den Angaben von Peteks übereinstimmend (22, p. 97). Bei Bhynchocyon deutet ein seichter Einschnitt im Fundus uteri seine Teilung in 2 seitliche Hälften an, wodurch diese Gattung sich von den 2 andern unterscheidet und sich weiter als diese progressiv ent- wickelt hat. Der Schwanz von Macroscelides roseti $ ist 11.5 cm lang, mit Schuppen und kurzen Haaren bekleidet. An seiner ventralen Seite findet sich ein ovales, unbehaartes Feld, 2,5 cm von der Schwanz- wurzel gelegen und mit einer Länge von 2,2 cm. Die Haut, welche dasselbe begrenzt, besitzt sehr kurze und steife Haare, deren Talg- drüsen übereinstimmend mit dem Verhalten bei Myogale pyrenaka (36, p. 73) größer als bei Haaren von derselben Länge sind, welche an andern Stellen des Körpers auftreten. Das fragliche Feld deckt eine Menge subcutaner Drüsen, deren Secret sich in Reservoiren an- häuft. Diese entleeren sich durch Ausfuhrkanäle, welche zwischen den Schuppen in der Mitte des Schwanzes ausmünden. Nach Mat- schie (16, p. 31) ist eine ähnliche Drüse bei Bhynchocyon stuhl- mamii vorhanden. Bei einem Weibchen von Macroscelides typicus und von Petrodromus habe ich keine solche Drüsenbildung gesehen; Peters hat sie auch bei Weibchen und jungen Männchen von 3L infuß nicht angetroffen, sondern nur bei Männchen mit entwickelten Ge- schlechtsdrüsen (22, p. 89). Vielleicht finden sie sich nur bei Männ- chen in diesem Stadium und stehen wahrscheinlich in einer Be- ziehung zu den Geschlechtsorganen. Da die 3 Gattungen der Familie der Macroscelididen in mehr- facher Hinsicht voneinander abweichen, habe ich versucht, die wesent- lichsten Verschiedenheiten hier hervorzuheben. Die Macroscelididae. 389 EhyiivJtocyon Petrodromus Macroscelides 1. Rh. cirnci lebt in Erdluililen. konniit zur ^siK'litzeit ans diesen hervor (22. j). llüi. Bewegt sich langsam wie ein Hase im trocknen Laub hernm- rasselnd. kratzt an Bäumen herum und kriecht in deren Höhlungen hinein, um nach Käfern zu suchen (16, p. HO u. 31). 2. Processus postorbitales nndProcessus paroccipitales vorhanden. 3. Foramen caroticum posterior liegt in der !Naht zwischen dem Petrosum und Os bullae. 4. Der äußere Gehörgang lang. 5. Der harte Gaiimen ist nach vorn von derselben Breite wie im hintern Teile und besitzt nur die Fora- mina incisiva. 6. Die Länge des Prä- maxillares ist V4 ^^^ Älaxillares. 7. Die Stirnbeine sind breit und lang: der Schädel zwischen den Augenhöhlen ist nicht komprimiert. 8. Die Nasenbeine schie- ben sich zwischen die Stirn- beine ein. 9. Canalis infraorbitalis lang. 10. Foramen opticum vor- handen, kann aber fehlen. 11. Foramen magnum nach hinten gerichtet. 1. Findet sich in Gegen- den, Avo die Höhlungen und Klüfte der Felsen einen sichern Zufluchtsort ge- währen (22, p. 100). Haust in alten Ameisenhügeln verbirgt sich in Dorn- gestrüpp, entfernt sich des Tages nur auf kurze Strecken von seinem Schlupfwinkel. Die Tiere leben gesellschaftlich und springen sehr gewandt (16, p. 29). 2. Processus pustorbitales uiulProcessusparoccipitales fehlen. 3. Foramen caroticum posterior liegt im Petrosum. 4. Der äußere Gehörgang kurz. 5. Der harte Gaumen verschmälert sich scharf nach vorn und weist mehrere Defekte in der Verknöcherung auf. 6. Die Länge des Prä- maxillares ist Vs ^^^ Maxillares. 7. Die Stirnbeine sind kurz ; der Schädel zwischen den Augenhöhlen kompri- miert. 8. Die Nasenbeine schie- ben sich nicht zwischen die Stirnbeine ein. 9. Canalis infraborbitalis kurz. 10. Foraraen opticum vor- handen. 11. Foramen magnum ventralwärts gerückt. 1. M. tiipicuti hält sich unter Gebüsch auf, ist des Tages in Bewegung, sitzt aufrecht im Sonnenschein, nach der Sonne gerichtet; ein wahres Sonnentier (29 u. 30). M. rozcti wird im Grase und unter Gebüsch gefunden , meidet aber groCe Sonnenhitze, kommt darum morgens und abends hervor (37). 2. Processus postorbitales und Processus paroccipitales fehlen. 3. Foramen caroticum po- sterior liegt im Petrosum; M. typicus verhält sich aber ^ne Rkyncliocyon. 4. Der äußere Gehörgang kurz. 5. Der harte Gaumen ver- schmälert sich scharf nach vorn i;nd weist mehrere De- fekte in der Verknöcherung auf. 6. Die Länge des Prä- maxillares ist Vs des Maxil- lares. 7. Die Stirnbeine sind kurz; der Schädel zAvischen den Augenhöhlen ist kom- primiert. 8. Die Nasenbeine schieben sich nicht zwischen die Stirn- beine ein. 9. Canalis infraorbitalis kurz. 10. Foramen opticum vor- handen. 11. Foramen magnum ventralwärts gerückt. 390 Albertina Cablsson, Bhynchocyon Petrodromus Macroscelides 12. „Chevrou bones" vor- handen. 13. Die Vorderarm- knochen frei. 14. Der Humerus verhält sich betreffs seiner Länge zum Vorderarme bei B.h. einer ei wie 1 : 1,184, bei Rh. chrysopygus wie 1 : 1,314. 15. Die Ulna erstreckt sich zum Carjms. 16. Die proximale Carpal- reihe artikuliert mit dem Eadius und der Ulna. 17. Kein überzähliger, carpaler Randkuochen vor- handen. 18. Der 1. Metacarpale und der 1. Finger fehlen. 19. Der 5. Finger kurz und zweigliedrig. 20. Die Beckensymphyse ist lang. 21. Der Unterschenkel ist im Vergleiche zu der Länge des Femurs wenig verlängert. Die Länge des Femurs verhält sich zu derjenigen des Unter- schenkels bei Rh. cirnei wie 1 : 1,18, bei Rh. chryso- pygus wie 1 : 1,259. 22. Das 1. Metatarsale ist rudimentär. 23. Ein Hallux fehlt. 12. ,, Chevron fehlen. bones" 13. Die Vorderarm- knochen verwachsen. 14. Der Humerus verhält sicli betreffs seiner Länge zum Vorderarme wie 1 : 1,500. 15. Die Ulna erstreckt sich zum letzten Drittel des Radius. 16. Die proximale Carpal- reihe artikuliert nur mit dem Radius. 17. Ein überzähliger, carpaler Randkuochen vor- handen. 18. Der 1. Metacarpale und der 1. Finger vor- handen. 19. Der 5. Finger wie gewöhnlich. 20. — 21. Der Unterschenkel ist mehr als bei Rhynclio- cyon, weniger als bei Macroscelides (von M. malosae abgesehen) ver- längert. Die Länge des Femurs verhält sich zu derjenigen des Unter- schenkels wie 1 : 1,39. 22. Das 1. Metatarsale ist rudimentär. 23. Ein Hallux fehlt. 12. „Chevron bones" fehlen. 13. Die Vorderarmknochen verwachsen. 14. Der Humerus verhält sich betreffs seiner Länge zum Vorderarme bei M. rozefi wie 1 : 1 ,529 ; M. typicus wie 1 : 1,444; M. malosae wie 1 : 1,412. 15. Die Ulna erstreckt sich zum letzten Fünftel des Radius bei M. rozeü, beinahe bis zum Ende des Radius bei M. malosae und M. typicus. 16. Die proximale Carpal- reihe artikuliert nur mit dem Radius. 17. Ein überzähliger, car- paler Randkuochen vor- handen. 18. Der 1. Metacarpale und der 1. Finger vorhanden. 19. Der 5. Finger wie ge- wöhnlich. 20. Die Beckensymphyse ist ziemlich kurz. 21. Der Unterschenkel ist ansehnlich verlängert. Die Länge des Femurs verhält sich zu derjenigen des Unter- schenkels bei M. typicus wie 1:1,58; M. rozeti wie 1 : 1,52 ; M. malosae Avie 1 : 1,28. 22. Das 1. Metatarsale ist kurz. 23. Ein banden. Hallux vor- Die Macrosceiididae. 391 Ithynchocyon Petrodromus Macroscelides 24. Schneidezähne oder 0 25. P einwurzlig- und ohne hintere Basalspitze. 26. (M und 0 höher als die Prämolaren, ohne hintere Basalspitze. 27. (J ohne hintere Basal- spitze und einwurzlig-. 28. P 1 ohne hiute_re Basal- spitze, höher als C. 29. P- von derselben Form wie P'. 30. W von etwa der Hälfte der Länge des M'. 31. — 32. 33. 34. 35. Der M. extensor in- dicis propriiis fehlt. 24. Schneidezähne 25. 1' zweiwurzlig uml mit hinterer Basalspitze. 26. Cd und C nicht höher als die Prämolareu, hintere Basalspitze vorhanden. 27. C mit hinterer Basal- spitze und einwurzlig. 28. P' mit hinterer Basal- spitze, von derselben Höhe wie C. 29. P- komplizierter als 30. J\P von mehr als der Hälfte der Länge des M*. 31. Der M. depressor couchae verbindet sich am Kehlkopfe mit dem ent- sprechenden der andern Seite. 32. Der M. latissimo-con- dylüideus inseriert selb- ständig; am Olecranon. 33. Die Sehne des M. teres major vereinigt sich mit derjenigen des M. la- tissimi dorsi. 34. Der M. teres minor fehlt. 35. Der M. extensor in- dicis proprius ist vorhan- den. 24. Schneidezähne 25. I' ein wurzlig und ohne hintere Basalspitze bei M. rozeti, zweilappig bei M. tijpicns. 26. Cd und C nicht höher als die Prämolaren, hintere Basalspitze vorhanden. 27. C mit hinterer Basal- spitze; zweiwurzlig bei M. rozeti, einwurzlig bei den übrigen untersuchten Arten. 28. P' mit hinterer Basal- spitze, von derselben Höhe wie C. 29. P'' komplizierter als P^ 30. M^ von mehr als der Hälfte der Länge des M'. 31. Der M. depressor cou- chae erstreckt sich bis zum Mundwinkel. 32. Der M. latissimo-con- dvloideus inseriert am Ole- cranon mit dem scapularen Kujjfe des M. triceps brachii verwachsen. 33. Die Sehne des M. teres major verbleibt selbständig. 34. Der M. teres minor kommt vor. 35. Der M. extensor in- dicis proprius ist vorhanden. 392 Albektina Carlsson, Rhynchocijon Petrodromus Macroscelides 36. Der M. extensor metacarpi poliicis inseriert. am 2. Metacarpale. 37. Der M. extensor carpi radialis befestigt sich am 3. Metacarpale. 38. Der M. flexor digi- toriim profundus inseriert am 2., 3. und 4. Finger. 39. Mm. lumbricales manis sind 2 vorhanden. 40. Ein M. abductor poliicis fehlt. 41. Ein M. abductor in- dicis ist vorbanden. 42. Der M. peroneus brevis fehlt. 43. Der M. extensor digiti quinti inseriert an dem Eudgliede der b. Zehe. 44. Der M. abductor hal- lucis fehlt. 45. Der M. peroneus longus befestigt sich am Entocuneiforme. 46. Der M. extensor hal- lucis longus fehlt. 47. Ein Retinaculum des M. extensor hallucis longus kann infolge des Fehlens des Muskels nicht vorhan- den sein. 36. Der M. extensor metacarpi poliicis inseriert am 1. Metacarpale. 37. Der M. extensor carpi radialis befestigt sich am 2. Metacarpale. 38. Der M. flexor digi- torum profundus inseriert an allen 5 Fingern. 39. Mm. lumbricales manis sind 4 vorhanden. 40. Der M. abductor poliicis vorhanden. 41. Ein M. abductor in- dicis fehlt. 42. Der M. peroneus brevis heftet sich an das distale Ende des 5. Meta- tarsale und durch einen feinen Sehnenstrang an die 3. Phalange der 5. Zehe. 43. DerM. extensor digiti quinti inseriert an dem Endgliede der 4. Zehe. 44. Der M. abductor hal- lucis fehlt. 45. Der 31. peroneus longus befestigt sich am Entocuneiforme. 46. Der M. extensor hal- lucis longus inseriert am Endgliede der 2. Zehe mit der Endsehne des M. ex- tensor digitorum longus verwachsen. 47. Ein Eetinaculum des M. extensor hallucis longus, von der Plantarissehne aus- gehend, ist vorhanden. 36. Der M. extensor meta- carpi poliicis inseriert am 1. Metacarpale. 37. Der M. extensor carpi radialis befestigt sich am 2. Metacarpale. 38. Der M. flexor digi- torum profundus inseriert an allen 5 Fingern. 39. Mm. lumbricales manis sind 4 vorhanden. 40. Der M. abductor poliicis vorhanden. 41. Ein M. abductor iu- dicis fehlt. 42. Der M. peroneus brevis heftet sich an die Basis des 5. Metatarsale. 43. Der M. extensor digiti quinti inseriert an dem End- gliede der 5. Zehe. 44. Der M. abductor hal- lucis ist vorhanden. 45. Der M. peroneus longus befestigt sich am 1. Meta- tarsale. 46. Der M. extensor hal- lucis longus inseriert selb- ständig am Endgliede der 2. Zehe. 47. Ein Eetinaculum des M. extensor hallucis longus tritt nicht auf. Die Macroscelididae. 393 Tihjnclioiyyon Petrodromna Macroscelides 48. DerM.tibiulisaiiticus heftet sich an das Ento- cuiieifonne mul den 1. Meta- tarsale. 49. Schnnrrhuare schwach. 50. Hand- nnd Fußbällen sehr rtnluziert. 51. 2 Paar bauchstäudig^e Saue: Warzen. 52. Die beiden Nieren liegen in derselben Höhe. 53. Prostata I fehlt. 54. Die Nebennieren liegen von den Nieren ent- feiTit. 55. Die Eichel besitzt eine feine, sägeförmige, gezackte Fortsetzung. 56. Der Uterus ist nur im Fundus durch einen seichten Einschnitt in 2 seitliche Hälften geteilt. 48. Der .M. tibialis anticus lieftet sich an das Ento- cuiieifornie. 49. Schnurrhaare ent- wickelt. 50. Hand- und Fußbällen weniger reduziert als bei Rhynchoci/on, mehr als bei Macroscelides. 51. 2 Paar Saugwarzen, das vordere am Halse, das hintere an der Brust. 52. Die rechte Niere liegt höher als die linke. 53. Prostata I vorhanden. 54. Die Nebennieren grenzen an das obere Ende der Nieren. 55. Die Eichel endet mit einer fadenförmigen, mit 3 Spitzen versehenen Fort- setzung. 56. Der Uterus ist in 2 lange Hörner ausgezogen. 48. Der .M. tibialis anticus heftet sich an den 1. Meta- tarsale. 49. Schnurrhaare ent- wickelt. 50. Hand- und Fußballen stehen, obwohl reduziert, der ursprünglichen Anordnung genähert. 51. 3 Paar Saugwarzen, l Paar am Halse, 1 an der Brust und 1 am Unter- leibe. 52. Die beiden Nieren liegen in derselben Höhe. 53. Prostata I vorhanden. 54. Die Nebennieren gren- zen an die vordere und mediale Seite der Nieren. 55. Eine ähnliche Bildung ist nicht beobachtet worden. 56. Der Uterus ist in 2 lange Höruer ausgezogen. Aus dieser Zusammenstelluiio- g-eht hervor, daß BJujnchocyon be- treffs einiger Charaktere einer weitergehenden Reduktion als die andern Gattungen anheimgefallen ist; in anderer Hinsicht weist er ein mehr ursprüngliches Verhalten auf. Läuft das Tier stelzenartig mit der.selben Geschwindigkeit wie die beiden andern Gattungen oder hat es diese Bewegungsart mehr oder weniger um seines Herum- kratzens der Bäume und seines Hineinkriecliens in Baumhöhlungen wegen aufgegeben, und benutzt es die 3 Mittelfinger der Hand bei seinem Suchen nach Käfern und bei deren Hervorziehen? Peirodromus unterscheidet sich im anatomischen Bau von 3Iacro- scelides durch eine im Verhältnis zum Femur nicht so weit gehende 394 Albkrtina Carlsson, VerlängeruDg- des Unterschenkels, eine in ihrer Länge mehr ver- kümmerte Ulna, das Fehlen des Hallux und die reduzierte Anzahl der Hand- und Fußballen. Die Halluxmuskulatur ist teils zugrunde gegangen, teils hat sie durch Anpassung neue Insertionen erworben. Durch mehrere Charaktere unterscheiden sich die Macroscelididae von den übrigen Insectivoren ; unter denselben sind hervorzuheben: 1. Der späte Durchbruch des Milchgebisses. 2. Die eigenartige Entwicklung des Pd*. 3. Die Lage des Foramen lacrimale in der Orbitalfläche des Os lacrimale. 4. Die Verwachsung des Radius und der Ulna (von BhyncJwcyon abgesehen). 5. Die Verlängerung der hintern Extremitäten. 6. Die hohe Differenzierung des Corpus callosum. 7. Das Verhalten des M. obliquus abdominis externus, welcher Muskel in dieser Familie der Insectivoren am wenigsten vom ge- wöhnlichen Typus abweicht. Aus obigen Untersuchungen erhellt, daß die Macroscelididae Be- ziehungen zu zwei andern Insectivoren-Familien darbieten, nämlich den Tupaiidae und den Erinaceidae. Die wichtigern von diesen schon behandelten Übereinstimmungen, welche sie in der Mehrzahl auch von den übrigen Insectivoren unterscheiden, können folgendermaßen zusammengestellt werden (s. S. 396 f.). Die Macroscelididae besitzen mit den Tupaiidae, was das Skelet an- geht, 2 wichtige, gemeinsame Merkmale, nämlich das Auftreten eines Os bullae und einer übereinstimmenden Beckensymphyse. Das Os bullae beweist kein intimes Verwandtschaftsverhältnis, da es auch in mehreren weit voneinander stehenden Säugetierordnungen wie Marsupialia, Xenarthra, Ungulata und Carnivora (9) gefunden wird. Dieselbe Bemerkung gilt für das Vorkommen eines Cöcums. Daß sowohl die Tupaiidae als auch die Macroscelididae sich von den übrigen Insecti- voren durch eine lange Symphysis pubis unterscheiden, bei denen sie kurz ist oder fehlt, ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß die letztern in liöherm oder geringerm Grade Grabtiere sind, denen meist eine kurze Symphyse zukommt. Jedenfalls ist die Unterordnung Menotyphla, worin bisher fast allgemein die Tupaiiden und die Macroscelididen den übrigen Familien als Lipotyphla gegenüber- gestellt werden, vollständig unhaltbar. Die Tupaiiden entfernen sich Die Macroscelididae 395 von den Macroscelidideii durch Abweicliuiifien im Gebiß, Gehirn, in der Lage der Testes und im Verlialten der männlichen, akzessorischen Geschlechtsoro^ane. Vergleichen wir dagegen die Macroscelididae mit den Erinaceidae, so ergibt sich. Avie auch angeführt ist und wie Winge vermutet (39, p. 142), daß die in genetischer Beziehung wichtigsten Charaktere diesen beiden Familien, besonders was die Krinaceidae in der mehr indifferenten Gestalt der Gymnurini angeht, gemeinsam sind und zugleich allen andern Insectivoren fehlen. Solange man keine fossilen Reste kennt, welche möglicherweise ein anderes Licht auf den Ursprung der ]\racroscelididen werfen können, scheint mir die Annahme am wahrscheinlichsten, daß sie sich von altern Erinaceiden abgezweigt haben und darum eine Menge ursprüngliche Charaktere bewahren, aber durch ihi'e veränderte Be- wegungsart sich in vieler Hinsicht umgebildet haben, wobei die 3 Gattungen auf verschiedenen Differenzierungsstufen stehen ge- blieben sind. 396 Albertina Carlsson, Tujmiidae Macroscelididae Erinaceidae Os biülae vorhanden vorhanden fehlt Forainen subopti cum fehlt vorhanden vorhanden Processus postorbi- kräftig schwach oder fehlen schwach oder fehlen tales Canalis infraorbi- lang ziemlich kurz ziemlich kurz talis Harter Gaumen größtenteils ver- mehr oder weniger mehr oder weniger knöchert verknöchert verknöchert Beckensymphyse vom Os pubis und vom Os pubis und nur vom Os pubis Ischium gebildet Ischium gebildet gebildet Unterschenkel- frei verwachsen verwachsen knochen Der Unterschenkel nur mit dem Astra- sowohl mit dem sowohl mit dem gelenkt galus Astragalus als Astragalus als auch mit dem Cal- auch mit dem Cal- - caneus caneus Das Gebiß weist wichtige Ab- weist wichtige ge- — weichungen von netische Bezie- denjenigen der 2 hungen zu dem- andern Familien jenigen der i^rmffl- auf(s. oben, S. 365) ceidae auf (s. oben, S. 368) Corpora quadrige- überlagert unbedeckt mehr oder weniger miua unbedeckt M. omo-cleido-trans- doppelt einfach einfach versarius M. trapezius einheitlich in 2 Portionen geteilt in 2 Portionen geteilt M. latissimo-condy- zweiköpfig einköpfig einköpfig. loideus entspringt M. epitrochleo-an- fehlt vorhanden vorhanden coneus Mm. lumbricales ? vorhanden vorhanden {Gym- manis nura) oder fehlen (Er'maceus) M. tensor fasciae von dem M. glutaeus mit dem M. glutaeus mit dem M. glutaeus latae maximus getrennt maximus ver- maximus ver- einigt einigt M. femoro-coccygeus von der Wirbelsäule nur vom Ischium nur vom Ischium entspringt und dem Ischium M. glutaeus medius vorhanden vorhanden fehlt posterior M. caudo-femoralis vorhanden vorhanden fehlt M. pyriformis vorhanden vorhanden fehlt M. tenuissimus vorhanden fehlt fehlt M. sartorius vorhanden fehlt vorhanden M. cruralis vorhanden fehlt vorhanden M. semitendinosus zweiköpfig einköpfig einköpfig entspringt M. praesemimembra- mit dem M. semi- mic dem M. semi- nicht mit dem M. nosus membranosus ver- membranosus ver- semimembranosus einigt einigt vereinigt TJnterzunge vorhanden fehlt ' fehlt Magen von rundlicher Sack- von rundlicher Sack- langgestreckt form form Die Macroscelididae. 397 Titpaiidac Macroscelididae Erinaceidae Die zentralen Lobi vuneinander deutlich nur durch einen nur durch einen der Leber getrennt seichten Ein- seichten Ein- schnitt voneinan- schnitt voneinan- der getrennt; der der getrennt; der linke zentrale linke zentrale Lobus besonders Lobus sehr klein klein [Gymnura) Cücnm klein oder fehlt laug fehlt Kehlkopf ? verhält sich v^^ie bei Erinaceus — Testes besitzen bleibend weisen echte Testi- verlassen periodisch extraabdominale condie auf die Bauchhöhle Lage Glandulae prosta- 1 Paar 3 (2) Paar 3 Paar ticae Glandulae vesicu- vorhanden fehlen fehlen lares Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 27 398 Albertina Carlsson, Literaturverzeichnis. 1. AenbÄCK-Cheistie-Linde, A. , Der Bau der Soriciden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren, in: Morph. Jahrb., Vol. 36, 1907. 2. BeOOM, R., On the organ of JACOBSON in the Elephant-Shrew (Macroscelides proboscideus), in: Proc. zool. See. London, 1902. 3. DoBSON, G. E., A monograph of the Insectivora, London 1882. 4. DuVEENOY, G. L., Description d'un Macroscelide d'Alger, in : Mem. See. Hist. nat. Strassbourg, Vol. 1, 1834. 5. Flowee, W. H., An introduction to the osteology of the Mammalia. London 1885. 6. GaeeOD, A. H., Notes on the visceral anatomy of the Tupaia of Birma (Tupaia belangeri), in: Proc. zool. Soc. London, 1879. 7. Geehaedt, TJ., Morphologische und biologische Studien über die Kopulationsorgane der Säugetiere, in : Jena. Ztschr. Naturw., Vol. 39, 1904. 8. GÖPPEET, E., lieber die Herkunft des "WElSBERG'schen Knorpels. 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Winge, H., Gm Muldvarpens og Spidsmusenes Cranier og Spids- musenes systematiske Stilling, in: Vidensk. Meddel. naturh. Foren. Kjöbenhavn for Aarene 1877 — 1878. 40. — , Jordfuudne og nulevende Gnavere (Rodentia) fra Lagoa Santa, Minas Geraes, Brasilien. Med Udsigt over Gnaverues indbyrdes Slsegtskab, in: E Museo Lundii, Vol. 1, Kjöbenhavn 1888. 41. ZiTTEL, K. A., Palaezoologie, Vol. 4, Mammalia, München u. Leipzig 1891 — 1893. \(tc/i(lnick verboten. TJbcrsctzinKjsrccht vorbehalten. Neue oder wenig bekannte neotropische cteniforme Spinnen des Berliner Museums. Von Eml)rik Strand (Berlin, Kgl. Zool. Museum). Im Anschluß an meine im 3. Heft des 28. Bandes dieser Zeit- schrift veröffentlichten Arbeit über neotropische Ctenus- und Ciipien- nim-Arten erlaube ich mir hierdurch Beschreibungen weiterer Arten der im Berliner Museum aus Süd- und Mittelamerika vorhandenen „cteniformen" Spinnen zu g-eben. Den Ausdruck „cteniform" ge- brauche ich, wie es schon F. Cambridge (1897 etc.) getan hat. als gemeinschaftliche Bezeichnung aller Spinnen, deren Augen in der bekannten charakteristischen Weise der Gattung Ctenus sensu lat. angeordnet sind, ohne damit demselben den Wert als Bezeichnung einer systematischen Kategorie beilegen zu wollen; die übrigen Merkmale dieser Tiere weichen ja so voneinander ab, daß man nicht umhin kann, dieselben nach Simon's Vorgange auf 3 Familien zu verteilen. Ich folge hier wie sonst der Hauptsache nach Simon's System und meine, wie ich schon wiederholt hervorgehoben habe, daß es zurzeit wichtiger ist, die Art- und Formenkenntnis der Spinnen zu fördern, statt Vorschläge zu weitgehenden Änderungen in dem bewälirten SiMox'schen System zu machen, weil solche Vorschläge erst dann auf festem Boden fußen werden, wenn die Kenntnis der Arten , die Grundlage des ganzen Systems, erheblich weiter fort- geschritten ist, als es bis jetzt der Fall ist. Berlin, April 1909. 402 Embrik Strand, Araueae Cribellatae. Farn. Zoropsidae. Siibfam, Acanthodeninae. Gen. Acanthoctemis Keys. 1876. 1. Acanthoctenus inipar Dahl 1901. Nach einem bei Asuncion in Parag-uaj'^ 2./9. 1902 von Prof. J. D. Anisits gesammelten $ folgende Beschreibung-; weitere Fund- orte siehe unten. ?. Total länge 22 mm. Cephalothorax 8—9 mm lang, 7 mm breit. Abdomen 12 mm lang, 7,5 mm breit. Beine: I Fem. 10, Pat. + Tib. 15, Met. + Tars. 12 mm ; II bzw. 9, 13, 11 mm ; III bzw. 8. 10, 10,5 mm; IV bzw. 10,5, 11,5, 15 mm. Totallänge: I 37; II 33; III 28,5; IV 37 mm; also: I=IV, II, III. Palpen: Fem. 3,5, Pat. 2, Tib. 2,3, Tars. 3,5 mm, zusammen also 11,3 mm. Bestachelung. Alle Femoren oben mitten 1, 1, 1, I vorn 1, 1, 1 oder 1, 0, 1, hinten 1, 1, 1, 1, II vorn 1, 1, 1, 1 oder 1, 1, 1, hinten 1, 1, 1, 1, 1 oder 1, 1, 1, 1, III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, IV vorn 1, 1, 1. 1, hinten 1, 1, 1; Patellen I— II hinten 1 ganz kleiner Stachel, III— IV vorn und hinten je 1 größerer Stachel. Tibien I — II unten 2 Eeihen von je 7—9 Stacheln, vorn und hinten je 1 weder Basis noch Apex erreicliende Reihe von 3 — 4 kleinen, in Anzahl übrigens recht wechselnden. Stacheln, III — IV unten 1, 1, 1, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1, 1 Stacheln; Metatarsen I— II unten 2, 2, 2, 2 kräftige, anliegende Stacheln, vorn und hinten an der Basis je 1 kleinere Stacheln, III unten 2, 2, 2, von denen die apicalen bei weitem die kleinsten sind, vorn und hinten je 1, 2, 2, IV unten wie III, vorn und hinten je 1, 2, 2 oder vorn 2, 2, 2 Stacheln. — Palpen: Femoralglied oben am Ende 1, 3 Stacheln, Patellarglied nahe der Basis oben und innen je 1, Tibial- glied wie Patellarglied sowie oben an der Spitze 1 viel kleinerer Stachel, Tarsalglied innen 2, 1, außen nahe der Basis 1 Stachel. Epigyne 1,5 mm breit, 1,3 mm lang, herzförmig (die Spitze nach vorn!), eine seichte Vertiefung bildend, die vorn und an den Seiten von einem schmalen, bräunlich gefärbten, gering erhöhten Rand umgeben ist, der sich in der Mitte vorn schwach plattenförmig Neotropische cteniforme Spinnen des Berliner Museums. 403 verbreitet und hinten an beiden Enden nach innen und wieder nach voin umbiegt und je eine Spirale bildet, die 2—3 Kreise beschreibt, die andere Spirale tangiert und so die Hälfte des eingerandeten Haunies einnimmt. In dem ^^'inkel hinten zwischen den beiden Spiralen ein rhombisch geformtes, weiß gefärbtes, besonders in Flüssigkeit auffallendes Feld, das hinten und hinten seitlich von einem Wulst (oder wenn man will: von zwei in der Mitte zusammen- stoßenden Wülsten) begrenzt wird, der in Flüssigkeit stark ver- dunkelt erscheint. F ä r b u n g. Cephalothorax und Extremitäten hell rötlich-braun odei- braungelb, ersterer an den Seiten dunkler mit einer breiten, sich um die Mittelritze sternförmig erweiternden IMittellängsbinde und je einer schmälern, recht stark gezackten Seitenrandbinde heller. Kopfteil vorn dunkel rötlich-braun, Mandibeln noch dunkler rotbraun und mit violettem Anfluge. Maxillen dunkelrot mit hellerer Spitze; Lippenteil noch dunkler, an der Spitze kaum heller. Femoren oben mit 2 undeutlichen dunklen Halbringen, Tibien mit Andeutung eines hellem j\rittelringes. Abdomen oben und an den Seiten grau- gelb, fein dunkler punktiert und mit dunklern Schulterflecken, oben hinten mit 2 parallelen Längsreihen, die aus je 4—5 kleinen, weißen Borstenhaarflecken gebildet sind; zwischen diesen scheint je eine feine weißliche, hinten dunkler begrenzte Querlinie vorhanden zu sein. Bauch einfarbig und zwar heller graugelblich. Cribellum und Calamistrum deutlich, ersteres ungeteilt. ]\Iit ,1. marshi F. Chr. ziemlich nahe verwandt, aber die Färbung nicht ganz die gleiche, Feld der M. A. nicht länger als hinten breit, die vordem S. A. von den hintern um Aveniger als iliren längsten Durchmesser entfernt, Clypeus nicht schmäler als der Durchmesser der vordem M. A., Metatarsen I — II vielleicht abweichend bestachelt (F. Cambeidge gibt an: „Protarsus I with 5 pairs of very long spines beneath", was stimmen würde, wenn man die in der Tat lateralen Stacheln nahe der Basis mit zu den untern rechnet;, Cribellum ungeteilt etc. Ferner liegt ein reifes ? aus San Bernardino in Paraguay vor, von K. Fiebrig am 27. 2. unter Holz gesammelt; ein ebensolches von demselben am 20./12. an der Unterseite eines Blattes 8 m über dem Boden gefunden; Männchen von Buenos Aires. Von Villa Sana, Paraguay. 19. 1. 1903 (Prof. J. D. Anisits) liegen 2 ^^ und 1 i vor; die $$ sind kleiner als oben angegeben: Totallänge 16 — 18 mm, Cephalothorax ca. 7 mm lang, Beine I und 404 Embrik Strand, TV ca. 29 mm, stimmen aber sonst so gut mit oben beschriebener Form, daß die Identität mir nicht fraglich zu sein scheint. Ein ? von Asuncion (Anisits) ist noch kleiner: Totallänge 13,5 mm, Cephalothorax 6 mm lang, 4,5 mm breit. Abdomen 8 mm lang, 5 mm breit. Beine: I Fem. 6, Pat. -f Tib. 9, Met. + Tars. 8 mm; II bzw. 5,5, 7,5, 6,5 mm; m bzw. 5, 5,5, 6,5 mm; IV bzw. 6.5, 7,5, 9,5 mm. Totallänge: I 23; II 19,5; III 17; IV 23,5 mm. also: IV, I, II, IIL Die Genitalien zeigen keine wesentlichen Unterschiede von der größern Form, und bis auf weiteres betrachte ich daher diese Form {var. pijgmaea m.) als artidentisch mit der obigen. Hierzu noch ein ? von San Bernardino (Fiebrig) unter Steinen 22./11,, sowie ein be- schädigtes und daher fragliches ? ebenda in einem Termitenhügel gefunden und ein ? vom 24./7. Ein S von Puerto Max in Paraguay, 19./10. 1902 (Anisits) (Totallänge 15 mm, Cephalothorax 6,5 mm lang). Von Villa Sana, 19./1. 1903 (Anisits), liegt ein fragliches, aber wahrscheinlich dieser Art angehöriges ? vor, das eben während der Häutung gefangen worden war; am Kopfe sitzt noch die alte Haut, teilweise losgelöst, so daß man sowohl die alten als die neuen Augen sieht. Die bisher ganz unbekannten Männchen haben große Ähn- lichkeit mit denen von A. marshi, jedenfalls scheinen die Palpen, soweit man nach den Abbildungen von denjenigen des A. marshi urteilen kann, fast ganz identisch zu sein. Aber durch das Vor- handensein von 3 Zähnen am vordem Falzrande bei A. impar, bei A. marshi angeblich nur 2, leicht zu unterscheiden. — Nach einem 6 von Buenos Aires folgende Beschreibung. S. Am untern Falzrande 3 Zähne, am obern ebenfalls 3, von denen der mittlere erheblich größer ist. Alle Femoren oben 1, 1, 1 Stacheln; I vorn submedian 2, 1, subapical 1, hinten 1, 1, 1, 1, II — III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, IV vorn 1, 1, 1, 1, hinten in der Endhälfte 1, 1, 1. Patellen II bis IV vorn und hinten je 1, I nur hinten 1 Stachel. Tibien I unten 2 Reihen von ca. 8 langen, fein zugespitzten, mäßig abstehenden Stacheln, vorn 1, 1, 1, 1, hinten 1, 1, 1; II unten 7—7, vorn und hinten je 4 oder 5, oben mitten 1; III— IV unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1, 1. Metatarsen I unten 2, 2, 2, 2 kräftige sowie an der Spitze noch 2 ganz kleine Stacheln, vorn und hinten an der Basis je 1 Stachel; II unten wie I, vorn und hinten je 1, 1; Neotropische eteuiforme Spinnen des Berliner Museums. 405 IIT und IV mit vielen Stacheln. — Palpen : Fem. oben 1, 3, Pat. oben 2, Tibialglied innen 2 Stacheln. Totall än.o- 6 15 mm. Ceplialotliorax 7 mm langf. 6 mm breit. Abdomen 8 mm lang, 5 mm breit, an der Basis 3—4 mm breit. Beine: I Fem. 10.5, Pat. + Tib. 15, Met. 11, Tars. 3,5 mm; II bzw. 8,5, 11,5, 9,5, 3,5 mm; IIT bzw. 7,5, 9, 8.5, 3 mm: IV bzw. 10, 12, 12, 3,5 mm. Totalläuge: I 40; II 33; III 28; IV 37,5 mm, also I, IV, II, III. An gen Stellung. Feld der M. A. vorn unbedeutend schmcäler als hinten, etwa so lang wie hinten breit; die vordem j\[. A. wenig kleiner, unter sich fast um ihren Durchmesser, vom Clypeusrande um denselben, von den hintern M. A, um deutlich weniger als den- selben entfernt. Die vordem S. A. mit den hintern M. A. eine pro- curva gebogene Reihe bildend, von diesen und den hintern M. A. etwa um ihren kürzern, von den vordem M. A. um reichlich ihren längsten Durchmesser entfernt. Die hintern M. A. unter sich fast um ihren Durchmesser, von den auf starken Hügeln sitzenden S. A. um erheb- lich weiter als denselben entfernt. Das ganze Tier so abgerieben, daß die Behaarung nicht und die Färbung nur ungenügend erkennbar ist. Der Cephalothorax erscheint olivenfarbig graugelblich mit schwarzer Mittelritze, braunen Strahlenstreifen und hellem Mittellängsstrich auf dem Kopfteile. Alle M. A. und die hintern S. A. in schmalen, schwarzen, sich innen bzw. hinten erweiternden Ringen. Mandibeln rotbräunlich, an der Spitze innen weißlich. Lippenteil beiderseits schmal schwarz be- grenzt, am Ende weiß. Die Unterseite sonst grauweißlich. Beine hell rotbräunlich, die Femoren oben mit Andeutung dunklerer Flecke. Das ganze Abdomen gelblich- weiß, würde aber, wenn die Behaarung erhalten wäre, zweifellos anders aussehen. An den langen Palpen ist das Patellarglied dick, kaum doppelt so lang wie breit und reichlich so lang wie das dünnere, parallel- seitige. nach innen konvex gekrümmte Tibialglied, dessen Spitze außen in einen kleinen, senkrecht gestellten, nach außen gerichteten, entfernt platten förmigen Fortsatz ausgezogen ist. Das große Tarsal- glied ist so lang wie das Femoralglied oder länger als Pat. + Tibial- glied, in eine lange, nach oben konvex gekrümmte, fast zylindrische, etwa schnabelföi-mige Spitze endend, welche die Hälfte der Lamina tarsalis ausmacht, aber kürzer als der Bulbus ist; letzterer zeigt, von außen gesehen, am Ende zwei kurze, hell gefärbte, parallele, nach vorn und unten gerichtete, abgestutzte Fortsätze, von denen der 406 Embrik Strand, distale bei weitem der breiteste ist und mit einer feinen weißen durchscheinenden Membran endet. 2. Acanthoctenus parayuaifensis n. s/y. Ein $ von Postillon in Paraguay 3./11. 1902 (J. D. Anisits), zusammen mit Vogelspinnen unter Baumstämmen g-efunden. Leider ist das Exemplar wenig g'ut erhalten, und die Beschreibung' wird daher lückenhaft werden. Bestachelung-. Alle Femoren oben 1, 1. 1, I vorn in der Endhälfte 2, 1, 1, hinten 1, 1, 1, 1, II — III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, IV vorn 1, 1, 1, 1, hinten am Ende 1; Patellen I — II unbe- wehrt, III— IV vorn und hinten je 1; Tibien I — II unten 2 Reihen von je 8 oder 9 lang:en, spitzen, anlieg-enden Stacheln, vorn und hinten je 1, 1, 1, 1 viel kleinere Stacheln, III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1, 1, IV scheint gleich III zu sein; Metatarsen I — II unten mit 2, 2, 2, 2 starken, anliegenden und so lang-en Stacheln, daß jedenfalls die basalen die Wurzel der folgenden mit ihrer halben Länge überragen, vorn und hinten an der Basis 1 winzig kleiner Stachel; III und IV mit vielen Stacheln. Palpen: Femor. oben nahe der Spitze 2, 3, Pat. oben und innen je 1, Tib. innen 2, oben 1 (oder 1, 1?), Tars. innen 2, 1, außen 1 Stachel. Total länge mindestens 11 mm. Cephal, 6,5 mm lang, ca. 5 mm breit. Abdomen (etwas geschrumpft) 5 mm lang, 4 mm breit. Mandibeln 2,8 mm lang. Beine: I Fem. 7, Pat. + Tib. 10, Met. 6,3, Tars. 2,5 mm; II bzw. 6,5, 8,5, 5,5, 2,2 mm; III bzw. 5,2, 7, 5, 2,2 mm; IV bzw. 7,5, 8,5, 8,2, 2,5 mm. Totallänge: 125,8; II 22,7; III 19,4; IV 26,7 mm, also: IV, I, II, IIL Färbung des Cephalothorax hellrötlich oder dunkelbraungelb, mit undeutlich hellerer, wahrscheinlich weißbehaarter, oben tief ge- zackter Submarginalbinde und ähnlicher Mittellängsbinde, die auf dem Kopfe und um die Mittelritze erweitert ist und auf dem Kopfe etwa 4 undeutliche dunklere Längsstriche zeigt; ferner mit schwarzer, 3- oder 4mal unterbrochener Randbinde. Augen in schwarzen, hinten oder innen etwas erweiterten Ringen. Extremitäten dunkelgraulich, Femoren oben mit einem deutlichen mittleren und 2 verwischten Endiingen heller, Spitze der Patellen schmal heller, Tibien und Metatarsen mit medianem und basalem Ringe heller. A u g e n s t e 1 1 u n g (wie gewöhnlich in Flüssigkeit gesehen). Das mittlere Augenfeld reichlich so breit wie lang, vorn ein wenig Neotropische cteuiforme Spinnen des Berliner Museums. 407 schmäler als hinten; die vordem M. A. unbedeutend kleiner als die hintern, unter sich um ihren doppelten Durchmesser, vom Clypeus- rande um ihren einfachen Durchmesser entfernt. Die vordem S. A. von den vordem M. A. und hintern S. A. etwa gleichweit entfernt, von den hintern M. A. um etwas weniger entfernt, mit den hintern M. A. eine so stark procurva gebogene Reihe bildend, daß eine die M. A. unten und die S. A. oben taugierende Linie procurva wäre. (Da der Cephalothorax etwas zerdrückt ist, sind diese Angaben vielleicht nicht absolut genau; ein wenig unsymmetrisch erscheint die Augen- stellung.) Die Epigyne erscheint in Flüssigkeit als ein kleines, rundlich- ovales Feld, das ein wenig länger als breit ist, vorn sehr schwach, hinten deutlicher zugespitzt, von einem breiten hellgelblichen, innen breit weiß angelegten Rande umgeben und mitten dunkelgrau ist. Trocken gesehen erscheint die Epigyne als eine kleine, tiefe, scharf umrandete, im Grunde fein längsgerippte Grube, die vorn fast quer- geschnitten und daher etwas mehr dreieckig als in Flüssigkeit ge- sehen erscheint. Färbung. Das Abdomen erscheint schAvarz, undeutlich heller getüpfelt und punktiert, und zwar lassen sich diese helleren Punkte an den Seiten zur Not als 3-4 Querwische erkennen, während oben längs der Mitte etwa 4—5 quergestellte, leicht gekrümmte (nach hinten ofi'ene) ebenso undeutliche Flecke sich finden, an deren beiden Enden je ein kleiner, aus langen, weißen, abstehenden Haaren gebildete Fleck vorhanden ist. 3. Acaiit/ioctenus hahlensls n. np. Ein $ von Bahia (Selenkaj. ?. Femoren I vorn mit 1, 1, 1 dichtstehenden Stacheln in der Apicalhälfte (a'ou der Spitze um die Länge der Reihe entfernt); alle Femoren oben mitten, vorn und hinten bestachelt. Tibien I unten 2 Reihen von je 10, Metatarsen I von je 7 Stacheln, beide ohne Lateralstacheln. Tibien III — IV unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1, 1 Stacheln. Färbung, wie das Exemplar jetzt, abgerieben und auch sonst nicht ausgezeichnet erhalten, vorliegt, dunkel graulich-braun, Unter- seite mehr olivengraulich, die hintern Metatarsen in der Mitte und die ganzen Tarsen III — IV sowie die Spinn warzen gelblich. Abdominal- rücken jetzt einfarbig, scheint aber Reihen weißer Haarflecke ge- 408 Embrik Strakd, liabt zu haben und vielleicht auch weitere, durch die Be- haarung- gebildete Zeichnungen. Mandibeln dunkelbraun , leicht gerötet. Die Epigyne recht klein, erscheint in Flüssigkeit als ein brauner, vorn abgestutzter, an den Seiten gerundeter, etwas länger als breiter Fleck, der ein helleres, vorn und an den Seiten durch eine schwarze Linie begrenztes, vorn abgerundetes und erweitertes, von der Mitte an nach hinten schwach und allmählich verschmälertes Längsfeld einschließt; hinten beiderseits ein runder, dunkelbrauner Fleck. Trocken gesehen erscheint die Epigyne als eine ziemlich tiefe, von einem lang hufeisenförmigen, nach hinten offenen, erhöhten Rand umgebene Grube, die im Grunde fast gänzlich von einem nach hinten sich verschmälernden, aber gleichzeitig ein wenig höher werdenden Längsseptum eingenommen wird. Totallänge 12 ram. Cephalothorax 5 mm lang. 3,8 mm breit. Abdomen 6,7 mm lang, 4 mm breit. Beine: I Fem. 5, Fat. 2,3, Tib. 5,5, Met. 4.5, Tars. 1,4 mm; II bzw. 4,8, 2,3 (das Übrige fehlt); III bzw. 3,8, Fat. + Tib. 4,8, Met. + Tars. 5 mm; IV bzw. 5, 6,2, 7,2 mm. 4. Acanthoctenirs saraensis n. sp. Ein Pärchen von: Prov. Sara, Bolivia, 600 m (J. Steinbach). (?. Alle Femoren oben mitten 1, 1, 1: I vorn submedian 2, 1 sowie an der Spitze 1. hinten 1, 1, 1. 1: II— III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1; IV vorn 1. 1. 1, 1. hinten in der Endhälfte 1, 1, 1 Stacheln. Alle Patellen vorn und hinten je 1 Stachel. Tibien I unten 2 Reihen von 6 — 7, vorn und hinten je 1 von 4 oder 5; II unten 2, 2, 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, 1, 1. beide oben je 1, 1. 1 Stacheln; III — IV unten 2. 2. 2. vorn und hinten je 1. 1. oben 1, 1, 1 Stacheln. Metatarsen I — II unten etwa 2, 2, 2 lange, starke, schräg abstehende, am Ende scharf zugespitzte und zum Teil leicht gebogene Stacheln, sowie 1 (bisweilen mehr?) kleiner Stachel unten an der Spitze und mehrere an den Seiten; III — IV noch zahlreicher bestachelt. — Femoralglied der Palpen oben am Ende 1, 3. Patell. oben innen 1, Tibialglied innen nahe der Basis 2 Stacheln. — An beiden Falzrändern 3 Zähne. Das Cribellum scheint ungeteilt zu sein: vom Calamistrum sehe ich nichts. Cephalothorax und Extremitäten gefärbt etwa wie h^iA.impar Neotropische cteniforme .Spinneu des Berliner Museums. 409 mit der AusiialniR', daß au I- 11 die g'aiizen Metatarseii und Tarsen und die apicalen zwei Drittel der Tibien geschwärzt sind. Man- dibeln scinvaizbrauii. Das orauliche, fein lieller und dunkler punk- tierte Abdomen oben mit Andeutung- eines heilern Herzstreifens sowie mit 2 parallen Längsreihen von je 5 schwarzen Flecken; die Seiten iiinten dunkler grau, der Bauch hell graugelblich. Palpen sehr charakteristisch durch das stark verdickte Patellar- glied; es ist länger als das Tibialglied (bzw. 2,2 und 2 mm), von oben gesehen etwa trapezförmig erscheinend, die Außen- und Innen- seite in der größern Endhälfte parallel, am Ende fast doppelt so breit wie das Tibialglied, mit der äußern Ecke in einen kurzen, in 2 kleinere Höcker endenden Fortsatz ausgezogen; von außen ge- sehen erscheint das Patellarglied abgerundet dreieckig, am tief- schwarz gefärbten Endrande einen stumpfen, etwa dreieckigen Höckerfortsatz bildend. Das Tibialglied erscheint von oben fast parallelseitig, nach innen konvex gebogen , an beiden Enden quer- geschnitten, nur die äußere Apicalecke einen kleinen Höcker bildend. Tarsalglied umfangreich, 3,5 mm lang; von innen gesehen erscheinen am Ende des Bulbus ein tiefschwarzer, kräftiger, stumpfer, nach vorn und wenig nach unten gerichteter, ziemlich kurzer Fortsatz und oberhalb dieses eine feine, gerade, nach unten und etwas nach vorn gerichtete Spina, deren Spitze den stumpfen Fortsatz zu er- reichen jcheint. Total länge 20 mm. Cephal. 8,5 mm lang, 7 mm breit. Beine : I Fem. 11,5, Pat. + Tib. 17, Met. + Tars. 16 mm ; II bzw. 10.5, 14, 13,5 mm; III bzw. 8,5, 10, 11 mm; IV bzw. 11, 13, 17 mm. Totallänge: I 44,5; II 38; III 29,5; IV 41 mm. Also: I, IV, II, III. Augen in Flüssigkeit gesehen. Das mittlere Augenfeld qua- dratisch, die Augen gleichgroß, unter sich um weniger als ihren Durchmesser, vom Clypeusrande um etwa denselben entfernt. Die vordem S. A. von den vordem M. A. etwa doppelt so weit wie von den hintern M. A. und von letztem und den hintern S. A. etwa gleichweit entfernt, mit den hintern M. A. eine schwach procurva gebogene Reihe bildend. Lippenteil erheblich länger als breit, die Mitte der Maxillen überagend, deutlich länger als bei typischen Acanihodenus. Durchaus kein typischer Acanthoctenus. d. Dimensionen etwa wie beim Ac.impar: Körperlänge 21 mm, Cephalothorax 8 mm lang. 7 mm breit, Abdomen 11 mm lang, (3,5 mm breit. Beine: I Fem. 10,5, Pat. + Tib. 15, Met. -j- Tars. 410 Embrik Strand, 12 mm; II bzw. 9, 12,5, 10,5 mm; III bzw. 8, 10, 10 mm; IV bzw. 10, 12,5, 15,5 mm. Totallänge: I 37,5; II 32; III 28; IV 38 mm. Abdomen weniger deutlich gefleckt als beim S- Die Epigyne fast wie bei Äc. impar, erscheint aber in Flüssig- keit vorn mitten nach vorn deutlicher ausgezogen und verschmälert und etwa ein abgerundetes Fünfeck bildend, das hinten querabge- schnitten, breiter als lang (bzw. 1,5 und 1,3 mm), mitten graugelb- lich und ringsum braun umrandet ist; die beiden Spiralen treten weniger deutlich hervor jals bei A. inipar, und sie bzw. ihre Grüb- chen sind unter sich durch ein auch mitten deutlich erkennbares und an beiden Enden gleichstark dreieckig erweitertes Septum getrennt und werden in ihrem hintern Drittel oder Hälfte von je einem tiefschwarzen, sich noch weiter nach hinten erstreckenden Fleck erfüllt. Der Rand der Epigynengrube stärker erhöht als bei A. impar. Araneae Ecribellatae. Fam. Clubionidae. Subfam. Cteninae. Gen. Cteniis Walck. 1805. 1. Ctenus brevipes Keys. 1891. Ein ? von Theresopolis, Dez. 1887 (F'kuhstorfee). $. Totallänge: 12 mm. Cephal. 6 mm lang, 4 mm breit. Abd. 5,5 mm lang, 3,5 mm breit. Beine: I Fem. 4, Fat. -|- Tib. 6, Met. + Tars. 4,5 mm ; II bzw. 3,8, 5, 4,5 mm ; III bzw. 3,5, 4, 4 mm ; IV bzw. 5, 6, 6,5 mm. Totallänge: I 14,5; II 13,3; III 11,5; IV 17,5 mm, also : IV, I, II, III. Die iVrt ist charakteristisch durch den kurzen Lippenteil. Mein Exemplar weicht allerdings in mehreren Punkten von Keyseeling's Beschreibung ab, was aber nicht soviel zu sagen braucht, da letztere augenscheinlich zum Teile ungenau ist; so steht z. B., der Cephalothorax sei ungefähr so lang wie Femur I, einige Zeilen höher aber wird ersterer = 5, letzteres ^ 3,6 mm lang angegeben. Die Beine ein wenig länger als von Keyserling angegeben, und daß der Bauch tiefschwarz ist, erwähnt er nicht. Behaarung der Mandibeln nicht schwarz, sondern braun, die vordem M. A. unter Neotropische cteuifonne Spinnen des Berliner Mnseums. 411 sich und von den hintern ^I. A. etwa gleicliweit, und zwar um mehr als ihren Durchmesser entfernt, die vordem S. A. von den hintern M. A. um ihren längsten und um deutlich mehr als ihren kürzesten Durchmesser entfernt. Sternum mit duuklern SeitenÜecken und ebensolchem 'S! ittellängsstriche. Sollte die Art von der Keyserling's verschieden sein, möge sie den Namen hrrn'labris m. bekommen. 2. Ctemis oceUirentef a. .s^>. Lokalität: Para (Schulz) (5 dc^). S. Alle Femoren oben mitten 1, 1, 1, I vorn im apicalen Drittel 2, 1, hinten 1, 1, 1, II vorn 1, 1, 2, hinten 1, 1, 1, III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1; IV vorn 1, 1, 1, 1, hinten nahe der Spitze 1, 1 Sta- cheln; alle Patellen vorn und hinten je 1; Tibien I — II unten 2. 2. 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1 (oder vorn vielleicht 1, 1, 1), oben ebenfalls 1, 1 Stacheln; III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1, 1, 1; IV wie III; Metatarsen I — II unten 2, 2 starke Sta- cheln, vorn und hinten je 1, 1, 2 kleine Stacheln; III unten 2, 2, 2, von denen die apicalen viel kleiner, vorn 1, 1, 2, hinten 1. 2, 2 Stacheln ; IV ähnlich, aber unregelmäßiger bestachelt. — Palpen : Fem. oben 1, 1, 4; Pat. und Tib. unbestachelt. Totallänge 10 mm. Cephalothorax 5,5 mm lang-, 4 mm breit. Abdomen 5 mm lang, 3,5 mm breit. Beine: I Fem. 5,5, Pat. -f- Tib. 8, Met. + Tars. 7,5 mm; II bzw. 5,2, 7. 6,5 mm; III bzw. 4,5, 5,5, 6.3 mm: IV bzw. 6, 7,5, 9 mm. Totallänge: I 21; II 18,7; III 16.3; IV 22.5 mm. Also: IV, I, II, III. Palpen: Fem. 3,3, Pat. 1,5, Tib. 2,5, Tars. 1,7 mm, zusammen also: 9,1 mm. Am untern Falzrande 4 Zälme, von denen aber der eine zu winzig klein ist und wohl mitunter gänzlich fehlt. — Die untern Tibialstacheln länger als gewöhnlich bei Ctemis, jedoch die Basis des folgenden Paares nicht oder kaum überragend. Lippenteil kaum länger als breit und die Mitte der Maxillen jedenfalls nicht über- ragend. Färbung. Cephalothorax und Extremitäten bräunlich-gelb, ersterer mit schmaler, i)arallelseitiger, um die ]\Iittelritze ganz schwach erweiterter, bis zum Hinterrande reichender, heller Mittellängsbinde, die um die Mittelritze etwa so breit wie die Basis der Patellen I ist und zwischen den hintern M. A. endet; an den Seiten je eine ähn- liche, aber weniger deutliche Längsbinde, die um ihre eigne Breite 41:2 Embrik Strand, von dem durch eine feine schwarze Linie bezeichneten Seitenrande entfernt ist. Mandibeln kaum dunkler. Sternum, Maxillen und Coxen hell graugelblicli, Lippenteil dunkler. Abdomen hell grau- gelblich, oben der ganzen Länge nach mit einer von der Grund- farbe gebildeten, beiderseits von einem schwärzlichen, nur vorn zusammenhängenden, sonst in Fleckchen aufgelösten Längsstreifen begrenzten, etwa 1,5 mm breiten Längsbinde, die, jedenfalls hinten, Andeutung einer dunklern Mittellängslinie zeigt. Seiten, insbeson- dere hinten, spärlich schwarz punktiert. Bauch mit scharf mar- kiertem, schwarzem, dreieckigem, mit der Spitze die Spinnwarzen nicht ganz erreichendem Mittellängsfelde, das vorn fast so breit wie das Sternum ist und daselbst zwei runde, weiße, unter sich und vom Vorderrande um reichlich ihren Durchmesser entfernte Flecke hat. Die Palpen auffallend lang (siehe Dimensionen!) und dünn. Femoral-, Patellar- und Tibialglied an Dicke unter sich gleich, letzteres am Ende schwach verdickt, daselbst oben außen mit einem nach vorn gerichteten Fortsatze, der, von der Seite gesehen, schwach nach oben konvex gebogen ist, gegen die schräg abgeschnittene sowie mitten etwas ausgerandete Spitze sich allmählich verschmälert und nur so lang wie die Hälfte der Breite der Spitze des Gliedes ist; von oben gesehen erscheint er nach vorn und leicht nach außen gerichtet und gegen die ziemlich scharfe Spitze allmählich verjüngt. Von der Mitte des kleinen Bulbus entspringt eine an der Basis dicke, gegen das Ende lang und fein zugespitzte, zuerst nach innen gerichtete, dann nach vorn und wieder nach außen gekrümmte Spina ; der verjüngte Teil derselben erscheint in Profil gerade nach vorn gerichtet und am Ende ganz schwach nach unten gekrümmt. Mit der als Ctenus brevipes Keys, hier beschriebenen Form so nahe verwandt, daß die Zusammengehörigkeit vielleicht nicht aus- geschlossen sein dürfte. Bisweilen bildet die dunkle Begrenzung der Mittellängsbinde des Abdomens 2 zusammenhängende Längsstreifen, und die dunkle Mittellängslinie der Binde kann sich vorn in 2 spalten, die mehr oder weniger deutlich einen lanzettförmigen Raum begrenzen. Bei einem Exemplar sind die w^eißen Bauchflecke (die „Ocellen") etwas in die Länge gezogen, und meistens zeigt das Bauchfeld noch An- deutung zweier hellerer Punktlängsreihen. Neotropische cteniforme Spinueu des Berliner Museums. 413 3. Ctemiti dej>ilatas u. fip. Ein schlecht erhaltenes Exemplar (S) von Columbia (Dana). S. B e s t a c h e 1 u n g läßt sich nur teilweise erkennen. Femoren T oben mitten 1. 1. 1, hinten 1. 1. 1. 1, vorn 1, 2, 1, II oben 1, 1, 1, voiii und hinten je 1, 1, 1, 1. (III?), IV oben 1, 1, 1, vorn und hinten je 1, 1, 1, 1 Stacheln. Alle Patellen scheinen vorn und hinten je 1 Stachel g-ehabt zu haben. Tibien I unten 2, 2, 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1 (oder an der einen Seite bisweilen 1. 1, 1), oben 1, 1. 1, (11 ?), III — IV unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben 1. 1. 1 Stacheln. Metatarsen I unten 2, 2, 2, vorn und hinten an der Basis 1, (II ?), III unten 2, -2, 2. vorn und hinten je 1, 1, 2, IV wie III sowie mit noch 1 oder 2 überzähligen Stacheln. Femoral- glied der Palpen oben 1, 4 Stacheln. Dimensionen. Cephalothorax 14 mm lang ohne Mand.. 16 mm lang mit denselben, 11 mm breit, vorn ca. 6 mm breit. Beine: I Fem. 15,5, Pat. 6,5, Tibia 16,5, Met. 16, Tars. 5 mm; II bzw. 15, 6,5 mm (das Übrige fehlt!); III bzw. (Fem. fehlt!), 5,5, 10, 10,5, 3.5 mm; IV bzw. 16, 6, 14, 18 mm (Tars. fehlt!). Also: I 59,5; II 21,5 (ohne Tib. + Met. + Tars.) ; III 29,5 (ohne Fem.); IV 54 mm (ohne Tars.). Femoralglied der Palpen 7, Pat. 3, Tib. 4, Tars, 4,5, zusammen also: 18,5 mm. Abdomen 14 mm lang. Färbung. Behaarung fast gänzlich abgerieben. Cephalothorax und Extremitäten erscheinen in Flüssigkeit dunkel rotbraun bis (Metatarsen I) fast schwarz; Scopula gelblich, Femoren unten zum Teil jedenfalls gelblich behaart, Mandibeln vorn wie Cephalothorax, an den Seiten dunkler behaart, vorn oben scheint weißliche, an der Spitze lebhaft rotgelbe Behaarung vorhanden. Coxen und Sternum (ebenfalls abgerieben) dunkel rötlich; Maxillen charakte- ristisch in der Endhälfte schwarz mit weißem Endrande, in der Basalhälfte rötlich mit dunklerm Innenrande; Lippenteil rötlich mit 2 schwarzen Endflecken. Das ebenfalls abgeriebene Abdomen graugelblich, oben vorn mit einem durch die dunkle Begrenzung angedeuteten, bis reichlich zur Mitte reichenden Lanzettstreifen. Der Bauch wahrscheinlich schwarz gewesen. Tibial- und Tarsalglied der Palpen innen dicht scopuliert, Palpenorgane ähneln denen von Ct. holiviensis F. Cbr., aber u. a. dadurch zu unterscheiden, daß der gekrümmte Fortsatz längs dem Innenrande des Bulbus am Ende ziemlich lang und scharf zugespitzt Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 28 414 Embrik Strand, und an seiner der Mitte des Bulbus zugekehrten Seite nicht wellenförmig- ausgerandet ist; diese Spitze tritt im Profil sehr deutlich hervor und ebenso ein von kurz vor der Mitte des Bulbus entspringender, dem Außenrande des letztern am nächsten stehender, in Seitenansicht etwa bohnenförmig erscheinender Fortsatz. Zwischen diesem und der Spitze des gekrümmten Fortsatzes, diese teilweise umfassend, ist eine feine weiße, durchscheinende, schräg quergestellte, gekrümrate Membran vorhanden. Der Fortsatz des Tibialgliedes ähnelt dem von Ct. holiviensis, erscheint aber im Profil breiter, mit den beiden Ecken der Spitze rechtwinklig und gleichstark vor- stehend (bei holiviensis erscheint die untere spitz ausgezogen, die obere breit gerundet). — Von Ct. holiviensis ferner durch geringere Größe zu unterscheiden (cf. Steand, in : Ztschr. ges. Naturw., Vol. 79, p. 271). Augenstellung. In Flüssigkeit gesehen erscheint das Feld der M. A. subquadratisch, die vordem M. A. unbedeutend kleiner, unter sich um ihren Durchmesser, von den hintern M. A. um kaum so weit, vom Clypeusrande um etwa ihren doppelten Durchmesser entfernt. Die vordem S. A. mit den hintern M. A. eine schwach procurva gebogene Reihe bildend, von diesen und von den hintern S. A. etwa gleichweit, um ihren längsten Durchmesser entfernt. 4. Junge Cteniden. Von San Bernardino, Paraguay (K. Fiebeig) liegen 2 junge Cteniden vor, das eine Ex. Ctenus sp. äff. anisitsi m., das andere vielleicht ein Enojjlodenus, beide so jung und auch beschädigt, daß eine nähere Bestimmung nicht möglich ist. Hierzu folgende Notiz von Fiebeig: „Aus der Krone eines 30!! m hohen Caesaria gossy- piosperma viele Spinnen. Die graugrüne [hierzu eine Figur, welche die Augenstellung eines Cteniden andeutet (E. S.)] ließ sich an einem Fadenbande herab, aus vielen Fäden bestehend — 2 mm breit! Die unterste Spinne aus der Krone eines 15 m hohen Chrysophyllum lacunifolium." Leider liegen mir jetzt von diesen „vielen Spinnen" nur die 2 vor, und ich kann daher nur sagen, daß die Spinne mit dem „Fadenbande" eine Ctenide war (wahrscheinlich eine andere, größere^ als die vorliegenden) und daß also auch junge Cteniden sich in Baumkronen in beträchtlicher Höhe aufhalten können. Neotropische cteniforme Spinueu des Berliner Museums. 415 Gen. JEHopToctenus Sim, 1897, Steaxd em. (= Enoploctenus Sim. -j- Phymatodenus Sim.). Die „Gattimgen" Enoplodenns und Phymatodenus, wie sie von Simon 1897 diagnostiziert wurden, gehen so allmählich ineinander über, daß sie vereinigt werden müssen; der Name Enoplodenus hat die „Paginapriorität". 1. EnopIoctenuH pedatissimits n, sjy. Ein S von Santa Inaz, Ecuador, März 1899 (R. Haensch). S. Be stach elung. Alle Femoren oben 1, 1, 1, I vorn 1, 2, 1, hinten 1, 1, 1, 1, II — III vorn und hinten 1, 1, 1, 1, IV vorn 1, 1, 1. 1. hinten jedenfalls 1, 1 nahe der Spitze. Patellen III— IV vorn und hinten je 1, I — II scheinen nur vorn 1 zu haben. Tibien I unten vorn 1, 1, 1, 1, 1, 1, unten hinten 1, 1, 1, 1, 1, vorn nahe der Basis bisweilen 1. hinten 1, 1. oben 1, 1, 1, II wie I, III unten 2, 2, 2, vorn, hinten und oben je 1, 1, IV wie III. Metatarsen I— II unten 2, 2, 2 starke Stacheln und 2 winzig kleine an der Spitze, vorn und hinten je 1, 1, 1 Stacheln (III nicht genau zu erkennen), IV mit ziemlich unregelmäßig gestellten Stacheln. — Palpen : Fem. oben 1, 4, Pat. innen 1, Tib. nahe der Basis innen 2, oben 1 Stachel. Körperl änge 15 mm. Ceplial. 7 mm lang, 5,5 mm breit. Abdom. 7,5 mm lang, 4 mm breit. Beine: I Fem. 11,5, Pat. -\- Tib. 15,5, Metat. 13, Tars. 5 mm; II bzw. 10, 14, 12, 4,5 mm; III bzw. 8.5, 11,5 mm; Met. mindestens 7,5 mm (abgebrochen!); (Tarsus fehlt!); IV bzw. 11, 13, 15, 5 mm. Totallänge: I 45; II 40,5; III mindestens 27,5; IV 44 mm, also: I, IV, II, III. Palpen: Fem. 4,5, Pat. 1,8, Tib. 2,8, Tars. 3, zusammen also 12,1 mm. Mandibeln 3 mm lang. Am untern Falzrande 4 gleichgroße, dicht beisammenstehende Zähne, am obern 3, von denen der innere erheblich kleiner ist. Lippenteil etwa gleichlang und breit oder unbedeutend länger als breit, die Mitte der Maxillen kaum erreichend, am Ende quergeschnitten, von Form fast viereckig. Maxillen oberhalb der Einlenkung der Trochanteren schwach ausgeschnitten, in der Endhälfte am breitesten, daselbst außen stark gewölbt begrenzt, am Ende mitten eine recht- winklige Ecke bildend. Scopula an allen Tarsen (an IV mit Borsten untermischt) und an der Endhälfte der Metatarsen I— III. — Die obern Spinnwarzen reichlich so lang wie die untern. 28* 41Ö Embrik Strand, A u g- e 11 s t e 1 1 u n g- in Flüssigkeit gesehen. Mittleres Augenfeld reiclilich so lang wie breit, hinten kaum breiter als vorn und die hintern M. A. fast unmerklich größer als die vordem, die unter sich um weniger als ihren Durchmesser, von den hintern M. A. um den- selben, vom Clypeusrande um den anderthalben Durchmesser ent- fernt sind. Die 2. Augenreihe ist so stark procurva, daß eine die M. A. unten und die S.A. oben tangierende Linie gerade wäre; die 8. A. von den hintern S. A. und M. A. um etwa ihren längsten Durch- messer, von den vordem M. A. um unbedeutend weiter entfernt. Die hintern M. A. unter sich um weniger als ihren Radius und weniger als von allen andern Augen entfernt. Die vordem S. A, größer als bei Phymatoctenus comosus Sim. oder Enoplodenus germaini Sim. nach den Abbildungen in Simon's Hist. nat. , Vol. 2, p. 116 zu urteilen. Färbung. Cephalothorax graubraun mit hellgelblicher, regel- mäßig und scharf begrenzter Mittellängsbinde, die vorn so breit wie das Augenfeld ist und am Hinterrande in einem Punkte endet und auf dem Brustteile mit gelblicher, weiß behaarter, oben leicht wellen- förmig begrenzter Randbinde, die wenig schmäler als die von der Grundfarbe gebildete Seitenbinde ist. Augenfeld und Clypeus schwärzlich. Mandibeln hell rötlich-braun, vorn in der Endhälfte geschwärzt, in der Basalhälfte mit 2 — 3 dunklen Linien. Unterseite blaß graugelblich. Extremitäten hell olivenfarbig bräunlich-gelb, Femoren mit je 2 breiten, schwärzlichen Ringen, Tibien mit An- deutung von ebensolchen. Palpen wie die Beine, Femoralglied innen mitten mit schwarzem Fleck, nahe am Ende mit ebensolchem Halbringe. Abdomen graubraun, mit rötlichen Haaren untermischt, oben in der Basalhälfte mit schmalem, w^eißem, rötlich begrenztem Längsstrich, an jeder Seite dieses 3 schwarze Querflecke und weiter nach hinten 2 Paar kleinerer ebensolcher, sowie 2 oder 3 Paar kleiner, aus langen, weißen, abstehenden Haaren gebildeten Punktfleckchen. Bauch graubraun, mit 4 nach hinten konvergierenden Reihen weißer Punktflecke, sowie noch 1 oder 2 solcher Reihen jederseits des Bauchfeldes. Spinn warzen unten und seitlich geschwärzt, an der Spitze heller. Tibialglied der Palpen gegen die Spitze ganz leicht an Dicke zunehmend, daselbst außen mit einem kleinen, nach außen, vorn und unten gerichteten, am Ende scharf zugespitzten Zahnfortsatz, der kaum halb so lang ist wie die Breite des Gliedes an der Spitze. Das Tarsalglied erscheint, von oben (vorn) gesehen, etwa birnförmig, außen in der Basalhälfte kommt der Bulbus als eine halbmond- Neotropische cteniforme Spinnen des Berliner .Museums. 41 7 förmige Platte zum Vorschein, und Aon der Mitte dieser sieht man anscheinend einen spitz dreieckigen, nacli außen und leicht nach vorn gerichteten Fortsatz entspringen. Bulbus stark abstehend, ent- fernt halbkugelförmig (unten abgeflacht); im Prolil bemerkt man am Inneniande 2 spitz zahnförmige, senkrecht gestellte Fortsätze, am Außenrande einen ähnlichen, nach außen und unten gerichteten Fortsatz ; von unten gesehen fallen 1 odei-, wenn man will, 2 schmal leistenförmige, sich über die ganze Breite des Bulbus erstreckende Fortsätze am Ende des Bulbus auf. Ein ganz tyinscher Enoplocfenus ist das Tier nicht; die Gattung, wie sie von Simon diagnostiziert wird, läßt sich von Phijmafo- rfeuKS nicht getrennt aufrechterhalten. 2. J^noploi'tetiiis sp. (janciroensis n. sp.?). Von Rio de Janeiro, Berg Corcorado (Dr. Davidsohn), liegt 1 unreifes und beschädigtes S vor, das ich jedoch, da es sich um eine seltnere Gattung handelt, kurz beschreiben und mit dem pro- visorischen Namen janeiroensis m. belegen möchte. c^ subad. Dimensionen. Cephalothorax 10mm lang, 8 mm breit, vorn 5 mm breit. Abdomen ca. 14 (?) mm lang. Beine: I Fem. 12, Fat. 4.5, Tib. 12,5, Met. 11,5. Tars. 4 mm; II bzw. 1L5, 4,5, 11, 10,5, 4 mm; III bzw. 10, 3,8, 9, 10,5, 3,5 mm; (IV fehlt). Also: I 44.5. II 41,5, III 36,8, (IV?). Palpen: Fem. 4,5, Pat. 2, Tib. 2,5, Tars. 4 mm., zusammen also 13 mm. Bestachelung (IV fehlt). Femoren oben mitten 1, 1, 1, I vorn und hinten je 1, 1, 1 Stacheln, von denen die vordem länger und w'eniger regelmäßig gestellt sind; II— III vorn und hinten je 1. 1. 1, 1. Patellen I — III vorn unbewehrt (ob immer?), III und bisweilen I hinten 1 kleiner Stachel. Tibien I unten vorn 8, unten hinten 7 fast anliegende Stacheln, die so lang sind, daß die proxi- malen die Basis des folgenden Paares um ihre halbe Länge über- ragen, vorn nahe der Basis und der Spitze je 1 Stachel (beide können anscheinend bisweilen fehlen), hinten nahe der Basis 1, 1; II unten vorn und unten hinten je 7. vorn und hinten wie I; III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben in der Endhälfte 1 Stachel. Metatarsen I unten 2, 2, 2, vorn und hinten an der Basis 1 oder vorn 1, 1; II wie I, aber vorn nur 1; III unten 2. 2, 2 kräftige und an der Spitze 2 ganz kleine Stacheln, vorn und hinten je 1, 1, 1 oder vorn 1, 1, 1 1. — Palpen: Fem. oben 1, 4, Pat. innen 418 Embrik Strand, 1, Tib. innen nahe der Basis 2, oben 1, 1, 1 oder 1, 1, 0, außen 1. das unreife Tarsalglied trägt innen 2, 1, außen 1 Stachel sowie an der Spitze eine kräftig* gezähnte Kralle. Färbung offenbar schlecht erhalten. Cephalothorax und Ex- tremitäten hell graubräunlich, ersterer vorn dunkler oder rötlicher, letztere mit Andeutung dunklerer Flecke an den Femoren und dunkler Ringe an den Tibien. Mandibeln rötlich - schwarz mit violettem Anfluge. Sternum scheint braun, Lippenteil und Maxillen rötlich-braun mit hellerer Spitze. Tibialglied der Palpen mit 2 heilern Haarblößen. (Abdomen wie gefärbt ?) Die Spinn warzen scheinen unten und an den Seiten schwärzlich zu sein, mit weißlicher Spitze. Augen. Feld der M. A. vorn und hinten gleichbreit , länger als breit, die vordem M. A. kaum kleiner, unter sich um weniger, von den liintern M. A. um reichlich -/g ihres Durchmessers, vom Clypeusrande um den 1^/3 Durchmesser entfernt. Die vordem S. A. bilden mit den hintern M. A. eine procurva gebogene Reihe, ver- hältnismäßig groß und wenig länger von den vordem als von den hintern M. A. entfernt. (In Flüssigkeit.) 3. Enoi^locteniis f/eraleiisis n. sp, ? von Sierra Geral (Hensel). $. Körperlänge 24 mm. Cephal. 9,5 mm lang, 8 mm breit. Abd. 13 mm lang, kurz hinter der Mitte 9, an der Basis 5 — 6 mm breit. Beine: I Fem. 12, Fat. 5, Tib. 12,5, Met. 11,5, Tars. 4 mm; II bzw. 11,5, 4,5, 11, 10,5, 3,7 mm; III bzw. 10,5, 3,5, 10, 11, 3,5 mm; IV bzw. 12, 3,5, 11, 14,5, 4 mm. Totallänge: 145; 1141,2; 11138,5; IV 45 mm, also I = IV, II, III. Palpen : Fem. 4,5, Pat. + Tib. 4,5, Tars. 3,5 mm, zusammen also: 12,5 mm. Die Epigyne 2 mm lang, 1,7 mm breit und erscheint trocken gesehen als aus einem länglich fünfeckigen (die vordere Hälfte spitz dreieckig, die hintere trapezförmig und zwar die Hinterseite die kürzeste), der Länge nach leicht ausgehöhlten, erhöhten Mittelstück, das vor der Mitte jederseits von einer tiefen, runden Aushöhlung begrenzt wird, in der Mitte an jeder Seite an einem in Profil drei- eckig erscheinenden, senkrecht gerichteten Zahnhöcker grenzt und hinter der Mitte jederseits durch eine feine, tiefschwarz gefärbte Furche von einem glatten, glänzenden, leicht quergewölbten Längs- wulst getrennt wird. In Flüssigkeit tritt besonders die schwarze Randlinie des Mittelstückes und zwar auch in der vordem Hälfte Neotropische cteuiforme Spinnen des Berliner Museums. 419 scharf hervor; die Färbung; rötlicli-braun, die der vordem Aus- hölilmisicn weißlich. Tibieii 1 — II unten mit 7 Paaren langer, kräftigfer Stacheln, in der l^asalhälfte hinten 1. 1, ebenda voi'n 1, oben (jedenfalls an II) 1, 1 oder 0, 1 kleine Stacheln. Alle Ferneren wie ge\v(ihnlicli mit 3 Reihen Stacheln, alle Patellen scheinen dag-eg-en unbewehrt zu sein. Metatarsen I — II unten 2, 2. 2 starke Stacheln, vorn und hinten an der Basis je 1 kleiner Stachel. Tibien und Metatarsen III — IV etwa in der gewöhnlichen ^^'eise bestachelt. — Palpen: Fem. oben 1.4, Pat. innen 1, Tib. oben 1, 1, innen 2, außen 1 Stachel, Tarsalglied nahe der Basis innen 2, außen 1 Stachel. Färbung. Cephalothorax und Fxtremitäten hell rötlich-braun bis rötlich-gelb, ersterer um die Mittelritze am hellsten, mit dunklern Strahlenstiichen und schwärzlichem Augenfelde und Mitte des Clypeus, letztere oben an den Femoren undeutlich heller und dunkler gefleckt, mit undeutlicher, dunkler Querbinde kurz außerhalb der Mitte. Mandibeln rötlich-schwarzbraun. Tibien mit Andeutung eines hellem Mittelringes. Lippenteil und Maxillen dunkel rotbraun, am Ende schmal weißlich. Sternum hell rötlich-braun mit undeutlich dunklerm Rande, Coxen ein wenig heller. Das stark abgei'iebene Abdomen erscheint jetzt hell graugelb bis hellbraun, etwas ockerfarbig, oben ist jedenfalls in der hintern Hälfte eine helle Längsfigur und über der Mitte eine ebensolche Querfigur vorhanden gewesen. Bauch ebenfalls stark abgerieben, einfarbig ockergelblich. Augen. Feld der M. A. ein wenig länger als hinten breit, vorn unbedeutend schmäler; die vordem M. A. kleiner, unter sich fast um ihren Durchmesser, von den hintern um reichlich denselben, vom Clypeusrande um etwa den Vjo Durchmesser entfernt. Eine die hintern M. A. vorn und die vordem S. A. hinten tangierende Linie würde gerade sein. Hierher noch ein unreifes $ von ca. 20 mm Körperlänge von derselben Lokalität und demselben Sammler. Bei diesem ist der Cephalo- thorax graubraun mit hellerer, vor der Mittelritze eingeschnittener Rückenbinde, die Tibien sind blaßgelb mit 2 breiten, dunklern Ringen, ^letatarsen und Tarsen einfarbig liellgelblich. Abdomen dunkel- grau, mit undeutlich hellerm Mittellängsstreif, der hinter der Mitte 2—3 kleine, schwarze Querstriche einzuschließen scheint und jeder- seits durch eine Längsreihe von etwa 5 undeutlichen dunklen Quer- wischen begrenzt wird. Der gänzlich abgeriebene Bauch längs der Mitte anscheinend mit dunklerer Binde, worin 4 Reihen kleiner. 420 Embbik Strand, diclitstehender, brauner Punktflecke. — Epigaster mit 2 nach hinten rasch divergierenden dunklen Längsstrichen als Andeutung der werdenden Epigyne. Ferner 2 weitere, kleinere, wahrscheinlich liierzu gehörige Exemplare, darunter ein S von 15 mm Länge mit schon stark ver- dicktem Tarsalgliede der Palpen, 4. Enoploctemis maculipes n. sp. Ein $ von Minas Geraes, Brasilien (Haensch). $. B e s t a c h e 1 u n g. An allen Femoren oben 3 — 5 kleine Stacheln, 1 vorn eine obere Reihe von 2 kleinen, unter sich weit entfernten und eine untere von 2 langen, kräftigen, nahe beisammen stehenden Stacheln, hinten 1, 1, 1, 1 kleine Stacheln; II — III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1: IV vorn 1, 1, 1, 1, hinten 1, 1, 1 Stacheln. Alle Patellen scheinen unbewehrt zu sein. Tibien I unten mit 6 Paar langen, starken Stacheln, und wahrscheinlich sind außerdem 2 kleine Stacheln an der Spitze vorhanden gewesen, hinten 1, 1, 1 kleine Stacheln; II wie I, aber hinten nur 1, 1 und unten an der Spitze ein siebentes kleines Paar; III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben in der Endhälfte 1 ; IV wie III. Metatarsen I — II unten 2, 2, 2 starke, vorn und hinten an der Basis je 1 kleiner Stachel; III unten 2, 2, 2 starke und an der Spitze 2 ganz kleine Stacheln, vorn und hinten je 1, 1, 1; IV scheint gleich III zu sein. Palpen: Fem. oben 1, 4, Pat. innen 1, Tib. an der Basis innen 2, die fast bis zur Spitze des Gliedes reichen, oben 1, 1, außen 1 (ganz kleiner) Stachel, Tars. innen 2, 1, außen 1, 1 Stacheln. Dimensionen. Cephalothorax 7,5 mm lang, 6 mm breit, vorn 3—4 mm breit. Beine: I Fem. 10, Pat. -f Tib. 13,5, Met. + Tars. 12,5 mm; II bzw. 9,5, 12,5, 12 mm; III bzw. 8,5, 10, 12 mm; IV bzw. 10,5, 11,8, 16,5 mm. Totalläuge: I 36; II 34; III 30,5; IV 38,8 mm. Also: IV, I, II, III. Palpen: Fem. 3,5, Pat. + Tib. 3,5, Tars. 2,5 mm, zusammen also 9,5 mm. Abdomen birnförmig, 12 mm lang, kurz hinter der Mitte 8,5, an der Basis 3—4 mm breit. Am untern Falzrande 4 ziemlich gleichgroße Zähne, von denen der innere etwas isoliert steht, am obern 3, von denen der mittlere ein wenig größer ist. Lippenteil länger als breit, am Ende quer- abgeschnitten und eckig, wenig oder kaum die Mitte der Maxillen überragend. Augen. Feld der M. A. ein wenig länger als breit, vorn und Neotropische cteniforme Spinnen des Berliner Museums. 421 liiuteii gleiclibreit; die vordem M. A. fast so groß wie die liiiitern, unter sich um kaum, von den hintern um reichlich ihren Durch- messer, vom Clypeusrande um den IV2 Durchmesser entfernt. 2. Augenreihe so stark procurva gebogen, daß eine die S. A. oben und die M. A. unten tangierende Linie etwa gerade wäre; die S.A. von den vordem M. A. um reichlich ihren längsten Durchmesser, von den hintern S. A. um noch ein klein wenig meiir, von den hintern M. A. um mindestens den kürzern Durchmesser entfernt. Die Epigyne erinnert sehr an die von En. geralensis Strand; sie erscheint in Flüssigkeit gesehen als ein gelblich-rotes, 1,2 mm langes und breites, hinten und seitlich etwa halbkreisförmig be- grenztes, vorn verschmälertes Feld, das von kurz vor der Mitte bis zum Hinterrande 2 nach hinten konvergierende, aber nicht zu- sammenstoßende, nach außen ganz schwach konvex gebogene, tief- schwarze Längsstriche zeigt. Trocken gesehen erscheint sie als ein leicht erhöhtes Feld, das vor der Mitte 2 parallele, glatte, stark glänzende, der Quere nach gleichmäßig gewölbte Längswülste zeigt, hinter diesen eine Quervertiefung, an deren beiden Enden je 1 nach unten und innen gerichteter Zahnfortsatz (wie gewöhnlich bei den C^<;;/?^5-Arten) sich befindet, während die hintere Hälfte des Feldes aus einer mittlem, dicht quergestrichelten Längsvertiefung besteht, die beiderseits von je 1 Längswulst begrenzt wird; diese Wülste ähneln den beiden vordem, sind aber unter sich weiter entfernt, konvergieren leicht nach hinten, sind breiter und flacher sowie mit je 1 schwarzen Längsstreifen bezeichnet. F ä r b u n g. Cephalothorax braun, dunkler schräggestrichelt und mit gelblicher Rückenbinde, die auf dem Kopfteile fast so breit wie das Augenfeld ist, um die tiefschwarze Mittelritze leicht gezackt und an der hintern Abdachung stark verschmälert; Kopf vorn dunkelbraun mit je 1 hellen Schrägbinde von den S. A. bis zum Clypeusrande. Maudibeln rötlich-schwarz, violettlich angeflogen. Maxillen und Lippenteil hell rötlich-braun mit schmaler, weißlicher Spitze, Steruum hellbräunlich, dunkler umrandet, Coxen ockergelblich. Beine bräunlich-gelb, Feraoren oben dunkler gefleckt, Tibien mit 2 breiten, dunklen Ringen und ähnliche Ringe sind an den Metatarsen angedeutet. Das stark abgeriebene Abdomen erscheint dunkelgrau, oben von der Basis bis über die Mitte mit einem schmalen, weiß- lichen Längsstreif und mit kleinen, braunen, unregelmäßig angeord- neten Punkten: hinten sind wahrscheinlich weiße, durch lange, ab- 422 Embrik Strand, stehende Haare gebildete Flecke vorhanden gewesen. Bauchfeld leicht gebräunt. 5. Enoploctenus zonatulus n, sp. Ein unreifes ? von Theresopolis, September — Oktober 1887 (Fruhstoefee), ? subad. Bestach elung. An allen Femoren oben mitten 1, 1, 1, I vorn eine untere submediane Reihe von 2 langen, nahe beisammen stehenden Stacheln und eine obere von 2 unter sich weit entfernten kleinern, ebensolchen, hinten 1. 1, 1, 1, II — III vorn und hinten je 1, 1, 1, 1, IV vorn 1, 1, 1, 1. hinten bisweilen dieselbe Anzahl, bis- weilen nur 1, 1 ; alle Patellen unbewehrt ; Tibien I unten 2 Reihen von je 7, hinten 1, 1, vorn an der Basis 1 oder 0, II unten hinten 7, unten vorn wohl meistens 6, hinten 1, vorn wie I, III unten 2, 2, 2, vorn und hinten je 1, 1, oben in der Endhälfte 1, IV unten vorn 1, 1, 1, 1, sonst wie III; Metatarsen I— II unten 2, 2, 2, vorn und hinten an der Basis je 1, III unten 2, 2, 2 sehr kräftige Stacheln sowie 2 ganz kleine an der Spitze, vorn und hinten je 1, 1, 1, IV wie III. — Palpen : Fem. oben 1, 4, Pat. innen 1, Tib. innen an der Basis 2, oben 1, 1, außen 1, Tars. außen 1, 1, innen 2, 1 Stacheln. Körper länge (NB. unreif!) 22 mm. Cephalothorax 10 mm lang, 8,5 mm breit. Abdomen 12 mm lang, 7 mm breit. Beine: I Fem. 10,5, Pat. + Tib. 15, Met. 10, Tars. 3,5 mm; II bzw. 10, 13, 9, 3,5 mm; III bzw. 8, 10,5, 9, 3,2 mm; IV bzw. 10,5, 12, 12, 3,5 mm. Total- länge: I 39; II 35,5; III 30,7; IV 38 mm. Also: I, IV, II, III. Färbung. Cephalothorax und Extremitäten rötlich braungelb, erstere mit Andeutung einer heilern Rückenbinde und schmalen, schwarzen Augenringen, letztere oben an den Femoren undeutlich dunkler gefleckt, Tibien oben mit breiterm Mittel- und schmalem Basaltleck weiß behaart, Metatarsen mit 2 ähnlichen Flecken, von denen aber der basale der größte ist. Mandibeln dunkel rotbraun, vorn in der Basalliälfte blaß goldgelblich behaart. Unterseite ocker- farbig braungelb. — Abdomen bei gut erhaltener Behaarung, oben wahrscheinlich größtenteils dunkelbraun, rötlich angeflogen, an der hintern Abdachung mit einer gelblichen, jederseits 2mal erweiterten Längsbinde und wahrscheinlich einem schmalen, hellen Längsstriche über die Vorderhälfte des Rückens. In der Mitte des letztern 2 unter sich um die Breite des Augenfeldes entfernte, schwarze, tiefe Muskelpunkte und in der hintern Hälfte oben und an den Seiten Neotropische cteniforme Spinnen des Berliner Museums. 423 kleine, weiße Flecke, die durch lange, abstehende, pinselförmig an- geordnete Haare gebildet werden. Bauchseite hell graubräunlich mit weißer, zum Teil Längslinien bildender Behaarung und einem un- bedeutend dunklern JMittelfelde, das nach hinten allmählich schmäler werdend, aber die Spinnwarzen kaum erreichend, 2 schmale, weiß- liche Längsstreifen einschließt und durch je 1 ebensolchen seitlich begrenzt wird. Das mittlere Augenfeld ein klein wenig länger als breit, vorn und hinten gleichbreit; die vordem M. A. unbedeutend kleiner als die hintern, unter sich um reichlich ihren Durchmesser, von den hintern um 1 ' ., desselben, vom Clypeusrande um den doppelten Durchmesser entfernt. Die 2. Augenreihe so stark procurva gebogen, daß eine die S. A. oben und die M. A. unten tangierende Linie pro- curva wäre; die S.A. von den vordem M. A. sehr wenig weiter als von den hintern M, A. oder so weit wie von den hintern S. A. ent- fernt. Am untern Falzrande 4 gleichgroße Zähne, von denen der innere etwas isoliert steht, am obern 3, von denen der mittlere größer ist. Fam. Pisauridae. Gen. Cu2)ieniiius Sim. 1891. Im Anschluß an F. Cambeidge (in: ßiol. Centrali-Americana, Araneidea, Vol. 2. p. 303 — 304) finde ich, daß diese Gattung am besten mit den Pisauriden zu vereinigen ist, wenn auch die nahe Verwandtschaft mit Ctenus nicht zu leugnen ist. 1. Ciipienuius saflei (nicht: salei\) Keys. 1876 — 1877. Mit dieser Art identisch ist Fhoneutria oculifera Karsch 1879 (Typen untersucht!). — Ferner liegt vor ein ? von Rio Hondo 1881 (Dr. Wien) (diese Etikette ist mit Tinte geschrieben gewesen und die Schrift jetzt daher fast unleserlich: wahrscheinlich richtig gedeutet). Von Parä (Schulz) liegt ein unreifes Exemplar von nur 12 mm Länge vor. das ich füv diese Art halte. Die 2 weißlichen Rücken- flecken sind scharf markiert, zusammengeflossen und von einer dunkel- 424 Embrtk Strand, brauneil Binde umgeben. Am Bauclie ist ein schwarzes Feld wie bei den erwachsenen vorhanden gewesen. Cephalothoraxseiten ein- farbig, heller als der Rücken. 2. Cupiennius eostaericae ii. sp. Ein schlecht erhaltenes ? von Costa Rica (Hofmann). $. Körperl äuge 27 mm. Cephalothorax 13,5 mm lang, 11mm breit. Abdomen 13 mm lang, 9 mm breit. Beine : I Fem. 13,5, Fat. 6,5 (das Übrige fehlt!); II bzw. 13,5, 6,5, Tibia 12, Met. 12,5 (Tarsus fehlt!); III bzw. 12,5, 5 (das Übrige fehlt!); IV bzw. 14, 5,5, 11, 15 mm. Palpen: Fem. 5,5, Fat. 2.8, Tib. 4, Tars. 4 mm, zusammen also 19,3 mm. Die Epigj'^ne sehr ähnlich derjenigen von Cupiennius coccineus F. Cbe. (nach der Abbildung zu urteilen), aber (trocken gesehen) während die mittlere Längserhöhung bei coccineus in eine einzige Spitze endet, zeigen sich hier ebenda 2 kleine, parallele, längliche, zwischen den glänzenden, gewölbten Vorderenden der Seitenlängs- wülste gelegene, kurze Längskiele; die mittlere Läugserhöhung ist scharf und dicht längsgestreift sowie mitten ganz schwach nieder- gedrückt. — Ferner ist Epigyne breiter als bei coccineus, in Flüssig- keit gesehen so lang wie hinten breit (1,7 mm), etwa hufeisenförmig, hinten qii erabgeschnitten (bei coccineus ellipsenförmig). Die Vorder- spitze des Längsseptums überragt (in Flüssigkeit) nur recht wenig die Mitte des Genitalfeldes. — Von coccineus übrigens durch die grauliche, nicht oder nur wenig gelblich oder orangerötliche Be- haarung abweichend; die Femoren erscheinen unten einfarbig hell- grau, ohne dunklere Punktflecke oder Halbringe. Die Zeichnung des Abdominalrückens hat sehr viel Ähnlichkeit mit der des S von Cup. sallei, aber ohne die breiten schwarzen Queibinden (nur dunkle Linien angedeutet). — In Flüssigkeit gesehen erscheint das Vorder- ende der Längserhöhung der Epigyne einfach und stimmt somit besser mit der des Cup. coccineus, als w^enn trocken gesehen. Von der Beschreibung von Cup. getazi Sim. (in: Bull. Soc. zool. France, Vol. 16, 1891, p. 110) durch Folgendes abweichend: Cephalo- thorax einfarbig dunkel kastanienbraun (weil abgerieben?), M. A. I vom Clypeusrande um kaum ihren anderthalben Durchmesser ent- fernt; die lanzettförmige helle Längsbinde in der Vorderhälfte des Abdominalrückens nicht „latissima": mitten nicht breiter als die Länge der Reihe der beiden hintern M. A., wohl aber scheint noch ein heller Längsstreifen beiderseits von dieser Lanzettbinde zu verlaufen, Neotropische cteuifonne Siniiiieii des Berliner Museums. 425 SO daß die g-esamte helle Zeichnung des Vorderriickens fast dessen ganze Breite einnimmt; helle Qiierllecke am Hinteiiücken nur an- gedeutet; Sternum und Coxen kastanienbraun, Lippenteil und Maxillen etwas dunkler mit hellerer Spitze ; jede Mandibel in der Basalliälfte mit 4 — 5 weißen Haarstreifen, Fenioren und Tibien unten ohne dunkle Punkte oder Apicalring. Ferner soll das Genitalfeld bei Cup. i. sp., in nat, Gr. Fig. 18. Schema der Wohnräume in dem Cönöcium von Ccph. indicus. Seitenansicht. Fig. 19. Ceph. indicus in seinem Wohnraum. Schema. Fig. 20. Eine Knospe von CepJi. indicus. 33 : 1. Fig. 21. Umriß eines Flächenschnittes durch die Basalpartie des Cönöciums. Nat. Gr. Fiff. 22. Eine Partie eines Flächenschnittes durch das Cönöcium. 10: 1 30* 448 Alexander Schepotibff, Die Pterobrauchier des Indischen Ozeans. Fig. 23. Längsschnitt dui'ch die Ränder der äußern Öffnung eines Wohnraumes. Schema. Fig. 24. Querschnitt durch einen Lophophorarm. 10 : 1. Fig. 25. Eine Partie eines Schnittes durch das Cönöcium. 100 : 1. Tafel 8. Fig. 1 — 5. Cephalodiscus indicus n. sp. Fig. 1. Ansicht der Kolonie von oben. Halbschematisch. Fig. 2. Ceph. indicus von der ventralen Körperseite. 33 : 1. Fig. 3. Schema der vordem Körperpartie von Ceph. indicus in medianem Längsschnitt. Fig. 4 u. 5. 2 Querschnitte durch den Halsregionkanal und die an- grenzenden Teile der Halsregion. 75 : 1. Die Larven von Cephalodiscus indicus n. sp. Fig. 6. Planula-Larve von CepJh indicus. 75 : 1. Fig. 7, Flächenschnitt durch die Planula-Larve. Halbschematisiert. 135:1. Fig. 8. Die frei im Wohnraum schwimmende Larve von Ceph. indicus. Seitenansicht. 45 : 1. Fig. 9. Die freischwimmende Larve. Ventralansicht. 50 : 1. Fig. 10. Die freischwimmende Larve. Dorsalansicht. 50 : 1. Fig. 11. Umriß der freischwimmenden Larve, um die Richtungen der Schnitte (Fig. 12 — 16) zu zeigen. Fig. 12. Querschnitt durch die vordere Partie der Larve. Halb- schematisiert. 75 : 1. Fig. 13. Querschnitt durch die hintere Partie der Larve. Halb- schematisiert. 75 : 1. Fig. 14. Schief gehender Querschnitt durch die mittlere Partie der Larve oberhalb des Saugnapfes. Halbschematisiert. 75 : 1. Fig. 15. Schief gehender Querschnitt durch die vordere Partie der Larve unterhalb der Scheitelplatte, 75 : 1. Fig. 16. Flächenschnitt durch die Larve. 135 : 1. Fig. 17. Längsschnitt durch den Saugnapf. 365 : 1. Fig. 18. Längsschnitt durch die Scheitelplatte. 214:1. yachilnicl: rcrbolcu. UbersrtzmifjHrecht vorbehalten. Zur Frage nach der stammesgeschichtlichen Bedeutung des Milchgebisses bei den Säugetieren. 1. Mitteilung. Von Wilhelm Leche. (Aus dem Zootomisclien Institut der Universität zu Stockholm.) Mit Tafel 9. Schon in frühern Arbeiten ^) habe ich die Auffassung- zu be- gTünden versucht, daß das Milchgebiß der Säug'etiere eine phjio- genetisch ältere Phase in der Entwicklung- des Zahnsystems als das Ersatzgebiß repräsentiert. Hier möchte ich durch Mitteilung zweier, wie ich glaube, einvvaudfreier Belege nicht nur diese Auffassung- befestigen, sondern außerdem den Nachweis liefern, daß selbst bei Tierformen, wo das Dauergebiß durch Anpassung an eine besonders spezialisierte Lebensweise im extremen Grade umgebildet worden ist, das Milchgebiß von dieser einseitigen Differenzierung nicht oder in viel geringerm Grade ei-griifen sein kann und deshalb die historisch ältere, mehr undifferenzierte Zahnform hat bewahren können. Der erste Fall betrifft eines unserer bekanntesten europäischen Raubtiere, den Dachs (Meles taxns) und seine nächsten Verwandten. 1) Zur Entwicklungsgeschichte des Zahnsysteins der Säugetiere. Zweiter Teil: Phylogenie (1902 und 1907). 450 Wilhelm Leche, welche sich von allen andern Raubtieren durch eigentümliche Aus- bildung der Reißzähne und des obern Höckerzahnes auszeichnen. Bei Meles taxus ist am obern Reißzahn (P 4) das innere Ciiigulum stark verbreitert und vor und hinter dem Innen liöcker mit einer Spitze versehen ; der obere Höckerzahu (M 1) iibertriftt — entgegen dem Veihalten bei den eigentlichen Mardern {Mustelini) — sowohl an Länge als an Breite den vorhergehenden : der Außenrand ist stark verlängert, Innenhöcker und Cingulum haben eine gewaltige Ver- größerung erfahren, und neue Wurzeln sind entstanden (Fig. 1). Die starke Verlängerung des untern Reißzahnes (M 1) ist vorzugs- weise durch Ausbildung des hintersten Abschnittes • (des Talons), welcher mit neuentstandenen Spitzeu versehen ist, hervorgerufen (Fig. 2). Einen gänzlich abweichenden Charakter weist das Milch- gebiß von Meles auf. Es erscheint deshalb überraschend, daß diese auffallende Verschiedenheit im Milch- und Ersatzgebiß bisher der Aufmerksamkeit entgangen ist.') Was zunächst die Form der Milchzähne betrifft, so kann fest- gestellt werden, 1. daß das Milchgebiß innerhalb der ganzen Familie der Marder {Mustelidae) überhaupt einen einheitlichen Typus bewahrt hat, während das Ersatzgebiß derselben in sehr divergierender Weise umgebildet ist; 2. daß speziell bei Meles das Milchgebiß viel vollständiger mit demjenigen bei den übrigen, ursprünglichem Musteliden als mit dem Ersatzgebiß der eignen Art übereinstimmt. Von den mir zum Vergleiche vorliegenden Milchgebissen zeigt dasjenige von Helidis, einer Gattung, deren Ersatzgebiß nur wenig von dem des Marders [Mustela) abweicht, die nächste und zwar eine sehr nahe I^berein- stimmung mit demjenigen von Meles (abgesehen von der Größe; siehe unten). Im Oberkiefer ist Pd 3 (der Milchreißzahn) aus den 3 gewöhn- lichen Außenzacken und 1 sehr schwachen, niedrigen Innenhöcker, Pd 4 (der Milchhöckerzahn) aus 2 Außenzacken und 1 starken Innen- höcker aufgebaut (Fig. 3, 4) — somit beide Zähne durchaus ver- schieden von den entsprechenden des Ersatzgebisses. Auch in der relativen Größe verhalten sich besagte Milchzähne wie die- 1) Nur WiNGE (Jordfundue og nulevende Carnivora fra Lagoa Santa, p. 103) hat in einer Tabelle über die Höckerzahl der Backenzähne bei den Raubtieren auch die Milchbackenzäline bei Mr/cs lierücksichtigt. Bedeutung' des Milchgebisses bei den Säugetieren. 451 jeiiigeii in beiden Dentitionen bei den uisprüngJiclieni Familien- g-enossen: der Eeißzalin ist größer als der Höckerzahn, während im Ersatzg-ebiß des Melcs das Umgekehrte der Fall ist. Der untere Milchreißzahn (Pd 4) besteht aus ganz denselben Elementen wie derselbe bei den übrigen Musteliden; ihm fehlt die gewaltige, für den Ersatzzahn so charakteristische Differenzierung des Talons gänz- lich (Fig. 5, 6). Bei dem sehr nahe stehenden orientalischen Dachs Arctonyx coUaris stimmt das Milchgebiß mit dem bei Meles im wesentlichen überein ; nur ist der Innenhöcker des obern Pd 3 bis auf die AVurzel verschwunden und die Außenwand des obern Pd 4 ist besser aus- gebildet. Von dem Verhalten bei den mir in dieser Hinsicht bekannten übrigen Musteliden unterscheidet sich das Milchgebiß von Melcs und Ardouij.r durch seine außerordentliche Schwäche. Um einen unge- fähren zahlenmäßigen Ausdiuck für die Abschwächung bei Melcs zu erhalten, habe ich die Zahnreihen des Milch- und Ersatzgebisses mit denjenigen von Helidis orientaJis und Galidis barbara verglichen, wobei sich folgende Verhältnisse ergeben, wenn mau die Länge der Ei'satzzahnreihe = 100 setzt und diejenige der Milchzahnreihe in Prozenten derselben berechnet: Galictis Helidis Meles Im Oberkiefer (Od — Pd 4: 0 — M 1) 73 70 43 Im Unterkiefer (Cd — Pd 4: 0 — M 2) 62 62 44 Aus diesen Zahlen erhellt somit, daß das Milchgebiß des Dachses stark abgeschwächt ist. Fragen wir nach der Ursache dieser Schwäche, welche auch die hier nicht be)ücksichtigten Milchschneidezähne aufweisen, so ist diese jedenfalls zum Teil auf die verhältnismäßig kurze Funktions- dauer der Milchzähne zurückzuführen. Nach dem mii- voi'liegenden und dem Alter nach bestimmbaren ^laterial von Dachssch adeln zu urteilen, durchbrechen nämlich die Milchzähne das Zahnfleisch erst, nachdem das Tier 6 Wochen alt ist, und beim 10 ^Vochen alten und 30 cm langen Jungen sind die untern und einige der obern Milch- schneidezähne bereits ausgefallen ; und höchstwahrscheinlich ist der Zahnwechsel bereits ganz vollzogen, wenn der Dachs ein Alter von 4 Monaten erreicht hat. Bei der Katze und dem Hunde beginnen die Milchzähne früher durchzubrechen, und der Zahnwechsel ist nicht eher als im 6. (Katze) oder im 7. Monat (^Hund) abgeschlossen, so 452 Wilhelm Leche, daß (las ^lilchgebiß bei den letztgenannten Kaubtieren eine erheb- lich längei-e Fnnktionsdauer als beim Dachs hat. Wie die eminent omnivore Diät, welche dem Dachs eigen ist, jedenfalls die eigentüm- liche Gestaltung seines bleibenden Gebisses hervorgerufen hat, ist es, nach einem von mir geraachten Fund zu urteilen, wahrscheinlich, daß er zur Zeit der Funktion des Milchgebisses von einer andern Nahrung — wie Insekten, welche er auch später verzehrt — lebt. Ausgiebigere Beobachtungen über diesen Punkt liegen meines Wissens noch nicht vor. Ist der Dachs ein Beispiel eines Kaubtieres mit hochgradig pro- gressiv ausgebildetem Gebiß, so repräsentiert die afrikanische Zibet- hjT-äne, Proteles cristatus, gewissermaßen das entgegengesetzte Extrem: ein Raubtier, das sich v^on allen übrigen durch weitgehende Rück- bildung der Backzahnreihe unterscheidet — ein Umstand, durch welchen Proteles seit alters die Aufmerksamkeit der Zoologen auf sich gezogen hat. Die Backenzähne sind nämlich schwache, teil- weise das Zahnfleisch kaum überragende, meist einspitzige und ein- wurzlige, durch mehr oder weniger große Lücken getrennte Zähne; außerdem variiert individuell deren Anzahl durch Ausfall eines oder mehrerer Zähne nicht unbeträchtlich. Oitenbar ist die für unser Tier eigentümliche Diät, die ausschließlich aus Termiten besteht, schuld an dieser Rückbildung der Backzahnreihen. Auch die, wie es scheint, gesicherte Beobachtung, ^) daß Proteles Lämmer und Zicklein nicht des Fleisches, sondern der Milch wegen angreift, welche den Magen anfüllt, ist ja ebenfalls mit der Beschaffenheit des Gebisses vereinbar, da die Schneide- und Eckzähne, welche bei besagten Überfällen in Anwendung kommen, verhältnismäßig gut ent- wickelt sind. Schon früher hat man ebenfalls erkannt, daß die Milchback- zähne sich dem normalen Raubtiertypus mehr nähern als das Dauergebiß. Proteles ist infolge seines hyänenähnlichen Habitus oft zu den Hyänen gebracht, während andere ihn als eine aberrante Viverride und wiederum andere ihn als den Vertreter einer besonderen Fa- milie aufgefaßt haben ; eine Einigung über seine genetische Be- ziehungen ist bisher nicht erzielt worden. Da aber die Beantwortung 1) W. L. SCLATEE, The Mammals of South Africa, Vol. 1 (1900), p. 82. P.oiU'utiiii«;- (li's .Milcligubisses b<'i ilcii ."^iiuyetieivii. 453 (lieser ^enealoo-isclieu Fraofc selbstverständlicli ein Einteilen auf die (lesamtürganisatiuu ertorderl. werde icli dieselbe in einer austuhr- lic.hen Untersuchuni»- behandeln. lli(!r beschränke ich luich auf diti Deutuuu' des Zahnsystems, für welches mir ein lecht ausgiebiges^ Material an Schädeln in verschiedenen Kntwicklungsstadien zu Ge- bote steht. Bei völlig' erwach.senen Individuen ist die grüßte Anzahl l^ack- zähne — ich sehe hier ab von den vom Kaubtiertypus allerdings «ebenfalls abweichenden Schneide- und Eckzähnen — 4 im Ober- und 4 im Unterkiefer. Hierbei ist zu bemerken, daß bei 10 unter- suchten Schädeln völlig- erwachsener Individuen ich den Back- zahn III im Unterkiefer nur bei einem Schädel einerseits, und zwar bei dem vou Blain villi: ^) abgebildeten Exemplare, angetroffen habe. Um Genaueres über den Verbleib dieses Zahnes zu eifahren, habe ich die Unterkieferhälfte eines jugendlichen Individuums in eine lückenlose Schnittserie zerlegt und dabei gefunden, daß. während gut ausgebildete Anlagen der übrigen Ersatzbackzähne vorhanden waren, eine solche für den III. gänzlich fehlte.-') Von den übrigen Ersatzbackzähnen sind, nacli meinem Material zu urteilen, im Überkiefer meistens alle 4 vorhanden, doch können I, III oder IV fehlen, wobei manchmal ihre Alveolen noch nachweisbar, manchmal verwachsen sind; der obere II. ist dagegen stets vorhanden. Auch im Unterkiefer persistiert II stets, meistens auch I, wogegen IV oft fehlt; bezüglich III sei auf die obigen Auseinandersetzungen ver- wiesen. Diese Hinfälligkeit der fraglichen Zähne erklärt die wider- sprechenden Angaben über die Anzahl bei verschiedenen Autoren. Betreffs der Form der Backzähne des erwachsenen Tieres (Fig. 7 — 8) sei hier nur bemerkt, daß I und II im Ober- und I im Unterkiefer stets eine Spitze und eine (ausnahmsweise gefurchte) Wurzel haben. Der obere III. hat Andeutungen von vorderer und hinterer Basalspitze und 2 Wurzeln. Der obere IV. ist als rudi- mentär und gänzlich funktionslos zu bezeichnen, hat aber eine ab- weichende Kronenform : unregelmäßig dreieckig mit Spuren von 2 1) Osteographie G. Canis, tab. 3. 2) Nachdem diese Zeilen bereits au die Redaktion eingeschickt waren, hatte ich im Britisii Museum — dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Herrn Oldfielb Thom.\s — Gelegenheit, weitere 10 vijllig erwachsene Tiere zu untersuchen : bei 3 war der untere Backzahn III vorhanden : derselbe ist kleiner als II, hat eine schwache hintere Basalspitze und ist tinwurzliff. 454 Wilhelm Leche, äußern und 1 Innern Höcker; 2 freie oder verschmolzene Wurzeln. Der untere II. hat Andeutungen einer vordem, manchmal auch einer hintern Basalspitze und eine gefurchte oder ungefurchte Wurzel. Der untere IV. ist entweder einspitzig oder mit größerer vorderer und kleinerer hinterer Spitze versehen; einwurzlig. Während somit die Backzähne des erwachsenen Tieres mit Aus- nahme des rudimentären obern IV. ein recht gleichförmiges Gepräge aufweisen, bieten diejenigen des Milchgebisses ausgeprägtere Diiferenzierungen dar. Von den 4 Backzähnen, welche wir im Oberkiefer (Fig. 9) des jugendlichen Profries antreffen, ist der vorderste, da er zusammen mit den Milchzähnen funktioniert, aber nicht gewechselt wird, dem P 1 homolog; wir haben also hier dasselbe Verhalten wie bei andern Raubtieren mit vollständiger Prämolarenreihe. Der folgende Zahn ist ein Milchzahn (Pd 2j, einspitzig wie der vorhergehende, aber mit 2 Wurzeln. Pd 3 — also der „Milchreißzahn" — weicht wesentlich von seinem Vorgänger im Ersatzgebiß ab: die Krone ist langgestreckt und niedrig ohne deutliche Basalspitzen, dagegen mit 2 stark divergierenden äußern und 1 Innern Wurzel; der Zahn hat somit das für hochgradige Rückbildung charakteristische Gepräge: schwache Krone verbunden mit einer von plij-siologischem Gesichts- punkte unverhältnismäßig starken Ausbildung des Wurzelteils. Auch Pd 4 ist seinem Vorgänger unähnlich : langgestreckte Krone mit größerer vorderer und kleinerer hinterer Außenspitze und gut entwickeltem Innenhöcker sowie 2 stark divergierenden, fast horizontal liegenden Außenwurzeln und 1 Innenwurzel; der Zahn liegt in einer flachen, muldenförmigen Alveole. Hinter diesem Zahn findet sich bei allen jugendlichen Schädeln eine mehr oder weniger ausgeprägte Grube im Kieferknochen, welche offenbar die Anlage eines hintersten Zahnes, also eines Molars 1, beherbergt hat. ^) Im Unterkiefer des jugendlichen Tieres stehen ebenfalls 4 Backzähne, von denen die 8 vordem Milchbackzähne, der hinterste ein Molar (M 1) ist. Der vorderste, welcher vom 1. bleibenden Back- zahn ersetzt wird und, wie aus dem Verhalten der folgenden Zähne hervorgeht, dem Pd 2 homolog ist, hat 1 schwache hintere Basal- spitze und zwei freie oder verschmolzene Wurzeln. Pd 3 hat eine 1) Bei einem jugendlichen Schädel (im British Museum) fand ich in dieser Alveole einen kleinen stiftförmigen Zahn (M 1) mit einer gefurchten Wurzel ; der Zahn füllte die Alveole nicht aus. Bedeutiiiii>- des Milchgebisses bei den Säugetieren. 455 viel läiigeie Krone als der vorige mit deutlicher hinterer Basal- spitze und 2 Wurzeln. Vd 4 weist, wenn auch in etwas verwischter Form, alle Bestandteile des entsprechenden Zahnes (des „Milch- reißzahnes") bei den übrigen Raubtieren auf, nämlich vordere Außenspitze (Paraconid). Hauptspitze (Protocoiiid), Innenspitze (Meta- conid) nnd Talon (Hyi)erconid) sowie 2 stark divergierende Wurzeln. Der letzte Zahn des Unterkiefers, welcher viel später als die vorher- gehenden in Erscheinung tritt und oben als IV bezeichnet ist, wird nicht ersetzt und ist somit ]\I 1. Aus Obigem erhellt somit zunächst, daß die Backzahnformei bei Proidcs folgendes Aussehen hat: P 12 3 4 Pd 0 2 3 4 ]M 1 Pd 0 2 3 4 1 P 0 2 3 4 Diese Zahnformel fällt völlig mit derjenigen zusammen, welche bei der Gattung Hyaena vorkommt, wo ebenfalls der obere j\I 1 hin- fällig sein kann. Selbstverständlich braucht dieser Umstand an und für sich keine unmittelbaren genetischen Beziehungen zwischen Pro^eZes und llyaena zu beweisen. Daß durch Ausfall eines oder mehrerer Krsatzbackzähne die ursprüngliche Zahl meistens alteriert wird. ist bereits oben hervorgehoben worden. Ferner ergibt eine vergleichende Untersuchung des Milch- und Ersatzgebisses, daß, w^enn auch beide einer Rückbildung unter- legen sind, diese im erstem keine solche Umbildungen wie im letztern hervorgerufen hat; daß vielmehr die Milchbackzähne, was sowohl Krone als Wurzel betrifft, den Tj^pus derjenigen anderer Raubtiere besitzen. Gleichzeitig zeichnen sie sich meist durch Disharmonie zwischen Kronen- und Wurzelbau aus, ein Ver- halten, welches, wie ich schon früher^) nachgewiesen habe, ein un- trügliches Kriterium der Rückbildung ist. Die weitere Verwertung der hier erAvähnten Fälle durch Aus- dehnung der Untersuchung auch auf andere Gebiete — andere Organs3'steme und andere Tierformen — hoffe ich in Bälde in An- griff' nehmen zu können. Stockholm, d. 1. Mai 1909. 1) Studien über die Entwicklung des Zabusystems bei den Säuge- tieren, in: Morphol. Jahrb., Vol. 19 (1893), p. 545. 456 Wilhelm Lecue, Bedeutimg tles Milchgebisses bei den Säugetieren. Erklärung der Al)l)ilclungeii. Tafel 9. Mrlrs taxus. Fig. 1. Das Dauergebiß des Oberkiefers, von der Kaufläcbe. 1:1. Fig. 2. Das Dauergebiß des Unterkiefers, von der Kaufläche. 1:1. Fig. 3. Das gesamte Milchgebiß des Oberkiefers, von der Kaufläche. 2 : 1. Fig. 4. Das gesamte Milchgebiß des Oberkiefers, von der Außenseite. 2:1. Fig. 5. Das gesarate Milchgebiß des Unterkiefers, von der Kaufläche. 2 : 1. Fig. 6. Das gesamte Milchgebiß des Unterkiefers, von der Außenseite. 2 : 1. Proic/es crisfafits. Fig. 7. Das Dauergebiß des Oberkiefers, von der Kaufläche. 1:1. Fig. 8. Das Dauergebiß des Unterkiefers, von der Kaufläche. 1:1. Fig. 9. Das Gesamtgebiß des jugendlichen Tieres im Oberkiefer, von der Kaufläche. Etwas mehr als 1:1. Fig. 10. Das Gesamtgebiß des jugendlichen Tieres im Unterkiefer, von der Kaufläche. Etwas mehr als 1:1. Lippert & Co. (G. Pätz'.sche Buchdv.), Nauinburg a. S. Xac/ulruck verboten. Ubersetzungsrccfit vorbehalten . Über Ovis heinsii Sewertz. und über den Bau der Hörner der Wildschafe. Von B. M. Shitkow ii. L. L. Sabanejew, Privatdozent a. d. Univ. Moskau. Cand. mathemat. Hit 11 Abbildnngen im Text. Als wir die Sammlung an Bälgen und Hörnern der Wildschafe des Zoologischen Museums der Universität i\Ioskau untersuchten, um sie zu bestimmen, beschlossen wir, da wir in der von uns durch- musteiten Literatur keine ganz genauen Daten fanden, auf denen Artcharakteristiken aufgebaut werden konnten, soweit sie sich auf den Bau des Hornes beziehen, die komplizierten Figuren, welche die Gehörne des Genus Ovis darstellen, einer genauem Analj^se zu unterwerfen, um die Möglichkeit zu finden, ihre Form — • damit aber auch die Veränderungen derselben bei den einzelnen Arten und in den Grenzen einer Art — durch einige Kennzahlen und eine gewisse Gesamtheit von einfach schematischen Konstruktionen auszudrücken. Die von uns durchgesehene Sammlung umfaßt, obwohl sie nicht besonders reich ist, eine ganze Keihe von Arten asiatischer Wild- schafe und auch einige Bälge. Sie ist unter anderm interessant schon deshalb, daß sie die T3'pen enthält, nach denen N. A. Sewertzow neue Wildschafarten aufstellte, die in seinem bekannten Werke „Vertikale und hoiizontale Verbreitung turkestanscher Tiere" (Moskau 1873, russisch), beschrieben sind. Die Sammlung umfaßt echte Argali {(). ammon L.), Ovis poloi Blyth, die asiatischen Unter- Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 31 ^58 B- M. Shitkow u. L. L. Sabanejew, arten der Dickliörner, Ovis cydoceros (= arcal Beand) und ebenso die von neuern Autoren zu Ovis poloi gezogenen, von Seweetzow auf- gestellten Arten, Ov. hirelini, Ov. nigrimonfana und Ov. heinsii. Außer Sewektzow's Material bieten ein großes Interesse die Bälge und Schädel^ die aus dem Semiretschje-Gebiet in der Mitte der 40er -lahre von dem bekannten Erforscher Mittelasiens, G. S. Karelin, herbeigeschafft wurden und eine große Schädelserie von Ov. poloi vom Pamir, die neuerdings von der Expedition des Grafen A. A. Bobrikskij und N. W. BoGOJAWLENSKij mitgebracht wurde. , Ohne einstweilen genauere Angaben über diese Sammlung zu machen und ohne von unserer Absicht, in dieser Notiz nur die Prin- zipien der Messung und Untersuchung von Wildschafgehörnen zu geben, abzuweichen, halten wir es doch für angebracht, kurz bei 2 Exemplaren zu verweilen (Bälgen von Bock und Schaf), die mit der Sammlung Karelin's aus Semiretschje in das Zoologische Museum gelangt sind. Von diesen 2 Exemplaren entspricht der erwachsene Bock mit gut entwickeltem Gehörn im Bau der Höi'uer genau der Be- schreibung, die Sewertzow vom Gehörn des Oo. heinsii gab, sowie auch den Gehörnen der 3 Schädel derselben Art. die als Tj^pen zur Beschreibung Sewertzow's in seiner „Vertik. u. liorizont. Verbreitung turkestanscher Tiere'' (p, 87) dienten. Es ist bekannt, daß von den 3 neuen Arten, die Sewertzow in dieser Arbeit beschrieb (wobei nur Ov. larelini nach Gehörnen und Bälgen, die beiden andern, Ov. heinsii und Ov. nigrimontana, aber nui" nach Schädeln und Hörnern beschrieben wurden), durch spätere Autoren (Blaneord, Lydekker) nur die erstere Art als besondere Varietät von Ov. pohi anerkannt, die beiden letztei-n aber einfach mit diesen vereinigt wurden. Zweifellos aber besitzen die Gehörne sowohl von Ov. heinsii wie auch von Ov. nigrimontana, wenn sie auch im allgemeinen den Typus des Gehörnbaues von Ov. pohi bewahren, dennoch einige kleine Unterschiede, die Sewertzow offenbar bemerkt hatte, wenn er sie auch nicht genügend bestimmt und klar beschrieb. Andrerseits überzeugte uns ein genaues Studium der beiden Bälge und eine Vergleichung derselben mit den Bälgen von Ov. poloi Blyth und Ov. poloi harelini Sew., die ganz zu den Beschreibungen und Abbil- dungen in der „Vertikal, und liorizont. Verbieitung turk. Tiere" stimmen, nur noch mehr davon, daß Ov. heinsii Sewertzow's eine selbständige Form darstellt. Ungeachtet dessen, daß die alten Bälge der Sammlung des Zoologischen Museums, zu denen die von Karelin Ovis hoinsii .Süw. niul dii' Hüriier der Wildscliafe. 459 mitgebrachten Felle g-ehüren. sclilcclit gestopft sind und die Maße des Tieres nicht ganz genau an denselben genommen werden können, so sind doch die l'uteischiede in den relativen .Maßen dieser Exemplare und von Or. poloi einerseits und die Unterscheidungsmerk- male der Färbung andreiseits ziemlich bedeutend. Unsere Exemplare von Or. poloi Blyth und Ov. poloi kirelini Sew. (starke Böcke mit gut entwickeltem Gehörn) passen nach der Färbung des Haares gut zu den Beschreibungen und Abbildungen Skwertzow's. Sie unterscheiden sich nur wenig voneinander durch die Details in der Verteilung der Farbe und vielleicht etwas auf- fallender durch die Form der Hörner, wobei bei der Varietät kareJini die Windungen der Hörner etwas stärker an die Sagittalfläche des Schädels gedrückt sind. I Fig-. A. Ovis heitisii Sew. (f. Photogr. nach dem Balg des Zool. Museums Moskau. Im Vergleich zur Färbung von Or. poloi haben unsere Exemplare von Ov. heinsii Sew. folgende Unterscheidungsmerkmale: 1. die all- gemeine der Färbung ist mehr hellrosafarben im Vergleich mit dem mehr bräunlichen Ton von Or. poloi \ 2. der ganze Hals ist von der- selben Farbe, wie der Rumpf, kaum heller auf der untern Fläche, 31* 46(3 B. M. Shitkow 11. L. L. Sabanejew, während bei Or. poloi der untere Teil des Halses fast rein weiß gefärbt ist; 3. über den Rücken geht bei Ov. poloi (wie auch bei der Varietät karelini) ein merklicher breiter Streifen von mehr dunkelbrauner Farbe — bei Ov. heinsii fehlt jede Spur eines solchen Streifens; 4. der ganze Kopf von Ov. heinsii ist ganz gleichmäßig von Haar derselben Farbe bedeckt wie der Rumpf, während bei Ov. poloi die Vorderhälfte der Schnauze weiß ist; 5. bei dem Museums- exemplar von Ov. poloi-karelini ist der Spiegel fast gar nicht aus- gedrückt, bei Ov. poloi ist er stärker wahrnehmbar, geht aber nicht weit auf die Kruppe über die Schwanzwurzel hinauf, während bei beiden Exemplaren von Ov. heinsii der Spiegel relativ stark entwickelt ist. Die Messungen an Ov. poloi-harelini ergeben eine Spiegelfläche von 19X22 cm (die erste Zahl gibt das Maß längs der Körperachse), für Ov. heinsii S entsprechend 35X48, $ 32X48. Gleichzeitig ist bei Ov. poloi und der Varietät die weiße Färbung auf der Unterseite des Körpers (besonders am Vorderteile des Rumpfes) relativ stärker entwickelt als bei Ov. heinsii, auch an den Schenkeln. 6. Bei Ov. heinsii tritt jederseits unter dem Auge scharf ein Flecken von dunkel- brauner, fast schwarzer Farbe hervor, bei dem S in einer Ausdeh- nung von 6X3 cm , bei dem $ von 7X4 cm , wobei die Längsachse des Fleckens perpendikulär zur Linie geht, die von vorn längs der Stirn und Schnauze des Tieres gezogen ist. Bei Ov. poloi ist an der Stelle dieses Fleckens das Haar nur kaum wahrnehmbar gelblich- braun gefärbt. Gehen wir jetzt zu den plastischen Merkmalen über, die uns beide verglichenen Arten zu unterscheiden scheinen. 1. Die Exem- plare von Ov. heinsii fallen dadurch auf. daß sie kurzbeiniger sind (wir halten es für angebracht, hier wieder darauf hinzuweisen, daß bei der Bewertung dieses Merkmals wir die Unvollkommenheit der Arbeit des Ausstopfers in Betracht ziehen); 2. Ov. heinsii besitzt keine Andeutung- (weder beim Bock noch beim Schaf) einer Mähne am Halse, die bei den Exemplaren von Ov. poloi und var. liarelini gut entwickelt ist, besonders an der Unterseite des Halses; 3. die Ohren sind bei Ov. heinsii merklich länger: die Messung der Länge der Ohröffnung gibt für beide Ov. heinsii die Zahl 10,5 cm, bei Ov. poloi 8,3 cm, bei Ov. poloi-liarelini 8,5 cm: 4. vom vordem Augen- winkel bei Ov. poloi tritt ein schmaler schwarzer Streifen nackter Haut hervor — bei Ov. heinsii ist dieser haarlose Streifen fast nicht bemerkbar und geht vorn in den oben beschriebenen dunkeln Fleck über, der ein Büschel Haare von besonderer Färbung darstellt Ovis heinsii Skw. und die Hürncr der AVildscliafe. 461 (diese nackten Ilautfläclieu und besonders <,^efäibten Haarpaitien sind natürlich in Veibindnng- mit den hier gelegenen Antorbital- driisen entwicivelt). Die vergleichenden .Messungen an den gestopften Bälgen geben 'ins folgende Zahlen : Ov. Ov. Ov. Ov. poloi heinsii heinsii 9 poloi- karelini ein CUl cm cm Von iler Nasenspitze bis zum Nälierungs- puukt der Hornbasen m 30 33 30 Von den Horniiaseu bis zum Ende des Schwanzes (mit dem Band längs dem Rücken i»eraesseu) \m 151 179 175 Höhe der Beine (mit dem Band von der Brust bis zur Diele) 51 51 71,5 75 Höhe des Widerrists (mit dem Band vom Widerrist längs der Schulter zum Boden) 98 96 120 130 Länge des Unterarmes (vielleicht ist dieser Teil am gestopften Balg von ()i\ heinsii nicht genügend ausgereckt) 22 22 44 47 Länge der Hand 34 31 34 37 Hinterfuß von der Ferse bis zum Boden 38 37 48 48 Die Hörner von Or. heinsii haben offenbar nicht die Neigung, eine so starke Entwicklung zu zeigen, wie bei Ov. poloi oder Ov. ammon. Unsere 3 Schädel und der gestopfte Balg besitzen Hörn er von bloß 70—80 cm Länge, nnd diese Hörner hätten wahrscheinlich keine bedeutendere Größe erreicht, da an der Basis derselben an der Anßenseitenfläche ('an der Schläfe) schon eine kleine Auftreibung bemerkbar ist, die auch bei Ov. poloi die W'urzelpartie des Hornes charakterisiert. Im allgemeinen nähert sich der Horntypus dem der Hörner von Ov. poloi. die Einzelheiten des Baues der Flächen sind aber folgende: die Schläfen-(Außen-jFläche ist dicht an der Horn- basis schwach gewölbt; sie beginnt sich einzubiegen in einer Ent- fernung von 32 cm von der Hornwurzel. Eine kaum bemerkbare Wölbung erscheint auf dieser selben Fläche vor dem Ende des Hornes. Die entgegengesetzte Fläche (die innere) ist in der ganzen Ausdehnung eingebogen, außer einer sehr kleinen Strecke dicht an der Hornbasis: die Vorder-(Stirn-)Fläche ist schwach eingebogen, fast flach, und von der Hornbasis zum Ende schwindet diese Ein- 462 B- ^t. Shitkow u. L. L. Sabanejew. bieg-ung- g-anz. indem sie schmal und gleichzeitig- schwach gewölbt wird. Der Divergenzwinkel der Hörner an der Basis ist = 65". II. Gehen wir jetzt zur Betrachtung- des Baues der Hörner der Wildschafe überhaupt über und nehmen wir als Beispiel zur Be- schreibung- der einzelnen Teile der Hörner und der Lag-e derselben im Räume Ov. poloi Blyth. Die g-ewaltigen Hörner dieser Art stellen sehr komplizierte, durch krumme Flächen begrenzte Körper dar, wobei die relative Lage der sie begrenzenden Flächen und Linien durch Worte ziem- lich schwer zu bestimmen ist, besonders bei kurzen Diagnosen, was als notwendig erscheint, da der Bau der Hörner bei den einzelnen Arten der Wildschafe ein wichtiges diagnostisches Merkmal bildet. Es genügt, die Horndiagnosen der Wildschafe bei Blasius in seiner „Naturgeschichte der Säugethiere Deutschlands" durchzusehen, um die Überzeugung zu gewinnen, daß, neben der Mitteilung der einiger- maßen verschiedenen Daten für die einzelnen xArten über die Dicke der Hornbasen und die Breite der einen oder andern Fläche des Hornes im Vergleich mit den Maßen des einen oder andern Teils des Schädels, dieser Autor das allgemeine Bild des Baues der so wesent- lich verschiedenen Gehörne wie bei Ov. argall {Ov. ammon L.) und Ov. arcal {Ov. cyloceros Hutt.) mit ein und derselben Phrase kenn- zeichnet: „Das rechte Hörn ist links, das linke rechts im Räume ge- wunden"; daß dieselbe Formel auf die Hörner von Ov. montana und Ov. musimon angewandt wird und nur für Ov. orientalis und Ov. cyprius in die umgekehrte verwandelt wird: „Das rechte Hörn ist rechts, das linke links im Räume gewunden". Sewektzow gibt eine viel genauere Analyse des Baues der Wildschafhörner, und seine Beschreibung beansprucht insofern ein besonderes Interesse, als er als Erster, wie es scheint, den Versuch gemacht hat, die Wechselbeziehungen einiger besondern Teile des Hornes durch eine bestimmte Verbindung gerader Linien auszudrücken. „Die Hörner eines erwachsenen Bockes" — sagt er bei Be- schreibung des Gehörnes (p. 84) — „sind zweifach spiralig gewunden. Erstens ist die Achse des Hornes spiralig im Raum auf einen idealen Kegel gewunden: das ist die Achsenspirale, welche Merk- male liefert, die Blasius nicht in Betracht zog. Sodann beschreiben um diese Achse, sogar wenn man sie gerade macht, die drei Flächen des Hornes noch je eine Spiralwindung in der ganzen Länge der Ovis lieiiisii Skw. und die Hönier der Wildschafe. 463 Aclise; das ist die Flächenspirale, welche Blasius die diagnostischen ]\rerkniale lieferte." „Eine volle ^^'indl^lg: der Aclisenspirale wird in drei Teile oder Bog-en geteilt : 1 . b a s a 1 e r oder aufsteigender Bogen ; 2. m i 1 1 1 e r e r , absteigender und 3. End bogen, der wieder aufsteigt. Die Pro- jektion dieser Bogen auf die Ebene des vertikalen Quer- s c li n i 1 1 e s des Kopfes erscheint in Gestalt gerader Linien, Sehnen ; die Winkel dieser Sehnen untereinander und mit der Senkrechten zu dem Durchschnitt des erwähnten vertikalen Querschnittes mit der Ebene des vertikalen Längsschnittes geben die Merk- male für die Diagnose. Die eben erwähnte Senkrechte wollen wir der Kürze wegen Schädelachse nennen, da sie die Projektion der Ebene des Längsschnittes darstellt, durch welche diese Achse o-eht.-' Fig-. B. Weiter (p. 151) fügt Sewertzow hinzu: „Unter den geometri- sclien Merkmalen der Hörner, die eine Bedeutung für die Diagnose besitzen, will ich auch die Winkel erwähnen, die ihre Sehnen mit der Schädelachse bilden; hier will ich bemerken, daß es praktischer ist, sie durch die Winkel dieser Sehnen untereinander zu ersetzen; um diese Winkel zu finden, muß man gerade auf die Stirn sehen und den Schädel so aufstellen (oder aufhängen), daß die Ebene der Nasenbeine perpendikulär zum Horizont steht. Dann erscheint die Spirale des Hornes als gebrochene Linie mit mehreren abgerundeten Winkeln, die dann gemessen werden: a) der Winkel zwischen den Hörnern (internus), h) der obere (externus superioi-) und e) der untere (externus inferior)" (Fig. ß). Diese Methode vereinfacht, ohne Zweifel, einigermaßen die Vor- stellung von der wechselseitigen Lage der einzelnen Hornteile, Man muß nur hinzufügen, daß, wie die von Sewertzow beigegebene Tafel 464 B. M. Shitkow 11. L. L. Sabanejew, zeigt (p. 152), die AVinkel «, h und besonders c stark variieren, auch in den Grenzen einer Art, und daß eine genaue Bestimmung- der Winkel und ihrer Schwankungen deshalb schwierig ist, weil die Schnittpunkte der diese Winkel bildenden Linien (die Punkte p und q) willkürlich gewählt sind. Gleichzeitig hat 1. die volle Windung der Spirale nicht immer 3 Teile — bei alten Tieren können auch 4 Teile vorhanden sein (4. absteigender Teil); 2. die Länge dieser Teile hängt von der Lage des Schädels zum Beobachter ab; 3. die Projektion der „Bogen" (nach der Bezeichnung von Seweetzow) auf irgendeine beliebige Ebene gibt niemals gerade, sondern ist eine zylindrische oder kegel- Fig-. C. Ovis poloi Blyth. förmige Sinusoide, und daher erhält man bei dieser Methode keine Winkel, die das Hörn charakterisieren. Die Winkel, welche Se- weetzow zeichnet, entsprechen nicht seiner Beschreibung, sondern sind in die erwähnte Sinusoide eingeschriebene Winkel, wobei ihre Größen nicht bestimmend sind, da ihre Spitzen keine bestimmte Lage haben. Kehren wir zu den Hörnern von Ov. poloi zui'ück. Jede der gewaltigen Hornscheiden dieses Tieres stellt in allgemeiner Form eine dreiseitige Pyramide vor. Von den 3 Seiten ist eine an der Hornbasis nach vorn gewandt — das ist die Stirnfläche, die wir in der weitern Abhandlung durch den Buchstaben A bezeichnen werden. Die zweite ist die Schläfenfläche, die seitwärts steht und mit B bezeichnet wird; die dritte — die Nackenfläche — Ovis beiiisii Skw. und die llöruer der Wildschafe. 465 ist dem Schädel zugewandt und wird mit dem Buchstaben C be- zeichnet. Die gegenüber jeder Fläche befindlichen Kanten führen als Bezeichnung die entsprechenden kleinen Buchstaben a, b, c (Fig. C). Jede der angeführten Flächen und Linien (Kanten) bildet wähi-end des ^^'achstunls des flornes infolge der verschiedenen Schnelligkeit und llichtung des Wuclises in dem an der Horn- basis abgelegten Hornringe komplizierte krumme Linien und Ober- flächen. Das wachsende Hörn erleidet eine zweifache Windung (Drehung). D i e D r e h u n g 1. 0 r d n u n g zwingt, infolge der relativ größern Wachstumsgeschwindigkeit des Hornes in der Elbene der Stirnfläche .1. die von der Stirn sich abhebende Hornscheibe sich rückwärts zu diehen, wobei sie auch ferner diese Drehungsrichtung beibehält. Die Drehung 2. Ordnung zwingt die Flächen und Kanten um die Längsachse des Hornes sich zu drehen, w'odurch jede folgende Windung des Hornes vom Schädel entfernt wird, so daß die zweite und erste Drehung nicht zusammenfallen, was stattfinden würde, wenn beim Wüchse der Hörner nur die Drehung 1. Ordnung beobachtet würde (einen solchen Fall haben war beinahe bei den Hörnern von Ov. cijdoceros Hutt.). Die Drehung des Hornes hängt von folgenden Ursachen ab. Jede neu sich ablagernde Schicht der Hornmasse übt auf die frülier abgelagerten Schichten einen gewissen Druck aus (in jedem Punkte der Schicht). Diese Druckpunkte summieren sich und drücken das Hörn nach einer bestimmten Richtung hin. Da das Hörn im Innern hohl ist, so gehört dieser Druck zu den Kräften, die auf den Peri- meter der gegebeneu Schicht wirken. Überhaupt ist die Ab- lagerung der Hornmasse an verschiedenen Perimeterpunkten eine verschiedene: an den einen wird mehr IMasse, an den andern weniger abgelagert; bei Fällen mit hohlen Hörnern können wir am Perimeter immer einen Punkt finden, wo die größte Ab- lagerung stattfindet, und einen andern Punkt der geringsten Ablagerung; an den Zwischenpunkten des Perimeters wird die Menge der abgelagerten Hornmasse eine wechselnde mittlere Stärke haben. Die Lage dieser beiden Punkte ist an die Topo- graphie der Schädelknochen gebunden und verändert nicht merklich seine Lage während des Hornwachstums, so daß in bezug auf den Schädel der Punkt größten Wachtums die ganze Zeit über ein und dieselbe Lage einnimmt. Die Stärke des Druckes auf die Perimeterelemente nimmt im allgemeinen mit der Zunahme der ab- 4ßß B. M. SiiiTKOw u. L. L. Säbäxejew, gelagerten Masse zu, so daß an den Punkten, wo sich mehr Masse befindet, auch der Druck ein größerer ist. Die Richtung der Druck- kraft ist im allgemeinen für jeden Punkt des Perimeter eine andere, und diese Kräfte überhaupt paarweise in verscliiedenen Ebenen, um so eher, da auch der Perimeter gewöhnlich keine flache Kurve, sondern eine zweifach gekrümrate Kurve (Raumkurve) dar- stellt, d. h. eine solche, die nicht mit allen ihren Punkten auf die Ebene gelegt werden kann. Das Gesamtsystem dieser Kräfte auf den schon gewachsenen Teil des Hornes wird, wie jedes ähnliche Sj-stem, zu einer Kraft zusammengefaßt und zu einem Kräftepaar, wobei das erste dem wachsenden Hörne die Vorwärtsbewegung, das zweite die Drehungs- bewegung verleiht, die gemeinsame Wirkung beider aber führt bei dem schon gewachsenen Teile des Hornes zu einiger Schrauben- bewegung, die die Spiralform des Hornes bedingt. Somit ist die Spiralform des Hornes das Resultat der Dauer- kräfte, die aus den neu sich bildenden Teilen des Hornes auf früher gebildete stattfinden, bei Zulassung ganz allgemeiner Annahmen hin- sichtlich der Konfiguration dieser Kräfte, aber nur unter der Be- dingung, daß die relativen Wirkungen der Kräfte sich nicht zu sehr im Laufe der Zeit verändern. In einzelnen Fällen erhalten wir Hörner von einfacherer Form, d. h. nicht spiralig gewundene, sondern ein gerades oder flach- spiraliges Hörn; in allen diesen Fällen ist eine solche Form durch eine besondere Konfiguration der Druckkräfte bedingt : so wird z. B. für ein gerades Hörn ihre Wirkung auf eine Kraft ohne Paar zurückzuiühren sein, im Falle eines flachspiraligen Hornes sind alle auf das Perimeter wirkenden Kräfte auf einer kegelförmigen Ober- fläche angeordnet, und daher schneiden sich ihre Richtungen in einem Punkte. Um die Form eines jeden gegebenen Hornes zu bestimmen und zum Vergleiche sowohl der Hörner verschiedener Repräsentanten ein und derselben Art wie auch verschiedener Arten, wie ganzer Hörner so auch einzelner Teile und Abschnitte derselben, folgen wir zum Teil der graphischen ^Methode, teils der Methode der Gegenüber- stellung der Maße einzelner Hornteile, um einige Parameter und Kennzalilen zu erhalten. 1. Die Verdickung oder den Zuwachs der Hörner von der Spitze zur Basis, nach der Verbreiterung jeder einzelnen Hornfläche ge- rechnet, können wir auf folgende Art ausdrücken. Indem wir als Ovis heinsii Skw. und die Hörner der "Wildschafe. 467 Achse der Abszissen eine der langen Kanten (b oder r) nehmen. lej>-en Avir auf dieselbe AI)sclmitte, die den Abständen zwischen den einzelnen Breitenausmessungen jeder Fläche entsprechen, und er- richten an den entsprechenden Punkten Ordinaten, die der Breite gleich sind. Auf der erhaltenen Figur sind dann 3 Flächen (Seiten- flächen) hingelegt, die mit den entsprechenden Buchstaben A, B, C bezeichnet werden können. Mit dieser Methode können wir recht anschaulich sowohl das gegenseitige Verhältnis der Breite der Seitenflächen jedes einzelnen Hornes darstellen als auch eine Hörnerserie vergleichen, um die Unterschiede nach der relativen Breite der Seitenflächen klarzu- stellen (Fig. D). 1? Fig. D. Ozis poloi Blyth. 2. Um die Form der Seitenflächen und Kanten graphisch aus- zudrücken, von denen die erstem gewölbt, gerade oder eingebogen sein können, die letztern aber abgerundet oder scharf, nehmen Ovis canadensis horealis Skw. Ovis cycloceros Hctt. Fig. E. Linke Hörner. 1:1. wir Zeichnungen der Hornquerschnitte. die in bestimmten Abständen geführt wurden, beginnend von der Basis. In der Praxis erhalten wir jeden Querschnitt, indem wir auf das Hörn einen ihm fest an- liegenden Ring aus weichem Draht legen, und die Figur dieses Ringes . übertragen wir auf die Zeichnung. Eine Reihe solcher 468 B. M. Shitkow \\. L. L. Sabanejew, Zeiclmungen wird ineinandergelegt, derart, daß ihre Zentren zu- sammenfallen und die Seitenflächen A, B und C entsprechend zu lieg-en kommen. Indem wir Querschnitte, die in bestimmten Ab- ständen o-enommen wurden, z. B. nach je 10 cm, auftragen, erhalten wir durch die Zeichnung die Vorstellung von der Länge des Hornes sowohl wie von dem Grade seiner allmählichen Verdickung von der Spitze zur Basis und von der Form der Seitenflächen und Kanten (Fig. E). 3. An die Größe der Drehung 1. Ordnung ist der Parameter oder die Kennzahl gebunden, die durch die Teilung der langen Kante des Hornes durch die kurze, d. h. P, = erhalten wird. Dieser Parameter hängt von 2 Veränderlichen ab: von der Größe der Drehung 1. Ordnung und von der Dicke des Hornes. Sind die Hörner nach hinten gebogen, wie bei den Schafen und Ziegen, so wird diese Kennzahl, die wir als Grundparameter des Hornes bezeichnen wollen, offenbar größer sein als 1, bei ganz geraden Hörnern P, = 1, bei nach vorn gerichteten, wie z. B. beim Rind- vieh, Pj ■< 1 (wenn man die Teile der Oberfläche eines Stierhornes der Lage nach mit den entsprechenden Teilen der Hornoberfläche eines Schafbockes, ohne Rücksicht auf das Fehlen der Seitenflächen bei ersterm vergleicht und homologisiert). Die Parameter können auch für einzelne und einander entsprechende Partien der Hörner bestimmt werden. Die Messungen zeigen z. B., daß für das ganze 80 Hörn von Ov. heinsii der Grundparameter P^ = —^ = 1,6 ist. Für Ov. ammon, wenn man das entsprechende Stück der Länge nach vom 80 Ende des Hornes nimmt, erhalten wir Pj = ,^- = 1,7 (7). Um die Form des Hornes besser zu charakterisieren, ist es am besten, ohne sich auf die oben beschriebenen Methoden graphischer Darstellungen zu beschränken, die Form einer der Kanten, z. B. der Kante b, zu bestimmen. Diese letztere stellt eine gewisse Raumkurve dar, die wir charakterisieren können, wenn wir 1. ihre Form, 2. ihre Lage im Verhältnis zum Schädel feststellen. Das erste erreichen wir, wenn wir die Gleichung der krummen Linie in absoluten Koordinaten finden, d. h. wenn wir die Abhängigkeit der Länge des Bogens S (gerechnet längs der Kante b vom Ende des Hornes, d. h. in der Richtung des Wachstums) und der Radien der 1. und 2. Krümmung voneinander ausdrücken, indem wir letztere entsprechend als R und T bezeichnen. Ovis heinsii Skw. und die Hörner dfr Wildschafe. 469 R = f (S) T = f (S). Diese Abhäiifiiiikeit kann man nicht analj'tisch, sondern graphisch ausdrücken, indem man auf der Achse der Abszissen die Grötien S aufträgt, auf den Ordinaten aber die entsprechenden R und T. Dann erhalten wir ein Diagramm von 2 krummen Linien. Jietrachten wir einzelne Fälle: ist das Hörn eine 8pirale, die auf einen Zylinder gewunden ist, so ist a R = eine Konstante T = eine Konstante = sin. a COS. 1 ' wobei ^ci = Radius des Zylinders, und i der Winkel ist, unter dem die ihn bildende Linie die Spirale schneidet (Fig. F). Das Diagramm wird 2 Grade darstellen, die der Achse S parallel gehen. Die Größe T ist die kleinste bei i = 45° ; bei diesem Werte ist T = R, und beide Geraden fallen zusammen. Ist das Hörn ein flach-spiraliges, so ist T ^ cx>, und wir werden nur eine Gerade haben. Im Falle das Hörn gerade ist, fehlen beide Gerade, da sie sich in unendlicher Entfernung (R == T = oo) befinden. T Die Größe ^5- = tg. i gibt die Größe des Winkels i, unter dem K die ihn bildende Linie die Schraubenlinie schneidet. Der Radius des Zylinders a wird aber durch a- = , fTo^' ausgedrückt. Ist die Spirale eine konische, d. h. auf einen Kegel gewunden, so wird ihre Gleichung in absoluten Koordinaten T = aS und R = bS T sein, und das Verhältnis -.5- gibt uns wieder einen Winkel, unter dem K die ihn bildende Linie die Schraubenlinie schneidet. In diesem Falle wird das Diagramm 2 Grade ergeben, die sich auf der Achse S (der Abszissenachse) schneiden. Im allgemeinen gibt uns das Figf. F. ^ weüer y ^^.^^ ncdier \ * ^weiter Fig. G. Rechte Höcner. 470 B. M. Shitkow u. L. L. Sabanejew, Diagramm krumme Linien, wobei die Neigung zur Abszissenaclise (Achse S) desto größer sein wird, je „konischer" das Hörn ist, d. Ii. je schneller es seine Windungen vereng-t. Zu größerer Bestimmtheit wollen wir positive und negative Radien der 2. Krümmung einführen, wobei wir den Radius T als positiv ansehen wollen, wenn für den Beobachter, der längs dem Radius erster Krümmung und der Länge des Hornes in der Richtung der anwachsenden Bogen sieht, derselbe rechts für das linke Hörn und links für das rechte liegt. Oder so: wenn man das Hörn so hinstellt, daß beim Anwachsen der Bogen die Drehung in der Richtung des Uhrzeigers stattfindet für das rechte Hörn und ent- gegengesetzt dem Gange des Uhrzeigers für das linke Hörn, so wird bei positivem T der nächste Spiralausgang vom Beobachter fort, bei negativem zum Beobachter hin gerichtet sein (Fig. G). Unter solchen Bedingungen ist T positiv bei Ov. ammon, poloi heinsii und =^ oo bei einigen Hausschafen mit flachspiraligen Hörnern. T ist negativ, wenigstens im Beginne des Hornwachstums, bei Ov. musmon (die Spirale biegt sich nach dem Schädel hin). T kann im Verlaufe des Wachstums sein Vorzeichen ändern^ von -|- auf — übergehen, nachdem es erst eine unendliche Größe annahm. Dann dreht sich das Hörn zuerst nach der einen, darauf nach der entgegengesetzten Seite, und es besitzt den sogenannten Inflexionspunkt, bei dem T = oo. Das Diagramm wird in diesem Falle 2 Zweige für T besitzen, die ins Unendliche verlaufen mit einer gemeinsamen Asymptote, wobei im Punkte A T = oo sein wird (Fig. H). Fig. H. Fig. J. Zur Charakterisierung der Lage des Hornes in bezug auf den Schädel nehmen wir 1. die Winkel a und ß der Tangente und des Radius R an der Hornbasis mit der Sagittalebene des Schädels und Ovis heinsii Skw. uinl die Hönier der Wildschafe. 471 2. die Winkel (p und «/' der Projektionen derselben Linien auf die Sayittalebene mit der Linie OA, die in derselben "Ebene in be- stimmter Weise gezogen ist, nämlich durcli das Ende der Nasen- beine und die Mitte der Linie, welche die Basen der Kanten b beider Hörner verbindet (Fig. J). Somit wird die vollständigste Charakterisierung eines Hornes aus folgenden Daten bestehen: L dem Diagramm des Anwachsens des Hornes an jeder Seitenfläche; 2. dem Diagramm der Querschnitte; 3. dem Diagramm der Radien der krummen Linien für die Kante b (R und T als Funktionen von S); 4. den Winkeln a und (p. die die Lage der Tangente zur Kante b an der Hurnbasis charakterisieren, und der Vei'änderung dieser Winkel mit dem Wachstum des Hornes (die gewöhnlich sehr unbe- deutend ist) ; 5. den Winkeln ß nnd ?//, welche die Lage des Radius der ersten Krümmung an der Hornbasis an der Kante b und deren Veränderung mit dem Wachstum des Hornes charakterisieren. Die beiden letzten Charakteristiken (4 und 5) können entweder als Tabellen dargestellt werden, wobei in Kolonnen die Werte von S (die der Länge der Bogen und somit dem Alter des Hornes ent- sprechen) gegeben werden, in den Zeilen aber die Werte von a. ß, fp und j//; oder man kann auch die Diagramm-Methode anwenden, indem man auf den Abszissen die Größen von S, auf den Ordinaten aber die Abschnitte aufträgt, die den Winkeln a. ß, cp und ip proportional sind. Von Nutzen ist auch ein Hilfsdiagramm, das man erhält, indem man auf den Abszissen die Größen von S aufträgt, die man, wie immer, vom Ende des Hornes rechnet, und auf den Ordinaten die Sehnen, welche die entsprechenden Bogen von S verbinden. ]Man erhält eine krumme Linie, deren Ordinaten Maxima und Minima auf- weisen werden, wenn die Hornwindungen einander genügend genähert sind, z. B. bei var. harelini; dagegen wird die krumme Linie be- ständig ansteigen, wenn die Hornwindungen genügend entfernt sind (wie bei Ov. poloi). Somit erscheint dieses Diagramm sehr empfind- lich für die Unterscheidung eines für die unmittelbare Beschreibung sehr schwer wiederzugebenden Merkmals (Fig. K). Zur i)raktischen Eruieiung der Größen T. R, a, cp, ß, \p können verschiedene Methoden dienen. R kann unmittelbar bestimmt werden durch Messung des Winkels zwischen den Tangenten in den Punkten 472 B- M- Shitkow u. L. L. Sabankjew, Ovis heiusii u. die Hörner der Wildschafe. A und B der Xante und Teilung durch die Länge des Bogens AB (Fig. L). Dann erliält man direkt den mittlem Wert R für den Bogen Aß, welcher in den Grenzen der Beobachtungsfehler als Wert von R in der Mitte des Bogens AB angesehen werden kann. Man kann auch die Interpolationsmethode anwenden, indem man an- nimmt, daß auf einer geringen Strecke des Bogens R und T sich wenig verändern, d. h. R und T beständig sind. Dann ist in dieser Partie die krumme Linie eine zj^lindrische Spirale, und es ist leicht, die Größen R und T zu erhalten, indem man die Bogen AB und die Fig. K. ihnen entsprechenden Sehnen AB mißt, sowie den Winkel zwischen den Tangenten in den Punkten A und B, den wir y nennen wollen. Dann erhalten wir auf dem Wege einfacher Rechnung R und T. Den Winkel a kann man finden durch unmittelbare Messung des Winkels zwischen den Tangenten der Kanten b an der Horn- basis, der = 2a ist. Die Winkel r/), ß und i/' werden bestimmt, der erstere unmittelbar, die übrigen zwei aber durch Rechnung. Für alle diese Messungen kann ein für allemal eine Tabelle ausgerechnet werden, welche die Werte für R, T, a, ß, cp und ij-i gibt, in Ab- hängigkeit von den Messungsresultaten. Moskau, 29. März 1909. yachdruck verboten. Ubcrsctzungsrccht vorbchaUcn. Die Eeptilien der Insel Mexiana, Amazonenstrom. Von Dr. Gottfried Hagmaun aus Basel. Mit Tafel 10. Die vorliegenden Notizen über die Reptilien der Insel Mexiana, die sich im besondern auf die Lebensweise derselben beziehen, sollen als eine Ergänzung meiner Untersuchungen über die Säugetiere ^) und meine Beobachtungen über die Vögel -) dieser Insel gelten. Ich weiß, daß meine Beobachtungen über die Reptilien an verschiedenen Stellen recht lückenhaft sind, Lücken, die zum größten Teil hätten leicht ausgefüllt werden können, wenn mein plötzlicher Entschluß, nach Europa zurückzukehren, meinen Beobachtungen nicht ein Ende gemacht hätte. Ich bin auf Mexiana nicht als Zoologe ansässig ge- wesen, sondern als Pflanzer und habe mich deshalb meinen zoologischen Forschungen eigentlich nur in der freien Zeit widmen können. Doch habe ich, als Verwalter der Insel, auf meinen häufigen Reisen Ge- legenheit gehabt, sehr interessante Beobachtungen zu machen, Ge- legenheit, die sonst einem reisenden Natuiforscher nicht leicht ge- 1) Die Landsäugetiere der Insel Mexiana. Als Beispiel der Ein- wirkung der Isolation auf die Umbildung der Arten, in : Arch. Rassen- Ges.-Biol., Jg. 5, 1908. 2) Die Vogelwelt der Insel Mexiana, Amazonenstrom, in : Zool. Jahrb., Vol. 26, Syst., 1907. Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 32 474 Gottfried Hagmann, boten wird. Durch den beständigen Verkehr mit den Eingebornen, auf die ich als einziger dort lebender Europäer angewiesen war. habe ich über viele Punkte Aufschluß erhalten, die von allgemeinem Interesse sind. Meine Liste über die Reptilien von Mexiana kann keinen An- spruch auf Vollständigkeit machen, aber aus den beobachteten Arten läßt sich doch ein einigermaßen klares Bild dieser Fauna zusammen- stellen. Wir sehen, daß viele Formen, die in der Nachbarschaft der Stadt Parä einerseits und auf dem nördlichen Festlande andrer- seits vorkommen, hier fehlen, was einzig und allein mit den oro- graphischen Verhältnissen der Insel zusammenhängt. In den Ein- leitungen zu meinen beiden erwähnten Arbeiten über die Säugetiere und die Vögel der Insel Mexiana habe ich die Urographie dieser Insel näher besprochen. Ich will mich deshalb hier kurz fassen und nur die Hauptpunkte erwähnen, die gewissermaßen zum richtigen Verständnis der hier beschriebenen Reptilienfauna gehören. Die Insel Mexiana liegt im Amazonas-Astuarium, ist rein allu- vialen Ursprunges und ragt kaum mehr als 1^/2 m über den normalen Wasserspiegel, so daß sie zur Zeit der Hochwasser des Amazonas, im März, fast vollständig überschwemmt wird. Der vorhandene Wald besteht deshalb einesteils aus Sumpfwald, sog. „Igapö", der täglich durch die Flut überschwemmt, und andernteils aus sog. „Varzea", welche nur zur Zeit der Hochwasser und größten Fluten unter Wasser gesetzt wird. Der eigentliche Hochwald fehlt auf Mexiana, da er nur auf der „Terra firme" vorkommt. Mit dem Hochwald fehlen auch verschiedene Eidechsen, Schlangen und Schildkröten, Anolis, Folychrus, Tropidums, Crotalus, Boa, Corallus, Elaps, Testudo usw.. Formen, die jedenfalls allzugroße Nässe scheuen. Dagegen bilden die ausgedehnten Sümpfe, „Mondongos", des zentral gelegenen Campo ein Paradies für Alligatoren, Sumpfschild- kröten und Anakonda, während der Igapö Bracaena und Herpetodryas und die trocknere Varzea Tupinambis und Lachesis Arten beherbergen. In dieser Hinsicht glaube ich, daß meine Beobachtungen doch ein spezielleres Interesse • haben und daß sie die Kenntnis der Lebensweise der brasilianischen Reptilien fördern mögen. Das gesamte gesammelte Material an Reptilien habe ich den zoologischen Sammlungen in Straßburg übergeben. Die Keptilien der Insel Mexiana. 475 I. Schlangen. Coluhridae. 1. Helicops 2)oli/lepis Günther. Die Gattung Helicops ist an der Bescliilderung des Kopfes sehr leicht kenntlich. Sie zeichnet sich aus durch ein unpaares luter- nasale und die nach oben mündenden Nasenöffnungen, unterscheidet sich aber von der Gattung Dimades und Hydrops durch das Vor- handensein eines Zügelschildes. Die Schuppen des Rückens sind durcliweg stark gekielt und längsgestreift. Es wurde mir ein einziges, großes Weibchen gebracht, das die Jungmannschaft der Fazenda am schlammigen Ufer des Flusses auf- gestöbert hatte. Es war ein kräftiges Tier, über 1 m lang, trächtig, mit 21 vollentwickelten Jungen. Die jungen Tierchen, von 25 — 28 cm Länge, sind oben hellbraun und zeigen 4 oder 5 Reihen runder dunkler Plecken; vom Kopfe bis zum After trennt eine weißlich- gelbe Binde die Oberseite von der schwarzen Unterseite. Von der Kehle bis über den After hinaus stehen auf der Unterseite am Rande der Ventralschilder je eine Reihe kleiner runder weißlich-gelber Flecken, und zwar treten diese Flecken nicht auf jedem Ventral- schilde auf, sondern es wird immer ein Schild, ausnahmsweise auch deren zwei, übersprungen. Von den Parietalschildern aus verläuft über den Nacken eine schwarze Binde, die in die mittlere Flecken- reihe des Rückens übergeht. Die Oberseite des Kopfes ist dunkel- braun mit bläulichem Schimmer; die Seiten des Kopfes hinter den Temporalia sind weißlich. Das Rostrale und das 1. Paar der obern Labialschilder ist dunkelbraun; das 2. und 3. Paar derselben weiß und hinten braun gesäumt; das 4. Paar fast ganz dunkelbraun, nur der Vorderrand weiß, während das 5. Paar wieder vollkommen dunkelbraun ist. Die untern vordem Labialschilder sind dunkel- braun, die Rinnenschilder vorn weiß, hinten braun. Das 5. untere Labialschild ist vollkommen weiß. //. polylepis ist auf den Amazonas beschränkt und war bis jetzt (laut Katalog des Britischen Museums) nur aus dem obern Amazonas bekannt. Über ihre Lebensweise weiß ich nichts Näheres anzugeben ; jedenfalls liebt sie feuchte und sumpfige Stellen, wie der Ort, wo das eine Exemplar erlegt wurde, vermuten läßt. Sie ist vivipar. 32* 476 ÜOTTFRIED Hagmann, 2. lieptophis llocereus Wied. Die Gattung Leptophis zeichnet sich aus durch ihren schlanken verläng-erten Kopf, der stark vom Halse abg'esetzt ist, und durch ihre breiten Präfrontalia, die mit den obern Labialschildern in Ver- bindung stehen. Es sind äußerst schlanke, dünne Schlangen mit langem, feinem Schwanz, mit gekielten Schuppen, wovon diejenigen der Seiten abgeschrägt sind. L. liocercus ist auf Mexiana eine ziemlich häufige Schlange, j)rächtig bronzegrün, die Unterseite weißlich oder gelblich gefärbt. Sie kann im Campo in der Nähe des Waldrandes, im Walde selbst auf Sträuchern angetroffen werden. Sie ist sehr flink, und wenn sie angegriffen wird, verteidigt sie sich lebhaft. Sie ist aus Venezuela, Guyana, Trinidad, Brasilien und Paraguay bekannt. 3. Herpetodrijas carinatus L. „Cutimboya". Die Cutimboya ist sehr leicht kenntlich an ihren großen Eücken- schuppen, wovon die beiden mittlein Reihen sehr stark gekielt sind. Der Kopf ist ebenfalls etwas verlängert und gegen den Hals ab- gesetzt; die Augen sehr groß, die Pupille rund. Sie ist gewöhnlich dunkel sattgrün gefärbt, die Unterseite weißgelb oder Chromgelb. Der Schwanz ist sehr lang, peitschenförmig und läuft in eine feine Spitze aus. Diese Schlange ist auf Mexiana recht häufig im Campo an sumpfigen Stellen, nie im Walde anzutreffen. Sie nähit sich be- sonders von Fröschen, wie ich selbst oft beobachtet habe, auch ist sie wohl imstande Vögel zu fassen, da sie unglaublich behende ist. Ich erinnere mich, daß auf einem Waldwege einige Schritte von mir etwas pfeilschnell über den Weg schoß und daß ich erst nachher die Schlange erkennen konnte, die durch das dichte Gebüsch das Weite suchte. Wenn angegriffen, verteidigt sie sich sehr energisch, geht sogar auf den Angreifer los. und es wird ihr nachgesagt, daß sie den Schwanz als Peitsche sehr empfindlich verwenden soll. Sie geht gern ins Wasser und schwimmt vorzüglich. Eines Tages trafen wir ein mittelgroßes Exemplar ca. 200 m vom Ufer entfernt im Hauptflusse an ; das von den Ruderern angegriffene Tier schoß blitz- schnell in das Ruderboot, wo es unter den schlangeuunkundigen In- sassen eine allgemeine Panik hervorrief und dadurch beinahe das Boot zum Kentern brachte. Diese Schlange ist ausZenti-alamerika, Südamerika östlich von den Die Reptilien der lusel Mexiana. 477 Anden und nördlich vom Rio Plata sowie von den kleinern Antillen bekannt. 4. Liophis x>oecU(Hjifrtis Wikd. Die Gattung- Liophis umfaßt kleinere Nattern, mit kaum abge- setztem Kopfe, mittlerm Sehwanze, mit ung^ekielten Schuppen, die in 17—19 Reihen angeordnet sind. L. poecilogyriis ist auf Mexiana recht häufig und ist besonders an ti-ocknen Stellen im Grase oder im A\'alde unter Gebüsch anzu- treffen. IJie Gi'undfaibe ist rötlich-braun, der Rücken mit schwarz- braunen mehr oder weniger deutlichen Flecken, die in Querbändern angeordnet sind. Der Kopf ist schwarzbraun, die Oberlippen «gelb- lich-weiß. Die Unterseite ist schmutzig weiß mit breiten, schwarzen Querstreifen. Im Magen einiger Individuen fand ich unter ver- schiedenen Resten von Insecten auch Ameisen. Sie ist vom Amazonas bekannt, kommt aber häufiger im Süden von Südamerika vor. 5. Liophis ref/inae L. Ist weniger häufig als die vorige, aber an den gleichen Örtlich- keiten anii'itreifen. Die Oberseite ihres Körpers ist grau mit grün- lichem Schimmer, einzelne Schuppen haben schwarze Ränder; an den Seiten zieht sich eine schwarze leine Zickzacklinie hin, die besonders im hintern Teile und im Schwänze deutlich ausgebildet ist. Der Kopf ist deutlich braunschwarz mit Metallglanz, die obern Labial- schilder gelblich-weiß. Die Unterseite, besonders nach hinten, ist im Leben hell korallenrot, und auf einzelnen Bauchschildern treten schwarzblaue quergestellte Flecken auf. die am vordem Rande ver- breitert sind und sich nach hinten verschmälern. Die Schwanz- schilder sind vollkommen ungefleckt. L. reginae ist bekannt aus Guyana, vom obern und untern Ama- zonas sowie aus Bahia. 6. Trt/pannvf/os conipressiis Daud. Diese zierliche Schlange ist vor allem durch ihre prachtvolle Färbung leicht kenntlich; es ist die schönste Schlange, der ich auf Mexiana begegnet bin. Sie ist sehr schlank, lang und dünn, seit- lich zusammengepreßt, der Kopf breit und kurz und der Hals sehr dünn und fein. Die Augen sind groß, das Frontalschild und die Parietalschildersind dem breiten und kurzen Kopfe entsprechend, breit 478 Gottfried Hagmann, und kurz, so daß das Frontale nur etwas länger als breit ist. Der Schwanz ist selir lang und verläuft in eine feine Spitze. Die Ober- seite des Körpers ist im Leben lebhaft ziegelrot und mit schwarzen seitlichen Flecken gezeichnet. Diese Flecken sind im vordem Ab- schnitt des Körpers zu Querbändern angeordnet, die in der Median- linie miteinander in Verbindung stehen. Nach hinten zu werden diese Flecken alternierend, und die mediane Verbindung hört auf. Der Nacken ist auf ungefähr 2 Kopflängen vollkommen schwarz- braun. Der Kopf älterer Exemplare ist prachtvoll orangegelb im Leben, welche Farbe im Spiritus etwas zurückgeht; derjenige jüngerer Tiere ist gelblich-weiß. Das Schwanzende ist obenauf ungefähr 3 Kopflängen ebenfalls vollkommen schwarzbraun. Die Unterseite ist von der Schnauze bis zum After gelblich-weiß und fleckenlos. Die untern Schwanzschilder sind längs der Mittelnaht schwarz ein- gesäumt, so daß ein schwarzes Zickzackband entsteht; gegen die Schwanzspitze hin ist auch die Unterseite dunkler. Die mittlem Schuppen des Rückens sind größer als die übrigen. Von dieser prächtigen Schlange kamen nur 2 Exemplare in meinen Besitz; das eine habe ich in meinem Wohnhause gefangen, als es mit dem Kopfe aus einem Astloche des Fußbodens herauskam, das zweite im trocknen Urwalde. Im Magen des größern Exem- plars fand ich eine junge Ameiva surinamensis. T. compressus ist auf Guyana und den Amazonas beschränkt. 7. Hiniantodes cenchoa L. In der Form und Gestalt des Körpers der vorigen Art sehr ähnlich, doch ist das Frontalschild kleiner als die sehr großen Parietalschilder. Der Körper ist seitlich sehr stark zusammen- gedrückt, der Schwanz ebenfalls lang und äußerst fein. Die Schuppen der mittlem Reihe sind sehr stark verbreitert. Ich besitze nur ein einziges Exemplar dieser zierlichen Schlange von Mexiana, wo ich sie im dürren Laube des Urwaldes fing. Die Grundfarbe ist cremeweiß , der ganze Körper bis zum äußersten Schwanzende ist mit kastanienbraunen Querflecken be- deckt, so daß auf der Mittellinie des Rückens nur ein schmaler Streifen der hellen Grundfarbe hervortritt. Die rotbraunen Flecken sind durchgehends schwarz eingesäumt. Die hellen Teile der Seiten sowie die cremefarbige Unterseite sind äußerst fein braunschwarz gesprenkelt. Die Oberseite des Kopfes ist rotbraun wie die Flecken des Oberkörpers; von den Augen nach der hintern Sutur der Parietal- Die Reptilien der Insel Mexiana. 479 scliilder und von da über den Nacken geht ein Vfürraiger Streifen ; ebenso zeig-t dei- vordere Teil des Kopfes eine unregelmäßige weiße Linienzeichnung. Die Schnauzenspitze ist creniefarbig und braun gesprenkelt. Diese Schlange, die aus Mexiko, Zentralamerika und aus dem nördlichen Südamerika bekannt ist, scheint am Amazonas die südliche Grenze ihrer Verbreitung zu erreichen. 8. Leptoilira minulata L. Eine kleine zierliche Natter, mit abgesetztem Kopfe, großen Augen und verhältnismäßig langem Schwänze. Der Körper ist zylin- drisch oder nur schwach seitlich zusammengedrückt. Das fast regel- mäßig rechteckige Frontalschild ist bedeutend kürzer als die Parietal- schilder; die Temporalschilder sind ziemlich groß. Die Schuppen der mittlem Reihe sind gegenüber den andern Rückenschuppen etwas verbreitert. Die Grundfarbe ist hellbraun; die ganze Oberseite vom Nacken bis zum äußersten Schwanzende ist mit dunkelbraunen Querbändern versehen, welche teilweise zu einer Zickzacklinie zusammenlaufen. Bei jüngeren Tieren tritt eine ununterbrochene Zickzacklinie an Stelle der Querbänder. Der Kopf ist etwas dunkler als die Grundfarbe des Körpers; hinter dem Auge dagegen geht ein dunkler, bei jungen Tieren sehr deutlich ausgeprägter Streifen nach dem Mundwinkel. An den Seiten des Körpers lassen sich vereinzelte dunklere Flecken erkennen. Die Unterseite ist gelblich-weiß und vollkommen un- gefleckt. Von dieser durch ihre charakteristische Zeichnung leicht er- kenntlichen Schlange habe ich 6 p]xemplare auf Mexiana gesammelt. Einige fing ich selbst im Wohnhause, wo sie unter dem Fußboden herauskamen, andere im Walde zwischen trocknem Laube. Auch für sie dürften größere Insecten die Hauptnahrung bilden. Ich fand im Magen eines Exemplars eine Wespe sowie die kräftigen Schenkel einer Grille und außerdem Knochen eines kleinern Laub- frosches. L. annulata ist fast ausschließlich auf das Amazonas-Tal be- schränkt, scheint aber mehr aus dem obern Amazonas bekannt zu sein. 480 Gottfried Hagmann, 9. Oxf/rhopiis cloelia Daud. Sie erinnert in ihrem allgemeinen Habitus etwas an unsere euro- päische Äsculapnatter. Sie ist eine zylindrische, kräftig- gebaute Natter, deren Kopf g-egenüber dem Hals kaum abgesetzt ist. Das Frontalschild ist nahezu dreieckig, die Parietalschilder im Verhältnis zu ihrer Länge schmal. Von dieser Natter erhielt ich nur ein einziges Exemplar auf Mexiana. Dasselbe ist braunviolett, ohne Rückenzeichnung, nur die Ränder der einzelnen Schuppen sind etwas dunkler. Die Unterseite bis zum After ist gelb, ohne jede Fleckenzeichnung; die untern Schwanzschilder sind, ebenfalls gelb, doch sind die Innenränder schwarz gesäumt, so daß auf der Unterseite des Schwanzes eine dunkle Zickzacklinie entsteht. Diese Schlange ist von Mexiko, Zentral amerika und aus dem tropischen Südamerika bis Rio Grande do Sul bekannt. Amblycephalidae. Die neotropischen Amblycephaliden, mit den Gattungen Leptognathns und Dipsas, sind sehr leicht kenntlich an der eigentüm- lichen Ausbildung der Rinnenschikler, die fast regelmäßig breiter sind als lang; dadurch werden die seitlichen untern Labialschilder bedeutend schmäler als bei andern Schlangen. Meistens treten 3, sogar 4 Paare, selten nur 2 Paare von Rinnenschildern auf. Während, soweit ich es verfolgen konnte, bei allen neotropischen Colubriden, Boiden wie Viperiden, die Rinnenschilder durch kleinere Kehlschilder von den Ventralschildern getrennt sind, stehen bei den neotropischen Amblycephaliden die Rinnenschilder in direktem Kontakt mit den Ventralschildern. 10. Dijysas hucephala Shaw, Durch ihren stark abgesetzten, kurzen und breiten Kopf kann man diese Schlange im Freien leicht für eine Giftschlange halten. Selbst ihre Bewegungen und ihr Benehmen, wenn sie verfolgt wird, haben eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem einer Giftschlange. Der Körper ist sehr stark seitlich zusammengedrückt; der Schwanz lang und fein ausgezogen. Die Rückenschuppen der mittlem Reihe sind bedeutend verbreitert und zwar von der hintern Partie des Nackens an bis über den After hinaus. Die Oberseite Die Reptilien der Insel Mexiana. 481 sowie der Kopf sind rötlicli-biaiiii und über die Oberseite des Körpers sind kastanienbraune Querbänder verteilt, die breiter sind als die Zwischenräume. In den Zwischenräumen selbst stehen auf der letzten Kückenschuppenreihe, auf die Ventralschilder übergreifend, porzellan- weiße Flecken, die als kleine Punkte noch am Schwanzende konsta- tiert werden können. Die ganze Ihiterseite ist rehbraun. Der Kopf des einzigen Exemplars, das ich auf Mexiana bekommen konnte, hat die gleiche Farbe wie der Grundton des Körpers; nur über die Präfrontalia, das Frontale und den mittlem Teil der Parietalia zieht sich eine dunklere Partie. Dunkle, weiß eingesäumte Flecken auf dem Kopfe, wie sie Jan, Iconogr. Gen., Lief. 37., tab. 2., fig. 1 und BouLEXGER. Cat. British Mus., Vol. 3, p. 462 angibt, fehlen diesem Exemplar vollständig. Ebenso sind die kastanienbraunen Quer- bänder nicht weiß eingesäumt, wie es die Figur von Jan zeigt. Dieses einzige Exemplar von Mexiana habe ich selbst im ürwalde zwischen trocknem Gestrüpp gefangen. Im Magen dieser B. bucephala fand ich weiße walzenförmige Gebilde, die als Radulae von Schnecken erkannt wurden. Von Herrn Prof. Simeoth in Leipzig, dem ich ein Präparat dieser Radulae zuschickte, erhielt ich die freundliche briefliche Mitteilung, daß diese Radula von einer Raublungenschnecke (Testacellide) stamme und daß es sich hier nur um einen V^ertreter der Gattung Oleacina handeln könne, da von den Raublungenschnecken nur die Gattung Glamlina aus Brasilien bekannt ist, deren süd- amerikanische Vertreter als Oleacina abgetrennt werden. Da ich vermutete, daß es sich nur um eine Nacktschnecke handeln könne, da keine Spur von Schalenresten im Magen zu finden waren, teilte mir Herr Prof. Simroth noch mit : „Somit ist wohl anzunehmen, daß die mäßig dicke Schale bei der Digestion völlig aufgelöst werde, daß also der Magen sauer reagiert. Das ist wohl auch aus Analogie der Echsen zu vermuten, die ja einer An- zahl von Schneckenliebhabern sich erfreuen, unsere Blindschleiche und ein Monitor Nacktschnecken, Lacerta ocellata zum vertilgen von Helix ladea im botanischen Garten in Lissabon usw." Dazu käme noch nach meinen Untersuchungen Dracaena guianensis (siehe unten). Auf die Anfrage von Herrn Prof. Simroth: „Ist Ihre Bipsas bucephala nicht die erste Schlange, der Schneckennahrung nachge- wiesen wird?", schrieb ich an Herrn Di\ Franz Werner in Wien, welcher mir in zuvorkommendster Weise umgehend antwortete: „Was das Vorkommen von Schnecken im Mageninhalt von 4^2 Gottfried Hagmann, Schlangen anbelang't, so habe ich in 4 Fällen Schnecken als Nahrung- von Sclilang-en nachweisen können. Nämlich in: Lepfognafhiis mikani, eine Gehäuseschnecke, ähnlich Succinea. L. mihani (Porto Alegre); eine Nacktschnecke. L. ventrimaculata (Paraguay), eine Nacktschnecke. Tomodon dorsatus (Paraguay), eine Nacktschnecke. Die 3 letztgenannten Schlangen habe ich im Museum zu Ham- burg im September 1908 untersucht. Es ist sehr merkwürdig, daß 1. von den schneckenfressenden Schlangen fast alle Ambly- cephaliden waren, 2. daß diese Art der Nahrung nur von südamerikanischen Schlangen bekannt ist. (Ich habe auch unzählige andere aufge- schnitten, aber immer nur Wirbeltiere darin gefunden.)" Soweit die briefliche Mitteilung von Dr. Weknee. Dipsas hucephala, ebenfalls eine Amblycephalide, macht also in ihrer Nahrung keine Ausnahme von den übrigen Angehörigen der Familie. Die Gattungen Leptognaflms und Dipsas schließen sich also nicht nur in morphologischer, sondern auch in biologischer Be- ziehung, speziell in der Ernährungsweise, eng aneinander. D. hucephala ist aus Guyana, vom obern Amazonas und aus Bahia bekannt. Viperidae — Crotalinae. Die Unterfamilie der Crotalinen ist bekanntlich an der Zügel- grube. Avelche zwischen dem Auge und der Schnauzenspitze liegt, leicht zu erkennen. Lcichesis, Bei der Gattung Lachesis endet der Schwanz in eine Spitze und besitzt keine Klapper. Die Oberseite des Kopfes ist mit Schuppen und kleinen Schildern bedeckt und unterscheidet sich da- durch von der noch in Guatamala vorkommenden nearktischen Gattung Ancistrodon, bei welcher die Beschilderung des Kopfes der- jenigen der Colubriden ähnlich ist. 11. Lachesis lanceolatus Lacep. ,..Jararäca". Diese Jararäca ist leicht kenntlich an den sehr breiten Supra- ocularschildern, an der normalen Beschilderung des untern äußersten Schwanzendes und an den sehr stark gezielten Schuppen des Kopfes. Die Reptilien der Insel Mexiana. 483 Der Körper der Jararäca ist kurz und dick, der Schwanz ist sehr kurz; der Kopf ist deutlich dreieckig und vom Halse stark abgesetzt. Die Grundfarbe des einzigen Exemplars, das icli von Mexiana besitze, ist hellgrau; die ganze Oberseite ist mit breiten braunen Querbändern gezeichnet, die auf der Mittellinie des Rückens schmal sind und auf den Seiten nach den Bauchschildei-n hin sich stark verbreitern. Die Untei'seite ist hell rötlich-weiß mit dunkelbraunen Flecken; am stärksten sind diese Flecken auf dem Außenrande der Ventralschilder, auf welchem sie alternierend auftreten. Die Ober- seite des Kopfes bis zur Parietalgegend ist dunkelbraun; die Occi- pitalpartie hat die Grundfarbe der Oberseite des Körpers. Vom Auge bis über den Mundwinkel hinaus geht ein dunkler schwarz- brauner Streifen. Die Jararäca hält sich nur im A^'alde auf, wo auch mein Kxemplar eingefangen wurde. Einige Waldarbeiter entdeckten es eingerollt am Fuße eines Baumes und brachten es mir in einen gespaltenen Stock eingeklemmt abends nach Hause. Sie ist überall und mit Recht als sehr gefährliche Giftschlange gefürchtet. Im Magen dieser Schlange fand ich Haare einer Maus. L. hmceolatus ist von Mexiko über Zentralamerika, die Kleinen Antillen, Ecuador, Venezuela, Guyana, durch Brasilien bis nach Rio de Janeiro verbreitet. 12. Laehesis niutus L. „Surucucü". Die sehr gefährliche Surucucü bekam ich auf Mexiana nie selbst zu Gesicht, doch wurden dort während meines 1^. Jährigen Aufenthaltes 2 Exemplare getötet. Ich sah nur später die enormen Giftzähne dieser Schlange und bin vollkommen überzeugt, daß es sich nur um diese Art handeln kann. Sie läßt sich von der Jararäca leicht unterscheiden: durch die eigenartige Beschuppung der Schw^anzspitze, wo an Stelle der letzten Subcaudalia mehrere kleinere Schuppen auftreten, ferner durch die bedeutend schmälern Supraocularia und durch die kaum oder nur schwach gekielten, granulierten Schuppen des Oberkopfes. Die Rückenschuppen, die stark gekielt sind, sind ebenfalls granuliert. Die ?]ingebornen behaupten allgemein, daß die Surucucü paar- weise leben, da beim Töten einer Surucucü nach wenigen Tagen gewöhnlich ein 2. Exemplar am gleichen Orte beobachtet oder er- legt wird, woraus die Leute auch den Schluß ziehen, daß die Schlange ihren Gefährten sucht. ^g^ GoTTt'KiED Hagmann, Man trifft sie nur im größten Dickicht des Urwaldes an voll- kommen ungestörten Orten an. Während meines Aufenthaltes in Para wurde im Stadtparke unter einem faulen Baumstamme eine Surucucü gefangen. Ich selbst hatte sie gemessen; sie maß 1,95 m; die Grundfarbe des Oberkörpers war fuchsrot. Sie ist aus dem südlichen Zentralamerika und aus dem tropischen Südamerika bis Bahina bekannt. Lachesis lanceolatus und L. mutus sind auf Mexiana die einzigen Giftschlangen, die bis jetzt dort gefunden worden sind. Eigentüm- licherweise fehlt daselbst die Klapperschlange, Crofalus terrifkus. welche in den Campos der gegenüberliegenden Insel Marajo und auf dem nördlichen Festlande von Brasilianisch Guyana sehr häufig vorkommt und erheblichen Schaden unter dem Vieh anrichtet. Auf Mexiana fehlt ebenfalls die ganze Gattung Elaps, die in einzelnen Arten selbst in der Nähe der Stadt Parä nicht selten zu finden ist. Die beiden eben erwähnten Lachesis- Arten sind auf Mexiana jedenfalls selten, und niemand kann sich erinnern, daß auf dieser Insel je ein Mensch von einer dieser Giftschlangen gebissen worden ist. Das Eingehen von Kindvieh und Pferden wird oft Giftschlangen zugeschrieben, allein ich selbst hatte nie Gelegenheit diese Tat- sache persönlich feststellen zu können. Übrigens möchte ich hier noch erwähnen, daß die Mehrzahl der Eingebornen, so gut sie sonst über die sie umgebende Tierwelt informiert sind, unter den Schlangen sich nicht richtig auskennen, was in der Regel auch in andern Ländern, Europa nicht ausge- schlossen, ebenfalls der Fall ist. Bei vielen scheint der Abscheu vor den Schlangen, der sie nicht zu einer nähern Prüfung der Sache kommen läßt, daran schuld zu sein, während andere gern jede Schlange, die ihnen begegnet, als Jararäca oder Surucucü bezeichnen, damit sie zu Hause ihre Jagdabenteuer gefährlicher und deshalb auch interessanter ausmalen können. Sie lassen sich, was Jäger- latein anbelangt, den europäischen Jägern jedenfalls vollwertig zur Seite stellen. Deshalb muß man sich den Angaben der Eingebornen über das Vorkommen und häufige Auftreten von Giftschlangen gegenüber sehr skeptisch verhalten. Die Reptilien der Insel Mexiaua. 485 Boidae. Von der »ganzen Gruppe der Boiden kommt auf Mexiana nur Eunecics murimis vor. Boa consirictor, Epicrates cenchris und Corallus rani)ius, die auf dem Festlande des untern Amazonas gar nicht selten sind, fehlen auf Mexiana vollständig. Dies liängt jedenfalls damit zusammen, daß die erwähnten Schlangen sich mit Vorliebe auf der Terra firme aufhalten, die hohe trockne Wälder aufweist, welche auf Mexiana fehlen. 13. JEiinectes murhiits L. „Sucurijü". Die Sucurijü, wie die Anakonda am Amazonas genannt wird, ist auf Mexiana eine recht iiäufige Schlange. Mit Vorliebe hält sie sich ja bekannterweise an den Flüssen auf, kann aber auch im Urwalde, von den Flüssen entfernt, angetroffen werden. In allen Sümpfen des Campo sowie in den ausgedehnten Beständen von Papyrus und Ipomoea, welche die Ränder der Sümpfe begleiten, ist die Sucurijü zu beobachten, und zur Zeit des Hochsommers, wenn die Sümpfe austrocknen, findet man sie öfters eingerollt im halbtrocknen Schlamme vollständig eingegraben, so daß nur ein geübtes Auge sie erkennen kann. Oft ist sie nur von einer dünnen Schlammschicht bedeckt und hat dann in dieser Lage auf den ersten Blick eine frappante Ähn- lichkeit mit einem großen verwitterten Jura-Ammoniten. Die Eingebornen steigen, wenn sie eine solche in Sommerschlaf verfallene Schlange antreffen, vom Pferde und schlagen sie mit ihren kräftigen Waldmessern entzwei. Sie lassen die Gelegenheit, eine Sucurijü zu töten, niemals unbenutzt vorübergehen. Nach Aussage der Eingebornen haust in jeder Flußschlinge, wo sich ein Kessel, ein sogenannter „Poqo" bildet, ein Ungeheuer einer Sucurijü, und recht abergläubische Seelen danken den Heiligen, wenn sie bei der Durchfahrt nicht mit ihr in Berührung gekommen sind. Ebenso soll ein Sumpf niemals zum Austrocknen kommen, solange seine Beherrscherin, die Sucurijü, sich darin aufhält. Diese letzte Behauptung mag ja teilweise seine Richtigkeit haben, denn das Tier sucht beim fortschreitenden Austrocknen des Sumpfes die tiefste Stelle aus, gräbt sich dort wohl noch tiefer ein, so daß an dieser Stelle das ^\'asser bis zum Flintreten der Regenzeit nicht versiegt. Mit diesen Fabeln der Eingebornen hängt auch jedenfalls die der „Y-oära", der „mae d'agua", der Wassermutter, zusammen, die 485 Gottfried Hagmann, den Schrecken der Kinder bildet, besonders den Knaben aufsässig- sein soll und des Nachts ihr Unwesen treibt. Kein Knabe auf der Insel hätte gewagt, des Abends ohne Begleitung eines Erwachsenen zum Flusse zu gehen, aus Furcht, von der „Wassermutter" in ihr feuchtes Reich entführt zu werden. Ungeheure Exemplare von Sucurijiis sollen schon erlegt worden sein, doch habe ich niemals Gelegenheit gehabt, die Behauptungen der Eingeboruen prüfen zu können. Daß es sehr große, besonders recht alte Exemplare gibt, bezweifle ich nicht, aber Sucurijüs von 6 — 7 m Länge dürften wohl äußerst selten sein. Es wurde mir persönlich niemals bekannt, daß Menschen von einer Anakonda tatsächlich angegriifen worden sind. Im Wasser ist sie sehr behende, und, dort angegriffen, wird sie sich jedenfalls sehr energisch wehren ; auf dem Lande hingegen ist sie äußerst unbe- holfen und nicht imstande, rasch zu fliehen. Sie ist überall sehr verhaßt wegen ihrer Räubereien, die sie besonders unter den Hausenten verübt, weshalb ihr auch so sehr nachgestellt wird. Es ist kaum eine Baracke von Eingebornen zu finden, deren Bewohner nicht von den Räubereien der Sucurijü zu er- zählen wissen. Die Anakonda ist aus Guyana, Brasilien und aus dem nordöst- lichen Peru bekannt. U. Eidechsen. 14. Dracaena guianensis Daud. „Tucurixy". Von dieser so interessanten und noch wenig beobachteten großen Eidechse sind nur 3 Exemplare in meine Hände gelangt; leider waren sie durch die Waldmesser der Eingebornen beim Einfangen so geschlagen worden, daß außer den Schädeln, die zufälligerweise alle gut erhalten geblieben sind, nur von einem Exemplar noch das Skelett brauchbar war. Bekannt sind ja die auffallend breiten Pflasterzähne des Ober- und Unterkiefers, die ohne weiteres auf die Schnecken- und Muschel- nahrung dieser Eidechse schließen lassen. Auch die Magenunter- suchungen bestätigen diesen Schluß, denn es fanden sich im Magen nur Reste von Schnecken, besonders von PaZwc^ma-Arten, und deren Schalen vor. Es ist wohl nur aus der Unkenntnis des Gebisses zu erklären, wenn Goeldi behauptet, die Dracaena ernähre sich von Die Reptilien der Insel Mexiana. 487 Fischen. Goeldi kam zu dieser Ansicht durch die Beobachtunj?, daß ein Exemplar, das wochenlang in der Gefangenschaft nichts zu sich nahm, nun endlich einmal gehackte Fische verzehrte. Ihr Gebili macht es der Dracaenn geradezu unmöglich, in der Freilieit sich von Fisclien zu ernähren. Die Dracaena hält sich in den „Igapus", d. h. in den Wald- strichen, die täglich von der Flut überschwemmt werden und wo die Pahidina sehr häufig sind, auf. In der Regenzeit kann sie auch an Tümpeln des Campo angetroffen werden, da zu dieser Zeit auch hier sich Palndina vorfindet. Sie ist wenig scheu, eher träge und flieht jedenfalls vor dem Menschen nur dann, wenn sie sich direkt verfolgt sieht. Leider sind meine Bemühungen, ein lebendes Exemplar zu er- halten, erfolglos geblieben. Die B. guianensis ist nur aus Guyana und aus dem Amazonas- Tal bekannt geworden. 15. Iffuana tuberculata Laur. „Cameleäo". Die Iguana tuberculata. von den Eingebornen kurzweg „Came- leäo" bezeichnet, kommt auf der Insel Mexiana recht häufig vor, sie ist jedoch wegen ihrer grünen Farbe im Blätterwirrwarr am Ufer der Igarapes, wo sie sich mit Vorliebe aufhält, nicht leicht zu be- obachten. Sie ist scheu, und, auf der Flucht begriffen, schießt sie über die Kronen der niedern Bäume und Gebüsche so behende liin- weg, daß sie aus dem Gesichtskreis des Jägers rasch entschwindet und sich nur durch das Geknister der feinern brechenden Ästchen verrät. Sie steigt aber auch auf die höchsten Bäume des Urwaldes, und ich erinnere mich, ein Exemplar aus sehr bedeutender Höhe heruntergeschossen zu haben. Sie sind außerordentlich zählebig, und nur ein Schuß in den Kopf bringt sie zum Sturze. Auf Mexiana findet die Eiablage von /. tuberculata von Ende September bis Ende Oktober statt, wozu besonders die Sanddünen der Küste aufgesucht werden, die die Anlage einer Grube zur Auf- nahme der Eier sehr erleichtern. Wie ich schon an früherer Stelle bekannt machte ^), beläuft sich die Anzahl der Eier eines Geleges durchschnittlich auf 30 Stück. Die Nestgruben werden gewöhnlich schräg verlaufend angelegt, und zwar wird ein etwa 2 Fuß langer Gang gegraben, der am Ende 1) Siehe in: Zool. Jahrb., Vol. 14, Syst., p. 589. 4gg Gottfried Hagmann, etwas erweitert wird und zur Aufnahme der Eier dient. Da diese Sanddünen bei jeder Springflut wieder bespült werden, so findet sich auch genügend Feuciitigkeit und Festigkeit im Sande vor. Nur da- durch ist es möglich, in den lockern Sand einen Gang zu graben, in dem zu gleicher Zeit auch die zur Entwicklung der Eier not- wendige Feuchtigkeit erhalten bleibt. Obwohl die Gruben von der Iguana wieder ausgefüllt werden, sind die Nestgruben im Sande leicht zu finden, da keine weitere Sorgfalt zur Verwischung der Spuren verwendet wird. Da aber die Richtung des Ganges von der Oberfläche aus nicht immer zu erkennen ist, so sondieren die Ein- gebornen mit ihren Waldmessern den Platz und finden die Eigrube oder den Gang an derjenigen Stelle, wo sie den geringsten Wider- stand fühlen. Zur Zeit der Eiablage der „Cameleoes" werden die Sanddünen von den Eingebornen eifrig besucht, denn die Eier, welche weich gekocht sehr wohlschmeckend sind, werden von ihnen sehr geschätzt. Ganz vorzüglich schmeckt auch das Fleisch der Iguana, das im Ge- schmack dem Hühnerfleisch sehr nahe kommt. Ebenso verhält es sich auch mit dem Fleisch der Dracaena guianensis und der Tu^n- nanibis nigropunctatus. I. tubei'culaia ist von Nicaragua, Columbien, Venezuela, Ecuador, Guyana, dem Amazonas und aus dem nördlichen Brasilien bis Bahia bekannt. 16. Tnpinanibis nif/ropiinetattis Spix. „Jacruarü". Der Jacruarü ist im Waldgebiete von Mexiana überall anzu- treffen. Im eigentlichen Campo und in den zentral gelegenen Wald- inseln dagegen, habe ich ihn nie beobachtet. Man kann kaum 100 Schritte weit in den Urwald eindringen, ohne diese kräftige Eidechse aufzustöbern. Mit Vorliebe sonnt sie sich an den AVald- wegen, und beim Begehen derselben wird man oft durch die plötz- liche Flucht, die das vorsichtige Tier beim Herannahen von Menschen ergreift, erschreckt, denn es rennt mit einer solchen Heftigkeit durch das Unterholz und durch das dürre Laub, daß man unwillkürlich seine Schritte hemmt. Ist es 10 — 15 m weit waldeinwärts geflohen, so bleibt es wieder ruhig und hält in seiner Umgebung Umschau. Es hält dann sehr schwer, das Tier im Dickicht des Unterholzes von neuem aufzufinden, und es ist dann meistens kaum möglich, zu Schuß zu kommen. Verfolgt man dagegen einen sonnigen Waldweg oder den Rand einer Pflanzung mit größerer Vorsicht, indem man I Die Reptilien der Insel Mexiana. 489 jedes Geräusch zu vermeiden suclit, so geliiio:t es mitunter, den Jacruarü in seinem Sonnenbade zu überraschen und zu Schuß zu bekommen, denn er bietet auch für den Tiscli des P^uropäers eine willkommene Abwechslung. Von Hunden verfolgt, sucht er irgendwo einen Unterschlupf in der Höhle eines Aguti oder Güiteltieres, setzt sich aber, liart be- drängt, energisch zur \\'ehr. Kinen meiner Foxterrieis, die mich immer im Walde begleiteten, verfolgte eines Tages eine mächtige Eidechse, und da der Hund nicht zurückkehrte und unaufhörlich bellte, schlug ich mich durch den dichten Urwald durch, um zu sehen, was vorgefallen sei. Im leergelaufenen Schlammbett eines kleinen Flußarmes, es war zur Zeit der Ebbe, fand ich meinen Fox- terrier einem Jacruarü gegenüber. Nach bekannter Art der Fox- terriers suchte mein Hund dem Jacruarü, der anscheinend schon stark ermüdet war, von hinten beizukommen, aber ebenso rasch wendete sich die mächtige Eidechse und unternahm auch ver- schiedene Angriffe auf den Hund, der jedoch seinem noch unbe- kannten Gegner, soweit es der zähe Schlamm gestattete, geschickt auswich. Interessant war die imposante Stellung, die der Jacruarü einnahm, um sich gegen seinen Angreifer zu verteidigen. Er stellte sich hoch auf die Beine, stützte sich mit Hilfe seines kräftigen Schwanzes und war mit offenem Rachen stets sprungbereit, während er am ganzen Körper vor Wut und Aufregung zitterte. Mit einem Eingriff meinerseits brachte ich diese Szene zum Abschluß und nahm den Jacruai'ü für meine Küche mit nach Hause. In der Nähe von Wohnungen ist der Jacruarü sehr unbeliebt, denn er stellt den Kücken und jungen Entchen nach. Er ist ein verliältnisraäßig guter Schwimmer, dagegen klettert er nur aus- nahmsweise und nur auf wenige Meter hohe und leicht zugängliche Bäume. Sein P^lement ist der feste Boden, wo größere Insecten, wahrscheinlich auch Frösche und Mäuse seine Hauptnahrung bilden. Über seine interessante Fortpflanzungsweise in den Nestern der Baumtermiten habe ich in einem speziellen Artikel schon aus- führlich berichtet (s. in : Zoolog. Jahrb., Vol. 24, Syst., 1906, p. 310). T. nigropundatus ist aus Guyana, aus dem ganzen Amazonas-Tal und aus dem übiigen tropischen Brasilien bekannt. 17. Anieiva suvinatnensis Laue. Die auch in der Umgebung von Para so häufige Eidechse ist auf der Insel Mexiana im Walde überall anzutreffen, wo sie die Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 33 490 Gottfried Hagmann, trocknern und höhern Stellen zu bevorzugen scheint. Im eigent- lichen Campo habe ich sie niemals beobachtet. Über ihre Fort- pflanzungsweise habe ich schon vor Jaliren berichtet und ver- weise auf meine Artikel in: Zool. Jahrb., 1901, Vol. 14, Syst., p. 585). Die Ameiva surinamensis ist von Costa Rica, aus Columbien, Venezuela, Brasilien und aus Uruguay bis nach Montevideo bekannt. 18. Cneniidophorus leinniscatus Daud. Diese niedliche Eidechse, die durch ihren längsgestreiften Körper leicht auffällt, habe ich auf Mexiana zum ersten Male beobachtet. Sie ist auch dort nur an ganz bestimmten Stellen zu finden, und zwar belebt sie die trocknen, heißen Sanddünen, die sich an der Küste hinziehen und mit Drepanocarpus oder spärlichem Grase be- wachsen sind. Sie ist wenig scheu, aber doch immer recht vorsichtig und vor allem äußerst flink und behende, so daß es nicht leicht wird, ihrer habhaft zu werden. Auf dem Kehrichthaufen bei einer Baracke, die an eine Sand- düne angebaut war, habe ich die C. lemniscatus zur Genüge beob- achten können. Dort waren sie zur heißen Tageszeit zu mehreren Dutzenden vorhanden, denn eine Menge Fliegen schwirrten um den Haufen herum und wurden von den Eidechsen geschickt abgefangen, sobald sie sich irgendwo niedersetzten. Dort ist es mir auch ge- lungen, mit Hilfe eines feinen Bambusrohres und einer dünnen Schnur, wie ich es schon früher in meinem Artikel über Ameiva surinamensis näher beschrieb, mehrere Exemplare lebend einzufangen, die ich dann auch eine Zeitlang in Gefangenschaft hielt und mit Fliegen fütterte. Über ihre Fortpflanzungs weise konnte ich bis jetzt nichts in Erfahrung bringen. Bei der Bestimmung der Art nach dem Katalog des Britischen Museums ist mir die geringe Größe meiner Exemplare aufgefallen, so daß ich mich bei Herrn Boulenger über die Richtigkeit meiner Bestimmung erkundigte. Herr Boulenger schrieb mir zurück, daß die eingesandte Eidechse wirklich C. lemniscatus wäre und zwar ein halbwüchsiges Weibchen. Ich muß nun hier besonders bemerken, daß ich auf Mexiana keine bedeutend größern Exemplare beobachtet habe und daß ich deshalb meine Exemplare, wenn nicht als ganz ausgewachsen, so doch nicht als halbwüchsig betrachten kann. Da ich bei meinen Untersuchungen der Säugetiere von Mexiana fast Die Kcptilien der Insel Mexiaiia. 491 durcligehends eine geringere Körpergröße gegenüber den Festlands- formen konstatieren konnte, so bin ich geneigt, auch diese kleine Form der Cncimdophorns lemniscaius der Insel Mexiana als eine durcli insulare Einschränkung entstandene Kümmerform zu betrachten. C. lemniscatus ist aus Colunibien, Venezuela, Trinidad und vom Amazonas bekannt. 19. Mab u kl auratci Gravenh. Die Mahuia aumta, die auch in der Nähe von Parä vorkommt, habe ich nur wenige Male beobachtet und zwar meistens am Rande des Waldes und der Pflanzungen, wo sie sich im Grase aufhält oder zwischen Laub und heruntergefallenen dürren Ästchen sich umher- tummelt. Sie ist wenig scheu und nicht sehr behende, so daß sie mit Leichtigkeit gefangen werden kann. Sie lebt von kleinern In- secten, besonders Heuschrecken, die überall sich in großer Menge vorfinden. Sie ist von den Antillen, von Guyana, vom Amazonas und aus dem nördlichen Brasilien bis Pernambuco bekannt. 20. Thecadaetylus rajrlcaudus Houtt. Tli. rapicaudus. einer der größten und interessantesten Geckos, habe ich auf der Insel Mexiana trotz eifrigen Nachforschens nur 2mal zu Gesicht bekommen, und nur 1 Exemplar konnte ich in meinen Besitz bringen. Es ist ein ausschließliches Nachttier, das den Tag in passenden Verstecken zubringt. Es ist nur im tiefen Urwalde anzutreffen, wo ich das 1. Exemplar unter der abspringenden Rinde eines ürwaldriesen entdeckte und auch vollkommen unbe- schädigt einfangen konnte. Das 2. Exemplar fand ich in einem hohlen Baumstämme; leider ging es im Feuer, das zur Zerstörung des Stammes angelegt worden war, zugrunde. Sie ernähren sich jedenfalls von giößern Insecten, von denen es unter der losgelösten Rinde und in den angefaulten Bäumen wimmelt. Jedenfalls werden auch die Eier in passenden Löchern und Vertiefungen der Bäume zu finden sein. Über ihre Fortpflan- zungsweise konnte ich jedoch nichts in Erfahrung bringen. Th. rapicaudus ist aus Mexiko, Venezuela, Guyana, den kleinern Antillen und vom Amazonas bekannt. 33* 4.92 GoTTJj'KiED Hagmann, 21. Gonatodes humeralis Guichenot. Auch dieser kleine Geckoiüde kommt im Urwalde von Mexiana vor. Über seine Lebens- und Fortpflanzungsweise habe ich in einem frühern Artikel in dieser Zeitschrift, Yol. 24, Syst., 1906, p. '601 ausführlich berichtet. Sie ist aus Peru und vom Amazonas bekannt. Eigentümlicherweise fehlen auf Mexiana 3 am untern Amazonas sonst recht bekannte Arten und zwar Tropidurus torquatus, Polijchrus marmorafus und Hemidadylus niahui. Alle 3 Arten bevorzugen w^alir- scheinlich hocligelegene Terrains und sind deshalb wohl niemals auf die niedere Insel, die jährlich überschwemmt wird, gekommen. III. Scliildkröteii. 22. JPodocneniis exjfansa Schweigg. „Tartarüga". Die Tartarüga kommt auf Mexiana noch verhältnismäßig- häufig vor, doch nicht in dem Maße wie am mittlem und obern Amazonas. Sie findet sich im Hauptstrome, also an der Küste der Insel, sowohl als auch in den Flüssen, den Igarapes. Fährt man in einer leichten Canoa am Ufer entlang, so kann man, besonders am Spätnachmittag oder des Morgens früh, die Tartarüga beobachten, wie sie sich von der Strömung treiben läßt; man sieht zwar nur den Kopf auf der Wasseroberfläche erscheinen , um plötzlich zu verschwinden, wenn das Tier Gefahr wittert. Im Monat September werden auch an der Küste von Mexiana einzelne Nestgruben der Tartarüga aufgefunden und von den Ein- gebornen, welche die Eier sehr schätzen, ausgehoben. Ich persönlich ziehe zwar die Eier der Iguana denjenigen der Podoowmis weit vor; ganz vorzüglich, nur meistens zu fett, ist das Fleisch der Tarta- rüga. Die Männchen der Tartarüga werden „Capytari" genannt. Auf Mexiana wird die Tartarüga im Hauptstrom in der „Camboa", in den Igarapes in der „Tapagem" gefangen. Unter „Camboa" versteht man die Absperrung einer Bucht mittels Steinen, Netzen oder Zäunen. Da die Steine am untern Amazonas meistens fehlen, werden gewöhnlich Netze oder Zäune dazu verwandt. Letztere erhalten ihrer Billigkeit halber den Vor- zug. Die Zäune werden aus Bambus oder aus der Marajä-Palme (Bactris marajä) hergestellt, indem ca. 1 m hohe Latten geschnitten Die Reptilien der Insel Mexiana. 493 iiiid tlie einzelnen Latten mit Lianen so zusammengebunden werden, daß sie ähnlich wie Rolläden aufgerollt werden können. So werden einzelne 4—5 m lange, „Pari" genannte Stücke hergestellt, die dann an Ort und Stelle an festgesteckte J 'fahle befestigt und unterein- ander zu einem oft über 100 m langen dichten Zaune verbunden werden. Zur Anlage einer Oamboa wird eine seichte halbkreis- förmige Bucht ausgesucht, wo mit Hilfe des Zaunes ein größeres Stück der Küste abgesperrt werden kann. An den beiden Enden wird der Zaun spiralförmig zusammengerollt, so daß die Fische und Schildkröten an den Seiten nicht leicht den Ausgang finden. Die Camböa wird zur Zeit der tiefsten Ebbe gestellt. Ihre Höhe muß so berechnet Averden. daß sie bei der höchsten Flut mindestens 1 m unter den Wasserspiegel zu stehen kommt; sie muß also je nach dem Stande der Gezeiten näher oder weiter vom Ufer entfernt an- gelegt werden. Die einzelnen Pari \verden beim Aufstellen gut in den Schlamm gesteckt, jede schadhafte Stelle ausgeflickt oder verstärkt, und über- all wird genau nachgesehen, daß keine Öffnung den Fischen als Durch- schlupf dienen kann. Durch die eintretende Flut lassen sich die Fische und Schildkröten gegen das Ufer treiben; ist das Wasser genügend gestiegen, so gelangen sie über die Pari in die Camböa. Zieht bei eintretender Ebbe das Wasser sich zurück, so bleiben sämtliche Fische, die sich innerhalb der Camböa aufhielten und sich beim ersten Eintreten der Ebbe nicht zurückgezogen haben, ge- fangen. Ehe die Ebbe vollständig ausgelaufen ist, treffen die Fischer ein und sammeln, was in der Camböa zurückgeblieben ist, in ihre Canoas, unzählige Fische, vereinzelte Tartari'igas , ja sogar Seekühe (Manatiis) werden bisweilen darin gefangen. Das Ergebnis der Camböa hängt sehr vom Stande der Seezeiten ab; am erfolg- reichsten sind die Springtiden zur Zeit von Neu- und Vollmond und besonders die Flut der Nacht, da mit der abnehmenden Hitze des Tages die Fische wieder in die obern Schichten des Wassers steigen, von wo sie über die Pari hinweg leichter in die Camböa ge- raten. Camböa in großem .Afaßstabe und etwas einfacher habe ich auf der Insel Mexiana mit Drahtgeflecht ausführen lassen. Die „Tapagem" besteht in der Absperrung eines seitlichen Armes eines kleinern Flusses, sog. „Igarape", nur mit dem Unterschiede, daß hier die Pari erst gegen Schluß der höchsten Flut gestellt werden. Zur Zeit der Ebbe werden bloß quer über den Fluß kräf- 494 Gottfried Hagmann, tig-e Pfähle senkrecht eingerammt und an dieser Stelle das Bett des Igarape von herumlieg-endem Holze so gut als möglich gereinigt, so daß nachher der Zaun bei voller Flut ohne weitere Hindernisse gestellt werden kann. Zu diesem Zwecke bedient man sich eines Ruderbootes, und je nach Bedarf taucht der eine oder der andere unter und vergewissert sich, ob die Pari genügend tief im Schlamme stecken und nirgends einen Durchschlupf gewähren. Da diese Flüßchen niemals ein regelmäßiges Bett haben, also da und dort Vertiefungen aufweisen, in welchen auch während der Ebbe das Wasser und mit ihm Fische zurückbleiben, sucht man vor Ein- tritt der Ebbe soweit als möglich flußaufwärts vorzudringen, um dann flußabwärts ein richtiges Kesseltreiben zu veranstalten, indem mit Stöcken auf das Wasser geschlagen wird, um die Fische fluß- abwärts zu treiben. Gar oft kommt es vor, daß ein ebenfalls auf- gescheuchter mächtiger Alligator einen Strich durch die Eechnung macht, indem er die Tapagem durchbricht. Vorsichtshalber halten sich deshalb mindestens 2 erwachsene Personen an der Tapagem selbst auf, um solche unliebsame Vorkommnisse wenn möglich zu ■verhindern. Das Ergebnis einer einzigen sorgfältig ausgeführten Tapagem ist oft ein derartiges, daß durch sie mehrere Familien auf eine Woche mit genügend Nahrung versehen werden, besonders wenn sich noch einige oft 50—60 cm große Tartarügas unter der Beute befinden. P. expansa ist bloß aus dem Amazonas bekannt. 23. Chelys fl^nhriata Schneid. „Matämatä". Die Ch. fmbriata ist entschieden eine seltne Schildkröte, und sie ist nur zufällig zu bekommen. Sie kommt besonders in den Igarapes vor, doch wird sie auch im großen Strome an der Küste der Insel gefangen. Von der Insel Mexiaua besitze ich 2 Schädel dieser Species. Nach Aussage der Eingebornen gräbt sich die Matämatä in den Schlamm der Igarapes ein und streckt nur ihren 10 — 15 mm langen Küssel heraus. Des Abends soll sie auf Jagd ausgehen und sich mit Vorliebe von kleinern Fischen ernähren, die sie mit ihrem caprimulgusähnlichen Maul wohl mit gewisser Leichtigkeit er- haschen kann. Das Fleisch wird, wie ich mich selbst überzeugen konnte, mit Recht ebenso geschätzt wie dasjenige der Tartari'iga. Gh. flmhriata ist aus Cayenne und vom Amazonas bekannt. Die Reptilien ilt-r Insel Mexiana. 495 24. Nicoria pirmt^ilaria Daud. ,.Aperema". Die Jaboty apereiiia oder aucli kurzweg Aperema bezeichnet, ist ein richtiger ürwaldbewohner und wurde besonders bei den Neuanhigen von Pflanzungen beim Ausroden des Waldes g:etunden. Ich habe niemals gehört, daß sie auch im zentralen Teile des Campo gefunden wird. Sie ernährt sich von Früchten des Urwaldes, und in der (lefangenschaft gewöhnt sie sich leicht an Reis, Bohnen und Mandiokamehl. X piindnlaria ist aus Venezuela, Guyana und aus dem Ama- zonasgebiete bekannt. 25. Cinosternu^n scorpioides L. „Mussuau''. Die Mussuan ist auf Mexiana ein hauptsächlicher Bewohner der überschwemmten Niederungen des Campo und dort im allgemeinen häufig, obwohl sie wegen des hohen und dichtstehenden Grases nicht leicht gefunden wird. Ende September und Anfang Oktober, wenn der Campo angezündet wird, wird die Mussuan von den Kuhhirten eifrig gesucht und ist dann auch leicht zu finden, da viele durch das Abbrennen des Campo zugrunde gehen und in der Asche liegen bleiben. Sie ist aus Guvana und aus dem Amazonasgebiete bekannt. IV. Crocodile. 26. Cahnan ni^er Spix. „Jacare-assü". 27. Cainuin sclet'ops Schneid. „Jacare-tinga'-. Die Hauptrolle unter den Reptilien, nicht nur auf den Inseln der Amazonasmündung, sondein auch weit den Amazonas hinauf, spielen ohne allen Zweifel die Alligatoren. Es sind 2 Arten, die hier vor- kommen, eine große und spezifisch amazonische Art, C. niger. und eine allgemein neotropische, C. sderops. Beide Arten kommen nebeneinander am gleichen Orte vor und leben scheinbar in fried- licher Eintracht beisammen. C. nigcr ist am Amazonas viel häufiger als C. sderops; das Häufigkeitsverhältnis dürfte etwa 10: 1 betragen, wie ich schon in einem frühem Artikel erwähnte. Auf der Insel Mexiana wie auf Marajö und Cavianna finden wir die Alligatoren nur in den Igarapes. d. h. in den Flüssen der 496 Gottfried Hagmann, Inseln, besonders aber in den ausgedehnten Sümpfen der zentralen Campos; sie kommen hier niemals an der Küste der Inseln, d. h. an den Ufern des Amazonas selbst vor, trotzdem zwischen Marajo und Mexiana einerseits und Mexiana und Cavianna, sowie Cavianna und dem nörd- lichen Festlande andrerseits niemals brackisches Wasser eindring-t. Sie gehen wohl bis zur Mündung der Igarapes herab, aber nicht in den Hauptstrom hinaus. In den Igarapes selbst halten sie sich gern an den meist schlammigen Ufern auf, die zum großen Teil mit Montrichardia oder Drepanocarpus bewachsen sind und ihnen schattige, kühle Ver- stecke bieten. Zur Zeit der Flut kann der aufmerksame Beobachter bisweilen Nase und Augen eines Alligators zwischen dem Blätter- wirrwarr auf der Oberfläche des Wassers entdecken, doch die leichteste Bewegung genügt, um das Tier Gefahr wittern und es plötzlich untertauchen zu lassen. Zu gewissen Zeiten aber liegen die Alligatoren so träge da, daß sie sich kaum weiter um ihre Umgebung bekümmei-n. So kommt es vor, daß sie von der auslaufenden Ebbe an den Ufern aufs Trockne gesetzt werden und dort im Schlafe verharren. In dieser Lage sind bei einer Flußfahrt im leichten Euderboote Dutzende anzutreffen, und wenn es möglich ist, die ewig- lärmenden farbigen Bootsleute eine Zeitlang zum Schweigen zu bringen, so kommt man oft so nahe heran, daß die Alligatoren mit dem Lasso eingefangen werden könnten, wenn dies im leichten Ruderboote nicht zu gewagt wäre. In ungleich größerer Anzahl treffen wir die Alligatoren in den Sümpfen der zentralen Campos, den sog. Mondongos, die meistens von den Oberläufen der Igarapes gebildet werden, von Montrichardia und Papyrus umrahmt und zum größten Teile von Eichhornia be- deckt sind. Der dichte, üppige Pflanzen wuchs, der mit seinem Wurzelwerk eine kaum passierbare, torfähnliche Masse bildet, und das während der Eegenmonate beständig unter Wasser stehende grundlose Terrain machen es fast das ganze Jahr unmöglich, in diese ausgedehnten Sümpfe einzudringen. Für den Menschen fast unzugänglich, überaus fischreich und deshalb täglich von Tausenden von Wasservögeln besucht, bilden diese Sümpfe ein wahres Paradies für die Alligatoren. Beginnen gegen Ende des Sommers diese Sümpfe auszutrocknen, so ziehen sich die Alligatoren nach den tiefsten Stellen zurück, und dort liegen sie wie aufgeschichtet zusammengedrängt, um so noch die spärliche Wassermenge zu genießen (siehe Taf. 10). Größere Exemplare graben sich bei fortgeschrittnerm Austrocknen des Die Reptilien der lusel Mexiaua. 497 Sumpfes etwa V2 "^ tief in den feuchten Schlamm ein und warten dort das Wiedereintreten der Keg-enzeit ab. Eine leichte Wölbung- im halbtiocknen Schlamme verrät dem g'eübtern Auge die Stelle, wo ein Alligator eingegraben sich aufhält. In den Niederungen, sog. Baixas, findet man in der Trockenzeit oft eigentümliche 40 — 50 cm breite, ausgerundete Gräben, die in der Mitte ungefähr 20 cm tief und auf Hunderte von Metern in einer erstaunlichen Gleichförmigkeit zu verfolgen sind. Es sind dies Kriechspuren, besser genannt Rutschspuren, von mächtigen alten Alligatoren, die am Anfang der Trockenzeit beim Eintrocknen der Sümpfe dieselben verlassen und in dem noch plastischen Tonboden der Niederungen die Spuren ihrer Wanderung, die wahrscheinlich in einem trägen und langsamen Kutschen besteht, hinterlassen haben. Den Hauptbestandteil der Nahrung der Alligatoren bilden wohl die Fische und die zahlreichen Wasservögel, so besonders die Enten, doch wird wohl auch manches Wasserschw^ein, Aguti oder Paca, die zur Tränke kommen, den Alligatoren zum Opfer fallen. Gar oft kommt es vor, daß Hunde, die auf der Jagd über einen Flußarm setzen, von den Alligatoren weggeschnappt werden, und manch eingeborner Jäger beklagt den Verlust eines kostbaren Jagdhundes, der ihm und seiner Familie manch prächtiges Stück Wild verschafft hatte. Derjenige, der weiß, wieviel ein guter Jagdhund im brasilianischen Urwalde zum Wohlei-gehen einer ganzen Familie bei- trägt, begreift auch den Eifer des Eingebornen, wenn es sich darum handelt, einen alten Alligator unschädlich zu machen. Im Campo richten die Alligatoren, besonders die ausgewachsenen „Jacare-assü", unter den Viehherden großen Schaden an; Kühe, wenn sie einen Tümpel zu durchwaten suchen, werden von den Alligatoren angegriffen und des Euters beraubt, und infolgedessen gehen sie elend zugrunde. Wieviele Kälber, welche ihren Müttern durch Wassergräben und Tümpel folgen wollen, den Alligatoren zum Opfer fallen, läßt sich kaum bestimmen. Es trachten deshalb die Viehzüchter danach, ihre Campos so gut als möglich von diesen gefräßigen Schädlingen zu säubern, und zu diesem Zwecke veran- stalten sie jedes Jahr zu bestimmten Zeiten die bekannten groß- artigen Alligatorenjagden. Zu diesen Jagden weiden die trockensten Monate des Jahres, also November und Dezember, wenn die Sümpfe stark ausgetrocknet sind und die Alligatoren sich in die übrig- bleibenden Tümpel zurückgezogen haben, ausgesucht. Hier werden dann mitunter 3 — 400 Alligatoren an einem Tag zur Strecke ge- 498 Gottfried Hagmann, bracht. Wie ich schon früher erwähnte, habe ich im November 1901 solchen Jagden zum erstenmal beigewohnt und im Jahi-e 1904 und 1905 selbst welche veranstalten lassen,^) Bei diesen Jag"den konnte ich verschiedene interessante Beobach- tungen machen. So vor allem hatte ich Geleg:enheit, mehrere große Exemplare zu messen. Die größten im Jahre 1901 erlegten C. niger hatten eine Länge von 4,2 m, wovon 57 cm auf den Schädel, von der Schnauzenspitze bis zum hintern Parietalrande gemessen, ent- fallen. Die grüßten Exemplare, die ich im Jahre 1904 zu Gesicht bekam, hatten eine Länge von 4,25 m. Die kleinsten C. niger da- gegen, die ich in dieser Zeit, also gegen Ende des Jahres sah, waren alle mindestens 1 m lang. Da die Fortpflanzungszeit von C. niger auf das Ende des Jahres fällt, so sind diese 1 m langen Exemplare die vorjährigen Jungen, also 1 Jahr alt. Anfangs Februar wurden mir 3 — 4 Wochen alte Exemplare von 25 — oO cm Länge gebracht. — Daraus ergibt sich nun, daß die Beobachtungen, die an Alligatoren in der Gefangenschaft gemacht worden sind und die alle auf ein sehr langsames Wachstum hinweisen, den Verhältnissen, wie sie in der freien Natur auftreten, in keiner Weise entsprechen. Deshalb werden auch die großen Exemplare meistens viel zu alt eingeschätzt. 1. Anmerkung. Kurz nach Abschluß meines Artikels ist mir eine äußerst interessante Abhandlung über das Wachstum von Alligatoren aus der Hand des Autors selbst zugegangen, nämlich von Kaymond L. Ditmars, Kurator der Reptilien-Abteilung des Zoolog. Gartens zu New York: Growth of the Alligator, Eleventh Annual Report of the New York Zoological Society, 1907. DiTMAKs berichtet, daß im Zoologischen Garten von New York verschiedene Experimente zum Studium des Wachstums der Reptilien ausgeführt worden sind. So sind auch 2 Partien von Alligatoren zu je ca. 12 Stück unter verschiedenen Bedingungen aufgezogen worden. Die eine Partie wurde im Freien in einem Tümpel ge- halten, wo sie bald so wild wurden, daß sie kaum mehr zur Beobachtung gelangten und so weniger Futter bekamen als die andere Partie, die in einem Becken des Reptilienhauses gehalten und aufs sorgfältigste gepflegt wurden. Am Ende des Sommers zeigte sich nun, daß trotz aller Fürsorge die Exemplare im Reptilienhause 1) Siehe: Alligatoren-Schlachten im Amazonenstrora, in: Die Schweiz, Polygraphisches Institut Zürich, Jg. 6, 1902, p. 460 und in: Zool. Jahrb., Vol. 16, Syst., 1902, p. 406. Die Reptilien ren. auf (irund deren überhaupt eine Kntfernungsi-eception im Kacettc^nauge möglich er- scheint. Beim monokularen Sehen könnte nuin zunächst geneigt sein die Größe des Zerstreuungskreises hierfür in Anspruch zu nehmen. Denn je weiter ein Objekt sich vom Auge entfernt, um so größer wird die Zahl der Facetten, in deren Zerstreuungskreis es eintritt, während die Zahl derer, in deren Visierlinie es liegt, ständig abnimmt. Nun wird aber die Größe des Zerstreuungskreises noch durch einen zweiten Faktor bedingt, durch die Pigmentstellung. Es ist nicht denkbar, daß im Superpositionsauge bei Hell- und Dunkelstellung ein gegebenes Objekt denselben Zerstreuungskreis zeigt. Dasselbe gilt bei der anderorts erwähnten Pigmentwanderung mancher 1'ag- schmetterlinge. Sollte also hier eine Entfernungsreception durch die Größe des Zerstreuungskreises ermöglicht werden, so müßte dieser in einer sehr komplizierten Beziehung stehen mit dem Pigment oder aber mit der Insensität des Reizes. Dadurch aber, daß das Be- stehen einer Entfernungsreception auf dieser Basis ein sehr ver- wickeltes Ineinandergreifen verschiedener ph3'siologischer Prozesse voraussetzt, wird es in gleichem Maße unwahrscheinlich. Dann aber bleibt für das monokulare Sehen nur noch ein Mo- ment, das eine relative Entfernungsreception ermöglicht: es ist das die Verschiebung der Objekte gegeneinander. Da die Signalisation von Entfernungen für ein Tier in erster Linie dann Bedeutung gewinnt, wenn es sich selbst bewegt, so wird also auch hier zunächst die Verschiebung der Objekte durch Fortbewegen des Subjekts in Betracht kommen. Dann aber gewähren diese Verschiebungen nicht nur einen Anhaltspunkt, ob ein Gegenstand näher oder entfernter als ein anderer gelegen ist, sondern es kann auch, wenn es sich um unbewegliche Objekte handelt, die Geschwindigkeit, mit der das Bild über die Receptoren im eigentlichen Sinne hinzieht, eine ßecep- tion der absoluten Entfernung ermöglichen, falls die Eigengeschwindig- keit des Tieres sich annähernd konstant verhält. Es mag daher der Entfernungsreception auf dieser Basis eine nicht zu unter- schätzende Bedeutung im Leben der Tiere zuzuschreiben sein. Be- sonders Avird sie in Betracht kommen bei der Keception von unbe- beweglichen Gegenständen. 530 Heiniiard DRMOr.i., Sehramn u. Nahningserwerb bei einig-en rnseeteii. Da weiterhin weder in der Lnftperspektive ein Moment g-eselien werden kann, das eine Entfern ung'sreception nicht allzuferner Gegenstände ermöglicht, noch Akkommodations- oder Konvergenz- bewegungen hierfür in Anspruch genommen werden können, so be- schränkt sich das monokulare Tiefenrecipieren allein auf die Pro- zesse, wie sie die durch die gegenseitigen Lageveränderungen der Objekte unter sich und dem Subjekt gegenüber hervorgerufen werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, daß diese seitliche Verschiebung und mithin die durch sie begründete Tiefenreception am geringsten ist für die Objekte, auf die sich das Tier in gerader Linie zubewegt. Da aber gerade hier sowohl im Dienste der Fortbewegung als auch besonders in dem des Nahrungsgewinnes im Speziellen eine erliöhte Entfernungsreception erwünscht erscheinen muß, so wird es wohl nicht zu weit gegangen sein, wenn man annimmt, daß hier einmal durch das stereoskopische Sehen und dann für Objekte, die nicht in der Medianebene liegen, durch die Disparation ein Eifekt entsteht, der sich auf die Entfernungen der Objekte bezieht. ') Es liegen mithin auch bei den Facettenaugen in den binokularen Sehen wich- tige Momente für das Tiefenrecipieren. 1) Die Voraussetzung hierfür ist ein Inheziehungtreten der Erregungen, die von beiden Augen ausgehen. Daß solche Beziehungen existieren, dafür scheint die Ausbildung der Opticusganglien zu sprechen. Denn während wir bei nur monokularem ßecipieren nur ein Ganglion opticum finden ( Daphniden), finden wir andrerseits die größte Zahl (4) bei solchen Formen, die binokular recipieren und außerdem die Augen unabhängig voneinander zu bewegen imstande sind (Decapoden). Scheinbar macht Brauch ipus hier eine Ausnahme. Doch bleiben hier die Augenstiele stets in Ruhe und werden nur nach hinten geklappt bei schnellen Wendungen oder wenn die Tiere zwischen Algen etc. sich hindurchdrängen. Sie haben also ein kon- stantes binokulares Receptionsfeld. Die Anzahl der Ganglien beträgt 2. Beruht aber die Zunahme der Ganglien, wie es den Anschein hat, bis zu gewissem Grade auf Zunahme der Komplikation des binokularen Re- ceptionsraumes, so muß eine konstante Beziehung zwischen den Er- regungen beider Augen angenommen werden. Lippert & Co. (G. Pätz'sche Buchdr.), Nauiiibuif; Naclidnick verboten. IJ bcrsctzimgsrccht vorbehalten. Über die Verbreitung und Lokalisation des Chitins im Tierreiche. Von D. H. Wester in Groningen. Mit Tafel 11 und 1 Abbildang im Text. Der Name Chitin stammt von Odier(31)^) (1823); es ist eine stickstoffhaltige Verbindung-, Die Angaben über seine Entstehung- im Organismus sowie über seinen Platz im chemischen System und seine Struktur lauten durchaus widersprechend [vgl. Richet (38), Städeler (44), Halliburton (15), Schmidt (41), Berthelot (2), Peli- /«-Knorpel [„cartilage"' ; vgl. auch Krukenberg (22)J Chitin nach- gewiesen haben. Es sei gleich darauf hingewiesen, daß ich dies nicht bestätigen konnte. Zu verwundern ist es, daß mit den er- wähnten Angaben vor Augen die Ätollusken dann nicht sj^stematisch untersucht wurden. Von den Brachiopoden sagt Hilger') sehr entschieden, daß sie kein Chitin enthalten. Schmiedeberg (42) und Krukenberg (22) aber behaupten, in den Z/?-w^Wa-Schalen komme es vor. Auch über die Bryozoen linden sich in der Literatur wider- sprechende Angaben. Während Zandee (51) u. A. durch Über- führung in salzsaures Glucosamin Chitin nachwies, sagt Kruken- «ERG (22) sehr entschieden, er habe es bei den Bryozoen nicht auf- finden können. Kräpelin -) will auch in der Gallerthülle von PecUnella tnagnifica eine Art Chitin nachgewiesen haben. Krawkow (20) und Zandee (51) fanden mittels I und Chlor- zink auch in den Borsten der Würmer Chitin. Weil aber, wie ich andersw^o schon hervorhob, diese Reaktion nicht dem Chitin zu- kommt, können wir uns leider auf diese sonst schönen Untersuchungen nicht mit Sicherheit verlassen. Ambronn (1) will in beinahe allen den Fällen, wo Chitin von frühem Untersuchern aufgefunden wurde, Cellulose nachgewiesen haben. Es wird auf diese wie auf andere Untersuchungen später noch ausführlicher zurückzukommen sein. 1) in: Journ. prakt. Chemie, 1867, Vol. 102, p. 418—424. 2) in: Abh. naturvv. Ver. Hamburg, 1887, p. 168 (nach Referat in: Zool. Jahresber. 1887). 536 P- H. Wester, Aus dem Gesagten geht hervor, daß von einer systematischen Untersuchung' nach Chitin, gestützt auf unzweideutige Reaktionen, nie die Rede war, und dies muß uns um so mehr verwundern, als die VAN WissELiNGH'schen Resultate doch darauf hinwiesen, daß nach seiner Methode auch in zoologischer Richtung sich interessante Resultate erwarten ließen. Eigne Untersuchungen. U n t e r s u c h u n g s m e t h 0 d e n. Der mikrochemische Chitinnachweis van Wisselingh's (50) war die hauptsächlich von mir angewandte Reaktion auf Chitin. Diese „Chitosan-Reaktion" ist eine spezielle Anwendung von seinen als Erhitzungsmethoden (Moll, 29) angegebenen Verfahren. Moll (28) gibt in seinem „Handbuch der botanischen Micrographie", sowie in seiner „Übersicht über die Fortschritte der Mikroskopie seit 1870" (29) eine klare Beschreibung dieser Erhitzungsmethoden. Und ob- schon auch van Wisselingh in seiner Arbeit über die Pilzzellwände eine kurze Beschreibung seines Chitinnachweises gibt, scheint es mir dennoch zweckmäßig, diese Methode hier ausführlicher zu be- sprechen. Für die Ausführung der Chitosanreaktion werden kleine Prä- parate — am besten Schnitte — in an beiden Seiten zugeschmolzenen Olasröhrchen von J- 7 mm Durchmesser und + 10 cm Länge mit konzentrierter Kalilauge im Ölbade erhitzt. Es wurde von mir dazu der in Fig. A abgebildete Apparat benutzt: G ein kupfernes Gefäß mit einem Deckel {!)), worin in einem Kreise angeordnet acht runde Öffnungen von 12 — 15 mm Durchmesser für die Röhrchen und noch eine in der Mitte von + 12 mm Durchmesser, um ein Thermometer einzusetzen. Die zugeschmolzenen Glasröhrchen (B) werden mit einem aus Kupferdrahtnetz zusammengerollten Mantel (B) umgeben und während des Erhitzens mittels eines gebogenen Kupferdrahtes (K) an dem Deckel des beschriebenen Ölbades aufgehängt. Die Konzentration der Kalilauge soll man eigentlich, je nach der Beschaffenheit der Objekte, etwas variieren. In beinahe allen Fällen ist aber eine ßO^j^ige Lösung am zweckmäßigsten. Verbreitung und Lokalisatiou dos Cliitins im Tierreiche. 537 Man soll das Bad langsam nnd gleichmäßig \) auf ungefähr 160" C erhitzen. Das Chitin in den Pflanzen Objekten ist da- durch gewöhnlich vollständig in Chitosan umgesetzt. Die tieri- schen Objekte müssen aber oft noch 10—20 Minuten bei dieser etm. Fiff. A. Temperatur erhitzt werden, um vollständige Umsetzung hervor- zurufen. Dies wird wohl seinen Grund darin haben, daß die tierischen Membranen erstens oft bedeutend dicker (z. B. die Haut der Scorpione) und zweitens viel dichter und homogener sind, so daß die Kalilauge viel langsamer einwirkt. Nachdem die Röhrchen abgekühlt sind, werden sie knapp über dem Flüssigkeitsniveau abgeschnitten. Den obern Teil kann man oft wieder benutzen. Die Präparate werden in ein Uhrglas aus- geleert, am einfachsten, indem man die Flüssigkeit ausfließen läßt. Die Präparate w^erden mit Alkohol ausgewaschen, bis die Lauge zum größten Teile entfernt ist. Alsdann kann man den Alkohol mit Wasser verdünnen und schließlich die Präparate mit reinem Wasser so lange aus- waschen, bis die alkalische Reaktion ganz verschwunden ist. Ganz kleine Präparate habe ich stets in kleinen Reagenzröhrchen aus- gewaschen, Avobei schließlich vom Bodensatze untersucht wurde. In 1) Man darf nicht zu rasch auf 160" erhitzen, weil sonst die Präpa- rate oift auseinanderfallen , wahrscheinlich durch die plötzliche , kräftige Einwirkung der Lauge. 538 ^- H. Wester, einem einzelnen Falle habe ich damit eine Zentrifugation verknüpft. Dieses Auswaschen dauert zwar ziemlich lange, ist aber unbedingt notwendig und soll langsam, d. h. nicht schneller als in einigen Stunden, geschehen. Bringt man die Präparate direkt in Wasser, so zerfließen sie oft ganz, wie van Wisselingh (50) konstatierte. Dies erklärt er durch die Lebhaftigkeit, womit das Wasser von der konzentrierten Lauge aufgenommen wird. Auch die Wärmeentwicklung, die bei der Verdünnung so starker Lauge stattfindet, wird dabei, meiner Meinung nach, eine wichtige Eolle spielen. Dadurch werden in den Poren der Wände und im Zellinhalt plötzlich starke Spannungen auftreten, was sozusagen ein Auseinanderplatzen der Objekte zur Folge haben würde. Nachdem die Objekte nun auf ein mit wenig Wasser betupftes Objektglas gebracht und ein Deckglas darauf gelegt ist, läßt man verdünnte lodlösung und verdünnte Schwefelsäure zufließen. War ursprünglich Chitin vorhanden, so ist, wie Avir in dem chemischen Teile gesehen haben, dieses in Chitosan umgesetzt und färbt sich auf diese Weise prachtvoll violett. Es wurden benutzt: lodlösung Vö^/oig'? Schwefelsäure l^oig"- Diese verdünnten Lösungen sind konzentriertem vorzuziehen, weil sonst die Färbung oft zu intensiv ist oder Nebenreaktionen auftreten können. Enthalten die Präparate so viel Farbstoffe, daß die Violett- färbung nicht zu unterscheiden ist, so kann man diese nach van Wisselingh oft mit verdünnter Chromsäure (+ 17oi°') entfernen. Diese Methode wirkt meistens vorzüglich, ikuch eine Behandlung mit warmer verdünnter (+ 5%iger) Lauge oder zumal eine Einwirkung^ von Chlorwasser (+ 0,3"/oig) 0 leisteten mir oft gute Dienste. Man soll sich weiter unterm Deckglas überzeugen ob die Prä- parate in den verdünnten Säuren, die früher schon erwähnt wurden (z. B. 2V2%iger Essigsäure), löslich sind, und diese Verbindung aus der Lösung wieder präzipitieren durch Zusatz von I+H.^SO^. Im all- gemeinen ist dort, wo ich von Chitosanreaktion spreche, der ganze Komplex der vorher beschriebenen Eigenschaften gemeint. 1) Dies soll aber am zweckmäßigsten vor der Umsetzung in Chitosan geschehen. Veibreitiiuo' und Lokalisation iles Chitins im Tierreiclie. 539 In vielen Fällen habe ich mich weiter noch überzeugt, ob das zu untersuchende Material 1. resistent gegen konzentrierte HCl und löslich'in 50"/oiger HNOg ist und sich aus dieser Lösung bei Verdünnung oder Neutralisation "wieder präzipitieren läßt ; 2. nach der Behandlung mit Kalilauge auch die starke N- Reaktion gibt und aus Essigsäure-Lösung mit l%iger H0SO4 sich ein Niederschlag bildet; 3. durch Kochen mit konzentrierter HCl salzsaures Glucosamin bildet. U n t e r s u c h u n g e n. Von fast allen wichtigem Tiergruppen wurden Repräsentanten untersucht. Dennoch darf die Reihe der untersuchten Tiere lücken- haft genannt werden, w^eil ich nicht stets die Arten habe bekommen können, die ich gerne mit zur Untersuchung herangezogen hätte. Anfangs hoft'te ich, daß die Untersuchung möglicherweise auch Strukturbesonderheiten ans Licht bringen würde, da ich mir dachte, daß die Objekte gereinigt und nachher so schön violett gefärbt wohl viele Einzelheiten deutlicher hervortreten lassen würden. Das war aber nicht der Fall, und nur in vereinzelten Fällen kam eine deutlichere Streifen- oder Leistenstruktur zum Vorschein. Im all- gemeinen w-ei-den die Präparate bei der Behandlung mit Lauge so- gar undeutlicher infolge Schrumpfens. Bald habe ich daher auf die histologischen Studien verzichtet und die Struktur nur in einzelnen Fällen besprochen. Eine ausführliche Erörterung der Präparate konnte hier zweckmäßig unterbleiben, w^eil man diese in histo- logischen und anatomischen Lehrbüchern finden kann. Daß ich sogar von dem Darmkanal z. B. die Abteilungen oft einzeln untersuchte, war eine Notwendigkeit, w^eil sich erwies, daß sonst die Präparate oft auseinandergerissen w^aren und also nicht immer mehr mit Sicherheit deren Ursprung sich feststellen ließ. Wenn auch sehr zeitraubend, so ist eine genaue Präparation der zu untersuchenden Tiere doch eine unbedingte Notwendigkeit, und man soll erst möglichst kleine Unterteile, in reinem Zustande, zur Unter- suchung benutzen. Untersucht wurden : 540 D. H. Wester, Arachuoidea. Artlirogastres: Scorpio europeus; Biithus- Art (Indische). S p lia e r 0 g a s t r e s : Epeira diadema ; Mygale aricidaria (Tegenaria domestica C. Koch; Lycosa campcstris de Geer; Epeira cornuta Clerck; Gonatum ruhens Blackii; Phalanghim opüio L.). Acarinen: ( Oribaia ovalis). Myriapoda. C h i 1 0 p 0 d a : Lithohius fortißcatus; Scolopendra- Art (Indische) {Cnjptops Jtorteusis; (leop>Jiilus elcctricus L.). C h i 1 0 g n a t h a : (Jidics aJbipes C. Koch ; Jtdus pusillus Leach ; Glomeris Ihnbata Late.), Insecta. Coleoptera: Dytiscus marginalis\ Melolontha vulgaris. Orthop tera: Periplaneia orientalis {GryUotalpa vulgaris). Hy menoptera: [Bomhis terrestris). Lepidoptera: (Pieris brassicae). D i p t e r a : (Musca domestica) u. a. Crustacea. Decapoden: Ästacus fluviatüis {Crangon. vulgaris; Hippolyte cranchi Leach). C i r r i p e d i e n : Lepas anatifera und ferner (Oiprella linearis L. ; Asellus aqicaticus L.; Onismis murarius Cüv. ; Leruaeaopoda gallii', Daphnia pulex] Cyelops vulgaris; Gammarus fluviatilis; Porcellio scaber). Mollusca. Lamellibranchiata: Anodonta cygnea; Mya arenaria; Petricola pJioladiformis ; Tapes pidlaster; Pecten islandicus; Mytilus edulis. Gasteropoda: Arion rufus; Buccinum undatuni; Tergipcs claviger. Cephalopoda: Loligo forbesü (Sepia officinaUs, Loligo- Art). Ecliinodermata. Asteroidea: Asterias ridjer und noch eine nicht determinierte Art. Crinoidea: Antedon rosacea. Echinoidea: Echinus miliaris. Holothuria: Große indische Art. Verbreitim«»- und Loki\lisation des Chitins im Tierreiche. 541 Yeriiies. P 1 a t li e 1 111 i 11 1 li e 11 : (Tiirbellarien), Bcndrocoelum lacteum Ökst. (Treniatüden). Distomum hepaticum. (Cestodeii), iiiclit deteniiiiiierte Cestode aus dem Darm von Pyf/ion reticitlatus. Glieder von Taenia solium. Rotatorieu: Nicht determinierte Süßwasserarten. N e m a t li e 1 m i 11 1 li e n : Ascaris Imnhricoides. Anneliden: (Polychaetae), Aphrodite aculeata L.; Lcpidonotiis sqiiamatus L.; Arenicola piscatorum Lmk. ; Pedinaria auricoma. (Oligochaetae), Lumbricns terrestris\ Lumbricus rupestris. (Gepln'reen), Echiurus pallam. (Hiriulineen), Hirudo medicinalis. Brachiopoda. E c a r d i 11 e s : Lingula anatina. Testicardines: Nicht determinierte Art. Bryozoa. Bufjida turbinata; Zoohotryon pelluddum-^ Flustra carhacea\ Fhistra foliacea; Tlierma iubulcda; Pedicellina; Phoronis psammophila. Tunicata. Phallusia mamillata. Coelenterata. Porifera: Gewöhnlicher Bachschwamm und 2 andere Arten Süß- \N2i'S,^e,v-Spongilla. Hydrozoa: Hydra viridis-^ Tubidaria coronata Abildg. ; Sertularia- Art; HydraUmania fatcata L. ; Antenmdaria aidotnina L. Scyphozoa: Cyanea lamarcJci und nicht determinierte Art. Anthozoa: Akyonium digitatum L.; Actindldba dianthus Ellis. C t e n 0 p h 0 r a : Pleitrobrachia pileiis Flem. Protozoa. Einige nicht determinierte Süßwasserarten. 542 ^- H. Westee, Tertebrata. Cyclostomen: Nicht determiniertes großes Exemplar. Pisces: IJsox lucius L.; Gasferosteus aculeatus L. Amphibien: Bana temporaria. Reptilien: Lacerta vivipara^ weiter Haare, Näg-el, Schuppen vom Schuppentier, Vogelmagen usw. Für das Studium der x4.rachnoiden leisteten mir zumal die schönen Untersuchungen von Ray Lankester und seinen Schülern (35, 36, 37) gute Dienste. Bei allen untersuchten Arachnoidea bestand das äußere Skelet aus Chitin. Schnitte durch das Skelet von Butlms zeigten, daß oft auch nach Behandlung mit Lauge sich scharf eine äußere gelbe und innere helle, viel dickere Schicht unterscheiden lassen (Fig. 1). Die äußere gibt erst nach gründlicher Entfärbung die Chitosanreaktion. Die laterale Wand gibt ebenfalls starke Chitosanreaktion. Genau so verhält sich die Haut der andern Arten mit sämtlichen Anhängen. Von den Innern Teilen, wie Drüsen, Muskeln, Darmkanal, Atmungs- organen usw., bestanden nur die Respirationsorgane in allen Fällen aus Chitin; d. h. also sowohl die sogenannten Buchlungen der Scorpioniden und einiger Spinnen wie die Tracheenwände mit ihren Spiralbändern. Auch Apodemen und Muskelsehnen, wenn anwesend, enthielten stets Chitin. Im Darmkanal der untersuchten Arthrogastren vermochte ich kein Chitin nachzuweisen; der Darm der 2 daraufhin unter- suchten Sphaerogastren (Vogel- und Kreuzspinne) war, von der Mundöffnung bis in den Magen, mit einer Chitinschicht ausgekleidet. Bei MygaJe ließ sich nachweisen, daß nur die obere Seite des Ösophagus und des Magens mit Chitin bekleidet ist. Der Teil im Magen zeigt eine schöne zellenartige Zeichnung. Bei einem weiblichen Butlms ließ sich in einigen der wurst- förmigen Anhänge der Generationsorgane ebenfalls starke Chitosan- reaktion erzeugen. Die anfangs befremdliche Tatsache findet wollt darin ihre Erklärung, daß, wie Korschelt u. Heidee (19) erwähnen ,,. . . der Embryo während eines großen Teiles seiner Embrj'onal- entwicklung im Follikel , . ." (p. 536) verweilt. Im sogenannten Entochondrit von Ray Lankester habe ich kein Chitin nachweisen können. Es wurden einige Exemplare daraufhin untersucht. Es sei schließlich noch darauf hingewiesen^ Verbreitung: uud Lokalisation des Chitins im Tierreiche. 543 daß z. B. die Pectines der Scorpione, die Platten der Buchlung-en. die Haut vieler Spinnen usw. oft sehr schön gezeichnet waren. Bei den Mj^riapoden zeigten auch wieder alle Hautteile mit Anhängen Chitinreaktion, und darunter sind dann auch zu rechnen die Borsten vieler Stigmata. Der schichtenweise Bau der Haut (vgl. Fig. 1) kommt in den rhitosanpräparaten hier oft deutlicher zum Voischein. Es wurden wieder alle inuern Teile einzeln untersucht. Nur Atmungsorgane (Fig. 2) und Sehnen gaben immer Reaktion. Die Tracheen geben die überraschendsten Chitosanpräparate, die ich je bekam, und es sei nochmals ganz besonders hervorgehoben, daß sowohl die eigentliche Wand als auch das Spiralband diese Ver- bindung enthalten. Bei Scolopendra ist der ganze Darmkanal mit einer Chitin- schicht ausgekleidet; aber bei einem zweiten Exemplar ließ sich diese Verbindung gar nicht nachweisen, weil sich alles löste. Ich weiß nicht, ob dies vielleicht mit der Häutung in Zusammenhang stehen kann oder daher rührt, daß dieses Exemplar nicht gut kon- sei'viert war. Es wurde nur von Scolopendra der Darmkanal unter- sucht. Zum Studium der Insecten wurden zumal die Arbeiten von OuDEiMAxs (33) und Hennegüy (6) benutzt. Von Dtjtiscus, Peri- planeta und Melolontlia wurden ausführlich alle innern Organe unter- sucht. Die Haut bestand auch hier wieder stets aus Chitin, und es sind dazu z. B. auch zu rechnen die sogenannten Hörorgane auf den Antennen der Maikäfer und die Schuppen der Schmetter- lingsflügel, die beide sehr interessante Präparate liefern. Die Haut zeigt wieder schichtenweisen Bau. Auch die sogenannte Linse der Augen besteht aus Chitin, und die Flächenansichten der P'acetteuaugen liefern bei scharfer Ein- stellung eine sehr merkwürdige Ansicht, da dann die Abgrenzungen der Facetten farblos erscheinen. Von den innern Organen waren Darm-, Atmungsorgane und Sehnen stets chitinhaltig. Bei Periplaneta und Melolontlia sind alle einzelnen Teile des Darmes mit Chitin ausgekleidet und blieb auch der ganze Kanal bei vorsichtiger Behandlung intakt. Bei Bijtiscus aber erwies sich bei einigen wiederholten Versuchen, daß der Ventri- cukis kein C'hitin enthält, alle andern Teile aber wohl, so daß hier 544 D. H. Wester, die Chitinauskleidung im Ventriculus unterbrochen wird. Die Chitinschicht des Darmkanals zeigt oft sehr schöne und sehr ver- schiedene Falten, so z. B. im ersten trichterförmigen Teile des Öso- phagus von Bytiscus breite, ein wenig weiter hinten viel schmälere wellenförmige Falten. Auch der Penis von Dytiscus besitzt eine starke Chitinhaut, während auch die dazu gehörigen Platten aus Chitin bestehen. Von den C r u s t a c e e n wurden bei Astacus furiatüis alle äußern und Innern Teile untersucht. Die schöne Arbeit Bronn's ^) leistete bei dem Studium dieser Klasse wichtige Dienste. Im allgemeinen war auch hier wieder das Hautskelet mit sämtlichen Anhängen chitinhaltig. auch z. B. die Sinnesorgane, wie Riech- und Tast- bürsten. Apodemen und Sehnen enthielten ebenfalls wieder stets diese Verbindung. Die Kiemen bestehen aus Chitinplättchen. Der Darm ist über seine ganze Länge mit einer Chitinintima ausgekleidet, und auch die sogenannten Krebsaugen sind stark chitinhaltig. Nach der Entkalkung (die man in dieser Klasse oft vorzunehmen hat, um deutliche Reaktionen zu bekommen) erweist sich, daß letztere aus gewöhnlich 2 — 3 konzentrischen Schalen organischer Substanz be- stehen, die zum größten Teile aus Chitin besteht. Von Lepas sind die Kalkplatten der Schale durch Chitinhäute verbunden. Der stark entwickelte Penis dieser Hermaphroditen hat eine sehr starke, zum Teil dichtbehaarte Chitinhaut. Auch der Stiel wird von einer kräftigen Chitinhaut bekleidet, wie auch die Rankenfüße. Alle andern Innern Teile der Crustaceen (wie die grünen Drüsen, Gene- rationsorgane, Leber, Muskeln, Nervensystem usw. von Astacus) ent- halten kein Chitin. Es sei noch betont, daß viele Teile der Skelete, zumal der kleinern Arten, oft sehr schöne Chitosanpräparate liefern. Im Stamme der Mollusken ist früher nur in den Schalen von Sepia und Loligo Chitin nachgewiesen worden. Keukenberg (24) sagt: „Bei Lamellibranchiaten sind bislang ebensowenig als bei den Gasteropoden entschiedene Tatsachen aufgedeckt worden, welche das Vermögen der Chitinproduktion auch Vertreter dieser Mollusken- klasse sichern. ..." — Am besten behandeln wir die 3 Klassen ge- 1) Klassen u. Ordnungen d. Tierreichs. Verbreitung und Lokalisation des t'hitins im Tierreiche. 545 sondert. Von den verschiedenen Arten der Lamellibranchiaten wurden Lippentaster. Aruskeln, Darnikanal. T.eber, Kiemen usw. wieder stets einzeln untersuclit. Ks wurde nur in folgenden Teilen Chitin ;ucht, um zu kontrollieren, ob sich hier vielleicht diese Verbindung neben Cellulose vorfinde. Die Ergebnisse waren aber negativ. Vom Stamme der Coelente raten wurden die erwähnten Re- ]iräsentanten von 5 verschiedeneu Klassen untersucht. Die unter- suchten Arten der Scj^phozoen, Anthozoen und Ctenophoren enthalten kein Chitin. Es sei noch auf die besondere Widerstandsfähigkeit der Rippen von Plenrohrachia gegen konzentrierte Lauge aufmerk- sam gemacht. Bei den Poriferen aber fand ich etwas, w'enn auch sehr wenig, Chitin, nämlich erstens blieben bei dem gewöhnlichen Badeschwamm sehr kleine Reste übrig, die Chitosanreaktion gaben, weiter waren aber bei der untersuchten Si)ongilla viele kugelförmige Objekte vorhanden, die sich violett färbten und die ich schließlich als Gemmulae deuten mußte. Bei der Klasse der Hydrozoen ist im Gegenteil das Vermögen Zool. Jabrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 37 548 ^- H. Wbster, der Chitinproduktioii stark entwickelt. Über die cliemisclie Zu- sammensetzung dieser Tiere habe ich in der Literatur gar keine Angaben finden können. Bei den untersuchten Repräsentanten wurde nie Chitin im eigentlichen Tiere gefunden, stets aber im sog- Periderm (Fig. 10); und diese Ergebnisse stehen in Einklang mit der Tatsache, daß sich bei Hydra viridis kein Chitin nachweisen ließ^ diese Art aber auch kein Periderm besitzt. Einige nicht weiter determinierte Protozoen wurden mit Lauge im Wasserbade erhitzt. Weil sie bei dieser Einwirkung ganz ver- schwunden waren, darf man daraus wohl schließen, daß sie kein Chitin enthielten. Vom Stamme der Vertebraten wurden die in der Übersicht erwähnten Arten ausführlich untersucht und weiter einige „chitin- ähnliche" Objekte, wie Schuppen der Fische usw. In keinem der äußern oder Innern Teile wurde aber Chitin nachgewiesen, und obschon einige Objekte ziemlich widerstandsfähig sind, konnten sie doch gewöhnlich die Chitosanprobe nicht be- stehen. Auch die innere hornartige Haut des Vogelmagens enthält kein Chitin. Über die Eierschalen der Invertebraten. Neumeistee (30) sagt in seinem Lehrbuche der physiologischen Chemie: „Bei den Wirbellosen bestehen die Eierschalen vorwiegend aus Chitin", Auch Hallibueton (15) sagt etwas Ahnliches, und JÄGEE (17) nennt sie als Beispiele von schönen Chitinpräparaten. Dies sind nur einige Beispiele, zitiert, um die Ansichten über die chemische Zusammensetzung dieser Schalen anzugeben. Nach Krukenbeeg sollen aber die Eierschalen von ilfwre:r-Arten aus Con- chiolin bestehen, nach Tichomieoef (46) auch die von Bombijx mori aus einer andern Substanz als Chitin. Leider sind Eier von sicherer Herkunft nicht so leicht zu be- kommen, so daß ich vorläufig sie nicht von allen Klassen habe unter- suchen können. Nichtsdestoweniger konnten noch Schalen 15 ver- schiedener Arten von Wirbellosen untersucht werden, die aber meisten- teils zu den Insecten gehörten. Es wurden Eier von folgenden Tieren untersucht: Scolopeyidra-kvt, Epeira diadcma, Anodonta cygnea^ Süßwasser-Gastropoden-Art, Sepia officinaUs, Gastropacha, Malacosoma Verbreitung luid [.okrtlisatinii des Chitins im Tieneiclie. 549 iieKstna, Ilarpijia rinnlii^ Antheraea pcrnyi, Platysaniia cecropia, Bombus icrrcstris, Snierini/nis occllata, Philommia cynthiu. In keinem Falle wurde Chitin naclis:e\viesen. Über die sogeiiaimte „piipiiie" von Gkiffiths. Griffiths (12) belianptet 1892, „la substance principale dans la peau des pupes de quelques lepidopteres" sei „pupine". Er untersuchte unter anderm einige 7^/er/s- Arten. Leider ist die Unter- suchnngsmethüde zu unvollständig erwähnt, um die Kesultate kon- trollieren zu können. Griffiths reinigte die Puppenliäute, löste sie in konzentrierter Salzsäure und schied die gelöste Substanz durch Verdünnung wieder ab. So resultierte ein Körper von der Zusammen- setzung C14H.20N2O.-,. Bei der Spaltung mit Salzsäure will Griffiths Leucin bekommen haben. A priori ist es befremdlich, daß die Puppenhäute aus einer andern Substanz bestehen sollen als die Haut der Raupen. Daher wurde diese Sache näher untersucht und wurden folgende Puppen- häute der Chitosanreaktion unterworfen: Pieris hrassicae Latr., Beilephila euphorhiae L., Phalera bucephala L., Smerinthus oceUata L,, Harpyia vinula L., Vanessa antiopa, Hyloicus pinastri, Gastropacha qiwrcKS. Alle geben deutliche und schöne Reaktionen. Zumal die Stig- mata, die anhaftenden Tracheen und Flächenteile liefern bisweilen sehr merkwürdige und schöne Präparate. Bei allen wurde auch mittels der S. 539 sub 1 u. 2 erwähnten Reaktionen ausführlicher nach- gewiesen, daß Chitin vorlag, während mir von Smerinthus ocellata ge- nügend iMaterial zur Verfügung stand, um auch eine Spaltung mit kon- zentrierter HCl ausführen zu können, wobei sich reichliche Mengen salzsauren Glucosamins gebildet haben. Über das Vorkommen der Cellulose bei den Arthropoden. Ambroxn (1) behauptet in einer ausführlichen Arbeit, daß er bei beinahe allen Gruppen der Arthropoden und bei einigen der Mollusken Cellulose nachgewiesen habe. — Schulz (43) hat aber bewiesen, daß es sich bei der Äcp/a-Schulpe nicht um Cellulose handelte, sondern um einen eiweißartigen Körper, der einige Über- einstimmungen mit Cellulose zeigt. — Ambronn schließt seine Arbeit mit dem Satze: „Das Vorkommen dieses Körpers (Cellulose) ist 37* 550 ^- H. Westeb, jetzt außer bei den Tunicaten auch für die große Gruppe der Arthro- poden sowie für einig'e Mollusken sicher nachg'ewiesen." Weil ich in allen den Fällen Chitin aufgefunden habe, schien es mir inter- essant nachzuprüfen, ob vielleicht hier diese beiden wichtigen Ge- rüstsubstanzen nebeneinander vorkommen. Leider werden auch von Ambeonn die Arbeitsmethoden nicht g-enügend beschrieben, um seine Arbeit kontrollieren zu können. Von den Crustaceen wurden Garneelen und Krebsenteile, weiter einige Myriapoden, Insecten und Spinnen auf die Weise gereinigt, wie dies zur Darstellung von reinem Chitin erwähnt worden ist. ^) Mit Chlorzink-Iod gaben bisweilen einige Teile, z. B. der Garneelen, schwach braune bis rote Färbung. Eine Cellulosereaktion mit lod -|-Schwefelsäure (blaue Färbung) trat aber nie ein. Größere Mengen pulverisiertes Material mit gut wirksamem Kupferoxydammoniak während einiger Tage behandelt geben an dieses Lösungsmittel nichts ab. Auch auf 300" C in Glycerin erhitzte dünne Schnitte geben keine Cellulosereaktion; ebensowenig ist bei in Chitosan umgesetzten Präparaten Cellulosereaktion hervorzurufen. Diese beiden Reaktionen lassen sich nach van Wisselingh (50) ja sehr gut kombinieren [indem man bei den mit lod behandelten Objekten erst l^li)ige, dann + 70%ige R^SO^ zufließen läßt], was ich stets bestätigt fand. Aus diesen Versuchen geht also hervor, daß in den darauf ge- prüften Arten keine Cellulose neben Chitin vorkommt. Wie hat nun aber Ambeonn überall Cellulose nachweisen können? Wahrscheinlich: 1. weil es bei vielen Arthropoden Sub- stanzen gibt, die sich mit Chlorzink-Iod (gewöhnlich aber auch mit lod allein [Glykogen?]) rot bis violett färben, die sich aber leicht mit verdünnter Lauge entfernen lassen ; 2, ist, wenn er sein Material gereinigt hat, eine Verwechslung mit Chitosan nicht unwahrscheinlich, weil Ambeonn sagt, daß oft die Reaktion erst eintrat, „. . . indem man die Objekte vorher in alkoholischer Kalilauge kocht . . ." Es sei hier betont, daß in allen diesen Fällen, wo Chitin oder Cellulose vorkommen können, I-f-H.jSO^ dem Chlorzinkiod vorzuziehen ist. weil nur bei ersterm die Reaktionen scharf zu unterscheiden sind. So färbt sich z. B. die ungereinigte Sepia-Sdmle mit lod (mit oder 1) in: Arch. f. Pharmacie, 1909, p. 286. Verbreitnug und Lokalisatiou des Chitins im Tierreiche. 551 (ihne ZnCla) tatsächlich rotviolett. \'on einer blauen (Jellulosereaktion mit I+HoSOi ist aber nicht im entferntesten die Rede. Audi in den Radulae einiger Mollusken konnte keine Cellulose aufgel'miden werden, wo Ambronn glaubt, diese Verbindung nach- gewiesen zu haben. Bemerkenswert ist noch, daß Krawkow (20) und Zander (51) mittels genau derselben Reaktion, die Ambronn benutzte, Chitin nachwiesen. Über einige tierische Secrete. Hinsichtlich der Untersuchung auf Chitin sind von den tierischen Secreten zumal die Seide und der sogenannte B3^ssus der Mollusken von Interesse. Erstere wurde von Krükenberg mit Concliiolin und andern Substanzen unter dem Namen Skeletine zusammengefaßt; letztere sollen nacli Leuckart Chitin enthalten, wofür aber keine Be- weise geliefert wurden. Weder in der Seide noch in Byssusfäden von Mytilus edulis ge- laug es mir, Chitin nachzuweisen. Zusammenfassung und Rückblick. Bei allen Arthropoden erwies sich das Hautskelet mit sämtlichen Anhängen, nebst den Respirationsorganen, stets chitin- haltig. — Unter den Arachnoiden kommt im Darmkanal nur bei einigen Spinnen Chitin vor, nicht aber in dem der Scorpione. Die Angabe von Ray Lankester (37) — Schäeer fahrte die Versuche auf seine Veranlassung aus — , das Endoskelet (Entochondrit) der Scorpione solle aus Chitin bestehen, hat sich bei einigen wiederholten Ver- suchen nicht bewährt. — Der Darm der Myriapoden ist ganz oder zum Teil mit Chitin ausgekleidet. Die Ansicht von Vogt u. Yung (48), die Tracheen der Myriapoden lösten sich in konzentrierter Lauge bei 24stündiger Behandlung auf 60", hat sich als unrichtig er- wiesen. Bei den Insecteu war der Darmkanal bei einigen untersuchten Arten ganz mit einer (^hitinintima ausgekleidet (Periplamta, Melo- lonfha); bei einer Art war sie im Ventriculus unterbrochen {Bytiscus). Auch der Penis von Dytiscus hat eine starke Chitinhaut. — Bei der 552 ^- H. Wester, einen untersuchten Crustaceen-Art {Astacns) war der Darm wieder ganz mit Chitin ausgekleidet. Auch die Schale und der Penis von Lepas erwiesen sich stark chitinhaltig. Aus dem Erwähnten geht hervor, daß die Lokalisation des Chitins bei den Arthropoden — sogar bei nahe verwandten Arten — sehr verschieden ist. Besonders hervor- zuheben ist, daß auch im Mitteldarme oft Chitin gefunden wurde, folglich die H3i)othese, wenigstens dieser Teil enthalte nie Chitin und daher finde eben da Resorption statt, nicht ganz richtig sein kann. Bei den Mollusken ist die Verbreitung des Chitins noch un- regelmäßiger. Am stärksten ist das Vermögen der Chitinproduktion bei den Cephalopoden entwickelt, wo Schale, Kiefer und Radula mächtige Chitinablagerungen darstellen. Auch der Darm ist hier zum Teile mit einer starken Chitinhaut ausgekleidet (Loligo). In den Kiefern und den Eadulae kommt auch bei den andern Klassen dieses Stammes Chitin vor. Die Schalen enthalten es aber nur ausnahmsweise {Pecten, Mya, Anodontd) und in kleinen Quanti- täten. Merkwürdig ist auch, daß von den untersuchten Lamelli- branchiaten einmal der Sipho mit einer starken Chitinhaut bekleidet war {Mya\ während er bei andern Arten nur ganz wenig (Tapes) oder {Petricölä) gar kein Chitin enthält. Im Kiemenskelet (Anodonta), das nach Vogt u. Yung (47) aus Chitin bestehen soll, konnte diese Verbindung nicht nachgewiesen worden. Da auch im Deckel (Oper- culum) von Buccinum Chitin aufgefunden wurde, kann ich die An- sicht in Bronn's (3) Handbuch, daß es sich hier bloß um physikalische Ähnlichkeiten mit Chitin handle, nicht teilen. Daß die äußere Haut der Äf^^fa-Spermatophoren und das innere Skelet |,,cartilage"; Kopf- knorpel nach Keukenbeeg (22)1 von Sepia und Loligo (Halliburton (13, 14) Chitin enthalte, konnte ich nicht nachweisen. x\us vorstehenden Untersuchungen auf Chitin bei den Mollusken und einigen weitern angestellten Versuchen glaube ich berechtigt zu sein, die Einheitlichkeit des Conchiolins bezweifeln zu dürfen. Eher glaube ich, daß im Conchiolin statt eines chemischen Indi- viduums ein Gemisch verschiedener Körper eiweißartiger und chitin- artiger Natur vorliegt. Etwas Ähnliches läßt sich von dem Spongin behaupten. Es kann aber hier nicht näher darauf eingegangen werden. Bei den Echinodermen scheint das Chitin vollständig zu fehlen. Von den V er nies kommt offenbar nur der Klasse der Anneliden Verbreitung: und J.okalisation des Chitius im Tierreiche. 553 das Yerniögen der Cliitinprodiiktion zu. Hier sind die Borsten wie die Tentakel stets cliitinlialtig, und weiter findet sicli diese Ver- bindmiu' merkwürdigerweise im Darm von Lumlmrus und Aphrodite vor; in der Haut konnte sie al)er nie nachgewiesen werden. Dem- nach sind die zalilreichen Angaben, die Haut der Würmer sei ..diitinartig" oder bestehe sogar aus Chitin, nicht im chemischen Sinne aufzufassen. Somit dürfen wir aucli die Angabe von Ehlers (5) über Priaptdus (eine Gephyreeu-Art): „der ganze Körper wird fast ausschließlich . . . von zwei Geweben gebildet, Chitin und Muskel- fasern*' (p. 218), wohl als unrichtig betrachten, zumal da Ehlers selbst erwäiint, daß die Haut in Kalilauge sich ganz auflöst. Bei den Brachiopoden wurde in Schale, Stiel und Borsten von Liiu/ida Chitin aufgefunden; die Schale einer testicardinen Bracliiopoden-Art erwies sich aber merkwürdigerweise als völlig chitinfrei. Bei den Brj'ozoen besteht die Cuticula der Cystide stets aus Chitin: nur bei einer Übergangsart zu den Vermes (Phoronis) fehlte es. Von den 5 untersuchten Klassen der Coelente raten wurde nur bei den Poriferen (sehr wenig) und bei den Hj'drozoen (viel) Chitin aufgefunden. Bei der erstem Klasse erwiesen sich zumal die Gemmulae einer SpongiUa-Art, bei der letztern das Periderm chitin- haltig. Bei sämtlichen untersuchten Protozoen und Vertebraten fehlte das Chitin. Die Hypothese Ambronn's (1), die innere Schicht des Vogelmagens bestehe vielleicht aus Chitin, bestätigte sich somit nicht. Die Puppenhäute der Schmetterlinge bestehen nicht, wie Griffiths behauptete, aus „pupine", sondern aus Chitin.^) Die untersuchten Eierschalen der In vertebraten, die Seide und der Byssus der Mollusken erwiesen sich als völlig chitinfrei, so daß die zalilreichen Angaben über das Vorkommen des Chitins in Eier- schalen mit großem Mißtrauen betrachtet werden müssen. In Widerspruch mit den Beliauptungen Ambronn's (1) habe ich bei keinem der untersuchten Arthropoden und Mollusken Cellulose nachweisen können. Vorliegende Arbeit wurde im Jahre 1907—1908 gemacht. Der anatomische Teil wurde im Zoologischen Institut der Universität 1) V. Fl'RTH und RüSSO sind inzwischen zu demselben Resultate ffekommen. 554 D- H. Wester, Groningen ausgeführt. Zu besonderm Danke bin ich dem dortigen Direktor, Herrn Prof. Dr. J. F. van Bemmelen, verpflichtet für das reichlicli zu meiner Verfügung gestellte Material und für seine wert- vollen Ratschläge. Pharmaz. Labor., Groningen (Holland). Nachschrift. Nach Fertigstellung vorliegender Abhandlung kam mir eine Arbeit von Sullas zu Gesicht, über die ich noch sprechen will. SoLLAs ^) weist mit Hilfe physikalischer Methoden das Chitin nach und fand es in den Borsten einiger Würmer, in einigen Puppenhäuten, in der Radula einiger Mollusken und in der Sepia-Sehale. Diese Resultate stehen also mit den meinigen in vollem Einklang. Herr Professor van Wisselingh bittet mich hier folgendes ein- zuschalten : In meiner in dieser Arbeit zitierten Abhandlung (50) sind betreffs des Vorkommens des Chitins bei den Tieren einige Unrichtigkeiten ent- halten, auf welche Herr Wester mich aufmerksam gemacht hat. Ich be- nutze diese Gelegenheit, dieselben zu berichtigen. p. 682 meiner Ab- handlung habe ich gesagt, daß ich bei den Tracheen von Musca domesUca keine Chitinreaktion (S. 538) erhielt. Werden aber die Präparate mit verdünnter Chromsäure behandelt, bevor I und Hg^C)^ hinzugesetzt werden, so wird auch hier die Violettfärbung deutlich sichtbar. Bei einer wiederholten Untersuchung des Schließmuskels der Schere von Grangon vulgaris blieb bei der Erhitzung mit Kalilauge kein Rück- stand, der Chitosanreaktion gab. Er enthält überhaupt kein Chitin. p. 683, Zeile 5 von oben steht irrtümlicherweise Mantel statt Decke. Es ist hier die äußere Schicht der >Se^//a-Schulpe gemeint. C. VAN Wisselingh. 1) in: Proc. Roy. Soc. London, Vol. 79, 1907, p. 474. Verbreitung niul Lokalisatioii des Chitnis im Tierreiche. 555 Literaturverzeichnis. 1. Ambeonn, H., 1890, Cellulose-Reaktion bei Arthropoden und Mol- lusken, in : Mitth. zool. Stat. Neapel, p. 475 — 478. 2. BllRTHELOT, 1859, Sur la transformation en euere de la chitine et de la tunicine, in: Ann, Chim. Pliys., Vol. 56, p. 150, 3. Bronn, 1907, Klassen und Ordnungen des Tierreiches, Vol. 3, Abt, 2. 4. BÜTSCHLI, 1874, Einiges über das Chitin, in : Arch. Anat. PhysioL, p. 362 (nach Keükenberg). 5. Ehlers, 1862, Ueber die Gattung Priapulus, in: Z. wiss, Zool., Vol. 11, p. 218. 6. Felix-Hennegut, L., 1904, Les Insectes. 7. Feänkel, S. u. A. Kelly, 1901, Beitrag zur Konstitution des Chitins, in: SB. Akad. Wiss. Wien, Abt. 2, p. 110, 8. Froriep, 1872, Bindesubstanz bei wirbellosen Tieren, in: Arch. ges, Physiol,, Yol, 5, p. 320. 9. 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Sämtliche Figuren stellen Chitosanpräparate dar, die mit lod -\- Schwefelsäure behandelt sind (vgl. S. 538). Der Farbenton ist absichtlich heller gehalten als der natürliche, um Einzelheiten deutlicher hervortreten zu lassen. In Wirklichkeit sind die Präparate bisweilen sehr tief violett. Fig. 1. Querschnitt durch die dorsale Platte des Hautskelets vom Cephalothorax (Bidlms). Fig. 2. Teil einer Trachee (Scolopendra). Fig. 3. Teil der Chitinhaut eines Siphos {Tapes pullaster). Fig. 4. Teil einer Radula {Buccinum undainm). Fig. 5. Teil einer Darmintima in der Nähe des Kiefers (Arion rnfus). Fig. 6. Teil der Darmintima von Loligo forhesii. Fig. 7. Teil der Chitinhaut im vordem Darmteil von Liimbrincs lerresiris. Fig. 8. Spitze eines Tentakels (Peciiiiaria auricoma). Fig. 9. Borstenteil von Lingula anat'nia. Fig. 10. Periderm einer Hydrozoe {Antrnnularia cuitenuina). Nachdrnck verholen, l'bcrselzit n gxrcrh t vc igsrrrht vorliehallc» . Die genetischen Beziehungen der madagassischen Raubtiergattung Galidia. Von Albertina Carlsson. (Aus dem Zootomischen Institut der Universität zu Stockholm.) Mit 32 Abbildungen im Text. Aus der eigentümliclien Tierwelt Madagaskars sind die Raul)- tiere, welche bekanntlich alle zu den Viverriden gehören, bisher nicht Gegenstand wirklich eingehender Untersuchung gewesen. Man weiß nur soviel, daß sie sich verschiedenartig differenziert haben. Am meisten Aufmerksamkeit hat Cryptoproda ferox auf sich gezogen, welche viele Übereinstimmungen mit den Feliden darbietet; ihr all- gemeiner Bau beweist aber, daß sie eine Yiverride oder wenigstens aus einem Viverridenstamm hervorgegangen ist. Eine ganz andere Richtung wird von dem früher von mir untersuchten Eupleres goudoti repräsentiert. AVas die Familie Galidictinae mit den 3 einander sehr nahe stehenden Gattungen Galidictis, Galidia und Hcmifjalidia betrifft, so hat Beddard (3) die Resultate seiner Arbeit über einige von den Weichteilen von Galidiciis striata veröffentlicht, welche zeigen, daß dieses Tier teilweise auf einem primitiven Stadium stehen geblieben ist. Von der nahe verwandten Galidia elefjans besitzen wir bisher nur spärliche Angaben über Gebiß und Skelet von DE Blaixville (4), Jektink (14), MivART (21) und St. Hilaike (29); die übrigen Organe sind völlig unbekannt. Da die Universität zu Stock- 560 Albertina Carlsson. liolm 2 schöne ausgewachsene, gut konservierte, weibliche Exemplare dieser Art besitzt, welche der Studierende an der Universität Herr W. Kaudern von seiner Forschungsreise heimgebracht hat. so nahm ich mit Freude und Dankbarkeit das freundliche Anerbieten des Herrn Prof. Dr. W. Leche an, das eine derselben zu untersuchen. Für das durch Überlassung des wertvollen Materials mir bewiesene Vertrauen sowie für das lebhafte Interesse an meiner Arbeit und die Erlaubnis, bei der Untersuchung die reichen Sammlungen der Universität be- nutzen zu dürfen, bezeuge ich Herrn Prof. Leche meinen herzlichsten Dank. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, durch anatomische Unter- suchung zu ermitteln, teils was für Galidia eigenartig ist, teils was auf eine nähere Verwandtschaft mit andern Viverriden hindeutet. Das untersuchte Exemplar hatte von der Schnauze bis zum Anus eine Länge von 34 cm. Integument. F u ß b a 1 1 e n. Der Vorderfuß hat außer den 5 Fingerballen einen entwickelten Sohlenballen, durch unbehaarte Haut von einem Carpal- ballen geschieden (Fig. Aa). Die Anordnung der Ballen weist eine Übereinstimmung mit derjenigen bei Herpestes ichneumon auf (Fig. Ab); Fig-. A. Rechter VorderhiC a von Galidia elegans, b von Herpestes ichneumon, c von Viverra civetta. 1 : 1. Madagassische Raiibtierarattuno Galidia. 561 bei Viverra ist der Solilenballeii wie aucli der auf dem Carpus scliwächer, und der letztere wird von Haaren umgeben (Fig. Ac). Der Hinterfuß besitzt, wie aus Fig. Ba ersichtlich ist, kräftige .Sohlen- und Tarsalballeu; ein nackter Hautstreifen reicht bis zum Fußgelenk. Die Plantarseite vei'hält sich wie diejenige bei Ilerpestes (Fig. Bb); obwohl bei letztern ein Tarsalballeu fehlt; bei Virnra tritt er unter den Haaren sehr schwacli hervor (Fig. Bc). Von den übrigen madagassischen Viverriden nähern sich in dieser Hinsicht Cnjpioproda (21, p. 195), Hemigalidia und Galididis (18, p. 278) den Herpestinen, Eupleres und Fossa aber den Viverrinen (6, p. 218 u. 13, p. 870). Rechter Hintorfuß a von Galidia elegans, h von Hcrpestes ichneumon, c von Viverra civetta. 1:1. Die Krallen sind bei Galidia kurz, gewölbt, wie auch Gray angibt (12, p. 522), und ein wenig retractil; da die Gelenkfläche an dem distalen Ende der 2. Phalanx sich auf deren Rückenfläche er- streckt, können sie wenigstens vom Boden gehoben werden, obwohl nicht in so hohem Grade wie bei Viverra und Felis. Galidia w^eist gß2 Albertina Cablsson, hierin wie Fossa und Cryptoprocta (13, p. 870 u. 18, p. 208) eine Ähnlichkeit mit den Viverrinen auf; Galidictis, Hemigalidia und Enplercs haben lange, schlanke Krallen wie die Herpestinen (21. p. 192). Bei den beiden weiblichen Exemplaren von Galidia elegans habe ich nur 1 Paar abdominal wärts gelegener Zitzen gesehen. Eine so geringe Anzahl scheint eine Ausnahme bei den Viverriden zu sein ; Avenn möglicherweise ein 2. Paar vorhanden ist, so war dieses so unentwickelt, daß ich es nicht finden konnte. Unter andern Gattungen derselben Familie haben Nandinia, Eupleres, Paradoxurus und Her- pestes 2 Paare, Viverra liat sogar 3 (22, p. 519). Bei der Katze finden sich 4 Paare, bei dem Bären 3. In einigen Carnivoren- familien wie den Procyonidae und Mustelidae tritt bisweilen, wie bei Ccrcoleptes, Lidra und Enhydra, nur 1 Paar auf (17, p. 971). Der Anus mündet bei Galidia sowie bei allen übrigen mada- gassischen Viverriden, von Cryptoprocta abgesehen, an der Körper- fiäche aus; in dieser Hinsicht besitzen sie einen Viverrinen-Charakter; bei Cryptoprocta öffnet er sich wie bei den Herpestinen in einen Analsack. An jeder Seite des Anus findet sich unter der Haut eine Analdrüse von der Größe einer kleinen Haselnuß. Bei den Herpestinen kann die Anzahl eine größere sein; sie ist bei CrossarcJms eine öpaarige (22, p. 520). Zu den Kennzeichen der Gattungen Galidia, Galidictis und Hemi- galidia rechnet Mivart (21, p. 189) das Fehlen der Präscrotal- drüsen. Nach den neuern Untersuchungen von Beddaed (3, p. 805) sind sie jedoch bei Galidictis vorhanden. Ich kann sie bei Galidia nachweisen (Fig. C). Sie ergießen ihr Secret wie bei Genetta in eine vor dem Anus befindliche behaarte Hauteinsenkung, in welcher unter den kurzen, weichen Haaren einige lange, steife sich erheben ; bei Viverra tritt bekanntlich ein dem Zibetli als Reservoir dienender Beutel auf. Diese Drüsen erreichen bei Galidia kaum die Größe der Glandulae anales; bei Galidictis sind sie kleiner (3, p. 805), bei Viverra civetta etwa 2mal so groß (22, p. 519). Bei Eupleres und Cryptoprocta und wahrscheinlich bei Fossa (18, p. 216) fehlen sie; wir haben also in Madagaskar Viverriden teils mit, teils ohne frag- liche Drüsen. Durch das Auftreten derselben bei Galidictis und Galidia schließen sich diese den Viverrinen, nicht den Herpestinen an. Die in meiner Arbeit über Eupleres (6, p. 219) vertretene An- schauung, daß die Zibethdrüsen bei den afrikanischen Viverriden Madagassische Raubtiergattmiii' (ialiilia. 563 erst aufg'etreten seien, nachdem die TicMwelt der Tiisel sich von den letztern setrennt hatte, hat sich somit nicht bestätigt. ^♦v Fig C. Galidia elegans. Caudaler Teil, von der ßauchfläche gesehen. 'V4 : 1- Skelet. Bei der Untersuchung- des Skelets von Galidia konnte icli zur A'ergleichung Schädel von allen madagassischen Eaubtieren, mit Ausnahme von Galidictis, und ganze Skelete von Cryptoprocta und FAipleres benutzen. Der Schädel von Galidia, Hemigalidia und Galidictis kennzeichnet sich im Gegensatz zu dem der Viverriden im allgemeinen durch seine Breite; bei Hemigalidia ist er schmäler als bei Galidia, sowohl was den Teil der Gehirnkapsel als den der Schnauze angeht (Fig. Da u. Db). Eine Crista sagittalis hat sich bei Galidia nicht entwickelt, obwohl das Tier völlig ausgewachsen Avar; sie entsteht nicht oder nur als eine sehr niedrige bei kleinen Zool. Jahrb. XXYIII. Abt. f. Syst. 38 564 Albeetina Cablsson, Tierformen; eine deutliche, aber wenig hohe Crista occipitalis ist vorhanden. St. Hilaire (29, p. 32) g-ibt an, daß der Jochbogen bei GaUdidis besonders stark und ausgebogen ist, wie auch aus der Ab- bildung des Tieres von de Blainville (4, tab. 5) hervorgeht. Bei Galidia findet man dasselbe Kennzeichen, was mit der Stärke des M. temporalis und M. masseter zusammenhängt; bei Hemigalidia ist Fig. D. Schädel a von Hemigalidia sp., b von Galidia elegans. 1:1. er mehr gerade. Der Processus postorbitalis vereinigt sich nicht mit dem Processus orbitalis des Jochbogens, wie es oft bei den Herpestinen, nicht aber bei den Viverrinen, der Fall ist. Der Schädel der Viverriden wird hinter den Orbitae sehr komprimiert, bei Hcmi- (jalidia nur wenig, bei Galidia und GaUdidis (4, tab, 5) mehr als bei jener. Infolge der Kürze der Schnauze von Galidia, Hemigalidia und GaUdidis wird der Teil des Gaumens, der aboralwärts von den Zähnen, aber vor der Fossa mesopterygoidea liegt, im Vergleich mit dem Verhalten bei Herpestes sehr kurz, was auch für Cryptoprodo. nicht aber für Fossa und Eupleres gilt, ein Charakter, der sich aucli bei Viverra, Genetta und Paradoxurus wiederfindet. Die Verschiedenheit in der Form des Gaumens bei Galidia und Hemigalidia gellt aus den Madagassische Raubtiergfattuiiir (Jalidia. 565 Fi^eliühlt, was bei der erstem von der kräftigen Entwicklung des M. pterygoideus internus verursacht wird. Das Foramen condyloideum ist vom Foramen lacerum posterius (leutlicli getrennt; das Foramen lacerum medium hat eine relativ mediale Lage bekommen. GaUdia^ Hcmiijididia und Galidktis w^eichen, wie MivAirr (21, p. 189) bemeikt, von den übrigen Viverriden durch das Fehleu eines Canalis alisphenoideus ab; auch bei Viverrimla und Eupleres fehlt er bisweilen. Das Foramen ovale, das Foramen rotundum, das Foramen lacerum anterius und das Foramen opticum sind alle selbständis:. conch Icp '■ car < eiist Fig. E. .Scliädel a von Galidia elegans, b von Hemigalidia sp. 1:1. car Canalis caroticns. cond Foramen condyloideum. etist Öffnung der Tuba Eustachii. lern Foramen lacerum medium. Icp Foramen lacerum posterius. ov Foramen ovale. Die Bulla ossea von Galidia, Hemigalidia und Galidictis (21, p. 187) besitzt die den Herpestinen im Gegensatz zu den Viverrinen eigne Form, d. h. ihre beiden Abteilungen, durch eine transversale Rinne voneinander getrennt, haben sich erweitert, die mediale ist klein und liegt hinter der lateralen (10, p. 20). Die vordere er- 38* 5ßß Albertina Caelsson, reicht aber bei Galidia nicht die gleiche Höhe wie die hintere, wie es bei Herpesfes fast der Fall ist. sondern erinnert mehr an dieselbe bei Crossarchus fasciatus, wo sie niedriger als die hintere ist. Die ganze Bulla bei Galidia besitzt nicht die relative Höhe wie bei den 2 genannten Herpestinen; ihr äußerer verknöcherter Gehörgang hat eine größere Länge als bei diesen. Bei Hemigalidia hat sich das Tympanicum mehr aufgebläht oder ist nach Mivart (21, p. 188) mehr herpestinenähnlich. Van Kampen gibt an. daß bei den Her- pestinen die untere Wand des äußern Gehörganges entweder durch einen Längsspalt — Herpesfes urva, Suricaia — oder ein Foramen durchbohrt wird, was nicht den Viverrinen zukommt (15, p. 509). Audi hierin verhalten sich Galidia und Hemigalidia wie die Her- pestinen, obwohl die Verschmelzung weitergegangen ist, indem nur eine Einsenkung am Ende des Meatus auditorius externus den Spalt andeutet. Der Processus paroccipitalis verbreitet sich bei Galidia und Hemigalidia blattförmig über die hintere Wand der Bulla, ragt nicht wie bei den Viverrinen, Viverricula, Prionodon und Poiana aus- genommen (21, p. 148), unter ihr hervor, sondern hat etwa die Aus- dehnung, die sich bei den Herpestinen wiederfindet. Die mediale Wand der Bulla wird bei den Viverrinen ganz oder beinahe ganz vom Os bullae, bei den Herpestinen außerdem vom Tympanicum gebildet, welche beide Knochen in der letztern Familie an das Basi- occipitale grenzen (15, p. 512). Infolge der besondern Kürze dieses Knochens bei Galidia stößt er nicht an das Tympanicum, welches daher medialwärts nur dem Basisphenoid anliegt. Betreifs des Canalis caroticus hat auch van Kampen eine Verschiedenheit zwischen den Viverrinen und Herpestinen nachgewiesen (15, p. 513). Bei den erstem liegt die aborale Öffnung zwischen dem Os bullae und dem Basioccipitale, und der Kanal verläuft zwischen diesen beiden Knochen; bei den letztern wird der Kanal von dem Tympanicum umgeben und öffnet sich an der Grenze der beiden Teile der Bulla; bei Galidia und Hemigalidia liegt er zuerst vom Basioccipitale über- brückt, um mehr oralwärts, wie bei den Herpestinen, vom Tympani- cum umgeben zu werden. Von den übrigen madagassischen Viverriden verhält sich Fossa hinsichtlich der Bulla ossea ganz wie die Viverrinen; der aus- gebreitete Processus paroccipitalis überragt jedoch nicht wie bei diesen die Bulla. Cryptoproda hat, wie Mivart (21, p. 194) bemerkt, eine Bulla, die weder mit derjenigen der Viverrinen noch mit der- jenigen der Herpestinen übereinstimmt. Wie bei den erstem hat Madagassische Ranbtieryattnns: (lalirlia. 567 sie die giöBte Höhe weit hinten und senkt sich allmälilich nach vorn ; der verknöcherte äußere Gehörganj"^ ist sehr kurz. Die Arteria carotis verläuft auch wie bei diesen in einer Rinne zwischen dem Basioccipitale und dem Os bulhie, wii-d mehr oralwärts von diesem Knochen überbrückt (15, p. 512). Aber die Lage des Os buUae hinter dem Tj'mpanicum, nicht mediahvärts von diesem, und die relative Kürze des Processus paroc('ii)ittilis. der, obwohl länger als bei den übrigen madagassischen Formen, doch nicht wie bei den Viverrinen die Bulla überragt, sind Charaktere, wodurch Cnjpfo- procta sich den Herpestinen nähert und sich von den Viverrinen unterscheidet. Die Trennung der beiden Teile der Bulla ist äußerlich weniger als gewöhnlich bei den Viverrideu markiert. Zwar stimmt Kupkrcs durch den Bau der Bulla im allgemeinen mit den Viver- rinen überein; sie weicht jedoch durch einige Kennzeichen ab, welche sie den Herpestinen näher bringt und welche besonders bei dem nicht ausgewachsenen Tiere mehr ausgeprägt sind (6, tab. 10, fig. 3). Dazu gehören die kräftige Entwicklung des Tympanicums, das etwa die Höhe des Os bullae erreicht, und die Lage des Canalis caroticus, die bei dem von mir untersuchten jugendlichen Schädel vom Tym- panicum umschlossen wurde. Bei dem altern tritt der Größenunter- schied nicht so scharf hervor. xA.us Obigem geht hervor, daß Fossa, Eupleres und Cryptoprocta betreffs der Bulla sich wie die Viverrinen differenziert haben, ob- wohl die letztgenannte und Eupleres. vorzüglich im jugendlichen Stadium, gewisse Übereinstimmungen mit den Herpestinen darbieten. Galidia und Hemigalidia verhalten sich wie die letztern, haben sich jedoch in einigen Punkten abweichend entwickelt. Der Processus corouoideus des Unterkiefers zeigt eiue ansehn- liche Breite (Fig. Fa), was mit der Stärke des M. temporalis in \'erbindung steht; er wird aboralwärts wenig vom Condylus über- Fig. F. Unterkiefer a von Galidia elegans, b von Hemigalidia sj). 1 568 Albertina Carlsson, ragt, und die Incisura semilunaris superior ist flach. Die Fossa masseterica kennzeichnet sich durch ihre Tiefe, durch die Entwick- lung des M. masseter beeinflußt. Dieselben Charaktere finden sich, obwohl in g-eringerm Grade, bei Hemigalidia wieder (Fig. Fb). Die Symphysis mandibulae erstreckt sich bei Galidia und Hemigalidia gegenüber der Mitte des P*^, bei Galidictis, nach der Abbildung des- selben von St. Hilaire zu urteilen, bis zur Mitte des P^, und bei andern Viverriden, wie Faradoxurus^ Fossa, Viverra, der Mitte des P^ gegenüber, bei Herpestes icJmeumon, H. urva, H. javanicus, H. ni- palensis und Crossarchus fasciatus bis zum Anfang des P^. Galidia wie auch die 2 nahe verwandten Gattungen nähern sich in dieser Hinsicht mehr den Herpestinen als den Viverrinen. ,<-^ ^ Fig. G. Zung-enbeiu von der lateralen Seite. 1:1. a von Galidia, b von Eupleres, c von Herpestes, d von Gevetta. Das vordere Hörn des Zungenbeins besteht (Fig. Ga) wie ge- wöhnlich aus 4 voneinander abgesetzten Stückchen, einem kurzen, schräg kopfwärts und lateralwärts gerichteten Hypohyale, einem etwa doppelt so langen, gerade lateralwärts gelegenen Oeratohyale, einem dorsal- und schräg caudalwärts gewandten Stylohj^ale, dessen distale Partie in der Furche zwischen dem verknöcherten äußern Gehörgang und dem eigentlichen Tympanicum liegt, und dem kurzen Tympanohyale. Ganz wie bei andern Viverriden (15, p. 516) ver- wächst dieses nicht mit dem Schädel, sondern liegt in eine tiefe, von dem Foramen stylomastoideum abgeschlossene Grube eingesenkt. Bisweilen wird diese beinahe völlig, wie bei Paradoxurus und Arctidis (15, p. 516), bisweilen, wie bei Herpestes, ganz vom genannten Fora- men abgetrennt. Im Vergleich mit dem Vei'halten bei Eupleres, Herpestes pulverulentus und Genetta vidgaris kennzeiclmet sich das Hypohyale bei Galidia durch seine geringe Länge; diese Verschieden- heit sowie die übrigen ergeben sich aus den Figg. Ga, b, c, d. Gliederung der Wirbelsäule bei dem untersuchten Individuum: Madagassische Raubtiergattuiii;- (ialiilia. 5ß9 €. 7; D. 13; L. 7; S. 3; C. 30 oder dieselbe, wie Mivart (22, p. 483) aii2:ibt, obwohl er nur 20 Schwan/wirbel oefunden hat. Der Processus spinosus des Epistropheus zeigt wie auch bei Crossarchus fasciatus caudalwärts eine Verlängerung-, welche die proximale Hälfte des folgenden Wirbels überragt, die aber Crypto- proda. Faradoxnrus, Gcnetta u. a nicht zAikonimt. Mit derselben hängt vielleicht die Reduktion des Dornfortsatzes des 3. Halswirbels zu- sammen, welche sich teilweise bei Crossarchus, nicht aber bei den übrigen genannten Viverriden wiederfindet. An dem 8., 9. und 10. Thoi-acalwirbel besitzen die Processus spinosi eine scharf caudale Eichtung; an dem 11. findet sich ein kaum merkbarer Dornfortsatz ; der 12. Wirbel ist wie bei Eiipleres und Galididis (22, p. 462) der anteclinale, anstatt des 11., wie gewöhnlich unter den Raubtieren. An dem 4. — 7. Caudalwirbel finden sich „Chevron bones". Vordere Extremität. Die beiden Fossae der Scapula sind bekanntlich bei den Raubtieren beinahe von derselben Größe. Galidia weicht von diesem Verhalten ab, indem die Fossa supraspinata sich kräftiger als die Fossa infraspinata entwickelt hat. Fällt man nämlich von dem medialen Ende der Spina scapulae eine Linie rechtwinklig zum untern Rande des Schulterblattes, so verhält sich diese zu der größten Höhe der Scapula bei Galidia elegans wie 1 : 1,38 Eupleres goudoti „ 1 : 1,15 Nandinia hinoiata ,, 1 : 1,23 Genetta vulgaris .. 1 : 1.20 Paradoxurns hermapliroditus „ 1 : 1.32 Crossarchus fasciatus ,, 1 : 1,12. Oder, mit andern ^^'orten. die Fossa infraspinata kennzeichnet sich im Vergleich mit der Höhe der Scapula durch eine geringe Oröße. Dem Humerus fehlt, wie Mivakt von Galidia, Hemigalidia und Galidictis bemerkt, das Foramen entepicondyloideum. welches den übrigen Viverriden, mit Ausnahme von Cyuogcde, zukommt (22, p. 470). Das Vorhandensein dieses Furamens wird im allgemeinen als ein primitives Merkmal angesehen (30, p. 553); sein Fehlen bei Galidia darf also als etwas Sekundäres betrachtet werden. Eine Spina con- dyloidea lateralis, die gewöhnlich bei den Viverriden, wie Fara- do.nirns, Genetta, Crossarchus, Nandinia u. a., scharf hervortritt, hebt .sich wie bei Etiplei-es mit dem Verschwinden des ]\I. supinator brevis 570 Albertina Carlsson, (siehe unten) wenig- ab. Im Vergleich mit Eupleres (6. tab. 10, fig. 14) und den übiigen Viverriden ist das distale Ende des Humerus sehr zusammengedrückt, und die Beugemuskeln des Vorderarmes liegen an ihrem Ursprung nicht nebeneinander wie bei Eupleres, sondern teilweise aufeinander, mit schmalen Ursprungssehnen entspringend. Ihre Funktion erfährt dadurch offenbar eine Modifikation. Auf die- selbe Weise entstehen die entsprechenden Muskeln des Haushundes, bei welchem bekanntlich kein Foramen entepicondyloideum auftritt und dessen Condj^lus internus humeri nicht ausgezogen ist. Wird die Fähigkeit zu laufen dadurch vermehrt? denn den Caniden und andern guten Läufern fehlt fragliches Foramen (30, p. 559). Die beiden Vorderarmknochen sind, wie auch bei Fossa, Eupleres und Galidictis (22, p. 471), lang und schlank, bei Cryptoproda mehr gedrungen. Die Länge des Radius verhält sich im Vergleich zu derjenigen des Humerus bei den madagassischen Viverriden ver- schieden: bei dem erwachsenen Eupleres ist er länger als der Ober- armknochen, bei Fossa von derselben Länge, bei Hemigalidia beinahe ebenso lang; Galidictis, Galidia und Cryptoproda verhalten sich wie die übrigen Viverriden : ihr Radius hat nicht die Länge des Humerus erreicht (22, p. 484). Eine mediale Verbreitung des distalen Endes des Radius, die bei Genetia, CrossarcJius, Hemigalea u. a. auftritt und als Ansatz des M. supinator longus, des M. pronator radii teres und des M. Pronator quadratus dient (22, p. 471), hat sich infolge der proximalen Lage der 2 letztern Muskeln bei Cryptoproda, Eupleres und Galidia nicht gebildet. Bei diesen findet sich im Carpus ein radialer Randknochen, der zwischen dem Os naviculare und dem Os multangulum majus liegt; an denselben und an den Metacarpale I heftet sich der M. abductor pollicis an. Hintere Extremität. Im Femur tritt die Crista glutaea relativ schärfer als bei Geneita und Crossarchus hervor; bei Crypto- proda, Eupleres, Paradoxurus und Nandinia fehlt sie oder ist un- deutlich. Die Tibia verhält sich unter den Viverriden in betreff der Länge verschieden zum Femur; bei Galidia, Hemigalidia, Galididis^ Fossa und Eupleres ist sie länger als der Oberschenkelknochen; ebenso verhalten sich Viverra, Cynidis und Suricata; bei Cryptoproda. Genetta vulgaris, Paradoxurus, Viverricula, Hemigalea, Ardidis und Cynogale kürzer als derselbe ; bei einigen Viverriden, wie Crossarehus und Nandinia, sind sie von gleicher Länge. Ein tibialer Randknochen fehlt. Madagassische Raubtiergattimg Galidia. 571 Durch die Entwicklung- des Pollex und des Hallux stimmt Galidia sowie die übrig-en madag-assisclien Viverriden mit den Vi- verrinen überein und weicht vom Verhalten bei den Herpestinen ab, wo der 1. Finger resp. die 1. Zehe sehr kurz sind; die letztere kann bisweilen durch ein rudimentäres 1. Metatarsale (Suricafa) repräsentiert werden, das sogar bei Ctjnidis und Bdeogale fehlt (31, p. 91 u. 82). (iehini. Unter den madagassischen Viverriden finden wir Beschreibungen und Abbildungen vom Gehirn von Cryptoproda und Galidictis von IIeddard (1, p. 434 und 3, p. 814) und von Eupleres in meiner erwähnten Arbeit (6, p. 230). Kkuk« hat die Merkmale des Viver- ridengehirns festgestellt und betont die Verschiedenheit des frag- lichen Organs der beiden Gruppen, der Viverrinen und der Her- pestinen (16, p. 625). Auf diese Arbeiten und die Gehirnpräparate der Sammlungen der hiesigen Universität gestützt, habe ich ver- sucht, das den genannten Tieren eigenartige in den Furchen ihres Gi'oßhirns nachzuweisen. Im Gehirn von Galidia (Fig. H u. I) tretfen wir Kennzeichen an, welche sich sowohl bei den Viverrinen als auch bei den Her- pestinen wiederfinden. Wie die erstem besitzt sie, im Gegensatze zum Verhalten bei den letztern, eine lange Fissura Sylvii {s\ eine oralwärts stark herabgekrümmte Fissura suprasylvia anterior {ss), eine nach vorn ausgezogene Fissura coronalis (cö) sowie eine Fissura postica im)] eine schw^ache Einsenkung (a) kann vielleicht als eine bei den Viverrinen selten auftretende Fissura anterior (Fissura ecto- lateralis anterior) gedeutet werden (16, p. 626). Ebenso verhalten sicli die entsprechenden Fissurae bei Galidictis und Eupleres. Eine Fissura anterior fehlt diesen jedoch. Wie die Herpestinen hat Galidia die Fissura praesylvia von dem Lobus olfactorius verdeckt, die Fissura suprasylvia superior {ssp) schwach und mit der Fissura suprasylvia anterior {ss) nicht verbunden und (c) eine lange, tiefe Fissura cruciata (16, p. 626). Die 2 letztern Kennzeichen kommen auch Galidictis zu, nicht aber das erstere, denn bei ihm wie bei den Viverrinen tritt die Fissura praesylvia deutlich hervor. Das Gehirn von Galidictis ist folglich mehr als das von Galidia demjenigen der Viverrinen ähnlich, obwohl beide eine Entwicklungsstufe repräsen- tieren, welche das Charakteristische der 2 Arten des Viverriden- gehirns aufweisen. Bei Galidia ist wie gewöhnlich bei den Viver- 572 Albertina Carlsson, ssp Jy Fig-. H. ,f -/ /^7^)r//7. /f 7f /f übt r^))id^'^^fn Fig. J. Fia-. K Fig-. H. Galidia elegans. Gehirn von oben gesehen. Fig-. I. Galidia elegans. Gehirn, von der lateralen Fläche gesehen. 1 : 1 « Fissura anterior, as F. ansata. c F. cruciata. co F. coronalis. l F. lateralis po F. postica. rh F. rhinalis anterior, rhp F. rhinalis posterior, s F. S3'lvii SS F. snprasylvia anterior. ss|; F. suprasylvia posterior. Fig. J. Galidia elegans. Plexus brachiales. 3 : 2. Fig. K. Galidia elegans. Plexus lumbosacralis. 3 : 4 8. Cervicaluerv. 5 L—7 L der 3. — 7. Lumbainerv. 1 S der 5 C — 8C der 5. bis zum 1. Sacralnerv. 1 Th der 1. Thoracaluerv. ax N. axillaris, c N. cutaneus. er N. cruralis. glinf N. glutaeus inferior, glsup N. glutaeus superior. mc N. musculo-cutaneus. md N. raedianus. oht N. obturatorius. jn- N. peroneus. 2^^ Nerv zum M. psoas major rd N. radialis. ssp N. subscapularis. sspr N. suprascapularis. thl N. thoracius lateralis, üb N. tibialis. uln N. ulnaris. TJbrige Nerven wie die von ihnen versorgten Muskeln bezeichnet. riden die Fissura coronalis {co) mit der Fissura ansata {cm), die an ihrem medialen Fortsatz erkannt wird, und mit der Fissura lateralis (?) verbunden; die Fissura rhinalis anterior {rh) geht auch direkt in die Fissura rhinalis posterior {rhp) über. Madagassische Raubtiergattuiiii (ialidia. 578 Schon früher habe icli gezeigt, daß wir bei Eupleres ein echtes Viverrinengeliirn linden (6, p. 234); nun bleibt übrig zu untersuchen, "wie das von Beddard beschriebene Gehirn bei l'njptoprorta sich verhält. Wenn ich mir erlauben darf, die Fissuren derselben in anderer Weise als der Forscher zu deuten, würden wir hier ein beinahe völlig ausgeprägtes Herpestinengehirn finden. Ich glaube hierzu berechtigt zu sein, teils wegen der großen Ähnlichkeit des fraglichen Organs mit dem entsprechenden bei drossarckus, teils Avegen der, wie mir scheint, nicht glücklichen Auffassung des ge- nannten Forschers von der Post-8ylvian fissure [B'issura suprasylvia posterior, Krüeg (16, p. 615)]. Die Fissura suprasylvia umgibt bogenförmig die Fissura Sylvii (16, p. 010); hier liegt sie von der- selben umschlossen. Beddaed bemerkt auch, daß im Vergleich mit dem Verhalten bei Herpestes pulverulentiis die von ihm genannte Post-Sylvian fissure vielleicht einer Fissura Sylvii entspricht (1, p. 435). Daß dies der Fall ist, geht aus einer Vergleichung mit den figg. 126, 127, 128 n. 129 von Herpestes ichneummi bei E, Smith, in: Cat. Mus. Coli. Surgeons, p. 255. London 1902 hervor, worin die schwache Entwicklung der Fissura Sylvii und die mehr oder w^enig vollständige Bogenform der Fissura anterior und der Fissura postica (Fissura ectolateralis anterior und Fissura ectolateralis posterior) dargestellt werden. Besonders fig. 128 gibt für meine Annahme eine wichtige Stütze. Nennen wir die vom Forscher als eine Post- Sylvian fissure bezeichnete die Fissura Sylvii, so treten die Charaktere des Herpestinengeliirns hervor, nämlich die geringe Aus- dehnung der Fissura Sylvii, das Vorhandensein wie bei CrossarcJms einer mit der Fissura postica verbundenen Fissura anterior, was nach Keüeg bei den Viverriden als eine Ausnahme anzusehen ist (16. p. 626) — gewöhnlich sind sie in fraglicher Tiergruppe von- einander getrennt — und das Auftreten einer mit der Fissura supra- sj'lvia anterior nicht vereinigten Fissura suprasylvia posterior. Die Fissura coronalis ist bei den Herpestinen gewöhnlich kurz, bei H. püJi(dosus jedoch lang; Cryptoproda verhält sich hinsichtlich frag- licher Fissura wie letztgenanntes Tier, hat aber ein deutliches Viverrinenkennzeichen, das Hervortreten der Fissura praesylvia auf der lateralen Gehirnfiäche. Unter den auf ^Madagaskar einheimischen Viverriden finden sich also Tiere wie Galiäia und GaJidictis mit Gehirnformen, die in einem undifferenzierten Stadium verblieben sind, d. h. mit sowohl Her- pestinen- als auch Viverrinencharakteren, Cryptoproda hat sich 574 Albertina Carlsson, nach der Herpestinenrichtung entwickelt, bewahrt Avenig- vom Ur- sprünglichen oder m. a. W. hat beinahe nichts den Viverrinen Eigentümliches beibehalten; bei Eupleres verhält sich das Gehirn völlig wie dasjenige der Viverrinen nnd hat sich am meisten vom indifferenten Stadium entfernt. Muskulatur. Wie in meinen Arbeiten über Nandinia Unotata und Eupleres goudoti beschreibe ich nur diejenigen Muskeln, welche durch ihre Entwicklung für das Tier von besonderer Bedeutung sind oder wichtige Verwandtschaftsverhältnisse zu andern Tieren derselben Ordnung darbieten. Die Vergleichungen beziehen sich, wenn nicht anders erwähnt, auf die x4.ngaben über die Carnivora fissipedia von Windle u. Paesons und meine Arbeiten über Nandinia und Eupleres (38, 34, 5 u. 6). Bei der Untersuchung der Muskulatur ist die Innervation be- rücksichtigt worden; wenn eine Abweichung vom gewöhnlichen Ver- halten angetroffen w^orden ist, habe ich sie immer erwähnt. Die Zusammensetzung des Plexus brachialis und des Plexus lumbosacralis geht aus den Figg. J und K hervor. Der M. p r a e p u t i o - a b d o m i n a 1 i s (pr, Fig. L) verhält sich in bezug auf Lage und Entwicklung wie bei Eupleres und Geneita; bedeutend schwächer als bei Nandinia. Der M. obliquusabdominis externus entsteht mit 8 Zacken an den 8 letzten Rippen und geht in eine Aponeurose über, die allein das ventrale Blatt der Scheide des M. rectus abdominis bildet. Der M. obliquus abdominis internus schmilzt medial- wärts mit der Sehnenverbreitung des M. transversus abdominis zu- sammen; diese liegt dorsal wärts vom M. rectus abdominis. Die ventrale Wand der Scheide des M. rectus abdominis besteht bei Galidia aus der Aponeurose des M. obl. abd. ext., bei Nandinia aus dieser und dem ventralen Sehnenblatt des M. obl. abd. int.; oft gehen bei den Raubtieren die Sehnenverbreitung der beiden schiefen Bauchmuskeln ventralwärts von dem M. rectus abdominis; bisweilen spaltet sich diejenige des M. transversus abdominis und umgibt den M. rectus. Die Zusammensetzung der Scheide scheint also eine wechselnde zu sein. Der M. rectus abdominis besitzt in der köpf wärts gelegenen Hälfte 3 Inscriptiones tendineae. Gewöhnlich geht ihre Anzahl in Madagassische Raubtiergattuug Galidia. 575 Fig. L. Galidia elegans. Hautmuskel im caudaleu und ventralen Teil des Tieres. pr M. praeputio-abdominalis. as Anus, v Vulva. '/4:1. fragliclier Ordnung bis zu 5 — 8 hinauf; bei Galidia sind sie wenig, bei Nandinia felilen sie völlig. Ein M. pyramidalis ist nicht vorhanden. M. b i V e u t e r m a x i 1 1 a e. Der hintere Teil wird vom N. facialis, der vordere vom N. trigeminus innerviert. Von Bedeutung ist die starke Entwicklung des Muskels: er entspringt am Processus para- mastoideus und erreicht die Symphysis menti. Bei den Raubtieren inseriert er in der Mitte zwischen dem Processus angularis und der Symphyse. In seinem vordem Teile füllt er den Raum zwischen den Unterkieferhälften aus, dabei den M. mylohyoideus deckend. Ein Sehnenstreifen deutet die Zweibäuchigkeit an: er ist weder bei 576 Albertina Carlsson, Genetta und Vkerra noch bei Nandinm und Enpleres gefunden und scheint daher sehr selten bei den Viverriden aufzutreten. Der M. temporalis geht von der Crista occipitalis und dem Processus paramastoideus aus und reicht bis zur Sutura sagittalis hinauf. Er ist beträchtlich kräftiger als bei Eupleres und Herpestes pulrerukntns, indem er sich wulstig über die Crista occipitalis und den Processus paramastoideus hebt. Der M. masseter, der wie gewöhnlich in 2 Schichten gespalten ist, kennzeichnet sich durch besondere Stärke und überragt mächtig- den Unterkieferrand. Der M. pterygoideus internus stimmt mit den übrigen Kaumuskeln durch seine kräftige Entwicklung überein; er entspringt von dem Processus pterygoideus internus und der Fossa pterygoidea und inseriert etwas mit dem M. masseter verwachsen an dem Pro- cessus angularis und der hintern Hälfte des untern Randes des Unter- kiefers oder bis zum Ansatz des M. biventer maxillae. Der M. pterygoideus extern us ist im Gegensatz zum vor- hergehenden besonders schwach, aber von ihm völlig getrennt, nicht, wie oft bei den Raubtieren, mit ihm vereinigt (33, p. 376); er ent- steht am äußern Rande des Palatinums und heftet sich am Processus condyloideus an. M. mylohyoideus. Bei Eupleres wie bei den Carnivoren im allgemeinen erstreckt sich der Muskel bis zu der Symphyse; bei Galidia, Nandinia, den Canidae und Hyaenidae setzt er sich nicht so weit vorwärts an. Der M, sterno-mastoideus hat sich auch stark entwickelt. Er besteht wie bei Herpestes und Genetta aus 2 Schichten, die ober- flächliche vom jVlanubrium sterni, die tiefe von der 1. Rippe. Der M. cleido-mastoideus entspringt von der Zwischen- sehne des M. cephalo-humeralis, vereinigt sich an der Insertion mit dem vorhergehenden Muskel. Der M. omohyoideus fehlt wie bei den Felidae und gewöhn- lich bei den Viverridae; weder bei Eupleres noch bei Nandinia habe ich ihn gefunden. Der M, stylo-hyoideus besteht bei den Carnivora im all- gemeinen aus 2 Portionen, die eine dorsal, die andere ventral vom M. biventer maxillae. Wie bei Nandinia und Eupleres fehlt die erstere; sie ist aber bei Genetta, Herpestes und Cryptoproda vor- handen; ihr Vorkommen scheint unter den Viverriden kein konstantes zu sein. Die letztere inseriert wie bei Eupleres teils am Os hyoideum, Madagassische Raubtiergattung Galiclia. 577 teils in die Fascie über dem M. biventer maxillae ausstrahlend; infolge der Stärke des letztgenannten Muskels erreicht sie nicht wie bei Jvuplcrcs den M. mylohyoideus. Der M. trapezius bildet wie bei Eupleres eine einheitliche Muskelscheibe, nicht wie bei Nandinia, Gouetta, Prori/on u. a. in 2 oder 3 Partien geteilt. Der Kopfteil (Clavo-Cucullaris) hängt mit dem M. cleido-mastoideus zusammen, ist auch mit dem M. omocleido- transversarius nahe verbunden; nur durch eine Zwischensehne vom M. deltoideus getrennt, ('brigens geht er von den 8 vordersten Thoracalwirbeln aus; er erstreckt sich nicht so weit schwanzwärts wie beim Hausliund oder bei der Katze, bei denen er den 10. resp. 12. Brustwirbel erreicht (9, p. 178 u. 20, p. 137). Der M. rhomboideus, der oft unter den Carnivoren in 2 Portionen gespalten ist, bildet bei Galidia Avie bei den Viverriden und Procyoniden einen zusammenhängenden Muskelzug. Er entspringt ebenso weit caudalwärts wie beim Haushund und bei der Katze (9, p. 180 u. 20, p. 145) oder von den 5 vordersten Thoracal- und den 2 letzten Cervicahvirbeln. außerdem von dem Ligamentum nuchae und dem Occiput. Bei Herpestes erreicht er letztern Knochen, nicht aber bei den Viverrinen, welchen in dieser Hinsicht Eupleres und Nandinia sich anschließen. Der M. spien ins entsteht wie beim Haushunde (9, p. 149) an den Processus spinosi der 4 vordersten Brust- und der 4 letzten Cervicalwirbel und dem Ligamentum nuchae und befestigt sich am Occiput. Er ist bedeutend länger als bei Eupleres, wo er sich nur bis zu dem 2. Thoracalwirbel erstreckt. Der M. biventer cervicis erreicht den 6. Brustwirbel oder ebenso weit schwanzwärts wie beim Haushunde (9, p. 151), ge- wöhnlich bei Carnivoren nur den 3., bei Eupleres den 5. \Mrd von 2 Sehnenstreifen durchzogen. Der M. complexus entsteht an denselben Wirbeln wie der vorige Muskel; er weicht wie der gleichnamige bei Eupleres vom gewöhnlichen Verhalten bei den Carnivoren durch das Fehlen der Inscriptiones tendineae ab. Der M. t r a c h e 1 o - m a s t o i d e u s (M. t r a c h e 1 o - m a s t o i d e u s Leche; M. transversalis capitis Windle u. Parsons; M. longissimus capitis Ellenbehger u. Baum) entspringt von den 3 letzten Hals- und den 4 vordersten Brustwirbeln. Unter den Raubtieren geht er sonst nur von 2 Thoracalwirbeln aus. Der M. latissimus dorsi entsteht von 15 Wirbeln, vom 578 Albertina Carlsson, 4. Thoracalwirbel bis zum 5. Lumbaiwirbel ; er besitzt folglich einen langem Ursprung als bei Naiidinia und Eiipleres, bei denen er von 12 resp. 10 Wirbeln ausgeht; beim Haushunde entspringt er von 14. bei der Katze von 13 Wirbeln. Er inseriert mit einem Teile des Panniculus verbunden unter dem M. pectoralis an der Spina tuberculi majoris oder wie bei Eupleres. Dieser Muskel und, wie aus obigem hervorgeht, die Kau- muskulatur sowie die Nackenmuskeln kennzeichnen sich durch ihre kräftige Entwicklung. Die Mm. levater anguli scapulae und s e r r a t u s a n t i c u s major bilden eine einheitliche Muskelscheibe. Jener entspringt von den Processus transversi der 5 letzten Cervicalwirbel, dieser von den 8 vordersten Rippen. Ein Ursprung von wenigen Hals- wirbeln findet sich bei Viverra und Genetta wieder, im Gegensatze zum Verhalten bei Herpestes, Nandinia und Eupleres, wo der Muskel von allen 7 ausgeht. Der M. deltoideus zerfällt wie gewöhnlich in 3 Portionen. Die Pars clavicularis [dv, Fig. M) heftet sich an den Radius an, bei Nandinia an den Humerus; gewöhnlich erreicht sie bei den Viverriden den Vorderarm. Die Pars scapularis {cpd) verwächst nahe ihrem Ansatz an der Spina tuberculi majoris wie bei Eupleres mit der Pars acromialis {crd)-^ in fraglicher Familie verbleiben sonst die beiden Portionen voneinander getrennt. Der M. pectoralis besteht aus 4 getrennten Partien; von diesen befestigt sich die vorderste am Tuberculum majus; die 3 übrigen gehen zur Spina tuberculi majoris und zeiclinen sich durch eine sehr lange Insertion aus {jit, Fig. N), indem diese wie bei Eupleres sich bis zum letzten Viertel des Humerus erstreckt. Ein besonderer abdominaler Teil, M. pectoro-abdominalis, wie wir ihn bei Eupleres und Nandinia finden, tritt hier nicht auf. Der M. triceps brach ii {tr) besitzt wie bei den übrigen Viverriden 4 Köpfe, da der innere verdoppelt ist. M. brachial is anticus (ir^, Fig. M). Obwohl wie bei andern Raubtieren nur der lange Kopf vorhanden ist, wird er, wie es auch bei Eupleres und Nandinia der Fall ist, sowohl vom N, radialis als auch vom N. musculo-cutaneus versorgt. Wenn bei Säugern 2 Köpfe auftreten, wird der lange vom N. radialis, der kurze vom N. musculo- cutaneus innerviert (33, p. 393). M. biceps brachii {hie, Fig. N). In Übereinstimmung mit dem Verhalten bei den Viverriden fehlt der kurze Kopf; der lange Madagassische Raubtiergattung- Galidia. 579 sp np f-.iäm^ \ <-'xdp-~- — cpd crd trp hie ^ clv Fig. M. Fig. N. Fig. M. Galidia elegans. Muskeln der vordem Extremität von der Streckseite. V2 Erklärung der Buchstaben sielie bei Fig. X. Fig. N. Galidia elegans. Muskeln der vordem Extremität von der Beugeseite, '/j • 1- r>er 31. dorso-epitrochlearis ist entfernt; der M. palmaris longus, der M. flexor digitorum sublimis und der M. flexor digitorum profundus sind in ihrem distalen Teile abgeschnitten. (ihpd M. abductor poliicis brevis. arW. add', add*, add'' Mm. adductores des 1., 2., 4. u. 5. Fingers. 6dm M. abductor digiti niininii. bic M. biceps brachii. brt M. l)rachialis anticus. clv Pars clavicularis, cpd Pars scapularis, crd Pars acromialis des M. deltoideus. exd M. extensor digitorum communis, exdm M. extensor digiti mininii. exdp M. extensor digitorum profundus, exr M. extensor carpi radialis. ernt M. extensor carpi ulnaris. fip M. flexor digitorum profundus. //>• M flexor carpi radialis. //,s M. flexor digitorum sublimis. /In M. flexor carpi ulnaris. /Ix Mm. flexores breves. np M. infraspinatus. pl M. palmaris longus. prt M. pronator radii teres. pf Teil des M. pectoralis. ptr M. epitrochieo-anconeus. sp M. supra- spinatus. spl M. supinator longus. Im M. teres major, fr M. triceps brachii. trp Teil des M. trapezius. Zool. Jahrb. XXVIII. Abt. f. Syst. 39 5g0 Albertina Caklsson, entspringt vom Processus coracoideus, geht durch die Kapsel des Schultergelenks und befestigt sich am Eadius. Diese 3 letztern Muskeln übertrett'en bei (ialidia weit die ent- sprechenden von Eupleres an Stärke. M. coraco-brachialis. Im Gegensatze zum Verhalten bei Nandinia und Eupleres, wo der Muskel ein zweiköpfiger ist — der lange besteht, jedoch bei letzterm nur aus wenigen Muskelfasern — .. findet sich hier nur der kurze Kopf oder der M. rotator liumeri ganz wie bei den übrigen Viverriden. Ein M. supinator brevis fehlt wie bei Eupleres; bei den übrigen Viverriden ist er vorhanden. Der M. abductor pollicis longus heftet sich wie bei Eupleres an das Metacarpale 1 und an den radialen Randknochen an. Der M. extensor digitorum communis {exd, Fig. M) be- festigt sich wie gewöhnlich an den 4 ulnaren Fingern, nicht wie bei Eupleres an allen 5. Der M. extensor d i g i t i m i n i m i {exdm) geht wie gewöhnlich bei den Viverriden zu den 3 ulnaren Fingern. Der M. extensor digitorum profundus (exdp) inseriert am Pollex und Index. Der M. pronator radii teres {prt, Fig. N) befestigt sich wie bei Nandinia am distalen Teile des Radius. Seine Insertion wechselt bei den Viverriden: bisweilen heftet er sich an die erste, bisweilen an die zweite Hälfte des Knochens an. Der M. palmaris longus Q)Z) ist einfach, indem nur der M. palmaris externus vorhanden ist. Ebenso verhält sich der Muskel bei Eupleres, Herpestes und Paradoxurus; sowohl ein M. externus als auch ein M. internus treten bei Geneita, Nandinia und Crijpioproda auf. Gewöhnlich wird der Muskel vom N. medianus versorgt; bei Galidia bekommt er Äste von diesem Nerven und vom N. ulnaris; er wird also wie der gleichnamige Muskel bei Nandinia innerviert. M. flexor carpi ulnaris {flu). Die beiden Köpfe vereinigen sich bei Galidia sowie bei Nandinia, Eupleres und Herpestes nahe dem Ursprung, bei Cryptoprocta erst an der Insertion, bei Virerra und Genetfa mehr oder weniger distalwärts. Der M. pronator quadratus verhält sich wie der ent- sprechende bei Cryptoprocta und Eupleres, da er die 2 distalen Drittel des Vorderarmes einnimmt; bei den übrigen Viverriden hat er keinen so weit gehenden proximalen Ursprung. Der M. flexor brevis digitorum manus erstreckt sich, Madagassisclie Raiibtiergattung- Galidia. 581 zum 4. und 5. Finger und verbindet sich mit dem }>[. flexor digi- torum sublimis. indem er zu deren Sehne zum 4. Finger einen feinen Sehnenstreifen absendet und auf dem 5. den letztern ^[uskel ersetzt; l)ei Herpesies vereinigt sich die Sehne des ö. Fingeis mit dem M. Hexor digitorum profundus (25, p. 615). Von den Mm. lumbricales finden sich 4; unter den Viverriden fehlt von diesen oft der ulnare. Die Mm. adductores (add^, adcP, add\ add'') gehen nach allen Fingern außer dem 3.; derjenige nach dem Annularis ist ein zwei- köpüger. Bei den Viverriden finden sich sonst 3, bei Etcpleres mir 2; ein M. adductor annularis tritt bei den Carnivoren nur ausnahms- weise auf. ist aber bei den Beutlern gewöhnlich (17. p. 829). Sein Vorkommen muß infolgedessen als ein piimitives Kennzeichen auf- gefaßt werden. sart tfl ctgl fmcg smm Fig. 0. Galidia elegans. Muskeln der lateralen Seite der hintern Extremität. Die Erklärung der Buchstaben siehe hei Fig. P. '/, : 1 39* 582 Albebtina Carlsson, ^•"^ ^. — addm 9^<^ ;-_^_ ^ - ahäq Fig. P. Galidia elegans. Muskeln der medialen Seite der hintern Extremität. V2 : 1- Die Sehne des M. plantaris ist entfernt, diejenigen des M. flexor tibialis und des M. flexor fibularis sind am Fulie abgeschnitten. abd M. abductor ossis metatarsi quinti. abdq M. abductor digiti quinti. abh M. abductor hallucis. addl M. adductor longus. addm M. adductor magnus. bcf M. biceps femoris. cdf M. caudo-femoralis. er N. cruralis. ctgt M. ectoglutaeus. ;attuiiü: (ialidia. 589 auftreten. Bei diesen sind die meisten Gaumeiifalteii tief eingekerbt, und zwar einige in so hohem Grade, daß sie wie selbstiindi<>e, dicht aneinander stehende Papillen aussehen. Die Speicheldrüsen zeigen große (ibereinstimmung mit den- jenigen bei Euplcrcs und dem Haushunde (17, p. lOöl) durch das Fehlen einer Glandula /ygomatica und durch die relativ schwache Aus- bildung der Gl. parotis, indem sie nicht die Größe der Gl. sub- maxillaris erreicht (G, p. 231). Bei den Viverriden ist sonst eine Gl. zygomatica vorhanden, und die Gl. submaxillaiis ist kleiner als die Ohrspeicheldrüse (22, p. 503). Sowohl eine Glandula subungualis wie eine Glandula retrolingualis sind vorhanden. Zunge. Sie wird an ihrer langgestreckten Form erkannt. Von Papulae circumvallatae finden sich 3, 1 mediale und 2 laterale, oder die bei den Viverriden gewöhnlich vorkommende Anzahl; bei Nandinia und Euplere'i treten deren 2, bei Cnjpioproda und Ärdidis 4 resp. tMl. p. ^30 u. 22, p. 500) auf. Die Papulae fungiformes liegen besonders dicht an der Spitze und den Seitenrändern der Zunge zerstreut; die auf der ganzen Oberfläche verbreiteten Papulae filiformes haben auf einer ein wenig entfernt von der Zungenspitze gelegenen Partie sich zu harten, gespaltenen Zacken ganz wie bei Galididis, Cryptoproda (3, p. 806 u. 1, p. 430), Cynidis, Crossarchxs (22. p. 501) und Herpestes umgewandelt. Durch dieses Kennzeichen erinnert Galidia, wie auch Mivaet bemerkt (22, p. 501), an die Herpestinen und unterscheidet sich von EupUres und den Viverrinen. wo die Zunge eine glatte Rückenfläche besitzt. Wie bei den übrigen Viverriden wird eine Lyssa angetrofi'en. Der Magen (Fig. Q) ist von einer rundlichen Sackform, beinahe wie derjenige bei Galididis (3. p. 806). Der Cardiateil nebst der Curvatura major tritt scharf abgesetzt hervor; der pylorale Abschnitt ist kurz und eng; in der Curvatura minor findet sich wie bei Carnivoren im allgemeinen eine linksseitige Ausbuchtung (17, p. 1075) Er hat seine größte Ausdehnung in der Queiiichtung des Körpers bekommen, wie wir es bei Genetta, Hemigalea, Crossarchus u. a. wieder- finden; bei Eupleres, Nandinia und Ärdidis dagegen hat er sich in der Längsrichtung des Körpers ausgedehnt. Da das untersuchte Individuum nicht in Gefangenschaft gelebt hatte und der Inhalt des Magens aus Stückchen von behaarter Haut und von mehr oder wenig zerstückelten Skeletknochen bestand, ist es ottenbar, daß Galidia sich von kleinern Säugein ernährt. 590 Albertina Carlsson, p ch Fig. Q. Galidia elegans. Magen. 1:1. p Ductus pancreaticus, ch Ductus clioledochus. Darm. Dieser erreicht bei Galidia eine Länge von 90,5 cm, von denen 75 auf den Dünndarm, 2,5 auf den Blinddarm und 13 cm auf das Colon und das Rectum kommen. Das Tier mißt von der Schnauzenspitze bis zum Anus 34 cm, folglich verhält sich die Länge des Darmes zu derjenigen des Körpers wie 2,66 : 1 oder, was sicherlich durch seine schon erwähnte Nahrung erklärt werden kann, der Darm zeichnet sich durch eine hochgradige Kürze im Vergleich mit dem Verhalten bei nahestehenden Tieren aus. Bei Snricata tctradactißa, Viverra civetta, Genetta tigrina (17, p. 1072) und Eupleres fjoudoti sind die entsprechenden Zahlen 3,8 : 1, 5,5 : 1, 6,05 : 1 und 5,62 : 1. Was den letztgenannten betrifft, war das von mir unter- suchte Exemplar kein erwachsenes; und da man schwerlich an- nehmen darf, daß der Körper und der Darm in demselben Verhältnis an Länge zunehmen, können die Zahlen für Eupleres nicht als exakt betrachtet werden. Unter den Canidae finden wir Tiere mit besonders kurzem Darm wie Idicyon venaticus und Otocyon caffer, wo er 2,19 und 2,68mal länger als der Körper ist (7, p. 750). Der Blinddarm (Fig. E) ward nicht durch eine Falte vom Colon abgegrenzt, sondern steht mit ihm Madagassische Raubtiergattuug Galidia. 591 in weitester Verbiiiduiio- und zeichnet sich durch seine lange, schlanke etwas t^-ebogene Foi m aus. Kr ist bedeutend iäns'er als bei Knplcres^ Gnietta und rrionodon (:i2, p. 508), hat abei' yroße Ähnlichkeit mit demjenigen bei Galidictis (3, p. 808), was auch von der Mesenterial- falte gilt, welche ihn mit dem Dünndarm verbindet. Sie erstreckt sich bei beiden nicht bis zum blinden Ende des Cöcums, das sie bei Herpestes beinalje erreicht (3, p. 808). Galidia nähert sich Gali- dkiis auch durch die Jiage des Colons, indem der Dickdarm bei ihnen ein sehr kurzes Colon transversum bildet; bei Surkafa fetra- dactißa nach Owen (23, p. 445, fig. 352) sowie auch bei Genetta krümmt er sich nicht, sondern liegt ganz gerade (3, p. 807). Diese 2 Yiverriden weisen demnach eine Abweicliung vom Verhalten bei der Katze und dem Haushunde auf, wo bekanntlich das Colon ascendens un^l das Colon transversum eine ansehnliche Entwicklung erreicht haben. Wenn man die Richtung des Colons bei Suricata und Genciia als eine für die Yiverriden typische würde annehmen dürfen, hätten Galidia und Galidictis sich in dieser Hinsicht von den übrigen Mitgliedern der Familie entfernt und sich den Feliden und und Caniden zu nähern bestrebt. Fig. R. Galidia clegnns. Cöcum. 1:1. Leber. Die Divisio centralis (Divisio centralis Renvall; Stammlappen oder Lobus centralis Rüge, 24, p. 41 u. 28, p. 158) kennzeichnet sich durch ihre ki-äftige Entwicklung, indem sie auf der diaphragmatischen Fläche die Zwerchfellkuppel beinahe ausfüllt, und durch ihre schai-fe Abgliederung von den seitlichen Divisionen. Die Leber hat sich aber, wie auch diejenigen bei Galidictis und Vryptop-ocfa, nach den Abbildungen derselben von Beddard (3, p. 809, 592 Albertina Carlsson, fig. 212 u. 1, p. 432, fig-. 3) zu urteilen, dem Typus, der Herpestes (24, p. 41) und Crossarchus (22, p. 512) eigen ist, angeschlossen, denn wie bei den letztern sind in weit hölierm Grade als bei Viverra der linke Abschnitt der Divisio centralis und die Pars quadrata reduziert. Die Divisio sinistra (Ds, Fig. S) hat sich mehr als bei Herpestes, CrossarcJms, Cryptoprocia und Galidictis differenziert, da sie die Divisio centralis sinistra {Des) beinahe völlig von der abdominalen Fläche verdrängt hat; bei den genannten Viverriden wird sie mehr sichtbar. Die Reduktion der Divisio dextra geht bei Galidictis. Dcd Pqt \ \ D Lsp Fig. S. Galidia elegans. Leber von der abdominalen Flache. 1 : 1. Dcd Divisio centralis dextra. Des Divisio centralis sinistra. Da Divisio dextra. Ds Divisio sinistra. Pqt Teil der Pars quadrata. Lc Lobus caudatus. Lsp Lobus Spigelii. Cryptoprocta und besonders bei Galidia (Dd) weiter als bei Herpestes und Crossarchus: dieser Hauptlappen ist, als Ganzes betrachtet, die kleinste von den 3 Abteilungen, und seine abdominale Portion, der Lobus caudatus (Lc), erstreckt sich nur bis zum abdominalen Rande des Lobus dexter, welchen sie bei Herpestes, Crossarchus und Gali- dictis überragt. Durch einen scharf abgesetzten Isthmus verbindet sich bei Galidia letztgenannter Lappen mit dem relativ großen Lobus Spigelii (Lsp), der in 2 Lobuli, Portio pylorica und Portio cardiaca, gespalten ist. Die Gallenblase hat sich tief in die Lebermasse ein- gesenkt und dadurch einen so starken Druck an derselben hervor- Madagassische Raubtiergnttung- Galidia. 593 gerufen, daß ein Teil der Pars ([uadrata sich von dieser losgetrennt liat und einen kleinen sekundären, auf dei- intestinak-u Fläche ge- legenen liaitpen gebildet (iV), der sich dicht an die Galleublase an- legt und für den ich bei keinem Viverriden etwas Entsprechendes gefunden habe. Die Divisio centralis dextra (Drd) hat gesucht, sich verschiedenartig zu vergrößern; dafür sprechen ihre hohe Wölbung an der diaphragmatischen Fläche und die Ausdehnung ihres ab- dominalen Randes weit über denjenigen der angrenzenden Lappen. Die Leber bei Galidia scheint mir sich als eine Jlerpestes-Leher 'All dokumentieren; in mancher Hinsicht aber hat sie sich mehr als eine solche reduziert, in andern dagegen hat sie sich weiter und eigenartig entwickelt. Das Pancreas liegt ringförmig in der Duodenalschlinge, er- streckt sich aber mit einer langen, geraden Fortsetzung links bis in die Nähe der Milz. Es hat dieselbe Form wie dasjenige bei Nan- dinia und bei Suricafa nach Owex (23, p. 444, tig. 351) und zum Teil auch bei Galidictis; bei diesem aber verbinden sich nicht in der Gegend des Pylorus die beiden Schenkel, und der Ring wird ein unvollständiger (3, p. 810). Dasselbe Aussehen des Pancreas wie bei Galidia finden wir nach Beddard bei Helictis und Galictis wieder (2, p. 25, fig. 9 u. 10); es ist, wie genannter Forscher betont, nicht auf die Viverriden beschränkt oder in derselben Familie gewöhnlich (3, p. 810), denn bei Genetta (22, p. 504) und Arctictis (3, p. 810> ist fragliche Drüse langgestreckt mit mehr oder weniger los- eetrennten Lobi. Respiratious- und Circulationsorgaiie. Hinsichtlich derselben habe ich nur wenige Bemerkungen zu machen. Kehlkopf. Wie bei der von mir früher untersuchten Xan- dinia ist die Epiglottis sehr spitz, lang uud ausgehöhlt im Gegen- satze zum Verhalten bei Eupleres, Cryptoprocta, Herpestes und Genetta rxigaris, wo sie eine abgerundete Form besitzt. Ein Taschenband fehlt wie bei Nandinia, Eupleres und Herpestes \ es wird bei Crypto- procta, Viverricida und Genetta vulgaris angetroffen. Die Cartilago procricoidea ist wie bei den übrigen Carnivoren, von Hyacna ab- gesehen, vorhanden (17, p. 1124). Der Larynx scheint sehr kurz. zu sein: die Ligamenta vocales liegen dicht unter dem Ventriculus- Morgagni, nicht weit von der Epiglottis. Unter den von mir unter- 594 At.bertina Cari.sson, suchten Viverriden erinnert der Kehlkopf der Galidia teilweise an den bei Herpestes, steht aber vielleicht dem bei Nandinia noch näher. Lung-en. Wie oft bei den Carnivoren ist die linke Limg:e in 3, die rechte in 4 Lappen geteilt; unter den letztern muß einer als «in Lobus azygos angesehen werden. Die Verzweigungen des Aortabogens gehen aus der Fig. T hervor; sie weisen keine Abweichungen vom Verhalten bei den Raubtieren auf (17, p. 1201). DieVenae pulmonales entleeren sich wie gewöhnlich unter den Marsupialiern und Placentaliern durch 4 wenigstens im Äußern voneinander getrennte Mündungen in das Atrium sinistrum. Beddard hat nachgewiesen (3, p. 811 u. 812), daß die bei Gali- didis und Genetta vulr/aris in die Vena cava inferior eingehenden Venae sich asymmetrisch, wenn auch in verschiedener Weise, ver- halten. Bei Galidia findet sich eine Asymmetrie nicht nur in den Ästen der Vena cava inferior, sondern auch in denjenigen der Aorta abdominalis. Sie bietet einige Verschiedenheiten von den Befunden des genannten Forschers dar, welche jedoch sehr gering sind und sicherlich keine systematische Bedeutung besitzen. Wie die frag- lichen Blutgefäße verlaufen, geht aus der Fig. U hervor. Weibliche Urogenitalorgaue. Bemerkenswert ist die distale Lage der Ovarien; sie liegen dem 4. und 5. Lendenwirbel gegenüber, schwanzwärts von der rechten Niere, lateralwärts von der mehr nach hinten gelegenen linken. Bei Eupleres goudoti wie beim Haushunde (9, p. 328, fig. 122) grenzen sie an deren abdominalen und bei der Katze an deren lateralen Rand (20. p. 212, fig. 105). Die äußerlich freien Partien des Uterus (Fig. U) sind im Gegen- satz zum Vei'halten bei Viverricula, Ettpleres, uSlandinia und Herpesfes sehr kurz, was auch Beddard von Galididis bemerkt. An ihrer Vereinigung deutet eine seichte Einsenkung an, daß keine Ver- schmelzung stattgefunden hat, und ein Einschnitt zeigt, daß die beiden Uteruskanäle ihre Selbständigkeit bewahrt haben und durch eine Zwischenwand voneinander bis zur Vagina getrennt sind. Sie öffnen sich auch durch 2 in die Vagina tief hervortretende Ores uteri (Fig. V). Die Raubtiere sind bekanntlich durch einen Uterus bipartitus gekennzeichnet; bei Galidia aber ist ein Uterus duplex Torhandeu. Sein Vorkommen steht unter den madagassischen Vi- Madagassische Raubtiergattiing Galidia. 595 Fig. V. y Fig. U. Fig. T. Galidia elegans. VerzAveiguug des Aortabogeus. 1 : 1. cd A. carotis ■dextra. es A. carotis sinistra. sd A. subclavia dextra. ss A. subclavia sinistra. Fig. U. Galidia elegans. Urogenitalia. 1 : 1. Die Aorta abdominalis nebst ihren Ästen ist schraffiert; die Vena cava inferior und ihre Verzweigungen sind konturiert. ov Ovarium. Fig. V. Galidia elegans. Die Mündungen der beiden Uteri in die Vagina. 2:1. OS die beiden Ores uteri. Zool. Jahrb. XXVIir. Abt. f. Syst. 40 596 Albertina Cäklsson, verriden nicht vereinzelt da: bei einem von mir untersuchten Euplei'es goudoti habe ich ein gleichartig-es Verhalten gefunden sowie auch Beddakd bei Galidictis (3, p. 813). Lönnberg erwähnt, daß' bei Cryptoproda ein Corpus uterus fehlt und daß die distalen Teile der beiden Uterushörner innerlich voneinander geschieden sind und durch 2 wenig deutlich voneinander, einem Os uteri homolog, ab- gesetzte Öffnungen münden (18, p. 7). Aus der Beschreibung geht hervor, daß hier ein Uterus duplex vorliegt, obwohl der Forscher es nicht ausdrücklich sagt. Bei Galidia und Eupleres wird die Vagina schwanzwärts durch einen ringförmigen Wulst von dem Urogenital- kanal abgegrenzt; bei Cryptoproda fehlt er (18, p. 6). Der Kanal ist kurz und weit; an seinen Seiten münden die 2 BARTHOLiNi'schen Drüsen und an deren Öffnung die schon oben beschriebenen Prä- scrotaldrüsen. Bei den anf dem Festlande einheimischen Viverriden habe ich keinen Uterus duplex gefunden; Nandinia binotata, Para- doxurus liermaphroditus und Herpestes pulverulentus besitzen alle einen Uterus bipartitus, der sich durch ein Os uteri in die Vagina öffnet. Unter andern Säugern tritt ein Uterus duplex in mehreren Ord- nungen auf, die keine nähere Verwandtschaft aufweisen, wie bei den Tubulidentaten, verschiedenen Chiropteren und Nagern (32, p. 284). Aus obigem geht hervor, daß Galidia elegans einige Kennzeichen besitzt, die den Viverrinen eigentümlich sind, während sie sich durch andere den Herpestinen nähert. A. Mit den Viverrinae hat Galidia gemeinsam: 1. Die Form der Krallen. 2. Der Anus mündet an der Körperfläche, nicht in einen Anal- sack, aus. 3. Das Vorkommen der Präscrotaldrüsen. 4. Die Lage der aboralen Öffnung des Canalis caroticus. 5. Die Entwicklung des Pollex und des Hallux. 6. Der kurze Ursprung des M. levator anguli scapulae. 7. Das Vorkommen eines M. glutaeus ventralis. B. Mit den Herpestinae hat Galidia gemeinsam: 1. Die Anordnung der Fußballen. 2. Den Bau der Bulla ossea. 3. Die Länge der Symphysis mandibulae. Madagassisclie Ranl)tier^,^ittiiii;L,'' (ialidia. 597 4. Der M. rliomboideus erreicht das Occiput. 5. Die Verwachsung- der beiden Köpfe des j\r. tlexor carpi ulnaris nahe dem Ursprung;. 6. Die Sehnen des M. extensor brevis dig:itorum erstrecken sich zu allen 5 Zehen. 7. Die Form der Zähne. 8. Die Zunge besitzt auf der Rückenfläche eine mit verhornten Papillae filiformes versehene Partie. 9. Die Form der Leber. 10. Die Form des Kehlkopfes. C. Folgende Charaktere sind Galidia eigentümlich oder etwa nur mit andern madagassischen Viverriden gemeinsam: 1. Das Vorkommen von nur 1 Paar Zitzen, 2. Die relative Breite des Schädels wie auch bei Gcdidicfis. 3. Das Fehlen des Canalis alisphenoideus , wie auch bei (ktUdidis und Hennf/olidia und bisweilen bei Euplcres. 4. Die ungewöhnliche Länge des äußern, verknöcherten Gehör- ganges, die sich auch bei Galidictis und Hemigalidia wiederfindet, 5. Die geringe Höhe der Bulla ossea. 6. Die Kürze des Hypohyale, 7. Die kräftige Entwicklung der Fossa supraspinata der Scapula. 8. Das Fehlen des Foramen entepicondyloideum, wie auch bei Gcdididis und Hemigalidia und bei Cynogale unter den Viverrinen, 9. Das Gehirn bei Galidia und Galidictis besitzt sowohl Her- pestinen- als auch Viverrinencharaktere, d. h. befindet sich in einem undifferenzierten Stadium, 10. Betreffs der Muskulatur. a) Die kräftige Entwicklung •• des M, biventer maxillae, des M. temporalis, des M, masseter, des M. pterj^goideus internus, des M. splenius, des M, biventer cervicis, des M. complexus und des M. trachelo-mostoideus. d, h. der Kau- und Nackenmuskeln. b) Das Vorkommen einer Zwischensehne im M. biventer maxillae, eine Zweibäuchigkeit andeutend. 40* 598 Albeetina Cahlsson, c) Der lange Ursprung des M. latissimus dorsi. d) Die Verwachsung der Pars scapularis und der Pars acromiale des M. deltoideus; sie kommt auch bei Enpleres vor. e) Die besonders kräftige Entwicklung des M. triceps brachii, M. biceps brachii und M. brachialis internus. f) Das Fehlen eines M. supinator brevis wie auch bei Etipleres. g) Die große Anzahl der Mm. adductores brevis manus. h) Das Auftreten eines zweiköpfigen M. adductor brevis zum 4. Finger. i) Das Vorkommen eines selbständigen und kräftigen M. cruralis wie bei Crtjptoprocta. j) Die völlige Differenzierung eines M. abductor digiti quinti von dem M. abductor ossis metatarsi quinti. k) Das Auftreten eines zweiköpfigen M. flexor brevis digitorum (wird auch bei Eupleres gefunden). 1) Das Vorkommen von 2 Adductoren brevis zu der 5. Zehe wie bei Eupleres. 11. Ein besonders kurzer Darm. 12. Das Vorkommen eines kurzen Colon transversum (wie auch bei Galidictis). 13. Die eigenartige Entwicklung einiger Leberlappen. 14. Das Vorkommen eines Uterus duplex (wie auch bei Galidictis, Eupleres und Cryptojjroctä). Die Stellung der Galidictinae im genetischen System ist bisher nicht endgültig festgestellt worden. Winge (35) rechnet sie zu den Herpestinae, Mivaet (21, p. 205) stellt sie als eine eigne Familie auf. Bei meiner Untersuchung von Galidia elegans bin ich zu dem Resultat gekommen, daß sie und die verwandten Gattungen Galidictis und Hemigalidia wichtige Übereinstimmungen sowohl mit den Her- pcstinae als auch den Viverrinae darbieten, daß sie aber zu keiner von diesen Gruppen gestellt werden können. Da sie auch viele archaistische Charaktere besitzen, glaube ich, wie Beddard (3, p. 817) von Galidictis bemerkt, daß man sie als Viverridae ansehen muß. welche sich von den ursprünglichen Viverriden losgetrennt haben, bevor die Familien Viverrinae und Herpestinae sich gebildet hatten, und infolgedessen beiden gemeinsame Merkmale und außerdem primitive Kennzeichen bewahrt haben, um später in ihrer isolierten Madagassische ßaubtiergattung Galidia. 599 Heimat sicli infolge der Lebensweise speziellen Anpassungen zu unterziehen. Durch die bleibende Selbständigkeit der Uteruskanäle sind die madagassischen Viverriden auf einer primitivei'n Stufe als die übrigen stehen geblieben und weisen hierdurch eine Parallele zu den madagassischen Prosimien auf, die in einer andern Hinsicht einen ursprünglichen Zustand bewahrt haben, indem deren Os tym- panicum als ein Ring in der Bulla ossea liegt und sich nicht wie bei allen übrigen jetzt lebenden Halbaffen am Aufbau der Bulla beteiligt (32, p. 745). ßOO Albkrtina Cablsson, Literaturverzeichnis. 1. Beddaeu, F, E., On the visceral and muscular anatomy of Crypto- procta ferox, in: Proc. zool. Soc. London, 1895. 2. — , Some notes upon the anatomy of the Ferret-Badger, Helictis personata, ibid., 1905. 3. — , On some points in the structure of Gralidictis striata, ibid., 1907. 4. DE Blainville, Osteographie. 5. Caelsson, A., lieber die systematische Stellung der Nandinia bino- tata, in: Zool. 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Bukckhaedt zur Bearbeitung überlassene Ehinophiden-Material enthielt neben einer Anzahl junger Tiere von Bhinophis planiceps auch ein Ei der Gattung Rhinophis trevelyanus. Da von der Entwicklungsgeschichte der Rhinophiden bis jetzt nur bekannt ist, daß die Tiere lebendig gebären, so mögen folgende Bemerkungen über die Embryonen von EhinopMs, so un- vollkommen sie auch sind, auf einiges Interesse Anspruch erheben. Das mir vorliegende Ei von Bhinophis trevelyanns (Fig. A u. B) Fig. A. Fig. B. Veiitralansicht eines Eies Lateralausicht desselben von Mhinophis trevelyanus. Eies. 604 L. Baumeister, unterscheidet sich schon auf den ersten Blick von den rundlichen Eiern der Ringelnatter. Es ist von läng-licher, walzenförmiger Gestalt, also vorn und hinten gleichmäßig dick und, entsprechend der schiefen Lage des Uterus in der Leibeshöhle, leicht gebogen. Die beiden Enden sind kalottenartig abgerundet. Die Länge beträgt 30 mm und die Breite 6 mm. Das Verhältnis von Länge zur Breite ist somit 1 : 5. Die Eihülle besteht anscheinend aus mehreren Schichten von fasriger Struktur, ist äußerst dünn und läßt den Embryo deutlich durchschimmern. In ihr verlaufen 2 starke Gefäß- stämme und geben nach links und rechts zahlreiche Seitenäste ab. Der Innenraum des Eies wird durch den Embrj^o und den Nahrungsdotter lückenlos ausgefüllt. Letzterer beansprucht die ganze Ventralseite und das hintere Drittel der Dorsalseite. Nach vorn senkt sich die Dottermasse muldenförmig ein und bildet das Frucht- bett (Fig. C u. D), welches infolge des steten Wachstums des Embryos Fnichtbett Penis Nabelstrang Dotter Fig. C. Dorsalausicht des Embryos von Rhinopjiis trevelyanus nach Entfernung der Eihüllen. Dotter Fruchtbett Fig. D. Lateralansicht desselben Embryos. und der dadurch bedingten Resorption des Dotters immer tiefer wird und so zu dem von Rathke beschriebenen Mützenstadium führt. Trotz des in der Entwicklung schon weit fortgeschrittenen Embryos mag die Dottermasse noch immer das Anderthalbfache der Masse des Embryos betragen. Die Dotterhaut ist von feinen Gefäßen durch- zogen. Der Dotter ist von bräunlicher Farbe und zeigt ober- flächlich ein fein schwammiges Aussehen. Er setzt sich aus größern über i'iu Ei von Rhinophis trevelyanus. 605 iiml kleiiiein, dicht mit Plasmakürnern erfüllten Kugeln zusammen. Diese liegen in einem aus geronnenem Eiweiß bestehenden faden- förmigen Geflechte eingebettet. Das Amnion umschlieLit den Embryo als feines Häutchen und trennt ihn von seiner Umgebung. Von der Allantois ist äußerlich keine Spur mehr wahrzunehmen. Sie ist bereits dnich den Xabel in das Innere des Embryos eingezogen und liegt zusammengefaltet in der Bauchhöhle, dicht hinter der Nabelölfnung. Mit dem Darme steht sie durch den Allantoisstiel in offener Verbindung. Der Embryo selbst hat schon ein weit vorgeschrittenes Stadium der Entwicklung erreicht. Vom ausgewachsenen Tiere unterscheidet er sich äußerlich durch die relative Größe des Kopfes und die noch unvollkommene Färbung. Er entspricht etwa dem Stadium IV Kathke's (5). Eigentümlich ist seine Lage innerhalb der Eihüllen. Schon aus der Form des Eies ergibt sich, daß eine spiralige Auf- drehung des Körpers, wie wir sie bei der Ringelnatter finden, hier nicht möglich ist. Die Zylinderform des Rhinophiden-Eies ist offen- bar eine Anpassung an die Gewohnheit, die Embryonen bis zur völligen Reife im Uterus zu tragen. Es muß eine Form gewählt werden, welche möglichst wenig Raum in Anspruch nimmt und dennoch dem reifen Embrj^o freie Bewegung innerhalb des engen Eileiters gestattet. Um diesen Zweck zu erreichen, wählt der Embryo, der bei einer Länge von 50 mm jene des Eies beträchtlich über- triftt, nicht die Form der Spirale, sondern legt sich, ähnlich dem Dünndarm in der Leibeshöhle. in Uförmige Schlingen. So wird im vorliegenden Falle der 50 mm lange Körper auf einen Raum von 20 mm Länge und 6 mm Breite eingeschränkt. Der Kopf liegt am vordem, gegen die Cloake gerichteten Ende des Eies und zwar so, daß die schon deutlich zu einem Rostrum ausgezogene Schnauzen- spitze dicht an den Scheitelpunkt der Hüllenkalotte zu liegen kommt. Von hier verläuft der Körper in seinem ersten Drittel gestreckt nach hinten, biegt dann, am Hinterrande des Fruchtbettes angelangt, nach unten um und läuft an der Ventralseite nach vorn; auf halbem Wege knickt er seitlich ein und bildet noch eine nach hinten ge- richtete Schlinge. Ihr nach vorn laufender Schenkel zieht bis unter den Kopf, um abermals nach hinten umzubiegen, so daß Xabel. After und die ausgestülpten Ruten dicht hinter den Kopf zu liegen kommen. Der Kopf ist 4 mm lang und erreicht am Scheitel eine größte Höhe von 3 mm. Schon auf diesem Stadium zeigt er die von ßQg L. Baumeistee, GÜNTHEE (2) erwähnte Abweichung von der Längsachse des Körpers. Da diese Eigentümlichkeit nicht nur bei jungen, sondern auch bei ganz ausgewachsenen Tieren beobachtet wird, so glaube ich nicht, daß es sich um eine durch den Tod verursachte Zufälligkeit handelt, sondern bin überzeugt, daß der Winkel zwischen Kopfrichtung und Körperachse durch den Druck der Eihüllen. zu dem sich jener der Uteruswand gesellt, bedingt wird. Die Gehirnkapsel wölbt sich noch etwas vor, so daß der Gesichtsteil um ein weniges nach unten gedrückt wird. Die Kopfschilder sind ausgebildet und deutlich gegeneinander abgegrenzt. Das relativ sehr große Auge wölbt sich stark an der Seite des Kopfes vor. Pupille und Regenbogenhaut sind gut durch das dünne Scutum oculare zu erkennen. Der Kopf geht ohne Andeutung eines Halses in den Körper über. So zeigt die Nackengegend, wo man allgemein bei den Schlangen eine Ein- schnürung beobachtet, größere Höhe und größere Breite als der übrige Körper. Dieser Zustand bleibt auch im spätem Leben bei- behalten. Nach hinten nimmt der Körper fast unmerklich an Dicke ab. Die Schuppen sind durchwegs angelegt; doch zeigen sich nur jene der vordem Körperregion schärfer umgrenzt. In der Schwanz- gegend sind die Schuppengrenzen leicht verwischt. Durch die Epi- dermis der vordem Körperschuppen schimmern die großen, hell- braunen Chromatophoren, doch lassen sich die für diese Art so charakteristischen weißen dreieckigen Flecken längs der Seiten noch nicht erkennen. Das hintere Körperende erscheint noch völlig un- gefärbt. Noch gar nicht ausgebildet ist das Schwanzschild. Wie schon angedeutet, verwischen sich die Schuppenränder gegen das Körperende, so daß die Schwanzspitze nur von schuppenloser Haut umhüllt scheint. Die Oberfläche der Schwanzspitze ist jedoch nicht glatt, sondern erweist sich dicht mit kleinen Höckerchen übersät, • die ich schon früher als Sinneshöcker beschrieben habe (1). Fig. E. Penis Schwänzende desselben Embryos, stärker vergröLJert. Die Schwanzspitze geht in einen kurzen, kolben- Fortsatz des artigen Fortsatz über. Schwanzes Sonderbarerweise läuft aber das Schwanzende nicht in eine ein- fache, stumpfe Spitze aus, sondern geht in einen kurzen, ca. 2 mm langen Fortsatz über (Fig. E). Dieser ist nach der Bauchseite um- geschlagen und läßt sich in 2 Abschnitte gliedern, in ein keulen- über ein Ei von Rhinophis trevelyanns. 607 artig verdicktes Kndglied und in ein dünnes, stielartiges Anfangs- glied, das die Verbindung des erstem mit der Schwanzspitze ver- mittelt. Einen ähnlichen Anhang konnte ich bei keirieni der von mir untersuchten altern Tiere mehr auffinden. Diese Beobachtung scheint mir von großer Bedeutung. Sie gibt wohl einen TMiigeizeig, wie man sich die Entstehung des eigentümlichen Schwaiizstummels der Wühlschlangen zu denken hat. Ich vermute, daß dieser Fort- satz nichts anderes ist als das Rudiment eines ursprünglich länger angelegten Schwanzes, das nun aber, durch Anpassung an die grabende Lebensweise funktionslos geworden, abgeworfen und re- sorbiert wird. Gestützt wird meine Vermutung durch die Wahr- nehmung, daß beim Abreißen des Gebildes ein dünner, gallertartiger Faden sichtbar wurde, der aus der Schwanzspitze des Embryos kommend in den Stiel des P'ortsatzes überging und der zweifellos das Endstück der Chorda dorsalis darstellt. Läßt sich meine Be- obachtung an bessern! Material bestätigen, so würde daraus hervor- gehen, a) daß die kurzschwänzigen, unter der Erde lebenden Wühl- schlangen von langschwänzigen. an der Oberfläche lebenden Formen abstammen müssen, die beim Rückzuge unter die P2rde den langen, jetzt zwecklosen Schwanz in einen kurzen, die Grabarbeit des Kih-pers kräftig unterstützenden Stummel umgewandelt haben, und b) daß das auffallend harte Hornschild am Schwanzende aus der Verschmelzung mehrerer Schuppen hervorgeht, somit als Neuerwerb dieser Schlangengruppe aufzufassen ist. Von der Schilderung der Innern Organe kann ich absehen, da ich an anderer Stelle Gelegenheit haben werde, mich über die Anatomie der Weichteile zu verbreiten. Dagegen mag noch die Lage der Eier im Uterus durch einige Worte charakterisiert werden. Nach Petees (4) ist bei den Rhinophiden {Blimophis oxyrhyucJms) nur der linke Oviduct entwickelt und führt von der linken zur rechten Seite. Der Autor zweifelt jedoch nicht daran, daß bei besser erhaltenen Exemplaren wenigstens ein Rudiment des rechten Eileiters gefunden werden kann. Es gelang mir nun bei ver- schiedenen Exemplaren von PJiinophis trevehjanus und von lihinophis planiceps, beide Eileiter wohlausgebildet aufzufinden. Bei einem trächtigen Weibchen der letztern Art läuft der rechte Oviducct der Ijateralfläche des Darmes entlang. Der linke dagegen ist ventral verlagert und enthält 2 Embryonen von ungleicher Größe (Fig. F}. Sie liegen dicht hintereinander. Ihre Enden berühren sich. Der kleinere liegt analwärts, der größere kopfwärts, beide so, daß der 608 L.- Bäumeisteb, Dotter gegen die Ventralfläche, die Embryonalanlage gegen die Rückenfläche der Mntter gewendet ist. Der rechte Oviduct ist leer. Bei einer Rhinophis trevelyanus des. Basel er Mnsenms finden sich im linken Uterus 2 zum Ausschlüpfen reife Embryonen. Die EihüUen sind aufgelöst, wenigstens ist keine Spur mehr von ihnen zu finden. Düniularra r. Oviduct 1. Oviduct pig. p Eileiter und Euddarm einer ca. 25 cm Embryonen l'^i^s^ii Bhinophis planiceps. Der linke Eileiter enthält 2 Embryonen. 1. Niere ^'om Dotter findet sich noch ein Rest in Form eines kugligen Klümpchens am Nabelstrang. Nach dem Gesagten ist wohl wahr- scheinlich, daß auch das vorliegende Ei dem linken Uterus einer Rhinophis trevelyanus entstammt. Vergleichen wir zum Schlüsse vor- liegenden Befund mit den Angaben Rathke's (5) über das Ei der Ringelnatter, so ergeben sich folgende Vei'schiedenheiten : 1. Bei Tropidonotus natrix sind in der Regel beide Oviducte mit Eiern erfüllt. Bei den bis jetzt untersuchten Rhinophiden fanden sich solche nur in einem Oviduct und zwar- stets im linken. 2. Die Zahl der Eier ist bei der Ringelnatter beträchtlich; sie schwankt zwischen 20 und 30. Hier reduziert sich ihre Zahl auf 2. Wir finden hier ein ähnliches Verhältnis wie bei Salamandra atra, wo zwar viele . Eier erzeugt werden, aber nur 2 auf Kosten der übrigen zur Reife gelangen. Es hängt dies auch hier mit den unter der Erde erschwerten Lebensbedingungen zusammen. Die Jungen müssen einen hohen Grad der Ausbildung erlangen, ehe sie fähig sind, das harte Erdreich zu durchdringen und ihrer Nahrung nach- über ein Ei von Khiimphis trevelyamis. 609 ziif^elieii. Es ist nicht unnir»olicli. daß aiicli bei den Kliinophideii eine größere Zahl von J^iern angelegt wird, die aber zugunsten der 2 überlebenden Jungen degenei'ieren. 3. Die EiliiilkMi der Ringelnatter sind lederig zäli und scheiden auf ihrer Oberlläche zum Schutze vor Verletzungen eine starke Kalkschicht ab. Eine solche Schutzmaßregel ist bei unseier Schlange überflüssig, da die Jungen im Leibe der Mutter genügend vor Schädigungen bewahrt sind. Die Eihüllen sind daher äußerst dünn und zart und entbehren der Kalkkruste, so daß der darunter liegende Embrj^o genau erkannt werden kann. 4. Endlich ist die äußere Form der beiden Arten verschieden. Bei der Ringelnatter sind die Eier kuglig und ermöglichen die spiralige Aufrollung des Embrj'os, während sie bei den Rhinophiden langgestreckte Zylinder darstellen, die eine spiralige Aufwicklung des Embrj'os nicht gestatten. Wahrscheinlich sind die Rhinophideneier anfänglich auch oval,, wie jene der Ringelnatter während ihres Aufenthaltes im Eileiter auch sind, und nehmen erst im Laufe der Entwicklung die der Kürpergestalt der Mutter entsprechende Zylinderform an, um eben ein Aufblähen des Hinterleibes der Mutter zu verhindern, was einer Erschwerung der Fortbewegung innerhalb des Erdreiches gleich- kommen würde. 610 ^- Baumeister, Über ein Ei vou Rhinophis trevelyamis. LiteraturTerzeichnis. 1. Baumeister, L., Beiträge zur Anatomie der Rhinophiden, in: Zool. Jahrb., Vol. 26, Anat., 1908. 2. GÜNTHER, A., The Reptiles of British India, 1864. 3. HoFFMANN, C. K., Schlangen, in: Bronn, Klass. Ordn. Tierr., Vol. 6, 1890. 4. 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J. B. Obernetter, München, reprod. Zoolog. Jahrbücher Bd. 28. Abt. f. Syst Taf. 9. P(\. 3 Pi}. 4 Pd. 4 ' % \ !jl — Pä f Elsn KosoDius rud. olog. Jahrbücher Bd. 28. Abt- f. Taf. 10. Ik^ Verlaa von Gustav fiselier in Jena, Lichtdruck ron J. B. Obernettet, Müuobc i y.aohqisrhc Jalirbilrhrr Bd Hfl. Abt r Syst. \-^ f 41 iMJ. von Gust;ivFischer inj /^7V ^ r r i 1 V. w "^ 1^B^2S »4 .^ifvj -tH»- -.».f- iir 1 ■■ ■ »LI T ■^K^V ^•^-«* ^ >-1' ■ - t ^ i'^ ^^1