3 ee RE N + EN Pet ut Rat Nie og is i ve f 4 a.‘ 4 y ihn i ity atte aa «+ ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER, ABTHEILUNG FUR ANATOMIE UND ONTOGENIE DER THIERE. HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. J. W. SPENGEL IN GIESSEN. SECHSTER BAND. MIT 36 LITHOGR. TAFELN UND 42 ABBILDUNGEN IM TEXT. ae JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1893. A j Lan | ; | # a Fe of . > A Pe a as En YT TELE | Jot ban HORS u a HE LA "i | Ane Uy, à \ ae { Oe a UAH TAN ie HAdOOTAO GNU AIMOTAB ager at ag AACA AASB hua Re, | BE > nord NAS DAS. | | Pia 4 2 u fs Be hi Be ieee Iinkalt Heft I (ausgegeben am 15. December 1892). Wit, Lupwıs, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. Mit Tafel 1-11 und 14 Abbildungen im Text. Heft II (ausgegeben am 31. December 1892). SEELIGER, Oswaxp, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden (Antedon rosacea). Mit Tafel 12—22 und 12 Abbildungen im Text ‘ Heft III/IV (ausgegeben am 30. Juni 1893). JOHANSEN, Hermann, Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. Mit Tafel 23 und 24 : Pah SCHUBERG, A., Beiträge zur Kenntniss der RE ianhaut Mit Tafel 25 ; ne Bereu, R. S., Beiträge zur imeteyolone dot rast. Mit Tafel 26—29 Wut, Lupwıs, Beiträge zur Entwicklungen ae Bösen Mit Tafel 30—36 und 11 Abbildungen im Text Wurman, C. O., A Sketch of the Structure and Development of the Eye of Clepsine. With 5 figures . Seite 161 446 481 491 529 616 De ver ik Er ch ‘ ; ena ir Bu ay OLE. NAH à a" EL nu UE ane NR u. Dar PEN duo ya uci aah dit | | ve AS ee u, a Hy RR ag BE. à LE " A rs Nachdruck verboten. Uebersetzungsrecht vorbehalten. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 1. Die Anlage der Keimblätter beim Gecko (Platydactylus facetanus SCHREIB.). Von Dr. Ludwig Will, Privatdocent der Zoologie an der Universität Rostock. Hierzu Tafel 1—11 und 14 Holzschnitte. In dem Bestreben, ein eigenes Urtheil über die viel erörterte und verwickelte Frage der Amniotengastrula zu gewinnen, lenkte sich meine Aufmerksamkeit von selbst der Reptilien als den ältesten amnioten Wirbelthieren zu. Sodann hatte Herr Prof. BRAUN die uneigennützige Liebenswürdigkeit, mir im Einverständniss mit der König]. Preussischen Akademie der Wissenschaften sein mit Unterstützung von Seiten dieser Körperschaft auf der Insel Menorca im Sommer 1883 gesammeltes Material von Geckoembryonen zu der beabsichtigten Untersuchung zur Verfügung zu stellen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank ausdrücke. Die vorläufigen Ergebnisse dieser Unter- suchung wurden in zwei Mittheilungen !) niedergelegt, von denen die letztere auch durch eine Reihe von Figuren erläutert wird. Wenn nun auch das mir damals zur Verfügung stehende Material vollständig ausreichte, die fundamentale Bedeutung darzuthun, welche unzweifelhaft der Geckoentwicklung für das richtige Verständniss der Amniotengastrula zukommt, so war es doch keineswegs in allen Stadien 1) L. Wırr, Bericht über Studien zur Entwicklungsgeschichte von Platydactylus mauritanicus, in: Sitz.-Ber. Königl. Preuss. Ak. Wiss. Berlin 1889. — Zur Entwicklungsgeschichte des Gecko’s, in: Biol. Centralblatt 1890. Zool. Jahrb, VI. Abth. f, Morph. 1 2 LUDWIG WILL, so lückenlos und so reichlich, um diejenige erschöpfende Behandlung zu erlauben, die ein so classisches Untersuchungsobject ohne Zweifel verdient. So verfügte ich damals beispielsweise nur über einen ein- zigen Embryo aus dem Stadium I und hätte daher über die Verhält- nisse der Primitivplatte kein so positives Urtheil abgeben können, wie das jetzt der Fall ist. Ebenso standen mir Stadien, welche die ersten Anfänge des gastralen Mesoderms zeigten, nur in beschränktem Maasse zu Gebote, und da diese meist zur Entscheidung der Gastrulafrage in Längsschnitte zerlegt werden mussten, blieben für die Untersuchung der Mesodermentstehung auf Querschnitten nur spärliche Embryonen übrig. Eine grössere Lücke in der Reihe der Embryonen stellte sich schliesslich in jener Periode der Embryonalentwicklung heraus, in der die Eier vom Mutterthier abgelegt werden, eine Lücke, die in der Schwierigkeit, diese in schwer zugängliche Verstecke abgelegten Eier aufzufinden, ohne Weiteres ihre Erklärung findet, Obwohl ferner das Material ganz vorzüglich conservirt war, so war es dennoch durch einen neunjährigen Aufenthalt in starkem Alkohol ziemlich spröde und briichig geworden und setzte auch aus demselben -Grunde der Färbung grosse Schwierigkeiten entgegen, so dass es namentlich zur Bearbeitung der so heiklen Mesodermfrage keine Prä- parate mehr ergab, die ein sicheres Urtheil über die Entstehung des Mesoderms erlaubten. Besonders hatte ich vielfach mit dem Uebel- stande zu kämpfen, dass sich die Mesodermplatten in Folge der Sprödigkeit des Objectes bei der Schnittführung leicht aus dem Zu- sammenhang mit dem Entoderm trennten und somit überhaupt eine Entscheidung unmöglich wurde. Aus allen diesen Gründen drängte sich mir im Laufe der Unter- suchung die Nothwendigkeit auf, frisches Material zu beschaffen, welches einerseits die erwähnten Lücken ausfüllte, andererseits aber ein Eingehen auch in histologische Fragen erlaubte. Ich entschloss mich daher zu einer Reise nach der Insel Menorca, nachdem mir die Königliche Akademie der Wissenschaft zu Berlin mit grosser Bereit- willigkeit hierzu die nöthigen Mittel bewilligt hatte. Indem ich dieser hohen Körperschaft in gebührender Anerkennung ihrer Opferwilligkeit meinen Dank ausdrücke, gebe ich mich der Hoffnung hin, dass der auf den nachfolgenden Blättern publicirte erste Theil meiner Ergebnisse die mir gebrachten Opfer auch als gerechtfertigt erscheinen lässt. Ausgerüstet mit all den Erfahrungen, die Herr Prof. BRAUN während seines Aufenthalts auf der balearischen Insel gesammelt hatte und die mir besonders für das Auffinden der abgelegten Eier Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 3 von hervorragendem Werthe waren, langte ich in den ersten Tagen des Mai auf der gastlichen Insel an. Wenn es mir gelang, während eines dreimonatlichen Aufenthalts ein ausgedehntes und lückenloses Material zusammen zu bringen, so ist es nur Pflicht, zu bekennen, dass an diesem Erfolge mein hochverehrter ehemaliger Herr Chef durch seine auf eigener Erfahrung an gleicher Oertlichkeit beruhenden Rathschläge eben so vielen Antheil hat wie ich selbst. Während meines Aufenthaltes auf der Insel habe ich nicht nur echt menorquinische Gastfreiheit im vollsten Maasse genossen, sondern ich erfuhr auch von allen Seiten die lebhafteste Förderung meiner Ziele. Unter allen den liebenswürdigen Bewohnern der Insel gebührt vor Allen mein warmer Dank dem Botaniker Herrn JUAN RODRIGUEZ Y FEMENIAS, der mir nicht nur durch seine zahlreichen Connexionen ausserordentlich nützte, sondern auch während der ganzen Zeit meines Aufenthaltes mir wie ein treuer Freund und Berather zur Seite ge- standen hat. Seiner energischen Unterstützung hatte ich es zu ver- danken, dass ich wenige Tage nach meiner Ankunft bereits meine volle Thätigkeit entfalten konnte, trotzdem ich in Folge der Mai- unruben in Barcelona noch volle vierzehn Tage ohne mein Gepäck, darunter meine Instrumente und Chemikalien, blieb. Nicht nur leistete er mir die wesentlichsten Dienste bei Einrichtung meines Laboratoriums, sein lebhaftes Interesse für die Flora und Fauna seiner Insel ging so weit, dass er persönlich bemüht war, mich mit Material zu unter- stützen und so besonders mir grosse Mengen der schönen Lacerta lilfordi verschaffte. Unter zahlreichen anderen Herren, denen ich zu Dank verpflichtet bin, drängt es mich besonders, zweier Persönlichkeiten zu gedenken, zunächst des Hauptmanns der Artillerie, Herrn TEODORO DE UGARTE, in dessen Gesellschaft ich auf zahlreichen Ausflügen zu Wasser und zu Lande Land und Leute kennen lernen und in dessen Hause ich die angenehmsten Stunden im Kreise seiner Familie verbringen konnte, sowie des Priesters Herrn Dr. F. CARDONA Y ORFILA, eines trefflichen Kenners der Insel Menorca, der sich besondere Verdienste durch seine Mitarbeiterschaft an dem Bande „Menorca“ des berühmten Werkes des Erzherzogs Ludwig Salvator „Die Balearen in Wort und Bild“ erworben hat und dem auch ich mannigfache Belehrung zu ver- danken habe. Zur Biologie des Geckos. Wenn ich auch bezüglich der örtlichen Verhältnisse der Insel 1* 4 LUDWIG WILL, Menorca im Allgemeinen auf das Reisewerk von M. WıLLKomm!) ver- weisen kann, so darf ich dieselben doch, soweit sie für den Aufent- halt des Geckos in Betracht kommen, nicht ganz übergehen. Der ganze Boden von Menorca ist mit einer hohen’ Schicht scharfkantigen, durch Verwitterung vom Felsboden losgelösten Gerölls bedeckt, das namentlich in Einschnitten und an den Abhängen in einer Schicht von mehreren Fuss über einander gelagert sein kann. An allen bebauten Stellen der Insel hat die fleissige Hand des Bauern diese Gesteins- massen hinweggeräumt und dieselben in höchst zweckentsprechender Weise zu 3 bis 4 m hohen Mauern an der Marke seines Ackers oder Weinbergs lose auf einander gethürmt. So ist die gesammte Boden- fläche der Insel in zahllose kleine Quadrate getheilt, deren jedes von einer solchen Mauer umgeben ist, die zwar dem Lande nicht zur Zierde gereichen und jeden freien Ausblick ausser von hoch gelegenen Punkten verbieten, die aber neben einer wohlgeregelten Bewässerung allein die hohe Cultur, welche alle bebauten Strecken zeigen, ermöglichen. Die Hauptfeinde der Vegetation, die Nordwinde, brausen, vom Golfe de Lyon kommend, mit einer solchen Gewalt über die Insel hinweg, dass sie nichts aufkommen lassen, was über diese Mauern hinweg ragt und so jeden umfangreichen Baumwuchs unmöglich machen, abgesehen von geschützteren Orten, besonders den tiefen Thaleinschnitten, den sog. Barrancos, in denen man die üppigste Vegetation und unter ausge- dehnten Orangenhainen auch Dattelpalmen von stattlicher Höhe an- trifft. Ausserdem aber ermöglichen diese Mauereinfriedigungen dem Landmann sein Weidevieh ohne besondere Aufsicht sich selbst zu überlassen. Dem Zoologen und Botaniker jedoch, dem die wenigen fahrbaren Strassen mit ihren Mauereinfassungen nichts bieten, stellen diese zahl- losen Mauern bei seinen Excursionen querfeldein lästige Hindernisse in den Weg. Abgesehen davon, dass sie die Orientirung erschweren, versperren sie den Weg im buchstäblichen Sinne Mit Ausnahme nämlich der Maulthierpfade führen alle Fusspfade einfach über die Mauern hinweg. Vielfach zwar finden sich an denselben hervorstehende Trittsteine eingemauert, auf denen man auf der einen Seite hinauf, auf der andern Seite von der Mauer hinuntersteigt, auf weniger be- tretenen Pfaden aber und besonders wenn man von diesen abweicht, fehlen derartige Hülfen, und man hat demnach alle Augenblicke das 1) M. Wırıkomm, Spanien und die Balearen, Berlin, TH. GRIEBEN, 1876. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 5 Vergnügen, oft recht ansehnliche Mauern zu überklettern, an deren scharfkantigen Felsstücken die Sammelgläser beständig in Gefahr sind zu zerschellen. Diese cyclopischen Mauern mit ihren unzähligen Schlupfwinkeln dienen nun je nach Oertlichkeit zahllosen Exemplaren von Platy- dactylus und Lacerta muralis zum Aufenthalt, doch kommen beide nur da, wo sie in geringerer Zahl vorhanden sind, neben einander vor. Meistens schliesst der eine die andere aus, und so ist es stets an den besten Fangplatzen. Der Gecko kommt wohl überall auf der Insel verbreitet vor, doch beziehen sich meine Erfahrungen speciell auf den östlichen Theil derselben, besonders auf die Umgegend der Haupt- stadt Mahon, wo er ausserordentlich gemein ist. Der Gecko gehört keineswegs zu den Lieblingen der Menorquiner, wofür schon der Name dragön spricht, den sie ihm in einem gelinden Gefühl von Furcht und Abscheu beilegen. Diese Furcht vor einem so unschuldigen Thierchen, welches mit seinen winzigen Zähnchen nicht einmal im Stande ist, Spuren in der Haut unseres Fingers zu hinter- lassen, wirkt zwar komisch, lässt sich jedoch einigermaassen verstehen, wenn man beim Umdrehen eines Steins zufällig auf einen Gecko stösst. Er gleicht einem kleinen Teufel, wenn er schnell wie ein Schatten von dannen huscht. Ueberdies steht der Gecko auf Menorca im Geruche eines schäd- lichen Thieres, indem der Landmann ihn allgemein beschuldigt, dass er zur Zeit der Weinreife in die Weinberge dringe und sich dann aus- schliesslich von Trauben nähre, weshalb er ihn verfolgt, wo er nur kann. Wenn ich nun auch diese Angabe nicht ohne Weiteres als un- richtig von der Hand weisen kann, so möchte ich doch bezweifeln, dass sie in solchem Umfange zu Recht besteht. Leider habe ich in dieser Richtung keine beweisenden Versuche anstellen können, doch habe ich bei meinen Gefangenen nie ein Verzehren von Früchten be- obachten können, von denen Lacerta muralis und Lacerta lilfordi mit grossem Behagen naschten. Wenn aber die Beschuldigung wirklich mit Recht erhoben wird, so wird der so verursachte Schaden sicher reichlich wieder gut gemacht durch den ausserordentlichen Eifer, mit welchem die Thierchen den Insekten nachstellen. Stets fand ich den Magen frisch gefangener Geckonen vollgepfropft mit den verschie- densten Insecten, unter denen besonders die Heuschrecken zu der be- treffenden Jahreszeit in Frage kommen, von denen grosse Mengen vertilgt werden müssen. Ein wahres Eldorado für den Gecko ist das der Stadt Mahon 6 LUDWIG WILL, und dem Fischerort Villa Carlos gegenüber liegende, spärlich ange- baute Nordostufer des lang gestreckten Hafens. Hier ist der hüglige Boden ringsum bedeckt mit solchen Schichten von Gesteinstriimmern, zwischen denen niedriges Mastix- und Myrthengestrüpp hervorwuchert. Hier kommt. er in ausserordentlicher Zahl vor und hält sich am Tage, während die Sonne den steinigen Grund durchglüht, unter den tieferen, Kühlung und Feuchtigkeit gewährenden Lagen von Felstrümmern auf. Man hat also beim Fang des Geckos nur nöthig, diese Gesteinsmassen consequent hinwegzuräumen und einige Geschwindigkeit zu entwickeln, sobald man den dunklen Körper desselben erblickt. Bei der Unmasse von Schlupfwinkeln ist die Beute doch nicht so reichlich, wie man bei dem ausserordentlich massenhaften Vorkommen wohl erwarten sollte, und überdies ist der Fang eine ziemlich beschwerliche Arbeit. Während eines Vormittags fing ich in Gemeinschaft mit meinem Diener in der Regel gegen 60—70 Stück ausgewachsener Thiere. Die Paarung der Geschlechter scheint wie auch bei andern Reptilien etwas von der Witterung abzuhängen. Während im Sommer 1883 Herr Prof. Braun bereits in den ersten Tagen des Mai ein Pärchen in coitu und unmittelbar darauf auch die ersten Entwicklungs- stadien antraf, fand ich im Sommer 1890, dessen Eintritt sich im südlichen Europa etwas verzögert hatte, die ersten Eileitereier erst Mitte Mai. Die ganze Dauer der Entwicklung schätze ich auf 8 bis 10 Wochen, von denen jedoch etwa 4 Wochen der Entwicklung inner- halb der Eileiter durchlaufen werden, innerhalb welcher auch die Ab- scheidung der ausserordentlich dünnen und anfangs noch weichen Schale vor sich geht. Während nun sowohl Lacerta muralis wie auch die tief indigo- blaue Lacerta lilfordi gleichzeitig 4 Eier zur Entwicklung bringen, von denen man in jedem Eileiter 2 antrifft und die alle ziemlich denselben Entwicklungszustand zeigen, kommt beim Gecko nur je ein Ei auf jeden Eileiter. Nach der Zeit von etwa 4 Wochen kommen diese beiden Eier sodann zur Ablage, nach welcher alsdann auch die Schale an der Luft erhärtet. Die Ablage des Eies fällt in eine Zeit, wo so- eben die Anlagen der Extremitäten hervorzuknospen beginnen, Erst jetzt beginnen die eigentlichen Schwierigkeiten beim Sammeln, denn die besorgte Mutter sucht sich zur Ablage ihrer Eier die aller- sichersten Schlupfwinkel aus, und deren giebt es in dem geschilderten Terrain so unendlich viel mehr, als im Ganzen Geckoeier zur Ablage kommen, dass man von grossem Glück sprechen kann, wenn man trotz fleissigsten Suchens an einem Tage mehr als 6, unsere Durchschnitts- zahl, auffindet. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 7 Wählt der Gecko zur Unterbringung der Eier jene cyclopischen Mauern, so kann man sicher sein, dass sie unter die am tiefsten ge- legenen Felsstücke abgelegt sind. Will man sich in den Besitz der- selben setzen, so muss man natürlich auf grosse Strecken jene Mauern niederlegen und auch, wenn man mit den Bauern nicht in Conflict kommen will, später wieder aufbauen. Diese Arbeit ist natürlich sehr zeitraubend und in Folge der ungeheuren Zahl solcher Mauern nur von sehr geringem Erfolge begleitet. Einen etwas besseren Erfolg hat man auf jenen von hohen Schichten losen Gesteins bedeckten Bodenstrecken. Hier ist es entweder der felsige, auf der Nordseite der Insel von Schiefer gebildete Untergrund selbst, in dessen durch Verwitterung entstandene Spalten die Eier geborgen werden und die in solchem Falle für den Suchenden überhaupt meist unerreichbar sind, oder die Eier werden unter besonders grosse, von einem ein- zelnen Menschen überhaupt, nicht oder nur mit Mühe zu bewegende Felsblöcke abgelegt, die dann dem Boden nicht unmittelbar aufliegen. An den erwähnten Stellen trifft man alsdann die Eier fast ausnahms- los zu zweien an, nur in wenigen Fällen von einer ganz dünnen Schicht lockerer Erde bedeckt. Zur Periode der Eiablage setzte ich daher alle irgend verfügbare Zeit daran, um in Gemeinschaft mit meinem Diener auf die Eier- suche zu gehen und alle grösseren Felsblöcke umzuwälzen, welche Thätigkeit pro Tag 6—8 Eier ergab. Um diesem zeitraubenden Suchen zu entgehen, versuchte ich zwar die Thiere in der Gefangen- schaft zur Eiablage zu bringen, jedoch ohne Erfolg, trotzdem ich glaubte, ihnen alle natürlichen Existenzbedingungen geboten zu haben. Ebenso wenig Erfolg hatte es, die Schuljugend und Feldarbeiter durch Geldversprechungen zum Suchen zu veranlassen. Zwar wurden mir gelegentlich von dieser Seite Eier überbracht, doch offenbar so spät nach ihrer Auffindung, dass sie bereits eingetrocknet waren. In einem Falle brachte mir ein Arbeiter ein Quantum Eier, welche deswegen von Interesse waren, weil sie innerhalb der Stadt beim Abbruch eines Hauses aufgefunden wurden. So blieb ich auf mich selbst angewiesen und habe in Folge eifrigen Suchens dennoch eine stattliche Zahl von Em- bryonen aus dieser Entwicklungsperiode zusammengebracht, und zwar unter diesen auch so junge Entwicklungsstadien, dass sie sich unmit- telbar an die ältesten Eileitereier anschliessen, die Reihe demnach als eine völlig lückenlose sich darstellt. Eine bisher in der Fortpflanzung des Geckos anscheinend unbe- kannte Thatsache ist es besonders, die mich überraschte und mir zu einem 8 LUDWIG WILL, völlig lückenlosen Untersuchungsmaterial verhalf. Während ich etwa 4 Wochen nach dem Beginn der Fortpflanzungszeit in den Eileitern aller Weibchen nur noch Embryonen antraf, die bereits ziemlich weit entwickelt waren und kurz vor der Ablage stehen mussten, und nun erwarten musste, nach dem Beginn der Ablage mehr und mehr leere Eileiter anzutreffen, war ich sehr erstaunt, etwa von Mitte Juni an die Eileiter wieder mit 2 Eiern erfüllt zu sehen, die theils im Be- ginn, theils in fortgeschrittener Furchung sich befanden. Von Tag zu Tag wurden die Eileitereier mit alten Embryonen seltener, und an ihre Stelle traten schliesslich nur noch junge Entwicklungsstadien. Diese Beobachtung legte die Vermuthung nahe, dass auch der Gecko ebenso wie die erwähnten Eidechsen 4 Eier hervorbringt, aber nicht wie letztere gleichzeitig, sondern in zwei durch einen Zeitraum von 4 Wochen getrennten Perioden. Dieselbe Beobachtung machte ich sodann später bei Ablage dieser Eier, indem ich alsdann entweder nur abgelegte Eier mit fast vollständig entwickelten Embryonen oder solche mit eben angedeuteter Extremitätenbildung auffand. Die Untersuchung der Ovarien erhob dann diese Vermuthung zur Thatsache. Während man nämlich während der ersten Entwicklungs- periode ausser den beiden Eileitereiern im Ovarium neben zahlreichen kleinen Eichen nur noch 2 nahezu reife Ovarialeier antrifft, findet man während der zweiten Fortpflanzungsperiode im Ovarium nur noch ganz junge Eianlagen, die unter keinen Umständen noch während des betreffenden Jahres zur Entwicklung kommen können. Ueberdies findet man auch nach der zweiten Eiablage die Eileiter leer. Untersuchungsmethode. Die Conservirung wurde in allen Fällen noch an dem Tage des Fanges der Mutterthiere, resp. des Auffindens der abgelegten Eier vor- genommen. Um die in den Keimblättern sich vollziehenden Zell- theilungsvorgänge auch nach der Conservirung zur Anschauung zu bringen, wurde die Oeffnung der Eier und Präparation der Embryonen unter der Conservirungsflüssigkeit selbst vorgenommen. Die Embry- onen wurden mit dem Dotter gehärtet und eine Ablösung derselben erforderlichenfalls erst nachträglich vorgenommen, was bei älteren Ent- wicklungsstadien durch einfaches Umschneiden mit der feinen Scheere ohne jede Anwendung von Gewalt von selbst erfolgt. Jüngere Keim- scheiben wurden ausnahmslos mit dem Dotter geschnitten, wenn nicht etwa durch Zufall eine Ablösung während der Conservirung von selbst erfolgt war. Als Conservirungsflüssigkeiten wurden besonders Chrom- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 9 säure und Chromosmiumessigsäure angewandt, von denen die letztere nur so viel Osmiumsäure enthielt, als gerade nöthig war, um dem Dotter eine dunklere Färbung zu verleihen, die geeignet ist, die Keim- scheibe mit der Embryonalanlage besonders scharf hervortreten zu lassen. Beide Flüssigkeiten und besonders die letztere ergaben ganz vorzügliche Resultate. Weniger geeignet war Chromessigsäure, die dem Dotter eine zu geringe Consistenz verlieh, und noch weniger ist Sublimat geeignet, welches Dotter und Keimscheibe so gleichmässig weiss macht, dass man die Keimscheibe während der Präparation über- haupt nicht erkennt und in steter Gefahr schwebt, den Embryo zu verletzen. Ueberhaupt ergiebt die Sublimatbehandlung bei sämmtlichen Reptilienembryonen ein so wenig scharfes Relief, dass ein Studium des Oberflächenbildes sehr erschwert wird. Zur Färbung verwandte ich entweder Boraxcarmin oder Hämatoxylin, welches letztere besonders bei dem lange im Alkohol aufbewahrten Braun’schen Material, das namentlich auf den jüngsten Stadien die Carminfärbung nur noch schwer annahm, vorzügliche Dienste leistete. Jeder Embryo wurde vor dem Zerschneiden in der Ansicht von oben und wenn möglich auch in der Ansicht von unten gezeichnet; schliesslich wurden noch genaue Messungen an demselben vorgenommen. In dieser Mittheilung soll zunächst der Gastrulationsprocess eine eingehendere Schilderung erfahren, die insofern auf einer breiteren Grundlage beruht, als ich etwa 120 Schnittserien aus dieser Periode untersuchen kounte und ausserdem auch Gelegenheit hatte, die Entwicklung von Eidechse und Schildkröte aus eigener Beobachtung kennen zu lernen. Meine Absicht geht dahin, in einer folgenden Mit- theilung die Gastrulation bei den übrigen Reptilienordnungen zu schildern und schliesslich die Entstehung des Mesoderms für alle Reptilien gemeinsam zu bearbeiten. Ungeachtet dieses Planes fand ich mich jedoch schon in dieser Abhandlung veranlasst, in einem besonderen Capitel die Mesoderm- bildung in vorläufiger Form soweit zu behandeln, wie mir das zum Ver- ständniss der Gastrulationsvorgänge nothwendig schien. Wenn wir die Furchung des Eies bis zur Bildung eines mehr- schichtigen Blastoderms als die erste Entwicklungsperiode bezeichnen, so gehören diejenigen Vorgänge, welche in dieser Abhandlung eine Schilderung erfahren haben, den beiden folgenden, also der II. und III. Entwicklungsperiode an. 10 LUDWIG WILL, II. Entwieklungsperiode: die Gastrulation. Diese Periode setzt ein mit dem Beginn der Differenzirung des Ectoderms und endet in dem Augenblick, in dem der Urdarm die Höhe seiner Ausbildung erreicht. Sie lässt sich demnach als die Periode der Gastrulation bezeichnen, deren einzelne Phasen ausschliess- lich diesem Abschnitt der Entwicklung angehören. 1. Das Auftreten der Primitivplatte und des Embryonalschildes (Stadium I)?°). Diese erste Phase der Entwicklung datire ich von dem Augen- blick, in dem die aus der Furchung der Keimscheibe hervorgegangenen Blastomeren, die eine mehrschichtige, in der Regel kreisrunde Furchungs- scheibe bilden, anfangen, sich mit ihren oberflächlichen Zellen zu einer zusammenhängenden Zellenhaut an einander zu legen, die, wie wir sehen werden, als das Ectoderm aufzufassen ist. Sie umfasst ferner die- jenigen Stadien, in denen sich dieses Ectoderm in zwei Zonen zu differenziren beginnt, in die innere, etwas excentrisch gelegene, welche den aus hohen Cylinderzellen bestehenden Embryonalschild der Autoren darstellt, und in die äussere, aus platten Zellen bestehende Zone, welche die erstere ringförmig umgreift und nach STRAHL als Zona intermedia bezeichnet werden kann. Nach aussen geht die letztere ganz allmählich in den Randwulst oder Keimwall über, welcher den peripheren Rand der Keimscheibe bildet. Gegen die folgende Ent- wicklungsphase lässt sich diese erste ziemlich scharf durch den Beginn der Gastrulaeinstülpung abgrenzen. Im Allgemeinen ist die Keimscheibe während dieses Abschnittes von annähernd kreisrunder Gestalt mit einem Durchmesser von ca. 5-6 mm und macht sich an conservirtem Material als eine hellere, weissliche Scheibe inmitten des etwas dunkleren Dotters bemerkbar. Vollkommen ist jedoch der Kreis nur selten, indem meist der eine, gewöhnlich der in der Richtung der Längsaxe des Eies liegende Durch- messer um ein geringes länger ist. Doch kommt auch, wenngleich weniger häufig, ein Ueberwiegen in der Richtung der kurzen Eiaxe vor, und ebenso kann gelegentlich die Furchungsscheibe so sehr von der Kreisform abweichen, dass ihr Umriss alsdann als eine Ellipse 1) Alle auf diesen Abschnitt bezüglichen Zeichnungen tragen ent- sprechend meinen Präparaten neben der fortlaufenden Figurenbezeichnung in Klammer die Ziffer (I). Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 1 zu bezeichnen ist. Zur Erläuterung gebe ich in der Anmerkung einige Maasse !). Gleichzeitig und in engster Beziehung mit der Differenzirung des Ectoderms beginnt sich auch der Blastoporus (Prostoma) oder die Primitivplatte anzulegen, die jedoch zu so früher Zeit mit seltenen Ausnahmen nur erst an Schnitten nachweisbar ist. Erst nach erfolgter Entstehung des Ectoderms werden auch äusserlich die ersten Anzeichen eines Fortschritts in der Entwicklung bemerkbar, indem in der Nähe der Keimscheibenmitte der Embryonalschild aufzutreten beginnt, dessen Erscheinen beim Gecko jedenfalls lediglich durch den Charakter seiner Ectodermzellen bedingt wird, die in seinem Bereich mehr und mehr zu hohen Cylinderzellen auswachsen. So wichtig es ist, das erste Auftreten des Schildes und besonders der Primitivplatte an Oberflächenbildern zu studiren, erstens um das primäre räumliche Verhalten beider Embryonalanlagen zu einander zu erkennen, zweitens um die Formverhältnisse der Primitivplatte bei ihrem ersten Auftreten festzustellen — vorzüglich im Vergleich zu der Sichelgestalt derselben beim Vogelkeim —, so viel Schwierigkeiten stellen sich der Untersuchung der Oberflächenbilder entgegen. Zu- nächst ist die Differenzirung des Schildes eine so langsame und all- mähliche und die Höhendifferenz zwischen den Zellen des Schildes und denen der Area intermedia eine so geringe, dass man von diesen ersten Vorgängen überhaupt äusserlich noch nichts wahrnehmen kann und allein Schnitte im Stande sind, die Existenz des Schildes und der Primitivplatte zu so früher Zeit nachzuweisen. Die Reconstruction dieser Schnittbilder zu einem, einigermaassen sicheren Flächenbilde wird aber durch den ausserordentlich allmählichen Uebergang der Zellen der beiden erwähnten Zonen der Keimscheibe illusorisch ge- macht. Wohl tritt auf dem Schnitt der Embryonalschild im Ganzen hervor, aber abgesehen von dem hintern Rande desselben, wo er sich scharf gegen die Primitivplatte absetzt, ist es zur Zeit noch unmöglich, mit Genauigkeit seine Grenzen zu bezeichnen. Tritt dann der Schild äusserlich hervor, so nimmt man anfangs mit seltenen Ausnahmen 1) Keimscheibe No. 20 meiner Präparate Länge 45,4mm Breite: 6,4 mm ” ” 22 ” ” ” 5,1 ” ” 4,0 ” ” ” 39 ” ” ” 7,2 ” ” 6,0 ” „ ” 125 ” ” ” 6,0 ” ” 6,0 ” ” ” 126 ” ” LE 5,0 ” LE 5,0 ” LE ” 127,128 ” ” ” 5,2 ” ” 5,2 ” ” ” 129 ” ” ” 6,7 ” ” 5.5 ” LE ” 130 ” ” ” 6,5 LE „ 6,0 ” 12 LUDWIG WILL, nicht viel mehr wahr als einen hellen verwaschenen Fleck; lässt dieser aber deutlichere Umrisse erkennen, so zeigt der Schild meist bereits eine birnförmige Gestalt, die nicht mehr seiner ersten Anlage entspricht. Noch schwieriger gestalten sich die Verhältnisse der Primitivplatte vor dem Auftreten einer Invagination auf derselben. Ihr grösseres oder geringeres Hervortreten über die Oberfläche ist, innerhalb gewisser Grenzen natürlich, überhaupt unabhängig von dem Alter der Keimscheibe. Häufig beobachtet man, dass sie auf älteren Stadien weniger hervortritt als auf etwas jüngeren, und man kann daher die Oberflächenbilder nur richtig beurtheilen, wenn man sie an der Hand von Schnitten controlirt. Aus dem Gesagten geht hervor, dass das erste Auftreten des Schildes noch nicht im Stande ist, der gleichmässig gewölbten Keim- scheibe ein besonderes Gepräge zu verleihen, und so untersuchte ich eine Reihe von Embryonen, die ohne eine Spur von Oberflächen- differenzirung auf Schnitten dennoch bereits die Anlage des Schildes und der Primitivplatte erkennen liessen. Allein hier handelt es sich um die allerjüngsten, um Stadien, wie sie bisher von Reptilien über- haupt noch nicht beschrieben wurden, und um einen Zeitraum, der nur einen verschwindend kurzen Abschnitt des gesammten Differenzirungs- processes ausmacht. Wenig später nimmt man, wie ich an zahlreichen Keimscheiben, be- sonders bei schwächeren, 6—10-fachen Vergrösserungen gesehen habe, in der Nähe der Mitte der Keimscheibe, doch stets ein wenig excentrisch ge- legen, einen hellen verwaschenen Fleck wahr, der seiner Gestalt nach im Allgemeinen ziemlich kreisrund ist, auf Schnitten höhere Cylinder- zellen als die umgebenden Partien der Keimscheibe aufweist und die erste, äusserlich bemerkbare Anlage des Schildes darstellt, wie sich noch genauer aus seiner Lagebeziehung zur Primitivplatte ergiebt, welche weiter unten an Schnitten erläutert werden soll. In einigen wenigen Fällen liess die Schildanlage schon zu dieser Zeit Genaueres erkennen, so z. B. bei zwei Eiern, die sich vollkommen gleich verhielten und von denen das eine in Fig. 1, Taf. 1 zur Ab- bildung gekommen ist. Die betreffende Keimscheibe zeigte in der Mitte eine rundliche, wenig erbabene Stelle, die nach hinten durch eine scharfe Bogenlinie begrenzt war, nach vorne aber so unmerklich in die umgebenden Theile der Keimscheibe überging, dass hier eine deutliche Grenze nicht nachweisbar war. Aus der Gestalt der hinteren Bogenlinie lässt sich aber auf eine kreisrunde oder kurz-ovale Form des ganzen Gebildes schliessen, eine Vermuthung, die nach Färbung Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 13 mit Hämatoxylin sich bestätigte. Die betreffende Stelle färbte sich wesentlich dunkler als die Nachbartheile, so dass sie sich von diesen deutlicher abhob als im ungefärbten Zustand und nunmehr ihre Kreis- form deutlich erkennen liess. Der Durchmesser des runden Flecks betrug 1,6 mm, war also ungefähr dem Längsdurchmesser des später ovalen Schildes gleich. Schnitte ergaben sodann, dass der kreisrunde Fleck die erste äusserlich sichtbare Anlage des Embryonalschildes darstellt. Ohne zunächst genauer auf die Schilderung dieser Schnitte einzugehen, kann ich doch hier nicht übergehen, dass schon zu dieser frühen Zeit die Primitivplatte angelegt ist, wenn sie auch äusserlich noch nicht hervortritt und daher nur auf Schnitten nachweisbar ist. Sie stellt eine ansehnliche Zellenplatte dar, die am Hinterrande des Embryonalschildes gelegen, von demselben deutlich durch die be- schriebene Bogenlinie abgegrenzt ist. Die Länge der Primitivplatte (die Länge wird gemessen in der Längsrichtung des Schildes, diese aber liegt parallel der kurzen Eiaxe) ist eine verhältnissmässig geringe, sie beträgt 0,18 mm, desto beträchtlicher aber ist ihre Breitenaus- dehnung. Da sie sich in der Breite auf 32 Längsschnitten von !/,, mm verfolgen lässt, so ist ihre wirkliche Breite = 0,5 mm. Be- denkt man nun, dass sich die Primitivplatte überall in ihrem Verlauf eng der hintern bogigen Begrenzung des Schildes anschmiegt, so würde daraus im Flächenbilde eine sichelförmige Gestalt resultiren. Wir constatiren demnach, dass, ebenso wie es durch KOLLER!) auch beim Hühnchen nachgewiesen wurde, die Primitivplatte beim Gecko zuerst in Form einer „Sichel“ auftritt, und ich füge hier mit Beziehung auf eine spätere Abhandlung ?) hinzu, dass auch bei der Schildkröte die Primitivplatte sich als ein Gebilde von sichelförmiger Gestalt anlegt. Die erwähnte Bogenlinie, welche den Schild nach hinten begrenzt, erwies sich auf dem Schnitt (Fig. 40, Taf. 6) als eine seichte Furche, welche auf der Primitivplatte unmittelbar hinter dem Hinterrande des Schildes entlang zieht und daher eine Sichelrinne darstellt. Der Zeitpunkt, in dem eine solche Sichelrinne auftritt, unterliegt übrigens, wie schon jetzt hervorgehoben werden soll, grossen Schwankungen. In den beiden Fällen, von denen die Fig. 1 den einen darstellt, ist die Sichelrinne 1) Kotter, Carr, Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim, 3 Tfln., in: Arch. f. mikr. Anatom., Bd. 22, 1882, p. 174— 211. 2) Vgl. die inzwischen erschienene vorläufige Mittheilung: L. Wirt, Zur Kenntniss der Schildkrötengastrula, in: Biol. Centralbl. 1892, p. 182—192, 4 Holzschn. 14 LUDWIG WILL, besonders frühzeitig aufgetreten, während sie sonst zuerst zu einer Zeit bemerkt wird, die zwischen den Figuren 3 und 4, Taf. 1 liegt Aus dieser Thatsache erklärt sich, dass an den nächst zu be- sprechenden Oberflächenbildern die Sichelrinne noch vermisst wird. Mit der allmählich fortschreitenden schärferen Ausprägung des Schildes im Oberflächenbilde geht aber gleichzeitig eine Formver- änderung desselben sowie auch der Primitivplatte Hand in Hand. Zwar sind die Umrisse des Schildes noch etwas verschwommen, doch erkennt man deutlich eine nunmehr elliptische Gestalt (Fig. 2, Taf. 1), die sich nicht nur durch ihre etwas hellere Färbung im conservirten Zustande, sondern auch durch eine gelinde Erhebung von der etwas dunkleren Area intermedia abhebt. Hervorzuheben ist jedoch, dass, wie aus den später zu besprechenden Längsschnitten hervorgeht, der elliptisch umschriebene Fleck in Wahrheit nicht nur den Embryonal- schild ausmacht, sondern dass sein hinterer, nach unten verdickter Rand wiederum die sichelförmige Primitivplatte darstellt, die hier dem- nach äusserlich sich nicht durch eine Grenzlinie vom eigentlichen Schilde absetzt, da eine Sichelrinne an diesem Embryo überhaupt noch fehlt. Nehmen wir eine Messung der Primitivplatte vor, so ergiebt sich in den beiden Fällen, in denen eine solche jeden Zweifel aus- schloss, an dem einen Embryo eine Länge der Platte von 0,21 mm und eine Breite von 0,44 mm, an dem andern eine Länge von 0,19 mm und eine Breite von 0,37 mm. Wir finden demnach, dass auch auf diesem Stadium die Primitivplatte noch die Form einer Sichel hat, dass aber die Sichelbreite etwas abgenommen hat. Im nächsten Entwicklungsstadium geht die elliptische Gestalt des Schildes deutlich in eine ovale, resp. birnförmige (Fig. 3, Taf. 1) über, die nach hinten in einen kurzen, mehr oder weniger stumpfen Fort- satz ausgezogen ist. Dieser Fortsatz gehört nun aber ebenfalls nicht mehr dem Embryonalschilde selbst an, sondern stellt die Primitiv- platte dar, die somit auf diesem Stadium zuerst auch äusserlich in die Erscheinung tritt. Wie bereits aus dem Oberflächenbilde erhellt und durch Schnittserien bestätigt wird, ist die schon an der Hand der Fig. 2, Taf. 1 nachgewiesene Breitenabnahme der Sichel noch weiter fortgeschritten. Die Hörner der Sichel sind geschwunden, oder besser gesagt, in andere Bildungen übergegangen, und nur die Mitte derselben, der sogen. „Sichelknopf“, ist bestehen geblieben und stellt nunmehr eine Primitivplatte von rundlicher Gestalt dar. Zum Beweise führe ich von 4 Embryonen, welche eine genauere Messung zuliessen, die Maasse an: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 15 Embryo | Breite der Prim.-Platte | Länge der Prim.-Platte No. 108 0,287 mm 0,28—0,29 mm + LT 0,323 ,, 0,35 mm 1120 0,339 7, 0,40—0,45 mm ee! ca. 0,25 % 0,25 mm Wenn nun auch der allmähliche Uebergang der sichelförmigen Primitivplatte in eine runde für alle Geckoembryonen zu Recht be- steht, so ist doch nicht gesagt, dass sich dieser Uebergang bei allen nothwendig schon auf diesem Stadium vollzieht. Wenn die Breiten- abnahme auch in der Regel sich schon vor dem Beginn der Gastrula- einstülpung abspielt, so habe ich doch zwei Fälle (Fig. 8, 9, Taf. 1) beobachtet, in welchen die Primitivplatte ihre Sichelform noch in das nächste Entwicklungsstadium hinüberrettet. Am Schlusse der vorliegenden Periode ist das Bild nur insofern verändert, als alsdann vielfach die Primitivplatte in Folge der in ihr Platz greifenden lebhaften Zellenvermehrung einen rundlichen flachen Hügel darstellt, der wie in Fig. 3, Taf. 1 ein wenig über das Niveau der Keimscheibe vorspringt!). Doch ist dies keineswegs eine noth- wendige Erscheinung, indem die aus den erwähnten Vermehrungs- vorgängen resultirenden Zellen nicht in allen Fällen eine Anstauung von Zellenmaterial in der Primitivplatte zur Folge haben, sondern viel- fach auch sofort nach Entstehen den Weg zur Ausbreitung unter dem Ectoderm offen finden. So kann man an zwei vollkommen gleich- altrigen Embryonen die Primitivplatte des einen sogar ein wenig ein- gesunken antreffen, während sich an dem andern an gleicher Stelle eine niedrige Erhebung vorfindet. Bevor wir nun zum Studium der Schnittserien aus diesem Stadium übergehen, mögen mir noch wenige Worte über die Lagebeziehungen des Schildes zum Ei gestattet sein. Als all- gemein gültig kann man für den Gecko den Satz aussprechen , dass der Embryonalschild quer zum Ei gelegen ist, so dass also seine Längsaxe in die Richtung der kurzen Eiaxe fällt. Diese Lagebezichuig ist eine so constante, dass mir an dem reichen Material aus dieser und den folgenden Entwicklungsperioden keine einzige wirkliche Aus- nahme aufgestossen ist. Höchstens fielen die erwähnten Axen nicht genau parallel, was dann aber in den meisten Fällen darauf zurück- zuführen war, dass das Ei in Folge der weichen Beschaffenheit des 1) In der Figur ist die Erhebung der Primitivplatte über die Schildoberfläche ein wenig übertrieben wiedergegeben. 16 LUDWIG WILL, Dotters sich bei der Conservirung etwas abgeplattet hatte und in Folge dessen auch der Embryonalschild ein wenig aus seiner Lage verschoben war. Diese feste Lage des Schildes erleichtert die Untersuchung in sofern bedeutend, als sie es möglich macht, von Keimscheiben, deren Schild äusserlich noch nicht wahrnehmbar ist, sagittale Längsschnitte in der Richtung des künftigen Schildes anzufertigen. Wo demnach im Folgenden einfach von Längsschnitten durch eine Keimscheibe ge- sprochen wird, sind Schnitte gemeint, die in die Richtung der kurzen Eiaxe, also parallel der Medianebene des künftigen Embryos fallen. Aus dem Vergleich mit älteren Embryonen ergiebt sich, dass das breite Ende des Schildes dem Vorderende, das zugespitzte, durch die Lage der Primitivplatte bezeichnete aber dem Hinterende des ent- wickelten Thieres entspricht. Was die hier geschilderte Lage der Primitivplatte am Hinterende resp. Hinterrande der Primitivplatte betrifft, so soll nach STRAHL !) zwar bei der Eidechse die Primitivplatte oder, wie er sich ausdrückt, der „Knopf des Primitivstreifens“ dicht vor dem hintern Rande des Schildes auftreten, also, wie auch aus seiner Zeichnung hervorgeht, im Schilde selbst gelegen sein. Wie ich jedoch nach eigenen Unter- suchungen zablreicher junger Eidechsenkeime mittheilen kann, ist STRAHL hier offenbar ein Irrthum unterlaufen. Stets fand ich die Primitivplatte sowohl bei Lacerta muralis wie bei Lac. lilfordi in derselben Lagebeziehung zum Schilde wie beim Gecko, nur dass sie bei der Eidechse zu so früher Zeit schon ein wenig in die Länge ge- streckt war und daher noch viel mehr als beim Gecko als ein An- hang des Schildes erschien. Den richtigen Einblick in die eben geschilderten Verhältnisse erlangen wir natürlich erst durch das Studium von Schnittserien, die in der Längsrichtung des Schildes geführt wurden. Aus der Reihe von etwa 15 Embryonen, die mit Sicherheit bereits dieser Entwicklungs- phase angehören, greife ich einen Embryo heraus, dessen oberflächliche Zellen sich soeben epithelartig an einander gelegt und so das Ecto- derm gebildet haben (Fig. 35, Taf. 5). Die Keimscheibe war kreis- rund mit einem Durchmesser von 5,2 mm und liess äusserlich trotz sorgfältigster Untersuchung noch keine Spur weder von der Primitiv- platte noch von dem Embryonalschilde erkennen, so dass ich von dem 1) H. Srraur, Beiträge zur Entwicklung von Lacerta agilis, in: Archiv f. Anat. Phys., 1882, Anat. Abth. p. 243. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 17 Schneiden glaubte es mit einem späten Furchungsstadium zu thun zu haben und sie auch als solches in das Protokoll über meine Embryonen aufnahm. Trotzdem ergab sich auf Schnitten bereits das Vorhanden- sein des Ectoderms, das in Form eines nach unten wohl abgegrenzten Epithels die tiefer gelegenen Blastomeren, welche nebst dem Dotter das Entoderm bilden, bedeckt. Trotz der Jugend des Stadiums, die ausser durch die histologischen Charaktere noch durch den ge- ringen Umfang der Keimscheibe verbürgt wird, zeigten die Ectoderm- zellen doch einen regelmässigern Bau und das ganze Keimblatt nach unten eine glattere Grenze, als man das sonst an Embryonen dieses Stadiums zu finden gewohnt ist, ein Umstand, der den vorliegenden Embryo besonders geeignet zum Studium der Verhältnisse der Pri- mitivplatte macht. Das Ectoderm (Fig. 35) besteht aus mässig hohen Cylinderzellen, die in der Mitte der Keimscheibe etwas höher als breit sind, nach dem Rande der Keimscheibe zu aber ganz allmählich an Höhe ab- nehmen, ohne aber sich hier bereits so stark abzuplatten, wie das nach dem äussern Hervortreten des Schildes der Fall ist. An einer in ihrer Breitenausdehnung nicht genauer festzustellenden, zu dieser Zeit nur auf Schnitten nachweisbaren Stelle, die an dem vorliegenden Präparat !/, des Keimscheibendurchmessers vom hintern, ?/, des Keimscheibendurchmessers vom vordern Rande der Keimscheibe ent- fernt liegt (pp der Fig.) vermisst man die sonst ziemlich regelmässigen Cylinderzellen des Ectoderms; die Zellen werden hier rundlich, sind bedeutend grösser und lassen keinerlei epithelartige Anordnung er- kennen. Während sonst überall im Bereich der Keimscheibe mit Aus- nahme des Keimwalls eine scharfe Grenze zwischen dem Ectoderm und dem tiefer gelegenen Entoderm nachweisbar ist, fehlt an der kritischen Stelle jede Abgrenzung der oberflächlich gelegenen Zellen von den tiefern, denen sie überdies in Gestalt und Dottergehalt so vollkommen gleichen, dass hier nur von einem ganz allmählichen Uebergang beider in einander gesprochen werden kann. In dem eben geschilderten kleinen Bezirk der Keimscheibenober- fläche, welchen ich als die Primitivplatte (Urmundplatte, Pro- stomialplatte) bezeichne, haben wir demnach eine Stelle vor uns, an der eine Sonderung in Keimblätter nicht stattgefunden hat, eine Stelle also, an der das Entoderm zu Tage tritt und die demnach dem Blasto- porus der Amphibien an die Seite zu stellen ist zu einer Zeit, wo bei diesen die Invagination noch nicht erfolgt ist. Es wird im Verlauf Zool. Jahrb. VI. Abth. f. Morph. 2 18 LUDWIG WILL, dieser Abhandlung meine Aufgabe sein, für die Prostoma-Natur der Primitivplatte weitere Belege beizubringen. Wenn nun auch an diesem und gleichalterigen Embryonen von der Existenz des Embryonalschildes weder bei äusserer Betrachtung noch an Schnitten etwas wahrgenommen werden kann, so lässt sich doch schon aus der Lage der Primitivplatte auf den Ort des Auf- tretens des Schildes schliessen. Da der letztere immer unmittelbar vor der Primitivplatte liegt, so sind es die höhern Cylinderzellen der Keimscheibenmitte, in der Figur unmittelbar links von der Primitiv- platte (s), aus denen der Embryonalschild sich aufbaut. Während diese hohen Cylinderzellen überall nach der Peripherie so all- mählich in die peripheren Plattenzellen übergehen, dass jeder Versuch, die Schildanlage auf den Schnitten der Serie zu begrenzen, fehlschlägt, wird das Ectoderm hinter der Primitivplatte von niedrigen Zellen ge- bildet, welche ziemlich unvermittelt (ai in Fig. 35) an das Zellenmaterial der Platte grenzen. Obwohl sich dieses Verhalten später noch viel auffallender bemerkbar macht (Fig. 37, Taf. 5) und dann in sonst zweifelhaften Fällen zur Auffindung der Primitivplatte von Nutzen sein kann, so ist es doch auch an dem vorliegenden Embryo bereits unverkennbar. Wir befinden uns eben unmittelbar hinter der Primi- tivplatte bereits im Bereich der spätern, erst gleichzeitig mit dem Schilde hervortretenden Zona intermedia. Alles, was nun vom Ectoderm umschlossen wird, stellt das Ento- derm dar. Hierzu gehören zunächst die zwischen dem Dotter und dem Entoderm gelegenen Furchungszellen, die an der Primitivplatte als dem Prostoma an die Oberfläche treten, nach unten aber allmählich dotterreicher werden; dann aber auch der gesammte ungefurchte Dotter, dessen Oberfläche eine durchaus unregelmässige ist und mit vielen Vorwölbungen und Protuberanzen gegen die zelligen Elemente des Entoderms vorspringt. Vielfach findet man deutliche Kerne in diesen Vorsprüngen und diese selbst im Begriff, sich zu neuen Furchungs- zellen oder, wie wir jetzt präciser uns ausdrücken können, zu neuen Entodermzellen abzuschnüren. Dieser sogenannte Nachfurchungsprocess, der, wie wir sehen werden, noch lange in lebhaftem Gange bleibt, wie jede beliebige Schnittserie aus dieser Periode beweist, erläutert auf das beste die engen Beziehungen des Dotters zu dem bereits zelligen Theil des Entoderms. Eine blattartige Anordnung des Entoderms fehlt zu dieser Zeit noch vollständig, dieselbe tritt beim Gecko, ohne Zweifel ein ur- sprünglicheres Verhalten, überhaupt viel später ein, als das nach den Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien, 19 Beobachtungen STRAHL’s!) und HorrmMann’s?), sowie nach von mir selbst angestellten Untersuchungen bei der Eidechse der Fall ist. Im Uebrigen aber konnte ich auch bei Lacerta muralis ein sehr frühes, bisher noch nicht beschriebenes Stadium beobachten, in dem an einem Punkte der Keimscheibe, die der Primitivplatte entspricht, ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Ectoderm und Entoderm stattfindet. Von einer Furchungshöhle, deren Vorhandensein oder Fehlen ich übrigens für völlig unwesentlich halte, habe ich beim Gecko weder auf diesem noch auf jüngern und ältern Stadien irgend eine An- deutung wahrgenommen. Da die meisten aller Embryonen dieser und folgender Altersstufen in Zusammenhang mit dem Dotter geschnitten wurden, so hätte sich dieselbe als ein Spaltraum bemerkbar macher müssen, den ich aber an wirklich gut conservirten Embryonen stets vermisste. So fehlte er auch an der vorliegenden, vorzüglich conser- virten Schnittserie, in welcher Dotter, zelliges Entoderm und Ecto- derm ohne irgend welche Lücke an einander grenzten, abgesehen na- türlich von den gewöhnlichen Intercellularräumen, die hier allein die fehlende zusammenhängende Furchungshöhle ersetzen. Zwar fanden sich an weniger gut conservirtem Material wohl gelegentlich grössere Spalträume innerhalb des Entoderms, diese trugen aber immer den Charakter von Kunstproducten so offensichtlich an sich, dass ein Zweifel ausgeschlossen war. Im Lauf der weitern Entwicklung nehmen nun zunächst die Ectodermzellen bestimmtere Formen an, womit gleichzeitig die schon vorhin angedeutete Differenzirung des äussern Keimblatts in den Embryonalschild und die denselben umfassende Intermediärzone Hand in Hand geht (Fig. 1, Taf. 1). Wenn auch der Uebergang beider Zonen im Umkreis des Schildes mit alleiniger Ausnahme der Region der Primitivplatte (,Sichel“) meist ein allmählicher bleibt, so wird dennoch die Höhendifferenz zwischen den Cylinderzellen des Schildes und den Plattenzellen der Zona intermedia sehr bald eine so be- deutende, dass sich der Contour des Schildes nicht nur an Schnitten immer schärfer markirt, sondern sich auch bei der Oberflächenbe- trachtung deutlicher und deutlicher der Schild als eine flache Er- hebung der Oberfläche abhebt (Fig. 2, 3, Taf. 1). Gleichzeitig aber werden auch an den Zellen der Primitivplatte Vermehrungsvorgänge 1) Srraut, |. c. 2) Horrmann, Reptilien, in: Bronn’s Klassen u. Ordn. des Thier- reichs, Bd. 6, 3. Abth., 1890. DES 20 LUDWIG WILL, beobachtet, welche in vielen Fällen bewirken, dass auch die Primitiv- platte sich als ein flacher Hügel über die Oberfläche erhebt. Ich gebe zunächst einen medianen Längsschnitt (Fig. 40, Taf. 6) durch das in Fig. 1 abgebildete Stadium, welches, wie beschrieben, durch einen noch rundlichen Schild sowie durch eine 0,5 mm breite Primitivplatte von sichelförmiger Gestalt ausgezeichnet war. Der Embryonalschild (s) besteht aus einer einfachen Lage von Cylinder- zellen, die zwar weniger regelmässig gebaut sind als in Fig. 35, den- noch aber bereits schärfer charakterisirt sind. Sie sind nicht nur höher und schmäler geworden, sondern setzen sich auch schärfer 'gegen die darunter gelegenen obersten Entodermzellen ab, die meist ziemlich flach geworden und vielfach spindelig ausgezogen sind. Weit wesent- licher sind die Fortschritte, welche die Primitivplatte (pp) gemacht hat. Auf dem vorigen Stadium fanden wir dieselbe aus einem durch- aus gleichartigen Zellmaterial, aus Entodermzellen bestehen, die an der Oberfläche genau denselben Charakter zeigten wie in_den tieferen Lagen. Ueberall stellten sie rundliche dotterhaltige ‘Zellen dar, die noch so bei einander liegen, wie sie aus der Furchung hervorgegangen sind, wenn auch hie und da an der Oberfläche bereits Zellen mit 2 und mehr Kernen bemerkt werden, die auf den Beginn von Ver- mehrungsvorgängen hinweisen. In vorstehender Figur ist dieses Zellen- material der Primitivplatte nicht mehr so gleichartig, was auf zweierlei Ursachen zurückzuführen ist. Einmal haben sämmtliche Entoderm- zellen im ganzen Keimscheibenbereiche, die schon seit längerer Zeit aus der Furchung hervorgegangen sind, angefangen, mehr oder weniger sich zu differenziren, d. h. den Charakter von Entodermzellen anzu- nehmen, indem sie sich in die Länge zu strecken und in verschieden zahlreiche spitze Ausläufer auszuziehen beginnen, so dass man in vielen Fällen schon von spindeligen Zellen reden kann. Andrerseits aber haben diejenigen Entodermzellen, welche an der Oberfläche der Pri- mitivplatte gelegen sind, eine entschieden epithelartige Anordnung an- genommen, ohne aber deswegen sich von den tiefern Entodermzellen scharf abzugrenzen. Diese epithelartige Anordnung ist hauptsächlich durch die oberflächliche Lage selbst, die cylindrische Form der Zellen aber jedenfalls wesentlich mit durch die bereits in Fig. 35 eingeleiteten Vermehrungsvorgänge innerhalb der Primitivplatte bedingt, wodurch die Zellen gezwungen werden, auf engem Raum in möglichst grosser Zahl sich an einander zu pressen. Allein diese \ ermehrungserscheinungen sind keine schnell vorübergehenden, sondern andauernde Vorgänge, und so tritt bald der Moment ein, wo die oberflächlichen Cylinderzellen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 21 der Primitivplatte einen Ausweg nach unten suchen müssen und finden, indem namentlich die Zellen im vordern Abschnitt der Primitivplatte nach unten gleichsam vorgequetscht werden und, sich weiter theilend, theils die Richtung nach vorn, vorzugsweise aber nach hinten und den Seiten einschlagen. So sehen wir bereits in Fig. 40, Taf. 6 den Beginn eines Wucherungsprocesses, der von der Primitivplatte ausgeht und den wesentlichsten Antheil an dem Zustandekommen der Gastrula hat. Das Zellenmaterial, welches auf diesem Stadium die Primitiv- platte zusammensetzt, ist demnach auch genetisch nicht mehr ein so einheitliches wie in Fig. 35. Während es in letzterer lediglich Zellen sind, welche ziemlich directe Derivate der Furchung darstellen, sind sie im vorliegenden Stadium vermehrt durch solche entodermalen Elemente, welche theils erst in mehr indirecter Weise dem an der Oberfläche der Primitivplatte beginnenden Wucherungsprocess den Ur- sprung verdanken, theils aber erst soeben aus dem Nachfurchungs- process entsprungen sind und sich also erst nachträglich der Primitiv- platte angelagert haben. Der ungefurchte Dotter zeigt noch genau das Bild wie auf dem vorigen Stadium. Ueberall .finden wir seine Oberfläche gegen die Embryonalanlage hin mit buckelartigen Erhe- bungen bedeckt, die zum Theil Kerne erkennen lassen und in ver- schiedenen Stadien der Abschnürung zu neuen Entodermzellen begriffen sind. Nach hinten hin geht die Primitivplatte anscheinend ganz allmählich — was sonst nicht der Fall — in die Plattenzellen der Area inter- media über. Wie ich bereits gelegentlich der Schilderung des Oberflächenbildes hervorhob, zeigte sich bei diesem und noch einem ebensolchen Embryo der Embryonalschild durch eine ‚scharfe Bogenlinie von der dahinter gelegenen Sichel abgesetzt. Offenbar findet diese, Linie im, Schnitte ihren Ausdruck in der Einsenkung, welche die vordere Partie der Sichel zeigt. Da diese Einsenkung auf allen Sagittalschnitten her- vortritt und, je mehr diese Schnitte seitlich gefallen sind, desto mehr sich abflacht, so glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich sie für den ersten Ausdruck einer Sichelrinne in Anspruch nehme. Gründete sich diese Annahme nur auf Befunde an einem Embryo, so könnte man ja auch an eine zufällige künstliche, bei der Conservirung entstandene Falte denken, allein ich erwähnte bereits, dass noch ein anderer, genau gleichalteriger Embryo vom selben Mutterthier vorlag, der ganz die- selben Verhältnisse aufwies. Da überdies ältere Embryonen, an denen die Furche tiefer geworden ist, mit Sicherheit eine unzweideutige Sichel- rinne constatiren lassen und ferner die Vertiefung auf dem vorliegenden 29 LUDWIG WILL, Schnitt (Fig. 40, Taf. 6) sich ohne Weiteres als die Vorstufe zu den Bildern erweist, welche ältere Embryonen (Fig. 45, Taf. 6) erkennen lassen, so kann wohl nicht gut an der Richtigkeit ihrer Auf- fassung als Sichelrinne gezweifelt werden. Jedenfalls aber handelt es sich in den beiden vorliegenden Fällen um ein besonders frühes Auftreten dieser Rinnenbildung, die gewöhnlich erst ein wenig später zu erscheinen pflegt. Ich gehe nunmehr zu Studien über, in denen der Schild schon eine deutliche elliptische Gestalt (Fig. 2) zeigt, die Sichel aber bereits eine Verkürzung in der Breitenausdehnung aufweist. Ein medianer Längsschnitt durch ein solches Stadium ist in Fig. 36 abgebildet. Ueberall geht auch hier der Embryonalschild (s) ganz allmählich in die platten Zellen der Area intermedia über (in der Figur ist der Schild nicht so weit nach vorn [links] ausgezeichnet, um diesen Uebergang zeigen zu können), abgesehen von dem Hinter- ende, an dem sich auch hier wieder die Primitivplatte (pp) vorfindet, an der das Ectoderm vermisst wird und auf welche nach hinten plötz- lich und ohne Uebergang das stark verjüngte Ectoderm der Area intermedia (ai) folgt. Obwohl das Oberflächenbild einen entschiedenen Fortschritt gegen- über dem eben besprochenen Embryo aufweist, so ergiebt sich nichts- destoweniger auf dem Schnitt, dass die Vorgänge im Innern, besonders in Bezug auf den beschriebenen Wucherungsprocess an der Primitiv- platte, noch etwas weiter zurück sind. In Rücksicht dieses Umstandes schliesst sich daher dieser Embryo noch viel enger an die Verhält- nisse der Fig. 35 an, als das bei Fig. 40, Taf. 6 der Fall war. Die oberflächlichen Zellen der Primitivplatte haben sich hier noch nicht epithelartig gruppirt, auch ist die Wucherung selbst noch nicht eingetreten. Doch unterscheiden sich die oberflächlichen Zellen von denen der Fig. 35 bereits dadurch, dass sie nicht mehr rundlich sind, sondern sich polyedrisch in einander keilen, was neben einer oft mehr- fachen Kernzahl immerhin bereits einen Fortschritt gegenüber der letztgenannten Figur bedeutet und somit einen Uebergang zu Fig. 40, Taf. 6 vermittelt. Eine besondere Erwähnung verdient das Verhalten des niedrigen Ectoderms der Area intermedia unmittelbar hinter der Primitivplatte. Dasselbe setzt sich äusserst scharf gegen die Zellen der letzteren ab und macht den Eindruck, als ob es sich von hinten her über das Entoderm gegen die Primitivplatte vorgeschoben hätte, ein Verhalten, das z. B. besonders deutlich an dem wenig älteren in Fig. 37 abge- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 23 bildeten Embryo hervortritt. Dieser Embryo unterscheidet sich nach den Schnitten nur dadurch von dem vorigen, dass entsprechend dem höheren Alter alle eben besprochenen Verhältnisse bereits deutlicher ausgeprägt sind. Anfangs nur im Besitze weniger Embryonen dieser Periode, war ich geneigt, diesen Charakter des Ectoderms hinter der Primitivplatte als eine Zufälligkeit anzusehen. Als ich ihn dann aber an allen übrigen Embryonen dieses und älterer Stadien in mehr oder minder scharfer Ausprägung wieder vorfand, musste ich ihm noth- wendig eine genauere Beachtung zu Theil werden lassen. Auf die Bedeutung dieser Erscheinung komme ich etwas weiter unten im Zu- sammenhang mit andern Thatsachen zu sprechen. Der in der Fig. 41, Taf. 6 auf dem Längsschnitt abgebildete Embryo kann als der älteste dieser ersten Phase des Gastrulations- processes angesehen werden. Von der Fläche gesehen, zeigte sich das Bild desselben nur insofern verändert, als die Primitivplatte wieder in das Niveau der Keimscheibe zurückgesunken war, während Schnitte ergaben, dass die Zellenwucherung an der Primitivplatte umfangreichere Dimensionen angenommen und überdies neue Bahnen eingeschlagen hat. An den bisher betrachteten Embryonen (Fig. 36, 37) haben die Entodermzellen der Primitivplatte eine mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Richtung nach hinten, ohne Zweifel als Ausdruck einer nach hinten gerichteten Wucherung. An dem vorliegenden Embryo aber, und dasselbe gilt noch von andern, nicht zur Abbildung gelangten, macht sich nicht nur diese eben erwähnte Wucherung bereits deut- licher bemerkbar, sondern es treten auch Zellenzüge hervor, die von der Primitivplatte aus in der Richtung nach vorn ziehen und jeden- falls zum Theil das Resultat einer nunmehr auch nach vorn gerich- teten Wucherung sind. Diese von der Primitivplatte ausgehende Zellen- wucherung, welche übrigens auch schon in Fig. 40, Taf. 6 in ihren ersten Anfängen sichtbar wird, ist der erste Beginn jenes Wucherungs- processes, der die Invagination einzuleiten bestimmt ist. Das vor- liegende Stadium führt demnach bereits zur zweiten Phase dieser Periode über. Das Ectoderm der Zona intermedia zeigt hinter der Primitivplatte auch hier wieder dasselbe Verhalten, auf das soeben an der Hand der Figuren 36 und 37 hingewiesen wurde. Da bisher nur die Entodermzellen in der Region der Primitivplatte eine beson- dere Berücksichtigung erfuhren, so sei hier für die vorstehend ge- schilderten Stadien hinzugefügt, dass das Entoderm im übrigen Be- reich der Keimscheibe nicht nur bei den verschiedenen Embryonen, sondern auch in den verschiedenen Regionen einer Keimscheibe ein 94 LUDWIG WILL, sehr wechselndes Bild gewährt. In keinem Theil der Keimscheibe erreicht das Entoderm (worunter hier lediglich die bereits zelligen Theile desselben verstanden sein sollen) eine solche Mächtigkeit wie in der Urmundplatte, nirgends schliessen sich auch ihre Elemente so eng an einander. Vielmehr stellt das Entoderm im übrigen Keim- scheibenbezirk eine lockere, bald nur 1—2, bald auch 3—4 Zellen mächtige Masse von Zellen dar, welche den Raum zwischen Ectoderm und Dotter anfüllen. Das Zellenmaterial trägt insofern einen verschieden- artigen Charakter, als die oberflächlichsten Zellen, welche die ältesten sind, bereits dotterärmer und vielfach durch Theilung auch bereits kleiner geworden sind als die tieferen, die eben erst der Furchung resp. der Nachfurchung entsprungen sind. Während diese letztern durchschnittlich mehr oder weniger rundlich sind, zeigen die obern eine ausgesprochene Neigung, sich spindelig auszuziehen und mit ihren Nachbarn gleicher Höhe in Verbindung zu treten. Dadurch kann es schon jetzt auf grössern oder geringern Strecken zu einer blattartigen Aneinanderlagerung der obersten Ectodermzellen kommen, die aller- dings, namentlich im Bereich des Schildes, noch eine sehr unvoll- kommene ist. Wo eine derartige blattförmige Anordnung in der Gegend der Primitivplatte sich anzubahnen beginnt, treten diese Zellen- züge stets in eine so continuirliche Verbindung mit dieser, dass sie als die unmittelbare Fortsetzung der Primitivplatte erscheinen. Am deutlichsten werden die Anfänge einer blattartigen Anordnung der oberflächlichen Entodermzellen in der Area intermedia, besonders in dem Theil derselben, welcher nach hinten auf die Urmundplatte folgt, während unterhalb des Schildes noch eine mehr oder weniger regellose Anordnung der Entodermzellen vorherrscht. — In der vorstehenden systematischen Schilderung habe ich einen andern Gang eingeschlagen, als er durch den Verlauf der Untersuchung selbst gegeben war. Da die Untersuchung entwicklungsgeschichtlicher Vorgänge um so schwieriger wird, je weiter dieselben zurückliegen, so war es von selbst geboten, als. Ausgang Stadien zu wählen, an denen nicht zu deuten war. Solche waren Embryonen mit beginnender Gastrulaeinstülpung resp. deutlich angelegter Primitivplatte. Gehen wir nun auch bei einem Rückblick über die eben geschilderten Em- bryonen von einem solchen Stadium aus, so haben wir uns vor allen Dingen die Frage vorzulegen: wie entsteht die Primitivplatte? Da, wie aus dem weiteren Verlauf dieser Abhandlung hervorgehen wird und auch von KOLLER?) bereits beim Hühnchen nachgewiesen wurde, 1) Kotter, 1. c. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 25 die Primitivplatte (,,Sichelknopf‘) die erste Anlage des spätern Primitivstreifs darstellt, so fällt die gestellte Frage zusammen mit der Frage nach dem Ursprung des Primitivstreifs. Diese Frage hat nun zwar in allen drei Ordnungen der Amnioten ihre Beantwortung gefunden, allein so gross die Zahl der Untersucher, so verschieden gestalten sich die Antworten. Diese auffallende Erscheinung findet einerseits ihre Erklärung in der besonderen Schwierigkeit der bisher untersuchten Objecte — Säuger, Vögel und unter den Reptilien für diese jungen Stadien nur die Eidechse —, dann aber vor allem darin, dass keines dieser Objecte, auch die Eidechse nicht, mehr die ur- sprünglichsten Charaktere der Amniotenentwicklung aufweist, wie sie sich dagegen noch bei Gecko und Schildkröte vorfinden. Alle diese verschiedenen Ansichten basiren auf der Voraussetzung, dass vor dem Auftreten der Primitivplatte resp. des Primitivstreifs bereits zwei völlig gesonderte Keimblätter, Ectoderm und Entoderm, bestehen, die sich im ganzen Bereich der Keimscheibe, ausgenommen natürlich den Keimwall, deutlich von einander abgrenzen. Ohne nun auf die Specialliteratur eingehen zu wollen, lassen sich die Urtheile über die Entstehung der Primitivplatte in drei Gruppen bringen: 1) Die Primitivplatte soll durch eine Wucherung des Ectoderms ihren Ursprung nehmen. 2) Die Primitivplatte entsteht durch secundäre Verschmelzung des Ectoderms und des Entoderms an dieser Stelle, wobei entweder beide Blätter gleichzeitig oder nur das Entoderm allein an der im Primitivstreif sich bemerkbar machenden Zellenwucherung betheiligt sein sollen. 3) Die Primitivplatte entstammt allein dem Entoderm, welches an der Oberfläche der erstern stets gegen das Ectoderm abgegrenzt bleibt. Wenn ich glaube in dieser Abhandlung zu einem richtigern Ver- ständniss der Entstehung der Primitivplatte gelangt zu sein, so soll darin gewiss keine Selbstüberhebung liegen. Verdanke ich doch meine Resultate lediglich einem ausserordentlich ursprünglich sich verhal- tenden Untersuchungsobject, das ich überdies an der nicht minder einfach sich verhaltenden Schildkröte controliren konnte, von der ich das Glück hatte, eine Anzahl sehr junger Keimscheiben während meines Aufenthalts in Menorca zu sammeln. Sodann aber konnte ich zu einer allgemeinern Auffassung nur mit Hülfe jener eingehenden, zum Theil peinlich genauen Untersuchungen gelangen, die für keine Thiergruppe in einer solchen Fülle vorliegen wie für die Amnioten. Bei dem 26 LUDWIG WILL, bisherigen Mangel sicher leitender Gesichtspunkte für die Amnioten- entwicklung — ich denke hierbei besonders an die verschiedenen An- sichten über die Amniotengastrula, speciell über die Lage des Blasto- porus — wird man es verständlich finden, wenn mir besonders die Arbeiten solcher Autoren unschätzbare Dienste erwiesen, die sich möglichst frei von theoretischen Voraussetzungen und möglichst genau an das Object hielten. Diese Arbeiten bilden ein so sorgfältig aus- gearbeitetes Actenmaterial, dass sie dauernd eine wichtige Fundgrube abgeben werden. Für eine gerechte Beurtheilung der oben zusammengestellten An- sichten ist es durchaus nöthig, den ontogenetischen Standpunkt vom phylogenetischen zu trennen. Nach meinen Erfahrungen an — mit Einschluss der Eidechse — drei Reptilienformen, deren geologisches Alter jedenfalls bedeutend differirt, macht sich bereits in der Stammes- entwicklung der Reptilien das Bestreben zu einer immer früher auf- tretenden blattartigen Anordnung des Entoderms und damit zu einer früheren Selbständigkeit dieses Keimblatts bemerkbar. So geht der ur- sprüngliche Zusammenhang beider Keimblätter in der Primitivplatte, der bei der Schildkröte sowie dem Gecko einen so in die Augen springenden Charakter abgiebt, bei der Eidechse bereits zu so früher Zeit verloren, dass, wenn die jüngsten Stadien der Differenzirung des Ectoderms nicht zu Gebote ständen, man zu der Ueberzeugung gelangen könnte, dass die Primitivplatte einer Wucherung des Ectoderms den Ur- sprung verdanke, eine Ueberzeugung, die in der That auch HOFFMANN, dem bisher die jüngsten Entwicklungsstadien vorgelegen haben, gewonnen hat. Wenn nun auch diese Meinung, die mit der ersten der oben auf- geführten Ansichten zusammenfällt, für Lacerta auch in der Ontogenie nicht zutrifft, so scheint nach den vorliegenden ausserordentlich um- fassenden Literaturangaben bei den beiden höchsten Amniotenordnungen die verfrühte Sonderung des Entoderms doch schon einen solchen Grad erreicht zu haben, dass die unter No. 1 aufgeführte Ansicht für Vögel und Säuger in der Ontogenie das Richtige zu treffen scheint. Die richtige Erkenntniss der Phylogenie oder, präciser ausgedrückt, die richtige Erkenntniss jener Vorgänge welche von dem ursprüng- licheren Entwicklungsgang bei den alten Reptiliengeschlechtern zu demjenigen der Vögel und Säuger hingeführt haben, zwingt uns na- türlich, die richtigen Thatsachen, welche dem zuerst von KÖLLIKER verfochtenen Satze von der Entstehung des Primitivstreifens als einer ectodermalen Wucherung zu Grunde liegen, in eine Form zu bringen, die auch den Anforderungen der Phylogenie genügt. Nach meinen Untersuchungen an Reptilien, die sich in der Beobachtung voll- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. Sail kommen mit den neuesten Untersuchungen van BENEDEN’S ') an Fleder- mäusen begegnen, haben wir nicht die gesammte oberflächliche Zellen- lage des Blastoderms der Vögel und Säuger als Ectoderm aufzufassen, sondern derjenige Theil, aus dem die Primitivplatte hervorgeht, ent- spricht einem Theil des Entoderms, der sich in Folge der angedeu- teten stammesgeschichtlichen Verschiebung früher, als das beim Gecko der Fall ist, von den tiefern Lagen des Entoderms getrennt hat ?). Wenn nun für die richtige Beurtheilung der Entstehung der Pri- mitivplatte in der ganzen Reihe der Amnioten der phylogenetische Standpunkt unzweifelhaft der allein maassgebende sein kann, dieser aber auf der Entwicklung zunächst der niedersten Amnioten basirt, so muss es von höchster Wichtigkeit sein, bei diesen und in unserm Falle beim Gecko den Ursprung ganz unzweifelhaft darzuthun. Wenn ich nun auch glaube, dass die vorstehende Schilderung bereits den vollen Beweis für die Entstehung der Primitivplatte enthält, so lohnt es sich doch, noch einmal die Reihe der Stadien zu überblicken. Gehen wir rückwärts von einem Stadium mit bereits vor- geschrittener Wucherung in der Primitivplatte, also z. B. von Fig. 41, aus, so können wir die Primitivplatte zurückverfolgen in eine Zeit, wo diese Wucherung soeben erst eingesetzt hat (Fig. 37, 40) und der Embryonalschild eben äusserlich hervorzutreten beginnt. Ein noch jüngeres Stadium stellt Fig. 36 dar, wo der Wucherungsprocess in der Primitivplatte noch nicht eingesetzt hat, wo aber dennoch schon die ersten Andeutungen eines solchen sich in der polyedrischen Ge- stalt äussern, welche die Zellen der Primitivplatte angenommen haben. Nichtsdestoweniger besteht bereits in der letztern der für sie cha- rakteristische enge Zusammenhang der obern Zellen mit den tiefern. Schliesslich langen wir dann in Fig. 35 bei einem Stadium an, in dem sich das Ectoderm soeben erst differenzirt hat, in dem aber die An- lage des Schildes weder oberflächlich noch auf Schnitten hervortritt. Statt nun aber auf diesem Stadium im ganzen Bereich der Keim- scheibe das obere Blatt völlig von dem untern getrennt anzutreffen, wie es für die höhern Amnioten angegeben wird und für die bisher 1) Ep. van Beneoen, Untersuchungen über die Blätterbildung, den Chordacanal und die Gastrulation bei den Säugethieren, in: Anatom. Anz. 1888. 2) Die Sonderung der beiden Entodermtheile beim Gecko werden wir auf einem spätern Stadium kennen lernen; hier sei nur vorweg bemerkt, dass dieselben als primäres und secundäres Entoderm unter- schieden werden sollen. 28 LUDWIG WILL, untersuchten Vögel und Säuger wirklich zuzutreffen scheint, finden wir, dass diese Abgrenzung für die Region der Primitivplatte beim Gecko nicht zutrifft, dass an dieser Stelle bereits zu so früher Zeit ein allmählicher Uebergang der obern in die tiefern Zellen besteht. Die Zellen, welche die Primitivplatte zusammensetzen, machen nun aber auf, diesen Stadien einen so jugendlichen und indifferenten Eindruck, theils durch ihre rundliche Gestalt und ihre lockere Grup- pirung, theils durch ihren Dottergehalt, dass es ganz ausgeschlossen ist, anzunehmen, dass hier schon Wucherungserscheinungen sich abge- spielt haben sollen oder aber dieser Zusammenhang der Keimblätter in der Primitivplatte bereits das Product einer secundär eingetretenen Verschmelzung sei. Wir kommen demnach zu dem Resultat, dass die Primitivplatte („Sichel“) eine Bildung primärer Art ist und dadurch zu Stande kommt, dass an der betreffenden Stelle der Keimscheibenoberfläche die Differenzirung des obern Keimblatts unterbleibt, in Folge dessen also das Ento- derm an dieser Stelle zu Tage tritt. Wenn ich nun, wie vorhin bereits ausgesprochen wurde, auch glaube den soeben ausgesprochenen Satz an der Hand der geschil- derten Stadien hinreichend bewiesen zu haben, so erlaubt mir das umfangreiche Material gerade von jüngern Stadien doch, noch ein Uebriges zu thun. Mit Berücksichtigung der Thatsache, dass die ganze Frage des Ursprungs der Primitivplatte auf das engste zu- sammenhängt mit der andern: existirt vor dem Auftreten einer Pri- mitivplatte eine völlige Abgrenzung der zwei Keimblätter resp. Keim- blattanlagen oder nicht, untersuchte ich eine grössere Anzahl von Keimscheiben, die sich im Stadium der Differenzirung des Ectoderms befanden. Zwar erschöpfte ich nicht den mir zur Verfügung stehenden Vorrath an Eiern, erstens nicht, weil mir bei beschränkter freier Zeit vorläufig einfach die Musse zur Anfertigung so vieler und so langer Serien fehlte, dann aber nicht, um bei einer spätern Bearbeitung der Furchung noch ältere intacte Keimscheiben zur Verfügung zu haben; immerhin aber beläuft sich die Zahl der hierher gehörenden und auf lückenlosen Schnittserien untersuchten Keimscheiben auf 27. Gehen wir nun von dem Stadium der Fig. 35 aus noch weiter nach rückwärts, so stossen wir zunächst auf Stadien, in denen zwar das Ectoderm an gewissen Stellen der Keimscheibe bereits, wenn auch etwas weniger deutlich ausgeprägt, vorhanden, in denen aber an einer geringern oder grössern Stelle in der Nähe der Keimscheibenmitte regelmässig von einer solchen Differenzirung nichts zu bemerken war. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 29 Noch weiter zurück aber wurde auch in den seitlichen Theilen das Ectoderm als gesonderte Lage undeutlicher, und schliesslich gelangte ich bei Blastodermen an, die überhaupt noch keine Anfänge einer Son- derung in Keimblätter erkennen liessen. Als Gesammtresultat kann ich verzeichnen, dass ich bei keiner einzigen der untersuchten Keimscheiben eine völlige Sonderung zweier Keimblätter beobachten konnte. Wo überhaupt eine solche Sonderung bereits begonnen hatte, liess sie stets eine Stelle in der Nähe der Mitte der Keimscheibenoberfläche frei, an der demnach eine Differenzirung in Ectoderm und Entoderm unterblieben war. Ein solches Stadium wurde in Fig. 34 abgebildet, zu der ich nur zu bemerken habe, dass die Abgrenzung des Ecto- derms an den Stellen, wo sie überhaupt eingetreten ist, etwas schärfer ausgeprägt wurde, damit sie bei der schwachen Vergrösserung noch zum Ausdruck kam!). Wenn nun auch der Ort, an dem die Bildung des Ectoderms unterbleibt, keine ganz feste Lage hat und in den- selben Grenzen Schwankungen unterliegt, wie später die Lage des Embryos auf der Keimscheibe, so ist es natürlich unmöglich, durch Messungen sein Zusammenfallen mit der Primitivplatte nachzuweisen. Dennoch ist wohl nichts wahrscheinlicher, als dass wir in dieser Stelle die erste Anlage der Primitivplatte zu erblicken haben. Bei der fortschreitenden Differenzirung des Ectoderms ist es von Interesse zu beobachten, dass dieser Process sich nicht in den gleichen Bahnen bewegt wie der Furchungsprocess oder die allmählich fort- schreitende Umwachsung des Dotters durch die Keimscheibe. Während das Wachsthum der letzteren ein centrifugales ist, beginnt die Ab- grenzung einer obern Zellenlage, also eines Ectoderms, nicht im Cen- trum, sondern in einer Zone, die zwischen diesem und dem Keimwall liegt. Schon Kozrer ?) hat beim Hühnchen die gleiche Beobachtung gemacht, wenn er sagt: „— — ihre Zellen (die der oberen Keim- schicht) sind nur im Randtheile des Keimes deutlicher von den Elementen der untern Lage differenzirt und da von cubischer Form, nicht dagegen in dem über der Keimhöhle gelegenen Theile.“ 1) Leider ist an der kritischen Stelle pp das Original in der Litho- graphie nicht getreu wiedergegeben, indem hier die oberflächlichen Zellen mit zu scharfen Contouren versehen sind, so dass dadurch der thatsächlich bestehende allmähliche Uebergang zu den tiefern Zellen an der betreffenden Stelle aufgehoben wird. 2) Le. 30 LUDWIG WILL, Da nun ferner jene Stelle, an welcher im Anfang die Differen zirung der Keimblätter unterblieben ist, umfangreicher ist als die- Primitivplatte auf den spätern Stadien, so geht hieraus hervor, was natürlich durch eine speciell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchung genauer auszuführen wäre, dass der Differenzirungsprocess der Keim- blätter einen centripetalen Verlauf nimmt. Wir würden in diesem Differenzirungsprocess der Keimblätter demnach einen Vorgang vor uns haben, der der Epibolie am Amphi- bienei zu vergleichen wäre, die ja bei diesem ebenfalls der Invaginationsgastrula voraufgeht. Ich werde weiter unten noch ein- mal Gelegenheit finden, auf diesen Punkt zurückzukommen. Da demnach die Primitivplatte dadurch zu Stande kommt, dass an einer: bestimmten Stelle der Keimscheibenoberfläche der eben er- wähnte Differenzirungsprocess des Ectoderms unterbleibt, hier also das Entoderm zu Tage tritt, hat die Primitivplatte die Bedeu- tung eines Blastoporus, der sowohl in genetischer wie morpho- logischer Beziehung durchaus dem Blastoporus der Amphibien auf dem Stadium gleicht, in dem die Invagination noch nicht einge- setzt hat. 2. Beginn der Gastrulaeinstülpung (Stadium II). Wir haben während des vorigen Entwicklungsstadiums gesehen, wie die anfänglich sichelförmige Primitivplatte durch allmählichen Schwund ihrer Sichelhörner zu einer rundlichen Platte wird. Wenn diese Erscheinung durchaus als die Regel gelten kann, so habe ich dagegen in zwei Fällen die Ausnahme zu verzeichnen, dass die Pri- mitivplatte (Fig. 8, 9, Taf. 1) ihre ursprünglich sichelförmige Gestalt noch mit in dieses II. Stadium hinübergenommen hat. Je nach der Form der Primitivplatte ist nun auch die äussere Gestalt der auf derselben auftretenden Gastrulaeinstülpung eine ver- schiedene. Ist die Primitivplatte bereits rund, so tritt auch die In- vaginationsöffnung in der Regel in Form einer runden Delle auf; hat sie dagegen ihre Sichelgestalt erhalten, so hat auch die Einstülpungs- stelle die Gestalt einer typischen Sichelrinne. Obwohl letztere Form unzweifelhaft die phyletisch ältere ist, stellt sie dennoch beim Gecko nur noch ein aussergewöhnliches Vorkommen dar. Ich beginne daher die Schilderung mit Embryonen, bei denen die Einstülpung in typischer Weise von einer rundlichen Delle ihren Ausgang nimmt. Von den acht Embryonen, welche den Beginn der Gastrulaein- stülpung erkennen lassen, soll zunächst der in den Figuren 4, Taf. 1, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 31 Fig. 42, Taf. 6 abgebildete Embryo geschildert werden, weil er die einfachsten Verhältnisse aufweist und sich unmittelbar an die im vorigen Capitel geschilderte Fig. 1 anschliesst. Der birnförmige Embryonalschild (Fig. 4) hatte eine Länge von 1,72 mm, eine Breite von 1,18 mm und war bereits wesentlich schärfer umschrieben, als das noch auf dem vorhergehenden Stadium der Fall war. Das stielförmig ausgezogene Hinterende wird von der uns bereits bekannten Primitivplatte eingenommen, die zwar äusserlich eine rundliche Form hat, in Wirklichkeit, wie sich aus Schnitten er- giebt, noch als Sichel zu bezeichnen ist, da gegenüber einer Längen- ausdehnung von 0,144 mm ihre Breite 0,32 mm beträgt. Nichts- destoweniger hat die beginnende Einstülpung nicht die Form einer Sichelrinne, sondern entsprechend der äussern Form der Platte einer eben wahrnehmbaren rundlichen Delle von 0,108 mm Durchmesser. Wie wir an dem medianen Längsschnitt (Fig. 42) ersehen, wird der ectodermale Schild im Gegensatz zu Lacerta immer noch aus einer einfachen Lage hoher Cylinderzellen gebildet, auf welche dann weiter nach rechts die Primitivplatte mit der Delle und noch weiter in der gleichen Richtung das stark abgeplattete Ectoderm der Zona intermedia folgt, welches letztere wiederum, über das Entoderm sich gleichsam hinwegschiebend, eines engeren Zusammenhanges mit dem Zellenmaterial der Primitivplatte entbehrt. Die Delle ist an dem vorliegenden Präparat vorn tiefer und steigt nach hinten allmählich an; weiter aber zeigt sie an dem Punkte x einen Buckel, dessen Bedeutung erst aus dem Vergleich mit den folgenden Bildern in die Augen springt. Nur der vor dem Punkte x gelegene Abschnitt der Delle trägt nämlich zur Bildung der Urdarm- einstülpung bei, während der Abschnitt xz in dem Niveau der Keim- scheibe verbleibt und das darstellt, was man bei den Amphibien als Dotterpfropf, bei den Amnioten aber als Primitivstreif zu bezeichnen pflegt, genau gesprochen aber nur den hintern Abschnitt des Primitiv- streifens resp. auf diesem Stadium der Primitivplatte darstellt. Die Zellen der Platte haben sich noch enger an einander gelegt und sind durch gegenseitige Einquetschung — eine Folge von Ver- mehrungserscheinungen — zu langen Cylinderzellen geworden, die bei x ziemlich senkrecht stehen, im vordern Theil der Primitivplatte aber nach vorn, im hintern nach hinten gerichtet sind. Die Entoderm- zellen, welche unter den eben erwähnten gelegen sind, rühren zu einem Theil wohl aus der Tiefe her, zum andern Theil aber sind sie ohne Zweifel durch Wucherung der obern neu entstanden, wie schon 39 LUDWIG WILL, durch die charakteristische Lage dieser Zellen in der Richtung der obern angedeutet wird. Dass aber diese Wucherung noch fortdauert, wird durch gelegentliche Kernfiguren sowie durch die Anwesenheit von zum Theil mehreren Kernen innerhalb einer Zelle bewiesen. Zu beachten ist ferner die scharfe Abgrenzung des Ectoderms des Schildes nach der Einstülpung zu, eine Erscheinung, die zwar beim Gecko nicht mehr so scharf und so allgemein hervortritt wie bei der Schildkröte, der aber dennoch eine gewisse allgemeinere Be- deutung zukommt. Statt allmählich in das Epithel der Primitivplatte überzugehen und sich in die Einstülpung umzubiegen, verjüngt sich das Ectoderm des Schildes sogar nach der Gastrulaeinstülpung zu, an der also lediglich die Zellen der Primitivplatte betheiligt sind. Der Embryo Fig. 5 unterscheidet sich nur dadurch von dem soeben betrachteten, dass die Einstülpung ein wenig tiefer geworden ist, die Primitivplatte aber bereits der rundlichen Form sich nähert. Aus der Reconstruction der Schnitte ergab sich eine Länge derselben von 0,29 mm, eine Breite von 0,37 mm. Ein anderer genau gleichaltriger Embryo ist derjenige, der mir zur Zeit der Abfassung meiner beiden vorläufigen Mittheilungen allein vorlag. Der Embryonalschild zeichnet sich durch besondere Dimen- sionen aus (Schildlänge 2,08 mm, Schildbreite 1,44 mm, Breite der Einstülpungsöffnung 0,18 mm), sowie durch eine leichte Einziehung, welche den wulstigen Rand der Delle in einen vordern und einen hintern Abschnitt (Fig. 6) abgrenzt, ein Verhalten, das ich übrigens nur bei diesem und einem andern gleich zu beschreibenden Embryo dieses Stadiums so scharf ausgeprägt vorfand. Durch diesen Embryo wurden Querschnitte gelegt und ein solcher, der durch die Mitte der Gastrulaeinstülpung geht, in Fig. 46 abge- bildet. Wir bemerken an demselben, dass die Primitivplatte sich jederseits ebenso scharf von dem benachbarten Ectoderm abgrenzt, wie das an ihrem Hinterrande der Fall ist, so dass von einem all- mählichen Uebergang beider in einander an keiner Stelle gesprochen werden darf. Dasselbe Verhalten zeigte übrigens in besonderer Schärfe ein anderer Embryo gleichen Alters, von dem ein Querschnitt durch die Primitivplatte in Fig. 43 abgebildet wurde. Die Anordnung der Zellen der Primitivplatte in Fig. 46 ist nun eine derartige, dass sie uns über das Zustandekommen der Einstülpung sehr hübschen Aufschluss giebt. Wie wir aus der Abbildung ersehen, beginnen auch hier bereits die Zellen, welche die Mitte der Ein- stülpung auskleiden, sich epithelartig an einander zu legen. Aller- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 33 dings ist diese Anordnung zu dieser Zeit noch sehr unvollkommen, denn die Zellen sind von sehr ungleicher Grösse, einige über doppelt so gross wie ihre Nachbarn, und in Folge dessen mit ihrem distalen Ende, das häufig kolbenartig angeschwollen ist, weit zwischen die tiefern Zellen hineinragend. Hie und da gewahrt man auch Zellen, welche durch deutliche Plasmabrücken mit den tiefer gelegenen zu- sammenbängen und dadurch ihre enge Verbindung an den Tag legen; überall aber liegen die tiefern Zellen den oberflächlichen so dicht an und gleichen ihnen so sehr in ihrem histologischen Charakter, dass zwischen beiden nur von einem ganz allmählichen Uebergang ge- sprochen werden kann. Nach den Rändern der Einstülpung zu, in denen die Zellenver- vermehrung eine besonders lebhafte ist, nehmen die Zellen mehr und mehr an Grösse zu, hierbei in Folge gegenseitigen Druckes eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Kolbengestalt annehmend. Zum Theil enthalten sie, wie wir das ja schon an Längsschnitten wahrgenommen haben (Fig. 40,41), mehrere Kerne, die wohl nur aus der Theilung eines ursprünglichen hervorgegangen sein können, worauf auch gelegentlich beobachtete Theilungsfiguren hinweisen. Die geschilderten Verhält- nisse treten besonders links in der Figur hervor, wo übrigens einzelne Zellen bereits im Zerfall in ihre Tochterelemente begriffen sind, die aber theilweise noch so bei einander liegen, dass sie zusammen die Gestalt der Mutterzellen ergeben. Rechts ist der Zerfall der grossen Zellen schon weiter gediehen. Diese Verhältnisse ergeben unmittelbar die Ursachen der Ein- stülpung. Durch die lebhafte Zellenwucherung in den Randtheilen der Primitivplatte wird ein Druck erzeugt, der sich auf die weniger in- tensiv wuchernde Mitte der Platte fortpflanzt und diese so zur Ein- stülpung zwingt. Der Vorgang spielt sich demnach in genau der- selben Form ab wie bei jeder Gastrulation durch Invagination. Ein anderer Embryo der gleichen Entwicklungsperiode wies gleichfalls eine ungewöhnliche Form der Einstülpungsöffnung auf (Fig. 7, Taf. 1). Dieselbe war von dreieckiger Gestalt und zeigte ebenfalls eine Glie- derung des Einstülpungsrandes in eine vordere quere und eine hintere hakenförmig gebogene Lippe. Querschnitte bestätigten zwar dieses Bild, liessen aber sonst nichts Abweichendes erkennen. Der folgende, hier zu besprechende Embryo greift nun schon ein wenig über den Entwicklungszustand der beiden eben besprochenen hinaus. Das Oberflächenbild ist noch dasselbe. Der Schild nimmt in seinen Dimensionen (Länge 4,8 mm, Breite 1,44 mm) ungefähr eine Zool, Jahrb. VI. Abth. f. Morph, 3 34 LUDWIG WILL, Mittelstellung zwischen den beiden vorigen ein; die Urdarmeinsenkung war aber bei der Oberflächenbetrachtung nur sehr schwach sichtbar. Wie in Fig. 42 so war auch bei diesem Embryo (Fig. 44) auf allen Längsschnitten nicht nur das Plattenepithel der Area intermedia, sondern auch das Ectoderm des Schildes sehr scharf von den Zellen der Primitivplatte abgesetzt und ebenso wie dort an den Zellen- wucherungen völlig unbetheiligt. Wie eine feste Mauer stellt es sich den lebhaft sich vermehrenden Zellen der Platte entgegen, die nur dadurch dem Hinderniss ausweichen können, dass sie sich nach vorn unter den Schild vorschieben. Die Primitivplatte hat zunächst dadurch eine Veränderung er- fahren, dass der schon in Fig. 42 angedeutete Punkt x bedeutend schärfer hervortritt, wodurch gleichzeitig das verschiedene Verhalten des vordern und des hintern Abschnitts der Platte sehr scharf her- vorspringt. Wir sehen, dass nur der vordere Abschnitt sich an der Bildung der Einstülpung betheiligt, während der hintere sich lediglich auf die Zellenwucherung beschränkt, im Niveau der Keimscheibe liegen bleibt resp. über das Niveau derselben vorragt und das Homologon des Dotterpfropfes der Amphibiengastrula darstellt, der bei den Am- nioten passender als Entodermpfropf bezeichnet werden dürfte. Da nothwendiger Weise die ganze Primitivplatte als Blastoporus auf- zufassen ist, dessen vordere Lippe von dem Ectoderm des Schildes, dessen hintere und seitliche Ränder dagegen von den Plattenzellen der Area intermedia gebildet werden, so kann man demnach auch hier mit demselben Recht wie bei den Amphibien von einer theilweisen Verstopfung des Urmundes durch den Entodermpfropf sprechen. Wie man nun die Primitivplatte entsprechend ihrer Bedeutung auch als Urmundplatte oder Prostomialplatte bezeichnen kann, so kann man den geöffneten Theil des Blastoporus, die Einstülpungsöffnung, sehr zweckmässig als Urmundöffnung oder Prostomialöffnung unterscheiden. Während jenes Vorganges, den wir als die Differenzirung des Ecto- derms kennen lernten und mit der sogenannten Umwachsung des Dotters, resp. der stark dotterhaltigen Zellen des vegetativen Pols bei den Amphi- bien verglichen, muss natürlich die Anlage der Primitivplatte (Blasto- porus), wie wir auf S. 19 gesehen haben, in Folge des gegen sie vor- rückenden Differenzirungsprocesses mehr und mehr an Ausdehnung ab- nehmen. Hat sodann der Blastoporus die Gestalt der Sichel erreicht, so macht sich die weitere Abnahme der Flächenausdehnung in dem all- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 35 mählichen Schwunde der Sichelhörner geltend, bis er zu einer rund- lichen Primitivplatte wird. Diese Abnahme der Primitivplatte würde natürlich noch weitere Fortschritte machen, besonders in Folge des Eintretens der Invagi- nation, wenn ihr nicht dadurch entgegengearbeitet würde, dass in gleicher Weise, wie der vordere Abschnitt seine Flächenvergrös- serung zur Vertiefung der Einstülpung verwendet, der hintere Ab- schnitt, der Entodermpfropf, in Folge der Zellenwucherung an Länge zunähme. In Folge dieses Vorganges erhält sich zunächst die Pri- mitivplatte in ihrer derzeitigen Länge. Später aber wird das Längen- wachsthum des Entodermpfropfes ein so bedeutendes, dass in Folge dessen auch die ganze Primitivplatte so sehr an Länge zunimmt, dass aus der rundlichen Platte ein ziemlich langgestreckter Primitiv- streif, oder, wie er entsprechend seiner Bedeutung auch genannt werden kann, ein länglicher Prostomial- oder Urmundstreif resultirt. Diese Längenzunahme des Entodermpfropfes tritt uns zum ersten Mal in Fig. 44 entgegen, wenn wir sie mit der bei der gleichen Ver- grösserung gezeichneten Fig. 42 vergleichen. Wie in den vorhin besprochenen Figuren folgt auch hier auf den Entodermpfropf nach hinten das Plattenepithel der Area intermedia. Auch sonst erweist sich der Wucherungsprocess an der Primitiv- platte bei dem vorliegenden Embryo bedeutend weiter vorgeschritten, als das bei den beiden zuletzt betrachteten der Fall war. Die aus der Wucherung hervorgegangenen Entodermzellen bilden bereits eine ansehnliche Zellenanhäufung unterhalb des Primitivstreifs, die sich sogar eine Strecke weit unter das Ectoderm des Schildes wie nach hinten und seitwärts unter dasjenige der Area intermedia vorschiebt. Die Anordnung der Zellen spricht hier so klar für die Natur des Processes, dass es überflüssig sein würde, das Bild noch durch Worte erläutern zu wollen. Nur darf man auch hier nicht schematisch verfahren und die von der Primitivplatte ausgehenden Fortsatzbildungen ausschliess- lich auf die geschilderten Wucherungsvorgänge zurückführen wollen. Sehen wir uns nämlich zunächst den nach vorn gerichteten Fortsatz an, der als Kopffortsatz bezeichnet werden mag, da er der gleichen Bildung der Vögel und Säuger entspricht, so ergiebt sich sofort aus dem Vergleich mit der Fig. 40, 41 derselben ‘Tafel, dass an seinem Aufbau auch Entodermzellen Theil genommen haben, die bereits in loco vorhanden waren, also nicht erst dem Wucherungsprocess der Primitivplatte entstammen. Mit Sicherheit ist die Beimischung solcher 3% 36 LUDWIG WILL, directen Furchungsderivate an der jemaligen Spitze des Kopffortsatzes nachzuweisen, wie später noch ausgeführt werden soll. Ganz dasselbe gilt natürlich auch von den nach hinten und seitwärts gerichteten Fort- sätzen (vgl. hierzu auch Fig. 43, 46), die anfangs mehrschichtig sind, in zunehmender Entfernung von der Urmundplatte aber allmählich an Schichtenzahl abnehmen und schliesslich ohne Grenze in die oberste blattartige Lage der Entodermzellen der Area intermedia übergehen. Eine eingehende Besprechung verdienen noch zwei Embryonen, bei denen die Primitivplatte noch auf diesem Stadium ihre anfängliche Sichelform bewahrt hatte und in Folge dessen auch die Einstülpung bei beiden nicht als rundliche Delle, sondern in Gestalt einer wahren Sichelrinne auftrat. Bei beiden Embryonen, die in den Figg. 8 und 9 in der An- sicht von oben dargestellt wurden, tritt die Primitivplatte schon äusserlich so stark hervor, dass sie als ein ansehnlicher querer Wulst am Hinterrande des Schildes erscheint. Die Sichelnatur derselben wird aber erst dadurch in das rechte Licht gerückt, dass in beiden Fällen die beginnende Gastrulaeinstülpung die Form einer queren seichten Furche angenommen hat, die in dem einen Fall 0,58 mm, in dem andern 0,47 mm breit war, dagegen in der Längsrichtung des Embryos nur eine sehr geringe Ausdehnung besass. Diese Furche war in der Mitte am tiefsten und verstrich nach den Seiten ganz allmählich; nach vorn zeigte sie sich leicht gekrümmt und verhielt sich demnach in allen Punkten genau wie die Sichelrinne des Vogel- keims, weshalb ich auch kein Bedenken trage, sie mit dieser zu identi- ficiren. Diese nach vorn gebogene Sichelgestalt schliesst auch bei rein äusserlicher Betrachtung eine Verwechslung des Sichelstadiums mit spätern Stadien nach vollendeter Urdarmeinstülpung vollständig aus. Zu späterer Zeit nimmt nämlich die Urdarmöffnung ganz regel- mässig die Form einer hufeisenförmigen Spalte an, die sich aber stets dadurch von der Sichelrinne unterscheidet (Fig. 12), dass ihre Schenkel immer nach hinten gerichtet, ausserdem aber auch ihre Dimensionen bedeutend geringer sind. Natürlich musste es ausserordentlich nahe liegen, die Möglichkeit zu erwägen, ob nicht diese beiden Stadien mit Sichelrinne jünger seien als jene mit dellenförmiger Urdarmeinsenkung, ob es sich nicht um ein regelmässiges Zwischenstadium handle, welches stets der dellen- formigen Bildung vorangehe. Diese Möglichkeit war jedoch schon durch die Thatsache abgeschnitten, dass in den meisten Fällen die Sichel ihre ursprüngliche Form bereits vor dem Auftreten der Invagi- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 37 nation eingebüsst hatte; dann aber wurde sie auch noch durch das Ergebniss der in sagittaler Richtung durch beide Embryonen gelegten Schnitte unwahrscheinlich gemacht. Beide Schnittserien, die bezüglich ihrer Erhaltung als durchaus tadellos gelten können, zeigten nämlich, dass beide Embryonen un- zweifelhaft dem Stadium II angehörten. Während der eine (Längs- schnitt Fig. 45) in Bezug auf Alter zwischen Fig. 42 und Fig. 44 steht, deckt sich der andere (Fig. 9) in Bezug auf den Bau und die Wucherungsverhältnisse der Primitivplatte fast vollständig mit Fig. 44. Wir haben demnach die Embryonen mit Delle und mit Sichelrinne als gleichaltrige zu bezeichnen. Ziehen wir nun aus diesem verschiedenen Verhalten einen Schluss, so können wir sagen, dass das erste Auftreten der Gastrulaeinsenkung in Form einer Sichelrinne beim Gecko keine constante Erscheinung ist, dass vielmehr die Gestalt der beginnenden Einstülpung im Flächen- bild durchaus abhängig ist von dem Entwicklungsgrade, den die Pri- mitivplatte in Bezug auf ihre Flächenausdehnung zeigt. Hat die Primitivplatte ihre Sichelgestalt bereits vor dem Beginn der Ein- stülpung aufgegeben, so tritt diese in Form einer rundlichen Delle auf, hat dagegen, wie in Fig. 8, 9 die Primitivplatte ihre sichelförmige Gestalt noch nicht eingebüsst, so macht sich die beginnende Gastrula- einsenkung in Form einer Sichelrinne bemerkbar. Da aber die äussere Form der Primitivplatte lediglich abhängig ist von dem jeweiligen Fortschritt, den die Epibolie, d. h. die Ueberwachsung der Primitiv- platte von Seiten des Ectoderms, gemacht hat, so muss natürlich die auf diesem Stadium sich findende Ungleichmässigkeit später ihren Ausgleich finden, so dass in allen Fällen nur der mittlere Theil der Sichel zur Primitivplatte resp. zum Primitivstreif wird und nur der mittlere Theil der Sichelrinne in die spätere Primitivrinne übergeht. Diese Annahme findet durch die spätern Stadien ihre Bestätigung, indem die grosse Zahl der zur Untersuchung kommenden ältern Em- bryonen nur den mittlern Theil der Sichel sowohl wie der Sichelrinne ausgebildet zeigten und in keinem Falle der bleibende Urmundspalt — wenn es erlaubt ist, von einer bleibenden Bildung zu sprechen, wo es sich doch nur um eine längere Zeit andauernde handelt — auch nur entfernt die Ausdehnung der ehemaligen Sichelrinne zeigte. Uebrigens ist diese Thatsache, dass nur die axialen Theile von Sichel und Sichelrinne in die Bildung des Primitivstreifens und der Primitivrinne übergehen, für die Vögel bereits nachgewiesen, und für die Schildkröte trifft sie, wie ich nach eigenen Beobachtungen hinzu- 38 LUDWIG WILL, fügen kann, ebenfalls zu‘). Bei der Schildkröte (Cistudo lutaria), bei welcher die Sichel ein so umfangreiches Gebilde ist, dass sie schon mit blossem Auge nicht zu verkennen ist, traf ich an dem einzigen mir aus dieser Periode zur Verfügung stehenden Embryo eine aus- gedehnte Sichelrinne an. Hier scheint demnach das erste Auftreten der Invagination eine constantere Erscheinung zu sein als beim Gecko, es müsste denn ein sonderbarer Zufall sein Wesen getrieben haben, der mir gerade einen Embryo mit abweichendem Verhalten in die Hände gespielt hätte. Wie erwähnt, steht der Schnitt (Fig. 45) dem Alter nach zwischen den Figuren 42 und 44. Der Blastoporus oder die Primitivplatte erstreckt sich von y bis z, während bei x die Grenze zwischen dem hintern Entodermpfropf und dem vordern zur Einstülpung gelangenden Ab- schnitt liegt. Beide Abschnitte zeigen durch die ganze Serie, besonders aber auf dem zur Abbildung gewählten Schnitt ibren specifischen histologischen Charakter in besonders scharfer Ausprägung. Während der Entodermpfropf in lebhafter Wucherung begriffen ist und seine Zellen durch rasch auf einander folgende Theilungen kleiner geworden sind, nehmen wir an dem vordern Theil des Primitivstreifens a y eine Gliederung desselben in die Theilstrecken x x, und x, y wahr, von denen & 2, in seinem histologischen Verhalten vollkommen dem Entodermpfropf gleicht und später zur ventralen resp. hintern Wandung des Urdarms wird, während die Strecke x, y, in die obere Urdarm- wandung übergeht und schon zu dieser Zeit die Charaktere ange- nommen hat, welche ihr im ausgebildeten Zustand zukommen. Wie die obere Wand des fertigen Urdarms mit grosser Regelmässigkeit von einem einfachen Cylinderepithel gebildet wird, zeigt schon zu dieser Zeit die Anlage derselben, nämlich die Strecke x, y, diesen Charakter dadurch ausgeprägt, dass in ihr die Zelltheilungen vor- nehmlich in der Richtung der Fläche vor sich gehen, so dass da- durch kein Zellenhaufen, sondern ein Cylinderepithel entsteht. Wenn nun auch dieses verschiedene Verhalten der beiden Hälften des an der Urdarmeinstülpung betheiligten Abschnitts der Primitiv- platte später bei vorgeschrittener Einstülpung an allen Embryonen zum Ausdruck kommt, indem alsdann (cf. Taf. 8, 9) die obere Urdarm- wand stets den epithelialen Charakter in grosser Reinheit ausgeprägt zeigt, während in der untern, besonders dem hintern Theil derselben, 1) L. Wu, Zur Kenntniss der Schildkrötengastrula, in: Biol. Centralbl. 1892. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 39 eine grössere Neigung zu Wucherungserscheinungen besteht, so ist es doch durchaus nicht nöthig, dass sich diese Verschiedenheit bereits im Beginn der Einstülpung bemerkbar macht. Ein Blick auf die bereits geschilderte Fig. 44 dürfte zum Beweise genügen. Selbst in derselben Serie, der die Fig. 45 entnommen ist, kommen Schnitte vor, in denen auch auf der Streck x, y einzelne Zellen nach unten vorgequetscht werden und, so aus dem Verbande des Cylinderepithels ausscheidend, geeignet sind, darzuthun, dass auch auf dieser Strecke Wucherungserscheinungen keineswegs ganz ausgeschlossen sind. Bekanntlich spricht bereits KUPFFER !) in seiner Arbeit über die Gastrulation der Reptilien von einer Sichel bei Eidechsen und Schild- kröten, während vielfach die Einstülpungsöffnung direct der Sichel- rinne des Hühnchens verglichen wird. Ich muss zugeben, dass bei unsern bisherigen Kenntnissen von der Reptilienentwicklung diese Bezeichnungen und Vergleiche ganz berechtigt waren. Allein durch die Ergebnisse der Geckoentwicklung gestalten sich die Dinge derart, dass wir die Ausdrücke Sichel und Sichelrinne etwas einschränken, zugleich aber präcisiren müssen. Für die Reptilien müssen wir jeden- falls den Namen Sichel auf die Zeit beschränken, wo die Primitiv- platte die Gestalt einer Sichel hat. Die Sichel würde demnach das Urmundfeld darstellen, wir hätten mit ihr den nothwendigen Begriff zu verbinden, dass an dieser Stelle die Differenzirung der Keimblätter unterblieben ist. Ebenso kann von einer Sichelrinne nur so lange gesprochen werden, als auch eine Sichel vorhanden ist. Die jüngsten Stadien Kuprrer’s nun gehören sämmtlich einer viel spätern Periode an, einer Periode, wo die Einstülpung längst bedeu- tendere Dimensionen angenommen hat, ja höchst wahrscheinlich zum Theil schon der Durchbruch des Urdarms erfolgt ist?). Zu einer solchen Zeit ist eine Sichel im eigentlichen Sinne bereits längst geschwunden, nur ihr medianer Theil ist in Gestalt einer rundlichen Primitivplatte übrig geblieben. Wenn Kuprrer dennoch von einer Sichel spricht, so meint er damit eine Erscheinung, wie sie sich z. B. in meiner Fig. 24, Taf. 3 unmittelbar hinter dem Schilde ausprägt. Diese sichelförmige Figur rührt nun, wie Schnitte ergaben, von einer 1) ©. Kurrrer, Die Gastrulation an den meroblastischen Eiern der Wirbelthiere und die Bedeutung des Primitivstreifs, 4 Tfln., in: Arch. f. Anat. u. Physiol. 1882, Anat. Abth., p. 1—28. 2) Kurprrer hat offenbar vielfach Schrägschnitte vor sich gehabt, weshalb er den Durchbruch übersehen; das gilt speciell von seinen Figg. 15 u. 16, bei denen ein Durchbruch unzweifelhaft vorhanden ist. LUDWIG WILL, localen Verdickung der Mesodermfortsätze her, welche allseitig von der Primitivplatte ausgehen. Da die schwindenden Hörner der eigentlichen Sichel nun allerdings wesentlich in die Mesodermbildung im Bereich der Primitivplatte aufgehen, so könnte der erwähnte Mesodermverdickung die überwachsenen Sichelhörner darstellen. Den Charakter der Sichel aber haben sie auf jeden Fall durch den Process der Ueberwachsung eingebiisst !). Uebrigens handelt es sich nach meinen Beobachtungen nicht ein- mal um eine regelmässige Erscheinung, denn ich habe unter all den zahlreichen Embryonen trotz darauf gerichteter Aufmerksamkeit beim Gecko nur in dem einen Fall eine derartige äusserlich sichtbare Meso- dermverdickung angetroffen. Da an diesem Embryo aber bereits die hintere Partie des Schildes sich sehr scharf abgeschnürt hatte, so hatte es auf Schnitten ganz den Anschein, als ob die Erscheinung lediglich durch das Verhalten des Schildes hervorgerufen sei, welches an seinem Hinterrande das Mesoderm bis auf eine dünne Lage. nach hinten gedrängt hatte. Auch Kuprrer bildet die Erscheinung übrigens nur an zwei Embryonen ab. Jedenfalls aber wird man bei der gegebenen Definition der Sichel nicht mehr zu einer Zeit diesen Ausdruck gebrauchen wollen, wo nur noch die mediane Partie als Primitivplatte aufzufassen ist. Dasselbe aber gilt natürlich von der Sichelrinne; wenn es auch richtig ist, die Einstülpungsöffnung, wie sie beispielsweise die Figuren 15, 16, 17 zeigen, von der Sichelrinne abzuleiten, so kann man sie doch nimmermehr geradezu als Sichelrinne bezeichnen, da sie nur dem mittleren Ab- schnitt einer solchen entspricht. Bevor wir nun zu weitern Entwicklungsstadien übergehen, muss ich noch mit wenigen Worten auf das Entoderm der eben besprochenen Embryonen zurückkommen. Eine epithelartige Anordnung der Ento- dermzellen existirt bei diesen im Bereich des Schildes noch ebenso- wenig wie während des vorhergehenden Stadiums. Wie sie aus dem Furchungsprocess hervorgegangen sind, liegen sie noch in durchaus lockerer Weise neben und übereinander, nur hie und da ziehen sie sich in den oberflächlichen Schichten spindelförmig aus, treten auch 1) In einer mir erst während der Correctur bekannt gewordenen Arbeit: Gastrulation und Keimblätterbildung der Emys lutaria taurica (in: Morpholog. Arbeiten, Bd. 1, 1892) kommt auch Meunerr unter Citirung meiner vorläufigen Mittheilung zu dem gleichen Ergebniss, dass man zwischen der Korrer'schen und der Kurrrer’schen Sichel unterscheiden müsse, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 41 wohl auf kurze Strecken gelegentlich schon mit ihren Fortsätzen in Zusammenhang, so dass man höchstens von den ersten Anfängen einer blattartigen Aneinanderlagerung sprechen kann. Bemerkenswerth aber bleibt immer, in wie enge Beziehung die eben besprochenen direct aus der Furchung hervorgegangenen Entodermzellen zu dem soliden ento- dermalen Kopffortsatz treten, wie das sowohl auf Fig. 44 und 45 wie auch noch an Schnitten aus dem nächsten Stadium (Fig. 48) her- vortritt. Anders sieht es freilich im Bereich der Area intermedia aus, indem hier allerdings die Aneinanderlagerung der Entodermzellen schon soweit vorgeschritten ist, dass man an manchen Präparaten, so beispiels- weise an dem der Figur 44 zu Grunde liegenden, schon im Bereich der ganzen Zwischenzone eine zusammenhängende, meist einschich- tige Zellenlage unterhalb des Ectoderms nachweisen kann. Auch diese Entodermzellen schliessen sich so vollkommen an die Zellen des hintern Entodermfortsatzes der Primitivplatte an, dass sie als die unmittelbare Fortsetzung desselben erscheinen und die Auffindung einer Grenze zwischen beiden nur so lange möglich ist, als die Entoderm- zellen der Zwischenzone noch kein vollkommenes Blatt bilden, wie z. B. in Fig. 45. Während des ganzen eben besprochenen Stadiums stellt demnach das gesammte Entoderm noch eine durchaus einheitliche Masse dar. Die Zunahme an Zahl, welche die Entodermzellen nicht nur während der bisherigen, sondern auch noch während der folgenden Stadien erfahren, hat dreierlei Ursachen. Zu einem Theil hat sie ihren Grund in Zelltheilungen der aus der Furchung bereits hervor- gegangenen entodermalen Elemente, wie zahlreiche Theilungsfiguren besonders in den obern Schichten des Entoderms an gut conservirten Präparaten darthun; einen mindestens ebenso beträchtlichen Zuwachs aber erfahren sie von Seiten der sogenannten Nachfurchungszellen, welche sich noch lange Zeit von der Oberfläche des Dotters abzu- schnüren fortfahren; als dritte Quelle fungirt endlich der Wucherungs- process an der entodermalen Primitivplatte. 3. Die Urdarmeinstülpung nimmt die Richtung nach vorn (Stadium IID. Stellte bisher die Urdarmeinstülpung eine seichte Delle dar, die sich senkrecht in die Zellenmasse der Primitivplatte einsenkt, so ist die dritte Phase des Gastrulationsprocesses dadurch charakterisirts 42 LUDWIG WILL, dass die Einstülpung einerseits sich vertieft, andrerseits aber die Richtung nach. vorn einschlägt (Fig. 48, 49, 50). Aus diesem Stadium kamen im Ganzen 9 Embryonen zur Unter- suchung, die theils in Längs-, theils in Querschnitte zerlegt wurden und von denen im Folgenden die instructivsten zur Schilderung aus- gewählt werden sollen. Ich beginne mit dem Embryo No. 155 meiner Sammlung, dessen Verhältnisse sich ohne weiteres an diejenigen der Figuren 44 und 45 anschliessen. Das Oberflächenbild wurde nicht gezeichnet, weil es sich so ziemlich mit dem gleich zu schildernden der Fig. 12 deckt, welches sich wie bei allen Embryonen dieses Stadiums besonders da- durch auszeichnet, dass der vordere Urmundrand in Folge des nach vorn gerichteten Wachsthums der Einstülpung stark gewulstet er- scheint. Der Sagittalschnitt Fig. 48 ist so lehrreich, dass wenige Worte zu seiner Erläuterung genügen. Der Embryonalschild besteht immer noch aus einer einfachen Lage von Cylinderzellen und geht an seinem hintern Ende in die Primitivplatte (y—z) über, welche bei 2 in ihre beiden Abschnitte, den Entodermpfropf (x—z) und den vordern Ab- schnitt («—y) zerfällt, der allein an der Einstülpung betheiligt ist. Diese ist bedeutend tiefer geworden und ragt nun nicht mehr senk- recht nach unten, sondern hat soeben die Richtung schräg nach vorn eingeschlagen. Ihre kurze vordere Wandung wird von einem sehr hohen Cylinderepithel gebildet, welches am vordern Einstülpungsrande ohne scharfe Grenze in das ectodermale Cylinderzellenepithel des Schildes übergeht. Besonders lang werden die Cylinderzellen an der Spitze der Einstülpung. Sie weisen hier an manchen Schnitten zahl- reiche Kerntheilungsfiguren auf — ein Zeichen, dass hier eine leb- haftere Zellenwucherung vor sich geht — ziehen sich lang-spindelig aus und gehen zusammen in den soliden Kopffortsatz über, der an- fangs noch aus mehrern Zellschichten besteht, weiter nach vorn aber allmählich in eine einfache, in nur lockerm Zusammenhange stehende Zellenlage übergeht, welche sich weithin nach vorn unter den Schild erstreckt und nur stellenweise, so besonders am Vorderende des Schildes (links in Fig. 48, rechts in Fig. 49), aus mehrfach überein- ander gehäuften unregelmässigen, dotterreichen Zellen zusammensetzt. Jedenfalls kann man, wenn man nicht peinlich sein will, zu dieser Zeit schon in ganzer Ausdehnung des Schildes von einer blattartigen Anordnung des Entoderms sprechen. Wollen wir nun versuchen, den Kopf- fortsatz nach vorn zu abzugrenzen, und bestimmen, welche Zellen desselben Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 43 noch aus der prostomialen Wucherung und welche bereits als ange- lagerte Furchungsderivate aufzufassen sind, so stehen wir wieder vor derselben Schwierigkeit wie bei Betrachtung der Figuren 44 und 45. Es ist vollständig unmöglich, diese Grenze festzulegen, wiederum ein Beweis für die enge Zusammengehörigkeit sämmtlicher entodermalen Elemente zu dieser Zeit. Im Bereich der Zwischenzone lässt das Entoderm keine wesent- liche Veränderung erkennen; die blattartige Anordnung desselben, die bereits an den meisten Embryonen des vorigen Stadiums hervortrat, hat sich erhalten, und zwar stellt das Entoderm auch hier durchweg eine einfache, nur gelegentlich zwei- bis dreischichtig werdende Zellen- lage dar. Der hintere, vom Entodermpfropf ausgehende Zellenfortsatz aber, der, nach hinten allmählich dünner werdend, sich flächenhaft unter dem Ectoderm der Area intermedia ausbreitet, geht ebenso all- mählich in die Entodermlage dieser Zone über, wie wir es soeben vom Kopffortsatz constatiren konnten. Nach einer besondern Richtung hin interessant erwies sich ein Embryo, von dem in Fig. 47 ein sagittaler Längsschnitt abgebildet wurde. Zunächst ist an demselben zu bemerken, dass aus nicht mehr _ festzustellenden Gründen die Urdarmeinstülpung noch ziemlich senk- recht verstreicht. Wichtig aber ist, dass der Einstülpung der solide Kopffortsatz vollständig fehlt und sie in toto von einem einfachen Cylinderepithel gebildet wird. So verschieden sich dieses Bild dar- stellt, so einfach ist es von dem gewöbnlichen abzuleiten. Der einzige Grund zu der Verschiedenheit liegt darin, dass sich zur Zeit noch die Wucherung ausschliesslich auf den Entodermpfropf beschränkt hat, die vordere Urdarmwand aber wie auch die sonst stark betheiligte hintere sich vollständig von derselben ausgeschlossen haben, wie da- raus hervorgeht, dass die Zellen, welche hinter der hintern Urdarm- wand gelegen sind, nicht mit dieser, sondern lediglich mit dem Ento- dermknopf in Verbindung stehen. In Folge dessen ist die Einstülpung von einer in ganzer Ausdehnung einschichtigen Platte von Cylinderzellen ausgegangen und hat sich ohne Beeinträchtigung durch Wucherungs- processe in völlig reiner einfacher Form vollziehen können. Ausnahmsweise zeigt dieser Embryo, dessen Zellenwucherung sonst im Bereich der Einstülpung völlig in den Hintergrund getreten ist, eine schwache Wucherung an einer Stelle, wo sie sonst nahezu ganz vermisst wird, nämlich am obersten Abschnitt der vordern Urdarm- wand, da, wo diese in das Ectoderm des Schildes sich umbiegen will ; hier liegt somit wenigstens ein schwacher Versuch zur Fortsatz- bildung vor. 44 LUDWIG WILL, Dieser Embryo lehrt nun, dass die Entstehung des Urdarmlumens nicht auf einem Auseinanderweichen der Zellen der Primitivplatte beruht, wie man nach den SrranL’schen Angaben über Lacerta nach den eigenen Worten des Verfassers ') auch wohl hätte vermuthen können, sondern dass es sich um eine echte Einstülpung handelt, die meist nur, und besonders ist das bei der Eidechse der Fall, so innig mit dem beschriebenen Wucherungsprocess verquickt ist, dass die Auf- lösung und Auseinanderhaltung beider Vorgänge mehr oder weniger erschwert wird. Auf die phylogenetische Bedeutung des von diesem Embryo gezeigten Verhaltens werde ich mir erlauben etwas weiter unten zurückzukommen. An den vorhin an Fig. 48 erläuterten Embryo schliesst sich un- mittelbar der Embryo No. 111, von dem ein Oberflächenbild in Fig. 11, ein sagittaler Längsschnitt in Fig. 48 abgebildet ist. So sehr dieser letztere noch auf den ersten Blick der Fig. 48 gleicht, und so gering der Zeitraum ist, der zwischen beiden liegt, so sehr hat sich dennoch das Bild geändert durch das Auftreten einer scheinbar geringfügigen Differenzirung innerhalb des Entoderms. Unterhalb der Primitivplatte, des Kopffortsatzes sowie des nach hinten gerichteten prostomialen Fortsatzes ist eine selbständige entodermale Zellenschicht aufgetreten, die sich auch unter dem ganzen übrigen Schild sowie der Area inter- media ausdehnt und nun mit einem Schlage den bisher bewahrten einheitlichen Charakter des Entoderms äusserlich aufhebt. Wenn nun auch dem innern Wesen nach der Zusammenhang der einzelnen Entodermabschnitte erhalten bleibt, wie aus später zu be- schreibenden Vorgängen hervorgehen wird, so erfordert doch die äussere Trennung im Interesse der Beschreibung eine besondere Be- zeichnung der einzelnen Theile. Ich bezeichne den aus der Wucherung der Primitivplatte hervorgegangenen Theil des Entoderms (e,) als Urentoderm (Archiderm), Urdarmblatt, Gastrulaento- derm oder primäres Entoderm. Er umfasst die Wandungen des eingestülpten Urdarms nebst dessen zu dieser Zeit meist noch solider Spitze, also den ganzen sogen. Kopffortsatz, sowie ferner das Zellen- material des Entodermpfropfes. Der Name „Urentoderm“ wurde ge- wählt, weil es den phylogenetisch — und man kann auch wohl mit Aussicht auf allgemeine Gültigkeit sagen: den ontogenetisch -- ältesten 1) H. Srraur, Beiträge zur Entwicklung von Lacerta agilis, in: Arch. f. Anat. u. Phys. 1882, Anat. Abth. p. 242—278, 2 Tfin, cf. p. 257, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 45 Theil des Entoderms darstellt. Würden die Reptilien, statt von Am- phibien mit sehr dotterreichen Eiern, von Amphibien mit relativ ge- ringem Nahrungsdotter (wie z. B. Triton) oder gar von Vorfahren mit Eiern ohne Nahrungsdotter (wie z. B. Amphioxus) sich in directer Weise herleiten und sie daher selbst mit nur geringem Nahrungs- dotter ausgestattet sein, so würde voraussichtlich das gesammte Ento- derm in dieser Form auftreten und der Vorgang vielleicht ganz ähnlich verlaufen wie bei Triton oder selbst bei Amphioxus. Aus demselben Grunde trifft auch der Name primäres Ento- derm zu. Man hat mir zwar gelegentlich entgegengehalten, dass diese Bezeichnungsweise zu Missverständnissen Veranlassung geben könne; beim Gecko wäre das primäre Entoderm zwar nicht nur phylo- genetisch, sondern auch ontogenetisch als ein primäres zu bezeichnen, bei andern Amnioten aber (es wurde speciell auf die Verhältnisse bei Lacerta hingewiesen, doch hätte man mit demselben Recht auch Vögel und Säuger anführen können) träte das von mir als primär bezeich- nete Entoderm in der Ontogenie erst nach dem secundären auf. Dem habe ich jedoch entgegenzuhalten, dass allerdings die Bezeichnung ,,pri- mires Entoderm‘ nur mit Rücksicht auf das phylogenetische Auf- _ treten gewählt ist, dass es aber nicht nur beim Gecko, sondern nach meinen Beobachtungen ebenso bei Eidechse und Schildkröte auch in der Ontogenie vor dem secundären Entoderm auftritt. Während die Schildkröte sich ähnlich verhält wie der Gecko, besteht das abweichende Verhalten bei Lacerta nur darin, dass das primäre Entoderm bei der- selben erst zu wuchern beginnt resp. zur Einstülpung kommt, wenn bereits das hier sehr früh auftretende secundäre Entoderm angelegt ist. Vorhanden ist aber auch das primäre Entoderm bei Lacerta schon vorher: es wird repräsentirt von dem Zellenmaterial der Pri- mitivplatte, die eben nicht als Ectodermverdickung aufzufassen ist, wie das bisher üblich war. Dasselbe muss auch nothwendiger Weise für die höhern Amnioten, die Vögel und Säugethiere, Geltung haben, denn entstände hier das primäre Entoderm erst nach dem secundären, so müsste man in dem bekannten zweiblättrigen Stadium das ge- sammte obere Blatt als Ectoderm ansehen, wie das allerdings bisher ohne Kenntniss der Urdarmnatur des Kopffortsatzes mit Recht allge- mein geschah. Würde man aber, nachdem durch van BENEDENS !) und meine?) eigenen Mittheilungen diese Urdarmnatur erwiesen ist, 1) van Benupex |. c. 2) L. Wi L c. 46 LUDWIG WILL, noch fortfahren, das gesammte obere Blatt im zweiblättrigen Stadium einfach als Ectoderm zu bezeichnen, so gelangt man zu dem Absur- dum, den entodermalen Urdarm (= Kopffortsatz) aus einer Ecto- dermeinstülpung resp. Ectodermeinwucherung herleiten zu müssen. Obwohl man nun zwar in der entwicklungsgeschichtlichen Litteratur der Wirbellosen sowohl wie der Wirbelthiere mehrfach auf die An- gabe stösst, dass sich der Urdarm oder gar das Entoderm durch Ein- stülpung aus dem Ectoderm entwickelt, so kann doch eine solche Ausdrucksweise nicht genügend gerügt werden. Was einmal Ecto- derm ist, kann niemals zum Entoderm werden, wie auch ein Ecto- derm nie vor dem Entoderm auftreten kann. Unter allen Umständen treten die beiden primären Keimblätter oder deren Anlagen gleich- zeitig in die Erscheinung — auch bei den scheinbar so abweichenden Insecten — in Folge eines Vorganges, der den Beginn des Gastru- lationsprocesses darstellt. Die Bezeichnung „Urdarmblatt‘‘ ergiebt sich von selbst aus dem alleinigen Antheil, den dieser Entodermabschnitt am Aufbau des Ur- darms nimmt. Nur der Name „Gastrulaentoderm“ könnte vielleicht zu Missverständnissen Veranlassung geben. Da die Begriffe Ectoderm und Entoderm, wie soeben ausgeführt, überhaupt erst mit dem Beginne der Gastrulation möglich werden, so verdankt natürlich das gesammte Entoderm dem Gastrulationsprocess den Ursprung, speciell aber jener Phase desselben, welche wir mit der Umwachsung des Dotters bei den Amphibien verglichen haben. Was demnach hier Gastrulaentoderm ge- nannt wird, verdankt seine Entstehung wesentlich der zweiten Phase der Gastrulation, nämlich dem Stadium der Einwucherung und Ein- stülpung, welche von der Primitivplatte ausgehen. Den andern Theil des Entoderms, den wir zuerst an dem Embryo Fig. 49 auftreten sahen und der eine einschichtige Zellenhaut darstellt, welche im Bereich des Schildes und der Primitivplatte unterhalb des Urdarmblatts deutlich abgegrenzt verstreicht, im Bereich der Zwischen- zone aber sich unmittelbar dem Ectoderm anlegt, können wir zunächst als secundäres Entoderm bezeichnen, weil es stammesgeschicht- lich, soweit wir wissen, zuerst bei den Reptilien auftritt und auch in der Ontogenie später als das primäre sich anlegt. Wie entsteht nun dieses secundäre Entoderm? Allgemein be- handelt, beantwortet sich diese Frage sehr einfach dahin, dass es von der oberflächlichen Lage jener entodermalen Furchungszellen gebildet wird, welche, ohne eine bestimmte Anordnung zu zeigen, den Raum zwischen Ectoderm und primärem Entoderm einerseits und der Ober- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 47 fläche des Dotters andrerseits, in mehrfacher Lage locker neben und über einander liegend (Fig. 45), ausfüllen und in ihren oberflächlichen Schichten allmählich anfangen sich spindelig auszuziehen und zu einem einfachen Blatt aneinander zu legen. Nach diesen Zellen, den sogenannten Dotterzellen, kann das secundäre Entoderm auch als Dotterblatt bezeichnet werden. Im Einzelnen aber verlangen die verschiedenen Regionen der Keimscheibe eine gesonderte Betrachtung. Am einfachsten gestaltet sich der Vorgang im Gebiet der ganzen Area intermedia, in dem wir meist schon während des vorigen Sta- diums eine blattartige Anordnung der oberflächlichen entodermalen Dotterzellen (Fig. 45 bei ai) constatiren konnten. Dieses einschichtige Blatt, das sich dem Ectoderm dicht anlegt, wird unmittelbar zum Dotterblatt. Die Entstehung desselben im Bereich des Schildes erhellt aus dem Vergleich der Figuren 48 und 49. Unter der Primitivplatte, dem Kopffortsatz sowie dem nach hinten gerichteten Fortsatz der- selben existirte im vorigen Stadium noch keinerlei Aneinanderlagerung der als Dotterzellen bezeichneten Entodermgebilde. Hier muss viel- mehr die Blattbildung erst jetzt vor sich gehen, und zwar sehen wir den Process ebenso verlaufen, wie er im vorigen Stadium in der Zwischenzone sich vollzog. Oberflächlich gelegene Dotterzellen ziehen sich meist lang aus zu Spindelzellen, die sich dem primären Ento- derm dicht anlegen und allmählich mit einander in Verbindung treten. Der erste Schritt zu dieser Aneinanderlagerung ist bereits in Fig. 48 geschehen; wir sehen bei a unter dem Entodermpfropf einen kurzen horizontal verlaufenden Zug von Zellen, die bereits dem sich bildenden secundären Entoderm angehören, links davon (b) einige noch isolirte Dotterzellen, die sich sofort durch ihren etwas stärkern Dottergehalt kenntlich machen und bereits spindelig ausgezogen sind. In Fig. 49 ist im Bereich der ganzen Zone die Aneinanderlagerung vollzogen. Das ganze neu entstandene Blatt zeichnet sich an dem betreffenden Embryo durch besonders starken Dottergehalt aus, wodurch es sich sehr schön von dem primären Entoderm abhebt. Die Zellen sind noch sehr unregelmässig, wenn wir sie mit dem secundären Entoderm älterer Embryonen vergleichen; sie zeigen noch alle eine spindelige Gestalt und deuten damit an, dass der Process der Blattbildung erst soeben vollzogen ist. Schwierig gestaltet sich die Feststellung an der Hand der beiden erwähnten Figuren nur an den Spitzen der beiden pro- stomialen Fortsitze. Wenn wir noch in Fig. 44, 45, 48 sahen, wie eng sich die aus der Tiefe stammenden, als Dotterzellen bezeichneten 48 LUDWIG WILL, ‘ntodermelemente der Spitze des Kopffortsatzes anlegen, und dann in Fig. 49 den Kopffortsatz wohl getrennt vom secundären Entoderm (e,,) antreffen, so muss an der Spitze des Kopffortsatzes ein Abspal- tungsprocess stattgefunden haben, durch welchen er seine Selbständig- keit erlangte. Hieran schliesst sich nun aber die weitere Frage: Sind bei diesem Sonderungsprocess wirklich alle secundären, d.h. unabhängig vom Wucherungsprocess entstandenen Entodermzellen streng von den primären, der Primitivplatte entstammenden Elementen geschieden worden, oder bleiben dem Kopffortsatz oder wenigstens der Spitze desselben noch secundäre Entodermzellen beigemischt ? Wenn nun auch andere Figuren, z. B. die gleich zu besprechende Fig. 50, zeigen, dass in solchen Fällen, in denen die Gastrulation un- beeinträchtigt von Wucherungserscheinungen sich als reine Einstülpung vollzieht, der Urdarm mit Sicherheit nur Elemente enthält, welche der Primitivplatte den Ursprung verdanken, so besteht bei dem ursprüng- lich einheitlichen Charakter sämmtlicher entodermalen Zellen doch kein zwingender Grund, dass das in allen Fällen und so auch in den Figuren 48, 49 ebenso sein sollte. Wenn man zumal diese beiden Bilder mit den Figuren 45, 41 vergleicht, so kommt man, wenn man nicht den Verhältnissen Zwang anthun will, zu der Ueberzeugung, dass in beiden erstgenannten Figuren an dem Aufbau der ganzen vordern Abschnitte des Kopffortsatzes in nicht geringem Grade auch solche Entodermzellen betheiligt sind, die bereits in loco vorhanden waren, also mit der Wucherung nicht in genetischer Beziehung stehen. Wenn man dann berücksichtigt, dass in Fig. 49 am Vorderende des lang- gestreckten Kopffortsatzes auch solche Entodermzellen von dem neu entstandenen secundären Entoderm nach unten abgegrenzt sind, welche zum Theil noch gar nicht in Verbindung mit den Zellen des Kopf- fortsatzes stehen und daher den Anschluss erst später gewinnen müssen, so scheinen mir diese Thatsachen den klaren Beweis zu ent- halten, dass in den Fällen, in denen die Gastrulation nicht als reine Einstülpung sich vollzieht, sondern mit Wucherungserscheinungen ver- quickt ist, bei der Anlage des Dotterblatts eine strenge Scheidung von primären und secundären Entodermzellen im angedeuteten Sinne nicht nothwendig eintritt. Ueberall, wo die Gastrulation sich unter Bildung eines Kopffortsatzes vollzieht, werden diesem daher in grösserm oder geringerm Umfange entodermale Zellen beigemischt sein, welche be- reits vor dem Eintritt der Wucherung an Ort und Stelle vorhanden waren. Genau das Gleiche ist nun aber auch mit der Spitze des nach Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 49 hinten gerichteten Fortsatzes der Fall, welchen wir auf dem vorigen Stadium (z. B. Fig. 45, an der dieses Verhalten übrigens weniger deutlich hervortrat als an dem Embryo, der der Fig. 44 zu Grunde gelegen hat) ganz unmerklich in das entodermale Blatt der Area inter- media übergehen sahen. Auch hier lässt sich die Möglichkeit nicht ganz ausschliessen, dass diesem Fortsatze an seinem Ende zuweilen Elemente des secundären Entoderms beigemischt bleiben. In Fig. 49 ist dieser Fortsatz aus Raumersparniss leider nicht ganz ausgezeichnet worden, er bietet jedoch nach Anlage des secundären Entoderms ge- nau das Bild, wie es Fig. 57 zeigt, d. h. er wird nach hinten all- mählich dünner, um in einiger Entfernung von der Primitivplatte ganz aufzuhören; weiter nach hinten liegen dann Ectoderm und Entoderm der Zwischenzone einander wieder dicht an. Alles nun, was von dem Dotterblatt umschlossen wird, stellt den dritten Abschnitt des Entoderms dar, von dem wieder zwei Theile unterschieden werden können, nämlich erstens der ungefurchte Dotter, zweitens aber die grosse Zahl jener Furchungszellen, welche den Raum zwischen Dotter und Dotterblatt ausfüllen und für die ich schon oben den Namen Dotterzellen gebraucht habe. Während die Grenze zwischen primärem und secundärem Ento- derm im Bereich der ganzen Keimscheibe eine scharfe ist, ist die Grenze zwischen dem secundären Entoderm und den Dotterzellen sowie dem Dotter selbst auf den einzelnen Stadien zwar ebenfalls vorhanden, doch ist sie im Grunde nur eine scheinbare. Sie wird illusorisch, wenn wir von dem einzelnen Präparat absehen und nur die Vorgänge ins Auge fassen, wobei wir dann constatiren können, dass beständig Dotterzellen in das secundäre Entoderm sich einfügen und andererseits fortwährend neue Furchungszellen sich von der Ober- fläche des Dotters abschnüren, um sich der Masse der Dotterzellen zu- zugesellen. Schliesslich hätte ich hier auch noch des Mesoderms zu ge- denken, welches mit diesem Stadium als gesondertes Keimblatt unter- schieden werden kann, allein ich schiebe dessen Besprechung auf, bis wir sämmtliche hier zu schildernden Embryonen dieses Entwicklungs- stadiums kennen gelernt haben. Vor allen Dingen habe ich noch einen Fall zu besprechen, der sich ganz eng an die Fig. 47 anschliesst und für die Erkenntniss der beim Gastrulationsprocess gleichzeitig verlaufenden Vorgänge von grösster Bedeutung ist. Mögen mir vorher einige auf beide Embry- onen bezügliche allgemeine Bemerkungen gestattet sein. Zool. Jahrb. VI. Abth. f. Morph. 4 50 LUDWIG WILL, Jeder, der sich mit entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen befasst hat, weiss, dass ebenso wie im ausgebildeten Zustand Thiere derselben Species grössere oder geringere Verschiedenheiten hinsicht- lich ihres Baues erkennen lassen, derartige Variationen auch auf den verschiedenen embryonalen Entwicklungsstufen vorkommen. Zum Theil werden ja diese Verschiedenheiten im embryonalen Zustand noth- wendig die Differenzen im erwachsenen Zustand bedingen, zum Theil aber gleichen sie sich ohne Zweifel noch während des Embryonal- lebens aus. Gerade auf diese letztern Variationen, die oft recht auf- fallende sein können, kommt es mir hier an. Die Ursachen derselben sind recht einfache, indem sie der Hauptsache nach auf Zeitschwan- kungen zurückzuführen sind, denen die einzelnen Entwicklungsvor- gänge unterliegen. Vorgänge, die wir das eine Mal nach einander sich abspielen sehen, vollziehen sich bei andern Embryonen mehr gleichzeitig, so dass auf diese Weise scheinbar ganz verschiedene Bilder entstehen können. Auf derartige Schwankungen im Entwicklungsgang habe ich, um ein mir zunächst liegendes Beispiel anzuführen, in meiner Entwick- lungsgeschichte der Blattläuse :) hingewiesen. Bei diesen Thieren wandert ein secundärer Nahrungsdotter von aussen in das Ei ein und zwar zu einem Zeitpunkt, der ausserordentlichen Schwankungen unter- liegt. Bei einzelnen Embryonen ist diese Einwanderung bereits be- endet, wenn eben die ersten Entodermzellen sich vom Blastoporus losgelöst haben, in andern, ebenso häufigen Fällen aber erreicht sie erst ihren Abschluss, wenn bereits der Keimstreif zu stattlicher Länge ausgewachsen ist. In seltenen Fällen aber geht die Keimstreifbildung und damit der Verschluss des Blastoporus so frühzeitig vor sich, dass der secundäre Dotter in Folge dessen an dem Einwandern in den Keim verhindert wird, und dieser uns somit bei seiner weitern Ent- wicklung zu zeigen im Stande ist, wie die Entwicklung ohne den störenden Einfluss des Dotters verlaufen würde. Wir sind dadurch in die Lage versetzt, zu entscheiden, welche Entwicklungserscheinungen als wesentliche anzusehen und welche lediglich durch den Nahrungs- dotter bedingt sind. Gleichzeitig aber sind wir dadurch im Stande, mit grösserer Sicherheit, als das sonst der Fall wäre, auf den Ent- wicklungsgang der Vorfahren der Blattläuse, die den secundären Dotter noch nicht erworben, zurückzuschliessen. 1) L. Witt, Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden, in Zool. Jahrb., Bd. 3, Anat. Abth. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 51 Derartige individuelle Schwankungen hinsichtlich des Zeitpunktes, in dem einzelne Entwicklungsvorgänge einsetzen, kommen nun auch beim Gecko zur Beobachtung. Sie zeigen uns den Gastrulations- process nicht nur in ganz verschiedenem Lichte, sondern geben uns auch ein bequemes Mittel an die Hand, die bei demselben wirksamen Einzelvorgänge genau zu analysiren und im weitern Verlauf dieses Capitels zu zeigen, wie die abweichenden Verhältnisse, welche die Gastrulation bei den höhern Amnioten aufweist, darauf zurückzuführen sind, dass diese Einzelvorgänge in verschiedenem Grade sich auf die Nachkommen vererbt haben. Das in Fig. 12 dargestellte Oberflächenbild des betreffenden Embryos zeigt sehr regelmässige Verhältnisse und kann überhaupt als typisch für dieses ganze Stadium angesehen werden. Die wichtigsten Charaktere bestehen darin, dass die vordere Lippe der Urmundôffnung in Folge des Vorwachsens des Urdarms nach vorn stark über das Niveau der Primitivplatte emporgehoben ist, und ferner die Oeffnung selbst ihre Kreisform aufgegeben hat und zu einer queren Spalte ge- worden ist, die hufeisenförmig nach hinten gekrümmt ist. Diese Krümmung tritt constant bei allen Embryonen dieses und der folgen- den Stadien ein, im entgegengesetzten Sinne also, als das bei der Sichelrinne (Fig. 1, 8 u. 9) der Fall ist. Die Umwandlung der an- fänglich runden Prostomialöffnung in einen queren Spalt wird durch das schon $. 35 angedeutete Auswachsen des Entodermpfropfes bewirkt, der in Folge dessen gegen den vordern Rand der Einstülpung vor- wächst und dadurch eine zunehmende Verengerung der Oeffnung selbst bewirkt. Für uns ist besonders der sagittale Längsschnitt (Fig. 50 a) von Wichtigkeit, der gewissermaassen das Folgestadium von Fig. 47, nur in noch reinerer Form darstellt. Wir sehen hier den eingestülpten Urdarm in seiner ganzen Ausdehnung aus einer einschichtigen Epithel- lage bestehen, die an der vordern Urdarmwand ein hohes Cylinder-, an der hintern Wand aber ein Plattenepithel darstellt, dessen Ele- mente nach oben etwas an Höhe zunehmen. Bei der Entstehung eines Urdarms in dieser Form kann es sich natürlich nur um eine reine Einstülpung einer einfachen Zellenplatte mit Ausschluss jeder Wuche- rungserscheinungen an den betheiligten Stellen handeln. Eine Wucherung hat nur am eigentlichen Entodermpfropf stattgefunden, allein diese tangirt die Einstülpung selbst gar nicht, denn wir sehen die hintere Urdarmwand von den Zellen des Entodermpfropfes deutlich geschieden. Die Wucherungen, die wir sonst auch an der hintern 4* 59 LUDWIG WILL, Urdarmwand (vgl. Fig. 45) bereits frühzeitig auftreten sahen, sind hier unterblieben — allein aufgeschoben ist noch nicht aufgehoben. Wie sich aus Nachbarschnitten ergiebt, finden sich im obern Abschnitt der hintern Urdarmwand bereits hier und da Anfänge von Wuche- rungen, so z. B. in Fig. 50 b. Dieser Schnitt ist besonders instructiv, weil die betreffende Wucherung noch deutlich von dem Entoderm- pfropf abgegrenzt, auch durch etwas stärkern Dottergehalt von dem- selben geschieden ist; später jedoch verschmelzen ihre Zellen mit denen des Entodermpfropfes zu einer einheitlichen Masse. So ist es an diesem Embryo noch möglich, die einzelnen Wucherungsgebiete deutlich von einander abzugrenzen. Das ganze abweichende Ver- halten dieses Embryos ist daher der Hauptsache nach darauf zurück- zuführen, dass die Wucherung in der Region der hintern Urdarm- wandung nicht bereits vor dem Einstülpungsprocess oder gleichzeitig mit demselben eingetreten ist, sondern erst nach demselben erfolgt. Da der vordere Abschnitt der hintern resp. untern Wandung des Ur- darms, sowie die Spitze desselben, wie aus einem Vergleich mit den Figuren 53, 55 erhellt, schon jetzt den definitiven Charakter ange- nommen haben, so ist anzunehmen, dass diese von den Wucherungs- vorgängen überhaupt ausgeschlossen bleiben und die Zelltheilungen sich hier nach wie vor innerhalb der Fläche abspielen werden. Das secundäre Entoderm oder Dotterblatt ist ebenfalls bereits überall angelegt und stellt im ganzen Bereich der Keimscheibe eine einfache Lage von Plattenzellen dar, welche auch unter dem Urdarm glatt hinwegzieht und nur im Gebiet der Primitivplatte noch aus etwas höhern unregelmässigern Zellen besteht, ein Charakter, der natürlich rein individueller Natur ist. Der soeben betrachtete Embryo ist aus zwei Gründen von be- sonderer Wichtigkeit. Er zeigt uns erstens, dass in diesem Fall wenigstens zweifellos der Urdarm nur aus Elementen besteht, die der Primitivplatte entstammen, dass hier auch an der Spitze desselben von einer Beimischung von Entodermzellen, die der Tiefe entstammen, nicht die Rede sein kann. Zweitens zeigt er uns bei dem Vergleich mit den vorhin betrachteten Embryonen, dass während der zweiten Phase des Gastrulationsprocesses, welche nach dem Ablauf der Dif- ferenzirung des Ectoderms anhebt, zwei Vorgänge neben einander wirksam sind, eine typische Invagination und ein Wucherungsprocess. Je nachdem diese beiden Vorgänge gleichzeitig neben einander her- laufen oder zeitlich auf einander folgen, kommt es zu scheinbar ganz verschiedenen Bildern, deren einer Typus durch Fig. 50, deren anderer Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 53 durch Fig. 48 und 49 charakterisirt wird. Nichtsdestoweniger gleichen sich diese Verschiedenheiten im Lauf der weitern Entwicklung sehr bald aus, so dass in beiden Fällen ein Urdarm resultirt, wie ihn die Figuren 53 und 55, 56 darstellen. Fragt man sich nun, welcher dieser beiden Typen als der ur- sprünglichere anzusehen ist, derjenige, bei dem beide Processe sich nach einander abspielen und es demnach zu einer reinen Einstülpung kommt, oder der durch Fig. 48 repräsentirte, bei dem beide Vorgänge neben einander herlaufen, so kann die Entscheidung nur zu Gunsten des erstern ausfallen. Erstens finden wir bei den directen Vorfahren der Reptilien, den Amphibien, keine Spur eines soliden Kopffortsatzes, sondern einen als reine Einstülpung auftretenden Urdarm, sodann aber drückt das gleichzeitige Verlaufen beider Processe eine Abkür- zung der Entwicklung aus, die nach allen Erfahrungen immer eine abgeleitete Erscheinung ist. Weiter lässt sich noch als Beweis anführen, dass wir in der Stammesgeschichte der Thiere wohl häufig den Fall beobachten, dass Organe, die sich ursprünglich in Folge einer Ein- stülpung hohl anlegen, im Laufe der phylogenetischen Entwicklung solide werden, selten oder nie aber das Umgekehrte. Ueberdies finden wir, dass diese Zusammenziehung der bei der Gastrulation in Frage kommenden Vorgänge bei den höhern Amnioten noch mehr zuge- nommen hat, statt dass das Umgekehrte eingetreten wäre, und weiter, dass sogar die Einstülpung neben der Wucherung immer mehr an Bedeutung verliert und hinter dem Einwucherungsprocess in den Hintergrund tritt. Dieses gleichzeitige resp. vorzeitige Einsetzen des Wucherungs- processes, welches beim Gecko lediglich als eine individuelle Variation des ursprünglichen Entwicklungsverlaufes eintritt, hat sich nun, soweit wir wissen, auf die übrigen Reptilien vererbt und ist bei ihnen zur Constanz erhoben. So tritt nach eigenen, noch nicht publicirten Unter- suchungen ganz junger Keimscheiben — zum Theil lässt sich dies auch schon aus der Arbeit von Mirsukurt und ISCHIKAWA ersehen ') — von Cistudo lutaria bei den Schildkröten, die sonst noch sehr ursprüngliche Verhältnisse aufweisen , bereits eine enge Verquickung beider Processe ein, trotzdem dem Urdarmlumen nach meinen Be- 1) K. Mırsururı u. ©. Iscurkawa, On the formation of the ger- minal layers in Chelonia, in: Quart. Journ. Micr. Science, vol. 27, 1887, p. 17—45, 4 Tiln. 54 LUDWIG WILL, funden !) hier noch genau derselbe Umfang zukommt, wie wir ihn gleich beim Gecko finden werden. Auch bei Lacerta findet nach den Be- obachtungen von STRAHL ?), HOFFMANN *), WELDON *) und mir ®) schon vor dem Auftreten der Einstülpung eine ausgedehnte Zellenwucherung innerhalb der Primitivplatte (Mesoderm STRAHL’s) statt, so dass diese als ein vielschichtiges Gebilde erscheint, wenn die Invagination be- ginnt. Der sich einstülpende Urdarm erscheint daher hier als eine Einsenkung in der ansehnlichen Primitivplatte und bietet ungefähr dasselbe Bild — vgl. besonders die Abbildungen WENCKEBACH’S ®) von Lacerta-Embryonen aus dieser Periode — wie meine Figuren 48 und 49, nur dass an den vorhandenen Abbildungen von Lacerta der Kopffortsatz kürzer ist. Auf Lacerta haben sich nun aber bereits die beiden zur Gastrulation führenden Processe in ungleichmässiger Weise vererbt, indem der Wucherungsvorgang hier so sehr in den Vorder- grund tritt, dass das Lumen des Urdarms bereits rudimentär wird und nie über die Ausdehnung hinausgeht, die es beim Gecko in Fig. 49 erreicht hat. Bei den Schlangen findet, soweit die bruchstückartigen Literaturangaben überhaupt Schlüsse zulassen, aller Wahrscheinlich- keit nach dasselbe statt. Dieses Zurücktreten der Einstülpung steigert sich nun bei den Säugern und besonders bei den Vögeln noch mehr. Bei beiden tritt der Urdarm nur noch in Form eines soliden Kopffortsatzes auf, der dem Urdarm des Geckos in jeder Beziehung homolog ist und ebenso von der Primitivplatte (Primitivstreif) seinen Ausgang nimmt, allein nur noch in Folge des Wucherungsprocesses, während die Invagination völlig in den Hintergrund getreten ist. Am wenigsten ist letzteres noch bei den Säugern der Fall, bei denen es nach den schönen Unter- 1) Dieselben sind inzwischen in einer vorläufigen Mittheilung nieder- gelegt. Vgl. L. Win, Zur Kenntniss der Schildkrötengastrula, in: Biol. Centralbl. 1892. 2) H. Srrant, Beiträge zur Entwicklung von Lacerta agilis, in: Arch. f. Anat. u. Phys. 1882, Anat. Abth. p. 242—279, m. 2 Tfln. 3) ©. K. Horrmann, in: Broyn’s Klassen u. Ordnungen d. Thier- reichs, 6. Bd., 3. Abth., Reptilien, 1890. 4) W. F. B. Wervon, Note on the early development of Lacerta muralis, in: Quart. Journ. Micr. Science, 1883, p. 134—144, 3 Tfin. 5) Ueber meine eigenen Untersuchungen von Lacerta werde ich demnächst berichten. 6) K. F. Wencxesacu; Der Gastrulationsprocess bei Lacerta agilis, m. 15 Abbild., in: Anat. Anz., 6. Jahrg., 1891, No. 2, p. 57—61; No. 3, p. 72—77. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 55 suchungen vAN BENEDEN’S!) wenigstens zu einer nachträglichen, secun- dären Aushöhlung des Kopffortsatzes kommt, die aber nicht mehr eine Einstülpung repräsentirt, sondern nur noch als eine Reminiscenz an eine solche angesehen werden kann, immerhin aber geeignet ist, die Urdarmnatur des Kopffortsatzes unzweifelhaft nachzuweisen, wie es von dem belgischen Forscher geschehen ist. Bei den bisher unter- suchten Vögeln aber fehlt auch diese secundäre Aushöhlung des Kopf- fortsatzes; derselbe bleibt solide, und die einzigen Andeutungen an eine ehemals vorhandene Invagination sind in dem Auftreten einer Sichelrinne und Primitivrinne erhalten geblieben, abgesehen natürlich von dem spätern Durchbruch eines Canalis neurentericus. Bisher habe ich noch mit keinem Worte des mittlern Keim- blatts oder des Mesoderms Erwähnung gethan, welches in seinen ersten Anfängen sich zuerst auf diesem Stadium als besondere Schicht bemerkbar macht. Derjenige Theil desselben, mit dem wir es hier zu thun haben, geht durch einfache Umwandlung jener Zellmassen her- vor, welche wir als die nach hinten und seitwärts gerichteten Fort- sätze der Primitivplatte resp. des Entodermpfropfes kennen lernten und als Wucherung der letztern unter Hinzutritt von Entodermzellen aus der Tiefe entstehen sahen. Während diese Fortsatzbildungen anfangs continuirlich mit dem Entoderm der Area intermedia zu- sammenhängen und somit einen integrirenden Bestandtheil des Ento- derms selbst darstellen, erlangen sie in gleicher Weise, wie wir das vorhin vom Kopffortsatz sahen, ihre Selbständigkeit in Folge des Auftretens des Dotterblattes, welches ihre Abgrenzung nach unten bewirkt. Die Ausschaltung des Mesoderms aus dem Verbande des Entoderms erfolgt demnach durch einen Vorgang, den man vielleicht am besten als Abspaltung bezeichnet. Direct trifft dieser Ausdruck zu für die freien Enden der Mesodermfortsätze, während an andern Stellen die Abspaltung insofern eine indirecte ist, als die Isolirung des Mesoderms hier durch die Unterlagerung des Dotterblatts be- wirkt wird. Hat das Mesoderm auf diese Weise seine Selbständigkeit erlangt, so stellt es eine mehrschichtige Lage von Zellen dar (Fig. 49 m u. 50 mpr), die vom Entodermpfropf, von dem sie ihre Entstehung nahm und mit dem sie noch aufs engste zusammenhängt, ausgeht und, all- 1) Ep. van Benepen, Erklärung der zwölf von Werner u. WINTER ausgeführten Tafeln, seine Untersuchungen über die Blätterbildung, den Chordacanal und die Gastrulation bei den Säugethieren, Kaninchen und Vespertilio betreffend, in: Anat. Anz., 1888, p. 707—714 m. Abbild. 56 LUDWIG WILL, mählich an Dicke abnehmend, sich nach hinten und seitlich von dem- selben ausbreitet, bis es schliesslich in einiger Entfernung von seiner Ursprungsstelle frei aufhört. Von den Autoren wird dieser sich nach hinten erstreckende Theil des später viel umfangreichern Mesoderms gewöhnlich als unpaares Mesoderm benannt, eine Bezeichnung, der ich mich aus später zu erörternden Gründen nicht anschliessen kann und es daher vor- ziehe, ihn mit Bezug auf seinen Entstehungsort als prostomiales Mesoderm (peristomales Mesoderm Rast’s) zu bezeichnen. Um schon an dieser Stelle den zahlreich in der Literatur vor- handenen Angaben über einen peripheren Ursprung des Mesoderms zu begegnen, betone ich, dass eine derartige Quelle nicht existirt. Nach der Differenzirung des unpaaren Mesoderms zeigt dasselbe stets die Verhältnisse, wie sie in Fig. 57 allerdings aus einer etwas spätern Periode zur Anschauung gebracht sind. Stets endet das Mesoderm, wie in diesem Bilde, frei in einiger Entfernung von der Primitivplatte, und hinter dieser Stelle folgt eine weite Zone, in der Ectoderm und Entoderm sich dicht an einander legen, ohne dass irgend welche zelligen Elemente zwischen den- Fig. 1. selben angetroffen würden, die SE Eier wa Mesodermbildung beitragen ER a ze es é Wie die Entwicklung der > höchsten Amnioten sich in un- gezwungener Weise von der des Geckos ableiten lässt, be- stehen auch, wie „wir gesehen haben, in dem ganzen Ga- strulationsprocess die innigsten Beziehungen zu den Amphi- bien. Diese Beziehungen Fig. 1. Längsschnitt durch ein drücken sich ausserdem auch Ei von Triton nach beendeter Ga- aus in der Entstehung des str ulation. Aus Oo HERTWIG, Lehrbuch d. Mesoderms und in unserm spe- Entwicklungsgeschichte. ak, ik äusseres, inneres ; Keimblatt; dz Dotterzellen; nd Urdarm; dl, vl ciellen Falle des unpaaren dorsale, ventrale Lippe des Urdarms; d Dotter- Mesoderms. Wie aus dem pfropf (Entodermpfropf) ; mk prostomiales Meso- à derm. nebenstehenden Holzschnitt, der eine Zriton-Gastrula im Längsschnitt darstellt, sofort hervorgeht, bildet das hinter dem Urmund gelegene sogenannte unpaare Mesoderm auch hier einen Fortsatz des Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 57 Dotterpfropfes, der genau dem Entodermpfropf der Reptilien entspricht und wie bei letztern in gleicher Weise den Blastoporus zum Theil verstopft. Das einzig störende Moment besteht darin, dass unter dem Urdarm und dem Mesoderm beim Gecko und den übrigen Amnioten das secundäre Entoderm hinwegzieht, eine Bildung, die vermuthlich auf eine Folge des grössern Dotterreichthums der Amnioten zurück- zuführen ist. Uebrigens habe ich triftige Gründe, zu vermuthen, dass dieses secundäre Entoderm nicht eine Erwerbung in der Reihe der Amnioten, speciell der Reptilien, darstellt, sondern dass dasselbe be- reits bei gewissen, mit sehr mächtigem Nahrungsdotter versehenen, aber bisher noch nicht genügend untersuchten Amphibien vorhanden war, Besonders habe ich hier die Blindwühle im Auge. Es bleibt uns jetzt am Schlusse dieses Stadiums nur noch übrig, die an Längsschnitten gewonnenen Bilder einer kurzen Controle an Querschnitten zu unterwerfen. An einem Querschnitt hinter dem Primitivstreifen in der Gegend des unpaaren Mesoderms (Fig. 54a) sehen wir letzteres nach oben deutlich von dem niedrigen Ectoderm der Area intermedia, nach unten ebenso deutlich von dem secundären Entoderm abgegrenzt, welches sich überdies noch durch reichlichen Dottergehalt besonders abhebt. Entsprechend anders verhalten sich Querschnitte durch die Gegend der Primitivplatte, speciell durch jenen Abschnitt derselben, den wir als Entodermpfropf kennen lernten (Fig. 54 b). Die Ober- fläche desselben zeigt eine niedrige Einsenkung, welche auf den Schnitten weiter nach vorn tiefer und tiefer wird und schliesslich con- tinuirlich im die Urdarmeinstülpung übergeht. In der Axe wird auf eine grössere Strecke das Ectoderm vermisst, welches erst jederseits in einiger Entfernung von derselben wieder auftritt. Auch in dieser Region lässt sich unter der Primitivplatte das secundäre Entoderm als einfache, deutlich abgegrenzte Zellenhaut nachweisen. Wie man weiter aus diesem Querschnitt erkennt, schickt der Entodermpfropf auch seitlich Mesodermfortsätze zwischen Ectoderm und secundäres Entoderm hinein, die nach vorn allmählich kürzer werden, nach hinten aber continuirlich in das unpaare Mesoderm übergehen. Ob man diese seitlichen Fortsätze bereits als paariges Mesoderm bezeichnet oder sie noch dem unpaaren der Autoren zurechnet, ist um so weniger von Belang, als eine scharfe Grenze zwischen beiden auch später nicht existirt. Der dritte zur Abbildung gekommene Querschnitt (Fig. 54 c) ist unmittelbar vor der vordern Urmundlippe geführt, hat also das breite Lumen des eingestülpten Urdarms getroffen, der sich an dem in Rede stehenden Embryo schon ein wenig weiter nach vorn erstreckt 58 LUDWIG WILL, als an den vorhin besprochenen. Das Lumen wird begrenzt nach oben von der vordern Urdarmwand, welche auf dem Schnitt mehr- schichtig erscheint, weil ihre Zellen sehr schräg getroffen sind, nach unten von dem obern mebrschichtigen Abschnitt der untern Ur- darmwand. Beide Wandungen gehören dem primären Entoderm an, das seitlich zwei Mesodermfortsätze in den Raum zwischen Ecto- derm und secundäres Entoderm hineinschickt, die aber an dieser Stelle bereits so kurz sind, dass namentlich links in der Figur kaum mehr von einem solchen Fortsatz zu sprechen ist. Ueber dem Urdarm muss natürlich das Ectoderm des Schildes als selbständige Zellenlage auf- treten, die aber in der betreffenden Figur rechts noch mit der Ur- darmwand in Verbindung steht, weil der Schnitt nicht genau senk- recht zur Längsaxe des Embryos ausgefallen und daher noch rechts die Urmundlippe selbst, d. h. die Umbiegungsstelle des Ectoderms in das Urdarmepithel, mitgetroffen ist. Anhangsweise möchte ich hier noch auf eine Abnormität (Fig. 51) hinweisen, die vielleicht geeignet ist, die viel bestrittene Angabe Kurrrer’s!) von der Betheiligung des Urdarms an der Allantois- bildung zu erklären. Kuprrer bildet auf tab. 4, fig. 39 einen Me- dianschnitt durch einen Embryo von Lacerta viridis ab, dessen Ur- darm bereits nach unten durchgebrochen ist, an seiner hintern Wand aber eine nach hinten gerichtete blindsackartige Ausstülpung trägt, die Kuprrer als Anlage der Allantois ansieht. Eine ähnliche Ausstülpung zeigt nun auch der vorliegende Geckoembryo an gleicher Stelle, ob- wohl der Urdarm noch blind geschlossen ist. Ohne nun bei dem Mangel eigener Untersuchungen an Lacerta viridis und der Natter meine am Gecko erlangten Resultate in diesem Punkte so ohne wei- teres auf die Kuprrer’schen Objecte übertragen zu wollen, kann ich jedoch für den Gecko bestimmt versichern, dass hier diese Einstülpung nichts mit einer Allantoisanlage zu thun hat, da ich sie an keinem gleichalterigen oder ältern Embryo wieder angetroffen habe. Die Ein- stülpung erklärt sich in ganz anderer Weise. Bei den Wucherungsvorgängen, welche zur Entstehung der Zellen- masse der Primitivplatte hinführen, kommt es häufig zu vorüber- gehenden Einsenkungen der oberflächlichen Zellenschicht, welche nur der Ausdruck einer ausserordentlich regen Zellvermehrung sind und be- sonders dann auftreten müssen, sobald an einem umgrenzten Bezirk des Wucherungsgebietes die Zelltheilungen sich einmal zufällig mehr in der 1) C. Kurrrer, 1. c. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 59 Richtung der Fläche statt senkrecht zu derselben abspielen. Derartige vorübergehende Einsenkungen erkennt man z. B. an der Oberfläche des Entodermpfropfes der Fig. 50 a u. b, und unter denselben Gesichtspunkt fällt auch die Einsenkung der hintern Urdarmwand der Fig. 51, die noch um so überzeugender wirkt, als sich hinter der grössern Einsenkung noch eine kleinere findet. Eine besondere Bedeutung kommt diesen beiden Einsenkungen durchaus nicht zu, und aus dem Vergleich mit ältern Embryonen muss angenommen werden, dass sie allmählich wieder verstreichen, ohne irgend eine Spur zu hinterlassen. Die Ab- bildung Kuprrer’s unterscheidet sich wesentlich nur dadurch von unserer Figur, dass das sonst mehrschichtige Epithel der hintern Urdarm- wand an der Stelle der Einstülpung einschichtig geblieben ist, was es nur um so wahrscheinlicher macht, dass sich hier die Zellvermehrung vorzugsweise in der Richtung der Fläche abgespielt und dadurch die Einstülpung erzeugt hat. Meiner Auffassung, dass diese Bildung nur eine vorübergehende und völlig belanglose ist, würde demnach auch für Lacerta nichts im Wege stehen. 4. Das Auswachsen des Urdarms bis zur Erreichung der definitiven Länge (Stadium IV). Hat der Urdarm einmal die Richtung nach vorn eingeschlagen, so geht sein ferneres Wachsthum bis zur Erreichung seiner vollen Länge ausserordentlich rasch von Statten, um dann sofort nach unten durchzubrechen. Da es sich demnach hier um ein sehr schnell vorüber- gehendes Stadium handelt, so kommt es, dass ich unter mehrern Hundert Geckoembryonen nur zwei hierher gehörige Stadien besitze, von denen das eine den Urdarm in seiner halben, das andere ihn in seiner vollen Länge zeigt. Das Oberflächenbild war bei beiden nur insofern verschieden, als der erstere Embryo, der auch der Fig. 13 zu Grunde liegt, einen elliptischen, der andere aber einen mehr birnförmig zugespitz- ten Embryonalschild (Fig. 14) besass. Die Urmundöffnung stellte bei beiden eine quere, nach hinten gebogene Spalte dar, die aber bei dem ersteren doppelt so breit war wie bei dem andern. Ueberhaupt wechselt die Breite der Urmundöffnung in den Stadien, wo dieselbe eine quere Spalte bildet, ganz ausserordentlich ohne irgend welche Beziehung zu dem Alter der Embryonen. Während nun der eine der Embryonen äusserlich weiter keine Merkmale er- kennen lässt als eine bedeutendere Wulstung der vordern Urmund- 60 LUDWIG WILL, lippe, lässt derjenige der Fig. 13 schon bei äusserlicher Besichtigung auf die Vorgänge im Innern schliessen. Die axialen Theile der Schild- oberfläche sind durch den vorgewachsenen Urdarm ein wenig empor- gehoben, während die seitlichen Partien derselben dagegen leicht ein- gesunken erscheinen. Da ich dieses Verhalten auch noch bei den meisten Embryonen mit eben erfolgtem Durchbruch des Urdarms be- obachtete, so ist anzunehmen, dass die Figur das normale Aussehen des Oberflächenreliefs aus dieser Entwicklungsphase zur Anschauung bringt. Dieser Embryo wurde in eine Serie von Querschnitten zerlegt, aus der hervorgeht, dass das Lumen des Urdarms, von dem vordern Rande des Urmundspaltes an gerechnet, jetzt bereits die Länge von 0,49 mm erreicht, d. i. ungefähr die halbe Länge des voll entwickelten Urdarms, während die grösste Breite 0,24 mm beträgt. Aus der Gegend hinter der Einstülpung wurden aus Mangel an Raum keine Schnitte abgebildet, da dieselben sich hier noch genau so verhalten wie auf dem vorhergehenden Stadium. Schnitte aus der Region des prostomialen Mesoderms zeigen dasselbe nach wie vor nach oben von den ectodermalen Plattenzellen der Zwischenzone, nach unten vom secundären Entoderm überzogen. In der Region des Entodermpfropfes fehlt in der Mitte der ectodermale Ueberzug auf einer grössern Strecke, während der Entodermpfropf selbst seitlich mesodermale Fortsätze, ähnlich wie in Fig. 54 b, zwischen Ectoderm und Entoderm hineinsendet, welche Mesodermflügel nach hinten con- tinuirlich in das unpaare Mesoderm übergehen. In Fig. 52 a—c sind sodann bei schwächerer Vergrösserung drei Querschnitte aus der Gegend vor der Einstülpnng zur Abbildung ge- kommen, von denen a 0,13 mm, b 0,33 mm und c 0,43 mm vor dem vordern Einstülpungsrande gelegen ist. Alle drei Schnitte lassen das Lumen des Urdarms erkennen, das zu dieser Zeit überall noch so ziemlich dieselbe Breite aufweist und nur in der Nähe der Spitze sich rasch verschmälert, jedoch von hinten nach vorn ganz allmählich niedriger wird. Die untere Urdarmwandung besteht in der ganzen. Ausdehnung des Urdarms aus niedrigen Plattenzellen, die wenig höher als die des Dotterblatts sind und in der Regel keine Zellgrenzen er- kennen lassen mit alleiniger Ausnahme der Gegend in der Nähe des Entodermpfropfes. Bedeutend mächtiger ist die obere Wandung des Urdarms, die aus einem Cylinderepithel besteht, das von hinten nach vorn an Höhe der Zellen und Deutlichkeit ihrer Grenzen abnimmt. Dort, wo obere und untere Urdarmwand jederseits zusammenstossen, setzen sie Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 61 sich auf beiden Seiten in eine schmale solide Zellenplatte fort, die nach vorn allmählich in die solide Spitze des Urdarms übergeht, nach hinten sich aber continuirlich in die seitlichen Mesodermplatten des Entoderm- pfropfes fortsetzt. In diesen beiden zur Zeit noch sehr unscheinbaren paarigen Fortsätzen haben wir, wie sich aus der spätern Schilderung der Mesodermbildung ergeben wird, die ersten Anlagen des paarigen oder gastralen Mesoderms zu erblicken. Unter der ganzen Urdarm- einstülpung zieht das Dotterblatt, welches sich nunmehr sehr stark abgeplattet hat, überall glatt hinweg und ist auch von der untern Urdarmwand stets scharf abzugrenzen. Aus der geschilderten Querschnittserie habe ich in Fig. 53 einen sagittalen Längsschnitt bei einer Vergrösserung von 100: 1 reconstruirt, an dem die eben geschilderten Verhältnisse in übersichtlicherer Form zur Anschauung gebracht werden. Wie man daraus ersieht, ist der früher solide Kopffortsatz jetzt fast ganz zu einem hohlen Urdarm geworden, dessen kurze solide Spitze bei weiterer Entwicklung der Einstülpung ebenfalls noch zum Verschwinden kommen wird. Die spaltförmige Einstülpungsöffnung aber hat sich gegenüber dem vorigen Stadium noch mehr verengert und zwar in Folge des Nachvornewachsens des Entodermpfropfes. Während nun bei den übrigen bisher in ihrer Entwicklung be- kannt gewordenen Reptilien — nur die Schildkröten, die sich nach meinen Untersuchungen in Bezug auf den Umfang des Urdarms ebenso verhalten wie der Gecko, machen eine Ausnahme — die hohle Ur- darmeinstülpung ausserordentlich kurz bleibt und kaum über jenes Maass hinausgeht, welches der Gecko im Stadium III (vgl. Fig. 49, 51) zeigte, so dass es den Anschein gewinnt, als ob die Einstülpung hier nur zur Bildung des neurenterischen Canals hinführt, belehrt uns der jetzt zu besprechende Geckoembryo eines Bessern. Durch denselben wurden nahezu mediane Längsschnitte ange- fertigt, von denen zwei in den Figuren 55 a, b zur Abbildung ge- langten. Dieselben wurden, um eine bessere Vergleichung zu ermög- lichen, mit denselben Vergrösserungen (Zeiss Obj. DD, Oc. II) gezeichnet wie die meisten der besprochenen Längsschnitte (Fig. 48, 49, 50 etc.). Leider fiel die Schnittführung nicht genau median aus, so dass ich zwei nahe bei einander liegende Schnitte vorführen muss, die aber, wie ich hoffe, dasselbe leisten wie ein wirklicher Medianschnitt. Eine Recon- struction im Maassstab 100:1, also im gleichen Maassstab wie die der Fig. 53, findet sich in Fig. 56. Von den beiden abgebildeten geht Fig. 55 b genau durch die Mitte der Invaginationsôffnung, 62 LUDWIG WILL, während Fig. 55 a den Urdarm in seiner ganzen Ausdehnung ge- troffen, die Einstülpungsstelle selbst aber nur angeschnitten hat. Das histologische Detail ist bei der Conservirung nur schlecht erhalten; die Zelleiber waren stark geschrumpft, was jedoch der Beurtheilung der morphologischen Verhältnisse, auf welche es hier allein ankommt, keinerlei Abbruch thut. Uebrigens habe ich mich bemüht den Er- haltungszustand in der Zeichnung möglichst genau zum Ausdruck zu bringen. Wie aus der Combinirung der beiden abgebildeten Schnitte her- vorgeht, erreicht die Urdarmeinstülpung beim Gecko eine so enorme Ausdehnung, wie man sie bei einem Reptil wohl kaum erwartet hätte und wie wir sie bisher unter den Wirbelthieren nur bei den Anamniern kennen. Messungen ergaben, dass der Urdarm von der vordern Blasto- poruslippe bis zu seiner vordern Spitze 1,08 mm misst, eine Zahl, die erst dann in das rechte Licht gerückt wird, wenn wir bedenken, dass Embryonen vom Alter der Figuren 28—33 um 1 mm herum in ihrer Länge schwanken. Die Länge der Urdarmeinstülpung ist also mehr als ausreichend, um die Behauptung zu rechtfertigen, dass die ge- sammte Chorda dem Gastrulaentoderm den Ursprung verdankt, und zwar geht dieselbe, wie ich vorausschicken will, aus dem axialen Theil der dorsalen Urdarmwand hervor. Die dorsale Urdarmwand besteht nach wie vor aus einem hohen einschichtigen Cylinderepithel, welches an dem vordern Einstülpungs- rande sich direct in das Ectoderm des Schildes umschlägt, nach der Spitze des Urdarms zu aber allmählich an Höhe abnimmt, um an der Spitze selbst — dieses Verhalten tritt auch noch an dem Urdarm eines etwas ältern Embryos (Fig. 57) hervor — wieder etwas anzu- schwellen. Ein ganz anderes Bild zeigt die ventrale Wand des Ur- darms. Sie ist in ihren vordern zwei Dritteln einschichtig und von einem flachen Plattenepithel gebildet, welches nur an der Urdarm- spitze, da, wo es in die dorsale Wand übergeht, etwas an Höhe zu- nimmt. Die solide Spitze des Urdarms, die in Fig. 53 wenigstens noch andeutungsweise vorhanden war, ist auf diesem Endstadium völlig verschwunden. Das hintere Drittel der untern Urdarmwand ist ent- sprechend den frühern Stadien mehrschichtig und geht nach hinten ohne irgend welche Grenze in das Zellenmaterial des Entodermpfropfes über. Die übrigen Keimblätter verhalten sich im Grossen und Ganzen wie auf dem vorigen Stadium. Das Ectoderm stellt im Bereich des Schildes nach wie vor ein einschichtiges hohes Cylinderepithel dar, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien, 63 das am Einstülpungsrande direct in das Gastrulaentoderm umbiegt. An dem Entodermpfropf fehlt ein oberflächliches Ectoderm. Dasselbe tritt erst etwas weiter nach hinten als dünne Lage von Plattenzellen wieder auf. Das stark abgeplattete secundäre Entoderm zieht unter der ganzen Einstülpung glatt hinweg und ist von dem Urdarm durch einen deutlichen Zwischenraum getrennt mit alleiniger Ausnahme der- jenigen Stelle, an der der Urdarm in seiner untern Wandung mehrere Zellenschichten aufweist. Hier liegt das Dotterblatt der Urdarmwand dicht an, nichtsdestoweniger ist es aber auch auf dieser Strecke durch eine scharfe Grenze von ihr abgesetzt. Genau aber wie an den vor- hin beschriebenen Embryonen sendet auch hier der Entodermpfropf nach hinten zwischen Ectoderm und secundäres Entoderm einen Fort- satz, der das prostomiale Mesoderm (mpr) darstellt. Das soeben beschriebene Stadium ist es ganz besonders, welches der Geckoentwicklung den Stempel der Ursprünglichkeit aufdrückt. Bei keinem andern Reptil, mit alleiniger Ausnahme der Schildkröte, zeigt der Urdarm ein so umfangreiches Lumen, bei keinem andern Reptil verläuft seine Entstehung ferner so unverkennbar unter dem Zeichen einer Gastrulaeinstülpung wie eben beim Gecko. Wenn da- her die Geckoentwicklung den natürlichen Ausgangspunkt einer ver- gleichenden Betrachtung der Reptilienentwicklung bilden muss, so wies ich andrerseits schon 8. 54 darauf hin, dass sie auch den Schlüssel für das richtige Verständniss der Amniotenentwicklung überhaupt bietet. IH. Entwicklungsperiode: Die Periode der Mesodermbildung. Die Periode hebt an mit dem Durchbruch des Urdarms nach unten und schliesst unmittelbar vor dem ersten Auftreten der Me- dullarwülste, sie stellt somit einen ganz natürlichen Abschnitt in der Entwicklung der Reptilien dar. Mit Rücksicht auf das Verhalten des Canalis neurentericus kann man denselben Zeitabschnitt beim Gecko auch begrenzen mit dem Auftreten und dem Schwunde des KUPFFER- schen Ganges, eine Abgrenzung, die zeitlich völlig mit der vorigen zusammenfällt und sich auch noch durch grössere Schärfe auszeichnet. Allein sie findet nur auf den Gecko Anwendung, dessen neurenterischer Canal sich etwas anders verhält als derjenige der Eidechse und wahr- scheinlich der Mehrzahl der Reptilien, und würde daher keine natür- liche Periode bilden. 64 LUDWIG WILL, Hatten wir es in der verflossenen Periode nur mit einem einzigen Vorgang, dem Gastrulationsprocess, zu thun, so complicirt sich nun- mehr der Entwicklungsverlauf, indem verschiedene Processe neben einander hergehen. Hauptsächlich ist es die Mesodermbildung, besonders die Entstehung des paarigen oder gastralen Mesoderms, welche diese Periode charakterisirt. Ferner aber sehen wir während dieser Epoche auch die Chorda dorsalis entstehen, wir sehen den Ur- darm in den subembryonalen Raum durchbrechen, den Kurrrer’schen Gang entstehen und verschwinden, wir beobachten die wichtigsten Veränderungen im Bereich der Primitivplatte und den Uebergang einer queren Urmundspalte in eine längsgerichtete Primitivrinne, welche am Ende der Periode zum Verschluss sich anschickt. Ganz wesent- liche Fortschritte macht die Entwicklung der allgemeinen Körperform während der III. Entwicklungsperiode, in welcher schliesslich auch noch der Anfang mit der Entstehung des Amnions und des Darm- rohres gemacht wird. Diese verschiedenen Entwicklungsvorgänge, die theils auf einander folgen, zum grössern Theil aber neben einander herlaufen, sind nun hinsichtlich ihres Auftretens gewissen zeitlichen Schwankungen unter- worfen, welche eine so scharfe Gliederung der Periode in einzelne Unterabschnitte, wie das in der vorigen Epoche möglich war, ver- hindern. Wenn ich daher auch hier wie in der vorigen Periode ein- zelne Entwicklungsphasen unterschieden habe, so ist diese Eintheilung doch nur aus rein praktischen Gründen erfolgt und darf nur als eine mehr oder weniger künstliche angesehen werden. Der Beschreibung kann sie schon deshalb nicht zu Grunde gelegt werden, weil alsdann die einzelnen zu beschreibenden Vorgänge allzu sehr auseinander- gerissen würden. Ich ziehe es aus diesem Grunde vor, jeden ein- zelnen Entwicklungsprocess im Zusammenhang durch die ganze Periode hindurch zu schildern. 1. Der Durehbruch des Urdarms (Stadium V). Der Durchbruch des Urdarms ist der einzige der hier zu be- schreibenden Entwicklungsvorgänge, der innerhalb eines eng umschrie- benen Zeitabschnitts verläuft und sich nicht über mehrere Phasen der Entwicklung erstreckt. Das Oberflächenrelief der Embryonen dieses Stadiums gleicht in vielen Fällen noch völlig demjenigen des vorhergehenden. Die Ein- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 65 stülpungsöffnung hat die Form eines queren Spaltes (Fig. 15), dessen Breite ohne Beziehung zu dem Entwicklungsgrade des Embryos Schwankungen unterliegt. Die Oberfläche zeigt in der Regel in dem medianen Abschnitt vor dem Urmund eine leichte Erhebung, die be- reits in Fig. 13 angedeutet war und im Allgemeinen als die Folge der Einstülpung des Urdarms anzusehen ist. Da jedoch die Urdarmein- stülpung zu dieser Zeit schon fast die Breite des Schildes einnimmt, wie Querschnitte ergeben werden, so deckt sich die Breite der Ober- flächenerhebung der Schildmitte nicht mehr mit dem Umfang des Ur- darms selbst, sondern nur noch mit der Breite der Chordaverdickung der obern Urdarmwand, als deren Ausdruck sie daher im Speciellen auf- zufassen ist. In andern Fällen, in denen das gastrale Mesoderm be- reits etwas früher angelegt ist, wird je nach dem Entwicklungsgrade desselben das Oberflächenbild hierdurch beeinflusst. So erweist sich in Fig. 17 a die Mitte des Schildes etwas eingesunken, während rechts und links von dem jederseitigen Ende des Urmundspaltes eine niedrige Firste von hinten nach vorn ungefähr parallel mit den Seitenrändern des Schildes verläuft, die gegen die Mitte des Schildes allmählich verstreicht. Der Raum zwischen den beiden Firsten deckt sich mit der Breite des Urdarms in der hintern Region des Schildes; die Firste selbst wird durch die Insertionsstelle des Mesoderms hervorgerufen. Noch schärfer ausgeprägt erscheint das Oberflächenbild bei ältern Durchbruchstadien, bei denen das gastrale Mesoderm auf der Ober- fläche ein Paar flache Erhebungen (Fig. 20) verursacht, welche als äussere Mesodermplatten oder Mesodermwülste bezeichnet werden können, die jedoch nur die Abgüsse der eigentlichen innern Mesodermfalten darsteilen. Die Mesodermplatten sind noch ausser- ordentlich schmal, ihre innern Grenzlinien entsprechen den beiden Firsten in Fig. 17 a, divergiren stark von hinten nach vorn und fallen ungefähr zusammen mit der seitlichen Grenze des Urdarms. An dem vorliegenden Embryo (Fig. 20) machte sich ausnahmsweise auch die vordere Grenze des Urdarms bereits an der Oberfläche bemerkbar, indem die Schildoberfläche im ganzen Bereich der Urdarmeinstülpung etwas höher lag als vor derselben. Daher wurde die vordere Grenze des Urdarms äusserlich als eine Bogenlinie sichtbar, die im vordern Drittel des Schildes von der Spitze einer Mesodermplatte zur andern zog. So sind geringfügige Unterschiede im Entwicklungsgrade des Mesoderms, sowie eine stärkere oder geringere Ausprägung der Chordaverdickung im Stande, das Aeussere des Embryos zu be- einflussen. Zool, Jahrb. VI. Abth. f. Morph. Di 66 LUDWIG WILL, Sehr lehrreiche Bilder ergeben die Embryonen im Durchbruch- stadium bei der Ansicht von unten. Denselben Embryo, den wir bereits in Fig. 17 a von oben kennen lernten, und der vom Dotter abgehoben war, stellt die Fig. 17 b in der Ventralansicht dar. Inner- halb des ovalen Schildes bemerken wir ein zweites Oval, dessen Con- touren ungefähr parallel denen des Schildes verlaufen und welches die Ausdehnung des Urdarms anzeigt. Die untere Wandung des Ur- darms selbst hat aber sehr merkwürdige Veränderungen erfahren. Sie stellt nicht mehr eine zusammenhängende Membran dar, sondern ist sammt dem unter oder in dieser Ansicht über ihr wegziehenden Dotter- blatt netzartig durchbrochen, so dass nur noch die Reste in Form eines unregelmässigen Balkenwerks übrig geblieben sind. Eine Aus- nahme macht nur der hinterste Abschnitt der untern Urdarmwand, also derjenige Theil derselben, den wir vorhin als mehrschichtig kennen lernten und der in ganzer Ausdehnung erhalten bleibt, um noch später eine wichtige Rolle zu spielen. Durch die Lückenräume des Netz- werkes sieht man demnach direct in das Lumen des Urdarms, welches nunmehr in offener Verbindung mit jenem subembryonalen Raum steht, der im Bereich des Schildes zwischen Embryo und Dotter durch die beginnende Verflüssigung des letztern entstanden ist. Der Re- sorptionsprocess, der zum Durchbruch des Urdarms geführt hat, schreitet nun in der Weise fort, dass die zur Zeit noch bestehenden Netzbalken der untern Urdarmwand — bei dem einen Embryo rascher, bei dem andern langsamer — immer mehr dem Schwunde anheim- fallen, bis schliesslich nur der hintere, mehrschichtige Theil der untern Urdarmwand allein noch übrig geblieben ist (Fig. 18, Stad. VI), der in Form einer Nische über die Unterfliiche des Schildes vor- springt. In Folge dieses Durchbruchs ist die Urdarmhöhle mit dem sub- embryonalen Raum zusammengeflossen; nur der hinterste Abschnitt der erstern ist bestehen geblieben, stellt aber nunmehr einen Canal dar, der durch die Urmundspalte mit der Aussenwelt in Verbindung steht. Dieser Canal ist der Canalis neurentericus, der dem- nach in Folge des Gastrulationsprocesses entsteht, aber nur dem hin- tersten Theil des Urdarms entspricht. Ich muss jedoch hier voraus- schicken, dass sich der neurenterische Canal bei dem Gecko wesentlich anders verhält als bei der Eidechse. Während er bei letzterer sich continuirlich bis in eine sehr späte Zeit des Embryonallebens erhält, schwindet er beim Gecko schon sehr frühzeitig, in der Regel bereits Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 67 vor dem Auftreten der Medullarwülste, um erst später hinter der ursprünglichen Stelle von neuem durchzubrechen. Der Canalis neur- entericus tritt demnach beim Gecko in zwei Phasen auf, die zeitlich durch Stadien ohne neurenterischen Canal getrennt sind. Ich bezeichne die erste Phase desselben, also jenen Canal, den wir soeben direct aus dem hintersten Abschnitt des Urdarms hervorgehen sahen, als den Kuprrer’schen Gang, den zweiten Durchbruch aber als den Canalis neurentericus s. str. Beide zusammen bilden den Canalis neurentericus im weitern Sinne. Wenngleich mir aus dieser Zeit eine ganze Reihe von Embryonen zur Verfügung standen, so habe ich doch nur an diesem einen die Ansicht von unten studiren können. Die übrigen hatten alle ihren Zusammenhang mit dem Dotter bewahrt, den ich nicht ohne Noth lösen mochte, einerseits um nicht Verletzungen der auf diesem Sta- dium besonders empfindlichen untern Urdarmwand zu verursachen, anderseits aber, weil die Reconstruction von Schnittserien als völlig ausreichend zur Controle erachtet werden musste. Die Untersuchung der übrigen Embryonen ergab nun, dass der Durchbruch im Allge- meinen stets unter dem Bilde verläuft, wie es die Fig. 17 b darstellt, dass das Bild jedoch im Einzelnen bei jedem Embryo insofern ver- schieden ist, als bald diese, bald jene Stellen der untern Urdarmwand als Ausgangspunkte der Resorptionsvorgänge dienen. Immer aber seht die Resorption gleichzeitig von zahlreichen Punkten aus, so dass in allen Fällen die Reste der untern Urdarmwand eine Zeit hindurch ein unregelmässiges, bei den verschiedenen Embryonen verschieden gestaltetes Netzwerk darstellen, und ferner stets der hintere mehr- schichtige Abschnitt der untern Urdarmwand von der Resorption aus- geschlossen bleibt. Während ich zur Zeit der Publication meiner vorläufigen Mit- theilungen !) nicht daran dachte, dass es möglich sein würde, unter den für entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen unter gewöhnlichen Verhältnissen zugänglichen Reptilien-Formen von gleicher Ursprüng- lichkeit wie den Gecko zu finden, glückte es mir während meines Menorquiner Aufenthalts im Sommer 1890 bei der scheinbar ganz gut bekannten Schildkröte (Cistudo lutaria) ?), eine Reihe von Embryonen dy.l.ce. 2) L. Wu, Zur Kenntniss der Schildkrötengastrula, m. Fig., in Biol. Centralbl. 1892. 5* 68 LUDWIG WILL, zu erlangen, bei denen nicht nur der Urdarm dieselbe Ausdehnung besass wie beim Gecko, sondern bei denen sich auch der Durchbruch desselben in so übereinstimmender Weise vollzog, dass recht gut die Flächenbilder des einen Objects zur Illustration des andern dienen können. Die sagittalen Längsschnitte, zu deren Betrachtung wir nunmehr übergehen werden, decken sich so vollständig mit den Ergebnissen, die wir soeben am Flächenbilde gewonnen haben, dass sie sich eigent- lich von selbst erklären. Der Embryo, der der Fig. 57, Taf.9, zu Grunde liegt, bot äusserlich keine besondern Merkmale, abgesehen von der ausnahmsweise be- deutenden Breite des Urmundspaltes, welche 0,359 mm beträgt. Die spaltförmige Einstülpungsöffnung führt in den 1,04 mm langen Urdarm, der an seiner Spitze mit dem unter ihm wegziehenden Dotterblatt verlöthet ist. Im Wesentlichen unterscheidet sich der Schnitt nur dadurch von der Fig. 55 a und b, dass die untere, aus Plattenzellen bestehende Wand des Urdarms an zwei Stellen nebst dem Dotterblatt durchbrochen ist, ein Bild, das ohne weiteres durch das Flächen- bild (Fig. 17 b) verständlich wird. Die stehengebliebenen Reste der untern Urdarmwandung ergänzen sich durch die benachbarten Schnitte zu den in letztgenannter Figur dargestellten Netzbalken. In Fig. 58 ist der Durchbruch fast vollendet, indem die gesammte untere Urdarmwandung, soweit dieselbe einschichtig war, zum Schwunde gekommen ist und nur noch sehr kümmerliche Reste derselben an drei Stellen des Schnittes nachweisbar sind, an denen ausserdem bereits die ursprüngliche Zusammensetzung aus zwei Zellenlagen un- deutlich geworden ist. An der Spitze des Urdarms geht das Gastrula- entoderm so unmerklich in das Dotterblatt über, dass die vordere Urdarmgrenze an diesem Präparat vollständig verwischt ist. An andern Präparaten, so an der fig. 5 meiner zweiten vorläufigen Mit- theilung :), ist sie häufig noch dadurch kenntlich, dass der aus der Einstülpung hervorgegangene Theil des Entoderms sich durch höhere Zellen von dem niedrigern Dotterblatt absetzt. Der mehrschichtige Abschnitt der untern Urdarmwand, welche nach unten wie früher vom secundären Entoderm bekleidet wird, ist in ganzer Ausdehnung er- halten geblieben, so dass an dieser Stelle das Urdarmlumen in einen langgestreckten Canal, den Kurrrer’schen Gang, umgewandelt 1) Lupwie Witt, Zur Entwicklungsgeschichte des Geckos, in: Biolog. Centralblatt, 1890, No. 19 u. 20, p. 592--600. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 69 ist, der nicht wie später senkrecht nach unten, sondern schräg nach vorn verläuft. Nicht minder instructiv sind Querschnittserien, die uns nicht nur über die Breitenausdehnung des Urdarms Aufklärung verschaffen, sondern auch im Stande sind, uns Auskunft über die erste Anlage der Chorda und des gastralen Mesoderms zu geben. Ich begnüge mich in dieser Abhandlung mit nur einer Serie, welche demselben Embryo entstammt, den wir bereits in Fig. 17 a und b in dorsaler und ventraler Flächenansicht kennen gelernt haben. Querschnitte hinter dem Entodermpfropf zeigen noch denselben Cha- rakter, den wir in Fig. 54 a kennen lernten. Wir finden uns hier im Bereich des unpaaren Mesoderms, welches dorsal von den platten Ectodermzellen der Zwischenzone, ventral von dem secundären Ento- derm überzogen wird und jederseits Mesodermfortsätze zwischen beide primäre Keimblätter schickt, die sich mit zunehmender Entfernung von der Axe verjüngen, um schliesslich aufzuhören. Ein Querschnitt durch den Ectodermpfropf selbst zeigt nur den einen Unterschied, dass über dem Entodermpfropf das Ectoderm fehlt. Der erste zur Abbildung gekommene Schnitt (Fig. 59 a, Taf. 9) geht genau durch die Ur- mundspalte, doch steht der Schnitt nicht genau senkrecht zur Längs- axe des Embryos, so dass rechts der Schnitt etwas hinter dem vordern Urmundrande noch durch den vordersten Abschnitt des Entoderm- pfropfes geht, links dagegen bereits die Lippe selbst, sowie der An- fang des Urdarms getroften ist. Das Mesoderm steht rechts im Zu- sammenhange mit dem Entodermpfropf, links dagegen bereits mit dem Seitenrande der Urdarmwand; der Schnitt zeigt demnach in Ueber- einstimmung mit andern, später zu beschreibenden Serien, dass an der Stelle, wo der Entodermpfropf in die Wandungen des Urdarms übergeht, auch die seitlichen Mesodermplatten in der hinter der In- vaginationsstelle gelegenen Zone ganz continuirlich in die paarigen Mesodermplatten vor der Einstülpungsöffnung übergehen. Während das paarige Mesoderm im Bereich des Entodermpfropfes mit diesem im Zusammenhang stand, inserirt es sich vor dem Entodermpfropf an der Wandung des Urdarms, und zwar an den Schnitten, die unmittel- bar vor der Einstülpung liegen, regelmässig an der Seitenkante des Urdarms, da, wo untere und obere Urdarmwand zusammenstossen. Das ergiebt sich z. B. aus Fig. 59 b, Taf. 10, die 12 Schnitte, also 0,12 mm, vor der Einstülpung liegt. Dieselbe zeigt das Lumen des Urdarms noch ziemlich schmal; seine obere Wand besteht aus einer einfachen Lage von Cylinderzellen, die untere dagegen ist entsprechend den = 70 LUDWIG WILL, Längsschnitten Fig. 57, 58 mehrschichtig. Wo beide Wandungen seitlich zusammenstossen, ziehen sie sich jederseits in eine Zellenplatte, das paarige oder gastrale Mesoderm (mgr) aus, welches sich zwischen Ecto- derm und Dotterblatt hineinschiebt, in diesem Stadium sich aber noch nicht oder kaum über den seitlichen Rand des Schildes hinaus- erstreckt. In den Figg. 59 c—m wurde der Raumersparniss wegen nur die Hälfte des Schnittes gezeichnet, doch wurde überall die Mitte des Schnittes durch ein #, die seitliche Grenze des Urdarms aber durch einen * bezeichnet, so dass nichtsdestoweniger die gesammte Breiten- ausdehnung des Urdarms aus der Abbildung ermessen werden kann. An dem Schnitt Fig. 59 c, der 0,24 mm vor der Einstülpung seführt ist, ist der Urdarm bereits etwas breiter geworden, ausserdem aber auch der Durchbruch desselben nach unten erfolgt, indem wir hier die untere Wandung desselben sowie auch das Dotterblatt ver- missen. Nur seitlich ist ein kleiner Rest (r) beider erhalten geblieben, der eine doppelte Lage von Kernen aufweist, von denen die obere dem Urdarmblatt, die untere dem Dotterblatt angehört, wenn auch die Grenze zwischen beiden hier bereits geschwunden ist. Dieser Rest der untern Urdarmwand setzt sich seitlich einerseits in das ein- schichtige Entoderm der obern Urdarmwand, andrerseits aber in das Dotterblatt oder secundäre Entoderm fort. Die obere Urdarm- wand oder das primäre Entoderm zeigt sich demnach an der seitlichen Grenze des Urdarms bereits mit dem Dotterblatt verlöthet. Etwas oberhalb dieser Verlöthungsstelle hängt auch das paarige Mesoderm mit der obern Urdarmwand zusammen. Der 29. Schnitt zeigt ganz ähnliche Verhältnisse, nur dass die Verbreiterung des Urdarms noch zugenommen hat. Zwar finden wir hier keine Reste der untern Urdarmwand mehr erhalten, doch finden wir bei dem * die seitliche Grenze des Urdarms noch durch einen Vorsprung des Entoderms nach unten angedeutet. An dieser Stelle hat demnach die Verlöthung der Urdarmwand mit dem Dotterblatt bereits ihren Abschluss gefunden, so dass auf diesem Schnitt das Gastrulaentoderm sich continuirlich in das secundäre Entoderm fort- setzt. Etwas oberhalb dieses Punktes liegt auch hier wieder die Ur- sprungsstelle des Mesoderms (mgr). An der ehemaligen obern Urdarm- wand bemerken wir hier zum ersten Mal eine Differenzirung insofern, als der mittlere axiale Theil gegenüber dem seitlichen stark verdickt erscheint. Die axiale Verdickung stellt die Chordaanlage dar. Zwar ist diese Differenzirung schon in Fig. 59 c zu bemerken, tritt aber hier Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. al noch nicht so deutlich hervor, weil der Urdarm noch nicht die ge- nügende Breite erlangt hat, und weiter nach hinten verschwindet sie sogar ganz (Fig. 59 b), so dass hier dann die ganze obere Urdarm- wand als Chordaanlage aufzufassen ist. Fig. 59 e wurde gezeichnet, weil auf dem betreffenden Schnitt noch die eine ganze Hälfte der untern Urdarmwand erhalten war. Unmittelbar einwärts von der seitlichen Grenze des Urdarmes finden wir die Insertionsstelle des Mesoderms, diese aber liegt entgegen den bisherigen Angaben über die Mesodermbildung nicht unmittelbar neben der Chordaanlage, sondern ist von ihr durch einen Zwischen- raum getrennt, in dem das Urdarmepithel sich stark abgeflacht zeigt. Je weiter wir nun in der Serie nach vorn gehen, desto mehr nimmt der Urdarm, wenigstens bis zum 54. Schnitt (Fig. 59 1), an Breite zu, desto mehr aber entfernt sich gleichzeitig die Ursprungsstelle des Mesoderms von der axialen Chordaverdickung, und zwar hält sie sich stets in unmittelbarer Nachbarschaft der seitlichen Urdarmgrenzen. Entsprechend diesem Auseinanderrücken von Chorda und Mesoderm wird natürlich die stark abgeplattete Partie der dorsalen Urdarm- wand, welche den Zwischenraum zwischen beiden ausfüllt und als Zwischenplatte (zp) bezeichnet werden kann, immer grösser. Weiter lässt sich constatiren, was übrigens auch aus den Oberflachenbildern hervorgeht, dass die Platten des gastralen Mesoderms selbst, je weiter nach vorn, desto schmäler werden, bis sie schliesslich etwa an der- jenigen Stelle, an welcher der Urdarm seine ‘grösste Breite erlangt hat, gänzlich aufhören. In unserer Querschnittserie wird diese grösste Breite des Urdarms zwischen dem 54. und 56. Schnitt erreicht und beträgt 0,86 mm. Sodann nimmt der Urdarm sehr rasch an Breite ab, so dass sein grösster Durchmesser sehr weit nach vorn verschoben ist, wie die letzten Schnitte der Serie illustriren. Diese, welche wieder in ganzer Breite gezeichnet wurden, zeigen die untere Urdarmwand noch in grösserer Ausdehnung erhalten. Dieselbe lässt hier noch sehr dentlich die beiden Zellenlagen erkennen, aus denen sie zusammen- gesetzt ist, nämlich das secundäre und das primäre Entoderm, welche seitlich (besonders klar auf Schnitt 90 und 91) noch in typischer Weise in die dorsale Urdarmwand resp. die seitlichen Theile des secundären Entoderms übergehen. Abgesehen von dem bereits an Längsschnitten uud Flächenbildern constatirten Durchbruch des Urdarms erhellt aus dieser Querschnitt- serie sowie zahlreichen andern, dass der Urdarm nicht nur eine ganz 2 LUDWIG WILL, bedeutende Länge, sondern im Stadium seiner höchsten Entwicklung auch eine sehr beträchtliche Breitenausdehnung besitzt. Demnach erstreckt sich der Urdarm, wie auch von den Flächenbildern Fig. 17 b, 18, 20 bestätigt wird, unter den grössten Theil des Schildes, nur die Randpartien desselben frei lassend. Fragen wir uns nun nach der Ursache dieses räthselhaften Durch- bruchs des Urdarms, den wir bei den bis jetzt untersuchten An- amniern überhaupt vermissen und von dem bei höhern Amnioten nur noch ein schwacher Abglanz in der Eröfinung des sogen. Chordacanals und des neurenterischen Canals vorkommt, so dürfte es zur Zeit wohl schwer sein, hierauf die richtige Antwort zu geben. Anders steht es mit der Bedeutung dieses Durchbruchs. Bei den Amphibien sehen wir alle Theile des Entoderms von vorn herein und dauernd (abgesehen natürlich von der Ausschaltung von Chorda und gastralem Mesoderm) in continuirlichem Zusammen- hang stehen. Bei den Amnioten und speciell dem Gecko ist dieser Zusammenhang, worauf stets hingewiesen wurde, zwar Anfangs vor- handen, wird hier jedoch durch das Auftreten eines Dotterblatts, welches sich aus den später dem Furchungsprocess entsprungenen Entodermzellen aufbaut, unterbrochen. In Folge des Durchbruchs des Urdarms wird nun dieser zeitweilig aufgehobene Zusammenhang dadurch wiederhergestellt, dass an der Spitze und den Seiten des Urdarms eine Verlöthung von Gastrulaentoderm und Dotterblatt erfolgt. Da die Natur einer Höhle lediglich bedingt wird durch die Be- schaffenheit der sie begrenzenden Wandungen, diese sich aber durch den Fortfall der untern Urdarmwand verändert haben, so könnte der Gedanke auftauchen, dass der Raum, der durch den Zusammenfluss des Urdarmlumens mit dem subembryonalen Raum entsteht, nunmehr ein anderer geworden und nicht mehr als Urdarmhöhle aufzufassen sei. Das ist jedoch unrichtig. Da das Auftreten des Dotterblatts nur eine Folge der verzögerten Furchung, diese aber nur die Folge des vermehrten Dotterballastes ist, so hat man in dem ganzen Durchbruch und der Verschmelzung von primärem und secundärem Entoderm nur die nachträgliche Aufnahme der verspätet entstandenen Furchungs- elemente in die Embryonalanlage zu sehen, wodurch factisch erst dasselbe Verhalten des Urdarms hergestellt wird, wie es bei Anamniern von Anfang an besteht. Während bei diesen vom Beginn der Ein- stülpung an nur die dorsale Urdarmwand von einem epithelialen Blatt, die untere dagegen vom Dotter selbst dargestellt wird, wird Beiträge’ zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 73 dieses Verhalten bei den Amnioten erst in Folge des Durchbruchs erreicht. Der so begrenzte Raum beim Gecko muss daher nach wie vor als Urdarm bezeichnet werden. 2. Orientirende Bemerkungen über die Mesoderm- bildung. Neben der ursprünglichen Form, in der wir in den vorhergehenden Capiteln den Invaginationsprocess sich vollziehen sahen, verdient ganz besonders die Art und Weise der Mesodermbildung unsere Beachtung. Dieser Process vollzieht sich beim Gecko unter so charakteristischen Bildern, dass die denselben zu Grunde liegenden Vorgänge gar nicht zu verkennen sind. Da mir zur Untersuchung der Mesodermbildung auf Querschnitten eine grössere Reihe von Embryonen, besonders auch junger Stadien zur Verfügung standen, so glaube ich in allen wesent- lichen Punkten zu völlig gesicherten Ergebnissen gelangt zu sein. Hinsichtlich der Schilderung derselben stehe ich jedoch vor einer Schwierigkeit. Da die erlangten Resultate ganz anders lauten als diejenigen, zu denen die Brüder Hertwic und jene Forscher gelangt sind, welche sich ihrer Führung angeschlossen haben, nichtsdestoweniger aber geeignet sind, den theoretischen Grundanschauungen dieser Autoren, nämlich der Ableitung des Cöloms als Abschnitte der Urdarmhöhle, in einer ganz ungeahnten Weise zu ihrem Recht zu verhelfen, so er- fordert der Abschnitt über die Mesodermbildung des Geckos eine gründliche, namentlich auf Abbildung zahlreicher Querschnittserien gestützte Bearbeitung. Die vorliegende Abhandlung nun ist bei einem wenig umfang- | reichen Text bereits mit so zahlreichen Tafeln von Abbildungen be- lastet, dass eine weitere Vermehrung derselben die Publication ohne besondere Subvention unmöglich machen würde. Statt die Zahl der mir als nothwendig erscheinenden Abbildungen zum Nachtheil der Beweiskraft einzuschränken, ziehe ich es vor, die Entstehung des Mesoderms zum Gegenstande einer besondern Abhandlung zu machen, in der es mir dann auch möglich sein wird, dieselben Vorgänge auch bei Eidechse und Schildkröte nach eigenen Untersuchungen gleichzeitig zu berücksichtigen. Ich würde daher an dieser Stelle über die Entstehung des Meso- derms völlig geschwiegen haben, wenn ich nicht diese Frage schon in der vorausgegangenen Schilderung hin und wieder hätte berühren müssen und wenn nicht die beigegebenen Schnitte und Oberflächen- 74 LUDWIG WILL, bilder die ersten Stadien der Mesodermbildung schon so weit erkennen liessen, um den Leser ohne beigefügte Erläuterung in die Verlegenheit zu bringen, wie er sich dieselben auf Grund der vorhandenen Literatur zurecht legen soll. Nach dem Gesagten möchte ich die nachfolgenden Angaben über die Mesodermbildung nur als eine vorläufige Mittheilung aufgefasst wissen, für welche die ausführlichen Belege später zu erbringen sind. Wenn auch das Mesoderm sowohl hinsichtlich seiner äussern Ge- stalt wie auch nach seiner Entstehung ein durchaus einheit- liches Ganzes darstellt, so ist es doch zweckmässig, bei der Schilderung das vor dem Urmund entstehende mittlere Blatt gesondert von dem hinter dem Blastoporus gelegenen Theil des Mesoderms zu besprechen. Diese beiden Abschnitte des Mesoderms werden in der Literatur ge- wöhnlich als paariges und unpaares Mesoderm bezeichnet, Namen, die mir aus dem Grunde recht unglücklich gewählt zu sein scheinen, weil auch das sogenannte unpaare Mesoderm der grössten Masse nach eine paarige Bildungist. Unpaar ist lediglich die mesodermale Wucherung, die vom Primitivstreifen aus nach hinten sich erstreckt, während die seit- lichen Mesodermfortsätze desselben mit demselben Rechte als paarige Bildungen bezeichnet werden müssen, wie das vor dem Blastoporus gelegene Mesoderm und besonders bei den durch einen langen Pri- mitivstreif ausgezeichneten Amnioten recht umfangreiche Anlagen darstellen. Aus diesem Grunde bezeichne ich im Anschlusse an RABL denjenigen Theil des Mesoderms, der im Bereiche des Primitivstreifens entsteht, als prostomiales Mesoderm (unpaares Mesoderm der Aut., peristomales Mesoderm von RABL), den vor dem Primitivstreifen gelegenen Mesodermabschnitt aber als gastrales Mesoderm (RABL). Die Entstehung des Mesoderms beginnt, wie bei allen Amnioten, am hintern Ende der Embryonalanlage, also im Bereich des Primitiv- streifens, und schreitet von hier aus allmählich in der Richtung nach vorn fort. Das Mesoderm tritt demnach im Anfang der Gastrulation lediglich als prostomiales Mesoderm in die Erscheinung, mit dem wir uns demnach zunächst zu beschäftigen haben werden. Will man seine Entstehung kennen lernen, so geht man besten von einem Stadium aus, in dem das Dotterblatt bereits aufgetreten ist, in dem also das prostomiale Mesoderm (m in Fig. 49) gegen den Dotter hin bereits durch eine entodermale Zellenhaut abgegrenzt ist und demnach durch seine Lage zwischen beiden primären Keim- blättern seine Bezeichnung als mittleres Keimblatt bereits in vollem Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 75 Umfange verdient. Das prostomiale Mesoderm trägt zu dieser Zeit genau denselben Charakter, wie er auch für alle andern Amnioten bisher nahezu übereinstimmend geschildert ist. Es erweist sich auf sagittalen Längsschnitten als eine unmittelbare solide Fortsetzung des Primitivstreifens, die in den letztern so continuirlich übergeht, dass eine scharfe Abgrenzung von demselben nicht möglich ist. Zur Be- stimmung einer ungefähren, wenn auch künstlichen Grenze dient uns nur das Verhalten des obern Keimblatts.. Während der Primitiv- streif, dessen Zellenmaterial sich sowohl hinsichtlich seiner Genese wie seiner Betheiligung an dem Zustandekommen der Einstülpung als entodermal erwies, nach oben eines ectodermalen Ueberzuges entbehrte, rechnen wir das Mesoderm von dem Punkte an, wo auf der Ober- fläche das platte Ectoderm der Area intermedia auftritt. In directer Fortsetzung der entodermalen Primitivplatte beginnt das prostomiale Mesoderm zunächst als eine mehrschichtige Zellenlage, die nach hinten immer dünner wird und in einiger Entfernung vom Primitivstreif als einfache Zellenschicht plötzlich aufhört (Fig. 57). Weiter nach hinten liegen dann Ectoderm und secundäres Entoderm einander unmittelbar an, und bis zum Keimwall hin treten zwischen beiden keinerlei zellige Elemente auf, die eventuell mit dem Mesoderm sich vereinigen und zu seiner Ausbreitung nach hinten dienen könnten. Zu ganz ähnlichen Bildern gelangt man auf Querschnitten durch die Primitivplatte (Fig. 54 a, b), indem diese auch seitlich ganz ent- sprechende Mesodermfortsätze zwischen Ectoderm und secundäres Ento- derm schickt, die in gleicher Weise ebenfalls in einiger Entfernung unter allmählicher Verjüngung aufhören. Wenn wir nun nicht über jüngere Stadien verfügten, die uns die allmähliche Anlage des Mesoderms Schritt für Schritt demonstrirten, würden wir aus den soeben an den Figuren 49, 54, 57 geschilderten Verhältnissen auf den Ursprung des unpaaren Mesoderms schliessen müssen. Die ganzen Lagebeziehungen des Mesoderms, seine völlige Trennung vom secundären Entoderm, der alleinige Zusammenhang mit der Primitivplatte sowie seine allmähliche Dickenzunahme nach letz- terer zu würden auf einen entodermalen und prostomialen Ursprung hinweisen. Das würde ein ganz richtiger Schluss sein, der thatsächlich für alle Amnioten und auch für den Gecko zutrifft. Lediglich gestützt auf jene Embryonen, würden wir aber wahrscheinlich nicht daran denken, unsere Schlussfolgerung so vorsichtig zu formuliren, sehr wahrscheinlich würden wir weiter gehen und annehmen, dass das prostomiale Mesoderm einer seitlichen und nach hinten gerichteten 76 LUDWIG WILL, Wucherung des Primitivstreifens den Ursprung verdankt. Dieser letztere Satz aber wäre zwar für die Eidechse sowie für alle höhern Amnioten ebenfalls vollständig correct, für den Gecko aber sowie auch für die Schildkröte trifft er nur noch theil- weise zu. Das hat seinen Grund darin, dass bei den drei ersten Abtheilungen das secundäre Entoderm so früh angelegt und damit die Trennung von primärem, secundärem Entoderm und Dotter so früh eingeleitet wird, dass bei diesen Formen das prostomiale Mesoderm nur allein noch durch Wucherung vom Primitivstreifen seinen Ur- sprung nehmen kann; anders aber beim Gecko, bei dem, gleich wie bei der Schildkröte, die Trennung der drei Entodermabschnitte erst sehr spät erfolgt. Gehen wir nämlich von dem soeben betrachteten Stadium zu einem nächst jüngeren über, welches, wie Fig. 48, zwar schon die Gastrulaeinstülpung, aber noch kein secundäres Entoderm zeigt, so finden wir auch hier schon die Anlage für das prostomiale Mesoderm in jener Zellenmasse vorhanden, die hinter der Primitivplatte gelegen ist, allein sie zeigt noch ganz andere Verhältnisse. Erstlich hört sie nicht, wie in Fig. 57, in einiger Entfernung vom Primitivstreifen auf, sondern sie geht hier ohne irgend eine Grenze in eine einfache Lage von Entodermzellen über, welche sich im Bereich der ganzen Zona intermedia verfolgen lässt; dann aber fehlt auch noch die Abgrenzung nach unten durch das secundäre Entoderm. Mit andern Worten, die Mesodermanlage, obwohl in ihrem Zellenmaterial bereits zum grössten Theil vorgebildet, entbehrt auf diesem Stadium noch jeder Selbständig- keit und stellt vielmehr zu dieser Zeit noch einen Theil des Ento- derms dar. Dasselbe finden wir, wenn wir auf noch frühere Stadien zurück- gehen, wie sie auf Taf. 6 abgebildet sind. Auf allen finden wir noch ein völlig einheitliches Entoderm. Weder lässt sich wie später ein pri- märes Entoderm von einem secundären trennen, noch ist auch eine scharfe Grenze gegen den Dotter hin vorhanden, von dessen Ober- fläche sich (Fig. 40, 45) zahlreiche neue Furchungselemente ablösen, um sich den bereits vorhandenen zelligen Entodermelementen zuzuge- sellen. Auch hier finden wir auf allen Figuren die Zellen, welche das prostomiale Mesoderm aufzubauen bestimmt sind, bereits in jenen Zellenmassen vor, welche unmittelbar nach hinten auf die Primitivplatte folgen und überall noch einen Theil des durchaus einheitlichen Ento- derms darstellen. Das tritt natürlich besonders an solchen Abbil- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien 717 dungen hervor, auf denen, wie in Fig. 45, der Dotter sowie der an- stossende Theil der Area intermedia mitgezeichnet ist. Aus dieser Betrachtung folgt, dass wir erst in dem Momente von einem Mesoderm sprechen können, in dem die betreffenden Zellenmassen einen gewissen Grad der Selbständigkeit erlangen und sich aus dem Zu- sammenhange mit dem Entoderm ausschalten. Die Erreichung dieser Selbständigkeit oder, wie man sich kürzer ausdrücken kann, die Dif- ferenzirung oder Emancipation des Mesoderms tritt gleichzeitig ein mit dem Erscheinen des secundären Entoderms. Da nun, wie erwähnt, das Zellenmaterial, welches das Mesoderm aufzubauen bestimmt ist, bereits vor dem letztern Zeitpunkt lange vorhanden ist, so muss man, um die Entstehung des prostomialen Mesoderms in vollem Umfange zu würdigen, zwei Dinge auseinander- halten, nämlich den eben erörterten Vorgang der Differenzirung oder Emancipation des Mesoderms und die Entstehung der das Mesoderm aufbauenden Zellen. Bei Gelegenheit der Gastrulationsvorgänge habe ich bereits darauf hingewiesen, dass die Primitivplatte in ihrer ersten Anlage nicht irgend welchen Wucherungserscheinungen den Ursprung verdankt, sondern dass ein grosser Theil ihres Zellenmaterials (cf. Fig. 35) bereits beim ersten Auftreten eines Ectoderms vorhanden ist, bevor irgend welche Wucherungserscheinungen bemerkbar geworden sind. Ihre Zellen werden von den obersten entodermalen Furchungszellen ge- bildet und erfahren auch noch auf den folgenden Stadien (Fig. 40, 45) einen Zuwachs von Seiten neu entstandener Furchungselemente. Sehr bald treten nun lebhafte Zellvermehrungen innerhalb der Primitivplatte ein, die sich naturgemäss rascher in den obern, also ältern Schichten vollziehen als in den untern und daher unter dem Bilde einer be- sonders von der Oberfläche ausgehenden Wucherung verlaufen. Die Primitivplatte auf dem Stadium II stellt daher ein Gemisch von Zellen dar, die, ausser den bereits auf dem vorigen Stadium vor- handenen, theils diesem Wucherungsprocess den Ursprung verdanken, theils aber von unten her sich neu den bereits vorhandenen Zellen angefügt haben. Genau dasselbe konnten wir auch constatiren für jene von der Primitivplatte ausgehenden Fortsatzbildungen, von denen die vordere sich später zum Urdarm aushöhlt, während die hintere das prostomiale Mesoderm liefert. Eine Ausnahme bestand nur für jene Form der Gastrulation (Fig. 50), in der der Urdarm von vornherein als hohle Einstülpung einer epithelialen Fläche auftritt, in welchem Falle natürlich 718 LUDWIG WILL, sämmtliche Elemente der Einstülpung allein von der Primitivplatte abzuleiten sind. Leitet sich aber, wie das meistens der Fall (Fig. 44) ist, die Invagination unter Bildung eines Anfangs soliden Kopffortsatzes ein, so finden wir, wie bereits früher auseinandergesetzt, in diesem Kopffortsatz zweierlei entodermale Elemente vereinigt. Diejenigen, welche in der Nachbarschaft der Primitivplatte selbst gelegen sind, verdanken ihre Entstehung vorzugsweise einer von jener ausgehenden Zellen- wucherung, die sich auf allen Figuren ganz deutlich ausprägt. Die- jenigen Elemente aber, welche die Spitze des Kopffortsatzes bilden, müssen, wie das besonders aus den Fig. 48, 49 hervorgeht !), un- zweifelhaft von Zellen abgeleitet werden, die theils bereits auf frühern Stadien (Fig. 40, 41,42, 45) an gleicher Stelle gelegen waren, theils aber vom Dotter her sich secundär angelagert haben. Bei dem einheitlichen Charakter des Entoderms, den ich immer wieder betonen muss, kann ein solches Verhalten nichts Wunderbares haben, wenn es auch schwierig ist, dasselbe einem bestimmten Schema einzuordnen. Auch der so beschaffene Kopffortsatz erreicht erst, wie wir sahen (Fig. 49), seine Selbständigkeit mit dem Auftreten des Dotterblatts. Wenn dieses auch in der grössten Ausdehnung des Kopffortsatzes durch Anlagerung neuer Entodermzellen von unten her erfolgt, so mussten wir doch an der äussersten Spitze eine Abtrennung oder Abspaltung vom übrigen Entoderm (das nunmehr zum secundären Entoderm wird) constatiren. Dasselbe, was ich soeben für den Kopffortsatz recapitulirt habe, gilt im Grossen und Ganzen für den nach hinten und nach der Seite gerichteten Fortsatz des Primitivstreifens, der das Zellenmaterial des prostomialen Mesoderms zu liefern bestimmt ist. Halten wir uns zunächst an die Längsschnitte, so finden wir bereits in Fig. 35 hinter der Primitivplatte lockere Massen rundlicher Furchungselemente oder Entodermzellen vor, die unzweifelhaft für den Aufbau des hintern Fortsatzes Verwerthung finden müssen, wie aus dem Vergleich mit ältern Schnitten, z. B. Fig. 37, 37, 41 etc., ohne weiteres erhellt. Diese Elemente erfahren nun eine Vermehrung erstens durch eigene Theilung, dann aber auch durch Hinzutreten neuer Elemente aus der Tiefe (Fig. 37, 40, 45), sowie drittens durch jenen von der Primitiv- platte ausgehenden Wucherungsprocess. Das Zellenmaterial des spätern prostomialen Mesoderms verdankt demnach keineswegs ausschliesslich dem von der Primitivplatte 1) Sämmtliche Zellen dieser und der übrigen Figuren wurden mit Hülfe der Camera lucida eingetragen. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 79 ausgehenden Wucherungsprocess den Ursprung, son- dern es baut sich auch zum andern Theil aus Entoderm- zellen auf, die theils bereits in loco vorhanden waren, theils sich von unten her secundär anlagern. Ganz ebenso verhalten sich natürlich auch die seitlichen Fort- satzbildungen der Primitivplatte, wie sie auf den Querschnitten Fig. 54, 43 hervortreten. Ich hätte für diese nichts Besonderes hinzuzufügen, wenn ich es nicht für zweckmässig hielte, der Beziehungen zu ge- denken, welche zwischen ihnen und den Formveränderungen der Pri- mitivplatte obwalteten. Schon bei den Betrachtungen über den Ursprung der Primitiv- platte fand ich Veranlassung, den Process der Differenzirung des Ectoderms und den gleichen Vorgang am Amphibienei mit einer Art Epibolie zu vergleichen, die der eigentlichen Invagination voraufgeht. Diese Epibolie nun hört nicht mit dem Einsetzen der Einstülpung auf, sondern äussert sich noch weiterhin, zunächst in Formverände- rungen der Primitivplatte. Diese, aufänglich von Sichelgestalt, wandelt sich früher oder später in eine rundliche Platte um, und zwar ledig- lich dadurch, dass ihre Hörner vom Ectoderm überwachsen werden. Wie aus den Querschnitten (Fig. 43, 46) hervorgeht, zeigt sich das Ecto- derm fast stets scharf von dem Zellenmaterial der Platte abgesetzt, so dass ein eigentlicher Uebergang des Ectoderms in das Ectoderm der Platte hier ebensowenig vorhanden ist wieam hintern Rande derselben. — Vielfach sahen wir auch das Ectoderm des Schildes (Fig. 40, 42, 44) deut- lich von der Primitivplatte abgegrenzt, ein Verhalten, das beim Gecko jedoch nicht so regelmässig, bei der Schildkröte dagegen mit stets grosser Deutlichkeit nachweisbar ist. — Diese Epibolie findet ihren Ab- schluss erst mit dem Verschluss der Primitivrinne, welcher zu einem Theil wenigstens hierauf zurückzuführen ist. In Folge dieser namentlich in seitlicher Richtung besonders hervor- tretenden Ueberwachsung der Primitivplatte werden, wie gesagt, die Sichelhörner vom Ectoderm überzogen, und da diese daher am Aufbau der seitlichen Theile des prostomialen Mesoderms sich ebenfalls be- theiligen, kann es kommen, dass bei solchen Embryonen, bei denen vorher die Sichelgestalt besonders entwickelt war, auch das prosto- miale Mesoderm später noch an der Stelle der Sichel eine Verdickung aufweist, die auch gelegentlich, doch lange nicht immer, im Ober- flächenbild sich bemerkbar macht (Fig. 24, Taf. 3). Diese sichel- förmige Verdickung des Mesoderms ist bekanntlich bereits von 80 LUDWIG WILL, Kuprrer!) und Mirrsukuri u. ISHIKAWA?) gesehen und abgebildet worden. Wenn man natürlich auch von dieser Bildung auf das Vor- handensein einer Sichel zurückschliessen kann, so stellt sie doch keines- wegs die Sichel selbst dar, wie jene Autoren irrthümlich glaubten. Als wahre Sichel kann nur die sichelförmige Primitivplatte angesehen werden zu einer Zeit, in der die Ueberwachsung von Seiten des Ecto- derms noch nicht eingetreten ist. Nachdem wir so den Ursprung der Elemente, welche das Meso- derm liefern, kennen gelernt haben, gehen wir nunmehr zu der Unter- suchung jener Vorgänge über, welche zur Emancipation des Mesoderms führen und dasselbe zu einem besondern Keimblatt erheben. Der Zeitpunkt, in dem die letztere eintritt, liegt zwischen den Stadien der Figuren 44, 48 einerseits und der Fig. 49 andrerseits und hängt un- mittelbar mit dem Auftreten des Dotterblatts zusammen. Da auf allen jüngern Längsschnitten einschliesslich demjenigen der Fig. 48 das für die Mesodermbildung bestimmte Zellenmaterial noch in continuirlichem Zusammenhang mit dem Entoderm steht, so müssen wir es folgerichtig bis zu diesem Stadium noch als einen Theil des Entoderms ansehen, aus dessen Zusammenhang es sich auf irgend eine Weise frei machen muss. Dieser Vorgang spielt sich ziemlich genau so ab, wie wir es beim Kopffortsatz bereits gesehen haben. An demjenigen Theil der Mesodermanlage, der der Primitiv- platte zunächst gelegen ist, geschieht das, wie aus einem Vergleich mit Fig. 49 erhellt, dadurch, dass sich dem Fortsatz von unten her Zellen anlegen, die aber nun nicht mehr mit demselben verschmelzen, sondern hier ein selbständiges Blatt, das Dotterblatt oder secundäre Entoderm bilden, welches meist im Anfang noch stärker mit Dotter- material beladen ist als die Zellen der Primitivplatte und des Meso- dermfortsatzes. Ob das secundäre Entoderm nicht auch gelegentlich durch Abspaltung von dem erwähnten Fortsatz sich anlegt, muss ich natürlich als Möglichkeit offen lassen, gesehen habe ich jedoch nie Bilder, welche darauf schliessen liessen, und somit stellt die Anlagerung jedenfalls die Regel dar. Anders steht es mit dem hintern Ende des Fortsatzes. In Fig. 57, in der das prostomiale Mesoderm bereits völlig gesondert ist, sehen wir dasselbe in einiger Entfernung von seiner Insertionsstelle plötzlich aufhören, nachdem es allmählich sich verjüngt hat. Hinter dieser 1) Kurrrer, L c. 2) Mirsuxurr u. IsHıkAwa, l. c. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. Si Stelle treffen wir dann im ganzen Bereich der Zona intermedia nur noch Ectoderm und Dotterblatt, die einander unmittelbar anliegen. Vergleichen wir nun dieses Bild mit jüngern Stadien, bei denen das secundäre Entoderm noch nicht angelegt ist, beispielsweise mit Fig. 45, 48 (auch die übrigen Figuren würden dasselbe Verhalten zeigen, wenn sie so weit ausgezeichnet wären), so finden wir auch hier bereits im Bereich der Zona intermedia (ai) unter dem platten Ectoderm eine oberflächliche Lage von zusammenhängenden Entodermzellen, die aber nach der Primitivplatte zu mit dem hintern Fortsatze derselben in Verbindung stehen. Da nun diese oberflächliche Schicht von Ento- dermzellen sich innerhalb der Intermediärzone ganz direct in das secundäre Entoderm umwandelt, so muss an der Grenze zwischen ihm und dem Fortsatz eine Trennung eintreten. Dasselbe muss natürlich auch an den freien Rändern der seitlichen Flügelfortsätze der Primi- tivplatte der Fall sein, wie sofort klar wird, wenn man den Querschnitt Fig. 46 mit dem der Fig. 45 b vergleicht. Die Differenzirung des prostomialen Mesoderms erfolgt demnach zum Theil dadurch, dass unter ihm aus angelagerten Zellen eine besondere entodermale Zellenhaut, das secundäre Entoderm oder Dotterblatt, auftritt, zum Theil aber durch eine an den freien Rändern der Mesodermanlage eintretende Abspaltung vom Entoderm. Will man diesen Process kurz mit einem Wort kennzeichnen, so ist das in ganz zutreffender Weise nicht möglich. Da jedoch das Auftreten des Dotterblatts, mag es nun sich einfach wie in der Area intermedia aus einer bereits vorhandenen Zellenhaut an- legen oder wie unter dem Schilde sich völlig neu aus jüngern Furchungs- derivaten aufbauen, immer eine Spaltung des Entoderms in verschiedene getrennte Theile, worunter auch das Mesoderm figurirt, zur Folge hat, so begeht man auf keinen Fall eine grosse Ungenauig- keit, wenn man die Differenzirung des prostomialen Mesoderms überhaupt unter dem Bilde einer Abspal- tung vom Entoderm ansieht. Ist nun aber einmal die Abgrenzung des Mesoderms nach unten durch ein Dotterblatt erfolgt, so dass die Verhältnisse denen gleich werden, wie sie bei Lacerta sowie Vögeln und Säugern bereits von sehr früher Zeit an bestehen, so geschieht das weitere Wachsthum des prostomialen Mesoderms ganz in derselben Weise, wie es bei diesen Thieren der Fall ist und für das Hühnchen zuerst von KÖLLIKER geschildert wurde, d. h. lediglich durch Wucherung seiner Zellen und Zool, Jahrb. VI. Abth, f. Morph, 6 82 LUDWIG WILL, besonders derjenigen der Primitivplatte. Positiv kann ich versichern, dass von diesem Zeitpunkt der Differenzirung des Mesoderms an keinerlei Bestandtheile eines der beiden andern Keimblätter zum Mesoderm hinzutreten. Ebensowenig kann auch von einer Vermehrung der mesodermalen Elemente vom Keimwall her die Rede sein, da zwischen der Mesoderm führenden Zone und dem Keimwall Ectoderm und Entoderm einander überall dicht anliegen. Niemand, der die vorstehende Schilderung an der Hand der Ab- bildungen mit Aufmerksamkeit verfolgt hat, wird behaupten wollen, dass die Entstehung und Differenzirung des prostomialen Mesoderms beim Gecko im Widerspruch mit den Resultaten steht, welche die Untersuchung der höhern Amnioten ergeben hat, bei denen dieser Mesodermabschnitt lediglich unter dem Bilde einer vom Primitivstreifen ausgehenden Wucherung entsteht. Unterschiede sind natürlich vor- handen, aber diese betreffen nur die äussere Form, nicht das Wesen des Vorganges und beruhen lediglich auf dem frühern oder spätern Auftreten des secundären Entoderms. So findet z. B. die hier gegebene Schilderung noch vollständige Anwendung auf die Schildkröte, bei der der ursprüngliche Zusammen- hang aller Entodermtheile gleichfalis sehr lange erhalten bleibt oder, was dasselbe ist, das secundäre Entoderm ebenfalls sehr spät auftritt. Auch hier wäre es verfehlt, das prostomiale Mesoderm allein aus der von der Primitivplatte ausgehenden Wucherung abzuleiten, da gleich- falls eine Abspaltung vom Entoderm mit in Frage kommt, solange diese nicht durch die Sonderung eines besondern Dotterblatts un- möglich geworden ist. Da ich selbst an dieser Stelle keine hierauf bezüglichen Zeichnungen vorlegen möchte, verweise ich vorläufig auf die trefflichen Schnittzeichnungen von Mrrsukurt u. ISHIKAWA ‘), welche dieses Verhalten sehr gut illustriren. Anders liegen die Dinge bereits bei der Eidechse, bei der der Zusammenhang des primären Entoderms der Primitivplatte und der von ihr ausgehenden Wucherung mit dem übrigen Entoderm durch das Auftreten des Dotterblatts schon zu so früher Zeit unterbrochen wird, dass auf allen bisber bekannt gewordenen Entwicklungsstadien eine Anlagerung von Entodermzellen unmöglich geworden ist. Bei der Eidechse erscheint demnach die Entstehung des prostomialen Mesoderms bereits vollständig als eine von der Primitivplatte aus- 1) Mirsuxuri u. IsuikAwa, L c. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 83 gehende Wucherung, wie das ja auch bei den die gleichen Verhältnisse des Dotterblatts aufweisenden Vögeln und Säugern der Fall ist. Die abweichenden Angaben Horrmann’s!), der dieses prosto- miale Mesoderm bei Lacerta durch Abspaltung vom secundären Entoderm und zwar ausschliesslich auf diese Weise ableitet, das so entstandene mittlere Keimblatt erst nachträglich mit dem Primi- tivstreifen sich in Verbindung setzen lässt, beruhen unzweifelhaft auf Irrthum. Ich habe an meinen Präparaten von Lacerta keine An- haltspunkte für eine solche Auffassung finden können, der auch alle Erfahrungen anderer Autoren an dem gleichen Object widersprechen. Was ich im Anfange dieses Capitels über die provisorische Form dieser Mittheilung sagte, gilt ganz besonders für die Entstehung des gastralen Mesoderms. Da ich die Publication der hierauf be- züglichen Abbildungen auf eine spätere Mittheilung verschieben muss, so beschränke ich mich hier darauf, den Kernpunkt der Sache an einigen schematischen Figuren zu erläutern, die meinen Präparaten entnommen sind. Meine Ansicht über die Entstehung des gastralen Mesoderms hat im Laufe der Untersuchung eine Wandlung erfahren. Bei Publication meiner ersten Mittheilung?) lagen mir nur Embryonen aus der Braun’schen Sammlung vor, von denen nur zwei in die kritische Zeit der ersten Anlage des gastralen Mesoderms fielen. Der eine derselben wurde zur Aufklärung der Gastrulationsvorgänge Längsschnitten ge- opfert, der andere für Querschnitte aufgespart. Dieser letztere (die betreffende Serie ist in Fig. 59, Taf. 10 zur Abbildung gekommen), der mir sofort die nöthige Aufklärung hätte verschaffen müssen, wurde erst unmittelbar nach der betreffenden Publication geschnitten. Damals lagen mir demnach nur Querschnittserien von Embryonen mit vorgeschrittener Mesodermbildung vor, bei denen der gleich zu erwähnende Unterwachsungsprocess bereits eingesetzt hatte. Die Bilder, die ich auf Querschnitten vom gastralen Mesoderm erhielt, deckten sich mit dem beigefügten Schema Fig. 2 E (8. 87). In der eben citirten Mittheilung konnte ich daher sagen: „Auf meinen Prä- paraten liess das gastrale Mesoderm von Anfang an eine Spaltung in ein somatisches und ein splanchnisches Blatt erkennen, von denen ersteres mit der Chorda, letzteres mit dem Darmblatt zusammenhing. Die Grenzlinie zwischen beiden stellt die erste Anlage des Cölom- 1) C. K. Horrmany, l. c. 2) in: Sitz.-Ber. Kénigl. Preuss. Akad. Wiss. Berlin, 1889, 12. Dec. 6 * 84 LUDWIG WILL, spalts vor, der jederseits von der Chorda in den Urdarm ausmiindet. Da überdies der betreffende Spalt an manchen Präparaten recht weit zu verfolgen war, so wird man begreiflich finden, dass ich mich dem von HERTWIG angenommenen Entwicklungsmodus zuneigte, trotzdem an andern Präparaten der Spalt wieder sehr undeutlich war resp. ganz vermisst wurde. Nichtsdestoweniger waren schon damals Bedenken in mir aufge- stiegen, die durch die Oberfiächenbilder veranlasst waren, auf denen die Mesodermplatten im vordern Theil des Schildes immer sehr stark divergirten, so dass ich schon damals an die Möglichkeit des hier vertretenen Bildungsmodus dachte. Aus diesem Grunde hütete ich mich in der erwähnten Mittheilung vor einer positiven Behauptung, sondern begnügte mich mit der Angabe: „die Bilder lassen kaum eine andere Erklärung zu, als dass das gastrale Mesoderm nach dem von HerrwiG für die Amphibien geschilderten Typus durch Einstülpung vom Urdarm her entstanden ist.“ Aber schon während der Publication der erwähnten Mittheilung wurde der andere Embryo dieser Periode in Querschnitte zerlegt, von denen eine Auswahl auf Taf. 10, Fig. 59 zur Abbildung gekommen und auch schon theilweise im vorigen Capitel besprochen ist. Dieser Embryo, der die ersten Anfänge der Mesodermbildung aufwies, die man bisher bei Reptilien vergeblich gesucht, gab sofort meinen An- schauungen über die Mesodermbildung eine ganz andere Richtung. Er zeigte mir, dass man in der Entstehung des gastralen Mesoderms zwei verschiedene Phasen unterscheiden müsse, von denen man bisher nur die letzte gekannt. Obwohl ich nun aus dem Vergleich des eben erwähnten Embryos mit ältern den wirklichen Verlauf der Mesodermbildung bereits in der Form erkannt habe, wie ich ihn hier vortragen werde, so erkannte ich doch die Nothwendigkeit, die Untersuchung über die Bildung des gastralen Mesoderms auf ein ausgedehnteres Beobachtungsmaterial zu gründen. Bei der Tragweite, die einem so sehr von dem bisher an- erkannten Schema abweichenden Bildungsprocess für unsere gesammten Anschauungen über die Bildung von Mesoderm und Cölom bei Wirbel- thieren zukommt, ist es begreiflich, wenn gerade die Mesodermfrage für mich die nächste Veranlassung wurde, dass ich selbst nach Menorca ging, um mir frisches Material zu beschaffen. Die vorläufige Mittheilung 1), die gleich nach der Rückkehr 1) L. Wırr, Zur Entwicklungsgeschichte des Geckos, in: Biolog. Centralbl. 1890. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 85 von meiner Reise im Biologischen Centralblatt erschien, verdankt lediglich dem Wunsche den Ursprung, meine erste Mittheilung durch einige Abbildungen zu ergänzen. Da damals das neu von Menorca beschaffte Material noch nicht geschnitten war, so beruht auch diese Mittheilung noch ganz auf der Braun’schen Embryonen-Sammlung. Der Umschwung, den inzwischen meine Ansichten über die Mesoderm- bildung erfahren hatten, macht sich in derselben dadurch bemerkbar, dass ich es zunächst vorzog, ganz über diesen Punkt zu schweigen, bis ich im Stande war, auf Grund ausgedehnterer Untersuchungen mein Urtheil definitiv zu formuliren. Die zunächst nur an der Hand der einzigen, in Fig. 59 abge- bildeten Schnittserie gewonnenen Ansichten über den Process der Ent- stehung des gastralen Mesoderms beim Gecko bestätigten sich nun bei der Untersuchung des frischen Materials aus den betreffenden Ent- wicklungsstadien vollkommen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung fasse ich an dieser Stelle in einigen kurzen Sätzen zusammen. Die erste Entstehung des gastralen Mesoderms ist bisher bei Reptilien überhaupt noch nicht beobachtet worden. Alle Forscher, welche sich bisher auf die Untersuchung derselben eingelassen haben, erblickten das Mesoderm erst auf einem Stadium, das dem Schema der Fig. 2E (S. 87) entspricht. Im Wesentlichen laufen alle neueren Angaben darauf hinaus, dass es auf diesem Stadium jederseits neben der Chorda gelegen ist und sowohl mit dieser wie mit dem Darmentoderm in Verbindung steht. Aus diesem Zusammen- hang wird sodann auf einen entodermalen Ursprung des Mesoderms geschlossen, was vollkommen richtig ist. Ein Theil der Autoren findet nun weiter jederseits neben der Chorda einen feinen Spalt, der Chorda- entoderm und Darmentoderm trennt und nach dem Vorbilde Herrwia’s auf den Figuren gewöhnlich mit einem * bezeichnet wird. Bei der Eidechse soll sich nach Horrmann diese Lücke zwischen beiden Ento- dermabschnitten jederseits in einen längern Spalt fortsetzen, der das gastrale Mesoderm in ein somatisches und ein splanchnisches Blatt trennt und selbst das Cölom darstellt, welches demnach mit dem Ur- darm durch die besternte Entodermlücke communicirt. Aus diesem Befunde wird dann weiterhin im Anschluss an die Beobachtungen Herrwig’s an Triton gefolgert, dass das gastrale Mesoderm durch Einstülpung vom Entoderm entstanden ist. WeLpon beschränkt sich zwar lediglich auf Constatirung des Thatbestandes, hält aber seine Beobachtungen für übereinstimmend mit denen HorFrmann’s, so dass man annehmen muss, dass auch ihm der Herrwia’sche Entwicklungs- 86 LUDWIG WILL, modus als richtig vorgeschwebt haben muss. Auch MrrSuKkuRI!) u. IsHIkAWA halten aus phylogenetischen Gründen die Entstehung durch Invagination für richtig, bekennen jedoch,’ dass dieser Entstehungsmodus bei der Schildkröte soweit abgeändert ist, dass der epitheliale Cha- rakter des Mesoderms verloren gegangen und weder ein splanchnisches noch ein somatisches Blatt zu unterscheiden ist. Alle vorstehend aufgeführten Beobachtungen nun, welche für die Entstehung des gastralen Mesoderms durch Divertikelbildung des Ento- derms ins Feld geführt wurden, gebe ich ohne weiteres als richtig zu, nur die aus denselben gezogenen Schlüsse sind falsch. Wenn das gastrale Mesoderm wirklich durch Ausstülpung des Entoderms, oder sagen wir mit Rücksicht auf unsere bisherigen Ergebnisse am Gecko, durch Ausstülpung des Urdarmepithels ent- stände, so müsste es an der Stelle seinen Ursprung nehmen, an der es auch auf dem eben besprochenen Stadium (Schema 2 E) noch mit dem Entoderm zusammenhängt. Die Ausstülpung müsste demnach unmittelbar neben der Chorda auftreten, in ihrer ersten Anlage ein kurzes Divertikel jederseits neben der Chorda darstellen, das im Ver- lauf der weitern Entwicklung an Ausdehnung immer mehr gewinnt, bis schliesslich die Mesodermplatte im Durchschnitt das Bild der Fig. 2 E gewinnt. Die thatsächliche Beobachtung der ersten Anlage des gastralen Mesoderms beim Gecko ergiebt nun gerade das Gegentheil. Erstens entsteht das gastrale Mesoderm nicht neben der Chor- da, sondern ist von derselben durch einen ansehnlichen Zwischenraum getrennt, dessen Ausdehnung nach der Region, durch welche der Schnitt geführt wurde, variirt. Zweitens ent- steht dasselbe nicht durch Divertikelbildung, sondern als eine solide Wucherung des Urdarmepithels. Was den Entstehungsort des gastralen Mesoderms anbetrifft, so deckt sich derselbe vollkommen mit den seitlichen Rändern des Urdarms. In manchen Fällen lassen sich die Anfänge des gastralen Meso- derms schon zu einer Zeit erkennen, wo die untere Urdarmwandung 1) Eine weitere sehr werthvolle Arbeit dieses Autors: Further studies on the formation of the germinal layers in Chelonia (in: Journ. Coll. Sc. Imp. Univ. Japan, Vol. 5, pt. 1), welche besonders die Meso- dermbildung behandelt, ging mir durch die Güte des Verfassers erst während des Druckes zu und wird in dem in Vorbereitung befindlichen zweiten Beitrag, der die Schildkrötenentwicklung behandelt, gebührende Berücksichtigung erfahren. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 87 noch nicht durchgebrochen ist oder der Urdarm noch nicht einmal seine definitive Länge erreicht hat. In diesem Falle (Schema Fig. 2 A) wird die erste Anlage des Mesoderms von einer soliden Zellenplatte jederseits repräsentirt, in welche sich die seitlichen Ränder des hohlen Urdarms fortsetzen. Das gastrale Mesoderm lässt sich daher als eine Wucherung der seitlichen Ränder des Urdarms auffassen, die nach Fig. 2 A—E. Querschnitte durch die vordere Urdarmregion auf 5 verschiedenen Entwicklungsstadien. ec Ectoderm, ud obere, vd ventrale Urdarmwand, e! Urdarmblatt, el! Dotterblatt des Entoderms, sp solide Seitenplatte des Urdarms, welche die erste An- lage des gastralen Mesoderms darstellt, mp Mittelplatte (Chordaanlage), zp Zwischenplatte der dorsalen Urdarmwand, mgr gastrales Mesoderm, so somatisches, sp splanchnisches Blatt des Mesoderms, co Cölomspalt. hinten continuirlich in die paarigen Mesodermflügel der Primitivplatte übergehen. Das gastrale Mesoderm hat demnach seiner ersten Ent- stehung nach genau denselben Ursprung wie das prostomiale Meso- derm. Beide zusammen stellen daher eine völlig einheitliche Anlage 88 LUDWIG WILL, dar, so dass sie morphologisch überhaupt nicht als besondere, ver- schiedenwerthige Mesodermabschnitte zu unterscheiden sind. Bei dem Durchbruch des Urdarms nach unten tritt, wie im vorigen Capitel ausgeführt, ein Schwund der untern Urdarmwand sammt dem unter derselben hinziehenden Theil des Dotterblatts ein, während nahe den Rändern des Urdarms eine Verschmelzung der seitlichen Theile des Dotterblatts (Schema Fig. 2 B) mit dem Ur- darmepithel eintritt. Diese Verschmelzung tritt nun nicht, wie man erwarten sollte, genau am seitlichen Urdarmrande ein, an dem die Mesodermplatten sich inseriren, sondern etwas unterhalb derselben mit dem seitlichen Theile der untern Urdarmwand, so dass, wie das auch aus dem angeführten Schema hervorgeht, von dieser somit die seitlichen Partien in allerdings sehr geringem Umfange erhalten bleiben. Unmittelbar nach dem erfolgten Durchbruch bilden daher das ver- schmolzene primäre und secundäre Entoderm nicht eine vollkommen glatt verstreichende Membran, sondern es liegt durchweg das erstere im Niveau etwas höher, mindestens aber findet sich an der Ver- schmelzungsstelle eine niedrige, gegen das Urdarmlumen vorspringende Leiste. Indem nun sehr bald dieser faltenartige Vorsprung durch Streckung des gesammten entodermalen Blatts zum Ausgleich kommt, findet man nach erfolgter Streckung, wie das im Schema Fig. 2 C erläutert ist, die Ursprungsstelle des gastralen Mesoderms constant ein klein wenig einwärts von dieser Verschmelzungsstelle gelegen. Ich habe in dieser Schilderung soeben das gastrale Mesoderm einfach als eine Wucherung der seitlichen Urdarmränder hingestellt. In Wirklichkeit könnte man auf Grund der Fig. 52 b, e sowie des Schemas Fig. 2 A—C die Mesodermanlage mit demselben Rechte als die soliden seitlichen Theile des Urdarms auffassen, die sich dann einfach bei dem in Folge des Durchbruchs auftretenden Verschmelzungsprocess der beiden Entodermabschnitte in Mesoderm umwandeln würden. Es ist nun aber durchaus nicht nothwendig, dass das gastrale Mesoderm bereits zur Zeit des geschlossenen Urdarms auftritt, viel- mehr habe ich ebenso viele Fälle beobachtet, in denen die erste An- lage des gastralen Mesoderms erst während des Durchbruchs aufzu- treten beginnt. In solchen Fällen tritt das Mesoderm genau an gleicher Stelle auf, so dass auch für diese die Schemata 2 B, C volle Gültig- keit haben. Hier kann natürlich nur ein vom Entoderm ausgehender Wucherungsprocess als Entstehungsursache der Mesodermanlage in Frage kommen. Durch diese Darlegung ist zunächst bewiesen, dass das gastrale Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 89 Mesoderm in seiner ersten Anlage nicht neben der Chorda entsteht, wie das bisher von HErTwIG und seinen Nachfolgern angenommen wurde, sondern anfänglich durch einen weiten Zwischenraum, den ich als die Zwischenplatte des Entoderms bezeichne, von dem Chorda- entoderm oder der Mittelplatte getrennt ist. Weiter geht aus derselben hervor, dass das gastrale Mesoderm in jenen Fällen, in denen es bereits aus dem noch geschlossenen Urdarm entsteht, keiner Divertikelbildung den Ursprung verdankt, sondern direct aus der Umwandlung der soliden Seitenplatten des Urdarms hervorgeht. Für jene Fälle aber, in denen es etwas verspätet erst an dem bereits durchbrochenen Urdarm seine Entstehung nimmt, wäre noch der Beweis zu erbringen, dass es sich hier thatsächlich um eine solide entodermale Wucherung des Urdarmepithels, nicht aber um eine hohle Ausstülpung desselben handelt. Schon weiter oben habe ich ausdrücklich die Angaben jener Autoren bestätigt, welche in den spätern Stadien der Mesodermbildung die Insertionsstelle des Mesoderms neben der Chorda finden und ent- sprechend dem beigefügten auf den Gecko bezüglichen Schema Fig. 2 E an der betreffenden Stelle einen Spalt zwischen Chordaentoderm und Darmentoderm constatiren, der sich eine Strecke weit in das Meso- derm fortsetzt. Dieser Spalt tritt nun auf den betreffenden Stadien auch beim Gecko sehr deutlich hervor, klarer vielleicht als bei irgend einem andern Amnioten. Würde nun das gastrale Mesoderm in seiner ersten Anlage einer Urdarmausstülpung den Ursprung verdanken, so müsste man diesen Spalt doch bei der ersten Entstehung besonders deutlich erkennen können. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Vielmehr stellt das gastrale Mesoderm in seiner ersten Anlage (Holzschnitt 2 B, C) eine schmale, sehr dünne Platte dar, die in der Regel nur aus einer einzigen Lage von Zellen besteht, seitlich etwas verjüngt an der Grenze von Schild und Area intermedia aufhört und überall da, wo ein Kern gelegen ist, eine leichte Anschwellung er- kennen lässt. In andern Fällen zeigt die Mesodermplatte auf dem Querschnitt das Bild, wie es Fig. 59 k im Schnitt darstellt. Hier er- weist sich die Platte an ihrer Ursprungsstelle etwas verdickt und lässt daselbst zwei Kernlagen erkennen, um dann aber seitlich sich so stark zu verjüngen, dass die einzelnen Zellen nur durch dünne Plasmabrücken in Verbindung stehen. Aber auch in solchen Fällen spricht das Bild stets klar für einen Wucherungsprocess. Trotzdem ich, wie erwähnt, im Anfange der Untersuchung stark zu der Herrwia’schen Anschauung von der Mesodermbildung der Vertebraten hinneigte, konnte ich doch 90 LUDWIG WILL, nie die geringste Andeutung einer Spaltbildung entdecken, vielmehr zeigten die Zellen an der verdickten Ursprungsstelle des Mesoderms eine so unregelmässige Lagerung ihrer Kerne, dass zu dieser Zeit von einem epithelialen Charakter des Mesoderms überhaupt nicht die Rede sein kann. Bevor ich nun zu der weitern Entwicklung des Mesoderms über- gehe, wollen wir uns zunächst von dem Einfluss überzeugen, den das Auftreten der Mesodermanlagen auf die Flächenbilder ausübt. In einem frühern Capitel haben wir gesehen, dass der ein- gestülpte Urdarm an der Einstülpungsstelle seine geringste Breiten- ausdehnung besitzt, dass er nach vorn allmählich an Breite zunimmt, um an der Grenze zum vordersten Dritttheil seiner Länge die grösste Ausdehnung zu gewinnen. Hier erreicht er nahezu die Breite des ganzen Embryonalschildes, um dann aber wieder sehr schnell an Aus- dehnung abzunehmen. Hieraus erhellt, dass im Flächenbilde der Ur- darm ungefähr ein Oval darstellen würde, dessen Länge etwas über 1 mm, also ?/, der Schildlänge beträgt. Die Spitze des Ovals ist nach dem Urmund zu, die Breitseite nach vorn gerichtet. Da nun nach meinen Befunden die erste Anlage des gastralen Mesoderms an den Seitenrändern des Urdarmes erfolgt, so muss sich im Flächenbilde die innere Grenze der Mesodermplatten mit den seit- lichen Urdarmgrenzen decken. Das entspricht nun vollkommen den Bildern, welche Flächenansichten aus dieser Entwicklungsperiode ge- währen. Sehr lehrreich in dieser Beziehung ist der in Fig. 20, Taf. 2 zur Abbildung gelangte Embryo, an dem sich auch die vordere Grenze des Urdarms, was übrigens selten so schön der Fall ist, deutlich im Ober- flächenrelief ausprägte. Die beiden Platten des gastralen Mesoderms liegen ganz am Seitenrande des Schildes. Während sie am Urmund- spalt am breitesten sind und hier fast zusammenstossen, divergiren sie sehr stark nach vorn, indem sie gleichzeitig nach derselben Rich- tung allmählich an Breite abnehmen. Der Raum, der zwischen ihnen liegt, entspricht der Breite der dorsalen Urdarmwand und umfasst nicht nur die Mittelplatte (Chordaentoderm), sondern auch die beiden seitlich von derselben gelegenen Zwischenplatten des Entoderms. Ziehen wir die vordere Grenze des Urdarms in Betracht, wie sie sich auf der Oberfläche des Schildes ausprägt, so wird dieselbe durch die innere Grenze der Mesodermplatten (Ursprungsgrenze des Mesoderms) zu einem regelmässigen Oval ergänzt, das sich vollständig mit dem Umfang des Urdarms deckt. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 91 Ganz entsprechende Ansichten bieten die Oberflächenbilder Fig. 21, Taf. 3, und Fig. 19, Taf. 2, nur dass hier die vordere Urdarmgrenze nicht äusserlich hervortritt. Stets stossen die Mesodermplatten in ihrer ersten Anlage hinten fast zusammen, während sie nach vorn stark divergiren und so die ganze Breite des Urdarms zwischen sich fassen. Zu ganz dem gleichen Ergebniss kommt man bei Aufhellung der abgelösten Keimscheibe und Betrachtung derselben in durch- fallendem Licht, ein Verfahren, das überall dort besonders nothwendig ist, wo sich die Mesodermanlagen noch nicht oder nur undeutlich im Oberflächenbild ausgeprägt haben. Um allen Irrthümern möglichst aus dem Wege zu gehen, habe ich überdies an meinen Querschnittserien eine Reihe von Recon- structionen derselben zu Flächenbildern vorgenommen. Eine derartige Reconstruction bilde ich in Fig. 3 von einem Embryo ab, an dem Fig. 3. Grundriss des Embryos No. 147. Reconstruirt aus einer Querschnittserie. sp ud hufeisenförmig gebogene Urmundspalte, mgr paarige Platten des gastralen Mesoderms, mi Insertionslinie derselben, zusammenfallend ‘mit der seitlichen Grenze des Urdarms, ud vordere Grenze des Urdarms (stark gezeichnet, soweit sie unmittelbar aus dem Präparat her- vorging, punktirt angedeutet, soweit sie durch Combination ergänzt wurde). Die Horizontalen dienen zur Orientirung über die Längenver- hältnisse; sie sind im Abstande von 0,25 mm des Präparats eingetragen, so dass demnach der Abstand der Linien 5 u. 55 0,5 mm be- i trägt. “ip äusserlich die Mesodermplatten noch nicht erkennbar waren. Das gastrale Mesoderm ist schraffirt gezeichnet, während die Ursprungsstelle desselben durch eine starke Linie (mi) angedeutet ist, die, wiederum vom Urmunde ausgehend, nach vorn stark auseinanderweicht. Im vor- dern Drittel des Schildes ist ferner eine starke Bogen linie (wd) gezeichnet, die der vordern Grenze des Urdarms entspricht, soweit diese noch durch vorhandene Substanzbrücken aus der Schnittserie festzustellen war. Da die Schnittdicke !/,,. mm betrug, so hat der Urdarm eine Länge von etwa 1,15 mm. Ergänzt man diese Bogenlinie, wie in der Figur durch Punkte geschehen ist, nach hinten, so ergiebt sich mit Zuhülfenahme der innern Mesodermgrenzen wiederum die Form des Urdarms im Flächenbilde. 99 LUDWIG WILL, Untersuchen wir die Beziehungen zwischen der ersten Anlage des gastralen Mesoderms zu derjenigen des prostomialen, so habe ich bereits darauf hingewiesen, dass beide vollkommen dem gleichen Ent- stehungsmodus ihren Ursprung verdanken. Während bei den höhern Amnioten, den Vögeln und Säugern, in Folge des frühzeitigen Auf- tretens des Dotterblatts, das prostomiale Mesoderm bereits deutlich als reine Wucherung der Primitivplatte sich anlegt, zeigte ich, dass beim Gecko und ebenso bei der Schildkröte der Differenzirungsprocess noch nicht so scharf ausgeprägt erscheint, indem hier der hintere, ursprünglich als Entoderm aufzufassende Fortsatz der Primitivplatte durch eine Art Abspaltung frei wird und sich damit in Mesoderm umwandelt. Genau dasselbe ist mit dem gastralen Mesoderm der Fall. Auch dieses stellt Anfangs einen integrirenden Bestandtheil des Entoderms dar, indem es von den solid gebliebenen Seitenrändern des Urdarms repräsentirt wird. Auch hier wandelt sich dieser solide. Theil der Urdarmwand einfach in das Mesoderm um, indem es beim Durchbruch des Urdarms eine gewisse Selbständigkeit gewinnt. Wenn dieses so entstandene gastrale Mesoderm noch lange Zeit mit seinem Entstehungsort, dem Entoderm, in Zusammenhang bleibt, so kann darin um so weniger eine Abweichung vom prostomialen Mesoderm gesehen werden, als ja auch dieses noch lange mit der Primitivplatte verbunden bleibt. Der Charakter einer reinen Wucherung prägt sich erst dann bei der Entstehung des gastralen Mesoderms aus, wenn die Anlage des- selben in eine Zeit fällt, wo der Durchbruch des Urdarms bereits er- folgt ist. Aber auch in diesem Falle steht nichts im Wege, diese Wucherung als eine nachträgliche solide bleibende Ausbreitung des Urdarms aufzufassen. Die Uebereinstimmung beider Mesodermabschnitte wird noch da- durch gehoben, dass die Entstehung beider auch in dem innigsten zeitlichen und räumlichen Zusammenhang steht. Die Mesoderm- bildung beginnt am Hinterrande der Primitivplatte, dehnt sich bald auf die Seiten derselben aus (paariger Theil des prostomialen Meso- derms) und schreitet allmählich weiter nach vorn fort, indem der Process mehr und mehr die Seitenränder des Urdarms ergreift. Gastrales und prostomiales Mesoderm bilden daher von Anfang an ein ganz continuirliches Blatt, welches im Laufe der weitern Ent- wicklung mehr und mehr in die Area intermedia hineinwuchert. Auch der Beginn dieser Ausdehnung macht sich zuerst am hintern Ende des Mesoderms bemerkbar, um allmählich nach vorn fortzuschreiten. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 03 So entsteht im Bereich der Area intermedia ein Hof, der in der Literatur als Gefässhof bezeichnet wird, den ich aber zu dieser Zeit noch Mesodermhof nennen werde, da innerhalb desselben zur Zeit noch nicht von einer Blutbildung, geschweige denn von dem Auftreten von Gefässen die Rede sein kann. Dieser Mesodermhof, der an ab- gehobenen Keimscheiben stets durch seine weissliche Farbe auffällt, tritt z. B. bereits in Fig. 19, Taf. 2 deutlich hervor und hat zu dieser Zeit eine halbmondförmige Gestalt, die auch häufig eine eben- solche gelinde Verdickung in der Area intermedia bedingt und da- durch wahrscheinlich die Veranlassung wurde, dass KUPFFER in ihr die Sichel zu erkennen meinte. Der Mesodermhof reicht zu dieser Zeit genau bis zur Spitze der Mesodermwülste, ein Verhalten, das auch noch für ältere Embryonen (cf. Taf. 3) seine Gültigkeit bewahrt. Da an der Spitze der Mesodermwülste die Mesodermplatten sich noch nicht über den Bereich des Schildes ausgebreitet haben, so ist es verständlich, dass der Mesodermbof nach dieser Stelle hin ganz all- mählich an Breite abnimmt. Die eben geschilderte Ausbreitung des Mesoderms geschieht wohl zum grossen Theil durch fortgesetzte Wucherung an der Ur- sprungsstelle des Mesoderms. Nichtsdestoweniger geht man wohl nicht fehl, ausserdem ein selbständiges Weiterwuchern der bereits bestehenden Mesodermplatten anzunehmen, wofür besonders Theilungs- figuren im Mesoderm sprechen sowie der eigenthümlich zackige äussere Contour des Mesodermhofes, der in seinen peripheren Theilen häufig sogar einen netzartigen Charakter annimmt (vgl. auch Fig. 22, Taf. 3). Als einzige Differenz zwischen beiden Mesodermabschnitten bliebe demnach übrig, dass das gastrale Mesoderm vom Urdarm, das prosto- miale von der Primitivplatte, speciell von dem Entodermpfropf der- selben entspringt, allein es leuchtet sofort ein, dass dieser Unterschied nur ein scheinbarer ist, wenn man berücksichtigt, dass der Entoderm- pfropf entsprechend dem Dotterpfropf der Amphibien ja lediglich einen verdickten Theil der untern Urdarmwand darstellt, der gegen das Keimscheibenniveau vorspringt und so einen Theil des Blastoporus verstopft. Somit bilden gastrales und prostomiales Meso- derm sowohl hinsichtlich ihres Entstehungsmodus wie auch von Zeit und Raum ein morphologisches ein- heitliches Ganzes. Ich muss auf diesen Punkt um so mehr Gewicht legen, als bei der bisherigen Annahme der Entstehung des gastralen Mesoderms durch Ausstülpung vom Urdarm ein ge- 94 LUDWIG WILL, wisser Gegensatz zum prostomialen bestehen blieb, welches einer solchen Wucherung den Ursprung verdankt. Dieser wesentliche Unter- schied in der Entstehung der beiden Mesodermarten wird auch da- durch nicht verwischt, dass nach Angabe der Autoren beide Meso- dermarten so continuirlich in einander übergehen, dass eine scharfe Abgrenzung beider zur Unmöglichkeit wird. Besonders auffallend wäre natürlich die Differenz zwischen beiden, wenn die Horrmann’sche Angabe sich als richtig erwiesen hätte, dass das prostomiale Meso- derm durch Abspaltung vom Dotterblatt entstehe und erst nachträglich mit der Primitivplatte in Verbindung trete. Was wir im Vorstehenden von der Mesodermbildung kennen ge- lernt haben, stellt jedoch nur die erste Phase dieses Processes dar, welche von der nunmehr folgenden Phase beim Gecko in einer weit schärfern Weise abgesetzt ist, als das bei irgend einem höhern Amnioten der Fall zu sein scheint. Diese zweite Episode des Processes der Mesodermbildung besteht für das gastrale Mesoderm darin, dass die paarigen Platten desselben, welche Anfangs, wie geschildert, durch weite Zwischenräume, die Zwischenplatten des Entoderms, von einander getrennt sind und sich am Seitenrande des Urdarms inseriren, anfangen, der Mittellinie des Embryos entgegenzuwachsen und sich mit ihrer Insertionsstelle mehr und mehr der von der Chordaanlage gebildeten Mittelplatte zu nähern. Dieser Process des Gegeneinanderwachsens der paarigen Meso- dermanlagen prägt sich A B auf der Oberfläche des Embryos in einer Reihe von höchst instructiven Bildern aus, auf deren auch in anderer Be- ziehung interessante Detailbeschreibung ich leider an dieser Stelle, um spätere Wiederho- lungen zu vermeiden, Fig. 4 Schematische Darstellung des Wachsthums : 2 der gastralen Mesodermplatten. Die Linien 1, 2, 3, 4 verzichten PES Ich Wr bedeuten die jeweilige Lage der innern Grenzen der Meso- WEISE daher lediglich auf dermplatten auf den vier dargestellten Stadien. « Spitze ; . der Mesodermplatten. die betreffenden Bilder in der Reihenfolge der Figuren 19, 22, 23, 24, 25, 27, 26, 29, 28 u. s. w. Ueberdies gebe ich zur weitern Erläuterung im Holzschnitt Fig. 4 A, B ein Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 95 Schema, in dem die mit den Zahlen 1, 2, 3, 4 bezeichneten Bogen- linien die Lage der innern Mesodermgrenzen während vier auf ein- ander folgender Phasen des Processes bedeuten. Zum Verständniss der- selben möchte ich zunächst hervorheben, dass, sobald das Mesoderm sich bis zum Punkte + ausgedehnt hat, dieser zu einem nahezu fixen Punkte wird, der die äusserste Insertionsstelle des Mesoderms darstellt und vorläufig nicht überschritten wird. Dann ist zu beachten, dass die innern Mesodermplatten sich nicht in ihrer ganzen Längsausdehnung gleichmässig an diesem nach der Mittellinie zu gerichteten Wachs- thumsvorgang betheiligen, sondern vorzugsweise nur die hintern zwei Drittel resp. die hintere Hälfte derselben. Auf dieser hintern Strecke erfolgt die gegenseitige Annäherung fortschreitend von hinten nach vom. Durch die fast gänzliche Nichtbetheiligung des vordern Mesodermabschnitts erlangt die innere Mesodermgrenze sehr bald eine scharfe Knickung, welche als Kopfwinkel des Mesoderms bezeichnet werden kann. Da die Mesodermplatten auf der Oberfläche des Schildes ent- sprechende, auf allen angegebenen Figuren sichtbare Wulstungen ver- _anlassen, können letztere als äussere Mesodermplatten, Meso- dermwiilste oder entsprechend dem gewohnten Sprachgebrauch als Rückenwülste bezeichnet werden. Die allmähliche Annäherung dieser Mesodermwülste führt zur Bildung einer sich stetig vertiefenden Rückenfurche. Wie von andern Amnioten längst bekannt, ver- hält sich auch beim Gecko die Rückenfurche asymmetrisch zu der inzwischen angebahnten Primitivrinne. Eine hintere Gabelung der Rückenfurche ist auch hier an zahlreichen Embryonen (z. B. Fig. 29, 30, 31) mit Leichtigkeit zu constatiren, und zwar verläuft auch beim Gecko der eine Gabelast seitlich von der Primitivrinne. Sehen wir einmal ab von unsern vorhin erwähnten Befunden be- treffend die erste Anlage des gastralen Mesoderms und schliessen wir lediglich auf Grund der eben erwähnten Oberflächenbilder auf die Vorgänge im Innern, so sprechen auch sie gegen den von den Brüdern Hertwie vertretenen Bildungsmodus des Mesoderms. Wenn die Mesodermplatten als Ausstülpungen des Urdarms neben der Chorda entständen, wären die anfängliche starke Divergenz derselben sowie ihre spätere successive gegenseitige Annäherung Dinge der Un- möglichkeit. Untersuchen wir die Embryonen der erwähnten Stadien dagegen auf Querschnittreihen, so kommen wir in Rücksicht auf die zweite Phase des Entwicklungsprocesses des Mesoderms zu Resultaten, die, 96 LUDWIG WILL, so abweichend sie auch von den HerrwiGschen sein mögen, dennoch zu zeigen im Stande sind, dass die Bilder, welche uns die erwähnten Autoren von der Triton-Entwicklung geliefert haben, thatsächlich be- stehen und nur unrichtig interpretirt sind. Ist der Vorsprung, den die Urdarmwand im Holzschnitt Fig. 2 B an der Uebergangsstelle von Urdarmblatt und Dotterblatt noch eine Zeit lang aufweist, durch Streckung des gesammten Entoderms aus- geglichen und somit das Stadium der Fig. 2 C erreicht, so bildet sich an der jederseitigen Insertionsstelle des gastralen Mesoderms eine Falte (Fig. 2 D), deren oberes Blatt aus primärem, deren unteres aus secundärem Entoderm gebildet wird. Entsprechend diesem ver- schiedenen Ursprung beider an der Faltenbildung betheiligten Blätter weist auch der histologische Bau Verschiedenheiten auf. Das untere Blatt der Falte stellt ein ausserordentlich plattes Epithel dar, welches durchaus denselben Charakter zeigt wie das übrige secundäre Ento- derm und nur an der Spitze der Falte, also da, wo sie in die obere Faltenlamelle übergeht, in der Regel etwas anschwillt Das obere Blatt der Falte dagegen ist wesentlich mächtiger und kommt in seiner Dicke durchaus dem Theil des primären Entoderms gleich, welches wir als die Zwischenplatte des Entoderms bezeichneten und das also den seitlichen Theil der ursprünglichen obern Urdarmwand bildete An- fänglich sind zwar deutliche Zellgrenzen in dem obern Faltenblatt ebenso schwer nachweisbar wie ursprünglich auch in der vordern Partie der dorsalen Urdarmwand, mit Ausnahme der die Chorda- anlage darstellenden Mittelplatte. Weiter hinten aber, wo der Faltungs- process schon weiter vorgerückt ist, oder an etwas ältern Embryonen erweist sich das obere Faltenblatt ebenso deutlich aus Cylinderzellen zusammengesetzt wie die Zwischenplatte. Indem nun die erwähnten Falten von beiden Seiten einander ent- gegenwachsen, sich aber hierbei der Zwischenplatte dicht anlegen, entsteht zwischen ihnen und der von ihnen unterzogenen Zwischenplatte ein anfänglich kurzer Spaltraum, die erste Anlage des Cölomspaltes, welcher demnach vor der Spitze der Falte in das Lumen des Urdarms ausmündet (Fig. 2D). Legen wir nun Schnitte durch etwas ältere Embryonen, deren Mesodermplatten sich schon mehr genähert haben, oder verfolgen wir an demselben Embryo die Reihe der Schnitte nach hinten, so stossen wir durch die verschiedenen Zwischenstadien schliesslich auf Bilder, wie sie durch die meinen Präparaten ent- nommene Fig. 2 E in schematischer Weise veranschaulicht werden. Die Falten sind bis in die Nähe der Chordaanlage vorgerückt, die Cölom- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 97 spalte ist bereits auf längere Strecken zu verfolgen, und zu den ur- sprünglich weit von einander entfernt liegenden soliden Platten des gastralen Mesoderms ist jederseits durch das Vorwachsen der Falte ein weiterer Mesodermabschnitt hinzugekommen, der aus zwei durch einen Cölomspalt getrennten epithelialen Blättern besteht, die als somatisches oder Hautfaserblatt und als splanchnisches oder Darm- faserblatt unterschieden werden müssen. Ersteres ist’entstanden’ aus einem integrirenden Bestandtheil der dorsalen Urdarmwand, der Zwischenplatte, und geht nach wie vor in die Chordaanlage über, letzteres’ aus dem obern, ebenfalls aus primärem Entoderm bestehenden dorsalen Blatt der vorgewachsenen Falte und biegt an der Spitze in das secundäre Entoderm um. Die erwähnte Faltenbildung” kann als Urdarmfalte bezeichnet werden. Bilder wie die eben geschilderte Fig. 2E sind es ausschliesslich, welche den Vertretern der Herrrwıg’schen Lehre der Entstehung des Mesoderms durch Divertikelbildung als Ausgang gedient haben. Der- artige Bilder aber stellen, wie ich soeben gezeigt zu haben glaube, nicht den Anfang des Processes, sondern vielmehr eine seiner letzten Phasen dar. Wir haben bisher Schnitte betrachtet, die den vordern‘;Theilen der Mesodermplatten entnommen sind. Bei der anfänglichen Divergenz » ae old Sa ach 0,08 Dr Een a es si a ee mr En Pale ro >= Fig. 5 A, B. Querschnitte durch die hintere Urdarmregion auf 2 verschiedenen Entwicklungsstufen. Bezeichnungen wie im Holzschnitt Fig. 2 S. 87. dieser Platten ist es ersichtlich, dass ihre ersten soliden Anlagen weiter hinten einander von vorn herein mehr genähert (Schema 5A), die Zwischenplatten des Entoderms also, welche sie von der Chorda- verdickung trennen, auch entsprechend schmäler sind. In Ueberein- Zool. Jahrb. VI. Abth. f. Morph, 7 98 LUDWIG WILL, stimmung mit diesen Verhaltnissen wird daher der Zuwachs, den die bislang soliden Platten des gastralen Mesoderms durch das Auftreten und Vorwachsen der Urdarmfalten erfahren (Fig. 5A, B), ein um so geringerer sein, je weiter wir uns der vordern Lippe der Urmund- öffnung nähern. Mit dieser Thatsache steht dann ferner die Beobach- tung im Einklang, dass die Cölomspalten um so weiter in die Meso- dermplatten hinein zu verfolgen sind, je weiter wir die Querschnittreihe, von hinten anfangend, nach vorn hin durchmustern. Der eben geschilderte Vorgang des Vorwachsens der paarigen Urdarmfalten gegen die Mittellinie ist durchaus kein so fremdartiger Process, wie es auf den ersten Anblick scheinen möchte. Von den ver- schiedensten Wirbelthieren kennen wir im Verlauf der Chordabildung einen Vorgang, der sich kurz als das Unterwachsenwerden der Chorda von Seiten des Darmentoderms bezeichnen lässt und der dahin führt, dass die anfänglich den medianen Theil der dorsalen Urdarmwand bildende Chordaanlage aus dem Zusammenhang des Entoderms ausge- schaltet wird. Dieser bekannte Process gewinnt eine ganz andere Be- deutung, wenn man erfährt, dass er nichts anderes darstellt als das Schlusstadium jenes Vorganges, der zur Bildung des gastralen Meso- derms führt und als das Gegeneinanderwachsen der Urdarmfalten be- zeichnet wurde. In der That vollzieht sich die Unterwachsung der Chorda beim Gecko nur als das letzte Stadium der eben geschilderten Vorgänge. Sobald nämlich die Urdarmfalten an der Stelle anlangen, an der die Hautfaserplatte in die Chorda übergeht, tritt eine Verbindung des somatischen mit dem splanchnischen Blatt ein, und die aus dem Dotter- blatt gebildete untere Lamelle setzt ihr Wachsthum allein fort und führt somit zur Ausschaltung der Mittelplatte aus der Begrenzung des Urdarmlumens. Der Zusammenhang beider Vorgänge wird noch dadurch besonders schön illustrirt, dass gelegentlich die Verschmelzung beider Mesodermblätter neben der Chorda stellenweise unterbleibt und dann der Darmfaserplatte bei der Unterwachsung der Chorda mit unter die letztere vorgeschoben wird. Tritt dann nachträglich die Verschmelzung von Somatopleura und Splanchnopleura neben der Chorda ein, so wird das vorgezogene Stück des splanchnischen Blattes von der übrigen Darmfaserplatte abgeschnürt und bleibt dann an der betreffenden Stelle unter der Chorda liegen. Wenn man die Frage aufwirft, weshalb bei den übrigen Amnioten nur die Unterwachsung der Chorda, nicht aber das vorhergehende Stadium, das Vorwachsen der Urdarmfalten beobachtet ist, so werde Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 99 ich weiter unten noch auf dieselbe zurückkommen. Hier sei nur er- wähnt, dass Urdarmfalten von dem Umfang wie beim Gecko über- haupt nur bei Thieren möglich sind, deren Urdarmlumen noch den ursprünglichen Umfang bewahrt hat. Den höhern Amnioten ist aber das Urdarmlumen entweder ganz abhanden gekommen oder es ist, wo es sich wie bei den Säugern in Gestalt des LIEBERKÜHN’schen Chorda- canals erhalten hat, doch von einem so geringen Querschnitt, dass die Urdarmfalten, wenn es überhaupt noch zu ihrer Bildung kommt, zu wenig umfangreichen, leicht übersehbaren Bildungen herabsinken. In Betreff der weitern Vorgänge, welche sich innerhalb des gastralen Mesoderms abspielen und später ausführlich behandelt werden sollen, beschränke ich mich an dieser Stelle in meinen Angaben auf das Schicksal des,Cölomspaltes, weil dieses mir zum Verständniss des Gesagten noth- wendig zu sein scheint. In einzelnen Fällen scheint in der That dieser Cölom- spalt unmittelbar in die definitive Leibeshöhle überzugehen, indem er sich dann gleichzeitig in die Anfangs soliden Seitentheile der Mesoderm- platten fortsetzt. In einer grossen Anzahl von Fällen ist das aber mit Bestimmtheit nicht der Fall. Hier kommt es nämlich zunächst zu einer Verquickung von Somatopleura und Splanchnopleura unter gleichzeitigem Schwunde der ursprünglichen Spalte. Augenscheinlich wird diese Verquickung beider Blätter hervorgerufen durch die un- mittelbare Aneinanderlagerung derselben sowie durch Vermehrungs- vorgänge innerhalb der Mesodermplatten, die zu einer Dickenzunahme derselben führen. Dann tritt die Leibeshöhle als Spaltung inner- halb des gastralen Mesoderms von neuem auf und zwar zunächst in den auch Anfangs soliden Seitentheilen der Platten, um allmählich nach der Chorda zu vorzuschreiten. Dass es dann um eine Spaltbildung sich handelt, wird bewiesen durch die zahlreichen Substanzbrücken, welche an solchen Präparaten Anfangs beide Cölomblätter mit einander verbinden. Nichtsdestoweniger kann es wohl keinem Zweifel unter- liegen, dass das Schwinden und Wiederauftreten des Cölomspaltes nur einen Vorgang secundärer Natur darstellt, der durch die dichte Auf- einanderlagerung beider Cölomblätter bedingt ist, und dass der secun- däre Spalt keine neue Bildung, sondern nur den zeitweilig geschwun- denen primären Cölomspalt darstellt, der also als ein abgeschnürter Theil der Urdarmhöhle aufzufassen ist. Um nicht den Vorwurf des Schematisirens auf mich zu laden, will ich nicht zu erwähnen unterlassen, dass gelegentlich Embryonen vorkommen, bei denen das Vorwachsen der Urdarmfalten in weniger typischer Form verläuft. Es finden sich nämlich mehrfach Embryonen, 7% 100 LUDWIG WILL, bei denen es überhaupt nicht zur Entstehung jenes primären mit dem Urdarmlumen communicirenden Cölomspaltes kommt, indem beim Vor- wachsen der Darmfalten von vorn herein das obere splanchnische Blatt der Falte mit dem somatischen Blatt verschmilzt. In einigen dieser Fälle mag dieser Spalt zwischen beiden Mesodermlamellen nur un- deutlich und das Fehlen nur ein scheinbares sein, in andern aber ist er sicher völlig verloren gegangen. Mit Sicherheit muss letzteres von solchen Embryonen behauptet werden, an denen die Zellgrenzen im Mesoderm sonst deutlich wahrnehmbar sind, die Mesodermplatten aber nicht mehr aus zwei Zellenreihen bestehen, sondern deren an manchen Stellen drei, auch vier Lagen aufweisen, ein Verhalten, das in dem gleichzeitigen Auftreten von Zelltheilungen innerhalb des Mesoderms seine Erklärung findet. Immerhin stehen aber solche Embryonen mit fehlendem primären Cölomspalt solchen mit vorbandenem nicht unver- mittelt gegenüber. Vielmehr werden beide durch solche verbunden, bei denen der Cölomspalt nur auf Strecken verloren gegangen ist, an andern Stellen aber mit Deutlichkeit nachgewiesen werden kann. Diese Ausnahmen stossen daher den oben klar gelegten Bildungsmodus des gastralen Mesoderms keineswegs um, sondern stellen nur Trübungen des ursprünglichen Entwicklungsverlaufes dar, wie sie auch bei andern Entwicklungsvorgängen gelegentlich vorkommen. Ich erinnere nur an die Schilderung der Urdarmeinstülpung, die wir bei den einen Em- bryonen Anfangs als soliden Kopffortsatz, bei den andern aber von vorn herein als hohle Einstülpung auftreten sahen. In solchen Embryonen muss natürlich die definitive Leibeshöhlen- spalte in der Ontogenie als ein Novum erscheinen, nichtsdestoweniger muss sie aber aus demselben Gesichtspunkte betrachtet werden wie ein mit dem Urdarm in Communication stehender Cölomspalt. Wie noch aus den Betrachtungen über die Mesodermbildung anderer Verte- braten hervorgehen wird, kommt es bei diesem Process nicht so sehr auf die Continuität beider Lumina als vielmehr darauf an, dass Theile des Entoderms, welche einst an der Begrenzung des Urdarmlumens Theil nahmen, von dieser Begrenzung ausgeschlossen werden und zwar in typischen Fällen (Gecko, Amnioten, Amphioxus) durch paarige Ur- darmfalten, die chordawärts vorwachsen und die Abschnürung bewirken. Ob in dem so gebildeten gastralen Mesoderm die in typischen Fällen vorhandene Cölomspalte erhalten bleibt oder von vorn herein durch das Mitspielen von Wucherungserscheinungen unterdrückt wird, so dass alsdann die Leibeshöhle selbständig als Spalt auftreten muss, ist meines Erachtens für die Auffassung dieser Leibeshöhle völlig belanglos. Wie Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 101 für jeden Hohlraum, so gilt auch für die Leibeshöhle, dass ihr Cha- rakter lediglich durch die Natur ihrer Wandungen bedingt ist. Diese Wandungen aber sind in allen Fällen dieselben, indem sie stets abge- schnürte Theile des Urdarmepithels darstellen. Wenn man die soeben geschilderten Vorgänge, welche zur Bildung des gastralen Mesoderms hinführen, überblickt, so könnten sie möglicher- weise zu der Auffassung Veranlassung geben, als ob das gastrale Mesoderm aus zwei heterogenen Bildungen sich zusammensetzte, die auf ganz verschiedene Weise ihre Entstehung nehmen. Dieser Gegen- satz zwischen der ersten Anlage des gastralen Mesoderms, welche aus den soliden Seitenplatten des Urdarms entsteht, und dem spätern Zu- wachsstreifen, der aus der Initiative der Urdarmfalten hervorgeht, ist aber nur ein scheinbarer. Die solide Beschaffenheit der Seitentheile des Urdarms ist lediglich ein Charakter, der durch die Abplattung des ganzen Urdarms bedingt ist. Diese aber ist wieder eine Folge des mächtigen Nahrungsdotters. Beim Fortfallen dieses den Urdarm zu- sammenpressenden Nahrungsdotters würde nicht nur der erstere eine bedeutendere Höhe seines Lumens erlangen, sondern auch die solide Seitenplatte desselben würde hier fortfallen, indem sich das Lumen bis in dieselbe hineinerstreckte. Der Urdarm würde damit dasselbe Bild gewähren, welches er beim Amphioxus thatsächlich besitzt. Diese Anfangs soliden Seitentheile des gastralen Mesoderms fallen daher ge- nau unter denselben Gesichtspunkt wie die Zuwachsstreifen und stellen lediglich die ältesten Theile des gastralen Mesoderms dar. Mit dieser Anschauung harmonirt denn auch die Thatsache, dass beim Auftreten der definitiven Leibeshöhlenspalte resp. dem Wiederauftreten einer vorübergehend geschwundenen Cölomspalte, diese zunächst in den seitlichsten, also ältesten Theilen der paarigen Mesodermplatten er- scheint, um von hier aus gegen die Mitte des Embryos vorzuschreiten. Ziehen wir nun aus diesen Betrachtungen das Facit, so kommen wir zu dem Ergebniss, dass beim Gecko die gesammte dor- sale Wand der umfangreichen Urdarmeinstülpung zur Bildung des gastralen Mesoderms sowie der Chorda aufgebraucht wird, mit alleiniger Ausnahme natürlich des vordern, später in die Bildung der ventralen Kopfdarmwand eingehenden Ur- darmabschnittes, der, wie wiederholt betont wurde, an der Mesoderm- bildung nicht betheiligt ist. Aus der Mittelplatte der dor- salen Urdarmwand geht dieChorda, aus den gesammten seitlichen Theilen derselben das gastrale Mesoderm hervor. Ob nicht auch Theile der untern Urdarmwand mit an der 102 LUDWIG WILL, Mesodermbildung betheiligt sind, lasse ich vorläufig unerörtert, doch scheint mir kaum eine andere Möglichkeit zu bestehen, als die Anfangs soliden seitlichen Theile des gastralen Mesoderms aufzufassen als Theile des dorsalen und ventralen Urdarmepithels, die durch Schwund des Lumens zur Verschmelzung gekommen sınd. Die Anlage des gastralen Mesoderms geht nichtin dem Herrwie’schen Sinne durch Entstehung einer Ur- darmausstülpung vor sich, welche neben der Chorda entsteht und nach der Peripherie hin fortschreitet, sondern in genau umgekehrter Weise durch Erhebung einer septenartigen Falte, der Urdarmfalte, welche in den äussersten Seitentheilen des Urdarms entsteht, in das Urdarmlumen vorspringt und, unmittelbar unter der dorsalen Urdarmwand sich vorschiebend, gegen die Axe des Embryos vordringt. Dadurch kommt ein Theil des Urdarmlumens zur Abschnürung, der zum Cölom- spalt wird, Anfangs mit der Urdarmhöhle communicirt und direct oder indirect in die definitive Leibeshöhle übergeht. Der Process stimmt viel mehr mit der Cölombildung der Chätognathen und Brachiopoden überein, als das nach dem HerrwiG’schen Entwicklungsmodus der Fall wäre. Bei beiden kommt es nicht zu Aus- stülpungen des Urdarms, sondern es erheben sich gegen das Urdarm- lumen vorspringende Falten, die gegen die Mitte vorwachsen und Theile des Urdarmlumens, die Cölomsäcke, zur Abschnürung bringen. Auch der Cölombildung des Amphioxus liegt genau der gleiche Vorgang zu Grunde, worauf vor kurzem durch GOETTE !) aufmerksam gemacht wurde. Wenn demnach die Entstehung des gastralen Mesoderms beim Gecko völlig mit der Mesodermbildung jener typischen Enterocölier- formen übereinstimmt, so bietet sie anderseits ein Mittel, die Meso- dermfrage auch für die Wirbelthiere in befriedigender Weise zu lösen. Wenn wir uns zunächst den höhern Amnioten zuwenden, so lässt sich nicht leugnen, dass trotz der Constatirung jener bedeut- samen Lücke zwischen Chordaentoblast und Darmentoblast, trotz der Auffindung eines kurzen Spaltes, der, von dieser Lücke ausgehend, sich eine kurze Strecke in das Mesoderm verfolgen lässt, sich der 1) A. Gorrrn, Abhandlungen zur Entwicklungsgeschichte der Thiere. Entwicklungsgeschichte des Flussneunauges. 9 Tfln. Hamburg u. Leipzig 1890. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 103 Hertwic’schen Annahme von der Entstehung des Mesoderms durch Ausstülpung von Seiten des Urdarms unüberwindliche Hindernisse entgegenstellen, die am besten durch den zähen Widerstand charak- terisirt werden, welcher der Uebertragung der HerrwiGschen Lehre auf die Wirbelthiere von Seiten der hervorragendsten Forscher auf dem Gebiet der Wirbelthierentwicklung entgegengesetzt wird. Dieser Widerstand hat seinen Hauptgrund in der positiven Beobach- tung zahlreicher Autoren, dass die Anlagen des gastralen Mesoderms aus den Seitentheilen des soliden Kopffortsatzes hervorgehen, der Anfangs völlig getrennt vom Dotterblatt (dem ausschliesslichen Entoderm der älteren Autoren) ist und erst secundär mit demselben verschmilzt. Wenn später diese aus dem Kopffortsatz hervorgegangenen Mesoderm- platten im Zusammenhang mit dem secundären Entoderm gefunden werden, eine Beobachtung, die ebenfalls durchaus verbürgt ist, so dass Bilder entstehen, die meinem Schema Fig. 2E entsprechen, so kann diese Verbindung nur eine secundäre sein. Während nun die Anhänger Herrwıg’s nothgedrungen den Schwerpunkt auf den letztern Befund verlegen müssen, legen ihre Gegner dem Zusammenhang des Mesoderms mit dem Kopffortsatz des Primitivstreifens das Hauptgewicht bei. Solange man den Primitivstreifen als eine Ectodermwucherung mesodermaler Natur, den Kopffortsatz aber als Mesoderm auffasste, schlossen sich die beiden oben erwähnten Befunde vollständig aus, so dass ein Hervorgehen des Mesoderms aus den Seitentheilen des Kopffortsatzes mit der Hrrrwia’schen Ausstülpungstheorie sich auf keine Weise vereinigen liess. In neuerer Zeit hat sich aber in dieser Beziehung ein bedeutender Wandel vollzogen. Schon durch die Ar- beiten SELENKA’S und FLEISCHMANN’s, besonders aber die vorläufige Mittheilung van BENEDEN’s hat sich eine richtigere Auffassung des Kopffortsatzes angebahnt, nach der derselbe eine solid gewordene Urdarmeinstülpung darstellt, eine Auffassung, für welche ich den exacten Beweis in vorliegender Abhandlung erbracht zu haben glaube. Mit diesem Wechsel in der Auffassung des Kopffortsatzes hat sich entschieden ein Umschwung zu Gunsten der Herrwia’schen Lehre vollzogen, obwohl HerrwiG selbst sich denselben in der neu- esten Auflage seines Lehrbuchs nicht zu Nutze gemacht hat. Ich gebe ohne weiteres zu, dass es durch diese veränderte Sachlage möglich geworden ist, die Abstammung des Mesoderms vom Kopf- fortsatz und den spätern Zusammenhang des erstern auch mit dem Dotterblatt, sowie das Auftreten des kurzen Cölomspaltes und jener 104 LUDWIG WILL, Lücke zwischen Darmentoblast und Chorda sich für die höhern Amnioten nach der HerrwiGschen Ausstülpungslehre zurecht zu legen unter Zuhülfenahme cänogenetischer Trübungen. Wie die Urdarmeinstülpung selbst solid geworden ist, so hat man nur nöthig die Mesodermplatten des Kopffortsatzes als solid gewordene Urdarmdivertikel aufzufassen, in welche erst nachträglich nach er- folgtem Durchbruch des bei den Säugern als Urdarm anzusehenden Chordacanals sich ein kurzer Fortsatz des Urdarmlumens als Cölom- spalt hineinerstreckt. Einer derartigen Zurechtlegung der Mesodermverhältnisse der höhren Amnioten im Sinne HerrwiG’s könnte natürlich nur in dem Falle eine Be- rechtigung zuerkannt werden, wenn wenigstens für irgend ein Wirbelthier der sichere Beweis für die Entstehung des Mesoderms durch Divertikel- bildung von Seiten des Urdarms erbracht worden wäre. Das ist aber nicht der Fall, denn selbst bei Triton, den die Brüder HErTwıG als Ausgangspunkt wählen, ist der sogenannte Beweis nur ein schein- barer, indem sie die Divertikelbiidung selbst überhaupt nicht gesehen haben, sondern dieselbe in Uebereinstimmung mit gewissen theoretischen an Wirbellosen gewonnenen Voraussetzungen nur erschliessen aus Stadien, die nicht den Anfang, sondern den Schluss des Meso- dermbildungsprocesses darstellen. Ueberhaupt wird es nach den neuesten Arbeiten über Amphibienentwicklung sowie nach meinen ganz abweichenden Befunden am Gecko immer klarer, dass die beiden Forscher die Anfangsstadien der Mesodermbildung entweder nicht vor sich gehabt oder übersehen haben. Alle andern Forscher aber, welche ausser den Hertwics bei den Amnioten einer Mesodermbildung durch Ausstülpung des Urdarms das Wort reden, stützen gleichfalls ihre An- sicht lediglich auf das Schlussstadium der Mesodermbildung. Immerhin konnte man die Herrwia’sche Beweisführung so lange als einen Wahrscheinlichkeitsbeweis gelten lassen, bis sich nicht durch thatsächliche Beobachtungen ihre Schlussfolgerungen als irrthümliche herausgestellt haben, dieser Gegenbeweis aber ist im Vorstehenden an der Hand der Geckoentwicklung erbracht. Es ist nachgewiesen worden, dass die Mesodermbildung nicht durch Divertikelbildung er- folgt, sondern nach Art der Septenbildung durch Erhebung einer Urdarmfalte, welche gerade in entgegengesetzter Richtung gegen die Chorda vorwächst. Der richtige Grundgedanke der Herrwia’schen Lehre, die Leibeshöhle als einen abgegliederten Theil der Urdarmhöhle aufzufassen, erleidet hierdurch nicht nur nicht eine Beeinträchtigung, sondern vielmehr eine weit bessere Begründung. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 105 Sehen wir uns nun die Mesodermbildung der höhern Amnioten im Lichte der Geckoentwicklung an, so ergiebt sich die Zurückführung der erstern weit leichter und überzeugender, als das bei Zugrunde- legung der Herrwia’schen Ansicht der Fall ist. Schon beim Gecko finden wir, dass in Folge der starken Abplattung des Urdarmlumens letzteres sich nicht mehr in die äussersten Seitenkanten des Urdarms fortsetzt und diese daher solide Zellenplatten darstellen, welche sich, wie wir sahen, direct in die ersten Anlagen des Mesoderms umwandeln. Die Erhebung der Urdarmfalten beginnt erst jederseits an der Stelle, an der der Urdarm hohl wird. Bei den Säugern nun, um mich hier lediglich an diese zu halten, hat wohl der Kopffortsatz, der den Urdarm repräsentirt, denselben Querdurchmesser, allein sein Lumen, der Chordacanal, ist auf dem Querschnitt von so geringem Umfang, dass die soliden Seitenplatten den weitaus grössten Theil desselben ausmachen. Genau wie beim Gecko wandeln sich nun auch beim Säuger nach übereinstimmender Angabe zahlreicher Autoren die soliden Seitenplatten des Kopffortsatzes direct in die erste Anlage des paarigen Mesoderms um. Wie ich nun auf Grund verschiedener in der Literatur vorhandener Querschnittsbilder sowie meiner Befunde am Gecko mit - Recht anzunehmen glaube, stellen diese Seitenplatten auch beim Säuger noch nicht das gesammte gastrale Mesoderm dar. Auch hier erfährt, wie sich bei darauf gerichteter Untersuchung unzweifelhaft ergeben wird, das Mesoderm noch einen Zuwachs durch das Auftreten der paarigen Urdarmfalten. Nachdem die Verschmelzung des Kopf- fortsatzes mit dem Dotterblatt, sowie der Durchbruch des Chorda- canals erfolgt ist, werden sich diese Falten an der Stelle erheben, bis zu welcher seitlich der sogen. Chordacanal sich ausdehnte. Die Falte wird auch hier gegen die Chorda vorwachsen und einen schmalen Zuwachsstreifen erzeugen, indem das Mesoderm deutlich oder undeutlich zwei durch einen Spalt getrennte Blätter aufweisen wird, die an der jeweiligen Spitze der Urdarmfalte in das Urdarmlumen einmünden. Dass derartige Bilder, wie sie die nothwendige Folge des geschilderten Processes sein müssen, wirklich auch bei höhern Amnioten vorkommen, haben neuere Arbeiten genugsam bewiesen. Ich verweise z. B. auf die umstehende Copie einer Zeichnung E. van BENEDEN’S aus HERTWIGS Lehrbuch. Das letzte Stadium dieses Processes ist denn auch hier die Unterwachsung der Chorda. Der geringe Umfang des Urdarm- lumens beim Säuger erklärt es zur Genüge, dass dieser Unterwachsungs- process in seiner Beziehung zur Mesodermbildung nicht erkannt und 106 LUDWIG WILL, ihm ausschliesslich eine Bedeutung für die Ausschaltung der Chorda zugeschrieben wurde. mk! mk? ch Fig. 6. Querschnitt durch die Keimscheibe eines Kaninchenembryos. Aus HErrtwıdG’s Lehrbuch der Entwicklungsgesch. nach Ep. van BENEDEN. ak, tk, mk äusseres, inneres, mittleres Keimblatt, mk!, mk? parietale, viscerale Lamelle des mittlern Keimblatts, ch Chorda. Da es sich bei den geschilderten Vorgängen bei der Mesoderm- bildung nicht um äussere Formverhältnisse, sondern um die Grund- principien des Vorganges handelt, so ist um so weniger anzunehmen, dass die Anamnier, auf die wir einen kurzen Blick werfen wollen, sich anders verhalten sollten, als die Amnioten so sichtlich in allen Punkten ihr Erbe und speciell das der Amphibien angetreten haben. Dazu kommt noch, dass, wie bereits GOETTE vor kurzem auf Grund der Amphibien- und Cyclostomenentwicklung in höchst scharfsinniger Weise erkannt hat, auch bereits der Mesodermbildung beim Amphioxus das- selbe Princip zu Grunde liegt, das wir soeben bei den Amnioten er- kannt haben. Auch beim Amphioxus liegt das Wesen des Vorganges nicht darin, dass rechts und links von der Chorda ein Urdarmdiver- tikel sich bildet, sondern dass die gesammte dorsale Hälfte des Ur- darms sich theils in Chorda, zum grössten Theil aber in Mesoderm umwandelt. Auch hier vollzieht sich dieser Process dadurch, dass sich an der Grenze von dorsaler und ventraler Urdarmhälfte septen- artig die Urdarmfalten erheben, die zunächst das Mesoderm, dann aber auch die Chorda zur Abschnürung bringen. Auch hier stellt demnach das Cölom einen abgeschnürten Theil der Urdarmhöhle dar. Gogrre hat nun in seiner neuesten Arbeit ganz richtig erkannt, dass dieses selbe Princip auch für die Amphibien und Cyclostomen zu Recht besteht, unter Abänderungen mehr äusserlicher Art natür- lich, die durch den Nahrungsdotter bedingt sind. Bei beiden ist es ebenso die gesammte dorsale Urdarmwand, welche sich in Mesoderm und Chorda umwandelt. Sehen wir uns aber die Vorgänge, welche 1) A. Gozrre, L c. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 107 hier zur Isolirung des Mesoderms führen, im Einzelnen an, so finden wir sie in Folge des ansehnlichen Dotters wesentlich modificirt. Die Entodermzellen haben in Folge des grossen Dottergehalts einen solchen Umfang erreicht, dass sie nicht mehr neben einander Platz haben, nicht mehr, wie beim Amphioxus, ein einschichtiges Urdarmepithel bilden, sondern sich mit Ausschluss der Chordaanlage über einander schichten, so dass dadurch das Urdarmlumen auf einen verhältniss- mässig geringen Querschnitt beschränkt wird. Hierdurch ist die dorsale Urdarmwand rechts und links neben der Chorda von vorn herein mehrschichtig, die Zellen, welche für das gastrale Mesoderm bestimmt sind, sind von vorn herein von der Begrenzung des Urdarm- lumens ausgeschaltet, so dass sie weder mehr einem Einstülpungs- process den Ursprung zu verdanken, noch auch, wie ich hinzufüge, durch den Unterwachsungsprocess von Seiten der Urdarmfalten isolirt zu werden brauchen. Die Grenzstellen zwischen dorsaler und ventraler Urdarmhälfte, welche beim Amphioxus sich zu den erwähnten Urdarmfalten erheben, liegen von vorn herein rechts und links neben der Chorda — kurz, das Verhalten, welches beim Amphioxus erst nach der Unterwachsung durch die Mesodermfalten erreicht wird, ‚besteht in Folge des Nahrungsdotters bei Petromyzon und den Am- phibien von vorn herein. Es braucht sich demnach nur noch die Schlussphase, die Unterwachsung der Chorda, zu vollziehen, an dieser aber ist dann genau wie bei den Amnioten lediglich das Entoderm als einfache Zellenschicht betheiligt. Die Isolirung des Mesoderms kann demnach nur durch Abspaltung vor sich gehen, und dieses stellt daher Anfangs eine solide Zellenmasse dar. Wenn ich bis soweit die GoETTE’schen Beobachtungen glaube als die richtigste Darstellung anerkennen zu können — denn dieselben scheinen sich mir auch mit den Beobachtungen andrer Autoren über Amphibienentwicklung im Wesentlichen zu decken, d. h. natürlich nur mit den thatsächlichen Beobachtungen, nicht mit den aus denselben gezogenen Schlüssen —, so kann ich doch Gorrre in seinen Schluss- folgerungen durchaus nicht folgen. GOETTE zieht mit Recht gegen die Ausstülpungstheorie HERTwIG’s zu Felde, bestreitet aber gleichzeitig die Bedeutung des Cölomspalts als eines abgeschnürten Theiles des Urdarmlumens. Wie mir scheint, wirft Gorrre dadurch mit der Schale auch den gesunden Kern der HerrwiGschen Lehre bei Seite. Es kann allerdings wohl als richtig angenommen werden, dass das paarige Mesoderm Anfangs zwei solide Zellenplatten darstellt, in denen der trennende Spalt zwischen Somato- 108 LUDWIG WILL, pleura und Splanchnopleura erst secundär auftritt, es ist das aber durchaus kein anderes Verhalten als das secundäre Auftreten des Cölomspalts in den Anfangs soliden Seitenplatten des gastralen Meso- derms beim Gecko. Da die letztern sich hier als umgewandelte Urdarmabschnitte erweisen, kann die Spaltbildung nur als verspätete Eröffnung des Urdarmlumens aufgefasst werden. Genau so stellen meiner Ueberzeugung nach die Cölomspalten der Amphibien, ganz gleich- gültig, ob sie noch mit dem Urdarm selbst communiciren oder nicht !), die Recapitulation jener Cölomhöhlen des Amphioxus dar, welche bei diesem durch das Vorwachsen der Mesodermfalten vom Urdarm ab- geschniirt werden. Wenn dieselben auch bei Petromyzon und den Amphibien in der Ontogenie nicht mehr mit dem Urdarm zusammen- hängen, so stehen sie wenigstens mit ihm in stammesgeschichtlichem Zusammenhang und sind ferner besonders deshalb homolog, weil ihre Wandungen in beiden Fällen von demselben Zellenmaterial gebildet werden. Wie ich gegen GOETTE noch besonders hervorheben möchte, scheint mir eine enterocöle Stammform der Vertebraten ein absolut nothwendiges Postulat zu sein, denn ohne eine solche würde die Mesodermbildung der Amnioten und besonders des Geckos vollständig in der Luft stehen. Wenn GoETTE die Möglichkeit einer nicht enterocölen Stamm- form durch einen Hinweis auf die Mesodermverhältnisse bei den Ascidien an der Hand der SEELIGEr’schen ?) Arbeit wahrscheinlicher zu machen sucht, so ist dem entgegenzuhalten, dass in einer von GOETTE Scheinbar nicht berücksichtigten Arbeit von VAN BENEDEN u. JULIN®) entgegen dem von GOETTE citirten Autor der Nachweis geführt wird, dass auch den Ascidien ein Cölom zukommt, das in seiner Genese völlig dem des Amphioxus entspricht und nur frühzeitig wieder zum Schwunde kommt. An die Amphibien und Cyclostomen schliessen sich unmittelbar die Knochenfische an, deren grosse Uebereinstimmung auch von WIL- son *), dem jüngsten Bearbeiter der Teleosteer-Entwicklung, mit Recht 1) Goertz leugnet bekanntlich eine solche Communication, ob mit Recht oder Unrecht, lässt sich natürlich bei der grossen Zahl entgegen- stehender Angaben und ohne eigene Erfahrung nicht entscheiden. 2) O. Seruiser, Die Entwicklungsgeschichte der socialen Ascidien, in: Jen. Zeitschr. f. Naturw., Bd. 18, 1885. 3) Ep. van Bexepex et Cu. Junin, Recherches sur la morphologie des Tuniciers, in: Arch. Biol., T. 6, 1887, p. 237—476. 10 Tiln. 4) H. V. Wmson, The embryology of the Sea Bass (Serranus atra- rius), in: Bull. U. St. Fish Commission, Vol. 9, 1889, erschienen 1891. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 109 hervorgehoben wird. Indem ich hier einfach auf diese Arbeit ver- weise, sei nur hervorgehoben, dass auch bei ihnen die dorsale Urdarm- wand mit Ausschluss der Chordaanlage von vorn herein mehrschichtig ist, so dass das Mesoderm nur durch Abspaltung aus der Begrenzung des Urdarms ausgeschaltet werden kann. Die Verhältnisse liegen hier demnach genau so wie bei den Amphibien, indem auch hier die Spitze der Mesodermfalte von Anfang an neben der Chorda liegt. Das Vorwachsen der Falte hat daher auch bei den Teleosteern nur noch für die Abschnürung der Chorda Bedeutung, so dass sie auch nicht mehr als doppelte Falte, sondern lediglich als einfache Entodermlamelle an der Unterwachsung sich betheiligt. Der gänzliche Mangel eines primären mit dem Urdarm communicirenden Cölomspaltes zeigt mir, dass der Zusammenhang beider Lumina kein wesentliches Moment in dem Process der Mesodermbildung darstellt, zwingt aber für die Teleosteer ebensowenig wie für die Amphibien und Cyclostomen zur An- nahme einer nicht enterocölen Stammform, da dieselben cänogenetischen Verhältnisse, welche von der Mesodermbildung durch Vorwachsen der Urdarmfalten zu einer einfachen Delamination des Mesoderms aus der dorsalen Urdarmwand führten, auch ausreichen, das secundäre Auf- treten des Céloms zu erklären. Ursprünglichern Verhältnissen in Bezug auf die Genese des gastralen Mesoderms begegnen wir wieder bei den Selachiern. Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass alle Bilder, welche man für die Ent- stehung des Mesoderms durch Ausstülpung als Beweis angesehen hat, ebenso bequem durch das Auftreten und Vorwachsen einer Mesoderm- falte ihre Erklärung finden. Dass das von mir beim Gecko geschil- derte Vorwachsen einer Mesodermfalte auch bei den Selachiern that- sächlich vorkommt, geht aus verschiedenen Angaben RÜCKERTS ') hervor, von denen ich hier einen Satz wörtlich anführen will: „Man erkennt alsdann, dass der einer Darmfalte entsprechende laterale Rand des Cölomausschnitts [die Spitze meiner Urdarmfalte] median vorwärtswuchert, bis der Darmentoblast den Chordaentoblast wieder erreicht und mit ihm verlöthet. Mit dem Darmentoblast schiebt sich zugleich an dessen Oberfläche eine viscerale Mesoblastlamelle medianwärts vor und trifft mit der parietalen zusammen an der Stelle, wo diese mit dem Chordaentoblast zusammenhängt.“ Wie man sieht, 1) J. Rickert, Ueber die Anlage des mittlern Keimblatts und die erste Blutbildung bei Torpedo, 1 Abb., in: Anat. Anz., 1887, p. 97—112, 154—156. 110 LUDWIG WILL, besteht auch bei den Selachiern die Urdarmfalte aus zwei Lamellen, von denen die obere zum splanchnischen Blatt, die untere zum Darm- epithel wird. Das somatische Blatt geht dagegen aus demjenigen Theil des Urdarmepithels hervor, der von der eben geschilderten Falte unter- wachsen wird. Dieses typische Verhalten zeigt sich übrigens nur im hintern Ab- schnitt des gastralen Mesoderms, indem weiter vorn cänogenetische Abänderungen eingetreten sind. Hier legt sich das gastrale Mesoderm jederseits des Chordaentoblasts als eine Verdickung der Urdarmwand an, worauf eine Abspaltung im Sinne BALFour’s') eintritt. Dass aber eine derartige Abspaltung nicht mit meiner Theorie collidirt, habe ich schon bei der Besprechung der übrigen Anamnier gezeigt. Uebrigens spricht sich auch RÜCKERT selbst in diesem Sinne aus, wenn er sagt: »lrotzdem aber trägt diese Mesoblastwucherung in ihrer ganzen Aus- dehnung unverkennbar den Charakter einer Cölomausstülpung [ich würde natürlich sagen eines durch Unterwachsung abgegliederten Ur- darmabschnitts], denn ihre parietale Zellenschicht steht immer in directem Zusammenhang mit dem Chordaentoblast, so dass man sagen kann, dieser löse sich seitlich in die dorsale Lage des Mesoblasts auf, während die Zellen der visceralen Schicht weiter lateralwärts entstehen, indem sie aus der Oberfläche des Darmentoblasts austreten.“ Wie aus den hier gesperrt gedruckten Worten noch besonders hervorgeht, hul- digt unser Autor der auch von mir für den Gecko dargelegten Auf- fassung, dass die beiden Theile des Mesoderms, welche wir später als somatisches und splanchnisches Blatt bezeichnen, vor ihrer Ausschaltung neben einander gelagert, an der Begrenzung des Urdarmlumens parti- cipirten, dass ihre Ausschaltung aus der Urdarmwand und damit ihre Lagerung über einander aber erst erfolgt durch jenen Process, den Rickert im Sinne Herrwı@’s als Ausstülpung, ich dagegen aus den oben auseinandergesetzten Gründen als einen Faltungsprocess auf- fassen muss. Ich will versuchen, meine eben entwickelten Ansichten über die Entstehung des gastralen Mesoderms der Wirbelthiere in folgenden Sätzen zusammenzufassen: 1) Die Vorgänge bei der Mesodermbildung der verschiedensten Wirbelthiere lassen die Annahme einer enterocölen Stammform mit geringem Nahrungsdotter als im hohen Grade gesichert erscheinen. 1) F. M. Bazrour, A monograph of the development of Elasmo- branch Fishes, London 1878, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. all 2) Bei dieser hypothetischen Stammform muss sich das gastrale Mesoderm in ähnlicher Weise entwickelt haben, wie das noch heute beim Amphioxus der Fall ist; d. h. die gesammte dorsale Urdarmwand stellt mit alleiniger Ausnahme der axialen Chorda die erste Anlage des Mesoderms dar, welche demnach durch die Chordaanlage in zwei dorso- laterale Platten getheilt wird. Die Mesodermanlagen stellen daher Anfangs einen integrirenden Bestandtheil der Urdarmwand dar. Die Ausschaltung der paarigen Mesodermanlagen aus dem Zusammenhang mit dem übrigen Entoderm und damit ihre Ausschliessung von der Begrenzung des Urdarmlumens erfolgt durch das Auftreten einer doppel- wandigen Urdarmfalte in den Seitentheilen des Urdarms, welche un- mittelbar unter der dorsalen Urdarmwand gegen die Chordaanlage vor- wächst. Durch diesen Faltungsprocess kommen an den unterwachsenen Stellen drei Epithellagen über einander zu liegen, von denen die unterste zum Urdarmepithel wird, während die beiden oberen das splanchnische und somatische Blatt des Mesoderms darstellen, welche den abgeschnürten Urdarmabschnitt als Cölomspalt zwischen sich fassen, welcher anfänglich noch mit dem Urdarmlumen communicirt. Der Schlussact des Vorganges ist die gänzliche Abschnürung der Meso- ' dermplatten sowie die Unterwachsung der Chorda. 3a) Das wesentliche Moment bei der Mesodermbildung der hypo- thetischen Stammform liegt darin, dass die dorsale Urdarmwand die Anlage für Chorda und Mesoderm darstellt und später aus der Be- greuzung des Urdarmlumens ausgeschaltet wird. b) Der Process des Erhebens und Vorwachsens der Urdarmfalten, welche die Ausschaltung bewirken, stellt nur die äussere Form vor, unter der sich der Vorgang vollzieht. Wenn diese daher auch nur in zweiter Linie in Betracht kommen kann, so ist sie dennoch für die Mesodermbiidung der übrigen Vertebraten von hoher Bedeutung, erstens, weil sie die ursprünglichste Form des Vorgangs der Ausschaltung dar- stellt, dann aber weil gerade diese Form zum Ausgangspunkt gewor- den ist für alle übrigen Wirbelthiere und sich bei diesen mit grösserer oder geringerer Deutlichkeit nachweisen lässt. c) Die Continuität des Cölomspalts mit dem Urdarmlumen ist erst die Folge der eben geschilderten äussern Form des Vorganges und kann daher erst in dritter Linie in Betracht kommen. 4) Das unter 3a angeführte Hauptmoment findet auf alle Wirbel- thiere ohne weiteres Anwendung. 5) Die ‘ursprüngliche Form des Vorganges hat sich unter den Amnioten, soweit wir wissen, am reinsten beim Gecko erhalten. Bei 112 LUDWIG WILL, den höhern Amnioten aber kommt sie in Folge des geringen Urdarm- lumens nur noch theilweise zur Geltung, lässt sich dagegen unmittel- bar von den Verhältnissen beim Gecko ableiten. Unter den Anamniern bringen die Selachier diesen Modus am reinsten zum Ausdruck, wenngleich auch hier schon cänogenetische Verhältnisse eine trübende Rolle spielen. Am meisten abgeändert ist die Form des Vorganges bei den übrigen Anamniern. Da hier die dorsale Wandung des Urdarms von vorn herein mehrschichtig ist — ein Verhalten, das wenigstens bei Amphibien und Cyclostomen als directe Folge der durch den Dottergehalt sehr umfangreichen Entodermzellen erkannt wurde — kann die Ausschaltung des Mesoderms nur durch Abspaltung er- folgen, und die Unterwachsung spielt daher nur noch bei der Unter- wachsung der Chorda eine Rolle oder hat sogar auch diese aufge- geben (bei den Anuren, bei denen auch der axiale Theil der dorsalen Urdarmwand bereits mehrschichtig geworden ist und daher auch die Isolirung der Chorda durch Abspaltung vom Entoderm erfolgt). 6) Da die Continuität von Cölomspalt und Darmlumen nur eine Folgeerscheinung der ursprünglichen Form darstellt, unter welcher sich die Ausschaltung des Mesoderms vollzieht, so wird sie am besten da bewahrt sein, wo sich auch die äussere Form des Vorganges am reinsten erhalten hat. Sie muss um so mehr beschränkt sein, je mehr die Unterwachsung durch Abspaltung vertreten wird, und vollständig verloren gegangen sein, wo allein noch die Abspaltung die Ausschal- tung übernimmt. 7. Der Mangel der ontogenetischen Continuität zwischen Cölom- spalt und Urdarmlumen zwingt nicht zur Annahme einer nicht enterocölen Stammform. Wie wir bei der Entstehung des gastralen Mesoderms von Platy- dactylus zwei verschiedene Phasen unterscheiden konnten, eine, wäh- rend welcher die Mesodermanlagen lediglich durch die durch einen weiten Zwischenraum getrennten soliden Seitentheile des Urdarms repräsentirt werden, die andere, welche durch das Vorwachsen der beiden Mesodermplatten charakterisirt ist, so lässt auch das prosto- miale Mesoderm noch eine zweite Phase in seiner Entwicklung er- kennen. Um jedoch bei dem vorläufigen Charakter dieser Mittheilungen, so- weit sie das Mesoderm betreffen, nicht gar zu viel vorwegzunehmen, will ich mich bezüglich des prostomialen Mesoderms ganz kurz fassen. Bezüglich seiner ersten Entstehung ergab sich, dass es durch einen Re — Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 113 Abspaltungsvorgang aus dem Zusammenhang des secundären Entoderms ausgeschaltet wird. Auf Querschnitten durch die Primitivplatte resp. den Entodermpfropf derselben sahen wir dasselbe nach seiner Aus- schaltung in Form paariger, solider Fortsätze, die jederseits von dem Entodermpfropf ausgehen und sich in den Zwischenraum zwischen Ectoderm und secundäres Entoderm hineinschieben, ohne dass irgend eine epitheliale Anordnung seiner Zellen oder gar die Andeutung eines Cölomspalts wahrnehmbar wäre. Trotz dieses Anfangs abweichenden Baues ergab sich jedoch, dass es zeitlich und räumlich in vollständigem Zusammenhang mit dem gastralen Mesoderm entsteht, so dass ich daraufhin Veranlassung nahm, den einheitlichen Charakter beider Mesodermarten zu betonen. Eine derartige einheitliche Auffassung derselben erscheint um so mehr geboten, als sie sich, wie wir sehen werden, ohne Schwierigkeit auch auf denselben Entwicklungsmodus zurückführen lassen. Bevor ich auf diesen letztern Punkt eingehe, sei es mir zunächst erlaubt, auf bekannte Verhältnisse bei andern Wirbelthieren zurück- zugreifen. Während bei allen die Entstehung des gastralen Meso- derms relativ leicht auf den Grundtypus der Mesodermbildung zurück- - zuführen ist, der bei den einen sich ziemlich rein erhalten hat, bei den andern aber durch cänogenetische Verhältnisse in grösserm oder geringerm Grade getrübt erscheint, erweist sich bei allen die Ent- stehung des prostomialen Mesoderms am meisten verändert. Ueberall, wo der Entwicklungsmodus des gastralen Mesoderms bisher scheinbar ohne Schwierigkeit auf eine Urdarmausstülpung im Sinne Hertwie’s oder naeh meinen Auseinandersetzungen jetzt richtiger auf den von mir als Ausgangstypus hingestellten Unterwachsungsmodus zurückzu- führen ist, zeigt sich das prostomiale Mesoderm bereits so weit ver- ändert, dass es als reine Abspaltung vom Entoderm angelegt wird, genau so, wie wir das vom gastralen Mesoderm der Knochenfische sahen. So liegen die Verhältnisse bei sämmtlichen Anamniern sowie unter den Amnioten beim Gecko und der Schildkröte. Bei den höhern Amnioten tritt es allerdings als eine solide von der Primitivplatte ausgehende Wucherung auf, allein hierin liegt kein ursprünglicheres Verhalten, sondern, wie ich weiter oben auseinandergesetzt, lediglich eine weitere Abänderung der Verhältnisse, wie wir sie beim Gecko angetroffen haben (cf. p. 32), die lediglich durch das frühere Auftreten des Dotterblatts bedingt sind. Ist nun. in jenen Fällen, wo, wie bei den Teleosteern, das gastrale Mesoderm durch Abspaltung vom Entoderm entsteht, eine Zurück- Zool. Jahrb. VI. Abth. f. Morph. 8 114 LUDWIG WILL, führung dieses Entstehungsmodus auf die Grundform möglich, so kann auch die Entstehung durch Abspaltung für das prostomiale Meso- derm kein Hinderniss für eine gleiche Auffassung abgeben. Das pro- stomiale Mesoderm wäre daher bei sämmtlichen Wirbelthieren derjenige Mesodermabschnitt, dessen ursprüngliche Entstehungsart zuerst und am meisten unter dem Einfluss des zunehmenden Nahrungsdotters ver- wischt erscheint. Die Richtigkeit einer solchen Auffassung wurde auch bislang von den Anhängern der Herrwi@’schen Lehre vertreten, indem sie die für verschiedene Wirbelthiere feststehende Thatsache, dass später auch im Bereich des prostomialen Mesoderms ein Cölomspalt auftritt, der in den Urmund resp. die Primitivrinne ausmündet und das ursprünglich solide Mesoderm in ein parietales und viscerales Blatt scheidet, dafür anführten, dass auch das prostomiale Mesoderm von einem Urdarm- divertikel abzuleiten sei. Auch in meinen Augen bildet dieses nachträgliche Auftreten eines Cölomspalts im prostomialen Mesoderm, welches besonders bei Am- phibien und Säugethieren durch gute Abbildungen HERTWIGS, VAN BENEDEN’s und des Grafen SPEE illustrirt wird, den Beweis für die genetische Einheit beider Mesodermabschnitte. Selbstverständlich leite ich aber die Entstehung des prostomialen Mesoderms ebenso wenig wie die des gastralen aus einer Urdarmausstülpung ab, sondern führe sie eben- falls zurück auf das Auftreten einer Urdarmfalte, welche bei der hypo- thetischen Stammform von den Seiten und von hinten her gegen den Urmund vorwuchs. In der spätern ausführlichen Bearbeitung der Mesodermfrage werde ich diese Ableitung im Einzelnen durchzuführen versuchen, und es wird sich sodann ergeben, dass lediglich die Zu- nahme des Nahrungsdotters den Grund abgiebt für die starke Modi- fication, welche die Entstehung des prostomialen Mesoderms in der Reihe der Wirbelthiere erfahren hat. Bei dem Charakter der vorliegenden Mittheilung mögen die gegebenen Andeutungen ge- nügen. Wenn ich nun an das $S. 113 Gesagte wieder anknüpfe, so finden sich auch in der Entwicklung des prostomialen Mesoderms beim Gecko besonders zwei Punkte, welche auch für dieses Thier die Zurück- führung auf den Ausgangstypus ermöglichen. Zunächst kommt in Be- tracht, dass das prostomiale Mesoderm mit dem Theil des gastralen Mesoderms, der aus den soliden Seitentheilen des Urdarms hervorgeht, ohne weiteres auch in der Art seiner Entstehung übereinstimmt. Da der Urdarm in solchen Fällen, wo er unter Bildung eines Kopffort- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 115 satzes entsteht, Anfangs mit dem secundären Entoderm an seiner Spitze und den Seitenrändern in continuirlichem Zusammenhang steht, so muss er sich durch einen Abspaltungsprocess aus diesem Zusammen- hang ablösen. Was aber von dem gesammten Urdarm gilt, muss natürlich auch für einen Theil desselben zutreffen, also auch für den Theil desselben, der in die erste solide Anlage des gastralen Meso- derms übergeht. Dieser Process deckt sich demnach vollständig mit jenem Abspaltungsvorgang, der zur Ausschaltung des prostomialen Mesoderms aus dem Zusammenhang mit dem Dotterblatt führt. Anders steht es mit der genetischen Uebereinstimmung mit jenem Theil des gastralen Mesoderms, der aus der Zwischenplatte und dem obern Blatt der Ur- darmfalte durch Vorwachsen dieser gebildet wird. Zur Bildung und zum Vorwachsen einer derartigen Urdarmfalte kommt es im Bereich des prostomialen Mesoderms überhaupt nicht mehr, wohl aber kommt es im prostomialen Mesoderm noch nachträglich zur Bildung eines Célomspaltes, der jederseits in die Primitivrinne ausmiindet, das Mesoderm auch hier in zwei epitheliale Lamellen scheidet und die letzte Reminiscenz an die ehemalige Entstehung aus einer - vorwachsenden Urdarmfalte darstellt. Der erwähnte Cölomspalt tritt erst relativ spät auf und zwar zu einer Zeit, wo die im nächsten Capitel zu beschreibende Umwandlung des queren Urmundspaltes in eine median gestreckte Primitivrinne sich anbahnt. Die Spaltbildung erfolgt im engen Anschluss an den Cölom- spalt des gastralen Mesoderms, tritt demnach zuerst im vordern Be- reich des prostomialen Mesoderms auf, um später sich erst allmählich weiter nach hinten auszudehnen. Die zur Abbildung gelangten Schnitte Fig. 62h—k, 65 c, d 67d, Taf. 11, stellen Querschnitte durch den vordern Theil der mehr oder minder entwickelten Primitivrinne der in Fig. 27, 30, 31, abgebildeten Embryonen dar und decken sich fast vollständig mit einem ähnlichen Querschnitt, den Graf SPEE!) von einem menschlichen Embryo mit noch offener Medullarrinne abgebildet hat. An den Lippen des rinnenförmigen Blastoporus geht auch hier das Ectoderm lediglich in das somatische Blatt über, von dem die Splanchnopleura deutlich durch 1) Graf Spree, Beobachtungen an einer menschlichen Keimscheibe mit offener Medullarrinne u. Canalis neurentericus, in: Arch. f. Anat. u. Phys., Anat. Abth. 1889. 8 * 116 LUDWIG WILL, einen weit zu verfolgenden Spalt geschieden ist, der in das Lumen der Rinne nach aussen mündet. Die splanchnischen Blätter jederseits stehen mit einander durch einen Zellenpfropf in Verbindung, der nichts anderes darstellt als den uns bereits bekannten Entodermpfropf, der durch die sich schliessenden Ränder des Blastoporus nach unten ge- drängt wird. 3. Die Umwandlungen der Primitivplatte, die Bildung der Primitivrinne und der Verschluss des Kuprrer’schen Ganges. Wenn wir die Geschichte der Primitivplatte als Ganzes ins Auge fassen wollen, müssen wir zunächst noch einen kurzen Rückblick in die vorige Entwicklungsperiode thun, welche uns mit der Entstehung der Primitivplatte bekannt machte. Statt der eingebürgerten, von den höhern Amnioten entlehnten Bezeichnung „Primitivstreif“ wurde der allgemeinere Begriff Primi- tivplatte (Area primitiva) eingeführt, weil die Formveränderungen, welche diese Bildung im Lauf der Entwicklung durchzumachen hat, so mannigfaltige sind, dass der Name Primitivstreif nur für eine be- bestimmte Phase der Entwicklung zutreffen würde. Da er für dieses betreffende Stadium aber eine sehr charakteristische Bezeichnung ab- giebt, so steht nichts im Wege, ihn mit dieser Beschränkung auch fernerhin anzuwenden. Als Primitivstreif bezeichne ich demnach die Primitivplatte nur zu jener Zeit, wo dieselbe thatsächlich eine in der Längsrichtung des Schildes gestreckte Anlage darstellt. Wir sahen, dass die Primitivplatte gleich bei ihrem ersten Auf- treten bei verschiedenen Embryonen Formverschiedenheiten aufweist. Als Typus sehe ich jene Fälle an, wo sie zunächst in der Form einer theils schon bei äusserer Besichtigung, theils erst auf Schnitten er- kennbaren Sichel auftritt (Fig. 1, 2, 8, 9, Taf. 1), auf der dann etwas später die Sichelrinne als erste Andeutung der beginnenden Urdarm- einstülpung erscheint. Die sichelförmige Primitivplatte geht keines- wegs, wie es bei den höhern Amnioten scheinbar der Fall ist, aus einer ectodermalen Wucherung hervor, sondern sie entsteht aus einem Zellenmaterial, welches bereits vor der Differenzirung eines Ectoderms an Ort und Stelle vorhanden war und direct aus der Furchung her- vorgegangen ist. Ihr Hervortreten als besondere Anlage steht aller- dings in Beziehung zur Differenzirung des Ectoderms. Während diese Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 117 nämlich, von einer gürtelförmigen Zone in der Nähe des Keimscheiben- randes ausgehend, gegen die Keimscheibenmitte vorschreitet, macht dieser Differenzirungsprocess einen vorläufigen Halt in der Umgebung eines Oberflächenabschnitts, welcher die Gestalt unserer Sichel hat, an der demnach die Differenzirung des Ectoderms unterbleibt. Die Sichel ist somit, wie wir gesehen haben, diejenige Stelle der Keimscheiben- oberfläche, an der die sonst vom Ectoderm bedeckten, tiefer gelegenen Furchungsderivate, die nunmehr das Entoderm darstellen, an die Ober- fläche treten. Mithin stellt die Sichel einen Blastoporus dar. Da wir den centripetal vorrückenden Differenzirungsprocess des Ectoderms unzweifelhaft der sogen. Epibolie des Amphibienkeimes ver- gleichen können, so ist das Gebiet der Sichel homolog dem Blasto- porus der Amphibien unmittelbar vor dem Eintritt der Urdarmein- stülpung (cf. Holzschnitt Fig. 7), d. h. dem Urmund der Amphi- bien in dem Zustande, wie er aus der Epibolie hervorgeht’). Die Sichel geht dann da- durch in eine rundliche Primi- tivplatte über (Fig. 3), dass die Sichelhörner durch den Fort- schritt der Epibolie von den Seiten her vom Ectoderm über- Fig. 7. Keimblase von Triton taeniatus nach wachsen werden, so dass dann Herrwic. Das Ectoderm wird repräsentirt von : s - _ den kleïnen Zellen, welche das Dach der Keim- allein noch der mittlere Sichel höhle fh bilden, das Entoderm von den grossen knopf als Primitivplatte übrig Zellen dz der untern Eihälfte. Die ganze untere bleibt War vor dieser Um- Hälfte der Eioberfläche bis zu der Randzone 7z z : 3 würde als Blastoporus aufzufassen und der wandlung bereits eine Sichel- Primitivplatte der Amnioten homolog sein. 1) Man kann die beistehende Figur ebensowohl als eine Blastula wie auch als den Beginn des Gastrulastadiums auffassen. Da bekannt- lich nicht nur die Einstülpungsöffnung, sondern diese plus dem soge- nannten Dotterpfropf den gesammten Blastoporus darstellt, so verdankt der letztere nicht erst der Invagination, sondern bereits der vorher- gehenden sogen. Epibolie den Ursprung. Wir haben demnach in obiger Figur die Region der grossen vegetativen Zellen als den Blastoporus aufzufassen, dessen Lippen von der jeweiligen Uebergangsstelle zu den kleinen animalen Zellen gebildet werden. 118 LUDWIG WILL, rinne angelegt, so kommen die seitlichen Theile derselben hiermit gleichfalls zum Schwunde, so dass sie sich nunmehr auf eine rund- liche Delle beschränkt. War aber eine Sichelrinne vor der Umwand- lung der Primitivplatte noch nicht aufgetreten, so erscheint die Ein- stülpungsstelle von vorn herein als eine rundliche Delle. Bei der Betrachtung der auf Taf. 1 abgebildeten Oberflächen- bilder könnte es zwar scheinen, als ob die Einstülpungsöffnung un- gefähr in der Mitte der Primitivplatte gelegen wäre, aus den Schnitt- bildern der Tafel 6 geht aber sofort hervor, dass auch hier der Schein trügt und die betreffende Einstülpung im Gegentheil ganz am vordern Rande der Platte liegt, so dass also ihre hintere Lippe ganz bedeutend mächtiger ist als die vordere, nur durch die stärkere Wulstung mehr in die Augen springende. Von Wichtigkeit ist es, sich auch auf dem vorliegenden Stadium mit beginnender Invagination über die Ausdehnung des Blastoporus klar zu bleiben. Halten wir an der gegebenen Ableitung desselben aus der Epibolie fest, so ist ersichtlich, dass ebensowenig wie bei den Amphibien auch beim Gecko die Einstülpungsöffnung allein als Blastoporus aufzufassen ist, sondern dass die gesammte ecto- dermfreie Oberfläche der Primitivplatte als Urmund angesehen werden muss. Die Lippen des letztern liegen dem- nach nicht an den Lippen der Delle, sondern an jenen Stellen, wo das Ectoderm an die Primitivplatte grenzt. Vorn werden daher die Urmundlippen von dem hintern Rande des Schildes mit seinen hohen Cylinderzellen, seitlich (Fig. 43, Taf. 6) und hinten (Taf. 5, 6) da- gegen von den Plattenzellen der Zona intermedia gebildet. Der Charakter der Urmundränder ist auffallend genug, um eine kurze Besprechung desselben zu rechtfertigen. Wenn im ersten Sta- dium der Keimblätterbildung, welches durch die allmähliche Diffe- renzirung des Ectoderms bezeichnet wird, die Grenzen zwischen diesem letztern und der Primitivplatte noch so unmerkliche sind, dass es zur Unmöglichkeit wird, den Ort genau zu bezeichnen, wo die Pri- mitivplatte aufhört und das Ectoderm beginnt, so ändert sich dieses Verhalten doch sofort, sobald das äussere Keimblatt angelegt ist, und namentlich, sobald die Schildanlage, wenn auch Anfangs nur auf Schnitten, deutlicher hervortritt. Wenn wir zunächst die Hinterlippe ins Auge fassen, so finden wir von dem erwähnten Zeitpunkt an sehr lange Zeit hindurch das niedrige ectodermale Epithel der Area intermedia scharf von den Zellen der Primitivplatte abgesetzt, mit den letztern in keinem engern Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 119 geweblichen Zusammenhang stehend, sich vielmehr über dieselben gleichsam eine Strecke weit hinwegschiebend. Diese scharfe Grenze zwischen dem Ectoderm und der entodermalen Primitivplatte wird vielfach noch dadurch besonders ausgeprägt, dass der histologische Cha- rakter beider häufig differirt, dass das Ectoderm sich in Bezug auf Färbung anders verhält als die Primitivplatte selbst und zuweilen zwischen beiden auf grössere oder kürzere Strecken Spaltlücken auf- treten, die nicht in der Conservirung ihren Grund haben (Fig. 41, 42, Taf. 6). Die scharfe Abgrenzung beider Blätter an der hintern Blastoporuslippe ist von dem erwähnten Zeitpunkte an ein so allgemeiner Charakter, dass ich fast keine Schnittserie besitze, auf der sie nicht deutlich hervorträte. Die wenigen Fälle, in denen (Fig. 40, Taf. 6) eine solche Grenze zu fehlen schien, können die thatsächliche Beob- achtung um so weniger ihres Werthes berauben, als es sich hier um zweifelhafte Bilder handelt, überdies aber, wenn auch viel später, eine Verschmelzung beider Keimblätter an der hintern Blastoporuslippe secundär wieder eintritt, weshalb die angezogene Figur ohne Zwang auch die Erklärung zulassen würde, dass in derselben diese secundäre Verschmelzung ausnahmsweise früh eingetreten ist. Können daher die wenigen fraglichen Fälle der Thatsache an sich in ihrer allgemeinen Bedeutung keinen Abbruch thun, so handelt es sich darum, für die auffallende Erscheinupg eine Erklärung zu finden. Diese aber kann ich nur darin sehen, dass die Epibolie, welche zur Zeit der Differenzirung des Ectoderms wie auch bei den Amphibien nur eine mehr scheinbare ist, von dem Momente der Constituirung des Ectoderms an in eine wirkliche übergeht, indem sich von diesem Zeitpunkte an das Ectoderm als einfaches Blatt über die Primitivplatte vorschiebt und so eine theilweise Ueberwachsung der- selben bewirkt. Das Verhalten der seitlichen Urmundlippen studiren wir am besten auf Querschnitten durch die Primitivplatte (Fig. 43, Taf. 6, Fig. 46, Taf. 7), und fiir diese ergiebt sich nun ganz dasselbe Verhalten. Wenn auch hier die Fälle, in denen der Nachweis nicht mehr deutlich zu führen ist, zahlreicher sind, so sprechen doch andere Bilder, wie z. B. die citirte Figur, um so klarer. Ja, es war auf solchen Querschnitten die Abgrenzung des Ectoderms von der Primitivplatte sehr häufig noch an solchen Embryonen nachweisbar (Fig. 61a, Taf. 10, Fig. 65b, Taf. 11), bei denen schon die Bildung der Primitivrinne begonnen hatte. Ganz besonders klare Bilder in dieser Beziehung lieferten mir ganz junge 120 LUDWIG WILL, Schildkrötenembryonen, die in einer demnächst folgenden Abhandlung beschrieben werden sollen. Vermissten wir somit an den hinteren und seitlichen Urmund- lippen jeden Uebergang des Ectoderms in das Entoderm der Primitiv- platte, so ist von vorn herein zu erwarten, dass auch die vordere Lippe des Blastoporus keine Ausnahme macht. Dass in der That auch hier eine scharfe Grenze zwischen dem Ectoderm des Schildes und der Primitivplatte besteht, beweisen die Figuren 40, 42, 44, Taf.6. Deut- licher noch trat dieses Verhalten auch hier wieder bei der Schildkröte hervor, wie ein Längsschnitt durch die Sichel einer solchen beweist, welchen ich in fig. 1 meiner unten citirten Mittheilung abgebildet habe !). Beim Gecko jedoch scheint hier die Verschmelzung beider Keimblätter bereits frühzeitiger einzutreten, denn an den meisten Em- bryonen war sie sicher schon vollzogen. (Die Möglichkeit, dass in solchen Fällen diese Verbindung bereits von Anfang an erhalten ge- blieben ist, bleibt natürlich bestehen, ändert aber insofern nichts an der Erscheinung selbst, als sie dann ebenfalls als eine Abkürzung der Entwicklung aufgefasst werden könnte.) Fassen wir die Resultate dieser Betrachtung zusammen, so kommen wir zu dem Resultat, dass an den Blastoporuslippen vom Moment der Constituirung des Ectoderms an kein Uebergang zwischen Ectoderm und Entoderm besteht, dass aber derselbe früher oder später im Verlauf der weitern Entwicklung secundär hergestellt wird. Von Bedeutung für die richtige Homologisirung der Primitiv- platte mit den entsprechenden Bildungen anderer Vertebraten ist die vorhin bereits erwähnte Thatsache, dass die Invagination nicht in der Mitte, sondern im vordern Abschnitt derselben auftritt (Fig. 44, 45, Taf. 6). Dieser Befund zwingt uns, an der Primitivplatte verschiedene Regionen zu unterscheiden. Entsprechend diesem verschiedenen Verhalten zur Urdarmeinstülpung würde es nun wohl zunächst liegen, ein vorderes Urdarmfeld von einem dahinter gelegenen, dem Dotterpfropf der Amphibien homologen, Entodermpfropf?) zu unterscheiden. Allein 1) L. Witt, Zur Kenntniss der Schildkrötengastrula, in: Biol. Centralbl., 1892, p. 185. 2) Da der Name Dotterpfropf für den Charakter dieser Bildung bei den Amnioten wenig zutreffend sein würde,‘ ziehe ich die oben ge- wählte Bezeichnung vor, die zugleich den allgemeinern Begriff darstellt und auch für die Anamnier angewandt werden kann. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 121 so naturgemäss sich eine derartige Eintheilung auch aus dem äussern Verhalten der Primitivplatte zu ergeben scheint, so wenig ist sie jedoch, wie sich sofort zeigen wird, innerlich begründet und kann daher nur aus praktischen Rücksichten beibehalten werden. Bei einer wirklich na- türlichen Oberflächenein- theilung kommen ausser den äussern Charakteren in erster Linie drei weitere Punkte in Betracht: der histologische Charakter der einzelnen Abschnitte, die weitern Entwicklungszu- stände derselben, sowie ihre Beziehungen zu homologen Anlagen bei den Anamniern, besonders den Amphibien. Beginnen wir mit der Prüfung des letzten Punktes. - Bei den Amphibien geht aus allen Arbeiten mit gros- ser Uebereinstimmung her- vor, dass zwischen dorsaler und ventraler Urdarmwand in histologischer Beziehung wesentliche Unterschiede bestehen, indem erstere sich aus kleinen dotterarmen Zellen zusammensetzt, die bereits frühzeitig eine epi- theliale Anordnung gewin- nen, während die letztere (Holzschnitt Fig. 8) von grossen, rundlichen, mit Dot- ter vollgepfropften Zellen gebildet wird, deren epi- theliale Anordnung sich erst Fig. 8 u. 9. Längsschnitte durch zwei Embryonen vom Axolotl im Gastrulastadium nach BELLONCI. In der letztern Figur ist nur eine unvollkommene Zerklüftung des Dotters eingetreten. Beide Figuren erläutern den gleichen histologischen Bau der ventralen Urdarmwand und des Dotterpfropfes. 122 LUDWIG WILL, sehr viel später bewerkstelligt. Die Bekleidung der untern Urdarmwand zeigt vielmehr eine derartige Uebereinstimmung mit der übrigen Masse des zelligen Dotters, dass man die untere Urdarmwand geradezu als von dem zelligen Dotter selbst gebildet ansehen kann. Genau das gleiche Zellenmaterial findet sich nun aber auch, wie aus der gleichen Figur hervorgeht, in dem sogen. Dotterpfropf, der noch den grössten Theil des Urmundes verstopft. Die untere Urdarmwand und der Dotter- pfropf der Amphibien stellen daher ein durchaus einheitliches Ganzes dar, wie noch besonders schön aus dem Holzschnitt Fig. 9 hervorgeht, in dem die ventrale Urdarmwand und der Dotterpfropf zusammen nur von einer einzigen riesigen Dotterzelle repräsentirt werden. Wollen wir daher Regionen im Entoderm unterscheiden, so können wir nur von einem Gegensatz zwischen dorsaler und ventraler Urdarmwand sprechen. Der Dotterpfropf aber würde nur einen den Urmund ver- stopfenden Theil der letztern darstellen, wie das ja in der Literatur auch bereits ausgesprochen ist. Ganz ähnlich verhalten sich die übrigen Anamnier, aus denen ich die Selachier herausgreife (Holzschnitt Fig. 10). Auch bei ihnen rn cl c b a Fig. 10. Medianer Längsschnitt durch eine Keimscheibe von Pristiurus im Gastrulastadium, uaclı RÜCKERT, prägt sich der erwähnte Gegensatz zwischen dorsaler und ventraler Urdarmwand aus. Während erstere (x) aus einem epithelial angeordneten Zellenmaterial besteht, wird letztere von einer ungegliederten Dotter- masse gebildet, die gleichzeitig auch als Homologon des Dotterpfropfes den grössten Theil des Urmundes verstopft. Auch die Cyclostomen besitzen vor der Vollendung der Gastrula- tion einen Entodermpfropf (Holzschnitt Fig. 11 A), der histologisch der ventralen Urdarmwand gleicht. Bei ihnen besteht nur insofern ein abweichendes, wahrscheinlich ursprünglicheres Verhalten, als der Entodermfropf schon während des Verlaufs der Urdarmeinstülpung in die ventrale Darmwand einbezogen wird (Holzschnitt Fig. 11 B), so dass derselbe nach Ablauf der Invagination bereits geschwunden ist. Da demnach bei allen Anamniern Entodermpfropf (Dotterpfropf) und ventrale Urdarmwand eine einheitliche Anlage darstellen, sowohl in histologischer Beziehung wie hinsichtlich ihrer weitern Schicksale ——— Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien, 123 1 & On mn Ir N DU DE usp Fig. 11 A, B. Mediane Längsschnitte durch zwei auf einander folgende Gastrulastadien von Petromyzon fluviatilis, nach A. GoETTE. Ectoderm weiss, Entoderm schraffirt. /A Furchungshöhle, wd Urdarm, He Ectoderm, En Eutoderm der dorsalen Urdarmwand, usp Urmundôffoung, pp Dotterpfropf (Primitivplatte), in B bereits vom Eetoderm überwachsen, so dass in dieser Figur die Invaginationsöffnung den gesammten Blastoporus repräsentirt. — bei allen Anamniern wird der Entodermpfropf früher (Petromyzon) oder später in die Bildung der ventralen Urdarmwand einbezogen, wobei natürlich die Bildung eines Dottersackes nicht als Ausnahme gelten kann — so ist zu erwarten, dass auch die Amnioten, also in unserm Falle der Gecko, sich ebenso verhalten. Ich gehe auch hier wieder von Embryonen mit Sichel und Sichel- rinne aus (Fig. 8, 9, Taf. 1, Fig. 45, Taf. 6), von Embryonen also, die die Vorfahrencharaktere in jeder Beziehung am besten gewahrt zeigen. Sehen wir uns den zuletzt erwähnten Längsschnitt genauer an, so finden wir, dass die äussere Gliederung der Primitivplatte in die Strecken xy und xz sich nicht mit der innern durch die histo- logischen Charaktere gegebenen Gliederung deckt. Das Urdarmfeld xy, welches im vordern Abschnitt der spätern dorsalen, im hintern der ventralen Urdarmwand entspricht, zeigt in beiden Abschnitten grund- verschiedene Charaktere. Die vordere Hälfte derselben stellt sich auch hier als etwas Besonderes dar, indem ihre Zellen bereits zu dieser Zeit zu einem ziemlich regelmässigen Epithel angeordnet und, was allerdings nur von untergeordneter Bedeutung sein kann, auch in Be- zug auf Färbung und Dottergehalt etwas von der übrigen Primitv- platte sich unterscheiden. Hingegen zeigt der hintere Abschnitt des Urdarmfeldes in Bezug auf den Charakter seiner Zellen sowohl wie auch in der Form der sich hier abspielenden Vermehrungsvorgänge eine so völlige Ueber- einstimmung mit dem als Entodermpfropf bezeichneten Gebilde, dass 194 LUDWIG WILL, beide auch beim Gecko in Einklang mit den soeben für die Anamnier geschilderten Verhältnissen nur als ein einheitliches Ganzes betrachtet werden können. Da nun, wie aus dem Spätern sich ergeben wird, ein richtiger Vergleich der als Primitivstreif beschriebenen Bil- dungen der verschiedenen Wirbelthiere nothwendig eine richtige Ein- theilung der Primitivplattenoberfläche voraussetzt, so müssen wir an der Primitivplatte (die in der angezogenen Figur noch eine Sichelform hat) zwei Hauptabschnitte unterscheiden, deren Grenze aber nicht bei dem Punkte x, sondern an dem tiefsten Punkt der Urdarmdelle resp. Sichelrinne liegt. Der vordere Abschnitt, den ich als Randfeld be- zeichne, liefert die dorsale Urdarmwand, der hintere dagegen, das Mittelfeld), bildet die ventrale Wandung des Urdarms mitsammt dem Entodermpfropf. Während im Randfeld die Zelltheilungen sich vorzugsweise in der Fläche abspielen und somit früher oder später stets zur Bildung einer epithelialen Lamelle führen, herrschen im Mittelfelde die Zellenwucherungen so sehr vor, dass es hier zur Bildung eines compacten Zellenlagers kommt, welches keinerlei epitheliale Anord- nung erkennen lässt. Wie bei den Anamniern, stellt auch beim Gecko der Entodermpfropf nur einen Theil des Mittelfeldes oder, bei weiterer Ausbildung der Ur- darmhöhle (Taf. 9, Fig. 58), der ventralen Urdarmwand dar, der dann als eine locale Verdickung der letztern einen Theil des Blastoporus pfropfartig verstopft. Wie sich ferner aus der weitern Betrachtung ergeben wird, stellt der Entodermpfropf keine bestimmte, son- dern eine wandelbare Grösse dar, die nicht nur bei verschie- denen Individuen, sondern auch in der einzelnen individuellen Ent- wicklung auffallenden Veränderungen unterliegt. Wie wir nun in Bezug auf das Zustandekommen der Gastrulaein- stülpung bei den verschiedenen Embryonen insofern Verschiedenheiten beobachteten, als dieselbe sich bald von vorn herein als hohle Urdarmein- stülpung (primäres Verhalten), in anderen Fällen aber erst unter Bil- dung eines Kopffortsatzes (abgeleitetes Verhalten) anlegte, so zeigte auch die Primitivplatte der einzelnen Embryonen ganz entsprechende Unterschiede. Die grosse Mehrzahl der Embryonen liess von der eben an der Hand der Fig. 45 geschilderten Regionenbildung der Primitivplatte 1) Um nicht vorzugreifen, ist hier der ganze hintere Abschnitt der Primitivplatte vorläufig als Mittelfeld bezeichnet; die genauere Definition ergiebt sich jedoch später (cf. S. 142 ff). Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 125 zunächst nichts erkennen, wie z. B. Fig. 44, in der wir vorn im Bereich des Randfeldes dieselben Wucherungserscheinungen sich abspielen sehen wie im hintern. Solche Fälle entsprechen aber sämmtlich Em- bryonen, bei denen die Urdarmbildung durch Kopffortsatzbildung . eingeleitet wird, bei denen demnach der ursprüngliche Entwicklungs- gang bereits verwischt ist. Sie sprechen um so weniger gegen die aufgestellte Eintheilung der Primitivplatte, als sich, wie wir gleich sehen werden, auch bei ihnen der Gegensatz beider Regionen bei fortgeschrittener Urdarmbildung sehr bald herausbildet. Gegen die Zulässigkeit der gegebenen Eiutheilung könnte ferner der in Fig. 50a, Taf. 8, abgebildete Schnitt ins Feld geführt wer- den, in dem auch die untere Urdarmwand im Gegensatz zum Ento- dermpfropf eine epithelartige Anordnung besitzt. Allein schon auf dem Nachbarschnitt (Fig. 50b) sehen wir, wie an einzelnen Stellen der untern Urdarmwand die Wucherungserscheinungen noch nachträg- lich einsetzen, so dass dann an solchen Punkten der epitheliale Cha- rakter wieder verloren geht. Dieses verschiedene Verhalten wird aber sofort verständlich, wenn wir bedenken, dass vielfach die oberfläch- lichen Zellen der Primitivplatte (Fig. 40, 41 Taf. 6) Anfangs eine epithel- artige Anordnung zeigen, die sie dann erst in Folge der einsetzen- den Wucherungsvorgänge wieder aufgeben. Es ist dadurch eo ipso die Möglichkeit offen gelassen, dass der Beginn dieser Zellenwucherung an der einen Stelle sich verzögert, an der andern aber etwas früher einsetzt. Sollte man nun aber trotz dieser Anseinandersetzungen den histologischen Charakter noch nicht als genügend für eine ein heitliche Auffassung des Mittelfeldes befinden, so müssen diese Bedenken doch schwinden, wenn man findet, dass sich beim Gecko aus dem Mittelfelde dieselben Anlagen entwickeln wie bei sämmt- lichen Anamniern, nämlich die untere Urdarmwand und der Ento- dermpfropf, dass ferner bei der Zunahme des Urdarms an Umfang der einheitliche histologische Charakter dieses Abschnitts sich bei allen Embryonen herausbildet. Wenn wir uns die Fig. 53, Taf. 8, oder sämmtliche Abbildungen auf Taf. 9 etwas genauer ansehen, so vermissen wir an allen eine scharfe Grenze zwischen Entodermpfropf und unterer Urdarmwand. Der Entodermpfropf besteht stets aus einem Complex polyedrischer Zellen, deren obere Lage nur gelegentlich eine durch ihre Lage be- dingte epithelartige Anordnung erkennen lässt, jedoch von den tiefern durchaus nicht zu trennen ist. Der Entodermpfropf geht so allmäh- 126 LUDWIG WILL, lich in den hintern verdickten Theil der untern Urdarmwand über, dass es den Bildern Zwang anthun hiesse, wollte man irgendwie eine Grenze statuiren. Ebenso unmerklich bewerkstelligt sich dann auch, z. B. in Fig. 55, 56, der Uebergang von dem verdickten Theil der untern Urdarmwand in den einschichtigen Abschnitt derselben. Der Ento- dermpfropf stellt somit auch beim Gecko nur einen Theil der untern Urdarmwand dar, wenn man nicht vorzieht, sich dahin auszudrücken, dass in Folge des raschen Wachsthums der Urdarmeinstülpung ein Theil des Entodermpfropfes mit in die Einstülpung hinabgezogen wird, eine Auffassungsweise, deren Berechtigung durch spätere Vor- gänge hinreichend begr@ndet wird, im Wesentlichen aber mit der ersteren sich deckt. Nachdem so der einheitliche Charakter des Mittelfeldes festge- stellt ist, ist es verhältnissmässig unwesentlich, dass die untere Ur- darmwand in den vordern zwei Dritteln derselben (Fig. 59, Fig. 9) nur eine einfache Lage darstellt und damit hier den Charakter eines Epithels erwirbt. Die Einheitlichkeit der untern Urdarmwand bleibt deswegen in vollem Umfange gewahrt und der Gegensatz zur dorsalen Urdarmwand nach wie vor ausgeprägt, erstens durch die auffallend verschiedenen Charaktere der beide Blätter zusammensetzenden Zellen, zweitens durch den Umstand, dass die dorsale Urdarmwand eine blei- bende, die ventrale aber in ihren vordern zwei Dritteln eine ver- gängliche Bildung ist. Ferner ist aber auch der Umstand zu be- achten, dass die Zellen der dorsalen Urdarmwand völlig selbständig sich zu einem Cylinderepithel anordnen, während dem vordern Theile der untern Ürdarmwand der Charakter eines Plattenepithels gleichsam aufgezwungen wird und zwar dadurch, dass derselbe bei dem Vor- wachsen der dorsalen Urdarmwand mehr oder weniger passiv mitge- zogen wird und daher nothwendig sich zu einer einschichtigen Mem- bran ausziehen muss. Wenden wir uns jetzt wieder den Formverhältnissen der Primitiv- platte zu. Wir sahen, dass dieselbe nach Aufgabe der Sichelgestalt eine im Flächenbilde rundliche Form angenommen hatte, die nun in Folge der weiteren Wachsthumsvorgänge allmählich in einen läng- lichen Primitivstreifen übergeführt wird, dessen Längsdurch- messer die Breitenausdehnuug immer mehr zu überwiegen beginnt. Im Verlauf dieser Wachsthumsvorgänge treten nun die verschie- denen Wachsthumsarten im Rand- und Mittelfeld immer schärfer her- vor. Während in der vordern Region der Primitivplatte die dorsale Urdarmwand durch intensiveres Flächenwachsthum zu immer weiterer Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 127 Ausbildung gelangt, finden auch in der mittlern Region lebhafte Zellen- vermehrungen statt, die aber den Charakter von Zellenwucherungen be- sitzen und zur Anstauung eines mehr trägen Zellenmaterials führen, dessen vorderste Theile nur von der Spitze der dorsaien Urdarmwand mehr passiv vorgezogen werden, während jedoch die Hauptmasse des- selben in seiner alten Lage hinter der Urmundöffnung verharrt und den Entodermptropf darstellt. Wenn nun auch der letztere eine compacte Masse von Zellen dar- stellt, so muss doch auch diese in Folge der Zellenvermehrung allmäh- lich an Umfang zunehmen, wenn auch lange nicht in dem Maasse wie die flächenhaft ausgebreitete obere Urdarmwand. Die Zunahme des Entodermpfropfs äussert sich besonders in der Längsaxe, und wenn sie auch Anfangs nicht so sehr in die Augen fällt, so bewirkt sie doch, dass sich der Entodermpfropf immer mehr gegen die Urmundöffnung vordrängt und dadurch eine Gestaltveränderung derselben hervorruft. Hatte die Einstülpungsöffnung Anfangs die Form einer rundlichen Delle (Fig. 4, 5, 6, 10, 11, Taf. 1), so wird sie durch das von hinten her vordrängende Zellenlager zu einer nach hinten concaven Hufeisen- form (Taf. 1, Fig. 12, 13, Taf. 2, Fig. 14, 19) und schliesslich zu einem queren Spalt (Taf. 2, Fig. 15, 16, 17, 20) zusammengepresst. Diese Gestaltveränderungen treten ebenso auch auf den Längsschnitten hervor; man vergleiche nur die Schnitte der Taf. 6 mit denen der folgenden Tafeln. Hiermit bleibt jedoch das Wachsthum des Entodermpfropfes und somit des ganzen hintern Abschnitts der Primitivplatte keineswegs stehen, sondern im weitern Verlauf desselben wird auch die Lage der Urmundspalte selbst betroffen, indem die letztere mehr und mehr nach vorn verschoben wird. Bei der Schildkröte tritt diese Verlagerung der Invaginations- öffnung schon frühzeitiger intensiv hervor als beim Gecko, weshalb ich zunächst von dieser ausgehen will. Wie beim Gecko liegt auch bei der Schildkröte die Primitivplatte zu der Zeit, wo sie noch die sichelförmige Gestalt besitzt, ganz ausserhalb des Embryonalschildes am hintern Rande desselben, und dasselbe gilt natürlich auch von der Sichelrinne. Der Embryonalschild bildet zu dieser Zeit ein regel- mässiges Oval, dessen gleichmässig gerundeter Hinterrand von den Hörnern der Sichel umfasst wird (Holzschn. Fig. 12 A). Nach dem Schwunde der Sichelhörner tritt nun aber ein so lebhaftes Wachsthum der hintern Region der Primitivplatte, des Entodermpfropfes, ein, dass dadurch die quere Urmundspalte weit nach vorn verschoben wird. 128 LUDWIG WILL, Die Folge ist, dass auch die betreffende Stelle des Schildrandes die- selbe Verlagerung erfährt und daher der Schild an allen Embryonen dieses Stadiums an seinem Hinterrande tief herzförmig ausgeschnitten pp ar Fig. 12 A u. B. Schematische Darstellung des Flächenbildes zweier Embryonen von Cistudo lutaria. A Stadium mit Sichel und Sichel- rinne, B Embryo, dessen Sichelknopf zum Primitivstreifen ausgewachsen ist. s Em- bryonalschild, pp Primitivplatte, sr Sichelrinne, usp Urmundspalte. erscheint (Holzschn. Fig. 12 B). Die Primitivplatte, die An- fangs ganz ausserhalb des Schildes liegt, wächst so- mit erst durch einen secundären Vorgang in den Schild hinein. Dem entsprechend verschieden verhalten sich die Querschnitte durch die Primitivplatte auf beiden Stadien. Während Anfangs rechts und links von der letztern nur das niedrige Ectoderm der Area inter- media angetroffen wird, wird im zweiten Stadium der Primitivstreif beiderseits in seiner grössten Ausdehnung von dem aus hohen Cylinderzellen bestehenden Ectoderm des Schildes selbst begrenzt. Ganz dieselben Wachsthumsprocesse finden sich nun auch beim Gecko, wenn sie sich auch hier zunächst noch nicht mit gleicher Schärfe im Oberflächenbilde ausprägen. Wie wir gesehen haben und auch in der Oberflächenansicht deutlich aus den Figuren 1, 4, 5, 6, 9, 11, Taf. 1 sowie aus Längsschnitten erhellt, liegt auch beim Gecko die Primitivplatte Anfangs ausserhalb des Schildes, jedoch unmittelbar am Hinterrande desselben. Auf Querschnitten durch dieselbe trifft man demnach rechts und links innerhalb des Ectoderms nur die Platten- zellen der Area intermedia an, höchstens aber nur im vordern Theil der Primitivplatte die letzten Zipfel des Schildrandes, wie z. B. in dem Querschnitt Fig. 46, Taf. 7, welcher dem Embryo Fig. 6, Taf. 1 entnommen ist. Auf späteren Stadien jedoch hat sich die Primitiv- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 129 platte so weit in den Embryonalschild hineingeschoben, dass sie dann in ihrer grössten Ausdehnung rechts und links von den Cylinderzellen des Schildes eingefasst wird. Das geht z. B. sehr deutlich aus den Figuren 60a—c hervor, welche Querschnitte durch die Primitivplatte des in Fig. 38, Taf. 5, abgebildeten Embryos darstellen. Es handelt sich hier nicht mehr um die letzten Zipfel des Schildes, welche rechts und links wie in Fig. 6, Taf. 1, die Primitivplatte ein wenig umfassen, sondern das Ectoderm des Schildes hat auf den erwähnten Schnitten bereits eine recht beträchtliche Ausdehnung erlangt. Ueberdies er- giebt die Combination der Schnitte, dass die vordere Spitze der Ur- mundspalte bereits vor dem Hinterrande des Schildes liegt, die Primitivplatte liegt demnach zu dieser Zeit bereits im Schilde selbst. Weitere Belege für diese Lageveränderung liefern die Totalansichten Fig. 21—23, Taf. 3. Nach dem vollendeten Durchbruch des Urdarms erfährt das weitere Vorwachsen der Primitivplatte eine sehr bedeutende Unter- stützung durch einen eigenthümlichen, bisher nicht beachteten Vor- sang, den man am besten auf Längsschnitten studirt. Auf den Längs- schnitten der Tafel 9 sehen wir, dass der fertige Urdarm nur in den vordern zwei Dritteln seiner untern Wand aus einer einfachen Zellen- lage, im hintern Drittel aber aus einem mehrschichtigen Zellenmaterial besteht, das continuirlich in den an die Oberfläche tretenden Entoderm- pfropf übergeht. Während nun der einschichtige Theil der untern Urdarmwand beim Durchbruch zu Grunde geht, bleibt der hintere mehrschichtige Abschnitt in ganzer Ausdehnung bestehen, so einen schräg nach vorn verlaufenden Canal begrenzend, der eine besondere Phase des Canalis neurentericus darstellt und für den Gecko als Kuprrer’scher Gang bezeichnet wurde. Wenn ich vorhin der Auffassung Raum gab, dass dieser erhalten bleibende, verdickte Theil der ventralen Urdarmwand wahrscheinlich einen mit in die Einstülpung hineingezogenen Theil des Entoderm- pfropfes darstelle, so rechtfertigt sich diese Ansicht durch die folgenden Ereignisse. Kaum ist nämlich der Durchbruch erfolgt uud hat damit die von der Spitze der dorsalen Urdarmwand ausgeübte Zugkraft aufgehört, als auch schon der erhalten bleibende hintere Theil der untern Urdarmwand eine rückläufige Bewegung einschlägt, indem er sich in den oberflächlichen Entodermpfropf zurückzieht, oder besser gesagt, indem er von hinten her beginnt, sich an die Oberfläche zu erheben. Die Fig. 58, Taf. 9, Fig. 65, 69, Taf. 11 zeigen drei auf einander folgende Phasen dieses Vorganges auf Längsschnitten. Die Zool. Jahrb. VI. Abth. £. Morph. I 130 LUDWIG WILL, Fig. 58, Taf. 9, zeigt den betreffenden Theil der Urmundwand, wie er aus dem Durchbruch hervorgegangen ist, und den Kuprrer’schen Gang in seinem ursprünglichen Verlauf. In Fig. 63 sind beide wesent- lich verkürzt, womit in der Regel auch eine steilere Richtung des Kuprrer’schen Ganges verbunden ist, die jedoch an dem betreffenden Längsschnitt zufällig nicht hervortritt, aus der Querschnittserie Fig. 60 aber ersehen werden kann. In der Fig. 64 endlich, welche dem in Fig. 29, Taf. 4, abgebildeten Embryo entnommen ist, hat die beim Durchbruch erhalten gebliebene Partie der untern Urdarmwand bereits in ganzer Ausdehnung eine oberflächliche Lage eingenommen, wodurch die Ausdehnung des Entodermpfropfes einen wesentlichen Zuwachs erfahren hat, der sich in der Längenzunahme des gesammten Primitiv- streifens äussert und, wie wir gleich bei Betrachtung der Oberflächen- bilder erkennen werden, eine weitere Verschiebung des Urmundspaltes oder, wie wir zu diesem Zeitpunkt sagen können, des KuPrFER’schen Ganges nach vorn bewirkt. Der ursprünglich lange und sehr schräge nach vorn verlaufende Kuprrer’sche Gang hat sich in Folge der secundären Einschaltung der restirenden untern Urdarmwand in den Zellenbestand des Entodermpfropfes in einen ganz kurzen Canal um- gewandelt, der nunmehr ziemlich steil von oben nach unten verstreicht, bei den meisten Embryonen sogar in seinem Schlusstadium einen durchaus senkrechten Verlauf besitzt. Ganz dieselben Resultate liefert das Studium der Querschnitt- serien. In der Serie Fig. 61, Taf. 10, welche einem Stadium kurz nach dem Durchbruch (Fig. 21, Taf. 3) entnommen ist, hat der Kuprrer’sche Gang zwar nicht mehr die Länge, welche er in Fig. 58, Taf. 9, zeigte, immerhin aber noch einen sehr schrägen Verlauf, indem er sich erst auf dem 17. Schnitt (Fig. 6le) vor der vordern Urmund- lippe ventralwärts ôffnet. Die Oefinung verhält sich hier insofern etwas ungewöhnlich, als sie jederseits von der untern verdickten Ur- darmwand erfolgt ist, so dass von dieser aus noch ein kurzer medianer Fortsatz auf den drei folgenden Schnitten zu verfolgen ist. Bedeutend verkürzt und steiler ist der Canal jedoch bereits in der Serie Fig. 60a—d geworden, in welcher er nur noch auf drei vor seiner obern Oeffnung gelegenen Schnitten ventral geschlossen ist (Ober- flächenbild Fig. 38). Aehnlich ist das Verhalten des KuPFFEr’schen Ganges in der Serie Fig. 65, in der die Oeffnung des Canals (Kg) auf dem 4. Schnitt vor der vordern Urmundlippe gelegen ist. Eine völlig senkrechte Lage hat endlich der Canal in Fig. 39, Taf. 5 (Ober- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 131 flächenbild Fig. 28, Taf. 3) angenommen, in der man den ganzen Verlauf desselben auf einem einzigen Querschnitt überblickt. Kehren wir nach dieser Betrachtung der Schnittbilder zu den Vorgängen zurück, welche sich an der Oberfläche abspielen. Wenn bisher trotz des Längenwachsthums des Entodermpfropfes die Längen- zunahme der Primitivplatte äusserlich in verhältnissmässig geringem Grade in die Erscheinung trat, so lag das eben daran, dass bisher der vordere Abschnitt des Entodermpfropfes mit in die Einstülpung hineingezogen war. Die Längenzunahme konnte daher nur zum Theil ihre Wirkung auf die Lageverschiebung der Urmundspalte nach vorn ausüben. Je grösser nun aber die Theile des Entodermpfropfes sind, die wieder an die Oberfläche gestiegen sind, um so mehr nimmt erstlich die Länge des gesammten Primitivstreifens äusserlich zu, um so mehr kann aber ferner der Entodermpfropf bei seinem weitern Wachsthum auf die Lage des Urmundspaltes einwirken. Schon während der ersten Stadien des Zurückweichens des ver- dickten Theils der untern Urdarmwand wird durch die damit in Be- ziehung stehende Verlängerung des oberflächlichen Entodermpfropfes die in den Figuren 15, 16, 17, 20, 22, 23 als querer Spalt erscheinende ‘ Invaginationsöffnung besonders in ihrem mittlern Theil nach vorn verschoben, so dass scheinbar in Folge dessen die vordere Urmund- lippe nach hinten hufeisenförmig gebogen wird), wie das z. B. aus Fig. 21, Taf. 3, und Fig. 38, Taf. 5, hervorgeht. Mit der völligen Erhebung des hintern Theils der ventralen Urdarmwand und der Um- wandlung des Kuprrer’schen Ganges in einen senkrechten Canal sowie der daraus resultirenden weitern Längenzunahme des Entoderm- pfropfes erfolgt eine fernere Verschiebung des mittlern Theils der Urmundspalte nach vorn und damit Hand in Hand eine weitere Ge- staltveränderung der vordern Urmundlippe, die nunmehr eine scharfe Knickung erfährt, wie das aus der Fig. 24, Taf. 3, hervorgeht, in welcher der von den Schenkeln der Blastoporuslippe gebildete Winkel ca. 60° beträgt. 1) Wenn es auch sehr natürlich erscheint, die Formveränderungen des Urmundspaltes und seine Umwandlung in eine median verlaufende Primitivrinne lediglich auf das Längenwachsthum des Entodermpfropfes zurückzuführen, so spielt das letztere hier doch sicher nicht die einzige Rolle; vielmehr kommen hierbei, wie wir gleich sehen werden, noch Wachsthumsvorgänge in Betracht, die in der vordern Urmundlippe selbst ihren Sitz haben. 3. 132 LUDWIG WILL, Auch nachdem sämmtliche Theile des Entodermpfropfes ihre ober- flächliche Lage eingenommen haben, nimmt derselbe und mit ihm der gesammte Primitivstreif noch an Länge zu, jedoch von jetzt ab nur noch in Folge der in ihm sich abspielenden Zellvermehrungen, immer- hin aber doch so bedeutend, dass die Verschiebung der Urmund- öffnung noch fortdauert. Wie ein Keil schiebt sich der Entoderm- pfropf gegen die vordere Urmundlippe vor, so dass die Entfernung derselben vom hintern Rande des Embryos immer grösser, der von ihren Schenkeln gebildete Winkel aber immer spitzer wird. Die Figg. 24, 25, 26, Taf. 3, stellen drei auf einander folgende Phasen dieses Vorganges dar. Man ersieht aus denselben die Längen- zunahme des Primitivstreifens sowie die Lage des Entodermpfropfes zwischen den Schenkeln der geknickten Urmundlippe. In der Fig. 26 hat der Primitivstreif seine grösste Länge erreicht, indem die Ent- fernung des an seinem Vorderende gelegenen Kuprrer’schen Ganges vom Hinterende des Embryos 0,34 mm betrug bei einer Gesammt- länge des Embryos von 1,27 mm. Die Länge des Primitivstreifens macht demnach etwa */, der Gesammtlänge des Embryos aus. Hat der Primitivstreifen die erwähnte Ausdehnung erreicht, so stellt er sein Längenwachsthum ein. Die Veränderungen, welche wir bis zum Schluss dieser Periode nun noch auf der Oberfläche wahr- nehmen, betreffen ausschliesslich die Gestalt der Urmundlippen. Die beiden Schenkel der auf Taf. 3 winklig geknickten vordern Urmund- lippe nähern sich einander immer mehr und mehr, so dass sie ein- ander bald parallel verlaufen (Taf. 4) und dadurch eine Primitivrinne entsteht, deren Ränder von der Urmundlippe selbst, deren Boden von dem Endodermpfropf, resp. dem Primitivstreifen gebildet wird. Während wir nun bei den meisten Wirbelthieren und so auch bei der Eidechse gewohnt sind, den aus der Gastrulation hervorgehen- den Canalis neurentericus von seiner Entstehung an bis zu seinem definitiven Schwunde geöffnet zu finden, zeigt der betreffende Canal beim Gecko merkwürdiger Weise eine intermittirende Existenz, indem er während des X. oder XI. Stadiums zu einem vorläufigen Verschluss kommt, um sich dann nach Verlauf zahlreicher canalloser Zwischen- stadien etwas weiter nach hinten später von neuem zu Öffnen. Wenn nun auch an der Zusammengehörigkeit beider zeitlich und räumlich getrennten Canäle und an ihrem Zusammenfallen mit dem Begriff eines Canalis neurentericus nicht gezweifelt werden kann, so erfordert das Auseinanderhalten beider Durchbrüche in der Beschreibung doch be- sondere Bezeichnungen, und ich nenne daher den aus dem Gastrula- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 133 tionsprocess direct hervorgehenden Canal den Kuprrer’schen Gang oder den ersten Durchbruch des Canalis neurentericus, die spätere Verbindung zwischen Medullarrohr und Darm aber den Canalis neurentericus s. str. oder den zweiten Durchbruch desselben. Der Verschluss des Kuprrer’schen Ganges bahnt sich bereits an, wenn die vordere Urmundlippe sich zur Bildung der Primitiv- rinne anschickt, sich also nach hinten zunächst hufeisenförmig zu krümmen und später zu knicken beginnt. Im Allgemeinen erfährt der Canal, je steiler sein Verlauf wird, eine zunehmende Verengerung, wie aus einem Vergleich der Längsschnitte Fig. 63 und 64, sowie aus den Querschnittserien Fig. 60, 61 einerseits und den Fig. 62, 65 anderseits ersehen werden kann. In der Regel ist der KuPFrEr’sche Gang bereits auf dem VIII., IX. und X. Stadium (wenn er auf letz- term nicht überhaupt schon geschlossen ist wie in Fig. 66) zu einem ausserordentlich feinen Canal geworden, dessen Existenz oft mit Mühe zu constatiren ist und der mehr oder weniger steil, vielfach aber nahezu senkrecht verläuft. Indem die Wandungen des Canals sich noch mehr zusammenziehen, verwachsen dieselben sodann zu einer meist senkrechten Naht, was z. B. in Fig. 66 bereits auf dem X. Stadium, gewöhnlich aber erst während des XI. Stadiums eintritt. Während in Fig. 66 diese Verwachsungsnaht des Kuprrer’schen Gan- ges nur an einem Schnitt (b) vorhanden ist (ich habe auf die Repro- duction gleicher Bilder aus andern Schnittserien verzichtet), kann sie in Fig. 67b, e noch auf 2 Schnitten nachgewiesen werden, obwohl aber auch hier ein Canal nicht mehr existirt. In den nächsten Ent- wicklungsstadien schwindet auch diese letzte Spur der Existenz des Kuprrer’schen Ganges, so dass alsdann nur noch das Verhalten von Ectoderm, Chorda und Primitivrinne ermöglichen, den Ort zu bestim- men, an dem der Canal zum Schwunde gekommen ist. Zum Belege führe ich aus dem XI., XIL, XII. Stadium in den Figg. 67, 68 und 69 je eine Schnittserie der betreffenden Region vor, in denen immer der mit o bezeichnete Schnitt durch den Ort des ehemaligen KUPFFER- schen Ganges geht. h Uebrigens betone ich, dass der Zeitpunkt des Verschlusses be’ den verschiedenen Embryonen etwas variirt, so dass er sich nicht ge- nau festlegen lässt. Beispielsweise traf ich in einem Fall den Canal noch auf dem XI. Stadium in Form eines allerdings sehr feinen Ganges an, während in einem andern Falle sich noch an einem Sta- dium mit beginnender Medullarrinnenbildung eine letzte Spur des- selben sich in Gestalt einer Schlussnaht erkennen lässt. In der 134 LUDWIG WILL, Regel jedoch ist diese letztere bereits auf dem XII. Stadium vollstän- dig verschwunden. Fragen wir nun nach den Ursachen, welche die Verengerung und den schliesslichen Schwund des Kuprrer’schen Ganges bewirken, so sind dieselben unzweifelhaft in den Zellvermehrungen zu suchen, welche sich in den Wandungen des Canals abspielen, obwohl damit noch nicht erklärt ist, weshalb diese Zellvermehrungen nur beim Gecko zu einem solchen Resultat führen. Häufig fand ich, wie z. B. in Fig. 39 und 64, den Kuprrer’schen Gang kurze Zeit vor seinem Verschluss mit zelligen Elementen angefüllt, die theils eingewanderte Dotterzellen (Nachfurchungszellen) sind, theils aber auch mit dem Entodermpfropf in Verbindung zu stehen schienen. Es war jedoch unmöglich festzu- stellen, ob und wie weit solchen Elementen beim Verschluss des Ganges ein wirklicher Antheil zukommt. Das eben geschilderte Verhalten des neurenterischen Canals er- scheint um so auffallender, als aus der Literatur kein anderer ähn- licher Fall bekannt geworden ist. Zwar wissen wir aus den Unter- suchungen BrAaun’s, dass auch bei Vögeln zweierlei verschieden- werthige Durchbrüche im Bereich des Primitivstreifens vorkommen, doch können diese hier durchaus nicht als Beispiel herangezogen wer- den, da sie erst in eine viel spätere Zeit nach erfolgter Anlage einer grössern Anzahl von Urwirbeln fallen. Unter den Reptilien aber erscheint bei Eidechse und Schildkröte die ununterbrochene Fortdauer des Canals so sicher verbürgt, dass ein Grund zu Zweifeln nicht vorliegt. Anders steht es dagegen bei Schlangen. Von den Autoren, welche ihre Untersuchungen auch auf Schlangen ausdehnten, hat nur Kuprrer?) jüngere Stadien zur Ver- fügung gehabt, während die Embryonen-Reihe, welche HorrmMann ?) zur Untersuchung vorlag, erst mit Stadien beginnt, die zwar noch keine Somiten, aber doch schon eine wohlausgebildete, noch an allen Stellen offene Medullarrinne besassen. Nach HorrmAnN nun „weicht in einem Punkte die Entwicklungsgeschichte der Schlangen nicht un- wichtig von der der Saurier ab: während nämlich bei den letztern ein Canalis neurentericus sehr frühzeitig (nämlich wie der Kuprrer’sche Gang beim Gecko im Zusammenhang mit der Gastrulation) sich aus- bildet und mit der Anlage des Mesoblasts eng zusammenhängt, tritt bei den Schlangen — wenigstens bei Tropidonotus — dieser Canal 1) Kurrrer, L c. 2) Horrmany, |. c. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 135 erst auf, wenn schon eine recht grosse Zahl von Somiten vorhanden ist, obgleich eine Stelle, wo Epiblast und Hypoblast in der Axe continuirlich zusammenhängen, schon sehr frühzeitig den Ort bezeich- net, an welchem später der in Rede stehende Canal sich bilden wird, wir können die genannte Stelle also mit vollem Recht als »Blasto- porus« bezeichnen“. Wenn HOFFMANN mit dieser seiner Angabe, dass bei der Schlange der neurenterische Canal nach erfolgter Anlage zahlreicher Somiten überhaupt erst zur Ausbildung komme, Recht hätte, würden die Schlangen sich in der That recht verschieden von andern Reptilien verhalten, abweichender, als es dem Autor überhaupt zum Bewustsein gekommen zu sein scheint. Es hiesse das nichts an- deres, als dass bei der Schlange die Gastrulation nicht in Form einer wenigstens theilweise hohlen Urdarmeinstülpung, wie das ja damals schon von Eidechse und Schildkröte bekannt war, sich vollzieht, son- dern in Gestalt eines soliden Kopffortsatzes der keine nach aussen mündende Höhlung zur Entwicklung bringt. Die Schlangen würden demnach hinsichtlich ihrer Gastrulation schon fast das gleiche Verhalten wie die Vögel zeigen, bei denen ja auch der Kopffortsatz durchaus solid ist und ein Canalis neurentericus erst in sehr später Zeit durchbricht. Aus der bekannten Arbeit Kurrrer’s !) wissen wir nun aber, dass thatsächlich die Gastrulation bei den Schlangen (Coluber aescu- lapit) sich wesentlich ebenso vollzieht, wie das bei der Eidechse der Fall ist. Kuprrer bildet in einem Medianschnitt einen Embryo mit nach vorn gerichteter hohler Urdarmeinstülpung ab, die durch einen Blastoporus nach aussen mündet. Ausserdem giebt er eine Reihe von Oberflächenansichten mit verschieden gestaltener Urmundöffnung, aus denen ebenfalls mit Sicherheit hervorgeht, dass eine Communication zwischen Urdarm und Aussenweltebesteht; der Urdarm hat nur nöthig nach unten durchzubrechen, wie das ja auch bei der Eidechse der Fall ist, damit die Verbindung zu einem Canalis neurentericus wird. Obwohl nun HorrmMann diese Beobachtung KUPFFER’s sehr wohl bekannt war, so konnte er bei der damaligen Sachlage mit dieser scheinbar seiner Beobachtung schnurstracks widersprechenden Angabe begreiflicher Weise sehr wenig anfangen. Er bespricht dieselbe in folgender Weise: „Um so auffallender erscheinen also die Beschreibung und die Abbildungen, welche KuPFFER von einem Embryo von Co- 1) Kuprres, 1. c, 136 LUDWIG WILL, luber aesculapii giebt und bei welchem in einem sehr jungen Ent- wicklungsstadium schon eine sehr deutliche Einstülpungsöffnung auf der Epiblastseite vorhanden ist. Entweder liegt hier eine Verwechs- lung vor, oder die Schlangen zeigen in ihrem Entwicklungsvorgang solche bedeutende Unterschiede, wie sie kaum bei einer andern Gruppe von Wirbelthieren nachzuweisen sind.“ Mir scheint nun die Möglichkeit eines Beobachtungsfehlers sowohl bei KUPFFER wie bei HorrMann vollständig ausgeschlossen zu sein. Die von Ersterm beobachtete Einstülpungsöffnung ist uns durch einen Medianschnitt und sieben verschiedene Oberflächenbilder, sowie durch das gleiche Verhalten aller übrigen Reptilien so hinreichend verbürgt, dass wir sie getrost als Thatsache hinnehmen können, und ebenso ist auch die Constatirung des von Horrmann beobachteten erst spät er- scheinenden Canalis neurentericus mit relativ so geringen Schwierig- keiten verknüpft, dass auch bei ihm ein Uebersehen des Canals in den unmittelbar vorhergehenden Stadien nicht wohl anzunehmen ist. Nach den soeben mitgetheilten Beobachtungen am Gecko scheinen mir aber die beiden scheinbar entgegengesetzten Angaben beider Autoren durch- aus nicht mit einander im Widerspruch zu stehen. Es scheint mir vielmehr aus denselben hervorzugehen, dass der Canalis neurentericus sich bei den Schlangen ebenso verhält, wie ich das für den Gecko gezeigt habe, dass er auch bei ihnen eine intermittirende Existenz führt. Wir haben auch bei der Schlange zwei verschiedene Commu- nicationen zu unterscheiden, von denen der erste Durchbruch, der Kuprrer’sche Gang aus der Gastrulation hervorgeht, sich früh- zeitig schliesst, um später, nach Verlauf verschiedener canalloser Zwischenstadien, von neuem als Canalis neurentericus s. str. durchzubrechen. Gelegentlich des weiter oben geschilderten Auswachsens des Pri- mitivstreifens nach vorn ergaben sich so auffallende Beziehungen zwischen diesem Vorgange und der Knickung der vordern Urmund- lippe sowie der Umbildung derselben zur Primitivrinne, dass es in der That den Anschein erweckt, als ob der erstere Process die me- chanische Ursache des letztern sei. Wenn nun auch das Längen- wachsthum des Primitivstreifens bis zu einem gewissen Grade bei der Primitivrinnenbildung mitwirken mag, so glaube ich ihm doch höchstens eine begleitende, mehr unterstützende Rolle zuschreiben zu sollen. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 137 Schon a priori hat das Zustandekommen und der spätere Schluss der Primitivrinne als Folge rein äusserer Ursachen sehr wenig für sich. Da die Primitivrinne die Bedeutung einer Urmundnaht hat und diese ihre Bedeutung in dieser Abhandlung in einer Reihe lückenloser Stadien zweifellos nachgewiesen werden konnte, so haben wir in ihr eine sehr alte, von den ältesten Bilateralienformen ererbte Bildung zu sehen. Bei allen Bilateralien aber, bei denen das Zustandekommen dieser Urmundnaht verfolgt werden konnte, sind es ausschliesslich innere Ursachen, welche in den Blastoporuslippen selbst ihren Sitz haben, welche zur Nahtbildung führen. So ist es auch bei den Anamniern, bei denen äussere mechanische Ursachen, welche nebenbei eine Rolle spielen könnten, überhaupt noch nicht constatirt sind. Da nun die Amnioten die Primitivrinne von den Anamniern ererbt haben, so ist es von vorn herein klar, dass sie auch in Bezug auf die innern Ur- sachen dasselbe Erbe angetreten haben müssen, denn ohne diese Voraussetzung wäre es überhaupt ein Unding, von Vererbung sprechen zu wollen. In der That ist es auch nicht schwer, den Beweis zu führen, dass es die Urmundlippen selbst sind, von denen der Anstoss zur Rinnen- - bildung ausgeht. Sobald nämlich die spaltförmige, quere Urmund- öffnung sich nach hinten hufeisenförmig zu biegen und später zu knicken beginnt, nimmt man wahr, wie die von den Urmundlippen umfasste Primitivplatte förmlich zusammengepresst wird, wie das aus den Figuren 60a, b und 61a hervorgeht, welche ich aus ver- schiedenen, ganz ähnlichen Serien hier zur Veröffentlichung ausge- wählt habe. Wie ein Pfropf schaut der betreffende Theil der Primitiv- platte aus dem vordern Theil der sich bildenden Primitivrinne hervor, um erst weiter nach hinten, wo die Schenkel der Urmundlippen noch weiter von einander entfernt sind, allmählich zu verflachen. Ohne die Annahme einer besondern Kraft, welche in den Urmundlippen selbst ihren Sitz hat, ist ein derartiges Bild gar nicht zu erklären. Diese Kraft aber dauert fort, bis die Lippen der Rinne sich einander von jeder Seite her völlig genähert haben und damit die entodermale Primitivplatte vom Ectoderm überwachsen ist. Sie bewirkt zunächst im vordern Theil der Primitivrinne, dass das entgegenstehende Zellen- material des Primitivstreifens schliesslich doch bewältigt, d. h. nach unten gepresst und überwachsen wird, wie das z. B. aus den Figuren 62 h, i, k, 65 d, 66 a, 67 d hervorgeht, welche sämmtlich Quer- schnitte durch den vordern Theil der Primitivrinne darstellen. Von besonderer Wichtigkeit ist es, dem Bau der Urmundlippen, 138 LUDWIG WILL, oder, was für die spätern Stadien dasselbe ist, den Rändern der Pri- mitivrinne eine eingehendere Beachtung zu schenken. Schon weiter oben habe ich zu zeigen versucht, dass es nicht richtig ist, nur die Invaginationsöffnung selbst als Urmund aufzufassen, sondern dass der letztere von der gesammten Primitivplatte, resp. dem Primitivstreif gebildet wird, soweit dieselbe vom Ectoderm unbedeckt ist. Dem- gemäss werden auch die Urmundlippen von dem freien Rande gebildet, mit dem das Ectoderm des Schildes wie auch der Area intermedia an das entodermale Zellenmaterial des Primitivstreifeus grenzt. Diese Urmundlippen weisen nun von den höhern Amnioten recht abweichende Verhältnisse auf. Während bei diesen von allen Autoren ein besonderes Gewicht darauf gelegt wird, dass in der Primitivplatte alle drei oder wenigstens die beiden obern Keimblätter continuirlich in einander übergehen und dieser Charakter wesentlich zur Definition des Primitivstreifens selbst benutzt wird, zeigen die niedern Amnioten, nämlich der Gecko und die Schildkröte, von welcher letztern mir aller- dings nur wenige Stadien zur Verfügung standen, von Hause aus keinerlei Continuität zwischen dem Ectoderm und dem Zellenmaterial der Primitivplatte, vielmehr wird dieselbe hier erst nachträglich und beim Gecko sogar erst ziemlich spät erreicht. Schon weiter oben wies ich an der Hand einer ganzen Reihe von Me- dianschnitten durch junge Embryonen der verschiedensten Entwicklungs- stadien (Fig. 26, 37,41, 42, 44, 45,48, 57,58) darauf hin, dass stets die hintere Urmundlippe, welche von dem niedrigen Plattenectoderm der Area intermedia gebildet wird, nur aus dieser einzigen Zellenlage besteht, welche gegen die Primitivplatte frei endet, ohne irgend welchen Zu- sammenhang mit derselben zu zeigen, so dass das Ectoderm der Zwischenzone sich einfach auf die Primitivplatte hinaufschiebt. Das- selbe war auch von den seitlichen Urmundlippen auf Querschnitten durch die Primitivplatte (Fig. 43, 46) nachzuweisen, wenn auch auf so jungen Stadien nicht in allen Fallen mit gleicher Sicherheit wie auf den ältern Stadien, weil bei erstern vielfach der starke Dottergehalt der Beobachtung hinderlich war. Nur in wenigen sehr jungen Stadien war der gleiche Nachweis von der vordern Urmundlippe zu liefern (Fig. 40, 42, 44), was aber seine natürliche Erklärung gleich finden wird. Uebrigens habe ich, wie erwähnt, auch in meiner vorläufigen Notiz über die Schildkrétengastrula?) einen Embryo mit Sichel und Sichel- 1) L. Witt, Zur Kenntniss der Schildkrötengastrula, in: Biol. Centralbl., 1892, fig. 1, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 139 rinne abgebildet, der dieses Verhalten der vordern Urmundlippe sehr schön zur Anschauung bringt. Diese Thatsachen gewinnen erst Bedeutung, wenn man sie mit ähnlichen Befunden an ältern Embryonen vergleicht, die sich im Stadium der Primitivrinnenbildung befinden und die Verhältnisse der Urmundlippen viel klarer erkennen lassen, weil das störende Moment des starken Dottergehalts schon grösstentheils in Wegfall gekommen ist. Wir gehen hierbei am besten von einer für diesen Zweck etwas vollständiger reproducirten Querschnittserie durch den Primitivstreifen eines Embryos aus, der in Bezug auf Alter und Aussehen der Fig. 27, Taf. 3, glich, nur dass die Primitivrinne hinten ausnahmsweise flach war und nur in ibrem vordern Drittel wirklich eine deutliche und tiefe Rinne darstellte. Doch thut dieses Verhalten hier nichts zur Sache. Der erste Schnitt (Fig. 62a) liegt 0,50 mm hinter der vordern Urmundlippe und ist durch den hintern Rand des Primitivstreifens geführt, so dass also die hintere ectodermale Urmundlippe getroffen ist und man den mesodermalen Fortsatz des Primitivstreifens (mpr) dorsal von der Ectodermlippe (z), ventral vom Dotterblatt (e‘*) be- srenzt sieht. Schon auf dem nächsten Schnitt nach vorn (Fig. 62b) ‘ weicht das Ectoderm in der Mitte aus einander, so dass der entodermale Primitivstreif auf eine kurze Strecke frei zu Tage tritt. Rechts und links von dieser Stelle tritt bei dem Punkte y das Ectoderm wieder auf, welches die seitlichen Lippen des Primitivstreifens bildet und, wie man sieht, vollständig frei ausläuft, ohne den geringsten Uebergang zu dem Zellenmaterial des Primitivstreifens zu zeigen. Es entspricht dieses Verhalten also vollkommen den Befunden an den früher be- schriebenen Stadien. Auf dem 28. Schnitt (Fig. 62c) ist das Ver- halten noch genau das gleiche, und so bleibt es auch bis zum 20. Schnitt, nur dass die seitlichen Urmundlippen mehr und mehr aus einander weichen und entsprechend grössere Partien des Primitiv- streifens zu Tage treten. Auf dem 20. Schnitt tritt uns zum ersten Mal eine Sonderung des Zellenmaterials des Primitivstreifens (bei ww) in einen mittlern und zwei seitliche Abschnitte entgegen, mit der wir uns weiter unten noch eingehender zu beschäftigen haben werden und die hier daher vorläufig unberücksichtigt bleiben mag. Die seit- lichen Urmundlippen y zeigen dagegen noch genau dieselbe scharfe Grenze zwischen Ectoderm und den Zellen des Primitivstreifens selbst. Das Bild bleibt im Ganzen dasselbe bis zum 8. Schnitt, weshalb ich mich mit der Abbildung des 17. und 12. Schnitts (62e, f) begnügt habe. Schon etwas vor dem 8. Schnitt beginnen sich die beiderseitigen 140 LUDWIG WILL, Urmundlippen wieder zu nähern; auf dem 8. Schnitt (Fig. 62 g) fängt dagegen die Grenze zwischen dem Ectoderm der Urmundlippe und dem Entoderm des Primitivstreifens an undeutlicher zu werden, rechts ist sie zwar noch soeben zu erkennen, links dagegen schon verwischt. Weiter nach vorn nimmt nun dieser Schwund der frühern Abgrenzung, gleich- zeitig aber auch die Verschmälerung der Primitivrinne mehr und mehr zu. In Fig. 62h ist die Verbindung der ectodermalen Urmundlippe mit der Aussenzone (Randfeld) des Primitivstreifens so vollständig eingetreten, dass eine Grenze nicht mehr nachzuweisen ist, vielmehr das Ectoderm direct in die Aussenzone des Primitivstreifens umbiegt. Dieses Verhalten ergiebt sich auch noch aus dem nächsten Schnitt, bis schliesslich in Fig. 62k, einem Schnitt, der genau durch die vordere Urmundlippe geht, das Ectoderm von jeder Seite her über der obern Ausmündung des Kuprrer’schen Ganges zusammenstösst. Auf dem 1. Schnitt vor der vordern Urmundlippe ist dann bereits das Ectoderm von jeder Seite her völlig mit einander verwachsen (Fig. 62 1). Genau dasselbe Ergebniss zeigen alle übrigen Schnittserien durch ältere und jüngere Stadien, von denen nur ein Theil zur Abbildung ausgewählt werden konnte. So tritt die Grenze zwischen den ectodermalen Urmundlippen und den Zellen des Primitivstreifens ausserordentlich scharf in Fig. 61a, einem Embryo des VI. Stadiums, hervor, um erst weiter nach vorn an Deutlichkeit abzunehmen. | Nicht ganz so scharf, aber immer noch deutlich ist diese Grenze in Fig. 60 a, dem 5. Schnitt hinter der vordern Urdarmlippe eines gleichaltrigen Embryos, während sie in Fig. 60 b nur noch rechts er- halten, links dagegen im Schwunde begriffen ist. In Fig. 60 c endlich hat sich bereits ein völliger Uebergang zwischen der Urmundlippe und den Zellen des Primitivstreifens angebahnt. Die Serie Fig. 65 a—h zeigt fast genau die Verhältnisse der an der Hand der Figuren 62 a—] beschriebenen Serie, so dass ich auf dieselbe nicht genauer einzugehen brauche. Bis zum 8. Schnitt ist hier die Ectodermgrenze scharf erkennbar, weiter nach vorn bahnt sich der Uebergang zwischen Ectoderm: und dem Primitivstreifen an, und in Fig. 65d, e hat sich dieser Uebergang so vollständig vollzogen, dass von einer Grenze nichts mehr nachweisbar ist. Die folgenden Serien Fig. 66, 67, 68 und 69 dienen nur zur Illustration des Schwundes des Kuprrer’schen Ganges und repro- duciren nur die nächsten Schnitte vor und hinter der Ausmündungsstelle Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 141 dieses Canals, sie sind daber nicht im Stande, die einzelnen Phasen des geschilderten Vorganges zur Anschauung zu bringen, doch betone ich, dass auch sie sich vollständig an das eben geschilderte Verhalten anschliessen. Die Schnitte dicht hinter der vordern Urmundlippe (Fig. 66 a, 67 c, d, 69 a) zeigen nur, dass sich die Verbindung zwischen beiden Keimblättern bereits vollzogen hat; Spuren der scharfen Ento- dermgrenzen erkennt man dagegen noch in Fig. 68a. Vergleichen wir die eben geschilderten Verhältnisse mit den früher beschriebenen Befunden an den jüngsten Embryonen , so geht aus denselben hervor, dass das Ectoderm der Urmundlippen von Anfang an scharf von der Primitivplatte abge- grenzt ist und keinerlei Uebergang zwischen bei- den besteht, wie solcher für die höhern Amnioten beschrieben wurde, dass eine Verschmelzung von Ectoderm und Entoderm sich dagegen secundär und zwar erst zu verhältnissmässig später Zeit anbahnt. Diese Verquickung beider Keimschichten tritt zuerst in der Mitte der vordern Urmund- lippe ein, weshalb man an Medianschnitten das Ectoderm nur noch in den jüngsten Stadien (Fig. 40, 42, 44) von den Zellen der Primitiv- platte getrennt findet. Von diesem Punkte aus schreitet die Ver- schmelzung allmählich weiter nach hinten vor, so dass man in Folge dessen auf den zuletzt beschriebenen Querschnittserien dieselbe in dem vordern Abschnitt der Primitivrinne bereits eingetreten findet, während in dem ganzen hintern Abschnitt derselben das Ectoderm der seitlichen Urmundlippen noch in ursprünglicher Weise vom Entoderm des Primitivstreifens getrennt ist. Wenn diese bei den niedersten Amnioten sich erst secundär an- bahnende Verbindung des Ectoderms mit dem Entoderm der Primitiv- platte (Mesoderm d. Aut.) bei den höhern von Anfang an besteht, so drückt sich in diesem Verhalten eine Abkürzung der Entwick- lung aus. Bereits in den ersten Capiteln habe ich den Nachweis zu führen versucht, dass die Gastrula keine reine Invaginationsgastrula darstellt, sondern dass sie vielmehr durch einen Vorgang eingeleitet wird, den wir als Epibolie zu bezeichnen haben. Dieser Process äussert sich zunächst darin, dass die Differenzirung des Ectoderms von einer gürtelförmigen Zone gegen die Primitivplatte vorschreitet, um diese dann als Sichel abzugrenzen, weiterhin aber darin, dass auch die Primi- tivplatte im Flächenbilde eine annähernd kreisrunde Form annimmt. Dieselbe Verquickung von Epibolie und Embolie findet sich be- 142 LUDWIG WILL, kanntlich auch bei Anamniern. Bei den Selachiern äussert sich die Epibolie in der Ueberwachsung des ungefurchten Dotters von Seiten der Keimscheibe, bei den Amphibien in der fortschreitenden Diffe- renzirung des Ectoderms gegen den vegetativen Pol hin und in der damit in Beziehung stehenden Umfangabnahme des von den grossen dotterreichen Zellen eingenommenen Blastoporus, der der Primitiv- platte der Amnioten entspricht. Wie bei den erwähnten Anamniern erreicht nunauch beim Gecko die Epibolie keineswegs ihren Abschluss mit dem Beginn der Invagination, sondern wir haben die letzten Schlusstadien derselben in der Bildung und dem schliesslichen Schlusse der Primitivrinne zu sehen. Wenn man das eigenthümliche Verhalten der Urmundlippen während der Primitivrinnenbildung, ihre Zusammensetzung aus nur einer ectodermalen, vom Primitivstreifen scharf abgegrenzten Zellen- schicht, die Knickung der vordern Urmundlippe und die Annäherung und Umbildung ihrer Schenkel zur Primitivrinne, sowie die schliess- liche Ueberwachsung des Primitivstreifens von Seiten des Ectoderms gebührend berücksichtigt, so glaube ich, dass der gezogenen Schluss- folgerung nichts im Wege stehen dürfte. Es bleibt uns nur noch ein letzter Punkt hinsichtlich der Ditie- renzirung im Bereich des Primitivstreifens zu erörtern, der den An- theil betrifft, den die einzelnen Abschnitte desselben an der Invagina- tion nehmen. Wir sahen, dass die einzig berechtigte Oberflächeneintheilung der Pri- mitivplatte resp. des Primitivstreifens auf den Beziehungen beruht, welche die einzelnen Abschnitte einerseits zur dorsalen, andrerseits zur ventralen Urdarmwand besitzen. Diese Gliederung macht sich erst mit dem Beginn der Invagination (Fig. 45, Taf. 6) bemerkbar und wird als- dann am besten an Längsschnitten wahrgenommen, wie das 8. 124 ausgeführt wurde. Denjenigen Theil des Primitvstreifens, der zur dorsalen Urdarmwand wird, bezeichneten wir als das Randfeld, den andern, die ventrale Urdarmwand bildenden als das Mittelfeld, weil er, wie sich gleich ergeben wird, die mittlern Partien des Pri- mitivstreifens umfasst. Diese Regionenbildung hält in ihrem Auf- treten gleichen Schritt mit der Invagination. Wie die Gastrualein- stülpung selbst, so tritt auch sie zunächst nur in dem vordersten Ab- schnitt der Primitivplatte ein. Versuchen wir, uns diese Verhältnisse bei Embryonen mit dellenförmiger Urdarmeinstülpung an schematischen Flächenbildern klar zu machen. Die Primitivplatte würde sich zu Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 143 dieser Zeit, von der Fläche gesehen, als ein Kreis oder eine Ellipse (Holzschnitt Fig. 13A) darstellen (von der Sichelgestalt kann ich ja hier absehen, da sie meist schon vor dem Auftreten der Invagination geschwunden ist, dieselbe aber auch sonst nichts an dieser Darstel- lung ändern könnte), an der die Grenze zwischen Randfeld und Mit- telfeld genau durch die Mitte der Urmunddelle gehen würde und im Schema durch die quere Linie w angegeben sein soll. A B Fig. 13 A, B. Schematische Darstellung der Primi- : : mA tivplatte mit der auftretenden Urmundspalte w, durch w welche die Primitivplatte in ein Randfeld rf und ein Mittel- md feld mf getheilt wird. Im weitern Verlauf der Invagination wird die Delle zu einer tiefen Urdarmeinstülpung, die sich weithin unter den Embryonal- schild erstreckt, gleichzeitig aber bewerkstelligt die hintere Region der Primitivplatte ihr Längenwachsthum, mit dem Hand in Hand die Ur- mundéfinung eine nach hinten gebogene Hufeisenform annimmt. Die Grenze zwischen Randfeld und Mittelfeld wird nunmehr äusserlich von der nach hinten gebogenen Urmundspalte gebildet und ist ent- sprechend in das Schema 13B der etwas länger gewordenen Primitiv- platte eingezeichnet; die Stärke der Linie möge ungefähr die Breite des Spalts andeuten. In diesem Schema ist aus einem bald ersichtlich werdenden Grunde von dem Umstande abgesehen worden, dass durch das Nachvornwachsen der Urdarmeinstülpung der grösste Theil des Randfeldes, soweit dasselbe schon zur Sonderung gekommen, bereits aus dem Primitivstreifen ausgeschaltet ist, doch wird dieser Fehler gleich richtiggestellt werden. Bei dem folgenden Studium der Querschnittserien durch ältere Embryonen vom ersten Schritt zur Primitivrinnenbildung an bis zur vollendeten Primitivrinne wird sich nun bei sorgfältiger Durchmusterung der Schnitte zweierlei ergeben: erstens, dass auch diejenigen Theile der Primitivplatte, welche wir bisher an allen untersuchten Längsschnitten (ef. die Figuren der Tafeln 9, 11) noch als Entodermpfropf an die Ober- fläche treten sahen, noch nachträglich, wenn auch in rudimentärer Form, sich an der Invagination betheiligen, indem sie, von vorn nach hinten fortschreitend, vom Ectoderm der Urmundlippen überwachsen wachsen werden, und zweitens, dass die Differenzirung von Rand- feld und Mittelfeld, welche wir im Beginn der Invagination nur im vordern Theil der Primitvplatte (Holzsch. Fig. 13A, B) bemerkten, 144 LUDWIG WILL, mit zunehmender Invagination nunmehr nach hinten fortschreitend, auch auf die Seitentheile der Primitivplatte übergreift. Ich habe versucht, auch diesen letztern Process an schematischen Flächenbildern zu erläutern. H \ / B Fig. 14 A, B. Schematische Darstellung (im An- / i schluss an Fig. 13) der fortschreitenden Entwicklung der /; \ Urmundspalte und der Regionenbildung. w Urmundspalt, ù 2 Wank rf Randfeld, mf Mittelfeld. Die verdickt gezeichnete Stelle | m4 rt des Urmundspalts deutet den Eingang in.den Urdarm an. Die Primitivplatte ist zu einem langen Primitivstreif geworden, und die im Holzschnitt 13B ganz kurze Grenzlinie w hat sich nun- mehr jederseits nach hinten ausgedehnt. Soweit sie verdickt gezeich- net ist, wird sie durch den Eingang in den Urdarm repräsentirt, während sie weiter hinten zu einem einfachen Spalt wird, der eines Lumens entbehrt. Die Ausdehnung dieses Spalts nach hinten aber bedingt unmittelbar den Fortschritt der Gliederung des Primitivstrei- fens in das Randfeld und das Mittelfeld in derselben Richtung. Ersteres (rf) liegt in dem Schema ausserhalb, letzteres (mf) innerhalb der mit w bezeichneten Bogenlinie. Obwohl ich diese Grenzspalte un- mittelbar vor der hintern Urmundlippe noch nicht habe constatiren können, da hierzu die Untersuchung weit älterer Stadien nothwendig wäre, so glaube ich doch annehmen zu dürfen, dass sie später auch hier auftreten wird, indem die beiden Bogenschenkel an dieser Stelle von jeder Seite her zum Zusammenfluss kommen. Dann würde der Kreis, den das Randfeld um das centrale Mittelfeld beschreibt, ein völlig geschlossener sein, wie man das für die Amphibien auf Grund der vorhandenen Abbildungen thatsächlich erweisen kann. In dem Schema 14A ist wiederum von der Thatsache abgesehen, dass zu der Zeit, wo die Grenzspalte sich nach hinten auszudehnen beginnt, der vordere Theil des Randfeldes bereits aus der von den Urmundlippen begrenzten Primitivplatte ausgeschaltet ist, indem er sich zur dorsalen Urdarmwand umgebildet hat. Richtiger ist dieses Verhalten demnach in vorstehendem Holzschnitt 14 B zum Ausdruck gekommen, in dem die Grenzlinien w vorn nicht mehr zusammen- fliessen, sondern in die Seitenränder der Urdarmeinstülpung aus- laufen. Im Schema B ist vorn das Randfeld fortgelassen, um anzuzeigen, dass es hier bereits aus dem Primitivstreifen ausgeschaltet ist. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 145 Prüfen wir jetzt das vorweggenommene Ergebniss an den Quer- schnitten selbst. Am hintersten Abschnitt des Primitivstreifens beginnend, sehen wir in der Serie 62a—1 vom 30. bis zum 19. Schnitt (62 a—c) noch nichts von der Gliederung des Primitivstreifens in die beiden Ab- schnitte, auf dem 20. Schnitt dagegen beobachten wir zum ersten Mal und zwar mit grosser Deutlichkeit innerhalb der Blastoporuslippen y y bei ww mitten im Primitivstreifen zwei scharfe Grenzlinien, welche bogenförmig nach unten und aussen ziehen und sich nach rechts und links hin ins Mesoderm fortsetzen. Hierdurch wird erstlich das prostomiale Mesoderm, welches bisher stets als eine solide unglie- derte Zellenmasse erschien, in ein oberes somatisches und ein unteres splanchnisches Blatt geschieden, zweitens aber die Primitivplatte auch in ihrem hinteren Theil in ein medianes Mittelfeld (y y) und zwei laterale Randfelder abgegrenzt (wy). Während das splanch- nische Blatt des prostomialen Mesoderms sich in die erstere Region fortsetzt, hängt das somatische Blatt mit der letzteren zusammen. Dieses Verhalten nimmt nun weiter nach vorn im Allgemeinen immer mehr an Deutlichkeit zu, wenn auch gelegentlich ein Schnitt mit unterläuft, an dem diese Grenzlinie etwas weniger deutlich hervortritt, wie z. B. in Fig. 62e, an der die Linie nur auf der linken Seite bei mit Deutlichkeit nachgewiesen werden konnte !). Auf allen übri- gen Schnitten trat sie dagegen mit aller wünschenswerthen Schärfe hervor, wie z. B. auf dem abgebildeten 12. und 8. Schnitt hinter der vorderen Urmundlippe. In sehr vielen Fällen, besonders im vordern Theil des Primitivstreifens, ist es nicht das Auftreten der erwähnten Grenze allein, die uns lehrt, dass sich zwei morphologisch verschie- dene Bezirke an der Primitivplatte herausbilden, sondern es kommen häufig hierzu noch verschiedene Nüancirungen in der Färbung, indem in solchen Fällen stets die mittlere Region einen Ton intensiver ge- färbt erscheint (Fig. 62f—1, 65c—e), ein Verhalten, das an sehr vielen Serien zum Ausdruck kam. In der Nähe des Kuprrer’schen Ganges participirt an dieser intensiveren Färbung auch das Darmfaser- blatt, welches dann (Fig. 62 h—1, 65c—e) in einem ähnlichen Contrast zum Hautfaserblatt steht. Aus dem 8. Schnitte (62 g), an dem die Verschmelzung der ecto- dermalen Urmundlippe y mit den Zellen der Primitivplatte sich an- 1) In der Figur tritt diese Grenzlinie w gegenüber dem Original zu schwach hervor, was leider bei der Correctur der Tafeln von mir zu verbessern unterlassen wurde. - Zool. Jahrb, VI. Abth, f, Morph. 10 146 LUDWIG WILL, bahnt und links schon beinahe eingetreten ist, ersieht man, dass diese Verbindung sich zwischen dem Ectoderm und dem Randfeld vollzieht, während das Mittelfeld hiervon völlig unberührt bleibt und nur mit dem splanchnischen Blatt zusammenhängt. In Fig. 62h ist diese Verschmelzung so vollständig eingetreten, dass das Ectoderm jeder- seits sich direct in die Somatopleura umschlägt. Gleichzeitig hat hier der Invaginationsprocess schon so weite Fortschritte gemacht, resp. ist die Ueberwachsung der Primitivplatte von Seiten des Ectoderms schon so weit vollzogen, dass hier von einem Randfeld gar nicht mehr zu reden ist, indem es in Folge der Invagination aus der Primitiv- platte ausgeschaltet und ganz so in die Bildung des somatischen Blattes aufgegangen ist, wie vorher der zuerst angelegte Theil der Randregion (Fig. 45, Taf. 6) in die Bildung der dorsalen Urdarm- wand überging. Die Primitivplatte wird demnach an dieser Stelle nur noch von dem Mittelfelde repräsentirt, das als kleiner Entoderm- pfropf zwischen den Urmundlippen hervorschaut. Doch auch dieser Rest des Primitivstreifens ist bereits im Schwinden begriften, indem die sich nähernden Urmundlippen denselben mehr und mehr in die : Tiefe drängen. Das ist in Fig. 62 i, einen Schnitt hinter der vorderen Urmundlippe, bereits erfolgt; der Primitivstreif ist hier völlig von der Bildfläche verschwunden, indem die ectodermalen Theile der Lippen- ränder auch über dem Entodermpfropf (Mittelfeld) zusammengestossen sind. Der Schluss der Primitivrinne bedeutet das Ende des Primitivstreifens. Wenn später an der Verschluss- stelle ein Zusammenhang der Keimblätter angetroffen wird, so ist derselbe nur die Folge dieser Verwach- sung und ist als Urmundnaht zu bezeichnen, die etwas ganz anderes ist als der Primitivstreif. Urmund- naht und Primitivstreif sind demnach zwei ganz ver- schiedene morphologische Begriffe. Um übrigens nicht missverstanden zu werden, muss ich hinzufügen, dass diese Ver- wachsung der Ränder der Primitivrinne zur Urmundnaht zu dieser Zeit erst im vordersten Abschnitt derselben eintritt, dass der voll- ständige Verschluss dagegen in eine spätere Zeit fällt, welche den Gegenstand einer andern Abhandlung bilden wird. Ganz dieselben Verhältnisse weist die in Fig. 65 abgebildete Serie auf. Auf dem Schnitt 65 c ist die Regionenbildung deutlich einge- treten; während auf diesem Schnitt aber beide Regionen noch an die Oberfläche treten, ist 3 Schnitte weiter nach vorn das Randfeld links bereits mit dem Ectoderm verschmolzen, rechts dagegen ausserdem EE tes. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 147 schon aus dem Primitivstreifen durch Invagination ausgeschieden. In Fig. 65e endlich ist die Einstülpung des Randfeldes bereits auf beiden Seiten erfolgt. Wie dieser letztere Schnitt ist auch die Fig. 66 a schon auf demselben Stadium angelangt; trotzdem die Elemente in Folge von Osmiumconservirung nicht ganz tadellos sind, so sieht man nichtsdesto- weniger ebenso klar, wie das Ectoderm der Urmundlippen beiderseits sich ganz direct in das somatische Blatt umschlägt, in dessen Bildung das Randfeld bereits aufgegangen ist. Diesen Bildern schliesst sich vollständig die Fig. 67 d an, während dagegen in Fig. 68 a die Grenze zwischen Randfeld und Ectoderm noch soeben erkennbar ist. Dass diese Gliederung in die erwähnten Abschnitte sowie die Aus- schaltung des Randfeldes aus dem Primitivstreifen im vorderen Theil des Primitivstreifens schon zu relativ früher Zeit eintritt, beweist die in Fig. 60 abgebildete Serie aus dem VI. Stadium, in der auf den Schnitten b und c diese Ausschaltung bereits erfolgt ist. Da genau dieselben Bilder bei allen Schnittserien wiederkehren, mögen die geschilderten Schnitte zur Illustration hier genügen; ich hoffe jedoch bei der definitiven Bearbeitung der Mesodermbildung noch die eine oder die andere Serie als weitern Belag hinzufügen zu ‚können. Die vorstehenden Beobachtungen über den Primitivstreifen des Geckos lassen sich in folgender Form zusammenfassen. Die Primitivplatte ist der Blastoporus einer epi- bolischen Gastrula. Sie ist Anfangs von sichelförmiger, nach Ueberwachsung der Sichelhörner von rundlicher Gestalt. Später wird an ihr ein nach vorn gerichtetes Längswachsthum bemerkbar, wodurch sie zu dem sogenannten Primitivstreifen wird. Im zweiten Stadium tritt zu der Epibolie eine Em- bolie hinzu, welche beiden Processe dann Hand in Hand den Gastrulationsprocess zu Ende führen. Die Embolie wird eingeleitet durch das Auftreten der Urmund- öffnung resp. Urmundspalte. Dieselbe tritt zuerst im vorderen Ab- schnitt der Primitivplatte auf und hat zunächst die Form einer Sichel- rinne, nach Schwund der Sichelhörner aber einer rundlichen Delle, später einer queren Urmundspalte. Im weiteren Verlauf krümmt sich die Urmundspalte hufeisenförmig nach hinten, während gleichzeitig ihre beiden Schenkel sich immer weiter nach hinten über die gesammte Primitivplatte ausdehnen, um wahr- scheinlich am Hinterende schliesslich zu einer geschlossenen Ellipse zusammenzustossen. 10* 148 LUDWIG WILL, Durch die geschilderte Ausdehnung der Urmund- spalte wird das gesammteZellenmaterial der Primitiv- platte in zwei Abschnitte geschieden, in ein äusseres Randfeld und ein inneres vom Urmundspalt umgrenztes Mittelfeld. An der Invagination ist die gesammte Primitiv- platte betheiligt; während sie jedoch vorn in vollkommener Form sich vollzieht, wird sie nach hinten mehr und mehr rudimentär. Vorn weicht die Urmundspalte zu einer relativ weiten Oeffnung auseinander, die in das Lumen des mächtig entwickelten Urdarms führt, hinten dagegen verharrt sie auf dem Stadium einer feinen Spalte, die in den Cölomspalt führt, der das prostomiale Mesoderm in ein somatisches und ein splanchnisches Blatt scheidet. Vorn wird das Randfeld zur dorsalen, das Mittelfeld zur ventralen Urdarmwand; hinten das erstere zur Somatopleura, letzteres zur Splanchnopleura. Bei der Invagination der Primitivplatte geht ferner das Randfeld stets dem Mittelfelde voran. Der Name Entodermpfropf bezieht sich nur auf die letztere Region des Primitivstreifens und zwar auf diejenigen Theile derselben, welche noch ihre oberflächliche Lage bewahrt, an der Invagination also noch nicht Theil genommen haben und daher gewissermaassen einen Theil des Blastoporus verstopfen. Während die Urmundlippen der epibolischen Ga- strula von dem freien Rande des die Primitivplatte begrenzenden Ectoderms gebildet werden, tritt mit dem Fortschritt der Embolie eine nach hinten fortschrei- tende Verschmelzung des Ectoderms mit dem Rand- felde des Primitivstreifens ein. Der Schluss der Embolie sowohl wie der Epibolie fällt mit dem Schluss der Primitivrinne und der Bil- dung einer Urmundnaht zusammen, welch letztere an den geschilderten Embryonen jedoch erst im vordersten Abschnitt des Primitivstreifens zu beobachten war. Primitivstreif und Urmundnaht sind zwei ganz ver- schiedene morphologische Begriffe Die Bildung der Urmundnaht bedeutet den Schwund, d. h. die Ueber- wachsung des Primitivstreifens. Während der Primi- tivstreif eine rein entodermale Bildung ist, wird die Urmundnaht von dem Ectoderm plus dem mit demselben verschmolzenen Randfeld gebildet. Die Gastrulation beim Gecko vollzieht sich von Ber, Beiträge zur Entwicklungsyeschichte der Reptilien. 149 Anfang bis zu Ende unter einer innigen Verquickung von Epibolie und Embolie. Im Hinblick auf die schon früher richtig erkannte Bedeutung der Primitivrinne bei den höheren Amnioten als das Rudiment einer Gastrulainvagination sehe ich es nichtsdestoweniger als wesentlich an, dass für den Gecko der positive Beweis für eine solche Auffassung seliefert werden konnte. Rostock, Mai 1892. Tafelerklärung. Durchgehende Bezeichnungen. ai Area intermedia co Cölomspalt d ungefurchter Dotter dz Dotterzellen e Entoderm e, primäres Entoderm, Urdarmblatt e,, Secundäres Entoderm, Dotterblatt ec Ectoderm epf Entodermpfropf kf der sich später zum Urdarm aushöhlende Kopffortsatz kg Kurrrer’scher Gang m Mesoderm mgr gastrales Mesoderm mpr prostomiales Mesoderm mp Mittelplatte der dorsalen Urdarmwand, Chordaanlage pp Primitivplatte r Reste der untern Urdarmwand s Embryonalschild so somatisches Blatt des Mesoderms sp splanchnisches Blatt desselben ud dorsale oA ort Urdarmwand usp Spitze des Urdarms w Grenze zwischen Mittel- und Randfeld des Primitivstreifens æ Grenze zwischen der an der Urdarmeinstülpung theilnehmenden Urdarm- platte und dem seine oberflächliche Lage bewahrenden Entodermpfropf y vordere, resp. seitliche Urdarmlippe 2 hintere Urdarmlippe zp Zwischenplatte der dorsalen Urdarmwand. 150 LUDWIG WILL, Bei allen Längsschnitten ist auf das Vorderende durch einen Pfeil hingewiesen. Bei allen Querschnittserien ist die Reihenfolge der Schnitte durch eine beigefügte Zahl bezeichnet. Alle mit + bezeichneten liegen vor, alle mit — versehenen hinter der vorderen Urmundlippe Da die Schnittdicke 1/,,, mm beträgt, lassen sich aus den erwähnten Bezeich- nungen die wirklichen Entfernungen ohne weiteres ersehen. ae L:1. Fig. 1. Embryo No. 158 (Stad. I) Junge Keimscheibe im Zu- sammenhang mit dem Dotter. Ungefähr in der Mitte der Keimscheibe ist ein heller kreisrunder Fleck bemerkbar, der nach vorn undeutlich, nach hinten durch eine scharfe Bogenlinie von halbmondförmiger Ge- stalt begrenzt ist und die erste äusserlich sichtbare Anlage des Schildes darstellt. Die hintere scharfe Grenze wird, wie sich auf Längsschnitten (ef. Fig. 40, Taf. 6) herausstellt, durch eine seichte, rinnenförmige Ver- tiefung hervorgerufen, welche die hier ausnahmsweise früh aufgetretene Sichelrinne darstellt. Die Sichel selbst tritt äusserlich noch nicht her- vor und ist daher nur auf Schnitten nachzuweisen. Die Länge der Sichel beträgt 0,18, die Breite 0,5 mm. Vergrösserung ca. 6-fach. Länge der Keimscheibe 6,5 mm, Breite derselben 5,5 mm, Breite des Schildes 1,328 mm. Text S. 13, Längsschnitt Fig. 40, Taf. 6. Fig. 2. Embryo No. 122 (Stad. I. Embryonalschild von ellip- tischer Gestalt bei stärkerer Vergrösserung. Die Primitivplatte, die äusserlich noch nicht hervortrat, hatte noch sichelförmige Gestalt. Die Länge der Sichel beträgt 0,21, die Breite 0,44 mm. Vergrösserung Zeiss aa, Oc. 1. Text S. 14, 18. Längsschnitt Taf. 5, Fig. 37. Fig. 3. Embryo No. 112 (Stad. I). Der Embryonalschild hat eine ovale bis birnförmige Gestalt angenommen, die bereits schärfer um- schrieben erscheint und sich auch deutlich über das Niveau der übrigen Keimscheibe erhebt. Das hintere zugespitzte Ende des Schildes wird von der knopfförmig verdickten Primitivplatte eingenommen, welche nunmehr ihre ursprünglich sichelförmige Gestalt eingebüsst hat und nahe- zu kreisförmig umschrieben ist. Länge der Primitivplatte 0,323, Breite 0,35 mm. Vergrösserung dieselbe Länge des Schildes incl. der Pri- mitivplatte 2,06 mm. Text 8. 14. Längsschnitte glichen denen von Fig. 41, Taf. 6, nur dass auch bei ihnen die Grenze zwischen Schild und Primitivplatte ebenso scharf hervortrat wie in Fig. 40. Fig. 4 Embryo No. 105 (Stad. IT). Hinterende eines Embryonal- schildes mit Primitivplatte und beginnender Gastrulaeinstülpung. Die Primitivplatte zeigt zwar äusserlich die Form einer rundlichen Erhebung, ist aber in Wirklichkeit noch als sichelförmig zu bezeichnen, da, wie aus der Combination der Schnitte hervorgeht, ihre Breite 0,32 mm, ihre Länge dagegen nur 0,144 mm beträgt. Nichtsdestoweniger erscheint die beginnende Invagination nicht in Form einer Sichelrinne, sondern als rundliche Delle mit einem Durchmesser von 0,108 mm. Länge des Schildes 1,72 mm, Breite desselben 1,18 mm. Vergrösserung die gleiche. Text S. 30, Längsschnitt Fig. 42, Taf. 6. LITE ur N mé u A ie Ai au Wir cots a 6 Dies ei te ÉTÉ Sn Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 151 Fig. 5. Embryo No. 106 (Stad. II). Unterscheidet sich von dem vorigen Embryo nur dadurch, dass die Delle etwas tiefer geworden ist, die Primitivplatte dagegen sich bereits der rundlichen Form nähert. Länge der Primitivplatte 0,29 mm, Breite 0,37 mm. Vergrösserung die gleiche. Länge des Schildes 1,78 mm, Durchmesser der Delle 0,15 mm. Text S. 32. Die Schnittbilder glichen denen des vorigen Embryos. Fig. 6. Embryo No. 7 (Stad. II. Hinterende eines gleichaltrigen Embryonalschildes mit Primitivplatte und beginnender Gastrulaeinstül- pung. Die Ränder der Delle zeigten eine ungewöhnliche Form, indem sie durch eine leichte Einziehung jederseits in eine vordere und eine hintere Lippe abgegrenzt erschienen. Vergrösserung ebenso. Länge des Schildes 2,08 mm, Breite desselben 1,44 mm. Breite der Delle 0,179 mm. Text S. 32, Querschnitt Fig. 46, Taf. 7. Fig. 7. Embryo No. 109 (Stad. II). Gleichaltriger Embryo mit ebenfalls abweichender Form der Einstülpungsöffnung. Dieselbe hat eine eigenthümlich dreieckige Gestalt, deren Lippen die gleiche Glie- derung in eine vordere und eine hintere Lippe aufweisen. Querschnitte bestätigten das Oberflächenbild, zeigten aber im Uebrigen das gleiche Bild wie Schnitte durch den vorigen Embryo. Vergrösserung ebenso. Länge des Schildes 1,79 mm, Breite der Einstülpungsöffnung 0,395 mm, Länge derselben 0,29 mm. Text S. 33. Fig. 8. Embryo No. 148 (Stad. II). Gleichaltriger Embryo, dessen _Primitivplatte aber noch auf diesem Stadium ausnahmsweise ihre Sichel- form sehr schön ausgeprägt bewahrt hat. Ebenso erscheint die In- vaginationsöffnung noch als Sichelrinne. Länge des Schildes 1,97 mm, Breite der Sichel 0,68, Länge derselben 0,28 mm. Breite der Sichel- rinne 0,58 mm. Vergrösserung ebenso. Sagittalschnitt in Fig. 45, Lafn6: Text. 8.36. Fig. 9. Embryo No. 156 (Stad. II) von demselben Alter und Aus- sehen. Länge des Schildes 1,795, Breite der Sichel 0,5, Länge der- selben 0,22, Breite der Sichelrinne 0,47 mm. Vergrösserung ebenso. Schnittbilder glichen denen der Fig. 44. Fig. 10. Embryo No. 117 (Stad. III). Der Urdarm hat die Rich- tung nach vorn eingeschlagen, wodurch die vordere Lippe der rund- lichen Urmundöffnung stark gewulstet erscheint. Länge des Schildes 1,795, Breite der Invaginationsöffnung 0,179 mm. Vergrösserung die gleiche. Längsschnitte ähnlich Fig. 48, Taf. 7. Fig. 11. Embryo No. 111 (Stad. III) vom gleichen Alter. Der nach vorn wachsende, in seinem vordern Theil noch solide Urdarm hat auf der Oberfläche des Schildes eine axiale Erhebung !) hervorgerufen. Länge des Schildes 2,08 mm. Vergrösserung ebenso. Längsschnitt Fig. 49, Taf. 7. Text 8. 44 u: ft. Fig. 12. Embryo No. 11 (Stad. III) vom gleichen Alter, dessen Urdarm jedoch bis in die Spitze hohl ist. Länge des Schildes 1,795, 1) Die Ränder derselben sind vom Lithographen etwas zu stark hervorgehoben. 152 LUDWIG WILL, Breite desselben 1,149 mm. Längsschnitte Fig. 50 a, b, Taf. 8. Text S. 50. Fig. 13. Embryo No. 101 (Stad. IV) mit weiter entwickeltem Ur- darm, der etwa die Hälfte seiner definitiven Länge erreicht hat. Seine Länge beträgt 0,47, seine grösste Breite 0,24 mm. Länge des Schildes 1,79, Breite desselben 1,44 mm. Die Urmundöffnung nähert sich in der Form bereits einer queren Spalte von 0,28 mm Breite. Auch hier erweist sich die hintere axiale Partie des Schildes durch den vor- wachsenden Urdarm etwas gehoben. Querschnitte in Fig. 52 a—c, Taf. 8, reconstruirter Sagittalschnitt in Fig. 53 derselben Tafel. Vergrösserung die gleiche. Text 8. 59. Tafel.2. Fig. 14. Embryo No. 42 (Stad. IV) Oberflächenansicht eines Em- bryos mit vollständig ausgebildetem Urdarm von 1,08 mm Länge. Länge des Schildes ca. 1,8 mm Sagittalschnitte Fig. 55, 56, Taf. 9, Text 8. 61. Fig. 15. Embryo No. 149 (Stad. V) wenig älter als der vorige, dessen Urdarm bereits angefangen hat, nach unten durchzubrechen. Die axiale Erhebung des Schildes ist auch hier wieder durch die mittlern Theile des Urdarms veranlasst. Die Invaginationsöffnung erscheint als querer Spalt von ungefähr 0,25 mm Breite. Das Oberflächenbild dürfte auch für das vorige IV. Stadium als das typische anzusehen sein, wie auch aus Fig. 13 hervorgeht, während dasselbe in Fig. 14 nicht scharf ausgeprägt ist. Länge des Schildes 1,65 mm. Sagittalschnitt Fig. 58, Taf. 9, Text S. 64 ff. Vergrösserung die gleiche. Fig. 16. Embryo No. 155 (Stad. V). Gleichaltriger Embryo mit weniger ausgeprägtem Oberflächenrelief. Urmundöffnung spaltförmig, 0,36 mm breit, vordere Lippe derselben geknickt. Vergrösserung ebenso. Sagittalschnitt Fig. 57, Taf. 9, Text S. 64 ff. Fig. 17a. Embryo No. 48 (Stad. V). Gleichaltriger Embryo in der Ansicht von oben. Schildlänge 1,5, Breite der Urmundöffnung ca. 0,29 mm. Die Oberfläche des Schildes ist in der Mitte nach dem Durch- bruch des Urdarms etwas eingesunken, Jederseits vom Rande der Ur- mundöffnung geht eine nach vorn divergirende Firste aus, welche die Insertionsstelle des gastralen Mesoderms darstellt. Querschnittserie Fig. 59, Taf. 10, Text S. 65, 66. Vergrösserung die gleiche. Fig. 17b. Derselbe Embryo in der Ansicht von unten. Nur der hintere mehrschichtige Theil der untern Urdarmwand ist in toto erhalten geblieben, während der grössere vordere Abschnitt zahlreiche isolirte Durchbruchs- stellen erkennen lässt, durch welche man direct in das Urdarmlumen hineinschaut. Die stehengebliebenen Reste dieses Theils der ventralen Urdarmwand bilden zur Zeit noch ein unregelmässiges Balkenwerk, das im nächsten Stadium ebenfalls dem Schwunde anheimfällt. Vergrösserung die gleiche. Fig. 18. Embryo No. 50 in der Ansicht von unten (Stad. VI). Der Durchbruch der ventralen Urdarmwand ist in dem grossen vordern Abschnitt vollendet, indem auch das in der vorigen Figur noch sicht- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 153 bare Balkenwerk geschwunden ist. Nur der hintere mehrschichtige Theil der erstern ist auch hier erhalten geblieben und begrenzt nischen- artig einen dorsal und ventral ausmündenden Canal, den Kuprrer’schen Gang (Can. neurentericus). Nichtsdestoweniger ist der ehemalige Um- fang der Urdarmeinstülpung noch an einer entsprechenden Einsenkung der ventralen Oberfläche der Embryonalanlage angedeutet. Vor der Spitze dieser Einsenkung findet sich eine quere, in der Figur etwas zu regelmässig gezeichnete leistenförmige Erhebung der dorsalen Urdarm- wand. Sie ist nur eine zufällige Bildung und beruht auf einer Zellen- anhäufung im Gastrulaentoderm an der Stelle, wo ehemals die Ver- schmelzung der Urdarmspitze mit dem secundären Entoderm eintrat. Der betreffende Vorsprung stellt demnach einen letzten Rest der untern Wand der Urdarmspitze dar, der somit ebenfalls geeignet ist, die ausser- ordentliche Ausdehnung des Urdarms nach vorn darzuthun. Länge des Schildes 1,97, Breite der Urmundöffnung 0,22 mm. Vergrösserung die- selbe. Text S. 66. Fig. 19. Embryo No. 114 (Stad. VI). Ein ähnliches Stadium in der Ansicht von oben. Die Anlage der paarigen Platten des gastralen Mesoderms prägt sich bereits im Oberflächenbilde aus, indem sie zwei entsprechende Erhebungen des Schildes hervorrufen, die hinten am Ur- mundspalt beginnen und, nach vorn schmäler werdend, stark divergiren. Im Text wurden diese Platten als äussere Mesodermplatten, _Mesodermwülste oder Rückenwülste bezeichnet. Hinten schliesst sich an den Embryonalschild eine unregelmässige halbkreisförmige, weisslich erscheinende Zone der Area intermedia an, welche die Meso- dermausbreitung innerhalb dieser Zone darstellt und als Mesoderm- hof (Gefässhof) bezeichnet werden kann. Text S. 90. Vergrösserung dieselbe. Fig. 20. Embryo No. 141 (Stad. VI) Gleichaltriger Embryo, der ausser den eben erwähnten Verhältnissen noch im vordern Bereich des Schildes auf dessen Oberfläche eine von den Spitzen der Mesoderm- wülste ausgehende quere Bogenlinie aufweist, welche den äussern Aus- druck der vordern Urdarmgrenze darstellt. Der Mesodermhof der Area intermedia ist bei der Oberflächenansicht nicht sichtbar, weil dieser Embryo im Zusammenhang mit dem opaken Dotter gezeichnet wurde. Text S. 90. Vergrösserung dieselbe. Mafel:3. Fig. 21. Embryo No. 140 (Stad. VI). Gleichaltriger Embryo mit der ersten Anlage der Mesodermwülste und hufeisenförmig gebogener Urmundspalte. Länge des Schildes 1,69, Breite der Urmundspalte 0,79 mm. Querschnitte durch die Primitivplatte Taf. 10, Fig. 61. Text S. 90. Fig. 22. Embryo No. 13 (Stad. VI— VII). Wenig älterer Embryo mit querem Urmundspalt und etwas breiteren Mesodermwiilsten. Länge des Schildes ca. 1,75, Breite desselben 1,21 mm, Breite der Urmund- spalte ca. 0,35 mm. Text S. 93, 94. Fig. 23. Embryo No. 103 (Stad. VIL). Die Mesodermwülste haben noch mehr an Breite zugenommen und sich dadurch der Mittellinie 154 LUDWIG WILL, etwas genähert. In Folge dessen ist es unmittelbar vor der Urmund- spalte zur Bildung einer Rückenrinne gekommen, welche sich nach vorn zu rasch verbreitert. Text S. 94. Fig. 24. Embryo No. 6 (Stad. VIII). Der Umfang der Mesoderm- wülste hat zugenommen. Die vordere Urmundlippe erscheint stark ge- knickt und schickt sich somit zur Bildung einer Primitivrinne an, welche zwischen ihren nach hinten divergirenden Schenkeln den Entodermpfropf fasst. Unmittelbar hinter dem Embryonalschilde veranlassen die meso- dermalen Seitenflügel der Primitivplatte eine leichte Erhebung von sichelförmiger Gestalt (Kurrrer’s Sichel), die aber als Sichel im eigent- lichen Sinne nicht mehr zu bezeichnen ist, weil sie bereits vom Ecto- derm überwachsen ist. Text S. 94, 131. Vergrösserung dieselbe. © Fig. 25. Embryo No. 154 (Stad. VIII). Gleichaltriger Embryo, mit wenig weiter vorgeschrittener Primitivrinnenbildung. Text S. 132. Vergrösserung dieselbe. Fig. 26. Embryo No. 163 (Stad. VIII. Wenig älterer Embryo, vom Dotter abgelöst. Die Mesodermwülste sind bedeutend weiter ent- wickelt und haben sich in ihrem hintern Theile einander stark ge- nähert, so dass die von ihnen gebildete Rückenrinne eine ganz schmale Furche zwischen beiden darstellt. Die mediane Grenzlinie der Meso- dermwülste erscheint vorn an der Spitze der Rückenrinne fast recht- winklig geknickt. Der Mesodermhof der Area intermedia hat eine weit umfangreichere Ausdehnung gewonnen, deren vordere Grenze jedoch stets mit der Ausdehnung der Mesodermwülste selbst gleichen Schritt hält. Die Primitivrinne ist noch schmäler und länger geworden und misst in letzterer Ausdehnung 0,34 mm. Der vor den Mesodermwülsten gelegene Theil des Schildes ist durch eine Bogenlinie in zwei hinter einander gelegene Bezirke abgegrenzt, von denen der hintere die sogen. Hirnplatte darstellt, während der vordere wesentlich die Anlage für das Kopfamnion und die Ventralseite des Kopfes darstellt. Länge des Embryos 1,27 mm. Vergrösserung die gleiche. Text $S. 94, 132. Fig. 27. Embryo No. 152 (Stad. VIII. Ein wenig jüngerer Em- bryo, an dem nichtsdestoweniger die Bildung der Primitivrinne bereits vollendet ist. Länge derselben 0,318 mm. Vergrösserung dieselbe. Fig. 28. Embryo No. 52 (Stad. IX). Ein wenig älterer Embryo, an dem bereits eine schärfere Abgrenzung des Embryonalleibes wahr- genommen wird. Mesodermhof sichtbar. Die Primitivrinnenbildung ist zwar noch nicht so weit vorgeschritten wie auf dem vorhergehenden Stadium, aber die Lippen der Rinne verlaufen einander bereits parallel. Querschnitte durch den Kurrrer’schen Gang Fig. 39, Taf. 5. Tafel. 4. Fig. 29. Embryo No. 10 (Stad. IX) mit Primitivrinne und bereits sehr engem, fast senkrechtem Kurrrer’schen Gang. Unmittelbar vor der Spitze der Primitivrinne gabelt sich die Rückenrinne in zwei etwas asymmetrische Schenkel. Länge des Schildes 1,07, Breite desselben 0,9, Länge der Primitivrinne 0,22 mm. Text S. 130. Sagittaler Längs- schnitt Fig. 64, Taf. 11. Vergrösserung ebenso. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 155 Fig. 30. Embryo No. 3 (Stad. X). Embryonalleib schärfer abge- grenzt und jederseits bereits etwas eingezogen. Primitivrinne völlig ausge- bildet von 0,23 mm Länge. Rückenrinne wie vorhin. Das Kopfende des Embryos hat bereits angefangen sich von dem ausserembryonalen Theil der Keimscheibe abzufalten und erscheint vorn dreilappig. Die beiden seitlichen Lappen entsprechen den vordern Grenzen der Mesoderm- wülste, der mittlere der sogen. Hirnplatte. Vor dem Embryonalkörper ist die Anlage des Kopfamnions aufgetreten; zwischen ihr und dem Embryo befindet sich eine mesodermfreie Zone. Der Mesodermhof der Area intermedia stellt eine ringförmige Zone dar, die nur noch vorn nicht geschlossen ist. Länge des Embryos (excl. Amnion und meso- dermfreier Zone) 0,898, Breite desselben 0,61 mm. Vergrösserung dieselbe. Querschnitte durch die Primitivrinne Fig. 66, Taf. 11, Text S. 133. Fig. 31. Embryo No. 54 (Stad. XI) Aehnlicher Embryo mit be- reits geschlossenem Kvrrrer'schen Gang. Länge des Embryos 1,21, Länge der Primitivrinne 0,2 mm. Vergrösserung ebenso. Fig. 32. Embryo No. 160 (Stad. XI). Ebensolcher Embryo mit bereits geschlossenem Kuprrer’schen Gang. Vergrösserung die gleiche. Länge des Embryos 1,1, Länge der Primitivrinne 0,22 mm. Fig. 33a. Embryo No. 14 (Stad. XII. Die Abfaltung des Em- bryos hat weitere Fortschritte gemacht und ebenso die Herausbildung der Körperform. Besonders wird zum ersten Mal ein bedeutendes Längs- wachsthum bemerkbar, indem der Embryo jetzt 1,75 mm in der Länge misst, während seine Breite in der Körpermitte auf 0,5 mm re- dueirt ist. Durch eine schon auf den vorhergehenden Stadien ange- bahnte intensive Verdickung des Ectoderms jederseits von der Rücken- rinne ist es zur Erhebung von Medullarwülsten gekommen, womit die Rückenrinne direct in eine Medullarfurche umgewandelt wird. Die Primitivrinne ist kürzer und flacher geworden, während der Kuprrsr- sche Gang bereits vollständig verschlossen ist. Zu einer Abschnürung von Urwirbeln ist es noch nicht gekommen, trotzdem die Bildung der- selben schon angebahnt ist. Vergrösserung dieselbe. Querschnitte durch die Primitivrinne Fig. 68, Taf. 11, Text S. 133, 140. Fig. 33b. Derselbe Embryo von der Ventralseite, die den Beginn der Kopfdarmbildung erkennen lässt. Tafel5. Fig. 34. Embryo No. 121 (Stad. I). Schnitt durch eine Keim- scheibe im Stadium der Differenzirung des Ectoderms in der Richtung der kurzen Eiaxe. pp diejenige Stelle, an der eine solche Differen- zirung unterblieben ist und welche der spätern Primitivplatte ent- spricht 1). Vergrösserung Zeıss Obj. BB, Oc. 1. Text 8. 29. 1) Die Figur verfehlt in sofern ihren Zweck, als der Lithograph an der fraglichen Stelle pp die Contouren der oberflächlichen Zellen so stark hervorgehoben, die Zellen selbst aber in so hellem Ton ge- halten hat, dass es aussieht, als ob sich auch in dieser Region ein Ectoderm angelegt habe. In Wirklichkeit jedoch findet nach meinen : à 156 LUDWIG WILL, Fig. 35. Embryo No. 128 (Stad. I). Wenig älterer Embryo nach vollendeter Differenzirung des Ectoderms, aber noch ohne äusserlich hervortretenden Embryonalschild. pp Primitivplatte, s Cylinderzellen des künftigen Embryonalschildes, rechts davon die Plattenzellen der Area intermedia. Eine Furchungshöhle fehlt. Schnittführung parallel der kurzen Eiaxe. Vergrösserung Zeıss DD, Oc. 2. Text S. 16, 28. Fig. 36. Embryo No. 20 (Stad. I) mit bereits äusserlich, wenn auch noch undeutlich hervortretendem Embryonalschild. Medianer Längsschnitt. Bezeichnungen wie in voriger Figur. Text S. 22. Ver- grösserung Zeiss DD, Oc. 2. Fig. 37. Embryo No. 122 (Stad. I. Hinterer Abschnitt eines Sagittalschnitts durch den in Fig. 2, Taf. 1, abgebildeten Embryonal- schild. Vergrösserung Zeiss DD, Oc. 2. Text S. 18. Fig. 38 Embryo No. 151 (Stad. VI). Ansicht von oben. Die spaltförmige Urmundöffnung beginnt sich nach hinten zu krümmen (Vor- stadium zur Primitivrinnenbildung, cf. Taf. 3). Querschnitte durch die Gegend der Primitivplatte Fig. 60 a—c, Taf. 10. Fig. 39. Embryo No. 52 (Stad. IX). Querschnitte durch die Gegend des Kurrrer’schen Ganges des in Fig. 28, Taf. 3, abgebildeten Embryos. Schnitt O geht durch den senkrecht verlaufenden Kuprrer- schen Gang, die Schnitte —1 u. — 2 folgen unmittelbar nach hinten. Text §. 130, 134. Tafel 6. Fig. 40. Embryo No. 158 (Stad. I). Sagittaler Längsschnitt durch den in Fig. 1, Taf. 1, abgebildeten Embryo mit Sichel und Sichelrinne. Vergrösserung SEIBERT IV, Oc. 2. Text 8. 20. Fig. 41. Embryo No. 108 (Stad. I. Sagittaler Längsschnitt durch eine Keimscheibe mit Embryonalschild, aber ohne äusserlich hervor- tretende Primitivplatte. Länge des Schildes 1,795 mm. Vergrösserung Zeiss DD, Oc. 2. Text S. 23. Fig. 42. Embryo No. 105 (Stad. IT) Sagittalschnitt durch den in Fig. 4, Taf. 1. abgebildeten Embryo mit dellenförmiger Urdarmein- stülpung. yz Ausdehnung der Primitivplatte. Vergrösserung Zeiss DD, Oc. 2, Text 8. 31. Fig. 43. Embryo No.146 (Stad. III). Querschnitt durch den vordern Abschnitt der Primitivplatte. Vergrösserung Zeıss DD, Oc. 2, Text S. 32. Fig. 44 Embryo No. 107 (Stad. II). Sagittalschnitt durch den Embryonalschild und die Primitivplatte eines Embryos mit eben be- ginnender Urdarmeinstülpung. Die dellenförmige Einsenkung der letz- tern war noch etwas schwächer erkennbar als in dem in Fig. 4, Taf. 1, abgebildeten Embryo. Länge des Schildes 1,795, Breite desselben 1,44, Durchmesser der Urmunddelle 0,126 mm. Vergrösserung Zuıss DD, Oc. 2, Text 8. 35. Präparaten an dieser Stelle ein so continuirlicher Uebergang zwischen den tiefern und obern Zellen statt, dass von der Differenzirung eines Ectoderms hier nicht gesprochen werden kann.. — SE SO REBEL EN Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 157 Fig. 45. Embryo No. 148 (Stad. IT). Sagittalschnitt durch den in Fig. 8, Taf. 1, abgebildeten Embryo mit Sichel und Sichelrinne. Ver- grösserung Zeiss DD, Oc. 2. Text S. 37, 38. Tafel 7. Fig. 46. Embryo No. 7 (Stad. II). Querschnitt durch die Primitiv- platte des in Fig. 6 abgebildeten Embryos. Vergrösserung Zeiss DD, Oe 2, Text S. 32. Fig. 47. Embryo No. 118 (Stad. III). Medianschnitt durch die Primitivplatte eines Embryos vom Aussehen der Fig. 12, Taf. 1. Der Urdarm entsteht, ein seltenerer Fall, von vorn herein als Einstülpung einer einschichtigen Epithellage (cf. Fig. 50, Taf. 8). Länge des Schildes 2,154 mm, Breite der Urmundspalte 0,287 mm. Vergrösserung Zriss CC, Oc. 2, Text S. 43. Fig. 48. Embryo No. 155 (Stad. IT). Medianer Längsschnitt durch einen Embryo vom Alter und Aussehen der Fig. 12, Taf. 1. Die Ur- darmeinstülpung setzt sich in einen langen Kopffortsatz fort. Unterhalb der Primitivplatte machen sich die ersten Anfänge eines secundären Entoderms (bei a u. b) bemerkbar. Vergrösserung Zeiss DD, Oc. 2, Text S. 42. Fig. 49. Embryo No. 111 (Stad. II). Medianer Längsschnitt durch den in Fig. 11, Taf. 1, abgebildeten Embryo. Der Schnitt unter- scheidet sich von dem vorigen nur dadurch, dass unterhalb der Ur- ‘ darmeinstülpung das secundäre Entoderm zur Anlage gekommen ist. Vergrösserung Zeiss DD, Oc. 2. Text S. 44. Tafel 8. Fig. 50a. Embryo No. 11 (Stad. III). Medianer Längsschnitt durch den in Fig. 12 abgebildeten Embryo. Der Urdarm ist bis in die Spitze hohl und sein Lumen wird dorsal wie ventral von einer einschichtigen Epithellage begrenzt. Das prostomiale Mesoderm (mpr) steht nur mit dem Entodermpfropf (epf) in Verbindung. Das secundäre Entoderm (e‘‘) ist bereits angelegt. Vergrösserung Zeiss DD, Oc. 2. Text S. 51. Fig. 50b. Ein benachbarter Längsschnitt durch denselben Embryo. Die untere Urdarmwand hat in ihrem obersten Abschnitt ihren ein- schichtigen Charakter durch beginnende Zellenproliferation eingebüsst. Vergrösserung dieselbe. Fig. 51. Embryo No. 44 (Stad. III). Medianer Längsschnitt durch einen gleichaltrigen Embryo. Die untere Urdarmwand ist in ganzer Ausdehnung mehrschichtig und zeigt in ihrem obern Abschnitt zwei leichte Einsenkungen, die nicht etwa mit einer Allantoisbildung in Be- ziehung stehen, sondern durch lebhafte Zellenwucherung bedingt sind und später zum Ausgleich kommen. Text S. 58. Fig. 52 a—c. Embryo No. 101 (Stad. IV). Querschnitte durch einen Embryo mit einem Urdarm von 0,47 mm Länge und 0,14 mm grösster Breite, der demnach nahezu die Hälfte seiner definitiven Längen- ausdehnung erreicht hat. a der 13., b der 33, c der 43. Schnitt vor der vordern Urmundlippe. Der Urdarm läuft jederseits in eine solide 158 LUDWIG WILL, Zellenplatte aus. Oberflächenansicht in Fig. 13, Taf 1. Vergrösserung Zeiss CC, Oc. 2. Text 8. 60. Fig. 53. Reconstruirter Medianschnitt durch denselben Embryo. Vergrösserung 100:1. Fig. 54 a—c. Embryo No. 2 (Stad. III). Querschnitte durch einen Embryo vom Alter der Fig. 51, Taf. 8. a, Schnitt hinter der Primitivplatte. Das Mesoderm (mp) ist dorsal von den Plattenzellen (ec) der Area inter- : media bedeckt; b, Schnitt durch die Primitivplatte ; letztere ist ohne ecto- dermalen Ueberzug, rechts und links setzt sich das Zellmaterial der Primitivplatte in das prostomiale Mesoderm (mp) fort; ce, Schnittdicht vor der vordern Urmundlippe. Man sieht den quer geschnittenen Urdarm mit den paarigen Flügeln des gastralen Mesoderms, dorsal vom Urdarm das Ectoderm des Schildes (ec), das nur rechts im Bilde noch nicht vom Urdarm getrennt ist, weil der Schnitt etwas schief geführt ist, daher hier noch die vordere Urmundlippe selbst getroffen ist. Länge des Schildes 1,795, Breite desselben 1,256 mm, Breite der Urmundöffnung 0,25 mm. Vergrösserung Zeiss DD, Oc. 2. Text S. 57. Tafel 9. Fig. 55 a, b. Embryo No. 42 (Stad. IV). Zwei sagittale Längs- schnitte durch einen Embryo, dessen Urdarm die definitive Länge (in diesem Falle 1,08 mm) erreicht hat. Totalansicht Fig. 14, Taf. 2. Unter 400—500 Embryonen ist dieser der einzige, bei dem der Ur- darm auf der Höhe seiner Entwicklung steht, ohne dass der Durchbruch nach unten bereits eingesetzt hat. Es handelt sich demnach wohl um ein sehr rasch vorübergehendes Stadium. Der Embryo fand sich unter dem von M. Braun 1882 gesammelten Material. Die histologische Structur hat etwas gelitten, weshalb ich mich bemüht habe, den veränderten Charakter möglichst genau wiederzugeben. Da die Schnitte leider nicht ganz median gefallen sind, so muss die Medianansicht aus den beiden abgebildeten combinirt werden. Der Schnitt a geht durch die Mitte der Urdarmspitze, der Schnitt b durch die Mitte der Urmundöffnung. Das secundäre Entoderm (e”) hat bereits seinen definitiven Charakter angenommen. Vergrösserung Zeiss DD, Oc. 2. Text S. 61. Fig. 56. Ein aus der vorigen Figur combinirter Medianschnitt im Maassstabe 100:1. Fig. 57. Embryo No. 153 (Stad. V). Medianschnitt durch den in Fig. 16, Taf. 2, abgebildeten Embryo. Der Urdarm ist im Beginn des Durchbruchs, und demgemäss zeigt die untere Urdarmwand sammt dem darunter wegziehenden secundären Entoderm zwei Durchbruchsstellen. Die Spitze des Urdarms liegt ganz links. Vergrösserung Zeıss Obj. DD, Oc. 2. Text S. 68. Fig. 58. Embryo No. 149 (Stad. V). Medianschnitt durch den in Fig. 15, Taf. 2, abgebildeten Embryo. Der Durchbruch des Urdarms ist etwas weiter vorgeschritten, weshalb von der untern Urdarmwand nur noch einzelne Netzbalken erhalten sind, von denen auf dem Schnitt drei getroffen sind. Vergrösserung Zeıss DD, Oc. 2. Text 8. 68. Fig. 59a. Vergl. die Erklärung der ersten Figur der folgenden Tafel, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 159 Mater 10. Fig. 59a—g. Embryo No. 48 (Stad. V). Querschnitte durch einen Embryo mit im Durchbruche befindlichen Urdarm. Ansicht des ganzen Embryos von oben und unten in Fig. 17a, b, Taf. 2. Alle Schnitte liegen vor dem Urmunde mit Ausnahme des auf der vorigen Tafel ab- gebildeten Schnittes Fig. 59a, der genau durch die Urmundöffnung geht. Die der No. der Figuren beigefügte Zahl zeigt die Entfernung des betr. Schnittes von der vordern Urmundlippe an. Da die Schnittdicke !/, 5, mm beträgt, so liegt z. B. der 33. Schnitt 0,33 mm, der 90. Schnitt 0,9 mm vor der vordern Urmundlippe. Die Schnitte c—1 sind nur zur Hälfte gezeichnet, zum bessern Vergleich ist bei allen die Mitte mit #, die seitliche Grenze des Urdarms mit einem * bezeichnet. Da die Schnitte nicht ganz genau senkrecht zur Längsaxe des Embryos stehen, so hat in dem durch den Urmund gehenden Schnitt a (auf voriger Tafel) dieser rechts noch den vordersten Abschnitt des Entodermpfropfes etwas hinter dem vordern Urmundrand, links dagegen bereits die Lippe selbst sowie den Anfang des Urdarms getroffen. Genaue Be- schreibung der Schnittserie im Text 8. 69. Vergrösserung Zeiss CC, Oc. 2. Fig. 60a—e. Embryo No. 151 (Stad. V1). Querschnitte durch den in Fig. 38, Taf. 5 abgebildeten Embryo. Schnittbezeichnung wie vor- hin, die mit dem — Zeichen versehenen Schnitte liegen hinter, die mit + vor der vordern Urmundlippe. Der Schnitt 60 d hat gerade die vordere Urmundlippe getroffen, die Stelle also, an der das Ectoderm des Schildes in die Zellen der dorsalen Urdarmwand übergeht. Die Primitivrinne ist in der Bildung begriffen, ihre Ränder üben einen seitlichen Druck auf den von ihnen umfassten Entodermpfropf (epf) aus. Text S. 130, 133, 137, 140. Vergrösserung SEIBERT Obj. IV, Oc. 2. Fig. 6la—e. Embryo No. 140 (Stad. VI) Querschnitte durch den in Fig. 21, Taf. 3, abgebildeten Embryo. Der Kurrrer’sche Gang hat gegenüber der vorigen Figur noch einen sehr schrägen Verlauf und öffnet sich erst auf dem +17. Schnitt nach unten. Das Ectoderm der seitlichen Urmundlippen ist sehr scharf (61a) von dem Zellenmaterial des Primitivstreifens abgegrenzt. Der Schnitt b geht wieder durch die vordere Urmundlippe, an der unmittelbar über dem Lumen des Kuprrerr- schen Ganges die Cylinderzellen der Umbiegungsstelle des Ectoderms in das Urdarmepithel quer getroffen sind. Text S. 130, 133, 157, 140. Vergrösserung SEIBERT Obj. IV, Oc. 2. Tafel 11. Fig. 62a—l. Embryo No. 162 (Stad. VIII). Querschnitte durch den Primitivstreifen eines Embryos, der im Aussehen so ziemlich der Fig.27, Taf.3, glich, nur dass die Primitivrinne lediglich im vordern Theil des Primitivstreifens angelegt war, also nicht an den Hinterrand des Embryos reichte. Vom — 20. Schnitt an erleidet das Zellenmaterial des Primitivstreifens eine Differenzirung in ein axial gelegenes „Mittelfeld“ (w—w) und ein. peripheres „Randfeld“ (y—w). Bis zum — 12. Schnitt, von hinten an gerechnet, erscheinen die ectodermalen Urmundlippen von 160 LUDWIG WILL, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. dem Zellenmaterial der Primitivplatte scharf gesondert, während sie weiter nach vorn eine Verschmelzung mit dem Randfeld des Primitiv- streifens eingehen. Auf dem — 2. Schnitt ist das Mittelfeld fast, auf dem — 1. Schnitt bereits ganz vom Ectoderm überwachsen. Der Kurrrrr’sche Gang ist bereits zu einem sehr engen Canal geworden (62 1). Text S. 137, 139, 145. Vergrösserung SEIBERT Obj. IV, Oc. 2. Fig. 63. Embryo No. 9 (Stad. VI). Medianer Längsschnitt durch einen Embryo mit querer Urmundspalte und durchgebrochenem Urdarm. Kuvrrrer’scher Gang verläuft in schräger Richtung nach vorn. Länge des Schildes 1,33 mm. Breite desselben 0,97 mm, Breite der Urmund- ° öffnung 0,215 mm. Text S. 130. Vergrösserung Zeiss DD, Oc. 2. Fig. 64. Embryo No. 10 (Stad. IX). Medianer Längsschnitt durch den in Fig. 29, Taf. 4, abgebildeten Embryo. Kurrrer’scher Gang sehr eng und fast senkrecht, Chorda in der Axe bereits theilweise (bei e) vom Entoderm unterwachsen. Text S. 130. Vergrösserung Zeıss DD, Oc. 2. Fig. 65. Embryo No. 5a—h (Stad. X). Querschnitte durch die hintere Region eines Embryos vom ungefähren Aussehen der Fig. 30, Taf. 4, doch ein wenig jünger. Länge des Embryos incl. Kopfamnion 1,15 mm, mittlere Breite des Embryos 0,71 mm, Länge der Primitiv- rinne 0,215 mm. Der Kuprrrzr’sche Gang ist ein feiner Canal, der auf dem -+ 3. Schnitt nach unten ausmündet. Text S. 133, 137, 140, 145. Vergrösserung SEIBERT Obj. IV, Oc. 2. | Fig. 66a—c. Embryo No. 3 (Stad. XI). Querschnitte durch die vorderste Region des Primitivstreifens des in Fig. 30, Taf. 4, abge- bildeten Embryos. Der Kurrrer’sche Gang selbst ist bereits ge- schwunden, doch ist auf dem Schnitt b die senkrechte Schlussnaht des- selben deutlich erkennbar. Text S. 133. Vergrösserung SEIBERT Obj. LY,.Oe, 2. Fig. 67a—d. Embryo No. 137 (Stad. XI). Querschnitte durch den vordersten Abschnitt des Primitivstreifens eines Embryos, der im Aus- sehen genau dem in Fig. 31, Taf. 4, abgebildeten glich. Kurrrer’scher Gang bereits geschwunden; Schlussnaht desselben noch auf den Schnitten b und c erkennbar. Text S. 133, 137, 140. Vergrösserung SEIBERT 05..17,..02'2. Fig. 68a—c. Embryo No. 14 (Stad. XII). Querschnitte durch den vordersten Theil der Primitivrinne des in Fig. 33a u. b abgebil- deten Embryos. Kurrrer’scher Gang geschwunden, auch von der Schluss- naht desselben, die in den Schnitt b fallen müsste, ist nichts mehr nachzuweisen. Text S. 133, 140. Vergrösserung Seiserr Obj. IV, Oc, 2. Fig. 69a—c. Embryo No. 139 (Stad. XIII). Querschnitte durch dieselbe Region vom Primitivstreifen eines Embryos mit beginnender Medullarrinnenbildung. Die Primitivrinne ist äusserlich noch sehr deut- lich sichtbar und von 0,144 mm Länge. Sie wird umfasst von den Medullarwülsten. Das vordere Ende des Embryos bereits vom Kopf- amnion bedeckt. Totalansicht in der spätern Fortsetzung dieser Arbeit. Kurrrer’scher Gang ohne Hinterlassung einer Spur geschwunden wie in voriger Figur. Text S. 133, 140. Vergrösserung Sewerr Obj. IV, Oc. 2. £ = de Due ee ee ee == eC Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, — 1104 Nachdruck verboten, Uebersetzungsrecht vorbehalten. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. (Antedon rosacea.) Von Dr. Oswald Seeliger, Privatdocenten an der Universität Berlin. Hierzu Tafel 12—22 und 12 Holzschnitte. Das Material zu der nachfolgenden Untersuchung habe ich während eines längern Aufenthaltes in der Zoologischen Station zu Triest im späten Frühjahr und Sommer 1888 gesammelt. Ich gebe gern meiner Dankbarkeit Ausdruck gegen den Director der Station, Herrn Prof. C. CLaus, der mir einen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat, und gegen Herrn Dr. GrÄFFE, der mir bei der Beschaffung des Materials in liebenswürdigster Weise behülflich war und zahlreiche Kelleraquarien zu Zuchtzwecken bereitwillig überliess. Ohne eine solche Unterstützung wäre es mir kaum möglich gewesen, die verschiedenen Entwicklungs- stadien in der lückenlosen Reihe zusammenzubringen, die zur Er- langung sicherer Ergebnisse nothwendig ist. Seither sind zwei wichtige Abhandlungen über die Entwicklung von Antedon rosacea von BARROIS (6) und Bury (9) erschienen, welche eine grosse Anzahl Irrthümer früherer Autoren aufgedeckt haben. Nichtsdestoweniger giebt es controverse Punkte genug, welche eine Sicherstellung fordern. So glaubte ich denn, das mühsam zusammen- getragene Material nicht unbearbeitet lassen zu dürfen, wenngleich ich mir bewusst war, dass die Zahl der von mir beobachteten neuen That- sachen wesentlich geringer sein musste, als sie gewesen wäre, wenn mir die Veröffentlichungen jener beiden Autoren nicht vorhergegangen wären. Zudem hat meine Untersuchung eine bedeutende Verzögerung Zool, Jahrb. VI. Abth. f, Morph, re 162 OSWALD SEELIGER, erfahren müssen, weil ich meine Studien über Pyrosomen und Bryozoen zuerst zum Abschlusse zu bringen wünschte. Die ersten geschlechtsreifen Comatulen fand ich am 25. April. Nur ein einziges Exemplar trug auf den Pinnulis einige Embryonen, die sich bei näherer Untersuchung als Gastrulen erwiesen. Trotzdem an den folgenden Tagen an den nämlichen Stellen des Triester Hafens sorgfältig gefischt wurde, fanden sich keine weitern geschlechtsreifen oder Embryonen tragende Thiere vor. Erst am 16. Mai zeigten sich wiederum einige; die Hauptlaichzeit begann aber erst in den letzten Tagen des Monates und währte bis zu meiner Abreise Ende Juni. Es war leicht, täglich eine Anzahl Individuen zu erhalten, welche Embryonen besassen. In der letzten Zeit fanden sich immer häufiger Thiere, welche ihre Larven unzweifelhaft bereits abgestossen hatten. Nach den Beobachtungen von Barroıs kann aber der ersten Eiablage eine zweite und sogar dritte folgen, und in der That fand ich in den Pinnulen, auf welchen Embryonen sassen, oft noch die Eierstöcke in voller Thätigkeit und mit nahezu reifen Eiern versehen. Gegenüber den andern Fundstellen im Mittelmeer zeigt sich in Triest die Laichzeit der Comatula beträchtlich verspätet. GÖTTE (31) giebt für die Neapeler Form den März, SCHMIDTLEIN (78) schlichtweg den Frühling, Barroıs für Villafranca und Toulon den April als die Zeit der Geschlechtsreife an, während man in Triest mit Sicherheit nicht darauf rechnen darf, vor Beginn des Juni, wie GRÄFFE (33) ganz richtig angiebt, Embryonen und Larven von Comatula zu erhalten. Noch später als in Triest laichen die Comatulen an den englischen Küsten. Nach THompson (89) treten die Eier erst im Juli aus, und auch Busch (11) hat auf den Orkney-Jnseln erst in den letzten Juli- tagen Larven gefunden. W. THomson giebt dagegen an, dass an der schottischen Insel Arran die Laichzeit der Comatula Ende Mai oder Anfang Juni beginne. Um namentlich die ersten Entwicklungsstadien lückenlos erhalten und die Zeitdauer der Entwicklung sicher bestimmen zu können, habe ich eine Anzahl geschlechtsreifer Individuen, von denen ich erwarten durfte, dass sie in kurzer Zeit die Eier austreten lassen resp. Sperma ejaculiren würden, in die durchlüfteten Kelleraquarien der Zoologischen Station gesetzt. Bald wurden auch die Spermatozoen in solchen Massen ausgestossen, dass nur wenige Männchen ganz ansehnliche Wassermassen zu trüben im Stande waren. Gleichzeitig traten bei den Weibchen die Eier an die Oberfläche der Pinnulae. Ich habe das letztere niemals bemerkt, ohne dass die Männchen, welche Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 163 in demselben Wasserraum gehalten wurden, den Samen ejaculirt hätten. Es ist das eine Erfahrung, welche schon längst auch bei andern Wirbellosen gemacht wurde und welche kaum anders gedeutet werden kann, als dass bei der Ablage der Eier ein Geschlechtsreiz wirksam ist. For (29, p. 473) sah geschlechtsreife weibliche Medusen (Carmarina hastata) erst nach der Ejaculation des Samens der Männchen die Eier ablegen, und erst neuerdings hat O. Herrwic (45) wieder darauf verwiesen, dass in der Gefangenschaft isolirt gehaltene geschlechtsreife Seeigel die Geschlechtsproducte nicht ausstossen, dass aber die Eiablage sofort beginnt, wenn ein männlicher Seeigel in das Gefäss des Weibchens Sperma entleert. Auch SELENKA (81) beobachtete bei Ophioglypha lacertosa ein gleichzeitiges Austreten der männlichen und weiblichen Geschlechtsproducte. JICKELI (48) hat gemeint, dass dem Austreten der Geschlechts- zellen ein der Begattung ähnlicher Vorgang vorhergehe, welcher darin bestände, dass ein männliches und ein weibliches Thier mit eng verschlungenen Armen längere Zeit neben einander lagern. In der Folge bemerkte er eine Loslösung der Arme und Abtrennung der einzelnen Pinnulen, auf welchen die ausgetretenen Eier sich in nor- -maler Weise entwickelten. Wie schon Bury mit Recht eingewendet hat, sind die von JıckeLı beobachteten Vorgänge keineswegs normale. Zunächst behalten die lebenskräftigen Weibchen unter günstigen Lebensbedingungen auch nach dem Austritt der Eier ihre sämmtlichen Pinnulen, und nur ganz vereinzelt fallen gegen Ende der Embryonalzeit einige derselben ab. Die zu freier Ortsbewegung befähigten Larven verlassen nach Sprengung ihrer Hülle die Pinnulen, und das Mutter- thier bleibt völlig unverletzt zurück. Nur unter ungünstigen Lebens- bedingungen zeigen weniger lebensfähige Thiere eine starke Neigung, Pinnulen, Armstücke oder ganze Arme abzuwerfen. Es geschieht dies besonders leicht, wenn man aus Besorgniss, es sei das Wasser nicht genügend sauerstoffreich, die Aquarien allzu stark durchlüftet und daher das Wasser stärker bewegt. Ich habe kräftige, geschlechtsreife Thiere in geräumige Aquarien auf Ulven gesetzt und nur einen schwachen Luftstrom etwa 5 cm unter dem Wasserspiegel eingeleitet. Unter solchen Bedingungen fand die Entwicklung in vollkommen normaler Weise statt, was zahlreiche Vergleichungen mit frisch dem Meere entnommenen Embryonen bewiesen. Der von JıcKkELI beobachtete Zerfall der Thiere dürfte allerdings mit der vorhergegangenen Vereinigung in ursächlichem Zusammenhang stehen, nicht aber das Austreten der Geschlechtszellen und die Be- EE 164 OSWALD SEELIGER, fruchtung, die nur zufällig gleichzeitig eintraten. Denn wie schon CARPENTER bemerkt hat, findet man gar nicht so selten, dass Thiere verschiedenen oder gleichen Geschlechts bei ihren Bewegungen an einander gerathen und sich mit ihren Armen derartig verstricken, dass dies sehr oft einen Zerfall der Arme einleitet, ohne dass damit Ejaculation von Sperma oder Austritt der Eier verbunden wäre. Dass überhaupt die Befruchtung nur nach einer mehr oder minder innigen Berührung zweier geschlechtsreifer Comatulen möglich sei, glaube ich nicht. Ich habe freilich nicht alle Bewegungen der Thiere in den Aquarien ununterbrochen beobachten können, welche wiederholt zu flüchtigen Berührungen der verschiedenen Geschlechter geführt haben. Aber ich habe doch auch den Fall angetroffen, dass zwei sehr grosse geschlechtsreife Comatulen, die gegen Abend in ein besonderes Gefäss auf Ulven gesetzt worden waren und in der folgenden Stunde, während ich sie beobachtete, fast unbeweglich in einiger Entfernuug von einander sitzen blieben, am nächsten Morgen Eier und Samen hatten austreten lassen, obwohl sie noch an genau den nämlichen Stellen sassen wie des Abends zuvor. Ich habe nicht den geringsten Grund, anzunehmen, dass sie Nachts ihren Ort verlassen hätten und zu dem- selben wieder zurückgekehrt seien. Bei Asterina gibbosa dagegen ist bekanntlich von Lupwie (58) ein der Begattung ähnlicher Vorgang beobachtet worden. Das die Eier ablegende Weibchen wird von zwei oder drei Männchen umfasst, welche ihre Arme unter und über das Weibchen strecken, so dass „der austretende Samen seinen Weg vor- wiegend an der Unterseite des Weibchens und damit an die dort aus- tretenden Eier nehmen muss“. Bei Antedon rosacea scheint stets der Austritt der Geschlechts- stoffe zu einer ganz bestimmten Stunde und zwar um die siebente Morgenstunde zu erfolgen. Ich habe versucht, die Laichzeit dadurch zu beeinflussen, dassich die Aquarien Vormittags verdunkelte und Nach- mittags oder gegen Abend der Sonne aussetzte. Sehr bald aber habe ich diese Versuche, die ich nur nebenbei anstellte, aufgeben müssen, ohne einen Erfolg zu erzielen, denn stets warfen die Thiere in den Morgenstunden die Eier aus, wenn der Behälter, in welchem sie ge- halten wurden, zufällig dem Tageslicht ausgesetzt war. Wie schon frühere Beobachter richtig bemerkt haben, stehen alle Embryonen eines Thieres auf fast dem gleichen Entwicklungsstadium. Dazu kommt, dass alle Embryonen der verschiedenen Thiere, und ich habe ungefähr 50 Weibchen daraufhin untersucht, zur nämlichen Stunde der ersten Entwicklungstage auf dem gleichen Ausbildungsstadium stehen. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 165 Um 8 Uhr Morgens beginnt am ersten Tage die Furchung; 20 Minu- ten später erscheint ein Theil der Eier bereits in vier Furchungs- kugeln zerklüftet, der andere folgt sehr bald nach. 24 Stunden später, um 8 Uhr Morgens am 2. Tage fand ich stets die Embryonen, sei es dass sie im Aquarium sich entwickelt hatten, sei es dass sie auf einem frisch dem Meere entnommenen Thiere sassen, als Gastrulen auf dem in Fig. 36 und 37, Taf. 14, abgebildeten Stadium. Es genügt daher durchaus nicht, um die vollständige Entwicklungsreihe zu erhalten, die Embryonen von nur einigen Thieren auf einmal ab- zulösen, denn man hat dann im günstigsten Fall nur eine geringe An- zahl von Stadien, die in ihrer Entwicklung, von unbedeutenden Ver- schiedenheiten abgesehen, 24 Stunden auseinanderliegen. Vielleicht liegt hierin ein Grund für manche Irrthümer früherer Autoren. Für weiter entwickelte Stadien habe ich zahlreiche Schwankungen bezüg- lich des Zeitpunktes des Auftretens bestimmter Veränderungen beob- achten können. So ist auch die Gesammtzeit des Embryonallebens auf dem Mutterthiere überaus verschieden. Gewöhnlich schwärmten alle Larven gleichzeitig am 5. Tage oder etwas später, etwa 124 Stunden nach der Befruchtung des Eies aus, und kein einziger Embryo blieb unentwickelt zurück; in andern Fällen aber verliess zuerst nur ein Theil der Larven die Pinnulen, und nach und nach folgten die übrigen, die letzten erst am 7. oder sogar 8. Tage, obwohl schon am 5. Tage die Ausbildung sämmtlicher Embryonen nur wenig Verschie- denheit bot. Barrois und Bury schätzen die Embryonalzeit auf 7 Tage, Tuomson (90) dagegen auf 3 bis 4. Noch grösseren Schwankungen unterliegt die Zeitdauer des freischwimmenden Larvenlebens, worüber sich einige Angaben am Beginne des zweiten Capitels finden. Die fest- gesetzte, gestielte Larve habe ich nur während der ersten Zeit ihrer Entwicklung beobachten können bis zur 6. Woche nach der Fest- setzung, ohne allerdings in den letzten zehn Tagen einen merklichen Fortschritt in ihrer Entwicklung bemerkt zu haben. Meine aus äussern Gründen nothwendig gewordene Abreise von Triest verhinderte mich, ältere Stadien zu untersuchen, und ich kann daher in der vorliegenden Abhandlung die Beschreibung nur bis zum sog. Cystideenstadium führen, welches ich in Fig. 160, Taf. 21, abgebildet habe; ich hoffe aber, dass mir ein späterer Aufenthalt am Meere Gelegenheit bieten wird, die letzten Stadien der Entwicklung, die Umbildung des Kelches der ge- stielten Form zur jungen Comatula und deren Loslösung eingehend zu untersuchen. Nach den Angaben früherer Autoren erfolgt der letzte Vorgang mehrere Monate nach Beginn der Furchung des Kies, 166 OSWALD SEELIGER, und es ist anzunehmen, dass die Geschlechtsreife bestimmt nicht früher als nach einem Jahre eintritt. Eine ganz zuverlässige Beobachtung über die Zeitdauer des fest- sitzenden Larvenstadiums liegt meines Wissens nicht vor; aber es lässt sich dieselbe mit grosser Wahrscheinlichkeit aus den Fundzeiten der verschiedenen Stadien bestimmen. Nach THompson und THOMSON erfolgt die Loslösung der Comatula nicht vor Mitte August und ge- wöhnlich nicht später als Mitte September. Da Tmomson die Reife- zeit der Eier für Ende Mai oder Anfang Juni bestimmt, würden die Larven 2!/,—4 Monate lang gestielt bleiben. CLAus giebt in seinem Lehrbuche (21, p. 330) wohl nach CARPENTER an, dass sich die junge Comatula nach einer 5—6 Monate währenden Entwicklungszeit vom Stiele loslöse. Die abgelöste Form ist aber von der Geschlechtsreife weit entfernt und erlangt sie frühestens im folgenden Sommer. Die ganz grossen Thiere sind höchst wahrscheinlich mehrjährig. Länger festsitzend bleibt Antedon sarsü, deren Pentacrinus- Larve grösser wird und eine bedeutendere Zahl Stielglieder besitzt. Die jüngsten noch armlosen Stadien fand Sars (77) Anfang Juli, die ältesten pentacrinoiden im März, April und Mai neben jungen, eben losgelösten freien Thieren. Die Geschlechtsreife tritt im Juni ein. Im Hinblick auf die lange Zeit, die die losgelöste Antedon rosacea be- nöthigt, um geschlechtsreif zu werden, kann ich kaum annehmen, dass die im Mai abgetrennten Thiere bereits im folgenden Monate ihre Geschlechtsreife erlangen würden, und glaube daher, dass sie erst am Ende ihres zweiten Lebensjahres zur Fortpflanzung sich anschicken. Ich füge auf S. 167 eine tabellarische Uebersicht über die Zeitpunkte des Auftretens der wichtigern ee ein, insoweit sie in dieser Untersuchung behandelt werden. Es lassen sich demnach ungezwungen drei Perioden ante welche in 4 Capiteln besprochen werden sollen. Die erste umfasst die Embryonalentwicklung d. h. die Entwicklung der Eier auf den Pinnulen; die zweite das freischwimmende Larvenstadium; die dritte endlich die Festheftung der Larve und ihre Ausbildung zur gestielten Form. Die dritte Periode wird einer übersichtlichern Darstellung wegen in zwei besondern Capiteln abgehandelt werden. Die Eier sind in Folge des Dottermaterials sehr undurchsichtig, so dass nur die allerersten Furchungsstadien am lebenden Objecte untersucht werden können. Uebrigens findet man die Eier ver- schiedener Thiere verschieden durchsichtig und auch bezüg- lich ihrer Farbe variabel. Gewöhnlich sind sie gelblich oder frog Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 167 schwach röthlich gefärbt, oft aber auch ganz weiss und dann fast im- mer ganz undurchsichtig. Auch bezüglich der Grösse trifft man Ver- schiedenheiten; mit ganz unbedeutenden Ausnahmen sind aber die Eier ein und desselben Individuums gleich gross. säumt, am lebenden Ei Messungen vorzunehmen ; die in Sublimat- Essigsäure conservirten und kaum wahrnehmbar veränderten Eier be- sassen einen Durchmesser von 0,25 mm, vereinzelte Exemplare er- reichten eine Grösse bis zu 0,3 mm. Bury giebt das letstere Maass als die mittlere Grösse an. Ich habe es ver- Zeitangabe in Stunden ‘ } 3 Verweis auf die Länge der ‚vom Beginn Bezeichnung des Entwicklungstadiums : der Abbildungen Hauptaxe | Furchung | I. Embryonalentwicklung. Erster Zweizelliges Stadium Taf. 12, Fig. 2 0,25 mm Ent- |3 Std. 8 Zellen Furchung Taf. 12, Fig. 5 u. 6 wick- |4!/, Std. TGs Taf. 12, Fig. 9 u. 10 lungs- |7 Std. 28 Zellen — Blastula Taf. 12, Fig. 18 tag |8—9 Std. |Beginn der Entodermbildung Taf. 13, Fig. 21, 22 10—11 Std.|Vorschreiten der Entodermbildung Taf. 13, Fig. 23, 24 16 Std. Das Entoderm eingestülpt Gastrulation |Taf. 13, Fig. 27, 28 19 Std. Beginn der Mesenchymbildung Taf. 13, Fig. 33—35 23— 24 Std |Mesenchymbildung vorgeschritten Taf. 14, Fig. 36 Zweiter 26—36 Std.|Verschluss des Blastoporus Taf. 14, Fig. 45 0,27 mm Tag Dritter |48 Std. Auftreten des prim. Cölombläschens Taf. 14, Fig. 47 Tag |bis 58 Std. |Theilung in rechtes und linkes Cölom Taf. 15, Figs) 54, 55 Vierter|75 Std. Cölom, Darm und Hydrocöl gesondert Taf. 15, Fig. 57 0,3 mm Tag '81 Std. Die Wimperkränze ausgebildet. Vestibulargrube Taf. 15, Fig. 61 Fünfter 100 Std. Der Embryo mit Kalkskelett Taf. 15, Fig. 62 0,33 mm Tag Zeitangabe vom _ Freiwerden des Em- bryos an 2—3 Tage 4 84 Std. _ 5 Tage … 4—5 Wochen | II. Die freischwimmende Larve. Eben ausgeschlüpfte Larve Aeltere freischwimmende Larve Taf. III. Festsitzende Larven. Vestibulum geschlossen Larve nach Durchbruch des Vestibulums Sogenannte Cystideenlarve Taf. Taf. Taf. 21, Fig. 160, 161. 16, Taf. 16, 18, 21, Fig. Fig. Fig. Fig. 68 ‚0,4 mm 65—67|0,45— 0,48 mm 110 159 0,9—1\mm ca, 1/, mm bis 31/, mm 168 OSWALD SEELIGER, Alle der Furchung folgenden Entwicklungsvorgänge im Embryo, der Bau der freischwimmenden Larve und ihre Umbildung zur ge- stielten festsitzenden Form können nur an conservirtem Material und an Schnittserien erforscht werden. Nur in Folge Mangels einer sol- chen geeigneten Untersuchungsmethode konnte W. Tmomson den Embryo nach Ablauf des Furchungsprocesses als eine structurlose Sarcodeschicht beschreiben und zu seiner eigenthümlichen Auffassung des Comatulaembryos als eines Pseudembryos gelangen, nach welcher sich die Entwicklung der Crinoiden als ein Generationswechsel dar- stellt. Bei der Conservirung der Embryonen verfuhr ich in folgender Weise. Von den Embryonen tragenden Comatulen wurden in bestimm- ten Zeitintervallen einzelne Pinnulae mit scharfer Scheere abgeschnitten und in die weiter unten zu beschreibenden Flüssigkeiten geworfen. Wenn man mit der Menge der Conservirungsflüssigkeit nicht spart, ist diese Methode entschieden derjenigen vorzuziehen, welche GÖTTE ge- übt hat, indem er die lebenden Embryonen von den Pinnulen ablöste und conservirte. Denn bei diesem Verfahren ist es trotz aller Vorsicht nur gar zu oft der Fall, und ich werde später Gelegenheit haben, dar- auf hinzuweisen, dass dies in der That GörrTE begegnet ist, dass durch den mechanischen Eingriff die Gestalt der dem Mutterthiere zuweilen recht fest aufsitzenden Embryonen beträchtlich verändert wird. Bei dem von mir geübten Verfahren lösen sich namentlich bei der Uebertragung der Pinnulae in die Sublimat-Essigsäuremischung sehr oft eine ganze Anzahl von Embryonen sofort ab und erweisen sich dann zur Untersuchung besonders geeignet. Ich habe noch die Vorsicht geübt, solche losgelöste Embryonen sofort mit der Pipette zur weitern Hartung in frische Lösungen überzuführen. Aber auch die auf den Pinnulen fixirten Embryonen lassen sich später sehr leicht mit Präparirnadeln ablösen, ohne dass Verletzungen zu befürch- ten wären. — Die übrigen Embryonen, welche auf den andern Pinnulen des Thieres zurückbleiben, entwickeln sich in ganz normaler Weise weiter, wie auch das Mutterthier selbst vollständig lebenskräftig bleibt, wenn man nur nicht zu viel "Theile auf einmal lostrennt. Da es gar nicht selten ist, dass auf einer Pinnula 30 und mehr Embryonen sitzen, hat man das aber auch nicht nothwendig, selbst wenn man reichliches Material einlegt. Uebrigens beeinträchtigt das Absterben des Mutter- thieres durchaus nicht immer die Weiterentwicklung der Embryonen. Schon Jickren hat erwähnt, dass sein Versuchsthier, bald nachdem sy NT PT en vi da PR ees en re Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 169 die Eier ausgetreten und befruchtet worden waren, die Arme abwarf, von welchen sich dann die Pinnulae einzeln loslösten. Trotzdem machten die Embryonen auf denselben die Entwicklung in ganz normaler Weise durch. Zur Conservirung benutzte ich mehrere Lösungen, welche mir zum Theil schon bei andern Thierformen ausgezeichnete Dienste geleistet hatten. Da ich am Meere, während ich das Material sammelte, nicht Zeit und Gelegenheit fand, die Brauchbarkeit einer jeden Conser- virungsflüssigkeit sofort zu prüfen, behandelte ich fast jedes Stadium auf 5 verschiedene Weisen. Wie es sich später allerdings gezeigt hat, habe ich mir dadurch viel überflüssige Arbeit gemacht, denn manche dieser Erhärtungsmittel erwiesen sich für gewisse Stadien ganz un- brauchbar. Bei der Erklärung der Abbildungen ist für ein jedes Sta- dium die Conservirungsmethode angegeben. Am besten bewährten sich die Sublimatlösungen. Erstlich be- reitete ich eine in filtrirtem Seewasser heiss gesättigte Lösung und wandte sie nach ihrem Erkalten an. Fast sämmtliche Stadien werden durch sie in vorzüglicher Weise conservirt. Neben der getreuen Fixirung der äussern Form bleiben auch die histologischen Details sehr gut erhalten. In den spätern Stadien, in welchen die Bildung der Kalkstücke im mittlern Blatte beginnt, erfolgt gleichzeitig mit der Fixirung der Gewebe eine Auflösung der Kalkbildungen, so dass man diese in Sublimatpräparaten nicht mehr nachweisen kann. Be- sonders geeignet fand ich dieses Conservirungsmittel zur nachträglichen Anfertigung von histologischen Isolations- und Zerzupfungspräparaten, namentlich wenn die Embryonen längere Zeit (etwa °/, Stunden) in ihr verweilt hatten. Zur Conservirung der Furchungsstadien erwies sich geeigneter als diese einfache Sublimatlösung eine Mischung derselben mit 1/;,— 1/,, Raumtheilen concentrirter Essigsäure; und zwar wurde dieser Essigsäurezusatz in die noch heisse Sublimatlösung geschüttet und das Gemisch dann nach dem Erkalten angewendet. Die Erhärtung der Furchungsstadien gelingt mit dieser Flüssigkeit ausserordentlich gut, und ich habe selbst die verhältnissmässig dünnwandigen Blastulae in ganz normalem Zustande erhalten können. Ferner habe ich diese Sublimatessigsäure mit einem Zusatze von !/, 0 °/) Chromsäure versehen, ohne aber bei der Anwendung dieses Gemisches irgend einen Vortheil zu bemerken, im Gegentheil fand ich die Embryonen brüchiger und weniger gut färbbar als nach den andern Behandlungsweisen. 170 OSWALD SEELIGER, Ebensowenig erwies sich im Allgemeinen KLEINENBERG’sche Picrin- schwefelsäure, der ich eine Spur Chromsäure — etwa 1/,,°/, — hinzugefügt hatte, zur Conservirung geeignet. Die Embryonen, die nahe daran ‚waren auszuschwärmen, zeigten sich ganz unbrauchbar erhalten; dagegen waren manche Furchungsstadien, insoweit es sich um die Erhaltung der Form und gegenseitigen Lagebeziehung der ein- zelnen Blastomeren handelte, ganz gut conservirt. Alle die eben beschriebenen Reagentien lösen die Kalkgebilde, welche sich in den Embryonen und Larven bilden, mehr oder minder rasch vollständig auf. Um die Kalktafeln zu erhalten, behandelte ich ältere Embryonen, das freischwimmende und die festsitzenden Larven- stadien mit absolutem Alcohol und bewahrte dann die Thiere in 80°/, Alcohol auf. Die so gewonnenen Präparate zeigten grösstentheils auch die histologischen Verhältnisse vortrefflich erhalten. Für jüngere Embryonen, für die Furchungsstadien und Gastrula erwies sich aber Alcohol absolut. weit weniger geeignet als die Sublimatlösungen. Nachdem die Fixirung der Gewebe erfolgt war, wurden die Em- bryouen in 80 °/, Alkohol aufbewahrt. Geschah die Conservirung in wässrigen Lösungen, so wurde nach einander in 20, 40, 60 und 70°}, Alcohol übergeführt, bevor die endgültige Uebertragung in den stär- keren Alcohol stattfand. So wurden Schrumpfungen und Deformitäten der Gewebe und Zellen nach Möglichkeit vermieden. Für die Untersuchung des Furchungsprocesses reicht es aus, die conservirten Embryonen in Nelkenöl aufzuhellen und in Canadabalsam oder Damarlack einzuschliessen. Ich habe dabei das schon vielfach mit Erfolg angewendete Verfahren beobachtet, das Deckglas durch entsprechend dicke Glasfäden zu stützen, so dass sich bei genügend eingedicktem Harze durch Verschiebung des Deckglases leicht jede beliebige Stellung des Präparates gewinnen und demgemäss dessen genaue Untersuchung ausführen lässt. Die zur Untersuchung in toto bestimmten Embryonen habe ich nur sehr schwach in Boraxcarmin gefärbt oder auch, wenn es auf die Erforschung der Kalkbildungen ankam, gar nicht. Gegenüber den Angaben von BAarroıs möchte ich nicht unterlassen zu erwähnen, dass ich die jungen Embryonen durch- wegs mit Carminfarbstoffen sehr schwierig zu behandeln fand. Aller- dings hatte mein Material fast 1!/, Jahre im Alcohol gelegen, bis ich an seine Bearbeitung herantreten konnte. Aeltere Embryonen lassen sich in Totalpräparaten nur ungenügend untersuchen, aber es darf doch auch dies nicht vollständig unterlassen werden, weil dadurch immerhin die Deutung der Schnitte wesentlich erleichtert wird. Erst Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 171 die spätern Larvenstadien werden geraume Zeit nach erfolgter Festheftung durchsichtiger. Von dem Stadium des beginnenden Gastrulationsprocesses an habe ich sämmtliche Vorgänge an Schnittserien untersucht. Die Hauptschwierigkeit der Untersuchung der der Gastrula unmittelbar folgenden Stadien liegt meiner Erfahrung nach in dem Einhalten einer bestimmten erforderlichen Schnittrichtung. Die älteren Embryonen, welche Wimperreifen gebildet und tonnenförmige Gestalt gewonnen haben, sind überaus leicht zu orientiren und in jeder beliebigen Richtung zu schneiden. Auf jüngern Stadien aber, etwa von dem von mir auf Taf. 14 Fig. 36 gezeichneten angefangen, haben sich mir ausserordentliche Schwierigkeiten entgegengestellt. Die fast kugelförmigen Embryonen waren sämmtlich so wenig durchsichtig, dass ich im flüssigen Paraffin unter dem Mikroskope ihre Orientirung nicht ausführen konnte, und noch viel weniger gelang dies mit dem bereits eingebetteten Präparate. So blieb mir nichts anderes übrig als aufs Gerathewohl hin zu schneiden, dem Zufalle es überlassend, dass ich eine günstige Richtung träfe. Unter solchen Umständen habe ich denn manchmal nahezu hundert Embryonen ein und desselben Stadiums in Schnitte zerlegen müssen, bevor ich die erwünschten Bilder erhielt. Gerade in diesen Stadien vollzieht sich die überaus wichtige Theilung des Urdarmes in die Anlagen für Wassergefässystem, Leibeshöhle und Verdauungscanal, die eine besonders eingehende Prüfung forderte. | Fast alle Embryonen und Larven färbte ich vor dem Einbetten schwach in Boraxcarmin, weil sie dann besser sichtbar sind und trotz ihrer Kleinheit im Paraffin nicht so leicht verloren gehen können. Die aufgeklebten Schnitte wurden fast ausnahmslos noch nachgefärbt, und zwar wandte ich mit weitaus bestem Erfolge GRENACHER’S essig- saure Hämatoxylinlösung an. Fällt die Färbung zu stark aus, so kann man in schwach saurem Alcohol beliebig stark entfärben, bis nur die Kerne gefärbt zuriickbleiben. Die Umwandlung in den blauen Farbenton habe ich mit Erfolg beschleunigt, indem ich die Objecte kurze Zeit Ammoniakdämpfen aussetzte oder auch in 70°/, Alcohol legte, welcher mit einigen Tropfen Ammoniakwasser vermischt war. Unmittelbar nach Fertigstellung der Präparate erwiesen sich die Färbungen ausgezeichnet, aber ein Theil verblasste schon nach wenigen Wochen, darunter auch solche, die in säurefreiem, wiederholt ge- wechseltem Alcohol ausgewaschen und in Xylol aufgehellt worden waren. Da ich diesem Uebelstand mit Sicherheit nicht begegnen 172 OSWALD SEELIGER, konnte, benutzte ich als ein anderes, haltbareres Mittel zur Nachfärbung alcoholischen Boraxcarmin, obwohl die frischen Hämatoxylinfärbungen weit klarere Bilder gaben. Um die feineren histologischen Details -der verschiedenen Em- bryonal- und Larvenstadien zu studiren, fertigte ich eine Anzahl Zerzupfungspräparate an. Auf dem Gastrulastadium gelingt es un- schwer, mit scharfen Nadeln unter der Lupe Gewebsstücke aus jedem Theile herauszupräpariren und durch den Druck des auf Wachsfüssen ruhenden Deckglases in die einzelnen Zellen zu zersprengen. Bei den älteren Stadien ist es zweckmässiger, nicht allzu dünne Schnitte, in welchen das fragliche Gewebe vorhanden ist, in gleicher Weise zu behandeln. Am besten gelang mir die Isolirung einzelner Zellen in Präparaten, welche längere Zeit in der Sublimatlösung gelegen hatten und beim Einbetten etwa 3 Stunden in Paraffin gehalten wurden, während sonst selbst für ältere Larven ein einstündiges Verweilen zur vollständigen Durchtränkung genügte. — In der nachfolgenden Darstellung habe ich die Embryonen und Larven in der Weise orientirt, dass ich den animalen Pol und das daraus hervorgehende Körperende mit ,,vorn“, das entgegengesetzte mit „hinten“ bezeichnet habe, wie dies auch von Bury geschehen ist. Die Hauptaxe des Eies, welche animalen und vegetativen Pol verbindet, entspricht nämlich der spätern Längsaxe der Embryonen und Larven, und die Beobachtung des freischwimmenden Stadiums rechtfertigt durchaus eine derartige Bezeichnung, denn die Larve schwimmt mit dem als vordern bezeichneten Ende in der That voraus. Diese Orien- tirung gleicht auch der bei den übrigen Echinodermenlarven ziem- lich allgemein üblichen und ermöglicht eine leichtere Vergleichung mit den Larven anderer Thierstämme. GöTrE hat das von mir als vor- deres bezeichnete Ende hinteres genannt, in seinen Zeichnungen jedoch überall, wie es auch hier geschehen ist, nach oben gerichtet. BARROIS endlich vermeidet die Bezeichnung vorn und hinten und nennt das hintere Ende oberes, das vordere unteres. Ueber ventral und dorsal ‘herrscht in allen bisherigen Darstel- lungen der Comatulaentwicklung vollkommene Uebereinstimmung. Der Gegensatz in der Bezeichnung von rechts und links ergiebt sich natur- gemäss aus der Verschiedenheit über die Auffassung des vordern oder hintern Kérperendes. Nur werde ich weiter unten darauf hinweisen müssen, dass GÖTTE auf dem sehr wichtigen Stadium der Enterocöl- bildung diese beiden Seiten verwechselt hat. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 173 Die Larve setzt sich mit dem vordern Pole fest. Während aus dem vordern Abschnitte der Stiel hervorgeht, entsteht der Kelch und das ganze spätere geschlechtsreife Thier aus dem hintern, welcher frei nach oben gerichtet erscheint. Es lässt sich aber die ursprüng- liche Medianebene des bilateralen Embryos noch nachweisen, wenn im Kelch bereits der fünfstrahlige Bau vollständig deutlich zu erkennen ist, und demnach an diesem Rechts und Links unterscheiden und auf die nämlichen Regionen des Embryos zurückführen. Da ich die Be- zeichnungen vorn und hinten bereits für die Larve angewendet habe und sich diese Regionen durchaus nicht mit denjenigen decken, welche von vielen Seiten an der ausgebildeten Comatula ebenso genannt werden, so werde ich, wie es ja auch sonst üblich ist, ausschliesslich „orale“ und ,aborale“ Seiten am Kelche unterscheiden, wenn dieser ganz entfaltet ist und die Tentakel zum Durchbruch gelangt sind. Die Oralseite geht aus der hintern des Embryos hervor, an ihr aber liegt auch der ursprünglich linke Cölomsack, während der rechte nach vielfachen Umbildungen die aborale Seite einnimmt. Wie überall, ist auch hier die orale Seite die ambulacrale. : Erstes Capitel. Die Embryonalentwicklung. (Tafel 12—15.) I. Die Furchung. (Tafel 12; die sieben ersten Stunden der Entwicklung.) Den Durchmesser der eben ausgetretenen, in Sublimat-Essigsäure conservirten Eier fand ich im Mittel 0,25 mm lang. Es dürfte dieses Maass dem der lebenden Eier sehr nahe kommen, da ich bei der Fixirung keine Schrumpfung oder Quellung bemerkt habe. THomson (90, p. 519) giebt den Durchmesser mit 0,5 mm, Bury (9, p. 258) mit 0,3 mm an; es ist mir aber zweifelhaft, ob Ersterer eine mit der Mittelmeerform vollständig übereinstimmende Art untersucht hat. Die erste Furche sah ich stets kurz nach 8 Uhr Morgens auf- treten. Sie erscheint zunächst als eine flache Rinne an dem animalen Eipole und dehnt sich allmählich nach dem gegenüberliegenden Pole aus, indem sie zuerst an der Peripherie des Eies und erst nach- 174 OSWALD SEELIGER, träglich in dessen Mitte vorrückt (Fig. 1). Zwischen den beiden ersten zur Sonderung gelangenden Furchungszellen Konnte ich in den meisten Fällen zwei Körperchen nachweisen, die ich als die beiden Polzellen in Anspruch nehme. Füglich scheinen die beiden ersten Blastomeren am vegetativen Pole nur durch eine schmale Protoplasmabrücke mit einander verbunden, die schliesslich ebenfalls durchfurcht wird, so dass zwei gleich grosse, wohl abgegrenzte Zellen geschaffen sind, welche sich in einer Kreisfläche berühren (Fig. 2). Jede Zelle hat ihren, dem animalen Pole näher liegenden Kern, der sich in gut erhaltenen und gefärbten Präparaten jederzeit nachweisen lässt. Freilich erschwert der Dotterreichthum der Zellen diesen Nachweis einigermaassen. Ich habe mich, wie aus der nachfolgenden Darstellung ersichtlich sein wird, nicht überzeugen können, dass die beiden ersten Blasto- meren den beiden bilateralen Körperhälften der Larve entsprechen. Denn der Embryo gewinnt sehr bald einen monaxonen Bau, so dass sich die erste Furchungsebene in den betreffenden Stadien nicht mehr bestimmen lässt. Nur die Hauptaxe, die den vegetativen und ani- -malen Pol verbindet, lässt sich durch alle Stadien festhalten, und es gelingt unschwer der Nachweis, dass sie zur Längsaxe der Larve wird. Wenn es mir aber auch bei der Untersuchung des conservirten Materials nicht möglich sein konnte, die übrigen Larvenaxen auf die ersten Furchungsstadien zurück zu verfolgen, so hoffe ich später noch einmal Gelegenheit zu finden, auf einem andern Wege dies festzustellen und zu entscheiden, ob die beiden ersten Blastomeren den beiden Körper- hälften entsprechen. SELENKA (81) hält ein solches Verhältniss bei Synapta für wahrscheinlich, und es haben seine Vermuthungen bereits als Thatsachen in andere Schriften Eingang gefunden. Da aber auch bei dieser Holothurie die spätern Furchungsstadien monaxon gebaut sind, so ist mir nicht ganz ersichtlich, wie SELENKA zu seiner Ver- muthung gelangen konnte; jedenfalls wird sich ein derartiges Ver- hältniss, falls es bestehen sollte, durch die mikroskopische Beobachtung ohne weiteres nicht constatiren lassen. Die zweite Furche verläuft wie die erste meridional und steht zu dieser senkrecht. So sind vier gleich grosse Zellen gebildet (Fig. 3 u. 4). -Dieselben lassen in der durch den animalen und vegetativen Pol bestimmten Hauptaxe des Embryos einen axialen Raum frei, der die erste Andeutung der Furchungshöhle darstellt. Eine jede der vier Zellen berührt nämlich die beiden Nachbarzellen, aber nicht die gegenüberliegende. Dort, wo die Furchungshöhle sich am animalen Pole er a mod Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. .175 trichterförmig öffnet, kann man des üftern noch eines oder auch zwei Richtungskörperchen beobachten. Die dritte Furche verläuft äquatorial (Fig. 5 u. 6) oder, besser gesagt, parallel zum Aequator, denn sie liegt dem animalen Pole näher als dem vegetativen und zerlegt den Keim in vier grössere und vier kleinere Zellen, welche genau über einander liegen. Die Furchungs- höhle, welche in noch weiter entwickelten Stadien auf beiden Polen geöfinet erscheint, ist dort, wo sie von den kleinern Zellen um- schlossen wird, enger als im hintern Abschnitte. Der Keim ist nun- mehr vierstrahlig gebaut; aber eine bestimmte Beziehung der Qua- dranten zu spätern Embryonaltheilen lässt sich nicht feststellen. Die beiden folgenden Furchen treten gleichzeitig zuerst am ani- malen Pole auf und zerlegen die vier kleinen Zellen in acht nahezu voll- ständig gleich grosse. Man wird sich aber bei der Durchmusterung einer grössern Anzahl derartiger Stadien leicht überzeugen können, dass in den meisten Fällen die Theilung der vier Zellen nicht überall vollständig gleichzeitig vor sich geht, und auch in dem in Fig. 7 abgebildeten Falle erkennt man, dass eine Zelle noch nicht vollkommen durchfurcht ist. Während dieser Theilungen weichen die innern Zellränder der acht neugebildeten animalen Zellen, die zu einem Kranze angeordnet erscheinen, ein wenig weiter von der Hauptaxe des Embryos zurück, so dass daselbst die Furchungshöhle wieder weiter wird, während sie im untern Abschnitte keinerlei Veränderungen erfährt. Gewöhnlich dehnen sich die Furchen erst dann auf die vier vege- tativen Zellen aus, wenn alle vier animalen vollständig getheilt sind. Oft aber bemerkt man, wie in Fig. 7, dass eine oder die andere Furche bereits etwas früher hinübergreift. In Fig. 3 sieht man ein Stadium in seitlicher Betrachtung, in welchem die dem Beschauer zugekehrte vegetative Zelle sich bereits zur Theilung anschickt, während die Nachbarzellen noch ruhende Kerne besitzen und an ihrer Peripherie noch keine Einkerbungen erkennen lassen. Auf dem folgenden Stadium sind die eben besprochenen meridio- nalen Furchen bis zum vegetativen Pol vorgedrungen, so dass nun- mehr 16 Zellen gebildet sind: 8 grössere und 8 kleinere, die zu je einem Kranze angeordnet über einander liegen. In den Fig. 9 und 10 ist der 16-zellige Embryo abgebildet. Die durch die letzten Fur- chen zur Sonderung gelangten Zellen sind durch Pfeile mit einander verbunden. Die 8 animalen Zellen liegen noch genau über den vege- tativen, 176 OSWALD SEELIGER, Die folgende Furche verläuft äquatorial und zerlegt die 8 klei- nern Zellen am animalen Pole in 16 nahezu gleiche Theile (Fig. 11 u. 12). Der Embryo besteht demnach aus 24 Zellen, die in drei über einander liegenden Kränzen angeordnet erscheinen. Ich habe die voll- ständig gleichmässige Anordnung der Zellen über einander, wie sie aus Fig. 11 erhellt, nur unmittelbar nach dem Auftreten der zweiten Aequatorialfurche beobachten können, wenn noch die Furchungshöhle am animalen Pole durch einen allerdings bereits verengten Schlitz nach aussen sich öffnet, während am vegetativen die 8 grossen Zellen einen verhältnissmässig weiten Oeffnungsraum frei lassen. Nachdem die Theilung der animalen Zellen vollendet ist, und oft schon, während sie sich vollzieht, verschieben sich die neugebildeten Blasto- meren, um den vollständigen Verschluss der Oeffnung am animalen Pole zu bewirken. Dieser vollzieht sich ziemlich rasch, oft schon auf dem Stadium von 24 Zellen, bevor noch die 8 grossen vegetativen Zellen sich getheilt haben. Wenn 32 Zellen gebildet waren, sah ich ausnahmlos den Embryo am animalen Pole geschlossen. Die Verschiebung der animalen Zellen erfolgt nicht in allen Embryonen in vollständig gleicher Weise. Bald ist es eine kleine animale Zelle, welche mehr oder minder genau in die Hauptaxe rückt und, während die andern Zellen sich dicht um sie herumlagern, den Verschluss bewirkt; bald wieder rücken alle 8 vordern Zellen gegen die Hauptaxe vor, bis sie an einander stossen und die Oefinung ver- schliessen. Da die Bewegung der Zellen nicht überall die gleiche ist, erklärt es sich, dass man bei der Betrachtung einer grössern Zahl solcher Stadien vom animalen Pole aus sehr verschiedene Bil- der sieht. In Fig. 13 habe ich eine solche Abbildung gegeben. Der Keim setzt sich aus 26 Zellen zusammen, denn zwei der 8 vegetativen haben sich bereits durch eine neu auftretende Aequatorialfurche getheilt. Um das Verständniss zu erleichtern, sind je zwei Zellen, die durch Theilung aus einander hervorgegangen sind, durch Pfeile mit einander verbunden worden. Die beiden in der Figur nach oben gekehrten Zellenpaare sind durch Theilung von zwei vegetativen Blastomeren entstanden. Die animalen Zellen sind in der Hauptaxe zur Verwach- sung gelangt, während am vegetativen Pole noch eine unregelmässig geformte Oeffnung der Furchungshöhle besteht, die in der Zeichnung durch einen schwächeren Contour begrenzt erscheint. Das nun folgende Stadium von 32 Zellen entsteht aus dem vier- undzwanzigzelligen durch eine die 8 grossen vegetativen Zellen zer- Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. (7 legende Aequatorialfurche. Wie schon aus der eben gegebenen Be- schreibung der Abbildung 13 folgt, tritt diese Furche nicht immer an allen 8 Zellen vollkommen gleichzeitig auf. Auch bei der Durch- musterung von zahlreichern Exemplaren jüngerer Stadien hat man häufig Gelegenheit, zu bemerken, dass diese oder jene Zelle und deren Derivate den benachbarten und gleichwerthigen in der Ent- wicklung bald etwas vorauseilen, bald zurückbleiben. Endlich aber erstreckt sich die dritte Aequatorialfurche auf alle 8 vegetativen Zellen und theilt dieselben in 16, die verschiedene Grösse besitzen. Die 8 dem vegetativen Pole zugekehrten sind grösser als die andern (Fig. 15), welche von den animalen Zellen bezüglich ihres Volumes nicht wesentlich verschieden sind. Der in Fig. 15 abgebildete optische Durchschnitt durch ein solches Stadium zeigt in Folge der oben er- wähnten Verschiebungen der Zellen am animalen Pole fünf Zellen, deren mittelste in der Hauptaxe den Verschluss der Furchungs- höhle bewerkstelligt hat. Am vegetativen Pole besteht noch immer eine Oeffnung. In Fig. 14 ist die vegetative Region des Embryos gezeichnet. Man sieht, dass noch immer, wie es früher der Fall war, alle 8 Zellen an der Begrenzung des schlitzförmigen Spaltes Theil nehmen, dass aber die regelmässige Lagerung in einem Kranze bereits gestört erscheint, da eine Zelle gegen den animalen Pol zu beträcht- lich verschoben ist, während eine Nachbarzelle sich über diese hin- wegschiebt und die Oeffnung einengt. So wie auf dem animalen Pole findet man auch auf dem vegetativen bezüglich der gegenseitigen Lagebeziehung der daselbst befindlichen Zellen mehrfache individuelle Verschiedenheiten, die aber sämmtlich dahin gerichtet sind, die Oeff- nung der Furchungshöhle zum Verschluss zu bringen. Auf dem folgenden, in Fig. 16 abgebildeten Stadium von 48 Zellen ist der Verschluss erfolgt und zwar lediglich durch geeignete Ver- schiebung der 8 untern vegetativen Zellen, ohne dass sie sich bereits weiter getheilt hätten. Man sieht aber, dass eine derselben, den an- dern in der Entwicklung vorauseilend, sich bereits zur Vermehrung anschickt, wie die hantelförmige Gestalt des Kernes beweist. Die 16 animalen Zellen dagegen, die ursprünglich in zwei Zellenkränzen zu je S angeordnet waren, sind sämmtlich getheilt. Die Furchen, durch welche ihre Theilung erfolgte, lassen sich auf Meridianfurchen zurück- führen, obwohl dies bei manchen Zellen in Folge der frühern oder während und nach der letzten Theilung stattfindenden Verschiebungen kaum sicher nachweisbar ist. Der Keim hat auf diesem Stadium bereits den Formwerth einer Zool. Jahrb. VI. Abth. f. Morph. 12 178 OSWALD SEELIGER, 3lastula erreicht und besitzt nahezu Kugelform. Die vollständig ge- schlossene Furchungshöhle erscheint in der Richtung der Hauptaxe in Folge der Grössenverschiedenheit der animalen und vegetativen Zellen ein wenig zusammengedrückt. In einem weitern Entwicklungsstadium sind auch die vegetativen Zellen sämmtlich getheilt, so dass 64 Blastomeren gebildet erscheinen, die aber durchaus nicht gleiche Grösse besitzen. Die vegetativen Pol- zellen der Blastula sind merklich grösser als die des gegenüber- liegenden Poles. Der in Fig. 17 abgebildete optische Durchschnitt zeigt den vegetativen Pol ein wenig abgeflacht. PERRIER hat ein ähnliches Stadium beobachtet und die Abflachung als den Beginn der Gastrulaeinstülpung aufgefasst. Es ist jedoch diese Abflachung eine rein zufällige, welche dadurch hervorgerufen worden ist, dass die oft in grössern Mengen den Pinnulis aufsitzenden Embryonen durch den gegenseitigen Druck ihre Formen beeinflussen. In den jüngern Stadien, in welchen die Furchungshöhle kleiner, die Zellen grösser und wider- standsfähiger sind, ist dies viel weniger merklich als in den letzten Blastulastadien, wenn eine weite Furchungshöhle von einem dünn- wandigern Epithel umschlossen wird. Man findet dann, da die Lage der Embryonen auf der Oberfläche der Pinnulen eine verschiedene sein kann, an allen möglichen Stellen der Blastulen Einkerbungen und Ab- flachungen, die viel bedeutender sein können als die abgebildete. Es empfiehlt sich daher, zur Untersuchung solche Embryonen zu wählen, die von den benachbarten durch einen möglichst grossen Zwischen- raum getrennt sind, so dass eine gegenseitige Beeinflussung der äussern Form unmöglich gemacht wird. Solche Embryonen zeigen dann auch, wenn sie gut conservirt sind, nahezu Kugelform. Oft ist es aber auch die Seite des Embryos, welche der Pinnulaoberfläche anliegt, die durch eine innigere Verbindung mit derselben ein wenig abgeflacht ist. Der hier abgebildete Fall hatte hierin seinen Grund. Ich habe nur con- servirtes Material dieses Stadiums untersucht und weiss daher nicht, inwieweit ich für Abweichungen von der Kugelform die angewendeten Reagentien mit verantwortlich machen muss. Im Hinblick auf die Vorsicht, mit welcher ich die Embryonen behandelte, glaube ich aber, dass dies, wenn überhaupt, nur in sehr beschränktem Maasse der Fall sein kann. Die weitern Theilungen der einzelnen Blastulazellen habe ich nicht mehr im Besondern verfolgt. Sie vollziehen sich aber auch nicht mehr mit der Regelmässigkeit wie bisher, und man findet leicht Exemplare, in welchen diese oder jene Zelle den andern in der Ent- Studien zur Entwicklungsgeschiehte der Crinoiden. 179 wicklung vorauseilt. In Fig. 15 gebe ich die Abbildung einer Bla- stula, welche sich aus ungefähr 128 Zellen zusammensetzt. Bei der Betrachtung dieses Embryos vom animalen Pole aus bemerkt man, dass einige Zellen dieser Region bereits zu weitern Theilungen schreiten und einige dieselben bereits ausgeführt haben, so dass die Zahl der Zellen etwas mehr als 128 beträgt. Der abgebildete Durchschnitt ist aus den oben erörterten Gründen nicht vollkommen kreisförmig. Wie schon frühere Beobachter bei andern Echinodermen bemerkt haben, pflegen die Zellen der Blastula, wenn sie sich zur Theilung anschicken, kugelähnliche Gestalt anzunehmen. Nach Vollendung der Theilung verwandeln sich die Tochterzellen wiederum in längere Prismenzellen. Es schien mir ziemlich ausnahmslos bei diesen Kern- theilungen ein Wechsel in der Chromatinmenge aufzutreten in der Weise, dass nach der Theilung in den Tochterkernen sich zunächst das Chromatin verringert, um sich erst später wieder zu vermehren, wenn eine neue Theilung sich einleitet. Ein ähnliches Verhalten ist auch in spätern Stadien zu bemerken, und ich werde dann Gelegen- heit finden, auf diese Frage zurückzukommen. — Neben der bisher beschriebenen normalen Furchungsart habe ich an einigen Eiern, die zwischen ganz normal sich entwickelnden auf denselben Pinnulis lagen, die ersten Vorgäuge sich in etwas ab- weichender Weise vollziehen sehen. Ich habe diese Embryonen nicht weiter gezüchtet als bis zum zweiten Tage, an welchem ich eine grössere Zahl abnormal entwickelt und theilweise im Zerfall begriffen fand. Es scheint demnach, dass die eigenthümlichen Furchungserscheinungen, mit welchen die Entwicklung anhebt, zu keiner vollständig ausge- bildeten Form führen können, obwohl nach Abschluss der dritten Furche das gleiche Formstadium ‚erreicht ist wie in der normalen Entwicklungsart. Abnormer Weise theilt nämlich die erste Furche das Ei in zwei mehr oder minder merklich verschieden grosse Stücke (vgl. Stadium Ifa im umstehenden Holzschnitt Fig. A). Die zweite, zur ersten senkrecht gerichtete Furche tritt zuerst an der kleinen Zelle auf und halbirt dieselbe (Fig. 4A, Taf. 12), um erst später auf die grosse Zelle überzugreifen und auch diese in zwei gleich grosse Theile zu zerlegen (Fig. 4B, Taf. 12, IIla im Holzschnitt Fig. A). Das vierzellige Stadium unterscheidet sich demnach dadurch von dem der normalen Entwicklung, dass nur je zwei Zellen gleiche Grösse besitzen, während im letztern alle Zellen gleich gross sind. Die dritte Furche steht auf den beiden ersten senkrecht und theilt sowohl die beiden kleinen als 127 180 OSWALD SEELIGER, zn Da — Fig. A. Schematische Darstellung der beiden verschiedenen Furchungsarten bis zum achtzelligen Stadium. Der animale Pol ist überall nach oben, der vegetative nach unten gekehrt. J, IV einzelliges und achtzelliges Stadium, II, III zwei- und vierzelliges Sta- dium der normalen Furchung, seitlich gesehen. Ila, IIla abnormales zwei- und vier- zelliges Stadium. die beiden grossen Zellen in je zwei gleiche Stücke, so dass vier srössere und vier kleinere gebildet sind, welche, zu zwei Platten an- geordnet, über einander liegen (IV im vorstehenden Holzschnitte). Dieses Stadium stimmt vollständig mit dem in Fig. 6, Taf. 12, abge- bildeten überein, das auf eine andere, oben beschriebene Weise aus der Eizelle entstanden ist. Stadium II und UI im vorstehenden Holzschnitte vergegenwärtigen nochmals diesen Vorgang. Unter der Voraussetzung der vollkommenen Gleichartigkeit der Zellen in dem Achterstadium beider Entwicklungsreihen ergiebt sich aus der Ver- gleichung der schematischen Abbildungen sofort als der einzige Unter- schied der, dass in der abnormalen Furchung eine zeitliche Ver- schiebung des Auftretens der Furchen stattfindet: die Aequatorialfurche, die sonst als die dritte erscheint, zeigt sich als die erste vor den beiden andern. Worin die Ursache hiervon zu suchen sei, vermag ich nicht anzugeben. Dass die ersten Phasen des Furchungsprocesses nicht an allen Eiern einer Echinodermenart in völlig gleicher Weise verlaufen, ist eine schon mehrfach erwähnte Thatsache. Nach For (30) und O. Herr- wıG (43) sind die ersten Furchungskugeln bei Strongylocentrotus lividus das eine Mal vollständig gleich gross, das andere Mal durch deutliche Grössenunterschiede ausgezeichnet. Auch nach SELENKA’S Untersuchungen (80) sind die ersten Blastomeren bei Seeigeln manch- mal verschieden, meistens aber gleich gross, und bei Holothuria tubu- eS eee ee OR, ı 7 VENEN WEN. — _ Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 181 losa zerlegt nach ihm (79) die erste Furche ebenfalls das Ei in zwei gleich grosse oder mehr oder minder verschieden grosse Theile. In ähnlicher Weise fand auch Lupwic (58) bei Asterina gibbosa die beiden ersten Blastomeren mehr oder minder merklich verschieden und im Verlaufe des Furchungsprocesses mehrfache Unterschiede. Wie in der abnormalen Entwicklung bei Comatula folgt in der normalen dieses Seesterns dem zweizelligen ein dreizelliges Stadium, indem zu- nächst nur die kleinere Zelle durch eine Meridianfurche in zwei Theile zerlegt wird. Während aber in den von mir bei Comatula beobachteten Fällen die Furche auf die grosse Zelle allmählich übergreift, wird diese letztere bei Asterina durch eine zweite Meridianfurche, welche auf der erstern senkrecht steht, getheilt. Auch von den von Lupwia beschriebenen Verschiebungen der vier Zellen der Asterina ist bei Comatula nichts zu bemerken, und es lässt sich daher bei dieser leichter feststellen, was dort nur wahrscheinlich ist, dass die auf einem spätern Stadium sich einstülpenden Zellen der Blastula aus dem Materiale der grössern der beiden ersten Blastomeren sich aufbauen, obwohl zwischen diesen ein Unterschied in der Zusammensetzung des Dotters nicht nachweisbar war. Es scheint demnach ein allgemeineres Verhalten bei den Echinodermen zu sein, dass da, wo die erste Furche ungleiche Theilstücke erzeugt, aus dem kleinern das äussere, aus dem grössern das innere und mittlere Blatt sich bilden, wenngleich der äquatoriale Verlauf der ersten Furche nicht so scharf bemerkbar ist wie bei Co- matula. Auch aus andern Thierstämmen sind Beobachtungen dafür bekannt geworden, dass der Furchungsprocess bei verschiedenen Eiern derselben Art merkliche individuelle Verschiedenheiten schon in seinem ersten Beginne aufweisen kann. Um nur ein Beispiel zu erwähnen, erinnere ich an die Angaben von CLaus, HAECKEL und GÖTTE über die Furchung von Aurelia, bei welcher die beiden ersten Blastomeren ähnliche Grössenverhältnisse aufweisen wie bei Comatula. — Die ersten Furchungsstadien wurden bereits vor einem Viertel- Jahrhundert von THomson (90) beschrieben. Es sind aber nur wenige Angaben, welche er macht, die die Vorgänge so weit ganz richtig dar- stellen, wie sie am lebenden Object untersucht werden können. Die spätern Furchungsstadien sind nicht behandelt, und die Entwicklungs- vorgänge, die sich in dem aus einer grössern Zahl dicht an einander gefügter Zellen zusammengesetzten Embryo vollziehen, sind in so vollständig verkehrter Weise aufgefasst, dass man sich in der That mit PERRIER wundern muss, wie solche Angaben Beifall und An- erkennung haben finden können. THomson hat die Furchung richtig 182 OSWALD SEELIGER, als eine totale erkannt, bei welcher die erste Ebene durch die Lage der Richtungskörperchen bestimmt ist. Einzelheiten über die folgenden Vorgänge sind nicht angegeben, und als Resultat der Furchung nennt Taomsox gleich ein Maulbeerstadium. Bald nachher aber sollen die Zellgrenzen zuerst in der peripheren, dann auch in der centralen Partie des Keimes schwinden und dieser sich in eine structurlose Sar- codeschicht verwandeln, welche eine centrale, schleimflüssige Proto- plasmamasse umschliesse. Perrier hat sich in seiner grossen entwicklungsgeschichtlichen Arbeit über die Comatula (70) mit dem Furchungsprocesse nicht be- schäftigt. Nur ein einziges Stadium beschreibt und bildet er ab (p. 119, tab. 9, fig. 72, 73), welches von dem von mir in Fig. 17 gezeich- neten nicht wesentlich verschieden sein dürfte. Leider stimmen Be- schreibung und Abbildung nicht vollkommen mit einander überein. PERRIER findet gleich mir die Furchungszellen verschieden gross und glaubt, dass die grössern, welche den abgeflachten Pol einnehmen, zur Einstülpung bereit seien. Wie ich oben bereits erwähnt habe, sind solche Abflachungen nur zufällig entstanden und werden gar nicht so selten auch am gegenüberliegenden Pole angetroffen, ohne mit dem Gastrulationsprocesse etwas gemeinsam zu haben. Die genauesten Angaben über den Furchungsvorgang hat von den frühern Autoren BaArroıs (6) gemacht. Das 8-zellige Stadium zer- fällt durch zwei Meridianfurchen in 16 Zellen, von denen je 8 zu einer im Centrum durchbrochenen Platte angeordnet sind. Dann treten zwei Aequatorialfurchen auf, welche 32 Zellen zur Sonderung bringen. Die dem vegetativen Pol genäherte Furche zerlegt die 8 Zellen in ungleiche Stücke, da die am Pole liegenden Zellen grösser sind als die 8 andern, welche den übrigen 16 der animalen Hälfte gleichen sollen. Von den 32 Zellen der Blastula sind also 24 kleiner, 8 grösser. Das ist natürlich nur dann möglich, wenn bereits auf dem 8-zelligen Stadium eine Grössenverschiedenheit besteht, die BArrors aber nicht erwähnt. Während der folgenden Theilungen, die nicht näher verfolgt wurden, sollen dann die Grössenunterschiede zwischen den Zellen wieder ausgeglichen werden, so dass, weil gleichzeitig die beiden Oeffnungen an den Polen sich geschlossen haben, eine vollkommen typische Archiblastula entstanden ist. Diesen Angaben stehen die Mittheilungen von Bury (9) gegen- über, nach welchen die Furchung vollkommen äqual verläuft. Un- gleichheit zwischen den Blastomeren trete nur in abnormalen Fällen ein; nach 12 Stunden sei eine vollständig geschlossene Archiblastula té" he à Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 183 gebildet. So früh, wie PERRIER annahm, etwa auf einem Furchungs- stadium von 64 Zellen, beginne niemals die Gastrulation. Meine eigenen Beobachtungen, die ich oben mitgetheilt habe, stimmen am besten mit BARROIS’ Angaben überein, nur dass ich das unmittelbar der Gastrula vorhergehende Blastulastadium nicht aus durchaus gleichartigen Zellen zusammengesetzt fand, sondern am vege- tativen Pole eine etwas bedeutendere Grösse der Zellen feststellen konnte. Auch sah ich den inäqualen Furchungscharakter etwas aus- geprägter, als sich dies aus Barrors’ Mittheilung, die allerdings die ersten Entwicklungsvorgänge nicht besonders ausführlich behandelt, ergiebt. Ich fand nämlich stets die Zellen am animalen Pole den vegetativen in der Theilung etwas voraneilen. Die vierte und fünfte meridional verlaufenden Furchen treten zuerst am animalen Pole auf, und im 16-zelligen Stadium sieht man zuerst die animalen und dann erst die vegetativen Zellen durch eine Aequatorialfurche zerlegt werden. Uebrigens habe ich bereits darauf hingewiesen, dass man unbedeutende individuelle Verschiedenheiten antrifft, da nicht immer alle Zellen, die durch eine Furche zerlegt werden sollen, vollkommen gleichzeitig sich theilen. Tiefgehender sind die Unterschiede meiner und Bury’s Befunde. Ich habe nun keine Veranlassung, an der Richtigkeit von Bury’s An- gaben zu zweifeln, denn ich wüsste nicht, wie er dazu gelangen sollte, so nachdrücklich eine vollkommen äquale Furchung zu behaupten, wenn er sie nicht gesehen hätte, und ein Irrthum ist in dieser Sache doch nicht so leicht zu begehen. Dem mir etwa zu machenden Ein- wande, dass die inäquale Furchung, die ich beobachtet habe, nur eine pathologische Erscheinung gewesen sei, muss ich aber dadurch be- gegnen, dass ich erkläre, dass die übrigen Embryonen des Thieres, welche nicht conservirt wurden, in ganz normaler Weise zu frei- schwimmenden Larven sich entwickelten. Ebensowenig kann man natürlich annehmen, dass etwa eine völlig reguläre Furchung pathologisch sei, und somit bestehen denn so ausserordentlich weitgehende indi- viduelle Verschiedenheiten der Entwicklungsweise der’ Comatulen in Triest und Neapel. Vielleicht mögen sie zum Theil dadurch mit be- dingt sein, dass in Neapel die Entwicklung während der Wintermonate beobachtet wurde, während ich erst am 29. Mai und in den ersten Tagen des Juni bei abnorm hoher Temperatur der Luft und des Wassers die ersten Furchungsstadien antraf. Bemerkenswerth sind dann weiterhin die Angaben von Barrois, der in Villafranca und Toulon im April die Furchung untersuchte und in gewisser Weise 184 OSWALD SEELIGER, zwischen Bury und mir einen vermittelnden Standpunkt einnimmt, indem er, was auch LupwiG für Asterina angiebt, durch inäquale Furchung eine aus durchaus gleichartigen Zellen zusammengesetzte Blastula hervorgehen lässt. Alle neuern Angaben stimmen aber in dem wesentlichen Ergebnisse überein, dass bei Crinoiden sowie bei den andern Echinodermen das Resultat der Furchung nicht erst eine Morula, sondern eine Blastula ist. I. Die Bildung des Urdarmes und des Mesenchyms (Gastrulation). (Taf. 13, Taf. 14, Fig. 36—44; Stunde: 7—26.) Den Gastrulationsprocess sah ich kaum 7 Stunden nach dem Auftreten der ersten Furche beginnen. Einen Längsschnitt durch das jüngste Stadium, das ich auffand, sieht man in Fig. 19 abgebildet. Es erscheint eine der am vegetativen Pole gelegenen Zellen als Ento- dermzelle in die Furchungshöhle eingestülpt. Bei Untersuchung der ganzen Schnittserie findet man noch eine zweite eingestülpte Zelle. Bald folgen andere Zellen nach, und so ist am vegetativen Pole eine schmale und später langgestreckte, etwa !/, des Umfanges des Keimes einnehmende Rinne gebildet, von deren Rändern aus die Einstülpung des Entoderms erfolgt nach Art einer embolischen Gastrula, deren Zellen noch verhältnissmässig sehr gross sind. Mit dem Auftreten eines schlitzförmigen Blastoporus geht der ein- axige Embryo wiederum in einen zweistrahlig symmetrisch gebauten über. Ich bin aber ausser Stande, aus der Beobachtung der rein morphologischen Vorgänge zu bestimmen, ob die den Körper in die spiegelbildlich gleichen, beziehungsweise congruenten Theile zerlegenden Ebenen nunmehr die nämlichen sind wie vordem, weil auf den monaxonen Zwischenstadien ein Festhalten der ursprünglichen Medianebene” unmöglich ist. Jedoch halte ich es für nicht unwahr- scheinlich, dass sich derartige Beziehungen werden feststellen lassen. Auf einem Schnitt durch einen andern, zur gleichen Zeit con- servirten Embryo (Fig. 20), der auf einer andern Pinnule desselben Thieres sass, sieht man bereits eine grössere Zahl von Zellen einge- stülpt. Es fällt sofort auf, dass die beiden Randzellen des Blasto- porus einander völlig genähert sind, so dass derselbe äusserlich nur durch eine ganz seichte, nicht einmal eine Zelle tiefe Furche gekenn- zeichnet ist. Ich habe aber dieses Verhalten nicht immer in der gleichen Weise angetroffen, sondern manchmal auch auf diesem Sta- “ge. ¢ -¢* Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 185 dium die Randzellen, die sich zu beiden Seiten des Blastoporus eben anschickten als Entodermzellen einzurücken, durch einen schmalen Zwischenraum vollständig getrennt gefunden. Zwei Längsschnitte durch ein weiteres, fast achtstündiges Stadium, auf welchem sich sowohl die Ectodermzellen als die ein- gestülpten Entodermzellen durch Theilung vermehrt zeigen, findet man in Fig. 21 und 22 abgebildet. Mit voller Deutlichkeit erkennt man aus denselben die Bildung der Gastrula durch Invagination. Das Lumen des Urdarmes stellt einen schlitzförmigen Spalt dar; der Blastoporus ist überaus eng und an einer Stelle (Fig. 22) durch Annäherung zweier gegenüberliegender Zellen seiner Ränder ganz verschlossen. Die Furchungshöhle ist wie auf den vorhergehenden und nach- folgenden Stadien durch eine eiweisshaltige Substanz erfüllt. Die- selbe findet sich bei Echinodermen sehr allgemein vor und wurde von HENSEN (42) als ,,Gallertkern‘‘ bezeichnet. Ueber die Beschaffenheit dieser Masse bei Comatulaembryonen kann ich nichts Bestimmtes aussagen, da ich sie im lebenden Embryo nicht untersucht habe. Bei Asterina leugnet Lupwie ihre gallertartige Beschaffenheit, während sie SELENKA für Ophioglypha behauptet und, wie es scheint, diesen Befund verallgemeinert wissen möchte. In Fig. 23 ist ein Schnitt durch die Mitte eines zehnstün- digen Embryos abgebildet, der in Folge zahlreicher Zelltheilungen aus einer beträchtlich grösseren Zahl von Zellen sich zusammensetzt. Sowohl unter den Ectoderm- wie Entodermzellen herrscht die Pris- menform vor; die erstern sind höher als die letztern. Die Kerne der Ectodermzellen liegen in den äussern Hälften, oft der Peripherie sehr nahe; in den Entodermzellen finden sie sich vorwiegend in der Mitte und in den Zellen, welche in Folse der ausserordentlich starken Krümmung des Entodermblattes Pyra- midenform erhalten haben, in dem verbreiterten Zellende, sei es gegen das Lumen des Urdarmes, sei es gegen die primäre Leibeshöhle gerichtet. Beide Blätter sind einschichtig, was aller- dings infolge der geringen Grösse und Kugelgestalt des Embryos nur auf den Mittelschnitten der Serien deutlich hervortritt. Neben den Prismenzellen zeigt der Schnitt im Ectoderm noch eine Anzahl kugel- ähnlicher Zellen getroffen, welche an der Aussenseite gelegen sind und an der Begrenzung der primären Leibeshöhle nicht Theil nehmen, denn über ihnen wölben sich die prismatischen Nachbarzellen zusam- men. Wir werden diese Elemente später noch genauer kennen lernen: 186 OSWALD SEELIGER, es sind das Ectodermzellen, welche sich zur Theilung anschicken, diese eben ausführen oder bereits vollendet haben. In ähnlicher Weise sind schon von zahlreichen frühern Beobachtern, besonders von METSCHNIKOFF (65) und KORSCHELT (49), auf dem Blastulastadium von Echinodermen zwischen den Cylinderzellen kürzere und stärker abgerundete nachgewiesen worden, welche zur Theilung schreiten. In diesen Fällen scheinen sie aber stets die Furchungshöhle zu be- grenzen, und ihre Nachbarzellen gelangen über ihnen nicht zur voll- ständigen Berührung. Solche Fälle, in welchen zwei derartig umge- formte Ectodermzellen neben einander liegend angetroffen wurden, haben zur Ansicht Veranlassung gegeben, dass das Mesenchym der Echinodermen von zwei Urmesodermzellen aus seine Entstehung nehme. Einen Schnitt durch die Region der Einstülpung eines ähnlichen Stadiums findet man in Fig. 24 abgebildet. Es sind inzwischen wie- derum Zelltheilungen erfolgt. Die Elemente des einschichtigen Ecto- derms sind hohe Prismenzellen, die des Entoderms zeigen eine bedeu- tend gedrungenere Gestalt. Das Lumen, welches die letztern um- schliessen, hat immer noch die Gestalt eines langgestreckten, stark zusammengedrückten Spaltraumes. Man erkennt das am besten, wenn man den Embryo von der Blastoporusseite betrachtet, wie es in der Abbildung Fig. 25 geschehen ist. Da fällt sofort auf, dass eine durch den Blastoporusschlitz parallel zur Hauptaxe gelegte Ebene den Körper nicht in zwei spiegelbildliche Hälften zerlegt, sondern dass die Me- dianebene senkrecht zu einer solchen steht. Der Blastoporus ist also, wie schon Barrors mit Recht hervorgehoben hat, quer gestellt. Aller- dings sind die beiden Theile, wie sich schon aus der Abbildung er- giebt, nie vollkommen spiegelbildlich gleich ; meistens ist zudem durch den gegenseitigen Druck und andere äussre Einwirkungen die ideale Kugelform des Embryos an dieser oder jener Stelle im Ectoderm zerstört. Wenn ich oben im Gegensatze zu der nunmehr bilateral sym- metrisch gebauten Gastrula das Anfangsstadium der Einstülpung als zweistrahlig symmetrisch beschrieben habe, so geschah das deshalb, weil ich die Blastoporusrinne so auftreten sah, dass sowohl durch sie selbst als auch senkrecht zu ihr Ebenen durch die Hauptaxe gelegt werden konnten, welche den Körper immer in zwei spiegelbildlich gleiche Theile, beziehungsweise in vier je paarweise congruente Qua- dranten zerlegten. Beide Pole einer jeden Queraxe waren also zu- nächst noch ganz gleichartig. Da aber die Entodermeinstülpung, wie Der = D Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 187 dies schon aus dem in Fig. 23 abgebildeten Schnitte deutlich ersicht- lich ist, nicht genau gegen das Centrum des Keimes zuwächst, so bringt sehr bald die durch den Blastoporusschlitz gelegte Ebene nicht mehr spiegelbildlich gleiche Theile zur Sonderung, denn die Polenden der auf ihr senkrecht stehenden Queraxe sind ungleich geworden. Damit ist eine bilateral symmetrische Form erreicht. Fig. 25 zeigt den Blastoporus bisquittförmig, aber auch in den Seitentheilen ein wenig schmäler, als sich bei tiefer Einstellung des Tubus das Darmlumen darstellt. Jedoch findet man bei der Durch- sicht einer grössern Zahl Embryonen diese Verhältnisse nicht durch- aus gleichartig. Es variirt die Gestalt des stets langgezogenen Blasto- porus im Einzelnen ebenso wie die des Urdarmes. In den folgenden Stunden, während des ganzen Verlaufes der ersten Nacht verharrt der Embryo auf dem Gastrulastadium. Die Zellen vermehren sich unter gleichzeitigen Formveränderungen, und im Entoderm bereitet sich die Mesenchymbildung vor. Fig. 26 stellt einen optischen Längsschnitt durch einen sechzehn Stunden alten Embryo dar, und in Fig. 27 ist derselbe von der Blasto- porusseite aus gezeichnet. Die Entodermeinstülpung erweist sich merk- lich vertieft, das Urdarmlumen immer noch spaltförmig. Der Blasto- porus besitzt die Form einer feinen Mondsichel, dessen concave Seite der Krümmungsrichtung des Gesammtdarmes entspricht, so dass an der gegenüberliegenden ein umfangreicherer Abschnitt der primären Leibeshöhle anzutreffen ist. An der diesem letztern zugekehrten Ur- darmwand sieht man in Fig. 27 eine Mesenchymzelle austreten. Wie schon auf dem vorhergehenden Stadium ist auch auf diesem weder die Form des Blastoporus noch die des Urdarmes stets durchaus die gleiche. Namentlich den blind endigenden Theil des Archenterons findet man häufig fast kreisrund und dann den Blastoporus viel weniger ver- engt und geradegestreckter, als es in diesen Abbildungen gezeich- net ist. Wie aus Fig. 27 zu entnehmen ist, habe ich die verschiedenen Körperregionen der bilateralen freischwimmenden Larve auf die Axen dieses Embryonalstadiums beziehen können, und zwar erscheint das blinde Ende des Urdarmes nach der späteren Bauchseite zu gekrümmt. ‘Da der Blastoporus am Hinterende liegt, ist dadurch auch Rechts und Links bestimmt. Ich werde später noch darauf hinweisen müssen, dass diese Beziehungen, obwohl im allerhöchsten Maasse wahrscheinlich zu- treffend, .doch deshalb auf unbedingte Gültigkeit keinen Anspruch machen können, weil man manchmal Embryonen älterer Stadien findet, 188 OSWALD SEELIGER, in welchen das vordere Urdarmende zweifellos der Rückenseite ge- nähert ist, um erst später endgültig der Ventralseite näher zu rücken- Danach braucht also, wie es scheint, die Urdarmausstülpung durchaus nicht immer schon auf dem hier behandelten Stadium nach der Bauch- seite gekrümmt zu sein. Nur mit einem gleichen Vorbehalt kann die Ventralseite des 16-stündigen Embryos (Fig. 27) auf die Seite des 10-stündigen (Fig. 23) bezogen werden, nach welcher der Urdarm ge- krümmt ist, denn dieser erscheint in Zwischenstadien oft geradege- streckt, so dass die spätere Krümmungsfläche mit der ersten nicht durchaus nothwendiger Weise identisch zu sein brauchte. Einen senkrecht zum Blastoporusschlitz geführten Längsschnitt durch einen 16-stündigen Embryo zeigt Fig. 23. Das Entoderm ist stärker sekrümmt als in dem oben beschriebenen Falle. Um über die ver- schiedenen Zellformen, welche diesen Keim zusammensetzen, vollstän- digen Aufschluss zu erhalten, habe ich eine Anzahl dickerer Schnitte angefertigt und dieselben in die einzelnen Zellen durch die Eingangs erwähnte Methode aufgelöst. Es lässt sich so leicht feststellen, was man sonst nur auf einigen wenigen der mittelsten Schnitte nachweisen kann, dass das Ectoderm durchaus, das Entoderm bis auf eine kleine Zone am blinden Ende einschichtig sind. Eine Anzahl Ectodermzellen, die auf diese Weise isolirt wurden, sieht man in Fig. 29 abgebildet. Links liegt eine Gruppe von 4 Zellen, welche in abnehmender Grösse angeordnet erscheinen. Diese Zellen entstammen der den Blastoporus begrenzenden Region, und ihre Tochter- zellen werden sich später zum Theil wohl noch einstülpen und in Entodermzellen umwandeln müssen. Eine Zelle ist kleiner und reicht nicht bis zur Leibeshöhle; sie ist aus einer kugelähnlichen, eben durch Zweitheilung entstandenen Zelle hervorgegangen, hätte sich in einem spätern Stadium verlängert und wäre ihren Nachbarzellen gleich ge- worden. Die beiden isolirten Zellen b und ¢ erscheinen durch den gegenseitigen Druck mit den Nachbarzellen von der Prismenform be- deutend verschieden. Vielleicht stellt ce nur ein weiteres, m Um- wandlung zu einer Prismenzelle begriffenes Stadium dar, ähnlich dem in a gezeichneten. In der Gruppe d fällt sofort die grosse Kugel- zelle auf, welche an der äusseren Ectodermseite gelegen ist. Es ist das eine der schon oben erwähnten, in Theilung begriffenen Zellen. Man sieht die spärlichen Chromatinelemente in zwei Platten ange- ordnet, welche weiterhin nach verschiedenen Seiten auseinanderweichen. Ein weiter vorgerücktes Theilungsstadium, in welchem bereits zwei Kerne gesondert in dem noch ungetheilten Zelleibe liegen, zeigt Fig. 28 Studien zur Entwieklungsgeschichte der Crinoiden. 189 nahe dem animalen Pole. Es hält nicht schwer, alle Uebergangsstadien bis zur vollendeten Theilung aufzufinden. Die der Kugelzelle in d benachbarten grossen Prismenzellen besitzen an ihrem äusseren Ende mehr oder minder grosse Ausschnitte, welche zusammen genau zur Aufnahme jener passen. Ich habe in e eine derartige Zelle gezeichnet, welche einen vollständig halbkugelförmigen Ausschnitt besitzt und im optischen Durchschnitte das äussere Ende zu einer feinen Spitze aus- gezogen zeigt. Wenn die Theilzellen der Kugelzelle sich wieder aus- dehnen und in Prismenzellen verwandeln, ändern auch die Nachbarzellen ihre Formen, so dass das Ectoderm vollkommen geschlossen und lückenlos erscheint. Auf Flächenschnitten durch das Ectoderm, deren einer in Fig. 30 abgebildet ist, erweisen sich die Zellen vorherrschend als fünf- oder sechsseitige ungleichmässige Prismen. Zuweilen findet man in solchen Schnitten die Kerne der Prismenzellen selbst in Theilung be- griffen, wie das die Mittelzelle der Abbildung zeigt. Daraus lässt sich schliessen, dass die Ectodermzellen sich nicht sämmtlich erst in Kugel- form zu verwandeln brauchen, um zur Theilung zu gelangen, wie man das für die Blastulazellen der Echiniden anzunehmen geneigt ist. Wie schon aus Fig. 28 zu entnehmen war, zeichnen sich die Ento- dermzellen durch eine kürzere und gedrungenere Körperform aus (vgl. Fig. 31d). Daneben findet man zahlreiche schlankere Prismen- zellen, die aber ebenfalls durchaus kürzer sind, als die im Ectoderm, und vielfach zwei durch Theilung eines Mutterkernes entstandene Nuclei besitzen. Diese Kerne liegen in der Weise angeordnet, dass der eine dem Darmlumen, der andere der Leibeshöhle zugekehrt ist und dass demgemäss eine in gleichem Sinne erfolgende Zelltheilung das eine Theilstück von der Begrenzung der Urdarmhöhle ausschliesst. Diese der Leibeshöhle zugekehrten Zellen, die Anfangs mit dem Ento- derm eng verbunden sind, stellen die Mutterzellen des Mesenchyms dar und finden sich zuerst am blinden Ende des Archenterons. Zwischen diesen Zellen bemerkt man ungefähr gleich hohe Elemente (a), welche gegen die Leibeshöhle zu ausserordentlich verdickt, gegen das Darm- lumen zu in eine feine Spitze ausgezogen erscheinen. Ich glaube, dass die Mehrschichtigkeit des Entoderms, welche zur Mesenchymbildung führt, nicht nur durch die oben erwähnten parallel zur Fläche erfolgenden Theilungen der Zellen bedingt ist, sondern auch durch das Austreten der eben beschriebenen Zellen aus dem epithelialen Verbande des Entoderms. In Isolationspräparaten habe ich nämlich alle Uebergangs- formen bis zu typischen Mesenchymzellen auffinden können und zwei derselben in Fig. 31b und ¢ gezeichnet. Der zwischen den Ento- 190 OSWALD SEELIGER, dermzellen steckende Fortsatz erscheint verkürzt und wird füglich vollständig eingezogen, während die Zelle gleichzeitig den epithelialen Verband aufgiebt. Die typische Mesenchymzelle, die in der primären Leibeshöhle dem Entoderm dicht anliegend angetrofien wird, ist stark abgerundet. Einen Kern konnte ich überall, wo ich eingehend danach gesucht habe, nachweisen. Es war mir das insofern von Bedeutung, als METSCHNIKOFF und KORSCHELT bei Seeigeln unter den allerdings schon im Blastulastadium auswandernden Mesenchymzellen eine Anzahl kern- loser Elemente zeichnen. Wie schon METSCHNIKOFF für Asteriden und Echiniden hervorgehoben hat, sind Theilungen von Mesenchymzellen auf diesem ersten Stadium seltener anzutreften als später, und ihre Zahl vergrössert sich anfänglich vornehmlich durch neue Auswanderung In Fig. 32 habe ich einige Stadien abgebildet, welche trotz der ver- hältnissmässig schwachen Vergrösserung, bei welcher sie entworfen wurden, das Vorkommen von Theilungen der noch dicht dem Ento- derm anliegenden Mesenchymzellen überzeugend darstellen. In a sind die chromatischen Elemente zu einer Kernplatte in der Mitte der Spindelfigur angeordnet, in b sieht man das Auseinanderweichen der beiden Tochterplatten, in c endlich sind zwei ruhende Kerne in dem noch gemeinsamen, erst unvollständig getheilten Zelleibe zu erkennen, Einen Embryo von neunzehn Stunden zeigen die Figuren 33 und 34 abgebildet. Während der vorhergegangenen Zelltheilungen sind die Ectodermzellen kürzer, die Gesammtschicht also dünner geworden, und da der Embryo an Grösse gar nicht oder nur ganz unbedeutend zugenommen hat, mussten sich am Blastoporusrande Ectodermzellen in die Tiefe stülpen, so dass der Urdarmsack umfangreicher geworden ist und die primäre Leibeshöhle vollständig bis zum animalen Pole hin durehsetzt. Diese nach und nach eingestülpte Region erscheint in Fig. 33 von trichterförmigem Querschnitte, und an ihrer Basis trifft man die dicht an einander gepressten Blastoporusränder des vorhergehenden Stadiums, die immer noch die schlitzförmige, ge- krümmte Gestalt erkennen lassen (Fig. 34). Bei der Untersuchung dieses einzigen Stadiums könnte man sich leicht veranlasst fühlen, die Grenze der beiden primären Keimblätter an diese verengte Stelle zu verlegen, die zuletzt eingestülpten Zellen zu den frühern in einen Gegensatz zu bringen und dem Ectoderm zuzurechnen. Es würde sich aber eine solche Auffassung aus dem ganzen Verlaufe der Entwick- iung nicht rechtfertigen lassen, denn der Process der Invagination ist mit dem ersten Einrücken der am vegetativen Pole gelegenen Zellengruppe PES io PAC al REEL u Aa ral. VOUS ER Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 191 noch nicht zum Abschlusse gelangt, sondern auch weiterhin findet unausgesetzt der nämliche Vorgang statt bis zum Verschlusse des Urmundes. Da aber inzwischen die zuerst eingestülpten Zellen und die äussern sich etwas verschieden differenzirt haben, gleichen die später einwuchernden den erstern nicht vollkommen. Entscheidend aber ist der Umstand, dass späterhin ein Ausgleich dieser Verschieden- heiten stattfindet und ein einheitliches Entoderm anzutreffen ist, welches alle eingestülpten Zellen umfasst. In Fig. 35 ist ein Querschnitt durch einen gleich alten Embryo abgebildet; er zeigt das vordere Entodermende im Gegensatze zu der Mehrzahl der Fälle fast kreisf6rmig. Die Entodermzellen reichen nicht an allen Stellen von der Leibeshöhle bis zur Urdarmhöhle, son- dern stellenweise findet man das Entoderm zwei- und mehrschichtig, und die äussern Zellen sind es dann, welche, wie oben beschrieben, als Mesenchymzellen auswandern. Die Ectodermzellen sind kleiner und demgemäss auf dem Querschnitte zahlreicher geworden; zwischen den Prismenzellen liegen an der Aussenseite die abgerundeten, in Thei- lung begriffenen. In den meisten Ectodermzellen ruhen die Kerne im äussern Drittel des Plasmakörpers, in manchen allerdings bereits in der Mitte oder sogar schon in der innern Hälfte. — Während der folgenden Stunden nimmt namentlich die Bildung des Mesenchyms vom innern Blatte aus ihren Fortgang, während am Blastoporus immer noch, wenn auch nur in beschränktem Maasse, der Einstülpungsprocess statthat. Es lassen sich bei diesen Vorgängen zahlreiche individuelle Verschiedenheiten beobachten, nicht nur unter den Embryonen der verschiedenen Thiere, sondern auch unter denen, welche auf derselben Pinnula einer Comatula sitzen. In den Figg. 36 und 37, Taf. 14, sind zwei Schnitte durch einen vierundzwanzigstündigen, durch schlitzförmig verengten Blasto- porus ausgezeichneten Embryo abgebildet. Fig. 36 stellt einen nahezu me- dianen Längsschnitt, Fig. 37 einen Querschnitt dar, der unfern des blinden Urdarmendes geführt wurde. In andern Embryonen desselben Mutter- thieres war dagegen der Urmund fast kreisförmig oder schwach elliptisch, manchmal auch sehr unregelmässig geformt, wie dies be- reits BARROIS erwähnt hat. Die Schnitte zeigen, dass die Zellen des Ectoderms in Folge von Theilungen merklich kleiner geworden sind. Zwischen den prismatischen Zellen, deren Kerne fast überall in die Mitte oder die innere Hälfte hinübergewandert sind, liegen an der Aussenseite die abgerundeten in Theilung begriffenen oder aus der Theilung eben hervorgegangenen Elemente. Wichtiger sind die Ver- 192 OSWALD SEELIGER, änderungen im Entoderm, von welchem überaus zahlreiche Meso- dermzellen hervorknospen. Bei einer grossen Zahl Embryonen findet dieser Process, wie es Fig. 36 zeigt, nahe der Medianebene überall, selbst dicht am Blastoporus statt, während seitlich diese hintere Re- gion des Urdarmes durchaus einschichtig bleibt. Bei Embryonen anderer Thiere sah ich dagegen das Mesoderm ausschliesslich von einer beschränkten Region nur am blinden Ende des Urdarmes sich bilden. In den Figg. 33—40 sind Ansichten solcher sechsundzwanzig Stunden alter Embryonen gezeichnet. Fig. 38 zeigt den Embryo von der Blastoporusseite aus. Der Urmund ist bei diesem und fast allen andern Individuen oval, mehr oder minder’ langgestreckt, aber niemals von so ausgeprägt schlitzförmiger Gestalt wie in den oben beschriebenen Fällen. Das Urdarmlumen ist stets ansehnlich weit. Der in Fig. 39 gezeichnete mediane Längsschnitt entstammt einem Embryo, dessen Blastoporus elliptisch, etwa 1!/, mal so lang war, wie auf dem gezeichneten Durchschnitte seine Breite sich zeigt. In Fig. 40 ist ein lateraler, nahe der Hauptaxe geführter Längsschnitt abgebildet. Der Blastoporus dieses Embryos war klein, fast kreisförmig und nur in zwei Schnitten der Serie deutlich zu er- kennen. Bei der Vergleichung dieser Abbildungen mit den vorher- gehenden fällt sofort auf, dass das Mesenchym nur vom blinden Urdarm- ende seinen Ursprung nimmt und viel weniger umfangreich in ein- zelnen isolirten oder nur locker verbundenen Zellen die primäre Leibeshöhle durchsetzt. Um die Zellformen in den einzelnen Keimblättern deutlicher zu erhalten, habe ich eine Anzahl etwas dickerer Schnitte durch Embryonen von 24—26 Stunden in die einzelnen Elemente aufgelöst. In Fig. 41 sieht man zwischen den prismatischen Ectodermzellen eine kugelförmige, in Theilung begriffene. Bei der Vergleichung dieser Abbildung mit Fig. 29, die bei derselben Vergrösserung gezeichnet ist, tritt sofort die auffallend bedeutendere Grösse der Ectodermzellen des jüngern Stadiums hervor. Da aber beide Embryonen fast die gleiche Grösse haben, erklärt sich der Verlust des Volumens der Ectodermschicht während der Ent- wicklung genügend durch den inzwischen weitergeführten Invaginations- vorgang am Blastoporusrande, durch welchen das innere Blatt ver- grössert und in den Stand gesetzt wurde, Mesenchymzellen zu liefern In Fig. 42 habe ich einige Zellen der Urdarmwand mit einigen be- nachbarten eben ausgetretenen Mesenchymzellen, in Fig. 43 einige ent- ferntere, frei in der primären Leibeshöhle liegende, zum Theil in Ver- mehrung begriffene Mesodermzellen gezeichnet. Auch hier beweisen N VE À u ds à era eee ee Me Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 193 ihre Grössenunterschiede gegenüber den in Fig. 31 u. 32 gezeichneten Zellen, dass inzwischen Theilungen stattgefunden haben. Fig. 43 B endlich stellt eine durch weitere Theilung hervorgegangene Mesenchym- zelle eines 28-stündigen Embryos dar. Ich darf nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, was sich übrigens leicht aus den gegebenen Abbildungen dieser Stadien namentlich bei der Betrachtung vom Blastoporus aus ergiebt, dass die Bilateralität des Embryos auffallend gestört erscheint, da sich die beiden seitlichen Enden des Urdarms ungleich verhalten. Ausnahms- los ist das spätere linke dem Ectodern näher gelagert als das an- dere, so dass nach erfolgter Mesenchymbildung daselbst die Mesodermzellen weniger zahlreich anzutreffen sind als auf der gegenüberliegenden Seite. Ich möchte diesen Abschnitt nicht beschliessen, ohne einen sehr eigenthümlich geformten Embryo besonders erwähnt zu haben, den ich ein einziges Mal aufgefunden und in Fig. 44 abgebildet habe. Der Embryo sass zwischen ganz normal entwickelten 81/, Stunden alten Blastulastadien. Da ich alle Eier stets gleichzeitig austreten sah, muss ich annehmen, dass auch der fragliche Embryo gleiches Alter besitzt. Es fiel mir sofort die stark langgestreckte Gestalt auf, und bei näherer Untersuchung zeigten sich bei einer viel bedeutendern Zellenzahl zwei gastrulaartige Einstülpungen und an deren blinden Enden eine kleine Anzahl Mesenchymzellen. Beide Blastopori waren schlitz- förmig und standen fast rechtwinklig zu einander. In der Deutung dieses Befundes kann ich mich nur unsicher äussern. Zunächst ist zu beachten, dass, abgesehen von der Duplieität der Einstülpungen, normaler Weise erst in der doppelten Zeit, also nach 16—17 Stunden die Entwicklung bis zu einem ähnlichen Stadium vorgeschritten ist (vgl. Fig. 26, 27, Taf. 13), in welchem dann auch die Zellen annähernd gleiche Form und Grösse erlangt haben. Ich glaubte diesen Embryo durch Doppelbefruchtung erklären zu müssen, indem ich mich der älteren Angaben von For (30) und O. HERTwIG (44) über doppelt und mehrfach befruchtete Echinodermeneier erinnerte. Neuerdings scheint allerdings HERTwIG seine frühere Auffassung fallen gelassen zu haben, und auch die von For beschriebenen Monstrositäten haben von METSCHNIKOFF eine andere Deutung erfahren; ob freilich mit Recht, möchte ich nicht bestimmen. METSCHNIKOFF (65) beschreibt für Astropecten: „Es bildet sich nach der Dotterzerklüftung eine eigen- thümliche, mehrfach gefaltete Blastula, welche allmählich die Eihaut Zool. Jahrb. VI. Abth. f, Morph. 15 194 OSWALD SEELIGER, auszieht, um sich dann abzurunden und die gewöhnliche Blasenform anzunehmen. Solche gefalteten Blastulae, welche bei beiden Astropecten- arten ganz regelmässig und normal erscheinen, gleichen vollkommen den von FOL bei Asterias glacialis gefundenen Monstruositäten, die er als ,,polygastrées“ bezeichnet. Auch bei Astropecten bilden sich dabei nicht nur gewöhnliche Faltungen, sondern sackartige Vertiefungen, ganz nach Art einer Gastrulation; nur haben diese Bildungen freilich nichts mit der letzteren gemein, zumal sie auch zu einer ganz andern Zeit entstehen. Die Falten sowohl als die eingestülpten Säcke gleichen sich allmählich aus, und man bekommt, wie ich sagte, eine reguläre blasenförmige Blastula, welche sich dabei stark vergrössert. Nur in Ausnahmefällen, bei monströsen Larven, bleiben einige Säcke bestehen ; sie verlängern sich dann und verbinden sich kanalartig, so dass man bisweilen eigenthümliche Bipinnarien erhält, bei welchen ein durch mehrfache Oeffnungen nach aussen mündendes Canalsystem, ähnlich wie bei einigen Spongien, zu beobachten ist“ (p. 660). Ich habe oben bereits erwähnt, dass auch die Blastulen der Coma- tula durch gegenseitigen Druck oft gefaltet sein können, aber eine Verwechselung mit solchen Fällen ist schon deshalb ausgeschlossen, weil einmal die Zellformen in der Blastula ganz andere sind, wie das die Abbildungen deutlich zeigen, und zweitens auch das Mesenchym an zwei Stellen auftritt. Ob aber der fragliche Embryo wirklich durch Doppelbefruchtung eines Eies entstanden ist, hätte vielleicht die Zählung der Chromosomen der Kerne ergeben können. Allein die Conservirung war gerade in dieser Beziehung nicht derartig, dass ich sie hätte ausführen können. Nimmt man mit Boverr (8) an, dass die Zahl der Chromo- somen in beiden Vorkernen des befruchteten Eies stets die gleiche (= a) ist und zwar die Hälfte der in den Furchungskernen (= 2a) befindlichen beträgt, so wird in einem doppelt befruchteten Ei die Chromosomen- zahl eine andere sein müssen. Nach den übereinstimmenden Angaben Herrwic’s und For’s theilen sich die beiden männlichen Vorkerne in die Substanz des weiblichen, so dass sofort zwei Furchungskerne ent- stehen. In welcher Weise die Theilung des weiblichen Pronucleus er- folgt, lässt sich aus den vorliegenden Beschreibungen nicht mit Gewiss- heit entnehmen, Aber ich habe keinen Anhaltspunkt dafür, dass etwa im weiblichen Vorkerne eine Längsspaltung der Chromosomen erfolge und in jedem weiblichen Theilkerne wieder die nämliche Zahl vorhanden sein sollte. Dann lägen nämlich in den beiden Furchungskernen un- gleichartige Chromosomen neben einander, indem die weiblichen bereits eine Theilung durchgemacht hätten, die männlichen aber nicht. Es pends pbs Abe -eé je Saas, à FORT El ve re ER ta a Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 195 scheint mir vielmehr wahrscheinlicher, die vorliegenden Angaben in der Weise zu deuten, dass die halbe Zahl der Chromosomen des weib- lichen Vorkernes sich mit dem einen, die andere mit dem andern männlichen Vorkerne verbinde. Bei einer eventuellen ungleichen Chromosomenzahl würden dann die beiden Hälften nicht vollkommen gleich ausfallen. Demgemäss enthielte ein jeder Furchungskern des doppelt befruchteten Kies 5 + a, des normal befruchteten dagegen 2a Chromosomen. Es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass ich an sehr zahlreichen Embryonen zwischen der 13. und 17. Stunde ihrer Ent- wicklung an der dem Blastoporus gegenüberliegenden Stelle, manchmal! auch diesem mehr genähert, eine zweite Einstülpung ganz nach Art einer Gastrulation auftreten sah, welche bis an den Urdarm sich vor- streckte und in einigen Fällen dessen Blindende aus der normalen Lage brachte. Die Embryonen selbst besassen die gewöhnliche Kugel- gestalt. In den 24-stündigen Stadien war aber diese zweite Ein- stülpung ausnahmslos wieder verschwunden, und die Embryonen ent- wickelten sich in normaler Weise zu freischwimmenden Larven, genau so wie diejenigen, welche diese secundäre Falte im Ectoderm nicht gebildet hatten. Abgesehen von der geringeren Grösse und der Kugel- gestalt, zeigten also diese Embryonen ähnliche Erscheinungen wie der oben beschriebene, in Fig. 44 abgebildete. Wenn ich aber diese Fälle nicht als gleichwerthig betrachte, so geschieht es deshalb, weil der letztere erstlich durch die überaus rasche Entwicklungsweise eine besondere Beachtung erforderte, und weil zweitens von beiden Enden der Einstülpungen aus das Mesenchym sich bildete, so dass eine spätere Rückbildung einer der beiden Einstülpungen nicht angenommen werden kann. Eine Gastrula der Crinoiden wurde zuerst von GÖTTE beschrieben. Gegenüber den älteren Angaben von W. THOMSON, war es immerhin ein wesentlicher Fortschritt, wenn GörrtE den Nachweis führte, dass der Comatulaembryo sich in ganz ähnlicher Weise aus Zellenschichten zusammensetze wie der der übrigen Echinodermen. Die wirkliche Gastrula hat er aber nicht gesehen, vielmehr die Einstülpung des Fetoderms, welche das Vestibulum bildet und welche man sehr unzweck- mässig „Larvenmund‘ genannt hat, für den Urdarm gehalten. Er be- schreibt nämlich das jüngste von ihm beobachtete Stadium als tonnen- 13 * 196 OSWALD SEELIGER, förmig, mit vier querverlaufenden Wimperreifen versehen und giebt an, dass es auf der einen Längsseite, der spätern Bauchseite, die vermeintliche Gastrulaeinstülpung zeige. Die primäre Leibeshöhle zeichnet und be- schreibt GÔTTE auf diesem Stadium als mit Mesenchymzellen erfüllt. Wie schon Bury betont hat, besitzt aber die Gastrula niemals Wimperreifen, sondern diese bilden sich erst weit später, wenn das abgeschnürte Urdarmsäckchen sich in eine Anzahl secundärer Bläschen getheilt hat, welche weiterhin Darmkanal, Wassergefäss-System und Enterocöl ent- stehen lassen. Vermuthlich hat GüTre mit schlecht conservirtem Materiale gearbeitet und vielleicht auch nicht vollständige Schnittserien erhalten, so dass er die eigentlichen entodermalen Epithelien hat völlig übersehen können. Dass GöTTE in der That uur die letzten Embryo- nalstadien kurz vor dem Ausschwärmen der Larven untersucht und als Gastrulen gedeutet hat, geht nicht nur aus dem Vorhandensein der Wimperreifen hervor, sondern auch aus der Lage und Form seiner vermuthlichen Gastrulaeinstülpung. Denn solange der Blastoporus besteht, knospen vom Entoderm die Mesenchymzellen, so dass ersteres auf Schnitten niemals gegen die Leibeshöhle so scharf abgegrenzt er- scheint, wie es GÖTTE darstellt. Wohl aber zeigt sich in einer solchen Weise die spätere Vestibulareinstülpung. Sodann soll die vermeint- liche Entodermeinstülpung auf einer Längsseite des tonnenförmigen Embryos stattfinden, wo, wie später gezeigt werden wird, in Wirklichkeit das Vestibulum liegt. Die beiden spätern Autoren Barrors und Bury haben zuerst die wirkliche Gastrula der Comatula beobachtet und den Vorgang der Einstülpung und der Mesenchymbildung in allen wesentlichen Punkten richtig dargestellt. Bury beginnt seine Darsteilung mit der bereits gebildeten Gastrula, welche der von mir in Fig. 23 gegebenen Ab- bildung entspricht. Während ich aber dieses Stadium bereits 10 Stunden nach Auftreten der ersten Furche antraf, sahen Barroïs und Bury die Gastrula erst erheblich später, nach 24 Stunden gebildet. Aehn- liche Differenzen bestehen bezüglich der Mesenchymbildung. Ich habe in 16-stündigen Embryonen ausnahmslos, oft schon in 13-stündigen die ersten Mesenchymzellen angetroffen. Bury beschreibt das Austreten der Mesodermzellen in Larven vom Ende des zweiten Tages, aber seine Fig. 2 zeigt schon ein vorgeschrittenes Stadium. Noch später scheint Barros die Mesodermzellen auftreten gesehen zu haben, denn er er- wähnt, dass dieser Process erst während des Verschlusses des Blasto- porus am blinden Urdarmende von einer hufeisenförmigen Stelle aus erfolge. EIN » ö ITS rl Ne LA À DR Far Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 197 Die vorliegenden Befunde über den Vorgang der Entoderm- und Mesenchymbildung bei den Crinoiden stimmen vollkommen mit den bei den übrigen Echinodermen auftretenden Erscheinungen überein. Die Gastrula erfolgt durch Invagination, und das Mesoderm bildet sich vom Entoderm aus. Bei den Echiniden und Ophiuren wandern schon im Blastulastadium Zellen vom vegetativen Pole, an welchem später die Invagination erfolgt, aus, um als amöboide Wanderzellen die pri- märe Leibeshöhle zu durchsetzen. Die Zurückführung sämmtlicher auswandernder Mesenchymzellen auf zwei Urmesodermzellen, welche Mesodermstreifen bilden, wie sie SELENKA (80, 81) und FLEISCHMANN (28) nach dem Vorgange HATscHer’s (40) annehmen zu müssen glaub- ten, ist durch METSCHNIKOFF (65) und KorscHELT (49) als irrthüm- lich erwiesen worden und scheint dadurch hervorgerufen, dass jene Autoren die sich verkürzenden und abgerundeten, zur Theilung schrei- tenden Blastulazellen als Stammzellen des Mesenchyms in Anspruch genommen haben. Etwas später, nachdem bereits die Invagination begonnen hat, wandern bei Holothuria tubulosa (79) die Mesodermzellen aus, während bei Synapta das Austreten erst dann erfolgt, wenn die Entodermein- -stülpung eine bedeutendere Tiefe erlangt hat. In einem ganz ähn- lichen Zeitpunkte bilden sich bei den Asteriden aus den Zellen des blinden Entodermendes die Wanderzellen aus, wobei nur zu bemerken ist, dass nach METSCHNIKOFF’s Angaben diese Zellen bei Astropecten bereits zu Plattenzellen geworden sind, bevor ihre Umbildung zu Mesodermelementen erfolgt. Dass hier zahlreiche Entodermzellen aus- wandern, ist durch die Untersuchungen des letztgenannten Forschers ausser Zweifel gestellt. Bei den Crinoiden tritt das Mesenchym ebenfalls nach Beginn des Gastrulationsvorganges auf, aber früher als bei Asteriden, da die Entodermzellen noch einen mehr indifferenten Charakter haben, noch dotterreich sind und prismatische Gestalt besitzen. Allerdings währt die Mesenchymbildung aus dem Entoderm bei Comatula beträchtlich längere Zeit und findet auch später noch statt, wenn der Blastoporus sich längst geschlossen hat. Ich brauche wohl nicht erst besonders hervorzuheben, dass sich meine Befunde mit den Angaben über das Auftreten von zwei Urmesodermzellen bei Echiniden nicht vereinigen lassen, dass vielmehr überaus zahlreiche Entodermzellen vornehmlich vom obersten blinden Ende austreten. Die einen der durch Theilung aus einander hervorgegangenen Zellen bleiben entodermal, die andern werden Mesenchymzellen. Diese unterscheiden sich von denen der 198 | OSWALD SEELIGER, meisten andern Echinodermen durch eine weniger ausgeprägte amö- boide Beweglichkeit, was mit der verhältnissmässig weniger umfang- reichen primären Leibeshöhle dieser Stadien im Zusammenhange stehen mag. Fast alle Zellen sieht man stets mehr oder minder abgerundet. Durch die später austretenden Mesenchymzellen werden die erstern, indem gleichzeitig der Invaginationsvorgang weiterschreitet, gegen die innere Seite des Ectoderms zu geschoben. Die beschriebenen Vorgänge der Mesenchymbildung bei Comatula unterscheiden sich wesentlich von den Angaben GREEFF’S (36) für Asterias rubens, von BERGH für Echinus miliaris, denen zufolge an allen beliebigen Stellen und nicht nur vom vegetativen Pol aus Zellen aus dem Epithelverbande sich loslösen und zu mesodermalen Wanderzellen werden können. Ebensowenig lassen sie sich mit KowALEwsky’s Darstellung (51) der Spaltung des Ectoderms in zwei über einander liegende Schichten, deren innere das Mesenchym bilden soll, in Ein- klang bringen. Der ganze hier geschilderte Process der Keimblätterbildung der Crinoiden und meisten übrigen Echinodermen steht im Gegensatze zu den Angaben über die Entwicklung der Amphiura squamata, bei der nach den übereinstimmenden Uutersuchungen von APOSTOLIDES (3), FEWKES (26) und einer neuern Angabe von Russo (74) das Entoderm durch Delamination entstehen soll. Auf einen gleichen Vorgang vom Ecto- derm aus führt der letzte Autor auch das Mesenchym zurück. Das Auf- treten der Delamination sucht er aus dem Fehlen einer freischwimmenden Blastula zu erklären. Es ist aber nicht zutreffend, wenn er, wie ich aus seiner Ausführung entnehmen zu müssen glaube, eine Invagina- tionsgastrula nur bei freischwimmenden Blastulen der Echinodermen auftreten lässt. Bei Comatula erfolgt sie, wie wir gesehen haben, auch in dem von der Membran umschlossenen Embryo, der dem Mutterthiere aufsitzt. III. Der Verschluss des Blastoporus. (Taf. 14, Fig. 45, 46. Stunde 26 —36.) Schon in den zuletzt beschriebenen Stadien, die 24 bis 26 Stun- den alt waren, fanden wir den Blastoporus merklich verengt. In den folgenden Stunden schreitet dieser Process weiter vor, und 36 Stun- den nach Beginn der Furchung sehe ich in allen Embryonen mit nur äusserst wenigen abnormalen Ausnahmen den Blastoporus geschlossen und den Urdarm als ein isolirtes Säckchen. Der Embryo ist während dieser Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 199 Zeit sowie im vorhergehenden Stadium fast kugelförmig; seine Haupt- axe ist inzwischen etwas grösser geworden als die des Eies und misst im Durchschnitt 0,27 mm. Da, wo der Blastoporus in jüngern Embryonen einen schmalen Schlitz darstellte, erfolgt der Verschluss in zwei verschiedenen Weisen. In dem einen Falle beginnt er an dem einen Ende und schreitet gegen das andere zu vor; in andern wieder schliesst er sich von bei- den Enden aus. Da aber der Verschluss in der Mehrzahl der Fälle auf beiden Seiten nicht ganz genau gleich rasch vorschreitet, so liegt füglich meistens der letzte Rest des Blastoporus nicht vollständig genau in der Hauptaxe. Die Verschlusstelle kann man im’ Ectoderm noch längere Zeit als eine rinnenförmige, flache Vertiefung nachweisen. Sie ist in erster Linie bedingt durch die geringere Grösse der Ecto- dermzellen im Bereiche des ursprünglichen Blastoporus, sodann durch eine leichte Einkerbung gegen die Leibeshöhle zu. Erst eine Zeit lang nach der Abschnürung des Entoderms verschwindet die Rinne, indem einmal die Zellgrössen sich ausgleichen, sodann auch die Einker- bung schwindet. Die Abflachung der Rinne erfolgt von den nämlichen Enden aus wie der Verschluss des Blastoporus; schliesslich kann man . nur noch eine dellenförmige Grube über der Stelle finden, an der zu- letzt noch die feine Blastoporusöffnung vorhanden war, bald aber ist auch von dieser Grube nichts mehr zu sehen. Inzwischen hat der Urdarm die Gestalt eines zusammengedrückten Säckchens angenom- men, und zwar ermöglicht die Gegenwart der Rinne an Stelle des alten Blastoporus, festzustellen, dass die Comprimirung in der Rich- tung der Hauptaxe erfolgt ist. In Fig. 45 und 46 habe ich zwei Querschnitte durch derartige Embryonen abgebildet. Fig. 45 ist einem 33'/, Stunden alten Embryo entnommen und stellt einen fast median geführten Schnitt dar. Der Blastoporus ist vollständig geschlossen und sein Verlauf durch die Rinne kenntlich, die sich auf 9 Schnitten nachweisen liess. Das Ecto- derm ist vom Entoderm getrennt, nur in dem einzigen hier abgebil- deten Schnitte der Serie war der Zusammenhang nachweisbar. Be- züglich der histologischen Beschaffenheit der einzelnen Keimblätter findet man im Wesentlichen die gleichen Verhältnisse wie auf dem vorhergehenden Stadium, nur sind alle Zellen in Folge der inzwischen eingetretenen Theilungen kleiner geworden. Im Ectoderm hat die Wanderung der Kerne nach den inneren Zellenden Fortschritte ge- macht. Zwischen den langen, feinen Prismenzellen liegen an der Aussenseite die abgerundeten, in Theilung begriffenen. Die Entoderm- 200 OSWALD SEELIGER, zellen haben sehr verschiedene Gestalt und Länge; einige an den Seitenrändern gelegene überragen ganz erheblich die längsten Ecto- dermzellen. An diesen Stellen sowie zum grössten Theile an der hin- tern, dem Ectoderm anliegenden Wand ist der Urdarm durchaus ein- schichtig und durch einen scharfen Contour gegen die Leibeshöhle zu abgegrenzt. Nur ganz vereinzelte Zellen verlassen in dieser Region das Entodermepithel, um zu Mesenchymzellen zu werden; dagegen findet dieser Vorgang an der vordern Seite des Urdarmes nahe der Medianebene unausgesetzt weiter statt. Die Mesodermzellen erfüllen den grössten Theil der Leibeshöhle, sind vorwiegend stark abgerundet und zeigen ruhende oder in Theilung begriffene Kerne. -Ein wenig weiter vorgeschritten ist die Sonderung des Urdarmes in dem in Fig. 46 abgebildeten Schnitte, obwohl der Embryo, dem er entnommen ist, eine Stunde jünger war als der eben beschriebene. Bemerkenswerth gegenüber dem vorhergehenden Stadium ist es, dass sich zwischen die hintere Urdarmwand und die Leibeswand Mesoderm- zellen eingeschoben haben. Die Rinne, welche den Verlauf des Blasto- porus anzeigte, ist hier bereits geschwunden und nur noch auf zwei oder drei Schnitten als eine kleine Vertiefung nachweisbar. Der Ur- darm reicht an dieser Stelle dicht an das Ectoderm heran, ohne aber mit ihm verwachsen zu sein. Hier war auch, der ursprünglichen Ein- stülpungsweise entsprechend, das spaltförmige Urdarmlumen radiär, also senkrecht zu der in Fig. 46 gezeichneten Richtung, gestellt. In andern gleich alten Embryonen war von der Rinne keine Spur mehr vorhanden, und der Verlauf des alten Blastoporus konnte am kugligen Körper nicht mehr sicher festgestellt wer- den. Das Körperende, an welchem er lag, bleibt zwar zunächst durch die benachbarte Lage des abgeschnürten Urdarmes leicht kenntlich, während am animalen Pole die Leibeshöhle mit Mesenchym- zellen erfüllt ist; aber die beiden Queraxen lassen sich öfters nicht mehr sicher nachweisen, und der Embryo zeigt dann abermals fast monaxonen Bau. Dieser erscheint nämlich nur dadurch gestört, dass das Urdarmsäckchen nicht genau central, sondern, wie ich allerdings nicht ganz ohne Vorbehalt feststellen konnte, ein wenig ventral und nach links zu verschoben liegt. Dadurch wird aber immerhin die Beziehung der Queraxen der jüngern Embryonalstadien auf die der bilateralen Larve etwas unsicher. In zahlreichen Embryonen blieb jedoch der abge- schnürte Urdarm in der der Queraxe und dem ursprünglichen Blasto- porusschlitze entsprechenden Richtung etwas mehr in die Länge ge- streckt und demnach die Bilateralität nachweisbar. Beide Arten E : Re RRS OO De rn Er ee ST ee, ee Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 201 ud Embryonen finden sich auf demselben Mutterthiere neben einander, und möglicherweise bildet, was ich bei der Untersuchung des conservirten Materiales nicht feststellen konnte, die erstere ein weiter vorgeschrit- tenes Stadium der letzteren. In übereinstimmender Weise beschreiben fast alle frühern Autoren den Verschluss des Blastoporus. Dass GÖTTE einen solchen behaup- ten konnte, hat, wie weiterhin zu ersehen sein wird, darin seine Ver- anlassung, dass auch die Vestibulareinstülpung zu einer bestimmten Zeit sich vollständig abschnürt. Barrois hat zuerst richtig erkannt und beschrieben, dass der Urdarm sich vollständig abschnüre und in der Nähe des ursprünglichen Blastoporus liegen bleibe. Bury schil- dert gleichfalls den Verschluss des Blastoporus, und in fig. 2 und 3 hat er zwei Stadien gezeichnet, welche meinen Abbildungen 39 und 46 entsprechen. Ferner hat er in fig. 55 ein Schema entworfen, wie er sich den Verschluss des Blastoporus vorstellt und wie die Axen der verschiedenen Stadien auf einander zu beziehen seien; danach würde der Blastoporus um mehr als 45° ausserhalb der Hauptaxe liegen. Im Text aber (9, p. 260) hat sich Bury über diesen Punkt nur unsicher ausgesprochen und seine Ansicht nur als eine Ver- muthung hingestellt. In der That haben wir gesehen, dass die Ver- hältnisse anders liegen und dass die Hauptaxe des Embryos durch den Blastoporus geht. Das abgeschnürte Urdarmsäckchen ist in der Richtung dieser Axe zusammengedrückt, während in jüngeren Stadien gerade senkrecht zu ihr eine Comprimirung sich bemerklich machte. Bezüglich des Zeitpunktes des Blastoporusschlusses weichen meine Befunde von den Angaben meiner Vorgänger ab. So wie ich die ge- gesammte Embryonalzeit kürzer fand, sah ich spätestens 36 Stunden nach Beginn der Furchung überall den Blastoporus vollständig ge- schwunden, während Bury das von mir in Fig. 46 gezeichnete 32!/, Stunden alte Stadium erst am dritten Tage, also frühestens nach 48 Stunden antraf. IV. Die Theilung des Urdarmes in Mesenteron, Peri- tonealblase und primäres Hydroeöl. (Taf. 14, Fig. 47—52; Taf. 15, Fig. 53—56. Stunde 36—60.) 1) Nachdem der Urdarm vollständig abgeschnürt ist, beginnt während der zweiten Nacht seine Theilung in zwei Abschnitte durch 202 OSWALD SEELIGER, eine senkrecht zur Hauptaxe des Embryos auftretende Ringfurche. In sämmtlichen 48 Stunden alten Embryonen ist am Morgen des dritten Tages die Zweitheilung des Archenterons weit vorgeschritten. Fig. 47 zeigt die Abbildung eines durch die Hauptaxe geführten Längsschnittes und lässt zwischen den beiden Entodermabschnitten einen ansehnlichen centralen Verbindungsgang erkennen. Dieser wird, je mehr die Ring- furche sich vertieft, desto feiner, um füglich ganz zu schwinden. Die letzten Reste der Communication liegen immer in der Hauptaxe oder doch wenigstens dieser sehr nahe. Stets fand ich die beiden Abschnitte bezüglich ihrer Grösse verschieden, wenn auch die Grössenunterschiede bei den verschiedenen Individuen wechseln und manchmal nur sehr unbedeutend sind. Der vordere Abschnitt ist der grössere und stellt die Anlage für Mesenteron und Hydrocöl dar, während aus dem hintern das Cölom hervorgeht. Nur beim allerersten Auftreten der Ringfurche erscheinen beide Abschnitte bei der Betrachtung von den Polen des Embryos aus bei der einen Varietät von fast kreisférmigem Durchschnitte oder bei der andern als zwei gleich gerichtete über einander liegende Ellipsen. Je mehr die Theilung der beiden Abschnitte vorschreitet, desto mehr prägt sich der Gegensatz zwischen diesen aus. Es ist zunächst der hintere Abschnitt, welcher in der dorso-ventralen Richtung stärker zusammenge- drückt, in der anderen, der lateralen und dem Verlaufe des früheren Blasto- porusschlitzes entsprechenden längsgestreckt erscheint und fast röhren- förmige Gestalt annimmt. Der vordere Theil umgreift dann ventral und dorsal mit seinen peripheren Rändern die Längswände des hintern, wie dies aus Fig. 48 zu erkennen ist, die einen medianen, also zu Fig. 47 senkrecht stehenden Längsschnitt durch einen 50 Stunden alten Embryo darstellt. Damit hat nunmehr der Embryo einen deutlich ausgeprägten bi- lateralen Bau erhalten, der sich weiterhin durch alle folgenden Stadien bis zur festsitzenden Pentacrinoidform sicher festhalten lässt. Die Hauptaxe, welche zur Längsaxe wird, konnten wir schon in den frühesten Fur- chungsstadien bestimmen. Der röhrenförmige hintere Entodermabschnitt verläuft von rechts nach links, und damit ist auch Ventral und Dorsal bestimmt. Die beiden letztern Seiten sind anfänglich (Fig. 48) fast gleich beschaffen, nur dass auf der einen Seite, der ventralen, das vordere Entodermsäckchen näher an das Ectoderm heranreicht als auf der gegenüberliegenden. Solche Unterschiede findeh sich auch in Folge des niemals ganz symmetrischen Baues rechts und links (Fig. 47). Sehr bald !prägt sich der bilaterale Typus schärfer aus, wenn die et, u. EEE ne a Tee a Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 203 Dorsal- und Ventralwand namentlich durch bestimmte Vorgänge im äussern Blatte immer auffallender sich unterscheiden. Während der Theilung des Archenterons wird die Zone, von welcher die Mesenchymzellen auswandern, kleiner. Sie ist füglich ein aller- dings auch in spätern Stadien noch nachweisbarer kleiner Bezirk der vordern Wand des obern Entodermsäckchens in unmittelbarer Um- gebung der Hauptaxe (Fig. 48). .An andern Stellen konnte ich nur bei einigen Embryonen ganz vereinzelte Zellen auftreten sehen. Es muss daher angenommen werden, dass die Mesodermzellen, welche sich zwischen Ectoderm und hinteres Säckchen einschieben, durch Theilung der bereits früher ausgetretenen entstanden sind. Die Formen und Grössen der Zellen in den drei Keimblättern, die wir zuletzt bei einem 26-stündigen Embryo kennen gelernt haben (Fig. 41—43), sind inzwischen merklich andere geworden. Sämmtliche Zellen haben sich vermehrt und an Grösse abgenommen, ebenso sind ihre Dotterelemente kleiner geworden und zum Theil bereits voll- ständig verbraucht. In Fig. 49 A u. B habe ich zwei Gruppen von Ectodermzellen aus zwei 50 Stunden alten Embryonen abgebildet, deren Ectodermschichten sehr verschiedene Dicke besassen. Nach aussen zu findet man so wie in den früheren Stadien zwischen den hohen Prismen- zellen, deren Kerne in den der Leibeshöhle zugekehrten Enden liegen, die kugelförmigen, in Theilung begriffenen Elemente. Aber auch an der der Leibeshöhle zugekehrten Seite sieht man, wenn auch nur weniger zahlreich, nachdem einmal die Kerne auf diese Enden der Zellen hinübergerückt sind, die sich theilenden abgerundeten Ectoderm- zellen. Y Fig. 50 zeigt je ein Stück aus der vordern und hintern Wand der Cölomblase desselben Embryos. Dieselbe ist wie alle andern epithe- lialen Gebilde des Embryos durchaus einschichtig, aber die einzelnen Zellen sind überaus mannigfach geformt. Auffallend sind auch hier wieder die Kugelzellen, deren Kerne Theilungserscheinungen zeigen. Jedoch ist das nicht der einzige Theilungsmodus, da man auch in den prismatischen Zellen zwei Kerne finden kann, welche durch Theilung eines Mutterkernes sich gebildet haben, während die Durchfurchung des Zelleibes noch nicht zum Abschlusse gelangt ist. In Fig. 51 sind eine Anzahl Zellen aus dem vordern Säckchen gezeichnet worden, wo die Formenverschiedenheiten noch bedeutender sind als in dem hintern. Die Theilungen erfolgen auch hier auf beide Weisen, indem einmal die zu theilende Zelle zunächst Kugelform annimmt, oder zweitens schon 204 OSWALD SEELIGER, in den prismatischen Zellen die Kerntheilung eintritt. Vom vordern Ende lösen sich die Zellen zum Theil als Mesenchymzellen ab. Endlich habe ich in Fig. 52 einige Mesenchymzellen gezeichnet. Viele unter denselben erscheinen, besonders wenn die Leibeshöhle dicht mit ihnen erfüllt ist, durch gegenseitigen Druck stärker poly- edrisch geformt, als es hier abgebildet ist. Worauf ich aber besonders hinweisen möchte, ist der auffallende Unterschied in der Chromatin- menge der Kerne während der verschiedenen Stadien der Mitose und der Ruhe. Ich habe einige solche Verschiedenheiten, soweit sie sich bei der angewendeten Vergrösserung bemerklich machen, in den Ab- bildungen wiedergegeben. Im Kerne der obern linken Zelle sieht man nur wenige sehr kleine Chromatinkörnchen in einen vollkommen un- gefärbten Kernsaft eingebettet; in der darunter liegenden Zelle sind die Chromatinkörner grösser und zahlreicher, und der gesammte Kern ist schwach gefärbt. Die beiden andern Zellen zeigen im Kerne die chromatischen Elemente zu einer Aequatorialplatte angeordnet, resp. die Theilung in die beiden Tochterplatten. In den chromatinarmen Stadien ist der Kern im immerhin noch dotterreichen Plasma nicht ganz leicht zu erkennen, und darauf mögen vielleicht die zahlreichen Abbildungen kernloser Mesenchymzellen zurückzuführen sein, welche die frühern Autoren gegeben haben, welche aber nicht zutrefiend sind. Ich habe mich jedoch nicht davon überzeugen können, dass auf einem be- stimmten Stadium das Chromatin im ruhenden Kerne vollständig schwinde. Auch in den Kernen der Entodermzellen kann man einen Wechsel in der Menge des Chromatins auf den verschiedenen Stadien fest- stellen, wenngleich die Schwankungen weniger beträchtlich sind als im Mesenchym. Im Ectoderm dagegen habe ich nur die gewöhnlichen Erscheinungen beobachten können: in jedem Tochterkerne zunächst die halbe Chromatinmenge des Mutterkernes und Regeneration des Chromatins im ruhenden Tochterkerne vor dessen Theilung bis auf das Maass des Mutterkernes. Im Anschlusse an die eben gegebene Darstellung möchte ich darauf aufmerksam machen, dass neuerdings von verschiedenen Seiten ein zeit- weilig völliges Schwinden resp. Unsichtbarwerden und Wiedererscheinen des Chromatins im Kerne festgestellt worden ist. Hrnxrna (41) hat in den beiden Tochterkernen der ersten Furchungsspindel und ebenso nach den folgenden Theilungen in den ersten Blastomeren des Embryos von Pieris brassicae und Musca vomitoria das Chromatin vollkommen schwinden sehen, und ein Aehnliches giebt Maupas für gewisse In- fusorienkerne an. Bevor aber die achromatischen Kerne sich zu fl Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 205 neuen Theilungen anschicken, werden in denselben die Chromatin- körner oder Schleifen aus der Substanz des Kernes neugebildet. 2) Auf dem folgenden Stadium streckt sich das hintere Cölom- säckchen immer mehr in seitlicher Richtung in die Länge. In der Mitte erscheint es bald etwas eingeschnürt, an den beiden Enden ver- breitert. Umgekehrt erweist sich der vordere Entodermabschnitt in dorso-ventraler Richtung etwas stärker gestreckt uud umfasst in die- ser mit nach hinten gebogenen Enden das hintere Säckchen. Bei den Ansichten von ‚den Polen der Hauptaxe aus erscheinen demgemäss die beiden Entodermblasen in kreuzähnlicher Form über einander. Die Bauchseite des Ectoderms zeichnet sich in fast allen Embryonen jetzt schon, manchmal freilich erst etwas später, durch Verdickung vor den andern aus. In Fig. 53, Taf. 15, habe ich ein aus zwei Querschnitten durch einen 58-stündigen Embryo combinirtes Bild gezeichnet. Der Durch- schnitt, der nahe dem vegetativen Pole geführt wurde, zeigt das hin- tere Säckchen, die Cölomblase, in seiner ganzen Ausdehnung; dorsal und ventral davon sind die umgreifenden Enden des vordern zu sehen. In der Abbildung sind diese Theile mit ihren histologischen Details eingezeichnet. Auf dem drei Schnitte weiter gegen den animalen Pol zu geführten Durchschnitte, der in der Zeichnung nur durch einen starken Contour umgrenzt ist, erscheinen das vordere Entodermsäckchen und das rechte Vorderende der Cölomblase getrofien. Dieses letztere reicht nämlich jetzt schon weiter nach vorn als das linke, was mit der später immer deutlicher anftretenden Verschiebung der beiden Cölomsäcke in Uebereinstimmung steht. Die Mesenchymzellen sind in der Leibeshéhle verhältnissmässig nur wenig zahlreich. Im Ectoderm, welches nach dem vordern Schnitte gezeichnet ist, fällt auf der Ven- tralseite eine breite Zone höherer Zellen auf. Die Stelle entspricht der- jenigen, an welcher später das Vestibulum sich einstülpt, wodurch die spätere Bauchseite unzweideutig bestimmt erscheint. Die histo- logischen Verhältnisse sind auf diesem Stadium die wesentlich gleichen wie auf dem vorhergehenden. Besonders bemerkenswerth ist der hier abgebildete Fall, weil, worauf ich oben schon hingewiesen habe, die aus dem abgeschnürten Urdarme entstandenen Säckchen nicht nach der Bauch-, sondern nach der Rückenseite verschoben erscheinen. 3) Merklich weiter entwickelt erweist sich der in Fig. 54 und 55 abgebildete Embryo, obwohl er erst 57 '!/, Stunden alt ist. Freilich waren andere Embryonen desselben Mutterthieres in ihrer Entwick- lung weiter zurückgeblieben, Es fällt sofort auf, dass der Keim 206 OSWALD SEELIGER, nicht mehr kugelförmig, sondern in der Richtung der Hauptaxe be- trächtlich in die Länge gestreckt ist. Es ist das aber keineswegs ein allen Embryonen dieses Stadiums in gleicher Weise charakteristisch zukommendes Merkmal, denn eine grosse Zahl hat bei gleicher innerer Organisation noch nahezu Kugelgestait bewahrt. Das Ectoderm zeigt sich schon jetzt nicht überall ganz gleichartig, sondern es beginnt bereits die Bildung der Wimperbogen. Bei einigen Embryonen dieses Alters konnte ich auf den Längsschnitten 4 Ringzonen und eine Ca- lotte unterscheiden, in welchen die Kerne leichter färbbar waren und dichter an einander lagerten als im übrigen Ectoderm. Diese Zonen sind jetzt noch breiter als die Zwischenzonen, während später ein um- gekehrtes Verhältniss statthat, auch verlaufen sie nicht so regelmässig, sind an verschiedenen Stellen verschieden breit und nur wenig deut- lich von den benachbarten Theilen abgehoben. Erst um die 60. Stunde wird in den Embryonen die Sonderung der Wimperreifen schärfer. Die Cölomblase zeigt sich in der Mittelpartie beträchtlicher ein- geschnürt, während die beiden Enden blasenförmig angeschwollen und namentlich nach vorn zu gewachsen sind. Die Form ist also eine ausgeprägt hantelförmige. Nur auf dem in Fig. 54 abgebildeten Längs- schnitte kann man den Verbindungsgang zwischen den beiden Seiten- abschnitten noch nachweisen; schon auf dem benachbarten (Fig. 55) sind die letztern ganz getrennt. Die beiden seitlichen Bläschen stellen jetzt zwei ziemlich umfangreiche seitliche Cölomtaschen dar. In Fig. 56 habe ich mit einem scharfen Contour den Umfang des linken Cölom- sackes, wie er sich aus der Untersuchung der gesammten Serie er- giebt, in die Zeichnung eingetragen. Man erkennt daraus, dass die Cülomsäcke jetzt schon über einen beträchtlichen Theil der hintern Embryonalseiten sich ausdehnen , von der Medianebene aber noch ziemlich weit entfernt sind. Da die Cölomtaschen besonders nach dem Rücken des Embryos zu gewachsen sind, erscheinen sie da viel weniger weit von einander entfernt als auf der Bauchseite. Der Verbindungsgang zeigt auf dem medianen Längsschnitte (Fig. 56) einen annähernd kreisförmigen Durchschnitt, dicke Wandung und nur kleines Lumen. Die Zellformen sind wesentlich die nämlichen wie auf dem vorhergehenden Stadium. Die beiden medianen Fortsätze des vordern Bläschens, welche dorsal und ventral vom Verbindungsstücke der Cölomtaschen verlaufen, sind erheblich länger, geworden, umgreifen dieses letztere, bis sich ihre blinden Enden hinter ihm berühren. Man sieht dieses Verhalten be- sonders deutlich auf medianen Längsschnitten, von welchen ich einen ee A di, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 207 in Fig. 56, einen andern im nachfolgenden Holzschnitte, Fig. B, abge- bildet habe. Im Gegensatz zu Bury habe ich eine Vereinigung der Fortsätze hinter dem Verbindungsstrange der Cölomsäcke zu einem vollkommen geschlossenen Ringe nicht gesehen. Der umfangreichere centrale Theil des vordern Bläschens liegt dem Verbindungsstrange dicht auf. Seine Wandungen sind überall ein- schichtig, nur im unmittelbaren Umkreise um die Hauptaxe lösen sich in einigen Embryonen (Fig. 54, 55) noch Mesenchymzellen ab, während in andern dieser Process bereits aufgehört hat. Gegen die Ventral- seite zu gelangt ein umfangreicher Fortsatz zur Ausbildung, der die Anlage des Hydrocöls darstellt und zunächst mit dem übrigen Theile des vorderen Bläschens in weitem Zusammenhange bleibt. In Fig. 55 und 56 sieht man nur den dorsalen Theil der Hydrocölanlage durch- schnitten, aber auf Schnitten, die den Embryo mehr ventral resp. seitlich treffen, findet man das Hydrocöl als fast kreisförmiges, schein- bar ganz abgeschlossenes Bläschen. Die Anlage des Parietalcanales, dessen Bedeutung später noch klar werden wird, habe ich auf diesem Stadium öfters, wenn auch nicht überall, feststellen können. Sie erweist sich als eine kleine Ausstülpung der vordern Wand der Mesentero-Hydrocölblase gegen die Leibeshöhle. Sie liegt, wie sie bereits Bury gezeichnet hat, vor dem Verbindungs- gang der beiden Cölomtaschen an der Grenze von Darm- und Wasser- gefässanlage (vgl. den beigefügten Holzschnitt). Während in den be- Fig. B. Hinterende eines 60- stündigen Embryos, von rechts ge- sehen. Vergr. 175. dd dorsaler | Fortsatz der Mesen- dv ventralerftero - Hydrocölblase, ms Mesenchymzellen. rc rechter Cölomsack. © Verbindungsgang zwischen rech- tem und linkem Cülom. w Wassergefässanlage. pk Parietalcanal. schriebenen Fällen beide Bläschen völlig von einander abgeschnürt waren, fand ich eine Anzahi gleich alter und fast gleich organisirter Embryonen, in welchen nahe der Hauptaxe eine Verbindung zwischen Cölom- und Mesentero-Hydrocöl-Theilen noch nachweisbar war. Die Beschaffenheit und Lage der Mesodermelemente ist am besten aus Fig. 54 zu erkennen. Die primäre Leibeshöhle ist von Mesen- chymzellen ganz erfüllt, und zwischen Ectoderm und den Cülom- 208 OSWALD SEELIGER, bläschen sind die letztern bedeutend zahlreicher geworden, indem gleichzeitig mit der Längsstreckung der ganzen Gestalt daselbst die Leibeshöhle umfangreicher erscheint. Die meisten Mesodermzellen be- sitzen annähernd Kugelform, viele sind birnförmig gestaltet und zeigen eine merkliche Tendenz , Fortsätze auszusenden und sternförmig zu werden. Auch hier kann man sich wieder leicht von der wechselnden Menge Chromatins im Kerne überzeugen. GOrre beschreibt, dass der abgeschnürte Urdarm drei Aus- sackungen bilde: zwei laterale, die Cölomanlagen, und eine ventrale, das Hydrocöl. Die thatsächlichen Vorgänge der oben beschriebenen Theilungen des Archenterons aber mussten ihm entgehen, da er Em- bryonen eines so frühzeitigen Alters überhaupt nicht untersucht hat. Barrois hat zuerst im Gegensatz zu GÖTTE richtig beschrieben, dass der Urdarm nach seiner Abschnürung in die beiden hinter einander liegenden Blasen zerfalle. Er nennt aber in Folge einer verschiedenen Orientirung des gesammten Embryos die Peritonealblase obere, die- jenige, welche ich als vordere bezeichnet habe, untere. Das obere Säckchen theilt sich nach ihm in ein rechtes und linkes Peritoneal- säckchen. Das untere sendet einen längern dorsalen und einen kürzern ventralen Ast nach oben; ersterer stellt die Anlage des Darmeanals dar, während letzterer ohne Bedeutung ist und später wieder rückge- bildet wird. Bury’s Angaben finde ich am zutreffendsten. Nach ihm theilt sich während des dritten Tages der Urdarm in die beiden oben be- schriebenen Theile, und Mesenchymzellen lösen sich vom vorderen Bläschen ab. Am vierten Tage vollziehen sich dann die weiteren Son- derungen von rechtem und linkem Cölom aus der hinteren Blase und Darm und Hydrocöl aus der vorderen. Die Anlage des Parietalcanales bezeichnet er als vordere Leibeshöhle (anterior body cavity). Bezüg- lich der beiden medianen Hörner der vorderen Blase, welche den Ver- bindungsgang der Cölomsäckchen umgreifen, habe ich schon oben erwähut, dass ich ebensowenig wie Barrois ihre vollständige Vereini- sung zu einem Ringcanale habe beobachten können. — Es liegt mir fern, hier eine vollständige Vergleichung der Ent- wicklungsweise der Comatula mit der der andern Echinodermen zu geben. Nur möchte ich darauf hinweisen, dass man ähnlich wie hier eine Zweitheilung des Urdarmes bei Holothurien, Echiniden und unter Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 209 Asteriden bei Asterina gibbosa (58) und nach GÔTTE (32) abnormer Weise bei Asteracanthion glacialis antreffen kann. In allen diesen Fällen ensteht die Vasoperitonealblase, aus welcher sich später die Cölomwände und allerdings auch das Wassergefässystem; entwickeln, aus dem blinden, dem Blastoporus gegenüberliegenden Ende, während bei Comatula die Peritonealblase aus dem ursprünglich dem Blastoporus benachbarten hervorgeht und das Hydrocöl als eine selbständige Aus- stülpung am blinden Urdarmende auftritt. V. Die Ausbildung der Wimperkränze, des larvalen Nervensystems und die Lageveränderungen der innern Organe. (Tafel 15, Fig. 57— 61. Stunde: 60 — 84.) Während der dritten Nacht vollziehen sich in den Embryonen sehr wichtige Veränderungen, aber nicht mehr mit der vollkommnen zeitlichen Uebereinstimmung wie in jüngern Stadien. Nur in seltenen Fällen sieht man sämmtliche Embryonen eines Mutterthieres auf ganz gleicher Entwicklungsstufe; meistens sind sie ziemlich verschieden. So findet man auch noch während des vierten Tages in unmittelbarer Nachbarschaft älterer Stadien andere, welche in ihrer Entwicklung 12 oder 14 Stunden zurückgeblieben sind und an welchen man die Vorgänge, die sich bei jenen während der Nacht vollzogen haben, untersuchen kann. Aeusserlich kennzeichnen sich die Embryonen dieses Alters aus- nahmslos durch eine in der Hauptaxe längsgestreckte Gestalt und durch fünf quer verlaufende Wimperreifen, deren vorderster jedoch in der Medianebene ventral unterbrochen ist. Trotz zahlreicher individueller Grössenunterschiede lässt sich die Länge der Hauptaxe im Allgemeinen für diese Stadien auf 0,3 mm bestimmen. In Fig. 61 habe ich einen 81 Stunden alten Embryo in der Oberflächenansicht gezeichnet. Andere Embryonen, die derselben Pinnula aufsitzen , zeichnen sich durch eine weit schlankere Form aus und sind bei geringerm Querdurchmesser fast 11/, mal so lang. Naturgemäss stehen dann die Wimperbogen beträchtlich weiter von einander ab als es hier der Fall ist. Die vier hinteren Bogen umkreisen die Oberfläche des Embryos wie die Reifen ein Fass, nur verlaufen sie nicht mehr vollkommen parallel zu einander. Durch die ventral in der Medianebene aufgetretene Vestibularein- stülpung erscheint daselbst der dritte Bogen nach hinten, der zweile nach vorn ausgebuchtet. Je mehr sich die Einstülpung über die Zool. Jahrb, VI, Abth. f. Morph. 14 210 OSWALD SEELIGER, Bauchwand ausbreitet, desto auffallender wird die Störung des paral- lelen Verlaufes, wie dies aus der spätern Beschreibung sich ergeben wird. Die ältern Autoren (THOMSON und GöÖTTE) lassen noch ältere Embryonen als den abgebildeten mit vier Wimperreifen ver- sehen sein. Sie haben den vordersten übersehen, den allerdings auch Barrois zunächst nur als den besonders hervortretenden Rand einer Wimpercalotte auffasst. Mit Bury’s Angaben stimmen meine Befunde genau überein. In jüngeren Embryonen als der abgebildete erscheint die gesammte Bauchfläche verdickt und ein wenig abgeflacht. Der mediane Längs- schnitt Fig. 57 und der Querschnitt Fig. 59 versinnlichen dies. Die meisten Zellen dieser Region sind äusserst lange Prismenzellen, welche von der primären Leibeshöhe bis zur äussern Oberfläche reichen; ihre Kerne sind etwas grösser, aber in Carmin und Hämatoxylin weniger stark färbbar als die der Wimperreifen. An den übrigen Wandungen des Ectoderms tritt der Gegensatz zwischen den Wimperreifen und den Zwischenzonen immer schärfer hervor. In den Regionen der erstern findet eine überaus rege Kern. theilung statt, mit welcher die Theilung der Zellkörper nicht gleichen Schritt hält. In Folge dessen finden sich in einem Zellkörper meist mehrere kleine, aber verhältnissmässig chromatinreiche Kerne in ver- schiedenen Phasen der Theilung oder ruhend. In den Zwischenzonen verharren die Kerne auf dem ruhenden Stadium, ohne fürs erste weitere Theilungen einzugehen, und sind daher verhältnissmässig weniger zahl- reich. Es fällt auf, dass sie chromatinärmer sind als die benachbarten Kerne, und in manchen konnte ich überhaupt kein Chromatin mehr nachweisen. Solche achromatischen Kerne entziehen sich sehr leicht der Beobachtung. Nach diesen Befunden halte ich es für unwahr- scheinlich, dass ein Hinüberwandern von Kernen aus den Zwischenzonen in die Wimperreifen in weitgehenderem Maasse stattfinde. Im Scheitel des Embryos, am vordern Ende der Hauptaxe, tritt eine kleine flache Grube auf (Fig. 57), die ich als Scheitelgrube bezeichne. Das Ectoderm ist in diesem Bezirke verdickt und mehr- schichtig. Ich habe diese verdickte Stelle auch schon bei zahlreichen weit jüngern, 40—50 Stunden alten Embryonen nachweisen können, während sie andern sonst gleich gebildeten und gleich alten fehlte. Es herrscht also bezüglich der Zeit ihres Auftretens eine gewisse Un- gleichmässigkeit. Die Zellen der Scheitelgrube bilden den später so mächtig hervortretenden Wimperschopf der freischwimmenden Larve. Aber nicht alle bilden sich zu Geisselzellen aus, sondern ein Theil Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 211 derselben löst sich aus dem epithelialen Verbande, um in die Tiefe zu rücken. Ein solches Austreten ist übrigens nicht auf die Zellen des Grubenbodens beschränkt, sondern findet auch im Nachbarbezirke des vordern Embryonalendes statt. In Fig. 60 habe ich ein Stück eines dicht hinter der Scheitelgrube geführten lateralen Längsschnittes durch einen 75-stündigen Embryo abgebildet. Gegen die Leibeshöhle zu er- scheinen die Elemente des äussern Blattes durch eine Membran scharf und deutlich abgegrenzt. Zwischen dieser und dem Ectoderm bemerkt man eine Lage feiner Fibrillen, die ich als Nervenfibrillen deute und die vom Ectoderm gebildet wurden. Denn schon auf jüngern Stadien kann man die ectodermale Basalmembran nachweisen, und erst später entstehen auswärts von dieser die Fibrillen. Weiter sieht man in der Abbildung vier der Fibrillenschicht aufliegende Zellen, die birnförmig gestaltet sind und mehrere Fortsätze besitzen. Von den Mesoderm- zellen unterscheiden sie sich, abgesehen von der Lage, durch geringern Dotterreichthum des Zellkörpers und die feiner zugespitzten Enden der Fortsätze. Ich fasse diese Zellen als Ganglienzellen auf, die aus dem Ectodermepithel in die Tiefe gewandert sind. Man wird auch in dem abgebildeten Querschnitte solche in Auswanderung begriffene Zellen erkennen. Die Region der Fibrillen und der Ganglienzellen, welche das embryonale Nervensystem darstellen, ist zunächst auf den unmittel- baren Umkreis der Scheitelgrube beschränkt, dehnt sich später aber immer weiter über das Vorderende und die Ventralseite aus. Etwas später als die Scheitelgrube erscheint ventral von ihr in der Medianebene eine zweite, zunächst sehr kleine, fast kreisförmig umgrenzte Abflachung im Ectoderm. Dieselbe vertieft sich rasch zu einer Grube, die meistens zunächst sehr klein bleibt, in manchen Fällen aber bald recht ansehnlich wird. In spätern Embryonalstadien erweitert sie sich stets und bildet die Festheftungsscheibe der freischwimmenden Larve. Der vorderste, ventral unterbrochene Wimper- reifen erstreckt sich mit seinen beiden Enden bis zur Festheftungs- grube. In spätern Stadien hat THomson diese Grube als „pseudo- proct“ bezeichnet, und Busch nannte sie „Larvenmaul“. GÖöTTE erwähnt ebenfalls diese Grube, deren Bedeutung ihm unbekannt ge- blieben sei, und bildet sie bereits in dem jüngsten von ihm beobach- teten Stadium ab. Dass auf dem wirklichen Gastrulastadium von diesem Gebilde noch keine Spur vorhanden ist, brauche ich nach der oben gegebenen Darstellung nicht erst besonders zu versichern. Bury sah die Grube, die er „präoral pit“ nennt und deren Bedeutung er richtig erkannt hat, auf demselben Stadium auftreten wie ich, während 14* 212 OSWALD SEELIGER, sie Barroıs erst später unmittelbar vor dem Ausschlüpfen der Larve gebildet werden lässt. Ich habe keine Veranlassung, ein Versehen von Seiten Barrors’ anzunehmen, sondern meine vielmehr, dass so wie die Grösse der Grube auch die Zeit ihres Auftretens Schwankungen unterliegen kann. In der verdickten Bauchfläche bildet sich noch früher als die Fest- heftungsgrube in der Medianebene zwischen dem zweiten und dritten Wimperbogen, also ein wenig gegen das Vorderende des Embryos zu, um die 80. Stunde eine rasch umfangreicher werdende Einstülpung: die Vestibulargrube. Der vordere Rand derselben fällt steiler ab als die andern, am flachsten ist der hintere, gegen den dritten Wimper- reifen zu gelegene. In dem abgebildeten Embryo (Fig. 61) misst die Tiefe der Einstülpung kaum '/,, mm. Aber bei zahlreichen, nur wenig ältern Embryonen fand ich sie oft ausserordentlich vertieft bis in die Hauptaxe hineinreichend, während andere Individuen derselben Generation sie merklich flacher zeigten. Es ist das die nämliche Ein- stülpung, welche THomson bei der freischwimmenden Larve als „pseu- dostome‘ bezeichnete, Bury „Larvenmund“ nennt und deren wichtige Bedeutung als ectodermalen Ursprung für das Vestibulum zuerst Barrois richtig erkannt hat. Auch GörrE hat die bei ältern Em- bryonen so sehr bemerkbare Grube gesehen, aber in den ersten Figuren (fig. 1 u. 2) als die Urdarmeinstülpung, in den spätern (8, 9, 15) als eine an der Stelle des abgeschnürten Urdarms zurückbleibende Grube gedeutet. Die jüngsten von GöTTE beobachteten Embryonen waren zum mindesten so alt wie der von mir in Fig. 61 abgebildete. Seine Versehen erklären sich aber zur Genüge aus dem damals noch wenig vorgeschrittenen Stande der Conservirungstechnik. Die Crinoiden- embryonen bilden ein so sprödes Material, dass die damals üblichen Conservirungsweisen nicht ausreichend sein konnten. Dazu kommt noch, dass bei der völligen Undurchsichtigkeit des Objects auf allen Stadien vollständige Schnittserien in bestimmten Richtungen hergestellt werden müssen, was bei einem derartigen Materiale zu jener Zeit nur schwer ausführbar war. Die innere Organisation der Embryonen zeigt sehr wesentliche Weiterbildungen. Die beiden Cölomsäcke, die wir auf dem vorhergehenden Sta- dium durch ein frontal verlaufendes Rohr verbunden fanden, haben sich vollständig von einander gelöst. Das Verbindungsrohr hatte sich strangartig ausgezogen, wurde immer feiner und füglich vollständig in die medianen Wandungen der beiden Cölomsäckchen aufgenommen, Sf Gb er ica ate a ee Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 213 Eine höckerförmige Auftreibung, die ich lange Zeit noch an der me- dianen Wand des rechten Cöloms (Fig. 59) habe nachweisen können, deute ich als den letzten Rest des noch nicht vollständig rückgebildeten Verbindungsganges. Unter gleichzeitiger Verdünnung der Wände vergrössern sich die beiden Cölomsäckchen nicht unbedeutend, wie sich das aus der Ver- gleichung von Fig. 56 einerseits, Fig. 57 und 59 anderseits ergiebt. Dabei erhalten sie ein ausgeprägt taschenförmiges Aussehen, indem die äussern und innern Wände sehr nahe an einander liegen und nur schmale Lumina begrenzen. In Fig. 57 habe ich die Umrisse der Cölomsäcke nach den Bildern der gesammten Serie durch starke Con- touren eingezeichnet; der des linken Sackes fällt hinter die Zeichen- fläche und ist punktirt worden, der des rechten Sackes liegt über der Tafelebene. Es ergiebt sich daraus, was die Querschnitte und late- ralen Längsschnitte bestätigen (Fig. 58, 59), dass die beiden Cölom- säcke ihre ursprüngliche Lage aufgegeben und sich gegenseitig ver- schoben haben. Der rechte hat sich besonders dorsalwärts fast durch die ganze Leibeshöhle ausgebreitet und greift auf der Rückenseite etwas auf die linke hinüber, ebenso ist er beträchtlich nach vorn zu gewachsen und bedeckt daselbst den Darm. Der linke Cölomsack erstreckt sich dagegen weniger weit nach vorn und in seinem vordern Theile viel weniger weit ventralwärts, indem er sich an die dorsale Wand des Hydrocöls anlegt; mit seiner Dorsalkante stösst er aber an den rechten und bedingt daselbst eine Art Mesenterium. Be- sonders stark wächst er aber nach hinten und umgreift daselbst voll- ständig den Darm, bis er an den hintern Rand des rechten Säckchens an- stösst. Das Mesenterium verläuft demnach auf der Dorsalseite fast in der Medianebene, nur ein wenig nach links zu, auf der hintern da- gegen verschiebt es sich, je mehr es sich der Bauchseite nähert, desto mehr nach rechts. Es bildet etwa einen Halbkreis, der sich nach oben und ventral Öffnet, denn auf der ganzen Bauchseite sind die ventralen Kanten der beiden Cölomsäcke auf diesem Stadium sehr weit, ungefähr 90°, von einander entfernt, und auch auf der vordern Seite nähern sich die Ränder nur in der dorsalen Region. Wie zu Beginn ihrer Bildung sind die Cölomwandungen jetzt und auch weiter- hin stets einschichtig. Die Zellen sind merklich kleiner und nament- lich niedriger geworden. Ich konnte nicht an allen Stellen die Zell- grenzen sehen, was einzig in der Conservirungsart seine Veranlassung haben dürfte. Zwei Cölomsäcke hat zuerst GÔTTE beschrieben. Er lässt sie 214 OSWALD SEELIGER, als zwei seitliche Aussackungen von dem hintern (nach der hier ge- gebenen Orientirung : vordern) Ende des abgeschnürten Urdarms aus nach vorn wachsen und zwar in einer solchen Weise, dass der linke Sack auf die Bauchseite, der rechte auf den Rücken sich hinüber- schlägt. Es wird sich aus der nachfolgenden Darstellung in der That ergeben, dass während der letzten Embryonalzeit und namentlich in der freischwimmenden Larve der rechte Cölomsack immer mehr eine dorsale Lage gewinnt, während der linke hinten gelegen ist und all- mählich sich an der Ventralseite ausbreitet. Nur ist zu bemerken, dass GöTTE die Region des animalen Poles als hinteres Körperende, das Ende dagegen, in welchem die Eingeweide liegen, als vorderes bezeichnet, also umgekehrt orientirt, wie es hier geschehen ist. Bei Gôrre’s Orientirung der Embryonalaxen ist es dann selbstverständ- lich nicht der rechte, sondern der linke Cölomsack, welcher nach dem Rücken zu, der rechte, welcher später ventral vom andern liegt. Ich erkläre mir diese Verwechslung von Rechts und Links von Seiten GörTTE’s in der Weise, dass ich annehme, er habe die seine Auf- fassung beweisenden lateralen Längsschnitte fig. 3—6 nicht, wie er annimmt, von dem Rücken nach dem Bauche zu, sondern in umge- kehrter Richtung ausgeführt oder vielleicht ein Umkippen der Schnitte nicht bemerkt, was bei den damals üblichen Methoden sehr leicht möglich war. Ich werde später noch darauf hinweisen, dass man in der That entfernt ähnliche Schnitte durch Embryonen in gleicher Lage erhalten kann, wie sie GOrre in Fig. 5 abgebildet hat, wenn man von der Bauchseite nach dem Rücken zu schneidet. Wie GörrE’s Irrthum, dass die Cölomsäcke vom animalen Ende des Urdarms sich abschnüren und gegen das vegetative vorwachsen, zu erklären ist, weiss ich nicht anzugeben; sie entstehen in Wirklichkeit gerade am entgegengesetzten Ende. Barroıs hat die Theilung der einheitlichen Peritonealblase in einen rechten und linken Cölomsack richtig erkannt; nur scheint es mir nicht genügend gerechtfertigt, wie er Links und Rechts definirt. Bezüglich der Auffassung von Bauch und Rücken herrscht ja allge- meine Uebereinstimmung, den vegetativen Pol aber nennt er den obern und zeichnet die Embryonen mit dem von mir als „hinteres“ bezeichneten Ende nach oben. Er vermeidet allerdings die Bezeich- nungen vorn und hinten, aber man gewinnt doch aus den beigefügten vergleichenden Bemerkungen mit andern Echinodermen am Schlusse seiner Abhandlung die Ueberzeugung, dass er wie Gürre das obere Ende als vorderes betrachtet wissen wolle. Nichtsdesto- PR a a a u Be ehe Eee Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 215 weniger bezeichnet er als rechte und linke Körperseiten die nämlichen Regionen, wie sie genannt werden müssten, wenn man sein „oberes“ Ende als ,,hinteres“ ansähe. Trotz der verschiedenen Orientirung der vordern und hintern Enden ist also Links und Rechts der Em- bryonen in BArROIS’ und meinen Zeichnungen identisch. Auch Bury hat in Sanz ähnlicher Weise die Zweitheilung der hintern Peritonealblase in eine rechte und linke, Anfangs durch einen Verbindungsgang im Zusammenhange stehende Hälfte beschrieben, hat aber ebensowenig wie Barrois die Einzelheiten der Ausbreitung und Verschiebung der beiden Cölomtaschen eingehender untersucht. Während dieser die Cölomsäcke betreffenden Vorgänge sind die beiden Abschnitte der Mesentero - Hydrocölblase zu vollkommener Sonderung gelangt. Die Wassergefässanlage, das primäre Hydrocölbläschen, stellt ein in dorso-ventraler Richtung etwas zusammengedrücktes Zellensäck- chen dar und liegt der verdickten ventralen Ectodermwand dicht an, fast ganz auf der linken Seite des Embryos, nach welcher die gesammten Eingeweide verschoben sind. Nach hinten erstreckt sie sich bereits ebensoweit wie der Darm selbst: bis an das hintere Ende des linken Cöloms; nach vorn zu ragt sie, wie sie dies schon bei ihrem Auf- treten that, über den Darm hinaus und überdeckt ihn in seiner mitt- lern Partie, welche vom rechten Cölom freigelassen wird (Fig. 57 u. 59). Dieser vordere dorsale Theil des primären Hydrocöls schnürt sich als ein röhrenförmiges Gebilde ab, welches von rechts nach links fast parallel zur Bauchfläche verläuft, aber in der Mitte des Embryos nicht ganz senkrecht die Hauptaxe kreuzt. In der Schnittserie, welcher Fig. 57 entnommen ist, ist dieser Canal, den ich nach einer Bezeichnung Perrier’s „Parietalcanal‘“ nenne, ebenso lang wie die Wassergefäss- blase breit. Auf drei Schnitten liess sich der Zusammenhang zwischen beiden nachweisen, auf dem mittlern als ein bedeutend weiterer Spalt, als es in dieser Figur abgebildet ist. Die andern Schnitte zeigten den Parietalcanal als ein einschichtiges abgeschlossenes Rohr, dessen Lumen von links nach rechts zu sich verjüngt. Es wird die Be- schaffenheit und der Verlauf des Parietalcanals am besten aus dem in Fig. 58 abgebildeten lateral geführten Längsschnitt ersichtlich, welcher auch beweist, dass das linke Ende ein wenig nach hinten zu geneigt ist. Nur auf zwei Schnitten dieser Serie liess sich der Canal nachweisen. Was die histologische Beschaffenheit der primären Wassergefäss- blase anbelangt, so zeigt sich die Wandung durchweg als einschich- 216 OSWALD SEELIGER, tiges Epithel von cylindrischen Zellen, deren scharf hervortretende Kerne dem innern Rande nahe liegen. Während der Abschnürung des Parietalcanals tritt der histologische Gegensatz derselben zum secundären Hydrocölbläschen immer deutlicher hervor, indem jener stets kleinere, zunächst cubisch geformte, später flachere Zellen besitzt, während in diesem die Zellformen nicht wesentlich verändert erschei- nen. Es vergrössert sich demnach der Parietalcanal vornehmlich da- durch, dass seine Wandungen, ohne an Masse merklich zuzunehmen, indem sie dünner werden, sich über eine grössere Fläche ausbreiten. Die ventrale Lage der Wassergefiissanlage und ihre Entstehung aus dem abgeschnürten Archenteron hat G6rrr zuerst dargestellt. Er beschreibt auch zutreffend, dass sie nicht genau in der Median- ebene, sondern nach der rechten Seite (bei der hier gegebenen Orien- tirung also linken) verschoben liege. Die Abspaltung des Parie- talcanals, überhaupt das Vorkommen desselben ist GÖTTE ent- gangen. BARROIS lässt die von ihm als „untere“ bezeichnete Blase durch eine mediane Furche in zwei Partien zerfallen, in eine linke, die Wassergefässblase, und eine rechte, welche sich zu einem cylin- drischen Rohre umforme, das er canal du sable nennt und das dem Parietalcanal entspricht. Dass die ursprüngliche Lage dieser beiden Gebilde nicht eine solche ist, sondern dass sie ventral und dorsal gelagert sind, geht aus meiner Darstellung deutlich hervor.“ Bury schildert die Entstehung des Hydrocöls in ähnlicher Weise. Als „anterior body cavity’ bezeichnet er den dorsalen Abschnitt der pri- mären Hydrocölblase, der sich später, wie oben beschrieben, als Pa- rietalcanal sondert. Ich habe aber in meinen Präparaten niemals diesen ursprünglichen Theil des Urdarmes auf so weit vorgeschrittenen Stadien mit dem Mesenchym in der Weise verbunden gesehen, wie es Bury in seiner fig. 11 zeichnet. Die Anlage des definitiven Darmes entwickelt sich aus den bei- den medianen dorsal und ventral verlaufenden Hörnern der vordern Blase und deren centralem Abschnitte selbst, soweit er nicht zum Hydro- cöl und Parietalcanal wird. Mit dem Schwunde des Verbindungs- ganges zwischen beiden Cölomsäcken gelangen die beiden verticalen Entodermfortsätze zur Vereinigung zuerst in ihrem vordern, dann auch im hintern Abschnitte. Der in Fig. 59 abgebildete Schnitt lässt die beiden Theile, aus welchen sich der mittlere Darmabschnitt zusam- mensetzt, noch erkennen. Die Grenze wird durch die buckelförmige Ausbuchtung des rechten Cöloms bestimmt. Auf einem durch das hinterste Darmende geführten Schnitte dieser Serie fand ich die bei- er TER II NER wt er Zu u Kt Pe VON DU US a a er RE PETE iu Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. > den Zipfel noch unvereinigt vor. Während dieser Vorgänge zeigt der Darm bei verschiedenen Individuen auffallende Verschiedenheiten, die sich nicht in eine continuirliche Entwicklungsreihe bringen lassen. Er ist bald mehr, bald weniger dickwandig, sein Lumen von wechseln- der Weite und Form. Vorherrschend zeigt der Querschnitt den Darm dreikantig, die Basis parallel zur Hydrocölblase verlaufend, die Spitze dorsal zwischen den beiden Cölomsäcken dem Mesenterium anliegend. Der Darm verläuft nicht genau in der Hauptaxe oder parallel zu ihr, sondern sein Vorderende ist nach links, das hintere meist ein wenig nach rechts verschoben (Fig. 58). Die Darmwandungen setzen sich aus cylindrischen oder cubischen Zellen zusammen. Verhältnissmässig selten (Fig. 57) trifft man an der äussern Seite gelegene, stark abgerundete Zellen in Theilung begriffen. Die Flächenvergrösserung des Darmes selbst scheint mir in dieser Periode nur eine geringe zu sein. Aeusserst selten habe ich bereits auf diesem Stadium eine oder die andere Entodermzelle im Darm- lumen und dann stets degenerirt angetroffen. Es ist unzweifelhaft, dass Parietalcanal und Wassergefäss noch mit einander communiciren, nachdem’ sie jeden Zusammenhang mit dem definitiven Darme aufgegeben haben. Die letzte Verbindung mit demselben liegt aber an: der Uebergangsstelle jener beiden, so dass man daran denken könnte, es seien dieselben zwei ungleich grosse Ausstülpungen des vordern Darmabschnittes, welche dorsal und ven- tral zu sich erstrecken, während die beiden Cölomsäcke als rechts und links auftretende Aussackungen des hintern, dem Blastoporus genäherten Darmendes zu betrachten wären. Eine derartige Anschau- ungsweise, dass zwei Paar hinter einander gelegene Urdarmdivertikel gebildet werden, lässt sich aber nicht aufrecht erhalten, wie ich wei- ter unten nachweisen werde. Richtiger ist es, sich so auszudrücken, dass sich am abgeschnürten Archenteron drei Theilstücke unterscheiden lassen: ein hinteres dem Blastoporus nahe liegendes, ein mittleres und ein vorderes. Freilich hat sich in Wirklichkeit das hintere längst abgeschnürt und getheilt, wenn das vordere auftritt. Das mittlere bleibt einfach und bildet den definitiven Darm, das vordere und hin- tere theilen sich in je zwei Theile. Letzteres liefert die beiden rechts und links gelegenen Cölomsäcke, das vordere ventralzu das Hydrocöl, dorsal den Parietalcanal. GÖöTTE beschreibt die Bildung des Darmes wesentlich anders. Nach der Ablösung des Urdarmes wird „ein vorderer Zipfel des Darmsackes oder der spätere Schlund an die ventrale Oberhaut zwi- 918 OSWALD SEELIGER, schen den beiden vordern Wimperreihen angelöthet, worauf diese Stelle der Haut sich trichterförmig einzieht“. GÖTTE nennt das den „oralen Oberbautrichter“ und meint, „der letztere liegt übrigens sammt dem daran befestigten Darmende nicht in der Medianebene, sondern etwas links von derselben“. Es ist aber in Wirklichkeit weder die Anlage eines Schlundrohres noch der Oberhauttrichter in diesem Stadium vorhanden, und der Darm ist überall vom Hautepithel ansehnlich weit entfernt. Die definitive Mundöffnung und der Schlund entstehen vielmehr in einer ganz andern Weise. Den „oralen Oberhauttrichter“ kann ich nur als eine zufällige Einkerbung, die, wie oben schon erwähnt, besonders bei dicht lagernden Embryonen an allen möglichen Stellen auftreten kann, auffassen, wenn sie nicht in mangelhafter Conservirung ihre Veranlassung hat. Barroıs leitet den ganzen Darmcanal aus der grössern, dorsal vom Verbindungsgang der beiden Cölomsäcke verlaufenden Entoderm- ausstülpung ab, was bestimmt nicht zutreffend ist, wie sich aus der oben gegebenen Darstellung ergiebt. Bury lässt dagegen beide Aeste, nachdem sie sich zu einem Ring- canal vereinigt haben, zur Bildung des Darmes zusammentreten. Dies ist natürlich nur möglich, wenn nach Schwund der Perforation, durch welche sich früher der Verbindungsgang der beiden Cölomtaschen hin- durch erstreckte, der ursprünglich centrale Rand des Ringcanales durchbrochen wird, um einen einheitlichen Entodermsack entstehen zu lassen. Ueber solche Vorgänge hat uns aber Bury nichts berichtet. Was endlich das die primäre Leibeshöhle erfüllende Mesenchym anbelangt, so kann ich mich auf die Bemerkung beschränken, dass dasselbe aus zahlreichern, aber kleinern Elementen besteht, welche; abgerundet oder mit kurzen Fortsätzen versehen, sternförmig er- scheinen. Meist ist die eiweisshaltige, mehr oder minder gallertartige Substanz, die in jungen Stadien die Leibeshöhle erfüllte, fast voll- ständig von den Mesodermzellen verbraucht worden. Die oben auseinandergesetzten Entwicklungsvorgänge der Coma- tula stehen bezüglich der Cölom- und Wassergefässanlagen zu den bei den übrigen Echinodermen bekannt gewordenen Erscheinungen, die sich ganz ungezwungen auf einander zurückführen lassen, in bemerkens- werthem Gegensatze. Des Unterschiedes, dass bei Comatula die Cölomwandungen aus der dem Blastoporus benachbarten Region, bei den übrigen Echinodermen aus dem gegenüberliegenden blinden Ende Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 219 des Urdarms sich bilden, habe ich bereits oben gedacht. Sodann sehen wir bei den Crinoiden zuerst die Peritonealblase gesondert, während für Darm und Hydrocöl noch eine einheitliche Anlage vor- handen ist. In der Entwicklung der übrigen Echinodermen ist es aber zuerst der Darm, welcher sich sondert, während für Cölom und Wassergefäss eine oder auch zwei Vasoperitonealblasen vorhanden sind: Ferner theilt sich die Hydrocölblase nach der Abschnürung vom Darm bei Comatula noch in zwei Abschnitte, deren einer die definitive An- lage des Wassergefässes darstellt, während der andere den Parietal- canal bildet. Es lässt sich am übersichtlichsten der Gegensatz durch folgende beiden Schemata versinnlichen. 1) Bei den Crinoiden verläuft die Entwicklung in folgender Weise: Peritonealblase rechtes Cölom (am hintern Ende) | linkes Cölom f Mesenteron \ prim. Hydrocülblase Pein pen \ Parietalcanal. Archenteron | | Mesentero-Hydrocöl 2) Bei den übrigen Echinodermen erfolgt dagegen die Theilung des Urdarmes nach folgendem Schema: Mesenteron Archenteron 4 1 oder 2 Vasoperitonealblasen { Peritonealblase (am vordern Ende) | Hydrocölblase In den verschiedenen Classen, bei Echiniden, Asteriden, Ophiuren und Holothurien, wechselt bekanntlich die Zahl der Vasoperitoneal- blasen, deren entweder eine oder zwei vorhanden sind. Auch das weitere Schicksal derselben bietet im Einzelnen Verschiedenheiten, deren Darlegung ausser dem Bereiche meiner Aufgabe liegt, zumal sie die oben erwähnten Gegensätze zu den Crinoiden unberührt lassen. Die Holothurien beanspruchen insofern eine besondere Berücksichtigung, als sich bei ihnen die Vasoperitonealblase nicht zuerst in eine rechte und linke theilt, sondern, nachdem sie nach links gerückt ist, in einen vordern und hintern Abschnitt zerfällt. Der vordere bildet das Hydro- cöl, der hintere theilt sich in rechtes und linkes Cölom. GÔTTE (31, p. 609) konnte nach seinen Befunden die Ansicht aussprechen: „Alle diese Verschiedenheiten erklären sich einmal dar- aus, dass die Peritonealsäcke und das Wassergefässsystem der Echino- dermen offenbar sehr nahe verwandte Bildungen sind und daher ihre endliche Scheidung in wechselndem Maasse verzögert sein kann.“ So einfach liegt aber die Erklärung jetzt nicht mehr, selbst wenn man Peritonealsäcke und Wassergefässsystem für so nah verwandte Bil- 290 OSWALD SEELIGER, dungen ansehen wollte, dass sie in den verschiedenen Echinodermen- classen einander ersetzen können in der Weise etwa, dass z. B. die Cülomanlage der Crinoiden zum Hydrocöl der Asteriden, das Hydrocöl der erstern zum Cölom der letztern geworden sei. Ein Blick auf die oben gegebenen Entwicklungsschemata macht ferner klar, dass auch durch einfachen Wechsel der Zeit der Sonderung von Mesenteron, Hydrocöl und Cölomanlage niemals der eine Typus in den andern übergehen könnte, denn das Cölom entsteht bei Crinoiden aus dem Theile des Urdarmes, welcher bei den andern Echinodermen sich weder bei der Hydrocöl- noch Cölombildung irgendwie betheiligt. Wollte man aber das Cölom der Crinoiden als eine diesen eigenthümliche Bildung be- trachten, so müsste man ihre primäre Hydrocölblase der Vasoperito- nealblase der übrigen Echinodermen homologisiren, und es wäre dann nur folgerichtig, den Parietalcanal der gesammten Côlomanlage gleich- werthig zu erachten. Es scheint mir aber naturgemässer, eine Dis- location der Cölomanlage als solche Homologien anzunehmen und die Leibeshöhle der Crinoiden als eine besondere Neubildung zu betrachten. Hält man, wie ich es thue, die Cölomanlage bei allen Echinodermen für vollkommen homolog, so räumt man allerdings den cänogenetischen Vorgängen in der Ontogenie einen sehr weiten Spielraum ein und an- erkennt die Möglichkeit einer weitgehenden Veränderung der Lage- beziehungen, obwohl man gemeinhin aus diesen auf Homologien zu schliessen pflegt. Ich werde im Schlusscapitel dieser Abhandlung aus- einandersetzen, wie ich mir diese Verschiedenheiten in der ontogene- tischen Entwicklung entstanden denke. Die eben berührten Gegensätze bleiben bestehen, auch wenn man die neuerdings von Bury (10) gegebenen Deutungen des allgemeinen Vorkommens eines besondern vordern Cöloms bei Echinodermen annimmt. Bury’s Auffasssung beruht darauf, dass er einen nach vorn gerichteten Fortsatz des Hydrocöls selbst oder des Poruscanals, der bei einigen Formen umfangreicher, bei andern fast ganz rudimentär ist und bisher, wo er überhaupt bemerkt wurde, einfach dem Hydrocöl zugerechnet wurde, als linkes vorderes Hydrocöl in Anspruch nimmt und dem Parietal- canal der Comatula homologisirt. Ferner deutet er das vordere rechte Bläschen, welches zuerst METSCHNIKOFF bei zahlreichen Echinodermen- larven beobachtet hatte, und welches fast allgemein als ein rechtes Hydrocölbläschen, das zu keiner definitiven Ausbildung gelangt, aufge- fasst wird, als einen vordern rechten Cölomsack und gelangt so zur Ansicht, dass den Echinodermen in jungen ontogenetischen Stadien zwei Paar Cülomsäcke zukommen. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 991 ed Was im Besondern die Crinoiden anbelangt, so könnte man zunächst versuchen, Parietalcanal und Hydrocöl als das vordere Divertikelpaar des Darmes aufzufassen. Es führt jedoch eine solche Auffassung zu neuen und unlösbaren Schwierigkeiten. Da an der Homologie des Wassergefissystems in allen Echinodermenclassen wohl nicht zu zweifeln ist, müsste man den Parietalcanal mit dem rechten vordern Säckchen der andern Echinodermenlarven vergleichen. Man wird, wie ich glaube, nicht daran denken dürfen, dass unter der Voraussetzung einer ursprünglich paarigen Anlage des Hydrocöls etwa bei Crinoiden die rechte, bei den übrigen Echinodermen die linke An- lage sich erhalten und zum definitiven Wassergefässystem sich ent- wickelt habe, und es kann daher das ventral im Crinoidenembryo auf- tretende Hydrocölbläschen nur dem vordern linksseitigen der andern Echinodermen entsprechen. Wollte man dann den Parietalcanal dem rechtsseitigen vordern Bläschen vergieichen, so wäre der Primär- porus der Crinoiden (die Oeffnung des Parietalcanals nach aussen) mit dem der übrigen Echinodermen nicht übereinstimmend: ersterer würde der ursprünglich rechten, letzterer der linken Körper- hälfte der bilateralen Urform angehören. Die ausgesprochen links- seitige Lage des Porus der Antedon-Larve, die wir später noch kennen lernen werden, widerspricht dem direct, und ich glaube nicht, dass trotz aller Verschiedenheiten in der ontogenetischen Entwicklung an der Homologie des Porus wird gezweifelt werden können. Demnach bleibt also nur, worin ich mit Bury übereinstimme, die Möglichkeit offen, Parietalcana! und Hydrocöl der Crinoiden zusammen- genommen dem linken vordern Bläschen der Larven der andern Echino- dermen zu homologisiren, und es entsteht jetzt die Frage, wie sich im Einzelnen die Theile vergleichen lassen, d. h. ob ein dem Parietalcanal gleich zu setzendes Gebilde überall vorkommt. Bury hat das bejaht, denn er sieht überall ein „anterior enterocoel“ oder „anterior body cavity“, das dem hier als Parietalcanal bezeichnetem Gebilde ent- spricht. Ich stimme mit ihm insofern überein, als auch ich jene beiden Abschnitte im Hydrocöl und Poruscanal der Echinodermenlarven wieder- erkenne und den Parietalcanal dem Poruscanal (d. h. Porus plus Bury’s anterior enterocoel) homologisire. Jedoch kann ich nicht die Auffassung theilen, dass dieser letztere, wie Bury meint, die ganze vordere Leibes- höhle darstelle, vielmehr sehe ich eine solche, wie ich im letzten Capitel auseinandersetzen werde, im Hydrocöl erhalten und betrachte Porus und Parietalcanal als Theile derselben, welche vielleicht ursprünglich ‚schon die Verbindung des Cöloms mit der Aussenwelt zu besorgen 222 OSWALD SEELIGER, hatten. Bei der Frage nach der excretorischen Bedeutung des Hydro- cöls könnte es sich lediglich um diesen äussern Abschnitt handeln. VI. Die letzte Periode der Embryonalentwicklung; die Bildung des Kalkskelets. (Tafel 15, Fig. 62—64. Stunde: 34—120.) Während des fünften Tages erlangt der Embryo die Ausbildung, die ihn befähigt, die Membran zu sprengen und eine freischwimmende Lebensweise zu führen. Er streckt sich in der Richtung der Haupt- axe und erreicht schliesslich eine Länge von ungefähr 0,4 mm. In Folge des Vorschreitens der Vestibularfurche wird die äussere Form bohnenähnlich. Die innere Organisation zeigt bis auf das Kalkskelet all die nämlichen Gebilde, die wir bereits im vorigen Abschnitte kennen gelernt haben, nur sind die Wandungen durchweg aus kleinern Zellen zusammengesetzt und die Lumina ansehnlicher. Auch die Lage- beziehungen der Organe sind nur so wenig verändert, dass ich es, um Wiederholungen zu vermeiden, für angezeigter halte, hier eine ein- gehende Besprechung zu unterlassen und erst im folgenden Capitel die Organisation der freischwimmenden Larve zu behandeln. Es wird sich zeigen, dass dieselbe sich sehr leicht auf das im vorigen Abschnitte beschriebene Stadium in allen Theilen zurückführen lässt. Dabei werde ich auch der Veränderungen gedenken, welche während der letzten Embryonalzeit sich vollziehen. An dieser Stelle beschränke ich mich also nur auf einige nothwendige Angaben über das Kalk- skelet, welches bereits im bilateralen Embryo Oralia und Basalia dem spätern fünfstrahligen Bau entsprechend in der Fünfzahl angelegt zeigt. In Fig. 62 habe ich einen 100-stündigen Embryo von ungefähr 1/, mm Länge mit seinen Kalkbildungen von der linken Seite ge- zeichnet. In Folge der weiten Ausdehnung der sehr vertieften Vestibular- grube nach hinten zu erscheint ventral der dritte Bogen dem vierten genähert und von dem zweiten, der umgekehrt nach vorn sich ausbuchtet, sehr weit entfernt. Von innern Organen habe ich nur den Darm, das Wassergefäss und das hintere Ende des linkeu Cöloms ge- zeichnet. Die Wassergefässblase hat sich zu einem hufeisenförmigen Gebilde umgestaltet, welches mit dem Parietalcanal in keinem Zu- sammenhange mehr steht. Das Kalkskelet der Embryonen dieses Alters erweist sich bereits sehr complicirt. Bei der ausserordentlichen Undurchsichtigkeit der lebenden Objecte bin ich nicht im Stande gewesen, festzustellen, in Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 293 welcher Reihenfolge die einzelnen Kalkstücke sich bilden. In 100- stündigen Embryonen, die mit säurefreien Reagentien behandelt worden waren, fand ich 5 Oralia, 5 Basalia, 3—5 Subbasalia im Kelche und ungefähr 11 Kalkstücke im spätern Stielabschnitt bereits angelegt. Es ist mir aufgefallen, dass die Embryonen solcher Thiere, welche längere Zeit vor der Eiablage im Aquarium gehalten worden waren, im All- gemeinen die Kalkplatten weniger umfangreich entwickelt zeigten als gleich alte Embryonen, welche, auf dem Mutterthiere sitzend, sich frei im Meere entwickelt hatten. Während ich bei diesen letztern fast aus- nahmslos alle Kalkplatten verhältnissmässig gross und die einzelnen Stücke des Gitterwerkes ansehnlich dick fand, erwiesen sich die in den Aquarien entwickelten Embryonen bezüglich ihrer Skeletanlagen ausserordentlich variabel. Dass allerdings nicht die volle Fünfzahl der Oralia oder Basalia angelegt worden wäre, habe ich nur ganz vereinzelt bemerkt, ebenso wie ich nur einmal 6 statt 5 Basalia zählen konnte. Aber die verschiedenen Gittertafeln zeigten sich oft ziemlich un- gleichmässig bei ganz gleich alten Thieren entwickelt, und auch die einzelnen Basalia und Oralia desselben Thieres wiesen beträchtliche Verschiedenheiten auf. In der Abbildung (Fig. 62) habe ich die Oralia und Basalia der linken Seite in einem dunklern Tone gezeichnet als die der andern. Ich bezeichne sie, von links aus über die Dorsalseite nach rechts vorschreitend, mit den Zahlen 1—5. Aus der Zeichnung kann man entnehmen, was Bury schon richtig erwähnt hat, dass das linke Basale (b,) weiter nach vorn gelegen ist als das rechte b,, und ebenso das linke Orale (o,) vor dem Orale 5. Gewöhnlich liegt jedoch das rechte Basale weiter nach vorn als das linke Orale. Am weitesten nach hinten zu von den gleichwerthigen Kalkstücken derselben Serie liegen in der Medianebene dorsal das dritte Orale und dritte Basale. Während Basale 1 und 5 in der Höhe des dritten Wimperbogens dicht über oder unter demselben liegen, befindet sich Basale 3 in der Höhe des vierten Reifens; wäh- rend Orale 1 und 5 beim vierten Wimperkranze liegen, lagert Orale 3 über dem fünften. Sowohl die 5 Basalia als Oralia sind annähernd gleichweit von einander entfernt, nur zwischen den äussersten rechten und linken (1 und 5) sind die Entfernungen grösser. Es ist daher voll- kommen zutrefiend, wie es die frühern Beobachter gethan haben, die Basalia sowohl wie die Oralia in Form eines ventral geöffneten Huf- eisens um die Hauptaxe des Embryos herum angeordnet aufzufassen. Denkt man sich das Querstück weit gegen das Hinterende gerückt, den linken Ast weiter nach vorn gehoben als den rechten, so sind 224 OSWALD SEELIGER, die Lagebeziehungen zutreflend dargestellt. Dazu kommt ferner, was zuerst GÖTTE gegenüber Tomson richtig erwähnt hat, dass auf diesem Stadium die Basalia und Oralia gleicher Ordnung nicht genau hinter einander liegen, sondern dass die Basalia mehr dorsalwärts ver- schoben erscheinen. In manchen Fällen ist diese Verschiebung der- artig, dass Basale 1 ziemlich genau vor Orale 2 zu liegen kommt. Nach Untersuchung einer grössern Zahl Embryonen dieses be- treffenden Alters halte ich die eben beschriebene Art der Lagerung der Oralia und Basalia zu einander für die normale. Freilich findet man überaus zahlreiche Störungen dieser Lagebeziehungen. Bald wechselt die Weite des Abstandes zwischen den gleichwerthigen Kalk- tafeln, bald erscheint die eine oder andere mehr oder minder weit nach vorn oder hinten aus der Reihe verschoben. GÖöTTE lässt die Lage und Ausdehnung der Kelchstücke durch den Verlauf des Darmes und der Cölomsäcke bestimmt sein (31, p.595), und Bury schliesst sich ihm darin im Wesentlichen an, indem er die Oralia im Umkreise der linken, die Basalia um die rechte Cölomtasche gelagert glaubt. Für die jüngern Stadien, bald nach Auftreten der Kalktafeln, stimmt das nur zum Theil. Das erste Basale habe ich ausnahmslos so weit vorn auftreten sehen, dass es ganz ausserhalb des Bereiches des rechten Cöloms lag. Ebenso fand ich das erste Orale ohne jede Beziehung zum linken Cölom, dagegen reichte es mit seinen dorsalen und vordern Aesten in die Region des rechten Cölomsackes weit hinein. In manchen Fällen waren noch weitere Verschiebungen festzustellen, welche Bury’s Angaben widersprechen. In spätern Sta- dien wird allerdings die Lagerung eine andere. Jedenfalls aber bleibt es als eine bedeutsame Thatsache zu beachten, dass zur Zeit des Auf- tretens der Kelchstücke bei Comatula die beiden Cölomsäcke ihre ur- sprüngliche Lage bereits aufgegeben haben, und dass die Oralia und Basalia nicht je in einem verschiedenen Antimer des bilateralen Eni- bryos angelegt werden, sondern dass beide Arten Kelchstücke in jedem Antimer entstehen. Hufeisenförmig um die Hauptaxe gelagert, ver- halten sie sich zu einander ähnlich wie zwei Metameren. Ich muss auf diese Thatsachen mit besonderem Nachdrucke hinweisen, weil GOrre’s Angaben zu mehrfachen irrigen Auffassungen, nament- lich von paläontologischer Seite, Veranlassung gegeben haben, obwohl GörTE selbst seinen Erörterungen hinzufügt: „Mit diesen Vergleichen will ich natürlich nicht die Bedeutung der Strahlglieder der Echino- dermen als Metameren oder etwa der queren Zonen des Crinoiden- kelches als Antimeren begründen“ (31, p. 624). WacnsmurH und Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 225 SPRINGER haben trotzdem daraufhin versucht, bei den Paläocrinoiden im Skelete der Oral- und Aboralseite Aehnlichkeiten nachzuweisen, die sich auf die ursprünglich bilateral symmetrischen Körperhälften be- ziehen lassen sollten, haben diesen Versuch aber später als erfolglos aufgegeben. In einer andern Weise hat WALTHER (92) die alten zweiseitigen Cystideen, die NEUMAYR als Pleurocystiden bezeichnet, aus einer noch bilateralen Vorfahrenform zu erklären versucht, die er aller- dings cänogenetisch in der bilateralen Echinodermenlarve wiedersieht. Die beiden verschiedenen Seiten der Pleurocystiden könnten aber nur mit der Bauch- und Rückenseite der Larven verglichen werden, da sich aus der ontogenetischen Entwicklung der Comatula die Identität der Hauptaxe durch alle Stadien hindurch bis zum ausgebildeten Thiere ergiebt. Ich finde daher Neumayr’s Bemerkung nicht gerechtfertigt, wenn er sagt: „diese Auffassung kann aber nicht richtig sein, da die Symmetrieebene von Aletocystites durchaus nicht derjenigen der sym- metrischen Larve entspricht; Symmetrieerscheinungen, welche diesem letztern Stadium entsprechen, müssten zu beiden Seiten des Aequators des Echinodermensphäroids, nicht zu beiden Seiten einer durch die Pole desselben gehenden Ebene auftreten“ (68, p. 458). Neumayr’s Ein- wand wäre nur dann berechtigt, wenn die beiden Antimeren der Bilaterallarven zur ambulacralen und abambulacralen des ausgebildeten Thieres würden, was nicht der Fall ist. Wie schon die älteren Autoren bemerkt haben, erfolgt die Bildung der Kalktafeln von den Mesenchymzellen. Es kann also eine Ab- hängigkeit der Lage der Kalkstücke von den Cölomsäcken sich daraus nicht ergeben, da sich die Mesenchymzellen ganz unabhängig von den Cölomsäcken entwickelt und gelagert haben. Ich werde weiter unten noch darauf zurückkommen und meine wenigen Beobachtungen über die Bildung der Subbasalia vorbringen. Bury lässt die Kelchstücke im Gegensatze zu denen des Stieles unmittelbar dem Ectoderm an- liegen. Dass die Stielstiicke mehr central liegen, ist unzweifelhaft richtig; aber es ist durchaus nicht zutreffend, dass die Oralia und Basalia jene Lage einnehmen. Ausnahmslos fand ich in solchen Em- bryonen, die dem in Fig. 62 abgebildeten gleichen, zwischen Ectoderm und den Kalkplatten Mesenchymzellen liegen; gewöhnlich waren es 2—3 Lagen, sehr selten nur eine einzige. In spätern Stadien erfolgt dann allerdings eine Verlagerung näher zur Oberfläche, und man kann leicht Nadelspitzen innerhalb des Ectoderms selbst nachweisen, was jedenfalls, wie schon GörTE bemerkt, „von einem secundären Einwachsen der Nadeln in die Oberhaut herrührt“, Zool, Jahrb. VI. Abth. f, Morph, 15 296 OSWALD SEELIGER, Was den Bau der Kelchstücke anbelangt, so ist zunächst zu be- merken, dass dieselben ebene Gitterplatten darstellen und nicht etwa die Krümmungen der Oberfläche, unter welcher sie liegen, wiederholen. Ebenso wie GÖTTE finde ich die einzelnen Maschen des Gitterwerkes anfänglich feiner, als sie THomson gezeichnet hat, und stimme ihm daher bei, „dass das Gefüge der Platten viel passender ein netzförmiges als ein siebförmiges zu nennen wäre“. In Fig. 63 A habe ich die zweite Oralplatte, in 63B das zweite Basale bei stärkerer Vergrösserung gezeichnet. (Es fällt auf, dass das Orale viel umfangreicher entwickelt ist als das Basale, was jedoch nur für diesen Fall gilt, denn in andern gleich alten Embry- onen sind wieder beide Arten Kelchstücke annähernd gleich gross, in manchen endlich die Basalia umfangreicher. Auch der Verlauf und die Dicke der einzelnen Stäbchen des Gitterwerkes variirt in mannig- facher Weise. Das Wachsthum der anfänglich sehr kleinen und für jede Tafel einheitlichen Anlage erfolgt erstlich an den Enden der Nadeln, welche normaler Weise zwei in der nämlichen Ebene verlaufende und einen Winkel von 120 Grad einschliessende Aeste ansetzen. Diese wachsen in Folge neuer Kalkablagerungen der Mesenchymzellen rasch in die Länge, gabeln sich abermals, bis zwei freie Spitzen aneinanderstossen und verwachsen. Schon von frühern Autoren sind die ganz gleichen Vor- gänge der Bildung der Gitterplatten für andere Formen ausführlich beschrieben worden, so dass ich hier eine nochmalige Darstellung unter- lassen kann. Dass etwa zwei oder mehrere ursprünglich getrennte Kalkplattenanlagen später zu einem einheitlichen Kelchstücke ver- schmelzen würden, habe ich niemals beobachten können, sondern fand stets sämmtliche Theile einer Kelchplatte mit einander im Zusammen- hange. Zweitens erfolgt aber auch eine nachträgliche Verdickung der einzelnen Gerüststücke, wodurch die Lückenräume immer kleiner werden und später in der That eine siebähnliche Platte erzeugt wird. Bei den in den Aquarien gezüchteten Larven ist aber das Dickenwachsthum der Platten ein langsameres und beschränkteres. Weiter nach vorn zu von den Basalien, jedoch mehr in der Tiefe und der Hauptaxe näher, zeigen sich die noch äusserst kleinen Anlagen von 5 weitern Kalkstücken: die Subbasalia oder Infrabasalia, die in Bury’s Abhandlung als „underbasals“ bezeichnet sind. In Fig. 63 C habe ich ein Subbasale abgebildet, wie es sich in der Grösse und Lage zum Basale (B) und Orale (A) desselben Embryos verhält. Die übrigen Subbasalia waren noch kleiner und bildeten ein kurzes Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 997 Stäbchen; sie konnten eben erst entstanden sein, und es ist wohl sicher, dass Basalia und Oralia sich früher entwickeln. In andern gleich alten Embryonen habe ich nur 3 oder 4 oder auch nur 2 Subbasalia auffinden können. Ich glaube aber, dass dies lediglich daher kommt, dass nicht sämmtliche 5 oder 4 Stücke, welche die endgültige Zahl darstellen, gleichzeitig entstehen und in den betreffenden Präparaten eben noch nicht alle sich gebildet hatten. Vielleicht waren auch, wie weiter unten noch erörtert werden wird, zwei anfänglich getrennte An- lagen zu einem Stücke bereits verschmolzen. Ich stimme demnach Bury nicht bei, wenn er die Zahl 3 für die normale hält und nur ausnahms- weise 4 oder 5 Subbasalia zählt. Was die Lage der Subbasalia anbelangt, so habe ich in diesen allerersten Stadien überaus zahlreiche Verschiedenheiten bemerken können, selbst wenn Oralia und Basalia sich typisch entwickelt zeig- ten, und das eine oder andere Mal habe ich wohl auch 3 Stücke in der Anordnung angetroffen, die Bury in seinem Schema fig. 58 als normal entwirft. In dem nebenstehenden Holzschnitte zeichne ich die Lage der 5 Subbasalia des in Fig. 62 abgebildeten Thieres bei stär- kerer Vergrösserung in der Ansicht vom Rücken aus. Alle 5 Stücke liegen ungefähr in Form eines Hufeisens, das ventral zu ofien ist und sich nur über die dorsale Hälfte des Embryos erstreckt. Ich halte diese Art der Lagerung für die gewöhnliche, wenigstens sah ich sie am häufigsten. Man bemerkt, dass die beiden seitlichen Subbasalia sowohl rechts als links einander ziemlich nahe liegen, und das giant ale legt mir die Ansicht nahe, dass die beiden eines 100-stündigen Embryos. grössern seitlichen der 3 Subbasalia, die Bury mone. igo “Ho ge in ältern Stadien gesehen hat, durch Ver- basalia, sk Kalktafeln des e x ‘ Stieles. schmelzung zweier ursprünglich getrennter Anlagen entstanden seien. Bei der Undurchsichtigkeit des lebenden Objects ist man bei der Untersuchung dieser Frage ausschliesslich auf künstlich aufgehellte Präparate angewiesen, welche nur schwer ein ganz sicheres Ergebniss in dieser Beziehung gewinnen lassen. Ich muss später, wenn ich die Bildung der Centrodorsalplatte aus den Subbasalien behandeln werde, auf diese Frage zurückkommen und will hier nur bemerken, dass bereits GÖTTE richtig die Unab- hängigkeit der Anlage der Centrodorsalplatte von den Stielgliedern betont hat, 15 * 228 OSWALD SEELIGER, An dieser Stelle möchte ich das Wenige einfügen, was ich über die erste Entstehung der Kalkstücke habe beobachten können. Zu einer eingehenden Erforschung der Art und Weise, wie die Kalkstücke von den Mesenchymzellen gebildet werden, sind die ganz undurch- sichtigen Comatulalarven sehr ungeeignete Objecte. In Schnittserien, in welchen die kleinsten Kalkausscheidungen leicht übersehen werden können, muss mühsam aufgesucht werden, was bei den durchsichtigen Echinodermenlarven sich leicht dem Auge darbietet. Nur die Sub- basalia habe ich in ihren allerersten Bildungsstadien aufgefunden, aber ich nehme an, dass auch die andern Kalkplatten in ähnlicher Weise ihren Ursprung nehmen. ‘Fig. 64 zeigt einen Querschnitt durch eine Gruppe von 5 Me- senchymzellen, zwischen welchen ein kleines Kalkstückchen abgesondert ist als Anlage des rechten ventralen Subbasale. Die Zellen sind meist birniörmig gestaltet, in jeder lässt sich deutlich ein kugelähnlicher Kern erkennen. Sie umschliessen einen Raum, der wohl kaum durch die Conservirung künstlich erzeugt sein dürfte und vielleicht mit einer Kalklösung erfüllt ist. Der einen, in der Abbildung nach unten zu gelegenen Zelle, welche durch einen etwas grössern Kern auffällt, liegt ein auf dem Durchschnitte elliptisch erscheinendes Kalkkörperchen an. Dasselbe ist vom Kerne durch eine sehr dünne Schicht des plasmati- schen Zellenleibes geschieden, und ich nehme an, dass es von diesem letztern nach Art einer cuticularen Secretion ausgeschieden worden ist. Wenn das überaus kleine Kalkstückchen, das nur auf diesem einzigen Schnitte nachweisbar war, sich weiterhin vergrössert, sondern natürlich auch die übrigen umlagernden Zellen den dem Mutterstäbchen sich anlagernden Kalk ab, und je grösser die Kalktafel wird, desto mehr Zellen betheiligen sich an der Absonderung neuer Kalkmassen an und über dem alten Gitterwerke. Es stimmt also das aus der Untersuchung der Schnitte gewonnene Resultat mit den bereits durch SELENKA (80) bekannt gewordenen Thatsachen, dass die Mesoderm- zellen, „unter Beibehaltung ihrer amöboiden Natur, das Kalkskelet als Cuticularbildung‘‘ erzeugen, was später auch Lupwi@ (58) bestätigt hat, überein. Demgegenüber hat allerdings SEemon (82) für Seeigel behauptet, dass die erste Anlage der Kalkplatte im Innern einer Zelle in Tetraederform erfolge. Später erst trete dieses Kalkgebilde aus der Zelle heraus. Die Möglichkeit, dass es sich bei Crinoiden ebenso ver- halte, kann ich natürlich nicht bestreiten, denn in conservirtem und in Schnitte zerlegtem Materiale wird man ein so winziges Kalkgebilde Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 929 im Innern einer Zelle kaum nachweisen können, zumal es leicht der Auflösung durch die Reagentien ausgesetzt ist. In der Mitte des vordern Embryonalkörpers, zwichen dem 2. und 3, Wimperbogen liegen dicht hinter einander die Kalkstücke des spä- teren Stieles. Sie sind einreihig in einem schwach gekrümmten Bo- gen angeordnet, dessen Concavseite gegen die Bauchfläche gerichtet ist. Die einzelnen Platten sind ausserdem nicht vollkommen parallel zu ein- ander gelagert, sondern ihre ventralen Enden erscheinen einander näher gerückt als die dorsalen. Das vorderste Endglied der Reihe, die Fuss- platte, liegt der Basis der Vestibulareinstülpung nahe. Die Richtung dieser Platte ist in manchen Fällen, wenn die Stielstücke in einer be- sonders stark gekrümmten Bogenlinie angeordnet sind, fast parallel zur Hauptaxe, meist aber bildet sie mit dieser einen spitzen Winkel. Die hinterste Stielplatte liegt innerhalb des Kreises der Subbasalia, ein wenig dorsal zu verschoben. Die Zahl der Kalkstücke des Stieles ist auf diesem sowie auf den folgenden Stadien variabel. Sehr häufig fand ich 11 Platten angelegt; in dem in Fig. 62 abgebildeten Embryo kann man 13 zählen. Es ist daher nicht zutreffend, wie schon Bury eingewendet hat, wenn GÖTTE zuerst nur 8 Stielstückchen angelegt werden lässt, und annimmt, dass sich diese Zahl längere Zeit unverändert erhalte. Neue Stücke legen sich, wenn bereits eine grössere Anzahl vorhanden ist, stets am hintern Ende an, aber ich kann nicht zugeben, wie GÔTTE und Bury nach dem Vorgange W. THomson’s zu meinen scheinen, dass dies aus- nahmslos nur zwischen dem letzten der Reihe und der spätern Centro- dorsalplatte geschehen könne. Auch vor diesem, vor dem vorletzten und sogar drittvorletzten, aber wohl kaum noch weiter nach vorn zu können sich neue Anlagen einschieben. Damit stimmen MÜLLEr’s Angaben (67, p. 23) über die Neuanlage von Stielstücken bei Pentacrinus voll- kommen überein. Dass die Anlage neuer Stielstiicke nicht auf die Stelle hinter dem jüngsten Stücke beschränkt ist, schliesse ich aus solchen Fällen, in welchen vor einem oder mehrern der drei letzten Platten bedeutend kleinere angelegt waren. Ich kann diese letztern nur als jüngere, später aufgetretene Bildungen auffassen, denn dafür, dass sie zwar älter, aber in ihrer Entwicklung zurückgeblieben seien, fehlt jeder Anhaltspunkt. Soviel ich bei der Ungunst des Materiales habe erschliessen können, scheint das Auftreten neuer Kalkstücke zwischen zwei ältern in Embryonen dieses Alters dadurch ermöglicht zu sein, dass zwischen manchen bereits gebildeten Platten die Ent- fernung so gross ist, dass zwei oder mehrere Lagen Mesenchymzellen 230 OSWALD SEELIGER, dazwischen ruhen. Gewöhnlich liegen aber die Stielstücke so dicht, dass zwischen ihnen, wie die Durchschnitte lehren, nur eine Mesen- chymschicht Platz findet, welche das Dickenwachsthum jener zu be- sorgen hat. Es erscheint daher schon aus diesem Grunde die Ein- schiebung neuer Platten an diesen Stellen ausgeschlossen. Was die Form der einzelnen Stielplatten anbelangt, so ist die- selbe eine sehr verschiedene. In Fig. 63 D—G habe ich einige aus einem Embryo des fünften Tages abgebildet. D zeigt die hinterste Endplatte der Reihe; sie ist sehr dünn und besitzt sichelförmige Ge- stalt, ihre concave Seite ist, wie schon Bury erwähnt hat, gegen die Bauchfläche, die convexe gegen den Rücken des Embryos gekehrt, und die gleiche Anordnung zeigen auch alle weiter vorn ge- legenen Kalkplatten. In E ist das vorletzte Stück der Reihe abge- bildet; es ist etwas grösser als das letzte und zeigt median einen nach dem Rücken zu gerichteten Fortsatz, welcher sich in einem folgenden Stadium in zwei Hörner ausgezogen hätte. In F ist die vierte Platte von hinten an gezählt abgebildet. Dorsalwärts zeigt sie vier stachel- förmige Fortsätze, und nach der Bauchseite zu sind zwei Hörner ge- richtet. Die concave Ventralkriimmung ist bedeutend umfangreicher geworden und bildet schon fast einen Halbkreis. Die noch weiter vorn gelegenen Stielstücke sind bedeutend grösser und bereits so weit nach der Ventralseite vorgewachsen, dass die Krümmung bis zur Bildung eines */, Kreises vorgeschritten ist. Die Fortsätze auf der Rückenseite sind zahlreicher geworden und haben sich an der Spitze gabelig gespalten. Man findet also in ein und demselben Embryo von hinten nach vorn zu alle Entwicklungsstadien der Stielplatten neben einander, und es ist zweifellos, dass — mit den vorhin erwähnten Ausnahmen — zuerst die vordern, dann die hintern angelegt werden. Etwas anders geformt erscheint die terminale Fussplatte. Ich habe die ersten Stadien ihrer Bildung nicht beobachten können, aber es ist mir dennoch zweifelhaft, ob sie sich ebenfalls wie die andern Stielstücke als eine sichelförmige Platte anlegen wird. Sie ist von säinmtlichen Kalkgebilden des Embryos die umfangreichste, und ich glaube daher auch, dass sie zuerst aufgetreten ist. In Fig. 63 G habe ich eine solche Terminalplatte abgebildet; sie unterscheidet sich auf den ersten Blick von allen andern Stielplatten, da diese die ventralen Kreisausschnitte zeigen, während sie selbst in ihrem Bau viel mehr Aehnlichkeit mit entwickeltern Kelchstücken besitzt. Ich habe nie- mals in der Medianebene ventral eine Naht nachweisen können, welche auf einen daselbst zu Stande gekommenen Verschluss von seitlich vor- 6 ct Men PPT gal is ~ } Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 231 wachsenden Rändern hätte bezogen werden können, wie das in den ältern hintern Stielstücken der Fall ist, nachdem die Platten sich ventral geschlossen und in der Mitte einen kreisförmigen Ausschnitt erhalten haben. Zweites Capitel. Die freischwimmende Larve. (Tafel 16 und 17, Taf. 18, Fig. 99—101.) Fünf Tage nach Beginn des Furchungsprocesses sprengt der Em- bryo seinen Follikel und verlässt die Pinnula des Mutterthieres, um als Larve eine freischwimmende Lebensweise zu führen. Die Zeitdauer derselben ist selbst bei den verschiedenen Individuen derselben Brut äusserst verschieden. Ich habe einzelne schon nach wenigen Stunden sich festheften und dann sofort weiter entwickeln sehen, während ich andere noch nach 94 und 108 Stunden als freischwimmende, etwas grösser gewordene Larven mit nur unbedeutend veränderter Organisation antraf. Die gleichzeitig ausgeschwärmten, aber sofort festgehefteten Larven zeigten dagegen schon nach 60 Stunden den Leib in Stiel und Kelch gesondert und besassen 15 in das allerdings noch geschlossene Vestibulum hineinragende Tentakel. THomson erwähnt ebenfalls, dass die Larven mehrere Tage freischwimmend angetroffen werden können, und Busch hat sie längere Zeit lebend erhalten, ohne dass sie sich festgesetzt hätten. BARROIS bemerkt, dass manche Larven längere Zeit (es ist allerdings nicht bestimmter gesagt, wie lange), ohne sich festzusetzen, verharren können, dann aber eine abnormale Entwicklung erfahren. Bury schätzt die Zeit des freien Larvenlebens auf ungefähr 12 Stunden. Fast allgemein fand ich die eben ausgeschlüpften Larven nahezu 0,4 mm lang. Bleiben sie längere Zeit freischwimmend, so vergrössern sie sich und erlangen am Ende des zweiten oder dritten Tages eine Länge von 0,45—0,48, in einigen Fällen sogar 0,5 mm. THOMSON (90, p. 522) giebt an, dass die Larve während ihres mehrtägigen Lebens von 1,5 bis auf 2 mm Länge heranwüchse. Sind seine An- gaben richtig, so erscheint es wohl fraglich, ob er nicht eine andere Art oder Varietät untersucht hat, zumal er auch den Durchmesser des Eies fast doppelt so gross wie ich gefunden hat. Busch dagegen 232 OSWALD SEELIGER fand die Larve an den Orkneyinseln '/,,/ lang, also etwas kürzer, als ich sie in Triest sah. Gewöhnlich schwimmt die Larve mit dem vordern Pole voran; nur ausnahmsweise, wenn sie auf ein Hinderniss stösst, erfolgt eine Bewegung in umgekehrter Richtung, wie schon Bury gegenüber THomson hervorgehoben hat. Gelegentlich kann man ein Rotiren der Larve um ihre Längsaxe beobachten. Die freischwimmende Larve der Comatula wurde 1849 von Busch (11, 12) entdeckt. Auch seine spätern Mittheilungen (13) beschränken sich auf die Beschreibung der äussern Formverhältnisse und Wimper- kränze. Später hat THomson (90) die Larve untersucht, und soweit er das Skeletsystem behandelt, haben sich seine Angaben zum grossen Theile als richtig erwiesen. Die innere Organisation hat zuerst METSCHNIKOFF (62) beschrieben. Er glaubt einen fundamentalen Gegensatz zur Entwicklung aller andern Echinodermen feststellen zu können; aber es sind nur wenige Beobachtungen, welche er mittheilt, um seine Auffassung zu stützen. Leider ist kaum eine davon richtig. Einen wesentlichen Fortschritt in der Kenntniss der Larvenorgani- sation bezeichnet Görrte’s Arbeit (31), obwohl auch sie von Irrthümern nicht freigeblieben ist. Ich werde mehrfach Gelegenheit finden, in diesem Capitel auf diese sowie auf die spätern ausgezeichneten Unter- suchungen Barrors’ und Bury’s zurückzukommen. I. Das Ectoderm. Das Ectoderm hat während der letzten Embryonalzeit bedeutende Veränderungen erfahren und erweist sich namentlich in histologischer Beziehung recht verschieden von dem zuletzt eingehender beschriebenen Embryo von 75—80 Stunden. Die gesammte Bauchseite ist nament- lich im vordern Abschnitte tief eingesenkt, so dass die Larve bei be- deutender Längsstreckung bohnenförmige Gestalt erhalten hat. Die fünf Wimperreifen erscheinen von den sehr verbreiterten Zwischenzonen vollständig scharf abgesetzt, und über der vertieften Scheitelgrube hat sich ein mächtiger Wimperschopf ausgebildet. Die Festheftungsgrube hat sich ebenfalls vertieft und erscheint von der Nachbarregion bedeu- tend schärfer abgegrenzt (Fig. 65, 67, Taf. 16). 1. Das Hautepithel; die Wimperbogen und die Zwischenstreifen. Der Verlauf der Wimperkränze ist im Allgemeinen der nämliche wie in den jüngern Stadien. Schon in diesen erkannten wir 5 deutlich Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 233 gesonderte Reifen, die sich nicht, wie es bei den ähnlich verlaufenden der Holothurienlarve der Fall ist, auf eine einheitliche rücklaufende Wimperschnur ontogenetisch zurückführen liessen. Fig. 65, Taf. 16, zeigt den Verlauf der Wimperkränze auf der Bauchseite, Fig. 67 auf der rechten Seite eine Larve von 28 Stunden. In Fig. 66 endlich ist eine Larve von links abgebildet, die abnormer Weise während 52 Stunden eine freischwimmende Lebensweise führte und noch den nämlichen Verlauf der Wimperreifen aufweist. Der vorderste Bogen umgiebt die Scheitelgrube; er ist auf der Ventralseite median offen und hat also hufeisenförmige Gestalt. Seine beiden Schenkel gehen in den bewimperten Rand der Festheftungs- grube über. Der zweite Bogen ist vollständig geschlossen. Auf der Ventralseite zieht er sich median zwischen Festheftungsgrube und Vestibulareinstülpung hindurch und liegt daselbst dem Vorderende der Larve näher als mit seinen Seitentheilen. In der Medianebene dorsal nähert er sich wiederum dem vordern Körperpole; jedoch ist in der Regel die Entfernung von demselben hier grösser als auf der Bauch- seite. Im Einzelnen variirt aber der Verlauf bei verschiedenen Indi- viduen ein wenig. Der dritte Bogen weicht ventral in Folge der bedeutenden Ausdehnung der Vestibularfurche, deren hinteren Theil er umgrenzt, beträchtlich weit nach hinten zurück, so dass daselbst die Entfernung von dem vordern Bogen sehr weit, dagegen die Annäherung an den vierten sehr auffallend wird. Wenn später die Vestibularein- stülpung weiter nach hinten zu vorschreitet, senkt sich auch die ven- trale Medianpartie ein, um an der Bildung derselben Theil zu nehmen. Der dritte Bogen ist der längste von allen. Diese drei ersten Wimper- kränze liegen vor den Eingeweiden und gehören der Region an, aus welcher später der Stiel sich bildet; der dritte bestimmt so ziemlich die Grenze zwischen Stiel und Kelch der festsitzenden Larvenform. Der vierte Bogen umkreist ohne besonders hervortretende Abweichung die hintere Körperregion über den Eingeweiden; der fünfte endlich umgiebt das bereits verjüngte Hinterende, in welches weder Darm noch Cölomfortsätze hineinreichen. Ausser den nach Totalpräparaten gezeichneten Abbildungen giebt der Längsschnitt in Fig. 68 eine deut- liche Vorstellung von den Lagebeziehungen der Wimperbogen zu den innern Organen. Durch die fünf Wimperbogen werden naturgemäss sechs Zonen gesondert. Zwei davon, die vorderste und hinterste, umgeben die Körperenden calottenfürmig ; die vorderste stellt die histologisch sehr abweichend gebaute Region der Scheitelgrube dar. Die vier andern 234 OSWALD SEELIGER, dehnen sich dagegen gürtelförmig in wechselnder Breite aus; die vor- derste derselben ist übrigens ventral durch die Festheftungsgrube unterbrochen. Der schon bei äusserer Betrachtung sehr auffallende Gegensatz von Wimperbogen und Zwischenzonen beruht auf bedeuten- den histologischen Verschiedenheiten des Hautepithels. In den Wimperbogen ist das Epithel verdickt. Nach aussen zu springt es mit stärker convex gekrümmter Fläche vor, nur dorsal, nahe der Medianebene erhalten sich die Bogen etwas mehr abgeflacht. An manchen Stellen bemerkt man auch gegen die primäre Leibeshöhle zu eine allerdings stets schwache Vorwölbung. Die Zellen stellen hohe Prismen, Pyramiden oder Spindeln von äusserst kleinem Quer- durchmesser dar und reichen von der Aussenseite bis zur Leibeshöhle. Ich habe allerdings, da die angewandten Conservirungsmethoden für eine spätere Maceration und Anfertigung von histologischen Isolations- präparaten nicht berechnet waren, nur einige Male die Zellen in ihrer ganzen Länge isolirt darstellen können. Meistens (Fig. 76) vermochte ich gegen die Leibeshöhle zu die Zellgrenzen nicht mehr scharf nach- zuweisen, aber ich glaube aus einzelnen Befunden auf eine durchweg stattfindende Einschichtigkeit der Wimperbogen schliessen zu dürfen. An der Aussenseite tragen die Zellen über einem senkrecht zur Ober- fläche gestreiften cuticulaähnlichen Randsaume Flimmerbekleidung. Die Wimpern sind in den äussern Zellkörper eingesenkt. Die Kerne färben sich besonders in Hämatoxylin sehr rasch und intensiv; sie sind be- deutend kleiner als in den Zwischenzonen und haben sich in der vor- hergehenden Entwicklungsperiode durch Theilung stark vermehrt. Da oft eine neue Kerntheilung eintritt, bevor der Zellkörper den vorher- gehenden Theilungen in der Durchfurchung gefolgt ist, kann man leicht mehrere Kerne in einer Zelle auffinden. Die Kerne der Nachbar- zellen liegen in verschiedener Höhe, vorwiegend aber in der Nähe der Mitte oder in den innern Zellhälften. Neben den eben beschriebenen Wimperbogen kommt eine zweite, etwas abweichend gebaute Form vor, die sich dadurch auszeichnet, dass sie nach aussen nicht wulstförmig vorspringt, sondern mehr oder minder flach rinnenförmig nach innen eingebogen ist. Die Flimmer- zellen erscheinen dann als äusserst dünne Pyramiden, deren Basen gegen die Leibeshöhle zugekehrt sind, während an den Spitzen die Wimpern sitzen. Obwohl ich es nicht habe feststellen können, bin ich doch geneigt, anzunehmen, dass jede Zelle nur eine Wimper oder Geissel trägt. In Fig. 75 ist ein Querschnitt durch die mediane Rücken- region des 4. Wimperbogens einer eben ausgeschlüpften Larve ab- pen eee Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 235 gebildet, die den eben berührten Unterschied bei sonst gleichen Ver- hältnissen deutlich erkennen lässt. Ich habe die Bogen sämmtlicher Larven eines Mutterthieres in dieser Beziehung immer ganz gleich- artig angetroffen. Barroïs hat, wie es scheint, nur rinnenförmige, Bury vorwiegend nach aussen convex gekrümmte Wimperkränze untersucht. Die vier durch die Wimperbogen begrenzten Zonen und die hintere Calotte bestehen aus bedeutend grössern, der Flimmern entbehrenden Zellen. In gut ausgeführten Schnitten durch in geeigneter Weise con- servirte Larven kann man die Zellgrenzen ganz gut erkennen (Fig. 76). In parallel zur Oberfläche geführten Schnitten erscheinen die einzelnen Zellen in deutlichen polygonalen Umrissen, wenn man den epithelialen Verband durch leichtes Klopfen auf das Deckgläschen lockert (Fig. 78). Die Kerne sind grösser als die der Flimmerzellen, aber viel weniger leicht färbbar. In vielen habe ich überhaupt ganz vergeblich nach Chromatinkörnern gesucht und glaube daher, dass das Chromatin vollständig schwinden kann. In solchen Fällen können die Kerne leicht übersehen werden. Sie liegen in der Mitte oder dem innern Zellende nahe, nur selten mehr nach aussen zu. Einige Male habe ich zwei Kerne in dem noch ungetheilten Zellkörper angetrofien. Busch lässt die freischwimmende Larve zuerst nur drei, dann vier Wimperreifen besitzen, und auch die Zwischenzonen sollen an- fanglich durch kleine Wimpern ausgezeichnet sein. Er hat ebenso wie nach ihm THomson und GÖTTE den vordersten unvollständigen Reifen übersehen. Barroıs hat denselben zuerst beobachtet, und ebenso hat Bury den Verlauf der Wimperbogen ganz richtig dargestellt. Die Angaben beider Forscher über den histologischen Charakter der Bogen stimmen im Wesentlichen mit meinen Befunden überein. Nur beschreibt BArrors, dass der vorderste keine Wimpern trage, zeichnet aber in fig. 12a auf tab. 27 ein wohlentwickeltes Wimperkleid im Bereiche desselben. j Zwischen den normal geformten Zellen des Ectoderms sind schon von den frühern Autoren abweichend gestaltete Elemente beschrieben und in verschiedenster Weise gedeutet worden. Sie erscheinen bereits in der letzten Embryonalzeit und erhalten sich auch in der fest- sitzenden Larve. Tmomson erwähnt gelbe Oelbläschen und Vacuolen in der Sarcodeschicht, als welche er das Ectoderm aufgefasst hat. Görre (31, p. 596) schreibt: „Zu einer gewissen Zeit treten in der sonst noch unveränderten Oberhaut zwischen ihren Cylinderzellen keulenförmige, tief gelb gefärbte, kernhaltige Zellen auf, deren dickeres 236 OSWALD SEELIGER, Ende nach aussen gekehrt ist und nicht nur die Oberfläche erreicht, sondern bisweilen aus ihr hervortritt. Ich enthalte mich jeder Ver- muthung über die Bedeutung dieser Zellen.“ Namentlich nach Conser- virung in Alcohol und Hämatoxylinfärbung treten diese Gebilde intensiv hervor, und man kann sich dann leicht überzeugen, dass es nicht die ganze Ectodermzelle ist, welche sich durch besondere Färbbarkeit aus- zeichnet, sondern dass es sich um sehr verschieden geformte Ein- schlüsse in den Zellen handelt. Sie liegen in verschiedener Höhe, bald dem Kerne nahe im innern Zellende, bald ganz an der Aussen- seite und erscheinen zum Theil bereits aus der Zelle ausgetreten. Ihre Grösse ist verschieden ; manchmal sind sie so ansehnlich, dass sie den grössern Theil des Zelleibes erfüllen. Ich betrachte diese Ein- schlüsse als Producte der Zellen, in welchen sie liegen, und diese als Drüsenzellen der Haut, ohne allerdings die Bedeutung und den Nutzen des Secretes angeben zu können. Bury beschreibt im lebenden Ob- jecte gelbe Zellen, welche mit den übrigen Ectodermelementen im Baue vollständig übereinstimmen, wie ich es in spätern Stadien eben- falls gefunden habe, und über die Oberfläche nicht hinausragen. Ich glaube, dass diese gelben Zellen mit den Drüsenzellen identisch sind, und dass die Formverschiedenheiten mit dem verschiedenen Functions- zustande zusammenhängen, in welchem die Zellen untersucht worden sind. Doch verkenne ich nicht die Nothwendigkeit einer nochmaligen Prüfung dieser Frage im lebenden Objecte. — Bleibt die Larve längere Zeit freischwimmend, so verändert sich die histologische Beschaffenheit der Zwischenzonen sehr auffallend ; setzt sich die Larve sehr bald fest, so erfolgen die nämlichen Ver- änderungen auf dem festsitzenden Stadium. Nach aussen zu sondern die Zellen eine feine cuticulare Membran ab, und zwischen sich scheiden sie eine homogene, im lebenden Zustande glashell durchsichtige Zwischensubstanz ab. Die Absonderung der letztern beginnt an den äussern Zellenden und schreitet allmählich nach innen zu vor. Dabei rücken die Kerne in das innere Ende und werden wieder chromatin- reicher. Man sieht daher zunächst die äussern protoplasmatischen Zellenden vollständig von einander getrennt, die innern dagegen ein- ander berühren (Fig. 85, Taf. 17). Am spätesten habe ich diese Ver- änderungen in der vordersten Zwischenzone, die von den beiden ersten Wimperbogen begrenzt wird, und auf der medianen Ventralseite hinter dem vierten Bogen auftreten sehen. Sehr bald nach der Ausscheidung der Zwischensubstanz beginnen sich einzelne Zellen mit ihrem proto- plasmatischen Theile von der äussern Oberfläche zurückzuziehen, ge- i Y - = Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 237 winnen keulenförmige, birnförmige und füglich fast kugelähnliche Form und liegen an der Basis des Ektoderms zwischen den unregel- mässig geformten, langgestreckten Protoplasmakörpern der übrigen Zellen, welche bis zur äusseren Membran reichen, aber nicht mehr durchaus parallel zu einander stehen (Fig. 83, Taf. 16, Fig. 89, 91, Taf. 17). Inwieweit etwa die Verkürzung der Zellen mit der Aus- scheidung der Zwischensubstanz im Zusammenhange steht, weiss ich nicht anzugeben. Es fällt aber auf, dass die abgerundeten Plasma- körper an Volumen eingebüsst haben, während man unter den langgestreckten viele findet, welche ungefähr gleich gross sind wie in den ersten Stunden der freischwimmenden Larvenzeit. Gegen die Leibeshöhle verläuft die Grenzlinie des Ektoderms nicht mehr so glatt wie in jüngeren Stadien. Namentlich die keulenförmigen und runden Zellen sieht man oft nach innen vorspringen. Nichtsdesto- weniger kann während der freischwimmenden Larvenzeit nirgend ein Zweifel bestehen, ob eine Zelle dem Ektoderm oder dem Mesoderm zuzurechnen sei. Das Ektoderm erhält durch die Ausbildung der Zwischensubstanz in gewisser Weise Aehnlichkeit mit einem Binde- gewebe, die sich in einem späteren Stadium noch mehr ausgeprägt . zeigen wird. In Bezug auf den Verlauf der Wimperbogen ähnelt der Antedon- Larve unter allen andern Echinodermenlarven wohl die sog. Holo- thurienpuppe am meisten. Die Wimperreifen bilden sich bei dieser entweder aus der einheitlichen rücklauienden Wimperschnur einer Auricularia oder, wo ein solches vorhergehendes Stadium fehlt, direct aus der allgemeinen Oberflächenbewimperung. In histologischer Be- ziehung herrscht aber bedeutende Verschiedenheit, wenn man der Vergleichung die Befunde Semow’s an Synapta digitata zu Grunde legt. Die Wimperreifen der Puppe besitzen fast den gleichen Bau wie die Auriculariawimperschnur und bestehen aus mehrschichtig über einander lagernden, stark abgerundeten, fast kugelförmigen Zellen, von denen die obersten Flimmern tragen. Bei Antedon dagegen sind die Zellen der Wimperreifen sehr lang, fast haarförmig gestaltet. Im übrigen Ectoderm, in den Zwischenzonen, sollen bei Synapta die Kerne vollständig geschwunden sein; mit Hilfe der Goldfärbung ge- lingt es aber, die polygonalen Umrisse der kernlosen Zellen des äusserst feinen Plattenepithels nachzuweisen. Das spätere Ectoderm bildet sich weiterhin auch ausschliesslich aus dem Zellenmateriale der Wimper- 238 OSWALD SEELIGER, reifen. Bei Antedon lassen sich hingegen jederzeit während der frei- schwimmenden Larvenzeit die Zellen mit ihren mehr oder minder chromatinarmen Kernen in den Zwischenzonen nachweisen. Unmittel- bar nach dem Ausschwärmen bestehen sogar die Zwischenzonen aus ansehnlich hohen Cylinderzellen. 2. Die Scheitelgrube und das Nervensystem. Während der freischwimmenden Larvenzeit erreichen die Scheitel- grube und das von ihr aus gebildete larvale Nervensystem den höchsten Grad der Ausbildung, um sich bald nach der Festsetzung als Organe von nur transitorischer Bedeutung zurückzubilden. Schon während der Embryonalzeit sahen wir in der Region der Scheitelgrube einzelne Zellen des einschichtigen Ektoderms unter Formveränderungen in die Tiefe rücken, wo, von der primären Leibeshöhle durch eine Membran scharf abgegrenzt, ein feines Fasergeflechte sich gebildet hatte. Nach und nach vergrössert sich die Zahl der subepithelialen Zellen einmal dadurch, dass sie sich durch Theilung vermehren, sodann hauptsäch- lich dadurch, dass neue Ectodermzellen sich in die Tiefe begeben. Dort verkürzen sie sich bedeutend, runden sich ab, wenn sie zur Theilung sich anschicken und senden dann wieder 2 oder 3 Fortsätze aus; ihr deutlich nachweisbarer Kern ist kugelig oder eiförmig (Fig. 89, 90, Taf. 17). Diese subepithelialen Zellen fasse ich, als bi- oder multipolare Ganglienzellen auf. Die Grösse des Zell- körpers ist variabel, doch schwankt sie gewöhnlich zwischen 0,005 und 0,006 mm, ohne Fortsätze gemessen, welche eben- falls verschiedene Länge besitzen. Die Elemente sind also etwas kleiner als — nach Hamann (37) — im Centralnervensystem der ausgebildeten Form. Sie liegen fast sämmtlich den Faserzügen auf, zwischen diesen und der äussern Hautschicht; nur wenige Zellen dringen tiefer ein, um allseitig von Fasern umschlossen zu werden. Die Faserschicht ist namentlich unter der Scheitelgrube sehr ansehnlich geworden und erstreckt sich von da aus über das vorderste Ende der Larve, indem sie nach den Seitenrändern zu immer feiner wird, um sich endlich beim 2. Wimperreifen zu ver- lieren. Nur einzelne feine Stränge, die ich ebenfalls als nervös deute, ziehen an den Seiten weiter nach hinten, um die hintern Flimmer- bogen zu versorgen. Eine Gesetzmässigkeit im Verlaufe dieser letz- tern habe ich nicht feststellen können. Bei der vollständigen Un- durchsichtigkeit des Objects ist man ausschliesslich auf die Unter- Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 239 suchung von Schnittserien angewiesen, und selbst bei äusserster Vorsicht leiden die feinern Nervenfasern durch die Einbettung. Viel- fach lässt es sich nicht entscheiden, ob die fragliche Faser nervöser oder bindegewebiger Natur ist. Nur im vordersten Larvenabschnitte grenzt nämlich die oben erwähnte Membran die Faserschicht scharf gegen die Leibeshöhle ab, weiter nach hinten zu wird sie undeutlicher, namentlich während der spätern Zeit des freien Larvenlebens, wenn gleichzeitig im Mesenchym feine Bindegewebsfasern sich ausbilden. Unmittelbar unter der Scheitelgrube im Centrum des nervösen Apparates liegen der Faserplatte sehr zahlreiche, regellos, aber mehr- schichtig gelagerte Ganglienzellen auf. Seitlich und weiter nach hinten zu werden sie immer spärlicher, und über den feinen Faserzügen ver- mag ich keine Zellen mehr zu sehen. Auffallend durch ihre Stärke und in ihrem Verlaufe constant sind zwei Nervenstränge. Dieselben entspringen der centralen Faserplatte unter der Festheftungsgrube und verlaufen auf der Bauchseite der Larve rechts und links in den durch die Vestibulareinstülpung gebildeten Winkeln. In den Quer- schnitten (Fig. 73, 74 Taf. 16) erscheinen sie dreikantig; die kleinere Basalseite liegt der Leibeshöhle zugekehrt, die beiden längern den Innenseiten des Hautepithels und der Vestibularseitenwände. Nach hinten zu werden beide Nervenstämme immer feiner, und in den Querschnitten konnte ich sie bis vor den vierten Wimper- ‚reifen verfolgen (Fig. 72), vermuthlich werden sie aber auch noch den letzten erreichen. Im vordern Abschnitte Jiegen den Nerven auf der äussern, der Leibeswand zugekehrten Seite einzelne Ganglienzellen auf (Fig. 93, Taf. 17), im hintern habe ich sie nicht feststellen können. Nur vereinzelte Ectodermzellen finden sich da, welche mit ihrem innern, kolbig verdickten Ende bereits aus dem Epithelverbande herausgetreten sind, mit ihrem äussern aber noch zwischen den Ectodermzellen stecken. Es gleichen somit diese Zellen denjenigen in der Scheitel- grube eines jüngern Stadiums, welche im Begriffe sind, subepithelial zu werden und zu Ganglienzellen sich umzubilden. Aber im hintern Bereiche der beiden ventralen Nervenstämme machen die Zellen nicht mehr die vollständige Entwicklung bis zu Ganglienzellen durch, weil früher schon eine Rückbildung des gesammten larvalen Nerven- apparates eintritt. Die im epithelialen Verbande verbleibenden Zellen in der Scheitel- grube haben sich bedeutend verändert und, sowie die Zellen in den Wimperreifen, während der letzten Embryonalzeit stark vermehrt; sie sind zu lang gestreckten, dünnen Stäbchenzellen geworden, die in der 240 OSWALD SEELIGER, Nähe ihres innern Endes einen stark färbbaren, meist länglichen Kern besitzen. Im Centrum der Scheitelplatte sind die Zellen am längsten und messen 0,025 bis 0,03 mm; nach dem Rande zu werden sie immer kürzer, so dass die stark gefärbten Kerne auf den Längsschnitten durch diese Region in bogenförmiger Anordnung erscheinen (Fig. 89, Yaf. 17). An der Aussenseite tragen sie die langen Geisseln, welche schon der Entdecker der Larvenform, Busch, beobachtet hat. Bei der Conservirung und Einbettung sind sie zum Theil abgebrochen und zerstört worden, so dass nur die untern Stummel in der Abbildung zu sehen sind. Aehnlich wie in den Zellen der Wimperreifen sind auch hier die Geisseln in die cuticularen Zellenden eingebettet, die da- durch längsgestreift erscheinen. Unter der Längsstreifenzone bemerkt man einen feinen Streifen verdichteten, stärker färbbaren Zellplasmas. Bezüglich des Verhaltens der innern Zellenden kann man zwei verschiedene Zellarten in der Scheitelgrube unterscheiden. Erstlich solche mit keulenförmig angeschwollenem oder abgestutztem Ende. Dieselben liegen zwischen den andern regellos vertheilt und sind kürzer als diese; ihr Kern liegt dem innern Zellende ganz nahe. Ich deute sie als indifferente Stützzellen. Die andern Zellen dagegen tragen einen äusserst feinen und langen Fortsatz, welcher zwischen die Ganglien- zellen in die Faserschicht sich hineinerstreckt. Welcher Art die Ver- bindung dieses Faserendes vielleicht mit einer Ganglienzelle ist, konnte ich nicht feststellen (Fig. 90, Taf. 17). Diese Zellen fasse ich als Sinneszellen und speciell als Tastzellen auf. Denn dass ein ge- wisses Tastvermögen der freischwimmenden Larve zukommt, welches im vordern Körperende seinen Sitz haben muss, kann man schon aus der Art des Schwimmens erschliessen und aus dem Verhalten der Larve, wenn sie auf ein Hinderniss stésst. Ob die eben erwähnten beiden Zellarten der Scheitelgrube auch in ihren äussern Enden verschieden sind, vermochte ich an dem conservirten Materiale nicht sicher zu unterscheiden, weil mir die Isolirung in dieser Zone nur unvollkommen gelang. Doch halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass nur die eigentlichen Sinneszellen Träger der Geisseln seien. Soviel mir bekannt, ist bisher Bury der einzige, welcher bei der freischwimmenden Antedon-Larve das Nervensystem gesehen hat. Es sind aber nur wenige Worte, welche er darüber sagt, die ich im Wort- laute hersetzen will: „Round the edge of the praeoral pit and down the sides of the larval mouth there runs a narrow groove, which is TES Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 241 filled with excessively fine longitudinal fibres. A deep layer of similar fibres, running for the most part from side to side, underlies the whole of the anterior pole: they are apparently ectodermic, though where they occur there is seldom any marked line of separation between the ectoderm and mesoderm. From the position and general appear- ance of these fibres it seem most probable that they are part of a nervous system, aud that some at least of the peculiar ectodermic structures connected with them are of a sensory nature“ (9, p. 269). Aus dieser Darstellung geht hervor, dass Bury die subepithelialen Ganglien- zellen als solche nicht erkannt hat; auch war der Conservirungszustand seiner Larven nicht derartig, dass er die eigenthümlichen Zellformen in der Scheitelgrube hätte unterscheiden können. Ueber das Nervensystem der übrigen Echinodermenlarven liegen nur wenige Angaben vor. Es war METSCHNIKOFF (63), welcher bei Auricularien und Ophiurenpluteis zuerst das Nervensystem nachwies, während er bei Bipinnarien und Echinidenpluteis keines auffinden konnte. Neuerdings hat auch Semon (85) bei Bipinnarien vergebens darnach gesucht. Bei den Auricularien sind es bekanntlich zwei seit- liche Leisten, welche aus zwei oder auch drei Reihen regelmässig an- geordneter Geisselzellen bestehen, unter welchen als das nervöse Centrum äusserst feine Nervenfasern hinziehen. Ausserdem kommen nach METSCHNIKOFF einzelne bi- und tripolare Ganglienzellen vor, eine Deutung, welcher SEMON (83), wie mir scheint, mit Unrecht widerspricht, indem er Mrerscunikorr’s Ganglienzellen für in die Tiefe gerückte Flimmerzellen hält. Diese Genese ist aber gerade für die Ganglienzellen der Echinodermenlarven charakteristisch. Wie jedoch die Ganglienzellen im Einzelnen bei den Auricularien gelegen sind, lässt sich aus Semon’s Darstellung nicht entnehmen. Von jeder der beiden Nervenleisten gehen drei Nerven zu der longitudinalen Wimper- schnur der Auricularia ab. METSCHNIKOFF hält es mit Recht für wahrscheinlich, dass auch die den Nerv überlagernden Wimperzellen der Leiste selbst mit diesem in Verbindung stehen. Nach Srmon’s Darstellung fehlt den Flimmerzellen in den Leisten ein basaler Contour, und in seinen Abbildungen erweisen sich die Nervenfibrillen auf den Querschnitten nicht subepithelial, sondern intraepithelial gelegen. Bei der Comatulalarve differenziren sich die Nervenfasern natürlicherweise ebenfalls vom Ectodermepithel, aber sie liegen durchaus subepithelial, in der Scheitelgrube von Ganglienzellen überlagert. Es ist daher be- sonders bemerkenswerth, dass in der ausgebildeten Comatula nach Hamann die Ambulacralnerven in den Armen und Pinnulen, die aber Zool. Jahrb. VI. Abth. f. Morph. 16 242 OSWALD SEELIGER, natürlich nicht aus den larvalen Nerven hervorgegangen sind, epithelial liegen sollen, während alle frühern Untersucher sie subepithelial ge- lagert sein lassen. Es ist aber zu beachten, dass nicht alle von Hamann selbst gegebenen Abbildungen seine Ansicht bestätigen. Wie ich oben bereits erwähnt habe, hat das Nervensystem der Crinoidenlarve nur transitorische Bedeutung. Nach METSCHNIKOFF verschwinden zwar auch vor der Metamorphose der Auricularia die Fasern des Nervencentrums und die von ihnen ausgehenden Nerven vollständig, aber aus den Zellen der beiden seitlichen Leisten geht doch, indem sie in die Tiefe rücken und sich verbinden, der definitive orale Nervenring hervor. SEMON dagegen beschreibt, dass auch die Nervenfasern der beiden Leisten direct zu den Fasern des Ringnervs würden, ja er hält es für möglich, dass die fünf von diesem aus- gehenden Tentakelnerven von den drei Nervenpaaren abzuleiten seien, welche in der Auricularia von den Leisten zu den zum spätern Mundschilde werdenden Enden des Wimperkranzes hinziehen. Freilich müsste dann entweder. eine Rückbildung eines larvalen Nervs oder eine Verschmelzung von zweien stattfinden. Nach den letzten Mit- theilungen von LupwiG (60, p. 9) bestehen bei Cucumaria planci am achten Tage, an welchem das tonnenförmige Stadium bereits über- wunden ist, der zuerst angelegte Ringnerv und die Radialnerven anfänglich ausschliesslich aus dicht gedrängten, in mehrfacher Lage über einander geschichteten Zellen, und erst später bilden sich die Fasern aus. Im Ophiurenpluteus liegt das schwächer ausgebildete provisorische Nervensystem ebenso wie bei den Auricularien zwischen Mund und Aftermarquise und zeigt Bogenform. Unter einer einzeilig angeord- neten Reihe Zellen erstreckt sich der Nervenstrang mit feinen Fasern und Ganglienzellen, welch letztere Nervenfäden nach den Seiten des Körpers aussenden. Bezüglich der Lage unterscheidet sich also das larvale Nerven- system der Crinoiden auffallend von dem der Holothurien und Ophi- uriden. Gerade an der Stelle, an welcher bei der Antedon-Larve das nervöse Centrum liegt, fehlt jenen ein Nervenapparat oder eine Scheitelgrube. Dagegen könnte man ihre Nervenstämme mit den beiden seitlich von der Vestibulareinstülpung der Crinoidenlarve verlaufenden vergleichen. Obwohl zwar der letztern Mund und After fehlen, kann man doch über die Orientirung und Ver- gleichung ihrer Körperregionen mit den andern Echinodermen- larven nicht im Zweifel sein. So haben denn auch alle Beobachter DE ge ve Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 243 die Seite der Vestibulareinstülpung als die ventrale aufgefasst, und dass die in dieser Darstellung als das Hinterende bezeichnete Region der Afterregion der übrigen Echinodermenlarven entspricht, ergiebt sich aus der gleichen Lage des Blastoporus, der bei Crinoiden aller- dings frühzeitig sich schliesst. Vor einiger Zeit hat Conn (22) die Bemerkung gemacht, dass NACHTRIEB in einer noch unveröffentlichten Untersuchung im Scheitel der Echinodermenlarven ein centrales Nervensystem nachgewiesen hätte. Es würde der Lage nach mit der Scheitelgrube der Crinoiden- larve vollständig übereinstimmen und theoretisch leicht verständlich sein, wenngleich der Umstand, dass bereits von mehrern Forschern erfolglos an dieser Stelle bei Auricularien, Bipinnarien und Pluteis nach einem Nervensystem gesucht wurde, zu einiger Vorsicht mahnt. Es ist mir auch nicht bekannt geworden, dass NACHTRIEB inzwischen die in Aussicht gestellte Untersuchung veröffentlicht hätte. 3. Die Festheftungsgrube und die Vestibular- einstülpung. Die Festheftungsstelle, die wir schon in bedeutend jüngern Embryonalstadien nachweisen konnten, erscheint in der freischwimmen- den Larve ausgedehnter und vertieft (Figg. 65—67, Taf. 16). Sie ist keinem der frühern Beobachter entgangen; schon Busch hat sie als „provisorischen Larvenmund“ beschrieben, obwohl er keinen Zusammen- hang mit einem innern Organe feststellen konnte. Wie ich oben bereits erwähnt habe, hat Tmomson diese Grube als „pseudoproct“ bezeichnet, während GÖTTE über ihre Bedeutung zu keiner bestimmten Auffassung gelangt ist. BAarroıs erkannte sie als Festheftungsgrube, und Bury hat das bereits bestätigt. Den Angaben der beiden letztgenannten Forscher habe ich nur wenig hinzuzufügen. Noch innerhalb der Membran, im ausgebildeten Embryo zeigen die prismatischen Zellen der Festheftungsgrube eine feine Bewimperung. Die Flimmern sind bedeutend kürzer als in der Scheitelgrube. Später theilen sich die Zellen und zeigen in der Larve stäbchenförmige Gestalt, ohne aber die Feinheit erreicht zu haben wie in der Scheitelgrube. Sinneszellen habe ich in der Festheftungsgrube nicht nachweisen können, und ebensowenig habe ich eine Umbildung einzelner Zellen zu subepithelialen Ganglienzellen wahrgenommen. In der tiefer liegenden Nervenfaserschicht fand ich zwar Ganglienzellen, namentlich im Bereiche der Randzone der Festheftungsgrube, während re 244 OSWALD SEELIGER, sie unter der Mitte derselben zu fehlen schienen; aber ich glaube, dass sie durch Theilung früher schon von der Scheitelgrube aus eingewanderter entstanden sind. Die Kerne der Zellen in der Fest- heftungsgrube sind meist etwas grösser und längsgestreckter als in den Sinneszellen und färben sich in Hämatoxylin um ein Weniges heller als diese. Sie liegen in den innern Zellhälften, aber in den benachbarten Zellen in verschiedener Höhe; nur selten trifft man einen Kern in dem äussern Zellende. Manchmal fand ich die Zellen an der Basis der Grube auffallend lang, fast um '/, länger als die Sinnes- zellen im Scheitel. Unmittelbar vor und während der Festheftung der Larve prägt sich der drüsige Charakter dieser Region immer mehr aus. Die Flimmern schwinden, die Zellen erscheinen meist etwas kürzer und dicker und haben an ihrer äussern Seite eine zunächst dünne Schicht homogenen Secretstoffes abgeschieden, der die Festheftung ermöglicht. Für die gesammte äussere Larvengestalt und für die weitere Ent- wicklung von weitgehenderer Bedeutung ist die Vestibularein- stülpung, die von den ältern Autoren ziemlich allgemein als ein Larvenmund oder pseudostom angesehen wurde. Erst Barrois hat ihre wahre Bedeutung erkannt. a) In der eben frei gewordenen Larve erstreckt sich die Vesti- bulareinstülpung über den grössten Theil der Bauchseite wie das schon aus den Abbildungen der ersten Beobachter (Busca, THOMSON und GÖTTE) ersichtlich ist. Wie in jüngern Stadien ist vorn die Ein- stülpung tiefer, hinten, wo sie vom Vorderrande des ausgebuchteten dritten Wimperbogens begrenzt wird, flacher. Sehr bald wird die Medianpartie des dritten Bogens in die Vestibularanlage einbezogen, so dass diese bis zum vierten Bogen heranreicht. Aus den Fig. 72 bis 74, Taf. 16, erhält man eine Vorstellung über ihre Beschaffenheit. Die Zellen sind lange, fast stäbchenförmige Gebilde, deren Kerne in verschiedener Höhe liegen, in der vordern Medianpartie aber fast aus- schliesslich in den innern Enden, der Leibeshöhle nahe, angetroffen werden. Gegen diese und die Mesenchymzellen ist das eingestülpte Ectoderm scharf abgegrenzt. An der Aussenseite tragen die Zellen Wimpern, welche in einen cuticulaähnlichen Randsaum eingebettet sind (Fig. 77), so dass die Schnittbilder eine gewisse Aehnlichkeit mit den Wimperbogen zeigen. Die gesammte in Einstülpung begriffene Wan- dung muss im Wesentlichen als einschichtig angesehen werden. Die Zellen, die sich nicht durch die ganze Dicke hindurch erstrecken, be- trachte ich als eben durch Theilung entstanden und nehme an, dass Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 245 sie noch nicht ihre endgültige Länge erreicht haben. Bei der Flächen- vergrösserung, die dieser Abschnitt der Ectodermwand erfährt, müssen rege Zelltheilungen stattfinden. Auch im hintersten Theile der Vesti- bularanlage, wo zunächst keine rinnenförmige Einstülpung, sondern nur eine leichte Abflachung besteht, zeigt sich das Ectoderm beträcht- lich verdickt mit zahlreichen Kerntheilungen. Später erfolgt auch da in ähnlicher Weise die Einstülpung wie im vordern Theile, nur dass die Einstülpungsränder einander näher liegen. b) Bleibt die Larve länger als 24 Stunden freischwimmend, so treten in der Vestibulareinstülpung wichtige Veränderungen auf. Setzt sie sich unmittelbar nach ihrem Ausschwärmen fest, so vollziehen sich die nämlichen Vorgänge auf dem festsitzenden Stadium , nur dass dann bereits die Wimperbogen rückgebildet sind. Am zweiten Tage schliessen sich am hintern Ende die ge- näherten Ränder der Vestibulareinstülpung, indem sie sich in der Medianebene dicht an einander legen und füglich verwachsen. Der Verschluss schreitet von hinten nach vorn zu vor, und das Vesti- bulum erscheint dann als ein umfangreiches röhriges Gebilde, welches sich auf der Ventralseite hinter dem zweiten Wimperbogen durch eine immer feiner werdende Oeffnung nach aussen öffnet, ähnlich wie die embryonale Rückenmarksanlage einer Ascidie oder des Amphioxus durch den Neuroporus (vgl. Fig. 66). Einen vollständigen Verschluss des Vestibulums habe ich auch in den ältesten mir zu Gesicht ge- kommenen freischwimmenden Larven niemals beobachten können, son- dern denselben stets erst nach der Festsetzung sich vollziehen sehen. In Fig. 97, Taf. 17, ist ein Querschnitt durch eine Stelle des Vestibulums abgebildet, an welcher die Seitenränder zur vollkommenen Berührung gelangt und fast gänzlich verwachsen sind. Der Schnitt ist in der Höhe des dritten Wimperbogens geführt worden, und man sieht, dass der letztere sich an dieser Stelle oberflächlich wieder schliesst (vgl. auch Fig. 65, Taf. 16). In den hier behandelten Fällen der frühzeitigen Abschnürung der Vestibulareinstülpung rückt also der mediane ventrale Theil des dritten Wimperbogens ebenfalls in die Tiefe. Man trifft, wie Fig. 66 zeigt, später auch unter dem 4. Bogen die Vestibularröhre an, aber ich kann nicht mit Sicherheit angeben, ob sich auch ein Theil dieses Wimperreifens eingesenkt und abge- schnürt hat, oder ob ein secundäres Weiterwachsen der vor dem vierten Bogen bereits abgeschnürten Vestibularregion nach dem hin- tern Ende zu stattgefunden hat. Eine solche Lageveränderung des Vestibulums findet, wie wir weiter unten sehen werden, später in 246 OSWALD SEELIGER, umfangreichem Maasse statt. Jedenfalls aber könnte der vierte Bogen, wenn überhaupt, so nur in sehr unbedeutendem Maasse an der Vesti- bularbildung betheiligt sein. Ich darf nicht unerwähnt lassen, dass ich in ältern, freischwim- menden Larven des dritten Tages manchmal auch am Vorderende in selbständiger Weise einen von vorn nach hinten zu vorschreitenden Verschluss der Einstülpung auftreten sah, während sich derselbe gleich- zeitig am Hinterende in der eben beschriebenen Weise vollzog. Jedoch dehnte er sich vorn ausnahmslos nur über eine bedeutend kleinere Strecke als hinten aus und war nur auf einer geringen Anzahl von Schnitten nachweisbar. Im offenen Vorderabschnitte zeigt die Vestibularanlage auf den Durchschnitten noch die wesentlich gleiche Form wie in jüngern Larven, nur dass sie etwas tiefer geworden ist und mit dem Gesammt- umfange der Larve ebenfalls an Grösse zugenommen hat. Es ergiebt sich das aus der Vergleichung der Abbildungen Fig. 74, Taf. 16, und Fig. 93, Taf. 17. Weiter nach hinten zu, wo der Verschluss bereits vollzogen ist (Fig. 92), erscheint das Vestibulum röhrenförmig, in dorso-ventraler Richtung stark zusammengedrückt. Das Lumen ist nur sehr eng, die Wandung dagegen äusserst mächtig, besonders in den seitlichen dorsalen Partien ; am dünnsten ist die der Leibeswand zugekehrte Fläche. Am Ende der freischwimmenden Larvenzeit wird die Bewim- perung der Vestibulareinstülpung rückgebildet. Am längsten scheinen sich die Wimpern vorn in zwei seitlichen, dem Rande nahe verlaufenden schmalen Zonen zu erhalten, in welchen die Zellen plasmareicher sind als im übrigen Theile (Fig. 93). In diesem letztern kann man nicht überall mehr die Zellgrenzen unterscheiden; man findet die Kerne in den plasmareicheren Zellenden der Leibeshöhle nahe liegend, während nach aussen zu das Plasma netzförmig angeorduet erscheint und eine homogene Substanz umschliesst (Fig. 85, Taf. 17). In Präparaten, die mit absolutem Alcohol behandelt worden waren, hielt diese Zwischen- substanz namentlich Hämatoxylinfarbstoffe auffallend zäh zurück, und in derartigen Schnitten erscheint sie als intensiv gefärbte, keulenförmige Gebilde. In Sublimatpräparaten ist mir das nicht in einer gleich bemerkenswerthen Weise aufgefallen. Auch in dem be- reits zur Röhre geschlossenen Theile des Vestibulums ist die Wan- dung im Wesentlichen noch einschichtig, aber die seitlichen Zellen, die ihre Kerne in verschiedenen Höhen tragen, sind von hervorragender en a Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 247 dd Länge. Selbst wenn die Wimpern bereits geschwunden sind, lässt sich hier der cuticulaähnliche Randsaum der Zellen noch nachweisen. Ich möchte diesen Abschnitt nicht beschliessen, ohne auf die äussere Aehnlichkeit hingewiesen zu haben, welche die Querschnitts- bilder des Vorderabschnittes der Larven (Fig. 74, Taf. 16, Fig. 93, Taf. 17) mit Gastrulaformen zeigen. Hat man mangelhaft conservirtes Material, in welchem die innern Organe nicht erhalten sind, oder nur unvollständige Schnittserien durch die Larven angefertigt, so ist eine Täuschung leicht zu begehen. In der That ist ihr auch GöTTE ver- fallen, der seiner Zeit noch keine Mittel fand, die Gewebe und Organe sicher zu fixiren, indem er die Vestibulareinstülpung für die Gastrula- einstülpung ansah. So erklärt es sich, dass er den Blastoporus auf die Bauchseite verlegt und die Gastrulaaxe auf die Larvenaxe senk- recht gerichtet glaubt, während sie in Wirklichkeit zusammenfallen. II. Der Verdauungscanal. Wohl die geringsten Veränderungen von sämmtlichen Organen durchläuft während der letzten Zeit des Embryonallebens und während der freischwimmenden Periode der Darmcanal. Wir haben ihn früher bereits als ein vollständig abgeschnürtes sackförmiges Gebilde kennen gelernt, welches von den beiden Cölomtaschen und der Wassergefäss- anlage umgeben wird. An keiner Stelle steht er mit der ectodermalen Leibeswand in Berührung, sondern ist von dieser durch die eben er- wähnten Organe völlig getrennt. Mit dem Wachsthum des Gesammtleibes dehnt sich auch der Ver- dauungsapparat aus. Seine Wandungen werden kaum merklich dünner, aber seine Form verändert sich in bemerkenswerther Weise. Eine Streckung erfolgt sowohl in der Richtung der Längsaxe der Larve als in seitlicher, dagegen erscheint der Darmcanal in der dorso-ventralen Axe ein wenig zusammengedrückt. Jedoch trifft man manchmal recht abweichend geformte Darmanlagen, welche auch in dieser letztern Richtung ziemlich umfangreich und im ganzen ballonartig erscheinen. Da eine solche Form des Darmes in den jungen festsitzenden Stadien die gewöhnliche ist, betrachte ich sie in der freischwimmenden Larve als eine durch vorausgeeilte Entwicklung erlangte. Aus den in Fig. 71—73 abgebildeten Querschnitten durch den Hinterabschnitt von Larven gewinnt man eine Vorstellung über die Beschaffenheit des Darmes. Die Dorsalwand erscheint beträchtlich “stark convex gekrümmt, die Ventralwand ist concav, nach innen ge- 248 OSWALD SEELIGER, stülpt, und in dieser ventralen Rinne liegt das Wassergefässystem. Namentlich in Fig. 71 fällt die bedeutende Dicke der Dorsalwand auf; sie ist einschichtig und setzt sich aus hohen Prismenzellen zusammen, deren Kerne dem Darmlumen genähert liegen. Die Ventralwand be- steht zum grossen Theil aus nahezu cubischen oder Prismenzellen von geringer Höhe, ist ebenfalls einschichtig und trägt die Kerne meistens ‘ in den innern Zellhälften. Wie Fig. 68 und 73 lehren, verjüngt sich der Darm nach vorn zu beträchtlich und wird da vom Parietalcanal und dem vordersten Ende des rechten Cölomsackes begrenzt. In seltenen Fällen fand ich schon in der eben ausgeschlüpften Larve im Darmlumen einige eingewanderte Zellen vor (Fig. 71). Im spätern Stadien findet dieser Process in sehr umfangreichem Maasse statt. Im Allgemeinen ändern sich, wie die Abbildungen auf Taf. 17 lehren, die eben auseinandergesetzten Verhältnisse während einer 2 —3- tägigen freischwimmenden Larvenzeit nur wenig. Der Verdauungs- canal rundet sich allseitig mehr und mehr ab, um in kugelähnliche Gestalt übergeführt zu werden, und während die Einkrümmung der Ventralwand abnimmt (Fig. 92, Taf. 17), lösen sich einzelne Zellen aus der Darmwand ab und gelangen in das Lumen hinein. Jedoch war es immer nur eine beschränkte Anzahl Zellen — höchstens zählte ich 20 — welche ich selbst in den ältesten freischwimmenden Larven im Darme antraf, und manche der letzteren zeigten das Darmlumen von Zellen noch ganz frei. In den in der Entwicklung am meisten vorgeschrittenen Larven (Fig. 94, Taf. 17) bemerkt man ziemlich in der Mitte der Ventral- wand eine kleine gegen das Ectoderm zu gerichtete Ausstülpung. Dieselbe erstreckt sich durch die Mittelaxe des noch unverschlossenen Wassergefässringes, woselbst nur wenige Mesenchymzellen liegen. Eine Ectodermwucherung, welche von der Basis der Vestibulareinstülpung ausgeht, wächst ihr entgegen, aber erst später, gewöhnlich wenn das Vestibulum vollkommen abgeschlossen ist, verbinden sich in der fest- gesetzten Larve der kurze entodermale und der umfangreichere ecto- dermale Abschnitt. Die Grenzlinie zwischen beiden Keimblättern lässt sich lange Zeit nachweisen, und danach erscheint der Oesophagus als eine rein ectodermale Bildung. III. Das Cölom und das gekammerte Organ. Die Verschiebung der beiden ursprünglich symmetrisch rechts und links gelagerten Cölomtaschen, die wir schon während der Em-® Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 249 bryonalzeit sich einleiten sahen, zeigt sich in der freischwimmenden Larve beträchtlich weiter vorgeschritten. 1) Der ursprünglich rechte Sack hat die gesamte Dorsalseite des Darmes vollständig umwachsen, ist in seinem Hinterabschnitte fast vollständig auf die Rückenseite gerückt und lässt einen Fortsatz des linken Cöloms an der rechtsseitigen Begrenzung des Darmes Theil nehmen (Fig. 71, Taf. 16). Weiter vorn zu erstreckt er sich aber auf der rechten Seite der Eingeweidemasse, Darm und Wassergefäss be- deckend, weit ventralwärts bis in die nächste Nähe der Vestibular- einstülpung (Fig. 72, 73). Sein vorderstes Ende ragt noch etwas über den Darm hinaus und reicht bis zum quer verlaufenden Aste des Parietalcanals (Fig. 68). Die Wandungen sind durchaus einschichtig, die dem Darme sich anschmiegende ist etwas dicker als die gegenüber- liegende, stets aber beträchtlich dünner als die Darmwand und besteht aus cubischen oder niedrigen Prismenzellen, die vorherrschend ihre Kerne dem Cölomlumen genähert tragen. In der Dorsalwand begegnet man an manchen Stellen bereits Plattenzellen, die aber stets von den Mesenchymzellen scharf abgegrenzt sind. Wie die Abbildungen lehren, erscheint in den Durchschnitten das Lumen fast sichelförmig, da die Dorsal- und Ventralwand einander beträchtlich genähert und beide gegen den Darm zu concav gekrümmt sind. Die linke Cölomtasche ist in ihrem Verlaufe etwas schwieriger zu bestimmen als die rechte. Nach vorn zu reicht sie niemals so weit wie die letztere, sondern erstreckt sich nur wenig über den vierten Wimperbogen hinaus, indem sie an dem schräg verlaufenden Endstücke des Parietalcanals endigt. Sie wächst von links her über die ganze ziemlich verbreiterte Hinterseite des Darmcanals und des Wasser- gefässes und erstreckt sich sogar auf deren rechte Seite, indem sie daselbst von hinten nach vorn zu wächst (Fig. 68). Dieses Ueber- greifen auf die rechte Seite fand ich bei eben ausgeschlüpften Larven bereits in sehr verschiedener Weise ausgeprägt. Wie sich aus der Darstellung des Verlaufes des rechten Cüloms ergiebt, muss die Aus- dehnung des linken auf der rechten Körperseite auf die hintere ven- trale Partie des Darmes und Wassergefässes beschränkt bleiben, reicht aber in dieser bald mehr, bald weniger weit nach vorn. In dem einen Falle (Fig. 68) ist es erst ein ganz kleiner Zipfel, welcher rechts vom Darme angetroffen wird, in einem andern sieht man ihn weiter nach vorn zu besonders an der rechten Seite des Wassergefässes hinziehen (Fig. 70), und endlich wieder in andern sah ich ihn, wie dies später gewöhnlich’ statthat, rechts ventral ebenso weit nach vorn reichen wie 250 OSWALD SEELIGER, auf der linken Seite, nämlich weit über die Region des vierten Wimper- bogens hinaus (Fig. 67). Die Ventralseite des Wassergefässystems aber bleibt fast in ihrer ganzen Ausdehnung vom linken Cölomsacke unbe- deckt: nur im hintersten Ende sieht man den letztern auf einer ganz kurzen Strecke der Hydrocöl-Bauchseite (Fig. 71). Nur in diesem und einem folgenden Schnitte, der das Ende des Hydrocöls traf, konnte ich ventral vom letztern das linke Cölom nachweisen, in zwei weiter nach hinten zu folgenden Schnitten war das weiter nach hinten reichende Darmende ventral und an beiden Seiten vom linken Cölom umgeben. Das Lumen erscheint in allen Schnitten ebenso spaltförmig verengt wie im rechten Theile. In histologischer Beziehung unter- scheiden sich aber die Wandungen recht auffallend, denn sie sind durchweg dünner und stellen ein einschichtiges Pflaster- oder Platten- epithel dar. Nur längs des Randes, an welchem beide Cölomtaschen aneinanderstossen, im Mesenterium, sind die Zellen etwas höher und prismenartig. Der Verlauf des Mesenteriums ergiebt sich zwar schon mit Deutlichkeit aus der eben gegebenen Darstellung, doch sei nochmals betont, dass in eben ausgeschlüpften Larven die Berührungsstellen zwischen beiden Cölomsäcken annähernd die Form eines Hufeisens bilden, welches nach vorn zu offen ist. Der linke Schenkel liegt weiter dorsalwärts und erstreckt sich zunächst auch weiter nach vorn als der rechte, während das Mittelstück dorsal vom hintersten Darmende verläuft. Es ist also nicht zutreffend, wenn GOrre das Mesenterium als kreisförmig beschreibt. 2) Während der mehrtägigen freischwimmenden Larvenzeit voll- ziehen sich in den Cölomsäcken wichtige Veränderungen. Das rechte Cölom hat nach vollständiger Umwachsung des Rückens des Darmes im vordern Theile sich auch ein wenig auf dessen linke Seite hinüber- geschlagen, aber noch immer liegt an allen Stellen der rechtsseitige Rand der Bauchseite näher als der linke (Fig. 92, Taf. 17). Das Vorderende bedeckt nunmehr vorn den ganzen Verdauungscanal, indem der Parietalcanal mehr nach der Veutralseite rückt. Man versteht am besten diese Veränderungen aus der Vergleichung der beiden lateralen Längsschnitte Fig. 68, Taf. 16, und Fig. 88, Taf. 17. Diese letztere Abbildung lehrt, dass das rechte Cölom auf der Vorderseite des Darmes nach der Bauchseite hin und von den Seiten nach vorn in zwei von einander getrennten Taschen vorwächst. Verfolgt man die Schnittserie weiter dorsal zu, so findet man bald — zwei Schnitte weiter — die beiden Räume zu dem einheitlichen rechten Cölom ver- u Er NÉS PRÉ 4 * h Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 251 einigt, während ventral zu beide Zipfel getrennt bleiben und der rechte sich ganz unbedeutend weiter erstreckt als der linke. Beide Taschen berühren sich nahe der Medianebene über dem Darme und bilden eine Art Mesenterium, das später als das Mesenterium verticale des rechten Cöloms von Bedeutung sein wird. In histologischer Be- ziehung ist nur eine mit der Vergrösserung parallel laufende Ver- dünnung der Cölomwände zu bemerken. An den meisten Stellen trifft man nur noch ein ziemlich feines Plattenepithel. Im Mesenterium (Fig. 92) und an der dem Parietalcanal sich anschmiegenden ventralen Wandung namentlich des linken Divertikels (Fig. 86 und 94, Taf. 17) sind grössere prismatische oder cubische Zellen vorhanden. Aus der Vorderwand sowohl der beiden Divertikel als auch weiter dorsal unmittelbar an der Gabelungsstelle entspringen 5 röhrenförmige Ausstülpungen, welche die Anlagen des gekammerten Organes darstellen. Dieselben sind an ihrer Austrittsstelle trichter- oder am- pullenförmig erweitert; nach vorn zu verengt sich das Lumen sehr rasch und verschwindet bald vollständig, so dass die vordern Enden nur strangartige Gebilde darstellen (vgl. Fig. 85, 86 und 87, Taf. 17). Sie reichen sehr weit nach vorn bis in die Region des zweiten Wimper- bogens. Alle fünf Röhren liegen um die Hauptaxe des Embryos und durchsetzen senkrecht sämmtliche Kalkplatten des Stieles bis zur Fuss- platte. Wenn die Kalkstücke noch hufeisenförmig sind, umgeben sie das gekammerte Organ dorsal und seitlich; wenn sie in der fest- gesetzten Larve zu kreisförmig durchbrochenen Platten geworden sind (Fig. 111, Taf. 18), liegt das Organ in dem centralen kreisförnigen Ausschnitte. Die fünf Röhren erscheinen in den Querschnitten in annähernder Kreisform angeordnet (Fig. 96 A und B, Taf. 17); Mesenchymzellen habe ich zwischen ihnen nicht nachweisen können. Unmittelbar über dem Austritt aus dem Cölom ist der Kreis etwas weiter, die einzelnen Röhren sind umfangreicher und namentlich ihr Lumen grösser; weiter nach vorn zu liegen sie resp. die Stränge, in welche sie sich aus- ziehen, dichter an einander (Fig. 93). Ich habe die einzelnen Theile mit den Zahlen 1—5 bezeichnet und nenne die erste Röhre die ventral aus dem linken Zipfel des rechten Cöloms entspringende, die dorsal- wärts von ihr liegende zweite u. s. w. Die fünfte liegt daher am ventralen Ende der rechten Tasche. Davon aber habe ich mich nicht überzeugen können, dass — wie Bury meint — die fünf Theile des gekammerten Organes schon Anfangs gleich weit von einander entfernt und in Form eines fünfseitigen Prismas oder einer Pyramide an- 252 OSWALD SEELIGER, geordnet seien und dass jede in ganz bestimmter Lage zu den Körper- seiten der Larve stünde, die den spätern Stadien genau entspräche. Ich fand vielmehr im Einzelnen Verschiedenheiten, unter welchen auch das von Bury als normal betrachtete Verhalten vorkommen mag, wenngleich ich auf diesen Stadien niemals genau in der Medianebene auf der Ventralseite — dem spätern Radius V entsprechend — eine Röhre gesehen habe. — Histologisch erweist sich jeder Theil des ge- kammerten Organs als einschichtige Röhre aus pyramidenförmigen oder cubischen Zellen zusammengesetzt, deren Kerne vorwiegend in den Mitten oder äussern Enden gelegen sind. Eine Bewimperung des Lumens konnte ich im conservirten Materiale nicht erkennen. Gegen das Vorderende zu, in welchem das Lumen fehlt, werden die Zellen länger, fast spindelférmig. Auf Durchschnitten unterscheidet sich dieser Theil von dem umgebenden Mesenchym durch die dichtere Aneinanderlagerung der Zellen und etwas intensivere Färbung der Kerne. Den epithelialen Charakter der Röhrenwandung finde ich deutlicher ausgeprägt, als es Bury in seinen Abbildungen wiedergiebt, in welchen Mesenchym und gekammertes Organ stellenweise gar nicht zu unterscheiden sind. Auch in der linken Célomtasche haben sich einige Ver- änderungen abgespielt. Sowohl auf der rechten als auf der linken Seite erstreckt sie sich weiter nach vorn als früher; besonders rechts ist sie beträchtlich weiter vorgewachsen, und es endigt jetzt dieser Ast in gleicher Höhe wie auf der linken Seite: etwas hinter dem vordern Darmende. Weder die Vorderseite des Darmes und Hydro- cöls noch des letztern Ventralseite wird vom linken Cölom bedeckt, dessen Ränder also sowohl vorn wie ventral weit von einander ab- stehen. Vorn liegt zwischen den Schenkeln der Parietalcanal und auf der Bauchseite die Vestibularanlage. Es tritt also schärfer noch als früher die hufeisenförmige Gestalt hervor; beide Schenkel sind fast ganz gleich geworden und liegen nunmehr in ihrer ganzen Ausdehnung ventral vom rechten Cölomsack. Der rechte liegt aber der Ventral- seite näher und bedeckt vollständig diese Seite des Hydrocöls, was der linke nur unvollständig thut. Es ergeben sich diese eben ge- schilderten Verhältnisse bei der Betrachtung des in Fig. 92 abge- bildeten Querschnittes und der Längsschnitte Fig. 85, 86 u. 94. Ausserdem habe ich in Fig. 67, Taf. 16, den Verlauf der beiden Cölomsäcke auf der rechten Seite des Darmes eingezeichnet. Die Cölom- wandung ist, wie früher, überall einschichtig, im Allgemeinen dünner an den dem Darme anliegenden Stellen, woselbst es manchmal bereits SEE ee ET CAGE de ME ÈS Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 253 ein sehr feines Plattenepithel darstellt; höher sind nur die Zellen im Mesenterium. Ich habe schon im ersten Capitel darauf hingewiesen (p. 214), dass GÖTTE zuerst das Vorhandensein von zwei Cölomtaschen nachgewiesen, dabei aber Rechts und Links verwechselt habe. Es ergiebt sich das, wenn man GÔTTE’S fig. 5 mit dem von mir in Fig. 68, Taf. 16 abge- bildeten lateralen Längsschnitte zusammenhält, in welchem die Leibes- höhlen einen ähnlichen Verlauf zeigen. Dagegen weiss ich die Ab- bildungen, die GörTTE von den Medianschnitten giebt, mit meinen Befunden nicht in Einklang zu bringen. Er ist jedenfalls im Irr- thume, wenn er die linke Leibeshöhle über die Bauchseite der Larve ausgebreitet glaubt und von einem oralen Oberhauttrichter, welcher die Oesophagusanlage darstelle, durchbohrt sein lässt. Es liegt hier vielleicht eine Verwechslung der abgeschnürten Vestibularanlage mit dem linken Cölom vor, wenn er den Vorgang mit folgenden Worten beschreibt: „Indem sie (die erste Anlage des Wassergefässsystemes) nach vorn vorrückt, wird sie vom visceralen Blatte des ventralen oder oralen Peritonealschlauches allseitig eingehüllt, welcher sich dort stetig und bedeutend verdickt und dadurch die betreffende Leibeshöhle bis auf einen Spaltraum verengt“ (31, p. 592). Dass von der rechten Leibeshöhle aus ein Fortsatz in den spätern Stiel hinein sich erstreckt — die Anlage des gekammerten Organes — hat GÔTTE richtig erkannt. Nur sind es, wie wir gesehen haben, fünf und nicht nur eine einzige Ausstülpung, welche gebildet werden. BARROIS’ wesentlichster Gegensatz zu meinen Befunden liegt, wenn ich von kleinen Verschiedenheiten im Verlaufe der beiden Cölom- taschen absehe, darin, dass er Fortsetzungen des rechten Cöloms in den spätern Stieltheil in Abrede stellt. Sein solider ,,Centralfaden“, den er vom Mesenchym ausgebildet werden lässt, entspricht den vor- dern Theilen der fünf dicht an einander gedrängten Cölomausstülpungen, wo sie kein Lumen mehr besitzen. Ob hier nicht in der That das Längenwachsthum dadurch mit bedingt wird, dass Mesenchymzellen, welche das gekammerte Organ umgeben, sich an dieses anlegen und mit einbezogen werden, bin ich ausser Stande gewesen unzweifelhaft sicherzustellen, wenngleich ich es im Hinblicke auf die oben er- wähnte histologische Verschiedenheit für unwahrscheinlich halte. Dass aber im hintern Theile das gekammerte Organ aus fünf deutlich von 254 OSWALD SEELIGER, einander geschiedenen Röhren besteht, welche in das rechte Cölom einmünden, hat Barrois vollständig übersehen. Dies letztere Verhalten zuerst erkannt zu haben, ist das Ver- dienst von Bury. Auf einzelne Differenzen gegenüber meinen Ergeb- nissen habe ich oben bereits hingewiesen; nur bezüglich der Aus- dehnung und Form der beiden Cölomtaschen finde ich noch einzelne Abweichungen. Ich möchte nur betonen, dass ich namentlich das rechte Cölom grösser fand und bedeutend weiter nach hinten zu ver- folgen konnte, als es Bury in seinen Fig. 59—61 andeutet. Ebenso sehe ich den Darmcanal auch vorn von den beiden taschenförmigen Fortsetzungen des rechten Cöloms bedeckt und diese bis an den von ihm als „anterior body cavity‘ bezeichneten Parietalcanal heranreichen. Endlich bemerkte ich nirgends zwischen den das Mesenterium bilden- den Rändern der beiden Cülomsäcke Mesenchymzellen, wie dies aus seiner Abbildung fig. 21 hervorzugehen scheint, sondern es stossen dieselben dicht an einander (vergl. meine Abbildung Fig. 88, Taf. 17). Mit den in diesem Abschnitte beschriebenen Vorgängen haben sich Lageveränderungen der beiden ursprünglich bilateral gelegenen Cölom- taschen eingeleitet, wie sie in andern Thierclassen und bei den übrigen Echinodermen unbekannt sind. Den Bau der Larve wird man trotz der fünf Ausstülpungen des gekammerten Organes, des im folgenden Abschnitte zu besprechenden asymmetrischen Verlaufes des Parietal- canales immerhin als bilateral-symmetrisch bezeichnen müssen, nament- lich im Hinblicke auf die äussere Form. Die Störungen in der innern Bilateralität sind kaum grösser, als sie bei andern Formen angetroffen werden, die unbestritten als bilateral gelten. Das Auffallendste aber ist, dass die Medianebene nicht mehr die ursprünglich rechte und linke Leibeshöhle von einander trennt, sondern eine jede derselben halbirt, da die eine eine dorsale, die andere eine seitlich und ventral von der erstern sich erstreckende Lage angenommen hat, während das Mesenterium im Wesentlichen in einer frontalen Ebene verläuft. Doch ist damit keineswegs das endgültige Verhalten gewonnen, wie sich aus der Darstellung in den folgenden Capiteln ergeben wird. IV. Das Hydrocöl und der Parietaleanal. 1) Die Hydrocölanlage, die wir im vorigen Capitel noch mit dem Parietalcanale in Verbindung fanden, schnürt sich schon während der letzten Embryonalzeit vollständig ab. Die in dorso-ventraler Richtung stark abgeflachte Blase erhält von links und hinten her eine tiefe Ein- fae hay ee Seal v f OP 256 A Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 255 kerbung, so dass sie hufeisenförmig erscheint (Fig. 69, Taf. 16). In den eben ausgeschlüpften Larven sah ich stets das Hufeisen nach hinten und links geöffnet; der rechte Schenkel ist etwas grösser als der linke. In einem folgenden Stadium (Fig. 70) hat sich der erstere bereits auf- fallend stark auf Kosten des linken entwickelt, welch letzterer viel weniger weit nach hinten reicht, als es vordem der Fall war. Zudem hat sich der rechte so bedeutend vergrössert, dass er hinten ebenso weit nach links reicht wie der andere, und dadurch erscheint die Oeffnung des Hufeisens ganz auf die linke Seite verschoben, wo sie zum Theil vom vordern Ende des linken Cöloms bedeckt wird. Schon auf diesem Stadium beginnen 5 nach der Bauchseite zu gerichtete buckelförmige Aussackungen am Hydrocöl sich zu erheben: es sind das die Anlagen, aus denen später je 3 Tentakelgefässe entspringen. Ich habe nicht entscheiden können, ob alle 5 Ausstülpungen gleich- zeitig entstehen, oder ob eine bestimmte andere Gesetzmässigkeit in ihrem Auftreten besteht. Jedenfalls bilden sie sich sehr rasch und fast gleichzeitig, denn in gleich alten Larven konnte ich kurze Zeit nach ihrem Ausschwärmen das eine Mal noch gar keine, das andere bereits alle 5 Ausstülpungen feststellen. Ich habe dieselben mit den Zahlen 1—5 bezeichnet, welche dem Buchstaben h beigesetzt sind. Betrachtet man die Larve von der Bauchseite, so folgen einander die Zahlen im Sinne der Drehung eines Uhrzeigers, wenn man am blinden Ende des ursprünglich rechten Astes mit 1 beginnt. In dem in Fig. 70 abgebildeten Falle zeigten sich die beiden an den Enden stehenden Ausstülpungen 1 und 5 weiter entwickelt als die andern, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie sich zuerst gebildet haben. Am schwächsten entfaltet fand ich dagegen die Anlage 4. Die eigenthüm- liche, eben beschriebene Hufeisenform des Hydrocöls bedingt es, dass man aus Querschnittserien (vgl. Fig. 71—73, Taf. 16) sehr leicht auf eine vollständig geschlossene ringförmige Gestalt schliessen könnte; in Wirklichkeit kommt es aber erst in bedeutend ältern Stadien zur Ausbildung eines geschlossenen Wassergefässringes. — Alle Schnitte zeigen die Wandungen durchaus einschichtig. Die Zellen sind pris- matisch oder pyramidenförmig und von ungefähr gleicher Höhe wie im Darme, ihre Kerne liegen durchwegs in den innern Zellenden, dem Hydrocöllumen nahe. In den ältern freischwimmenden Larven ist die Oeffnung des Hufeisens bereits nach vorn und links gerichtet. In Fig. 81 habe ich diese Stelle, welche in einem der folgenden, weiter dorsal geführten lateralen Längsschnitte deutlich erkennbar ist, mit * bezeichnet. Sie 256 OSWALD SEELIGER, erscheint also gegenüber den jüngsten mir zur Beobachtung gekommenen Stadien (Fig. 69, Taf. 16) um mehr als einen rechten Winkel nach vorn zu verschoben und zwar im umgekehrten Sinne der Uhrzeiger- bewegung, wenn man die Larve von der Bauchseite betrachtet. Die beiden Enden des Hydrocöls sind einander bereits beträchtlich ge- nähert, und die sich auf ihnen erhebenden 5 Primärausstülpungen sind bedeutend umfangreicher geworden. Die Wandungen sind ein- schichtig geblieben; an der dem Darme zugekehrten Seite sind sie merklich verdünnt und bestehen da vorwiegend aus fast cubischen Zellen. Schon in den ältern freischwimmenden Larven kann man die erste Anlage des primären Steincanals erkennen. Er zeigt sich als ein kurzer, dorsalwärts nach links zu verlaufender Fortsatz des ursprünglich linken Blindendes des hufeisenförmigen Hydrocöls bei der Ausstülpung 5 und schiebt sich zwischen das vordere Darmende und den Parietalcanal ein, um am rechten Cölomsack blind zu endigen. Eine Mündung in den Parietalcanal ist also auf diesem Stadium noch nicht vorhanden. In Fig. 95, Taf. 17 ist die erste Anlage dargestellt, wie sie sich in parallel zur Medianebene der Larve geführten Schnitten darstellt. — Die Entstehung des Hydrocöls aus einer ventralen Urdarmaus- stülpung hat zuerst GÖTTE richtig erkannt. Jedoch besteht niemals mehr, wie er annimmt, ein Zusammenhang in so späten Stadien, wenn der Darm fast schon kugelförmig geworden ist und am Hydrocöl die 5 Primärausstülpungen aufgetreten sind. Die von ihm in den Schnitten wahrgenommenen Verbindungen können daher nur durch die Präparation künstlich entstandene Lücken sein. BArROIS hat zuerst die Hufeisen- form der Hydrocölanlage bemerkt; er beschreibt ganz richtig, dass die Oeffnung zuerst nach links hinten, dann nach links vorn gerichtet sei. Auch Bury hat das Endstadium des Hydrocöls in der frei- schwimmenden Larve in ganz ähnlicher Form gesehen wie ich, wenn- gleich er es in etwas abweichender Weise erreicht glaubt. Die Stellung der Primärausstülpungen sehe ich am Ringcanal ähnlich wie er es in dem Schema Fig. 61 andeutet, nur ist das Verhältnis zum Porus nicht ganz richtig angegeben, indem dieser weiter hinten liegt, wie sich das aus dem von mir in Fig. 81 abgebildeten Längsschnitte ergibt. 2) Bedeutende Veränderungen durchläuft während der letzten Em- bryonalzeit und der freischwimmenden Larvenperiode der Parietal- canal. Wie erwähnt schnürt er sich vom Hydrocöl sehr bald voll- ständig ab und stellt eine dorsal von ihm verlaufende Röhre dar, während in den freischwimmenden Larven sein Haupttheil gerade vor 2 NT fer: Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. | 957 jenem zu liegen kommt. Das linke Ende wächst nach hinten und links dem Hydrocöl und Darme anliegend, um dicht vor dem vierten Wimperbogen an die ectodermale Leibeswand zu stossen und durch den Porus nach aussen zu münden. In den jungen Larven liegt der Porus zwischen den beiden Schenkeln des Hydrocöls, also zwischen der spätern 1. und 5. Ausstülpung. Die Porusbildung erfolgt oft schon in der letzten Embryonalzeit, und stets ist die Oeffnung in einigen Stunden alten Larven deutlich nachweisbar. Wie der in Fig. 79 abgebildete, sehr schräg geführte Querschnitt beweist, faltet sich die Leibeswand am hintern Porusende ein wenig nach innen ein. In andern Fällen habe ich freilich davon nichts sehen können, und der kleinzellige Endtheil des Parietalcanals erstreckte sich in die Leibes- wand hinein, um dieselbe gleichsam zu durchbohren (vergl. Fig. 65 und 72, Taf. 16). Jedenfalls geht daraus hervor, dass die Betheiligung des Ectoderms an der Bildung des Endstückes am Porus nur eine sehr geringe sein kann. Der Porus liegt bei seinem Auftreten links unweit der Medianebene, meist von dieser um 1/, des Larvenumfanges entfernt; später vergrössert sich der Abstand ein wenig. Das sich anschliessende Endstück besitzt im hintersten Theile ein nur sehr kleines Lumen, das sich nach innen und vorn zu rasch erweitert. Man sieht diesen aufsteigenden Ast in Fig. 72 und 73 auf Quer- schnitten in verschiedener Höhe getroffen, und Fig. 68 zeigt ihn im Längsschnitte. Der aufsteigende Ast geht in ein quer verlaufendes Hauptstück über, das bei verschiedenen Individuen sehr verschieden entwickelt ist. Umfangreicher wird es auf etwas weiter gebildeten Stadien, in welchen das vordere Darmende weniger stark zugespitzt und stärker abgerundet ist; dann erhält gleichzeitig ein Theil des früher aufsteigenden Astes einen mehr transversalen Verlauf. An der Stelle, an welcher diese beiden Stücke in einander übergehen, bemerkt man in ganz jungen Larven einen kurzen, nach rechts und hinten ge- richteten hornförmigen Fortsatz, der (Fig. 72) in dem vom vordern Darmende und linken Hydrocöl gebildeten Winkel eingekeilt liegt. Diesen später verschwindenden Zapfen deute ich als den letzten Rest des ursprünglichen Verbindungsganges zwischen Parietalcanal und Hydrocölblase. Endlich habe ich als letzten Abschnitt den vordern Fortsatz zu erwähnen. Derselbe entspringt nahe der Medianebene ventral aus dem Querstücke mit trichterförmigem Ende, verläuft nach vorn zu mit seinem Vorderende nur ein wenig nach links geneigt und erstreckt sich bis vor den zweiten Flimmerbogen unter die Festheftungsgrube. Vorn Zool. Jabrb, VI. Abth. f. Morph, 17 258 OSWALD SEELIGER, verengt sich das Lumen immer mehr (Fig. 74), um endlich ganz zu verschwinden. In einigen Fällen konnte ich das vorderste Ende wie- derum kolbig angeschwollen mit deutlichem Lumen erkennen. Der Lage des Querstücks entsprechend liegt das Hinterende der Basis der Vestibulareinstülpung zwar nahe, aber doch nicht unmittelbar an. Weiter nach vorn zu nähert sich die Röhre derselben und schmiegt sich ihr an, so dass der ganze Fortsatz schwach bogenförmig gekrümmt ist mit ventral gerichteter Concavseite. Dieser vordere Fortsatz ist ein sehr auffallendes und keiner der jungen Larven fehlendes Gebilde. Die Wandung des Parietalcanals ist überall durchaus einschichtig ; sie ist bedeutend dünner als im zuletzt beschriebenen Stadium im 75-stündigen Embryo, jedoch überall deutlich nachweisbar und von den andern Geweben scharf abgegrenzt. Die Zellen sind cubisch oder ein wenig abgeplattet; etwas höher sind sie im Mittelstück, kleiner in den Endtheilen. — Während des mehrtägigen Freischwimmens der Larve erfährt die An- lage keine wesentlichen Veränderungen. Mit der Abschnürung der Vestibulareinstülpung sind alle Eingeweide nach dem Rücken verschoben worden, und gleichzeitig damit hat die Entfernung des Porus von der Medianebene ziemlich genau !/, des Larvenumfanges erreicht. In dem in Fig. 66, Taf. 16 abgebildeten Präparate ist der Porus eingezeichnet und daraus bei Vergleichung mit Fig. 81, Taf. 16 ohne Weiteres seine Lagebeziehung zu den andern Organen ersichtlich. Es ergiebt sich, dass nunmehr im Gegensatze zu jüngern Stadien in Folge der oben beschriebenen Verschiebung der Hydrocölanlage der Porus in der Höhe zwischen 1. und 2. Primärausstülpung des Hydrocöls liegt. Der auf- steigende Ast stellt eine ansehnlich lange Röhre dar, welche bedeutend steiler nach vorn gerichtet ist, als es früher der Fall war (Fig. 82). Das hinterste Ende liegt, wie man sich auf Querschnitten überzeugen kann, in die ectodermale Leibeswand eingebettet und erweitert sich ampullenförmig im Endstücke. Besonders umfangreich ist das Quer- stück; in allen medianen Längsschnitten (Fig. 85, 86, 94, Taf. 17) trifft man es in kreisähnlichem oder dorsal etwas abgeflachtem Durch- schnitte als dünnwandiges Gebilde mit weitem Lumen, welches vor dem Darme und Hydrocöl ventral vom ersteren und direct über dem letztern gelegen ist. Bezüglich des vordern Fortsatzes verhalten sich nicht alle ältern Larven gleich. In einigen kann man ihn noch, wenngleich weniger umfangreich, nachweisen, in den meisten dagegen ist er völlig geschwunden und zwar, wie ich annehmen muss, gänzlich in den Querast einbezogen worden. Denn ich glaube nicht, dass er | | | | | | | | Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 259 sich in die einzelnen Zellen auflöst, welche dann zur Vergrösserung des Mesenchyms beitragen müssten, wenn sie nicht selbst wieder zer- fallen, eine Annahme, zu welcher ich nicht den geringsten Anhaltspunkt besitze. Die Wandungen sind, ausgenommen im hintersten Abschnitte, dünner geworden, besonders merklich im Querstücke, welches zum grössten Theile aus Plattenzellen besteht. Nur nach dem Rücken zu, wo sie an das rechte Cölom grenzen, sind die Zellen etwas höher und plasmareicher. Ich glaube, dass der Porus und das äusserste End- stück des Canals Bewimperung besitzen, mit Sicherheit konnte ich mich allerdings an den seit geraumer Zeit im Alkohol liegenden Präpa- raten nicht davon überzeugen, und es ist immerhin möglich, dass die den Porus erfüllende Masse nicht auf verklebte und mangelhaft erhal- tene Wimpern zurückzuführen ist. Nach Barrois, der den Parietalcanal zuerst beobachtet und als canal du sable bezeichnet hat, stellt dieser in der freischwimmenden Larve einen quer verlaufenden wurstförmigen Körper dar. Erst während . der Metamorphose und nur abnormer Weise schon in der freischwim- menden Larve soll er sich auf der linken Seite durch den Porus nach aussen öffnen, während sein inneres Ende zu einem umfangreichen Sacke sich gestaltet. Ich fand aber das Auftreten des Porus während der ersten Larvenzeit nicht als Ausnahme, sondern als Regel vor und beobachtete überhaupt keine Larve ohne denselben. Den vordern Fort- satz des Parietalcanales hat Barrois übersehen, denn ich kann nicht annehmen, dass er seinen Larven gefehlt habe, da ich ihn in constantem Verlaufe bei sämmtlichen mir zu Gesicht gekommenen Larven gefunden habe. Zutreffender als BArroıs’ finde ich Bury’s Darstellung, in welcher der Parietalcanal als „anterior body cavity“ bezeichnet wird. Auch Bury sah die Bildung des Porus gewöhnlich erst zur Festheftungszeit stattfinden, also erheblich später als ich. Auf einige andere Differenzen habe ich oben bereits hingewiesen. Unter den übrigen Echinodermen fordern namentlich die ältern Angaben über die Holothurienentwicklung und über Asterina gibbosa zum Vergleiche mit Antedon heraus. Bei Synapta digitata (81) erscheint der Porus ausserordentlich frühzeitig auf der Rückenseite als eine zweite Oeffnung des hufeisen- formig gekriimmten Urdarmes. Dann erst schnürt sich der dorsalwärts 17* 260 OSWALD SEELIGER, gekrümmte Urdarmtheil als Vasoperitonealblase ab, um in der bekannten Weise in Hydrocöl und Enterocöl zu zerfallen, während der hintere Theil des Archenterons zum Darme wird und ventral ungefähr gegen- über dem Porus die Mundöffnung der Larve durchbricht. Etwas später erscheint der Porus bei Holothuria tubulosa, erst dann nämlich, wenn bereits die Vasoperitonealblase vom Urdarme abgeschnürt ist. Später, nach der Theilung der Vasoperitonealblase, communicirt allein noch das Hydrocöl durch den Porus mit der Aussenwelt, und zwar soll dieser Verbindungsgang später direct zum Steincanale werden. Unter den Asteriden bildet sich bei Asterina gibbosa, für welche die Verhältnisse durch Lupwia (58); bekannt geworden sind, ebenso wie bei den Holothurien auf der Rückenseite der Larve und ein wenig nach links der Porus, und von ihm aus entsteht durch eine ectodermale Einstülpung ein Canal, welcher in die linke Enterocöl- tasche führt. Wenn dieser Durchbruch erfolgt, stehen rechter und linker Cölomsack und Hydrocölanlage noch mit einander in voller Verbindung. Es stellt also, ganz ähnlich wie bei Holothurien, der Porus die Oefinungsstelle für den gesammten Raum der Leibeshöhle und des Wassergefässes dar. Gelegentlich kommt bei Asterias glacialis nach GörTE (32) ein ganz ähnliches Verhalten zu Stande, wäh- rend bei den übrigen Asteriden, bei den Echiniden und Ophiuren der Porus die Oeffnung eines linken Sackes darstellt, welcher die Anlage des Hydrocöls und linken Cöloms bildet. Es ist also hier ontogenetisch zutreffend, wenn LupwiG darauf Nachdruck legt, dass der Rücken- porus anfänglich niemals nur mit dem Hydrocöl in Verbindung stehe und demgemäss auch nicht als die primäre Oeffnungsstelle des Wasser- gefässystems nach aussen betrachtet werden dürfe. Freilich hat sich neuerdings Bury (10) dazu in schroffen Gegensatz gestellt, indem er bei Ophiuren, Asteriden und Echiniden den Porus völlig unabhängig vom Cölom (seinem post. enteroccel) sein lässt. Doch vermisst man in seiner Untersuchung die Berücksichtigung jüngerer Stadien. Ganz eigenthümlich liegen die Verhältnisse bei Antedon. Zu- nächst bildet sich der Porus nicht dorsal, sondern ventral links; durch ihn öffnet sich ein Raum nach aussen, der, vollständig abgeschlossen, weder mit dem Enterocöl noch zunächst auch mit dem Hydrocöl in Verbindung steht. Fasst man auch das gegenwärtige ontogenetische Auftreten des Porus bei Antedon als ein cänogenetisch in ein etwas späteres Entwicklungsstadium verschobenes auf, so könnte man als ein ursprünglicheres Verhalten höchstens ein solches betrachten, bei welchem der Porus die Oeffnung des mit dem Hydrocöl noch in Ver- Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 261 bindung stehenden Parietalcanals darstellt, ein Verhalten, welches später auf einem andern Wege in der That erreicht wird. In die Cölomtaschen könnte er aber nicht geführt haben, da diese einmal aus dem hintern Theile des Archenterons sich bilden und sodann auch früher von diesem sich sondern als Hydrocöl und Parietalcanal. Da- gegen bestände eine weitgehendere Uebereinstimmung mit der eben erwähnten Bury’schen Darstellung bestimmter, allerdings vorgeriickterer Larvenstadien. Ich glaube aber, dass dieselbe zum guten Theile da- durch erzielt ist, dass Bury seine Erfahrungen in der Comatula- embryologie in etwas zu nachdrücklicher Weise bei der Deutung der übrigen Larven verwerthet hat. Trotz solcher Verschiedenheiten wird der Primärporus in allen Echinodermenclassen als eine homologe Bildung angesehen werden müssen, nur bleibt dann als Thatsache anzuerkennen, dass seine Lage keine unwandelbar feste, sondern eine veränderliche ist. Im Hinblick auf die Schlussfolgerungen Lupwie’s (57) ist dieses Ergebniss nicht ohne Bedeutung, da er davon ausgeht, dass die Lage des Porus in allen Echinodermenclassen eine constante sei. Auf Grund dieser Annahme kommt Lupwieé unter andern auch zu dem Schlusse, dass die Oralplatten und nicht die Basalia der Crinoiden den Genitalplatten der Echiniden zu homologisiren seien, ein Vergleich, der nun nicht mehr als zutreffend erachtet werden kann, da die Lage des Porus in der Larve als eine überaus variable erkannt worden ist. Bury (9, p. 294) ist der Ansicht, die ursprüngliche Lage des Porus sei bei allen Echinodermen eine linksseitige ; bei Crinoiden und Ophiuren sei eine kleine Verschiebung nach der ventralen, bei Echiniden und Asteriden nach der dorsalen Seite erfolgt „so that although its in- terradius probably remains the same, its position with regard to the calcareous plates is secondary“. Ich halte es dem gegenüber, insofern nicht gröbere Beobachtungsfehler bei den andern Echinodermen ge- macht worden sind, für undurchführbar, den Porus auf den gleichen Interradius der Larve zu beziehen, denn der Porus der Comatula liegt von der Medianebene vom Rücken der Larve aus gerechnet um reich- lich ein Drittel des Umfangs entfernt, der der Holothurien aber fast genau in ihr. V. Das Mesenchym. Insoweit die Mesenchymzellen nicht bei der Bildung der Kalk- tafeln Verwendung finden, stellen sie ein Bindegewebe dar, während einige zu Muskelfaserzellen sich umbilden. 962 OSWALD SEELIGER, Die Bindegewebszellen trifft man in allen möglichen Formen an und in wechselnder Grösse. Vorherrschend abgerundet oder mit kleinen Fortsätzen versehen findet man sie in den jüngsten Larven im Hintertheile und in der Axe des vordern Abschnittes, während in dessen peripherem Theile sternförmige und auch spindelförmige Zellen häufig angetroffen werden. In Fig. 80, Taf.16 habe ich einige solcher Zellen bei stärkerer Vergrösserung gezeichnet, und ich brauche auf die verschiedenen Formen nicht erst besonders aufmerksam zu machen. Wahrscheinlich werden die Zellen im lebenden Zustande unter amö- boiden Bewegungen rasch und in mannigfachster Weise ihre Gestalt verändern können. In älteren Larven nimmt im Allgemeinen die Grösse der Mesenchymzellen etwas ab. In den Seitentheilen namentlich des vordern Abschnittes (Fig. 85 u. 93, Taf. 17) ziehen sich die Fortsätze der sternförmigen Zellen immer länger aus und beginnen sich mit einander zu verbinden. So erscheint unter dem Ectoderm im spätern Stielabschnitte eine überaus lockere Bindegewebsschicht mit verzweigten Fasern gebildet. Nach der Mitte zu liegen die vorwiegend rundlich geformten Zellen bedeutend dichter an einander und bilden dort das Kalkskelet des Stieles. In der Medianebene ventral, reichen diese skeletogenen Mesenchymzellen bis dicht an die ectodermale Vestibular- einstülpung heran, ohne dass sich daselbst ein lockeres Bindegewebe dazwischen schöbe (Fig. 93). In Fig. 84, Taf. 16 habe ich einige Mesenchymzellen einer frei schwimmenden Larve mittlern Alters ab- gebildet. Neben den rundlichen und sternförmigen Zellen fallen die lang ausgezogenen besonders auf, und ich glaube, dass sie als in Bildung begriffene Muskelfaserzellen in Anspruch genommen werden müssen. Eine bestimmte regelmässige Vertheilung und Anordnung zwischen den andern Zellen habe ich aber nicht feststellen können. Als musculös deute ich dann die langen, ziemlich starken und stärker lichtbrechenden Fasern, welche in wechselnden Richtungen verlaufen und in den Schnittpräparaten leicht nachgewiesen werden können. In Fig. 91, Taf. 17 findet man einige derselben gezeichnet; sie reichen meist durch die ganze Schicht des lockeren Bindegewebes, dieselbe quer durchsetzend. Einigen sieht man einen plasmatischen kernhal- tigen Zellkörper anliegen, welcher als Matrix der Fibrille anzusehen ist. Ich bin geneigt, diese Elemente aus den oben erwähnten langen, spindelförmigen abzuleiten. Neben den musculösen Fibrillen trifft man mässig starke, meist wellenförmig gekrümmte glatte Fasern an, die das Bindegewebe durch- setzen und weder einen anliegenden Zellkörper noch Kern erkennen we IT D Re f CURE ar . net > Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 263 lassen. Ich glaube, dass diese Fasern als elastische gedeutet werden dürfen. Es lässt sich aber allerdings die Ansicht, dass die betrefienden Gebilde sämmtlich einfache Bindegewebsfibrillen seien, nicht kurzer Hand zurückweisen. Was mich veranlasste, nach musculôsen Ele- menten neben bindegewebigen im Mesenchym zu suchen, ist die schon 1851 von Busch (13, p. 84) mitgetheilte Beobachtung, dass die Larven in bedeutendem Masse ihre äussere Form zu verändern im Stande sind. Wohl der grösste Theil der Mesenchymzellen im hintern, später zum Kelche werdenden Abschnitte und im centralen vordern be- theiligt sich an der Bildung der Kalkplatten des Kelches und Stieles. Bereits im letzten Abschnitte des vorigen Capitels fanden wir im Embryo sämmtliche Stücke bis auf einige sich später noch einschie- bende Stielstücke angelegt. Auch während einer längern Zeit des freien Larvenlebens erfolgt nur eine Vergrösserung der einzelnen Platten und eine unbedeutende Verschiebung derselben. Ihre Form und Grösse fand ich übrigens bei den verschiedenen Individuen über- aus wechselnd. In manchen nur un- bedeutend weiter gebildet, als es für jüngere Stadien in Fig. 62 und 63 gezeichnet ist, erwiesen sich in andern Larven namentlich die Stiel- platten beträchtlich vergrössert, nicht mehr hufeisenförmig, sondern be- reits als geschlossene Platten mit centralem Ausschnitte. Es sollen aber diese Formen des Kalkskelets erst im folgenden Capitel ihre Besprechung finden, weil sie gewöhnlich erst im festsitzenden Stadium zur Erschei- nung treten. Ich begnüge mich daher, an dieser Stelle auf den nebenstehenden Holzschnitt, Fig. D, zu verweisen, in welchem das Kalkgerüst einer in 48 stündigen Larve dargestellt ist. yy rin ma marinmende arte Vergleicht man damit Fig. 62, Vergr. 120/1. 2,—2, die 5 Basalia, Taf. 15, so erkennt man, dass RL A ee 2 die linksseitigen Oralia und Basalia (1 und 2),- welche anfänglich beträchtlich weiter nach vorn gelagert waren als die rechten, weiter nach hinten gerückt sind und sich mit 264 OSWALD SEELIGER, diesen in gleicher Höhe befinden. Noch immer aber liegen die ven- tralen Oralia und Basalia weiter nach vorn zu als die dorsalen, und die durch die Oralia oder Basalia gelegten Ebenen stehen nahezu senkrecht auf dem Wassergefässring. Die 3 Subbasalia, welche die abgebildete Larve besitzt, sind nicht eingezeichnet worden, sie liegen in gleicher Höhe mit den Basalien, aber von diesen verdeckt tiefer gegen die Mitte zu und sind, wie dies Bury beobachtete, in einem nach der Bauchseite und links geöffneten Hufeisen angeordnet. Die Kalkplatten des zukünftigen Stieles sind weiter von einander ab- gerückt und die Fussplatte dadurch bis nahe an die Basis der Fest- heftungsgrube gelangt, zu welcher sie parallel verläuft. Der Winkel, den die Fussplatte mit der folgenden bildet, ist übrigens nicht überall so gross wie in dem abgebildeten Falle. Das Verhältniss der kalkbildenden Mesenchymzellen zu den Platten kann man am besten an Längsschnitten durch den Vorder- abschnitt der Larve feststellen. In Fig. 98 A, Taf. 17 ist ein Stück eines medianen Längsschnittes abgebildet, der die Rückenregion der Larve zwischen dem 2. und 3. Wimperbogen zeigt. Die Kalkstücke des Stieles waren erst hufeisenförmig gekrümmt, und man sieht dorsal vom gekammerten Organe 6 Stücke quer durchschnitten. Durch die Behandlung mit Säuren ist der Kalk aufgelöst worden, während die Matrixzellen naturgetreu fixirt wurden. Im Gegensatze zu den früher beschriebenen jüngeren Stadien lassen sich zwischen je zwei Kalk- platten immer zwei Reihen von Mesenchymzellen nachweisen. Bei näherer Untersuchung erweisen sich diese Zellen (Fig. 98 B) zum grössten Theil stark abgerundet, kugelähnlich gestaltet. Peripher von ihnen, ausserhalb des Bereiches der Kalkplatten, liegen dicht gedrängt ähnlich gestaltete Zellen, welche später zur Vergrösserung der Kalk- tafeln und ihrer senkrechten Fortsätze beitragen. Eine Darstellung des Kalkskelets der freischwimmenden Larve hat bereits THomson gegeben. Später berichtigte dann GÖTTE einige Irrthümer seines Vorgängers und hob namentlich richtig hervor, dass die Kelchstücke sich nicht regelmässig senkrecht um die Längsaxe, sondern schräg um dieselbe anordnen. Ebenso hat er den Gegensatz der Centrodorsalplatte, welche — wie im folgenden Capitel erörtert werden soll — aus den Subbasalien hervorgeht, zu den Stielgliedern betont. THomson hatte sie im Anschlusse an J. MULLER für das oberste Stielglied angesehen. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 265 Barros hat weniger die Bildung und die Formen der Kalk- platten als in entkalkten Präparaten die Mesenchymzellen selbst unter- sucht. Namentlich für den Stielabschnitt macht er ausführlichere Angaben. Die Axe lässt er von dem Centralfaden durchlaufen sein. Es entspricht aber, wie ich bereits oben auseinandergesetzt habe, dieses von ihm als Mesenchymgewebe in Anspruch genommene Ge- bilde der Anlage des gekammerten Organs und ist aus Ausstülpungen des rechten Cölomsackes entstanden. Peripher um die Axe unter- scheidet BARROIS weiter eine quergestreifte Zone von Mesenchymzellen- gruppen und nach aussen von dieser eine hyaline dünne Skeletschicht. Diese letztere vermag ich nicht wieder zu finden, und auf den meisten Abbildungen, die Barrois selbst gegeben hat, fehlt sie ebenfalls, wie denn in der That die Bildung der Kalktafeln nicht hier, sondern zwischen den zweischichtigen Platten von Mesenchymzellen vor sich geht. Die beiden weiter nach aussen zu folgenden Schichten Barrois’, die Zone der compacten Mesenchymzellen und des lockern Binde- gewebes, sehe ich, wie Fig. 93, Taf. 17 beweist, ebenfalls, wenn auch freilich viel weniger scharf geschieden, als es Barroıs darstellt. Bury bespricht von den Mesenchymgebilden der Larve nur die Kalktafeln. Seine Beschreibung stimmt mit meinen Befunden an den ältesten Embryonen und solchen Larven, welche eben die Menıbran gesprengt haben, überein. Schon kurze Zeit später finde ich die Lagerung der Skeletstücke abweichend, wie sich das nament- lich aus der Vergleichung des hier gezeichneten Holzschnittes mit Bury’s Fig. 45 ergiebt. Einmal sehe ich im Kelchabschnitte die rechten und linken Stücke desselben Systems fast ganz gleich hoch liegen und sodann namentlich die Stielstiicke bedeutend mehr ausgebildet. Die Abstände zwischen diesen letztern haben sich vergrössert, so dass die Fussplatte bis vor den zweiten Wimperbogen hinaus nahe an die Festheftungsstelle gerückt ist, während sie Bury noch nahe dem dritten Wimperbogen in weiter Entfernung von ihrer spätern Lage liegen sah. Doch sind das alles nur solche Unterschiede, die sehr wohl in individuellen Verschiedenheiten der beobachteten Larven ihren Grund haben können. So wie ich es oben bereits für ein früheres Stadium angegeben habe, finde ich auch jetzt noch nicht vollständig die Oralia im Bereiche des linken, die Basalia in dem des rechten Cöloms gelagert und kann daher auch nicht die bezügliche Bemerkung Bury’s in seiner spätern Arbeit (10, p. 33) für zutreffend erachten, 266 OSWALD SEELIGER, VI. Anormale Larvenformen. (Tafel 18, Fig. 99—101.) Zwischen 60stündigen, vollkommen normal organisirten frei- schwimmenden Larven traf ich eine Anzahl anormal gebildeter an, welche in einem wesentlichen Punkte mit den bereits von Busch (12, 13) beschriebenen übereinstimmten, da sie durch den Besitz äusserer Ten- takel ausgezeichnet waren. Busch glaubte, dass die freischwimmende Larve vor ihrer Umbildung zur gestielten Form die Wimperbogen verliere, auf der Bauchseite eine Anzahl von höchstens 10 Tentakeln ausbilde und in diesem Stadium träge am Boden umherkrieche. Ueber den Bau der Tentakel finden sich weiter keine Angaben, eben so wenig wie die innere Organisation der Larve mit den damals üblichen Unter- suchungsmethoden erkannt werden konnte. In der Abbildung erscheint die Larve einer Holothurienpuppe ähnlich, mit ansehnlich langen Ten- takeln versehen, die um den hintern Theil der Vestibulareinstülpung gelagert sind. Es ist mir nicht bekannt, dass seither ein ähnliches Larvenstadium von Antedon beobachtet worden wäre, und es war mir wichtig, sein Vorhandensein feststellen zu können, weil damit jeder Verdacht beseitigt wird, es könne Busch etwa Holothurienpuppen für Crinoidenlarven gehalten haben. Die von mir beobachteten anormalen Larven unterschieden sich von den durch Busch bekannt gewordenen äusserlich auf den ersten Blick durch die geringere Länge der starren Tentakel. Einige be- sassen noch ihre Wimperbogen und schwammen frei im Wasser um- her, während ich andere, die die Flimmern bereits rückgebildet hatten, vom Boden des Gefässes auflas. Ueber die Art der Bewegung dieser letztern vermag ich keine Angaben zu machen. Um die innere Organisation und namentlich den Bau der Ten- takel kennen zu lernen, habe ich eine Anzahl Larven in Schnitte zer- legt und einige derselben in Fig. 99—101 abgebildet. Fig. 99 stellt den 17. Schnitt einer am hintern Ende begonnenen Serie dar, der dorsal und seitlich durch den vorletzten Wimperbogen hindurchgeht, ventral hinter demselben die Körperwand trifit. Vergleicht man damit den in Fig. 92, Taf. 17 abgebildeten Schnitt durch die nämliche Region einer normal gebildeten Larve, so fällt eine Reihe bemerkenswerter Unterschiede auf. Der Darmcanal ist beträchtlich umfangreicher und erscheint vollständig erfüllt von einer in Auflösung begriffenen Zell- masse. Dieselbe hat ihren Ursprung aus Zellen genommen, welche ae we # Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 967 wohl erst während der freischwimmenden Larvenzeit aus dem epithe- lialen Verbande der einschichtigen Darmwand in die Darmhöhle ein- gewandert sind. Auch in der normalen Entwicklung der Larve sahen wir im 2. Abschnitte dieses Capitels einzelne Entodermzellen in das Lumen eintreten, aber erst nach der Festsetzung nehmen sie so reich- lich zu, dass sie dasselbe ganz erfüllen und der Darmtractus sich ganz ähnlich gebildet zeigt, wie in den anormalen freischwimmenden Larven. Es charakterisirt sich also die Abnormität des Darmes als ein Vorauseilen in der Entwicklung, und ich werde daher an dieser Stelle eine eingehende Beschreibung unterlassen, indem ich auf die Darstellung im zweiten Abschnitte des nächsten Capitels verweise. Der Verlauf der Cölomtaschen ist ebenfalls ein verschiedener; namentlich ist es die linke, welche sich abweichend gebildet zeigt. Der Verbindungsast der beiden hufeisenförmigen Schenkel hat sich im hintern Abschnitte ventralwärts zwischen Darm und Hydrocöl einge- schoben; vor dem vierten Wimperbogen trifft man jedoch, ebenso wie in den normalen Larven, beide Schenkel getrennt, aber beträchtlich ausgedehnter als in diesen. Die Cölomwandungen sind überall ein- schichtig, fast ein Plattenepithel, das sich an den Mesenterien ein wenig verdickt. Am auffallendsten verschieden ist, wie schon erwähnt, die durch die Tentakel ausgezeichnete Ventralregion. Während in gleich alten und jüngern normalen Larven im Bereiche des vierten Wimperbogens die Vestibulareinstülpung zur vollständigen Abschnürung gelangt ist (Fig. 92), erscheint sie hier als eine seichte Rinne, an deren beiden Rändern sich die Tentakel als zapfenförmige Gebilde erheben. Um- gekehrt aber zeigt sich das Hydrocöl in der Entwicklung vorausgeeilt. Es ist zwar noch nicht zu einem vollständigen Ringe geschlossen, aber an seiner Ventralseite erheben sich 5 Gruppen von je drei Aus- stülpungen, die verschiedene Länge besitzen. Die längsten unter ihnen erfüllen die ectodermalen Tentakelausstülpungen , die kürzern sind höchstens im Stande, unbedeutende warzenförmige Erhebungen zwischen den Tentakeln zu erzeugen. Ich habe mich an dem spärlichen Ma- teriale nicht überzeugen können, ob stets die mittelste Ausstülpung in jeder der 5 Gruppen im Wachsthum vorauseilt und zunächst nur 5 Tentakel äusserlich sichtbar werden und ob bezüglich der Zahl und Ausbildung der Tentakel bei diesen abnormalen Larven überhaupt eine Gesetzmässigkeit herrscht. — Der ectodermale Ueberzug der Hydro- cölausstülpungen ist einschichtig und besteht aus prismatischen Zellen, 268 OSWALD SEELIGER, deren Kerne der Mitte nahe, jedoch vorwiegend noch in der äussern Zellhälfte gelegen sind. Zwei Schnitte durch eine gleich alte Larve, welche aber bereits die Wimperbogen rückgebildet und die freischwimmende Lebensweise aufgegeben hatte, zeigen Fig. 100 und 101. Erstere Abbildung stellt den 12., letztere den 17. Schnitt einer am hintern Ende begonnenen Serie dar. Nur auf der Ventralseite im Bereiche der Vestibulargrube erscheint das Ectoderm als ein nach innen zu deutlich abgegrenztes Epithel, während es an den andern Stellen mit dem Mesenchym so innig verbunden ist, dass beide Blätter ein einheitliches Gewebe dar- stellen. Auf spätern Stadien werden wir auch in der normalen Ent- wicklung ein ähnliches Verhalten antreffen. — Der Darmcanal ist ballonartig aufgetrieben, und die ihn erfüllende Zell- und Dottermasse fehlt. Nach dem Lumen zu sieht man an den verschiedensten Stellen pseudopodienartige Fortsätze sich erheben, während die Aussenwand scharf conturirt den innern Cölomwandungen sich anlegt. Die Cölom- taschen selbst zeigen keine bemerkenswerthen Aenderungen. Dagegen finden sich auf der Bauchseite 9 zum Theil beträchtlich längere unbe- wegliche Tentakel, welche genau den oben für die freischwimmende Larve beschriebenen Bau zeigen. Die 9 Tentakel entsprechen den drei hintern Gruppen von je drei Hydrocölausstülpungen, während die beiden vordern Gruppen (Fig. 101) erst so unbedeutende Ausbuch- tungen zeigen, dass auf der linken Seite die Körperoberfläche noch ganz glatt erscheint, auf der rechten dagegen erst so kleine Erhe- bungen sich zeigen, dass von eigentlichen Tentakeln noch nicht recht gesprochen werden kann. Aus der Darstellung im nächsten Capitel wird sich ergeben, dass wir einen ähnlichen Process der Tentakelbildung normaler Weise erst bei der festgesetzten Larve antreffen. Es besteht aber der wichtige Gegensatz, dass bei dieser die Tentakelbildung innerhalb des voll- kommen abgeschlossenen Vestibularraumes sich vollzieht, während hier das Vestibulum eine flache Rinne darstellt, an deren Rändern die Ten- takel sprossen, so dass ihre Ectodermbekleidung theilweise mit gutem Rechte der äussern Körperwand zugerechnet werden kann. Bei der Untersuchung sehr zahlreicher Exemplare älterer fest- sitzender Stadien ist mir kein einziges begegnet, welches ich auf eine derartig anormal gebaute freie Larve hätte zurückführen können. Ich muss daher annehmen, dass diese zu einer weitern Entwicklung unfähig sind und nach einer nur kurzen Lebensdauer zu Grunde gehen. | Le vas 2 2 j j À + = Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 269 Drittes Capitel. Die Festsetzung der Larve und ihre Umbildung zur gestielten Form. (Tafel 18, Fig. 102—113; Taf. 19, Taf. 20.) (Beschreibung der Larve bis zum fünften Tage nach Sprengung der Eimembran.) Eine ausführliche Darstellung der Entwicklungsvorgänge nach der Festsetzung der Larve hat zuerst W. THomsoN gegeben. Seine An- gaben über die äussern Formveränderungen und über das Kalkskelet sind zum grossen Theil zutrefiend, während über die innere Organi- sation der Weichtheile nur wenig mitgetheilt ist, was auch jetzt noch Giltigkeit beanspruchen darf. Später hat sich dann METSCHNIKOFF mit demselben Gegenstande beschäftigt. Meines Wissens ist er bei einer vorläufigen Mittheilung (62) stehen geblieben, in welcher gerade die innern Organisationsverhältnisse dargelegt werden sollen, über welche THomson nur wenig berichtet hatte. METSCHNIKOFF gelangt zu dem Ergebnisse, dass die Crinoidenentwicklung grosse Aehnlichkeit mit derjenigen der Bryozoen darbiete. Nach der Festsetzung käme eine grosse, die Eingeweide umschliessende Höhlung zum Vorscheine, welche sich weiterhin in zwei Theile spalte ; der obere stelle den Ringcanal dar, der grössere untere die eigentliche Leibeshéhle. Ganz abgesehen da- von, dass in dieser Darstellung so ziemlich Alles falsch ist, wäre doch, selbst wenn sich die Dinge so verhielten, keineswegs dadurch irgend eine Beziehung zu Bryozoen geschaffen. GOrrn’s Darstellung brachte eine Reihe neuer und wichtiger Angaben über die Entwicklungsvor- gänge der festgesetzten Larve. Ihr schliessen sich die Mittheilungen von GREEFF (35), PERRIER (70), Barros (4, 6) und Bury (9) an, auf welche ich bei der Besprechung der Entwicklung der einzelnen Organe noch mehrfach werde verweisen müssen. Nach einem meist nur wenige Stunden, seltener zwei bis drei Tage währenden Freischwimmen setzt sich die Larve mit der am vordern Ende liegenden Festheftungsgrube fest. In den Aquarien kann man das sehr leicht beobachten, denn die Larven erweisen sich bezüglich der Festheftungsgegenstände durchaus nicht wählerisch. An den Glaswänden, an Steinen und den verschiedensten Pflanzentheilen sieht man sie sich festsetzen. Nur scheinen sie wenn auch nur schwach bewegte Stellen des Wassers zu vermeiden, denn in unmittel- 270 OSWALD SEELIGER, barer Nähe des in die Aquarien eintretenden Luftstromes fand ich sie nicht. Es gelingt leicht, die Larven mit den pflanzlichen Unter- lagen, welchen sie aufsitzen, zu conserviren, in Paraffin einzubetten und in Schnitte zu zerlegen. Diese lassen dann über die Stelle, mit welcher die Festsetzung erfolgte, keinen Zweifel bestehen. Die Entwicklung schreitet nach der Festsetzung bei den verschiedenen Individuen in überaus wechselndem Tempo weiter, so dass ich über die Zeit des Auftretens der einzelnen Veränderungen keine allgemeiner siltigen Angaben machen kann. Es ist das gegenüber der Gleich- förmigkeit der Embryonalentwicklung der verschiedenen Eier desselben Wurfes auffallend. Neben Verschiedenheiten in den individuellen Ver- anlagungen kommt hierbei auch wesentlich in Betracht, wie ge- eignet der Ort der Festsetzung sei, um eine raschere oder lang- samere Entwicklung der Larve zu bedingen. Worin diese Ver- schiedenheiten der Existenzbedingungen bestehen, die räumlich nur wenig von einander getrennte Stellen eines Aquariums bieten, lässt sich im einzelnen nicht bestimmt angeben. Nahrungsmangel oder -reichthum kann wenigstens für die erste Entwicklungszeit nicht wesentlich in Betracht kommen, weil die Larve unfähig ist, von aussen Nahrung aufzunehmen und ausschliesslich auf das aufgespeicherte Embryonalmaterial angewiesen erscheint. Denn die einzige äussere Oeffnung, welche die Larve dieser Periode besitzt, ist der Porus, durch welchen vermittels des Parietalcanals das Wassergefässystem mit der Aussenwelt in Verbindung steht, und es wird wohl nicht viele geben, welche mit PERRIER (70, p. 132) auf diesem Wege Nahrung in den Körper eintreten und im Hydrocöl verdauen lassen. Gerade aber in dieser Zeit sind die Verschiedenheiten besonders auffallend; und um nur ein Beispiel anzuführen, will ich erwähnen, dass unter 110stündigen Larven zahlreiche zu finden waren, welche sich noch nicht einmal so weit entwickelt hatten wie die in Figur 109 abgebildete 48- stündige. Es ergiebt sich aus der Lage der Festheftungsgrube auf der Ventralseite des vordern Leibesendes, dass die junge Larve zunächst mit ihrer Bauchseite fast ganz dem Fremdkörper aufliegt; erst nach und nach, gleichzeitig mit der Sonderung in Stiel und Kelch, streckt sie sich, um füglich senkrecht auf der Unterlage sich zu erheben. Das letztere ist allerdings in der Regel erst dann erreicht, wenn im Scheitel das Vestibulum zum Durchbruche nach aussen gelangt ist, die Ten- takel zu äusserst beweglichen Gebilden von ansehnlicher Länge ge- worden sind und die gestielte Larve zu selbständiger Nahrungsauf- sr PE EEE Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 271 nahme befähigt erscheint. Dieses Stadium soll aber erst im nächsten Capitel eingehend beschrieben werden, während in diesem die Darstel- Jung mit einer Fig. 110, Taf. 18 ähnlichen Form abschliesst, welche 0,9—1 mm Länge besitzt. Vergleicht man diese mit einer freischwim- menden Larve (Taf. 16, Fig. 66, 67), so ergiebt sich auf den ersten Blick, dass während dieser Entwicklungsperiode die äussere Larven- gestalt eine sehr wesentliche Veränderung erfahren hat. Während unmittelbar nach der Festsetzung (Fig. 102) Stiel und Kelch äusserlich noch gar nicht merklich von einander abgegrenzt sind, ist später der erstere zu einem langen, den letztern um ein Mehrfaches an Länge übertreffenden cylindrischen Gebilde geworden, welchem der kurze, aber weit umfangreichere Kelch aufsitzt. Man kann leicht Schritt für Schritt verfolgen, wie dieser Gegensatz durch das rüsselartige in die Länge Wachsen des vordern Körperabschnittes zu Stande kommt und findet in Fig. 108 und 109 ein Zwischenstadium gezeichnet. Das vor- derste, festgeheftete Ende verbreitert sich gleichzeitig meist zu einer rundlichen Scheibe, deren Umfang sowohl als Form kleine indivi- duelle Verschiedenheiten bietet, die mit der Beschaffenheit der Unter- lage im Zusammenhange stehen dürften. Viel bedeutendere Verschieden- heiten des Festheftungsendes sind bereits von Sars (77) für die ältern Pentacrinoidenlarven von Antedon (Alecto) sarsii, die sich mit einer Anzahl fingerförmiger Fortsätze befestigen, beschrieben und abgebildet worden und scheinen auch bei Pentacrinoideen vorzukommen. Schon während der in diesem Capitel abzuhandelnden Vorgänge prägt sich im Gegensatz zur Bilateralität der freischwimmenden Larve der durch die festsitzende Lebensweise hervorgerufene fünfstrahlige Radiärbau im Kelche deutlich aus, wenngleich sich noch immer die ursprüngliche Median- ebene bestimmen lässt. Unmittelbar nach der Festsetzung, wenn das Vestibulum noch auf der Ventralseite gelagert ist, beschränkt sich die Andeutung eines strahligen Baues auf die 5 Ausstülpungen des Hydro- cölringes, die Anlage des gekammerten Organes, die Basalia und Oralia, ohne dass aber diese Organe bereits ire endgiltige Lagerung ge- wonnen hätten. Auf den Querschnitten (Fig. 115, 116) erhält man vielmehr Bilder, deren bilaterale Symmetrie nur durch den linksseitig verlaufenden Parietalcanal und den Porus gestört erscheint. Erst später, wenn das Vestibulum vollständig an das freie Hinterende gerückt ist, wird zunächst nur in diesem auch äusserlich der radiäre Bau sichtbar, während in dem dem Stiele zugekehrten Kelchabschnitte — von dem gekammerten Organe abgesehen — von einem strahligen Bau nichts zu bemerken ist. In den Figuren 135, 137, Taf. 20 sieht 272 OSWALD SEELIGER, man diesen letzteren noch etwas unvollkommen, in Fig. 144 aber vollständig deutlich ausgebildet und den Larvendurchschnitt ein ziem- lich gleichseitiges Pentagon bildend. Ich habe die fünf Radien, welche sich durch die Ecken legen lassen, mit den römischen Ziffern I—V bezeichnet. Der Strahl V entspricht der früheren Medianebene und zwar dem ventral von der Hauptaxe gelcgenen Theile; er trifft also die Oberfläche der Larve in dem Meridian, in welchem der letzte Rest der schlitzförmigen Vestibulareinstülpung sich geschlossen hat. Die übrigen vier Radien sind in der Weise benannt, dass ventral links der I., rechts der IV., dorsal links der Il. rechts der III. liegt. Be- trachtet man also die Larve von der Mundseite aus, so folgen sich die Radien von links ventral an in dem Sinne, wie der Zeiger einer Uhr sich dreht. Da der Porus zwischen Radius I und V, dem ersteren aber sehr nahe liegt, ist die hier angewendete Bezeichnung der Radien die nämliche, welche LupwiG früher (57) vorgeschlagen hat, als er vom Porus als dem festen Punkte ausging. Ein nicht zu verkennender Gegensatz liegt aber darin, dass Lupwic den Crinoidenkelch so orien- tirt, dass der Radius I „vorn“, der in seiner Verlängerung gelegene Interradius „hinten“ bezeichnet. Demnach decken sich durchaus nicht die von LupwiG als rechts und links bezeichneten Regionen mit der von mir gebrauchten Benennung, die mit der für die noch bilateralen Larven gebräuchlichen identisch ist und von mir durchaus nicht will- kürlich gewählt wurde. Ich will gleich an dieser Stelle bemerken, was erst in der nachfolgenden Darstelluug seinen Beweis finden wird, dass in den Radien I—V die fünf primären Hydrocölausstülpungen liegen, und zwar entsprechen genau die in der freischwimmenden . Larve den Ausstülpungen beigesetzten arabischen Zahlen (Fig. 81, Taf. 16) den Radien in der Weise, dass h, in den I., A, in den zweiten Radius zu liegen kommt u. s. fort. I. Das Ectoderm. 1. Das Hautepithel. Unmittelbar nach der Festsetzung schwinden sehr rasch die Wimperbogen, und das Hautepithel zeigt überall ein gleichförmiges Aussehen. Buscu, der die Festsetzung der Larve überhaupt nicht gesehen hat, giebt an, dass die Rückbildung der Wimperbogen sich schon in der frei schwimmenden Larve vollziehe; zuerst verschwinde der letzte, zuletzt der vorderste Bogen, der oft noch am 9, Tage ee u 2 Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 213 deutlich nachweisbar sei. Dann krieche die Larve träge am Boden umher. Auch THomson (90, p. 524) lässt die Rückbildung der beiden hintern Wimperbogen (bei der von mir gegebenen Bezeichnung sind es der 2. und 3., da der 1. von ihm nicht bemerkt wurde) zuerst und zwar noch bei der frei schwimmenden Larve erfolgen. Nach und nach schwänden dann auch die andern Bogen, und die Larve sinke zu Boden, um sich festzuheften. Es ist sicher zutreffend, was schon Bury bemerkt hat, dass die von THomson gegebene Abbildung fig. 1 tab. 25 die Organisation einer normaler Weise festsitzenden Larve zeigt, welche den vierten und fünften Bogen noch nicht verloren hat; jedoch vermag ich nicht einzusehen, weshalb solche Larven, wie Bury meint, in Wirklichkeit nicht freischwimmend sein könnten, sondern auf einem wenn auch nur kleinen Gegenstande festgeheftet sein müssten. Im letzten Abschnitte des vorhergehenden Capitels haben wir ebenfalls in mancher Beziehung in der Entwicklung vorgeschrittene Larven kennen gelernt, die die freischwimmende Lebensweise nicht aufge- geben hatten. Ob aber die abnormalen Larven THomson’s sich später festheften und weiter entwickeln, wie dieser annimmt, kann ich nicht entscheiden. Es würde sich dabei in erster Linie um die Beschaffen- heit der Festheftungsgrube handeln, über die sich aber aus der THomson’schen Abbildung, die die Rückenseite zeigt, nichts er- schliessen lässt. Nach Bury verschwindet zuerst der vorderste unvollständige Wimperbogen und wenige Stunden später alle folgenden. Ich kann diese Angaben nur bestätigen, indem ich hinzufüge, dass die Rück- bildung des vordersten Wimperbogens stattfinden kann, bevor noch die Larve fixirt ist. Einige Male traf ich sogar einzelne auf dem Boden liegende Larven noch unbefestigt an, obwohl sie bereits sämmt- liche Wimperkränze rückgebildet hatten. Es ist aber immerhin mög- lich, dass diese Larven zu einer weitern Entwicklung unfähig sind, und man wird im Allgemeinen berechtigt sein, die Rückbildung der Flim- mern als eine Folge der Festsetzung anzusehen. Schon im vorhergehenden Capitel habe ich beschrieben, wie in den Zwischenzonen älterer frei schwimmender Larven die Zellen nach aussen zu und zwischen einander, indem ihre protoplasmatische Sub- stanz theilweise schrumpft, eine homogene hyaline Substanz, deren Consistenz ich aber nicht geprüft habe, abzusondern beginnen, so dass der epitheliale Verband sich scheinbar gelockert zeigt. Nach der Festsetzung spielt sich der gleiche Vorgang in den Wimperbogen ab, so dass deren Grenzen sehr bald nicht mehr nachweisbar sind Zool, Jahrb. VI. Abth. f, Morph. 18 274 OSWALD SEELIGER, (Fig. 114). Das Ectoderm setzt sich dann aus den meist senkrecht zur Oberfläche beträchtlich in die Länge gestreckten, spindelartigen Plasmakörpern wie ein Palissadenwerk zusammen. Neben den spindel- formigen Körpern findet man aber sehr verschieden geformte: pira- midenförmige mit stark verbreiterter, ‘nach, aussen oder auch nach innen gekehrter, Basis und bedeutend in die Länge gezogener Spitze, dann wieder mehr abgerundete, fast kugelihnliche. Die Spindelformen herrschen im vordern Stielabschnitte vor (Fig. 122, Taf. 19,- Fig. 154, Taf. 20), während die gedrungeneren Formen häufiger in der Region des Hydrocölringes (Fig. 132—134) anzutreften sind. Inmitten des plasmatischen Körpers liegt der Kern, den man zuweilen in Theilung antrifft. Im Allgemeinen sind aber in diesem Stadium Theilungen der Ectodermzellen selten, und eine erhebliche Vergrösserung der Zellen- zahl findet nicht mehr statt; ja es scheint mir gar nicht ausgeschlossen zu sein, dass mit der zunehmenden Ausbildung der Zwischensubstanz einzelne Zellkörper vollständig schwinden. Ein Theil der Ectodermzellen hat sich unter Formveränderungen von der Oberfläche zurückgezogen und subepitheliale Lage eingenommen, ein Vorgang, dessen Beginn wir schon in ältern freischwimmenden Larven beobachten konnten. Ausser solchen Ectodermzellen, die durch Lageveränderung die ursprüngliche Oberflächenlage aufgegeben haben, findet man andre, die gleich Anfangs in subepithelialer Stellung ent- standen sind, indem die Kern- und Zelltheilungen im Ectoderm nicht senkrecht, sondern parallel zur Oberfläche erfolgten. Zum Beweise für das Vorkommen dieses Processes verweise ich auf Fig. 122, in welcher man dicht neben einander in zwei Spindelzellen eine derartig orientirte Kerntheilung auf verschiedenen Stadien antrifft. Bedeutungsvoller sind die Beziehungen der Ectodermzellen zum Mesenchym. In den freischwimmenden Larven ist das ectodermale Hautepithel an sämmtlichen Stellen gegen die Leibeshöhle und das Mesenchym durch einen scharfen Contur abgegrenzt, so dass nirgend ein Zweifel über die Zugehörigkeit eines Elementes jzu dieser oder jener Schicht bestehen kann. Bald nach der Festsetzung ändert sich das Verhalten mit dem Auftreten zahlreicher subepithelialer Ectoderm- zellen und der scheinbaren Lockerung ihres Gefüges. So wie viele Ectodermzellen Fortsätze gegen die primäre Leibeshöhle hin er- strecken, sehen wir einzelne sternförmige Mesenchymzellen ihre Fort- sätze verlängern und sich mit denen der Ectodermzellen verbinden. Bedenkt man weiter, dass einzelne verschieden geformte Ectoderm- elemente bis unter die Fortsätze der andern hinabgerückt, einzelne Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 275 Mesenchymzellen dagegen bis in dieselbe Höhe emporgelangt sind, so wird verständlich, dass sich zwischen beiden Keimblättern keine deut- liche Grenze mehr ziehen lässt und dass es für zahlreiche Zellen un- möglich wird, zu entscheiden, welchem Blatte sie entstammen. In Fig. 123, Taf. 19-habe ich einen Durchschnitt durch ein jüngeres 12 stündiges Stadium abgebildet, welches den Beginn der Vereinigung der betreffenden Elemente beider Schichten zu einem einheitlichen Gewebe darstellt, und es bedarf diese Abbildung keiner weitern Er- läuterung. Weiter vorgeschrittene Stadien, in welchen namentlich der protoplasmatische Theil der Zellen sich erheblich verringert hat, theil- weise vielleicht gänzlich geschwunden ist, findet man in den Fig. 146 155, 156 auf Taf. 20. Ich möchte nicht zu erwähnen unterlassen, dass ich den histo- logischen Charakter des Ectoderms am hintersten Körperende, wo es das noch geschlossene Dach des Vestibulums bildet, in vielen Fällen etwas verschieden fand, obwohl ich nicht weiss, in wie weit der Ein- fluss der Reagentien bestimmend war. Der in Fig. 140, Taf. 20 ab- gebildete Schnitt durch eine in Sublimat-Essigsäure conservirte 84- stündige Larve zeigt unter der scharf abgegrenzten Cuticula eine zu- -sammenhangende plasmatische Lage mit zahlreichen Kernen‘; Zell- grenzen sind nur an einigen wenigen Stellen undeutlich zu erkennen. Gegen die Leibeshöhle zu springen einzelne plasmatische Fortsätze zapfenförmig vor, und zwischen ihnen trifft man einige subepithelial gelagerte Ectodermzellen, welche mit der oberflächlichen Lage durch breite Brücken verbunden sind. In dem abgebildeten Stadium er- scheint die hintere abgeflachte Ectodermwand des Vestibulums der äussern Leibeswand bereits beträchtlich genähert. Es ist das die Stelle, an welcher später der Durchbruch nach aussen erfolgt. In jüngern Larven (Fig. 125, Taf. 19) ist öfters gerade diese Region von besonderer Mächtigkeit, indem ein reiches Bindegewebe sich ausbreitet, welches später zum Theil aufgelöst wird. In der eben gegebenen Darstellung des Baues des Ectoderms weiche ich von den Angaben der frühern Autoren nicht unerheblich ab. GörTE hat zuerst den Verhältnissen im Ectoderm Aufmerksamkeit geschenkt (31, p. 596). Er erwähnt, dass das Zellengefüge der Ober- haut undeutlich werde, ‚indem noch erkennbare schmale Zellen mit unklaren Streifen abwechseln“. Dies rühre daher, dass nur wenige Zellen „in der ursprünglichen Form und Lage zurückbleiben, zwischen ihnen aber an Stelle der offenbar aufgelösten Elemente mit Flüssigkeit gefüllte Lacunen getreten sind, welche nach aussen und nach innen 18* 276 OSWALD SEELIGER, an den ursprünglichen Grenzen der Oberhaut durch je eine derbe Cuticula abgeschlossen sind. Da die übrig gebliebenen Zellen zuletzt einzeln zwischen beiden Cuticulae ausgespannt sind, so hängen offen- bar alle Lacunen mit einander zusammen, bilden nur einen einzigen Raum.“ Die Zellen des Ectoderms findet GÖTTE contractil. Aus dieser angezogenen Stelle geht der Unterschied gegenüber meinen Befunden deutlich hervor. Die homogene Zwischensubstanz hält GöTTE für eine Flüssigkeit, welche durch Auflösung von Zellen entstanden sei. Dass einzelne Zellen in der That ganz aufgelöst werden können, halte ich, wie oben schon aus einander gesetzt wurde, für leicht möglich, betrachte aber die Zwischensubstanz nicht als das Resultat dieser desorganisirten Zellen, sondern der lebendigen, die sie nach Art einer cuticularen Bildung erzeugt haben. Ferner ist GOrre im Irrthume, wenn er eine zweite innere Cuticula annimmt, an welche die innern Enden der Ectodermzellen sich ansetzen sollen, und in Folge dessen ist ihm der Zusammenhang mit den Mesenchymzellen entgangen: Es beruhen diese Fehler otfenbar auf der Untersuchung eines mangelhaft conservirten Materiales, das sich aus den angewendeten Reagentien nothwendiger Weise ergeben musste. PERRIER, der seine Untersuchung mit bereits in der Entwicklung vorgerücktern festsitzenden Stadien begonnen hat, widmet der histo- logischen Beschaffenheit des Ectoderms nur wenige Worte, indem er angiebt, dass Ectoderm und Mesoderm nicht zu unterscheiden wären. In dem Kelchabschnitte der Larven bemerkt er eine sphärische Hôblung, deren dicke Wandungen von einer hyalinen homogenen Sub- stanz gebildet werden, in welcher sich zahlreiche, in Eosin stark färb- bare Zellen befinden; dazwischen liegen ,,Granulationen“ (70, p. 122). Nach den Abbildungen zu urtheilen, müssen die jüngern festsitzenden Stadien nur ungenügend conservirt gewesen sein, denn sie zeigen nichts von den eben auseinandergesetzten Einzelheiten. In den ältern Larven, in welchen das Vestibulum nahe daran ist, nach aussen durchzubrechen, beschreibt er die Leibeswandung im Kelche in folgen- der Weise: An der Aussenseite befinde sich eine Membran, an der innern das Parietalblatt des Céloms; dazwischen liege eine hyaline, in Eosin sich schwach rosa färbende Substanz, in welcher Binde- gewebselemente eingebettet seien. Diese seien rundlich, mit einem kleinen Kern versehen oder fadenförmig mit verzweigten Enden, und stünden dann meist senkrecht zur Oberfläche. Barrois schildert zutreffend das Auftreten der Zwischensubstanz im Ectoderm und dessen Verbindung mit dem Mesenchym. Er hat DE nr ne es Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. DA aber nicht bemerkt, dass einzelne Ectodermzellen in die Tiefe rücken und glaubt demnach — wie namentlich aus den Abbildungen hervor- geht — dass sie stets einschichtig angeordnet bleiben und mit einem senkrecht zur Oberfläche gerichteten plasmatischen Fortsatze die Zwischensubstanz durchdringen. Die Vereinigung beider Keimschichten zu einem Gewebe ist aber nicht nur, wie BARROIS annimmt, eine scheinbare, sondern eine wirkliche. Bury hat die hier geschilderten Vorgänge ähnlich beobachtet und erwähnt ebenfalls, dass die Sonderung in Ectoderm und Mesenchym verloren gehe und dass eine hyaline Grundsubstanz von Plasma- strängen durchsetzt werde. In seinen Abbildungen sind dieselben aber weitaus feiner, als ich sie gesehen habe, so dass man in ihnen kaum die protoplasmatischen Reste der Zellkörper vermuthen würde, als welche ich sie auffasse. Unmittelbar nach der Festsetzung geht auch die gesammte Region der Scheitelgrube die nämlichen Veränderungen ein wie das übrige Hautepithel und wird diesem völlig ähnlich. Der Wimperschopf schwindet, mit dem Auftreten der Zwischensubstanz verlieren die Sinnes- und Stützzellen ihre eigenthümlichen Formen, ebenso wie auch die Ganglienzellen sich als solche nicht mehr erkennen lassen. Die mächtige Lage von Nervenfasern wird rückgebildet, und die gegen die Leibeshöhle sie abschliessende Membran ist nicht mehr nachweisbar. Auch die beiden seitlich von der Vestibulareinstülpung verlaufenden Längsnervenstämme konnte ich nicht mehr auffinden, denn das spätere Nervensystem ist eine Neubildung. Ich habe bei Gelegenheit der Be- sprechung des larvalen Nervensystems bereits darauf hingewiesen, dass METSCHNIKOFF auch bei der Metamorphose der Holothurien-Auricularia eine völlige Rückbildung der Nervenfasern, die unter den seitlichen Leisten verlaufen, beobachtet hat. Im Gegensatze dazu hat später allerdings Semon die Behauptung aufgestellt, dass sie direct zu den Fasern des definitiven Ringnerves würden. Bei der vollständigen Un- durchsichtigkeit der jüngsten festgesetzten Comatulalarven ist man allerdings auf die Untersuchung von Schnittserien angewiesen ; aber es scheint mir ausgeschlossen, dass die Nervenfaserstränge, welche in den conservirten freischwimmenden Larven sich deutlich genug nach- weisen lassen, in spätern Stadien zwar vorhanden sein, aber in Folge der Behandlung mit Reagentien sich der Beobachtung entziehen sollten. 978 OSWALD SEELIGER, Wie schon die ältern Autoren angegeben haben, breitet sich die Region der Festheftungsgrube nach Befestigung der Larve rasch zu einem scheibenförmigen Gebilde aus, das in manchen Fällen, namentlich in den ältern Larven, einen beträchtlichen Umfang erlangen kann. Wenn bei der Fixirung das Organ noch eine flache Grube dar- stellt, bemerkt man in dieser eine dünne Lage eines klebrigen Secrets, welches durch die Drüsenzellen ausgeschieden wurde und die Befesti- gung vermittelt. Ich habe die Basalfläche glatt, ohne irgend welche ranken- oder pseudopodienartige Fortsätze gefunden, welche etwa in den Fremdkörper eindringen würden. Dies tritt namentlich deutlich in den Längsschnitten hervor, welche durch auf Ulven festgesetzte Larven sich leicht ausführen lassen. In Fig. 109B ist ein Stück eines Schnittes durch eine 48stündige Larve gezeichnet. Die letzte Kalk- platte des Stieles ist bis unmittelbar an die Festheftungsstelle heran- gerückt und an einigen Stellen nur noch durch eine einzige, zuweilen sehr dünne Zellenlage bedeckt. Einige dieser Zellen sieht man feinere oder gröbere Fortsätze durch die Lückenräume der Kalkplatte aus- strecken, während die äussere Seite glatt ist und einer Ulve dicht aufliegt. Die Kerne lassen sich in dem gekörnten Plasma leicht er- kennen; sie zeigen das Chromatin in wechselnder Menge und An- ordnung. 2. Das Vestibulum. So wie ausnahmsweise am Ende eines längern freischwimmenden Larvenlebens (vgl. Fig. 66) schliesst sich normalerweise sehr bald nach der Festsetzung die Vestibulareinstülpung vollständig vom Hautepithel ab. Der Vorgang erfolgt innerhalb weniger Stunden so rasch, dass er von den ältern Autoren übersehen wurde und es erst BARROIS (4, 6) gelang, denselben zu erkennen. In seiner spätern Abhandlung hat er einige Abbildungen von dem Vorschreiten der Abschnürung gegeben, so dass ich mich hier beschränken kann, auf Fig. 114, Taf. 19 zu verweisen, zumal ein weiter vorgeschrittenes Stadium bei einer frei schwimmenden Larve bereits abgebildet wurde (Fig. 66). In jener Abbildung sieht man im hintern Abschnitte über dem gesammten Hydrocöl die früher schlitzformige Oeffnung der Vestibulareinstülpung bereits geschlossen, während im vordern noch eine langgestreckte Oeffnung besteht. In nur wenig entwickelteren Larven (Fig. 102, Taf. 18) ist der Verschluss auch da erfolgt und der vollständig abgeschnürte Vestibularsack nach dem hintern Körperende zu gerückt, so dass er sit a ed ik LS tal Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 279 völlig auf den Kelchabschnitt beschränkt ist. Seinem Ursprunge ent- sprechend nimmt er zuerst die ganze,Ventralseite und nur einen Theil der hintern ein (Fig. 124, 125), rückt dann immer weiter auf diese hinüber (Fig. 129, 130), bis;er sie gänzlich einnimmt (Fig. 138, 139, Taf. 20). Wir werden weiter unten sehen, wie diese Drehung um einen rechten Winkel von den andern innern Organen mitgemacht wird. 1) Wenn noch im vordern Theile das Vestibulum geöfinet ist, erweisen sich bereits die verschiedenen Wände im hintern abgeschlos- senen von einander sehr abweichend gebaut. Der Längsschnitt zeigt in Fig. 114 die gesammte Basalwand ausserordentlich stark verdickt. Sie liegt dem Wassergefässe dicht auf, so dass sich die tentakel- förmigen Erhebungen desselben in sie eingraben wie das Petschaft in flüssiges Siegellack; die dem Lumen zugekehrte Seite der Vestibu- larwand ist aber ganz glatt, und von den Hydrocültentakeln ist da nichts zu merken. Durch das Centrum des noch unverschlossenen Hydrocölringes dringt ein solider Fortsatz gegen den Darm vor, um sich mit demselben zu vereinigen. Diese Stelle entspricht genau der- jenigen, an welcher wir in der freischwimmenden Larve einen zapfen- förmigen Fortsatz der Darmanlage sich bilden sahen. Auch nach der Verwachsung lässt sich in der Regel der ectodermale Antheil vom entodermalen histologisch unterscheiden. Im vordern Theile der Basalwand sieht man die Kerne fast ausschliesslich der Leibeshöhle dicht anliegen; nach hinten zu werden sie zahlreicher und sind nicht nur auf die innersten Zellenden beschränkt, sondern finden sich bis zur Mitte und vereinzelt auch in den äussern Hälften. Zellgrenzen habe ich nicht nachweisen können, und bei der Verschiebung nach hinten macht die breite Basalwand den Eindruck einer in Bewegung begriffenen vielkernigen Plasmamasse. Sehr oft zeigt sich in dieser insofern eine Differenzirung, als man eine mittlere hellere Zone von dunklern Endzonen unterscheiden kann. Während in den letztern das Plasma in gewöhnlicher Weise gekörnt erscheint, macht es im hellern Theile den Eindruck, als ob fibrilläre Structur vorherrsche, Die verschiedenen Zonen zeigen sowohl in ihrer Ausdehnung als Lage individuelle Verschiedenheiten, fehlen endlich in manchen Fällen ganz, und die ganze Basis besteht dann aus einem gleichmässig fein gekörnten Plasma. Da in das Vestibulum sowohl ursprüngliche Wimperbogen- stücke wie Zwischenstreifen einbezogen wurden, ist es vielleicht mög- lich, dass jene Unterschiede: darauf zurückzuführen sind. Neben den Kernen, welche den ganz typischen Bau zeigen und im Allgemeinen chromatinarm sind, findet man sehr zahlreiche, in der hellen Plasma- 280) OSWALD SEELIGER, zone allerdings nur spärliche, kleinere, rundliche Körper, welche sich namentlich in Hämatoxylin sehr intensiv färben und den Farbstoff ebenso zäh zurück behalten wie das Chromatin der Kerne. Ueber die Bedeutung dieser Gebilde kann ich mich nur vermuthungsweise äussern. Anfänglich glaubte ich, dass sie mit dem Chromatin auf- selöster Kerne zusammenhingen, konnte mich aber davon nicht über- zeugen und nehme nunmehr an, dass sie frei im Plasma selbst ent- stehen, um später wieder aufgebraucht zu werden. Bury fasst da- gegen diese Körperchen als Phagocyten auf. Ueber die andern Wände und das Lumen des Vestibulums geben Querschnitte Aufschluss. In Fig. 115 und 116 sind zwei der- selben durch ein etwa Fig. 102 entsprechendes Stadium abgebildet. Im hintern Theile hat das Lumen die Form einer Mondsichel, deren concave Seite nach innen, gegen die Basalseite gekehrt ist; im vordern ist es elliptisch mit frontal gestellter Längsaxe. In der cuti- cularen Schicht, welche die Vestibularhöhle begrenzt, ist eine radiäre Streifung nirgend mehr nachzuweisen. Man sieht deutlich, wie von der Dorsaiseite aus die Seitenwände und die Ventralwand rasch an Dicke abnehmen, um in der Medianebene, wo zuletzt die Oeffnung bestand, nur noch eine ganz feine Schicht darzustellen. Die Ventral- wand ist einschichtig und besteht in der Medianzone aus cubischen und Pflasterzellen; an den Seiten werden die Zellen höher und ihre Grenzen endlich ganz undeutlich. Entsprechend der in dorso-ventraler Richtung zusammengedrückten, in lateraler dagegen längsgestreckten elliptischen Form des Vesti- bulums finden wir auch die Bauchfläche der Larve im hintern Theile ein wenig abgeflacht. Gerade über dem Vestibulum ist die Haut- schicht besonders dünn, und in der Medianebene fehlen überdies unter dem Eetoderm die Mesenchymzellen. Um so mehr treten daher die beiden seitlichen Kanten der larvalen Bauchseite namentlich auf den Querschnitten hervor, und man könnte leicht versucht sein, darin den Ausdruck der äusserlich beginnenden radiären Gliederung zu finden. Wie sich aber sofort ergeben wird, sind nicht etwa die Radien durch die vorspringenden Kanten zu legen, sondern sie liegen an ganz an- dern Stellen und entstehen davon unabhängig. 2) In Fig. 124 u. 125 sind zwei Längsschnitte durch ein weiteres Stadium abgebildet, in welchem das Vestibulum sich vollständig in den Kelchabschnitt hineingezogen hat und über den grössten Theil der Hinterseite ausbreitet. Die ursprünglich ventrale Wand, die dem Mesenchym der Leibeswand zugekehrt ist und weiterhin ganz zur Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 281 ui hintern äussern wird, ist beträchtlich feiner geworden und stellt ein zartes Plattenepithel dar. Dasselbe ist keineswegs mit dem Mesen- chym verwachsen, sondern von diesem wohl abgegrenzt. Man erkennt das besonders deutlich an den Stellen, an welchen in Folge von Ge- websschrumpfungen, die durch Reagentien hervorgerufen wurden, die Vestibularwand sich faltenartig erhebt. Die Tentakelerhebungen sind im Vestibulum noch nicht sichtbar. Vergleicht man die eben angeführten Abbildungen mit Fig. 114, so fällt auf, dass der Wassergefässring beträchtlich weiter geworden ist und eine umfangreiche, aber noch seichte Ausstülpung der Vesti- bularwand den centralen Raum vollständig ausfüllt, wo früher nur ein kurzer zapfenartiger Fortsatz vorhanden war. In der ganzen Basal- wand liegen die Kerne mehrschichtig über einander, aber nur an sehr wenigen Stellen konnte ich Zellgrenzen unterscheiden, die sich fast niemals durch die ganze Dicke der Wand verfolgen liessen. 3) In Fig. 129 und 130, Taf. 19 habe ich zwei Längsschnitte durch eine 52- und 60stündige Larve gezeichnet, in welchen das Vesti- bulum fast gänzlich auf die Hinterseite gerückt ist. Auf der Ventral- seite erstreckt es sich nicht mehr über den Hydrocölring hinaus, und auf der Dorsalseite beginnt es bereits — indem sich seine Ränder nach vorn zu umschlagen — die Tentakelausstülpungen des Wasser- gefässes zu überwachsen. Die centrale, den Wassergefässring durch- setzende Ausstülpung hat sich bedeutend vergrössert, indem sie bis vor das Hydrocöl nach vorn zu gewachsen ist, in demselben Maasse vorschreitend, wie auf der Ventralseite das Vestibularende sich nach hinten zurückgezogen hat. So ist auch die Verwachsungsstelle mit dem Darme ventralwärts nach vorn gerückt und inzwischen zum vollständigen Durchbruch gelangt. Der vorderste Theil der durch den Hydrocülring hindurchtretenden Vestibularausstülpung stellt den Oesophagus dar, der sich durch den Zapfenfortsatz des Darmes mit dem Magen verbindet. In Fig. 129 ist die Verbindungsstelle nicht zu sehen, aber man findet sie auf dem 2. und 3. nachfolgenden Schnitte; Fig. 130 zeigt sie der Länge nach durchschnitten und den Antheil der beiden Keimblätter noch histologisch verschieden. In der trichterförmig eingesenkten, zum Oesophagus führenden Vestibular- wand lassen sich wieder Zellgrenzen nachweisen, die sich durch die ganze Dicke hindurch erstrecken. Trotz der anscheinenden Mehr- schichtigkeit der Kerne liegt ein einschichtiges Epithel sehr hoher, schlanker Prismenzellen vor, deren Kerne der Mitte nahe, aber in benachbarten Zellen in verschiedener Höhe ruhen. Gegen die Vesti- 282 OSWALD SEELIGER, bularhöhle zu springen jetzt schon die Tentakelausstülpungen des Hydrocöls vor. 4) Das Vestibulum wird immer umfangreicher und nimmt den ganzen hintern Kelchabschnitt ein (Fig. 138, 139, Taf. 20). Seine äussere Wand hat becherförmige Gestalt mit fünfeckiger, das Hinter- ende einnehmender Grundfläche (Fig. 135, 144), während der vordere Rand, der in die Tentakelbekleidung übergeht, zuerst noch sehr stark abgerundete Ecken zeigt und breiter ist als jene Hinterfläche. Ueberall bildet die Aussenwand ein Plattenepithel und liegt der Ectoderm- schicht nahe, von dieser nur durch spärliches Mesenchymgewebe ge- trennt. ‘An der Basalfläche sind wichtige Veränderungen vor sich ge- gangen, die mit Vorgängen im Hydrocöl im Zusammenhange stehen. Die fünf buckelförmigen Primärausstülpungen haben sich, wenn sie noch kaum in der Vestibularhöhle erkennbar waren, in je drei Lappen getheilt. So sind 15 Hydrocöltentakel gebildet, welche rasch zu cylin- drischen Fortsätzen heranwachsen und von der Vestibularbasis einen ectodermalen Ueberzug erhalten. Mit der Wanderung des Vesti- bulums hat sich der Hydrocölring fast vollständig senkrecht zur Haupt- axe gestellt; er ist beträchtlich weiter geworden, bleibt aber enger als der vordere Vestibularrand, so dass die Tentakel sich kranzförmig innerhalb des letztern erheben. Einen Querschnitt durch die 15 Tentakel eines derartigen Sta- diums sieht man in Fig. 135 abgebildet. Die Larve war 52 Stunden alt und noch nicht so weit entwickelt wie die in Fig. 110 gezeich- nete, da die Anlage der 10 interradialen Tentakel noch nicht zu be- merken war. Die Anordnung der Tentakel in 5 Gruppen zu je 3 entspricht dem radiären Bau. Die 5 mittlern liegen genau in den Radien I—V und mehr nach auswärts als die andern, da an diesen Stellen die Ecken des Pentagons vorspringen. Die Interradien trennen die 5 Gruppen von einander ab. Die Insertionsstellen aller 15 Ten- takel liegen noch nicht genau in einer Ebene, und daher sieht man die letztern in verschiedener Höhe durchschnitten. Im besondern fällt auf, dass der im Radius III gelegene Tentakel nur noch die äusserste Spitze zeigt, und ähnlich sein Nachbar zur linken, in welchem nur der Ectodermüberzug, aber nicht mehr der Hydrocölcanal getroffen ist. Wohl in Folge des Einflusses der Reagentien und dem natürlichen Zustande nicht entsprechend sieht man in zahlreichen Tentakeln zwischen Hydrocöl und Ectodermbekleidung Lückenräume. Das Ten- takelectoderm besteht durchweg aus ansehnlich hohen Cylinderzellen Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 283 und ist einschichtig. An der Innenseite ist es etwas höher, und man sieht oft die Kerne in anscheinend mehrschichtigen Lagen, da sie in verschiedenen Höhen der Zellen liegen. Weiter nach der Tentakelwurzel zu (Fig. 136) erscheint das Ecto- derm auf der Innenseite von je 3 Tentakeln verschmolzen, auf der äussern aber noch wohl abgegrenzt. Auf noch weiter nach vorn zu seführten Schnitten (Fig. 137) trifft man dann nur noch die Basal- wand, welche sich in den Oesophagus fortsetzt. Im Radius III ist noch die Wurzel einer Tentakelgruppe durchschnitten, deren Insertion nicht in die gleiche Ebene fällt wie die der andern. Der Oesophagus selbst (Fig. 146) besteht in nur wenig ältern Larven aus langen, fast stäbchenförmigen Zellen, die meist den Kern in der Nähe ihrer Mitte führen. 5) Ich beschliesse die Darstellung der Vestibularentwicklung in diesem Capitel mit einem Stadium, welches Fig. 110 darstellt. Die Zahl der Tentakel ist auf 25 gestiegen, nachdem zwischen jeder Gruppe zwei interradiale sich gebildet haben. Dieselben sind bedeutend kürzer als die andern und stellen zunächst warzenförmige, dann zapfenförmige Erhebungen dar. Je zwei benachbarte Interradialtentakel sind an ihrer Basis durch eine kammförmige Erhebung der Vestibularwand, der sie aufsitzen, verbunden. Fig. 138 zeigt auf jeder Seite einen Interradial- tentakel im Längsschnitte. Abgesehen von der geringern Grösse findet man den nämlichen zweischichtigen Bau wie in den andern Tentakeln. Die Insertionsstellen sind aber andere: sie liegen zwar auch auf dem Hydrocölringe, aber mehr nach innen zu, so dass die Tentakel in einem kleinern Kreise angeordnet erscheinen. Bevor noch der Durchbruch des Vestibulums nach aussen erfolgt ist, erlangen in ihm die Tentakel eine ansehnliche Länge. Zu einer geraden Entfaltung im Raume beengt, schlagen sich die Enden nach innen zu ein. Auf den Querschnitten durch den Kelch trifft man sie deshalb streckenweise schräg oder auch der Länge nach durch- schnitten (Fig. 144). Aus der Vergleichung mit Fig. 135 ergiebt sich, dass die Längsstreckung der Tentakel zum Theil auf Kosten ihres Umfanges, der ein geringerer geworden ist, erfolgte. Das abgeschnürte, am hintern Körperende liegende Vestibulum hat zuerst GörTE als einen besondern Raum erkannt und als „oralen Vorraum“. bezeichnet. Die Entstehung desselben hat er aber nicht richtig beobachtet, denn er leitet ihn vom linken Cölomsacke ab. Da 284 OSWALD SEELIGER, er die wirkliche Vestibulareinstülpung als Gastrulaeinstülpung gedeutet hatte, konnte er ihre Umbildung zum „oralen Vorraum“ nicht er- kennen. Er legt daher diesem die ursprüngliche Bedeutung einer ge- schlossenen Leibeshöhle bei, die innen von einem echten Visceralblatt begrenzt sei. Die Bildung der Tentakel im Vestibulum hat GÖTTE richtig dargestellt, und es ist nur eine strenge Folgerung aus seinen Voraussetzungen, wenn er die äussere Tentakelbekleidung — die in Wirklichkeit ectodermal ist — als mesodermal in Anspruch nimmt und hinzufügt ‚nun übernimmt das Visceralblatt, also ein Erzeugniss des Entoderms, an der Oberfläche jener Organe die Rolle der Ober- haut“. Dass dieses Ergebniss zu allen entwicklungsgeschichtlichen Thatsachen in seltsamem Widerspruch stand, ist natürlich GöTTE nicht entgangen und er erklärt selbst, „ich muss gestehen, dass dieses Resultat mich Anfangs wenig befriedigte“. Es konnte ihm aber nicht gelingen, den wirklichen Vorgang aufzudecken, da er die jüngern Stadien bereits falsch gedeutet hatte. Nirgends erscheint in GÖTTE’s Abbildungen das Vestibulum von dem histologisch ganz verschiedenen Cölomepithel scharf und deutlich abgegrenzt; von Zellstructuren, Kernen oder irgend welchen histologischen Details ist nichts zu sehen, und es fehlen denn auch in der Beschreibung darüber jegliche An- gaben. Ein weiterer Gegensatz zu meinen Befunden liegt darin, dass GOrre den Oesophagus vom Darme ableitet und ihn in die Basis des Vestibulums durchbrechen lässt. PERRIER, der die jüngsten festsitzenden Stadien nicht untersucht hat, sieht das Vestibulum bereits als einen allseitig abgeschlossenen Sack und schliesst sich bezüglich der Genese desselben GÔTTE’s An- gaben an, trotzdem bereits BARROIS in einer kurzen Mittheilung den ectodermalen Ursprung behauptet hatte. In seinen jüngsten Stadien zeichnet er die Aussenwand des Vestibulums, die er als Parietalblatt bezeichnet, von so mächtiger Dicke, dass sie bedeutend umfangreicher erscheint als die Basalwand, die er Visceralblatt nennt. Ich kann aber seine beiden ersten Abbildungen nur wenig naturgetreu finden. Was in der Zeichnung von histologischen Einzelheiten zu sehen ist, verräth einen höchst mangelhaften Conservirungsgrad der Larven. Zudem hat Perrier vorzugsweise dickere Schnitte von '/,y)—1*];9 mm Dicke zur Untersuchung benutzt und empfiehlt sie als besonders vortheilhaft und geeigneter als die feinern. Nach meinen Erfahrungen verhält es sich gerade umgekehrt. Man wird, von den Stadien angefangen, welche PERRIER untersucht hat, bei der ausserordentlichen Kleinheit fast aller histologischen Elemente nicht auskommen können, ohne Schnittserien Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 285 von 1/,,, oder !/,,. mm Dicke anzufertigen. Was die dicken Schnitte zeigen, wird man im Wesentlichen auch an optischen Durchschnitten durch gute Totalpräparate sehen können. Gerade die zwei ersten Figuren Perrter’s scheinen mir nach solch dicken Schnitten entworfen zu sein, denn sie zeigen Schichten neben einander in eine Figur ein- getragen, welche augenscheinlich über einander liegen müssen. So ist ihm denn auch völlig entgangen, dass zwischen Vestibulum und rechtem Cölomsacke das orale Cölom als ein besonderer Raum auf allen Längsschnitten zu erkennen ist. Die Aussenwand des Vestibu- lums lässt er frühzeitig mit dem Mesenchym verschmelzen; wie ich aber oben auseinander gesetzt habe, ist in jüngeren festsitzenden Stadien ein gesondertes Plattenepithel deutlich nachweisbar. Es ist das Verdienst Barrors’, die wahre Entstehung des Vesti- bulums erkannt zu haben, und meine Befunde stimmen vollständig mit seinen überein. Nur bezüglich des feinern histologischen Baues bin ich weiter gekommen als er. Ebenso ist es mir gelungen, sehr frühzeitig im Vestibulum den radiären Bau festzustellen und die einzelnen Radien mit Sicherheit auf die verschiedenen Regionen der bilateralen Larve zurückzuführen. BArroıs begnügt sich mit der ganz richtigen Angabe, dass das abgeschnürte Vestibulum an die Hinterseite der Larve rücke, in die Region, in welcher in den ersten Embryonal- stadien der Blastoporus liege. Bury hat die Angaben BArroıs’ über die Umbildung der ventralen Einstülpung zum Vestibularsacke bestätigt. Von mehreren seiner Be- funde weiche ich aber nicht unerheblich ab, und ich glaube, dass es ihm ebenso wie manchem seiner Vorgänger begegnet ist, nicht völlig normale Larven untersucht zu haben. Wenn er beschreibt, dass die tiefe rinnenförmige Einstülpung der Vestibularanlage bald nach der Festsetzung der freischwimmenden Larve sich abflache und in dem der Zellgrenzen entbehrenden Plasma zahlreiche Phagocyten auftreten, dass ferner durch „Histolyse“ die histologischen Differenzirungen der meisten Gewebe verloren gingen, so wird man in meiner Darstellung gefunden haben, dass ich die Vorgänge doch wesentlich anders angetroffen habe. Ich erwähnte bereits oben, dass ich die im Vestibulum auftretenden stark färbbaren Körperchen nicht für Phagocyten halten kann; ich wüsste auch nicht, welche Bedeutung solchen Gebilden hier zukommen sollte. Selbst angenommen, sie zerstörten das Plasma der Basalwand des Vestibulums, so trifft man in dieser doch stets der Innenseite nahe die völlig unveränderten Kerne, und dass diese letztern oder deren Abkömmlinge in spätern Stadien allein im Plasma zu finden sind, ist 286 OSWALD SEELIGER, mir zweifellos geworden. So wie man gar nicht selten die festgesetzten Bryozoenlarven durch eingedrungene Parasiten zerstört sieht, kann man ähnliche Vorgänge auch bei den Comatulalarven beobachten, und eine Verwechselung mit „Phagocyten“ ist dann immerhin leicht möglich. Damit will ich aber gegen Bury nicht {den Vorwurf erhoben haben, dass ihm das begegnet sei. Seine Abbildungen fig. 25, 23 u. 29 auf tab. 45 aber, welche die von ihm behaupteten Vorgänge der Histolysis illustriren sollen, kann ich für wohlconservirte, normal entwickelte Larven keineswegs als zutrefiend erachten. Ich habe niemals, wie es da zu sehen ist, die Hydrocölwände ohne Grenzen in das Vestibulum und den Darmcanal übergehen sehen oder den Darmcanal vom Mesen- chym nicht abzugrenzen vermocht. Um auf das Vestibulum im Be- sondern hinzuweisen, habe ich es nie in der Form und Ausdehnung angetroffen, wie es Bury’s fig. 25 darstellt, und gerade diese Ab- bildung scheint mir auf eine mangelhafte Conservirung hinzudeuten. Gegen den spätern Kelchabschnitt zu sieht man in ihr das flache Vestibulum in der Höhe des Vorderendes des Hydrocölringes mit nicht besonders scharfen Grenzen abschliessen, während von da an zwischen ectodermalem Hautepithel und Wassergefäss eine äusserst mächtige Mesenchymschicht erscheint. Eine solche habe ich nun niemals ge- sehen, statt ihrer aber jederzeit in den gleichalten Stadien die bereits abgeschnürte Fortsetzung der Vestibulareinstülpung, wie ich es etwa in Fig. 114 oder auch für frei schwimmende Larven in Fig. 92 ge- zeichnet habe. Danach bin ich geneigt anzunehmen, dass Bury ent- weder ein mangelhaft conservirtes oder vielleicht auch bereits defor- mirtes Thier untersucht habe, in welchem der hinterste Vestibularab- schnitt sich nicht unterscheiden liess. Mir sind bei der Untersuchung sehr zahlreicher Larven einige zu Gesicht gekommen, in welchen ab- normaler Weise das Vestibulum im Stielabschnitte, ähnlich wie es Bury’s Abbildungen zeigen, als verdickte, abgeflachte Schicht ange- troffen wurde, während es in der Region der Eingeweide — was in Bury’s Larven nicht der Fall ist — als deutlich abgegrenzter Sack nachweisbar war, der bis auf die geringere Grösse einem in normaler Weise abgeschnürten Vestibulum glich. Ob solche Larven, die aus einer Fig. 114 ähnlichen hervorgegangen sein mögen, zu weiterer Entwicklung fähig sind, weiss ich nicht, da ich sie nur in conservirtem Zustande gesehen habe. Sollte es der Fall sein, so kann ich mir nur vorstellen, dass der vordere Theil der Vestibularplatte im Stielab- schnitte verbleibe, um allmählich der übrigen ectodermalen Hautschicht ähnlich zu werden, dass dagegen das definitive Vestibulum einzig aus dem Hintertheile der Einstülpung hervorgehe. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 287 II. Der Verdauungseanal. Bald nach der Festsetzung erscheint die Darmanlage ballonartig erweitert, gegen das Hydrocöl zu ein wenig abgeflacht und an der oben erwähnten Stelle mit dem Vestibulum verwachsen. Bereits in den älteren, noch frei schwimmenden Larven sieht man ungefähr in der Mitte der abgeflachten Wand einzelne Entodermzellen aus dem Epithelverbande sich lösen und in das Darmlumen eintreten. Gewöhn- lich aber vollzieht sich dieser Vorgang in umfangreicherem Maasse erst in den festgesetzten Larven. Die eingewanderten Zellen ver- mehren sich in der Nährsäfte enthaltenden Darmhöhle überaus rasch und werden dabei immer kleiner. Fig. 118 zeigt einen Längsschnitt durch einen stark compri- mirten Darm, in dessen Lumen ungefähr 20 Zellen eingewandert sind, während andere nachzufolgen im Begriffe sind. Nur in diesem ersten Stadium habe ich vereinzelte indirecte Kerntheilungen deutlich erkennen können. Bei der ausserordentlichen Kleinheit der Elemente in vorgeschritteneren Stadien vermochte ich mit meinen Systemen die Theilungen nicht mehr zu verfolgen. In Fig. 114 sieht man bereits den grössten Theil der Darmhöhle mit Zellen erfüllt, nur an die Dorsalwand, von welcher ich niemals Zellen austreten sah, sind sie noch nicht herangelangt. Die beiden Querschnitte Fig. 115 und 116 zeigen den Darm vollständig erfüllt, die Darmwand selbst ohne deutliche Zellgrenzen und nach innen zu in continuirlichem Uebergange in die dotterartige Innenmasse. Dagegen sieht man in der Randzone die alten, meist sehr chromatinarmen Kerne im Stadium der Ruhe. Sie unterscheiden sich durch bedeu- tendere Grösse, durch eine Membran und die stets runde Gestalt sehr deutlich von den Elementen der Innenmasse, welche äusserst klein, stark färbbar und) aus den Kernen der ursprünglich eingewauderten Zellen abzuleiten sind. Ich stelle mir vor, dass bei den fortgesetzten Theilungen der letztern die chromatische Substanz zerstückelt und in unregelmässiger Weise vertheilt wird. Da die gesammte Innenmasse des Darmes weiterhin sicher nicht zu irgend einem Gewebe sich aus- bildet, sondern ausschliesslich als Nährmaterial verwendet wird, hat diese Annahme nichts Unwahrscheinliches. In diesem extremen Fall, auf welchen ich hier hingewiesen habe, sind im Darminhalte keine Zell- grenzen mehr zu erkennen, und ohne Kenntniss der vorhergehenden Stadien könnte man denselben sehr leicht, wie dies den ältera Autoren 288 OSWALD SEELIGER, in der That begegnet ist, schlechtweg als Dottermasse in Anspruch nehmen. Neben den Gebilden, welche ich als Kernfragmente auffasse, habe ich andere grössere gesehen, welche ebeufalls stark färbbare Einschlüsse zeigten. Ich glaube, dass sie im Gegensatze zu den erstern als Producte des Plasmas selbst betrachtet werden dürfen, muss mich aber in Ermanglung weiterer Beobachtungen auf diese Andeutung be- schränken. Später verschwinden diese Elemente ebenso wie die Kern- fragmente. Bis zu einer gänzlichen Verschmelzung zu einer dotterartigen Innenmasse braucht es aber nicht immer zu kommen, sondern in vielen Fällen, vermuthlich dann, wenn nur wenige Entodermzellen aus- wanderten, sieht man die meisten ihrer Theilstücke stets getrennt und uur eine beschränktere Zahl zu einer Art Syncytium verschmolzen. Das weitere Schicksal ist aber in allen Fällen das gleiche: völlige Resorption durch die Darmwandung. In einigen Abbildungen der Tafel 19, die ich hier besonders zu bezeichnen nicht erst nöthig habe, sieht man die Innenmasse noch nicht gebildet. Das einschichtige Darmepithel zeigt nach innen zu protoplasmatische, pseudopodienartige Fortsätze, denen ganz vereinzelt Zellen anlagern. Ich kann nur annehmen, dass in diesen Fällen die Einwanderung von Entodermzellen abnormaler Weise in ein späteres Stadium verschoben erscheine. Im Übrigen sind die Larven durchaus normal gebildet und machen den Eindruck, dass sie zu weiterer Ent- wicklung sehr wohl geeignet seieu ; nur fiel das in Fig. 130 abgebildete 60 stiindige Thier seiner ausserordentlichen Kleinheit wegen auf. Dass das Auswandern von Entodermzellen überhaupt unterbleiben könne, ist kaum anzunehmen; ich habe wenigstens keine einzige wohl ent- wickelte Larve auf dem etwa in Fig. 110, Taf. 18 abgebildeten Stadium angetroffen, deren Darmcanal von jenen frei gewesen wäre. Um dies zu begründen, verweise ich nur auf die Figuren 127, 131, Taf. 19 und die zahlreichen Schnitte durch den Darm, die auf Taf. 20 zu sehen sind. In diesen ältern Larven sieht man ausnahmslos wieder die Darm- wand von der Innenmasse schärfer abgegrenzt. An vielen Stellen sind wiederum die Zellgrenzen aufgetreten, und die Darmwand er- scheint als ein Cylinderepithel, dessen Kerne den äussern Zellenden nahe liegen. Bei stärkern Vergrésserungen erkennt man in feinen Schnitten (Fig. 131, Taf. 19, Fig. 151, Taf. 20), dass ein Theil der Elemente der Innenmasse von den Darmzellen aufgenommen worden ist, ein anderer gerade im Begriff ist, resorbirt zu werden. Mit voller Deutlichkeit kann man die Identität der das Lumen erfüllenden Re er ee ee ee re eS ae ie = + Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 289 Elemente und der bereits im Darmepithel befindlichen feststellen. In diesem letztern dringen sie bis in die äussern Zellenden zwischen die Kerne vor, sich dabei allmählich verändernd, so dass dort füglich nur chromatische Körner angetroffen werden, die endlich eben- falls schwinden. Von den Kernen des Darmepithels sind sie scharf zu unterscheiden, denn diese zeigen alle Merkmale von ruhenden Kernen. Nur in der allerersten Zeit der Festsetzung erscheint die ge- sammte Darmanlage in der kugelähnlichen Form. Sehr bald krümmt sich die früher schon abgeflachte Bauchseite concav (Fig. 120, 127) und zwar in der Weise, dass die Hauptmasse des Darms auf der ursprünglich linken Seite, nahe den Radien I und II liegen bleibt, während ein kleinerer Theil, hornförmig an jenen sich ansetzend, die rechte Seite einnimmt und rechts ventral, zwischen den Radien IV und V mit seinem blinden Ende abschliesst. Die Verbindung mit dem Vestibulum erfolgt durch den Oesophagus auf der linken Seite ventral, zwischen den Radien I und V, und ich habe schon bei der Beschreibung von dessen Entstehung im vorhergehenden Abschnitte auseinandergesetzt, dass er sich weit nach vorn zu erstreckt und den Eingang in den entodermalen Verdauungscanal dorthin verschiebt. Der Gegensatz zwischen jenen beiden Entodermabschnitten prägt sich weiterhin immer schärfer aus. Der links und dorsal gelegene erhält wieder kugelähnliche Form und stellt den Magen dar, während der andere, an diesen mit breiter Basis sich ansetzend, zu einer horizontal verlaufenden, nach dem blinden Ende sich verjüngenden Röhre wird, die den Hinterdarm bildet (Fig. 110). Der letztere dehnt sich rasch, von rechts nach links zu wachsend, auf die Bauchseite aus und hat um die hundertste Stunde den Radius V ungefähr erreicht. Wie die Längsschnitte (Fig. 138—142) lehren, verläuft der Darm an der Grenze von ursprünglich linkem (oralem) und rechtem (aboralem) Cölom in dem nunmehr horizontal gelagerten Mesenterium in der Art, dass er nur mit der hintern Kante an das orale Cölom grenzt, im Uebrigen aber in das aborale hineingehängt und von diesem seitlich und vorn umschlossen erscheint. Bis in das blinde Ende hinein ist der Darm noch lange Zeit mit der allmählich zur Resorption gelangen- den Innenmasse erfüllt. Die den Darm erfüllende Zellenmasse hat bereits GÖTTE beobachtet: „Während nun die völlig abgeschlossene Darmhöhle sich erweitert, Zool. Jahrb, VI. Abth. f, Morph. 19 290 OSWALD SEELIGER, füllt sie sich mit einer zuerst ganz feinkörnigen, später noch mit etwas grübern Körnern durchsetzten Masse, welche erst spät schwindet, nach- dem nicht nur der Mund sich gebildet, sondern auch der orale Vor- raum sich nach aussen eröffnet hat. Nach ihrer äussern Erscheinung lässt sich diese Masse wahrscheinlich einem Nahrungsdotter vergleichen und entsteht wohl auch so wie die Dotterrinde in dem flüssigen Nahrungsdotter der Sänger durch eine Art von Niederschlag“ (31, p. 593). Da GÔTTE das Austreten der Zellen des Darmepithels in das Lumen nicht gesehen hat, ist seine Auffassung über die Herkunft der fraglichen Masse unhaltbar geworden. Ferner stimme ich mit ihm darin nicht überein, dass der Oesophagus entodermal sei, und dass der After schon dann zum Durchbruch gelange, wenn der Kelch noch ge- schlossen sei. Es ist aber vollkommen zutreffend, wenn er angiebt, dass der After an der ursprünglichen Bauchseite der Larve gebildet werde; nur geschieht dies nicht, wie er meint, in der Medianebene, sondern ein wenig links von dieser. PERRIER bezeichnet den Inhalt der Darmhöhle als „granulöse Masse“ (70, p. 122), ohne sich über ihre Herkunft zu äussern. In seinen Abbildungen sieht man die Darmwand als dünnes, einschichtiges Pflaster- oder cubisches Epithel von der Innenmasse durch einen schmalen Zwischenraum getrennt. Zutreffend beschreibt er dagegen die spiralförmige Drehung der Darmanlage und ihre Sonderung in Magen und Hinterdarm. Nach Barrors ist das Lumen des Darmes mit einer körnigen, in Carmin sich färbenden Masse erfüllt, während seine Wandung sehr dünn wird. Darmwand und Inhalt sind nach ihm ,,Theilproducte“ des embryonalen Entoderms, und der letztere diene später wieder zur Ver- grösserung der Wandschicht. Wenn Barroıs weiter angiebt, dass auch ausserhalb des Darmes in der primären Leibeshöhle ähnliche Dotter- massen besonders über dem Wassergefässringe sich finden, die wohl als Hernien der im Darme befindlichen aufzufassen seien, so muss ich dem gegenüber bemerken, dass ich nichts derartiges gesehen habe und auch nicht weiss, was ihn zu seinen Angaben veranlasst haben könnte. So wie PERRIER rechnet er ganz richtig den Oesophagus dem Ectoderm zu und schliesst sich auch dessen Darstellung von der Sonderung in Magen und hintern Darmabschnitt an. Nur Bury hat in richtiger Weise die Entstehung der Innenmasse aus eingewanderten Zellen des Darmes beschrieben, freilich über histo- logische Einzelheiten des Vorganges nichts berichtet. Dagegen kann ich seine Abbildungen nicht für zutreffend erachten. Ich habe niemals Zr ic CEE de Tr à ter TRE ae be TE Poe à Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 291 zwischen Darm- und Hydrocülwand eine Grenze vermisst, wie es in mehreren seiner Abbildungen dargestellt ist, oder bemerken können, wie seine fig. 29 zeigt, dass an irgend einer Stelle die Darmwand vollständig aufgelöst gewesen wäre und die Hydrocölwand direct das Darmlumen begrenzt hätte. Ill. Das Cölom und seine Derivate (Axialorgan und sekammertes Organ). Die Veränderungen, welche die beiden Cölomtaschen eingehen, gipfeln in Lageveränderungen. Sie werden bestimmt durch das Vor- schreiten der Vestibularbildung und das Hineinrücken des abgeschnürten Vestibulums in das Hinterende der Larve. Die Drehung des beide Cölomtheile trennenden Mesenteriums erfolgt in demselben Sinne wie die des Vestibularbodens, so dass es aus der verticalen Richtung in eine horizontale, zur Hauptaxe ziemlich genau senkrechte übergeht. 1) Der in Fig. 114, Taf. 9, abgebildete Längsschnitt zeigt die Cölomsäcke noch wenig verändert. Das Mesenterium hat hufeisen- förmige Gestalt und verläuft mit seinen beiden Schenkeln von der hintern Dorsalseite des Darmes an schräg nach vorn und ventral zu, fast parallel zum Vestibularboden. Beide Schenkel sind, wie es schon in der freischwimmenden Larve der Fall war, nicht ganz gleichartig. In Fig. 115 sieht man auf einem Querschnitte, der in der Höhe des Vorderendes des Hydrocöls geführt wurde, auch nach völliger Ab- schnürung des Vestibulums noch die ähnlichen Lagebeziehungen. Nur fällt die beträchtlichere Ausdehnung des rechten Cöloms auf, welches auf der rechten Seite den vordern Zipfel des linken von aussen ganz überdeckt und bis zum Vestibulum sich erstreckt. Auch linksseitig sieht man es ventralwärts sich ausbreiten, aber daselbst zwischen den Darm und den Zipfel des linken Cöloms sich einschiebend. Dieser letztere dringt medianwärts vor, um zwischen Hydrocöl und Darm sich einzukeilen. Der rechte Schenkel des linken Cöloms da- gegen erstreckt sich auf der Bauchseite beträchtlich weiter gegen die Medianebene zu als der linke, wodurch bereits angedeutet ist, was später besonders auffällt, dass die Oeffnung des Hufeisens nicht median im Radius V, sondern nach links zu verschoben liegt. 2) Während das Mesenterium allmählich eine horizontale Stellung erlangt, gewinnen die letzterwähnten Processe immer mehr Bedeutung. Die in Fig. 124—126 abgebildeten, parallel zur Medianebene geführten Schnitte illustriren das. Der der Medianebene nahe liegende Schnitt 19* 209 OSWALD SEELIGER, (Fig. 125) zeigt nur dorsal hinten das linke Cölom durchschnitten; Hydrocöl und Darmwand haben sich von einander entfernt, und das Cülom hat sich in diesen Raum bis zur Verwachsungsstelle von Vesti- bulum und Darm vorgeschoben. Die seitlich rechts (Fig. 124) und links (Fig. 126) geführten Schnitte treffen die ursprünglichen Schenkel des linken Cöloms ihrer Länge nach und zeigen, dass beide vollständig zwischen Darm und Wassergefäss liegen. Die Hufeisenform ist also in eine mehr scheibenartige übergegangen ; da, wo früher die Schenkel sich öffneten, besitzt die Scheibe einen Ausschnitt, in welchem das Horizontalstück des Parietalcanals, der Steincanal und der Oesophagus liegen. Ausgeprägter noch erscheint die Scheibenform des linken Cüloms in den Längsschnitten Fig. 129 und 130. In den Stadien, welche in Fig. 138—142 abgebildet sind, ist die Horizontalstellung vollständig erreicht, und das linke Cölom, welches nunmehr in über- einstimmender Weise von allen Autoren orales“ genannt wird, um- giebt den Oesophagus wie ein Dia- phragma, das auf der Ventralseite einen Ausschnitt zeigt. Es scheint mir aber nicht zutreffend, diese Stelle, wie Bury es thut, auf diesem Sta- dium bereits als verticales Mesen- terium des oralen Cöloms zu be- zeichnen. Ich werde sofort darauf zurückkommen müssen, dass das Oral- cölom nicht mehr einen vollkommen abgeschlossenen Raum darstellt, son- dern bereits mit dem rechten Cölom- Fig. E. Querschnitt durch die Region des oralen Cöloms einer 108- stündigen, festgesetzten Larve, Vergr. 120. le linkes (orales) Cölom, oe Oesophagus, st Steincanal, pk Parietal- canal, J, II, III, IV, V die fünf .Ra- dien. sack in Verbindung getreten ist. Der nebenstehende Holzschnitt Fig. E zeigt in halbschematischer Weise den Ver- lauf des oralen Cöloms in einem Quer- schnitte durch den Kelchabschnitt einer festgesetzten Larve und dient zur weitern Erläuterung der eben beschriebenen Verhältnisse. In histologischer Beziehung ist über das orale Cölom nur wenig zu berichten. Während aller erwähnten Vorgänge ist die Wandung durchaus einschichtig; im Zusammenhange mit der grössern Aus- dehnung, welche sie allmählich erreicht hat, flacht sie sich zu einem äusserst feinen Plattenepithel ab, das aber jederzeit an allen Stellen als eine gesonderte Schicht sich nachweisen lässt, besonders deutlich da, wo in Folge von Schrumpfungen zwischen ihm und dem Mesen- + Se ft“! Eh HA Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 293 chym Spalträume auftreten (Fig. 125). Ich betone dies nur besonders, weil PERRIER die Selbständigkeit der Cölomwandungen bestreitet und sie mit dem Mesenchym verschmelzen lässt. An der das Mesenterium bildenden Kante sind die Zellen besonders in jüngern Stadien etwas höher und plasmareicher, und stellenweise zeigt sich da ein vollstän- diges Cylinderepithel. Weit verwickelter erweisen sich die Veränderungen im rechten Célomsacke. a) Bei Besprechung des in Fig. 115 abgebildeten Querschnittes habe ich bereits sein Vorwachsen nach der Bauchseite zu erwähnt. Weiter nach vorn zu (Fig. 116), wohin die Zipfel des linken Cöloms nicht mehr reichen, ist er auf der rechten Seite bis fast zur Median- ebene vorgedrungen und auf der linken nur durch einen Ast des Parietalcanals von derselben getrennt. Das vorderste Ende des Sackes endlich, von welchem das gekammerte Organ entspringt, zeigt auf dem Durchschnitt die eigenthümliche, in Fig. 117 abgebildete Hufeisen- form, welche man leicht versteht, wenn man den lateralen Längsschnitt Fig. 119 beachtet. Sie kommt zu Stande durch eine tiefe, von der Bauchseite zwischen Radius IV und V ausgehende Falte, die dorsal- wärts und ein wenig nach links gerichtet ist. Es entspricht diese Stelle genau derjenigen, an welcher wir bereits in der frei schwimmen- den Larve zwei Divertikel des rechten Cöloms auftreten sahen, deren mediane Scheidewände zu einem vertical verlaufenden Mesenterium verbunden blieben; nur ist sie bei der Drehung der Eingeweide ein wenig ventralwärts vorgerückt. In diesem Verticalseptum sind die Zellen namentlich auf der linken Seite erheblich dicker als an den andern Stellen, wo sie fast durchweg feine Plattenformen zeigen. Fig. 121 stellt eine Flächenansicht dar von einem Stück der Aussen- wand, das nahe dem Vorderende gelegen ist, wo beide Zellformen all- mählich in einander übergehen. Die mässig grossen Zellen sind deut- lich von einander abgegrenzt, erscheinen meist fünfeckig und besitzen einen centralen grossen Kern. Von einer Verschmelzung der Wan- dungen mit dem Mesenchym ist also auch hier keine Spur vorhanden. Das gekammerte Organ ist nicht wesentlich verändert. Zwischen den Ausstülpungen 1 und 5 liegt die tiefe Furche resp. das Vorderende des Verticalmesenteriums. Auf geeigneten medianen (Fig. 114) oder lateralen (Fig. 119) Längsschnitten kann immer noch der Zusammenhang der einen oder andern Kammer mit dem Cölom nach- gewiesen werden. In manchen Individuen sind allerdings vorüber- gehend die Wandungen durch die umgebenden Mesenchymzellen fest 994 OSWALD SEELIGER, aneinandergepresst, so dass kein Lumen nachweisbar ist. Nach wie vor ziehen sich die vordersten Enden strangartig bis zur Fussplatte aus, die Kreisausschnitte aller Kalkplatten des Stieles durchsetzend. Zellgrenzen habe ich in diesen Strängen nicht mehr erkennen können; die ziemlich stark färbbaren Kerne sind in der Verlaufsrichtung der Stränge längsgestreckt. b) Wenn mit der Wanderung des Vestibulums Hydrocöl und linkes Cölom immer mehr horizontale Stellung gewinnen, wird auch der Parietalcanal auf der Bauchseite nach hinten geschoben und be- grenzt dann nicht mehr die Bauchwand des Darms, sondern des Oesophagus. Dafür breitet sich das rechte Cölom über die Ventral- seite des Darms aus, sowohl von den Seiten her als auch von vorn nach hinten zu sich vorschiebend, und dabei verlängert sich das im frühern Stadium bereits angelegte Verticalmesenterium immer mehr nach hinten zu. Diesen Vorgang erkennt man am besten auf den Querschnitten, deren einen Fig. 120 zeigt. Die beiden blinden Enden sind von rechts und links her über die Medianebene hinaus gewachsen» ohne auf der Bauchseite zunächst mit einander zu verschmelzen. Der rechte Zipfel legt sich dabei über den linken, welch letzterer dem Darme dicht angeschmiegt bleibt. Auf diese Weise ist im Verlaufe des rechten Cöloms das verticale Mesenterium (mv) entstanden, das man auch auf spätern Stadien (Fig. 127) noch nachweisen kann, und das ventral, ein wenig rechts von der Medianebene zwischen den Radien IV und V liegt. Nach dem vordersten Ende zu nähert es sich ein wenig der Medianebene und geht direct in die Wandungen der Furche über, die ich oben bei der Beschreibung von Fig. 117 er- wähnt habe. Wie die Durchschnitte lehren, ist das Mesenterium hinten nicht in dorso-ventraler Richtung ausgespannt, sondern verläuft schräg, ziemlich parallel einer Linie, welche die äussern Enden der Radien IV und V verbindet. Im Einzelnen zeigen sich aber individuelle Ver- schiedenheiten sowohl bezüglich der Richtung als auch der Länge des Mesenteriums. Nach vorn zu wird es länger und stellt sich mehr parallel zur Medianebene, weil hier der rechte Zipfel den linken nicht mehr überdeckt. Ausserordentlich weit über die Medianebene hinaus nach links reicht das Mesenterium in der Larve, von welcher ein Schnitt in Fig. 134 abgebildet ist. Sein äusserstes Ende liegt hier dicht vor dem linken Endzipfel des oralen Cöloms, das sich ein wenig in die Falten des rechten hinein erstreckt. Auch die Längsschnitte Fig. 125, 129, 130 zeigen, wie das rechte Cülom an Ausdehnung gewonnen hat. Während dieser Vorgänge Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 295 bleibt aber die Stelle, an welcher das gekammerte Organ ent- springt, am Vorderende liegen und schiebt sich nur ein wenig ven- tralwärts vor. Die einzelnen Kammern sind meist sehr gut zu er- kennen; bei gleichzeitiger Verdünnung ihrer Wandungen hat das Lumen zugenommen. In der Regel sind an der Eingangsstelle zum Cölom die Ränder so fest aneinandergepresst, dass die Communication nicht deutlich wird. Fig. 129 zeigt überdies auf der Bauchseite den Durchschnitt durch das rechte Ende des oralen Cöloms, welches sich zipfelförmig in das Verticalmesenterium des rechten hinein erstreckt und auf diesem Stadium noch geschlossen ist. Erst später erfolgt hier die Verbindung zwischen beiden. Schon auf diesem Stadium der Cölomentwicklung bildet sich ein neues Organ, das als Dorsalorgan, drüsiges Organ (GREEFF), stolon génital (PERRIER), Axialorgan bezeichnet wurde, während es LupwiG in älteren Stadien als Herz in Anspruch nimmt. Ich habe nicht so weit entwickelte Stadien untersuchen können, um mich zu überzeugen, ob PERRIER’s Ansicht die richtige ist und wirklich die Geschlechtsorgane von diesem Organe entstehen. Obwohl ich die Zuver- lässigkeit seiner Angabe nicht bezweifle, ziehe ich doch vor, die Be- zeichnung Axialorgan hier anzuwenden, denn die Benennung Dorsal- organ halte ich für keine glückliche, weil das Gebilde zweifellos an der Ventralseite des Darms entsteht. Am Axialorgan sind zwei Ab- schnitte zu unterscheiden: einer im Kelchtheil der Larve und ein zweiter im Stiele. Das erste Auftreten habe ich nur im erstern untersucht. Das Axialorgan habe ich zuerst am äussersten Vorderende des Ver- ticalmesenteriums auftreten sehen. In 28-stündigen Larven ist es eine einfache Verdickung der linken Mesenterialwand unmittelbar hinter der Stelle, an welcher das gekammerte Organ austritt (Fig. 117). Die Verdickung ist noch nicht mehrschichtig, sondern besteht nur darin, dass die Epithelzellen besonders hoch sind. Man kann aber bereits Kerntheilungen beobachten, welche parallel zur Oberfläche des Epithels gerichtet sind und die spätere Mehrschichtigkeit dieser Region einleiten. Ein weiter vorgerücktes Stadium zeigt Fig. 96B auf Taf. 17. Dasselbe entstammt zwar einer noch freischwimmenden Larve, aber ich glaube, sie ohne weiteres bezüglich des Axialorganes als ein vorgeschritteneres Stadium in Anspruch nehmen zu dürfen, da sie 52 Stunden alt, also einen vollen Tag älter ist als die vorher besprochene festsitzende, und beide derselben Brut angehören. Als ich im vorigen 296 OSWALD SEELIGER, Capitel auf diese Figur verwies, habe ich nicht darauf aufmerksam gemacht, dass die linke Wand des Verticalmesenteriums verdickt und bereits zweischichtig geworden ist. Axialwärts sieht man eine kleine Zellengruppe sich vorschieben und zwischen den Ursprungsstellen der beiden ventralen Röhren (g, und g,) des gekammerten Organs vor- dringen. Dies ist das vorderste Ende des Axialorgans, denn in weiter nach vorn zu geführten Schnitten (Fig. 96 A) habe ich es nicht mehr zwischen dem gekammerten Organe nachweisen können. Später sah ich weiter hinten im Kelch ausnahmslos das Axialorgan nahe dem Verticalmesenterium in dem linken Zipfel des rechten Cöloms liegen. Es zeigte sich da zunächst als eine in das Cölom vorspringende Verdickung der Mesenterialwand selbst (Fig. 120). Nur auf 4 Schnitten dieser Serie konnte ich sie nachweisen, und in allen glichen die Kerne vollständig denen in der übrigen Cölomwand. Als einen längern, auf 8 Schnitten nachweisbaren Wulst fand ich das Gebilde auf dem in Fig. 131 gezeichneten Stadium; auch jetzt noch liegt es ganz im Mesenterium. Vorn, gegen den Stiel zu, ist es nur an einer kleinen Stelle mit der linken Mesenterialwand verwachsen, auf den weiter nach hinten zu geführten Schnitten ist die Verbindung eine innigere, als es diese Abbildung zeigt. Die Kerne sind jetzt nicht alle gleichartig, denn einzelne sind grösser, bläschenförmig geworden und haben sich mit einer stärker verdichteten Plasmazone umgeben. Gegen das Hinterende zu verflacht allmählich die Verdickung in der linken Mesenterialwand, bevor sie noch die hintere Grenze der Cölomwand erreicht hat. Nach vorn zu, wo das Axialorgan zwischen den beiden Wandungen des Verticalmesenteriums unvollständig ge- sondert liegt, kann man es bis zur Kelchgrenze verfolgen. Da dort das Mesenterium auf dem Durchschnitt in Form einer dorsalwärts ge- richteten Falte erscheint (vgl. Fig. 117), so sieht man das Axialorgan in diese sich fortsetzen und zwischen dem gekammerten Organe g, und g, in den Stiel eintreten, wo ich es in den entkalkten Schnitt- präparaten nicht mehr deutlich zu unterscheiden vermochte. c) Nach vollendeter Drehung des Vestibulums und Horizontal- stellung des oralen Cöloms sind auch im rechten oder aboralen die Veränderungen zu einem vorläufigen Abschlusse gelangt. Auf der Bauchseite hat sich das letztere über den Magen und den hintern Darmabschnitt vollständig ausgebreitet und bedeckt auch den grössten Theil des Oesophagus. Namentlich zwischen Radius IV und V ist es weit nach hinten gewachsen und bedeckt da an einigen Stellen (Fig. 138) das linke Cölom von aussen, obwohl auch dieses in derselben fe nV BO Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 297 Region sich weiter nach hinten erstreckt als an den andern Stellen. Im Einzelnen wird aber die Form der Leibeshöhle durch die fort- schreitende Entwicklung des Darmcanals bestimmt, denn bei allen seinen Vergrösserungen bleibt er — mit Ausnahme der hintern Seite, an welcher das orale Cölom liegt — vom innern rechten Cölomepithel ganz überzogen. Wo in Folge einer mächtigen Innenmasse Magen und Darm besonders umfangreich aufgetrieben erscheinen, sieht man äusseres und inneres Cölomblatt fest aneinandergepresst und die Leibeshöhle selbst geschwunden. Namentlich auf der Rückenseite kann man das häufig beobachten, dagegen persistirt stets ein umfangreicherer Raum zwischen Magen und Darmschenkel, wo der ursprünglich linke Zipfel liegt. Dieses Stück des rechten Cöloms wächst selbständig nach hinten, so dass es auf Querschnitten als allseitig geschlossener Blind- sack erscheint. Wie ich bereits bei der Besprechung der Darment- wicklung erwähnt habe, liegt der hintere Darmabschnitt an der Grenze des oralen Cöloms im Verticalmesenterium, und so werden naturgemäss bei der Vergrösserung des Darmes die beiden Blätter des letztern im hintern Abschnitte auseinandergetrieben (Fig. 138, 139), um nur noch im vordern ihren alten Charakter zu bewahren (Fig. 141). Dazu kommt ferner, dass allmählich die Verbindungsstelle zwischen Darm und Magen in dorso-ventraler Richtung sich verengt, und es schiebt sich daher das in diesem Winkel gelegene Blindende des aboralen Céloms weiter gegen den Rücken zu (vergl. Fig. 127, Taf. 19, Fig. 146, Taf. 20). So bleibt der Darm trotz seiner bedeutenderen Länge allseitig vom Cölomepithel überzogen. Die Stelle zwischen Oesophagus, Magen und Mitteldarm ist auch insofern von Bedeutung, als hier, wie bereits Bury erwähnt hat, das Horizontalmesenterium schwindet und beide Cölomtheile in Verbindung treten. Es ist der rechte Ventralzipfel des oralen Cöloms, welcher in den linken des aboralen durchbricht; die Oeffnung zeigt sich zuerst am ventralen Ende nahe der Medianebene und schreitet dann dorsal- wärts nach rechts vor. Nach der Art, wie gewöhnlich Spalträume zwischen zwei aneinanderliegenden Epithelien zu Stande kommen, etwa wie die Kiemenspalten bei Tunicaten, erfolgt keine Resorption eines Theiles der Epithelien. Vielmehr tritt zunächst an einer Stelle eine vollkommne Verwachsung ein (Fig. 138), in deren Centrum zwischen den Zellen beider Blätter eine äusserst feine Lücke sich bildet. Diese erweitert sich rasch (Fig. 139), während in ihrem Umkreise die beiden Blätter verwachsen bleiben und in einander übergehen. Beträchtlich erweitert sieht man die Verbindungsstelle schon in Fig. 141, und es 298 OSWALD SEELIGER, lässt sich jetzt nicht mehr die Grenze zwischen beiden Leibeshöhlen bestimmen, da ihre Wandungen sich histologisch gleichartig verhalten, Dies wenigstens auf der äussern Seite, während auf einem beschränkten Gebiete der innern, zunächst wenigstens, die Ausdehnung des Axial- organes das rechte Cülom kennzeichnet. Ich verweise noch auf den in Fig. 150 abgebildeten lateralen Längsschnitt, der nahe der Bauch- wand senkrecht zum Radius I geführt ist und ebenfalls die Verbindungs- stelle zwischen beiden Cölomabschnitten zeigt. Die Stelle des Mesen- teriums, an welcher die Perforation erfolgt, verläuft übrigens nicht genau horizontal, sondern oft sehr schräg, je nach der individuellen Beschaffenheit des zipfelförmigen rechten Endes des oralen Cöloms, auf das ich schon oben bei Erwäh- nung der Fig. 129 hingewiesen habe. Um über den Verlauf des ab- oralen Cölomsackes und dessen Be- ziehung zum Darme und Parietal- canale keinen Zweifel bestehen zu lassen, habe ich zwei Holzschnitte bei- gefügt, welche in halbschematischer Weise zwei Querschnitte durch den Kelchabschnitt einer jungen gestielten Larve darstellen. Obwohl der ra- diäre Bau sich äusserlich noch nicht deutlich bemerklich macht, habe ich Fig. F. Querschnitt durch die Re- gion des aboralen Cöloms einer 108-stün- digen Larve. Sechs Schnitte von Fig. 5 entfernt. Vergr. 120/1. Fig. G. Querschnitt durch das Vor- derende des Darmes. Aus derselben Serie, sieben Schnitte weiter nach vorn zu. Vergr. 120/1. Dieselbe Buchstabenbezeichnung wie doch die Stellen der spätern Radien bereits bezeichnet. Das Axialorgan nimmt auf diesem Stadium die ganze Länge der Bauchseite der visceralen Wand des aboralen Cölomwand ein. Im vorder- sten Theile, dem gekammerten Organe in den Tafeln. : ; i nahe, liegt es als ein solider Zellen- strang im Vertikalmesenterium, ganz ähnlich wie wir es bereits in Fig. 131 angetroffen haben. Weiter nach hinten zu erscheint es aus demselben herausgerückt als eine faltenfürmige Verdickung der innern, dem Darm anliegenden Wand (Fig. 127, Taf. 19, Fig. 145, 146, Taf. 20). Gerade die Uebergangsstelle hat Bury in zwei Abbildungen (Fig. 36, 37) gezeichnet, so dass ich auf sie verweisen kann; auch die beiden ee ee mar. à ese Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 999 oben abgebildeten Holzschnitte erliutern den Verlauf des Axialorgans. Im hintersten Abschnitt trifft man die jüngern Entwicklungsstadien an, und erst weit später erfolgt auch hier eine vollständige Ab- schnürung. Ich habe diese Region besonders eingehend untersucht, weil die Schnitte durch das Vorderende nicht jeden Zweifel beseitigen konnten, ob nicht am Ende in der That, wie von manchen Seiten an- genommen wird, Mesenchymzellen das Axialorgan bilden. Schon die eben angeführten Abbildungen lassen diese Auffassung als hinfällig erscheinen. Bei stärkern Vergrösserungen (Fig. 152, 153) sieht man mit überzeugender Deutlichkeit, wie das flache Cölomepithel in die Leibeshöhle vorspringt, wie daselbst die Zeilen plasmareicher werden, die Kerne sich theilen, so dass ein mehrschichtiger Wulst entsteht. In dem letztern tritt sehr bald eine Differenzirung unter den Kernen auf, indem einige rasch an Grösse zunehmen und bläschenförmig werden. So zeigen sich bei einzelnen Larven schon frühzeitig im noch soliden Wulst einzelne ganz auffallend grosse bläschenförmige Kerne, welche ganz das Aussehen von Keimbläschen besitzen. Zudem um- geben sie sich mit: einer verdichteten Plasmazone, und ihr Zell- körper, der allerdings nicht überall scharf abgegrenzt ist, erscheint gegenüber den Nachbarzellen von so bedeutender Grösse, dass man den Eindruck von jungen Eizellen erhält (Fig. 151). Es ist immerhin möglich, dass dadurch schon auf diesem frühzeitigen Stadium die spätern Weibchen gekennzeichnet seien. In der zuletzt angezogenen Fig. 151 fällt die im Zellenwulst eingetretene Sonderung in eine peri- phere, die directe Fortsetzung des Cölomepithels darstellende Schicht und in einen centralen Strang auf. Erst später aber trennen sich diese beiden Theile vollständiger von einander ab. Nicht unerwähnt darf ich es lassen, dass das Axialorgan nicht in einer vollständig geraden Linie verläuft, sondern, indem es der Krümmung des Magens und Oesophagus sich anschmiegt, wurstförmig gestaltet ist. Es ergiebt sich das deutlich bei der Betrachtung der Längsschnitte Fig. 139—142. Das Hinterende liegt an der Grenze von oralem und aboralem Cölom, das vordere setzt sich in den Stiel fort und ist dort äusserst schwer zu verfolgen. Am Ende des Darms angelangt, krümmt sich das Axialorgan gegen die Hauptaxe zu und gelangt in den Stielabschnitt genau an der Stelle, an welcher in Jüngern Stadien die ventrale Furche im vordersten Cölomende vor- handen war, also zwischen der ersten und fünften Röhre des gekam- merten Organs. Wie sich das Axialorgan im Stiel verhält, habe ich auf diesen 300 OSWALD SEELIGER, Stadien nicht aufzudecken vermocht, weil es mir unmöglich war, mit meinen Vergrösserungen etwaige Mesenchymstränge oder centrale Verdickungen der Röhren des gekammerten Organs von einer soliden Wucherung zu unterscheiden, die vom Axialorgan des Kelches selbst ausginge. Schon oben habe ich bei der Besprechung der Entstehung des gekammerten Organs erwähnt, dass sich an die Ausstülpungen des Cöloms möglicher Weise Mesenchymzellen ansetzen, um sich an der Bildung der den Stiel durchsetzenden Stränge zu betheiligen und die gleiche Möglichkeit liegt auch hier vor. Andrerseits aber wäre es denkbar, dass die der Axe zugekehrten Wandungen des gekammerten Organs durch Wucherungen einen centralen Strang bilden, der sich mit dem Axialorgan des Kelches vereinigte. Drittens endlich könnte das Axialorgan des Kelches, welches schon in frühen Stadien als ein isolirter Strang in das gekammerte Organ eintritt, sich ganz selb- ständig vergrössern und durch den ganzen Stiel hindurch verlängern. In den beiden letzten Fällen wäre der Ursprung des Axialorgans im Stiel ein mesoblastischer. Ob aber überhaupt die Axe des Stieles ihrer ganzen Länge nach von sechs gesonderten -Strängen durchzogen wird, weiss ich nicht sicher anzugeben. Im hintern und mittlern Theile habe ich sie in Querschnitten durch nicht entkalkte Stiele völlig getrennt nachweisen können (Fig. 111, Taf. 18), in den entkalkten Präparaten, die mit Sublimat behandelt worden waren, finde ich da- gegen die einzelnen Stränge nicht so scharf gesondert. Doch habe ich in manchen Schnitten die den Centralcanal der Kalktafeln durch- setzenden Gewebe in sechs Gruppen angeordnet gefunden. Fig. 154 A zeigt einen Durchschnitt ungefähr durch die Mitte des Stieles bei schwächerer Vergrösserung, B dessen Centralpartie bei stärkerer. Die mittlere, ventral gelegene grössere Zellengruppe deute ich als Axial- strang, die fünf andern als die Fortsetzungen des gekammerten Or- gans. Ich mache aber darauf aufmerksam, dass die Lagebeziehungen der Stränge zu einander dann etwas andere wären, als sie Fig. 111 zeigt, halte es jedoch für leicht möglich, dass durch den Process der Entkalkung eine Verzerrung künstlich hervorgerufen ist. In den ältesten Larven dieses Stadiums sah ich im aboralen Cülom die Bildung von Trabekeln beginnen. Nur an ganz ver- einzelten Stellen (Fig. 142, 151) bemerkte ich, wie einzelne Zellen der Wand sich senkrecht zu dieser erhoben, mit breiterer Basis sich ihr noch einfügten, mit dem andern Ende aber zapfenförmig frei in die Leibeshöhle hineinragten. In diesen Zellen war auch meist der Kern aus der Basis heraus gegen die Mitte zu vorgerückt. Viel um- Va % L ; Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 301 fangreicher hat sich im Hydrocöl ein ganz ähnlicher Process abge- spielt, den ich im folgenden Abschnitt eingehender werde beschreiben müssen. Dass die beiden ursprünglich rechts und links gelegenen Cölom- säcke in der festgesetzten Larve ihre Lage vollständig verändern und aboral und oral sich lagern, um durch ein horizontales Mesenterium getrennt zu werden, hat GÖTTE zuerst festgestellt. Da er vorn und hinten umgekehrt auffasst, als es hier geschehen ist, müsste es aber nach seiner Bezeichnung der rechte und nicht der linke Cölomsack sein, welcher zum oralen wird. Ein weiterer Gegensatz besteht darin, dass GÔTTE am aboralen Cülom einen Fortsatz auftreten und den Stiel durchwachsen lässt; offenbar ist damit das gekammerte Organ gemeint, es sind aber fünf Ausstülpungen und nicht nur eine vor- handen. Der complicirte Verlauf des aboralen Cöloms, die Bildung des Verticalmesenteriums und des Axialorgans sind von ihm nicht beobachtet worden. Ein etwas vorgerückteres Stadium einer Larve aus dieser Ent- wicklungsperiode hat GREEFF (35) beschrieben und in einem schönen Holzschnitte abgebildet. Das gekammerte Organ stellt er als ein Bläschen dar, welches die Herzanlage bilde. Das Axialorgan fasst er als einen dorso-ventralen Gefässstrang auf, welcher, das Herzbläschen durchsetzend, in den Stiel übergehe. Die beiden Theile der entero- cölen Leibeshöhle, der orale und aborale, sind richtig beschrieben; pur hat er die auf diesem Stadium bereits bestehende Verbindung zwischen beiden übersehen, und es ist nicht zutreffend, wenn er beide durch ein Septum vollkommen von einander geschieden sein lässt. GREEFF’S Auffassung der oralen Leibeshöhle als „ursprünglichen Blut- sinus“ kann ich dagegen nicht theilen. Sie beruht wohl darauf, dass er die Falte des Visceralblattes des aboralen Cöloms, in welcher durch Verdickung der Wandung das Axialorgan sich bildet, für eine Aus- stülpung des oralen Célonis ansieht, ein Irrthum, in welchem ibm sowohl PERRIER als BArRoIS gefolgt sind. Es ergiebt sich ohne weiteres aus der oben gegebenen Darstellung, und im folgenden Capitel werde ich bei der Besprechung der weitern Stadien darauf zurück- kommen müssen, dass die in die enterocöle Leibeshöhle einspringende Falte nothwendiger Weise einen Theil der primären Leibeshöhle um- schliesst, welcher als der zuerst auftretende, wohl abgegrenzter Blut- sinus zu deuten ist. 302 OSWALD SEELIGER, Perrier hat gerade dem Cölom in der jungen festgesetzten Larve grosse Aufmerksamkeit zugewendet und eine ausführliche Beschreibung gegeben, wie sich nach seinen Beobachtungen die Vorgänge abspielen. Er ist in der That in manchen Punkten weiter gekommen als seine Vorgänger; da er aber ausschliesslich dicke Längsschnitte untersucht zu haben scheint, sind ihm mannigfache Irrthümer begegnet. Dass er die Wandungen des Cöloms, obwohl er unter ihnen ein parietales und viscerales Blatt unterscheidet, entodermal nennt, während sie doch nach den herkömmlichen embryologischen Anschauungsweisen als meso- blastisch bezeichnet werden müssten, und dass er die Bezeichnung Mesoderm ausschliesslich auf das Mesenchymgewebe beschränkt, be- einflusst natürlich nicht die thatsächlichen Vorgänge, nur dass über diese leichter Missverständnisse beim Leser entstehen können. Die ursprünglich linke oder orale Leibeshöhle bezeichnet er als obere, ventrale oder als Periösophagealcanal; die aborale als untere oder dorsale, Abgesehen davon, dass PERRIER weder das Verticalmesen- terium im aboralen Cölom, noch die Verbindung des letztern mit dem oralen gesehen hat und die Wandungen mit dem Mesenchym ver- schmolzen sein lässt, weicht er auch in den Angaben über das Axial- organ im Stiele und dessen Fortsetzung als stolon génital im Kelche erheblich von meinen Befunden ab. Dieser letztere Punkt erfordert hier eine weitere Auseinandersetzung. PERRIER beschreibt und bildet ab, wie der Stiel in seiner Mitte von einem doppelwandigen Längscanal durchsetzt werde, den er als axe péritonéal bezeichnet. So wie GÖTTE ist er der Ansicht, dass der letztere vom aboralen Cölomepithel gebildet werde; im Gegen- satze zu seinem Vorgänger lässt er aber nicht nur das äussere, sondern auch das viscerale Blatt sich ausstülpen und findet daher den Canal zweischichtig: das innere Blatt ist das viscerale, das äussere das parietale. Daraus folgt, dass seiner Auffassung nach nur der Zwischenraum zwischen beiden Wänden eine enterocöle Höhle dar- stellt, der eigentliche centrale Canal dagegen eine Fortsetzung der primären Leibeshöhle bildet, während nach GöTTE der Centralcanal selbst eine Fortsetzung des Enterocöls ist. Dass ein solcher doppelwandiger Stielcanal zu keiner Zeit vorkommt, ergiebt sich aus meinen Aus- führungen zur Genüge. Hätte PERRIER nur einen einzigen Querschnitt angefertigt, so würde er sich davon überzeugt haben. Wie man aber bei der Untersuchung von Längsschnitten zu einer derartigen Auffassung leicht gelangen kann, lehren der in Fig. 119, Taf. 19, abgebildete Schnitt durch eine festgesetzte Larve und auch die Längsschnitte eg Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 303 durch dieselbe Region in ältern freischwimmenden Larven. Hier sieht man die Einmündungsstellen zweier gekammerter Organe und kann diese selbst eine Strecke weit nach vorn verfolgen. Zwischen beiden zeigt der Schnitt einen zellenleeren Spaltraum der primären Leibes- höhle, den PERRIER als einen geschlossenen Canal ansehen konnte, während er die Durchschnitte der gekammerten Organe als dessen doppel- wandige Begrenzung auffasste. Allerdings habe ich niemals auf einem Schnitte die Lumina so weit in den Stiel hinein verfolgen können, wie es PERRIER’S fig. 4 zeigt. Das Axialorgan ist nach PERRIER die Anlage des Geschlechts- stranges, und er nennt es daher stolon génital. Ich finde seine Angabe vollständig zutreffend, dass es in seiner ersten Anlage nur eine Verdickung des visceralen Blattes des rechten Cöloms sei. Weiter aber beschreibt er, dass die orale Leibeshöhle einen trichterförmigen Fortsatz zwischen Geschlechtsstolo und Darm nach hinten erstrecke, welcher diesem ein neues Peritonealblatt und jenem eine äussere Hülle liefere. Dadurch sei um die Geschlechtsanlage die „Axialhöhle“ entstanden, die gänzlich von der oralen Cölomwand ausgekleidet werde und von den inter- und circumvisceralen, vom aboralen Cölom aus entstandenen Höhlungen umgeben sei. Ein derartiger Fortsatz des oralen Cöloms ist, wie sich aus meiner Darstellung ergeben hat, nicht vorhanden. Es lässt sich aber verstehen, dass PERRIER, der die Perforation zwischen beiden Cölomen nicht erkannt hat, den ganzen Raum, den seine Längs- schnitte im Zusammenhange mit dem obern Cölom zeigten, auch diesem zurechnete und als Ausstülpung desselben auffasste. Ich kann mir aber aus seinen Angaben keine klare Vorstellung darüber machen, wıe durch eine solche Ausstülpung eine Hülle um den stolon génital ge- bildet werden soll. Auf einem spätern Stadium werden wir allerdings eine solche antreffen, und wir sahen oben schon in Fig. 151 dieselbe sich vorbereiten. Doch entsteht sie in ganz anderer Weise, als PERRIER meint, Die Verschiebung und Umbildung des linken Cölomsackes zum oralen oder „periösophagealen“, des rechten zum aboralen hat BARROIS zutreffend geschildert. Er beschreibt den erstern ganz richtig als huf- eisenförmig, auf der Ventralseite offen; nicht richtig aber ist es, wenn er, ähnlich wie PERRIER, vom rechten Ende einen Ast zwischen den Darmcanal hindurch sich erstrecken lässt. Er nennt ihn „canal columellaire“; er ist aber nichts anderes als das linke Ende des ab- oralen Cöloms, welches mit der oralen Leibeshöhle communiciert. Eben- sowenig stimme ich mit Barroıs’ Darstellung der Entstehung des 304 OSWALD SEELIGER, Dorsalorganes oder Axialorganes überein, welches er einfach als cordon pédonculaire bezeichnet. Zwischen seinem canal columellaire und dem Darme lässt er Mesenchymzeilen gelagert sein, welche zum Axial- organe zusammentreten sollen, in ähnlicher Weise, wie der den Stiel durchsetzende Strang aus Mesenchymzellen entstehe. Dass im Kelche von irgend welcher Betheiligung der Mesenchymzellen bei der Bildung des Axialorganes keine Rede sein kann, babe ich schon oben besonders betont. Barrois ist es ferner völlig entgangen, dass vom rechten Cölom fünf Ausstülpungen entstehen und die Anlagen des gekammerten Organes darstellen, und es ist daher nicht richtig, wenn er den Stiel pur von einem Mesenchymstrang durchsetzt sein lässt, der die Fort- setzung des Axialorganes darstelle. Die übrigen Differenzen, die noch bestehen, ergeben sich zum grössten Theile daraus, dass Barrors den canal columellaire vom oralen Cölom gebildet werden lässt. Ferner sehe ich das aborale Cölom nicht nur einfach hufeisenförmig gekrümmt, wie BARROIS es darstellt, sondern finde den oben beschriebenen verwickeltern Verlauf; in Folge dessen stellt auch das Verticalmesenterium nicht das einfach gerade gestreckte Band dar, das jener Autor zeichnet. Endlich erwähne ich noch, dass das Gebilde, welches Barrois in fig. 18 c auf tab. 28 mit col-ax bezeichnet und dessen Entstehung er nicht feststellen konnte, von mir in einer solchen Form nicht beobachtet wurde. Ich habe auch niemals zwischen Oesophagus und der innern Wand des oralen Cöloms einen derartigen riesigen Lückenraum gesehen, wie ihn seine Abbil- dungen zeigen, und glaube, dass er durch Schrumpfungen künstlich entstanden sein muss. Möglicher Weise ist dann das fragliche Gebilde nur eine dadurch gleichzeitig hervorgerufene Falte des oralen Cöloms. Weitaus am genauesten ist die Darstellung, welche Bury giebt, und es sind zunächst nur untergeordnete Punkte, in denen ich nicht übereinstimme. Ich habe oben erwähnt, dass ich das orale Cölom ebenso wie er hufeisenförmig, mit im Interradialraum I—V geöffneten Schenkeln angetrofien habe. Wie man im Holzschnitte Fig. 5, p. 292 sieht, liegen zwischen denselben auswärts vom Oesophagus ganz im Mesenchym eingebettet Steincanal und Parietalcanal. Dieses Mesenchym geht ohne irgend welche Grenze in das der Leibeswand über, und ich sehe keine Veranlassung, hier schon von einem Verticalmesenterium des oralen Cöloms zu sprechen. Weiter finde ich überall die Cölomwandungen als deutlich gesonderte Epithelien, während in Bury’s Zeichnungen, ähnlich wie es PERRIER beschrieben hat, eine Abgrenzung gegen das Mesenchym der Körperwand meist nicht zu sehen ist. Studien zur Entwicklungsgeschiehte der Crinoiden. 305 Im Stiele lässt Bury den Axialstrang aus der Axe des ge- kammerten Organs entstehen. Nach seinen Abbildungen (fig. 19) sind die 5 einzelnen Hohlräume des letztern nicht von besondern einschich- tigen Wandungen umgeben, sondern stellen nur Perforationen eines Gewebes dar, das sich histologisch gar nicht vom Mesenchym unter- scheidet und allseitig in dasselbe übergeht. Sie haben zum Theil gar keine Zellwandungen, sondern direct die Kalkplatten begrenzen sie, ein Verhalten, das niemals stattfindet. Dass derartige Bilder nicht geeignet sind, einen Ursprung des gekammerten Organs aus dem Cülom- epithel zu erweisen, bedarf keiner weitern Erklärung. Ich halte es da- her für nicht unwahrscheinlich, dass Bury die Lückenräume, die zwischen den 5 Strängen, in welche sich das gekammerte Organ fort- setzt, nach der Behandlung mit Reagentien leicht auftreten, für die Lumina des gekammerten Organs selbst gehalten habe. Zwischen den 5 Perforationen zeigt Bury’s Zeichnung in der plasmatischen Axe zahlreiche Kerne, und die letztere soll sich seiner Meinung nach zum Axialstrange des Stieles differenziren. Ich habe in so jungen Stadien eine solche centrale strangförmige Masse nicht gesehen (vgl. den Quer- schnitt Fig. 96, Taf. 17) und halte daher die Frage nach der Ent- stehung des centralen Stranges im Stiele für noch nicht erledigt. IV. Das Hydrocôl. Mit der Vestibularanlage dreht sich in ganz übereinstimmender Weise der Hydrocölring um einen rechten Winkel; während er in der freischwimmenden Larve parallel zur Längsaxe verläuft, steht er schliesslich senkrecht zu dieser. Vom hintern Körperende sieht man ihn dann mit seinen 5 Ausstülpungen in einem gleichen Bilde wie in der freischwimmenden Larve von der Bauchseite aus. Die Stelle, an welcher der Ring noch unverschlossen ist, liegt dann in demselben Interradialraum wie der Porus, zwischen den Radien I und V und ist in Fig. 137, Taf. 20 mit * bezeichnet. 1) In den Längsschnitten, Fig. 114, 124, 125, 129, Taf. 19, sieht man die allmählich vorschreitenden Uebergangsstadien zur Horizontal- stellung. Wie ich schon bei der Besprechung des Vestibulums aus- geführt habe, ist das Hydrocöl in dessen dicke Basalwand eingebettet; je mehr die Drehung vorschreitet, desto umfangreicher wird der vom Oesophagus durchsetzte Wassergefässring. Ein Lumen ist in ihm jeder- zeit nachweisbar, wenngleich es in manchen Fällen in dorso-ventraler Richtung beträchtlich zusammengedrückt erscheinen kann. Zool. Jahrb, VI. Abth. f, Morph. 20 306 OSWALD SEELIGER, Schon während dieser Drehung verändern die 5 breiten, buckel- fürmigen Ausstülpungen, die dem eigentlichen Hydrocölringe aufsitzen (Fig. 81, Taf. 16), ihre Gestalt, indem sie in radiärer Richtung schmäler werden und als längere lappenartige Gebilde erscheinen. Gleichzeitig beginnen sich ihre in das Vestibulum eingebetteten Enden in je drei Zipfel zu spalten, so dass deren nunmehr 15 vorhanden sind. Dieselben stellen die Anlagen für die 15 Hydrocöltentakel dar, sind aber zunächst nur von unansehnlicher Höhe und bleiben in der Vestibularwand ver- borgen. Wie sich während dieser Vorgänge das linke Cölom zwischen Darm und Hydrocölring einschiebt und dessen vordere Wand, die früher dorsalwärts gerichtet war, begrenzt, habe ich bereits im vor- hergehenden Abschnitte beschrieben. In histologischer Beziehung erweist sich die Wandung des Hydro- cölapparates als ein einschichtiges cylindrisches oder cubisches Epithel von ansehnlicher Dicke. Selbst im Ringe, in welchem das Lumen am umfangreichsten ist, erscheint gewöhnlich die Wand dicker als das letztere. In Folge der stark gekrümmten Zellflächen sieht man in den Schnitten sehr häufig die Wandung scheinbar mehrschichtig, zumal die Kerne nicht überall in gleicher Höhe gelegen sind. 2) Auch wenn der Hydrocölring bereits horizontal steht, bleibt er noch lange Zeit an der alten Stelle zwischen Radius I und V unverschlossen. Es ist das also der nämliche Interradius, in welchem auch das hufeisenförmige orale Cölom den Ausschnitt zeigt. Zwischen den 5 Primärausstülpungen besitzt der Ring einen fast kreisförmigen Durchschnitt (Fig. 157, Taf. 20), der in einen ovalen, in der Richtung der Hauptaxe verlängerten übergeht, sobald man sich der Austritts- stelle der Ausstülpungen nähert (Fig. 158). Die Wandung, die sich anfänglich aus hohen Cylinderzellen zusammensetzte, wird immer flacher und besteht kurz vor der Zeit des Durchbruchs des Vesti- bulums bereits aus ziemlich dünnen, zum Theil platten Zellen, die in der Mitte, wo sie den Kern tragen, sich etwas verdickt erweisen. Die von PERRIER beschriebenen protoplasmatischen Verbindungsfasern, die von Zellen der Aussenwand ausgehen und an Mesenchymzellen der Leibes- wand sich anheften sollen, sind nicht vorhanden. Die fünf Primärausstülpungen sieht man in Fig. 137 ihrer Länge nach durchschnitten. Da der Ring nicht vollkommen in einer Ebene liegt, gelingt es nicht, auf einem dünnen Querschnitte durch eine Larve alle fünf gleichzeitig zur Anschauung zu bringen, und man findet daher hier nur vier derselben getroffen, im Radius III aber bereits das Hydrocöl in die drei Tentakel einer Gruppe gespalten. Mit voller —) ee Vo. ,' Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 307 Deutlichkeit sieht man, dass jede Ausstülpung dreigelappt ist, der Dreizahl der Tentakel entsprechend, welche sich auf ihnen erheben. Die einschichtigen Wände sind etwas dünner als in jüngern Larven, besonders an den äussern, dem Mesenchym der Leibeswand zugekehrten Seiten, wo sie aus kleinen, fast würfelförmigen Zellen bestehen. In der innern, dem Vestibulum anliegenden Wand sieht man prismatische Zellen vorherrschen. Der nebenstehende Holzschnitt (Fig. H) zeigt in halbschematischer Weise ein aus zwei Querschnitten durch eine etwas ältere Larve com- binirtes Bild, welches die Lagebe- ziehungen und die Formen der 5 Primärausstülpungen deutlich macht. Nur noch unmittelbar an der Ueber- gangsstelle zum Hydrocölring kann man sie beträchtlich verlängert, bis zur gegenseitigen Berührung gelangt nachweisen. Auf einem oder höchstens Fig. H. Querschnitt durch die Ba- . zwei sehr dünnen Schnitten sieht man noch diese basalen Reste der fünf ursprünglichen Primärausstülpungen, salregion der fünf primären Hydrocül- ausstülpungen für die Tentakel einer 108-stündigen Larve. Vergr. 120/1. h,—h, die fünf Primärausstülpungen am Hydrocölring, s,—s, die fünf Sacculi, v Vestibulum, * die Stelle, an welcher aus welchen das Hydrocöl für die N, definitiven Tentakel entspringt, denn ng Rene Re OUR die Dreispaltung ist fast bis zum Hy- pers. drocölring selbst vorgeschritten, so dass ein jeder der 15 Tentakel direct aus diesem zu entspringen scheint. In histologischer Beziehung verhalten sich die fünf Ausstülpungen genau so wie der Wassergefässring selbst, und die Abbildungen, die ich in Fig. 155 und 156, Taf. 20, gegeben habe, stimmen auch für diesen. Ueberall lässt sich das einschichtige Wandepithel erkennen; auf der Aussenseite ist es zu einem feinen Plattenepithel geworden, auf der Innenseite erscheint es etwas dicker, an allen Stellen ist es aber bedeutend feiner als im vorhergehenden Stadium. Besonders auffallend sind die langgestreckten, oft schon faden- förmigen Zellen, welche man ausnahmslos in den Larven dieses Alters das Lumen des Canals durchsetzen sieht und zwar radial verlaufend, zwischen der äussern und innern Wand senkrecht ausgespannt. Da aber nicht überall diese Richtung eingehalten wird, sieht man sie oft 20 * 308 OSWALD SEELIGER, unter spitzem Winkel sich kreuzen. Ich muss an dieser Stelle etwas eingehender auf ihre Entstehung eingehen, weil von Seiten PERRIER'S — wie weiter unten erörtert werden soll — eine Auffassung vertreten wird, die mit meinen Befunden unvereinbar ist. Ziemlich frühzeitig, gewöhnlich schon in den Larven des dritten Tages, sieht man im Hydrocölcanal und seinen fünf Ausbuchtungen (Fig. 143) einzelne Zellen gegen das Lumen zu sich erheben, ganz ähnlich wie im Cölom die Bildung der Trabekel beginnt. Vorwiegend zeigen sich diese Fortsätze an der dickern Innenwand, aber auch an der feinern äussern fehlen sie nicht ganz. Untersucht man recht feine Querschnitte mit starken Vergrösserungen, so kann man sich aufs deutlichste überzeugen, dass zunächst noch die Zelle vollkommen im Epithel der Wand ruht und von den flacheren Nachbarzellen einzig durch eine kegelförmige oder birnförmige Gestalt sich auszeichnet (Fig. 158). Sehr rasch zieht sich nun das freie Ende schnurförmig aus, um das ganze Lumen zu durchsetzen und bis zur gegenüber- liegenden Wand zu gelangen. Fig. 155 und 156 zeigen verschieden weit vorgeschrittene Bildungen. Einige Beachtung erfordert das Verhalten der Kerne. In zahl- reichen Fällen habe ich beobachten können, wie der Kern der bereits birnförmigen Zelle im verbreiterten Theile an der Basis liegen blieb, in gleicher Höhe mit den unveränderten Nachbarzellen des Epithels, und dass er dort auf dem Ruhestadium verharrte, wenn auch bereits der Fortsatz das Lumen durchwachsen hatte. Sehr häufig konnte ich aber auch im basalen Kern der umgeformten Zelle deutlich Theilungen erkennen (Fig. 156 B, 157), die derartig gerichtet waren, dass das eine Theilstück gegen den Fortsatz zu liegen kam, in denselben hin- einrückte, um mitten im Lumen als ein ruhender Kern liegen zu bleiben. Bei einem dritten Modus endlich erfolgt keine Kerntheilung mehr, wenn die Zelle den Fortsatz gebildet hat, und ihr ruhender Kern wandert sofort in denselben hinein. Diese das Hydrocöl durch- setzenden Elemente wurden zuerst von Lupwie als Muskeln in An- spruch genommen. Bevor noch die Bildung dieser Trabekel sich einleitet, sind die oben bereits erwähnten Anlagen für die 15 ersten Hydrocöltentakel beträchtlich gewachsen und erscheinen im Vestibularraum als kleine Erhebungen. Kaum haben sie hier eine etwas beträchtlichere Länge erreicht, so vermehrt sich, wie wir im ersten Abschnitt dieses Capitels sahen, die Tentakelzahl um 10. Auch diese interradialen Tentakel entspringen an der Basis der 5 ursprünglichen Ausstülpungen und Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 309 zwar jeder an einem Ende. Es gehen also aus jeder Primäraus- stülpung 5 Tentakel hervor: 3 mittlere, die grösser und älter sind, und 2 endständige, die zunächst nur als kleine Anlagen zu er- kennen sind. Der mittelste Tentakel in jeder Gruppe liegt genau radial. Während die Hydrocölausstülpungen für die 15 ältern Ten- takel in ziemlich paralleler Richtung zur Längsaxe aus dem Ringcanal resp. dessen 5 Ausstülpungen austreten, sind die 10 interradialen Ten- takel mehr nach innen zu gerichtet (Fig. 138, 139). Alle Hydrocöltentakel stellen einschichtige Röhren dar, die vom Ectoderm des Vestibulums dicht überzogen werden wie die Finger von einem Handschuh, und ich habe oben bereits bemerkt, dass ich die Lückenräume, die unter dem Ectoderm in manchen Präparaten zu sehen sind, für künstliche, durch Schrumpfungen entstandene ansehe, Das Lumen in den Hydrocölröhren ist sehr fein, in den äussersten Enden sogar meist nicht wahrnehmbar, weil die Wände dicht an ein- ander gepresst sind, aber von einem im eigentlichen Sinne des Wortes soliden Tentakelabschnitt kann füglich nicht wohl geredet werden. In den Wandungen sind die Zellgrenzen nicht immer wahrnehmbar ; wo aber das der Fall ist, erscheint die Zellform im Querschnitt des Ten- takels wie eine abgestutzte Pyramide, deren Basis dem Ectoderm zu- gekehrt ist, im Längsschnitt dagegen wie ein Prisma oder Würfel. An allen Stellen ist in diesen jungen Stadien das Tentakellumen be- trächtlich enger als die Wand. Während dieser ersten Periode des festgesetzten Larvenlebens ist der Steincanal zu bedeutender Entwicklung gelangt und stellt schliesslich bereits die Verbindung zwischen Hydrocöl und Parietalcanal her, da er in diesen durchbricht. Schon in den ältern freischwimmenden Larven konnten wir seine Anlage als einen zipfelförmigen Fortsatz des rechten (ursprünglich links gelegenen) Endes des Hydrocölringes erken- nen. Nach vollendeter Drehung desselben sieht man ihn an der näm- lichen Stelle (sie ist in Fig. 137 und 155 mit * bezeichnet) zwischen den Radien I und V seinen Ursprung nehmen und zwar von der dem oralen Cölom zugekehrten Wand des Ringes. Er ist ein kurzer Canal geworden von schwach ausgeprägter S-förmiger Krümmung, die übrigens kleine individuelle Verschiedenheiten zeigt. Von der Austrittsstelle aus dem Wassergefässringe an schlägt er stets die Richtung nach links und vorn ein; das andere Ende ist gewöhnlich ventralwärts und wiederum nach rechts gekrümmt, bleibt lange Zeit blind geschlossen, obwohl es bereits an die linke innere Wand des Parietalcanales an- stösst. In den Larven des vierten Tages vollzieht sich dann gewöhn- 310 OSWALD SEELIGER, lich der Durchbruch (Fig. 149, 150). Der Steincanal liegt ganz im Bereiche des oralen Cöloms, zwischen den beiden Schenkeln des- selben. Die Canalwand besteht überall aus relativ hohen Zellen mit mittelständigen Kernen; sie bewahrt die ursprünglichere histologische Beschaffenheit, die früher auch den Wasserring ausgezeichnet hat, und die man in den jungen sich bildenden Tentakelgefässen wiederfindet. So wie in diesen ist an den meisten Stellen das Lumen von beträcht- lich geringerer Dicke als die Wand. Besonders auffallend ist das in dem dem Hydrocölringe nahe liegenden Stück, während nach vorn und links zu gewöhnlich eine Erweiterung des Lumens stattfindet, die sich sogar unmittelbar vor der Einmündungsstelle in den Parietal- canal bis zu einer ampullenförmigen Verbreiterung ausdehnen kann (Fig. 146). Hier habe ich auch in einigen Fällen, die mir auf eine besonders günstige Conservirung hinzudeuten schienen, einen gestreiften Randsaum das Lumen begrenzen sehen (Fig. 149); Flim- mern konnte ich aber in meinen Präparaten nicht erkennen. Sie mögen vielleicht im lebenden Objecte vorhanden sein, durch das jahrelange Liegen im Alcohol sind sie aber zerstört worden. Von Görre’s Darstellung der Hydrocölentwicklung weicht die eben gegebene Beschreibung nicht unerheblich ab. "In sehr frühen festge- setzten Stadien soll nach diesem Autor ein vollständiges Ringgefäss gebildet sein, während ich auf der linken Ventralseite noch immer eine Unterbrechung sehe. Ferner ist GOrre das Vorhandensein eines Steincanales entgangen, und ebenso sind die das Lumen des Hydro- cölringes durchsetzenden Zellen unerwähnt geblieben, obwohl sie in dem letzten von GÖTTE in fig. 20 abgebildeten Stadium bereits vor- handen gewesen sein müssen. Endlich kann ich mich mit seiner Auf- fassung der 10 interradialen Tentakel nicht einverstanden erklären, wenn er dieselben zu allen andern Ambulacralanhängen in Gegensatz bringt und mit den Stacheln der übrigen Echinodermen vergleicht. Mit grosser Ausführlichkeit hat Perrier den Hydrocölapparat untersucht; es sind aber mehrere Angaben, die ich nicht für zutreffend erachten kann. Mit GöTTE lässt er den Hydrocölring vollständig ge- schlossen sein, beschreibt dagegen ganz richtig, dass zunächst 5 Primär- ausstülpungen entstehen, welche sich erst secundär in 15 Tentakel spalten. Freilich scheint es ihm weiterhin entgangen zu sein, dass auch auf dem Stadium von 25 Tentakeln die basalen Reste dieser ee Studien zur Entwicklungsyeschichte der Crinoiden. 311 5 Ausstiilpungen noch nachweisbar bleiben und von diesen aus die eigentlichen Tentakel sich erheben. Den Steincanal, den Lupwie (57) in ältern Larven zuerst nachgewiesen hatte, fand PERRIER bereits in den jüngern angelegt, wenn das Vestibulum noch einen allseitig ge- schlossenen Raum darstellt. Er nennt ihn einen Theil des tube hydro- phore und lässt ihn zunächst einen soliden, gekrümmten Zellenstrang sein, der von der Ventralseite des Hydrocélringes ausgehe und bis an die äussere Oberfläche die Larve reiche. Später soll er sich zu einem U-förmig gekrümmten Canal aushöhlen, trichterförmig nach aussen und auch gegen den Wassergefässring Öffnen und somit eine directe Verbindung zwischen Hydrocöl und Aussenwelt bewerkstelligen. Ich habe oben schon PERRIER’s Ansicht zurückgewiesen, dass auf diesem Stadium der Hydrocölapparat die Ernährung der Larve besorgen müsse, weil der Darmcanal selbst noch allseitig geschlossen und das Vestibulum noch nicht zum Durchbruch gelangt sei. Ausdrücklich be- tont PERRIER, dass er sich von der Richtigkeit seiner Angaben über die morphologischen Verhältnisse auf das gründlichste überzeugt habe und dass LupwiG im Irrthum sei, wenn er den Steincanal nicht nach aussen, sondern in das Enterocöl münden lasse. Nichtsdestoweniger sind seine Angaben nicht zutreffend. Es erklärt sich dieser Misserfolg PERRIER’S trotz der unzweifelhaft grossen Sorgfalt, mit welcher er diese Frage behandelte, lediglich aus seiner Methode, ausschliesslich Längsschnitte und zwar vorzugsweise dickere zu untersuchen, welche einen klaren Einblick in die verwickelten Verhältnisse unmöglich machen. Ich kann mich nur Bury anschliessen, wenn er den Verlauf des vermeintlichen Steincanals in Perrıer’s Abbildung 9, tab. I, als un- möglich bezeichnet. Offenbar ist der Schnitt ausserordentlich dick gewesen, so dass die feinen Wandungen des Parietalcanales ganz un- bemerkt blieben und im Raume über einander liegende Gebilde in eine Ebene gebracht erscheinen. Dass ein derartiger Steincanal nicht existirt, geht aus der oben gegebenen Darstellung mit aller Deutlich- keit hervor. In dem folgenden Abschnitte wird es sich ergeben, dass PERRIER zwei ganz verschiedene und getrennt angelegte Gebilde, den Parietalcanal und den Steincanal, als ein einheitliches Organ entstehen lässt und unter dem Namen tube hydrophore zusammenfasst. Zu der Zeit, in welcher er diesen letztern bereits nach aussen geöffnet sein lässt, stösst der wirkliche Steincanal noch mit einem blinden Ende an den Parietalcanal. Insofern ist aber Perrrer Lupwia gegenüber im Rechte, als er eine Verbindung des Steincanals mit dem Cölom in Ab- rede stellt. 312 OSWALD SEELIGER, Ein weiterer Punkt, in welchem ich wesentlich von PERRIER ab- weiche, ist die Entstehung der das Hydrocöllumen durchsetzenden Trabekel. Er unterscheidet an der Musculatur des Wassergefässringes drei Theile: den sphincter péribuccal, Verticalfibrillen an der Innen- und Aussenseite als Fortsetzungen der Tentakelfibillen und drittens endlich die Trabekel. Da die beiden erstern Gebilde auf den Stadien, die ich in diesem Capitel behandle, noch nicht vorhanden sind, so habe ich hier nur PERRIER’S Auffassung über die Trabekel zu erörtern. Diese sollen in ihrem Verlaufe je eine kernähnliche Anschwellung haben, welche aber kleiner sei als die eigentlichen Kerne in der Hydrocöl- wand selbst und mit diesen nicht verglichen werden dürfe. Er be- zeichnet sie als corpuscules nucléés. Im Gegensatze hierzu habe ich aber oben auseinandergesetzt, dass sie durch indirecte Theilung eines echten Kernes entstehen und somit auch als solche zu deuten sind. Was nun den Ursprung der Fasern selbst anbelangt, so ist PERRIER der Ansicht, dass die den Hydrocölcanal umgebenden Mesenchymzellen protoplasmatische Fortsätze aussenden, welche die äussere Canalwand durchbrechen, das Lumen durchsetzen, um sich an der Innenwand zu inseriren und so die Trabekel zu erzeugen. Solche Fortsätze von Mesenchymzellen sind nicht vorhanden, ebensowenig wie die von PERRIER beschriebenen protoplasmatischen Verbindungsstränge von Mesenchymzellen und Wandzellen des Hydrocélcanales. Ich habe oben die Bildung der Trabekel aus diesen letztern so ausführlich be- schrieben, dass ich wohl diese Frage als endgültig entschieden be- trachten darf. BArroıs hat die hufeisenförmige Gestalt des Hydrocülringes in den jüngern festsitzenden Larven und die Art der Tentakelbildung richtig erkannt. Im Gegensatze zu Perrier hebt er hervor, dass eine directe Communication des Hydrocüls nach aussen nicht stattfinde, sondern dass PERRIER’S tube hydrophore, dessen Aussentheil BARROIS’ canal du sable entspricht, eine ganz selbständige Bildung sei, die erst später mit dem Wassergefäss in Verbindung trete. Aus seiner Darstellung ist aber nicht ersichtlich, wie diese Verbindung erfolgt, dass es ein selbständig aus dem Ringcanal auswachsendes Gebilde, der Steincanal, ist, welches in das von Barroıs als canal du sable be- zeichnete Organ durchbricht. Die letzten hier besprochenen Stadien, die Trabekelbildung, hat Barros nicht mehr untersucht. In einem entschiedenen Irrthum befindet er sich aber, wenn er die fünf „gelben Körper“ oder Sacculi, die weiter unten noch besonders besprochen ee I “4? Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 313 werden sollen, durch Ausstülpungen der äussern Wand des Hydrocöl- ringes entstehen lässt; sie bilden sich vielmehr aus dem Mesenchym. Zutreffender finde ich die Darstellung Bury’s, der namentlich die Entstehung des Steincanals vom Hydrocölring aus klar beschreibt und wie Barrois die völlig unabhängige Entwicklung des Parietal- canals, den er als „anterier-body cavity“ auffasst, hervorhebt. Dass ich auch in den jüngern festgesetzten Larven im Gegensatz zu seinen Abbildungen das Hydrocöl deutlich abgegrenzt und niemals mit dem Darm oder Vestibulum völlig verschmolzen sehe, habe ich oben bereits erwähnt. Die Entstehung der Trabekel im Wassergefässringe hat er nicht eingehender untersucht und scheint sie erst auf vorgerückteren Stadien beobachtet zu haben, nachdem das Vestibulum zum Durch- bruche nach aussen gelangt ist. Er äussert sich, ohne PERRIER’S An- sicht zurückzuweisen, nur mit folgenden Worten: „These threads appear to me to be nothing more than processes of the ordinary cells of the epithelium, which has now become extremely thin. At a later period the nucleus shifts into the middle of the thread, which then appears to be a single cell, with a protoplasmic core surrounded by a formed substance“ (9, p. 283). V. Der Parietalcanal. Die Lageveränderungen, die der Parietalcanal während der ersten Periode in der festsitzenden Larve erfährt, stehen im engen Zusammen- hange mit denjenigen des Vestibulums und Hydrocüls. Bei seinem Auftreten im Embryo war er dorsal von letzterm gelegen; in der frei- schwimmenden Larve zeigte er sich bereits derartig verschoben, dass er mit seinem Hauptstück auf die Ventralseite gerückt ist und vor dem Hydrocöl liegt. In der gestielten Larve schiebt er sich auf der Ven- tralseite nach hinten zu in dem gleichen Maasse, in welchem Hydrocöl und Vestibulum in den Hinterleib rücken und dort sich horizontal stellen. Hydrocöl und Parietalcanal haben sich also um bedeutend mehr als 90° um die laterale Queraxe gedreht, und gleichzeitig erfolgen be- merkenswerthe Formveränderungen im letztern. Der lange, in verticaler Richtung nach vorn verlaufende Ast wird sehr frühzeitig eingezogen, indem er sich immer mehr verkürzt, seine Röhrengestalt verliert und füglich als zipfelförmiger Anhang des quer verlaufenden Hauptstückes erscheint. Man kann sich davon am besten auf Querschnitten überzeugen. Fig. 116 zeigt das Hauptstück in seiner ganzen Ausdehnung durchschnitten, aber nur noch auf drei folgenden 314 OSWALD SEELIGER, dünnen Schnitten ist seine sich verjüngende Fortsetzung noch nach- weisbar. In den Längsschnitten Fig. 114, 125 und 130 ist das Haupt- stück quer durchschnitten, und man sieht daraus, wie der Parietal- canal bei der sich vollziehenden Drehung der Eingeweide die gleiche Lage vor dem Wassergefässring zwischen den Schenkeln des linken Cöloms bewahrt. Dabei rückt sein Hauptstück gegen die ursprüng- liche Ventralseite nach aussen zu, nachdem sich das Vestibulumende, das in jüngern Stadien daselbst noch lagerte, gänzlich nach hinten zu- rückgezogen hat. Man trifft es daher schliesslich nicht mehr genau vor dem ventralen Ende des Hydrocélringes, sondern zum Theil aus- wärts von diesem. In Folge der Drehung ist es aber auch dem oralen Körperende näher gerückt. Während sich anfänglich sein Vorderende bis zum Darmende erstreckte und in der freischwimmenden Larve so- gar vor demselben lag, ist nunmehr in dieser Region von ihm nichts mehr zu sehen. In dorso-ventraler Richtung ist es nach wie vor be- trächtlich comprimirt (Fig. 146—149), erscheint aber nicht mehr als ein quer verlaufendes Rohr, sondern als ein sackartiges Gebilde, welches in der Richtung der Hauptaxe etwas länger ist als in der transver- salen (Fig. 150). Dass es trotz dieser Längsstreckung nicht mehr so weit nach vorn reicht wie der Darm, rührt mit daher, dass es verhältnissmässig viel weniger an Umfang zugenommen hat als die andern Organe. Dadurch, dass der Haupttheil des Parietalcanals, die Parietal- höhle, weiter nach hinten gerückt ist, hat er sich mehr der Höhe des Porus genähert, obwohl er noch immer etwas vor demselben liegt. Nothwendiger Weise ist aber damit eine Aenderung der Verlaufsrichtung des Endabschnittes verbunden, den wir in der freischwimmenden Larve als eine steil aufsteigende Röhre kennen gelernt haben (vgl. Fig. 68, 82). Man bemerkt nämlich, wie der aufsteigende Ast immer mehr einer horizontalen Richtung sich nähert, ohne allerdings diese ganz zu erreichen. So sieht man z. B. den Porus für das in Fig. 146 ge- troffene Hauptstück des Parietalcanals in Fig. 156 A durchschnitten und von dem letztern nur durch zwei Zwischenschnitte getrennt; aller- dings ist in diesem Falle die Schnittrichtung nicht vollständig senk- recht zur Hauptaxe ausgefallen. Immerhin aber sieht man das End- stück ziemlich quer verlaufen und trifft es in den Querschnitten durch die Larve stets in ähnlicher Form, wie sie Fig. 155 zeigt. Während sich das äussere Ende knieförmig krümmt und durch den meist kreis- “förmigen, ansehnlichen Porus nach aussen öffnet, geht das innere ohne scharfe Grenze, indem es sich erweitert, in die Parietalhöhle über Aa eee ae UT Ress a TS Mi u EEE D ME né eee Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 315 (Fig. 145, 146). Der Porus liegt in der Nähe eines Sacculus, nur ein wenig ventral vom Radius I (Fig. 156). In histologischer Beziehung verhält sich zunächst nur das äusserste Endstück in unmittelbarer Umgebung des Porus von den übrigen Wänden des Parietalcanals verschieden. Die letztern zeigen eine deutliche Tendenz, zu einem Plattenepithel sich umzugestalten, und sehr frühzeitig sieht man ein solches im Vordertheile der Parietalhöhle sich ausbilden (Fig. 116), wo es auch später als eine sehr feine Schicht zu erkennen ist (Fig. 147). Ich bemerke aber ausdrücklich, dass die- selbe auf diesen Stadien überall nachweisbar ist, dass nirgend eine vollständige Verschmelzung mit dem Mesenchym eintritt, und dass daher der Parietalcanal auch niemals das Aussehen einer einfachen, eigene Wandungen entbehrenden Perforation der Körperwand zeigt. Weiter nach der oralen Seite zu sind die Zellen meist ein wenig dicker und der epitheliale Charakter der Wand leichter sichtbar. Namentlich ist es da die innere Wand, welche zum Theil aus cubischen Zellen besteht und im unmittelbaren Umkreise der Einmündungsstelle des Steincanals (Fig. 149) noch eine ansehnliche Dicke bewahren kann. Auch in dem jetzt quer verlaufenden Endabschnitte ist die epithe- liale Beschaffenheit der Wandung sehr deutlich zu sehen (Fig. 155), und sie verhält sich wie in der Parietalhéhle. Das letzte Ende, welches sich an den Canal knieförmig in einem stumpfen Winkel an- setzt und die äusserste Eetodermschicht der Leibeswand durchbricht, besteht dagegen aus ansehnlich hohen Zellen, deren Grenzen allerdings nur vereinzelt zu erkennen waren (Fig. 156). Obwohl das Lumen umfangreicher ist als in dem sich anschliessenden Quercanal, erreicht es doch in der Regel nicht die Dicke der Wand. Im Querschnitten (Fig. 128) erscheint das äusserste Endstück fast kreisförmig und ebenso sein Lumen. Auf der Innenseite tragen die Zellen eine cuti- culaähnliche, von feinsten Streifen durchsetzte Randzone; die auf- sitzenden Flimmern waren in meinen Präparaten nicht mehr deutlich zu unterscheiden und erschienen zu einer das Lumen füllenden Masse verklebt. Nachdem der Steincanal in den Parietalcanal durchgebrochen ist, erscheint zwischen diesem und dem Hydrocölapparate die Verbindung hergestellt. Damit ist ein früheres Verhalten, das wir in den Em- bryonen des vierten Tages (vgl. die Abbildungen Fig. 57—59, Taf. 15) kennen gelernt haben, wiedergewonnen. Es entsteht nun die Frage, ob die durch den Steincanal nunmehr hergestellte Verbindung mit 316 OSWALD SEELIGER, jener alten identisch ist, welche eine Zeit lang nachweisbar blieb als letztes Zeichen für die Entstehung des Parietalcanals durch eine Aus- stülpung vom Hydrocöl her. Schon in den ältesten Embryonen war sie vollkommen geschwunden, und während der freischwimmenden Larvenzeit und in den jüngern festsitzenden Larven fehlte jede Ver- bindung zwischen diesen beiden Organen. Die Frage, die von frühern Autoren offen gelassen wurde, kann ich auf das bestimmteste ver- neinen: der Steincanal entsteht an einer ganz andern Stelle. Fig. 57 auf Taf. 15 zeigt die ursprüngilche Verbindung des sich ausstülpenden Parie- talcanals mit dem Hydrocöl an dessen vorderm Ende auf der dorsalen Seite. Es entspricht diese Stelle genau derjenigen, an welcher in ältern Embryonen und jüngsten Larven die Kuppe des sich hufeisen- förmig kriimmenden Hydrocöls liegt (Fig. 69), während der Stein- canal aus dem jetzt noch nach hinten gekehrten Blindende des Vorder- astes zweifellos entsteht, welches später (Fig. 81) in Folge der beschrie- benen Umformung zum rechten Ende geworden ist, Nicht sicher aber zu entscheiden vermag ich es, in welcher Beziehung die Durchbruchs- stelle im Parietalcanal zu der ursprünglichen Verbindung steht, die bei dessen Entstehung sich nachweisen liess. Denn nachdem sich die Ocffnung im jungen Parietalcanal an der hintern Ventralseite ge- schlossen hat, macht er so beträchtliche Form- und Lageveränderungen durch, dass es sich nicht feststellen lässt, wohin die Folgegenerationen der Zellen, welche die Verschlussstelle gebildet haben, gelangen. Daher kann ich denn auch nicht die Möglichkeit in Abrede stellen, dass sich das blinde Ende des Steincanals später gerade wieder an sie anlege, um in den Parietalcanal durchzubrechen, wenngleich ich das im allerhöchsten Maasse für unwahrscheinlich halte. Es ist das wichtige Verdienst von BARROIS, die selbständige Ent- wicklung des Parietalcanals, den er canal du sable nennt, und dessen erst nachträgliche Verbindung mit dem Hydrocöl nachgewiesen zu haben. Er hatte sich damit zu Perrier in Gegensatz gestellt, der das Hydrocöl durch den Hydrophorcanal direct nach aussen münden liess. Wie erwähnt, hat Perrier unter diesem Namen die ganz ge- trennt angelegten Gebilde des Steincanals und Parietalcanals als ein einheitliches Organ zusammengefasst, man kann aber in den drei Ab- schnitten, die er unterscheidet, die ursprünglichen Theile leicht wieder- erkennen. Der tube hydrophore s. str. ist der Steincanal, der mitt- lere und der äussere Abschnitt aber, die er canal pariétal und entonnoir Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 317 vibratile nennt, bilden zusammen das Gebilde, das ich hier als Parietalcanal bezeichnet habe. Den histologischen Bau der Wandungen hat er im Wesentlichen zutreffend dargestellt. BARROIS lässt seinen canal du sable in zwei Abschnitte sich sondern, in einen blasigen, mit Plattenepithel ausgekleideten und in einen röhrenförmigen Ausführungsgang. In seinen Abbildungen er- scheint der gesammte Parietalcanal retortenförmig, wie ich ihn niemals gesehen habe. Es ist namentlich die Parietalhöhle, die ich ziemlich abweichend geformt fand; ich sah die Wandung dünner und nicht so einfach glatt verlaufen und bemerkte ferner stets einen zipfelförmigen Fortsatz nach vorn sich erstrecken. Auch kann ich BARROIS An- gabe nicht bestätigen, dass die Parietalhöhle auf die rechte Seite hin- überrücke, sondern ich finde sie links gelagert. Am meisten stimme ich mit Bury’s Angaben überein; nur habe ich nichts von der „Histolyse“ auf den Stadien unmittelbar nach der Festsetzung bemerkt, über welche übrigens auch Bury keine nähern Angaben macht, sondern konnte die Wandungen stets deutlich er- kennen. Auf dem Endstadium dieser Periode sah ich auch kein cubi- sches Epithel mehr, sondern ein stark abgeflachtes. VI. Das Mesenchym. 1. Das Kalkskelet. Die Neuanlage von Skeletstücken ist während der ersten fest- sitzenden Periode darauf beschränkt, dass sich im hintern Stiel- abschnitte einige weitere Kalkplatten einschieben. Auch nach erfolgtem Durchbruche des Vestibulums habe ich zunächst noch im Kelche keine neuen Kalkplatten angetroffen. Die ältern, 5—8-wöchentlichen Larven müssten, nach THomson zu urtheilen, bereits die Anlagen der ersten Radialia enthalten. Ich konnte aber deren Entstehung nicht feststellen, da der Alcohol, in welchem ich diese Stadien und einen grossen Theil der jüngern aufbewahrt hatte, unrein war und soviel Säure enthielt, dass sämmtliche Kalkstücke aufgelöst worden waren, als ich an die Untersuchung herantrat. Ich werde daher gleich in diesem Abschnitte das Wenige vorbringen, was ich über das Larvenskelet der spätern Stadien ermittelt habe. a) Das Skelet des Kelches. Solange im Embryo und in der freischwimmenden Larve auf der Bauchseite die Vestibulareinstülpung besteht, liegen die 5 Basalia und 318 OSWALD SEELIGER, Oralia in Hufeisenform, deren Enden ventral ansehnlich weit von einander entfernt sind. Wenn die Abschnürung dann vorschreitet, liegen dicht unter dem Ectoderm der Bauchseite zwischen diesem und dem Vestibulam das erste und fünfte Orale und Basale (Fig. 102). Hat endlich das Vestibulum seinen endgültigen Platz im hintern Körper- ende eingenommen, so haben sich auch die Kelchstücke zu zwei voll- ständigen pentagonalen Systemen, die zur Hauptaxe senkrecht stehen, angeordnet (Fig. 108, 109). Die Tafeln liegen genau über einander in den 5 Interradialräumen, so dass die Radien zwischen je zwei Oralia und Basalia fallen. Die nämliche Lage behalten sie auch weiterhin, wie man aus Fig. 159, Taf. 21, ersehen kann. Die einzelnen Platten laufen nicht genau der Hauptaxe parallel, sondern die oraleu Kunden der Oralia und die aboralen der Basalia liegen dieser näher, bilden also kleinere Pentagone als die eiuander zugekehrteu Enden. Es er- scheinen demnach die 10 Kalktafeln zu einer an beiden Enden abgestutzten fünfseitigen Doppelpyramide angeordnet. Gleich- zeitig mit der Erreichung dieses Verhältnisses hat sich die Lage- beziehung zu den innern Organen geändert. Während die Basalia das aborale Cölom vollständig umgeben, sind die Oralia aus dem Bereiche des oralen herausgerückt, so dass dieses nunmehr zwischen beiden Systemen liegt. Nur einzelne Fort- sätze der Oralia können in die Region des Oralcüloms hinein- reichen. Den Porus sah ich zwischen dem ersten und zweiten Orale in der Höhe ihrer aboralen Enden liegen. In einer andern, 110-stündigenLarve, mit geöffnetem Vestibulum, deren Kalktafeln bedeutend umfangreicher entwickelt waren, erschien der Fig. J. Schematischer Quersehnitt Porus von den äussersten Fortsätzen durch die Region der Basalia einer 110- der ersten Oralplatte bereits um- stündigen Larve. Vergr. 120. Buch- . y R 5 stabenbezeichuung wie in den Tafeln. geben. Die 5 Oralia springen, wie bekannt, über dem offenen Vesti- bulum vor und sind beweglich, indem die Hautlappen, in welchen sie liegen, bald nach aussen, bald nach innen umschlagen und in letzterm Falle den Vestibulareingang verschliessen. Wie sich aus dem beigefügten Holzschnitte Fig. J ergiebt, haben sich die ersten und fünften Oralia und Basalia in der Weise einander ED me m a u ee nn Ji een ee ee ee ee ee Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 319 ventral genähert, dass zwischen den Radien I und V das erste, in den durch die Radien V und IV begrenzten Interradialraum das fünfte Orale und Basale zu liegen kommen. Man sieht ferner, dass die Basalia unter der Hautschicht liegen und bis dicht an das Parietalblatt des aboralen Cöloms heranreichen. Auch die Oralia bedeckt eine weiche Schicht, die allerdings nur aus einer Lage meist spindelförmiger und senkrecht zur Oberfläche gestellter Ectodermzellen besteht. Es scheint nämlich, dass mit der zunehmenden Verdickung der Oralplatten alle Mesenchymzellen dieser Region in deren Bereich hineingezogen würden, sei es, um an der Kalksecretion sich zu betheiligen, oder sei es auch nur, um als lockeres Bindegewebe die freien Maschenräume zu durch- ziehen. Ich muss an dieser Stelle noch darauf hinweisen, dass ich in dem in Fig. 108 abgebildeten Falle statt der normalen Fünfzahl 6 Basalia angetroffen habe Was die Missbildung als solche sofort kenntlich wachte, war der Umstand, dass zwei Basalia bedeutend kleiner waren als die andern, welche normale Grösse und Lage zeigten. Es sind also die beiden kleinern einfach an Stelle eines grössern, des fünften, in denselben Interradialraum getreten. Ziemlich gleichzeitig müssen . in dem letztern zwei Centra für die Kalktafelbildung aufgetreten sein, so dass das Wachsthum einer jeden Platte beeinträchtigt wurde, aber beide gleich gross erscheinen. Die Möglichkeit ist natürlich vorhanden, dass späterhin noch die beiden Platten zu einer verschmelzen. In Fig. 109 sieht man dieselbe Larve von der linken Seite gezeichnet, auf welcher normale Verhältvisse vorliegen. Die’ einzelnen Platten zeigen den bekannten typischen Bau. Man kann leicht verfolgen, wie sie am Rande durch Wachsthum der gabel- gespaltenen Enden sich immer mehr ausbreiten und gleichzeitig über- all verdicken. Die anfänglich weiten Maschenräume werden enger, und ihre polygonalen Formen runden sich mehr und mehr ab, bis die Platten endlich ein völlig siebförmiges Aussehen gewonnen haben (Fig. 159). Oralia und Basalia halten in ihrem Wachsthum nicht immer gleichen Schritt. Bald sind es die einen, bald die andern, welche sich mächtiger entwickelt zeigen, sehr oft sind aber auch Unterschiede kaum merklich. Fig. 112 und 113 zeigen ein Orale und ein Basale einer 48-stündigen Larve, und man sieht in diesem Falle das letztere besser entwickelt. Ueber die Subbasalia kann ich hier nur wenig vorbringen. Sie bleiben fürs Erste im nächsten Umkreise des hintersten Stielgliedes in nicht ganz gleichmässigen Abständen von einander liegen, 5 oder 320 OSWALD SEELIGER, auch nur 4 an Zahl. Nur in selteneren Fällen sah ich namentlich in der ersten Zeit nach der Festsetzung 3 Subbasalia. Alle Platten sind schräg gerichtet in der Weise, dass ihre aboralen Enden der Haupt- axe näher liegen als die oralen oder hintern. Jedoch variirt der Grad der Schrägstellung sowohl bei verschiedenen Individuen als auch in den einzelnen Platten desselben Thieres; immer aber liegen sie horizontaler als die Basalia. In den jüngern Stadien erwiesen sich die einzelnen Stücke sehr verschieden umfangreich. In Fig. 107 sind zwei der drei Subbasalia einer 48-stündigen Larve gezeichnet, die der in Fig. 102 abgebildeten ganz ähnlich war. Das mittlere Stück A ist noch ausserordentlich unentwickelt, die seitlichen B sind bedeutend grösser, und es ist die Möglichkeit nicht abzuweisen, dass sie aus der Verschmelzung zweier gesonderter Anlagen entstanden seien. — Vier Subbasalia sieht man in Fig. 102 von der linken Seite und in Fig. 105 vom Rücken aus abgebildet. Die beiden medianen Platten, die dorsale und ventrale, sind unentwickelter als die seit- lichen, am kleinsten ist die ventrale. Man überzeugt sich davon leicht bei der Vergleichung der Fig. 103 mit 104, welch letztere das rechte Subbasale derselben Larve von der Innenseite aus gesehen zeigt. Das grösste Stück mass etwa 60 « im längsten Durchmesser. Die Anordnung der vier Subbasalia ist also eine derartige, dass die ur- sprüngliche Bilateralität der Larve in ihr gewahrt bleibt. Die folgenden Stadien habe ich nicht untersuchen können, da die Kalktafeln aufgelöst waren. Nur in einigen ältern Exemplaren fand ich sie erhalten (Fig. 159, Taf. 21). Die Subbasalia waren zu einer tassenförmigen Platte, dem Centrodorsale, verschmolzen, deren Centrum in der Höhe des letzten Stielstückes einen ansehnlichen, kreis- förmigen Ausschnitt zum Durchtritt des gekammerten Organs besass. Die nach der Oralseite zu gekrümmte breite Randzone reichte bis an die aboralen Enden der Basalia heran und begann sie zu über- wachsen. Aehnlich gestaltet, nur etwas umfangreicher fand ich das Centrodorsale in einer andern 110-stündigen Larve; es mass 160 bis 150 « im Durchmesser und zeigte ein etwas feineres Maschenwerk als die Basalia. Ich war nicht mehr im Stande, die Suturen zwischen den ursprünglichen Subbasalien zu erkennen und zu unterscheiden, wie- viel Stücke verschmolzen sind. In beiden Fällen war der äusserste Rand nicht vollkommen Kreisförmig, sondern zeigte schwach ausge- bildete Zacken, die aber nicht so regelmässig gestellt waren, wie es Bury (fig. 52) gesehen hat, und eher auf vier ursprüngliche Sub- basalia schliessen liessen. Ueber das Verhältniss der Subbasalia zu a cé nn u Ee Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 321 dem letzten Stielgliede kann ich nichts aussagen und nehme nur mit Bury an, dass das letztere in die Centrodorsalplatte mit einbezogen werde. Die Entwicklung und die Lagebeziehungen der Oralia und Basalia sind schon durch Tmomson richtig beschrieben und seither von vielen Seiten bestätigt worden. Auch die folgenden Stadien in der Bildung des definitiven Kalkskelets sind von ihm und vor allem von W. B. CARPENTER (14) ausführlich behandelt worden. Danach müssten in den ältesten Larven, die ich nur entkalkt untersucht habe, bereits fünf Radialia vorhanden sein und in den durch je zwei Basalia und Oralia gebildeten Winkeln genau radial liegen. | Das Centrodorsale hatte J. MüLzrer als das umgebildete oberste Stielglied aufgefasst, und CARPENTER war ihm hierin gefolgt, während W. THomson sich dahin äussert: Das Centrodorsale ,,represents a coalesced series of the nodal stem-joints in the stalked Crinoids“ (90, p. 536). Am engsten an diese letztere Auffassung hat sich LupwıG angeschlossen, indem er sich mit folgenden Worten äussert: „Das Centrodorsale ist ein zusammengedrängter, oberer Stengelab- schnitt, in welchem das verkalkte Gewebe keine Sonderung in unter- einander gelegene Glieder erfahren hat“ (56, p. 73). Ich habe schon im zweiten Capitel erwähnt, dass GöTTE zuerst die Entstehung der Centrodorsalplatte aus einer Anzahl — wie viel, ist nicht gesagt — besonderer Kalktafeln behauptet hat, welche nicht umgewandelte Stiel- stücke seien, sondern „rudimentäre Wiederholungen der Basalia“. Die wahren Anlagen der Subbasalia hat aber zuerst Bury erkannt; nur kann ich nicht, wie er es thut, in der ontogenetischen Entwicklung der Comatula ihre Dreizahl als die normale betrachten. Mit seiner theoretischen Anschauung dagegen, dass ursprünglich 5 radiale Platten vorhanden gewesen seien, stimme ich natürlich vollkommen überein, da ich diese Zahl auch für die Comatulalarven als die normale an- sehe. Wo nur 3 Subbasalia in den Larven sich nachweisen lassen, sind die beiden seitlichen, soviel ich gesehen habe, ausnahmslos be- deutend umfangreicher als das mittlere, und ihre Entstehung durch Verschmelzung aus zwei ursprünglich getrennten Anlagen ist sehr wahrscheinlich. Wenn man bedenkt, dass bei der Undurchsichtigkeit des lebenden Objectes diese Verhältnisse nur an aufgehellten Prä- paraten nachzuweisen sind, wird man verstehen, dass der Nachweis dieses Vorganges ohne sehr reichliches Material nicht leicht zu führen Zool. Jahrb, VI. Abth. £ Morph. 91 322 OSWALD SEELIGER, ist. Ich habe bei der Sammlung des Materials eine sehr grosse Zahl von Larven dieser fraglichen Stadien mit absolutem Alcohol behandelt in Rücksicht auf eine nachträgliche eingehendere Untersuchung der Entwicklung des Kalkskelets. In Folge des oben erwähnten Miss- geschickes sind aber meine diesbezüglichen Untersuchungen bedeutend unvollständiger ausgefallen, als ich erwarten konnte. Schwieriger gestaltet sich die Frage in den oben beschriebenen Fällen, in welchen 4 Subbasalia getrennt vorhanden sind. Sie sind zwar alle von einander etwas verschieden, aber ich wüsste es nicht auch nur wahrscheinlich zu machen, dass eines davon im Gegensatze zu den übrigen durch Verschmelzung von zwei anfänglich getrennten Anlagen entstanden sein könnte; ebensowenig liesse sich aber auch die Annahme rechtfertigen, dass noch ein fünftes Subbasale später gebildet und in das Centrodorsale einbezogen würde. Die regelmässige Stellung, in welcher man die vier Stücke antreffen kann, schliesst eine solche Annahme geradezu aus, und man gelangt demnach zu der Auffassung, dass zur Bildung des Centrodorsaie 4 oder 5 ursprünglich getrennte Subbasalanlagen verschmelzen können. Obwohl ich bereits betont habe, dass die Subbasalia ontogenetisch nicht als obere Stielglieder zu betrachten seien, könnte man doch vielleicht diese Auffassung dadurch allein, dass die Platten nicht in der Reihe der Stielstücke auftreten, sondern seitlich von ihr, für nicht genügend begründet erachten. Man könnte dann den Ort ihres Auf- tretens im Hinblicke auf ihr weiteres Schicksal als secundär ver- schoben ansehen. Um einem solchen Einwand zu begegnen, möchte ich hier nochmals auf die ganz verschiedene Art des Wachsthums und die Form der jungen Stielstücke und Subbasalia aufmerksam machen. Die ersteren, mit Ausnahme vielleicht der Fussplatte, sind sichelförmige, ventral zu offene Platten, welche sich in der oben aus- führlich beschriebenen Weise an den Rändern ausdehnen; die Sub- basalia zeigen dagegen die für die andern Kelchstücke typischen Formen von Gitterplatten, so dass beide Arten Stücke sofort zu unter- scheiden sind. Noch muss ich ein Wort über die Bemerkung Bury’s (9, p. 288) hinzufügen, dass man unter Centrodorsalplatte nicht mehr das ganze Gebilde verstehen dürfe, das man früher mit diesem Namen bezeichnet hat, sondern nur das hinterste Stielglied, welches mit den Subbasalien verschmilzt. Dass man für die anscheinend einheitliche Kalkplatte den Namen Centrodorsale eingeführt hat, ist vergleichend- anatomischen Bedürfnissen entsprungen. Entwicklungsgeschichtlich CO Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 323 dachte man sie sich entstanden aus einer oder mehreren umgebildeten Kalkplatten des Stieles oder in der Weise, wie sie GörTE beschrieb. Nunmehr haben wir eine andere Entstehungsart kennen gelernt, aber ich glaube nicht, dass irgendwie einem Missverständnisse dadurch Vor- schub geleistet wird, dass wir für dasselbe Gebilde den nämlichen Namen beibehalten, wenn wir uns nur bewusst bleiben: es ist entwicklungs- geschichtlich hervorgegangen aus 4 oder 5 Subbasalien und dem hin- tersten Stielgliede. Es wird auch der Deutlichkeit keinen Abbruch thun, dass bei ältern paläontologischen Formen diese Gebilde noch getrennt nachzuweisen sind. Bei den fossilen Apiocriniden ist das als Centrodorsale bezeichnete Gebilde ebenfalls aus 5 ursprünglich ge- trennten Stücken entstanden, welche, wie ZiTTEL (93, p. 388) zutreffend bemerkt, den 5 Infrabasalplättchen der Eucriniden entsprechen. Frei- lich ist bei einer andern Form, bei Marsupites, die Bezeichnung Centrodorsale für ein besonderes Kalkstück üblich, welches von 5 Infra- basalien (= Subbasalien) umgeben wird. Dieses Centrodorsale ist dann allerdings nur dem obersten Stielgliede der Comatulalarve gleich- werthig. b) Das Skelet des Stieles. Die Zahl der Kalkplatten des Stieles habe ich in den Larven, deren Vestibulum noch geschlossen war, die Fussplatte und das Stück für das Centrodorsale mit eingerechnet, bis auf 17 oder 18 steigen sehen. In manchen Fällen bleibt sie allerdings um 3 oder 4 Stücke hinter dieser Grösse zurück. Am aboralen Stielende ist die Entfernung zwischen den einzelnen Platten bedeutender, nach der oralen Seite zu wird sie immer geringer, und in der unmittelbaren Nähe der Subbasalia liegen die Anlagen ganz dicht über einander. Hier sind sie in jüngern Larven sogar noch zum Theil von den ab- oralen Enden der Subbasalia seitlich umlagert (Fig. 103, Fig. 109); in letzterer Figur konnten die zwei hintersten Kalktafeln nicht mehr eingezeichnet werden. So gering, wie THomson angiebt, habe ich die Zahl der Stielstücke in normal entwickelten Larven niemals gesehen. Wie von allem Anfange an, überragt auch jetzt die Fussplatte alle andern bedeutend an Grösse und liegt ganz in der scheiben- formigen Ausbreitung des festgehefteten Endes. Die Grössenunter- schiede der übrigen Stücke gleichen sich nach und nach aus; auf- fallend lange Zeit sieht man aber am oralen Ende ganz kleine Platten liegen, welche nur ganz junge Bildungen sein können (Fig. 103), Das 21 * 324 OSWALD SEELIGER, äusserste derselben muss es wohl sein, welches mit den Subbasalien zum Centrodorsale verschmilzt. Zur Zeit, wenn dies erfolgt, ist die Zahl der Stielstücke höchstens auf 19 gestiegen. Da nun die er- wachsene gestielte Form des Pentacrinus europaeus nach THOMPSON (88) aus etwa 24 Stielgliedern besteht, muss noch während der spätern Larvenzeit eine Vermehrung erfolgen und zwar durch Einschiebung von neuen Stücken aboralwärts von dem in das Centrodorsale ein- bezogenen. Das ist nun nichts Auffallendes, da ja, wie ich in einem frühern Capitel nachgewiesen habe, auch in den Embryonen und Larven nicht nur oralwärts von dem zuletzt gebildeten Stücke, sondern auch aboralwärts an mehrern Stellen des Hinterendes durch Intercalation Neubildungen erfolgen können. Eine derartige Annahme stimmt auch vollständig mit Jon. MÜLLEr’s Angaben für Pentacrinus caput-medusae überein (67, p. 23), denen zufolge neue Stielglieder nicht nur unmittel- bar am Kelche, sondern auch zwischen den bereits vorhandenen jüngsten im ganzen oralen Stielende erfolgen können. Aus den Darstellungen Tnuomson’s schien allerdings hervorzugehen, dass in der freischwimmen- den Larve oder in der ersten Zeit der Festsetzung sämmtliche Stiel- stücke bereits angelegt seien. Ja, wären seine Abbildungen natur- getreu, so müsste man sogar an eine zeitweilige Rückbildung bereits angelegter Stücke denken, denn auf dem weit vorgerückten, in fie. 1, tab. 27 gezeichneten Stadium zählt man ohne Fuss- und Centrodorsal- platten nur 7, auf dem viel jüngern in fig. 2, tab. 26 abgebildeten aber bereits 10 Platten. Offenbar dürfte THomson dieselbe Art unter- sucht haben, deren ausgebildete Larvenform THompson aus 24 Gliedern zusammengesetzt fand. Selbst unter der Annahme bedeutender Zähl- fehler THomson’s muss immerhin noch die Vermehrung der Stielstücke in spätern Larvenstadien eine sehr beträchtliche sein. Sie wurde denn auch von ALLMAN angenommen, aber auf eine Theilung der be- reits vorhandenen zurückgeführt, was aber als ausgeschlossen erscheint. Bury giebt die Zahl der Stielplatten in den festgesetzten Larven dieser Stadien auf 13—15 an und findet sie ziemlich constant. Aus all diesen verschiedenen Angaben geht jedenfalls hervor, dass die Zahl der Stielstücke in den ersten Entwicklungsperioden ziemlich weit- gehenden individuellen Schwankungen unterworfen ist. Inzwischen haben sich die Stielstücke wesentlich verändert, und zwar schreiten die am aboralen Ende gelegenen in ihrer Entwicklung den oralen voraus; schliesslich aber werden sie von den letztern im Wachsthum fast eingeholt, und alle Platten sind ziemlich gleich breit. Die Dicke der einzelnen Stielstücke bleibt aber bis zu den letzten Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 325 Stadien, welche ich sah, beträchtlich verschieden und nimmt nach dem Kelchende zu immer mehr ab. Die Sichelform der Platten findet man nur noch in den jüngeren festsitzenden Stadien am oralen Ende. Die Schenkel der hufeisenförmigen Platten erscheinen ventral zu geöffnet: der Innenrand ist glatt, vom äussern Rand entspringen dagegen be- reits einfach und doppelt dichotomisch gespaltene Fortsätze (Fig. 105). Die in der Medianebene dorsal liegenden sind am entwickeltsten, die seitlichen werden nach der Bauchseite zu immer kleiner, denn sie sind die zuletzt entstandenen. An den ventralen Enden setzen sich ebenfalls Kalkmassen an und bewirken, dass die Oeffnung des Huf- eisens immer enger wird, bis sie sich füglich vollständig schliesst und eine Platte entstanden ist, welche einen kreisförmigen, excentrisch nach der Bauchseite verschobenen Ausschnitt besitzt. Fig. 106 zeigt eine dem Kelche nahe gelegene Stielplatte einer 140 Stunden alten Larve, die auch ganz gut zur Dlustrirung einer aboralen Platte in einer jüngern Larve dienen könnte. Der excentrische Kreisausschnitt unterscheidet sich durch die Grösse und Form von den andern Lückenräumen der Netzplatte. Ihn durchsetzen die Fort- setzungen des gekammerten Organes und des Axialorganes. An den Rändern der Platte, die noch von dem äussern Stielrande beträchtlich entfernt sind, findet ein reges Wachsthum statt, während sich senk- recht nach beiden Seiten hin in der Längsrichtung des Stieles ver- laufende zapfenförmige Erhebungen bilden. Ich habe in der Figur die Stellen, von welchen sie auf einer Seite ausgehen, bezeichnet, und man sieht sie bereits recht zahlreich selbst am Rande der Platte sich erheben. In den ältern centralen Theilen sind sie meist etwas stärker als peripher, doch finden sich zwischen den dickern auch einzelne weniger umfangreiche, der Mitte nahe stehende vor. Auf einem folgen- den Querschnitt durch den Stiel trifft man dann ausschliesslich diese Zapfen durchschnitten ; sie erscheinen als glänzende, kreisähnliche oder auch länglich-runde Gebilde, zu einem unregelmässigen Kranze an- geordnet. Fig. 108 und 109 zeigen das Aussehen der Stielglieder bei Längsansicht der Larve und lehren, dass die peripheren Zapfen kürzer sind als die centralen. Umfangreicher entwickelt sieht man eine Stielplatte in Fig. IK Sie entstammt einer erst 110-stündigen Larve, die durch besonders reiche Kalkbildungen ausgezeichnet war. An mehrern Stellen reichen die Ränder der Platte bis an die Aussenwand des Stieles heran und sind hier nur noch von einer Membran bedeckt, ohne von Zellen über- lagert zu sein. Die ganze Platte hat siebförmiges Aussehen gewonnen 396 OSWALD SEELIGER, und ist beträchtlich dieker geworden. In dem kreisförmigen Central- canal kann man die Querschnitte von 6 Längssträngen erkennen, die oralwärts in das gekammerte Organ, beziehungsweise das Axial- organ sich fortsetzen. Die in den Poren der Platte und auswärts von ihr liegenden Mesenchym- und Ectodermzellen sind nicht eingezeichnet worden. Die zapfenförmigen Längsfortsätze sind bedeutend länger und stärker geworden. In verschiedenen Höhen gehen von ihnen Queräste aus, welche sich unter einander verbinden (Fig. 159, Taf. 21). Es lassen sich also in jedem Stielglied unterscheiden: eine Mittel- platte, von welcher die ganze Bildung ausging, und die beiden oral- und aboralwärts sich über ihr erhebenden Kalkgerüste, deren distale Enden sich verjüngen. Damit haben die einzeinen Stielstücke im Wesentlichen bereits den endgültigen Bau erreicht und haben weiterhin unter immer weiterschreitendem Wachsthum der Längszapfen und Neuauftreten von Querstücken nur an Grösse zuzunehmen. Parallel damit rücken die ursprünglichen Platten immer weiter auseinander, und der Stiel verlängert sich. Wenngleich ich auch öfters sehen konnte, dass ein oder der andere Längszapfen mit seinem Ende in den Bereich des benachbarten Stielstückes hineinragte, so habe ich doch niemals eine wirkliche Verwachsung zwischen Kalkstücken bemerkt, welche verschiedenen Platten zugehörten. Bezüglich der Entwicklung der Stielglieder bin ich im Wesent- lichen zu demselben Resultate gelangt wie Bury, und die Differenz- punkte sind lediglich auf individuelle Verschiedenheiten der untersuchten Larven zurückzuführen. Schon J. Mürzer (67) hat die Hauptzüge dieses Baues richtig erkannt und auch für Pentacrinus ein sehr ähn- liches Verhalten festgestellt. 2. Die Sacculi. In die letzte Zeit der in diesem Capitel zu besprechenden Ent- wicklungsvorgänge, 24—48 Stunden vor Oeffnung des Kelches, fällt die Entstehung der Sacculi. In der Larve bilden sich zunächst fünf solcher Körper, die identisch sind mit denjenigen, die im ausgebildeten Thiere in überaus grosser Zahl an den verschiedensten Stellen ange- troffen werden. Sie finden sich da nicht nur zu den Seiten der Ten- takelrinnen in den Pinnulen und Armen, sondern auch an der Scheibe und selbst der Darmwand. Dort sind sie von LupwiG unter dem Namen „kugelige Körper“ beschrieben worden (55). Auch in der Larve sind die 5 Sacculi von allen Beobachtern bemerkt worden. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 327 Taomson hält sie für kalkbereitende Drüsen ,,calcareous glands“ (90, p. 527); CARPENTER bezeichnet sie als „saccular (sensory?) organs“ (15, p. 230); Lupwie (57) als ,,rothbraune Körper“. PERRIER (70) nennt sie ,,corps spheriques“, Barrois (6) ,,corps jaunes“, Voar (91) endlich betrachtet sie als parasitäre Gebilde, „Zooxanthelles“, Die erste Anlage eines jeden Sacculus stellt einen kleinen Haufen Mesenchymzellen dar, der an der Aussenseite des Ringcanals, an der Basis des Mitteltentakels einer jeden Gruppe, also genau radial gelegen ist. In Querschnitten durch die Larve (Fig. 137, 143, Taf. 20) erscheint er länglich, mit seiner Innenseite auf einer längern oder kürzern Strecke der Hydrocölwand dicht anliegend. Auf unmittelbar oralwärts davon geführten Schnitten trifft man bereits den aboralen Rand des Vesti- bulums, so dass bei der Untersuchung von Querschnittsserien die Sacculi sehr leicht von diesem, also vom Ectoderm abgeleitet werden könnten. Einen vollständig deutlichen Einblick in das Auftreten der Sacculi gewähren erst Längsschnitte. Man kann in ihnen leicht das Organ bis auf einen kleinen, etwa aus 8—12 Zellen sich zusammensetzenden Haufen zurückführen, der sich von dem benachbarten Mesenchym- gewebe der Leibeswand nur durch eine dichtere Lagerung der Zellen unterscheidet. Einen bereits grössern Zellhaufen sieht man in Fig. 152 und 133, Taf. 19, durchschnitten. Vom Hydrocöl, Vestibulum und oralen Cölom ist die Anlage überall scharf und deutlich abgegrenzt; nur gegen das Mesenchym der Leibeswand zu ist auf dem einen Schnitt eine deutliche Grenze noch nicht vorhanden. Sobald aber einmal die Sacculusanlage eine bestimmte Grösse erreicht hat, was auf dem eben beschriebenen Stadium der Fall sein dürfte, treten neue Mesenchymzellen aus der Leibeswand nicht mehr in sie über, und die Organe wachsen und entwickeln sich ausschliesslich aus den sich wohl abgrenzenden Zellengruppen. Hin und wieder erscheint zwar zwischen den einzelnen Zellen ein kleiner Lückenraum, wo sich gerade die For- men nicht vollständig einander angepasst haben, aber ein eigentliches Lumen habe ich in diesen jungen Sacculis nicht angetroffen. An vielen Stellen sind die Zellen von allem Anfange an nicht vielschichtig eruppirt, sondern liegen nur in zwei Schichten über einander, so dass man auf Durchschnitten ganz das Bild eines einschichtigen, sackartigen Organes erhält, in welchem das Lumen durch Aneinanderpressung der Wände geschwunden ist. ©? Auf einem folgenden Stadium erscheinen die Sacculi etwas ver- grössert und besitzen ein deutlich nachweisbares Lumen. Es lassen 398 OSWALD SEELIGER, sich eine einschichtige Wandung und Innenzellen unterscheiden (Fig. 158, Taf. 20). Einige der letztern entstehen zweifellos durch Auswanderung aus der erstern; ob aber nicht einige der spätern Innenzellen von solchen Elementen herrühren, welche von allem Anfange an eine cen- trale Lage einnahmen, als die einzelnen Mesenchymzellen zur Bildung des Sacculus zusammentraten, oder ob sich diese zunächst ebenfalls der Wand vollständig einfügten, so dass der Sacculus auf einem be- stimmten Stadium an allen Stellen einen durchaus einschichtigen Sack darstellen würde, kann ich nicht sicher entscheiden. In dem abge- bildeten Schnitte durch das junge Organ sieht man die Wandzellen auf der innern, dem Hydrocöl zugekehrten Seite etwas grösser und dicker als auf der äussern, über welcher die Leibeswand merklich dünner geworden ist. Im Innern liegen zwei Zellen: die eine ist im Begriffe, den Fpithelverband zu verlassen, die andere hat das bereits ausgeführt, legt sich aber mit einem zugespitzten Ende zwischen zwei Wandzellen und zeigt einen sich theilenden Kern. Sämmtliche Zellen dieses Stadiums besitzen deutliche Kerne, die etwas grösser sind als in den Mesenchymzellen, sind plasmareich und zeichnen sich gegen- über den Nachbarzellen der Leibeswand durch stärkere Färbbar- keit aus. Noch vor Durchbruch des Kelches sind die Innenzellen beträcht- lich zahlreicher geworden. Kerntheilungen sieht man häufig nament- lich in den Wandzellen, und die Spindelfiguren sind meist nahezu senkrecht zur Oberfläche des Sacculus gerichtet, was darauf hinzu- deuten scheint, dass die Zelltheilungen in gleicher Richtung erfolgen werden. Es erscheint nunmehr das Gebilde (Fig. 156 A) als ein stärker gefärbter, wohl abgegrenzter Zellenhaufen, dessen einzelne Elemente ver- schieden gross, meist rundlich geformt sind und zwischen sich Lücken- räume der frühern Sacculushöhle einschliessen. Schon auf diesem Stadium scheinen mir einige Innenzellen im Begriffe zu sein zu zer- fallen, worauf ich noch im folgenden Capitel werde zu sprechen kom- men müssen. Eine physiologische Bedeutung dürften die Organe jetzt noch kaum besitzen. Um festzustellen, wie sich die später auftretenden Sacculi in den Armen entwickeln, habe ich noch die in Bildung begriffenen Pinnulae auf einer sich regenerirenden Armspitze untersucht. Es liegt mir fern, hier eine eingehende Beschreibung des Vorganges zu geben, der zum Theil schon von frühern Autoren untersucht wurde (69); nur will ich bemerken, dass die Bildung der Sacculi in einer der Embryonalent- wicklung vollständig entsprechenden Weise verläuft. Es sind auch hier Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 329 ad einzelne Gruppen von Mesenchymzellen, welche zu den Sacculis zu- sammentreten. Perrier (69), der den Bau der Sacculi im ausgebildeten Thiere einer sehr sorgfältigen Untersuchung unterzogen hat, spricht sich über die Entwicklung nur mit wenigen Worten aus. Er hat zwar nicht die Entstehung der fünf ersten Sacculi der jungen Larve, sondern nur die der spätern in den sich bildenden Armen beobachtet, aber es ist zu erwarten, dass die Vorgänge die nämlichen sein werden. Aus seinen Angaben scheint hervorzugehen, dass es auch da einzelne zusammen- tretende Mesodermzellen sind, welche die Organe bilden. Ausdrücklich erwähnt er, dass er nichts bemerkt habe, was auf einen parasitären Ursprung der Sacculi hinweisen würde. Zu einem ganz abweichenden Ergebnisse gelangte BArroıs. Er beschreibt, wie die Sacculi als 5 blindsackförmige Ausstülpungen der äussern Wand des Wassergefässringes entstehen, welche sich später loslösen. Indem er sich über ihre physiologische Bedeutung eines Ur- theils enthält, vergleicht er sie morphologisch „aux cinq vésicules qui existent à un stade correspondant tout autour de l’anneau aquifere de jeunes Synaptes d’auriculaires“ (6, p. 615). Abgesehen davon, dass ich nicht klar sehe, welche Ausstülpungen bei Synapta gemeint sind, kann ich einer derartigen Homologie schon deshalb nicht zu- stimmen, weil die Sacculi zweifelsohne nicht aus Ausstülpungen des Hydrocölcanals hervorgehen. Barroıs hat sich durch die nahe Lage- rung der Organe am Hydrocölringe täuschen lassen. In gut conser- virten Präparaten zeigen aber sämmtliche Schnitte jederzeit beide Gebilde deutlich geschieden. Endlich hat Bury namentlich die spätern Entwicklungsstadien der Sacculi eingehend behandelt. Obwohl er es nicht besonders aus- spricht, scheint er doch der Ansicht zu sein, dass sie aus Mesenchym- zellen hervorgehen, da er auf die Aehnlichkeit der Kerne in beiden Zellenarten hinweist (9, p. 285). Jedenfalls spricht er sich aber mit vollster Bestimmtheit gegen die parasitäre Natur dieser Gebilde aus, welche besonders von Vocr vertheidigt wurde. 3. Das Bindegewebe. In diesem Abschnitte will ich auf die übrigen Mesenchymzellen der Larve verweisen, welche weder die Bildung der Kalktafeln veran- lasst haben, noch zu den Sacculis zusammentreten, indem ich sie 330 OSWALD SEELIGER, unter der Bezeichnung „Bindegewebe“ zusammenfasse. Eine scharfe Grenze gegen die kalkbildenden Zellen lässt sich aber nicht ziehen. Es ist unmöglich, zu entscheiden, welche von den die Poren der ver- schiedenen Kalkplatten durchsetzenden Zellen und Zellensträngen aus- schliesslich als Bindegewebe zur Füllung der Lückenräume und Be- festigung der einzelnen Stücke dienen und welche anderseits wieder nur kalkabsondernd functioniren. Im Allgemeinen dürften, wie ich oben schon bemerkt habe, die mehr rundlich geformten Mesenchym- zellen (Fig. 154, Taf. 20) diese letztere Bedeutung besitzen. Dagegen halte ich es für gar nicht unwahrscheinlich, dass auch die verästelten oder spindelförmigen Zellen im Stiele, die sich zwischen den Kalk- gerüsten hinziehen, beide Functionen ausüben. Wie ich bereits im ersten Abschnitte dieses Capitels auseinander- gesetzt habe, verbinden sich die unter dem Eetodermepithel gelegenen Mesenchymzellen unter mannigfachen Formveränderungen mit jenem und stellen ein einheitliches Gewebe dar, in welchem beide ursprüng- lichen Keimschichten nicht mehr zu unterscheiden sind. Nur aus der Lage kann man schliessen, dass die tiefer liegenden Zellen dem Mesenchym entstammen (Fig. 146, 155, Taf. 20), die äussern, die oft spindelförmig sind und zur Oberfläche senkrecht stehen, dem Ecto- derm zugehören. Je mehr die Kalktafeln sich ausdehnen, desto mehr schwinden die tiefern Lagen der Leibeswand als selbständige Schichten, um sich zwischen die Lückenräume der Kalkskelete einzusenken und wahrscheinlich weiterhin auch an der Vergrösserung der Platten zu betheiligen. Im Kelche sieht man dann in ältern Larven über den stark verdickten Kalktafeln überhaupt nur noch eine Schicht meist senkrecht zur Oberfläche gestellter Ectodermzellen, während alle sub- epithelial gelegenen von den Kalkbildungen umgeben werden. Nur in den Radien, zwischen den Platten bewahrt die Leibeswand länger ihr ursprüngliches Aussehen. Für den Stiel ergiebt sich schon aus der oben gegebenen Dar- stellung des Kalkskelets das Schicksal der Mesenchymzellen. Eine selbständige, mehrschichtige, weiche Leibeswand über den Kalktafeln wird durch deren Ausdehnung unmöglich, da sie sich selbst so weit ausbreiten können, dass ihre äussersten Ränder bis dicht unter die Cuticula gelangen und überhaupt nicht mehr von Zellen be- deckt werden (vergl. Fig. 111, Taf. 18). Im Bereiche der über den Stielplatten sich erhebenden Kalkgerüste tritt die zellige Leibeswand wieder hervor. Zunächst, nahe den Platten, sind es nur die spindel- formigen Ectodermzellen, welche seitlich aus den Gerüsten heraus- Studien zur Entwicklungsgeschiehte der Crinoiden. 331 ragen, an den distalen verjiingten Enden dieser letztern aber besteht die weiche Leibeswand auch ausserhalb des Kalkwerkes aus Mesen- chymzellen. Nur zwischen den einzelnen Stielgliedern trifit man jedoch die Mesenchymzellen zahlreicher an, wo sie die Verbindung derselben vermitteln und später die Intercalargewebe bilden. Im Mesenchym des Stieles kann man zwischen den mannigfach seformten Zellen auch Bindegewebsfibrillen auffinden. Zum Theil mögen sie auf die nämlichen Gebilde zurückzuführen sein, die wir bereits in der frei schwimmenden Larve angetroffen haben, zum Theil erst spätern Ursprungs sein. Was aber die Fasern anbelangt, die ich in der freien Larve als musculös in Anspruch genommen habe, so weiss ich über ihr Schicksal nichts anzugeben. Nur ist es wahr- scheinlicher, dass sie aufgelöst worden sind, als dass ich annehmen würde, sie könnten auch in dem in seinem ganzen Baue wesentlich veränderten Körper der festsitzenden Larve in zweckentsprechender Weise weiter functioniren. Dazu kommt noch, dass ich Muskelfasern im Mesenchym der jungen festsitzenden Larven überhaupt nicht habe nachweisen können; aber sie waren auch früher von Bindegewebs- elementen kaum sicher zu unterscheiden. Jedenfalls könnte es sich aber nur um vereinzelte Fasern handeln, denn die spätere Musculatur entsteht in selbständiger Weise. Viertes Capitel. Die gestielte Larve nach Durchbruch des Vestibulums bis zum Auftreten der Armanlagen. (Taf. 21 und 22.) (Beschreibung der Larve vom fünften Tage bis zur sechsten Woche nach Sprengung der Eimembran.) Die Larvenformen, welche in diesem Capitel besprochen werden sollen, zeichnen sich durch den schärfer ausgeprägten Gegensatz des fünfstrahlig sich gestaltenden Kelchabschnittes in dem beträchtlich in die Länge gestreckten cylindrischen Stiel äusserlich sofort aus. Im Kelche ist das Vestibulum nach aussen zum Durchbruch gelangt, und in demselben erheben sich 25 in 5 Gruppen zu je 5 angeordnete Ten- takel, welche die Mundöffnung umgeben, während die eigentlichen 332 OSWALD SEELIGER, Arme noch nicht aufgetreten sind. Zur Zeit des Vestibulardurch- bruches haben die festsitzenden Larven am fünften Tage eine Länge von ungefähr 11/, mm erreicht. Die letzten Stadien, die ich fünf Wochen nach dem Freiwerden der Embryonen untersuchte, massen von der Festheftungsscheibe bis zu den äussersten Tentakelspitzen gegen 5'/, mm; ungefähr 21/, mm kamen davon auf den Stiel. Be- stimmte Grössenangaben über den Kelch bereiten insofern einige Schwierigkeiten, als er seine Form ausserordentlich verändern kann, Bei glockenförmiger Gestalt und ausgestreckten Tentakeln, wie es in Fig. 160, Taf. 21 abgebildet ist, besitzt er von der Basis bis zu den Tentakelspitzen eine Länge von ungefähr 0,8 mm; flacht sich dagegen der’ Kelch scheibenförmig ab, wie es Fig. 161 zeigt, so misst er im Durchmesser 0,5 bis 0,6 mm, die Tentakel nicht mitgerechnet. Solche Stadien sind bereits häufig untersucht worden, aber selbst über ihre gröbern anatomischen Verhältnisse herrschen zahlreiche Con- troversen, so dass eine Nachuntersuchung mir nicht überflüssig er- schien. Als neu werde ich hauptsächlich nur histologische Einzel- heiten hinzufügen können. Der Erste, welcher Larven dieses Stadiums beobachtet hat, war THOMPSON (88). Er beschreibt sie nur mit wenigen Worten als kolben- förmig, nicht einmal !/,“ lang und fasste sie ganz richtig als Jugend- formen des von ihm entdeckten Pentacrinus europaeus auf, ohne aller- dings die wahre Bedeutung des letztern zunächst noch zu kennen. Erst später (39) beobachtete er die Umbildung des Kelches zur Comatula. Die erste ausführlichere Untersuchung unseres Stadiums, die sich nament- lich auf das Kalkskelet bezog, hat erst weit später ALLMAN (2) ge- geben, so dass W. B. CARPENTER die Larven mit 25 Tentakeln kurz- weg als „ALLMAN’sS stage“ bezeichnet. Nicht unerwähnt möchte ich es lassen, dass vor ALLMAN bereits Dusarprn (25) in fig. 13, tab. I ein Larvenstadium der Comatula abgebildet hat, welches unzweifelhaft dieser Entwicklungsperiode angehört. Eine Beschreibung wird aber nicht gegeben, nur findet sich auf p. 196 die Bemerkung, dass er be- reits 1835 diese Larve entdeckt und gezeichnet hätte, und dass sie wahrscheinlich ein jiingeres Stadium des Pentacrinus europaeus dar- stelle. Bald darauf hat dann W. Tomson in seiner bekannten Arbeit (90) diese von ihm als „Pentacrinoidlarven“ bezeichnete Jugendform in ihrer weitern Entwicklung verfolgt. Seine Angaben sind aber nur, insoweit sie die Skeletbildung betreffon, einigermaassen zuverlässig. Schon im folgenden Jahre erfuhr die Entwicklung des Kalksystems der Larve von Seiten W. B. CArPENTER’s (14) eine umfassende und ——— Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 333 geradezu gliinzende Behandlung, die bis auf den heutigen Tag muster- gültig geblieben ist. Bald darauf hat M. Sars (77) das noch arm- lose Larvenstadium von Antedon sarsii (Alecto) beschrieben und ab- gebildet, welches dem in diesem Capitel für Antedon rosacea darge- stellten vollständig entspricht. Die Erforschung der Weichtheile der Larve bereitete grössere Schwierigkeiten. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre erschienen die Mittheilungen von GREEFF (34—36), CARPENTER (15, 16) und Lupwia (57), die wesentliche Fortschritte in der Kenntniss des Baues der Crinoidenlarve bezeichnen. Eine sehr eingehende Behandlung er- fuhr die Anatomie und Histologie dieser Stadien später durch PERRIER (70), der für diese Larven den Namen ,,Cystideenstadium“ einführte, eine Bezeichnung, die weiten Eingang gefunden hat. Wenn ich den- noch vermeide, diese Bezeichnung hier anzuwenden, so geschieht dies, weil meiner Ueberzeugung nach die betreffenden Entwicklungsstadien der Comatula keineswegs mehr palingenetisch die Cystideenform wieder- holen. Im Schlusscapitel werde ich das noch näher begründen und darauf hinweisen, dass das Skeletsystem der Larve bereits den aus- gebildeten strahligen Typus der alten fossilen Eucriniden deutlich er- kennen lässt. Somit blieben, da wir über die innere Organisation der Cystideen nichts wissen, nur die Armlosigkeit der Larve und die Lage des Afters als Vergleichungspunkte bestehen, die aber schon deshalb keine durchschlagende Bedeutung besitzen können, da sie allgemeingültige Merkmale der Cystideen nicht bilden. Von den Forschern, welche nach PERRIER die Comatulaentwick- lung studirt haben, hat namentlich Bury die Bezeichnung „Cystideen- stadium“ aufgegriffen, während sie BArrois vermeidet. Endlich hat sich noch SEMON (83) mit den Comatulalarven dieses Alters be- schäftigt und sie als ,,Pentactulalarven“ bezeichnet. Ein der „Crinoiden- pentactula“ vollkommen ähnliches Stadium glaubt er auch bei den übrigen Echinodermen vorhanden und hält es für ein palingenetisches, welches ziemlich genau die letzte noch allen Stachelhäutern gemein- same Vorfahrenform wiederbole. Bezüglich des Kalkskelets könnte aber allerdings die palingenetische Bedeutung der Crinoidenlarve nicht zutreffen, denn SEMON stellt jede Homologie der Platten in den ver- schiedenen Echinodermenclassen in Abrede und ist der Ansicht, „dass die Stammform noch kein festgewordenes Skelet besessen hat, viel- leicht einen Stützapparat der Tentakel um den Mund oder zer- streute Platten, Spicula oder Rädchen in der Haut“ (l. c., p. 284). Ich beabsichtige nicht, hier eine Behandlung der Frage nach der Homo- 334 OSWALD SEELIGER, logie der Kalkplatten zu versuchen, nur möchte ich auf den Wider- spruch hinweisen, in welchen sich Semon verwickelt hat, wenn er einerseits jede Homologie des Kalkskelets in Abrede stellt, anderer- seits aber nicht eindringlich genug den palingenetischen Charakter der in der ontogenetischen Entwicklung auftretenden und die letzte gemeinsame Vorfahrenform aller Echinodermen treu wiederholenden „Pentactula“ betonen kann, wie unter anderm folgende Stelle beweist, die ich im Wortlaut hersetze: „Wenn ich hier eine Urform der Echino- dermen als gemeinsamen Urtypus aufstelle und den Nachweis ver- suche, dass aus dieser Stammform sich die einzelnen Classen diver- gent entwickelt haben, nicht, wie man bisher immer angenommen hat, eine aus der andern, so bin ich in der glücklichen Lage, diesen Ur- typus nicht als ein aus den wesentlichen Merkmalen der Echino- dermenorganisation zusammengestelltes Schema künstlich construiren zu müssen, sondern ich finde ihn lebend als die Jugend- form aller Classen, eine Jugendform, von der durchaus kein Grund vorliegt, sie in irgend einer wesentlichen Beziehung für ceno- genetisch verändert zu halten‘ (p. 241). I. Das Eetoderm. 1. Das Ectoderm der Leibeswand. Während in der im vorhergehenden Capitel behandelten Entwick- lungsperiode der Porus die einzige Oefinung in der äussern Leibes- wandung darstellte, treten auf diesem Stadium zwei neue auf, da einmal das Vestibulum nach aussen durchbricht und zweitens, allerdings erst später, der After sich bildet. Die Entstehung des letztern wird in dem den Darmcanal behandelnden Abschnitte besprochen werden. Schon in den zuletzt beschriebenen Stadien fanden wir die das Vestibulum bedeckende hintere Leibeswand beträchtlich dünner ge- worden. Indem sich die letztere immer mehr abflacht und in der Mitte trichterförmig einsenkt, kommt ihre äussere cuticulare Grenz- fläche an einer zunächst eng begrenzten Stelle mit dem innern Platten- epithel des Vestibulardaches zur Verwachsung, und bald zeigt sich daselbst eine Perforation. Diese vergrössert sich rasch zu einer läng- lich-runden Oefinung, die gross genug ist, um den längsten Tentakeln den Durchtritt zu gestatten (Fig. 159, Taf. 21). Schon bei dem Hin- weis auf Fig. 125, Taf. 19, erwähnte ich im vorigen Capitel, dass gelegentlich mit dem eben beschriebenen Vorgang eine theilweise tés U U Zu Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 335 Auflösung von Mesenchymzellen verbunden sein kann, obwohl ich -allerdings nicht weiss, ob solche Stadien zu einer weitern Entwicklung fähig sind. Niemals aber findet etwa ein Abwerfen aufgelöster Ge- webstheile statt, sondern, wo überhaupt eine theilweise Auflösung sich vollzieht, tritt Resorption durch die Nachbargewebe auf. In ältern Larven, etwa vom 8. bis 10. Tage, findet man die Durchbruchsstelle des Vestibulums beträchtlich verändert. Von der ursprünglichen centralen Oeffnung erstrecken sich fünf radiär verlau- fende Einschnitte zwischen die vergrösserten Oralplatten und beginnen das Vestibulardach in 5 Lappen zu theilen. Die Einschnitte schreiten allmählich bis in die Nähe der Region des Hydrocölringes vor, und die 5 Lappen sind damit zu den dreikantigen, durch die Oralia ge- stützten Munddecken geworden, die aus den ältern Darstellungen be- kannt sind. Sie können bald nach innen geschlagen werden und das Vestibulum mit den Tentakeln überdecken, bald wieder nach aussen zu sich ausbreiten, so dass der Kelch scheibenförmige Gestalt an- nimmt. Schon ALLMAN, THOMSON und CARPENTER haben derartig verschiedene Kelchformen beschrieben und abgebildet, so dass ich mich hier darauf beschränken darf, auf meine beiden Zeichnungen, Fig. 160, 161, Taf. 21, zu verweisen. Nur möchte ich schon an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, was weiter unten eine ausführlichere Begründung erfahren wird, dass die Bewegung der Munddecken nur durch die besondere Art der Muskelanordnung in den Hydrocül- wandungen sowohl des Ringcanals als der Tentakel ermöglicht wird. In histologischer Beziehung hat das Ectoderm nur unbedeutende Veränderungen erfahren und zeichnet sich so wie schon früher durch die Vereinigung mit dem Mesenchym zu einem einheitlichen Gewebe aus. Der protoplasmatische Zellkérper erscheint noch etwas mehr rück- gebildet als in frühern Stadien, die Zwischensubstanz dagegen umfang- reicher entwickelt. Um manche Kerne ist das Plasma auf eine äusserst dünne Schicht beschränkt, welche sich entweder faden- und spindelförmig nahezu senkrecht zur Oberfläche auszieht oder in mehrern sehr feinen, pseudopodienähnlichen Fortsätzen ausstrahlt. In andern Fällen ist der Plasmakörper noch umfangreicher erhalten, zeigt aber ähnliche Formen, wie sie eben beschrieben wurden. Die ver- zweigten Fortsätze verschiedener Zellen können sich unter einander und mit den Mesenchymzellen verbinden und erzeugen dann ein Plasmanetz, welches die siebförmigen Kalkplatten des Kelches durch- setzt (Fig. 169, Taf. 21). Nicht alle Kerne der Ectodermzellen erhielten sich lebensfähig. 336 OSWALD SEELIGER, Neben solchen, welche die typischen Formen des Ruhestadiums zeigen, findet man im Plasmanetze einige andere, welche deutlich in Auf- lösung begriffen sind. Es lässt sich bei den tiefer liegenden allerdings nicht unterscheiden, ob sie ursprünglich dem äussern Blatte oder dem Mesenchym zugehörten. Die Degenerationserscheinungen äussern sich in verschiedener Weise. Einmal in einer steten Schrumpfung des Kernes und steter Abnahme des Chromatins; dann erscheinen die Kerne klein und blass mit undeutlichem Contour, die Chromatinkörner fehlen entweder gänzlich, oder es lassen sich noch einzelne unregel- mässige Brocken wandständig nachweisen. Anderseits sah ich hin und wieder einen auffallend grossen Kern, gleichmässig schwach ge- färbt ohne Chromatinkörner oder Chromosomen, dagegen Vacuolen oder accessorische Einschlüsse enthaltend, stets von einem nur spärlichen Plasmakörper umgeben. Allerdings bin ich ausser Stande, zu be- stimmen, ob es sich bei diesen Vorgängen etwa nur um abnormale senile Degeneration handelt, die in Folge ungünstiger Bedingungen bei den in den Aquarien sich entwickelnden Larven eintrat, während sie in der normalen Entwicklung fehlt. Bei meiner Abreise von Triest erwiesen sich die 5—6- wöchentlichen Larven vollständig lebenskräftig; sie scheinen sich noch 2—3 Wochen erhalten zu haben, ohne in ihrer Entwicklung wesentlich weiterzuschreiten, gingen aber später, wie mir Herr Dr. GrRÄFFE mittheilte, sämmtlich zu Grunde. Uebrigens waren es immerhin nur vereinzelte Kerne, welche sich in Rückbildung begriffen zeigten, so dass dieser Vorgang als irgendwie für die Entwicklung bedeutungsvoll nicht auffallen konnte. Jedenfalls aber findet eine Vermehrung der Kerne durch Theilung in dieser Entwicklungsperiode nur in allerbeschränktestem Maasse statt, und nur ganz vereinzelt habe ich Bilder gesehen, welche ich auf einen sich einleitenden Kerntheilungsvorgang beziehen konnte. Da aber während dieser Zeit die Oberfläche um ein Bedeutendes sich ver- grüssert, so folgt nothwendiger Weise, dass die Zellen immer weiter von einander abrücken und die Kerne in immer spärlicherer Ver- theilung sich zeigen. Dies erkennt man deutlich, wenn man einige Abbildungen verschiedener Stadien daraufhin vergleicht, etwa Fig. 114 mit Fig. 132—134, Taf. 19, weiterhin Fig. 155, Taf. 20, und endlich Fig. 169 auf Taf. 21. In diesem letzten Stadium zeigt z. B. ein optischer Durchschnitt durch eine Munddecke etwa nur ein halbes Dutzend Ectodermzellen. Bei der Betrachtung des lebenden Objects fallen in der äussern Leibeswand und vereinzelt auch im Tentakel-Ectoderm gelb gefärbte Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 337 Zellen auf. Im Uebrigen gleichen sie vollständig den farblosen Zellen, -aus welchen sie hervorgegangen sind, nur schien es mir, dass sie bei der Behandlung mit Reagentien, mit Alcohol und Sublimat, leichter schrumpfen und die spindelförmige Gestalt verlieren als die andern Ectodermzellen. Ich schliesse mich also Bury vollständig an, wenn er sich gegen die Auffassung erklärt, dass diese Zellen parasitäre Algen seien. Ob sie mit den gelben Zellen der freischwimmenden Larven und Embryonen identisch sind, weiss ich nicht sicher anzu- geben, obwohl ich es für sehr wahrscheinlich halte. Die sich über die Oberfläche erhebenden keulenförmigen Fortsätze, die ich dort als Secrete gedeutet habe, sah ich in diesen Larven nicht mehr. So wie im Kelche zeigen sich auch im Stiele die histologischen Verhältnisse des Ectoderms gegenüber der vorhergehenden Entwick- lungsperiode nur wenig verändert. Der in Fig. 171, Taf. 21, abge- bildete Querschnitt durch den dem Kelche benachbarten Stielabschnitt zeigt wiederum eine Anzahl spindel- und fadenförmiger Ectoderm- zellen, welche fast senkrecht zur Oberfläche gerichtet sind. Dazwischen liegen einige sternförmige, und eine scharfe Abgrenzung vom Mesen- chym ist nicht vorhanden. Die gesammte Aussenfläche ist von einer glashellen Cuticula begrenzt, die an der Basis des Stieles eine be- deutende Mächtigkeit erlangen kann. PERRIER war der Erste, welcher sich eingehend mit der Histo- logie dieser Larvenstadien beschäftigt hat. Für die aborale Körper- seite des ausgebildeten Thieres, welche sich in histologischer Be- ziehung ganz ähnlich zu verhalten scheint wie die Aussenwand der Larve, hatte er bereits früher (69) eine zutreffende Abbildung gegeben. Es war ihm aber entgangen, in welcher Weise die ursprünglich zu einem einschichtigen Epithel angeordneten Ectodermzellen nach der Festsetzung der Larve sich mit dem Mesenchym zu einem Gewebe vereinigen. Dieses lässt er aus bindegewebsartigen „corpuscules“ be- stehen, auf welche aber — wenn ich seine Auseinandersetzungen richtig verstanden habe — die herkömmlichen Begriffe von Zelle und Kern nicht recht anwendbar sein sollen. Dass die Crinoidenentwicklung in histogenetischer Beziehung manche Besonderheiten bietet, geht aus der bisherigen Darstellung zwar hervor, wenn aber PERRIER (p. 144) sagt: „nous verrons d’ailleurs.... que, chez les Comatules, la classi- fication des éléments anatomiques, telle qu’on la présente pour les animaux supérieurs, est loin de se laisser aisément appliquer“, so gilt Zool, Jahrb, VI. Abth, f, Morph, 29 338 OSWALD SEELIGER, dies nicht in dem weiten Sinne, in welchem man es nach seiner Auf- fassung der „corpuscules“ vermuthen müsste. — Ferner beschreibt PERRIER Muskelemente von ganz eigenthümlichem Bau (p. 145), die er als éléments contractiles bezeichnet. Sie sollen an der Aussen- seite der Mundlappen liegen, von der Basis bis zur halben Höhe sich erstrecken und beim ersten Anblick wie ein Sphincter erscheinen, der sich aus Transversalfibrillen zusammensetze, um die Munddecken zu bewegen; „mais une observation plus attentive montre qu’il ne s’agit pas la de fibres musculaires ordinaires“, fügt er hinzu. Ich will die ausführliche Beschreibung, die PERRIER von den fraglichen Elementen giebt, hier nicht erst wiederholen und nur hervorheben, dass er sie als nicht sehr verschieden von den spätern Muskeln der Arme be- zeichnet, welche die normale Muskelform bei den Comatulen dar- stellten. Aus meiner oben gegebenen Beschreibung geht hervor, dass ich derartige Muskelelemente nicht bemerkt habe, und dass die Be- wegung der Mundlappen in ganz anderer Weise erfolgt, wird sich weiter unten noch zeigen. Ich glaube, dass es sich hierbei lediglich um sternförmige Zellen der Leibeswand handelt, die von PERRIER als contractile Elemente gedeutet werden. Ich habe sie aber niemals zu einem derartigen System von Ringfasern sich aneinanderschliessen sehen, wie es PERRIER beschreibt. Nach PERRIER hat sich wohl nur Bury mit der Histologie des Ectoderms beschäftigt und namentlich die Aboralwand im ausgebil- deten Thiere beschrieben, da dort die gleichen Verhältnisse angetroffen würden. Sehr richtig betont er wie schon PERRIER die Abwesenheit eines äussern Plattenepithels in der Larve, aber es ist doch zu weit gegangen, wenn er sagt: „the whole exterior.... remains entirely destitute of ectodermal covering, and this I believe to be equally true of the adult‘ (9, p. 283). Die Abbildung, in welcher er die äussere Leibeswand darstellt (fig. 41, tab. 46) stimmt insofern nicht ganz mit meinen Befunden überein, als in ihr die Kerne frei in der /wischensubstanz zu liegen scheinen, während ich sie im den Resten des protoplasmatischen Zellkörpers eingeschlossen sehe und einen Theil der aus dem ursprünglichen Ectodermepithel stammenden Elemente auch auf diesem Stadium noch in unveränderter Lage antrefle, aller- dings in spindelförmiger oder fadenähnlicher Gestalt, senkrecht zur cuticularen Membran stehend. Nach der vorhergehenden Darstellung brauche ich nicht besonders zu begründen, dass Semon den Bau der Leibeswand der Larve falsch aufgefasst hat, wenn er sagt: „das Ectoderm des übrigen Körpers (mit ES Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 339 Ausnahme nämlich der Nervenbahnen) ist auf diesem Stadium schon in hohem Grade abgeflacht und zu einer scheinbar structurlosen Cu- ticula geworden, die Scheibe und Tentakel überzieht“ (83, p. 275). Die scheinbare Cuticula ist eine wirkliche Cuticula, und das wirkliche Ectoderm hat SEMON völlig übersehen. 2. Die Vestibularauskleidung und das Nervensystem. Am Ende der letzten Entwicklungsperiode konnten wir an der ectodermalen Vestibularwand drei Theile unterscheiden: einen hintern und äussern, der ein Plattenepithel darstellte, zweitens die vordere Basalwand, die in den Oesophagus übergeht, und drittens die äussere Schicht der Tentakel, welche sich aus der Randzone der Basalfläche entwickelt. Die weitere histologische Differenzirung verläuft in allen drei Abschnitten überaus verschieden, und dazu kommt die Entwick- lung des Nervensystems am äussern Rand der Basalwand. a) Das Plattenepithel des Vestibulums. Schon aus der gegebenen Darstellung der Entwicklung der fünf Kelchdecken aus dem Dache des Vestibulums folgt, dass deren Platten- epithel die Innenflächen der Munddecken begrenzen muss. Wenn bald pach dem Durchbruche des Vestibulums die 5 Radiäreinschnitte auf- treten, kann man das Plattenepithel noch stets als solches nachweisen. Allmählich aber verwandelt es sich über grosse Strecken hin in eine kernlose Grenzmembran. Ob die Kerne einfach aufgelöst werden oder in die Tiefe treten, vermochte ich nicht sicher zu entscheiden; das letztere halte ich aber für wahrscheinlicher, da ich an manchen Stellen, bevor eine homogene Grenzmembran ausgebildet war, eine vollständige Verschmelzung des ectodermalen Plattenepithels mit dem Mesenchym habe eintreten sehen, wobei dann der Ectodermzellkern mit dem äusserst spärlichen ihn umgebenden Plasma mit einem Fortsatze einer Mesen- chymzelle verbunden war. Anderseits aber habe ich noch in den ältesten Larven, die ich überhaupt habe erlangen können, auf manchen Stellen der innern Seiten der Munddecken ein Plattenepithel nach- zuweisen vermocht (Fig. 169, Taf. 21), welches sich in eine kernlose Membran continuirlich fortsetzte, die wohl aus der Umbildung eines solchen Epithels hervorgegangen sein muss. Ob in noch ältern Larven an der Innenseite ausschliesslich eine Membran sich ausbreitet, kann ich natürlich nicht bestimmen; es ist aber gewiss nicht unwahrschein- lich, dass die einmal eingeleitete Umbildung des ursprünglichen Platten- 22 * 340 OSWALD SEELIGER, epithels in diesem Sinne weiter vorschreitet und zum Abschlusse gelangt. PERRIER lässt die Innenseite der Mundlappen, sowie die äussere von einer einfachen Membran begrenzt sein und zwar bereits in so jungen Stadien, in welchen ich ein deutliches Plattenepithel innen un- zweifelhaft habe nachweisen können. Die Bedeutung des letztern hat er nicht erkannt, da er bereits in den jüngern Larven im Dache des Vestibulums Ectoderm und Mesenchym nicht mehr unterscheiden konnte. Später hat auch Bury gleich ihm eine völlige Verschmelzung beider Keimblätter beschrieben und zwar ebenfalls für so junge Stadien, in welchen ich noch eine deutliche Trennung sah. Ich erkläre diesen Gegensatz aus dem nicht ganz geeigneten Conservirungszustand des Materials, mit welchem meine Vorgänger gearbeitet haben. Nach innen zu setzt sich das Plattenepithel in die Aussenwand der Tentakel fort und zwischen diesen letztern in den Boden des Vestibulums, wo ein ganz anderer histologischer Bau inzwischen sich herausgebildet hat. Nach aussen zu geht es am Rande der Mund- decken direct in die vom Ectoderm der äussern Leibeswand abge- sonderte Cuticula über (Fig. 169). b. Die Mundscheibe. Die Basalwand des Vestibulums, die sich zwischen den Tentakel- basen ausbreitet und in den Oesophagus führt, erfährt nach der Oeffnung des Kelches eine beträchtliche Abnahme ihrer Dicke, indem sie sich gleichzeitig über eine grössere Fläche ausdehnt. Dabei ver- schieben sich die Kerne, die wir früher in mehrschichtigen Lagen sahen, in der Art, dass sie nunmehr ziemlich in einer Fläche liegen. Am stärksten vollzieht sich die Abflachung am Rande, so dass der Hydrocülring auf seiner innern Seite nur noch von einem ganz feinen Plattenepithel überdeckt wird. Dieses verläuft in verticaler Richtung, biegt am aboralen Rande des Hydrocölringes in die sich horizontal ausbreitende Mundscheibe um, indem es gleichzeitig seine histologische Beschaffenheit allmählich ändert. Zunächst werden die Zellen cubisch, dann in der Nähe des Mundes zu höhern Prismen und tragen an der Aussenseite Flimmern, welche mit ihrem Basalende in einen hellen cuticularen Randsaum eingebettet erscheinen (Fig. 174, Taf. 21 und 175, Taf. 22). Im conservirten Materiale konnte ich die Flimmern nicht mehr überall nachweisen; sie sind am leichtesten der Zerstörung ausgesetzt. Im unmittelbaren Umkreise um den Mund gleicht das Epithel voll- kommen dem des Oesophagus, in welches es ohne deutliche Grenze Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 34] übergeht. Bei den verschiedenen Contractionszuständen des Kelches wird diese Uebergangszone bald als Oesophaguswand mit in die trichter- förmige Einstülpung einbezogen, bald wieder als circumorales Scheiben- epithel horizontal ausgebreitet. Im Gegensatze zur aboralen Seite der Larve bewahrt also die orale, aus der Basis der Vestibulareinstülpung hervorgegangene den epithelialen Charakter des Ectoderms. Barroıs hat den von ihr be- erenzten Raum als Intratentacularraum oder secundäres Vestibulum bezeichnet. Wenn bei der weitern Entwicklung die Arme sich aus- bilden, ist es das Epithel desselben, welches über die gesammte Bauchseite nicht nur der Scheibe, sondern auch der Ambulacralregion der Arme sich ausbreitet und dort überall seine histologische Beschaffen- heit im Wesentlichen bewahrt. In einigen der ältesten Larven habe ich das cylindrische Epithel der Mundscheibe bis dicht an den Wassergefässring herantreten sehen (Fig. 165, 168, Taf. 21), ohne dass eine breitere, den allmählichen Uebergang zum Plattenepithel vermittelnde Zwischenzone sich eingeschoben hätte, wie es bei andern sich deutlich nachweisen lässt (vgl. Fig. 174, Taf. 21). Ich nehme an, dass sich damit die eben erwähnten weitern Ent- wicklungsvorgänge einleiten, die mit der Ausdehnung des Cylinder- epithels beginnen. Dies kann natürlich nur dadurch zu Stande kommen, dass die stark abgeflachten Zellen plasmareicher werden und sich auf ein ähnliches Formstadium zurückverwandeln, auf welchem ihre Ahnen- zellen zur Zeit des geschlossenen Vestibulums gestanden haben. Ueber die Mundscheibe hat zuerst BArroıs die Angabe gemacht, dass sich dieselbe aus Cylinderzellen zusammensetze, dass sie sich trichterförmig einstülpe und grösstentheils zum Oesophagus werde, Bury hat sich ihm hierin später angeschlossen und noch die Be- wimperung erwähnt, die sich bereits in den Abbildungen PERRIER’S findet, der die Mundscheibe dem Oesophagus zurechnet. c) Das Nervensystem. Vollkommen unabhängig von dem Nervensystem der freischwimmen- den Larve bildet sich der Nervenring in der gestielten Form, der dem ausgebildeten Thiere erhalten bleibt. Sein erstes Auftreten konnte ich erst spät beobachten, lange Zeit nachdem der Vestibulardurch- bruch erfolgt ist, in den Larven der vierten Woche. Er bildet sich aus dem Ectoderm der ursprünglichen Vestibulareinstülpung an der Stelle, an welcher die Mundscheibe in das Tentakelepithel übergeht. In den Längsschnitten (Fig, 174, Taf. 21) fällt diese Region bald durch 342 OSWALD SEELIGER, die höhern Ectodermzellen und ihre näher aneinandergerückten Kerne gegenüber dem flachen Nachbarepithel auf. In Fig. 165, Taf. 21, habe ich einen Teil eines Längsschnittes durch eine ältere Larve bei etwas stärkerer Vergrösserung gezeichnet, woraus die Lage des Nervenringes klar hervorgeht. Er liegt dicht über der Stelle des Hydrocölringes, welche — wie weiter unten erörtert werden wird — durch die äusserst kräftigen Ringfibrillen ausgezeichnet ist. Contrahiren sich dieselben, wenn der Kelch sich schliessen soll, so pressen sie sich fest gegen den Nervenring, und seine Grenzen treten weniger scharf hervor; im geöffneten Kelche (Fig. 165) zeigen dagegen die Schnitte beide Gebilde durch einen Zwischenraum getrennt. ‘In den jüngsten Stadien, in welchen ich das Nervensystem fest- stellen konnte, sah ich das Ectoderm der betreffenden Region noch einschichtig. Zellgrenzen konnte ich gar nicht oder in manchen Fällen nur zwischen den äussern Theilen unterscheiden. Nach innen, gegen den Hydrocölringmuskel zu gehen die Zellenden in eine Substanz über, welche die Farbstoffe etwas zäher zurückhält als die Aussentheile. Sie erweist sich als fibrillär, und einige gröbere Fibrillen, die parallel zur Oberfläche, also als Ringfibrillen verlaufen, erscheinen in den Querschnitten als gröbere Körnchen. Die chromatinreichen Kerne sind sehr deutlich nachzuweisen; sie liegen in den äussern Zellenden, aber nicht durchaus in gleicher Höhe (Fig. 163, 164). Hin und wieder kann man sie in Theilung begriffen sehen. Die Bilder lassen darüber keinen Zweifel bestehen, dass sowohl die Ringfibrillen, welche ich als Nervenfibrillen deute, als auch die Zwischensubstanz, in welche sie eingebettet sind, von den Ectoderm- zellen und zwar von deren Basaltheilen gebildet worden sind. Jedoch erfolgt das Auftreten nicht im gesammten Umkreise völlig gleichzeitig, so dass mit einem Schlage der Ringnerv vollständig differenzirt anzu- treffen ist, sondern ich habe in diesen ersten Stadien auf vielen Zwischenschnitten den Nervenring nicht nachweisen können. Daher nehme ich an, dass er an mehreren Stellen gleichzeitig sich zu bilden beginnt, und dass erst allmählich die geschlossene Ringform erreicht wird, nachdem auch die Zwischenzonen die gleiche Umformung erfahren haben. Ich muss aber bekennen, dass auch die Möglichkeit vorliegt, dass die anscheinend nervenlosen Zwischenzonen dennoch einen sehr feinen Ringnerv besitzen könnten, der in dem conservirten Materiale nicht nachweisbar geblieben ware. Im Hinblick auf die weiter unten noch erörterte Thatsache, dass das Gesammtnervensystem der Larve offenbar complicirter gebaut sein muss, als es sich durch die ana- Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 343 tomische Untersuchung der conservirten Thiere nachweisen lässt, möchte ich darauf aufmerksam gemacht haben. Ich habe Eingangs erwähnt, dass der Nervenring völlig unabhängig vom Nervensystem der freischwimmenden Larve sich bilde. Seine Lage rechtfertigt durchaus nicht ohne weiteres diese Auffassung, sondern legt im Gegentheile die Frage nahe, ob nicht der erstere aus letzterm hervorgehe. Ich muss daher einige erläuternde Worte hinzufügen. Ausser der Scheitelgrube fanden wir in der freischwimmenden Larve zwei seitliche, die Vestibulargrube umgreifende Nervenstämme, Bei der Abschnürung und Lageveränderung des Vestibulums könnten diese sehr wohl an die Stelle gelangt sein, an welcher später der Nerven- ring auftritt, in ähnlicher Weise wie aus den beiden seitlichen Nerven- stämmen der Auricularia nach SEMON der Ringnerv der Holothurien entstehen soll, was allerdings METSCHnIKOFF in Abrede gestellt hat. Ich habe aber trotz aufmerksamer Durchmusterung der der Festheftung folgenden Stadien von dem larvalen Nervensysteme nichts entdecken können und nehme daher dessen völlige Rückbildung an. Man wird mir das oben von mir selbst geäusserte Bedenken nicht entgegen- halten können, dass das Nervensystem in diesen Stadien zwar vor- handen, aber in meinem conservirten Materiale nicht nachweisbar ge- wesen sei. Denn es fehlt jede Berechtigung, anzunehmen, dass es nur auf einem mittlern Entwicklungsstadium der Beobachtung entgehen könne, während es in jüngern und ältern Larven deutlich zu erkennen sei. Dazu kommt als ein Zweites das physiologische Verhalten der jüngsten festsitzenden Larven. Ich habe leider versäumt, meine bezüglichen Erfahrungen sofort zu Papier zu bringen, aber ich glaube mich sehr bestimmt erinnern zu können, dass die Larven dieser ersten festsitzenden Stadien auf äussere Reize nicht reagiren, sondern dass dies erst weit später erfolg. Wenn nun in den ersten Stadien die Larven auf äussere Reize hin unbeweglich bleiben und zudem histo- logisch kein Nervensystem sich nachweisen lässt, liegt nicht die ge- ringste Veranlassung vor, ein solches anzunehmen; und danach ergiebt sich das später vorhandene als eine völlige Neubildung. Auf einem etwas weiter vorgerückten Stadium zeigt sich der Nervenring in fünfwöchentlichen Larven. In Fig. 167, 168, Taf. 21, sind zwei Schnitte einer Serie abgebildet, die deutlich zeigen, dass über dem Nervenringe das Ectodermepithel nicht mehr einschichtig ist, sondern dass eine Anzahl Zellen sich aus diesem lösen, um sub- epithelial in die Tiefe zu rücken. Zum Theil liegen sie mit ihren äussern Enden noch zwischen den Epithelzellen, einzelne aber scheinen 344 OSWALD SEELIGER, sich von diesen bereits ganz getrennt zu haben. Ich deute diese Zellen als werdende Ganglienzellen, welche auf der Fasersubstanz, die sich inzwischen vergrössert hat, einen Belag bilden würden, muss aber bekennen, dass die definitive Form von Ganglienzellen noch nicht ge- wonnen ist. So wie ich in dem jüngern Stadium die Bildung des Nervenringes nicht im ganzen Umkreise gleichzeitig habe auftreten sehen, finde ich ihn auch jetzt auf einigen Strecken nur vom einschichtigen Epithel überdeckt ohne Ganglienzellenbelag. Auf einigen wenigen Schnitten vermochte ich eine strangförmige Fortsetzung des Nervenringes gegen die Tentakelbasis nachzuweisen und habe in Fig. 168B einen derselben abgebildet. Das distale Endstück sieht man in dem Querschnitt Fig. 173 getroffen; es besteht in jedem Ten- takel aus einigen Fibrillen, welche in den innern Zellenden des ein- schichtigen Ectoderms liegen. Ich vermochte nicht, dasselbe weiter in den Tentakel selbst hinein zu verfolgen, obwohl es sich um einen be- sonders mächtig entwickelten Nerv handelte. Dagegen habe ich in einigen 'Tentakeln mancher Totalpräparate einen dicht unter dem Ecto- derm verlaufenden Längsfaserstrang nachweisen können, den ich als nervös betrachten möchte. Um seine Endigungen in den Papillen fest- zustellen, bedarf es aber der Untersuchung des lebenden Objects und einer besondern auf die Erhaltung der Nerven gerichteten Conservirung. Die Längsmuskelfibrillen der Hydrocölwand, die sich dicht an die Ectodermschicht anlegen, erschweren überdies in hohem Grade das Auffinden etwa vorhandener Nervenstränge. Zur Untersuchung weiterer Stadien fehlte mir das Material. Ich kann daher nur die Vermuthung äussern, das sich aus den subepithelial gewordenen Zellen weiterhin die Körper ausbilden, welche zuerst Lupwic im Nervenringe der ausgebildeten Comatula nachwies, deren Deutung als Zellen oder Kerne er aber offen gelassen hat (55, p. 46). Nach der Anlage des zweiten Nervensystems, dessen Bedeutung mit besonderm Nachdrucke wohl zuerst W. B. CARPENTER (15, 16) be- tont hat und dessen Centrum im ausgebildeten Thiere nach den übereinstimmenden Angaben auch von Jickezr (47), Hamann (37) und Anderen das gekammerte Organ umgeben soll, habe ich wie auch SEMON auf diesem Larvenstadium vergeblich gesucht. Es liegt mir fern, die Deutung dieser Forscher irgendwie in Zweifel zu ziehen und mit Lupwie das fragliche Gewebe als unverkalkt gebliebenes Binde- gewebe betrachten zu wollen, wenn ich darauf hinweise, dass die bis- her dargestellten Entwicklungsvorgänge kaum die Möglichkeit offen lassen, es könnte dasselbe aus dem Ectoderm hervorgehen. Ich ver- Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 345 weise an dieser Stelle auf den in Fig. 197, Taf. 22, abgebildeten Querschnitt durch die Region des gekammerten Organs, welcher das letztere dicht von Mesenchymzellen umschlossen zeigt. Erst in geraumer Entfernung treffen wir peripher auf Elemente ectodermalen Ur- sprungs. Dass diese später einzeln zwischen die Mesenchymzellen hindurchwandern sollten, um das nervöse Centrum im nächsten Um- kreise des gekammerten Organs zu bilden, erscheint fast ganz ausge- schlossen. Ebensowenig habe ich in den Larven die Anlage des dritten ner- vösen Centralapparates auffinden können, der in den ausgebildeten Thieren zuerst von JıckeELı beschrieben wurde als ein in der Höhe des Hydrocölrings im Mesoderm gelegenes, den Mund umziehendes Gebilde von füufeckiger Form. Hamann hat später den histologischen Bau dieses Nervenringes eingehend untersucht und neben den Nerven- fasern einen Belag von Ganglienzellen nachgewiesen. Der durch die histologische Untersuchung geführte Nachweis von dem Vorhandensein eines Nervenapparats in den gestielten Larven genügt aber noch nicht vollständig, um das Verhalten des Thieres äussern Reizen gegenüber ganz verständlich zu machen. Es erfolgen nämlich Contractionen des Kelches nicht nur bei Berührung der Ten- takel oder der Scheibe, wo Nervenäste sich auszubreiten scheinen, sondern auch auf Reizungen der aboralen Fläche und des obern Stiel- abschnittes hin. Es sind das also Stellen, an welchen ich keine Nerven erkennen konnte, und ich glaube auch nicht, dass die mikroskopische Untersuchung des lebenden Thieres ihr Vorhandensein erweisen wird. Im Einzelnen weiss ich mich nicht mehr zu erinnern, wie die Re- actionen bei der Berührung verschiedener Stellen erfolgten und wo endlich im Stiele die Reizbarkeit aufhérte. Nur weiss ich, dass ich bei der Abtrennung der Larven von den Glaswänden der Aquarien mit einer Nadel den äussersten Basaltheil fassen musste, um jene im ausgestreckten Zustande zu erhalten. Ich darf an dieser Stelle wohl daran erinnern, dass zahlreiche Fälle bekannt sind, in welchen das physiologische Verhalten von Larven und Embryonen durch den histologischen Nachweis der Beschaffenheit ihres Nervensystems nicht genügend erklärt erscheint. So beispiels- weise die mannigfachen Bewegungen und die Reizbarkeit der Bryozoen- larven, im Besondern der Pedicellina zu einer Zeit schon, in welcher das nervöse Centrum noch embryonalen Charakter trägt und aus- tretende Nerven sich nicht nachweisen lassen; ferner die geregelte Thätigkeit des Herzens in den Embryonen der Tunicaten und auch 346 OSWALD SEELIGER, vieler Wirbelthiere, bevor die das Organ versorgenden Nerven zu er- kennen sind. Nach dem Nervensystem der gestielten Comatulalarve ist schon zu wiederholten Malen gesucht worden. PERRIER (70, p. 267) hat sehr richtig aus der Reizbarkeit und Beweglichkeit der Mundlappen und der Tentakel auf das Vorhandensein eines Nervensystems ge- schlossen, war aber nicht im Stande, einen Centralapparat nachzu- weisen. Zwar hat er als nervös einige sternförmige, diffus in der Leibeswand vertheilte Zellen beschrieben, welche durch plasmatische Fortsätze mit einander verbunden seien; die Berechtigung aber, diese Elemente, die im letzten Abschnitt dieses Capitels noch besprochen werden sollen, als nervös aufzufassen, hat PERRIER nicht erwiesen. Ich betrachte sie als Bindegewebselemente, nachdem ich einen wirk- lichen Nervenring festgestellt habe. Weiterhin findet PERRIER an der Basis jeder ectodermalen Tastpapille des Tentakels eine Gruppe von bipolaren, nervösen Zellen, die vom äussern Epithel unabhängig sein und fadenförmige Fortsetzungen besitzen sollen. Davon sehe ich nichts und finde auch in seinen Abbildungen keinen Beweis für diese Auf- fassung. Bury, welcher später ähnliche Stadien untersucht hat, findet das Nervensystem noch nicht entwickelt. Eine eingehendere Beschreibung hat dagegen Semon gegeben. Ich will die wichtigsten Stellen seiner Darlegungen hier wörtlich anführen: „Wenige Schnittserien durch Pentactulalarven von Antedon genügten, um den vollkommenen Nachweis zu liefern, dass bei den Crinoiden, wenigstens in ihrer Jugend, die Verhältnisse genau ebenso liegen als bei andern Echinodermen. Wie überall umkreist ein Nervenring den Mundtrichter, und zwar gerade auf der Höhe des Wassergefässringes, etwas nach innen von demselben (tab. 12, fig.6). Genau wie bei der Pentactula von Synapta und nach Lupwie wie bei der jungen Asterina gibbosa entsendet der Nervenring Tentakeläste, welche an der Innen- seite (der Mundöffnung zugekehrten Seite) der Tentakel emporsteigen. Nervenring und Seitenäste liegen im Ectoderm oder besser sind Theile desselben.“ „Nur im Nervenring und den Tentakelnerven hat das Ectoderm seine deutlich zellige Structur bewahrt, die Zellen haben sich vermehrt und liegen in mehrfacher Lage über einander; histologisch bieten sie ein gleiches Verhalten wie die Zellen des Nervenringes der jungen Synapta. Unter den Zellen ist eine Lage äusserst feiner Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 347 Fäserchen abgeschieden, die sich auf Querschnitten als feine Punkte darstellen“ (85, p. 273). Nach der Anlage des zweiten und dritten Nervensystems hat SEMON ebenso wie ich erfolglos gesucht und schreibt, dass es von ihm „trotz eifrigen Suchens nicht aufgefunden werden konnte, während ich doch den gewöhnlichen Nervenring mit seinen Tentakelästen auf den ersten Blick wahrnahm“. Ich gestehe diesen letztern Aeusserungen gegenüber offen, dass es bei mir eines etwas längern Zusehens bedurfte, bis ich die Anwesen- heit eines Ringnerves mit seinen Fibrillen feststellen konnte, dass ich aber trotz der Durchmusterung zahlreicher Schnittserien in diesen nichts gefunden habe, was ich mit der von Semon als Beweis heran- gezogenen Abbildung fig. 6, tab. 12 nur einigermaassen in Einklang bringen könnte, so sehr auch unsere Beschreibungen des Nervensystems im Wesentlichen übereinstimmen. Ich würde angenommen haben, dass der fragliche Längsschnitt einem andern, vielleicht beträchtlich weiter entwickelten Stadium entstammt, das ich bisher noch nicht habe untersuchen können, wenn nicht in der Tafelerklärung auf die Identität mit der von ihm in fig. 3, tab. 12 nach einem Totalpräparate ge- zeichneten Larve hingewiesen wäre. Diese letztere ist aber offenbar etwas jünger als meine ältesten Stadien, und so vermag ich den Wider- spruch nicht aufzuklären. Niemals ist, wie in dem folgenden Abschnitte bewiesen werden wird, auf der innern Tentakelseite ein continuirlicher, mehrschichtiger Zellenstreifen im Ectoderm vorhanden, wie es SEMON im Tentakelnerv abbildet, niemals liegt ferner zwischen der äussern Ober- fläche der Tentakel und dem musculösen Hydrocölschlauch ein so rie- siger, die Breite des letztern übertreffender Zwischenraum, der nach jener Zeichnung zu urtheilen mit Mesenchymgewebe erfüllt sein müsste. Weiter finde ich die Aussenseite der Tentakel durchaus nicht nur mit einer Cuticula bekleidet, sondern im Wesentlichen gleich der innern, und endlich stimmt auch die Lage des Nervenringes selbst in unsern Abbildungen nicht recht überein. 3. Das Ectoderm der Tentakel. Am Schlusse der im vorigen Capitel beschriebenen Entwicklungs- periode fanden wir bereits 25 Tentakel angelegt und alle von einem einschichtigen, gleichartigen Ectodermepithel bedeckt. Nach erfolgtem Vestibulardurchbruch vergrössern sich die Tentakel sehr rasch und werden in. hohem Maasse beweglich. Noch in den ältesten Larven sind die 15 zuerst aufgetretenen in Grösse und Bau von den inter- 348 OSWALD SEELIGER, radialen sofort zu unterscheiden. W. THomson nennt die erstern „extensile tentacles“ und die mittleren in jeder der 5 Gruppen „azy- gous tentacles“, die 10 kleinern bezeichnet er als „non extensile“. Die Zahl der letztern bleibt übrigens nicht auf 10 beschränkt, sondern vergrössert sich durch Auftreten neuer Tentakel an verschiedenen Stellen. Gewöhnlich treten solche genau interradial zwischen zwei alten auf, aber nicht in allen 5 Interradien gleichzeitig, sondern nur vereinzelt in diesem oder jenem. Dann wechseln also Gruppen von 3 grossen Tentakeln mit solchen von 3 kleinen ab, wie man das in der in Fig. 161, Taf. 21 abgebildeten Larve im Bereiche des II., III. und IV. Radius sehen kann. Gelegentlich treten aber auch neue Tentakel zwischen den grossen radiären auf, und einen solchen Fall zeigt die- selbe Abbildung im Radius V, wo der neue Tentakel seitlich vom radiären mittelständigen entspringt. Die höchste Zahl Tentakel, die ich in einer Larve dieses Stadiums beobachtete, war 29; es waren also 4 accessorische aufgetreten. In gleicher Weise wie früher stehen die 15 ältern Tentakel weiter nach aussen als die 10 kleinern, inter- radialen und die accessorischen. Bemerkenswerth ist ein Gegensatz im Verhalten der 15 ursprüng- lichen Tentakel und der 10 interradialen zu einander. Während die erstern in ihrer ganzen Länge vollständig isolirt, von einander unab- hängig sind und nur an der Basis, wie es bereits Fig. 173, Taf. 21 zeigt, mit einander zusammenhängen, erscheinen je 2 benachbarte Interradialtentakel mit einander durch eine ectodermale Falte ver- bunden, wodurch die selbständige Beweglichkeit eines jeden beein- trächtigt wird. Dies ist um so auffallender, als bei der Einordnung der Tentakel in den 5-strahligen Bau des Kelches die die Parameren trennenden Interradialebenen zwischen je 2 verbundene Tentakel hin- durch geführt werden müssen. Die Falten reichen von der Tentakel- basis bis über die Hälfte ihrer Höhe hinaus. An ihren distalen Rande erscheinen sie beträchtlich verdickt, so dass man bei der Betrachtung von Totalpräparaten (Fig. 160, 161) zunächst nur diese verdickten Randzonen sieht und zur Ansicht geführt wird, es sei diese Verbin- dung eine balkenartige. Auf Schnitten überzeugt man sich aber leicht, dass es sich um eine ectodermale Falte handelt, deren Innenwand seitlich in die Tentakel, basalwärts in die Mundscheibe und zwar in deren peripheren, den Nervenring bildenden Theil übergeht, während die äussere, stärker abgeflachte sich nach aussen zu in die Innen- wand der Munddecken umschlägt, seitlich dagegen wie die andern in das ectodermale Epithel der Interradialtentakel sich fortsetzt (Fig. 176, r Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 349 Taf. 22). Zwischen der Leibeswand und den beiden Faltenblättern erscheint ein im Querschnitt ungefähr vierseitig geformter Raum, der nur von einigen plasmatischen Fortsätzen durchsetzt ist. Ob damit die Rückbildung der ganzen Verbindungsfalte eingeleitet erscheint, kann ich nicht angeben, da sich die eben dargestellten Verhältnisse in meinen entwickeltsten Larven zeigten. Ueber den Ursprung dieser Verbindungen geben jüngere Larven am Ende der zweiten Woche Aufschluss. In diesen lässt sich nämlich leicht feststellen, dass die Anlagen von je zwei, verschiedenen Para- meren zugehörenden Interradialtentakeln an der Basis von einer ge- meinsamen Ectodermhülle umgeben sind, aus welcher sich die zwei Spitzen erheben. Ein ganz ähnliches Verhalten fanden wir an der Basis einer jeden Gruppe von Radialtentakeln in den jüngern Stadien; während aber hier der gemeinsame basale Ectodermmantel sich nicht nur nicht vergrössert, sondern durch tief greifende Spaltung zwischen den einzelnen Tentakeln nur an der untersten Basis nothwendiger Weise bestehen bleiben muss, wächst er zwischen den Interradial- tentakeln ebenfalls in die Länge, um die beschriebenen Falten zu erzeugen. — 1) Gleichzeitig mit der Ausbreitung des Ectoderms der 15 Radial- tentakel über eine grössere Fläche vollziehen sich in ihm bedeutende histologische Veränderungen, bei welchen die ursprüngliche Gleich- artigkeit der Zellen schwindet. In Fig. 177 auf Taf. 22 habe ich ein Stück eines Längsschnittes durch einen Radialtentakel einer Larve vom 11. Tage abgebildet, welcher zeigt, wie die Kerne gruppenweise zusammenrücken und zunächst durch noch sehr kleine Zwischenzonen getrennt sind, in welchen die Kerne spärlicher vertheilt erscheinen oder gänzlich fehlen. In den kernreichen Stellen, welche die Papillen- anlagen darstellen, ist das Ectoderm verdickt, buckelförmig auf- getrieben und setzt sich nach aussen zu in einen Zapfen fort, der fast vollkommen homogen und hyalin erscheint und aus den umge- wandelten äussern Enden der protoplasmatischen Zellkörper entstanden ist. Im Einzelnen zeigt das äussere Ende mehrfache Verschieden- heiten in der Form, die wohl zum grossen Theil der verschiedenen Finwirkungsweise der Reagentien zuzuschreiben sein dürften. Zell- grenzen habe ich weder im äussern Theile noch im verdickten basalen feststellen können. Die Kerne sieht man öfters in Theilung begriffen, und ich darf nicht unerwähnt lassen, dass ich mehrfach auch in dem äussern cuticularen Zapfen einen kleinen Kern gesehen habe. Ob es sich dabei vielleicht nur um eine künstlich hervorgerufene Verschie- 350 OSWALD SEELIGER, bung des betreffenden Kernes handelt, konnte ich nicht entscheiden. In den ausgebildeten Papillen liegt in diesem äussern Theile niemals mehr ein Kern. In diesen ersten Stadien lässt es sich nicht so leicht erkennen, was später immer deutlicher wird, dass die Papillen nicht regellos vertheilt, sondern in vier, wenn auch nicht überall vollständig gerad- linig verlaufenden Längsreihen angeordnet sind. Die der Basis am nächsten liegenden Anlagen erweisen sich weniger weit vorge- schritten als die distalen, ein Verhalten, das auch in den ältesten Larven noch festzustellen war. 2) In den vier- und fünfwöchentlichen Larven haben die Papillen längst ihre endgültige Ausbildung erreicht und gleichen im Wesent- lichen denen der Ambulacralanhänge der ausgebildeten Thiere. Die Tentakel selbst sind zu ansehnlich langen, äusserst beweglichen Ge- bilden geworden, welche sich nach dem distalen Ende zu ein wenig zuspitzen. Sie sind an diesem dichter als an der Basis mit den Pa- pillen besetzt (Fig. 160, 161), die nicht an allen Stellen eines Tentakels ganz identisch gebaut erscheinen. Das distale Ende der 15 Tentakel ist, ähnlich wie in jüngern Stadien, von einem überall Kerne enthaltenden Epithel bedeckt, da die Papillen hier so dicht stehen, dass sich ihre Basalränder berühren und die kernfreien Zwischenzonen fehlen. Gerade in diesem Abschnitte sind die Papillen besonders mächtig entwickelt und messen an ihrer Basis mehr als ein Drittel des Tentakelumfanges, der hier beträchtlich kleiner ist als an der Wurzel. Da aber die Anordnung der Papillen in Längsreihen, wenn auch etwas weniger deutlich ausgeprägt, sich bis zur Spitze fortsetzt, können jene nicht sämmtlich in gleichen Höhen neben einander liegen. In den Querschnitten (Fig. 180, Taf. 22) trifft man daher nur eine beschränktere Anzahl Papillen. Weiter nach der Tentakelmitte zu und über diese hinaus tritt die Anordnung der Papillen in vier Längsreihen deutlich hervor, und vielfach, wenn auch nicht durchweg, stehen immer Vier in gleicher Höhe und werden durch einen Schnitt getroffen (Fig. 181, 183). Zwischen ihnen breiten sich immer umfangreichere Zonen der verdünnten, der Kerne entbehrenden Ectodermschicht aus (Fig. 182, 154). Nur ganz vereinzelt kommt es vor, dass in den Zwischenzonen ein Kern zurückbleibt, obne in den Bereich der Papillen hinein- gezogen zu werden; er bewirkt dann eine kleine Auftreibung der dünnen Zwischenschicht. Der Bau der Papillen ist hier überall der gleiche, nur dass im Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 351 freien Tentakelende die Kerne etwa dichter stehen als im proximalen. Je nach den verschiedenen Contractionszuständen der Tentakel sieht man die die Kerne tragende Papillenbasis bald ein wenig in die darunter liegende Hydrocölwand eingesenkt (Fig. 182), bald wieder um- gekehrt nach aussen hervorgewülbt. Die Zahl der Kerne, welche daselbst angesammelt erscheinen, ist keine constante; im mittleren Theile alter Tentakel schwankt sie zwischen 20 und 30 (Fig. 184). Es hat sich gegenüber den jüngern Stadien sowohl die Kernzahl ver- mehrt als auch die Papillenbasis über eine grössere Strecke aus- gebreitet. Die Kerne erscheinen fast immer in einer kreisähnlichen oder ovalen Scheibe angeordnet und sind sowohl in Grösse als auch im Chromatingehalt unter einander etwas verschieden. Zwischen Ruhe- stadien kann man immer noch vereinzelte Kerne in Theilung be- griffen sehen. Ueber der Basis erhebt sich der bereits von J. MÜLLER bei aus- gebildeten Formen als ,,cylindrisches Fühlerchen“ beschriebene Fort- satz. In den Larven hat ihn W. THomson „tubular process“ genannt. Er stellt im Wesentlichen ein cylindrisches Gebilde dar, das in allen meinen Präparaten glashell homogen sich zeigte und in extremen ‚Fällen 36 « in der Länge mass; sehr oft sieht man ihn allerdings beträchtlich verkürzt und verdickt. Das freie Ende ist verbreitert, drei- oder vierkantig; und in einigen besonders gut erhaltenen Total- präparaten konnte ich zwei oder drei ganz kurze, äusserst feine haar- formige Fortsätze an den Ecken und manchmal noch einen ähnlichen mittelständigen erkennen. Die Insertionsstellen zeichneten sich durch besondere Färbbarkeit aus, und es hatte den Anschein, als ob die Haare mit verbreiterten färbbaren Enden in die Papille eingesenkt wären. Obwohl die Abbildungen nicht vollständig übereinstimmen, glaube ich doch, dass es sich in Cuxnor’s (24) „filaments de signi- fication inconnue vivement colorés par la safranine“ um das nämliche handelt (Fig. 179). PERRIER hat zuerst die seitlichen Haare an der Tentakelpapille des ausgebildeten Thieres beschrieben (69), und bald darauf wurden sie auch von Mögıus und BürscHLı (66, p. 144), dann von Lupwia (55) be- obachtet. In den Larven erwähnt sie zuerst GÔTTE (31) und später Perrier (70, p. 146), der wohl die eingehendste Darstellung dieser histologischen Larvendetails gegeben hat. Der mittlere Haarfortsatz, den ich in einigen Fällen nachweisen konnte, dürfte das basale Rudi- ment der langsam schwingenden Geissel sein, welche JickELı (47) am Tentakel lebender alter Thiere entdeckt hat, 352 OSWALD SEELIGER, Die ganze Axe des Papillenfortsatzes ist von einem feinen glänzen- den, in den meisten Präparaten gut erhaltenen Faden durchsetzt. Sein äusseres Ende verliert sich in dem gefärbten Ende des Mittel- haares, sein inneres sah ich stets sich verbreitern und bei einem Kerne der Papillenbasis in das Plasma des Zellkörpers übergehen. Diese Mittelfaser habe ich schon in jungen Stadien der Papillenbildung wahrnehmen können und habe da den Eindruck bekommen, dass die- selbe allmählich von der Basis aus gegen die Spitze vordringt (Fig. 177, 178). Sie dürfte nichts anderes sein als ein zwischen der hyalinen Substanz sich erhaltender protoplasmatischer Theil der Zelle, an deren Kern sie sich anlegt. Diese Axenfaser ist von Tmomson und Lupwi& für einen Canal gehalten worden. Ersterer meinte, dass derselbe sich nach innen zu in die Tentakelhöhle, also in das Hydrocöl, fortsetze, ein Irrthum, den Perrier und LupwiG berichtigt haben. Lupwıs dagegen schreibt über das innere Ende: „Der Canal erweitert sich, sobald er in der äussern Epithellage des Tentakels angekommen ist, zu einem nicht immer leicht erkennbaren kugeligen Gebilde, über dessen Natur ich jedoch nichts Sicheres anzugeben vermag‘ (55, p. 19). In den Larven- tentakeln ist eine derartige Ampulle nicht zu erkennen, und ich möchte nach Analogie des Verhaltens, das ich hier constatirt habe, annehmen, dass, was in mangelhaft conservirtem Materiale leicht möglich sein dürfte, der Kern, an welchen der Axenfaden herantritt, für eine Er- weiterung des vermeintlichen Canales angesehen worden sei. Nach Mosius und BürschtLı setzt sich der Axenfaden aus einem Bündel feiner Nervenfasern zusammen. PERRIER dagegen scheint den Faden für musculös zu halten; dies dürfte wenigstens aus seinen Worten hervorgehen: „L’ axe de chaque papille est occupé par un filament brillant, plus gros que les autres, et qui a exactement l'aspect des fibres musculaires longitudinales du tentacule“ (70, p. 147). Diese Identität des Aussehens kann ich nicht zugeben; der Axenfaden er- scheint in meinen Präparaten glatt und homogen, die Längsfibrillen der Hydrocölwand sind, wie weiter unten beschrieben werden soll, quergestreift. Ich betrachte daher den erstern mit JICKELI als nervöses Zellende. Die von PERRIER und JIcKELı beschriebenen andern protoplasma- tischen Zellfortsätze, welche von den basalen Kernen ausgehen und die homogene Substanz der Papille durchsetzen, um in die starren Seiten- haare überzugehen, konnte ich in meinen Präparaten nicht in ihrer ganzen Länge nachweisen. Ich sah sie nur als kurze basale Stücke Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 353 an einigen Kernen (Fig. 179), obwohl ich nicht bezweifle, dass sie im lebenden Objecte sich bis in die Papillenspitzen werden verfolgen lassen. Auch sie sind wohl ebenso wie der Axenfaden aus dem Plasma der Papillenzellen hervorgegangen, wie dies namentlich HAMANN über- zeugend abgebildet hat. Ueber die Beschaffenheit der innern, dem Hydrocöl zugekehrten Seite der Papillen hat PERRIER die eingehendsten Angaben gemacht. Diesen zufolge soll der Axenfaden die die Kerne tragende Papilien- basis durchsetzen, rechtwinklig umbiegen und zwischen den Muskel- fibrillen des Hydrocölcanales verlaufen. Theoretisch könnte sich aller- dings etwas derartiges nachweisen lassen, aber es ist mir nicht mög- lich gewesen, eine solche Fortsetzung des Axialfadens zwischen den Muskelfibrillen zu erkennen (Fig. 184, Taf. 22). Aber auch in PERRIER’ Abbildung (Fig. 85, Taf. 9), auf welche er sich bezieht, um seine Auffassung zu beweisen, sehe ich nichts, was ihn berechtigen könnte, eine der gezeichneten Fasern als Fortsetzung der Axialfaser der Pa- pillen zu betrachten. Dass er nur über einer resp. zwei Muskelfibrillen Kerne sieht, rührt nicht daher, dass sie etwa von den andern ver- schieden wären, sondern nur daher, dass hier der Schnitt bereits die _ tiefer liegenden Kerne der Hydrocölwand gefasst hat, während weiter rechts — entsprechend der cylindrischen Form der Tentakel — nur die mehr oberflächlich liegenden Fibrillen getroffen sind. — Ferner beschreibt PERRIER, ohne allerdings hierfür eine Abbildung zu geben, die Zellen an der Papillenbasis als bipolar und lässt sie nach innen feine Längsfortsätze ebenfalls zwischen die Muskelfibrillen und parallel zu diesen aussenden. Seine Beobachtung scheint am lebenden Objecte gemacht worden zu sein, denn im conservirten Materiale lässt sich das nicht erkennen, und ich finde die Innenwand der Papillen glatt. Auch Perrier konnte übrigens diese feinen Fortsätze, die in die Pa- pillen eintretende Nervenfasern darstellen würden, nur eine ganz kurze Strecke weit verfolgen. Im dritten, dem basalen Abschnitte der 15 Tentakel werden proximal zu die Papillen allmählich kleiner und fehlen endlich ganz. Die Kernanhäufungen an den bestimmten, ziemlich scharf umgrenzten Stellen der Papillenbasen zeigen sich immer weniger deutlich ausge- prägt. An der innern und den seitlichen Tentakelwänden ist an der Wurzel, in unmittelbarer Nähe ‘des Nervenringes das Ectoderm stets gleichartig, mehr oder minder abgeflacht (Fig. 165, 173, Taf. 21). Die basale Aussenwand der Tentakel geht dagegen allmählich in die äussere Leibeswand des Kelches über und zwar, der radialen Lage Zool. Jahrb, VI, Abth, f. Morph, 23 354 OSWALD SEELIGER, der Tentakelgruppen entsprechend, in die basalen sich verbindendeu Seitenstücke der fünf Mundlappen. Aus den in Fig. 160 und 161 ab- gebildeten Totalpräparaten und dem Längsschnitt Fig. 165 überzeugt man sich leicht, dass das eigentliche ectodermale Tentakelepithel auf der Aussenseite nicht so weit basalwärts reicht wie auf den andern. Während dort das Hydrocöl der Tentakel von den Seitentheilen der Mundlappen überdeckt und begrenzt wird, liegt in der gleichen Höhe auf der Innenseite das flache Ectodermepithel des Tentakels selbst. Daraus ergiebt sich aber die Nothwendigkeit, dass die durch die Oral- platten gestützten Mundlappen sich schliessen müssen, wenn die Ten- takelbasen nach innen zu sich einschlagen. — Etwas abweichend im histologischen Bau zeigt sich das Ectoderm der zehn, beziehungsweise zahlreichern kleinen Tentakel (Fig. 185, Taf. 22). Im Wesentlichen findet man hier die Verhältnisse, welche vorübergehend in den grossen angetroffen werden konnten, als sie un- gefähr gleiche Länge besassen; jedoch gilt das durchaus nicht auch für das Hydrocöl. Papillen werden auf der gesammten Innenseite und der den grossen Tentakeln desselben Paramers zugekehrten Fläche ge- bildet, auf allen andern Seiten dagegen nur so weit angelegt, als sie über die oben beschriebene Verbindungsfalte zwischen je zwei Interradial- tentakeln sich erheben. Durchweg sind die Papillen kleiner als in den grossen Tentakeln und mehr oder minder deutlich kegelförmig. Im distalen Abschnitte sind sie länger als im basalen, wo sie füglich ganz schwinden und nur noch leichte buckelförmige Erhebungen sich finden. Diese Papillen stehen dichter und sind nirgend durch so weite kern- lose Zwischenzonen getrennt wie in den grossen Tentakeln; an ihrer Basis habe ich stets die Kerne in verschiedenen Höhen über und neben einander gesehen. In den entwickeltern ist überall deutlich ein Axen- faden zu sehen, Haare am äussern Ende nahm ich aber nicht wahr. Im proximalen Basaltheile, im Bereiche der Verbindungsfalte, ist die Aussenwand ein plattes Epithel, das sich im spitzen Winkel in die Innenwand der Mundlappen umschlägt, während die einander zuge- kehrten Wände sich zur Bildung der Verbindungsfalte ausziehen. — Entsprechend der verschiedenen Beurtheilung des histologischen Baues der Papillen ist auch deren physiologische Bedeutung verschieden aufgefasst worden. Auf der einen Seite steht Lupwia, der sich aber nur mit der grössten Vorsicht äussert: „Da ich selbst keine Crinoiden lebend zu untersuchen Gelegenheit hatte, bleibt die soeben ausge- sprochene Meinung, die als Haare der Tentakelpapillen beschriebenen Gebilde seien Secretfäden, eine Vermuthung, für deren Richtigkeit ich TP ST ET a a Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 355 einstweilen keinen zwingenden Beweisgrund beizubringen vermag. Sollte sich indessen diese Muthmaassung bewahrheiten, dann sind die Papillen selbst wohl für eine Art Waffen zu erklären, für contractile Organe, welche einen für bestimmte andere Thiere schädlichen Saft abzusondern vermögen; das kuglige Gebilde, in welches der Canal der Papillen im Tentakelepithel übergeht, wäre dann vielleicht als Drüse aufzufassen“ (55, p. 20). Im Gegensatze zu dieser Auffassung steht die schon früher von: Perrier, Môgius - BürscHhLı und GÖTTE geäusserte, dass die fraglichen Papillen Sinnesorgane und zwar Tastorgane seien, eine Anschauung, die jetzt wohl ziemlich allgemein angenommen worden ist. Die histo- logischen Untersuchungen, welche dazu geführt haben, sind fast aus- schliesslich an den Ambulacralanhängen der ausgebildeten Thiere aus- geführt worden. Selbst Perrier scheint in seiner zweiten Abhandlung (70, 71) vorwiegend weiter vorgeschrittene Entwicklungsstadien mit bereits entwickelten Armen auf den Bau der Tentakel hin untersucht zu haben, wie ich aus den Abbildungen zu entnehmen glaube, auf welche er sich bei seiner Darstellung bezieht. Es schien mir daher nicht überflüssig, eine eingehendere Darstellung des allerdings ganz übereinstimmenden Baues der ersten Tentakel der noch armlosen Larve hier vorzutragen, aus welcher ebenfalls die Deutung der Papillen als Tastorgane mit unzweifelhafter Sicherheit sich ergiebt. IH. Der Verdauungscanal. Obwohl der Darmcanal eines besondern Muskelbelages entbehrt, können sich dennoch seine einzelnen Abschnitte gegen einander etwas verschieben, und namentlich der Oesophagus ist im Stande, seine Form nicht unbeträchtlich zu verändern. Bedingt wird dieses Vermögen durch die Musculatur des Hydrocöls und hängt mit den Contractionen des Gesammtkelches und der Mundscheibe eng zusammen. Die Mundöffnung ist gewöhnlich länglich-rund, ähnlich geformt wie der Durchschnitt des Oesophagus. Sie liegt ein wenig excentrisch in dem durch die Radien I und V begrenzten Interradialraum, jedoch näher dem Radius I. Auf die excentrische Lage des Mundes hat be- reits Lupwig hingewiesen, ohne sie allerdings genau zu bestimmen. Der Stellung des Mundes entsprechend, nimmt auch der Oesophagus eine Lage ein, welche, auf die Axen der bilateralen Larve bezogen, eine mehr linksseitige ist. In der Nähe des Mundes ist der Oesophagus breiter als am andern Ende, und dort erstreckt er sich mit seiner 356 OSWALD SEELIGER, rechten Kante über die Medianebene hinweg weit in das ursprünglich rechte Larvenantimer hinein. Er erscheint also sackförmig; seine Breitaxe läuft nicht vollkommen parallel zur lateralen Queraxe der ursprünglichen bilateralen Form, sondern stimmt nahezu überein mit den Linien, welche die Endpunkte der Radien I und III, bezichungs- weise IV und V verbinden: er ist also in der Richtung des Radius II comprimirt. Dazu kommt, dass die dem Magen zugekehrte Wand ein wenig concav, die äussere convex gekrümmt ist, so dass der Querschnitt den Oesophagus schwach sichelförmig zeigt, was namentlich in der Form des Lumens deutlicher hervortritt. Bei bestimmten Contractions- zuständen des Kelches verengt sich das Lumen unter gleichzeitiger Verbreiterung des Oesophagus, der nunmehr taschenförmig erscheint, zu einem überaus schmalen Spaltraume. In andern Fällen wiederum erscheint der Oesophagus mehr aufgebläht und sein Lumen ansehn- lich gross. ( | Ebenfalls im Zusammenhange mit den Formveränderungen des Kelches steht die Erscheinung, dass das aborale Ende des Oesophagus in manchen Fällen über die Einmündungsstelle in den Darm mit einem ansehnlichen Zipfel herausragt (Fig. 186, 187, Taf. 22), der sich auf einer ganzen Reihe von Querschnitten noch nachweisen lässt. In an- dern Fällen dagegen (Fig. 162, Taf. 21) erscheint die Verbindungsstelle am innern aboralen Ende des Oesophagus. In histologischer Beziehung ähnelt die Oesophaguswand dem Mundscheibenepithel. In den ältern Larven sind die Zellen ansehnlich hoch geworden und erscheinen fast stäbchenförmig, sich durch die ganze Dicke der Wand hindurch erstreckend. Diese Einschichtigkeit lässt sich manchmal auf Längsschnitten durch die äussere resp. dem Enddarme zugekehrte Wand sehr deutlich erkennen, wenn dieselbe bei bestimmten Contractionszuständen des Kelches gerade besonders ge- streckt erscheint. Dann sieht man die Kerne in einer Reihe angeord- net, in allen Zellen in gleicher Höhe stehend (Fig. 175, Taf. 22). Das ist aber nicht immer der Fall, und namentlich die innere, dem Magen zugekehrte Wand erfährt oft eine stärkere Krümmung und Verdickung, so dass die Kerne in mehrfachen Lagen über einander zu liegen kommen. Aber auch bei normaler Form des Oesophagus habe ich nicht immer die Kerne der benachbarten Zellen in gleicher Höhe, sondern ab- wechselnd in der Mitte oder in dem äussern Ende angetroffen (Fig.188). Jedoch kann man sich in genügend dünnen Schnitten oder an zer- zupften Präparaten unschwer überzeugen, dass die Zellen durch die ganze Wanddicke sich hindurch erstrecken. Gegen das Lumen zu tragen die RS D Sd - " Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 357 Zellen eine feine Bewimperung, die bereits von W. B. CARPENTER beob- achtet wurde. PERRIER beschreibt ganz richtig, dass der Innenrand gestreift sei. Dies rührt daher, dass sich die Wimpern mit ver- breiterten Enden in das Zellplasma einsenken (Fig. 188). Ob jede Zelle nur eine oder mehrere Wimpern trägt, konnte ich nicht ent- scheiden. Die Bewimperung scheint ausserordentlich leicht zu schwin- den, denn in einer Anzahl sonst vorzüglich conservirter Larven konnte ich sie nicht mehr nachweisen. Die Verbindungsstelle mit dem Magen ist sehr verschieden. Manchmal erscheint sie ansehnlich weit (Fig. 162, Taf. 21, Fig. 175, Taf. 22) und lässt sich auf mehrern Schnitten einer Serie nach- weisen; bald aber trifft man sie wieder stark verengt (Fig. 160), und die Ränder können sich so fest an einander legen, dass die Höhlungen unverbunden zu sein scheinen. Natürlich ist dies letztere Verhalten nur ein vorübergehendes. Der Magen stellt einen umfangreichen und diekwandigen Sack dar, der sich aber von dem Hinterdarm nicht scharf absetzt. In den jüngern Stadien dieser Periode ist sein Lumen gewöhnlich fast ganz leer oder nur von spärlichen Resten des ihn früher erfüllenden em- bryonalen Zellenmateriales durchsetzt. Dasselbe wird nach und nach ganz aufgebraucht, und der Innencontour der Magenwand tritt wieder deutlich hervor. In den spätern Stadien trifft man den Magen sehr oft mit zum Theil bereits verdauten Speiseresten gefüllt (Fig. 174, 175, Taf. 22), die von verzehrten Fremdkörpern herrühren und von der Füllmasse in den ersten festsitzenden Stadien scharf unterschieden werden müssen. Welche Art Nahrung die Larve zu sich nimmt, kann ich nur zum Theil beantworten. In einigen Fällen glaube ich näm- lich mit ziemlicher Sicherheit halbverdaute Infusorien und verschie- dene pelagische Larven erkannt zu haben; doch dürfte darauf die Nahrungsaufnahme nicht beschränkt sein, da Bury den Magen mit Diatomeen so angefüllt fand, dass die Anfertigung von Schnitten sehr erschwert wurde. Wo Nahrungsmassen den Magen erfüllen, schwindet wiederum, im Zusammenhange mit dem sich vollziehenden Verdauungs- processe, der scharfe innere Contour der Wand, und die Zellen erscheinen zackig mit pseudopodienartigen Fortsetzungen. Doch habe ich die Einzelheiten hierbei nicht beachtet. Die Form des Magensackes ersieht man aus den Abbildungen der Totalpräparate in Fig. 160—162, Taf. 21 und besser noch aus der Vergleichung der Längsschnitte Fig. 174, Taf. 21, 175, Taf. 22 mit den Querschnitten Fig. 186, 187 und 192. In diesen letztern fällt die stark 358 OSWALD SEELIGER, convexe Krümmung der äussern, der ursprünglichen Dorsalseite der Larve zugekehrten Wand auf, während die gegenüber liegende fast in einer Ebene verläuft. Am oralen Ende ist der Magen in einer auf Radius V senkrecht stehenden Richtung, entsprechend also der Lateral- axe der bilateralen Form, beträchtlich ausgedehnt, nach dem aboralen zu verengt er sich rasch (Fig. 192) und erscheint daselbst in unregel- mässigen Formen. Die Magenwand ist durchaus einschichtig. Die Zellen sind grösser als im Oesophagus; da aber nicht alle gleich lang sind, sondern in regelmässiger Weise an Höhe zu- und abnehmen, erscheint die das Lumen begrenzende Fläche in wellenförmigen Erhebungen und Ver- tiefungen. In manchen Individuen sind diese Unterschiede der Wand- dicke recht auffallend, in andern nur geringer. Stets verläuft eine ziemlich tiefe, durch besonders kleine Zellen gebildete Rinne ungefähr im Radius I vom oralen bis zum aboralen Ende des Magens; sie liegt da, wo die dem Oesophagus zugekehrte Wand in spitzem Winkel in die äussere sich umschlägt (Fig. 186, 187). Die Zellen selbst zeigen bis auf den eben berührten Längenunter- schied den gleichen Bau, sind prismatisch und tragen, wie bereits Perrier erwähnt hat, die Kerne im äussern, dem Cölom zugekehrten Ende. Die Kerne sind grösser, aber mit Hämatoxylin etwas weniger intensiv färbbar als die der Oesophaguszellen. Die innern Zellenden erscheinen, wenn der Magen leer ist, mit deutlichem Flimmerbesatz, wie bereits CARPENTER und LupwiG richtig angegeben haben. Jede Zelle scheint nur eine Flimmer oder Geissel zu tragen, die in einen protoplasmatischen Randsaum mit stärker färbbarem Ende sich ein- senkt. Unter der plasmatischen Grenzschicht folgt eine schmale hellere Zone, in welcher das Plasma schaumartig erscheint und helle, rundliche Vacuolen trägt. Sie dürften mit einem zur Verdauung be- stimmten Secrete, das die Magenzellen selbst gebildet haben, erfüllt sein (Fig. 189). Sehr oft erstreckt sich die helle Zone über eine be- trächtlichere Breite, als es in der Figur gezeichnet ist. Wenn der Magen mit Nahrung erfüllt ist, verlieren die innern Zellenden ihre deutlichen Begrenzungen, und ein Gleiches tritt, wie PERRIER richtig erwähnt, sehr leicht bei der Conservirung der Larven ein. In solchen mangelhaft fixirten Präparaten erscheint dann die Innenseite des Magens ohne Zellgrenzen in ein plasmatisches Netz- werk aufgelöst. Ich theile also bezüglich der Herkunft dieses letztern nicht Bury’s Vermuthung, dass die granulirten Massen im Magen- lumen die letzten Reste der ursprünglich eingetretenen Embryonal- N à _— Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 359 zellen seien, oder, wie er sich ausdrückt (p. 281). „the last traces of the histolysis‘“. Der hintere Darmabschnitt setzt sich mit breiter Basis an den Magen an, so dass eine scharfe Grenze zwischen beiden nicht zu ziehen ist. Sie wird aber jedenfalls in den durch die Radien III und IV begrenzten Interradialraum zu verlegen sein, und es entspringt also der Hinterdarm auf der ursprünglich rechten Seite des Magens. Er verjüngt sich rasch zu einer Röhre (Fig. 162, Taf. 21), welche, wie schon in jüngern Stadien, im Horizontalmesenterium verläuft, der Leibeswand genähert, den Interradialraum IV—V in weitem Bogen durchzieht und, die ursprüngliche Medianebene überschreitend, mehr oder minder nahe dem Radius V, jedoch stets im Interradialraume V bis I durch den After sich nach aussen öffnet (Fig. 161, Taf. 21; Fig. 157, Taf. 22). Die Spiraltour des gesammten Darmcanals ist also von CARPENTER und LupwiG richtig erkannt worden; bei der Betrachtung der Larve von der Mundseite aus verläuft sie im Sinne des Zeigers einer Uhr. GÖTTE (1. c., p. 601) giebt ganz richtig an, dass der After an der ursprünglichen Bauchseite gebildet werde, es lässt sich jedoch nicht entnehmen, in welchen Interradialraum er ihn verlegt. Ich kann es aber nicht bestätigen, dass die Anlage des Afters immer noch am geschlossenen Kelche erfolge, habe vielmehr ausnahmslos den Durch- bruch erst geraume Zeit nach Oeffnung des Vestibulums beobachten können, und auch Görre’s fig. 19, welche die Afterbildung illustriren soll, zeigt davon nichts, denn sie stellt zweifellos ein bedeutend jün- geres Stadium dar. Ebensowenig wie GÖTTE haben sich später PERRIER und Barrois über die Lage des Afters zu den Radien ausgesprochen. Aus des Ersteren Abbildung, fig. 16 auf tab. 2, lässt sich aber entnehmen, dass sich seiner Ansicht nach der After ziemlich genau in dem von mir mit V bezeichneten Radius bilde, aber er bezeichnet (p. 154) diese Lage in ganz ungerechtfertigter Weise als dorsale. BARRoIS dagegen zeichnet den After, so wie bereits Lupwic, in dem dem Porus benachbarten Interradialraum, doch nahe dem Radius V, in welchen er irrthümlicher Weise auch den Ursprung des Steincanals verlegt (vgl. Barroıs’ fig. 20 auf tab. 26). LupwiG hat zuerst auf die Lagebeziehung des Afters zu den 5 Radien des Kelches geachtet und fand die Stelle interradial zwischen Radius IV und V, und zwar in einem andern Interradius als den Porus gelegen, denn dieser letztere liegt nach LupwiG in dem „Inter- 360 OSWALD SEELIGER, radius, welcher, wenn man den Körper der Larve in der durch die Darmwindung gegebenen Richtung umkreist, unmittelbar auf den den After beherbergenden Interradius folgt.... Ich habe mehr als hun- dert Larven darauf untersucht und niemals eine Ausnahme von dieser Regel gefunden“ (57, p. 44). Dieselbe Lage des Afters wurde später auch von Semon für die sog. Pentactulalarve der Comatula angegeben, wenigstens lässt seine fig. 3 auf tab. 12 (83) darüber keinen Zweifel. In dieser Abbildung erscheint aber der After von einer so colossalen Weite, wie er niemals von mir oder einem andern Beobachter gesehen wurde, und es lässt sich das nur in der Weise erklären, dass SEMON den Endabschnitt des Hinterdarmes völlig übersehen und den optischen Durchschnitt durch das Darmrohr selbst für den After gehalten hat. Es dürfte ihm ein Fall vorgelegen haben, wie ich ihn mehrmals eben- falls angetroffen habe, in welchem der den Radius V (also die ursprüng- liche Medianebene) überschreitende Endabschnitt durch dünnere Wände sich auszeichnet und von dem vorhergehenden dickwandigern Theile sich scharf absetzt. Lupwie’s Angabe jedoch kann ich auf einen gleichen Irrthum keineswegs zurückführen. Ich glaube aber, dass die von ihm untersuchten Larven etwas jünger waren, und dass der Darm- canal noch nicht die volle Länge erreicht hatte. Allerdings aber hege ich Zweifel, ob dann bereits der After gebildet ist; ich habe ihn wenigstens niemals entstehen sehen, ohne dass das Darmende bereits in den Interradialraum V—I vorgerückt gewesen wäre. Bei der Be- trachtung der Larve von der Längsseite aus, wie es Lupwia gethan hat, kann der optische Durchschnitt sehr leicht zu der Ansicht ver- leiten, dass das an die Leibeswand gepresste, noch blinde Darmende bereits mit einem After versehen sei. Dass der Porus und der After in Wirklichkeit in demselben Interradialraum liegen, kann man in einer jeden Zweifel ausschliessenden Weise leicht feststellen, wenn man die Larve von der aboralen Seite betrachtet (Fig. 161, Taf. 21). Da Porus und After nicht in gleicher Höhe liegen, werden sie gleichzeitig nicht von richtig geführten Querschnitten getroffen, aber die Ver- gleichung der ganzen Serie führt zu demselben Ergebniss. Ich habe an dieser Stelle nur noch hinzuzufügen, dass Bury die Lage des Afters vollständig richtig dargestellt hat. Die Wandung des hintern Darmabschnittes ist ebenfalls ein- schichtig. Im proximalen Theile ähneln die Zellen vollkommen denen des Magens, weiter nach dem After zu werden sie gewöhnlich niedriger, und ich konnte die für die Magenzellen beschriebene Differenzirung der Innenenden nicht mehr feststellen. Dazu kommt, dass namentlich Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 361 in jüngern Stadien das Lumen stellenweise vollständig schwinden kann und die innern Wandflächen dicht aneinandergepresst erscheinen. Meist habe ich keine Zellgrenzen unterscheiden können, obwohl die Kerne stets ziemlich regelmässig vertheilt der Aussenwand nahe liegen. Nur in einigen Fällen zeigten Querschnitte durch den Enddarm deut- liche, hohe prismatische Zellen, deren Kerne in den äussern Enden lagen, während die Innenenden pseudopodienartige Fortsetzungen ausstrahlten, die netzförmig mit einander verbunden waren. Aehn- lich fand ich die Innenfläche auch da, wo keine Zellgrenzen in der Wand sich nachweisen liessen, nur dass mir das Netzwerk noch gröber entwickelt zu sein schien und oft das ganze Lumen erfüllte. Ich nehme an, dass die innern Zellenden durch die Präparation in dieser Weise künstlich verändert worden sind, und dass das lebende Object vielleicht ebenfalls eine Bewimperung wird erkennen lassen. Der Anus selbst soll nach Perrier (p. 141) von langen Wimpern umsäumt sein. In meinen Präparaten (Fig. 190) sah ich nur feine unregelmässige Fortsätze, welche wohl darauf zurückzuführen sein dürften. Das äusserste Darmende ist ausschliesslich entodermalen Ursprungs; die in zahlreichen Fällen beobachtete ectodermale Ein- stülpung bei der Bildung des Afters, durch welche ein ectodermales Rectum zu Stande kommt, unterbleibt hier. Möglicher Weise ändert sich das aber noch später, wenn der After seine seitliche Lage am Kelche aufgiebt und auf die Mundscheibe gelangt. Es liesse sich sehr leicht vorstellen, dass die Lageveränderung durch Einbeziehen der circumanalen Fläche des Ectoderms in das Darmende bewirkt werde; doch habe ich bisher derartige Stadien nicht untersuchen können. Ul. Das Cölom und seine Derivate. Je Das Cölom. Bereits zu Ende der letzten Entwicklungsperiode hatten die beiden Cölomtaschen ihre definitive Lage erreicht, und die weitern Ver- änderungen, die sie erfahren, sind nur unwesentlich: sie bestehen in einem immer weitern Vorschreiten der Auflösung der Mesenterien, so dass die ursprünglich getrennten Abschnitte immer mehr in ein- ander fliessen und sich nicht mehr scharf unterscheiden lassen. Die oralen Cölomwände sind durchweg zu einem äusserst feinen Plattenepithel geworden, das sich überall als ein solches deutlich nachweisen lässt. Nur mit der Aboralwand des Hydrocölringes und 362 OSWALD SEELIGER, mit der Leibeswand ist es in manchen Fällen innig verwachsen. Aber auch an diesen Stellen wird gelegentlich durch die Präparation die Cölomwand abgesprengt (Fig. 165, Taf. 21) und erscheint dann deutlich als ein selbständiges Epithel. Ein deutliches Verticalmesenterium fanden wir in der ersten fest- sitzenden Larvenzeit im oralen Cölom noch nicht entwickelt, da die ventralen Enden noch beträchtlich weit von einander abstanden (vgl. Holzschnitt Fig. E, p. 292). Nachdem aber das rechte Ende durch Auflösung des Horizontalmesenteriums in die aborale Cölomhöhle durchgebrochen ist, vergrössert sich dieser zwischen dem spiralförmigen Darme gelegene Raum sehr rasch und nähert sich vollständig dem: linken Blindende des Oralcüloms. Die Wand dieses letztern und die des verbundenen oralen und aboralen Cölomraumes lagern sich dicht an einander und bilden das Verticalmesenterium des oralen Cöloms (Fig. 191A, Taf. 22), in welchem der Steincanal ver- läuft. Ich habe die beiden Plattenepithelien dieses Mesenteriums noch in fünfwöchentlichen Larven in unveränderter Weise aufgefunden ; sie verlaufen, wie die Abbildung zeigt, von der ungefähr im Radius I ge- legenen Kante des Oesophagus an, in dem Interradialraum I—V, ge- langen aber stets ganz nahe dem Radius I an die Leibeswand. Die Wand des aboralen Cöloms lässt sich, soweit sie den Darm und das Axialorgan umhüllt, stets deutlich als gesondertes Plattenepithel erkennen; die Aussenwand dagegen, das Parietalblatt, verschmilzt an verschiedenen Stellen so innig mit der Leibeswand, dass sie dort als selbständige Schicht nicht mehr nachweisbar ist (Fig. 186, 187, Taf. 22). Es ist ein solcher Vorgang schon von frühern Autoren bereits für die jüngern Stadien beschrieben worden, in welchen ich das Plattenepithel noch gesondert fand. Auch in den ältesten von mir untersuchten Larven fand ich niemals eine vollständige, sondern nur auf einzelne Stellen beschränkte Verschmelzung. Das Verticalmesenterium des aboralen Cöloms erhält sich, wie bereits Bury bemerkt hat, in diesen Stadien nicht mehr vollständig. Es atrophirt zunächst in seiner Mittelpartie. In dem Schnitte Fig. 175, Taf. 22, sieht man es theilweise am Enddarme noch erhalten, und auf einigen Schnitten der ganzen Serie (Fig. 174) erscheint es noch in voller Länge als ein Zellstrang. Daraus geht hervor, dass es sich in einzelne unzusammenhängende Stränge aufzulösen beginnt, welche trabekelartig die Leibeshöhle der Länge nach und mehr oder minder schräg durchziehen. Ich darf aber nicht unterlassen, [darauf hinzuweisen, dass die Schnittserien darüber Aufklärung nicht so leicht RL a an a Aa a ann nn Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 363 geben, wie weit die Auflösung in einzelne Stränge bereits vorgeschritten ist. Denn trotz aller Vorsicht im Conserviren und namentlich beim Einbetten ist es kaum völlig zu vermeiden, dass das Mesenterium, wenn es bereits zu einer sehr feinen Membran geworden ist, an ver- schiedenen Stellen einreisst und Trabekel vortäuscht, während sie in Wirklichkeit noch gar nicht vorhanden sind. In der Schnittserie, der die Figuren 191—194 entnommen sind, trifft man unmittelbar aboral- wärts vom Darme (Fig. 192) das Verticalmesenterium vollständig deutlich erhalten; es verläuft in genau der gleichen Weise wie der Enddarm und erreicht die Leibeswand im Interradialraum I—V. Auf den folgenden Schnitten ist es als eine vollständige Scheidewand nicht mehr nachweisbar, erst im aboralen Endtheil des Kelches tritt es noch unverändert auf und verläuft da in der bereits im vorigen Capitel beschriebenen Weise von der Mitte aus im Interradius IV—V, nach- dem das Axialorgan in dasselbe eingetreten ist (Fig. 193 A). Auch die Auflösung des Horizontalmesenteriums zwischen den beiden Cölomabschnitten ist inzwischen vorgeschritten. In den Längs- schnitten (Fig. 174, 175) ist es als eine dünne, Kerne tragende Lamelle zu sehen, in welcher die beiden Blätter, aus deren Verwachsung es hervorgegangen ist, nicht überall mehr nachweisbar sind. In einigen Schnitten erscheint auch auswärts vom Magen und Darm das Mesen- terium bereits durchbrochen; es ist mir aber zweifelhaft, ob es sich dabei nicht um künstlich hervorgerufene Rupturen handelt. Dagegen ist die ganze mittlere Partie, welche sich zwischen Oesophagus, Magen und Darm ausspannte, in Trabekel zerfallen (Fig. 187). Ausser diesen aus den Mesenterienresten entstandenen Trabekeln bilden sich zahlreiche andere selbständig von den Cölomwandungen aus. Bereits in der vorigen Entwicklungsperiode sahen wir einige der- selben auftreten, und der Process bleibt der gleiche, nur dass sie sich zahlreicher bilden und eine ansehnlichere Länge erreichen. In Fig. 194 habe ich einen Theil des aboralen Cöloms im Querschnitt abgebildet, welcher drei Trabekel zeigt. Zwei derselben durchsetzen die ganze Höhlung, der dritte erscheint erst als zapfenförmiger Vorsprung des Parietalblattes. In andern Fällen sieht man den Trabekel vom Vis- ceralblatt ausgehen und, nachdem er die hinreichende Länge erreicht hat, am parietalen eine Insertion gewinnen. Oefters ist der ganze Trabekel nur eine umgebildete Zelle, häufig aber gehen mehrere in seine Bildung ein. Schon die ältern Beobachter haben die Trabekel bemerkt und als „Bindegewebsstränge“ beschrieben, eine Bezeichnung, gegen die sich 364 OSWALD SEELIGER, allerdings manches einwenden lässt. Perrier hat zuerst die beiden Arten Trabekel scharf betont; ich kann ihm aber nicht beistimmen, wenn er die zweite Form aus Mesenchymzellen ableitet, welche das Cölom durchsetzen, sondern sehe sie unzweifelhaft als umgebildete /ellen der Cölomwände selbst entstehen. Auch Bury hat später „fibrous bands“ unabhängig von den Mesenterien sich bilden sehen, giebt aber weiter nicht an, woher sie stammen. Mit dem Vorschreiten der Auflösung der Mesenterien stellt das Gesammtcélom immer mehr einen einheitlichen Raum dar, welchen ein äusseres, stellenweise mit der Leibeswand verwachsenes Blatt, das Parietalblatt, und ein inneres, die Eingeweide umschliessendes, das Visceralblatt, begrenzen. In unvollständig gesonderte Kammern wird die Leibeshöhle geschieden durch Reste des Verticalmesenteriums des untern Cöloms und der Lamelle des Horizontalmesenteriums. Ferner wird sie durchsetzt von Trabekeln, die einmal aus den Mesenterien hervorgegangen und zweitens als Neubildungen entstanden sind. 2. Das gekammerte Organ. So wie früher besteht das gekammerte Organ aus den 5 ampullen- formigen Erweiterungen und den 5 in den Stiel sich erstreckenden Fortsetzungen derselben. Die erstern sind umschlossen von durchaus einschichtigen, ein flaches Epithel darstellenden Wandungen. Sie liegen der aboralen Cölomwand dicht an, ohne dass ich aber jemals noch eine Verbindung der Höhlungen hätte feststellen können (Fig. 174). Ihre Form ist nicht immer die gleiche, und auch die Dicke der Wan- dung und die Grösse des Lumens unterliegt individuellen Verschieden- heiten. Oefters liegen auch alle 5 Kammern nicht in gleicher Höhe, so dass ein Querschnitt nur einzelne in ihrer grössten Breite durchschneidet; doch ist es nicht schwer, Schnitte zu finden, in welchen alle 5 gleichzeitig deutlich zu sehen sind (Fig. 197). Da in dieser Region der äussere Kelchumriss bereits die fünfeckige Ge- stalt scharf ausgeprägt zeigt, kann man sich leicht von der radiären Lagerung der Kammern überzeugen, was in jüngern Stadien nicht hervortrat. Einige Schwierigkeit bereitet aber die Beantwortung der Frage, in welcher Weise die ursprünglich in der freischwimmenden Larve nicht radiär auftretenden Ausstülpungen des Céloms sich ver- schieben, um die fünfstrahlige Anordnung zu erlangen. Aus den weiter oral geführten Schnitten (Fig. 193 A) ergiebt sich die Lage des Verticalmesenteriums im Interradialraum IV—V, und demgemäss Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 365 wird die im Radius V gelegene Kammer auf diejenige Ausstülpung zurückzuführen sein, welche ursprünglich auf der linken Seite ventral gelegen war und als die 1. bezeichnet wurde. Daraus ergiebt sich von selbst die Lage der übrigen: es liegen Kammer 2, 3, 4 und 5 in den Radien I, II, III und IV. Dies gilt natürlich nur unter der Vor- aussetzung, dass die Verschiebung der Kammern in gleichem Sinne wie die des Verticalmesenteriums im aboralen Cölom sich vollzogen hat. Obwohl die Communicationen der Höhlungen frühzeitig auf- hörten, bleiben doch die Wandungen so dicht aneinandergepresst, dass diese Annahme gerechtfertigt sein dürfte. Bereits für jüngere Stadien hatte GrEEFF, wie ich im vorigen Capitel auseinandergesetzt habe, eine bläschenförmige Erweiterung als die Anlage des gekammerten Organes beschrieben. In den ältern Larven mit geöffnetem Vestibulum hat Lupwia vergeblich darnach gesucht. PERRIER erwähnt dagegen in der vollständig entwickelten „Cystideenlarve‘ fünf fibrilläre Stränge, welche im obern Abschnitte Lumina besitzen und das gekammerte Organ darstellen. Er hält es für wahrscheinlich, dass sie vom Parietalblatt des Cöloms aus ent- stehen. Dabei ist ihm aber entgangen, dass es sich keineswegs um eine erst auf diesem Stadium auftretende Neubildung handelt, sondern dass das gekammerte Organ und die sich daranschliessenden Zellen- stränge nichts weiter sind als der wenig veränderte periphere Theil der von ihm bereits in viel jüngern Stadien beobachteten „axe péri- tonéal“, deren Bau er allerdings nicht richtig erkannt hatte. Ich halte es daher für nicht gerechtfertigt, wenn sich PERRIER (71, p. 76) gegen- über Bury die Priorität bezüglich der richtigen Erkenntniss der Ent- stehung des gekammerten Organes zuerkennt. In den Stiel setzen sich die gekammerten Organe als Zellenstränge fort, in welchen der Querschnitt nirgends mehr ein Lumen zeigt, und auch die Fünfzahl konnte ich schon in geringer Entfernung vom Kelche nicht mehr nachweisen (Fig. 171, Taf. 21). Bei der Längsansicht er- kennt man, dass die Zellen sich spindelförmig in die Länge gezogen haben und einen deutlichen Kern besitzen. Mit jedem Ende legt sich eine Zelle so innig an eine benachbarte an, dass die Grenzen nicht zu erkennen sind und das Bild eines continuirlichen plasmatischen Stranges entsteht, der in ziemlich regelmässigen Abständen Kerne trägt (Fig. 205, Taf. 22). Bei der Bildung von Muskelfaserzügen kann man ein ähnliches Entwicklungsstadium häufig beobachten, aber ich weiss freilich nicht, ob eine Weiterentwicklung in einem solchen Sinne erfolgen wird. Ich habe jedoch nicht den Eindruck gehabt, als 366 OSWALD SEELIGER, ob die histologische Entwicklung der Zellenstränge auf diesem Stadium bereits abgeschlossen wäre. 3. Das Axialorgan. Bald nach Oeffnung des Vestibulums erscheint das Axialorgan im ganzen oralen Theile von der Falte des Visceralblattes, durch deren Verdickung es entstanden ist, abgetrennt als ein selbständiger Zellen- strang. Sehr- rasch höhlt sich derselbe zu einer Röhre aus, deren Lumen zunächst stets enger ist als die Wand dick. Die letztere stellt ein einschichtiges Epithel dar; Zellgrenzen sind aber in der plasma- reichen Masse nicht immer zu unterscheiden. Das Gebilde erscheint in lebhaftem Wachsthum begriffen, und man sieht daher die Kerne häufig in Theilung (Fig. 195, 196, Taf. 22). Die ruhenden Kerne sind grösser als in der Célomwand. Die das Axialorgan einschliessende Falte des Visceralblattes bildet ein mehr oder minder stark abgeplattetes Epithel, das ich im mittlern Abschnitte stets der Röhre eng anliegen sah. In den ältesten Larven, die ich untersuchte, fand ich an der dem Darme zugekehrten Seite das Axialorgan von einer Anzahl parallel verlaufender Längsmuskel- fibrillen begleitet. Dieselben werden von der Visceralblattfalte aus ge- bildet und zwar an der dem Axialorgan zugekehrten Seite. Ich sah die Fibrillen aber nicht nur auf diese Stelle beschränkt, sondern fand sie auch im Halsabschnitte der Falte und auf einer allerdings nur ganz kurzen Strecke dem Darme anliegend (Fig. 196). Nach der oralen Seite zu hat sich das Axialorgan bis zur Mund- scheibe ausgedehnt und ist also in den Bereich des oralen Cöloms hineingelangt. Es zieht sich hier an der dem Enddarm zugekehrten Kante des Oesophagus hin (Fig. 186, 187). So wie im mittlern Ab- schnitt wird es auch hier von einer Falte der Cölomwand umgeben, die aber im äussersten Theile weniger eng anschliesst, so dass um das Axialorgan herum ein kleiner freier Raum bestehen bleibt, der auf die primäre Leibeshöhle zurückzuführen ist und keine Verbindung mit dem eigentlichen Cölom besitzt. Auf der oralen Seite endigt dieser Raum unter der ectodermalen Mundscheibe, an deren Innenwand die das Axialorgan umgebende Cölomwandfalte sich mit trichterförmiger Ver- breiterung anlegt (Fig. 174); aboral zu verschwindet er, weil das Axialorgan die Faltenhöhle ganz erfüllt (Fig. 196). Ich kenne aller- dings die weitere Entwicklung nicht, glaube aber, dass es sich in diesem, das Axialorgan umgebenden, mit epithelialer, durch Längs- a Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 367 fibrillen ausgezeichneter Wandung ausgestatteten Raume nur um die Anlage eines Gefässes handeln kann, das Lupwic und GREEFF als Herzgeflecht bezeichneten, allerdings aber mit dem Axialorgan identi- ficirten. Nach dem aboralen Ende zu tritt das Axialorgan, wie schon im vorigen Capitel beschrieben wurde, in das Verticalmesenterium des aboralen Cöloms über (Fig. 193, Taf. 22), durchsetzt weiterhin den centralen Raum, welchen das gekammerte Organ umschliesst (Fig. 197), und verliert sich endlich zwischen den strangförmigen Fortsetzungen des letztern. Wie weit es in den Stiel hineinreicht, kann ich nicht angeben, da ich in meinen Präparaten auf den Querschnitten die ein- zelnen Stränge nicht deutlich gesondert nachzuweisen vermochte. Auch in den ältesten Larven sah ich das Axialorgan im aboralen Theile, etwa vom Eintritt in die Region des gekammerten Organes an als einen Zellenstrang ohne centrales Lumen. Während seines kurzen Verlaufes im Verticalmesenterium beobachtete ich in einigen Fällen eine besondere Hülle um den Strang, die sich als feines Plattenepithel darstellte (Fig. 193B). Bury hat sie in seiner fig. 36 für jüngere Stadien ab- gebildet, in welchen ich sie noch nicht nachweisen konnte. In dem am äussersten Cölomende gelegenen Theile des Axialorganes bestehen dann noch die Verhältnisse, wie sie beim ersten Auftreten dieses Gebildes auch im oralen Abschnitte vorhanden waren, als es noch als eine ein- fache Verdickung des Cölomepithels bestand und eine Sonderung in epitheliale Hülle und centralen Strang noch nicht eingetreten war. CARPENTER und LupwiG, die den äussern Verlauf des Axial- organes richtig angegeben haben, fassen dasselbe lediglich als eine Fortsetzung des Stielfaserstranges in den Kelchabschnitt auf. Ersterer nennt es geradezu „axial prolongation“ und unterscheidet darin einen Axialcanal. Eine ausführlichere Beschreibung hat PERRIER gegeben. Er lässt das Axialorgan, den stolon génital. von einer kernhaltigen Hüllmembran umschlossen sein, deren Entstehung er allerdings nicht richtig erkannt hat, wie ich früher bereits auseinandergesetzt habe. In dem Geschlechtsstrang sieht er keine Höhle, sondern betrachtet ihn als solid. Die das Organ begleitenden Längsfibrillen sind von ihm ebenfalls gesehen, aber bezüglich ihrer Entstehung falsch be- urtheilt worden. Er glaubt nämlich, dass sie von besondern Mesen- chymzellen gebildet würden, welche am oralen Stielende gelegen seien. Diese sendeten lange Fibrillenfortsätze aus, welche die Peritonealhülle des Axialorganes durchbrächen und sich an dessen Aussenseite, aber innerhalb der Hülle ausbreiteten, Durch andere protoplasmatische 368 OSWALD SEELIGER, Fortsätze verbänden sich diese Mesenchymzellen mit den übrigen des Stieles. Ich brauche diese Auffassung wohl nicht weiter als irrthüm- lich zu erweisen, wenn ich auf meine oben gegebene Darstellungzund auf die betreffenden Schnitte verweise, welche über die richtige Deutung keinen Zweifel bestehen lassen. Zudem kann ich in PERRIERS Ab- bildungen, auf welche er sich bei seiner Beschreibung bezieht, nichts entdecken, was ihn zu seinen Schlüssen berechtigte. Zuletzt hat sich Bury, wenn auch nicht eingehender, mit dem Axialorgan dieser Larven- stadien beschäftigt und in fig. 39 in einem Querschnitte durch die Gesammtlarve die Verhältnisse richtig wiedergegeben. Er erwähnt, dass das Organ röhrenförmig geworden sei und in einer Art Mesen- terium liege; Fibrillen in demselben hat er nicht bemerkt. IV. Das Hydrocôl. Der Hydrocölring schliesst sich in diesen Stadien gewöhnlich vollkommen, indem die beiden blinden Enden im Interradius I—V verwachsen. Zunächst erkennt man in der dünnen, das Lumen quer durchsetzenden Scheidewand noch die beiden mit einander verklebten Plattenepithelien, endlich aber erfährt sie zahlreiche Durchbrechungen und löst sich in eine Anzahl Trabekel auf. Ich habe aber unter den fünfwöchentlichen Larven mehrere gefunden, welche die beiden Enden des Hydrocélringes noch unverschmolzen und durch ein zweischichtiges Septum getrennt erkennen liessen. Das Lumen ist ansehnlich weit; seine Form im Querschnitte wechselt je nach den Contractions- zuständen, erscheint aber gewöhnlich in der Richtung der Hauptaxe länger als in den Queraxen (Fig. 160, Taf. 21). In der Form aber, in der Semon den Ring in fig. 3, tab. 12, zeichnet, habe ich ihn niemals gesehen. Nach dem Vorgange Prrrier’s kann man am Hydrocülring vier Seiten unterscheiden: eine innere, gegen das Peristom gekehrte, die gegenüberliegende äussere, der die Sacculi anliegen, eine orale, von welcher sich die Tentakel erheben, und eine aborale, welche sich dem Parietalblatt des oralen Cöloms anschmiegt. Die äussere Wand lässt Perrier und mit ihm Bury mit der Leibeswand vollständig ver- schmolzen sein, während ich sie als selbständiges Epithel habe nach- weisen können und bei zufälligen Schrumpfungen (Fig. 165) von jener deutlich abgehoben fand. Ueberall ist die Wandung einschichtig und besteht aus einem sehr flachen Epithel, das nur in einer unter dem Nervenring ver- Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 369 laufenden Zone etwas verdickt erscheint und aus höhern Zellen sich zusammensetzt. Hier entstehen frühzeitig Ringfibrillen, welche den ganzen Hydrocölring umkreisen und eine Art Sphincter bilden. Sie liegen an der Aussenseite der Hydrocölwand und erscheinen in den Querschnitten in bekannter Weise als stark lichtbrechende längliche oder zapfenförmige Körperchen (Fig. 163—168). Bei der Längsansicht (Fig. 172A) erkennt man die Fibrillen als quergestreift, und die Kerne, die in der Tiefe liegen, erscheinen, was allerdings nicht an allen Stellen deutlich hervortritt, in Längsreihen angeordnet. in einigen der ältesten Larven sah ich die Ringfibrillen übrigens nicht nur auf die dem Nervenring anliegende Zone beschränkt. Feine Querschnitte durch den Canal liessen auf dessen ganzer Innenwand und auf einem Theile der aboralen allerdings nur sehr zarte und nicht ganz regelmässig vertheilte Längsfibrillen erkennen (Fig. 168A). Dieselben umkreisen aber noch nicht vollständig den ganzen Canal, sondern bilden einen noch unvollkommnen Belag von längern oder kürzern Ringfibrillen. Ob sich weiterhin überall eine vollständige Sphinctermusculatur am Hydro- cölringe entwickelt, wird sich aus der Untersuchung noch älterer Larven leicht ergeben. Die Ringmusculatur am larvalen Hydrocölring wurde bisher wohl nur von PERRIER beobachtet, der sie als sphincter péribuccal bezeichnet Bezüglich der Entstehung der Fibrillen begegnen wir aber auch hier wieder seinem Grundirrthum, der durch einen eigenthümlichen theore- tischen Standpunkt veranlasst zu sein scheint, dass es besondere Mesenchymzellen seien, deren plasmatische Fortsätze zu Fibrillen sich gestalten, während das Hydrocöl nur eine epitheliale Innenschicht bilde. Solche Mesenchymzellen sind aber nicht vorhanden, und die Muskelfibrillen werden von der Hydrocölwand gebildet. Die den Ringcanal durchsetzenden, die innere und äussere Wand verbindenden Trabekel haben sich bedeutend vermehrt. In jedem derselben ist ein meist die Mitte einnehmender Kern vorhanden; häufig findet man aber auch zwei oder mehrere im Verlaufe eines Trabekels, In jüngern Stadien fand ich die letzteren noch ohne besondere fibrilläre Structur, im Querschnitte rundlich oder vierkantig, öfters ein wenig bandartig abgeflacht. Die Bandform tritt in ältern Stadien sehr häufig auf, und dann liegen meist die Breitseiten parallel zur Oralwand, ob- wohl auch alle andern Stellungen vorkommen. Bei den Contractionen der Trabekel wird deren Gestalt mehr cylindrisch Am Rande zeigt der Querschnitt am deutlichsten in mit Alcohol behandel- ten und gut gefärbten Präparaten einen scharf hervortretenden Zool, Jahrb, VI. Abth, f. Morph. 94 370 OSWALD SEELIGER, Streifen, der sich unter starken Vergrösserungen in eine Anzahl dicht neben einander verlaufender Fibrillen auflést. In Fig. 172 B sind einige Querschnitte durch Trabekel abgebildet; einer derselben hat gleichzeitig den Trabekelkern getroffen. Was die Zahl der Fibril- len anbelangt, so unterschied ich manchmal nur eine, meist aber zwei bis vier und in einigen Fällen fünf. Doch bin ich der letztern Zahl nicht ganz sicher, da die Auflösung in Fibrillen an der Grenze der Leistungsfähigkeit meines Instrumentes stand. Daher kann ich auch das Vorhandensein einer Querstreifung nicht bestimmt in Abrede stellen, obwohl ich in den meisten Fällen die Fibrillen ganz structurlos sah und nur einige Male eine feine Körnelung habe wahrnehmen können. An den Enden der Trabekel schienen mir die Fibrillen etwas dicker zu sein als in der Mitte; ich habe sie dort in die Hydrocölwand ein- treten und in ihr endigen sehen. Ist der Trabekel bandartig, so er- scheint er in der Kantenansicht in der in b gezeichneten Form, von der Fläche gesehen aber wie in c. Im ausgebildeten Thiere wurden diese Trabekel zuerst von PERRIER (69) gesehen und später von TEUSCHER (87) als Bindegewebs- fäden in Anspruch genommen. LupwiG und Greerr halten sie für musculös, und namentlich Ersterer hat den Bau der Fäden bei An- tedon eschrichti (55, p. 16) ausführlich geschildert. Er beschreibt sie als bandartig und findet an ihrer Basis 2—4 Muskelfibrillen, welche parallel in einer Ebene verlaufen und mit ihren Enden die Wand des Hydrocöls durchsetzen, während der protoplasmatische Theil, welcher gewöhnlich nur einen Kern enthält, in diese letztere übergeht. „Daraus folgt“, so schliesst LupwıG, „dass jene den Muskelfäden anhaftenden Kerne nicht die Kerne der Muskelfasern sein können, sondern dass wir sie beziehen müssen auf einen sehr dünnen FEpithelüberzug der Fäden, welcher eine Fortsetzung des Epithels der Wandung der Wasser- gefässe ist... . „Diese Fäden sind musculös, sie bestehen aus wenigen (vielleicht bei manchen Arten auch nur einer einzigen) Muskelfasern -und einem sehr dünnen Epithelüberzug derselben.“ Danach muss man wohl annehmen, dass Lupwıc für die Muskelfibrillen, seine Mus- kelfasern, einen besondern, vom Hydrocöl unabhängigen Ursprung an- nimmt, ohne allerdings sich über denselben näher auszusprechen. Es würde das in gewissem Sinne zu PErrıer’s Auffassung hinüberführen, der allerdings die ganzen Muskeltrabekel von Mesenchymzellen ab- leitet, die das Hydrocöl durchsetzen. Während dieser auf eine Ver- schiedenheit der Kerne in den Trabekeln und der Hydrocölwand zum Beweise seiner Ansicht hinweist, dass die erstern mesenchymatösen Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 371 Ursprungs sind, betont andrerseits wieder Lupwıq die Identität der Kerne, da er den „epithelialen Ueberzug‘ vom Hydrocöl ableitet. Aus der von mir geschilderten Entwicklung ergiebt sich die Richtigkeit der Lupwie’schen Auffassung bezüglich der Herkunft der Kerne; was aber die Fibrillen anbelangt, so kann kein Zweifel bestehen, dass sie von den plasmatischen Zellkörpern, welche die Kerne umgeben, gebildet worden sind. Lupwia’s Beobachtung an Antedon eschrichtü, bei welcher im ausgebildeten Zustande die Fibrillen die Hydrocölwand durchsetzen, ist damit sehr wohl in Einklang zu bringen, und der Gegensatz besteht also lediglich in der bedeutenderen Länge der Fi- brillen und ihrer gröbern Ausbildung gegenüber den Larven von An- tedon rosacea. - In den Larven, in welchen noch das Septum im Hydrocölringe besteht, kann man sehr deutlich den Ursprung des Steincanals aus dem rechts gelegenen Blindende im Interradialraum V—I feststellen (Fig. 160, 161, Taf. 21). Er bildet eine V-förmige Schleife (in den eben erwähnten Abbildungen ist dieselbe durch den Druck des Deckglases verzerrt), deren beide Schenkel in einer bei ver- schiedenen Individuen abweichenden Weise im Raume gekrümmt sind, so dass aber niemals auf einem nur mässig dünnen Schnitte der ganze Canal zu sehen ist. Er verläuft im Verticalmesenterium des oralen Cöloms (Fig. 191A und B), welches von Lupwıc als eine besondere Bindegewebsschicht betrachtet wurde, und mündet an der Grenze des- selben gegen das Horizontalmesenterium in den Parietalcanal ein (Fig. 198). Dieser Ast verläuft manchmal ganz horizontal und ist nach aussen und dem Radius I zu gerichtet, während der an den Hydrocölring sich anschliessende Theil mehr vertical verstreicht. In seinem Bau gleicht der primäre Steincanal der Larven, wie bereits LupwiG bemerkt hat, ganz den zahlreichen Canälen der alten Formen. Er ist eine dickwandige Röhre, deren Lumendurchmesser in den ältern Larven die Wanddicke etwas übertrifft, und besteht aus einer Schicht ziemlich hoher prismatischer oder abgestutzten pyramiden- ähnlicher Zellen, deren Kerne gross und stark färbbar sind. Im End- stücke sind die Zellen in der dem Parietalcanal zugekehrten Wand etwas niedriger, oft cubisch geformt. Gegen das Mesenchymgewebe ist der Canal scharf abgesetzt; in seinem Lumen habe ich eine ge- streifte Randzone öfters nachweisen können, die ich auf Bewimperung zurückführen möchte. Lupwia konnte bei der Untersuchung des con- servirten Materiales ebenfalls die Bewimperung der Steincanäle in aus- gebildeten‘ Thieren nicht feststellen, und erst GrEEFF hat sie sicher 24* 372 OSWALD SEELIGER, erkannt. PERRIER dagegen ist der Ansicht, dass jede Zelle des Stein- canales der Larve — er entspricht, wie wir früher bereits gesehen haben, seinem tube hydrophore des gesammten appareil hydrophore — nur eine lange Geissel trage. Meine Präparate sind in dieser Be- ziehung nicht so deutlich, dass ich das entscheiden könnte. Es ist mir bei den Crinoidenlarven überhaupt aufgefallen, wie ausserordent- lich schwer sich Flimmern und Geisseln conserviren und in Objecten, die längere Zeit in Alcohol gelegen haben, nachweisen lassen. Bei den Bryozoen, die ich gleichzeitig behandelte, erwiesen sich die Flimmern viel resistenter, und ich kann jenen Uebelstand wohl nur mit der gleichzeitig erfolgten Auflösung der Kalkgebilde der Larve in Zu- sammenhang bringen. Aus dieser Darstellung der Entwicklung des Steincanals ergiebt sich, dass derselbe als eine selbständige Ausstülpung des Hydrocöl- ringes ziemlich spät entsteht, sich in den Parietalcanal öffnet und zu keiner Zeit frei nach aussen mündet. Diese Thatsachen waren SEMON zwar noch nicht bekannt, als er sich (83, p. 308, 309) über den Stein- canal der Comatulalarve in folgender Weise ausliess: „Das Pentactula- stadium ist überschritten, da der Steincanal nicht mehr direct nach aussen mündet, wie in frühern Stadien, sondern secundär in die Leibs- höhle, und erst durch einen Trichter derselben (dessen Entstehung man sich leicht klar machen kann) im Kelchporus nach aussen.“ Es ist mir aber unerfindlich, wie SEMON dazu gelangte, sich in so bestimmter Weise über die Entwicklung des Steincanals auszusprechen, obwohl er doch kaum mehr als seine subjectiven Vermuthungen vorzubringen im Stande war, da ihn die Beobachtungen seiner Vorgänger zu einer der- artigen Deutung nicht berechtigten. Diese hat sich denn auch in allen Stücken als irrthümlich erwiesen. Das Hydrocöl der Tentakel stellt durchaus einschichtige, dem Ectoderm dicht anliegende Schläuche dar, welche weite Lumina umschliessen, an der Basis etwas breiter sind, nach dem distalen Ende sich verjüngen. In den 15 grossen Tentakeln ist in den ältesten Larven die Spaltung bis zum Hydrocölringe vorgedrungen. Demnach sind die 5 primären Tentakelwurzeln, aus deren jeder sich eine Tentakelgruppe erhoben hatte, vollständig geschwunden, und jeder Tentakel entspringt direct aus dem Hydrocölringe Dies erklärt sich daraus, dass die Reste der fünf primären Ausstülpungen vollständig in das Ringgefäss einbezogen wurden. Im Tentakelhydrocöl selbst sehe ich nämlich keine Muskeltrabekel, sondern nur im Ringe, obwohl sie in jüngern Stadien (vgl. Fig. 155, 156, Taf. 22) in den Primärausstülpungen vor- a Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 373 handen waren. Es ist das eine nicht unwichtige Thatsache, auf welche ich weiter unten noch werde zurückkommen müssen. Die Wände stellen ein flaches Epithel dar, dessen Kerne etwas grösser, aber nur schwächer färbbar sind als die des Ectoderms und an der innern Seite liegen (Fig. 180—184, Taf. 22). Am distalen Ende sind die Zellen etwas dicker und plasmareicher, und es scheint dort das Längenwachsthum sich zu vollziehen. An der Aussenseite hat das Epithel überall parallel verlaufende Längsfibrillen ausgeschieden, die in den Querschnitten als stark lichtbrechende Körper in der be- kannten Weise erscheinen und bei der Längsansicht sich als querge- streift erweisen. Der in Fig. 184 abgebildete Schnitt zeigt oben eine Anzahl Längsfibrillen mit den darunter liegenden Kernen des Hydrocöls, welche sich von den Ectodermkernen der Tentakelpapillen deutlich unterscheiden. Auch im untern Theile der Abbildung sieht man zwischen den beiden Papillenbasen einige Hydrocölkerne. Nach der Wurzel zu ziehen die Fibrillen bis zum Wassergefäss- ring, verhalten sich aber hier nicht auf allen Seiten in gleicher Weise. Auf der innern Seite sind die Fibrillen hier beträchtlich gröber als auf der äussern (Fig. 173, Taf. 21) und erstrecken sich mit ihren letzten Enden über einen Theil der Ringmusculatur des Hydrocölringes hinweg, zwischen diese und das Ectoderm sich einschiebend (Fig. 164, 172 A). An der dünnern Aussenwand, die in Folge der Behandlungs- weisen häufig von der Ectodermwand abgehoben und gefaltet erscheint, werden die Fibrillen am Basalende feiner und setzen sich, wenn auch nicht sämmtlich, mit feinsten Fortsätzen auf die Aussenwand des Ringcanals fort. Jedoch habe ich solche Fibrillenfortsätze nur: im oralen Theile der äussern Canalwand angetroffen; dass sie die ge- sammte Länge durchziehen, wie PERRIER angiebt, habe ich nicht sehen können. Ebensowenig ist es mir gelungen, in diesen Fibrillenenden noch Querstreifung zu erkennen. In Fig. 166 habe ich zwei neben und hinter einander verlaufende Fibrillenstücke gezeichnet; im untern, gröbern ist die Querstreifung zu sehen, während das obere, welches bereits im Bereiche des Ringcanals liegt und das Ende einer Längs- fibrille darstellt, mit feinster Spitze abschliesst. Der Bau des Hydrocöls der kleinen Interradialtentakel ist wesentlich der gleiche. Als ein etwas bemerkenswertherer Unter- schied ist mir nur aufgefallen, dass an ihrer Basis gerade die äussern Muskelfibrillen besonders stark entwickelt sind und sich etwas weiter nach dem aboralen Ende zu verfolgen lassen als die der innern Seite. Dies erkennt man deutlich bei der Durchsicht von Querschnitts- 374 OSWALD SEELIGER, serien, die insofern auch lehrreich sind, als sie das Hydrocöl von je zwei zu verschiedenen Parameren gehörenden Interradialtentakeln an der Basis verbunden zeigen. Erst mittels dieses gemeinsamen Stückes, auf welches sich nur die Aussenfibrillen fortsetzen, mündet das Hydrocöl in den Ringcanal ein. Während die Insertionsstellen der Interradial- tentakel nach innen zu verschoben erscheinen, sind die der 15 andern mehr nach aussen verlegt. Die Längsmusculatur der Tentakel ist schon den ältern Beobachtern aufgefallen; am eingehendsten hat sie PERRIER beschrieben und wieder- um als Fortsätze besonderer Mesenchymzellen in Anspruch genommen. Solche fehlen aber durchaus zwischen dem Ectoderm und Hydrocöl der Tentakel; beide Schichten liegen vielmehr in allen Stadien der Entwicklung so dicht an einander, dass Spalträume zwischen denselben, welche auf die primäre Leibeshöhle zurückzuführen sind, nur in aller- beschränktestem Maasse auftreten können, dann aber niemals Zellen führen. PERRIER erwähnt ferner in den distalen Tentakelabschnitten besondere Ringfibrillen ; 3—4 derselben sollen zwischen je zwei Papillen über den Längsfibrillen liegen. Auch in den ältesten Larven habe ich sie nicht auffinden können, obwohl sie Perrier in den entsprechenden Stadien abbildet. Bei der Durchsicht einer sehr grossen Zahl Tentakel habe ich im Ganzen vielleicht ein halbes Dutzend Gebilde aufgefunden, welche sich vielleicht mit Perrier’ s Angaben in Zusammenhang bringen lassen. Es handelte sich in diesen Fällen um eine horizontale, etwa — !/, bis !/, des Tentakelumfanges einnehmende streifenförmige Ver- dichtung im Plasma des Ectoderms dicht an der Peripherie einer Papillenbasis. In dem verdichteten Streifen lag ein etwas in die Breite gezogener Kern, der aber zweifellos ectodermalen Ursprungs war, wenngleich er etwas in die Tiefe verschoben schien (Fig. 165, Taf. 21). Ob es sich dabei um ein durch die Reagentien hervorgerufenes Kunst- product oder eine durch die Contraction der Längsfibrillen entstandene Verdickung handelt, kann ich nicht entscheiden. Möglicher Weise leitet sich damit auch die Bildung einer ectodermalen Ringfibrillenlage ein, was sich bei der Untersuchung älterer Larven sofort ergeben wird; wirkliche Ringfibrillen waren aber in den Larven der von mir unter- suchten Stadien noch nicht vorhanden. V. Der Parietaleanal. Der Parietalcanal erfährt keine wesentlichen Veränderungen, nur prägt sich der Gegensatz zwischen den beiden Abschnitten immer Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 375 deutlicher auch in histologischer Beziehung aus. Der Endabschnitt ist röhrenförmig und besteht aus einem cubischen oder mässig hoch prismatischen Epithel, das sich im lebenden Object vermuthlich als bewimpert erweisen wird. Er verläuft in ähnlicher Weise wie früher, transversal in der Leibeswand; sein inneres Ende senkt sich mehr oder minder steil nach der aboralen und ursprünglich rechten Seite zu und reicht etwa bis zum Verticalmesenterium des oralen Cöloms, um daselbst mit allmählich sich abflachenden Wänden in den zweiten Ab- schnitt des Parietalcanales, die Parietalhöhle, überzugehen. Das äusserste Ende des Endabschnittes (Fig. 200, Taf. 22) biegt in scharfem Winkel nach aussen und öffnet sich als Porus nahe dem Radius I, doch stets im Interradialraum V—I, in welchem wir auch den After liegen sahen. Der Porus zeigt wechselnde Weite und Form, nicht nur bei verschiedenen Individuen, sondern er scheint sich zeit- weilig erweitern und wieder verengen zu können, und es ist oft gar nicht leicht, ihn in letzterm Zustande aufzufinden. Da besondere Muskeln fehlen, kann das nur mit den Gesammtcontractionen des Kelches im Zusammenhange stehen. Das Endstück um den Porus ist bewimpert, und an einigen Stellen habe ich in den Enden der grossen Zellen Längsstreifung erkennen können. Doch auch hier gilt das oben bezüglich der schwierigen Conservirung der Wimpern Gesagte. Ob sich das Ectoderm an seiner Bildung betheiligt, wie Bury glaubt, lässt sich auch jetzt nicht sicher feststellen; es könnte sich aber nur um eine ganz geringe Zahl Ectodermzellen handeln, welche höchstens den äussern Porusrand begrenzen würden. Das knieförmig nach aussen gebogene Endstück ist von PERRIER als entonnoir vibratile bezeichnet worden, während er den Haupttheil des Endstückes mit dem Innen- abschnitt als canal parietal s. str. zusammenfasst. Der innere Abschnitt, die Parietalhöhle, zeigt bedeutendere Verschiedenheiten sowohl in der Form als auch im histologischen Ver- halten der Wandungen. Im Allgemeinen stellt er ein bläschenförmiges Gebilde dar, welches sich nach dem aboralen Pole zu zipfelförmig mehr oder minder weit in die Länge streckt, indem es dem Parietal- blatt des aboralen Cöloms dicht anliegt. Dieses innerste Endstück wurde von PERRIER übersehen. In den erweiterten Theil mündet der Stein- canal ein (Fig. 198), der aborale Zipfel endigt blind. In einem Theil auch der ältesten Larven konnte ich die Wandung noch als ein gesondertes Plattenepithel nachweisen, das gewöhnlich im aboralen Endtheile be- sonders deutlich war. In andern Larven zeigte sich dagegen früh- zeitig eine Verschmelzung mit den Geweben der Leibeswand, welche 376 OSWALD SEELIGER, den Parietalcanal umgeben, so dass dessen Wand vollkommen die Selb- ständigkeit verliert (Fig. 198), was Bury bereits für jüngere Stadien angegeben hat. Das scheint mir das weitere Schicksal auch in den Larven zu sein, in welchen, trotz der mehrwöchentlichen Lebensdauer, die Wand der Parietalhöhle sich selbständig erhalten hat. In jüngern Larven war stets die innere Wand der Parietalhöhle vom Cölomepithel durch Mesenchym getrennt. Nach und nach wird dieses hinweggedrängt, und beide Wände legen sich zunächst an einer kleinen, aber bald sich ausbreitenden Stelle dicht aneinander, um zu einer Lamelle zu verwachsen. Diese, Cölom und Parietalcanal schei- dende Wand besteht zunächst aus zwei Plattenepithelien, die sich auch getrennt in vielen Larven noch nachweisen lassen; in andern aber ist das nicht mehr möglich, und man sieht nur eine dünne Lamelle mit eingebetteten Kernen. Ein noch weiteres Stadium endlich findet man in Fig. 199 gezeichnet, wo nur noch eine zarte protoplasmatische Schicht die beiden Räume trennt. Diese Reihe zeigt deutlich, dass die Entwicklung darauf gerichtet ist, eine Verbindung zwischen Parietalcanal und Cölom herzustellen. Ich habe auch in mehreren Schnittserien an den betreffenden Stellen keine Scheidewand mehr nachweisen können und die Parietalhöhle wie ein Divertikel der Leibes- höhle gesehen. Schon oben, bei Besprechung der Auflösung der Mes- enterien, habe ich aber betont, dass selbst bei äusserster Vorsicht im Schneiden und Einbetten so feine Lamellen zerreissen und dann künst- liche Perforationen für natürliche Verbindungen gehalten werden können. Dasselbe ist hier, wenn auch nicht wahrscheinlich, so doch immerhin möglich. Es erschwert die Deutung der Umstand, dass die vorhin erwähnte fortschreitende Reihe in der Auflösung des Septums mit dem Alter der verschiedenen Larven nicht immer gleichen Schritt hält. So entstammt z. B. Fig. 199 einer neuntägigen Larve, während in drei- wöchentlichen oft Cölom- und Parietalcanalwand ganz getrennt waren, und in manchen der ältesten, fünfwöchentlichen kaum das in Fig. 199 gezeichnete Stadium erreicht war. Manchmal zeigten wiederum Jüngere Larven den Parietalcanal wie ein Cölomdivertikel, ähnlich wie es Lupwia gezeichnet hat. Bei der Untersuchung älterer Stadien wird sich darüber leicht Klarheit gewinnen lassen, denn diese müssten dann sämmtlich die letztern Verhältnisse aufweisen. Bekanntlich vermehrt sich die Zahl der Steincanäle und Porus- öffnungen während der weitern Entwicklung beträchtlich. Zur Zeit der Abtrennung der Comatula vom Stiele sind 5 Steincanäle vorhanden, die sich durch 5 Poren nach aussen öffnen, ein Verhalten, das bei Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 377 Rhizocrinus lofotensis Zeit Lebens herrschend ist. Später vermehren sich sowohl die Steincanäle als auch die Kelchporen der jungen Coma- tula sehr bedeutend, ohne aber weiter noch in ihrer Zahl übereinzu- stimmen. So giebt Lupwic für die ausgebildete Antedon rosacea die Zahl der Steincanäle in jedem Interradialraum auf mindestens 30 (55, p. 48), die Gesammtzahl der Kelchporen aber auf ungefähr 1500 an (1 c. p.56). Es ergiebt sich von selbst, dass die spätern Ausführungs- apparate des Hydrocöls sich nicht in derselben Weise bilden können wie der erste, da ja besondere, frühzeitig abgeschnürte Parietalcanäle nicht vorhanden sind. PERRIER, der allerdings die Entstehung des primären Ausführungsorgans, des ersten Steincanals und des Parietal- canals verkannt hat, giebt für die folgenden vier an (70, p.215 u. f.), dass sie gänzlich vom Hydrocölringe aus gebildet werden. Für die spätern, bedeutend zahlreichern Kelchporen und Steincanäle ist eine gemeinsame, einheitliche Entstehung so gut wie ausgeschlossen, und es müssten dann für die Kelchporengänge drei verschiedene Entstehungs- arten angenommen werden. PERRIER sieht nirgends eine Verbindung des Steincanals oder Parietalcanals mit dem Cölom, und in dieser Beziehung hat sich ihm Bury angeschlossen , dessen älteste Larven allerdings jünger waren als die letzten von mir beobachteten Stadien. Für diese jüngern Larven ist das auch ganz zutreffend. Sehr verschieden davon hatte Lupwie (57) diese Verhältnisse dargestellt. Er lässt ebenso wie im ausgebildeten Thier bereits den ersten Steincanal der Larve in die Leibeshöhle und zwar in einen besondern Theil derselben, der durch Bindegewebsstränge un- vollständig abgegrenzt sei, einmünden und erst den letztern durch einen Porus nach aussen sich öffnen. Unter Andern ist ihm hierin auch Semon gefolgt, Perrier dagegen (I. c. p. 157) glaubt Lupwic’s Angaben darauf zurückführen zu müssen, dass bei der Präparation das äussere Ende des Steincanals leicht vom Parietcanal abreisse und dann frei in das Cölom sich öffne. Mir ist etwas Derartiges nie begegnet, und auch in Lupwi@'s Zeichnungen finde ich nichts, was diese Erklärung rechtfertigen könnte. Vielmehr lassen sich die- selben ganz ungezwungen auf die thatsächlichen Verhältnisse beziehen. Vergleicht man nämlich Lupwig’s fig. 1 auf tab. 12 mit den hier ge- gebenen Abbildungen, so kann wohl kaum ein Zweifel darüber be- stehen, dass der von ihm als‘ein unvollständig abgetrennter Theil der Leibeshöhle betrachtete Raum (L,) die Parietalhöhle darstellt.! (In den Larven dieses Alters besteht allerdings zwischen Cölom und Pa- rietalcanal noch keine Verbindung, und die isolirten Bindegewebs- 378 OSWALD SEELIGER, stränge stellen in Wirklichkeit ein vollständig trennendes Septum dar, das in Lupwia’s Larven bei der Conservirung Risse erhalten hatte. Da Lupwıg jüngere Entwicklungsstadien nicht kannte und den Parietal- canal niemals als selbständiges Gebilde, sondern stets mit dem Cölom in scheinbarem Zusammenhange sah, konnte er nur die oben erwähnte Deutung geben, die mit den Befunden bei ausgebildeten Comatulen in vollster Uebereinstimmung stand. Wie aber dieses Verhältniss in der Larve sich entwickelte, darüber hat er sich nur vermuthungs- weise ausgesprochen (57, p. 40): „Da bei allen andern Echinodermen in der Jugend eine unmittelbare Communication der Wassergefäss- anlage mit dem umgebenden Wasser durch den sogenannten Rücken- porus der Larve besteht, so ist es wahrscheinlich, dass auch bei den Crinoiden ursprünglich ein gleiches Verhalten als Ausgangspunkt für die spätere, abweichende Bildung gedient hat.“ Diese Vermuthung hat sich nun allerdings nicht bestätigt, trotzdem sie Semon später als Thatsache vorgetragen hat. Er äussert sich nämlich in folgender Weise: „Die Entwicklungsgeschichte lehrt uns, dass der Kelchporus der Crinoiden aus dem Rückenporus der Larve entsteht; die Modification des ursprünglichen Verhaltens besteht nur darin, dass der Steincanal die directe Verbindung mit dem Porus aufgiebt, sich sozusagen in zwei Stücke löst; die Bruchenden öffnen sich dann frei in die Leibes- höhle“ (83, p. 265). Noch in einer andern Weise versuchte LupwıiG seine Befunde bei der Comatulalarve zu erklären: „Es wäre aber auch anders denkbar; es könnte sich herausstellen, dass bei der Cri- noidenlarve die Abtrennung der Wassergefässanlage von der Leibes- höhlenanlage keine ganz vollständige ist, sondern dass beide Anlagen durch das später im primären Steincanal gegebene Rohr in offener Verbindung bleiben, und dass nicht wie sonst die Wassergefässanlage, sondern die Leibeshöhlenanlage sich durch den dem Rückenporus der andern Echinodermenlarven zu vergleichenden Kelchporus nach aussen öffnet.“ Fasst man mit Bury den Parietalcanal als vordere Leibes- höhle auf, so scheinen sich Lupwic’s Vermuthungen zum Theil zu verwirklichen, obwohl er natürlich damals nicht an eine derartige be- sondere, durch einen Porus sich 6ffnende Leibeshöhle gedacht haben konnte Dazu kommt ferner, dass nach Bury’s Auffassung eine wesentliche Annäherung an andere Echinodermenlarven bestände, da er auch bei diesen eine oft nur ganz unscheinbare, fast völlig rudi- mentäre Aussackung des Hydrocöls als „vordere linke Leibeshöhle“ deutet, von welcher der Poruscanal ausgehe. Dass aber diese An- schauungsweise eine noch problematische ist, habe ich früher schon Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 379 betont. Ferner habe ich auch in dem vorhergehenden Capitel ein- gehend auseinandergesetzt, dass der primäre Steincanal sich nicht auf die ursprüngliche embryonale Verbindung von Hydrocöl und Parietal- canalanlage zurückführen lässt, sondern eine Neubildung ist, die;erst dann auftritt, nachdem die Hydrocölanlage sich allseitig zu einem selbständigen Gebilde abgeschlossen hat. Ueber die physiologische Bedeutung des Parietalcanals und des Steincanals der Larven kann ich keine eigenen Beobachtungen vor- bringen. Ich glaube aber, dass das lebende Object zur Untersuchung sehr geeignet sein dürfte, da die Gewebe genügend durchsichtig sind, um trotz der Kalkplatten eine Anwendung stärkerer Vergrösserungen möglich zu machen, ohne die Larve zu verletzen. Bekanntlich haben gerade in der letzten Zeit recht lebhafte Controversen über die Func- tionen des Steincanals und des Poruscanals der Echinodermen statt- gefunden. Es handelt sich dabei in erster Linie um den Nachweis, ob sich durch den Porus ein Flüssigkeitsstrom nach aussen oder nach innen zu bewege. Die ältere und bis vor kurzem fast allgemein ver- breitete Ansicht ging dahin, es seien Steincanal und Madreporencanal Röhren, die das Wasser in das Hydrocölsystem einführen. Zuletzt bat noch Lupwic (59) diese Auffassung durch eine Anzahl Experi- mente, die er unter andern auch an Antedon rosacea ausführte, zu stützen versucht. Es gelang ihm bei einigen Versuchen, Carminkörnchen, die dem Wasser beigemischt waren, auf ihrem Wege in das Innere bis in das Wassergefässystem zu verfolgen. Im Gegensatz hierzu betrachtet Harroc (38, 39) Steincanal und Porus als ausführende Wege und hat sich unter anderm auch bei Antedon überzeugt, dass der Flüssigkeits- strom von innen nach aussen gerichtet sei. Harroc’s Auffassung hat rasch Anklang gefunden. Ihm haben sich besonders Bury bezüglich der Larven (10) und P. und F. Sarasin (75, 76) angeschlossen, welche das bei Echiniden den Steincanal bis zur Madreporenplatte begleitende Gebilde bei Echinothuriden nachwiesen und als Niere deuteten, während es früher als Herz oder kurzweg als Niere betrachtet wurde. Diese Niere besitzt einen Ureter, der sich mit dem Steincanal vereinigt zu „einer gemeinschaftlichen Sammelblase, welche ihrerseits wiederum mittelst eines engern Canales in den Sammelraum der Madreporen- canälchen übergeht“ (75, p. 218). Auch die Drüse betrachten sie als einen Anhang des Wassergefässystems, dessen excretorische Bedeutung dadurch eine neue Stütze erhielte. Endlich haben Cuénot (23), PROUHO (73) und Perrier bei Echiniden und Asteriden sowohl einen ein- als austretenden Flüssigkeitsstrom in Abrede gestellt, und der Erstere 380 OSWALD SEELIGER, giebt höchstens die Möglichkeit eines Austausches der Flüssigkeiten durch Diffusion zu. Neuerdings hat sich Cufnor (24) abermals mit dieser Frage beschäftigt und gelangt zu dem ähnlichen Ergebniss, dass im Porus der Crinoiden überhaupt kein merklicher Wasserstrom circulire, höchstens aber ein schwaches Einströmen angenommen werden könne (l. c., p. 566 u. f). Ohne eine Kritik dieser Ansichten zu ver- suchen, wird man denjenigen wohl Recht geben müssen, welche einen grossen Theil der ausgeführten Experimente, die zu gerade entgegen- gesetzten Ergebnissen geführt haben, für nicht überzeugend erachten. Sie sind nämlich an herauspräparirten und blossgelegten Steincanälen und Porusgängen gemacht worden, und es lässt sich der Einwand nicht kurzer Hand abweisen, dass sich die Stücke im organischen Ver- bande des lebenden Thieres vielleicht nicht ganz übereinstimmend ver- halten. Bei der Beobachtung der Crinoidenlarve würde man diesen Einwand nicht zu befürchten haben. Wenn man erwägt, mit welcher Ueberzeugungstreue die Einen den eintretenden Flüssigkeitsstrom, die Andern den austretenden bei ein und demselben Thiere gesehen zu haben behaupten, so könnte man versucht sein, beiden Theilen Recht zu geben. Tritt wirklich eine Zeit lang Wasser in das Hydrocölsystem in dem Umfange und in der Intensität, wie es LupwıG beobachtet hat, ein, so wird dasselbe die Canäle zum Anschwellen bringen müssen. Bei der Antedon-Larve könnte dies aber nur von ganz vorübergehender Dauer sein, denn jede Contraction der mächtig entwickelten Hydrocölmusculatur wird die Flüssigkeit nach aussen zu befördern bestrebt sein, während beim Er- schlaffen der Muskeln für ein Wiedereinströmen die Bedingungen günstig geworden sind. Bei der Kleinheit des Lumens des Steincanals gegenüber den Gesammthydrocölräumen könnte es sich immerhin nur um geringere Flüssigkeitsmengen handeln, welche ein- und austreten. Auch in spätern Stadien, wenn der Parietalcanal mit dem Cölom in Verbindung getreten ist, bleiben die nämlichen Bedingungen bestehen, nur dass gleichzeitig auch für die Leibeshöhlenflüssigkeit ein allmäh- licher Austausch möglich geworden ist. PERRIER (71, p. 33) glaubt, dass in den ausgebildeten Comatulen das möglicher Weise eingeströmte Wasser auf „exosmotischem Wege wieder aus dem Hydrocöl entfernt würde. Für die gestielten Larven sehe ich keinen Grund zu einer der- artigen Annahme. Ich habe an verschiedenen Stellen bereits bemerkt, dass die Larve in Folge der Muskelthätigkeit sehr verschiedene Formenzustände des Kelches darbietet, bald blumenartig geöffnet, bald glockenförmig, bald eT FPT —— Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 381 ganz geschlossen erscheint. Es scheint mir sicher, dass gleichzeitig auch das Volumen schwankt; schon die verschiedenen Grade der Ein- senkung des Peristoms deuten darauf hin. Durch Flüssigkeitsaustritt aus dem Porus könnte dies nur in viel geringerm Maasse möglich sein, als es in Wirklichkeit, wie ich wenigstens glaube, der Fall ist. Da eine Comprimirung der Leibesflüssigkeit unmöglich ist, kann eine Volumensabnahme nur dadurch herbeigeführt werden, dass die Darm- wände sich enger aneinander legen und das namentlich im Oesophagus stets vorhandene Wasser durch den Mund ausfliesst. Bei Besprechung des Darmcanals habe ich auf die verschiedenen Contractionszustände desselben bereits hingewiesen. Dadurch dürften die Erscheinungen zur Genüge erklärt sein, und Porus und Steincanal kämen für die all- gemeinen Volumensveränderungen des Gesammtkörpers, wenn über- haupt, erst in zweiter Reihe in Betracht. Auch in den ältesten Larven von fünf Wochen habe ich eine secretorische Bedeutung der Parietalhöhle und des Steincanals nicht bemerkt. Besondere drüsige Gebilde, welche sie etwa begleiten oder in sie sich öffnen würden, hätte ich in meinem conservirten Material zuverlässig auffinden müssen, und auch die Wandungen selbst machen nicht den Eindruck von Drüsenzellen. Die Lumina waren leer, und nur im Porus (Fig. 200) trifft man manchmal ein Gerinnsel, das ich auf verklebte Cilien und einen dickflüssigen Stoff zurückführen möchte, dessen Herkunft ich aber nicht kenne. Möglich ist es wohl, dass er von der den Porus auskleidenden Wand abgeschieden ist, denn hier nehmen die Zellen eine Beschaffenheit an, die mit einer solchen Func- tion wohl in Einklang stehen würde; doch könnte es sich auch um eingetretene Fremdkörper handeln. VI. Das Mesenchym. 1. Die Sacculi. Die ersten fünf Sacculi vergrössern sich rasch in den Larven, deren Vestibulum bereits durchgebrochen ist, zu kugelähnlichen oder - eiförmigen Körpern und bedingen schliesslich buckelförmige Hervor- wölbungen der Cuticula, von welcher sie nicht mehr durch zwischen- liegende Zellen getrennt sind. In den ältesten Larven sah ich 5 neue Sacculi oralwärts von den ersten sich bilden. Parallel mit der Grössenzunahme verändert sich auch der Bau der Sacculi. Zunächst kommt es zu einer schärfern Sonderung einer 382 OSWALD SEELIGER, epithelialen Aussenschicht und einer Innenmasse. Die erstere flacht sich rasch ab und stellt auf dem letzten Stadium, das ich beobachten konnte, stets ein sehr flaches, membranartiges Plattenepithel dar, in welchem abgeflachte Kerne sich deutlich nachweisen lassen, wie dies bereits von PERRIER zutreffend bemerkt wurde. Sie umschliesst die Innenmasse wie eine Kapsel (Fig. 203). Eine Verschmelzung mit dem umgebenden Mesenchymgewebe, wie sie Bury (l. c. p. 285) behauptet, habe ich nicht gesehen. In manchen Sacculis habe ich, wie es Cuxnor darstellt, die Hülle nicht als vollständiges Plattenepithel, sondern auf der innern Seite aus dickern, plasmareichern Zellen zu- sammengesetzt gefunden und deute das als ein etwas jüngeres Stadium, in welchem die Abflachung der Wand noch nicht zum Abschlusse ge- langt ist. Die Zellen, welche den Innenraum erfüllen und in den ersten Stadien Kern und Zellkörper deutlich gesondert zeigten, verändern sich rasch, nachdem sie sich durch Theilung vermehrt haben. Sie runden sich ab und vereinigen sich zu zahlreichen Gruppen, deren jede aus einer sehr wechselnden Zahl einzelner Elemente sich zusammensetzt; manchmal sind es nur zwei, drei oder vier, ein andermal wohl ein Dutzend und mehr. Mit der Zahl der Elemente variirt auch die Grösse und Form eines jeden Häufchens. Die kleinern sind gewöhnlich eiähnlich, die grössern traubenförmig; in ein und demselben Sacculus trifft man die verschiedensten Formen neben einander. Im lebenden Objecte erscheinen die Einzelelemente eines jeden Häufchens nach THom- son (90, p. 527) und Bury (9, p. 287) farblos und, wenn ich mich recht entsinne, bei mässig starken Vergrösserungen homogen, stark glänzend. Sie nehmen die Farbstoffe leicht auf und färben sich namentlich in Karmin tief dunkelroth und ganz gleichmässig, so dass zunächst keine besondern Einzelheiten erkennbar sind und weder Kerne noch Chromatinkörnchen sich unterscheiden lassen. In ganz ähnlicher Weise sind diese Elemente im ausgebildeten Sacculus, in welchem sie in einer etwas andern Gruppirung erscheinen, von PERRIER als „globes“, von Bury als „refractive spherules“ beschrieben worden. Bury hat zu- dem auch Larven eines ähnlichen Stadiums wie das hier besprochene untersucht und die Elemente im Wesentlichen übereinstimmend gefun- den. Entfärbt man aber die Schnitte etwas nachhaltiger in salzsaurem Alcohol, so lassen sich in den zu Gruppen vereinigten Elementen noch bestimmte Structuren nachweisen. Sind sie in Sublimat conservirt und mit Picrocarmin gefärbt worden, so erscheinen sie nach starker Ent- färbung schwach gelblich, nach vorhergegangener Behandlung mit Alcohol Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 383 und Boraxcarmin schwach rosa. Die grösste Zahl derselben erweist sich aber nunmehr unzweifelhaft als echte Zellen (Fig. 201). Ziemlich in der Mitte lässt sich noch der Kern unterscheiden, der einzelne Chromatinkörner umschliesst. Häufig ist er gross und bläschenförmig, nur von einer spärlichen protoplasmatischen Masse des Zellkörpers umschlossen, welch letztere, wenn die Elemente dicht an einander lagern, nur auf der freien Seite eine Kugeloberfläche zeigt, auf der innern durch den gegenseitigen Druck polyedrisch erscheint. Häufig aber konnte ich einen deutlich umschriebenen Kern nicht mehr nach- weisen und sah nur Chromatinkörnchen frei im Plasma liegen. Ob es sich dabei um ein regelmässig wiederkehrendes Stadium der Kerntheilung handelt, oder um den Beginn einer Kernrückbildung, vermag ich nicht zu entscheiden. Die Chromatinmenge ist in den verschiedenen Ele- menten eine wechselnde, manchmal noch recht ansehnlich, häufig aber nur sehr spärlich, so dass ihr Nachweis nicht ganz leicht wird. Der in Fig. 201 abgebildete Schnitt hat einen der fünf ersten Sacculi nahe am Ende durchschnitten und zeigt ihn daher nur von kleinem Umfange, während er in seiner Mitte bis dicht unter die Cu- ticula reicht und eine äussere Hervorwölbung derselben bedingt. Neben isolirten Elementen sieht man einige zu Gruppen vereinigt und durch eine homogene Masse zusammengehalten, welche aus den Zellkörpern hervorgegangen ist. Ein jedes Element und nicht eine Gruppe von solchen ist also einer Zelle gleichzusetzen. Bury hat eine entgegengesetze Auffassung vertreten und angenommen, dass ein jedes, die Elemente tragende Innensäckchen der ausgebildeten Form, seine „pyriform sacs“, aus je einer Zelle hervorgehe. A priori war das schon deshalb nicht sehr wahrscheinlich, weil die Zahl der Innenzellen in jüngern Stadien erheblich grösser ist als die der Säcke und eine Auflösung von Zellen nicht zu erkennen war. Da sich aber, wie ich es im vorhergehenden Capitel beschrieben habe, die Zellen im Innern des jungen Sacculus theilen und vermehren, so werden bei der spätern Gruppirung der Elemente zu Haufen und Trauben naturgemäss oft Abkömmlinge der- selben Vorfahrenzelle zusammentreten müssen. — In einem etwas vorgerücktern Stadium (Fig. 203 A), dem letzten, welches ich beobachtete, sind fast simmtliche Zellenhaufen zu lang ge- streckten, kegelähnlichen Gebilden geworden, ganz ähnlich denjenigen, welche zuerst PERRIER in der ausgebildeten Comatula beschrieben hat. Zwischen ihnen liegen nur wenige kleinere, unregelmässig geformte Ballen. Eine bestimmte Lagerung der grossen habe ich nicht fest- 334 OSWALD SEELIGER, stellen können, obwohl zwar die Mehrzahl mit der Kegelbasis dem Plattenepithel zugekehrt ist und die Spitze gegen die Mitte” gerichtet zeigt. Ebensowenig habe ich eine besondere, einen jeden Ballen umschliessende Membran wahrnehmen können, und ich glaube nicht, dass eine solche, wenn sie im Leben bereits vorhanden gewesen wäre, durch die Conservirungsflüssigkeiten aufgelöst worden sei. In den ganz ausgebildeten Sacculis der alten Thiere ist sie in übereinstimmender Weise von mehrern frühern Autoren beschrieben worden, und PERRIER hat in ihr sogar einen Kern beobachtet, den Bury nicht auffinden konnte. Dagegen habe ich einige Male den fadenförmigen, hyalinen Fortsatz am spitzen Ende deutlich gesehen, freilich noch kürzer als im ausgebildeten Thiere und niemals bis an die Wand des Sacculus reichend, um dort die Anheftung zu bewirken. Offenbar hat also das letzte von mir beobachtete Stadium noch nicht die endgültige Ausbildung erreicht. Bei der Isolirung der einzelnen Elemente eines Ballens gewahrt man, dass dieselben trotz Mangels einer umschliessenden Mem- bran ziemlich fest an einander kleben. Nicht alle aber finde ich übereinstimmend gebaut. Nur verhältnissmässig wenige liessen sich noch als vollständige Zellen nachweisen mit Zellkörper und kleinem Kern, der meist nur spärliche Chromatinkörnchen enthielt (Fig. 203 B). Die meisten, und zwar denselben Ballen zugehörenden Elemente sah ich ohne Chromatineinlagerungen. In einigen liess sich ein helles, bläschenartiges Gebilde, das meist etwas excentrisch gelegen war (Fig. 203B), erkennen, das vielleicht den achromatisch gewordenen Kernrest darstellt, vielleicht auch die Neubildung einer Vacuole ist, was ich nicht zu entscheiden vermochte. In andern Elementen endlich konnte ich, so wie PERRIER und Bury, keine besondern Theile mehr unterscheiden und fand sie homogen. In dieser letzten Form dürfte die Entwicklung der Zelle im Sacculus ihren Abschluss gefunden haben. — In einigen der ältesten Larven beobachtete ich die Anlage von fünf neuen Sacculis. Sie entstehen ebenfalls radial, dicht bei den alten, oralwärts von diesen. Nicht alle entwickeln sich vollständig gleichzeitig und gleich rasch, so dass eine Larve mehrere Entwicklungs- stadien neben einander zeigt. In Fig. 201 sieht man den Beginn einer neuen Sacculusbildung, die nur auf zwei Schnitten zu erkennen war. Eine Anzahl Mesenchymzellen, die sich durch stärkere Färbbarkeit des Zellkörpers und dessen schärfere Contouren auszeichnen, treten zu einem 'unregelmässig geformten Häufchen zusammen, Es sind Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 385 zunächst nur wenig mehr als ein Dutzend Zellen, hôchstens zwanzig, welche die Gruppe bilden, sich aber frühzeitig zur Theilung anschicken. Auf einem viel frühern Stadium, als ich es bei den fünf ersten Sac- culis sah, erfolgt eine Trennung in eine periphere und centrale Partie. Die Zellen der erstern bilden eine flache Epithelhülle; die Innen- zellen theilen sich und verhalten sich ganz gleich wie die der ersten Sacculi (Fig. 202), doch habe ich so vorgerückte Stadien, in welchen sie zu traubenförmigen Ballen, den pyriform sacs, angeordnet gewesen wären, nicht mehr gesehen. Der in Fig. 202 abgebildete Schnitt zeigt auswärts vom jungen Sacculus einige Ectodermzellen, in andern Schnitten aber sieht man ihn dicht unter der Cuticula liegen, ohne durch dazwischen liegende Zellen von ihr getrennt zu sein. Dieses Verhalten legt die Frage nahe, ob nicht neben den Mesenchymzellen vielleicht auch Ectodermelemente sich an der Bildung der neuen Sacculi betheiligen. Da ein Unterschied auf diesem Stadium zwischen beiden Zellarten nicht besteht und beide ein einheitliches Gewebe darstellen, liesse sich ein ausschliesslich meso- dermaler Ursprung nur bei einer gewissen Lagerung der Sacculusanlage feststellen, die aber, wie aus der eben gegebenen Darstellung folgt, nicht vorhanden ist, denn mit dem äussern Theile reicht sie in den Bereich der oberflächlichen Ectodermzellen hinein. Da aber an manchen Stellen auswärts vom bereits abgeschlossenen Sacculus unzweifelhaft Ectoderm- zellen liegen, könnten nur ganz vereinzelte derselben aufgenommen worden sein, was ich aber für nicht wahrscheinlich halte. In den von mir untersuchten Larvenstadien dürften die Sacculi noch functionslos sein. Weber ihre physiologische Bedeutung im ausgebildeten Thiere sind aber die verschiedensten Auffassungen ge- äussert worden, deren ich zum Theil schon an einer frühern Stelle gedacht habe. Der fertige Bau und das Verhalten dieser Organe im lebendigen ausgebildeten Thiere lassen, soweit sie überhaupt erforscht sind, kaum eine andere Deutung zu, als dass den Sacculis eine secre- torische Bedeutung zukommt. Freilich ist die Entstehung aus Mesenchym- zellen der Deutung eines problematischen Organes als Drüse nicht ge- rade günstig. Wie ich einer Stelle in Lupwia’s Arbeit (55, p. 51) entnehme, hat bereits Dusarpin 1835 eine ähuliche Ansicht ausge- sprochen, denn er nennt die Sacculi „vesicules rouges, sécretantes une liqueur rouge abondante, surtout à l’époque du développement des oeufs“. Lupwia schliesst daraus, dass sich die bereits von F.S. LEuCKART (52, p. 380) beobachteten überaus reichen Farbenvari- ationen der alten Comatulen auf die Entleerungen der Sacculi zurück- Zool. Jahrb, VI. Abth. f, Morph, 25 386 OSWALD SEELIGER, führen lassen. Damit würde anscheinend Jon. MULLER’s Beobachtung (67, p. 12) stimmen, dass der Sitz der Farbe das oberste Häutchen d. i. die Cuticula der Comatula sei. Ich habe die Sacculi im lebenden ausgebildeten Thiere nicht untersucht, aber in übereinstimmender Weise geben BURY, CARPENTER und PERRIER an, dass ihr Inhalt farb- los sei, und es geht durchaus nicht aus ihren Mittheilungen hervor, dass dies nur für die hell gefärbten oder weissen Comatuliden gelte. Dann aber kann natürlich Lupwie’s Vermuthung nicht richtig sein, es sel denn, dass das Secret sich einige Zeit nach seiner Absonderung roth verfärbe. Alcohol und süsses Wasser ziehen den rothen Farbstoff der Comatulen sofort aus; die Flüssigkeiten färben sich rasch roth in dem Maasse, wie die Thiere gebleicht werden. In neuerer Zeit haben sich unter Andern besonders PERRIER, HAMANN und Bury für die Deutung dieser Gebilde als Excretions- organe ausgesprochen, und der Letztere hat im lebenden Objecte zwischen den einzelnen Ballen Schleimmassen nachgewiesen, welche nach aussen entleert werden und das umgebende Wasser trüben. Aller- dings kennt man nicht den Nutzen der Secretstoffe. Zur Zeit der Geschlechtsreife und Embryonalentwicklung könnte beim Weibchen das abgesonderte Secret die Aufgabe haben, die ausgetretenen Eier an den Pinnulen festzukleben, und es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass dies in der That geschieht. Nach der vorliegenden Darstellung der Entwicklung der Sacculi bedarf Vocr’s Ansicht (91, p. 570), dass sie parasitäre Gebilde darstellen, keiner weitern Zurückweisung, zumal dies schon von den verschiedensten Seiten, am eingehendsten von CARPENTER (20) und Bury, geschehen ist. Ganz neuerdings hat CuEnoT (24) eine früher bereits von WALTHER geäusserte Vermuthung in umfassender Weise zu begründen versucht. Danach würden die Sacculi „Reserveorgane“ darstellen, d. h. eiweisshaltige Substanzen auf- gespeichert halten, welche bei bestimmten Veranlassungen zur Ver- wendung gelangen könnten. Cunnor stellt sich vor, dass bei Nahrungs- mangel und bei der Regeneration verloren gegangener oder verletzter Körpertheile die Reservestoffe der Sacculi verbraucht würden. Dass während der Embryonalentwicklung derartige Reservestoffe sich ab- lagern, ist im Thierreiche ein weit verbreitetes Vorkommen. Die hier geschilderte Entwicklung der 5 oder 10 ersten Sacculi der festsitzenden Larve lässt sich aber kaum mit einer derartigen Deutung vereinbaren. Dazu kommt, dass Cusnor auch im ausgebildeten Thiere eine Ver- wendung des Sacculusinhaltes in der von seiner Hypothese geforderten Weise nirgend beobachtet hat, und dass die Lage dieser Organe — a PT PE | Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 387 mit Ausnahme der wenigen, zuerst von Lupwıc festgestellten Fälle — einer derartigen Verwerthung nicht günstig ist. Dass der Schleim, welcher an der Oberfläche der Thiere gefunden wird, ausschliesslich aus Schleimdrüsenzellen des Ambulacralepithels stammt, wie CUENOT im Gegensatze zu Bury annimmt, halte ich demnach für nicht ausreichend bewiesen. 2. Das Bindegewebe. So wie in der vorhergehenden Entwicklungsperiode bilden die Mesenchymzellen mit den Elementen des äussern Blattes in der Leibes- wand ein einheitliches Gewebe. Nur die äussersten spindelförmigen, meist senkrecht oder sehr steil zur Oberfläche stehenden Zellen sind mit Sicherbeit auf das Ectoderm, die tiefsten, dem Hydrocöl oder Parietalblatt des Cöloms unmittelbar benachbarten auf das Mesen- chym zurückzuführen. In den mittlern Schichten ist eine Sonderung nicht durchzuführen. Die Zellen stehen durch protoplasmatische Fort- sätze mit einander in Verbindung und liegen wie in jüngern Stadien in einer homogenen Intercellularmasse. Die Zellformen in den mittlern und tiefern Schichten der Leibes- wand des Kelches sind äusserst verschieden. Neben stark abgerundeten findet man sternförmige, verästelte, spindelförmige mit spitzen oder ge- gabelten Enden (Fig. 204a). Keine Zellform ist auf eine bestimmte Stelle beschränkt, anscheinend regellos liegen alle durch einander. Einige Mesenchymzellen machen den Eindruck von Muskelfaserzellen, ob sie aber in der That contractile Elemente sind, kann ich nicht sicher aussagen, da ich sie im lebenden Zustande nicht beobachtet habe. Zur Erklärung der Bewegungen, die im Kelche der Larve vor sich gehen, reicht der nachgewiesene Bau der Hydrocölmusculatur aus. In Fig. 204b habe ich zwei solche schräg in der Region des Hydro- cölringes und diesem nahe verlaufende Zellen abgebildet, und in c sieht man zwei andere, welche in der Höhe des Magens liegen und ziemlich genau in der Längsrichtung sich erstrecken. Jedoch finden sich in ihrer Nähe andere sehr ähnlich geformte Zellen, welche eine andere Verlaufsrichtung besitzen. Es ist mir durchaus nicht gelungen, eine Vereinigung solcher Zellen zu einem Bündel zu entdecken oder aus ihrer Lagerung auf einen bestimmten Effect zu schliessen, falls sie gleichzeitig oder nach einander sich zu contrahiren im Stande wären. | Im Stielabschnitte zeigt sich das Mesenchym so ziemlich unter 25 * 388 OSWALD SEELIGER, dem gleichen Bilde wie im vorhergehenden Stadium. Mit der ausser- ordentlichen Ausdehnung der Kalkstücke tritt die Bedeutung des Binde- gewebes zurück. Nur zwischen je zwei Stielgliedern sieht man in den entkalkten Präparaten eine Platte von dicht an einander liegenden, mit stark färbbaren Kernen versehenen Mesenchymzellen. Sie sind wohl dazu bestimmt, eine innigere, weich und biegsam bleibende Verbindung zwischen den Kalkstücken herzustellen. Die in spätern Stadien zu- erst von THOMSON beobachtete hohe Beweglichkeit des Stieles kann nur durch diese gelenkartigen Stellen ermöglicht sein. Die betreffenden Mesenchymzellen selbst sah ich spindelförmig; in-ihrer verdickten Mittelpartie liegt der chromatinreiche Kern. In welcher Art, ja ob sie sich überhaupt an den Enden der Kalkglieder befestigen, kann ich nicht angeben, da ich nur entkalktes Material dieser Stadien zur Ver- fügung hatte. Die übrigen Mesenchymzellen des Stieles betheiligen sich zum allergrössten Theil an der Bildung der Kalkglieder und liegen zwischen den Maschen derselben. Sollten ausser ihnen, was ich nicht feststellen kann, noch rein bindegewebsartige vorhanden sein, welche sich an der Skeletbildung nicht betheiligen, so müssten sie den andern sehr ähn- lich sein. In den Schnitten durch entkalkte Stiele erscheinen alle Mesenchymzellen ziemlich gleichartig. Scharf umgrenzt sind nur die Kerne; die Zellkörper erscheinen vorherrschend in der Längsrichtung des Stieles gestreckt und stehen durch verzweigte Enden mit einander in Verbindung. Daneben finden sich noch schräg und horizontal ver- laufende Zellen, die unter einander und mit jenen verbunden sind. Danach erscheint also das Mesenchymgewebe durch die Form der Kalkglieder bestimmt: die Lückenräume derselben sind von einem netz- förmigen Gewebe durchzogen, in welchem die Zellgrenzen nicht deut- lich zu erkennen sind, so dass die Kerne in einem plasmatischen Reticulum zu liegen scheinen. Dazu kommt noch als die Deutung er- schwerend, dass auch die umfangreichen Kalkmassen nach ihrer Auf- lösung sich oft nicht ganz vollständig aus den Präparaten entfernen lassen und Spuren derselben, wenn auch chemisch vollständig ver- ändert, zwischen dem plasmatischen Gerüstwerk zurückbleiben und sich mit demselben verbinden. Selbst bei vorsichtiger Entkalkung sind Zerrungen und Verschiebungen im Mesenchymgewebe unvermeidlich (Fig. 205). An der Grenze von Kelch und Stiel, in der Höhe des gekammerten Organs, findet eine beträchtliche Ansammlung von Mesenchymzellen statt, die sich an der Bildung von Kalktafeln nicht betheiligen. Ihre Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 389 Formen sind die der gewöhnlichen Bindegewebszellen ; neben mehr ab- gerundeten Elementen trifft man spindelförmige und besonders häufig sternformige. Nur aus ihnen könnte sich weiterhin das Organ bilden, welches in neuerer Zeit als der eigentliche nervöse Centralapparat in Anspruch genommen wird, während es LupwiG als unverkalkt ge- bliebenes Bindegewebe betrachtet (Fig. 197). Die Mitte des Stieles wird, wie oben bereits erwähnt wurde, von strang- formigen Fortsetzungen des gekammerten Organs und des Axialorgans durchzogen, die meist dicht aneinandergepresst sind und wie ein einheit- licher Faserstrang erscheinen. Manchmal tritt allerdings zwischen denselben ein Lückenraum auf, der aber vielleicht nur ein Kunst- product ist und von den ältern Autoren für eine Fortsetzung der Leibeshöhle in den Stiel gehalten wurde. Ich brauche hier nicht erst besonders zu begründen, dass er mit dem Enterocöl nichts zu schaffen hat und lediglich auf die primäre Leibeshöhle bezogen werden könnte. In dem axialen, die Stielglieder durchsetzenden Raume lagen in jüngern Stadien zahlreiche Mesenchymzellen, die sich zum Theil, wie ich oben schon als möglich hingestellt habe, bei der Bildung der strangförmigen Fortsätze des gekammerten Organs betheiligen könnten. Wenn später die Kalkplatten, von welchen die Bildung der Stielglieder ausgeht, sich geschlossen haben, ist deren centraler Kreisausschnitt gerade gross genug, um den axialen Strängen den Durchtritt zu ge- statten, und freie Mesenchymzellen liegen an den letztern nur in den Zwischenräumen zwischen je zwei Platten. Sie betheiligen sich hier aber weiterhin an der Bildung der über den Platten sich erhebenden Kalkzapfen und Querbalken und werden wahrscheinlich sämmtlich in die Kalkglieder einbezogen mit Ausnahme der in den Gelenken zwischen den Stielgliedern liegenden. Fünftes Capitel. Vergleichende Bemerkungen. I. Das Kalkskelet der Crinoiden. Nach den in den vorhergehenden Capiteln mitgetheilten Be- obachtungen ist das Kalkskelet der Larve bald nach erfolgtem Durch- bruch des Vestibulums nach aussen noch ziemlich einfach gestaltet. 390 OSWALD SEELIGER, In den Interradialräumen des Kelches liegen 5 Oralia und 5 Basalia über einander, von denen die erstern der ambulacralen oder oralen, die letztern der aboralen Seite angehören. An der Uebergangsstelle zum Stiele befindet sich das schalenförmige Centrodorsale, welches einen centralen Kreisausschnitt für das gekammerte Organ besitzt. Der den Ausschnitt unmittelbar begrenzende Theil der Platte ist nach Bury aus dem obersten Stielgliede hervorgegangen, während die periphere Partie aus vier oder fünf ursprünglich getrennt angelegten Subbasalien sich bildet. Bei dem ersten Auftreten der fünf letztern konnte ich eine bestimmte Lagebeziehung zu den spätern Körperradien nicht fest- stellen, während Bury die drei Anlagen, die er für die Normalzahl hält, radial in den Radien II, III und IV auftreten lässt. Da, wo 4 Subbasalia sich bilden, sieht man sie so ziemlich in der Form eines Rechteckes angeordnet: zwei Stücke liegen median, je eines dorsal und ventral vom gekammerten Organe, die beiden andern rechts und links von demselben (vergl. den beige- fiigten Holzschnitt Fig. K). In „EIER, Schematische Darang der diesem Falle ist also der 5-stralige Subbasalien, von der oralen Seite ausge- Bau vollständig gestört, und die schen, arärnlrgen.b = Beni eCot Subbasalplatten erscheinen in ill eines pentagonalen jungen Centrodorsale teralsymmetrischer Anordnung. er ee Nach der Verschmelzung zum das hinterste Stielglied, J, 17, 121,17, v_ Centrodorsale sieht Bury (9, fig. 52, ce Dorsal, V Ventral, À tah, 47) dasselbe pentagonal mit ra- dial gestellten Ecken (c, in Fig. K), was ich in den beiden einzigen, mir verfügbaren Larven nicht fest- stellen konnte, ohne dass ich aber deshalb die Richtigkeit von Bury’s Angabe bestreiten möchte. In den ältern Pentacrinoidlarven und den ausgebildeten Thieren sind entweder die Ecken des Centrodorsale inter- radial gerichtet, oder der Scheibenrand nähert sich, wie z. B. in den von W. B. Carpenter beobachteten Fällen, einer Kreisform. Ent- sprächen, was man annehmen könnte, die Spitzen des ausgebildeten pentagonalen Centrodorsale den ursprünglichen 5 getrennten Sub- basalien, so müsste eine Lageveränderung derselben nach den Inter- radien erfolgt sein. Als Beweis für eine derartige Bewegung könnte Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 391 man dann auf Carpenrer’s Abbildung eines Pentacrinoidstadiums (14, fig. 6, tab. 41) verweisen, in welcher die Spitzen des Centro- dorsale noch nicht vollständig interradial, sondern noch um einen kleinen Winkel von den Interradien entfernt liegen, während ALLMAN (2, p. 245) in seinem Schema die Spitzen des Pentagons noch genau radial gelegen zeichnet. Wo vier Subbasalia in ursprünglich bilateral-symmetrischer Weise vertheilt sind, um später zum Centrodorsale zusammenzutreten, scheint der Scheibenrand des letztern sich sehr bald kreisähnlich zu gestalten, und vermuthlich werden die im ausgebildeten Zustande ebenso ge- formten Centrodorsalia auf sie zurückzuführen sein. Es ist aber auch sehr leicht möglich, dass das aus vier Subbasalien entstandene Centro- dorsale später noch in Correlation mit der Anordnung der übrigen Kalkstücke in einer solchen Weise am Rande wächst, dass es eine pentagonale, durch interradial gestellte Ecken ausgezeichnete Form gewinnt. In dem letzten von mir untersuchten Stadium mass die Platte in der 110-stündigen Larve !/, mm im Durchmesser und war offenbar etwas grösser als das von Bury abgebildete Pentagonalstadium. In der Pentacrinoidlarve beschreibt CARPENTER das jüngste Centrodorsale als ungefähr 0,03 Zoll (= ungefähr °/, mm) im Durchmesser gross und findet es pentagonal mit bereits interradial gestellten Ecken. Dieses Stadium ist bestimmt älter als das Auı.mAan’sche, dessen fünf- eckiges Centrodorsale noch radialstehende Spitzen besitzt, und um ein Vielfaches grösser als Bury’s, so dass bei dem mächtigen Wachsthum, welches inzwischen vor sich gegangen ist, auch die Möglichkeit vor- liegt, dass die ursprünglichen Stücke radial liegen geblieben sind und nur der Scheibenrand sich stärker interradial vergrössert hat. Im ausgebildeten Zustand misst das Centrodorsale nach W. B. CARPENTER bei Antedon rosacea 4 mm im Durchmesser. Während dieses unge- heuren Wachsthums nach Verschmelzung der ursprünglich getrennten Stücke könnte aber auch der sich vergrössernde Scheibenrand seine Gestalt wechseln und aus einer Kreisform in eine pentagonale oder auch umgekehrt aus der letztern in die erstere übergehen. Das Endstadium der Entwicklung des Kalkskelets, das ich bisher zu beobachten Gelegenheit hatte, ist von dem definitiven Verhalten noch sehr weit entfernt, doch sind die weitern Stadien von W. B. CARPENTER (14) so gründlich untersucht worden, dass augenblicklich über sie keine Unklarheit herrschen kann. Danach treten im Kelche als die nächsten Stücke die fünf ersten Radialia auf. Sie liegen genau 392 OSWALD SEELIGER, an den Stellen, an welchen sich die Armanlagen erheben, in deren Aboralwand sie eingebettet ruhen, und entstehen in den Winkeln, welche von je zwei Basalien und zwei Oralien begrenzt werden. Distal- wärts von ihnen treten später in den sich verlängernden fünf primären Armzapfen die zweiten und dritten Radialia auf. Mit Ausnahme der fünf Oralia liegen alle Kalkstücke auf der aboralen Seite des Kelches. Der nebenstehende Holzschnitt Fig. L giebt die Analyse des Skelets eines derartigen Larvenstadiums und wird nach der vorhergegan- genen Beschreibung ohne weiteres verständlich sein müssen. Ich will nur auf das Eine besonders hin- weisen, dass das vollständig strahlig gebaute Skeletsystem dadurch so- fort auf die Regionen des bilate- ralen Larventhieres sich beziehen lässt, dass das erste Orale, welches im Holzschnitt stärker schraffirt erscheint, die Porusöffnung um- schliesst und demnach die linke Ventralseite bestimmt. Bei der Vergleichung des lar- valen Comatulaskelets mit dem der Fig. L. Analyse des Kalkskelets einer Larve zur Zeit des Auftretens der Arme. Vom oralen Pol aus gesehen. b,—b, die fünf Basalia, 0,—o, die fünf Oralia, o, als die den Porus umschliessende Platte ist stärker schraffirt, r, die fünf ersten Radialia, c Centrodorsalplatte mit dem centralen Aus- schnitt für das gekammerte Organ und den Axialstrang, nach Verschmelzung der Sub- basalia. D Dorsal, Z Links, R Rechts, V Ventral. übrigen lebenden Crinoiden bietet dieCentrodorsalplatte einige Schwierigkeiten. Die Entwicklungs- geschichte der Comatula lehrt un- zweifelhaft, dass das Centrodorsale von den Stielplatten verschieden und durch Verschmelzung einer Anzahl besonderer Subbasalien ent- standen ist. Bei dem fast gänzlichen Mangel von Angaben über die Entwicklungsgeschichte anderer Crinoiden ist bei diesen ein solcher Nachweis nicht zu führen, und das Centrodorsale scheint, insofern man von einem solchen überhaupt reden kann, bei der Betrachtung der ausgebildeten Form dem System der Stielstücke zuzugehören. Dazu kommt ferner der Umstand, dass bei einer Anzahl Pentacrinoiden auch die Stielstücke selbst, nach P. H. Carpenter (17) zu urtheilen, deut- lich aus fünf einzelnen Stücken zusammengesetzt erscheinen, so dass also die Entstehung der Centrodorsalplatte aus mehreren Stücken Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 393 allein nicht ausreichend sein kann, sie zu allen Stielgliedern in Gegen- satz zu bringen, vielleicht auch da nicht, wo noch in der ausgebildeten Form die ursprünglichen Stücke als Infrabasalia eine gewisse Selbständig- keit bewahren (Müllerierinus, Extracrinus). Ich habe daher oben schon (p. 322) auf einen andern Umstand aufmerksam gemacht, welcher diese letztere Auffassung wesentlich stützt; ich meine den morpho- logischen Unterschied der Subbasalplatten und der jungen Stielplatten. Dieser Unterschied ist so scharf und constant, dass eine Zusammen- gehörigkeit beider Arten Stücke ausgeschlossen erscheint, während andrerseits die Anlagen der Subbasalien, mit Ausnahme der geringern Grösse, den Kelchplatten vollkommen ähnlich sind und dem System dieser zuzugehören scheinen. Es steht demnach zu erwarten, dass die Entwicklungsgeschichte der übrigen, festsitzenden Crinoiden, wenn sie einmal bekannt werden sollte, bezüglich der Centrodorsalplatte zu einem ähnlichen Ergebniss führen werde, auch da, wo im ausgebildeten Thiere die letztere zu fehlen scheint oder den Stielstücken ganz ähnlich its. Da das Centrodorsale oder die Stücke, aus welchen es hervorgeht, wie sich sofort ergeben wird, als phylogenetisch sehr alte, wichtige Bildungen zu betrachten sind, ist diese Hoffnung nicht ungerechtfertigt. Es ist schon von mehreren Seiten darauf hingewiesen worden, dass die den embıyonalen Subbasalien der Comatulalarve gleich- werthigen Kalktafeln bereits bei alten Tesselaten-Crinoideen (Palaeo- crinoidea) vorkommen, wo sie gewöhnlich als Infrabasalia bezeichnet werden und sich in wechselnder Zahl und Ausdehnung finden, wie ja auch in den Larven von Antedon die Zahl der Subbasalien eine schwankende ist. NEUMAYR (68, p. 494) hat sich in folgender Weise ausgesprochen : „Von paläontologischem Standpunkte aus wird man sich wohl unbedingt für die Ansicht aussprechen müssen, dass die centrale Platte der Antedon-Larve einer Infrabasis entspricht.“ Neuer- dings hat JAEKEL (46) nicht nur diesen untern, sondern auch den obern Basalkranz vergleichend durch die paläontologischen Crinoiden- reihen verfolgt, so dass ich mich hier, indem ich darauf verweise, auf einige Angaben beschränken kann. Am typischsten vielleicht und den embryonalen Verhältnissen der Comatulalarve am entsprechendsten findet man die Infrabasalia bei den Poteriocriniden, die man wohl mit gutem Rechte als die Vorfahren- formen der Pentacrinoiden betrachtet. Bei einer andern, aus einer jüngern Schicht stammenden Form, die ich schon an einer frühern Stelle erwähnt habe, bei Marsupites, trifft man die fünf radiär ge- 394 OSWALD SEELIGER, legenen Infrabasalia um ein pentagonales, mit interradial gestellten Ecken versehenes Centrodorsale gruppirt, welch letzteres nur dem hin- tersten Stielgliede der Comatulalarven entspricht. Stellt man sich hier nur die Verschmelzung der 5 Infrabasalien mit der Mittelplatte vollzogen vor, so erhält man ein dem Centrodorsale der ausgebildeten Comatuliden gleichwerthiges Gebilde. Wie der nebenstehende Holzschnitt Fig. M, den ich Zrrrer’s Handbuch der Paläontologie entnommen habe, zeigt + 8 + @ (rt bestehen bei Marsupites im untern Basalkranze noch alle die Stücke ge- oe sondert, die in der ontogenetischen Ent- Be ¢ ol 3 wicklung der Comatula nur vorüber- Las gehend in dem ganz gleichen Verhält- nisse angetroffen werden können. r Unter den fossilen Articulaten sind vee die Subbasalia bei den Eucriniden durch Beyricu (7) zuerst nachgewiesen wor- Fig. M. Analyse des Kalk- 5 es B skelets von Marsupites aus Zrvrer’s den. Sie sind aber daselbst sehr klein Handbuch der Paläontologie. ed Cen- und liegen unter dem Stiel versteckt, trodorsale (oberstes Stielglied), 25 In- N frabasalia, 6 Parabasalia, r Radialia, ganz im Gegensatze also zu den lebenden Comatuliden, bei denen sie als Haupt- bestandtheile der Centrodorsalplatte äusserlich imponiren, wenn- sleich sie auch ihre Selbständigkeit aufgegeben haben. Sowohl bei einzelnen Apiocriniden als Pentacrinoiden sind die Infrabasalia als noch getrennte Stücke nachgewiesen und von ZITTEL schon früher (93) mit dem Centrodorsale der Comatuliden verglichen worden. Im All- gemeinen scheint aber hier bereits die Tendenz vorzuherrschen, die Stücke zur Rückbildung zu bringen. Die fünf Basalia sind bei Antedon rosacea nur in den jungen festsitzenden Larvenstadien nahe der Oberfläche des aboralen Kelch- abschnittes anzutreffen. Weiterhin entsteht aus ihnen, wie W. B. CARPENTER überzeugend nachgewiesen hat, die als Rosette bezeichnete Kalkplatte, welche vollständig im Innern des Leibes gelegen ist und auswärts von den Radialien überlagert wird. Nach Jon. MÜLLER (67, p. 27) besitzen auch die noch lebende Gattung Comaster sowie die fossilen Comatuliden kleine äussere, interradial gelegene Basalia zwischen dem Kelche und dem Knopf, und bei Actinometra erhalten sich die kleinen Basalia getrennt. Bei den Pentacrinoiden sind fünf meist kleine, selten umfangreichere äussere Basalia vorhanden. Sie sind zuerst bei Pentacrinus caput-medusae (P. asteria) durch Jon. MÜLLER be- SS ENGE Be ee Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinôïten. 395 kannt geworden und seither auch bei andern inzwischen entdeckten Formen beschrieben worden. Bei fossilen waren sie schon längst auf- gefallen, und man hat wiederholt darauf hingewiesen, wie die Basalia bald mehr, bald minder umfangreich nach aussen hervortreten, bei einzelnen Formen dagegen den Vorgang einzuleiten beginnen, der bei Antedon zur Bildung der allseitig von den ersten Radialien über- lagerten Rosette führt. Den höchsten Grad der Rückbildung erfahren die Basalia bei Eugeniacriniden und Holopiden, was letzthin JAEKEL eingehender auseinandergesetzt hat (46). Danach bewahren also die Pentacrinoiden bezüglich der Basalia Zeit Lebens den Charakter der Comatulalarven. Freilich greifen bei diesen schon bald nach der Ent- wicklung der Radialia andere Verhältnisse Platz, so dass die Basalia wesentlich anders gestaltet und nach innen gerückt sind, wenn das übrige Skelet das Pentacrinus-Stadium erreicht hat. Ueber die Deutung des Kalkskelets des Rhizocrinus, eines noch lebenden Vertreters der ausgestorbenen Apiocriniden, ist bisher keine vollständige Einigkeit erzielt worden. Die Differenz bezieht sich dar- auf, welche Stücke als die Basalia aufzufassen seien. Ein centrales Kalkgebilde, welches M. Sars (77) als die umgewandelten Basalia in Anspruch nimmt und der Rosette der Comatula vergleicht, hält Lup- wie (56) nur für verkalktes Bindegewebe, für „verkalkte interbasilare Fiillmasse“ und deutet als Basalia Stücke, deren Lage er im Gegen- satze zu Sars als interradial beschreibt, während sie dieser als Theile der ersten Radialia ansieht. Bei Conocrinus hat sich ZiTTEL (93, p. 392) im Wesentlichen Sars angeschlossen und giebt an, dass er beim Anschleifen die Suturen zwischen den fünf Basalien noch nach- weisen konnte. Eine vollständige Klarheit in dieser Frage ist wohl ohne Kenntniss der Entwicklung des Rhizocrinus kaum zu erwarten. Unter den fossilen Apiocriniden (Apioerinus elegans) erscheinen die Basalia nach auswärts gerückt und sind dick und keilförmig gestaltet. Damit stimmt nun allerdings weit besser Lupwie’s Deutung des Rhizocrinus-Skelets überein als die Sars’sche Auffassung, der zufolge die Basalia gerade centralwärts gewandert sein müssten. Vergleicht man die junge Comatulalarve mit den fossilen Tesse- laten, so trifft man bezüglich der Basalia ganz ähnliche Verhältnisse. Eine nähere Ausführung der Verschiedenheiten liegt mir hier fern, und ich begnüge mich damit, auf die die Uebereinstimmung begründen- den Holzschnitte Fig. K,L,M zu verweisen, deren letzter allerdings nur, für den abweichenden Marsupites gilt. Mit den Poteriocriniden ist die Aehnlichkeit eine vollständige. 396 OSWALD SEELIGER, Was das dritte System von Kalkstücken der Comatulalarve, die fünf Oralia, anbelangt, so liegen sie im Gegensatze zu den andern auf der Ambulacralseite. Bei Antedon haben sie nur larvale Bedeutung, denn nach CARPENTER werden sie weiterhin vollständig rückgebildet. Dagegen erhalten sie sich unter den lebenden gestielten Crinoiden, unter andern bei dem auf alte Vorfahrenformen hinweisenden Hyocrinus und nach Sars und LupwiG bei Rhizocrinus lofotensis. Auch unter den alten fossilen Tesselaten trifft man bereits die Oralia als geson- derte und ganz übereinstimmend gelagerte Kalktafeln an. Es hat darauf bereits ALLMAN (2) hingewiesen und durch mehrere schematische Abbildungen die Homologien des Skelets erläutert. Nur ist zu be- achten, dass er die Oralia als Interradialia bezeichnet und darauf kein Gewicht legt, dass sie im Gegensatze zu den andern Stücken der oralen Kelchseite angehören. Die ersten Radialia endlich entstehen bei Comatula später als die bisher beschriebenen Gebilde. Sie sowohl wie die folgenden Radialia und Brachialia bilden die wichtigsten Stücke des ausge- bildeten Thieres. Die Homologie dieser Kalktafeln mit den der Pentacrinoiden ist allgemein anerkannt, nur schwankt die Zahl der in jedem der fünf Paramere auf einander folgenden Glieder bei den ver- schiedenen Arten; überaus häufig aber trifft man, wie bei Antedon, drei Radialia in jedem Strahle an. Bei den alten fossilen Tesselaten kommen häufig, so wie vorübergehend bei den Comatulalarven, im Ganzen nur fünf Radialia vor. Vergleicht man also das Kalkskelet der jungen Comatulalarve unmittelbar vor dem Auftreten der Arme mit dem der fossilen Formen, so findet man im Kelche der alten Tesselaten die bereits von ALLMAN zum Theil hervorgehobenen übereinstimmenden Verhältnisse vor. Doch erheben sich die Tesselaten durch das Vorhandensein der Arme weit über den Larventypus von Antedon rosacea, so dass man auf gewisse Cystideen zurückgreifen muss, um in dieser Beziehung auf die gleiche Erscheinung zu stossen. Von diesen armlosen Cystideen ist aber wieder das Kelchskelet der Comatulalarve dadurch überaus ver- schieden, dass es sich nur aus einer sehr beschränkten Zahl Platten zusammensetzt und überdies in streng fünfstrahligem Bau an- geordnet erscheint. Nach diesen Erörterungen könnte man wohl versuchen, über die Beschaffenheit des Kalkskelets der letzten, allen Crinoiden gemein- samen Vorfahrenform eine bestimmtere Vorstellung zu gewinnen. Ich nehme an, dass sie im Stielabschnitte eine Reihe segmental ange- =o Dr TE IE Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 397 ordneter Kalkstücke besass, deren Zahl sich aber auch nicht annähernd feststellen lässt. Die äusserste orale Platte des Stieles stellte die Verbindung mit den Skeletplatten des Kelches her, ohne noch mit diesen fest verschmolzen zu sein. Die Kelchstücke waren in streng radiärem Typus zu mehreren über einander liegenden Cyclen von je fünf Stücken angeordnet, welche den Subbasalien (Infrabasalien), den Basalien und Oralien entsprechen. Zwischen den der aboralen Seite angehörenden Basalien und den ambulacral liegenden Oralien waren die ersten Radialia bereits aufgetreten, welche die Grundlagen für die sich entwickelnden Arme darstellten. II. Das Hydrocôl der Echinodermen und seine Bedeutung. Obwohl das im vorigen Capitel behandelte Endstadium in der Hydrocölentwicklung von dem definitiven noch sehr weit entfernt ist, lassen sich dennoch über manche Abschnitte des letztern schon jetzt ganz bestimmte Auffassungen gewinnen. Es sind namentlich die Unter- suchungen von W. THomson und PERRIER, in welchen sich Angaben über die weitere Entwicklung des Hydrocöls nach dem Auftreten der Arme finden. Aus diesen Darstellungen geht hervor, dass die 15 Ten- takel ihre directe Insertion am Hydrocölring aufgeben und nach dem Auftreten der fünf Radiärgefässe aus diesen selbst entspringen. Die mit- telsten in jeder der 5 Gruppen von 3 Tentakeln, THomson’s azygous exten- siles tentacles, stehen später nach den Angaben dieses Forschers an den Gabelungsstellen in die zehn Arme, was allerdings wieder in PERRIER’s Zeichnungen nicht zu sehen ist. Ueber die Entstehung der fünf Radiär- gefässe sind die ältern Mittheilungen offenbar ungenügend, und PERRIER’S Darstellung, wie dieselben sich aus den Basalabschnitten der fünf mittlern grossen Tentakel bilden, kann im Einzelnen nicht zutreffend sein. Jedenfalls aber muss ich es selbst im Hinblicke auf diese be- reits vorliegenden Untersuchungen als ein starkes Missverständniss be- zeichnen, wenn Semon (83), den ältern, auf noch unzulänglichen Be- obachtungen fussenden Ansichten Gürre’s (31, p. 627) folgend, seine phylogenetischen Speculationen und vergleichenden Erörterungen über die Homologien der Organe in den verschiedenen Echinodermenclassen zum Theil darauf aufbaut, dass bei den Crinoiden die fünf ersten Tentakel zu den Armen würden. In einer spätern Abhandlung (84) scheint dann allerdings Semon seinen frühern Irrthum theilweise wenigstens eingesehen zu haben, denn man hört jetzt plötzlich von einem Gegensatze von Armen und Primärtentakeln, und so wie früher 398 OSWALD SEELIGER, diese letztern, spielen nunmehr in seinen Erörterungen die neu auf- tauchenden „Tentakelträger“ eine wichtige Rolle, von welchen früher überhaupt nicht die Rede war. Zu jenem oben erwähnten Irrthum Semow’s tritt meiner Meinung nach als ein zweiter folgenschwerer der hinzu, dass er die ontogenetisch zuerst am Hydrocölring auftretenden Ausstülpungen in allen Classen ohne weiteres als vollkommen homolog betrachtet, ohne an die Möglichkeit cänogenetischer Erscheinungen zu denken. Würde er bei den Crinoiden nicht den erstern begangen haben, so hätte er sich von dem zweiten vielleicht ebenfalls frei ge- halten, denn es ist mir undenkbar, dass er sich zu der Consequenz verstanden hätte, die an den Gabelungsstellen der Arme der Comatula liegenden Tentakelchen und nicht die Arme selbst den Asteridenarmen zu vergleichen. Ich habe oben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im letzten von mir beobachteten Stadium die fünf ursprünglichen Hydrocölaus- stülpungen vollständig geschwunden sind und die Tentakel direct dem Wassergefässring entspringen. Danach kann es mit Rücksicht auf deren spätere Lage kaum einem Zweifel unterliegen, dass die Radiärcanäle Neubildungen vom Hydrocölring aus sind, auf welche die fünfzehn Radiärtentakel hinüberrücken, während die Interradialtentakel ihre ursprüngliche Insertion an der Innenseite des Hydrocölringes bewahren. Diese letztern sind zweifellos identisch mit den Mundtentakeln der ausgebildeten Form, und auch bei den gestielten Crinoiden sind solche direct vom Ringgefiiss entspringende Mundtentakel nachge- wiesen worden. Vergleicht man nunmehr den Wassergefässapparat der Crinoiden und Holothurien, so wird man zu wesentlich andern Ergebnissen ge- langen müssen als Semon in seiner ersten Abhandlung. Die alte, schon von Jon. MÜLLER gehegte Auffassung der Gleichwerthigkeit der Fühler oder Tentakel der Holothurien mit den Füsschen erscheint als die einzig richtige, und die Homologie dieser mit den Tentakeln der Crinoiden tritt deutlich hervor. Bei den letztern sehen wir einige ontogenetisch ursprünglich direct am Ringe sitzende Tentakel auf die Radiärgefässe hinüberrücken, während andere ihre alte Lage behalten. In ähnlicher Weise erscheinen in den verschiedenen Holothurien- gruppen die Fühler entweder am Hydrocölring oder an den Radiär- gefässen entspringend. An eine Vergleichung der fünf ersten Holo- thurienfiihler mit den Armen der Crinoiden wird also nicht zu denken sein, sondern nur mit den ersten ontogenetisch vom Hydrocölring aus- gehenden Tentakeln, Semon selbst scheint in seiner spätern Abhandlung Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 399 etwas unsicher geworden zu sein, denn er lässt es nunmehr unent- schieden, ob die Körperwassergefässe oder die Primärtentakel der Holothurien den Armen resp. deren Hydrocölstämmen bei den übrigen Echinodermen entsprechen (84, p. 262 folg.). Dass in der That die Radiärgefässe der Crinoiden den Wasserstämmen der Holothurien zu vergleichen sind, ergiebt sich schon aus der oben berührten Ent- stehungsweise der erstern und aus der Homologie der Füsschen oder Fühler mit den Tentakeln. Mit einigen Worten wenigstens möchte ich noch auf das Hydrocöl- system der Asteriden hinweisen, weil die Art seiner Entwicklung, wie mir scheint, zu jenen oben behandelten irrthümlichen Vergleichungen SEMON’s mit Veranlassung gegeben hat. Die fünf ersten Ausstülpungen der Hydrocölanlage, Semow’s „Primärtentakel“, bilden hier in der That die Radiärstämme mit ihren Anhängen. Sie liegen sämmtlich, und zwar bei Asterina von allem Anfang an, später wohl ausnahmslos überall so ziemlich in einer Ebene, die mit der Mundscheibe parallel läuft und mit der Ebene des Hydrocölringes zusammenfällt. Die fünf Primärausstülpungen des Hydrocöls der Crinoiden stehen aber senkrecht auf der Ebene des Wassergefässringes und der Mundscheibe, und das allein hätte meiner Ansicht nach schon die Veranlassung geben müssen, die Frage ihrer Homologie etwas eingehender zu prüfen. Dass sie nicht homolog sind, beweist ihr weiteres Verhalten, und es lassen sich mit den ersten Ausstülpungen der Asteriden nur die spätern radiären der Crinoiden vergleichen, welche ebenfalls in der Ebene des Ringcanals sich ausdehnen: dass sind die Radiärcanäle. Gegenüber den Crinoiden erscheint also das Auftreten der Wassergefässtämme bei den Asteriden in ein früheres Embryonalstadium verschoben. Aus diesen Erörterungen ergiebt sich ohne weiteres, in welcher Weise die Theile des Hydrocölapparates der Asteriden und Holothurien zu vergleichen sind. Entsprechen die fünf ersten Ausstülpungen der Asteriden nicht den Tentakeln der Crinoiden, sondern deren Radiär- stämmen, so können sie auch nicht mit den ersten Fühlern oder „Primärtentakeln‘‘ der Holothurien verglichen werden, wie SEMON an- nahm, sondern nur mit deren Körperwasserstämmen; und damit treten die schon längst aus vergleichend-anatomischen Gründen angenommenen Homologien in ihre volle Berechtigung. Auch nach einer andern Richtung hin scheinen mir die entwick- - lungsgeschichtlichen Vorgänge bei der Hydrocölbildung der Crinoiden von Bedeutung zu sein. Sie erlauben nämlich, wie ich glaube, eine bestimmte Stellung zu nehmen zu der in neuester Zeit erörterten Frage 400 OSWALD SEELIGER, der phyletischen Herkunft des Wassergefiissystems selbst. Schon vor Jahren hat Lrypia (53, p. 391) das Wassergefiissystem der Synapta mit dem Excretionssystem der Plattwürmer, Rotiferen und Anneliden auf Grund anatomischer und histologischer Verhältnisse ver- glichen, die sich nunmehr allerdings nicht mehr als ganz zutreffend erwiesen haben. In neuester Zeit war es zuerst HarroG (38), der die excretorische Bedeutung des Wassergefässystems der Echinodermen scharf betonte und das Hydrocöl als einen umgebildeten linken Nieren- sack darstellte, während der ursprünglich vorhandene rechte nicht mehr zur Ausbildung gelangen sollte. Später haben dann P. und F. Sarasın den wesentlichen Theil dieser Auffassung dadurch neu zu stützen gesucht (75, 76), dass sie auf das von ihnen bei Echinothuriden als Niere gedeutete Organ hin- wiesen. Sie halten es für möglich, dass hier noch beide ursprüng- lichen Nierensäcke erhalten seien, indem sie den Steincanal als den Ausführungsgang des linken Nierenorgans, das nunmehr als Hydro- col locomotorische Function ausübe, den Ureter dagegen als den des rechten deuten, welches die excretorische Bedeutung beibehalten hätte und Niere geblieben wäre. Sie fügen hinzu: „Sei dem nun, wie ihm wolle, so viel scheint uns sicher zu sein, dass die Niere der Seeigel als ein Theil des Wassergefässsystemes angesehen werden muss und daher aufs lebhafteste für die Entwicklung dieses ganzen Organ- systemes aus ältern excretorischen Organen spricht“ (76, p. 122). Es ist mir nicht bekannt, dass nachgewiesen worden wäre, es nehme das Nierenorgan der Echiniden ontogenetisch vom Hydrocöl aus seinen Ursprung. Sollte dies, wie SARASIN aus dem anatomischen Bau schliessen, in der That der Fall sein, so könnte es unmöglich, wie sie meinen, als ein ursprünglich rechtes, der Hydrocölanlage gleich- werthiges Gebilde betrachtet werden, welches das paarige, symmetrische Vorkommen von Nierenorganen in der phyletischen Stammform der Echinodermen beweisen würde. Ich habe bereits im ersten Capitel auf die bekannten METSCHNI- KOFF’schen Angaben hingewiesen, denen zufolge in jungen Entwick- lungsstadien auch der Echiniden nicht nur das linke, sondern auch das rechte der beiden zu den Seiten des Darmes gelegenen Säckchen in einen vordern und hintern Abschnitt zerfällt. Der vordere rechte, den Bury als rechtes „anterior enterocoel“ bezeichnet, ist der linken Hydrocölanlage homotyp, und aus ihm und nicht aus dem Hydrocöl selbst müsste, wenn sich SARASIN’s Auffassung begründen lassen sollte, die Niere mit dem Ureter hervorgehen. Nach METSCHNIKOFF wird Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 401 aber das rechte Vordersäckchen rückgebildet, ohne in ein bestimmtes Organ überzugehen. Es ist aber diese Frage, ob Niere und Hydrocöl des ausgebildeten Echinids aus einer ursprünglich paarigen oder nur unpaaren excreto- rischen Anlage hervorgegangen seien, von nur untergeordneter Wichtig- keit gegenüber der Vorfrage, ob diese Anlagen überhaupt eine ursprüng- lich excretorische Bedeutung besessen haben. SARASIN, die unter allen lebenden Echinodermen die Synaptiden für die ursprünglichsten und der Echinodermeustammform am nächsten stehenden Formen betrachten, schliessen sich bezüglich der Auffassung des Hydrocöls der oben mitgetheilten Leypie’schen an, fügen aber hinzu, „nur werden wir bei einer solchen Vergleichung die segmentirten Formen wegzulassen haben, da der Anschluss der Synapten sicherlich an ungegliederte Würmer wird gesucht werden müssen. So denken wir auch, dass das Wasser- gefässsystem der Seeigel in seiner Anlage auf Würmerexcretionsorgane sich wird beziehen lassen, denn es ist stets im Auge zu behalten, dass die Ausbildung der zu locomotorischen Zwecken vornehmlich dienen- den Ambulacralstamme eine secundäre Erscheinung ist“ (76, p. 121). Dieser letztern Ansicht haben sich auch KorSCHELT u. HEIDER (50, p. 307) angeschlossen, indem sie sich äussern: „Die Sarasın’sche An- nahme, dass das Excretionssystem das ursprüngliche und das Wasser- gefässsystem mit seiner locomotorischen Function erst das von ihm abgeleitete Organ sei, erscheint als eine durch die natürliche Entwick- lung der Dinge gebotene.“ Ich kann diese Auffassung nicht theilen. Was zunächst die Ab- leitung des Hydrocöls der Echinodermen vom Excretionssystem der ungegliederten Würmer unbelangt, so sind mit ihr die entwicklungs- geschichtlichen Thatsachen einfach unvereinbar. Bei allen Echino- dermen lässt sich das Hydrocöl auf eine epitheliale Entodermausstül- pung zurückführen. Bei den Crinoiden entsteht sie selbständig am blinden Ende des Urdarmes, bei allen andern Echinodermen umfasst die erste Ausstülpung die gemeinsame Anlage für Hydrocöl und entero- cöle Leibeshöhle und zerlegt sich erst später in diese beiden Abschnitte. Das Excretionssystem der Plattwürmer lässt sich dagegen auf epithe- liale Entodermausstülpungen in keiner Weise zurückführen. Freilich sind die vorliegenden Angaben über die Entstehung desselben sehr controvers und durchaus unsicher. Bei Turbellarien wird ein ectoder- maler Ursprung vermuthet (Lana), bei Trematoden müsste man die Zellen, aus welchen der Excretionsapparat der Cercarien nach SCHWARZE sich bildet, als Mesenchym in Anspruch nehmen und in ähnlicher Zool, Jahrb. VI. Abth. f. Morph. 26 402 OSWALD SEELIGER, Weise auch die Vorgänge bei Cestoden deuten, die allerdings noch so wenig erforscht sind, dass selbst die Anwendung der Keimblätterlehre Schwierigkeiten bereitet. Ueber die Entstehung des Excretionssystems der Rotiferen fehlen bislang sichere Angaben. In einer neuern Arbeit lässt ZELINKA !) das Organ aus einer Gruppe von eng gedrängten Zellen entstehen, ‚von welchen ich nicht sicher weiss, woher sie kommen, ob direet vom Eetoderm oder von den granulirten Zellen“. Danach müssten die Organe jedenfalls auf das äussere Keimblatt zurückzuführen sein, und von einem epithelialen Ursprung aus Urdarmdivertikeln kann keine Rede sein. Dazu tritt, wenn man das Hydrocölsystem der Echinodermen vom Excretionsorgane der ungegliederten Würmer herleiten will, als eine weitere unlösbare Schwierigkeit das Verhalten der Leibeshöhle. Bei den betreffenden Würmern ist die letztere, um Craus’ Terminologie anzuwenden, eine primäre, und zu ihr stehen die terminalen Wimper- organe des Excretionssystemes in Beziehung. Bei den Echinodermen wird die primäre Leibeshöhle im Verlauf der Entwicklung von der enterocölen fast vollkommen verdrängt, und wenn überhaupt, communi- cirt das Hydrocöl mit dieser und nicht mit den Resten der primären. Will man also an der Homologie des Excretionssystems der Würmer und des Hydrocöls der Echinodermen festhalten, so muss man das Enterocöl der letztern als eine erst später aufgetretene Neubildung auffassen, mit deren phyletischer Entstehung und Entwicklung die Um- bildung des dem Excretionsorgan der Würmer ähnlichen Gebildes zum Hydrocöl erfolgte. Man wird aber vergeblich versuchen, aus der onto- genetischen Entwicklung der Echinodermen den Nachweis zu erbringen, dass das Hydrocöl die phylogenetisch ältere, das Enterocöl die jüngere Bildung sei. Wer in dem frühzeitigen Auftreten des Porus, das in manchen Fällen festgestellt ist, einen solchen zu finden glaubte, wird sich wohl bald überzeugen, dass das Argument nicht stichhaltig ist. Der verbreitetste Entwicklungsmodus bei Echinodermen, der durch eine gemeinsame Anlage für Cölom und Hydrocöl gekennzeichnet ist, würde mit der Sarasın’schen Auffassung nur dann vereinbar sein, wenn man aus dem ursprünglichen Excretionssystem der Stammform nicht nur das Hydrocöl, sondern auch das Enterocöl und zwar das letztere als eine spätere Differenzirung ableiten könnte. Die oben er- 1) Zexınka, Studien über Räderthiere. III. Zur Entwicklungsge- schichte der Räderthiere nebst Bemerkungen über ihre Anatomie und Biologie, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 53, 1891, p. 432, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 403 wähnten Verschiedenheiten in der ontogenetischen Entwicklung machen das geradezu unmöglich, denn nirgends entsteht das Excretionssystem der ungegliederten Würmer entodermal. Was den zweiten Entwick- lungsmodus anbelangt, den wir bei Crinoiden kennen gelernt haben, so lässt sich auch dieser mit der Annahme, dass das Cölom gegen- über dem Hydrocöl eine secundäre und spätere Bildung darstelle, nicht in Einklang bringen. Die Cölomblase am vegetativen Embryonal- pole ist bereits gesondert, wenn noch Hydrocöl, Darm und Parietal- canal als eine einheitliche Anlage bestehen (vgl. Fig. 54 und 55 auf Taf. 15). Die Entstehung von Cölom und Hydrocöl aus selbständigen Urdarmdivertikeln spricht hier ebenso gegen eine gemeinsame Ab- leitung dieser beiden Gebilde vom Excretionssystem der Würmer, wie die frühzeitige ontogenetische Sonderung des Cöloms gegen die An- nahme, dass dasselbe nach dem Hydrocöl aufgetreten sei. Man braucht deshalb die Bedeutung der ontogenetischen Thatsachen gar nicht zu überschätzen und kann ihre cänogenetische Natur sehr wohl zuge- stehen, um doch zu den Schlussfolgerungen zu gelangen, dass erstens das Hydrocöl der Echinodermen und das Excretionssystem der unge- gliederten Würmer ganz verschiedene Bildungen sind, und dass zwei- tens das Cölom der Echinodermen weder auf das letztere sich zurück- führen lässt, noch eine phylogenetisch nach dem Hydrocöl aufgetretene Bildung darstellt. Danach halte ich die Sarasın’sche Auffassung für unhaltbar. Sie ist es für Jeden schon von vornherein, der ihren Standpunkt nicht theilt, dass die Synaptiden und Holothurien überhaupt der Echino- dermenstammform am nächsten stehen. Doch liegt es mir fern, mich hier in eine Erörterung dieser Frage weiter einzulassen, die sich mit wenigen Worten gar nicht abthun lässt. Wenn nun auch die Zurückführung des Hydrocöls auf den Ex- cretionsapparat der ungegliederten Würmer sich als unmöglich er- wiesen hat, so ist damit noch nicht die Ansicht widerlegt, dass dem Hydrocöl der Echinodermen ursprünglich nur excretorische Bedeutung zugekommen sei. Hauptsächlich stützt sich eine solche Auffassung auf den bereits im fünften Abschnitt des vierten Capitels erörterten Nachweis eines austretenden Flüssigkeitsstromes im Porus und Stein- canal. Bei den direct sich widersprechenden Angaben verschiedener Autoren über das Verhalten im ausgebildeten Thier lässt sich aber eine zuverlässige und befriedigende Antwort über die Function dieser Organe augenblicklich nicht erlangen. So viel aber darf man wohl mit Bestimmtheit bereits jetzt behaupten, dass im günstigsten Falle der 20 404 OSWALD SEELIGER, Nachweis sich wird führen lassen, dass gegenwärtig noch gewisse Ge- bilde, die vom Hydrocöl aus entstehen, excretorische Bedeutung be- sitzen. Daraus lässt sich aber keineswegs schliessen, dass das Ge- sammthydrocöl ursprünglich nichts weiter als ein Excretionssystem gewesen sei; vielmehr legen, wie ich glaube, die bereits bekannten entwicklungsgeschichtlichen Thatsachen eine ganz andere Deutung nahe. Wenn bei den meisten Echinodermen Hydrocöl und Cölom durch Quertheilung eines einheitlichen, vom Urdarm ausgestülpten Säckchens entstehen und in den jüngsten Stadien als zwei hinter einander gelegene Epithelbläschen angetroffen werden können, so liegt die Auffassung nicht fern, beide Gebilde als ursprünglich gleichwerthig und homo- dynam zu betrachten. Da auch auf der rechten Seite zwei Säckchen gebildet werden können, bleibt die bilaterale Symmetrie ungestört, und das betreffende Entwicklungsstadium ist durch zwei Säckchenpaare ausgezeichnet. Die Entstehung der letztern aus Urdarmdivertikeln und das weitere Schicksal der hintern Säcke führt zur Deutung, dass zwei Paare ursprünglicher Cölomsäcke vorliegen, die segmentale An- ordnung zeigen. Von dem vordern Paare entwickelt sich überall nur das linke Säckchen weiter und differenzirt sich in einer von dem hin- tern sehr abweichenden Weise zum Hydrocöl. Das hintere Paar bildet bekanntlich die eigentliche enterocöle Leibeshöhle des ausgebildeten Echinoderms. Ganz übereinstimmend mit der im folgenden Abschnitt : zu erörternden Vergleichung der Larvenregionen der verschiedenen Echinodermen liegt das vordere Cölombläschen der Crinoiden, welches zum Parietalcanal und Hydrocöl weiterhin sich ausbildet, dem spätern Stielende des Embryos zugekehrt, während bei den übrigen Formen das vordere Säckchenpaar dem Kopflappen der Larve nahe liegt. Allerdings vollzieht sich bei Comatula im Laufe der Entwicklung eine Drehung der Eingeweide, so dass das ursprünglich vorn gelegene Hydrocölbläschen an das hintere Körperende rückt, welches zur Am- bulacralseite des ausgebildeten Thieres wird. Fasst man das Hydrocöl als ein umgebildetes vorderes, linkes Cölomsäckchen auf, während das rechte ontogenetisch zwar noch an- gelegt, späterhin aber rückgebildet wird, so gelangt man zur Annahme einer mit zwei Cölomsegmenten ausgestatteten Vorfahrenform der Echinodermen. Mehr oder minder cänogenetisch wird dieselbe fast überall in der bilateralen Larvenform wiederholt. Ihr vorderster Kopf- abschnitt bewahrt zunächst in den meisten Fällen die primäre Leibes- höhle in vollem Umfange, und erst später dehnt sich das Enterocöl Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 405 bis in diese Region aus. Für Bipinnarien und Pluteus-Larven zeichnet Bury (10) solche Ausstülpungen der vordern Leibeshöhle, die sich in den Kopfabschnitt hinein erstrecken, ohne denselben aber zu erfüllen, während die Asterina-Larve nach LupwıG schon frühzeitig in ihrem mächtigen Kopflappen ein umfangreiches Enterocöl besitzt. Auch die freischwimmende Comatulalarve lässt in ihrem ausserordentlich um- fangreichen Vorderabschnitt eine röhrenförmige Fortsetzung des Parietal- canales, der ja nur einen Theil des ursprünglichen vordern Célom- bläschens darstellt, erkennen. Freilich wird er später wieder einge- zogen, und in der festsitzenden Larve sind es, nachdem die Drehung der Eingeweide vollzogen ist, Fortsetzungen des ursprünglich hintern, rechten Cülomsäckchens, welche als gekammerte Organe in den Stiel hinein sich erstrecken. Bei den Crinoiden wird der ursprüngliche Vorderabschnitt zum Stiel, aus dem hintern, durch die beiden ursprüng- lichen Cölomsegmente ausgestatteten Körpertheil bildet sich der Kelch, in welchem die beiden alten Segmente in metameraler, aber umge- kehrter Anordnung als Hydrocöl und eigentliches Cölom wiederzuer- kennen sind. Ich habe schon im ersten Capitel dieser Abhandlung auf den Gegensatz in der Entstehung des Cöloms bei den Crinoiden und den andern Echinodermen hingewiesen. Die Verschiedenheiten gleichen in einer Beziehung den bei der Bildung der Cölomsegmente des Amphioxus und der andern Vertebraten auftretenden. Bei den Crinoiden ent- stehen die ursprünglichen Cölomsäcke als selbständige Ausstülpungen vorn und hinten am Urdarme, während in den andern Fällen zunächst jederseits ein einheitlicher Cölomraum vorhanden ist, der erst nach- träglich sich segmentirt. Würde nicht bei Crinoiden der Mangel eines vordern rechten Cölomsackes auf ein stark cänogenetisches Verhalten hinweisen, so würde ich diesen Modus der Cölombildung ohne weiteres als einen ursprünglichern betrachten, obwohl immerhin seine Umwand- lung in den andern einige Schwierigkeiten bereitet, da bei diesem Process die selbständigen hintern Urdarmdivertikel in die vordern einbezogen werden müssten. Noch unverständlicher freilich würde der umgekehrte Weg sein, wenn man versuchen wollte, den bei Crinoiden vorkommenden Process aus jenem andern abzuleiten. Da- her glaube ich, dass bei der Stammform die Entstehung der Cölom- segmente in einer abweichenden Weise erfolgt ist, aus welcher dann nach zwei verschiedenen Richtungen die gegenwärtig vorkommenden Entwicklungsarten entstanden sind. Diesen ursprünglichen Process stelle ich mir in der Art vor, dass zu beiden Seiten des Urdarmes 406 OSWALD SEELIGER, paarige Divertikel auftraten, welche sich durch «dessen ganze Länge hindurch erstreckten, später als zwei selbständige Säcke abtrennten, deren jeder endlich in zwei Abschnitte sich segmentirte. Bei Crinoiden sehen wir die Divertikelbildung im mnittlern Urdarmabschnitte unter- bleiben; auf der linken Seite entstehen dann vorn und hinten zwei selbständige Ausstülpungen, auf der rechten ist die Cölombildung auf das Hinterende beschränkt, da hier auch vorn keine Falte des Ur- darmes mehr auftritt. Auf ein ähnliches Verhalten wenigstens lässt sich, wie im ersten Capitel erörtert worden ist, ganz ungezwungen die ontogenetische Entwicklung der Comatula zurückführen. Bei den übrigen Echinodermen unterbleibt dagegen die Bildung der Divertikel am Hinterende, ohne dass die am Vorderende des Urdarmes paarig oder unpaarig auftretende Ausstülpung die Fähigkeit verlöre, sich so wie beim ursprünglichen Bildungsmodus jederseits in ein vorderes und hinteres Cölomsäckchen zu theilen. Darin, dass den Echinodermen ursprünglich zwei Paar Cölomsäcke zugekommen seien, stimme ich vollkommen mit Bury (10, p. 13) über- ein. Nichtsdestoweniger besteht aber in unserer Anschaunng ein tief- gehender Gegensatz in der Beurtheilung des vordern Cülomsäckchens. Nach Bury’s Auffassung entspricht bei Crinoiden dem ursprünglich vordern Cölombläschen der linken Seite der Parietalcanal, und bei den übrigen Echinodermen deutet er eine Aussackung des Hydrocöls, die er bei einer Anzahl Formen beobachtet hat, in gleicher Weise, während er das letztere als eine Neubildung auffasst, die erst später und wahr- scheinlich von allem Anfange an unpaar entstanden sei. Meiner An- sicht nach entspricht dagegen das Hydrocöl selbst dem vordern linken Célomblischen, das eine ganz besondere Differenzirung erfahren hat. Es bliebe mir dann aber noch die Aufgabe, auseinanderzusetzen, welche Bedeutung dem Parietalcanal der Crinoiden und dem von Bury als linksseitiges anterior enterocoel gedeuteten Gebilde der übrigen Echinodermen zukommt. Bereits am Schlusse des fünften Abschnittes habe ich im ersten Capitel erörtert, dass der Parietalcanal dem Porus- canal homologisirt werden muss. Da in spätern Embryonalstadien der Comatula die Verbindung zwischen Parietalcanal und Hydrocöl sich löst und der primäre Steincanal an einer andern Stelle später aber- mals eine Communication herstellt, ist der letztere als eine Neubildung zu betrachten. Sollten sich Bury’s Angaben über die Ophiurenent- wicklung bestätigen, so läge insofern ein ähnliches Verhältniss vor, als in jüngern Stadien der Poruscanal (= Bury’s anterior entero- coel) vom Hydrocöl ganz getrennt sein soll und beide erst später eS © - Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 407 durch den vom letztern ausgehenden primären Steincanal verbunden werden. Im Gegensatze zu allen andern Echinodermen würde aller- dings nach Bury bei den Ophiuren das Hydrocöl vom hintern Entero- cölsäckchen gebildet werden. Von diesem meiner Meinung nach noch nicht genügend begründeten Falle abgesehen, erscheinen Parietalcanal oder Poruscanal überall als Verbindungswege zwischen Hydrocöl oder linkem vordern Cölomsegment und der Aussenwelt, wobei sich als be- sondere Zwischenstücke vom Hydrocöl ausgehende Steincanäle ein- schieben können. Das rechte vordere Cölombläschen scheint, wo es überhaupt auftritt, nirgend mehr einen derartigen Ausführungsgang zu besitzen, und ebenso entbehren in den embryonalen Stadien die hintern Cölomsäcke besonderer Oeffnungswege nach aussen. Erst in weiter vorgeschrittenen kann durch secundär entstandene Einrichtungen eine Verbindung des Cöloms mit der Aussenwelt zu Stande kommen. Ich kann nicht annehmen, dass die gegenwärtig unsymmetrisch ein- seitige Communication des vordern linken Cöloms mit dem umgeben- den Medium ein ursprüngliches Verhalten darstelle, aber man wird sich, da das vordere rechte Cölombläschen gegenwärtig überall nur transitorische, embryonale Bedeutung besitzt, nicht wundern dürfen, dass dessen ursprünglich vorhandener Ausführungsgang in Embryonen und Larven überhaupt nicht mehr angelegt wird. Ob auch die hintern Célomsegmente derartige Canale ursprünglich besessen haben, ist bei dem negativen Ergebniss der ontogenetischen Entwicklung der Echino- dermen nicht sicher zu beantworten. Ich betrachte also, um es zu wiederholen, den Parietalcanal der Crinoiden und den primären Poruscanal der übrigen Echino- dermen als hervorgegangen aus dem Canal, welcher ursprünglich schon die Verbindung des vordern linken Cülomsegments mit dem um- gebenden Wasser herstellte. Fanden wir schon die Frage nach der gegenwärtigen physiologischen Bedeutung dieser Gebilde im lebenden Thiere in der verschiedensten Weise beantwortet und noch nicht voll- ständig klargestellt, so sind wir natürlich um so mehr auf Muth- maassungen verwiesen, wenn es sich um die ursprüngliche Function des Canals handelt. Wer jeden Verbindungsgang der Cölomhöhle mit der Aussenwelt kurzweg als Niere bezeichnet, wird auch in diesem Falle nicht in Verlegenheit sein, und ich glaube, dass in der That diese Deutung als Excretionsorgan die zutreffende sein dürfte. Freilich könnte die ursprüngliche Bedeutung dieses Ausführungsganges auch einfach nur die gewesen sein, die Flüssigkeit der Leibeshöhle durch einen allmählichen Austausch mit dem umgebenden Wasser zu er- 408 OSWALD SEELIGER, neuern, ohne dass gleichzeitig die Wandungen secretorische Function besessen haben müssten. Ich halte aber, und zwar nur für diesen ausführenden Theil der vordern Leibeshöhle, die ursprüngliche Be- deutung als Niere für wahrscheinlich und differire darin von SARASIN, KORSCHELT u. HEIDER, welche dem gesammten Hydrocöl eine ur- sprünglich excretorische Bedeutung beimessen. Auf welchem phylo- genetischen Stadium die Umwandlung des vordern linken Célomblaschens mit Ausnahme des Ausführungsganges, zum eigenartigen Hydrocöl- apparate sich eingeleitet habe, und wie dieser Process im Einzelnen vorzustellen sei, darüber will ich mich hier jeder Vermuthung ent- halten. Soweit bisher die entwicklungsgeschichtlichen Thatsachen der Echiniden bekannt sind, ist kaum eine Aussicht vorhanden, dass die Niere der Echinothuriden und übrigen Seeigel auf jenes primäre Seg- mentalorgan sich wird zurückführen lassen. Entsteht sie wirklich vom Hydrocöl aus, was allerdings sehr wahrscheinlich ist, so wird es sich wohl nur um eine erst später auftretende secundäre Aussackung desselben handeln, welche mit dem primären Porencanal nicht zu ver- gleichen ist. III. Ueber die Beziehungen des Strahlthieres zur bilateralen Larvenform. Vergleicht man die freischwimmende Larve der Comatula und die Vorgänge bei deren Ueberführung in das Strahlthier mit den be- kannten Larvenformen der übrigen Echinodermen und deren Meta- morphose, so wird man, wie meiner Ansicht nach Barrois (5) sehr richtig hervorgehoben hat, mit in erster Reihe darauf Rücksicht nehmen müssen, aus welchem Larvenabschnitt das ausgebildete Echino- derm hervorgeht. Bereits GÔTTE (31, p. 608) hat diesen Gesichts- punkt betont; da ihn aber seine Beobachtungen zu der Auffassung geführt haben, dass bei den Crinoiden der Stiel aus dem analen, durch den Blastoporus bestimmten Larvenabschnitt hervorgehe, bringt er diesen zu dem darmlosen Kopflappen der Asteriden und Holothurien in Gegensatz und vergleicht ihn vielmehr mit dem oft in eine Pyra- mide oder einen Stab auslaufenden sogenannten Scheitel der Seeigel- larven. Einen ähnlichen Standpunkt nehmen auch P. u. F. SARASIN ein. Aus Perrıer’s Abbildungen glauben sie irrthümlicher Weise schliessen zu dürfen, dass der Stiel der Comatula aus dem hintern Ende der Larve entstehe, und urtheilen daher in folgender Art (76, Lars a Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 409 p. 147): „Das Hinterende der Holothurien gestaltet sich bei den Crino- iden zum Basalpol mit dem Stiel, bei den Asteriden und Ophiuren zum Dorsal- und bei den Echiniden zum Apicalpol.“ In einem Holz- schnitte (p. 145) stellen sie eine Holothurienlarve dar und zeichnen in dieselbe die ihrer Ansicht nach homologen Regionen der andern Echinodermen ein. Diese Auffassung hat sich nunmehr als unzutreffend erwiesen, denn in Wirklichkeit ist der Crinoidenstiel aus einem prä- oralen Abschnitt des Embryos hervorgegangen und entspricht im Besondern dem präoralen Lappen der Asteriden und Echiniden, wäh- rend die analen Fortsätze der letztern ohne Bedeutung zu sein scheinen. Der Bau dieses vordern Abschnittes erweist sich bei verschiedenen Formen äusserst variabel. So wie bei Crinoiden der Parietalcanal, erstre- cken sich bei Asteriden die Cölomausstülpungen in den vordern Larven- abschnitt hinein. Bei Asterina gibbosa hat Lupwıc daselbst nur einen einheitlichen unpaaren Cölomabschnitt gesehen, welcher von allem An- fange an nach hinten zu sowohl in den rechten als auch in den linken Enterocölsack übergeht. Im Gegensatz zu Lupwıg fand Bury (10, fig. 16 u. 17, tab. 39) in ältern Stadien nur eine Verbindung mit dem linken Enterocöl und deutet daher das Cölom im Koptlappen als das umgebildete vordere, linke Säckchen, das dem Parietalcanal der Crinoiden gleichwerthig sei. — Bei mehreren Bipinnarien und Brachio- larien sollen nach Bury’s Beobachtungen, die ich aber für noch nicht genügend sichergestellt erachten kann, die beiden gesonderten pri- mären Ausstülpungen des Urdarms jederseits eine Fortsetzung in den präoralen Lappen entsenden, woselbst sie sich später zu einem un- paaren Raum, der als anterior body cavity aufgefasst wird, verbinden. Andere Larven wiederum sollen nur links eine mit dem Hydrocöl verbundene, aber vom hintern linken Cölomsack getrennte Anlage einer vordern Leibeshöhle besitzen, welche sich manchmal nicht einmal bis in den präoralen Lappen hinein erstreckt, so dass der letztere nur eine primäre Leibeshöhle enthält. Auch bei den Auricularien scheint sich das Cölom niemals in den präoralen Theil der Larve hinein zu er- strecken. Danach steht also das Vorkommen eines präoralen Lappens bei den Echinodermenlarven und im Besondern das präorale Larvenorgan der Asteriden, unter denen es bei Asterina gibbosa besonders umfangreich erscheint, mit dem phyletischen Ursprung von festsitzenden Formen im Zusammenhange. Die Festsetzung der freischwimmenden oder kriechen- den bilateral gebauten Form erfolgte mit dem vordern, präoralen Ende, das sich allmählich im Crinoidenstamme zu dem complicirt organisirten 410 OSWALD SEELIGER, Stiel ausbildete, während der hintere Abschnitt zum Kelch wurde, welcher die wichtigsten Organe enthält und bei den Comatuliden zur Loslösung und Führung eines selbständigen Lebens befähigt ist. In der ontogenetischen Entwicklung der Comatula erscheint dieser phyletische Process wiederholt. Die freischwimmende Larve zeigt Stiel und Kelchabschnitt ohne äusserlich wahrnehmbare Grenze in einander übergehend; erst nach der Festsetzung tritt der Gegensatz immer schärfer hervor, wie man sich bei der Betrachtung der Totalbilder in den Tafeln 18 und folg. überzeugen kann. Vorübergehend zeigt also die Comatulalarve bezüglich der äussern Formverhältnisse ein ähnliches Stadium, wie es dauernd unter den Cystideen Dendrocystites aufweist. In der ontogenetischen Entwicklung der übrigen Echinodermenclassen kommt es nirgend mehr zur Bildung eines eigentlichen Stieles, sondern die rudimentäre Anlage desselben ist nur in dem präoralen Lappen wiederzufinden, der bei vielen Formen nachweisbar bleibt. Während nun bei den Comatuliden nur der hintere Larvenabschnitt zum definitiven Thiere sich gestaltet und der vordere als Stiel zurückbleibt, wird bei Aste- rina der diesem homologe Präorallappen allmählich resorbirt und von dem jungen, hinten sich entwickelnden Seestern aufgenommen. Ebenso werden der präorale Abschnitt und gleichzeitig auch die accessorischen Fortsätze der Bipinnarien, Brachiolarien und Seeigelpluteus einge- zogen. Bei der Resorption dieser letztern treten nach METSCHNIKOFF’S Beobachtungen (64) Mesenchymzellen als Phagocyten in Thätigkeit. Auch bei einigen Holothurienlarven kann man einen nicht unan- sehnlichen präoralen Abschnitt unterscheiden, in welchen der Darm sich nicht hineinerstreckt und der, wie bereits oben erwähnt wurde, dem Stielabschnitt der Crinoidenlarve entspricht, obwohl er nur noch undeutlich den Charakter eines Larvenorganes aufweist. Ich stimme also ganz mit BARROIS überein, dass der Crinoidenstiel nicht mit dem in die Länge gezogenen hintern Körperabschnitt der Holothurienlarve verglichen werden dürfe. Jedoch ist die wesentliche Verschiedenheit in dem weitern Entwicklungsverlauf nicht zu übersehen. Bei Coma- tula verschiebt sich das ventral auftretende Vestibulum, das die Oesophagusanlage mit enthält, nach dem hintern Körperende zu; bei - der Holothurienpuppe geschieht die Verschiebung des dem Vestibulum homologen Mundschildes nach dem vordern Körperende, an welchem, da die festsitzende Lebensweise längst aufgegeben ist, kein Stiel mehr zur Ausbildung gelangt. Im Gegensatze zu den übrigen Echinodermen entsteht bei Ophi- uriden das ausgebildete Thier aus dem vordern Körperabschnitte der Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden 411 Larve, deren postanaler Theil, so wie in den andern Classen der prä- orale, als Larvenorgan allmählich sich rückbildet und von der jungen Ophiure resorbirt wird. Noch muss ich auf einen andern Unterschied aufmerksam machen, auf welchen zuerst GöTTE (31, p. 618 u. folg.) in scharfsinniger Weise hingewiesen hat. Bei Asteriden und Echiniden entsteht aus dem rechten Antimer der bilateralen Larve die aborale, aus dem linken die orale Seite des ausgebildeten Thieres. Das Hydrocöl bleibt links liegen, und es scheint der mediane Larvenmund nur provisorische Be- deutung zu besitzen, indem der definitive mit dem Oesophagus, der Lage des Hydrocöls, welches ihn umgreift, entsprechend, auf der ur- sprünglichen linken Seite sich neubildet. Bei den Ophiuriden dagegen scheint sich das ursprünglich links gelegene Hydrocöl ganz auf die Ventralseite der Larve zu verschieben, um den Larvenschlund zu um- fassen, der denn auch in den definitiven übergehen soll. In Folge dieser Verschiebung des Hydrocöls und des Persistirens des Larven- mundes liegt die Oralseite der jungen Ophiure auf der Bauchseite des Pluteus, die Aboralseite auf der Rückenseite. Bei den Holothurien verschiebt sich das links entstehende Hydro- cöl ebenfalls zunächst auf die Bauchseite und umwächst den Schlund, . weiterhin aber gelangen die Mundbucht und der Wassergefässring, welch letzterer sich senkrecht zur Hauptaxe der Larve einstellt, an die vordere Körperseite, die damit als die orale gekennzeichnet ist. Die beiden Cölomsäcke bleiben dagegen, ihrer ursprünglichen Lage in den beiden Antimeren der bilateralen Larve entsprechend, rechts und links liegen. Auf der ursprünglichen Ventralseite verwachsen sie mit einander, und es gehen hier die Höhlungen in einander über, während auf der Dorsalseite ein trennendes Mesenterium bestehen bleibt. Dar- aus folgt, dass zwei der fünf Parameren des ausgebildeten Strahl- thieres ausschliesslich von dem ursprünglich rechten Säckchen her- rührende Cölomhöhlungen besitzen, zwei andere Parameren dagegen ihr Cölom aus dem linken ableiten. Das unpaarige, ventrale Paramer umfasst dagegen die Verbindungsstelle zwischen den beiden ursprüng- lich getrennten Cölomhälften. Bei den Echiniden und Asteriden liegen dagegen, wie sich aus dem oben erwähnten Verhältniss der Larven- antimeren zu den Parameren des ausgebildeten Strahlthieres ergiebt, Theile des ursprünglichen rechten und linken Célomsackes in jedem Paramer über einander, in der Weise, dass das ursprünglich linke Cölom auf der oralen, das rechte auf der aboralen angetroffen werden kann. Doch kommt es auch hier zu nachträglichen Verschmelzungen 412 OSWALD SEELIGER, zwischen beiden Abschnitten. Wie sich das Cölom bei den Ophiuren verhält, bin ich augenblicklich nicht in der Lage, sicher bestimmen zu können. Bei Comatula stellt sich zwar ebenso wie bei den Holothurien der Hydrocölring senkrecht zur Längsaxe der Larve ein. Wie aber bereits erwähnt, ist es die hintere und nicht die vordere Seite, welche zur Oralregion des ausgebildeten Thieres wird. Ein weiterer wich- tiger Gegensatz zu den Holothurien besteht im Verhalten der Cölom- säcke; denn bei den Crinoiden verschieben sie sich in der Weise, dass, trotzdem die Hauptaxe der Larve zu der des Strahlthieres wird, das linke Cölom die Oralseite, das rechte die aborale einnimmt. So wie bei Echiniden und Asteriden umfasst also ein jedes Paramer Theile beider ursprünglichen Cölomsäcke, welche allerdings nur unvollständig gesondert sind, da das trennende Mesenterium schon bald nach der Festsetzung der Larve sich aufzulösen beginnt. — Von mehreren Seiten ist die Frage aufgeworfen und in verschie- dener Weise beantwortet worden, von welchen Organen der noch bi- lateralen Vorfahrenform die Ueberführung in den strahligen Bau aus- gegangen sei. P. und F. Sarasın sind der Ansicht, „die ursprünglich bestimmenden Elemente dieser radiären Bauart sind die Längsnerven und Längsmuskeln ; die Ambulacralgefässe passten sich secundär dieser Anordnung an. Das Auftreten von Kreisen aus je 5 oder 10 Platten bei Echinoiden und Crinoiden beruht auf secundärer Vereinigung ur- sprünglich ungeordneter, kleiner Plättchen, analog dem Verschmelzen von primären Ambulacralplatten zu Grossplatten“ (76, p. 147). Neu- MAYR und SEMON betrachten dagegen das Hydrocölsystem als das erste Organ, welches einen radiären Bau erlangt hat. Die alten Cystideen, welche der Arme entbehren und ein regelloses, aus zahl- reichen Platten bestehendes Skelet besitzen, zeigen bereits auf der Ambulacralseite die radiären, von der Umgebung des Mundes aus- strahlenden Ambulacralrinnen und bestätigen diese Ansicht. In der ontogenetischen Entwicklung der Comatula ist es dagegen zuerst das Skeletsystem, welches radiären Bau zeigt, und erst später folgt ihm das Hydrocöl. Diesem fehlen zunächst sogar noch die bereits den Cystideen zukommenden Radiärgefässe, und nur die Mundtentakel sind es, welche in fünfstrahliger Anordnung auftreten. Auch in der Ent- wicklung anderer Echinodermen sind es häufig zuerst die verschiedenen Systemen zugehörenden Kalkplatten, welche je im Numerus 5 auftreten, freilich ohne noch ihre endgültige Lage erlangt zu haben. In andern Fällen dagegen scheinen die fünf primären Ausstülpungen des Hydro- Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 413 cöls früher angelegt zu werden, so dass also aus den ontogenetischen Thatsachen kein sicherer Schluss bezüglich jener Frage zu ziehen ist, während die paläontologischen Erscheinungen mit grosser Wahrschein- lichkeit auf das Hydrocölsystem als dasjenige Organ hinweisen, welches zuerst die Strahlform ausgebildet zeigte. Erst nach Vollendung der vorliegenden Untersuchung erschien eine Abhandlung von O. BütschLı'!), in welcher die Frage nach der Art und Weise der Umwandlung einer bilateralen Urform zum Strahl- thier eine ausführliche Besprechung erfährt. Der Verfasser geht von einer ellipsoidischen, ventral etwas abgeflachten Urform aus, die einen kurzen, median verlaufenden Darm, zwei seitliche Cölomsäcke und ferner rechts und links von dem im Mittelpunkt gelegenen Mund je ein schlauchförmiges, etwas gekrümmtes Hydrocöl besitzt, „das gegen den Rand des Körpers fünf Fortsätze entsendet, welche hier in die fünf ursprünglichen Ambulacralfüsschen oder -Tentakel übergehen“ (p. 139). Er nimmt an, dass sich diese Form „mit der rechten Seite festge- heftet habe, indem zunächst die Tentakel dieser Seite zur Fixirung dienten und das Thier schliesslich unter Rückbildung dieser Tentakel sowie des rechten Hydrocöls, das sie versorgte, der Unterlage aufge- wachsen sei“, und versucht weiterhin den Nachweis, dass bei ganz be- stimmten Wachsthumsvorgängen aus dieser festsitzenden Urform ein Strahlthier von Echinodermen -ähnlicher Organisation entstanden sein müsse. Diese Wachsthumsvorgänge denkt sich BÜTScHLı in zwei auf einander folgende Perioden zerlegt, obwohl sich in Wirklichkeit alle Erscheinungen wahrscheinlich gleichzeitig neben einander dürften ab- gespielt haben. Es geschieht daher diese Zerlegung, die das Ender- gebniss nicht beeinflusst, nur deshalb, um die complicirten Verhält- nisse besser übersehen zu Können. In der ersten Periode, so nimmt BÜTSCHLI an, vergrössert sich ausschliesslich die freie, fast in ihrem ganzen Umfange dem ursprüng- lich linken Antimer angehörende Seite der festgesetzten Form. Für die Art und Weise der Vergrösserung werden bestimmte Annahmen gemacht, die ich hier im Einzelnen nicht wiederholen kann; nur will ich bemerken, dass sowohl die beiden Endpunkte des Hydrocöls als auch Mund und After ihre ursprüngliche Lage beibehalten, da sie 1) ©. Bürschuı, Versuch der Ableitung des Echinoderms aus einer bilateralen Urform, in: Zeitschr. f. wiss. Zoolog., Bd. 53, Suppl. 1892. 414 OSWALD SEELIGER, innerhalb der Region gelegen sind, welche jenen Voraussetzungen zu- folge sich nicht vergrössert. Das Ergebniss dieser ersten Verände- rungen ist dann eine linsenförmige, festgewachsene Form, die „den Antrieb zu weiterer Umgestaltung von vorn herein in sich tragen musste, denn die Lage ihres Mundes machte die Ernährung ohne Zweifel sehr schwierig. Eine Aufrichtung mit gleichzeitiger Ver- lagerung des Mundes auf die Oberseite scheint daher in dem natür- lichen Entwicklungsgang eines so organisirten festsitzenden Thieres geradezu als Bedingung weiterer Existenz‘ (p. 143). Während dieser zweiten Periode wächst daher besonders im Gegensatze zur ersten die ursprünglich rechte Bauchseite und zwar so erheblich, dass ein kugeliger Körper entsteht und der Mund an die Oberseite rückt. Unter gewissen weitern Voraussetzungen für das Wachsthum der einzelnen Organe zeigen in der Endform Hydrocöl und Darm die Merkmale des Echinodermentypus. Für die beiden Célom- abschnitte sind noch besondere Annahmen nothwendig, damit ihre Verlagerung in der Weise erfolge, dass der linke die Oralseite, der ursprünglich rechte die aborale einnehme, ein Verhalten, das übrigens durchaus nicht für alle Echinodermen charakteristisch ist. Das Kalk- skelet hat BürschLı nicht in besondere Berücksichtigung gezogen. Es ist zweifellos, dass unter den bestimmten Voraussetzungen, die BürscaLı für Wachsthum und Entwicklung macht, aus jener hypothetischen bilateralen Urform ein Echinodermen-ähnlicher Organis- mus entstehen wird, und es handelt sich nunmehr darum, zu unter- suchen, wie gross die Wahrscheinlichkeit sei, dass die phyletische Entwicklung der Echinodermen in der That jenen Weg genommen habe. Was die Beschaffenheit der bilateralen Ausgangsform anbelangt, so muss ohne weiteres die Möglichkeit, dass BürschLr’s Annahme zu- treffend sei, zugegeben werden. Allerdings ist bei der Feststellung der Organisation der Urform dem subjectiven Ermessen ein weiter Spielraum gegeben, da die ontogenetische Entwicklung in dieser Be- ziehung nur ganz unsichere Schlüsse zu ziehen erlaubt. Ich will da- her hier nicht erst erörtern, welche Verschiedenheiten im Bau dieser Urform ebenfalls denkbar, möglich oder wahrscheinlich sein könnten, zumal BürschLı selbst auf einen Punkt hingewiesen hat, indem er sagt: „Gegen diese Anordnung des ursprünglichen Ambulacralsystems lassen sich wohl einige berechtigte Zweifel erheben, insbesondere gegen seine symmetrische Ausdehnung in die Vorder- und Hinterhälfte des Thieres und die damit erzielte gleichmässige Vertheilung der ursprüng- Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 415 lichen zehn Tentakel auf dem ganzen Umkreis“ (p. 139). Die An- nahme, dass bereits die bilaterale Urform ein besonderes Hydrocöl besessen habe, steht mit den Auseinandersetzungen, die ich im vorigen Abschnitte über den Ursprung des Wassergefässsystems gegeben habe, durchaus nicht im Widerspruche. Betrachtet man, wie ich es thue, das letztere als ein umgebildetes vorderes Cölom, so wird allerdings die Ausdehnung, die BÜTSCHLI jenem Organe zuspricht, als keine ur- sprüngliche, sondern als eine erst später durch secundäre Vergrösserung erreichte angesehen werden Können. Die Art und Weise der Festheftung der Urform mit der rechten Körperseite, die BürscHLı annimmt, halte ich aber für nicht wahr- scheinlich. Schon vor mehr als 40 Jahren haben BERGMANN u. LEUCKART versucht, den radiären Echinodermenleib durch die fest- sitzende Lebensweise einer mit dem Rücken befestigten bilateralen Urform zu erklären, und unter andern hat sich namentlich CLAUS dieser Anschauungsweise angeschlossen. Freilich sind alle diese früheren Versuche gegenüber BürtscaLıs in die Einzelheiten der Vor- gänge eindringenden Erörterungen über die ganz allgemeine Seite der Frage nicht hinausgekommen, und CLAUS konnte den Standpunkt mit folgenden Worten zusammenfassen: „Möglicher Weise gab das unsym- metrische Wachsthum innerer Organe und das Uebergewicht der links- seitigen Körperhälfte den mechanischen Anlass zum Verlust der freien Bewegung, wie andrerseits der ietztere und die am Rücken eingetretene Fixation den Grund abgab, dass in der phylogenetischen Fortbildung die Bauchseite zur oralen oder vordern, die Rückenseite zur aboralen oder hintern Körperseite wurde, und dass das weitere Wachsthum der Organe im Umkreis der Körperaxe zur Entstehung der fünf Anti- meren führte. Der Complex dieser im Detail kaum näher eruir- baren Vorgänge, welche zur Entstehung des radiären Echinodermen- leibes führten, erscheint freilich in der ontogenetischen Entwicklung in stark abgekürzter Form zeitlich verschoben in den Leib der schwärmenden Larve zurückverlegt und zwar in den verschiedenen Gruppen unter mehrfachen, das Auseinanderweichen dieser letztern vorbereitenden Modificationen. Wenn aber unsere Vorstellung eine richtige ist, so haben wir die im Larvenkörper der Comatula sich vollziehenden Vorgänge als die der ursprünglichen Entwicklung im All- gemeinen am nächststehenden zu betrachten“ !). NEUMAYR (68, p. 411) 1) Cuaus, Grundzüge der Zoologie, 4. Aufl., 1880, Bd. 1, p. 325, » 326. : 416 OSWALD SEELIGER, dagegen scheint der Ansicht zu sein, dass die Festheftung mit der aboralen Seite erst später innerhalb des Cystideenstammes erfolgt sei, nachdem bereits die fünfstrahlige Form des Hydrocölsystems erreicht war. Dass die Bilateralität der Echinodermenlarven, wie er meint, möglicher Weise nur auf secundäre Anpassung in der Ontogenie zurück- zuführen sei, wird man wohl mit Recht mit Bürscauı als „durchaus unwahrscheinlich“ bezeichnen dürfen. Betrachtet man nun, wie oben CrAus, die Vorgänge in der onto- genetischen Entwicklung der Crinoiden als die ursprünglichsten, so erscheint es, wie ich glaube, unhaltbar, eine Festsetzung der bilate- ralen Urform sei es mit der dorsalen oder mit der rechten Seite an- zunehmen. Ich habe oben ausführlich auseinandergesetzt, dass der Stiel der Crinoiden dem Vorderende der Larve entspricht, und nach- gewiesen, dass an derselben Stelle bei den Echinodermenlarven weit verbreitet ein homologes Gebilde vorhanden ist. In diesen Thatsachen sehe ich den bedeutungsvollsten Einwand, der sich gegen BürschLr’s Schlussfolgerungen erheben lässt, denn sie weisen so deutlich, wie es ontogenetische Vorgänge überhaupt nur können, darauf hin, dass auch die Festsetzung der phyletischen Urform mit dem Vorderende erfolgt sein müsse. Im Schlusstheile seiner Studie hat übrigens BÜTSCHLI selbst eine ähnliche Möglichkeit erwogen, dass nämlich die bilaterale Stammform „sich mittels der Tentakel ihrer vordern rechten Seiten- fläche festgeheftet habe“, und fügt hinzu: „es will mir sogar scheinen, dass es eine Reihe Vortheile hätte, eine solche Form zum Ausgang zu nehmen“ (p. 158). Doch finde ich freilich in der Ontogenie der Comatula keinen Anhaltspunkt für die Ansicht, dass die Befestigung zwar am Vorderende, aber unsymmetrisch mit hauptsächlichster Be- theiligung der rechten Seite sich vollzogen habe, denn ich sehe die Symmetrie äusserlich nicht gestört. Gegenüber dieser Verschiedenheit in den Auffassungen der Fixa- tionsweise der Stammform kommen die Unterschiede bei deren weiterem Wachsthum hier gar nicht mehr in Betracht, denn es ist ohne wei- teres verständlich, dass die Wachsthumsverhältnisse verschieden ge- wesen sein müssen, wenn aus einer mit dem Vorderende oder einer mit der rechten Seite festgehefteten Urform das nämliche Strahlthier hervorgehen soll. Doch möchte ich darauf hinweisen, dass genau so wie in dem BürscaLzrschen Stadium am Ende der ersten Wachsthums- periode auch in der mit dem Vorderende festgehefteten Stammform eine Verlagerung des Mundes nach dem obern freien Pole, der dem ursprünglich hintern Körperende entspricht, für die Nahrungsaufnahme ee Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 417 sich besonders zweckmässig erweisen müsste. Dass sie in der That auch erfolgt ist, beweist die ausgebildete Echinodermenform zur Ge- nüge. Welche Veränderungen in den Lagebeziehungen der andern Organe aber damit parallel liefen, und wie sich im Einzelnen die Vor- gänge vermuthlich abgespielt haben, bin ich augenblicklich nicht in der Lage, hier ausführlicher auseinandersetzen zu können. Ich will nur auf das Eine hier nochmals aufmerksam machen, dass im Gegen- satze zu den Asteriden aus der ontogenetischen Entwicklung der Comatula sich nicht der Beweis führen lässt, dass alle oder auch nur die meisten Organe des linken Larvenantimers auf die Oralseite, die des rechten dagegen auf die aborale hinüberrücken. Nur die beiden Cölomabschnitte machen eine derartige Lageveränderung durch, das Hydrocöl dagegen liegt bereits von allem Anfang an ventral, um in der Medianebene nach dem Hinterende sich zu verschieben. Die Kelchstücke endlich, die Oralia und Basalia, werden um die Hauptaxe des Embryos herum je in beiden Antimeren angelegt. IV. Die festsitzende Antedonlarve und die Cystideen. Bereits am Eingange des vierten Capitels habe ich erwähnt, dass ich PERRIER’s Benennung der Comatulalarven dieser letzten Stadien als ,, Cystideenlarven‘ für nicht gerechtfertigt halte. Es scheint mir nicht überflüssig zu sein, meine Auffassung etwas ausführlicher zu begründen und die Gesichtspunkte, die ich theilweise allerdings schon an andern Stellen dieser Abhandlung vorgebracht habe, hier nochmals im Zusammenhang kurz darzulegen, da sowohl von zoo- logischer als paläontologischer Seite jene Bezeichnung aufgegriffen worden ist und die Anschauung als eine feststehende Thatsache sich einzubürgern beginnt, es wiederhole die ontogenetische Entwicklung der Comatula in palingenetischer Weise das Cystideen-ähnliche Vorfahren- stadium. Obwohl ich namentlich durch die umsichtigen Ausführungen NEUMAYR’S die Cystideenherkunft der Crinoiden für sicher begründet halte, kann ich auf der andern Seite doch den ausserordentlich cäno- genetischen Charakter der festsitzenden Antedon-Larve nicht verkennen. Der Cystideencharakter der Crinoidenlarve wird mit deren äus- serer Gestalt nicht begründet werden können. Bald nach der Festsetzung fanden wir zwar ein Stadium, in welchem der Gegensatz von Stiel und Kelch noch nicht scharf ausgeprägt ist und welches wie ich aufmerksam gemacht habe, mit den ältesten Cystideen (Den- drocystites) sich vergleichen lässt. Nach NEUMAYR ist das der einzige Zool. Jahrb. VI. Abth. f, Morph. Dir 418 OSWALD SEELIGER, Fall, in welchem Kelch und Stiel noch nicht gesondert sind, und er betrachtet ihn als die einfachste Form der Stielbildung. Die innere Organisation der Larve steht aber zu dieser Zeit noch auf einer so tiefen Stufe, zeigt bei noch geschlossenem Vestibulum einen so em- bryonalen Charakter, dass an eine Vergleichung mit Cystideen nicht zu denken ist. Die letzten in dieser Untersuchung beschriebenen Stadien, auf die sich Perrıer’s Benennung bezieht, sind dagegen be- züglich der Sonderung von Stiel und Kelch von den Zeit Lebens gestielten Crinoiden nicht verschieden. Es besteht aber überhaupt kein durch- greifender Gegensatz bezüglich der äussern Form und des gegenseitigen Verhaltens der beiden Körperabschnitte bei Cystideen und Crinoiden. Was die äussere Form des Kelches der Larve anbelangt, so ist sie noch zur Zeit des Auftretens der ersten Radialia so ausgeprägt sphäroidisch, dass der scharfe Gegensatz zwischen ambulacraler und abambulacraler Seite, wie er die lebenden ausgebildeten Crinoiden aus- zeichnet, noch nicht besteht. Ohne Kenntniss des spätern Schicksals der ersten Radialia könnte man diese Stücke ebenso gut der Oral- seite zurechnen, wie sie in Wirklichkeit der aboralen angehören. Es ist das ein Verhalten, welches die primitivsten Cystideen, z. B. Echino- sphaerites aus dem Untersilur, in noch hervorragenderer Weise aus- zeichnet, welches aber durchaus nicht auf die Cystideen beschränkt ist, sondern auch zahlreichen Crinoidenformen und in besonders bemerkens- werthem Maasse den Sphäroidocrinaceen eigenthümlich ist. Auf der andern Seite fehlt es aber auch nicht an Cystideen, welche, mit einer geringen Zahl Kalkplatten ausstattet, eine wohl abgegrenzte Oral- seite erkennen lassen. Noch weniger als in der äussern Form kann im Kalkskelete der Larve eine Cystideenähnlichkeit gefunden werden. Bei der ausser- ordentlichen Mannigfaltigkeit in der Zahl und Anordnung der Kalk- tafeln im Cystideenstamme lässt sich für ihn ein allgemein gültiges Schema nicht geben. NEUMAYR fasst sein Urtheil dahin zusammen: „Die wesentlichsten und allgemeinsten giltigen Eigenthümlichkeiten sind das Zurücktreten des fünfstrahligen Baues, an dessen Stelle meist nicht zweiseitige Symmetrie, sondern unregelmässige Anordnung tritt, und ferner das Vorhandensein eines aus mehreren kalkigen Platten be- stehenden, meist pyramidenförmigen Verschlusses der Afteröffnung“ (68, p. 402). Das Skelet der Comatulalarven zeigt dagegen am frühesten von allen Organen die fünfstrahlige Anordnung, die stets schon zur Zeit des Vestibulardurchbruchs erreicht ist. Die fünf Oralia und Basalia, die aus der Verschmelzung der Subbasalia entstandene Centro- re Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden, 419 dorsalplatte und endlich die fünf ersten Radialia, welche den Kelch zusammensetzen, führen, wie ich auseinandergesetzt habe, zum Ver- gleich mit den ältern gestielten Crinoiden, die sich auf das näm- liche Schema in der Anordnung der wichtigsten Kalkplatten zurück- führen lassen. Freilich fehlt es auch nicht an Cystideen, welche eine sehr geringe Zahl, manchmal nur 13, Kelchtafeln besitzen, die in regelmässiger strahliger Anordnung Kränze bilden. Hierdurch nähern sie sich den Crinoiden, zu denen sie den Uebergang vermitteln. Mit diesen wenigtafligen Cystideen lässt sich naturgemäss auch die Co- matulalarve bezüglich des Skelets nach manchen Richtungen hin ver- gleichen, ohne deshalb mit ihnen mehr Aehnlichkeit zu besitzen als die alten fossilen Crinoiden, die als „Cystideen-ähnlich“ niemand wird bezeichnen wollen. Von den interradialen, den After umgrenzenden Platten der Cystideen ist auf dem betreffenden Larvenstadium der Comatula noch nichts vorhanden, sondern erst später bildet sich die einzige Analplatte. Sie hat so wie die fünf Oralia bei Antedon rosacea nur transitorische Bedeutung, erhält sich aber länger als diese und verschwindet erst geraume Zeit nach der Abtrennung des Thieres vom Stiele. In jungen Comatulen von 2 Zoll Durchmesser fand W. B. CARPENTER (14, p. 747) das Anale vollständig rückgebildet. Demnach kann also auch gar nicht mehr daran gedacht werden, die Vergleichung zwischen der jüngsten Comatulalarve und der oben bereits erwähnten alten Cystideenform Dendrocystites weiter aufrecht zu erhalten, denn die Uebereinstimmung bezieht sich nur auf die äussere Form, die innern Bauverhältnisse sind grundverschieden. Bei Dendro- cystites „ist der obere Theil des Stieles vollständig abweichend ge- bildet, er stellt nämlich eine weite, nach unten spitz zulaufende Aus- sackung des Perisoms dar, welche mit zahlreichen, den Perisomtafeln ähnlichen, aber etwas kleinern Platten bekleidet ist; nach abwärts geht dann dieses Gebilde in einen normalen, einzeiligen Stiel über“ (68, p. 411). Bei den Comatulalarven zeigen dagegen Stiel und Kelch- abschnitt bereits die Kalktafeln in einer mit den spätern Stadien im Wesentlichen übereinstimmenden Weise angeordnet: im Stiele durch- aus einzeilig, im Kelche fünfstrahlig. Erst bei den Paläocrinoiden mit bereits wohl ausgebildetem Stiele tritt das Kalkskelet in einer ähn- lichen Anordnung auf, und es erweist sich also die Ontogenie des Comatulaskelets als cänogenetisch verkürzt, indem die den ältesten Cystideen vergleichbaren Stadien trotz der äussern Formähnlichkeit in den Larven nicht mehr nachweisbar sind. Das Fehlen der Arme kann ebenfalls nicht die Bezeichnung 270% 420 OSWALD SEELIGER, der Larve als Cystideenstadium rechtfertigen. Ganz abgesehen davon, dass dies kein durchgreifendes Merkmal der Cystideen ist, unter welchen sich neben armlosen auch armtragende Formen finden, wird sich sofort zeigen, dass auch die armlosen Cystideen bezüglich des Hydrocölsystems sich hoch über dieses Larvenstadium der Comatula erheben. Es will mir im Gegentheil scheinen, dass die stillschweigend ge- machte Voraussetzung, es seien die kleinen Mundtentakel der Larve mit den Armen der Cystideen homolog, zu PERRIER’s Bezeichnung geführt habe. Dass eine solche Homologie nicht stattfindet, geht aus der Darstellung über den Bau und die Lage der Larvententakel deutlich hervor. Die Cystideenarme stehen gewöhnlich am Ende der Ambulacralfurchen und sind durch eine Anzahl Kalkglieder gestützt. Welche Weich- theile sie umschlossen haben, lässt sich jetzt nicht mehr feststellen, aber zweifellos waren sie viel complicirter gebaut als die Mundtentakel der Comatulalarve und werden vermuthlich Ambulacralanhänge getragen haben, die diesen nicht unähnlich gewesen sein dürften. Die Mund- tentakel der Antedon-Larve entbehren jeglicher Kalkeinlagerungen, gehen direct vom Wassergefässring aus und entsprechen in ihrem Bau vollständig den Ambulacralendigungen auf den Pinnulen der Arme und auf den Ambulacralfurchen des ausgebildeten Thieres. Das Verhalten des Wassergefässystems zeigt so recht deut- lich, dass zwischen dem hier zuletzt beschriebenen Larvenstadium von Antedon und den Cystideen ein tiefer Unterschied besteht. Obwohl natürlich bei diesen letztern von den Weichtheilen nichts mehr er- halten ist, lässt sich doch der Verlauf des Hydrocölsystems erschliessen. Die Comatulalarve besitzt nur einen Ringcanal, von welchem das Hydrocöl der Tentakel und der Steincanal ausgehen. Bei den Cystideen treten die die Mundscheibe radiär durchsetzenden Ambulacralfurchen hinzu, unter welchen die Radiärgefässe verlaufen sein müssen. Diese Radiärgefässe entwickeln sich in der Antedon-Larve erst auf einem spätern Stadium und zwar, wie es nach THomson’s und PERRIER’S Angaben scheint, im Zusammenhange mit dem Auftreten der 5 Primär- arme, Im Einzelnen weist aber die Mundscheibe der Cystideen be- deutende Verschiedenheiten auf, denn die Enden der Ambulacralfurchen können regelmässig oder unregelmässig gegabelt sein, können mit Pinnulen besetzt sein oder dieser entbehren und dann zwischen je zwei Kalkplättchen der Furchen Poren zum Durchtritt der ambulacralen Anhänge besitzen. Danach zeigt sich also das Hydrocölsystem der Cystideen ungleich complicirter gestaltet als das der „Cystideenlarve“ Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 421 der Comatula, denn von all jenen Gebilden ist in ihr keine Spur vor- handen. Eine Uebereinstimmung der Larve mit Cystideen könnte dagegen in der Lage des Afters gefunden werden. Während dieser bei der ausgebildeten Comatula interradial und excentrisch auf der Mund- scheibe angetroffen wird, findet man ihn in diesem Larvenstadium seitlich am Kelche. Wie die Lageveränderung ontogenetisch sich voll- zieht, wird im Einzelnen eine spätere Untersuchung noch nachzuweisen haben. Wahrscheinlich ist sie dadurch zu erklären, dass zwar die Entfernung des Afters vom Munde sich nicht verkleinert, wohl aber nicht in demselben Maasse sich vergrössert wie die Gesammtscheibe, so dass nothwendiger Weise die Region des erstern bei dem Wachs- thume der Larve in die ambulacrale Körperregion einbezogen wird. Bei den Cystideen befindet sich zwar auch der After öfters noch auf dem Scheitel, vorherrschend aber wohl seitlich, in ähnlicher Lage wie bei den Comatulalarven. Im Hinblicke aber auf das Vorkommen von einem besondern, durch Kalkplatten gestützten Verschlussapparat des Anus bei den erstern, der den letztern völlig mangelt, hiesse es, diese Aehnlichkeit überschätzen, wenn man auf sie hin das in Frage stehende Entwicklungsstadium von Antedon als „Cystideenstadium“ bezeichnen wollte. Berlin, im März 1892, 422 OSWALD SEELIGER, Literaturverzeichniss. AGassiz, À. On the embryology of Echinoderms, in: Mem. American Acad. Arts and Scienc., Vol. 9, 1867. Embryology of the Star- fish, 1864. ALLMAN, On a pre-brachial stage in the development of Coma- tula, and its importance in relation to certain aberrant forms of extinct Crinoids, in: Transact. Royal. Soc. Edinburgh, Vol. 23, 1864, p- 241. ArosroLives, Anatomie et développement des Ophiures, in: Arch. Zoolog. Exper., T. 10, 1882, p. 121. Barrois, J.. Sur l’embryogénie de la Comatule (Comatula medi- terranea), in: Compt. Rend., T. 102, 1886, p, 1176. — — Des homologies des larves de Comatule ibid. T. 103, 1886, p. 892. — — Recherches sur le developpement de la Comatule, in: Rec. Zoolog. Suisse, T. 4, 1888. Beyricu, Ueber die Crinoiden des Muschelkalks, in: Abhandl. Kgl. Acad. Wissensch. Berlin, 1857. Boveri, Zellstudien, 3. Heft. Ueber das Verhalten der chroma- tischen Kernsubstanz bei der Bildung der Richtungskörper und bei der Befruchtung, Jena 1890. Bury, The early stages in the development of Antedon rosacea, in: Phil. Trans. Royal Soc. London, Vol. 179, 1888. — Studies in the embryology of the Echinoderms, in: Quart. Journ. Microsc. Sc., Vol. 29, 1889. Buscu, Ueber die Larve der Comatula, in: Müuver’s Arch. f. Anatom., Physiol. u. wiss. Medic., 1849, p. 400. — Beobachtungen über einige niedere Thiere, ibid p. 439. — Beobachtungen über Anatomie und Entwicklung einiger wirbel- losen Seethiere, Berlin 1851. CARPENTER, W. B., Researches on the structure, physiology and development of Antedon (Comatula, LAmk.) rosaceus, in: Philos. Transact., London 1866, Vol. 156, P. 2. — — On the structure, physiology, and development of Antedon (Comatula, Lamx.) rosaceus, in: Proc. Roy. Soc., Vol. 24, 1876, p. 211, 16. 36. 37. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 493 CARPENTER, W.B., Supplemental note to a paper „On the structure, physiology and development of Antedon (Comatula, Lam.) rosaceus“, ibid. p. 451. CARPENTER, P. H., Report on the Crinoidea, in: Report of the Scient. Result. of the Challenger, Vol. 11, 26, 1873—76. — — On the oral and apical systems of the Echinoderms, Part 1, in: Quart. Journ. Mierosc. Science, Vol. 18, 1878, p. 351. — — Notes on Echinoderm morphology, No. 5. On the homo- logies of the apical system, with some remarks upon the blood- vessels, ibid. Vol. 22, 1882, p. 371. — — Notes on Echinoderm morphology, No. 10. On the sup- posed presence of symbiotic algae in Antedon rosacea, ibid. Vol. 27, 1887. Craus, C., Grundzüge der Zoologie, Bd. 1, 1880. Conn, Marine larvae and their relation to adults, in: Stud. Biolog. Laborat. J. Hopkins University, Vol. 3, 1884—87. Cuénor, Sur le systeme madréporique des Echinodermes. Réponse à la Note de M. Hartog, in: Zoolog. Anzeiger, No. 337, 1890, p. 315. — Etudes morphologiques sur les Echinodermes, in: Arch. Bio- logie; 'T.. 14, 1838. Dusarvın et Hurt, Histoire naturelle des Zoophytes Echinodermes, Paris 1862. Fewxes, On the development of the calcareous plates of Amphiura, in: Bull. Mus. Compar. Zoolog. Harvard College, Vol. 13, 1887. — On the development of the calcareous plates of Asterias, ibid. Vol. 17. Freischmann, Die Entwicklung des Eies von Echinocardium cor- datum, in: Zeitschr. f. wiss. Zoolog., Bd. 46, 1888. For, H., Die erste Entwicklung des Geryonideneies, in: Jenaische Zeitschr. f. Naturw., Bd. 7, 1873. — — Recherches sur la fécondation et le commencement de l’héno- génie chez divers animaux, in: Mém. Sociét. Phys. et Hist. Nat. Genève, T. 26, 1879. Gorts, A., Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Comatula medi- terranea, in: Arch. f mikr. Anat., Bd. 12, 1876. — — Bemerkungen zur Entwicklungsgeschichte der Echinodermen, in: Zoolog. Anzeiger, Bd. 3, 1880, p. 324. GRAEFFE, Uebersicht der Seethierfauna des Golfes von Triest nebst Notizen über Vorkommen, Lebensweise, Erscheinungs- und Fort- pflanzungszeit der einzelnen Arten, in: Arbeit. Zoolog. Institut Wien, T. 3, 1881. GREEFF, R., Ueber den Bau der Echinodermen, 4. Mittheilung, in: Sitzungsber. Ges. z. Beförd. ges. Naturw. Marburg, 1876, No. 1. — — Ueber den Bau der Echinodermen, 5. Mittheilung, ibid, 1876, No. 5. — — 6. Mittheilung, ibid. 1879, No. 4, p. 47. O. Hamann, Beiträge zur Histologie der Echinodermen, 4. Heft. Anatomie und Histologie der Ophiuren und Crinoiden, Jena 1889, 424 39. 40. 41. 43. 44. OSWALD SEELIGER, HarroG, The true nature of the „madreporie system“ of Echino- dermata, with remarks on nephridia, in: Ann. Magaz. of Nat. Hist. (5), Vol. 20, 1887, p. 321. — On the madreporic system of enden, in: Zool. Anz., 1890, No. 330, p. 136. Harscxek, Ueber Eee IP von Teredo, in: Arb. Zool. Institut Wien, Bd. 3, 1881, Heft 1, 1880. Henkıng, Untersuchungen über die ersten Entwicklungsvorgänge in den Eiern der Insecten. I. Das Ei von Pieris brassicae L. nebst Bemerkungen über Samen und Samenbildung, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 49, 1890. Hensen, Ueber eine Brachiolaria des Kieler Hafens, in: Arch. f. Naturg., Bd. 29, 1863, p. 242. Nachtrag zu dem Aufsatze über die Brachiolaria des Kieler Hafens, ibid. p. 363. Herrwıs, O., Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies, in: Morph. Jahrb., Bd. 1, 1876, p. 347; Bd. 3, 1877. — — Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung, in: Jenaische Zeitschr. f. Naturw., Bd. 18, 1885. — — Experimentelle Studien am thierischen Ei vor, während und nach der Befruchtung, 1. Th., ibid. Bd. 24, 1890, p. 268. JAEKEL, Ueber Holopocriniden mit besonderer Berücksichtigung der Stramberger Formen, in: Zeitschr. Deutsch. Geolog. Ges., Bd. 43, Heft 3, 1891. JıckeLı, Vorläufige Mittheilungen über den Bau der Echinodermen. 1) Ueber das Nervensystem und die Sinnesorgane der Comatula mediterranea, in: Zoolog. Anzeig., 1884, No. 170, p. 346, No. 171, . 366. 2 Ueber einen der Begattung ähnlichen Vorgang bei Comatula mediterranea, in: Zool. Anz., 1884, p. 448. Korscaezr, Zur Bildung des mittlern Keimblatts bei den Echino- dermen. Nach Beobachtungen an Strongylocentrotus lividus, in: Zoolog. Jahrb., Bd. 3, Abth. f. Anat., 1889, p. 653. Korscaezr u. Herner, Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungs- geschichte der wirbellosen Thiere, 1. Heft, Jena 1890. Kowazevsky, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Holothurien, in: Mém. Acad. Imp. Science. St. Pétersbourg (7. Ser.), T. 11, 1867. Leuckarrt, F. S., Einiges über das Asteroiden-Geschlecht Comatula Lam. überhaupt und über Com. mediterranea insbesondere, in: Hevsınger’s Zeitschr. f. org. Physik, Bd. 3, 1833, p. 375. Lryoıs, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere, 1857. Loven, Etudes sur les Echinoidées, in: Kongl. Svenska Vetensk. Akad. "Handlingar, Vol. 11, No. 7, Stockholm 1874. Lupwi, H., Beiträge zur Anatomie der Crinoideen, in: Zeitschr f. wiss. Zool., Bd. 28, 1877. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 495 LupwiG, H., Zur Anatomie des Rhizocrinus lofotensis, ibid. Bd. 29, 1877. — — Ueber den primären Steincanal der Crinoideen, nebst ver- gleichend-anatomischen Bemerkungen über die Echinodermen über- haupt, ibid. Bd. 34, 1880. — — Entwicklungsgeschichte der Asterina gibbosa, ibid. Bd. 37, 1882. — — Ueber die Function der Madreporenplatte und des Stein- canals der Echinodermen, in: Zool. Anzeig., 1890, No. 339, p. 377. — — Zur Entwicklungsgeschichte der Holothurien, in: Sitzungsb. Preuss. Acad. d. Wissenschft., Bd. 32, 1891. Merscunikorr, Studien über die Entwicklung der Echinodermen und Nemertinen, in: Mém. Acad. Imp. St. Pétersbourg (7. Ser.), T. 14, No. 8, 1869. — Beiträge zur Entwicklungsgeschichte einiger niederen Thiere; vorläufige Mittheilung, 7. Comatula, in: Bull. Acad. Imp. Scienc. St. Petersbourg T. 15, 1871, p. 508. — Embryologische Mittheilungen über Echinodermen, in: Zoolog. Anzeiger, Jahrg. 7, 1884. — Untersuchungen über die intracelluläre Verdauung bei wirbellosen Thieren, in: Arb. Zool. Instit. Wien, Bd. 5, 1884. — Vergleichend embryologische Studien. 5. Ueber die Bildung der Wanderzellen bei Asteriden und Echiniden, in: Zeitschr. f. wiss. Zoolog., Bd. 42, 1885. Möpıus u. Bürscauı, in: Jahresbericht der Commission zur wissen- schaftlichen Untersuchung der deutschen Meere in Kiel für die Jahre 1872--1873, 2. u. 3. Jahrgang, 5. Zoologische Ergebnisse, IV. Echinodermata, Berlin, 1875, p. 143. Miter, J., Ueber den Bau des Pentacrinus caput Medusae, Berlin, 1843. Neumayer, Die Stämme des Thierreiches, Wien, 1889. Perrier, E., Recherches sur l’anatomie et la régénération des bras de la Comatula rosacea, in: Arch. Zoolog. Exper., T. 2, 1873. — — Mémoire sur l’organisation et le développement de la Co- matule de la Méditerranée, in: Nouv. Arch. Mus. Hist. Nat. Paris (2 Sér.), T. 10, 1886. — — Mémoire sur l’organisation et le développement de la Co- matule de la Méditerranée (Antedon rosacea Lincx), ibid. (3 Ser.), T. 1, 1889, p. 169—286; T. 2, 1890, p. 1—86. PoucHer et Cxagry, De la production des larves monstrueuses d’oursin, par privation de chaux, in: Compt. Rend. Acad. Scienc. Paris, T. 108, 1889, p. 196. Prouno, H., Recherches sur le Dorocidaris papillata et quelques autres Echinides de la Méditerranée, in: Arch. Zool. Exper. (2 Ser.), T. 5, 1887, p. 213. Russo, Die Keimblätterbildung bei Amphiura squamata, in: Zool. Anz., No. 377, 1891. Sarasin, P. u. F., Ueber die Niere der Seeigel, in: Zool. Anz., 11. Jahrg., No. 277, 1888. 426 76. dite 78. 89. 90. 93, OSWALD SEELIGER, Sarasin, P. u. F., Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon, 1. Bd., 3. Heft, Ueber die Anatomie der Echinothuriden und die Phylogenie der Echinodermen, Wiesbaden 1888. Sars, M. Mémoires pour servir à la connaissance des Crinoides vivants. Programme de |’ Université royale de Norvège, Christiania, 1868. SCHMIDTLEIN, Vergleichende Uebersicht über das Erscheinen grösserer pelagischer Thiere während der Jahre 1875—1877, in: Mitth. Zool. Stat. Neapel, Bd. 1, 1879. SELENKA, E., Zur Entwicklung der Holothurien (Holothuria tubulosa und Cucumaria doliolum). Ein Beitrag zur Keimblättertheorie, in: Zeitsch. f. wiss. Zool., Bd. 27, 1876. — — Keimblätter und Organanlage der Echiniden, ibid. Bd. 33, 1880. — — Studien über Entwicklungsgeschichte der Thiere. 2. Heft. Die Keimblätter der Echinodermen, Wiesbaden, 1883. SEMON, Beiträge zur Naturgeschichte der Synaptiden des Mittel- meeres, 1. Mittheilung, in: Mitth. Zool. Stat. Neapel, Bd. 7, 1887. — — Die Entwicklung der Synapta digitata und ihre Bedeutung für die Phylogenie der Echinodermen, in: Jenaische Zeit. f. Naturw., Bd. 22, 1888. — — Die Homologien innerhalb des Echinodermenstammes, in: Morph. Jahrb., Bd. 15, 1889. — — Zur Morphologie der bilateralen Wimperschnüre der Echino- dermenlarven, in: Jenaische Zeitschr. f. Naturw., Bd. 25, 1891. SLADEN, On the homologies of the primary larval plates in the test of brachiate Echinoderms, in: Quart. Journ. Microsc. Science, Vol. 24, 1884. TruscHer, Beiträge zur Anatomie der Echinodermen. 1. Comatula mediterranea, in: Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss., Bd. 10, 1876. Txompson, J. V., Memoir on the Pentacrinus europaeus: a recent species discovered in the Cove of Cork, July 1, 1823. Cork, 1827. — — Memoir on the star-fish of the genus Comatula, demonstra- tives of the Pentacrinus europaeus being the young of our indi- genous species, in: Jamzsons The Edingburgh New Philosoph. Journ., 1836, Vol. 20, p. 295. | Tromson, W. On the embryogeny of Antedon rosaceus, Linck (Comatula rosacea of Lamarck), in: Philosoph. Transact. Roy. Soc. London, Vol. 155, 1865. Voer et Yung, Traité d’anatomie comparée pratique, T. 1, Paris, 1888. WALTHER, J., Untersuchungen über den Bau der Crinoiden mit be- sonderer Berücksichtigung der Formen aus dem Solenhofer Schiefer und aus dem Kehlheimer Diceraskalk, in: Palaeontographica, Bd. 32, 1886. Zarrez, Handbuch der Paläontologie, Bd. 1, 1876—1880. Studien zur Entwicklungsgeschiehte der Crinpiden. 427 Tafelerklärung. Buchstabenbezeichnung. Der leichteren Orientirung wegen sind in zahlreichen Abbildungen die verschiedenen Körperseiten mit grossen lateinischen Buchstaben be- zeichnet, und zwar bedeutet: A Vorn (ante) P Hinten (post) D Dorsal V Ventral L Links R Rechts. Nachdem im Kelch der fünfstrahlige Bau angedeutet ist, habe ich die fünf Radien mit den lateinischen Zahlen I, II, ILL, IV, V bezeichnet. Wie man sich leicht überzeugen wird, geht der Radius V ventral durch die alte Medianebene der bilateralen Larve. Links davon liegt Radius I, rechts Radius IV. Dorsalwärts von Radius I liest II, von Radius IV dagegen III. Betrachtet man also die strahlige Larve von der Mund- seite, so folgen sich von dem links ventral gelegenen Radius I an die höheren Zahlen in der Ordnung, wie der Uhrzeiger sich bewegt, da die Lage des Mundes dem ursprünglich hinteren Körperende entspricht. a Archenteron, Urdarm. af After. ax Axialorgan. b Basalia, mit b,—b, bezeichnet je nach ihrer Lage in den ver- schiedenen Interradien. 6, liegt im Interradialraum I—V. bl Blastoporus, Urmund. c Célomblase, Peritonealblase, Anlage für rechtes und linkes Célom. c, Mesentero-Hydrocölblase, aus welcher sich Darm, Hydrocöl und Parietalcanal bilden. cd Centrodorsalplatte, aus den verschmolzenen Subbasalien entstanden. cg Cölomgang; embryonaler Verbindungsgang zwischen rechtem und linkem Célomsackchen. cl linker, später oraler Cölomsack, entstanden durch Theilung der cr rechter, später aboraler Cölomblase. c,d dorsale Ausstülpung des Mesentero-Hydrocöls, die zum Darme c;v ventrale { werden. d Darmanlage, Mesenteron. ec Ectoderm. f Festheftungsgrube. fp Fussplatte, terminale Kalkplatte des Stieles. g Gekammertes Organ; mit g,, Js, 93, 9a; 9, Sind die fünf Röhren des- selben, die als Ausstülpungen des rechten Cöloms entstehen, be- zeichnet. g, ist das ventral aus dem linken Divertikel sich bildende, g, das ventrale, rechts vom Verticalmesenterium ausgestülpte. gf Faserstränge im Stiele, Fortsetzungen des gekammerten Organes, gz Ganglienzellen. 428 OSWALD SEELIGER, h Hydrocölanlage. h,—h, Die fünf primären Ausstülpungen am Hydrocöl und die fünf Wurzeln der 15 ersten Tentakel. hd Hinterer Darmabschnitt, an den Magen sich anschliessend. hr Hydrocülring. ht Hydrocöl in den 15 Tentakeln der normalen Larve und Tentakel- hydrocöl der abnormalen. ht, Hydrocöl der 10 interradialen Tentakel. ks Kalktafeln und Kalkglieder des Stieles, Stielglieder. L primäre Leibeshöhle, aus der Furchungshöhle entstanden. Im Längsmuskelfibrillen des Tentakelhydrocüls. m Magen. mb Membran unterhalb des Centralnervensystems des Embryos und der . freischwimmenden Larve. ml Mundlappen, durch die Oralia gestützt. ms Mesenchymzellen. mt Mesenterium zwischen rechtem und linkem (resp. aboralem und oralem) Cülom. mtr Muskeltrabekel des Hydrocöls. mv Verticalmesenterium des rechten (aboralen) Cöloms. mv, Verticalmesenterium des linken (oralen) Cöloms. n Ringnerv der gestielten Larve. nf Nervenfaserplatte unter der Scheitelgrube des Embryos und der frei- schwimmenden Larve und die beiden Längsnerven derselben. nf, Nervenfibrillen des Ringnervs der gestielten Larve und die von ihm ausgehenden Nervenfasern. 0 Oralia, mit 0,, 0g, 03, 04, 0, bezeichnet, entsprechend den Interradial- räumen, in welchen sie liegen. oe Oesophagus. p Porus. pk Parietalcanal — Bury’s „anterior body cavity“ — Barroıs’ „canal du sable“. pp Papillen der Tentakel. rf Ringmuskelfibrillen des Hydrocölringes, einen Sphincter bildend. s Scheitelgrube. sb Subbasalia. sc Sacculi, mit sc, —sc, bezeichnet, entsprechend ihrer radialen Lagerung. sh Epithelhülle der Sacculi. sk Stielkalkplatten. st Steincanal. sz Innenzellen des Sacculus, in älteren Stadien zu Ballen angeordnet. t Die 15 ersten Tentakel. t, Die 10 kleineren, interradialen Tentakel. tr Trabekel in der enterocölen Leibeshöhle. v Vestibulareinstülpung und Vestibulum. w Wimperbogen des Embryos und der freischwimmenden Larve, mit W,—w,, bezeichnet; w, stellt den vordersten, w, den hintersten dar. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 429 Sämmtliche Abbildungen wurden mit der Assr’schen Camera ent- worfen. Die Distanz des Zeichentisches vom Spiegel betrug 20 cm. Der animale Pol, der dem Vorderende entspricht, erscheint überall nach oben gekehrt, der vegetative oder das Hinterende nach unten. Die Altersangaben für die Embryoneu (Tafel 12—15) sind vom Beginn des Furchungsprocesses (8 Uhr Morgens) an gerechnet; für freischwimmende und festgesetzte Larven (Tafel 16—22) ist der Augenblick des Aus- schlüpfens aus der Membran als Ausgangspunkt angenommen. Die den Embryo umschliessende Membran ist überall weggelassen worden. Tafel 12. Sämmtliche Abbildungen sind nach Totalpräparaten bei 145-facher Vergrösserung (Zeiss, Obj. ©, Oc. 2) gezeichnet worden und stellen den Furchungsprocess dar. Wo nicht anders angegeben ist, wurde in Sub- limat-Essigsäure conservirt. Fig. 1. Beginn der Eifurchung. Picrocarmin. Fig. 2. Die beiden ersten Furchungszellen. 15 Minutenalt. Picrocarmin. Fig. 3. Das vierzellige Stadium vom animalen Pol aus gesehen. 3 Stunden alt. Picrocarmin. Fig. 4. Dasselbe seitlich gesehen. Fig. 4A. Dreizelliges Stadium im abnormalen Furchungsprocess. 3 Stunden alt. Boraxcarmin. Fig. 4B. Vierzelliges Stadium, abnormal gefurcht in seitlicher Ansicht. 3 Stunden alt. Boraxcarmin. Fig. 5. Stadium von 8 Zellen vom animalen Pol aus gesehen. 3 Stunden 5 Minuten alt. Boraxcarmin. Fig. 6. Dasselbe in seitlicher Ansicht. Fig. 7. Stadium von 12 Zellen vom animalen Pol aus gesehen. Die vier kleineren, animalen sind durch Meridionalfurchen in 8 zerfallen. Die Theilung einer Zelle ist etwas zurückgeblieben. 3%), Stunden alt. Alauncarmin. Fig. 8. Dasselbe Stadium seitlich gesehen. Fig. 9. Ein sechzehnzelliges Stadium vom animalen Pol aus gesehen. 4!/, Stunden alt. Alauncarmin. Fig. 10. Dasselbe Stadium seitlich gesehen. Fig. 11. Ein Stadium von 24 Zellen. Die 8 animalen sind durch eine Aequatorialfurche in 16 zerfallen. 4 Stunden 35 Minuten alt. Alauncarmin. Fig. 12. Seitenansicht desselben Stadiums. Fig. 13. Stadium von 26 Zellen vom animalen Pol aus gesehen. Die 16 animalen Zellen haben sich verschoben und die Furchungshöhle oben verschlossen. Zwei der 8 vegetativen Zellen haben sich bereits getheilt. Durch Pfeile sind die Zellen mit einander verbunden worden, welche bei den letzten Theilungen sich gesondert haben. 4 Stunden 35 Minuten alt. Alauncarmin. Fig. 14. Stadium von 32 Zellen vom vegetativen Pol aus ge- sehen, an welchem die Furchungshöhle noch unverschlossen ist. Gleiches Alter wie das vorhergehende Stadium. Alauncarmin. 430 OSWALD SEELIGER, Fig. 15. Dasselbe Stadium, seitlich betrachtet. Fig. 16. Blastula von 48 Zellen (16 vegetative, 32 animale) in seitlicher Ansicht. 6 Stunden 10 Minuten alt. Boraxcarmin. Fig. 17. Blastula von 64 Zellen seitlich gesehen. Gleiches Alter wie vorhergehendes Stadium. Fig. 18. Blastula aus ungefähr 128 Zellen bestehend in Seitenan- sicht. 6%/, Stunden alt. Picrin-Schwefel-Chromsäure, Boraxcarmin. Tafel 13. Sämmtliche Abbildungen sind, insofern nichts anderes ange- geben ist, bei 145-facher Vergrösserung (Zeiss Obj. C, Oc. 2) gezeichnet worden. Fig. 19. Längsschnitt durch ein Stadium, auf welchem die Gastru- lation beginnt; es sind im Ganzen erst zwei Zellen der Blastula einge- stülpt. 7 Stunden alt. Picrin-Schwefel-Chromsäure, Picrocarmin. Fig. 20. Längsschnitt durch ein etwas vorgerückteres Stadium ; die Blastoporusränder erscheinen dicht aneinandergepresst. 7 Stunden 5 Minuten alt. Picrin-Schwefel-Chromsäure, Picrocarmin. Fig. 21 u. 22. Zwei Längsschnitte durch ein weiter vorgeschrittenes Stadium der Invaginationsgastrula. 7 Stunden 40 Minuten alt. Picrin- Schwefel-Chromsäure. Picrocarmin. Fig. 23. Längsschnitt durch eine entwickeltere Gastrula. 10 Stunden alt. Sublimat, Boraxcarmin. Fig. 24. Längsschnitt durch die Region der Einstülpung eines ähn- lichen Stadiums. 10 Stunden 10 Minuten alt. Sublimat-Essigsäure, Boraxcarmin. Fig. 25. Ein ähnliches, 13 Stunden altes Stadium von der Blasto- porusseite aus gesehen. Sublimat-Essigsäure. Fig. 26. Optischer Längsschnitt durch ein 16-stündiges Gastrula- stadium. Sublimat-Essigsäure. Fig. 27. Dasselbe Stadium von der Blastoporusseite aus gesehen. Fig. 28. Medianer Längsschnitt durch eine 16-stündige Gastrula. Sublimat, Hämatoxylin. Fig. 29. Ectodermzellen aus einer 13-stündigen Gastrula. Subli- mat, Boraxcarmin. 540/1. Fig. 30. Stück eines Flächenschnittes durch das Ectoderm desselben Stadiums. 540/1. Fig. 31. Entodermzellen desselben Stadiums. 540/1. Fig. 32. Mesodermzellen, die den Entodermzellen noch dicht an- liegen und noch nicht aus deren Epithelverband vollständig ausgetreten sind; aus demselben Stadium. 540/1. Fig. 33. Optischer Längsschnitt durch eine 19-stündige Gastrula. Sublimat-Essigsäure. Fig. 34. Dasselbe Stadium von der Blastoporusseite aus gesehen. Fig. 35. Querschnitt durch die Mitte eines gleich alten Stadiums, in welchem das Darmlumen nur unbedeutend zusammengedrückt er- scheint. Sublimat, Hämatoxylin. Studien zur Entwieklungsgeschichte der Crinoiden. 431 Tafel 4 Wo nicht anders angegeben ist, wurden die Abbildungen bei 175- facher Vergrösserung (Zeiss Obj. D, Oc. 1) entworfen. Fig. 36. Längsschnitt durch einen 23'/, Stunden alten Embryo. Sublimat, Hämatoxylin. Fig. 37. Querschnitt durch die Mitte eines gleich alten Stadiums. Sublimat, Hämatoxylin. Fig. 38. Ein 26-stündiger Embryo von der Blastoporusseite aus gesehen. Sublimat-Essigsäure. 145/1. Fig. 39. Medianer Längsschnitt durch einen gleich alten Embryo. Sublimat-Essigsäure, Hämatoxylin. Fig. 40. Lateraler Längsschnitt durch ein gleich altes Stadium. Sublimat-Essigsäure, Hämatoxylin. | Fig. 41. Ectodermzellen eines gleich alten Embryos. Sublimat, Hämatoxylin. 540/1. Fig. 42. Eine Gruppe Entodermzellen mit einer Anzahl von den- selben gebildeter Mesenchymzellen aus demselben Stadium. Sublimat, Hämatoxylin. 540/1. Fig. 43 A. Mesenchymzellen desselben Embryos. 540/1. Fig. 43 B. Eine Mesenchymzelle aus einem 28 Stunden alten Em- bryo. Sublimat, Hämatoxylin. 540/1. Fig. 44. Abnormales Stadium, in welchem zwei Gastrulaeinstül- pungen gebildet erscheinen, an deren blinden Enden Mesenchymzellen aus- getreten sind. Das Stadium wurde zwischen normal entwickelten 7!},- stündigen Embryonen gefunden. Picrin-Schwefel-Chromsäure, Borax- carmin. 145/1. Fig. 45. Medianer Längsschnitt durch einen 331}, Stunden alten Embryo. Der Urdarm ist fast vollständig abgeschnürt, und nur auf einem Schnitt ist der Zusammenhang der beiden primären Keimblätter noch nachweisbar. An der Stelle des Blastoporus liegt im Ectoderm eine lang gestreckte Rinne. Sublimat, Hämatoxylin. Fig. 46. Medianer Längsschnitt durch einen 321/,-stündigen Em- bryo, in welchem der Urdarm sich vollständig abgetrennt und der Blastoporus sich geschlossen hat. Sublimat, Hämatoxylin. Fig. 47. Lateraler Längsschnitt durch einen 48 Stunden alten Embryo, dessen Urdarm in zwei Abschnitte sich theilt. Sublimat, Hä- matoxylin. Fig. 48. Der Hinterabschnitt aus einem medianen Längsschnitt durch einen 50 Stunden alten Embryo. Sublimat, Boraxcarmin. Fig. 49A u. B. Ectodermzellen aus zwei 50 Stunden alten Em- bryonen. Sublimat, Boraxcarmin. 540/1. Fig. 50. Mesoblastzellen desselben Embryos aus der Peritoneal- blase. 540/1. Fig. 51. Entodermzellen aus dem vordern Säckchen desselben Em- bryos. 5401. Fig. 52. Mesenchymzellen aus demselben Thier. 540/1. 432 OSWALD SEELIGER, Tafel 15. Sämmtliche Schnitte wurden mit Hämatoxylin gefärbt; Fig. 61—64 entstammen ungefärbten Präparaten. Die angewendete Vergrösserung betrug mit Ausnahme der besonders angegebenen Fälle 175/1. Fig. 53. Combinirtes Bild aus zwei Querschnitten durch einen 58 Stunden alten Embryo. In dem nahe dem vegetativen Pol geführten Schnitt erscheint das hintere Cölomsäckchen seiner ganzen Breite nach durchschnitten, ventral und dorsal davon liegen die nach hinten ge- richteten Fortsätze des vordern Entodermsäckchens; in diesen Schnitt sind die histologischen Details eingezeichnet. Durch einen scharfen Contour ist das Entodermsäckchen und der rechtsseitige, nach vorn ge- richtete Fortsatz des Cölombläschens gekennzeichnet. Sublimat. Fig. 54. Lateraler Längsschnitt durch einen 571}, Stunden alten Embryo, der sich durch besondere Grösse und Längsstreckung in der Hauptaxe auszeichnet. Sublimat-Essigsäure. Fig. 55. Ein weiter ventral gelegener Schnitt derselben Serie, von dem vorhergehenden durch einen Zwischenschnitt getrennt. Nur das Hinterende ist gezeichnet. Fig. 56. Medianer Längsschnitt durch einen gleich alten, aber noch : fast kugelförmigen Embryo; durch einen starken Contour ist der Umfang des linken Cölombläschens angedeutet. Sublimat-Essigsäure. Fig. 57. Medianer Längsschnitt durch einen 75 Stunden alten Embryo, in welchem Cülomsäcke, Darm und Wassergefässanlage voll- ständig von einander getrennt sind. Der Umfang des rechten Cöloms ist durch einen starken, der des linken durch einen punktirten Contour angedeutet. Sublimat-Essigsäure. Fig. 58. Lateraler Längsschnitt durch den Hinterabschnitt eines gleich alten Embryos; der Schnitt ist nahe der Hauptaxe geführt. Sublimat-Essigsäure. Fig. 59. Querschnitt durch einen gleich alten Embryo vom hintern Körperende aus gesehen. Sublimat-Essigsäure. Fig. 60. Lateraler Längsschnitt durch die Scheitelgrube eines gleich alten Embryos. Anlage des larvalen Nervensystems. Nerven- fasern und Ganglienzellen sind durch eine Membran von der primären Leibeshöhle und den Mesenchymzellen getrennt. Sublimat-Essigsäure. 540 1. Fig. 61. Ein Embryo von 81 Stunden von der Bauchseite aus gesehen. Die fünf Wimperkränze sind hell gehalten. Picrin-Schwefel- Chromsäure. 145/1. Fig. 62. Ein 100 Stunden alter Embryo mit Kalkskelet in seit- licher Ansicht. Alcohol absolut. 145/1. Fig. 63. Die verschiedenen Kalkstücke gleich alter Embryonen. 35511. A das zweite linke Orale; B das zweite linke Basale; C ein Subbasale; D, E, F das erste, zweite und vierte Kalkstück des spätern Stieles aus einer Schnittserie; G Fussplatte oder Ter- minalplatte des Stieles. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 433 Fig. 64. Schnitt durch die Anlage des rechten ventralen Sub- basale zwischen den Mesenchymzellen eines 100-stündigen Embryos. Alcohol absol. 76071. wake biG: Sämmtliche Schnitte wurden auf dem Objectträger mit Hämatoxylin nachgefärbt; die Larven waren in toto mit Boraxcarmin oder Picro- carmin behandelt worden. Vergrösserung 175/1, wo nicht ein anderes Maass angegeben ist. Fig. 65. Eine freischwimmende Larve 28 Stunden nach dem Aus- schwärmen, von der Bauchseite gesehen. Alcohol absol. 95/1. Fig. 66. Eine 52 Stunden alte freischwimmende Larve, von der linken Seite gesehen. Alcohol absol. 95/1. Fig. 67. Eine 28-stündige Larve, von rechts gesehen. Alcohol absol. 145/1. Fig. 68. Lateraler, durch die Hauptaxe geführter Längsschnitt einer eben ausgeschlüpften Larve. Sublimat. Fig. 69. Schnitt durch die Wassergefässanlage aus der nämlichen Serie, zwei Schnitte weiter ventral zu; gleiche Orientirung wie in der vorhergehenden Figur. Fig. 70. In gleicher Richtung geführter Schnitt durch eine etwas weiter entwickelte Wassergefässanlage und das ventrale Ende des linken Céloms. Sublimat. Fig. 71. Querschnitt durch eine eben ausgeschlüpfte Larve in der Höhe des Hinterendes des vierten Wimperbogens. Sublimat. Fig. 72—74. Aus einer Querschnittsserie (von hinten nach vorn zu geschnitten) durch eine eben ausgeschlüpfte Larve. Sublimat. Fig. 72. Schnitt vor dem vierten Wimberbogen, dicht über dem Porus. Fig. 73. Zwei Schnitte weiter nach vorn zu. Fig. 74. EIf weitere Schnitte nach vorn zu; nahe dem zweiten Wimberbogen gelegener Schnitt. Fig. 75. Querschnitt durch die dorsale Region des vierten Wimper- bogens einer eben frei gewordenen Larve. Sublimat. 540/1. Fig. 76. Schnitt durch den zweiten Wimperbogen einer gleich alten Larve. Sublimat. 540/1. Fig. 77. Zellengruppe aus einem medianen Längsschnitt durch die hintere Region der Vestibulareinstülpung desselben Individuums, dem Fig. 75 entstammt. 540/1. Fig. 78. Ectodermzellen aus einem lateralen Längsschnitt durch eine eben ausgeschlüpfte Larve; aus der Rückenregion zwischen dem 3. und 4. Wimperbogen stammend. Sublimat. 540/1. Fig. 79. Etwas schräg geführter Querschnitt durch die Porusstelle. Sublimat. 270/1. Fig. 80. Mesenchymzellen einer eben frei gewordenen Larve. Sublimat 540/1. Zool. Jahrb, VI. Abth, f. Morph, 28 434 OSWALD SEELIGER, Fig. 81. Lateraler Längsschnitt durch die fünf Primärausstül- pungen des Hydrocöls einer 52 Stunden alten Larve, von der Bauch- seite gesehen; dieselbe Orientirung wie Fig. 68—70. Mit * ist die Stelle bezeichnet, an welcher in den nachfolgenden, mehr dorsal ge- führten Schnitten die hufeisenförmige Wassergefässanlage noch nicht geschlossen ist. Sublimat. Fig. 82. Das äussere Ende des Parietalcanals und die Porusregion aus demselben Schnitte. 270,1. Fig. 83. Stück der ectodermalen Leibeswand einer 60-stündigen freischwimmenden Larve, das der rechten Körperseite zwischen dem 2. und 3. Wimperbogen entnommen ist. Sublimat. 355/1. Fig. 84. Isolirte Mesenchymzellen aus einer 28-stündigen Larve. Sublimat. 760/1. Tafel 17. Sammtliche Abbildungen beziehen sich auf freischwimmende Larven, die in gleicher Weise behandelt worden waren wie die auf Taf. 16 ge- zeichneten. Vergrösserung 1751. Fig. 85. Medianer Längsschnitt durch eine 28 Stunden alte Larve, die im Begriff war, sich festzuheften. Sublimat. Fig. 86. In ähnlicher Richtung geführter Schnitt durch eine gleich alte Larve; nur die Eingeweide sind eingezeichnet worden. Sublimat. Fig. 87. Zwei Aeste des gekammerten Organs und ihr Austritt aus dem rechten Cülom. Aus einem lateralen Längsschnitt durch eine 52 Stunden alte freischwimmende Larve. Sublimat. 230/1. Fig. 88. Lateraler, der Hauptaxe nahe geführter Längsschnitt durch das Hinterende derselben Larve. Fig. 89. Das Vorderende der Larve (Region der Scheitelgrube) aus demselben Längsschnitt. 355/1. Fig. 90. Sinneszellen und indifferente Stützzellen der Scheitel- grube und subepitheliale Ganglienzellen isolirt; aus einer 28 Stunden alten Larve. Sublimat. 760/1. Fig. 91. Stück aus einem lateralen Längsschnitt derselben 52- stündigen Larve, welcher Fig. 87 u. folg. entstammen. Die Abbildung zeigt den Durchschnitt durch den dritten Wimperbogen auf der linken Seite und die benachbarten Mesenchymzellen. Sublimat. 570/1. Fig. 92. Querschnitt durch das Hinterende einer 52-stündigen Larve, die der in Fig. 66 abgebildeten ähnlich war. Der Schnitt geht durch den vierten Wimperbogen. Sublimat. Fig. 93. Querschnitt durch das Vorderende einer gleich alten Larve, dicht hinter dem zweiten Wimperbogen geführt. Sublimat. Fig. 94. Medianer Längsschnitt durch die Eingeweide derselben Larve, welcher Fig. 85 entnommen ist. Vier Schnitte weiter nach links zu. Fig. 95. Das Vorderende der Eingeweide aus derselben Schnitt- serie; fünf weitere Schnitte nach links zu. Studien zur Entwieklungsgeschichte der Crinoiden. 435 Fig. 96. Zwei durch einen Zwischenschnitt getrennte Querschnitte durch das gekammerte Organ einer 52-stündigen Larve. In B sind die Mündungen zweier Aeste in die rechte Cölomhöhle getroffen. Sublimat. 57011. Fig. 97. Querschnitt durch die in vollständiger Abschnürung be- griffene Vestibulareinstülpung einer Larve von 52 Stunden. Sublimat. Fig. 98A. Medianer Längsschnitt durch eine 28-stündige Larve; sekammertes Organ und Dorsalregion zwischen dem zweiten und dritten Wimperbogen. Sublimat. 270/1. Fig. 98B. Vier isolirte Mesenchymzellen, die zwischen den Kalk- platten des Stieles gelegen sind. 570/1. Datel 18. Fig. 99—101. Querschnitte durch abnormale 60 Stunden alte Larven. Sublimat-Essigsäure, Boraxcarmin. 230/1. Fig. 99. Querschnitt in der Höhe des vierten Wimperbogens einer freischwimmenden Larve, welche abnormer Weise ven- trale Tentakeln zu bilden beginnt. Fig. 100. Querschnitt durch eine Larve, welche die Wimper- bogen bereits verloren hat. Fig. 101. Querschnitt durch die Ventralregion derselben Larve; 5 Schnitte weiter nach vorn. Fig. 102. Junge festsitzende Larve von 48 Stunden, in welcher das Vestibulum vollständig abgeschnürt, Kelch und Stiel noch nicht scharf abgesetzt erscheinen, von links gesehen. Das Kalkskelet ist ein- gezeichnet und seine Lagebeziehungen zu den Weichtheilen ersichtlich. Alcohol absolut. 145/1. Fig. 103. Die 4 Subbasalia und die hintersten Stielstücke derselben Larve vom Rücken gesehen. 355/1. Fig. 104. Das rechte Subbasale derselben Larve von innen ge- sehen. 355/1. | Fig. 105. Kalkplatte des Stieles, ungefähr aus der Mitte der Reihe, einer noch freischwimmenden 48-stündigen Larve. Aus einer Quer- schnittsserie. Alcoh. absolut. 355/1. Fig. 106. -Stielplatte aus dem oralen Stieltheile einer 140-stündigen Larve, welche aber nur wenig entwickelter war als die in Fig. 109 ab- gebildete. Die Insertionsstellen der senkrecht sich erhebenden Kalk- zapfen sind eingezeichnet worden. Aus einer Querschnittsserie. Alcoh. absol. 355/1. Fig. 107A. Mittleres Subbasale vom Rücken gesehen, aus einer festgesetzten 48-stündigen Larve, die der in Fig. 102 abgebildeten ähn- lich ist, aber nur 3 Subbasalia entwickelt zeigt. Alcoh. absol. 355/1. Fig. 107B. Linkes Subbasale desselben Thieres, von der innern Seite aus gesehen. 355/1. Fig. 108. Kalkgerüst einer 48-stündigen Larve von der rechten Seite gesehen. Abnormaler Weise sind 6 Basalia ausgebildet; zwei davon liegen in demselben Interradialraum. Alcoh, absol. 70/1. 28* 436 OSWALD SEELIGER, Fig. 109A. Dieselbe Larve, von der linken Seite gesehen. 120/1. Fig. 109B. Längsschnitt durch die auf einer Ulve ruhende An- heftungsstelle einer gleich alten Larve. Alcoh. absol. 405/1. Fig. 110. Eine 84-stündige gestielte Larve nach Auflösung der Kalkplatten, von der rechten Seite gesehen. Das Vestibulum ist noch geschlossen, jedoch sind bereits 25 Tentakelanlagen vorhanden. Larven- länge: 0,92 mm. Alcoh. absol., Boraxcarmin. 120/1. Fig. 111. Stielplatte aus dem oralen Stieltheile einer 110-stündigen Larve, die der in Fig. 159, Taf. 21 abgebildeten ähnlich war. Der Um- fang des Gesammtstiels ist im äussern Contur angegeben. Aus einer Querschnittsserie. Alcoh. absol. 355/1. Fig. 112. Orale einer 48-stiindigen Larve, die der in Fig. 109 A abgebildeten ähnlich ist. 230/1. Fig. 113. Im gleichen Interradius gelegenes Basale derselben Larve. 230/1. Tafel 19. Wo nichts anderes angegeben ist, wurde in Sublimat conservirt, mit Hämatoxylin gefärbt und bei 175-facher Vergrösserung (Zeiss, Obj. D, Oc. I) gezeichnet. Fig. 114. Medianer Längsschnitt durch eine 28-stündige, eben fest- gesetzte Larve. Bei der Abtrennung von der Unterlage ist die Fest- heftungsstelle zerstört worden. 22. Schnitt von rechts aus einer 42 Schnitte zählenden Serie. Fig. 115. Querschnitt durch die Mitte einer 12stündigen Larve, die aber beträchtlich entwickelter war als die in Fig. 114 abgebildete und nahezu Fig. 102, Taf. 18, glich; 27. Schnitt vom hintern Ende aus, die ganze Serie umfasste 50. In der Abbildung ist die ent- sprechende Stelle mit « kenntlich gemacht, an welcher im 19. Schnitt der Serie der Porus zu sehen ist. Sublimat-Essigsäure. Fig. 116. Der 31. Schnitt derselben Serie. Fig. 117. Schnitt durch das Vorderende der rechten Cölomtasche einer gleich alten Larve. Fig. 118. Medianer Längsschnitt durch den Darm einer 28-stün- digen, eben festgesetzten Larve (ähnlich Fig. 114). In das Darmlumen sind ungefähr 20 Zellen eingewandert. 270/1. Fig. 119. Aus einem lateralen Längsschnitt durch eine gleich alte Larve. Fig. 120. Querschnitt durch die vordere Darmregion einer 52-stün- digen Larve, welche etwas weiter entwickelt ist als die in Fig. 102 abgebildete. 24. Schnitt vom Hinterende aus einer 56 Schnitte zählen- den Serie. Mit * ist die Stelle bezeichnet, an welcher im 13. Schnitt der Porus liegt. Fig. 121. Stück der äussern rechten Cölomwand aus einem Quer- schnitt durch eine festgesetzte, 12-stündige Larve, die Fig. 102 ähnlich war. Sublimat-Essigsäure. 405/1. Fig. 122, Querschnitt durch die Leibeswand einer 52-stündigen Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 437 Larve, die ungefähr Fig. 109 glich. Die Uebergangsstelle von Stiel und Kelch ist durchschnitten. 405/1. Fig. 123. Querschnitt durch dieselbe Region einer 12-stündigen Larve. Sublimat-Essigsäure. 570/1. Fig. 124. Medianer Längsschnitt durch eine 52-stündige Larve, die etwas entwickelter ist als die in Fig. 102 abgebildete. 17. Schnitt von rechts aus, die ganze Serie umfasste 42 Schnitte. Fig. 125. Der 25. Schnitt derselben Serie. Fig. 126. Der 34. Schnitt; nur Darm, Hydrocöl und Cölom sind eingezeichnet. Fig. 127. Querschnitt durch die Mitte der Darmregion eines weiter entwickelten, 60-stündigen Embryos. 26. Schnitt vom Hinterende aus. Sublimat-Essigsäure. Fig. 128. Flächenschnitt durch den Porus einer 52-stündigen, gleich weit entwickelten Larve. 405/1. Fig. 129. Aus einem nahe der Medianebene geführten Längsschnitt durch eine 52-stündige Larve. Boraxcarmin. Fig. 130. Medianer Längsschnitt durch das Hinterende einer 60-stündigen Larve. Sublimat-Essigsäure, Boraxcarmin. 230/1. Fig. 131. Querschnitt durch die ventrale Darmwand und das be- nachbarte aborale Cölom einer 52-stündigen Larve. Anlage des Axial- organs im Verticalmesenterium. 405/1. Fig. 132. Lateraler Längsschnitt durch die Region eines Sacculus einer 52-stündigen Larve, in welcher bereits 15 Tentakel angelegt sind. Boraxcarmin. 405/1. Fig. 133. Aus dem nachfolgenden Schnitte derselben Serie. 405/1. Fig. 134. Längsschnitt durch die Region des Steincanals und Parietalcanals einer 52-stündigen, gleich weit entwickelten Larve. Boraxcarmin. 405/1. Tafel 20. Fig. 135. Querschnitt durch die Vestibularregion einer 52-stündigen Larve, die 15 Tentakel besitzt. 16. Schnitt der Serie vom Hinterende aus. Sublimat, Hämatoxylin. 175/1. Fig. 136. Die Tentakelgruppe des Radius IV aus dem folgenden Schnitt der Serie. 175/1. Fig. 137. Der 24. Schnitt derselben Serie. Mit * ist die Stelle bezeichnet, von welcher der Steincanal ausgeht, und an welcher der Hydrocélring noch nicht geschlossen ist. 175/1. Fig. 138. Lateraler, ungefähr parallel zum Radius II geführter Längsschnitt durch eine 84-stündige Larve, die der in Fig. 110 abge- bildeten ähnlich ist. 10. Schnitt vom Rücken aus. Sublimat-Essigsäure, Boraxcarmin. 175/1. | Fig. 139. Der 12. Schnitt derselben Serie. 175/1. Fig. 140. Ein Stück des Vestibulardaches aus demselben Schnitt. 405/1. : Fig. 141, Aus einem nahe der Hauptaxe, etwas ventral von dieser 438 OSWALD SEELIGER, geführten lateralen Längsschnitt durch eine gleich alte und ähnliche Larve. Sublimat-Essigsäure, Boraxcarmin. 175/1. Fig. 142. Aus einem schräg geführten lateralen Längsschnitt durch eine gleiche Larve. Sublimat-Essigsäure, Boraxcarmin. 175/1. Fig. 143. Querschnitt durch eine primäre Hydrocölausstülpung an der Basis einer dreigetheilten Tentakelgruppe mit anliegendem Sacculus. Aus einer Larve von 60 Stunden. Sublimat, Boraxcarmin. 270/1. Fig. 144. Querschnitt durch die Tentakelregion einer entwickelteren 108-stündigen Larve, in welcher das Vestibulum nahe daran ist, nach aussen durchzubrechen. 16. Schnitt vom Hinterende aus. Mit * ist die Stelle bezeichnet, an welcher im 21. Schnitt der Porus liegt, Weitere Schnitte durch dieselbe Larve sind in halbschematischer Weise in den dem Text eingefügten Holzschnitten, Fig. E—H, abgebildet. Sublimat, Boraxcarmin. 175/1. Fig. 145. Querschnitt durch die Region des Parietalcanals einer 84-stündigen Larve, welche nicht ganz so weit entwickelt ist wie die in Fig. 110 abgebildete. 19. Schnitt vom Hinterende aus. Sublimat- Essigsäure, Boraxcarmin. 270/1. Fig. 146. Etwas schräg geführter Querschnitt durch dieselbe Re- gion einer etwas weiter entwickelten 84-stündigen Larve. 27. Schnitt vom Hinterende. Sublimat, Boraxcarmin. 405/1. Fig. 147. Schnitt durch den Parietalcanal. Aus dem 33. Schnitt derselben Serie, welcher Fig. 144 entnommen ist. 405/1. Fig. 148. Der Parietalcanal aus dem 31. Schnitt derselben Serie. 405/1. han 149. Einmündungsstelle des Steincanales in den Parietalcanal. Aus einem Querschnitt durch eine gleich alte Larve. Sublimat, Borax- carmin. 405/1. Fig. 150. Aus einem nur wenig schräg geführten lateralen Längs- schnitt durch eine 84-stiindige Larve. Der Schnitt ist nahe der Bauchfläche geführt und trifft die Einmündung des Steincanals in den Parietalcanal. Sublimat-Essigsäure, Boraxcarmin. 270/1. Fig. 151. Querschnitt durch die Anlage des Axialorgans; Bildung eines Cölomtrabekels.. Aus dem 34. Schnitt der Serie, welcher Fig. 144, 147, 148 entnommen sind. 570/1. Fig. 152, 153. Zwei auf einander folgende Schnitte durch das Axial- organ. Aus dem 31. und 32. Schnitt der Serie, welcher Fig. 146 ent- stammt. 70/1. Fig. 154A. Querschnitt durch die Mitte des Stieles einer 108- stündigen Larve. 54. Schnitt derselben Serie, welcher Fig. 144 ent- nommen ist. 175/1. Fig. 154B. Der centrale Theil aus demselben Schnitt. 405/1. Fig. 155. Querschnitt durch die beiden noch unverbundenen Enden des Hydrocülringes einer 108-stündigen Larve. Die Stelle des Ursprunges des Steincanals ist mit * bezeichnet. Sublimat, Boraxcarmin. 570/1. Fig. 156A. Querschnitt durch die Porusregion derselben Larve, welcher Fig. 146 entstammt. 24. Schnitt der Serie, 405/1. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 439 Fig. 156B. Ein Stück der innern Hydrocölwand aus demselben Schnitt, stärker vergrössert. 5701. Fig. 157. Querschnitt durch den noch nicht vollkommen geschlos- senen Hydrocölring einer gleich weit entwickelten 84-stündigen Larve. Sublimat-Essigsäure, Boraxcarmin. 570,1 Fig. 158. Schnitt durch Hydrocöl und Sacculus aus einem Längs- schnitt durch eine ähnliche 84-stündige Larve. Sublimat-Essigsäure, Boraxcarmin. 570,1. Tafel 21. Fig. 159. Kelch und oberer Stielabschnitt einer festgesetzten Larve vom 5. Tage, unmittelbar nach Durchbruch des Vestibulums. Alcoh. absol. 120/1. Fig. 160. Kelch einer 5-wöchentlichen, entkalkten Larve in glocken- förmigem Contractionszustand mit ausgestreckten Tentakeln. Der Inter- radialraum I—V ist dem Beschauer zugekehrt. Alkoh. absol., Borax- carmin. 120/1. Fig. 161. Kelch einer gleich alten, durch besonders kurze Tenta- kel ausgezeichneten Larve im scheibenförmigen Zustand, von der Aboralseite aus gesehen, um die Lagebeziehungen von After, Steincanal und Porus zu zeigen. Picrin-Schwefel-Chromsäure, Boraxcarmin. 70/1. Fig. 162. Der Darmcanal einer ähnlichen Larve, von der Seite des Radius III gesehen. Alcoh. absol., Boraxcarmin. 120/1. Fig. 163. Querschnitt durch die Nervenringanlage einer Larve der 4. Woche. Alcoh. absol., Boraxcarmin. 760/1. Fig. 164. Ein anderer Schnitt derselben Serie. 760/1. Fig. 165. Aus einem Längsschnitt durch eine 5-wöchentliche Larve. Sublimat, Picrocarmin. 230/1. Fig. 166. Zwei hinter einander liegende Muskelfibrillen mit ihren Kernen aus der äussern Basalwand des Tentakelhydrocüls. Aus der- selben Schnittserie, 760/1. Fig. 167. Querschnitt durch den Ringnerven derselben Larve. 760/1. Fig. 168A. Ein anderer Schnitt durch dieselbe Region, von dem vorhergehenden durch einen Zwischenschnitt getrennt. 760/1. Fig. 168B. Aus dem folgenden Schnitt derselben Serie. Nur Ectodermepithel und Nervensystem sind eingezeichnet worden. 760/1. Fig. 169. Längsschnitt durch einen Mundlappen derselben Larve. 54011. Fig. 170. Querschnitt durch die Leibeswand einer 5-wöchentlichen Larve in der Region des oralen Cöloms. Sublimat, Boraxcarmin. 405/1. Fig. 171. Querschnitt durch den entkalkten Stiel einer gleich alten Larve. Der Schnitt ist unfern dem Kelche geführt. Sublimat, Picro- carmin. 405/1. Fig. 172A. Etwas dickerer Querschnitt durch die Basis eines Radiärtentakels an der Einmündungsstelle in den Ringcanal, dessen Ringfibrillen bereits zu sehen sind. 5-wöchentliche Larve.. Sublimat, Picrocarmin. 760/1. 440 OSWALD SEELIGER, Fig. 172B. Schnitte durch Muskeltrabekel aus dem Hydrocölringe einer gleich alten Larve. Alcoh. absol., Boraxcarmin. 760/1. a) Vier Querschnitte durch Trabekel. b) Trabekel mit mittelständigem Kern, von der Seite gesehen. c) Zwei bandförmige Trabekel, von der Fläche gesehen. Fig. 173. Querschnitt durch denselben Tentakel wie Fig. 172 A; 3 Schnitte weiter nach dem distalen Ende zu. 760/1. Fig. 174. Längsschnitt durch eine 5-wöchentliche Larve. Die Schnittebene steht nahezu senkrecht auf Radius III und geht durch die Hauptaxe. Alcohol absol., Boraxcarmin. 145/1. Tafel 22. Fig. 175. Aus derselben Serie wie Fig. 174, 5 Schnitte vorher; die Tentakel sind nicht eingezeichnet. 145/1. Fig. 176. Schnitt durch die Verbindungsfalte zwischen zwei Inter- radialtentakeln. Aus einem Längsschnitte durch eine 4-wöchentliche Larve. Picrin-Schwefel-Chromsäure, Boraxcarmin. 540/1. Fig. 177. Aus einem Längsschnitt durch einen Radialtentakel einer Larve von 11 Tagen. Sublimat, Hämatoxylin. 540/1. Fig. 178. Längsschnitt durch eine Tentakelpapille aus dem Basal- ende eines Radiärtentakels einer 5-wöchentlichen Larve. Sublimat, Picrocarmin. 760/1. Fig. 179. Tentakelpapille einer 5-wöchentlichen Larve im optischen Durchschnitt. Sublimat, Boraxcarmin. 570/1. Fig. 180. Querschnitt durch die Tentakelspitze einer gleich alten Larve. Sublimat, Picrocarmin. 570/1. Fig. 181. Querschnitt durch die Mitte eines Radiärtentakels einer gleich alten Larve. Sublimat, Picrocarmin. 540/1. Fig. 182. Längsschnitt durch die Wand eines Radiärtentakels einer 5-wöchentlichen Larve. Sublimat, Boraxcarmin. 540/1. Fig. 183. Querschnitt durch die Mitte eines Radiärtentakels einer gleich alten Larve. Alcohol absol., Boraxcarmin. 760/1. Fig. 184. Flächen-Längsschnitt durch die basale Tentakelwand einer 4-wöchentlichen Larve. Der obere Theil der Abbildung zeigt die Hydrocölwand mit Fibrillen und Kernen der Länge nach durchschnitten, der mittlere hat die Basen von zwei Papillen getroffen, der untere endlich zeigt einige Kerne der Hydrocölwand und den Längsschnitt durch das Ectoderm. Picrin-Schwefel-Chromsäure, Boraxcarmin. 760/1. Fig. 185. Längsschnitt durch einen Interradialtentakel und Mund- lappen einer 5-wöchentlichen Larve. Sublimat, Pierocarmin. 230/1. Fig. 186. Querschnitt durch den Kelchabschnitt einer 9-tägigen Larve. Sublimat, Hämatoxylin. 175/1. Fig. 187. Aus derselben Serie zwei Schnitte weiter nach dem aboralen Ende zu. 175/1. Fig. 188. Querschnitt durch die Oesophaguswand mit anliegendem Visceralblatt einer 5-wöchentlichen Larve. Picrin-Schwefel-Chromsäure, Boraxcarmin. 405/1. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. 441 Fig. 189. Querschnitt durch die Magenwand und das Visceral- blatt einer gleich alten Larve. Sublimat, Picrocarmin. 760/1. Fig. 190. Die Region des Afters aus dem in Fig. 187 abgebil- deten Querschnitt. 405/1. Fig. 191 A. Querschnitt durch Oesophagus, Verticalseptum des oralen Cöloms und den in demselben verlaufenden Steincanal einer 3- wöchentlichen Larve. Sublimat, Boraxcarmin. 145/1. Fig. 191B. Querschnitt durch den Steincanal mit umschliessendem Verticalmesenterium einer 5-wöchentlichen Larve. Sublimat, Borax- carmin. 540/1. Fig. 192. Aus derselben Serie der siebente Schnitt weiter nach dem aboralen Ende zu. 145/1. Fig. 193A. Aus derselben Serie; 6 weitere Schnitte aboralwärts geführt. 145/1. Fig. 193B. Das Axialorgan desselben Schnittes. 540/1. Fig. 194. Schnitt durch das Cölom mit Trabekeln, aus derselben Serie. 405/1. Fig. 195. Querschnitt durch die Mitte des Axialorgans einer 5- wöchentlichen Larve. Sublimat, Hämatoxylin. 760/1. Fig. 196. Querschnitt durch das Axialorgan einer gleich alten Larve. Die umhüllende Visceralblattfalte hat Längsfibrillen ausge- schieden. Picrin-Schwefel-Chromsäure, Boraxcarmin. 760/1. Fig. 197. Querschnitt durch die Region des gekammerten Organs einer 5-wöchentlichen Larve. Sublimat, Picrocarmin. 270/1. Fig. 198. Querschnitt durch die Einmündungsstelle des Steincanals in den Parietalcanal einer 9-tägigen Larve. Aus derselben Serie, der Fig. 186 entnommen ist; zwei Schnitte weiter oralwärts. 540/1. Fig. 199. Der Parietalcanal aus Fig. 186. 540/1. Fig. 200. Längsschnitt durch den geöffneten Porus einer 5- wöchentlichen Larve. Sublimat, Picrocarmin. 540/1. Fig. 201. Aus einem radial geführten Längsschnitt durch eine 5-wöchentliche Larve. Bildung eines neuen Sacculus. Sublimat, Picro- carmin. 760/1. Fig. 202. Längsschnitt durch ein vorgeschritteneres Stadium eines neugebildeten Sacculus derselben Larve. 760/1. Fig. 203 A. Längsschnitt durch einen der fünf primären Sacculi einer 5-wöchentlichen Larve. Alcohol absol., Boraxcarmin. 570/1. Fig. 203B. Vier Elemente aus dem Innern desselben isolirt. 760/1. Fig. 204. Mesenchymzellen aus dem Kelch einer 5-wöchentlichen Larve. Picrin-Schwefel-Chromsäure, Boraxcarmin. 540/1. a Gruppe aus der Basis der Mundlappen ; b schräg verlaufende Zellen, auswärts vom Ringcanal gelegen; c Zellen der Leibeswand, über dem Magen gelegen und in der Richtung der Haupt-axe verlaufend. Fig. 205. Stück aus einem Längsschnitt durch den Stiel einer gleich alten Larve. Alcohol absol., Boraxcarmin. 540/1. 442 OSWALD SEELIGER, Inhalt. Einleitung . I. Capitel. Die Embryonalentwicklung (Taf. 12—15.) I. Die Furchung (Taf. 12) 4 II. Die Bildung des Urdarms und des Mesenchyms (Gastrulation (Taf. 13, Taf. 14, Fig. 36—44 . . III. Der Verschluss des Blastoporus (Taf. 14, Fig. “AB, 46) . IV. Die Theilung des Urdarms in Mesenteron, Peritonealblase und primäres Hydrocöl (Taf. 14, Fig. 47 —52: Taf. 15, Fig. 53—56) À ud. CARS OSS V. Die Ausbildung der Wimperkränse des larvalen Nerven- systems und die Lageveränderungen der innern Organe (Taf. 15, Fig. 57—61) . Bal. VI. Die letzte Periode der Embryonalentwicklung, die Bildung des Kalkskelets (Taf. 15, Fig. 62—64) II. Capitel. Die freischwimmende Larve (Taf. 16, 17, 18, Fig. 99—101.) I. Das Ectoderm. . 1. Das Hautepithel, die Wimperbogen und ‘die Zwischen- streifen Re: 2. Die Scheitelgrube und das Nervensystem. ot. 3. Die Festheftungsgrube und die Veztibalareinatälpung II. Der Verdauungscanal , . . , . 2 : Seite 161 173 173 184 198 201 209 222 231 232 232 238 243 247 Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. III. Das Colom und das gekammerte Organ . IV. Das Hydrocöl und der Parietalcanal . V. Das Mesenchym . . VI. Anormale Larvenformen (Taf. 18, Fig. 99—101) . III. Capitel. Die Festsetzung der Larve und ihre ae deine zur gestielten Form , ets (Taf. 18, Fig. 102—113, Taf. 19, 20.) L Das Ectoderm. . 1. Das Hautepithel 2. Das Vestibulum Der Verdauungscanal Das Cölom und seine Derivate (Axialorpan und gekammertes Organ) ß i, IV. Das Hydrocël . V. Der Parietalcanal . Das Mesenchym . 1. Das Kalkskelet a) Das Skelet des Kelches b) Das Skelet des Stieles . 2. Die Sacculi . 3. Das Bindegewebe. AH IV. Capitel. Die gestielte Larve nach Durchbruch des Vesti- bulums bis zum Auftreten der Armanlagen (Tafel 21, 22.) I. Das Ectoderm . : 1. Das Ectoderm der Beibeswand Pi 2. Die Vestibularauskleidung und das Nervensystem a) Das Plattenepithel des Vestibulums b) Die Mundscheibe . re. c) Das Nervensystem . . 3. Das Ectoderm der Tentakel II. Dor Verdauungscanal En III. Das Cölom und seine Derivate . 1. Das Cölom . 2. Das gekammerte Organ 3. Das Axialorgan IV. Das Hydrocöl . V. Der Parietalcanal VI. Das Mesenchym 1. Die Sacculi . : 2. Das Bindegewebe 443 Seite 248 254 261 266 269 272 272 278 287 291 305 313 317 317 317 323 326 329 331 334 334 339 339 340 341 347 355 361 361 364 366 368 374 381 381 387 444 OSWALD SEELIGER, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Crinoiden. L 11, LEE IV. V. Capitel. Vergleichende Bemerkungen Das Kalkskelet der Crinoiden Das Hydrocöl der Echinodermen und seine "Bedeutung. Ueber die Beziehungen des Strahlthieres zur bilateralen Larvenform Die festsitzende Antedonlarve find ‘die Cystideen Literaturverzeichniss Tafelerklärung “ "Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, — 1105 Seite 389 389 397 408 417 422 427 Nachdruck verboten, Uebersetzungsrecht vorbehalten. Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. Von Hermann Johansen, Magd. zool. Hierzu Tafel 23 und 24. (Aus dem zool. Institut der Universitat Dorpat.) Durch eine von der physico-mathematischen Facultät der Uni- versität Dorpat für das Jahr 1888 gestellte Preisaufgabe wurde ich zur Untersuchung der Entwicklung des zusammengesetzten Auges eines tracheaten Arthropoden angeregt. Da Vanessa urticae L. sich als leicht in grössern Mengen zu beschaffendes Material erweist und die Entwicklungsdauer dieses Tracheaten eine kurze ist (9—14 Tage je nach den Temperaturverhältnissen), wurden die Untersuchungen an diesem Object angestellt. Indem ich hiermit die Resultate meiner preisgekrönten, im Laufe der Zeit bedeutend vervollständigten Untersuchung der Oeffentlichkeit übergebe, ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. J. v. KENNEL meinen wärmsten Dank auszu- sprechen für die vielfache, während meiner Studienzeit und bei der Vollendung meiner Untersuchung mir zu Theil gewordene Anregung und Belehrung und für das mir in liebenswürdiger Weise zur Ver- fügung gestellte Präparat des epidermalen Theils des Auges einer jungen Puppe von Sphinx euphorbiae. Ein Theil der Untersuchungen wurde im Laufe des Sommers 1891 im Privat-Laboratorium des Herrn N. Aprrkossow in der Nähe von Moskau ausgeführt, und ich bitte denselben meinen Dank annehmen zu wollen für die Liebens- Zool. Jahrb, VI, Abth, f, Morph, 99 446 HERMANN JOHANSEN, würdigkeit, mit welcher er mir sein wohlausgestattetes Laboratorium zu meinen Untersuchungen überliess. Herrn N. GORONOWITSCH in Puschkino bei Moskau bin ich für die Benutzung seiner Bibliothek zu Dank verpflichtet. Die als Untersuchungsobject dienenden Raupen und Puppen von Vanessa urticae wurden in den verschiedensten Stadien der Ent- wicklung durch Uebergiessen mit kochendem destillirten Wasser ge- tödtet und darauf in Alkohol von verschiedenen Concentrationsgraden in üblicher Weise gehärtet. Bei einigen jungen lebenden Puppen wurde mit einer scharfen Scheere die Kopfgegend abgeschnitten und das auf diese Weise erhaltene Stück durch einen Medianschnitt halbirt und darauf möglichst schnell in Osmiumsäurelösung resp. in die sog. „FLEMMING’sche Lösung“ auf 3 Stunden gebracht. Bei ältern Puppen konnte am lebenden Object die Puppenhülle in der Kopfgegend ent- fernt und der Kopf darauf mit den erwähnten Reagentien behandelt werden. Beim plötzlichen Abkochen der Puppe ist die Coagulation der Gewebe eine momentane. Daraus resultirt, dass das histologische Bild, das man beim Untersuchen so behandelter Objecte erhält, sehr genau die Verhältnisse zeigt, wie sie im Leben vorliegen, d. h. wir erhalten undeutliche Zell- und Kerngrenzen. Um die Coagulation der Gewebe zu verlangsamen und deutlichere Abgrenzungen zu erhalten, wurde, besonders bei jüngeren Stadien, die Anwendung der erwähnten Reagentien der Abkochungsmethode vorgezogen. Die auf die genannten Weisen fixirten Gewebe wurden nun in folgender Art gefärbt. Alkoholisches Boraxcarmin ergab bei ältern Stadien ziemlich brauchbare Bilder, doch musste der Vorzug dem be- kannten GRENACHER’schen Alauncarmin gegeben werden, das sich zur Untersuchung von Arthropodengeweben ganz besonders eignet. Nach dem Alauncarmin folgt als Färbemittel das Hämatoxylin, und zwar wurden sowohl Totalfärbungen der Objecte vorgenommen als auch Schnittfärbungen. Als Aufhellungsmittel dienten Terpentin, Creosot, Toluol und Xylol, als Einbettungsmasse Paraffin. Zur Benutzung kamen sowohl Schlittenmikrotome als auch das „Rocking microtome“ der „Cambridge scientific instrument company“. Letzteres leistet vor- zügliche Dienste. Mittels der sog. ,ScHALLIBAUM’schen Mischung“ (Collodium und Nelkenöl 1:2) wurden die Schnitte auf dem Object- träger befestigt und in üblicher Weise das Paraffin entfernt. Bei Untersuchung älterer Stadien des epidermalen Theils der Augen ist es nicht nöthig, einzelne Köpfe bloss zur Herstellung von Längsschnitten durch die Ommatidien, andere Exemplare wieder zur Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 447 Herstellung von Querschnitten durch dieselben zu verwenden, sondern die Gruppirung der genannten Elemente im Auge erleichtert die Unter- suchung insofern, als wir in Folge der radiären Anordnung der Retina- elemente in dem eine Halbkugel darstellenden Auge in einer Serie durch dasselbe immer Schnitte in den gewünschten zwei Richtungen und in den diese verbindenden Uebergangsebenen vorfinden, so dass die Natur hier der Untersuchung in sehr liebenswürdiger Weise ent- gegenkommt. Indem ich nun zur Beschreibung der an Vanessa urticae ge- wonnenen Resultate übergehe, erscheint es mir zweckmässig, um die Uebersicht zu erleichtern, die Hauptbestandtheile des zusammenge- setzten Auges, den Epidermistheil und das optische Ganglion, gesondert zu besprechen, woran sich dann ein Schlusscapitel mit dem Resume der Resultate und Betrachtungen allgemeinerer Natur anreihen soll. Der epidermale Theil der Augenanlage. In der Literatur der letzten drei Decennien finden wir über die erste Anlage des zusammengesetzten Auges recht verschiedenartige Angaben, die sich aber im Grunde auf zwei Haupttypen zurückführen lassen. Das Tracheatenauge hat eine recht spärliche Berücksichtigung gefunden, wir ziehen aber auch die branchiaten Arthropoden, die Crustaceen, in den Kreis unserer Betrachtungen, da der Bau der Augen bei beiden Stämmen der Arthropoden bekanntlich ein so un- gemein übereinstimmender ist, dass es sich erwarten lässt, dass wir auch im Entwicklungsmodus desselben Uebereinstimmungen finden. Der Unterschied in den beiden Haupttypen der Entwicklung be- steht darin, dass ein Theil der Autoren, wir nennen Dourn (5), REICHENBACH (12 u. 17), Kınastey (20), PATTEN (19), als erste An- lagen des zusammengesetzten Auges in der Epidermis auftretende Einstülpungen mit damit verbundenen Zellenwucherungsprocessen be- schreiben, die von ihnen als „halbmondförmiger Spalt“ (Donrn), „Augen- falte“ (REICHENBACH), „optic invagination“ (KINGSLEY) und „ganglionic fold“ (PATTEN) bezeichnet werden. Die übrigen, auch die erste Anlage des uns beschäftigenden Organs mehr oder weniger berücksichtigenden Autoren erwähnen eines derartigen Bildungsmodus nicht. Dazu ge- hören: BOBRETZKY (6), GRENACHER (11), CARRIERE (15), LEBEDINSKY (24), Herrick (25), PARKER (27), Nuspaum (22), CLAUS (16). Von den letztgenannten Autoren wird die Entwicklung des Epi- dermistheils des Auges auf Verdickungen in der „Hypodermis“ zurück- 29* 448 HERMANN JOHANSEN, geführt, wobei durch Umlagerungen und Umgestaltungen der die „Hypo- dermis“ zusammensetzenden Zellen die definitive Form der Augen- elemente hervorgeht, ohne dass eine Einstülpung oder etwas dem Achnliches zu bemerken wäre. Eine weitere Differenz unter den An- gaben der Autoren besteht darin, dass ein Theil derselben die Augen- epidermis in ihrer Anlage einschichtig sein lässt (PATTEN), während nach Anschauung der andern, meist ältern Forscher die Zellen nicht die ganze Breite des epidermalen Theils der Augen durchziehen, sondern sich in zwei über einander gelagerte Zellenschichten trennen, somit das Auge als aus zwei Zellenlagern zusammengesetzt zu betrachten ist (GRENACHER). Meine Beobachtungen an Vanessa urticae ergeben nun folgende Einzelheiten, wobei ich betonen möchte, dass ich die Epidermis des Kopfabschnittes durch alle Stadien, mit der gewöhnlichen Raupe be- sinnend, durch den ganzen Process der Verpuppung hindurch, bis zum Ausschlüpfen der Imago verfolgt habe, weil es sich als noth- wendig erwies, auch den sich zur Verpuppung anschickenden, schon hängenden Raupen volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Vergleichen wir die Epidermis einer ausgewachsenen, sich kurz vor der An- schickung zur Verpuppung befindenden Raupe mit der einer jungen Puppe, welche eben ihre Raupenhülle abgestreift hat, so finden wir im Kopfabschnitt derselben nicht unwesentliche Differenzen. Die Dauer des Hängens der Raupe bis zum Moment des Abstreifens der Raupen- hülle beträgt ungefähr 40 Stunden, und in dieser Zeit findet die Bildung der Kopfblase der Imago statt. Im ersteren Stadium finden wir die Raupenaugen noch innerhalb der Epidermis, nach einer Hängezeit von 6 Stunden sind dieselben jedoch schon aus dem Verbande der Epidermiselemente geschieden und rücken zum optischen Ganglion hin. Das Herausrücken der Raupenaugen aus dem Complex der Epi- dermiszellen findet ganz allmählich statt, und die die Raupenaugen umgebenden und von einander trennenden Epidermiszellen schliessen sich schon sofort an einander, so dass das Herausrücken der Raupen- augen gleichzeitig mit dem sich Aneinanderschliessen der Epidermis- zellen vor sich geht. Die Epidermis bleibt während des Processes eine einheitliche und weist keinerlei Lücken in Folge des Heraus- rückens der Raupenaugen auf (Fig. 1). Was nun die Epidermis selbst anlangt, so sind deren Elemente bei der Raupe sehr dicht an einander gedrängt, in Folge lebhafter Zellvermehrungsprocesse an beiden Kopfseiten, so dass wir die Einschichtigkeit derselben nur auf dünnen Schnitten nachweisen können. Die Zellkerne befinden sich in Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 449 verschiedenen Höhen und täuschen so bei dem allgemeinen Zusammen- gedrängtsein der Epidermiselemente eine Mehrschichtigkeit derselben vor. Diese zusammengedrängten Epidermiszellen stellen nicht in ihrer ganzen Ausdehnung die Anlage des epidermalen Theils der Augen dar, sondern nur ein Theil derselben wird zum Aufbau der Augenelemente der Imago verwandt. Wir haben es hier mit Processen zu thun, die, der Häutung vorangehend, zur Folge haben, dass die Epidermis über- haupt, nicht die der Augenanlage allein, sich nach dem Abstreifen der Raupenhülle vergréssert. Die Wand der nach der Verpuppung entstandenen Kopfblase der Imago hat eine viel grössere Oberfläche als die der Raupe. Die Epidermiszellen müssen daher in viel grösserer Anzahl vorhanden sein, um in derselben Weise wie bei der Raupe die Wand als einschichtiges Cylinderepithel auszukleiden. Nachdem die Raupenhülle abgestreift ist und auch schon in älteren Stadien der hängenden Raupe sehen wir in je einem centralen Theil der an beiden Seiten des Kopfes stark verdickten Epidermis eine Lockerung der Elemente eingetreten (Taf. 23, Fig. 2 und Taf. 24, Fig. 15), die immer mehr zunimmt und uns die Einschichtigkeit der Epidermis auf das Schönste zeigt. Die Lockerung erscheint auf den ersten Blick durch eine flüssige Ausscheidung von Seiten der Epidermiszellen be- dingt, die die Zellen zum Auseinanderweichen bringen könnte. Da aber an den Zellen selbst keine Verminderung ihres Volumens be- merkbar ist, sondern die Zellen im Laufe der Entwicklung wachsen, so liegt der Gedanke näher, dass aus dem mächtigen Kopfblasenraum flüssige Theile durch die dünne, protoplasmatische Basalmembran hindurchfiltriren und so eine Lockerung der Epidermiselemente herbei- führen. Damit stimmt auch die von jetzt ab stetig im Laufe der Entwicklung vor sich gehende Reduction des Kopfblasenraumes überein. Diese hindurchfiltrirten Flüssigkeiten werden jedenfalls von den Epi- dermiszellen zum Wachsthum verwandt; ihr Wachsthum geht eben auf Kosten dieser Nährflüssigkeit vor sich. In diesen centralen Theilen der sich immer mehr lockernden Epi- dermis haben wir die Anlage des epidermalen Theils der Augen zu sehen, die nach den Seiten von einem verdickten Theil der Epidermis umschlossen ist, welcher die die Augen umgebenden Epi- dermistheile aus sich hervorgehen lässt. Was nun die Form dieser die erste Anlage des zusammengesetzten Auges bildenden Elemente der Epidermis betrifft, so haben wir es mit stark in die Länge ge- zogenen Zellen zu thun (Fig. 3), die mit einem proximalen, im All- gemeinen sich verjüngenden Ende zum Kopfblasenraum gekehrt sind, 450 HERMANN JOHANSEN, einen grossen ovalen Kern besitzen, der sich mehr oder weniger im Centrum der Zelle befindet, und deren distale Enden sich verbreitern, um sich mit denen der benachbarten Zellen an einander zu legen, theilweise sogar zu verschmelzen, obwohl in den meisten Fällen eine Grenze der sich an einander legenden distalen Abschnitte zu erkennen ist. Proximal vom Kern beginnt die Verjüngung dieser Zellen, die in dünne Protoplasmafäden auslaufen, welche in sich braune Pigment- körnchen aufweisen, auf deren Bedeutung weiter unten eingegangen werden soll. Die proximalen Enden dieser Zellen nähern sich mehr oder weniger unter einander, und wir sehen dieselben durch eine fein- körnige Protoplasmamasse mit einander in Verbindung stehen, offenbar Fortsätze dieser Zellen, die sich zu einer die Epidermis gegen den Kopfblasenraum abgrenzenden Protoplasmamembran vereinigt haben, deren Aufgabe in der Ausscheidung der Basalmembran besteht. Was nun die Bildung der für das zusammengesetzte Auge so charakte- ristischen Ommatidien betrifft, so konnte ich auf dem Stadium einer jungen Puppe, die ca. 15—18 Stunden nach der Verpuppung conservirt war, abgesehen von der Einschichtigkeit der Epidermiselemente, den Beginn einer Differenzirung insofern constatiren, als die sie zusammen- setzenden Zeilen die Kerne auf verschiedenen Höhen gelagert aufweisen, mit einer gewissen sich wiederholenden Regelmässigkeit, so dass man .schon ungefähr die die verschiedenen Theile der Einzelaugen bildenden Elemente zu erkennen glaubt, obgleich noch kein innigeres Zusammen- treten der Zellen zur Bildung der Retinulae stattgefunden hat (Fig. 4). Auf diesem Stadium sieht man auch die Basalmembran in Gestalt einer hellen, scharf begrenzten Linie als Randsaum der Epidermis gegen den Kopfblasenraum auftreten. Auf Stadien von 1'/, Tagen ist das Zusammentreten der Augenelemente zur Bildung der Omma- tidien erfolgt, doch ist dabei die ganze Anlage schön einschichtig. Das ganze Gefüge der Epidermis ist ein innigeres geworden (Fig. 5), die zwischen den einzelnen Epidermiszellen auf früheren Stadien sicht- baren, mit Nährflüssigkeit erfüllten Lücken sind verschwunden. In diesen und nicht weit entfernt stehenden Stadien kann man bezüglich der Anordnung der Zellkerne in den verschiedenen Höhen der Epidermis drei Regionen oder Zonen unterscheiden, die ich nach ihrem Abstande von dem Ganglion opticum als distale, mittlere und proximale Kernzone bezeichnen will. Die beiden ersten sind durch eine grössere kernlose Zone von einander getrennt, während die beiden letzten nicht so scharf von einander geschieden sind, indem vereinzelte Kerne sich zwischen beide Zonen einschieben. Die distale Kernzone Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 451 besteht nur aus einer Schicht von Kernen. Es sind das die Kerne derjenigen Zellen, die sich im Verbande mit den übrigen Zellen der Augenepidermis an der Ausscheidung der die Augen überziehenden Puppenhülle betheiligt haben und deren Function im Imagoauge, wie es sich erwarten lässt, wenn man vom Bau des ausgebildeten Auges ausgeht, darin bestehen müsste, die Cornealinsen und die Krystall- kegel zu bilden. Mit andern Worten, die Kerne müssten nach CLA- PAREDE (2) als die „SEMPER’schen“ bezeichnet werden. Ich möchte der Einfachheit und der bequemeren Ausdrucksweise wegen nicht bloss die Kerne allein die „Semper’schen“ nennen, sondern diese Bezeichnung auch auf die diesen Kern enthaltenden Zellen ausgedehnt wissen und verstehe unter den „SEMPER’Schen Zellen“ diejenigen Zellen im zusammengesetzten Auge, die, bei den meisten Arthropoden einen Com- plex von vier Zellen in jedem Ommatidium bildend, einerseits die Cornea, andrerseits die Krystallkegelsegmente ausscheiden. Wie sehr man sich aber bei einer derartigen, vom Bau des aus- gebildeten Organs ausgehenden Beurtheilungsweise irren kann, lehrt das Verhalten der Kerne der distalen Kernzone im Laufe der weitern Entwicklung. Anstatt nun auch weiter in ihrer Lage an der Ober- fläche der Augen zu verharren, treten in deutliche Beziehungen zur Oberfläche des Auges Zellen, deren Kerne der mittlern Kernzone an- gehören, die aber im Laufe der Entwicklung vollständig in die distale Zone übergehen, während andrerseits die primär in der distalen Zone befindlichen Kerne hinunterrücken und sich zwischen die eben er- wähnten, secundär distal gelagerten Kerne und die Kerne der mittlern Zone lagern. Die mittlere Zone besteht aus mehreren Reihen von Kernen (2—4), die ziemlich dicht an einander gedrängt sind. Die letzte Kernzone, an der Basalmembran gelegen, ist am unregelmässigsten zusammen- gesetzt, indem hier bald mehr, bald weniger Zellkerne vorkommen oder auch stellenweise fehlen und auch in der Form und Grösse der Kerne recht bedeutende Unterschiede zu verzeichnen sind. Die Beziehungen der echten „SEmPer’schen Zellen“ zur Oberfläche des Auges machen sich in frühen Stadien bemerkbar, so lange die grösste Masse der „SEMPER’schen Zellen“ noch innerhalb des Om- matidiums liegt und ihr Kern der mittlern Kernzone angehört. Diese Beziehungen wurden mir zuerst verständlich an einem Präparat, das Herr Prof. v. Kennet die Güte hatte, mir bei der Vollendung dieser Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Es sind sehr gelungene Schnitte durch die Augenepidermis einer jungen Puppe von Sphinx euphorbiae, 452 HERMANN JOHANSEN, die sich durch die Grösse der das Auge zusammensetzenden Elemente auszeichnet. Taf. 23, Fig. 6 giebt die Zusammensetzung eines Om- matidiums dieser Retina wieder, die die nämliche wie bei Vanessa urticae ist. : Was ich an diesem Präparat aber mit besonderer Deutlichkeit beobachten kann, besteht darin, dass von jeder Zelle, die hinter ihrem Kern ein kleines Kliimpchen Krystallkegelsubstanz aufweist, distal- wärts ein Fortsatz ausgeht, der sich zwischen den Zelleibern der nächst höhern Kerne hindurchschiebt und sich über die Oberfläche des Ommatidiums in Gestalt eines kleinen stumpfen Protoplasma- fortsatzes erhebt, der von festerer Consistenz zu sein scheint als das übrige Protoplasma dieser Zellen. Diese Zellen sind als die „SEMPER- schen“ aufzufassen, was erstens daraus hervorgeht, dass sie in ihrem Protoplasma die Anlage der Krystallkegel erkennen lassen; ferner spricht dafür die vollkommene Uebereinstimmung der Verhältnisse mit den Befunden von Vanessa, wo aus diesen Zellen die direct unterhalb der Cornea ihre Kerne aufweisenden „Semper’schen Zellen“ hervor- gehen. Als ich mich nach entsprechenden Stadien bei Vanessa umsah, konnte ich bei einer 2 Tage und 1 Stunde alten Puppe die geschil- derten Verhältnisse in vollkommen übereinstimmender Weise constatiren (Taf. 23, Fig. 7); nur sind die Zellen bei Vanessa urticae bedeutend kleiner, so dass ich die uns hier interessirenden Protoplasmafortsätze nur bei starken Vergrösserungen auffinden konnte. Dieses Stadium von Vanessa lässt in ganzer Ausdehnung des epidermalen Theils der Augenanlage die eingetretene Bildung der Retinulae erkennen, und in Folge dieser Vereinigung treten in der Epidermis zwischen den ein- zelnen Ommatidien, an der Ommatidienbildung nicht unmittelbar theil- nehmend, die Pigmentzellen 2. Ordnung schärfer hervor, als es bis jetzt der Fall war, in denen von Pigment keine Spur nachzuweisen ist. Ausserdem bemerken wir noch eine andere Art von Zellen, die dieselbe Lage wie die Pigmentzellen 2. Ordnung einnehmen, aber nicht in so regelmässiger Weise zwischen den Ommatidien angeordnet sind, die Haarzellen, deren Aufgabe in der Ausscheidung der zwischen den Corneafacetten zerstreut stehenden Cuticularhaare besteht (Fig. 7). Am distalen Ende der Einzelaugen dieses Stadiums fehlt noch der Anfang einer Corneabildung. Die Pigmentzellen 2. Ordnung durch- ziehen die ganze Breite der Epidermis als lange, in ihrem proximalen Verlauf etwas gewundene Zellen, die bei Combination von Längs- und Querschnitten schon eine mehr oder weniger prismatische Form er- kennen lassen. Die Querschnittsbilder lehren die Zusammensetzung Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 453 der Retinula aus je sieben Zellen in einem Ommatidium, von denen eine central gelegen ist, auf das Deutlichste. Die Aufgabe der distalwärts sich über die Oberfläche der Om- matidien erhebenden Fortsätze der Semper’schen Zellen besteht darin, die Chitinhülle der Puppe von der sich bald darauf mit neuer Cuticular- substanz — im Bereich der Augen mit den Corneafacetten — bedecken- den Epidermis zu lockern. Diese Fortsätze erweisen sich als proto- plasmatische Häutungshärchen, die, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt, eine Lockerung zwischen Puppenhülle und Epidermis herbeigeführt haben, wieder in den Leib ihrer Zellen eingezogen werden. Es ist nicht ohne Interesse, an der schon zu Ommatidien umgebildeten Epi- dermis der Augenanlage noch eine derartige Betheiligung an dem wohl allen übrigen Epidermiszellen der jungen Puppe zukommenden Geschäft zu bemerken. Die in der nächsten Umgebung der Augen befindlichen gewöhnlichen Epidermiszellen lassen deutlich ähnliche Häutungshärchen erkennen. Auffallend ist ferner der Umstand, dass diese Häutungs- härchen nicht in den Zellen (Fig. 6 u. 7) ihren Ursprung nehmen, die von allen das Ommatidium zusammensetzenden Zellen mit grösster Oberfläche frei nach aussen liegen, sondern Zellen angehören, die die Krystallkegel auszuscheiden haben, und die, wie wir sehen werden, insofern ihren Beziehungen zur Oberfläche des Ommatidiums treu bleiben, als sie wieder die die Corneafacetten ausscheidenden Zellen sind. Wenden wir uns nun zu den distal von den Semper’schen Kernen gelagerten Kernen, so finden wir, dass dieselben Zellen angehören, die bei Vanessa im Vergleich zu Sphinx euphorbiae eine Verschieden- heit bedingen, indem sie jedes Ommatidium an seinem distalen Ende sich über die umgebenden Pigmentzellen 2. Ordnung vorwölben lassen. Auf dem Gipfel der Vorwölbung kommen die Häutungshärchen zu stehen (Fig. 7). Später rücken diese Kerne in tiefere Schichten, es findet die erwähnte Verlagerung statt und die Zellen werden zu den Hauptpigmentzellen oder Pigmentzellen 1. Ordnung. Was nun die Lagerung der das Ommatidium zusammensetzenden Zellen gegen einander betrifft, so kann ich nicht mit derselben Be- stimmtheit wie PATTEn und KınasLey den Verlauf der dünnen Proto- plasmafäden der das Ommatidium zusammensetzenden Zellen angeben. Dass die meisten dieser Zellen die ganze Breite der Epidermis durch- ziehen, steht für mich fest. Nur zwingen mich meine Beobachtungen an Vanessa zu der Anschauung, und das Sphingidenpräparat bestärkt mich in derselben, dass die Retinulazellen sich in ihren distalen Enden bedeutend verkürzen, um hier den mit den verschiedenen Ausscheidungen 454 HERMANN JOHANSEN, beschäftigten Semper’schen Zellen Platz zu machen. Die Zusammen- setzung der Ommatidien habe ich durch die schematischen Zeichnungen Taf. 23, Fig. 8 u. 9 wiederzugeben versucht, und zwar stellt Fig. 8 ein junges Stadium dar, während Fig. 9 den Bau eines ausgebildeten Ommatidiums erläutert. Der Vergleich zwischen beiden Zeichnungen lehrt deutlich die die Kerne betreffenden Verlagerungen in den SEMPER- schen Zellen und in den Pigmentzellen 1. Ordnung. Bezüglich der Stellung zur Frage nach der Einschichtigkeit des Ommatidiums hat sich bei mir eine zwischen GRENACHER und PATTEN vermittelnde An- schauung entwickelt, indem bloss die das Rhabdom bildenden Retinula- zellen der Parren’schen Ansicht widersprechen, während die übrigen Zellen die ganze Breite der Epidermis durchziehen. Wir haben also das zusammengesetzte Auge aus einer einschichtigen Epidermis hervor- gegangen zu betrachten, die in einem grossen Theil der Zellen (den SEMPER’Schen, den Hauptpigmentzellen, den Pigmentzellen zweiter Ordnung und den Haarzellen) auch einschichtig bleibt, während nur im Centrum eines jeden Ommatidiums eine Verkümmerung der distalen Abschnitte in je sieben Zellen stattfindet, die ein besonderes Organ, die Retinula, zusammensetzen, so dass hier eine scheinbare Mehr- schichtigkeit gebildet wird. Eine wirkliche Doppelschichtigkeit könnte nur dann im Ommatidium erblickt werden, wenn die SEMPER’schen Zellen in ihren proximalen Abschnitten verkümmerten und keine an den Seiten der Retinulazellen zur Basalmembran ziehenden Fortsätze lieferten. In die schematischen Figuren habe ich alle in dem zusammen- gesetzten Auge vorkommenden Elemente mit ihren Ausscheidungs- und Umwandlungsproducten aufgenommen und zwar so, dass Fig. 8, als Schema eines Entwickluugsstadiums, nur die Krystallkegelbildung zeigt, entsprechend dem auf Taf. 23, Fig. 7 abgebildeten Stadium, während Fig. 9 alle im Auge auftretenden Elemente aufweist, so weit es möglich ist, dieselben auf einem idealen Schnitt zur Darstellung zu bringen. Bei der Beschreibung der weitern Entwicklungsstadien werde ich nicht mehr alle Theile der Ommatidien einer jedesmaligen Besprechung unterwerfen, sondern, um Wiederholungen zu vermeiden und die Ueber- sichtlichkeit zu erleichtern, nur die einzelnen wesentlichen Verände- rungen hervorheben. Die jetzt zu besprechenden Veränderungen beziehen sich auch auf die Semper’schen Zellen, deren weitere Function in der Aus- scheidung der Krystallkegel und der Cornealinsen besteht. Beide Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 455 Vorgänge konnte ich von ihren ersten Anfängen an verfolgen, und zwar tritt die Bildung der Krystallkegel vor dem Beginn eines ersten Sichtbarwerdens der Cornea auf. Die Zellkörper der genannten Zellen zeigen, nachdem die Häutungshärchen verschwunden sind, an ihren distalen Enden, dass sie durch Furchen von einander getrennt sind; das freie Ende jeder Zelle ist nämlich in der Mitte etwas nach vorn vorgewölbt. Die Zellgrenzen sind deutlich erkennbar, was für die Be- urtheilung der Krystallkegelgenese von Wichtigkeit ist. Die ovalen Kerne liegen in der Mitte der ziemlich langgestreckten, im Laufe der Entwicklung cylindrische Form annehmenden Abschnitte der SEMPER- schen Zellen, deren proximale Fortsätze uns hier weniger zu be- schäftigen brauchen. Hinter den Kernen dieser Zellen, also proximal von denselben, können wir gegen Anfang des 3. Puppentages im Zell- protoplasma ein kleines Klümpchen einer das Licht stärker als das Protoplasma brechenden Substanz, die erste Anlage eines der Krystall- kegelsegmente, bemerken (Taf. 23, Fig. 7). Während die Kerne der Semper’schen Zellen sich alle in gleicher Höhe befinden und regel- mässig angeordnet sind, zeigen die Abstände der Krystallkegelklümp- chen von den Kernen Verschiedenheiten. Im Laufe der weitern Ent- wicklung werden nun diese Klümpchen grösser, und nach 4—5-tägiger Puppendauer können wir die Krystallkegel als aus vier separaten, noch durch Protoplasma von einander getrennten Segmenten bestehend er- kennen, während in einzelnen Ommatidien dieselben schon zu einem Klumpen verschmolzen sind, an dem man aber noch die Zusammen- setzung aus den vier Theilstücken nachweisen kann. Die Kegel- klümpchen nehmen eine ziemlich regelmässige Gestalt an, indem zwei senkrecht auf einander stehende plane Flächen sie von zwei Seiten begrenzen, während die dritte Fläche gewölbt ist (Taf. 23, Fig. 10). Mit den planen Flächen sind sie zu einander gekehrt, doch berühren sich diese Flächen noch nicht, und wir erblicken in Folge dessen auf Querschnitten durch die Kegel in der Mitte derselben ein Kreuz, den optischen Ausdruck für die noch nicht erfolgte Aneinanderlagerung der vier Theilstücke. An dem Complex der Kegelsegmente kann man einen äussern homogenen, hellen Abschnitt von einem centralen körnigen unter- scheiden. Letzterer wird durch das Kreuz in 4 Theilstücke getrennt. Die Trennungslinien werden immer undeutlicher, doch geht die Ver- schmelzung der Theilstücke nicht gleichzeitig an den vier Berührungs- flächen. vor sich, sondern man kann häufig Stadien mit einer den Quer- schnitt des Kegels genau halbirenden Trennungslinie nachweisen, bis 456 HERMANN JOHANSEN, schliesslich in den letzten Puppenstadien die Kegel als vollkommen einheitliche Gebilde erscheinen. Bezüglich der Entstehung der Krystallkegel kann ich mich CLa- partpe’s Auffassung (2) nicht anschliessen, die in WEISMANN (3), GRENACHER (11) und andern Autoren Anhänger gefunden hat. CLA- PAREDE hält es für das Wahrscheinlichere, dass die vier dicht an ein- ander liegenden Zellen in der Mitte aus einander weichen und dass in dem auf diese Weise gebildeten mittlern Intercellularraum die Krystall- körper als äussere Ausscheidungen entstehen. Wie aus obigen Aus- führungen ersichtlich, findet bei Vanessa und Sphinx kein Ausein- anderweichen der Semrer’schen Zellen statt. Die Krystallkegelgenese ist daher als eine Art innerer Ausscheidung resp. Umbildung eines Theils des Protoplasmas der Semrer’schen Zellen aufzufassen. Das im zool. Jahresbericht für 1879 enthaltene Referat über die Arbeit von Lowner (8) lässt erkennen, dass Lowne die Krystallkegel (soll wohl heissen: Bildungsmaterial für die Krystallkegel) aus acht Zellen zusammengesetzt sein lässt, nämlich aus vier vordern oder den Semrer’schen und aus vier hintern, welche die eben so vielen Kegel- segmente ausscheiden. Zu noch mehr abweichenden Ansichten über die Krystallkegelgenese kommen KıngstLey (20) und PArren (19), be- sonders letzterer gemäss seiner Auffassung der Einheitlichkeit des Krystallkegels und des Rhabdoms. Ich beschränke mich darauf, hier auf die in der Literatur anzutreffenden Notizen bloss hinzuweisen. Die Autoren haben andere Untersuchungsobjecte gehabt, so dass ohne Nachuntersuchungen an denselben Objecten die sehr widersprechenden Angaben kaum verwerthet werden können. Die Angaben sind so spärlich und dabei so widersprechend, dass erneute Untersuchungen dringend nothwendig erscheinen. Die Entstehung der Cornealinsen ist auf dieselben vier Zellen zurückzuführen, doch ist es hier von Anfang an eine einheitliche äussere Ausscheidung, und zwar ist der ganze Complex dieser Zellen an der Ausscheidung betheiligt. In der distalen Vertiefung zwischen den vorgewölbten Enden dieser Zellen sieht man als erstes Stadium eine kleine Menge einer glashellen Substanz ausgeschieden, die noch nicht ausreicht, um die Gruppe der vier Zellen zu bedecken (Fig. 11 und 12). Die Ausscheidung der Linsensubstanz nimmt zu, so dass der Complex der vier Zellen von derselben bedeckt wird, doch stossen die Linsen benachbarter Ommatidien nicht an einander, was erst später erfolgt, so dass wir dann die Cornealinsen als dünne Cuticularmem- bran den Epidermistheil der Augen überziehen sehen. Die die erste Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 457 Anlage der Linse enthaltende Vertiefung auf dem Semper’schen Zellen- complex verschwindet dabei immer mehr und geht allmählich in eine Vorwölbung über. Die Kerne der Semper’schen Zellen rücken während der Ausscheidung der Cornea und während der Bildung der Kegel immer mehr an die Cornea heran, offenbar in Folge eines bedeutenden Protoplasmaverlustes, den die Zellen während der doppelten Aus- scheidung erleiden. Die Form der Linse geht allmählich aus der einer fast gleichmässig dünnen Cuticularmembran bei fortschreitender Vorwölbung der sie ausscheidenden Zellen in eine convexconcave über, wobei die Convexität nach aussen gerichtet ist. Sie lässt bald eine Schichtung erkennen, und ihre der Retina zugekehrte Seite wird bei fortschreitender Ablagerung immer ebener, so dass schliesslich eine planconvexe Bildung zu Stande kommt. Die in der Literatur anzu- treffenden Angaben über die Bildung der Linse sind im Allgemeinen übereinstimmend !). Es wird die Bildung auf Ausscheidung von Seiten der vier SEmPER’schen Zellen zurückgeführt. Bei den Crustaceen haben wir es aber insofern mit einem abweichenden Bildungsmodus zu thun, als hier nach Angabe der Autoren vier Zellen die Cornealinse aus- scheiden, während vier andere Zellen mit der Ausscheidung der Krystallkegel beschäftigt sind. PATTEN (19) führt die Corneabildung bei Vespa auf ein besonderes Zellenlager zurück, das er sich an der Kegelbildung nicht betheiligen lässt. In Betreff der SEmpEer’schen Kerne muss ich noch erwähnen, dass ich deren zuweilen fünf auf Querschnitten unter einer Facette Zaulte. Ob mit dieser Anomalie auch eine Zusammensetzung der Krystallkegel in den betreffenden Ommatidien aus fünf Theilstücken verbunden ist, konnte nicht ver- folgt werden. Den Semper’schen Zellen kann hier die Betrachtung der Haar- zellen angeschlossen werden, da sie, wie jene, an der Bildung der die äussere Oberfläche des Auges bedeckenden Cuticularsubstanzen betheiligt sind. SEMPER (1) hat zuerst die Bildung der Haare und der sonstigen Cuticularbildungen der Lepidopteren erklärt und W. BREITENBACH (10) gewisse Cuticularhaare näher beschrieben. In jungen Puppen von 1—2 Tagen finden wir in der proximalen Kern- 1) Bloss Weismann (3) ist der Ansicht, dass die Semrer’schen Kerne nicht vier Zellen angehören, sondern nur einer; dass der Theilung des Kerns die Theilung des Zelleibes nicht gefolgt sei. GRENACHER (I. c. p. 92) erklärt. Weısmann’s Widerspruch, indem er darauf hinweist, dass bei den Musciden ganz ausnahmsweise die Zellgrenzen fehlen. 458 HERMANN JOHANSEN, zone, der Basalmembran anliegend, grosse birnförmige Zellen mit im Verhältniss zu den der übrigen Epidermiszellen sehr grossen Kernen, die zwischen den übrigen Zellen einen Protoplasmafortsatz distalwärts entsenden, der die ganze Breite der Epidermis durchzieht (Fig. 4, 5, 7, 8, 9, 13, 14). Meist sind diese Zellen nicht häufig auf einem Schnitt zu finden und recht unregelmässig zwischen den sich zu den Einzelaugen gruppirenden Zellen vertheilt. Im Laufe der Entwicklung sehen wir nun, dass die Kerne dieser grossen Haarzellen ihre Lage an der Basalmembran aufgeben und im Protoplasma ihrer Zellen distalwärts wandern, wobei das proximale Ende dieser Zellen immer unansehn- licher wird. Gegen Ende der Entwicklung können wir die Kerne der- selben in der Höhe der mit ihrer Längsaxe schräg zur Axe des Ommatidiums (Fig. 12) gelagerten Kerne der Hauptpigmentzellen an- treffen; aber schon in früheren Stadien hat sich der distal zwischen den Ommatidien hindurchtretende Protoplasmafortsatz derselben be- merkbar gemacht, der als feiner Faden über die Oberfläche der Cornea- facetten, zwischen denselben hindurchtretend, hervorragt. Dieser Protoplasmafaden scheidet nun an seiner Oberfläche die Cuticular- substanz des Haares aus, das als gerade, ungefiederte Nadel im Innern einen Canal aufweist, in den sich das Protoplasma der Haarzelle hineinzieht (Fig. 9 und 13). Das Haar wächst durch Neuablagerung von Cuticularsubstanz an seiner Basis. Das Haar ist ein vollkommen einheitliches Gebilde, an dessen Basis man keine Verdickung in Ge- stalt eines Cylinders sehen kann, wie solche von BREITENBACH an den auf dem Rüssel des Lepidopteren stehenden Haaren beschrieben werden und an andern Stellen von Vanessa auch zur Beobachtung kamen. Die Oberfläche des Haares ist glatt. Die Retinula haben wir auf einem Stadium verlassen, auf dem sie schon die Zusammensetzung aus sieben Zellen aufwies, von denen eine central gelegen ist (cf. Fig. 12 Z). Sie ist also in diesem Stadium ein solider Zellenklumpen, der, wie oben erwähnt, nicht die ganze Breite der Epidermis durchzieht. Bald wird aber die Gruppirung der Zellen eine andere, indem die sechs peripheren Retinulazellen die centrale Zelle in ihren Verband aufnehmen, so dass wir nun sieben peripher um eine helle Axe angeordnete Zellen erhalten, welche als erstes Entwicklungsstadium des Rhabdoms aufzufassen ist (Fig. 12). Die Gestalt der Retinula ist im Allgemeinen eine cylindrische, doch ist das distale und proximale Ende derselben verjüngt und letzteres zieht sich in ältern Stadien in eine dünne Spitze aus, die von der Basal- Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 459 membran begrenzt wird und mit den unter derselben stehenden Gan- glienzellen durch eine Oeffnung in der Basalmembran in Verbindung tritt (Fig. 13). In der Höhe der Kerne weist die Retinula eine geringe Verdickung auf, die distal- und proximalwärts allmählich ab- nimmt. Die Kerne der Retinulazellen sind nicht in gleicher Höhe gruppirt, wie aus Fig. 12 und 13 ersichtlich, so dass wir in ältern Stadien nie alle Kerne auf einem Querschnitt der Retinula erblicken können. In jüngeren Stadien ist dieses Verhalten der Kerne eher zu beobachten, und hier setzten sie hauptsächlich die mittlere Kernzone der Epidermis zusammen. Im Laufe der weitern Entwicklung rücken nun ein oder zwei Kerne proximalwärts, um an dem basalen Ende der Retinula zu verbleiben und hier eine kleine Anschwellung der Retinula zu verursachen (Fig. 7, 9 und 13). Ob die diese Kerne enthaltenden Zellen in besonderer Beziehung zu den mit der Retinula verbundenen zwei Ganglienzellen stehen, lässt sich schwer beantworten. Die Zellen betheiligen sich an der Bildung des Rhabdoms wie die übrigen Retinulazellen. Auffallend ist jedenfalls die constante Lage- rung von mindestens einem Kern in der Nähe dieser Ganglienzellen, und es dürfte vielleicht möglich sein, dass die dazu gehörenden Zellen die Vermittlung der Retinula mit den Ganglienzellen übernommen haben. Das Hinunterrücken dieser Kerne findet um dieselbe Zeit statt, in welcher jedes Ommatidium an der Basalmembran mit zwei Ganglien- zellen in Verbindung tritt. Rücksichtlich der in der Literatur über die Bildung der Retinulae vorkommenden Notizen ist zu erwähnen, dass GRENACHER über den Bau der Retinula an den Tagschmetterlingen zu keinem bestimmten Resultat gelangt ist (l. c. p. 98 f). Lowne (8) führt für die Be- zeichnung „Retinula“ den überflüssigen Namen „Facellus“ ein und behauptet, dass derselbe aus sieben Zellen zusammengesetzt sei Be- züglich der Entstehung des Rhabdoms ist GRENACHER zu dem Resultat gekommen, dass dasselbe ein Ausscheidungsproduct der Retinula ist, und zwar „verschmelzen die Stäbchensäume sämmtlicher Retinulazellen zu einem axialen, scheinbar einfachen Stab, dem Rhabdom!) 1) Ich habe mir erlaubt, Grenacuer’s Definition des Rhabdoms wörtlich anzuführen, weil sich in der Literatur eine Unkenntniss dessen bemerkbar gemacht hat, was unter „Rhabdom“ zu verstehen ist. Die Arbeit von LEBEDInskY (24) bringt über das Facettenauge die interessante Mittheilung, dass „die ganze Schicht der Ganglienzellen“, die mit den Ommatidien in Verbindung treten, als „rabdom“ bezeichnet werde Wie der Verfasser zu einer derartig abweichenden Auffassung gekommen, ist räthselhaft. [4 460 HERMANN JOHANSEN, (l. c. p. 77), an dem man auf Querschnitten zuweilen noch Spuren der Trennungslinien nachweisen kann“. PATTEN (I. c. p. 200) hält das Rhabdom für einen Fortsatz des Krystallkegels. Meine Beobachtungen über das Auftreten des Rhabdoms sind folgende. Nachdem sämmtliche Retinulazellen sich peripher angeordnet haben, tritt zwischen denselben eine hellere Plasmamasse auf, die als solche längere Zeit unverändert bestehen bleibt. Gegen Ende der Puppenzeit macht sich an diesem Plasma eine Veränderung bemerkbar, indem es stärker lichtbrechend wird und sich gegen das Protoplasma der Retinulazellen schärfer absetzt. Eine ‚Ausscheidung von Seiten der Retinulazellen ist nicht zu bemerken, auch habe ich mit den stärksten mir zur Verfügung stehenden Systemen keine Trennungs- linien an dem Rhabdom wahrnehmen können. Das Rhabdom ist ein einfacher Stab, der an dem der Basalmembran zugekehrten Ende sich plötzlich zu einem kleinen Cylinder erweitert (Fig. 9), wie ein solcher auch bei andern Arthropodenaugen nachgewiesen ist. Eine Fortsetzung des Krystallkegels ist das Rhabdom nicht; beide sind voll- kommen verschiedene, von einander absolut unabhängige Bildungen. Ich glaube rücksichtlich des Rhabdoms auf Grund meiner Unter- suchungen der Auffassung beistimmen zu müssen, die von v. KENNEL (31, p. 20) auf die Sehstäbchen der verschiedensten Augen ausgedehnt ist: dass dieselben keine Cuticularsubstanz sind, sondern ein integriren- der, lebender Theil der Retinulazellen, der durch das Licht in Thätig- keit versetzt wird. „Sie sind zu einseitiger physiologischer Function metamorphosirtes Protoplasma, gerade wie die Muskelsubstanz einer Zelle auch; diese hat in exquisitem Maasse die Fähigkeit der Con- tractilitat, jene die der specifischen Sensibilität erhalten.“ Da ich das Rhabdom nicht auflösen konnte, bin ich geneigt anzunehmen, dass das Sehplasma der Retinulazellen zu einem einheitlichen Organ, einem Sehplasmastab, zusammentritt, obgleich es immerhin möglich ist, dass bessere Untersuchungsmethoden auch hier sieben einzelne Seh- stäbe erkennen lassen werden. Der Krystallkegel ist nicht der licht- empfindliche Apparat, wie es PATTEN (18) angiebt, sondern hat nur die Lichtstrahlen zu brechen. Die Lage des Pigments am proximalen Ende der Krystallkegel, in besonders starker Anhäufung in den Pigment- zellen 1. Ordnung, weist jedenfalls darauf hin, dass hier der das Om- matidium treffende Lichtstrahl durch das so gebildete Diaphragma auf das Rhabdom zu wirken hat. Die am stärksten pigmentirte Stelle im Ommatidium befindet sich am spitzen Ende des Krystall- kegels, Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 461 Die Mehrzahl der Autoren lässt das Pigment, das mehr oder weniger zum Schluss der Entwicklung in den Augen auftritt, in Ecto- dermzellen sich bilden, also in Zellen, die direct aus der Epidermis hervorgegangen sind. Dieser Anschauung sind GRENACHER, CLAUS, PATTEN und KiINGSLEY. Sie beschreiben, mit einziger Ausnahme von CLAUS, ausser den Retinulazellen als pigmentführend noch ganz be- sondere Zellen, die als Pigmentzellen erster (oder Hauptpigmentzellen) und zweiter Ordnung (oder Nebenpigmentzellen) unterschieden werden. Craus konnte (l. c. p. 53) überhaupt keine besondern Pigmentzellen nachweisen und sieht sich daher gezwungen, anzunehmen, dass die den Retinulae zugehörige Pigmentmasse im Protoplasma der „Stab- zellen“ selbst als Molecularsubstanz ausgeschieden wird. Nach An- schauung der meisten Forscher ist das auf diese Weise auftretende Pigment auch zugleich das bleibende, allein PATTEN stellt (1. c. p. 200) die Behauptung auf, dass das Pigment zuerst als vorübergehende Bil- dung in Gestalt paariger Flecken in der Nähe der Anfangs paarigen „Retinophoren“ auftritt und so lange erhalten wird, bis vier Retino- phoren da sind. Er sieht in dieser Bildung Anklänge an die Verhält- nisse der ,,Ocelli* der Insecten auf Grundlage des „biogenetischen Grundgesetzes“. BOBRETZKY (6) und REICHENBACH (17) leiten einen Theil der Pigmentzellen vom Mesoderm her. Meine eigenen Beobachtungen über das Auftreten des Pigments lehren mich Folgendes. In den letzten Tagen vor dem Ausschlüpfen der Imago sieht man in der Umgebung des Krystallkegels braunes, körniges Pigment auftreten, und zwar auf der Oberfläche der Pigment- zellen 1. Ordnung. Die Retinulazellen lassen auf Querschnitten an der Peripherie schwarze Pigmentkörner erkennen, die Querschnitte von Pigmentfäden, die dem Protoplasma der Retinulae aufliegen, in mehr proximalen Höhen dagegen allmählich zur Axe des ganzen Ge- bildes rücken und das Rhabdom wie ein schwarzer Ring umgreifen. Im Laufe der weitern Entwicklung tritt nun das Pigment in allen dasselbe führenden Zellen in grösserm Maasse auf. Eine Pigment- bildung unterbleibt bloss in den distalen Enden der SEemper’schen Zellen, deren Protoplasma durch die Ausscheidung der Krystallkegel und der mächtigen Corneafacetten auf ein Minimum reducirt ist, und in den Haarzellen, die völlig unpigmentirt, ihre durch Grösse auf- fallenden Kerne noch in den spätesten Stadien deutlich erkennen lassen. Die Kerne der Pigmentzellen 1. Ordnung sind proximalwärts gewandert, ihre zur Axe des Ommatidiums schräge Lage bewahrend (Fig. 11, 12, 13 und 14), und jede Zelle umfasst die Hälfte des Krystallkegels. Zool. Jahrb. VI. Abth. f, Morph. 30 462 HERMANN JOHANSEN, Auffällig stark pigmentirt sich der am spitzen Ende des Krystallkegels gelegene Theil derselben. Die Pigmentzellen 2. Ordnung lassen ihre Kerne distalwärts wandern, wo man sie in der Höhe der Retinula- zellkerne antrifft (Fig. 12 und 13). Die Form dieser Zellen ist eine mehr oder weniger prismatische; die Querschnitte derselben sind in den am meisten distal gelegenen Theilen annähernd dreieckig (Taf. 23, Fig. 12), doch geht diese Form in der Mitte und noch mehr im proxi- malen Theil im Laufe der Entwicklung in eine runde über. In den Pigmentzellen 2. Ordnung und in den Retinulazellen tritt ein gelblich- braunes Pigment auf, das aber nicht so dunkle Nuancen annimmt wie in den Hauptpigmentzellen und in den distalen Theilen der Pigmentzellen 2. Ordnung dichter ist. Wenn wir uns die Frage vor- legen, woher dieses Pigment stammt, so muss es natürlicher Weise als Ausscheidungsproduct der dasselbe führenden Zellen aufgefasst werden, und damit könnte die Frage nach dem Ursprung des Pigments als erledigt angesehen werden, wenn nicht Erscheinungen in andern Gebieten der pupalen Gewebe, die durch Ganin (7) entdeckt und deren Bedeutung von METSCHNIKOW (14) und KOwALEwSKY (21) in vollem Maasse erkannt wurde, unsere Aufmerksamkeit auf das Schicksal der Raupenaugen und des in denselben enthaltenen Pigments lenkten. Wir haben gesehen, wie sich die Larvenaugen von der Epidermis lösten, und jetzt kann die Betrachtung der Rückbildungen derselben folgen. Die Untersuchungen von PANKRATH (28) haben unsere Kenntnisse über den Bau der Raupenaugen wesentlich gefördert, und die folgenden Bezeichnungen der einzelnen Theile derselben sind diesem Autor ent- lehnt. Am Raupenauge haben wir unter den Zellen und deren Aus- scheidungsproducten folgende Theile zu unterscheiden: die Cornea, den aus drei grossen Zellen zusammengesetzten „Umhüllungskörper“, den Krystallkörper und die aus sieben Zellen bestehende Retinula. Nachdem die Raupenaugen sich als ganzer Complex von den Epidermis- zellen getrennt haben, finden wir sie in ihrer Form nicht wesentlich verändert, aber ohne Cornea, die im Zusammenhang mit der übrigen Chitinbekleidung der Raupe bleibt, dicht unter der Epidermis im Kopfblasenraum, mit ihren basalen Theilen dem Ganglion opticum aufliegend und dorsal und ventral von zwei dem optischen Ganglion entspringenden und zur Epidermis ziehenden Nervenbündeln begrenzt (Taf. 23, Fig. 1). Die Raupenaugen lassen ihre Bestandtheile mehr oder weniger deutlich erkennen, es ist in ihnen noch keine Veränderung vor sich gegangen. Bald macht sich innerhalb eines jeden Ocellus eine Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 463 Trennung in zwei Abschnitte bemerkbar. Es tritt ein Spalt auf, dem zu Folge der distale Abschnitt der Raupenaugen, der aus den fast gleichartig plasmatischen Enden der grossen Zellen des „Umhüllungs- körpers“ besteht, mit einem grossen Theil des Pigments dieser Zellen von den übrigen Theilen abgetrennt wird. Die Trennungslinie geht quer durch den Ocellus, etwas distal von dem Krystallkörper, der durch einen feinen Protoplasmasaum gegen den Spalt abgegrenzt er- scheint. Dieser Spalt wird nun immer grösser, je mehr sich die dem optischen Ganglion aufsitzenden Theile der Augen mit demselben von der Epidermis bei der Kopfblasenbildung entfernen. Die Ablösung der distalen Theile der Raupenaugen von den proximalen ist als erstes Stadium des Zerfalls der Raupenaugen zu bezeichnen. Das zweite Stadium besteht darin, dass die abgetrennten distalen Theile derselben sich zu rundlichen, grossen Klumpen einer homogenen Grundsubstanz zusammenballen, in welcher beträchtliche Mengen von Pigment ange- häuft sind. Diese protoplasmatischen Pigmentballen bezeichnen bis zum Beginn der Verpuppung den Weg, den die übrigen Theile der Raupenaugen auf ihrer Wanderung durch den Kopfblasenraum zurück- gelegt haben (Taf. 24, Fig. 15). Die dem Ganglion opticum auf- sitzenden Theile der Raupenaugen lassen während des Processes der Verpuppung keine besondern Veränderungen wahrnehmen. Ihr Ab- stand von der Epidermis wird grösser; ihre Form bleibt aber dieselbe, mehr oder weniger cylindrische, langgestreckte. Bald nachdem die Raupenhülle abgestreift ist, verschwindet die cylindrische Form des Raupenaugencomplexes immer mehr. Die Augen scheinen in sich selbst zusammenzufallen; sie erscheinen nicht mehr als ein dem optischen Ganglion aufsitzendes langgestrecktes Gebilde, sondern platten sich immer mehr ab und stellen nur rundliche Vorsprünge auf dem- selben dar, bis schliesslich (Stadium einer Puppe von 11/, Tagen, Fig. 17 und 22) auch diese Form verloren geht und dieselben gar keine Erhebungen an den Umrissen des Ganglions mehr bilden. Diese Erscheinung hängt einerseits mit den an den Raupenaugen vor sich gehenden Veränderungen zusammen, andrerseits werden die durch die Raupenaugen gebildeten Vorsprünge durch Wachsthumsprocesse im Ganglion selbst und dadurch bedingte Formveränderung ausgeglichen. Die Ansatzstelle der Raupenaugen am Ganglion unterliegt auch mit der Zeit, durch Wachsthumsvorgänge in demselben bedingt, einer Ver- lagerung, indem das ganze Ganglion sich immer mehr in seinen vordern Theilen entfaltet, so dass die Raupenaugenreste scheinbar auf dem Ganglion nach hinten wandern. Die geschilderten Rückbildungen der 30* 464 HERMANN JOHANSEN, Raupenaugen werden durch die Leukocyten hervorgebracht, die hier als Phagocyten wirken. Sie sind bei der Kopfblasenbildung in grossen Mengen aus der Leibeshöhle in dieselbe gerathen, und ihnen kommt nach den Untersuchungen der genannten russischen Forscher eine hohe Bedeutung durch die Zerstörung der larvalen Organe zu. Wir sehen nun zuerst in auffälliger Weise die Thätigkeit der Phago- cyten an den aus den vordern Teilen der Raupenaugen hervorge- gangenen pigmentführenden Protoplasmaballen (Taf. 24, Fig. 16), die nach vollendeter Verpuppung schon von den Phagocyten in kleine Theile zerstückelt sind und nun im Leibe derselben in verschiedenen Theilen des Kopfblasenraums, meist in der Nähe der Epidermis, anzu- treffen sind. Aber nicht nur diese Theile der Raupenaugen werden von den Phagocyten aufgenommen und unterliegen in deren Protoplasma Um- wandlungsprocessen, in Folge deren das Anfangs tiefschwarze Pigment allmählich in ein bräunliches verwandelt wird, sondern auch für die übrigen Theile der Raugenaugen gilt die Zerstörung von Seiten der Phagocyten, wenn auch nicht in so auffallender Weise, wie es bei den ganz ungeschützten, nach allen Seiten freien Zutritt gewährenden Protoplasmaballen der Fall ist. Die dem Ganglion opticum aufsitzenden Theile der Raupenaugen sind dorsal und ventral durch die ihnen sich anschmiegenden, dicken Nervenbündel, die als Imaginaltheile keiner Zerstörung von Seiten der Phagocyten unterliegen, gegen Angriffe von Seiten derselben geschützt (Taf. 24, Fig. 15). Mit ihrer Basis sitzen sie unmittelbar dem Ganglion auf, und an ihrer zur Epidermis gewandten Seite sind die Krystallkörper wieder die den Phagocyten die Thätigkeit erschwerenden Momente, so dass es vollkommen ver- ständlich erscheint, wenn die dem Ganglion ansitzenden Theile der Raupenaugen eine relativ längere Zeit den Phagocyten Widerstand leisten. Dass die Krystallkörper der Raupenaugen von den Phago- cyten nicht aufgenommen und resorbirt werden, beweist die Thatsache, dass ich dieselben noch im letzten Stadium, im Rindenbeleg des Gan- glions, von einer geringen Menge Pigment umgeben, als letzten Rest der Raupenaugen auffinden konnte. Die Deutung der einzelnen Stadien der Phagocytenthätigkeit fällt nicht schwer, sieht man sie doch un- mittelbar dem zu zerstörenden Gewebstheile, besonders dem uns hier interessirenden Pigment (Taf. 24, Fig. 16 und 17) anliegend, mit pseudopodienartigen Fortsätzen in dasselbe eindringen und darauf mit Theilen desselben in verschiedener Weise beladen im Raum der Kopf- blase herumwandern. Zuweilen nehmen die Phagocyten einen fast Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 465 ihren ganzen Leib anfüllenden Pigmentballen in sich auf, der Anfangs vollkommen einheitlich erscheint, im Laufe der Wanderung zur Epi- dermis aber einen offenbar durch die Thätigkeit der Phagocyte be- wirkten Zerfall in kleinere Pigmentmassen erkennen lässt. Hervor- zuheben ist, dass das Anfangs tiefschwarze Pigment nach dem Zerfall im Innern der Wanderzelle einen immer hellern Farbenton annimmt, bis es völlig mit dem in den proximalen Theilen der Epidermis vorüber- gehend auftretenden Pigment übereinstimmt, so dass schon in Folge dieses Uebereinstimmens in der Farbe des Pigments sich die Ver- muthung aufdrängt, dass das Pigment in beiden Theilen das gleiche ist In dieser Vermuthung werden wir um so mehr bestärkt, als wir an der Epidermis die mit ganz feinen Körnchen des gelbbraun ge- wordenen Pigments in grosser Menge beladenen Phagocyten in un- mittelbarer Berührung mit der Epidermis treten sehen. Ich möchte die Vermuthung aussprechen, dass die Phagocyte nicht bloss das Pigment der Epidermiszelle übergiebt, sondern selbst von der letztern aufgenommen wird. Die Epidermiszellen vergrössern sich im Laufe der Entwicklung, und es muss ihnen reichliche Nahrung zu diesem Zweck zugeführt werden. Ich bin der Ansicht, dass das Wachsthum der Epidermiszellen ausser auf Kosten der aus der Kopfblasenhöhle filtrirten Nährflüssigkeit, die bald resorbirt wird, noch auf Kosten der mit den Trümmern der verschiedensten larvalen Organe erfüllten Phagocyten vor sich geht, muss dabei aber betonen, dass die pigment- führenden Phagocyten nicht etwa selbst zu Pigmentzellen 1. und 2. Ordnung werden. Sie dienen eben nur als Nahrung für die Epi- dermiszellen, die mit diesen Zellen das in ihnen enthaltene Pigment aufnehmen und allmählich in das Pigment der Imago überführen. Bei dieser Umbildung wird das Pigment für einige Zeit, wahrschein- lich in Folge chemischer Umwandlungen in der Substanz des Pigments, unsichtbar, um darauf in den Epidermiszellen der Augen als bleiben- des Pigment ausgeschieden zu werden. Zu bemerken ist, dass das Pigment nicht bloss den sich zum Auge umbildenden Zellen übergeben wird, sondern der gesammten Epidermis, so dass erstere nicht als ein gesonderter Theil der Epidermis hinsichtlich des Pigments zu be- trachten sind. In beiden Theilen kommt es zur Verwendung, indem es in dem einen Fall zum Pigment der Augen wird, im andern Fall dagegen in das in den gewöhnlichen Epidermiszellen der Imago anzu- treffende Pigment umgewandelt wird. Zwischen den Epidermiszellen habe ich-im Ganzen recht selten Leukocyten angetroffen. PATTEN berücksichtigt in seiner Darstellung der Entwicklungsvorgänge der 466 HERMANN JOHANSEN, Wespe die Thätigkeit der Phagocyten nicht. Eine dem von ihm auf- gefundenen vorübergehenden Pigment entsprechende Bildung habe ich nicht constatiren Können. Das optische Ganglion. Die Besprechung der Entwicklungsvorgänge am Ganglion opticum wird uns nicht in so ausführlicher Weise zu beschäftigen haben, wie das bei dem epidermalen Theil der Augenanlage der Fall war, weil wir es bei diesem Theil der Augen nicht mit einer absoluten Neu- bildung zu thun haben. Das Centralnervensystem der Imago geht be- kanntlich unmittelbar aus dem der Larve hervor, während die Om- matidien eine vollständige Neubildung sind. Die Entstehung des Centralnervensystems und somit auch des uns hier beschäftigenden optischen Ganglions fällt in den Bereich der Embryonalentwicklung und kann daher auch gar nicht im Plan dieser Untersuchung liegen, welche es bloss mit den während der Verpuppung vor sich gehenden Veränderungen an den Organen der Larve zu thun hat. Die in der Literatur vorhandenen Angaben über das optische Ganglion beziehen sich meist auf seine erste Anlage und haben daher, als die Embryonal- entwicklung beschreibend, kein besonderes Interesse für uns. Bei der Schilderung der Umbildungen, die das Ganglion opticum erfährt, bediene ich mich zur Bezeichnung der verschiedenen Theile desselben der von BERGER (9) eingeführten Benennungen, denen zu Folge wir am Ganglion zwei Haupttheile zu unterscheiden haben, „von denen der eine in directer, unzertrennlicher Beziehung zu dem Fa- cettenauge steht und mit der Sehstabschicht desselben zusammen die Retina des Facettenauges bildet, während der andere Theil sich mehr an das Gehirn anschliesst“ (p. 36). An der Retina (BERGER) können wir bei Vanessa urticae dieselben fünf Schichten unterscheiden, welche BERGER bei den verschiedenen Vertretern sowohl tracheater als branchiater Arthropoden constatirt hat, die aber in mannig- faltigster Weise angeordnet sein können und nach BERGER’s Unter- suchungen nicht einmal bei den Lepidopteren vollständig überein- stimmende Verhältnisse aufweisen. | Schon bei der sich zur Verpuppung anschickenden Raupe finden wir die ersten Spuren der Nervenbündelschicht in Gestalt eines dorsal und ventral von den Augen befindlichen und denselben dicht anliegenden Bündels von Nervenfasern, die, aus den peripheren Schichten des optischen Ganglions hervortretend, zu der in nächster Nähe be- findlichen Epidermis ziehen (Fig. 1). Mit der Ablösung der Raupen- Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 467 augen von der Epidermis sehen wir diese zwei Nervenbündel frei durch den nun entstandenen mächtigen Kopfblasenraum ziehen und an zwei Stellen, einer dorsalen und einer ventralen, mit der Epidermis durch Ganglienzellen in Verbindung treten (Taf. 24, Fig. 15). Zwischen diesen zwei Verbindungsstellen der Epidermis mit dem Ganglion opticum ist dieselbe vollständig frei von Ansatzstellen der Nervenfasern. Die Ursprungsstellen dieser zwei primitiven Nervenbündel liegen jederseits dicht neben den auf dem Ganglion sitzenden Raupenaugencomplexen in der Körnerschicht des ganglionären Theils der Retina, und so lange die Raupenaugencomplexe noch als frei in den Kopfblasenraum vor- springende cylindrische Gebilde zu erkennen sind, liegen die beiden Nervenbündel in ihrem ersten Verlauf denselben dicht an, um erst weiter distal, zu je einem Bündel verbunden bleibend, durch den Kopf- blasenraum zu ziehen und sich in der Nähe der Epidermis in zwei Bezirken, einem dorsalen und einem ventralen, dendritisch zu verzweigen. Nach vorn von der Basis der Raupenaugen gehen die Ursprungsstellen dieser zwei Nervenbündel in einander über, während nach hinten eine derartige Vereinigung derselben nicht wahrzunehmen ist, so dass die Raupenaugen an ihrer Basis von der Austrittsstelle der Nervenbündel in einem nach hinten offenen Halbkreise umschlossen werden (Taf. 24, Fig. 18). Im Laufe der zwei ersten Tage nach der Verpuppung sehen wir im Bereich des Nervenbündellagers die Hauptveränderungen vor sich gehen, als deren Resultat die Anfüllung des Kopfblasenraumes mit den reich verzweigten Theilen der Nervenbündelschicht erscheint (Taf. 24, Fig. 19). Diese Veränderungen spielen sich im vordern Theil des - optischen Ganglions ab, so dass die Raupenaugen scheinbar immer mehr an den hintern Rand des Ganglions rücken. Gleich vor der Ver- bindungsstelle des ersten Nervenbündelpaares sehen wir zu Anfang des zweiten Puppentages, dem ersten dicht anliegend, ein zweites Nerven- bündelpaar, aufgetreten, dessen basale Theile gleichfalls mit einander und auch mit den Anfangstheilen des ersten Nervenbündelpaares in Verbindung stehen, d. h. alle vier Nervenbündel nehmen ihren Ursprung dicht neben einander im Ganglion opticum, ohne dass dieselben durch dem Ganglion angehörende Zellen von einander geschieden wären. Das zweite Paar besteht gleichfalls aus einem dorsalen und einem ventralen Stamm, die sich an der Epidermis in entsprechenden Regionen reichlich verzweigen'). Diesen ersten Paaren von Nervenbündeln folgen 1) Die Erkenntniss dieser Verhältnisse verdanke ich der Recon- struction von Serien, die ich mit Hülfe des in der Einleitung erwähnten 468 HERMANN JOHANSEN, nun bald mehrere, und wir sehen dieselben mit ihren Verzweigungen, von denen jede mit der Epidermis in Beriihrung steht, in kurzer Zeit den Kopfblasenraum erfüllen, wobei zugleich die Umrisse des Ganglion opticum auf seiner Körnerschicht eine Reihe von Vorsprüngen auf- weisen, die die Austrittsstellen der Nervenbündel aus dem „ganglionären Theil der Retina“ sind (Fig. 20). Im vordern Theil des Ganglions liegen die Austrittsstellen der einander entsprechenden dorsalen und ventralen Nervenbündel ziemlich genähert, während sie nach hinten zu immer mehr aus einander weichen und in den hintersten Regionen des Ganglions, etwa in der Mitte zwischen den dorsalen und ventralen Theilen, den Raupenaugencomplex erkennen lassen. Bis zum Auf- treten von 12 Nervenbündeln lassen sich diese Vorgänge sehr gut verfolgen, während später die Verhältnisse weniger deutlich wahrzu- nehmen sind, weil die Verzweigungen in grosser Menge auftreten und auch der Kopfblasenraum durch das grösser werdende Ganglion ein- geengt wird. Die Verzweigung der Nervenbündel und das Auftreten neuer Paare derselben ist auf eine Spaltung der ursprünglichen zwei ersten Nervenbündel zurückzuführen, und zwar erfolgt die Spaltung in centripetaler Richtung (Taf. 24, Fig. 19), so dass wir an den distalen Theilen der Nervenbündelschicht immer die meisten Ver- zweigungen antreffen, während die Stämme zum ganglionären Theil der Retina hin sich immer mehr vereinigen. Wir sehen weder ein Hervorwachsen neuer Nervenbündel aus der Substanz der Körner- schicht, noch eine centrifugale Bildung von Seitenzweigen an den ältern Nervenbündeln, sondern die ganze complicirte Verzweigung kommt in der Weise zu Stande, dass von der Peripherie zum Centrum hin die ursprünglich verbundenen Nervenbündel von einander getrennt werden. Indem die dieselben mit den Ommatidien verbindenden Ganglien- zellen sich vermehren, erhält jede derselben eine Nervenfaser, und von hier aus geht der Zerfall der Nervenbündel in centripetaler Richtung immer weiter, Auf diese Weise entstehen auch die auf dem Ganglion von einander getrennten Ursprungsstellen der Nervenbündel, indem die Körnerschicht des Ganglions, wenn eine Zertheilung des Nerven- bündels bis an die Peripherie der Körnerschicht gelangt ist, durch Vermehrung ihrer Elemente die Vereinigungsstelle der Nervenbündel „rocking microtome“ angefertigt habe. Mit diesem Instrument allein war es mir möglich, lückenlose Serien durch halbirte Puppenköpfe zu erhalten, die mit der Chitinhülle geschnitten wurden. Eine Entfernung des Chitins in jungen Stadien ist ohne Beschädigung der darunter liegenden Gewebe kaum möglich. Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 469 aus einander schiebt, so dass dieselben scheinbar einen gesonderten Ur- sprung im Ganglion erhalten, der aber nur durch das eingeschaltete Wachsthum der Elemente der Körnerschicht bedingt ist. Hier finden wir in mittlern Stadien häufig karyokinetische Figuren. An der Ober- fläche der Körnerschicht des Ganglions kann man auf Querschnitten mittlerer Stadien stets eine Zone ohne Austrittsstellen von Nerven- bündeln auffinden, die die Trennung zwischen dorsalen und ventralen Nervenbündeln angiebt. Diese Grenze hört erst in den letzten Stadien auf, wo die Verzweigung derartig zugenommen hat, dass die Nerven- bündel, dicht an einander gedrängt, aus der Körnerschicht austreten. Die Auflösung der ursprünglich recht starken Nervenbündel in zahl- reiche von geringerm Durchmesser scheint durch die Phagocyten be- wirkt zu werden, die man an den Verzweigungsstellen häufig erblicken kann (Fig. 21 und 25). Sie resorbiren einerseits das die Nerven- bündel einhüllende Gewebe, das einen dünnen, mit spindelförmigen Kernen versehenen Ueberzug derselben bildet, und scheinen andrerseits wieder selbst zu Bindegewebszellen zu werden, indem sie sich ab- platten und die aus der Theilung hervorgegangenen dünnen Nerven umgeben. Dieses durch Phagocyten bewirkte Lostrennen der Bündel von einander wird durch eine Vermehrung der Bindegewebszellen innerhalb eines Bündels vorbereitet, die, in centripetaler Richtung sich vermehrend, in die dicksten Nervenbündel hineinwandern. ~ PATTEN (19) ist der einzige Autor, der die Entstehung des Nerven- bündellagers aus einem dorsalen und einem ventralen Stamm constatirt hat und dessen Angaben ich bestätigen kann; auf eine ausführlichere Beschreibung der Wachsthumsvorgänge des Nervenbündellagers geht er aber nicht ein. Die dünnen distalen Enden der Nervenbündel bilden Ganglienzellen, von denen gegen Ende der Entwicklung je zwei!) dicht neben einander unter einer Retinula zu stehen kommen und mit derselben durch feine Fortsätze in Verbindung treten. Auf mittlern Entwicklungsstadien sind diese Ganglienzellen mehr oder weniger un- regelmässig unter der Basalmembran angeordnet. Später wird aber die Lagerung eine äusserst regelmässige, und die beiden Ganglien- zellen lagern sich derartig dicht an einander, dass sie den Eindruck eines einheitlichen Apparates machen, welcher von dem von der Retinula stammenden Fortsatz wie durchbohrt erscheint (Fig. 23). Kurz vor dem Ausschlüpfen der Imago ist die Nervenbündel- schicht durch eine durchlöcherte Chitinmembran gegen die Körner- 1) In meiner vorläufigen Mittheilung (32) befindet sich ein Fehler; auch dort muss es so heissen: zwei Ganglienzellen. 470 HERMANN JOHANSEN, schicht des ganglionären Theils der Retina abgegrenzt. Diese Membran setzt sich in continuo in die das ganze Ganglion opticum und das Gehirn bekleidende chitinige Hülle fort und auf etwas jüngern Stadien auch auf die basalen Theile der Nervenbündel. Die Nerven treten nicht bloss in feinen Fasern durch diese Membran aus der Körnerschicht hinaus, sondern auch in grössern Bündeln. Die Chitinmembran er- scheint dann in grösserer Ausdehnung unterbrochen. BERGER macht darauf aufmerksam, dass bei Pieris brassicae sämmtliche Schichten der Retina, mit Ausnahme der Molecularschicht, ein schwarzes Pigment enthalten. Ich konnte an Puppen von Vanessa, die kurz vor dem Ausschlüpfen sich befanden, bloss in der Nervenbündelschicht Pigment nachweisen, während die Körner- und Ganglienzellenschicht gänzlich unpigmentirt sind, so dass ich an Vanessa zu demselben Resultat ge- langt bin, zu dem BERGER an Cossus ligniperda und Macroglossa stellatarum kam. Das in der Nervenbündelschicht auftretende Pigment ist genau von derselben Beschaffenheit wie das der Retinulazellen. Bezüglich der auf die Nervenbündelschicht folgenden Theile des optischen Ganglions ist zu bemerken, dass dieselben schon in den jüngsten Stadien zu erkennen sind. Das sind die nach BERGER als „ein in seinem Baue modificirter Theil des Rindenbelegs“ aufzufassen- den Körner- und Ganglienzellenschichten, die durch die Molecularschicht von einander getrennt sind und zusammen das bilden, was BERGER mit „ganglionärer Theil der Retina“ bezeichnet (Fig. 20, 22 und 23). Die Molecularschicht oder das äussere Marklager besteht bloss aus Nervenfasern ohne einge- lagerte Ganglienzellen, während in der die Hauptmasse des optischen Ganglions bildenden Marksubstanz oder dem innern Marklager Züge von Ganglienzellen anzutreffen sind (Fig. 22). Unter den Kernen der Körnerschicht und der Ganglienzellen- schicht erweisen sich bei genauerer Betrachtung gewisse Kerne als völlig übereinstimmend mit den Bindegewebskernen, die auf frühern Stadien im Ueberzug der Nervenbündel anzutreffen waren, als die- selben noch durch den Kopfblasenraum zogen. Solche Kerne findet man noch in den letzten Entwicklungsstadien an den aus der Körnerschicht tretenden Nervenbündeln (Fig. 23). Das Auffallende an diesen Kernen der Körner- und Ganglienzellenschicht besteht in der abweichenden Lagerung derselben im Vergleich zu den übrigen Ele- menten dieser Schichten; sie sind nämlich streng in der Richtung des Verlaufs der durch diese Schichten ziehenden Fasern der Nervenbündel orientirt und begrenzen die Nervenbündel gegen die Gruppen der Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 471 Ganglienzellen. Dieses Hineingerathen von Bindegewebszellen in die Elemente des Ganglions erkläre ich mir auf die Weise, dass das optische Ganglion bei seinem Wachsthum die Nervenbündel in sich aufnimmt und sich an den Nervenbündeln zur Epidermis hin aus- breitet. Dafür spricht auch die Gruppirung der Zellen in der Körner- schicht und noch mehr in der Ganglienzellenschicht. Die diese Schichten zusammensetzenden Ganglienzellen vermehren sich in der Richtung zur Peripherie. Die Fasern des Nervenbündellagers kommen auf diese Weise ins Innere des Ganglions, und nur die denselben ansitzenden Bindegewebszellen weisen noch auf ihr früheres, freies Verweilen im Kopfblasenraum hin. Die ganze mehr oder weniger radiäre Anordnung der Zellen in dem zu den Ommatidien gekehrten Theil des Rinden- belegs des optischen Ganglions ist bedingt durch den Verlauf der Nervenbündel, die diese Schichten durchziehen. Die Zellen dieser Schichten können sich nur zwischen den Nervenbündeln vermehren, und fasst man die Lage der Nervenbündel als primär auf, so ergiebt sich die Anordnung der Zellen im Rindenbeleg in sehr einfacher Weise. Vanessa urticae weist rücksichtlich des Baues und der gegenseitigen Lagerung der Theile des Ganglion opticum Verhältnisse auf, die am meisten mit den von BERGER an Pieris brassicae constatirten überein- stimmen. Auch hier „fällt die Ganglienzellenschicht schon innerhalb der Begrenzungslinie des Rindenbelegs“ (BERGER, |. c. p. 23). Nachdem wir nun die am meisten auffallenden Veränderungen am Ganglion opticum, die in den Bereich der pupalen Entwicklungsperiode fallen, besprochen haben, bleibt uns nur übrig, darauf hinzuweisen, dass die Veränderung in den übrigen, nach BERGER mehr zum Gehirn gehörenden Theilen des optischen Ganglions ziemlich geringfügiger Natur sind. Diese Theile, die als äusseres und inneres Marklager, keilförmiges Ganglion etc. bezeichnet werden, können schon in frühen Stadien erkannt werden und lenken die Aufmerksamkeit in keiner Weise auf sich, da dieselben sich nur zu vergrössern scheinen, indem die sie zusammensetzenden Elemente sich vermehren. Zum Schluss bin ich die Mittheilung schuldig, dass ich die An- ordnung der Tracheen, die sich im Kopfblasenraum befinden und von dort sowohl in das Gehirn als auch in das Ganglion opticum ein- dringen und auch in Beziehung zu dem epidermalen Theil der Augen treten, nicht verfolgt habe, weil die Untersuchungsmethode nur die stärksten Stämme derselben erkennen liess, während die übrigen Ver- zweigungen derselben sich vollständig der Beobachtung entzogen. 472 HERMANN JOHANSEN, Schluss. Die Zusammenfassung der Resultate meiner Untersuchung ergiebt Folgendes : 1) Die Ommatidien gehen aus der einschichtigen Epidermis der Larve hervor. In der Epidermis kommt keine Einstülpung vor, wie eine solche von PATTEN an der Wespe beschrieben wird. 2) Die das Ommatidium zusammensetzenden Zel- len sind: 4 ,Semper’sche“ Zellen, 7 Retinulazellen, 2 Hauptpigmentzellen, 2 Ganglienzellen. Jedes Om- matidium wird von 6 Pigmentzellen 2. Ordnung um- geben, doch gehören dieselben zugleich auch benach- barten Ommatidien an. 3) Die „Semper’schen“ Kerne liegen ursprünglich proximal von den Kernen der Hauptpigmentzellen. 4) Die „SeEmpErR’schen“ Zellen bilden Häutungshär- chen. 5) Die Cuticularhaare sind Ausscheidungen beson- derer, zwischen den Ommatidien zerstreut stehender Zellen. 6) Es lässt sich kein Zellenlager nachweisen, das getrennt von den Krystallkegelzellen die Ausscheidung der Cornealinsen übernimmt. 7) Die das Ommatidium zusammensetzenden Zellen durchziehen die ganze Länge desselben. Eine Aus- nahme machen die Retinulazellen. 8) Die Krystallkegel sind ursprünglich innere Aus- scheidungen der „SEMPER’Schen“ Zellen. 9) Das Pigment der Raupenaugen wird durch Wan- derzellen (Phagocyten) den Epidermiszellen übergeben. 10) Das Ganglion opticum wächst hauptsächlich in seinen peripheren Theilen, der Nervenbündelschicht und dem ganglionären Theil der Retina. 11) Die Nervenbündelschicht geht aus zwei pri- mitiven Nervenbündeln, einem dorsalen und einem ventralen, hervor. Indem wir nun die Resultate dieser Arbeit zu allgemeinern Be- trachtungen verwerthen, ist vor allem darauf hinzuweisen, dass die beiden Gruppen der Arthropoden, die branchiaten und die tra- Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 473 cheaten, sowohl Differenzen im Bau und in der Entwicklung des facettirten Auges erkennen lassen, als andrerseits auch der Bau der Augen im Allgemeinen ein so übereinstimmender ist, dass es schwer fällt, zu sagen, ob ein Schnitt durch ein ausgebildetes Auge einem Krebs oder einem Insect angehört. Obgleich es in Folge vergleichend- anatomischer und entwicklungsgeschichtlicher Gründe unmöglich er- scheint, die Tracheaten von den Branchiaten abzuleiten, so ist doch andrerseits das Vorkommen von facettirten Augen bei beiden Stämmen der Arthropoden eine zum mindesten sehr auffällige Er- scheinung. Wie aber vor kurzem J. v. KENNEL betont hat (30), bleibt nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass das zusammengesetzte Auge zweimal in verschiedenen Thierstämmen zur Ausbildung ge- kommen ist. Ich glaube nun, dass aus den Befunden, zu denen ich an Vanessa urticae gelangt bin, im Vergleich mit den Angaben der Autoren sich Schlüsse ziehen lassen, die die Unabhängigkeit des Auf- tretens der Facettenaugen in beiden Stämmen der Arthropoden wahr- scheinlich machen. Vor allem ist darauf hinzuweisen, dass bei den Crustaceen meist ein besonderes Zellenlager auftritt, das die Cornea- linsen ausscheidet, während bei den Tracheaten etwas derartiges nicht vorzukommen scheint und ein und derselbe Zellencomplex, die SEMPER- schen Zellen, die Ausscheidung der Cornealinsen und der Krystallkegel besorgt. Eine Ausnahme machen die Parren’schen Befunde an Vespa, die aber noch einer Bestätigung zu bedürfen scheinen. Ein weiterer Hauptunterschied bezieht sich auf die von verschie- dener Seite constatirten Einstülpungen, die in dem Stamm der Crusta- ceen ausser der Bildung des optischen Ganglions noch mit der Ent- wicklung des epidermalen Theils der Augen zu thun haben, während bei den Tracheaten derartige Einstülpungen nur auf die Entwicklung des Ganglions in Embryonalstadien bezogen werden können. Die Wespe macht nach PATTEn’s Untersuchungen hier wiederum eine Aus- nahme, indem eine Faltenbildung innerhalb der Epidermis vor sich gehen soll. Ob dieselbe aber zu einem Verschluss kommt, ist nicht einmal von PATTEN selbst beobachtet worden, so dass diese Frage noch als offen zu betrachten ist. Da die am meisten übereinstimmenden Formen des zusammen- gesetzten Auges bei den höhern Krebsen und den höhern Insecten vorkommen, während die niedern Formen unter denselben recht ver- schiedenartige Bildungen aufweisen, so ist für die Ableitung der zu- sammengesetzten Augen zum mindesten ein doppelter Ursprung anzu- nehmen. Das zusammengesetzte Auge der Tracheaten erscheint als 474 HERMANN JOHANSEN, eine Anhäufung von Ocellen, und die Untersuchungen von PANKRATH über die Augen der Raupen- und Phryganidenlarven führen diesen Forscher zu derselben Folgerung, indem sich nach ihm aus den Augen der Raupen leicht die Augen der Phryganidenlarven und aus letztern leicht das Facettenauge ableiten lassen. Gegen diese Auffassung muss aber der Einwand erhoben werden, dass das Facettenauge als imaginales Organ nicht direct von Larvenaugen abgeleitet werden kann, denn letztere sind selbständige Bildungen, als Ersatz für welche die Imago das Facettenauge erhält. Zur Beurtheilung der phylogenetischen Ent- wicklung des Facettenauges der Tracheaten können nur imaginale Augen in Betracht kommen, und wir haben in den Myriapoden jeden- falls Formen, die rücksichtlich der Augen wohl am meisten Verhält- nisse aufweisen, die denen der Vorfahren der höhern Tracheaten am meisten ähnlich sind. Es ist zu bedauern, dass unsere Kenntnisse über den Bau und die Entwicklung dieser „gehäuften Ocellen“ noch so un- gemein lückenhafte sind. Jedenfalls erscheint aber soviel als sicher, dass wir hier die Bildung eines immer mehr einheitlich werdenden Organs durch Anhäufung von Einzelaugen als erwiesen betrachten können. Das Einzelauge der Vorfahren der höhern Tracheaten denke ich mir dem Auge der bekannten GRENACHER’schen Dytiscus-Larve ähnlich gebaut, nur mit dem Unterschiede, dass die Sehstäbchen des- selben, die sog. ,Rhabdomeren“, nicht am distalen Ende der Reti- nulazellen standen, sondern schon, wie bei Scorpio, seitliche Um- bildungen des Protoplasmas der Retinulazellen wurden. Aus einer Anhäufung solcher Ocellen ging das Facettenauge hervor, wobei mit der Vermehrung der das zusammengesetzte Auge bildenden Einzel- augen auch zugleich eine Verminderung der das Ommatidium bilden- den Zellen Hand in Hand ging. So blieben nur sieben Retinulazellen nach, und auch in den Glaskörperzellen machte sich eine Reduction geltend. Aus ihnen gingen die Semper’schen Zellen und die Pigment- zellen 1. Ordnung hervor. Die Pigmentzellen 2. Ordnung können bei dieser Auffassung sowohl aus Glaskörperzellen ihren Ursprung erhalten haben, als auch einfache Epidermiszellen darstellen. Die auf der Oberfläche des facettirten Auges unregelmässig zwischen Gruppen der Facetten (Fig. 24) stehenden Cuticularhaare sind Ausscheidungen von Zellen, die an der Ommatidienbildung nicht theilnehmen. Diese Haar- zellen können als letzte Reste der ursprünglich in grösserer Anzahl zwischen den Ommatidien stehenden gewöhnlichen Epidermiszellen auf- gefasst werden und bestätigen die Anschauung, dass die phylogenetische Entwicklung des Facettenauges der tracheaten Arthropoden auf eine Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 475 Anhäufung von Einzelaugen zurückzuführen ist. Diese Anhäufung ging im Laufe der phylogenetischen Entwicklung in die Bildung eines schein- bar einheitlichen Organs über, je mehr die die Einzelaugen oder aus der Umbildung eines Einzelauges hervorgegangene Gruppen derselben von einander trennenden Epidermiszellen nicht mehr zur Anlage kamen. Bei den Crustaceen muss das Facettenauge auch auf einfachere Bildungen zurückgeführt werden; es tritt hier aber nicht als ein Er- satz für Larvenorgane erst beim ausgebildeten Thiere auf und erscheint mir nicht aus einer Anhäufung schon vorhandener gleichartiger Augen hervorgegangen, wie das für das Auge der Tracheaten angenommen werden muss, sondern aus der Umgestaltung und Umbildung eines von Anfang an einheitlichen Organs, in welchem zum Zwecke höherer Leistungsfähigkeit eine Sonderung in eine Anzahl gleichwerthiger Theile, die Ommatidien, vor sich ging. Um die Bildung dieser Ommatidien schneller zu Stande kommen zu lassen, erscheint besonders bei den höhern Formen der Branchiaten die Bildung der Invagination eiuge- treten zu sein, die ja immer der Ausdruck einer abgekürzten Ent- wicklungsweise ist, wie schon die Gastrula durch Invagination als Abkürzung der Gastrula durch polare Einwucherung anzusehen ist. Bei den Tracheaten erscheint eine Invagination innerhalb der Epi- dermis vollkommen überflüssig zu sein, wenn man die Entstehung des Facettenauges derselben aus der Anhäufung von Einzelaugen annimmt. Das Resultat beider Bildungsweisen sind Organe, die im ausge- bildeten Zustand so übereinstimmende Verhältnisse zeigen, dass sie als das schönste Beispiel eines convergenten Entwicklungsganges betrachtet werden müssen. den 11. Juli 1892. Nachtrag bei der Correctur. Als das Manuscript schon abgesandt war, erhielt ich den sehr verspäteten Zoolog. Jahresbericht für 1890, der die mir bis dahin entgangene Mittheilung brachte, dass PATTEN in der Schrift: „Is the ommatidium a hair-bearing sense bud?“ (Anatomischer Anzeiger, 5. Jahrg.) verschiedene seiner früher gemachten An- gaben zurücknimmt, so besonders die äusserst wichtige, dass Krystallkegel und Rhabdom von denselben Zellen ausgeschieden werden. Ausserdem ist zu verzeichnen, dass PATTEN „haarartige Vorsprünge“ an den Krystallkegelzellen gefunden hat, die mit den an Vanessa und Sphinx von mir beschriebenen Häutungshärchen übereinstimmen dürften, 476 HERMANN JOHANSEN, Literatur. Semper, C., Ueber die Bildung der Flügel, Schuppen und Haare bei den Lepidopteren, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 8, 1857. CLAPARKDE, E., Zur Morphologie des zusammengesetzten Auges bei den Arthropoden, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 10, 1860. Weismann, A., Die nachembryonale Entwicklung der Musciden, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 14, 1864. — — Entwicklung der Dipteren, ibid. Bd. 16, 1866. Dourn, A., Untersuchungen über Bau und Entwicklung der Arthro- poden, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 20, 1870. Borretzxy, N., Entwicklung von Palaemon und Astacus (russisch), Kiew 1873. Ganin, Beiträge zur postembryonalen Entwicklung der Insecten (russisch), Warschau 1876. Lowxe, On the modifications of the simple and compound eyes of insects, London 1878. BerGer, Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthropoden, in: Arbeiten Zool. Instit. Wien, Bd. 1, 1878. BreirensacH, W., Untersuchungen an Schmetterlingsrüsseln, in: Arch. f. Microsc. Anat., Bd. 15, 1878. GRENACHER, H., Untersuchungen über das Sehorgan der Arthro- poden, Gottingen 1879. Rercuensacu, H., Die Embryonalanlage und erste Entwicklung des Flusskrebses, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 29, 1879. Batrour, Handbuch der vergleichenden Embryologie, Jena 1881. METSCHNIKOFF, E., Untersuchungen über die intracelluläre Verdauung bei wirbellosen Thieren, in: Arb. Zool. Instit. Wien, Bd. 5, 1884. Carrière, J., Die Sehorgane der Thiere, München und Leipzig 1885. Czaus, C., Untersuchungen über die Organisation von Branchipus und Artemia, in: Arb. Zool. Instit. Wien, Bd. 7, 1886. REICHENBACH, H., Studien zur Entwicklungsgeschichte des Fluss- krebses, in: Abhandlungen der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, Bd. 14, Frankfurt a/M. 1886. Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 477 Parrex, W., Eyes of Molluscs and Arthropods, in: Mittheilungen Zool. Stat. Neapel, 1886. — — Studies on the eyes of Arthropods. Development of the eyes of Vespa, in: Journ. of Morphol., Vol. 1, No. 1, Sept. 1887. Kınestey, J. S., The development of the compound eye of Crangon, in: Journ. of Morphol., Vol. 1, No. 1, 1887. Kowatewsky, A., Beiträge zur Kenntniss der nachembryonalen Ent- wicklung der Musciden, in: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 45, 1887. NussauM, L’embryologie de Mysis chamaeleo, in: Arch. Zool. Exper., TL: 9,1882 Lane, A., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie, Jena 1889. LEBEDINSKY, J., Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte einer Seekrabbe (Eryphia spinifrons), in: M&m. Soc. Natural. Nouv. Russ., Tom. 14, P. 2 (russisch), 1889. Herrick, F. H., The development of the compound eye of Alpheus, in: Zool. Anzeiger, 1889. Warase, S, On the migration of the retinal area and its relation to the morphology of the simple ocelli and the compound eyes of Arthropods, in: John Hopkins’ Univer. Circul., Vol. 9, No. 80, 1890. Parker, G. H., The history and development of the eye in the Lobster, in: Bull. Mus. Comp. Zool. Cambridge, 1890. PANKRATH, O. Das Auge der Raupen und Phryganidenlarven, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 49, 1890. KorscxezT, E., und Hiper, K., Lehrbuch der vergleichenden Ent« wicklungsgeschichte der wirbellosen Thiere, Jena 1891. v. Kenner, J., Die Verwandtschaftsverhältnisse der Arthropoden, in: Schriften d. Naturf. Gesellschaft Dorpat, 1891. — — Die Ableitung der Vertebratenaugen von den Augen der Anneliden, Dorpat 1891. JoHANSEN, H., Ueber die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa, in: Zool. Anzeiger, 15. Jahrg., No. 401, 1892. Zool. Jahrb. VI. Abth. f. Morph, on 478 HERMANN JOHANSEN, Erklärung der Abbildungen. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: bm Basalmembran. nb Nervenbündel. Sz Semrer’sche Zellen. go Ganglion opticum. pz. I Pigmentzellen 1. Ordnung. rp Raupenaugen. pe. II Pigmentzellen 2. Ordnung. kbr Kopfblasenraum. hz Haarzellen. rz Retinulazellen. kkk Krystallkegelklümpchen. ch Cuticularhaar. kk Krystallkegel. ph Phagocyten. ep Epidermis. Tafel 23. Fig. 1. Sich zur Verpuppung anschickende Raupe, sofort nach Beginn des Hängens fixirt. Schnitt durch die Epidermis, aus welcher sich ein Raupenauge löst. 88/1. Fig. 22 Raupe. Hängezeit 25 Stunden. Schnitt durch die sich in einem centralen Theil lockernde Epidermis der Augenanlage. 210/1. Das Pigment ist etwas zu röthlich wiedergegeben! Fig. 3. Puppe, 15 Stunden alt. Schnitt durch die Augenepi- dermis. 443/1. Fig. 4 Puppe, 15—18 Stunden alt. Schnitt durch die Augen- epidermis. 270/1. Fig. 5. Puppe, 1 Tag 12 Stunden alt. Schnitt durch die Augen- epidermis. 264/1. Beginn der Ommatidienbildung. Fig. 6. Sphinx euphorbiae. Junge Puppe. Ein Ommatidium im Längsschnitt. Fig. 7. Puppe, 2 Tage 1 Stunde alt. Längsschnitte der Om- matidien mit Häutungshärchen. 640/1. hh Häutungshärchen. Fig. 8. Schema eines Ommatidiums in Bildung. hh Häutungs- härchen. | Fig. 9. Schema eines ältern Ommatidiums mit seinen Aus- scheidungsproducten. c Cornealinse; g Ganglienzelle; rh Rhabdom. % Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. 479 Fig. 10. Puppe, 6 Tage 13 Stunden alt. Querschnitte der distalen Enden von 5 Ommatidien. 407/1. Zwei Corneafacetten, durch welche die Semrer’schen Zellen durchschimmern, und drei Ommatidien in der Höhe der Krystallkegelsegmente. Fig. 11. Puppe, 3 Tage 12 Stunden alt. Längsschnitte der distalen Enden von drei Ommatidien. 640/1. Bildung der Cornea- linsen c. Fig. 12. Puppe, 3 Tage 12 Stunden alt. Querschnitt durch alle Höhen der Ommatidien. 550/1. Cornealinsen c. Eine Retinula zeigt noch die centrale Lagerung eines Kerns z. Tafel 24. Fig. 13. Puppe, älteres Stadium, noch ohne Pigment. Längs- schnitt durch Ommatidien. 220/1. gz Ganglienzellen. Fig. 14. Puppe, 10 Tage alt. Querschnitte durch Ommatidien in der Höhe der proximalen Krystallkegelenden. 400/1. Fig. 15. Raupe. Hängezeit 14 Stunden. Schnitt durch die Epi- dermis, das Ganglion opticum, die Raupenaugen und Nervenbündel. 88/1. An zwei Raupenaugen sind die Krystallkörper sichtbar. pb Pigment- ballen. Fig. 16. Raupe. Hängezeit 30 Stunden. Schnitt durch zwei im Kopfblasenraum befindliche Pigmentmassen. 407/1. «a Pigmentballen, an welchem die Thätigkeit der Phagocyten eben begonnen; b distal von a befindliche Pigmentmasse, von den Phagocyten schon bedeutend zer- stückelt. Fig. 17. Puppe, 1!/, Tage alt. Schnitt durch die dem Ganglion opticum aufsitzenden Raupenaugenreste. Thätigkeit der Phagocyten. 40071. Fig. 18. Puppe, 1. Tag. Ansicht des Ganglion opticum mit den zwei ersten Nervenbündeln, dem dorsalen (d) und dem ventralen (y). a vorn; b hinten. Reconstruction. Zeichnung von A. v. STIEREN. Fig. 19. Puppe, 2 Tage 7 Stunden alt. Dicker Schnitt zur De- monstration der Verzweigung eines Nervenbündels. 88/1. x ein Zweig vereinigt sich mit dem Hauptstamm nicht in der Ebene des Schnittes. Fig. 20. Puppe, 3'/, Tage alt. Schnitt durch das Ganglion opticum. 88/1. „Ganglionärer Theil der Retina“ (Berger). nb basale Theile der Nervenbündelschicht; ks Körnerschicht; ms Molecularschicht ; gs Ganglienzellenschicht; rb Rindenbeleg des Ganglion opticum; mk Mark- substanz desselben. Fig. 21. Puppe, 2 Tage 16 Stunden alt. Schnitt durch eine Ver- zweigungsstelle eines Nervenbündels. 264/1. Bei x ist das Nerven- bündel schräg angeschnitten; sb spindelförmige Bindegewebskerne. Fig. 22. Puppe, 11/, Tage alt. Querschnitt des Gehirns und des Ganglion opticum in der Gegend der Raupenaugenreste. 88/1. SL? 480 HERMANN JOHANSEN, Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. oe Oesophagus der Imago, umgeben von Zerfallproducten des larvalen Oesophagus und Phagocyten; cm Commissur; gh Ganglienzellen und Fasersubstanz des Gehirns; rg angeschnittene Kerne von Riesenganglien- zellen; mk Marksubstanz des optischen Ganglions; rb Rindenbeleg des- selben ; ks Körnerschicht; ms Molecularschicht oder äusseres Marklager; gs Ganglienzellenschicht; zz angeschnittene Theile des Rindenbelegs. Fig. 23. Puppe, 6 Tage 13 Stunden alt. Schnitt durch den ganglionären Theil der Retina mit austretendem und sich mit den Om- matidien in Verbindung setzendem Nervenbündel. 264/1. Bezeichnung der Theile wie in Fig. 22 und 21. gz paarweise unter den Ommatidien stehende Ganglienzellen. Fig. 24 Puppe kurz vor dem Ausschlüpfen der Imago. Cornea- facetten mit den Querschnitten der basalen Theile der Cuticularhaare. 264/1. Rand des Auges. cs gewöhnliche Chitinhülle des Kopfes. Nachdruck verboten. Uebersetzungsrecht vorbehalten. Beiträge zur Kenntniss der Amphibienhaut. Von Dr. A. Schuberg, Privatdocent in Würzburg. Hierzu Tafel 25. 1. Ueber verästelte Hautdrüsen bei Amphibien. Die Hautdrüsen der Amphibien haben im Allgemeinen eine „sackförmige“* Gestalt, sie gehören dem „alveolären“ Typus (FLEMMING’s)!) an. Als Orte, wo ausnahmsweise Drüsen von „tubu- lösem‘“ Bau gefunden werden, sind folgende namhaft zu machen: der Daumenballen der Anuren, die Haftscheiben und Gelenkballen von Ayla arborea”), die Zehenenden von Salamandra atra, Triton, Bufo variabilis und Alytes obstetricans ?), die Cloake der Urodelen 4), sowie verschiedene 1) Fremmiıng, Ueber Bau und Eintheilung der Drüsen, in: Arch. Anat. u. Physiol., Anat. Abth., 1888. 2) SCHUBERG, Ueber den Bau und die Function der Haftapparate des Laubfrosches, in: Arb. Zool.-zoot. Inst. Würzburg, Bd. 10, 1891. — Daselbst finden sich auch die bezüglichen frühern Schriften von v. Wırrich, Leyvıg und Dewirz angegeben. 3) Vgl. besonders: Leypr@, Ueber den Bau der Zehen bei Batrachiern und die Bedeutung des Fersenhöckers, in: Morph. Jahrb., Bd. 2, 1876. 4) Leypic, Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien, in: Arch. mikroskop. Anat., Bd. 12, 1875; ferner: M. Hemernuary, Bei- träge zur Kenntniss der Topographie und Histologie der Cloake und ihrer drüsigen Adnexa bei den einheimischen Tritonen, in: Arch. mikr. Anat., Bd. 35, 1889; Notiz betreffend eine rudimentäre Drüse bei den Weibchen ‘der einheimischen Tritonen, in: Anatom. Anzeiger, Bd. 7, 1892. 482 A. SCHUBERG, Stellen des Kopfes bei mehreren Amphibienarten'). Mit Ausnahme einer einzigen Drüsengruppe am Auge von Batrachoseps, Desmognathus und Plethodon sind alle diese Drüsen stets einfach, unverästelt; und auch in diesem letztern Falle sind nur kurze Seitenäste zu beobachten, die sich anscheinend stets nur dicht vor dem blinden Ende des Drüsen- schlauchs ansetzen. „Gefächerte“ Drüsen, wie sie LeypıeG ?) und später P. Scnutrz*) in der Haut verschiedener Anuren sahen, sind keine wirklich mehrfachen Drüsenbildungen, sondern werden stets, wie schon Leypıg selbst angiebt, durch ungleichmässige Contraction der glatten Musculatur der Drüsen vorgetäuscht. Ich habe nun in der Haut der ventralen Seite der Zehen bei einem tropischen Laubfrosche verästelte Drüsen aufgefunden, von einer Form, wie sie in der Haut der Amphibien meines Wissens bisher noch nirgends angetroffen worden sind; es dürfte aus diesem Grunde viel- leicht nicht ohne Interesse sein, sie kennen zu lernen. Leider ist das Object meiner Untersuchung zu alt, als dass ich auf genauere histologische Details hätte eingehen können, reichte in- dessen immerhin vollständig aus, um wenigstens die eigenthümliche Form der Drüsen zu constatiren; letzteres möchte ich daher als meine eigentliche Aufgabe angesehen wissen. Das untersuchte Thier fand sich, zusammen mit andern tropischen Anuren, in einem Vorrathsglase des Würzburger Zoologischen Instituts, das ziemlich altes Material enthielt. Es trug angebunden eine Etikette mit der Bezeichnung. „Polypedates“. Eine Bestimmung nach der mir momentan zugänglichen Literatur, sowie ein Vergleich mit den in der Sammlung des Würzburger Instituts vorhandenen Anuren ergab eine völlige Identität mit einem Exemplare, das als Polypedates quadrilineatus Wiecm. bezeichnet ist und vor vielen Jahren von Dr. Assmann aus Java mitgebracht worden war. Allem Anscheine nach war das von mir benutzte Thier gleicher Herkunft und seiner Zeit als Doublette ausgeschieden worden. Nach der gegenwärtig üblichen Benennung ist 1) WıEDERSHEIM, Die Kopfdrüsen der geschwänzten Amphibien und die Glandula intermaxillaris der Anuren, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 27, 1876. 2) Leynie, Allgem. Bedeck. d. Amphibien, p. 87 (Sep.-Abdr.), sowie: Die anuren Batrachier der deutschen Fauna, Bonn 1877, und: Zum Integument niederer Wirbelthiere, in: Biolog. Centralbl., Bd. 12, 1892. 3) P. Sonurrz, Ueber die Giftdrüsen der Kröten und Salamander, in: Arch. mikroskop. Anat., Bd. 34, 1889. Beiträge zur Kenntniss der Amphibienhaut. , 483 es als Rhacophorus leucomystax GRAV., var. sexvirgata zu bezeichnen !) und gehört damit einer weit verbreiteten und nicht seltenen Species an. Es wird deshalb einem andern Forscher leicht möglich sein, die von mir nothgedrungener Weise vernachlässigten histologischen Details einmal nachzuliefern. Von solchen sind übrigens noch am Besten die Structurverhältnisse der Epidermis erhalten, was wohl nicht unver- ständlich ist. Von letztern habe ich bereits früher gelegentlich Einiges mitge- theilt 2). Ich fand nämlich, dass die eigenthümliche streifige Structur, die zuerst Leypie *) von Hyla arborea beschrieben hat, nicht nur wie bei diesem unsern einheimischen Laubfrosche bloss an den Endballen der Zehen vorkommt, sondern auch, in geringerer Entwicklung, an den Gelenkballen und in noch schwächerer, aber immerhin deutlicher Aus- bildung an der ganzen Plantarseite der Phalangen angetroffen wird. Diese Unterseite der Zehen ist es auch, welche die eigenthümlichen verästelten Drüsenformen enthält; und gerade wie bei der erwähnten Structur, die auf einem besondern Verhornungsprocess beruht und mit einer regelmässigern parallelen Schichtung der Epidermiszellen ver- bunden ist, werden die weitgehendsten und complicirtesten Bildungen auch bei den Drüsen in den Endballen gefunden. An der Unterseite der Phalangen sind die Drüsen vielfach von dem gewöhnlichen sackförmigen Bau, wie er auch durchaus auf der Oberseite der Zehen vorhanden ist. Daneben aber beobachtet man Formen, bei denen zwei runde Drüsensäckchen je einem kurzen geraden Ausführgange den Ursprung geben, die dann in einem nur wenig weiteren, gleichfalls geraden und kurzen Gange gemeinsam nach aussen münden (Fig. 1). Dies sind die einfachsten verästelten Drüsenformen, die ich fand; sie sind als „verästelte alveoläre Drüsen“ zu bezeichnen. Mitunter sind die Säckchen nicht durchaus rund, sondern an der dem Ausführungsgang entgegengesetzten Seite etwas abgeplattet, wie das 1) Da mir die neuere systematische Literatur über Amphibien grösstentheils nur schwer zugänglich ist, so wandte ich mich bei Ge- legenheit an den bewährten Rath des Herrn Prof. O. Borrrerr in Frank- furt a. M., der in bekannter Freundlichkeit mit seinem reichen Wissen auch mir zu Hülfe kam; es ist mir eine angenehme Pflicht, ihm auch hier nochmals dafür zu danken! 2) L c. p. 78, tab. 6, fig. 14. — Ich habe in der eben citirten Arbeit das vorliegende Exemplar noch als „Polypedates (?)“ bezeichnet. 3) Leypie, Ueber Organe eines sechsten Sinnes, in: Nova Acta Ac. Caes. Leop.-Carol. Nat. Cur., Vol. 34, 1868. AR A. SCHUBERG, ja auch an einfachen Hautdriisen — und zwar auch bei andern Am- phibien — nicht selten bemerkt wird. Es sind dies offenbar durch den Contractionszustand der Driisenmusculatur bedingte Formen. An der Plantarseite der Gelenkballen, wo sich auch die Epidermis durch bedeutendere Hohe ihrer zelligen Elemente auszeichnet, zeigen die Drüsen schon eine mächtigere Entwicklung (Fig. 4); und zwar macht sich dies in doppelter Weise geltend: einmal hat sich die Zahl der in den einzelnen Ausführgängen zusammenmündenden se- cernirenden Einzelorgane vermehrt — es sind deren meist mindestens drei — andrerseits aber ist die secernirende Oberfläche auch dadurch gewachsen, dass an Stelle der rundlichen „Säckchen“ mehr oder weniger lange „Schläuche“ getreten sind. Aus diesem Grunde müssen diese Drüsen als ,,verastelte tubulöse Drüsen‘ bezeichnet werden. Die Tubuli besitzen keinen regelmässig geraden Verlauf und werden des- halb — bei Untersuchung von Schnittserien — auch in schiefen und queren Durchschnitten angetrofien. Jeder einzelne Drüsenschlauch bildet, unter conischer Zuspitzung, einen bedeutend schmälern Aus- führungsgang, und erst diese letztern vereinigen sich zu dem gemein- samen Endstück, das, ohne die einzelnen Gänge an Weite zu über- treffen, ziemlich senkrecht auf die Epidermis (e) zustrebt, um sie in etwa gleicher Richtung zu durchsetzen. Die mächtigste Entwicklung zeigen die Drüsen aber, wie schon beiläufig bemerkt, in den Haftballen, d. h. in den verbreiterten und speciell für das Anspringen !) an glatte Flächen eingerichteten letzten Gliedern der Finger und Zehen. Fast der ganze Raum unter der an ihrem terminalen Ende Y-förmig gegabelten Endphalanx ist mit den zahlreichen langen und ziemlich grossen Drüsentubuli ange- füllt. Wie an den Gelenkballen, setzt sich auch hier (Fig. 2 u. 5) jeder einzelne Drüsenschlauch mit einem conischen Uebergange in einen kurzen schmäleren Ausführungsgang fort; und ebenso, wie dort, münden diese auch hier wieder in ein gemeinsames Endstück von gleichem Durchmesser, das unter Durchbohrung der Epidermis die Hautoberfläche erreicht. Die einzelnen Drüsenöffnungen sind auf der ganzen Unterfläche der Haftballen zerstreut, ein Verhältniss, das auch bei Ayla arborea in gleicher Weise beobachtet wird. 1) Ueber die Bedeutung der Zehenendballen nicht bloss allgemein für das Festhaften, sondern speciell für das schnelle Festhaften beim Anspringen an glatte Flächen vergl. Scuugers, |. c. p. 75, sowie: „Ueber die Fähigkeit einheimischer Tritonen, sich an glatten Flächen festzuhalten und zu bewegen“, in: Biolog. Centralbl., Bd. 12, 1892. Beiträge zur Kenntniss der Amphibienhaut. 485 Hinsichtlich des Baues der Drüsen sei nur erwähnt, dass sie sämmtlich mit aus polygonalen Cylinderzellen bestehenden Epithelien ausgekleidet sind, die in den gemeinsamen Ausführungsgängen, wie in den ausführenden Abschnitten der einzelnen Alveoli und Tubuli, durch aus plattern Elementen bestehende Epithelien ersetzt sind. Auf Ge- naueres einzugehen, scheint mir — mit Rücksicht auf den Conservirungs- zustand meines Materials — nicht gerathen! Die bedeutendere Entwicklung der Drüsen, namentlich in den End- ballen der Zehen — im Vergleiche mit Ayla arborea — scheint offen- bar auf eine noch weitergehende Anpassung an ein ,,Kletterleben“ schliessen zu lassen, als sie schon bei dieser Form vorhanden ist. 2. Zur Kenntniss der Hornschicht der Amphibienhaut. Von den 5—6 Zellenlagen, aus denen die Epidermis der Amphibien in der Regel besteht, sind meist die 2—3 äussersten mehr oder weniger verhornt, am meisten natürlich stets die oberflächlichste Zellen- schicht. Ich fasse allein diese äusserste Lage als eigentliche „Hornschicht“ auf und deute die darunterliegende Zellenlage als „Ersatzschicht“. Befinden sich die Thiere unmittelbar vor der Häutung, dann ist unter der abzustossenden Hornschicht die Ersatz- schicht natürlich im Verhornungsprocess auch schon sehr weit vorge- schritten, und es hat sich unter ihr sodann schon eine neue Ersatz- schicht zu bilden begonnen. — Diese Verhältnisse hat besonders PrITZNER !) bei Salamandra maculosa in der gleichen Weise darge- stellt; ich kann seine Angaben nicht nur für diese Form, sondern auch für Anuren, speciell Rana esculenta und Hyla arborea bestätigen. P. SchuLtz ?) hat vor einigen Jahren, wie mir dünkt unnöthiger Weise, das, was PFITZNER und ich als „Hornschicht‘“ bezeichnen, mit dem Namen „Häutungsschicht‘‘ belegt, während er die Ersatzschicht (bezw. Ersatzschichten kurz vor der Häutung) unter dem Namen „Hornschicht“ aufführt. Da die Ersatzschichten weder alle völlig verhornt sind, noch nach unten deutlich abgegrenzt werden können, so empfiehlt sich wohl eher die von PFITZNER und mir angewandte Bezeichnungsweise ?). Die 1) Prirzner, Die Epidermis der Amphibien, L, in: Morph. Jahrb., Bd. 7, 1880, p. 502 ff. 2) L c. p. 16. 3) Ich habe auch schon früher beim Laubfrosch die Bezeichnung »Hornschicht“ bloss für die äusserste Zellenlage angewandt; vergl. Haftapparate des Laubfrosches, p. 69. 486 | A. SCHUBERG, ältern Autoren verstehen unter ,,Hornschicht“ in der Regel die „Horn- schicht‘ und „Ersatzschicht‘ (nach Pritzwer und mir). Die „Hornschicht“ der Amphibien wird bekanntlich von Zeit zu Zeit abgestossen; diese „Häutung“ erfolgt in mehr oder weniger grossen Fetzen oder in toto, anscheinend meist in bestimmten Zwischen- räumen !). Es wird hierbei nach Vorstehendem im Allgemeinen nur eine Zellenschicht abgeworfen. Für Salamandra maculosa haben dies BoLaAU ?), PFITZNER ?) und P. ScHULTz *) angegeben, für Salamandra atra SPENGEL 5), für Triton cristatus und Cryptobranchus japonicus BorAau *), für Hyla arborea ich‘), für Rana ,,temporaria“ SEECK ?). Ich kann nicht nur diese Angaben für Triton, Cryptobranchus japonicus, Hyla arborea und Rana fusca bestätigen, sondern sie auch weiterhin ausdehnen auf Triton torosus, Bufo cinereus, Bombinator bombinus und Rana esculenta. — F. E. ScHULzE ?) hat wohl zuerst die Mittheilung gemacht, dass bei letzterm Frosch „die beiden obersten Zellenlagen bei der Häutung abgestossen werden“, eine Mit- theilung, die seitdem sich allgemein erhalten zu haben scheint. Sie beruht indessen, soviel ich sehe, auf einer Erscheinung, die z. B. auch schon PriTzNER !°) und neuerdings P. SCHULTZ !!) für Salamandra maculosa berichten, und die ich noch bei mehrern andern der ge- 1) Spengeu berichtet (in: Zool. Jahrb., Bd. 5, Abth. f. Systemat., 1891, p. 922) von Salamandra atra, dass die im Ganzen abgeworfene Haut nach dem von ihm beobachteten Häutungsvorgang von dem Thiere aufgezehrt worden sei. Es scheint dies nicht so gar selten vorzukommen. Schon Turner berichtet das Gleiche von Kröten (in: Frorızrr’s Tages- berichte, No. 207) und GzLaser von Triton cristatus (in: Zoolog. Garten, Bd. 12, 1871, .p. 260); ich selbst habe ferner einmal im Magen einer Rana esculenta einen sebr grossen zusammengeballten Klumpen abge geworfener Haut vorgefunden. 2) H. Bouav, Beitrag zur Kenntniss der Amphibienhaut, Dissertation, Göttingen 1866, p. 7. 3) L e. p. 506. Ar De, by © p. 921. 6) 1. e..p.710 u. 18. Dreh 9.70, 8) SEEOK, Pie die Hautdrüsen einiger Amphibien, Dissertation, Dorpat 1891, p. 28. OL E. eee ey Epithel- und Driisenzellen, in: Arch. mikroskop. Anat., Bd, 3, 1867, p. 167. 10) Ly .@y, (pa 506. LA), Le. px.49, Beiträge zur Kenntniss der Amphibienhaut. 487 nannten Arten eintreten sah. Nicht selten bleiben nämlich mehr oder weniger grosse zusammenhängende Stücke, mitunter aber auch nur einzelne Zellen der Ersatzschicht an der abzustossenden Membran hängen, so dass dann in der That zwei Zellenlagen vorhanden sind. Solche Vorkommnisse bilden aber die Ausnahme, von der ich aller- dings glaube, dass sie unter bestimmten anormalen Bedingungen leichter eintritt. So schien mir nämlich, als ob z. B. durch das Einbringen von Amphibien in die Gefangenschaft der Vorgang der Häutung öfters beschleunigt würde; da er ferner sich anscheinend unregelmässiger abspielt, indem kleinere Fetzen — oft nur nach und nach — abge- stossen werden !), so wäre eine vorzeitige Losreissung von noch nicht zur Loslösung bestimmten Elementen vielleicht nicht unverständlich. Ausser derartigen anormalen Verhältnissen giebt es aber noch andere Erscheinungen, die auf den ersten Blick oft leicht zu dem Glauben verführen könnten, dass die abgeworfene Hornschicht der Amphibien, speciell der Anuren, aus zwei Zellenlagen bestehe. Sowohl an frischen, in Wasser untersuchten Stücken abgelöster Haut, wie an gut gefärbten Hämatoxylinpräparaten sind die Kerne und Zellgrenzen meist recht deutlich zu erkennen. Nicht selten aber wird dann ausser den wirklichen Zellgrenzen noch eine zweite poly- gonale Zeichnung sichtbar, von der sich unschwer feststellen lässt, dass sie in einer andern Ebene als die ersteren gelegen ist. Kerne werden innerhalb dieser Polygone nicht wahrgenommen. — Es sind dies nun in der That auch keine Zellen, sondern vielmehr Leistensysteme, die auf der Unterseite der Hornschicht in geringerer oder grösserer Stärke ausgebildet sind. Am deutlichsten belehrt hierüber der wirk- liche oder noch besser der optische Querschnitt an gefalteten Stücken der isolirten Hornschicht, wo die Leisten im Querschnitt als nach unten gerichtete Spitzchen (2) vortreten. Es ist also die gleiche Er- scheinung vorhanden, wie ich sie für Rhacophorus bereits früher be- schrieben habe?). Ich habe die soeben dargestellten Dinge nunmehr auch an Rana, Bombinator und Hyla beobachtet, woraus hervorgeht, dass es sich keineswegs um eine seltene oder besonders merkwürdige Thatsache handelt. 1) In den üblichen Froschbehältern findet man in der Regel nur kleinere abgestossene Hautfetzen; bei besser gehaltenen Unken erhielt ich einmal ein Stück, das beide Hinterbeine und die Hälfte des Rumpfes umfasste. — Bei Reptilien sind Störungen der Häutung in der Gefangen- schaft bekanntlich nicht selten! 2) lc. p. 79, Anm. 1, tab. 6, fig. 14. — Vgl. oben S. 483, Anm. 2, 488 A. SCHUBERG, In der That ist es auch nicht schwer, sich die Entstehung des Leistensystems vorzustellen. Indem die ursprünglich cylindrischen Zellen durch die Dicke der Epidermis allmählich vorrücken, werden sie zu polygonalen und schliesslich in der Hornschicht zu ganz abge- platteten Elementen umgestaltet. In den untern und mittlern Lagen der Epidermis ist deutlich wahrzunehmen, wie die Zellen höherer zwischen diejenigen tieferer Schichten hineingreifen : die letzten Reste aber dieser Einpassung in die tiefern Schichten sind eben die ge- schilderten Leistensysteme. Die Kerne der Hornschicht haben mich in besonderm Maasse interessirt, da ich an ihnen Einiges wahrnehmen konnte, was an- scheinend bis jetzt keiner weitern Beachtung gewürdigt worden war. Ich habe hierzu speciell die Haut von Hyla arborea und Bombinator bombinus benutzt !). Beim sorgfältigen Durchmustern grösserer gut gefärbter Stücke der Hornschicht traf ich nämlich, mitunter gar nicht so selten, auf Zellen, welche zwei Kerne besassen; einigemale waren sogar drei solche in einer Zelle enthalten (Fig. 7). Durch diese Beobachtung angeregt, durchsuchte ich meine Präparate noch eifriger; und da fand ich denn auch verschiedentlich Kerne vor, welche, lang ausgezogen, auf eine directe Kerntheilung hinzuweisen schienen (Fig. 6 u. 8), wieder andere, die durch unregelmässigere Einschnürungen offenbar einen Zerfall in zwei oder mehrere Kugeln vorbereiteten (Fig. 9—11). Bei genauer Aufzeichnung solcher Fälle mit Hülfe des Zeichen- apparates ergab sich, dass die betreffenden Zellen, sowohl die mit mehrfachen wie die mit lang ausgezogenen und eingeschnürten Kernen, in der Regel — mit sehr seltenen Ausnahmen — grösser waren als die umgebenden Elemente, und dass sich häufiger, als es sonst ge- schieht, die Zellgrenzen gegen den Mittelpunkt der grossen Zellen zu vorgebuchtet zeigten ?). Es erscheint mir nicht zweifelhaft, dass die 1) Ich möchte nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit auf eine praktisch nicht unnütze Beobachtung hinzuweisen, die mir eigentlich erst bei Betrachtung der mit dem Zeichenapparat (unter genau gleicher Vergrösserung) hergestellten Zeichnungen recht zum Bewusstsein kam: nämlich, dass die Epidermiszellen bei Bombinator ungefähr doppelt so gross sind wie bei Hyla, deren Elemente sich hinsichtlich der Grösse von denen bei Rana nur wenig unterscheiden. Ein Blick auf die Figuren 6 bis 11 wird diese Beobachtung, die übrigens ausserdem durch die ausgeführten Messungen bestätigt wurde, leicht erläutern. 2) Die polygonale Zeichnung der Hornschicht ist durchaus nicht immer so regelmässig, wie vielfach angegeben wird; ebenso sind die Beiträge zur Kenntniss der Amphibienhaut. 489 erwähnten Kernformen Stadien eines directen Kerntheilungsvorgangs sind, und dass die mehrfachen Kerne auf diesem Wege ihre Entstehung gefunden haben. Man findet diese Eigenthümlichkeiten der Kerne nicht nur in abge- worfenen Hautfetzen, sondern auch in der durch Maceration in Drittel Alkohol losgelösten Hornschicht. Da bei Behandlung mit letzterer Flüssigkeit Mitosen deutlich erkennbar bleiben !), so scheint eine Ver- wechslung etwa mit schlecht conservirten Stadien der Karyokinese ausgeschlossen; ausserdem sprechen gegen eine derartige Täuschung die beobachteten unregelmässigern Bildungen, welche auf eine ungleiche Fragmentirung oder auf einen Zerfall in mehr als zwei Theilstücke hindeuten ?). ; Es ist in den letzten Jahren die Frage nach der biologischen Be- deutung der directen Kerntheilung so vielfach erörtert worden, dass ich auf eine Darstellung unserer Gesammtkenntnisse darüber hier ver- zichten und mich darauf beschränken kann, bloss die Bedeutung des vorliegenden Falles zu erörtern. Auch dies ist mit wenigen Worten abgemacht. Denn es springt sofort in die Augen, dass das Vorkommen von directen Kerntheilungsvorgängen in der unmittelbar darauf dem Untergange geweihten Hornschicht der Amphibienhaut gar sehr die Ansicht derjenigen zu unterstützen scheint, die in der directen Kern- theilung gewissermaassen die letzte Kraftanstrengung, den unvoll- kommenen Versuch einer Vermehrung, den definitiven Abschluss der generativen Thätigkeit zelliger Elemente erblicken wollen à). Karlsruhe, September 1892. einzelnen Linien ausserordentlich oft keine Geraden und nicht gar so selten etwas geschlängelt (vgl. Fig. 7, 9 u. a.). 1) Hiervon habe ich mich sogar an den mit Drittelalkohol isolirten, doch ziemlich kleinen Zellen des Mäusedarmes überzeugen können. 2) Zusatz bei der Correctur. — Neuerdings habe ich die Beobachtung gemacht, dass in der Haut des Axolotls die Levpre’schen Zellen nicht nur ebenfalls sehr häufig zwei (oder drei) Kerne zeigen, sondern dass auch in diesem Falle die Zweizahl der Kerne durch directe Theilung zu Stande kommt. Nicht selten gelang es mir, die letztere mit Mitosen gewöhnlicher Epidermiszellen in einem Schnitt vereinigt zu sehen. 3) Man vergl. die zusammenfassenden Uebersichten von ZIEGLER und ZAnDer, in: Biolog. Centralbl., Bd. 11, 1891, No. 12—13, u. Bd. 12, 1892, No. 9—10. 490 A. SCHUBERG, Beiträge zur Kenntniss der Amphibienhaut. Erklärung der Abbildungen. Tafel 25. Sämmtliche Figuren wurden mit einem Serserr'schen Mikroskop unter Anwendung des Zeichenapparats entworfen. Fig. 1—4. Rhacophorus leucomystax Grav.; alle Figuren nach Längsschnitten durch eine Zehe (Entkalkung in 70-proc. Alkohol + 1-proc. Salzsäure; Boraxcarmin, Paraffin, Canadabalsam). e Epidermis. Vergrösserung 45-fach (Ocular 0, Objectiv 2). Fig. 1. Drüsen von der Unterseite der vorletzten Phalanx. Fig. 2. Aus dem Endballen der Zehe; Ausmündung an der Grenze des erhöhten Epithels des Haftballens gegen das niedrigere Epithel der Unterseite des vorletzten Zehengliedes. Fig. 3. Aus dem Endballen der Zehe. Fig. 4 Aus dem Gelenk ballen unter dem proximalen Gelenke der vorletzten Phalanx. Fig. 5—7. Hyla arborea L. Mehrkernige Zellen und directe Kern- theilungen in der Hornschicht der Epidermis (Maceration in 1/, Alkohol, Derarıznv’sches Hämatoxylin, Canadabalsam). Vergr. 305 (Ocular I, Objectiv 5). Fig. 5. Optischer Durchschnitt. 7 Leisten an der Unterseite der Hornschicht. Fig. 6—7. Flächenbilder. Fig. 8—11. Bombinator bombinus Bout. Mehrkernige Zellen und directe Kerntheilungen in der abgeworfenen Hornschicht (DELAFIELD- sches Hämatoxylin, Canadabalsam). Vergr. 305 (Ocular I, Objectiv 5) Nachdruck verboten, Uebersetzungsrecht vorbehalten. Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. I. Zur Bildungsgeschichte des Keimstreifens von Mysis. Von Dr. R. S. Bergh in Kopenhagen. Hierzu Tafel 26—29. Seit einigen Jahren liegen von mehreren Seiten Angaben und Andeutungen iiber die Zusammensetzung des Keimstreifens bei den Crustaceen vor, welche nothwendiger Weise zu nähern Untersuchungen anspornen müssen. Schon REICHENBACH beschrieb in seiner Ent- wicklungsgeschichte des Flusskrebses !) eine vor der Stelle, wo sich der After anlegt, gelegene ectodermale Knospungszone, die hinten mit einer Anzahl von grössern Zellen abschliesst und deren sonstige Zellen in regelmässigen Längs- und Querreihen gestellt sind. Wie weit diese Gruppirung der Zellen nach vorn reicht, und was die genannte Knospungs- zone für eine Bedeutung hat, ist aus seiner Darstellung nicht recht ersichtlich; trotzdem REICHENnBACH’s Arbeit sehr interessante Angaben über die Anordnung der Zellen in verschiedenen andern Embryonal- theilen enthält (die er hauptsächlich an Flächenpräparaten studirt hat), so scheint er eben die genannte Knospungszone fast nur auf Quer- und Längsschnitten untersucht zu haben, und dadurch lässt sich sicher- lich keine vollständige Vorstellung von ihr gewinnen. Wichtig ist ferner eine allerdings sehr fragmentarisch und gelegentlich gegebene 1) Studien zur Entwicklungsgeschichte des Flusskrebses, in: Abhandl. d. Senckenberg. Naturf. Gesellsch., Bd. 14, 1886. 499 R. S. BERGH, Mittheilung von PATTEN !), der bei Cymothoa jederseits vier längs- laufende Reihen von Mesodermzellen im Keimstreifen nachwies und ausserdem eine höchst regelmässige Gruppirung der Ectodermzellen fand: dieselben stehen in zahlreichen (etwa 29, soweit ich an seiner Figur zählen kann) Längsreihen, deren Zellen wiederum zu Querreihen zusammengeordnet sind, und die hinten mit grössern Zellen abschliessen ; ähnliche Verhältnisse scheinen auch nach NusBAum ?) bei Ligia vor- zukommen. Ob auch bei der Branchipus-Larve solche Verhältnisse obwalten, ist mir dagegen aus den bezüglichen CLaus’schen Abbildungen mit zugehöriger Beschreibung *) nicht ganz ersichtlich, trotzdem ich es mit KORSCHELT u. HEIDER 4) für recht wahrscheinlich halte. Schon auf den ersten Blick müssen diese Verhältnisse an die Wachsthumserscheinungen des Keimstreifens der Anneliden (besonders der Oligochäten und der Hirudineen) erinnern. Bekanntlich findet sich hier nicht nur in den Muskelplatten, sondern auch theilweise im ectodermalen Theil des Keimstreifens eine regelmässige, reihen- föormige Anordnung der Zellen und für gewöhnlich auch ein Abschluss der Reihen nach hinten durch grössere, in genau bestimmter Zahl vor- handene Urzellen oder Teloblasten. Meistens finden sich im Ectoderm jederseits vier solche Urzellen und Zellenreihen; von diesen geht allein die mediale in der Bildung der Bauchkette auf — darüber sind alle Beobachter einverstanden, mit Ausnahme eines einzigen und zwar sehr flüchtigen Untersuchers —; was die drei lateralen Reihen betrifft, so gab ich an), dass sie die Ringmusculatur bilden, während Andere [Warrman ©), Wıuson ?)] dieselben als Nephridialbildner betrachten. In einigen Fällen (Rhynchelmis) können die ectodermalen Urzellen 1) On the origin of Vertebrates from Arachnids, in: Quart. Journ. Microsc. Sc, Vol. 31, 1890, p. 371. 2) Beiträge zur Embryologie der Isopoden, in: Biolog. Centralblatt, Bd 11, 1897, 3) Untersuchungen über die Organisation und Entwicklung von Branchipus und Artemia, in: Arbeiten Zool. Institut Wien, Bd. 6, 1886. 4) Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbel- losen Thiere, Heft 2, 1891, p. 339. 5) Neue Beiträge zur Embryologie der Anneliden, I—II, in: Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. 50 u. 52, 1890-—1891. 6) The germ-layers in Clepsine, in: Journal of Morphology, Vol. 1, 1887. 7) The germ-bands of Lumbricus, und: The embryology of the earthworm, in: Journ. of Morphology, Vol. 1, 1887, u. Vol. 3, 1889. Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 495 frühzeitig verschwinden !), während sich die Zellenreihen doch sehr typisch ausbilden und lange Zeit als solche erkennbar bleiben. Die Muskelplatten bestehen bekanntlich in ihrem hintern Theil aus einer einzigen Zellenreihe, die hinten von einer grossen Urzelle ausgeht. Schon „bei den Polychäten begegnen wir Verhältnissen, die sich nicht ohne weiteres mit den eben besprochenen identificiren lassen. Zwar bilden sich in den genauer untersuchten Fällen sehr frühzeitig (während der Furchung) Urzellen des Keimstreifens aus, die aber sehr bald verschwinden, indem sie sich in kleinere Zellen auflösen, und eine regelmässige, reihenförmige Anordnung ist im Ectoderm nicht nachgewiesen worden (die Muskelplatten dagegen verhalten sich in einigen Fällen wie bei Oligochäten und Hirudineen). Es mag auf die Arbeit von C. v. WISTINGHAUSEN ?), die leider wegen des frühen Todes des Verfassers nicht abgeschlossen wurde, sowie auf den vorläufigen Bericht von WıLson ?) verwiesen werden. Von letzterm Forscher steht uns wohl nächstens eine grössere Arbeit hierüber in Aussicht. Auch die Verhältnisse bei den Arthropoden lassen sich nach den vorliegenden Angaben nicht ohne weiteres auf diejenigen der Anneliden zurückführen. Es war eben dies die Aufgabe, die ich mir beim Beginn dieser Untersuchungen gestellt hatte: zu ermitteln, welche Beziehungen zwischen dem Bau und der Zusammensetzung des Keimstreifens bei Anneliden und Arthropoden bestehen. Dazu sind aber erst rein em- pirische Untersuchungen über eine Anzahl verschiedener Formen noth- wendig, und die vorliegende Abhandlung mag als ein solcher ganz empirischer Anfang betrachtet werden. Ich begann übrigens meine Untersuchungen mit Gammarus *), fand aber bald in Mysis ein so © viel günstigeres, was die meisten Verhältnisse betrifft, ein ganz vor- zügliches Object, dass Gammarus bald bei Seite gelegt wurde. Die. nähere Darlegung meiner Studien an dem letztgenannten Object wird also erst später erfolgen können. 1) Vespovsky, Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen, Heft 2, 1890. Vgl. hiermit meine Besprechung in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 50, . 520. 4 2) Untersuchungen über die Entwicklung von Nereis Dumerilii, I, in: Mitth. Zool. Station Neapel, Bd. 10, 1891. 3) The origin of mesoblast-bands in Annelids, in: Journ. of Mor- phology, Vol. 4, 1890. 4) Die Drehung des Keimstreifens und die Anlage des Dorsalorgans bei Gammarus pulex, in: Zool. Anzeiger, 1892. Ein kurzer Bericht über meine Mysis-Arbeit ist später ebendaselbst veröffentlicht worden. Zool. Jahrb. VI, Abth. f, Morph, 2 32 494 R. S. BERGH, Wenn somit der eigentliche Zweck meiner Arbeit noch bei weitem nicht erreicht worden ist, so stellte sich während der Untersuchung eine Thatsache heraus (sowohl für Gammarus wie für Mysis), die nicht ohne Bedeutung sein dürfte: es liess sich eine ganz genaue Regelmässigkeit, ja fast Gesetzmässigkeit in der Aufeinanderfolge und in der Richtung der Zelltheilungen im jungen Keimstreifen nachweisen, wie Aehnliches, soviel mir bekannt, noch nicht bei thierischen Em- bryonen nachgewiesen worden ist (abgesehen von den Furchungsvor- gängen). Die Eier von Mysis (die Arten, die ich untersuchte, waren wahr- scheinlich M. flexuosa und M. neglecta) habe ich Anfangs in ver- schiedener Weise behandelt: mit concentrirter Sublimatlösung, mit dünner Chromsäure, mit Osmium-Chrom-Essigsäure (nach FLEMMING’s Vorschrift) und mit Pikrinschwefelsäure sowie mit absolutem Alcohol; zuletzt aber habe ich ausschliesslich mit Perényrscher Flüssigkeit gearbeitet, da sich diese nämlich bei weitem am besten bewährte. Die Einwirkungszeit dieses Reagens muss für die jüngern Stadien sehr kurz sein (einige Minuten), für die ältern Stadien etwas länger, da sie durch die Chitinhäute der letztern schwieriger eindringt; das Aus- waschen geschieht am besten mit 70-proc. Alcohol. — Die Haupt- methode der Untersuchung war folgende: die ganz dünnen Keimscheiben oder jungen Keimstreifen wurden mit möglichst wenig Dotter abprä- parirt, nicht sehr stark gefärbt und in Glycerin flach ausgebreitet und durchsichtig gemacht; auch noch in etwas ältern Stadien gelingt es, den Keimstreifen in dieser Weise zu studiren, und erst wenn die post- mandibularen Extremitätenanlagen sich über die Bauchfläche empor- wölben, wird diese Art der Untersuchung unmöglich. Zur Controle dienten natürlich immer Serienschnitte. Die Furchung des Mysis-Eies habe ich nicht näher verfolgt. Meine Untersuchungen fangen mit dem Stadium an, wo sich das Blastoderm ganz über den Dotter ausgebreitet hat, eine einfache Schicht von grossen, platten Zellen bildend. Im Dotter finden sich zu dieser Zeit noch gar keine Kerne oder Dotterzellen. Wenn dieses Stadium er- reicht ist, bildet sich sehr bald in einer bestimmten Zone eine Ver- dickung des Blastoderms, indem die Zellen hier höher und dichter gruppirt werden als im sonstigen Umkreis des Eies. Diese Verdickung bildet einen queren Streifen und liegt in einer seichten, rinnenartigen Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 495 Vertiefung an der Oberfläche des Eies (Fig. 1); dieses ist oval, und die Rinne liegt seinem einen Pol näher als dem andern, nämlich näher dem zukünftigen hintern Pol. Die seitlichen Enden der erwähnten Verdickung, die wir die Keimscheibe nennen können, sind ange- schwollen, die mittlere Partie ist schmäler. Der Streifen ist Anfangs ganz einschichtig, bald fangen aber an seiner mittlern Partie Wachs- thumsvorgänge und Einwucherungen an sich geltend zu machen, welche schliesslich zur Bildung einer tiefern, innern Zellenschicht, zunächst in der betreffenden Region, führen. In Fig. 2 ist eine solche junge Keim- scheibe mit ihrer Umgebung als Flächenpräparat dargestellt: an der vordern Grenze der dunklen (höhern) Zellen des Streifens gegen die hellen (niedrigern) Zellen der Umgebung bemerkt man vier sehr dunkel gezeichnete Kerne (i), um die keine Zellgrenzen deutlich zu unter- scheiden sind; dieselben liegen nahe an der Medianlinie, doch nicht vollkommen symmetrisch. Ob diese Zellen schon von der Oberfläche ausgeschlossen sind und eine tiefere Schicht bilden, oder ob sie noch frei an die Oberfläche treten, lässt sich an dem Flächenpräparat mit Sicherheit nicht entscheiden; ich gebe daher Beschreibungen und Ab- bildungen einiger Schnitte durch drei ähnliche Keimscheiben, eine jüngere und zwei etwas ältere. Fig. 23 und 24 sind einer Sagittal- schnittserie durch das jüngste Stadium entnommen ; die Schnittrichtung war also senkrecht zur längern Dimension der Keimscheibe. Fig. 23 ist der Medianschnitt, Fig. 24 ist mehr lateral. In Fig. 23 bemerkt man eine sehr kleine Einstülpung; die zwei eingestülpten Zellen werden von zwei benachbarten überragt, sind aber noch nicht gänzlich von der Oberfläche ausgeschlossen. Bis jetzt sind es erst dieselben zwei eingestülpten Zellen, die sich als Anlage der innern Schicht mani- festiren, denn in den benachbarten Schnitten finden sich keine weitere, tiefer eingestülpte Zellen. In Fig. 24 trifft man statt der kleinen, aber wohl ausgesprochenen Einstülpung nur eine sehr seichte Vertiefung, wo alle Zellen noch ganz frei an der Oberfläche liegen. — In dem weitern Stadium, dem die Schnitte Fig. 25 und 26 entnommen sind, ist der Einwucherungs- oder Einstülpungsprocess weiter gediehen. In jedem dieser Querschnitte (die zwei verschiedenen Serien entnommen sind) sieht man schon eine einzelne Zelle, die von der Oberfläche aus- geschlossen und in die Tiefe gerückt ist; andere Zellen scheinen noch im Begrift sich nach innen zu verschieben, indem der bei weitem be- deutendste Theil ihres Protoplasmakörpers mit dem Kern nach innen vorspringt- und nur einen stielférmigen Fortsatz an die Oberfläche sendet. In einer solchen ganzen Serie lassen sich im Ganzen sechs 32* 496 R. S. BERGH, Zellen unterscheiden, die ganz innen gelagert sind und eine tiefere Schicht bilden. — In diesen beiden Stadien ist noch kein einziger Kern im Dotter vorhanden. In den folgenden Stadien hat eine Veränderung der Form der Keimscheibe stattgefunden. Während früher die seitlichen Theile an- geschwollen und die mittlere Partie schmäler war (Fig. 1 und 2), wird nun bald die mittlere Partie breiter als die Seitentheile, und zwar geschieht dies theils durch lebhafte Vermehrung der ursprünglichen Zellen der Keimscheibe, theils auch, indem am Vorderrande ihrer mittlern Partie immer mehr Zellen der Umgebung sich ihr anschliessen, indem sie höher und dichter gestellt werden; vgl. hierzu Fig. 3, wo die mittlere Partie schon viel breiter erscheint als die seitlichen Theile. In Fig. 3 sind die tiefer gelegenen Zellen nicht mitgezeichnet, wohl aber in Fig. 6 und 7, die nur den kleinern mittlern Theil von zwei Keimscheiben darstellen, welche wenig älter sind als das Stadium Fig. 3; in jenen beiden Figuren ist das Ectoderm ganz hell gehalten, ‘und nur die tiefern Zellen, besonders ihre Kerne, sind dunkler getont. In Fig. 6-sind zwei Arten von Kernen in der tiefern Schicht zu unter- scheiden: grössere und kleinere; von den erstern finden sich nur vier, von den letztern sechs; nur um die erstern habe ich das Protoplasma mitgezeichnet. Die vier grössern sind ziemlich symmetrisch gelagert, die sechs kleinern mehr unregelmässig. In Fig. 7 hat eine weitere Vermehrung dieser Zellen stattgefunden: von den kleinern, mehr un- regelmässig gestellten Kernen finden sich neun; die grössern haben sich auf acht vermehrt, so dass sich jetzt jederseits von der Median- linie vier solche unterscheiden lassen, die jederseits eine geschlossene, nur in der Medianlinie unterbrochene quere Reihe bilden. Während diese Differenzirung und Vermehrung der tiefern, innern Zellen stattfindet, haben auch in der oberflächlichen Schicht oder im Ectoderm, wie wir sie jetzt ganz gut nennen können, wesentliche Vor- gänge ihren Anfang genommen. Natürlich haben sich die Zellen energisch vermehrt, und es machte sich dabei in einer bestimmten Zone — nämlich dicht vor der Stelle, wo die Zellen der tiefern Schicht sich einstülpten oder einwuchsen — eine höchst eigenthüm- liche Differenzirung einiger Zellen geltend. Das vorläufige Resultat dieser Differenzirung ist der in Fig. 8 dargestellte Zustand: es lässt sich hier ein Bogen von grössern Zellen unterscheiden, die sich sehr deutlich als ein einheitlicher Complex von der Umgebung abheben (in der Zeichnung sind sie noch dazu dadurch markirt, dass ihr Proto- plasma gekörnelt dargestellt wurde). Es lässt sich sehr deutlich eine | Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 497 mediane Zelle unterscheiden (deren Kern rund ist, sonst sind die Kerne wie die Zellen selbst länglich); diese liegt etwas mehr nach hinten als die ihr zunächst liegenden seitlichen Zellen; der Bogen ist also in der Mitte nach vorn concav; die Seitentheile sind aber jeder für sich nach hinten concav. An der einen Seite lassen sich 7, an der andern 8 solche Zellen mit Deutlichkeit unterscheiden; im Ganzen waren also in diesem Stadium 16 vorhanden. Es findet noch eine kleine Zunahme ihrer Anzahl statt, indem dieselbe, wenn die betreffende Anlage auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung steht, 17 oder 19 ist (in vereinzelten Fällen kann auch hier eine gleiche Zahl von Zellen vorhanden sein [20] ; immer markirt sich aber eine Zelle als mediane Zelle, und die Zahl der rechts und links neben ihr liegenden Zellen ist dann nicht gleich, nämlich einerseits 9, andrerseits 10). Ich habe absichtlich das eben beschriebene, etwas spätere Stadium der Differenzirung der erwähnten Zellen zuerst herausgegriffen, weil diese letztern an den jüngern Stadien nicht so leicht zu erkennen sind und man jedenfalls, um sie richtig deuten zu können, mit dem weiter entwickelten Zustand einigermaassen vertraut sein muss. In dem Stadium Fig. 3 ist die erwähnte Gruppirung der Zellen noch gar nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen; zwar sieht man an der hintern Seite (% in der obern Hälfte der Figur) eine schräge Reihe von grössern Zellen, die der Lage und dem Aussehen nach wohl den betreffenden entsprechen könnten, aber an der rechten Seite (unten) ist gar nichts derartiges zu beobachten. Trotzdem ich sehr zahlreiche Keimscheiben in diesen Entwicklungsphasen untersuchte, fehlen mir doch Uebergänge zu solchen Stadien, wo schon 9 oder 11 solche Zellen deutlich differenzirt sind. Das Stadium mit 9 Zellen habe ich leider unterlassen zu zeichnen; Stadien, wo 11, 12 oder 13 Zellen vor- handen sind, sind sehr häufig aufzufinden und in Fig. 5 und 6 darge- stellt. In beiden Figuren liegen zwischen den paarig angeordneten Zellen (die in Fig. 5 durch Körnelung markirt sind) zwei Zellen, eine dicht vor der andern; von diesen ist es die hintere, welche dem uns hier interessirenden Complex angehört, wie aus der Vergleichung mit den spätern Stadien hervorgeht. Die Anordnung ist hier sehr deutlich erkennbar und tritt von nun an bis zu einem gewissen Punkt immer mehr hervor, indem die Zahl der Zellen zunimmt. Nach Analogie mit den Verhältnissen, die bei den Oligochäten und Hirudineen obwalten, könnte man versucht sein, diese Zellen — die, wie ich vorausgreifend bemerke, die Urzellen des ectodermalen Theils des Keimstreifens sind — aus einer einzigen Furchungszelle 498 R. S. BERGH, herzuleiten ; indessen vermag ich keinerlei Wahrscheinlichkeitsbeweise für eine solche Vermuthung zu erbringen. Kerntheilungsfiguren, die für eine solche Annahme sprechen könnten, finden sich nur äusserst selten; den einzigen von mir gefundenen derartigen Fall habe ich in Fig. 6 dargestellt. Es ist hier sehr wahrscheinlich, dass durch die Kerntheilung am Rande des Bildes zwei unserm Complex angehörige Zellen hervorgehen würden. Da dies aber der einzige Fall war, wo sich etwas derartiges beobachten liess, so muss ich diese Frage dahin- gestellt sein lassen. Die übrigen Zellen des Ectoderms stellen ein zierliches Mosaik dar; eine Regelmässigkeit ihrer Anordnung ist gewöhnlich gar nicht zu erkennen. Nur ganz ausnahmsweise können wir schon in diesen Stadien hinter dem besprochenen Zellencomplex eine einigermaassen deutliche bilaterale Anordnung erkennen (Fig. 5). Ich werde jetzt einige Quer- und Längsschnitte beschreiben, die etwa dem Stadium Fig. 8 entnommen sind. Fig. 27 giebt einen Quer- schnitt durch den vordern Theil der Keimscheibe wieder, wo die beiden seitlichen Anschwellungen, welche die ersten Anlagen der Augen dar- stellen (au), getroffen sind. Ueberall in dieser Region besteht der Keim nur aus einer einzigen Zellenschicht, dem Ectoderm; dieses ist aber an den beiden Seiten stark verdickt, in der Mitte sehr dünn, aus abgeplatteten Zellen bestehend. Fig. 28 stellt einen Querschnitt durch die hintere Region derselben Keimscheibe dar. Hier ist der Keim in der Mitte zweischichtig, zu den beiden Seiten einschichtig ; eine Zelle im Ectoderm ist in Theilung begriffen, und es scheint, als würde die eine ihrer Tochterzellen in die innere Schicht übertreten. In den (bei stärkerer Vergrösserung gezeichneten) Sagittalschnitten durch etwa dasselbe Stadium, Fig. 29 und 30, stellt sich heraus, dass die vorhin erwähnte Einstülpungs- oder Einwucherungsstelle (bJ) noch deutlich erkennbar ist. Unter den innern Zellen lassen sich die grössern (M) von den kleinern (£) unterscheiden; von den erstern findet sich nur eine, von den letztern zwei in jedem Schnitt. Dicht vor der Zelle M, an dieselbe anstossend, lässt sich in jedem der Schnitte eine grössere Zelle (Æ) im Ectoderm beobachten, die auch tiefer nach innen vorspringt; dieselbe gehört in den Complex der oben erwähnten Ectoderm-Urzellen des Keimstreifens. In diesem Stadium finden sich noch gar keine Kerne im Nahrungsdotter; gleich in wenig ältern Stadien geht aber die Bildung derselben an. Fig. 31 stellt einen Querschnitt durch die hintere Region einer solchen wenig ältern Keimscheibe dar; die Zahl der Zellen, sowohl des Ectoderms wie der Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 499 innern Schicht, hat erheblich zugenommen, und in der Nähe der seit- lichen Grenze der innern Schicht sieht man dicht unter dem Ectoderm eine Dotterzelle (dz): einen Kern, von etwas Protoplasma umgeben, das keine ganz scharfe Abgrenzung gegen den Dotter zeigt. Solcher Zellen sind erst wenige vorhanden, und diese liegen alle in der Nähe der compacten innern Zellenmasse; erst in spätern Stadien vermehren sich die Dotterzellen bedeutend und wandern weiter herum. In dem Schnitt Fig. 31 sind ganz seitlich einige der grossen Ectoderm-Urzellen (E) vorhanden. In einem solchen Stadium ist die frühere Einstülpungs- oder Einwucherungsstelle schon unkenntlich geworden. In den nun folgenden Phasen stellt sich mit grosser Deutlichkeit heraus, was für eine Bedeutung sowohl die grössern, bilateral ange- ordneten Zellen der tiefern Schicht wie der Complex der grossen Ectodermzellen haben. Schon in Fig. 8 bemerkt man beim Betrachten dieser letztern, dass der medianen und den jederseits ihr zunächst gelegenen vier seitlichen Zellen kleine, schmale Zellen vorgelagert sind (die in der Figur durch Körnelung hervorgehoben wurden). Man sieht deutlich, dass jede dieser neun kleinern Zellen einer der grössern innig angeschmiegt ist; mehr seitlich grenzen gewöhnliche polygonale Ectodermzellen an die grossen Zellen an, und eine Regelmässigkeit ist hier an ihrem Vorderrande nicht zu bemerken. In Fig. 7 sind schon zwölf solche kleinere Zellen vorhanden, und solche Stadien, wo den mittlern der grossen Zellen kleinere vorgelagert sind, den seit- lichen aber nicht, sind keineswegs selten; im Gegentheil habe ich eben solche Keimscheiben sehr häufig gefunden. Später aber finden sich vor all den grossen Zellen solche kleine, schmale Elemente, und in Fig. 9 sind schon zwei Reihen derartiger Zellen vollständig gebildet (eine dritte ist in Bildung begriffen); in Fig. 10 sind drei fast voll- ständige Reihen gebildet. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die Reihen der kleinern Zellen von dem Complex der grossen Zellen hinter ihnen erzeugt werden. Es wird dies bewiesen durch die ausserordentliche Häufigkeit der Kerntheilungsfiguren, die man in diesen trifft (Fig. 9, 10, 12, 19). Diese Kerntheilungen sind der Art, dass sie nicht zu einer gleichmässigen Theilung der Zellen führen, sondern zu Zell- knospungen; indem nämlich die Aequatorialplatte nicht in der Mitte, sondern in der vordern Hälfte der Zelle liegt (vgl. die Figuren), werden ungleiche Theilstücke, ein vorderes kleineres und ein hinteres viel grösseres, gebildet; also ganz entsprechende Vorgänge, wie wir sie bei der Bildung des Keimstreifens der Anneliden längst kennen. — 500 R. S. BERGH, Die Production der kleinen Zellen hebt schon an, ehe noch die grossen Urzeilen in ihrer ganzen definitiven Zahl (17 oder 19) vorhanden sind, wie aus Fig. 7 und 8 ersichtlich; in denselben Figuren lässt sich er- kennen, dass es die mittlern Urzellen sind, die mit ihrer Thätigkeit vorangehen. Und dies ist auch noch in spätern Stadien der Fall: die mittlern Urzellen sind immer in ihrer Bildung den seitlichen um einen Schritt voraus. In Fig. 9 fällt die ausserordentliche Regelmässigkeit der Erscheinung auf: die mediane Zelle hat schon drei Kleinere Zellen erzeugt (aus dem Aussehen ihres Kerns schliesse ich, dass die letzte Theilung soeben vollendet ist); neben ihr liegen jederseits zwei Zellen, die in einer späten Phase der Theilung begriffen sind, von denen sich aber die kleinen Zellen der dritten Querreihe noch nicht ganz abge- schnürt haben; weiter lateralwärts hat jede Urzelle nur zwei Zellen erzeugt (und zwar scheint die äusserste an der einen Seite nur eine einzige Zelle geliefert zu haben). Aehnliche Verhältnisse lassen sich auch in Fig. 10 erkennen. Den Complex der erwähnten grossen Ectodermzellen können wir von nun an mit vollem Recht als Urzellen des ectodermalen Theils des Keimstreifens bezeichnen. Die Bildung der kleinen Zellen geht nämlich äusserst lebhaft fort, so dass die Abkömmlinge der Urzellen bald den grössern Theil der Ventralfläche des Embryos einnehmen; wie weit dieser Keimstreifen nach vorn reicht, werden wir später sehen. Zunächst aber wenden wir uns nun einer nähern Be- trachtung der Zellen der innern Schicht zu. Diese hatten sich schon auf dem Stadium, wo wir sie verliessen, in zwei Arten, grössere und kleinere, differenzirt. Während die letztern . keine Regelmässigkeit der Lagerung und Zahl aufweisen (ihre Zahl nimmt während dieser und der folgenden Phasen sehr rasch zu), finden sich von den grössern constant 8, die eine sehr regelmässige (schon oben besprochene) bilateral-symmetrische Anordnung erkennen lassen. Und nachdem sie sich derartig gruppirt haben, fangen sie bald eine sehr intensive Thätigkeit an: ganz in derselben Weise wie die ecto- dermalen Urzellen erzeugen auch sie Reihen von kleinern Zellen nach vorn. Eine ziemlich frühe Phase ihrer Thätigkeit ist in Fig. 11 dar- gestellt. Da die Grenzen der kleinern Zellen nicht deutlich waren, habe ich nur ihre Kerne gezeichnet, die allein schon die reihenförmige Anordnung sehr deutlich erkennen lassen. Ein etwas weiteres Stadium ist in Fig. 16 abgebildet. In beiden Figuren sind Kerntheilungs- figuren in einzelnen Zellen sichtbar, welche zu ungleichen Theilungen der Zellen führen müssen. Eine so vollständige Reihe von Stadien Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 501 der Bildung dieser Zellen, wie ich sie von den Ectoderm-Urzellen be- sitze, habe ich nicht. Sie sind in ihrer Thätigkeit viel schwieriger zu verfolgen als jene, da sie einerseits durch das Ectoderm, andrerseits durch den Dotter verdeckt werden. — Was die Lage dieser Zellen mit Bezug auf die ectodermalen Urzellen betrifft, so findet während der hier besprochenen Stadien eine gegenseitige Verschiebung statt. Anfangs lagen ja die grössern Zellen der tiefern Schicht hinter den ectodermalen Urzellen (Fig. 6, 7, 29, 30); im Stadium Fig. 11 liegen sie genau innerhalb dieser (die Figur ist von innen gesehen, und unter- halb der acht grossen runden Zellen schimmern die siebzehn länglichen ectodermalen Urzellen durch), und schliesslich rücken sie vor sie hin, wie im Stadium Fig. 16 erkennbar. Die acht grossen Zellen der tiefern, innern Schicht können wir als Urzellen der Muskelplatten oder als Myoblasten be- zeichnen; denn die von ihnen gelieferten Zellenreihen bilden in ihrer Gesammtheit das, was man gewöhnlich als Mesoderm oder mittleres Keimblatt bezeichnet, und was wir, die wir den eben genannten Ter- minus vermeiden wollen, Muskelplatten nennen. Wir verlassen die- selben vorläufig und wenden uns zu den kleinern Zellen der innern Schicht. Schon oben haben wir gesehen, dass von denselben einige sich aus dem Verbande loslösen und auswandern, um als Dotter- zellen bei der Resorption des Dotters eine grosse Rolle zu spielen. Die übrigen Zellen lagern sich fest zusammen und bilden eine Platte, die wir als Entoderm- oder Darmentodermplatte bezeichnen können, da aus ihr sich das Epithel des Mitteldarms und der Leber entwickelt. Auch mit Bezug auf die gegenseitige Lagebeziehung der Entodermplatte und der ectodermalen Urzellen finden im Laufe der Entwicklung Verschiebungen statt. Ebenso wie die Urzellen der Muskelplatten liegt auch die Entodermplatte Anfangs hinter den ectodermalen Urzellen, später rückt sie innerhalb derselben vorwärts, ja sehr weit nach vorn (Fig. 10 und 17). Wir sind also jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir die Keim- blätter und den Keimstreifen in allen ihren Theilen angelegt finden. Der letztere setzt sich aus zwei Abtheilungen zusammen, einem ecto- dermalen und einem gewöhnlich als ,mesodermalen“ bezeichneten, die beide das gemeinsam haben, dass sie aus neben einander liegenden Längsreihen von Zellen bestehen, die von einer bestimmten Anzahl von hinten gelegenen, grössern Urzellen abstammen. — Und was die Keimblätter betrifft, so hat sich das Entoderm aus einer Einwucherung oder Einstülpung an einer bestimmten Stelle der Ventralfläche ent- 502 R. $. BERGH, wickelt, die wir somit als Blastoporus bezeichnen können. Der- selbe war ja nur in wenigen Stadien erkennbar, später wurde er voll- kommen verwischt, so dass weder zum Mund noch zum After irgend welche Beziehung vorhanden ist. Seiner Lage nach würde er eher dem After entsprechen als dem Munde, doch möchte ich gar nicht glauben, dass der After genau an der Stelle des Blastoporus entstehe. Dies lässt sich übrigens nicht leicht mit genügender Sicherheit ent- scheiden, da der letztere ja so viel früher verschwindet, als der erstere entsteht. Die durch das Einwachsen der Zellen am Blastoporus gebildete innere Zellenmasse differenzirt sich weiter in drei Anlagen: 1) die Dotterzellen (Vitellophagen), die sich aus dem festen Verband loslösten und in den Dotter einwanderten; 2) die fester gefügte Entodermplatte; 3) die acht Myoblasten oder Urzellen des Mesoderms. Diese letztern liegen bei ihrem Entstehen an der Grenze von Ectoderm und Ento- derm, und von welchem dieser Keimblätter sie abstammen, ist daher nicht leicht zu entscheiden; ich möchte auf Grund des Beobachtungs- materials keine bestimmtere Ansicht darüber aussprechen. Denn dass sie mit dem Entoderm zusammen in die Tiefe geschoben werden, kann keineswegs als triftiger Beweis für ihre genetische Zusammengehörig- keit mit diesem Keimblatt gelten, so wenig wie die Verschmelzung der Chordaanlage und der mesodermalen Theile im Primitivstreifen der Wirbelthiere ohne weiteres für einen einheitlichen Ursprung der- selben verwerthet werden kann. Solche Schlüsse werden aber oft sehr zuversichtlich aus einem möglichst geringen Beobachtungsmaterial gezogen. Vergleicht man die Entwicklung von Mysis mit derjenigen der Anneliden, so muss man im Gegentheil eher versucht sein, die Muskelplatten vom Ectoderm herzuleiten !). Bevor ich nun in meiner Schilderung weitergehe, wird es passend sein, zu untersuchen, was der neueste Monograph der Mysis-Ent- wicklung, J. NusBaum?), über die hier erwähnten Verhältnisse be- richtet. Und zwar kann das in ziemlicher Kürze geschehen, da der betreffende Autor von den uns hier beschäftigenden Gegenständen nur äusserst wenig gesehen und noch weniger die Sachen verstanden hat. Hauptsächlich liegt dies daran, dass es dem genannten Gelehrten gar 1) Vgl. hierzu meine Ausführungen in: Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. 50, 1890, p. 511—523 („Ueber den Keimstreifen der Anneliden“). 2) L’embryologie de Mysis chamaeleo, in: Arch. Zool. Exp. et Gen. (2. ser.), Tom. 5, 1887. Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 503 nicht eingefallen zu sein scheint, Flächenpräparate als durchsichtige Objecte zu untersuchen; überhaupt werden diese Gebiete denjenigen Embryologen, die im Mikrotomschneiden und in der Untersuchung von Schnittserien die alleinseligmachende Untersuchungsmethode sehen, ganz unzugänglich bleiben. Nussbaum giebt mit Bezug auf die Her- kunft des Entoderms an, dass dasselbe eine doppelte Quelle habe: theils soll sich schon während der Furchung eine tiefere Schicht bilden, theils soll sich später an einer bestimmten Stelle der Keimscheibe durch tangentiale Theilung der Blastodermzellen eine innere Schicht bilden. Der letztere Vorgang ist wohl so ziemlich derselbe, den ich oben beschrieben habe; was aber die erste „Quelle des Entoderms“ betrifft, so existiren in Wahrheit am Ende des Furchungsprocesses weder eine tiefere Zellenschicht noch freie Kerne im Dotter, und NusBAum hat in seinen Figuren auch keine solche Schicht mit Deutlichkeit dar- gestellt. Auch sagt er selbst von dieser erstern Quelle, dass er ihre Existenz nicht positiv beweisen könne; sie scheint ihm nur „probable‘“. Ich möchte sie unbedingt in Abrede stellen. — Von der Entstehung des Mesoderms giebt unser Autor an, dass sich überall am Keim- streifen zwischen den Augenanlagen und der „Schwanzscheibe‘“‘ Meso- dermzellen vom Ectoderm abspalten. Die frühern Stadien der Mesoderm- bildung hat er gar nicht beachtet, seine Beobachtungen hierüber fangen erst mit einem Stadium an, wo sich schon die tiefe Falte am Grunde des Abdomens gebildet hat (etwa entsprechend meiner Fig. 13). Die Urzellen (Myoblasten) und die reihenförmige Anordnung der von ihnen ausgehenden Zellen kennt er gar nicht. In Wahrheit aber spalten sich keine Zellen von den gewöhnlichen Ectodermzellen ab, um in die Muskelplatten hinüberzutreten; jedenfalls habe ich nie etwas derartiges beobachtet, und die Beobachtungen NusBAum’s reichen bei weitem nicht hin, um eine solche Behauptung zu beweisen. — Was schliesslich die grossen ectodermalen Urzellen und die von ihnen gelieferten Zellen- reihen betrifft, so ist alles, was wir darüber bei ihm erfahren, Folgendes, das eigentlich als ein Anhang zu seiner Arbeit steht: „Quant à la différenciation générale du corps de Mysis, nous remarquerons que, pendant les stades précoces, on voit dans l’abdomen rudimentaire un groupement très régulier des cellules mésodermiques, placées en rangées, l’une derrière l’autre. Outre ces rangées, on voit encore sur les coupes une série régulière de cellules beaucoup plus grandes, qui corre- spondent probablement aux cellules semblables situées dans l’abdomen de l Astacus fluviatilis, que REICHENBACH a nommé ,,Knospungszone“, Aux dépens de ces cellules se forment sans doute les éléments cellu- 504 R. S. BERGH, laires des nouveaux segments (fig. 100 %, z, tab. 12).“ Sehen wir uns die genannte Figur an, so ist zunächst hervorzuheben, dass diese einzige Abbildung, die uns NusBAum von diesen Verhältnissen giebt, nicht einem Flächenbild, sondern einem schräg geführten Schnitt ent- nommen ist, und ferner, dass der Verfasser von der ganzen Sache so wenig verstanden hat, dass er die Ectoderm-Urzellen und Zellenreihen als Mesoderm deutet (denn was er in der angezogenen Figur darstellt, ist ganz zweifellos ein Stück des Ectoderm-Keimstreifens und keinen- falls der Muskelplatten). In den nun folgenden Phasen der Entwicklung des Mysis-Embryos verschleiert sich der Keimstreifen etwas, und zwar hängt dies mit einem eigenthümlichen Wachsthumsvorgang zusammen, der schon frühern Forschern bekannt war: dass sich nämlich eine Querfalte bildet, wodurch die Abdominalanlage unter den übrigen Körper ein- geschlagen wird. Die Anfangsstadien dieses Vorgangs hat man jedoch nicht sonderlich beachtet, und ich habe es deshalb versucht, drei solche Stadien in Fig. 12, 13, 14 bildlich darzustellen; es hat dies seine Schwierigkeit, da mehrere über einander liegende Zellenschichten in der Region des Hinterendes des Keimstreifens berücksichtigt werden müssen, und ich bin mir der Unvollkommenheiten der genannten Figuren wohl bewusst. Das jüngste dieser Stadien ist durch Fig. 12 veranschaulicht. Die Einkrümmung ist noch schwach, und die grossen ectodermalen Urzellen liegen noch zum grossen Theil dem Beobachter zugekehrt, ebenso die mehr lateral gelegenen der von ihnen nach vorn abgehenden Zellenreihen; dagegen. sind die Zellenreihen, die nahe an der Medianlinie liegen, schon eingesenkt: sie liegen viel tiefer im Präparat, und nur die vorderste (also zuerst gebildete) Querreihe liegt wieder auf derselben Höhe wie die Urzellen. In der vordern Region, die aus den gewöhnlichen, polygonalen Ectodermzellen zusammengesetzt ist (Zellgrenzen sind nicht überall deutlich, und deswegen sind nur die Kerne dargestellt), lassen sich die Anlagen der Augen sowie der ersten und zweiten Antennen erkennen. In den erstern ist eine gruben- förmige Vertiefung sehr deutlich, deren Boden aus sehr grossen, hellen Zellen gebildet wird; die Anlagen der vordern und der hintern An- tennen haben sich ein wenig emporgewölbt ; die Umgrenzung der letztern ist aber noch wenig scharf. In der betreffenden Region sind sehr zahl- reiche Mitosen zu sehen, und zwar zeigte die Stellung der Aequatorial- platten hier gar keine Regelmässigkeit (nur muss bemerkt werden, Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 505 dass die Theilungen radial oder antiklin sind, nur in den Augen- anlagen kommen während dieser Stadien auch tangentiale oder perikline Theilungen vor); es findet aber, wie aus den zahlreichen Mitosen er- sichtlich, eine sehr lebhafte Vermehrung der Zellen statt. Hinter den Urzellen des ectodermalen Theils des Keimstreifens findet sich eine sehr eigenthümliche Anordnung der Zellen: zwei nach hinten convexe, symmetrische Bogen werden aus mit länglichen Kernen versehenen Zellen gebildet; diese Bogen stossen in der Mitte mit einander zu- sammen, und zwischen jedem Bogen und den vor ihm liegenden Ur- zellen ist eine Anzahl von Zellen mit rundlichen oder ovalen Kernen eingeschlossen. Eine ähnliche Anordnung lässt sich übrigens dann und wann schon auf dem Stadium Fig. 10 erkennen. Die beiden Bogen sind die Anlagen der provisorischen, gabeltheiligen Schwanzflosse und wachsen später viel weiter aus. Auch in dieser Region vermehren sich die Ectodermzellen sehr lebhaft (siehe die vielen Mitosen im Bilde). Das nächste Stadium, das in Fig. 13 dargestellt ist, zeigt noch wenig Fortschritte. Namentlich mit Bezug auf die vordere Körper- partie ist der Embryo fast unverändert; ich habe deswegen nur ein kleines Stück derselben dargestellt und die Augenanlagen weggelassen. Die Anlagen der ersten und zweiten Antenne liegen bei diesem Exem- plar auffällig nahe an einander. Aber der Einkrümmungsprocess ist etwas weiter vorgeschritten. Die Falte ist recht tief geworden, und der Vorder- und Hinterrand der Einstülpung liegen einander in der Mitte fast zur Berührung nahe an; zu beiden Seiten weichen sie mehr aus einander, indem die Einstülpung hier seichter wird. Nur ganz seitlich haben die Zellenreihen des Keimstreifens einen flachen, ebenen Verlauf; auch liegen hier die Urzellen dem Beobachter zugekehrt, während sie sonst jetzt meist an der Unterseite der Abdominalfalte, gegen die Höhle der Einstülpung liegen und von kleinern Ectoderm- zellen bedeckt sind. In Folge dessen sind nun auch die Schwanzflossen- bogen weiter vorgerückt und nehmen schon Antheil an der Ueber- deckung der Urzellen. Das dritte Stadium dieses Einkrümmungsvorgangs ist in Fig. 14 dargestellt. Dasselbe ist um ein gutes Stück weiter entwickelt als Fig. 13. Zunächst sind die beiden Antennenanlagen (at! und at?) jetzt sehr deutlich abgegrenzt und ragen nach hinten frei vor; seitlich zwischen ihnen hebt sich die Anlage des Dorsalorgans (do) ab als eine noch nicht ganz scharf umgrenzte Zellengruppe, und eine eben- solche, noch undeutlich abgegrenzte Zellengruppe medialwärts und hinter der zweiten Antenne stellt die Anlage der Mandibel (md) dar. 506 R. S. BERGH, Die Urzellen des ectodermalen Theils des Keimstreifens (FE) liegen nun ganz und gar in der Tiefe, nur von den beiden äussersten jederseits ist noch ein Stück unbedeckt, dem Beobachter entgegensehend. Vor, d. h. anscheinend hinter ihnen liegen die acht Myoblasten (JZ), gerade an der Ecke, am vordern Umschlagsrand der Abdominalanlage. Die bogenförmigen Anlagen der provisorischen Schwanzflosse (sf) sind nun ganz an den hintern Umschlagsrand der Abdominalanlage vorgerückt, wo sie an ihren langen, schmalen Kernen noch leicht erkennbar sind. Sie bezeichnen das künftige Hinterende des Embryos; der Körper- abschnitt, der in diesem Stadium hinter ihnen dem Beobachter zuge- kehrt liegt, gehört also zur künftigen Rückenseite, während der hintere Theil der Bauchfläche vom Beobachter abgewandt und dem Ein- stülpungslumen zugekehrt ist. Sehr bemerkenswerth ist die Linie, bis zu welcher die von den ectodermalen Urzellen ausgehenden Zellen- reihen nach vorn reichen ; sie ist ziemlich deutlich zu erkennen, näm- lich zwischen den Anlagen des rechten und des linken Mandibels. Hinter dieser Linie sind die Ectodermzellen in regelmässigen Längs- und Querreihen geordnet, vor derselben stehen sie mehr unregelmässig (auch sind hier ihre Grenzen nicht immer deutlich). Die letzterwähnte Grenzlinie ist auch noch in viel spätern Stadien sehr deutlich erkennbar, so namentlich in dem typischen Nauplius- stadium (Fig. 17). Ich gebe gleich eine Beschreibung dieses Stadiums (Fig. 15). Zu beiden Seiten der Embryonalanlage erkennt man die Dorsalorgane, noch paarig und von ihrer definitiven Lage oben auf dem Rücken weit entfernt (bekanntlich verschmelzen sie später mit einander in der dorsalen Medianlinie). In der Embryonalanlage selbst sind ganz vorn die Augenanlagen (au) und hinter diesen die Anlagen eines Theils des Gehirns (gh) bemerkbar; dieser ganze vordere Theil der Embryonalanlage ist durch einen von vorn einschneidenden, tiefen Schlitz in eine rechte und eine linke Hälfte geschieden. Die beiden Antennenpaare und die Mandibeln sind schon weit entwickelt und nach hinten ausgewachsen; sie stehen frei vor, besonders die Antennen, die zugespitzt endigen, während die Mandibeln hinten noch abgerundet | sind. Die Abdominalanlage ist nach der Ventralseite umgeschlagen; die gabeltheilige Schwanzflosse ist sehr deutlich, mit langen Chitin- haaren versehen. Ein Stück vor ihnen (scheinbar hinter ihnen) liegt die Querreihe der ectodermalen Urzellen. Doch sind die letztern weit deutlicher an der stärker vergrösserten Fig. 17 zu erkennen, wo das Abdomen auf die Seite geschlagen wurde, um die unten liegenden Theile sehen zu lassen. Von den grossen ectodermalen Urzellen — nur Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 507 15 derselben sind dargestellt, da sie an den Rändern über einander liegen — gehen Längsreihen von Zellen aus, die nicht nur am umge- schlagenen Abdomen, sondern auch in der ganzen Region hinter den Mandibeln erkennbar sind; die mediane Zellenreihe lässt sich etwas weiter nach vorn, bis zwischen die Ursprungsstellen der beiden Man- dibeln verfolgen. Sonst zeigen die zwischen und vor den Mandibel- ursprüngen gelegenen Zellen sich polygonal, zu einem Mosaik ohne regelmässige Längs- und Querreihen zusammengeordnet. Ein wenig hinter den Mandibeln bemerkt man die Entodermplatte (en), die schon sehr weit nach vorn verschoben ist. Da die Figur schon so complicirt ist, wurde von den Muskelplatten nichts angedeutet; der hinterste Theil derselben ist für sich in Fig. 16 dargestellt. Noch immer sieht man die acht Myoblasten (M) und die von ihnen ausgehenden Zellen- reihen; nur die Kerne dieser Zellen sind dargestellt (m). Es stellt sich mithin folgende bemerkenswerthe Thatsache heraus: an der Ventralseite, also in der Region, wo während der ganzen Embryonalperiode alle bedeutendern ‘Wachsthumsvorgänge sich ab- spielen, erweist sich das Ectoderm so zu sagen in eine naupliale und eine metanaupliale Anlage differenzirt. Die erstere besteht aus polygonalen Zellen, die keine regelmässige Anordnung in Längs- und Querreihen aufweisen und von gewöhnlichen Blastodermzellen ab- stammen; die letztere besteht aus regelmässigen Längs- und Querreihen von Zellen, die von eigenthüm- lich ausgebildeten Urzellen abstammen. Aus der erstern Anlage entsteht die ganze Region der Augen und der Naupliusextremi- täten, aus der letztern das hinter den Mandibeln liegende Körperstück bis auf das Telson (dieses entsteht, soviel ich sehen kann, aus der hinter den Urzellen liegenden Zellenmasse), doch ist das schwierig zu entscheiden, da in einem bald folgenden Stadium die Urzellen, die, so- lange sie da sind, einen so vorzüglichen hintern Abschluss des Keim- streifens bilden, verschwinden, wie wir sofort sehen werden. Zunächst gebe ich nur zur Vervollständigung die Beschreibung einiger Schnitte durch die Stadien Fig. 12— 15. In Fig. 32 — 34 sind drei Sagittalschnitte durch ein Stadium abgebildet, das etwa die Mitte hält zwischen Fig. 12 und 13. Fig. 32 ist fast median, weiter aussen ist Fig. 33, und noch mehr lateralwärts Fig. 34 geführt. Die durch das Eingeschlagenwerden des Abdomens bedingte Einstülpung ist medial sehr tief, verstreicht lateralwärts. In allen drei Schnitten sind grosse Urzellen (E) im Ectoderm sichtbar (mit den von ihnen 508 R. S. BERGH, nach vorn ausgehenden Zellenreihen, deren Elemente sehr hoch und cylindrisch sind. Innerhalb derselben sieht man die reihenförmig an- geordneten Zellen der Muskelplatten, und besonders in Fig. 32 ist auch die Urzelle einer solchen Reihe (Myoblast, M) sehr deutlich. Auch hinter den Urzellen besteht das Ectoderm eine Strecke weit aus hohen, cylindrischen Zellen; dann treten platte Blastodermzellen an ihrer Stelle auf. Nach vorn gehen im mittlern Schnitt die Elemente des Keimstreifens sehr bald in abgeplattete Zellen über; zu beiden Seiten besteht das Ectoderm aus viel dichter stehenden, höhern Ele- menten. Die Einsenkung in Fig. 34, die aus sehr grossen, hellen Zellen besteht, ist die Augenanlage; die Elemente derselben sind theilweise im Begriff, in die Tiefe zu wachsen, so dass das Ectoderm in dieser Region bald mehrschichtig wird (dabei kommen auch tangentiale Zell- theilungen vor, meistens aber verschieben sich nur die Zellen). In Fig. 33 ist die Augenanlage nicht getroffen, dagegen ist in der be- treffenden Region innerhalb des Ectoderms eine gegen dieses und gegen den Dotter wohl abgegrenzte Zellenschicht zu sehen. Diese Schicht (x) gehört ihrem weitern Schicksal nach zweifellos dem Mesoderm an (sofern man diesen Begriff anerkennt). In spätern Stadien wächst nämlich diese Schicht in die durch Vorwölbung (Ausstülpung) des Ecto- derms gebildeten Nauplius-Extremitäten hinein, um hier die Musculatur derselben zu bilden. Ein Zusammenhang mit den viel weiter hinten liegenden Muskelplatten des Keimstreifens ist sowohl in diesem wie in dem folgenden Stadium nicht nachzuweisen. Es bleibt ja immer- hin die Möglichkeit offen, dass Zellen sich von den Muskelplatten des Keimstreifens in frühern Stadien abgelöst haben, um nach vorn zu wandern und die erwähnte Schicht zu bilden; ich halte es jedoch für viel wahrscheinlicher, dass sich dieselbe in loco durch Abspaltung vom Ectoderm gebildet hat. Falls diese Vermuthung richtig wäre, würden also die Muskelplatten eine ähnliche Differenzirung in eine naupliale und eine metanaupliale Anlage aufweisen, wie ich sie für das Ectoderm nachgewiesen habe. Eine definitive Entscheidung hier- über zu bringen, ist mir nicht gelungen, und ich muss also diese Aufgabe Anderen überlassen, möchte nur bei dieser Gelegenheit wieder einmal auf die Dogmatik hinweisen, mit der man bei der Entscheidung solcher Fragen gewöhnlich zu Werke geht. Wie viele Beobachter lassen, wenn sie ihre Untersuchung anfangen, überhaupt die Möglich- keit zu, dass ihr werthes Mesoderm aus mehr als einer Quelle her- stammen könnte? Und diejenigen, für die von vornherein eine solche Möglichkeit ausgeschlossen ist, diese finden sicherlich auch — nolens Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 509 volens das Object — nur eine Anlage für das genannte „Keimblatt“. — In Fig. 32 erkennt man noch die ansehnliche Entodermplatte (en) an der Stelle, wo die Einstülpung nach vorn umbiegt. Dotterzellen finden sich in Fig. 34. Ein Sagittalschnitt durch das Stadium Fig. 15 ist in Fig. 36 ab- gebildet. Der Schnitt ist nicht ganz median, aber doch in der Nähe der Medianlinie durch den einen Ast der provisorischen Schwanzflosse geführt. Die hohen, cylindrischen Zellen in der Schwanzflosse haben sich schon ziemlich weit von der Chitinhaut zurückgezogen. Weiter vorn sieht man eine Urzelle des ectodermalen Keimstreifens und eine von ihr ausgehende Zellenreihe, innerhalb dieser einen Myoblasten mit seiner Zellenreihe. Gegen die Umbiegungsstelle zu hört diese Reihe auf, weiter vorn sieht man einzelne Muskelplattenzellen, die durch Zwischenräume von einander entfernt sind (m); was dies für eine Be- deutung hat, wird später erläutert werden. Noch weiter vorn, ein Stück vor der Umbiegungsstelle, liegt die Entodermplatte; ganz vorn gehen die hohen Ectodermzellen in platte Elemente über. — Fig. 35 endlich stellt einen Querschnitt durch die (abpräparirte) Abdominal- anlage desselben Stadiums dar. Man bemerkt den scharfen Unter- schied zwischen dem ventralen Ectoderm, das aus den hoben, cylin- drischen Elementen des Keimstreifens besteht, und den platten Ele- menten der Dorsalseite. Innerhalb des ventralen Ectoderms liegen jederseits vier Muskelplattenzellen (in der Medianlinie ist ein Zwischen- raum zwischen ihnen), und diese Zahl wiederholt sich ganz regelmässig in jedem Schnitt; im Innern liegt Nahrungsdotter, und eine Dotterzelle, deren Protoplasma eine Dotterkugel umfasst, ist sichtbar. Das nächste Stadium ist dadurch charakterisirt, dass die Eihülle gesprengt und, da somit Raum geschaffen wurde, das umgebogene Abdomen wieder ausgestreckt ist (Fig. 18). Die Augenanlagen sind schon stark vorgewölbt, die Naupliusgliedmaassen sind mächtig ent- wickelt und enthalten Mesodermzellen; zwischen und ein bischen vor den Ursprungsstellen der Mandibel macht sich eine dichtere Zellen- gruppe als Anlage des Mundes bemerkbar. Am Keimstreifen erkennt man eine Art Segmentirung: eine Abwechslung von hellern und dunklern Partien. Die ectodermalen Urzellen sind jetzt schon bei schwächerer Vergrösserung bemerkbar, sie liegen ein gutes Stück vor der Schwanz- flosse. Die letzterwähnten Verhältnisse erkennt man indessen weit besser bei stärkerer Vergrösserung (Fig. 19). Die Urzellen sind dann ausserordentlich deutlich, sowie auch die von ihnen nach vorn aus- gehenden Zellenreihen, deren Zellen noch immer eine äusserst regel- Zool, Jahrb. VI. Abth. f, Morph. 33 510 R. S. BERGH, mässige Gruppirung nicht nur in Längsreihen, sondern auch in Quer- reihen aufweisen ; die mediane Zellenreihe ist ganz besonders deutlich und bis sehr weit nach vorn erkennbar. Sonst divergiren die Zellen- reihen weiter vorn, und die Anordnung wird eine mehr unregelmässige ; dies hängt mit der Richtung der Zelltheilungen zusammen, welche hinten einen ganz gesetzmässigen Verlauf nehmen, mit Bezug auf ihre Richtung und Reihenfolge, weiter vorn aber in mehr unregelmässiger Weise nach sehr verschiedenen Theilungsebenen stattfinden (vergl. hierüber weiter unten). Die Myoblasten sind nicht mehr deutlich er- kennbar, indem sich jetzt am Hinterende der Muskelplatten keine Zellen durch besondere Grösse auszeichnen; eine sehr eigenthümliche Ver- änderung erkennt man auch noch an den Muskelplatten. Dieselben bilden nicht, wie früher, zusammenhängende Streifen, sondern sind in einzelne Abschnitte segmentirt, die wir als Ursegmente bezeichnen können. Jedes dieser Ursegmente besteht anfänglich (wie in dem hintern Theil unserer Fig. 19) aus einer einfachen Querreihe von vier Zellen ; weiter vorn nimmt die Zahl der Zellen zu. Die Ursegmente sind durch deutliche Zwischenräume von einander getrennt, und dies bedingt die schon bei schwächerer Vergrösserung sichtbare Abwechslung von hellern und dunklern Querstreifen. Das eben genannte Verhalten ist wahrscheinlich in rein mechanischer Weise zu erklären dadurch, dass die Muskelplatten in ihrem Wachsthum nicht Schritt halten mit dem Ectoderm und dass sie dadurch in quere Abschnitte auseinander- gezogen werden. Erst in spätern Stadien, wenn sich die Zellen der Ursegmente in verschiedenen Richtungen stark vermehrt haben und alle Ursegmente wieder mit einander verwachsen sind, ist wieder eine continuirliche Schicht zwischen Ectoderm und Nahrungsdotter herge- stellt. Querschnitte durch die hintere Region des auf diesem Stadium befindlichen Keimstreifens zeigen noch ganz ähnliche Verhältnisse wie in der vorhergehenden Phase. In dem hintersten der abgebildeten: Schnitte (Fig. 37) sieht man innerhalb des Ectoderms des Keimstreifens noch jederseits vier Zellen der Muskelplatten. Fig. 38 stellt einen Querschnitt durch eine zwischen zwei Ursegmenten befindliche (also fast mesodermfreie) Region etwas weiter vorn dar; auf der einen Seite ist zwar der Rand eines Ursegments getroffen: hier sind drei abge- plattete Mesodermzellen sichtbar; aber die andere Seite ist ganz mesodermfrei. Weiter vorn ist noch ein Schnitt durch die Region eines Ursegments (Fig. 39) und durch die Gegend zwischen zwei solchen (Fig. 40) abgebildet. Im erstern hat sich die Zahl der Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 511 Ursegmentzellen erheblich vermehrt, und sie haben sich lateralwärts viel weiter ausgedehnt als früher; in Fig. 40 sind nur ganz seitlich zwei solche Zellen zu sehen (die übrigen Zellen, die innerhalb des Ectoderms vorhanden sind, sind nur Dotterzellen). Zugleich erkennt man in diesen Schnitten, dass sich in der Mitte der Bauchfläche eine seichte Furche gebildet hat. Anfangs, als ich mit den folgenden Stadien noch nicht vertraut war, dachte ich, dass diese Furche, die sich bald weit tiefer einstülpt, eine Neuralfurche sei. Das ist aber keineswegs der Fall; sondern die Hervorragungen, die Wälle, welche die Seiten der Furche bilden, sind die ersten Andeutungen der Extremi- täten. In Fig. 41 ist endlich ein Sagittalschnitt durch die mittlere Körperregion in demselben Stadium (nicht ganz medial geführt) ab- gebildet. Innerhalb des Ectoderms liegen in ziemlich regelmässigeu Abständen die (quergeschnittenen) Ursegmente, deren jedes nur durch eine einzige Zelle repräsentirt wird — also ähnlich, wie wir es schon in dem vorhergehenden Stadium fanden. Nach dem Vorderende zu werden die Zellen zahlreicher, mehr gedrängt, hier hat eine reichliche Vermehrung derselben stattgefunden. Wo solche Zellen nicht vorhanden sind, liegt das Ectoderm dem Dotter unmittelbar an. Wie in dem eben beschriebenen Stadium die Urzellen der Muskel- platten als solche nicht mehr erkennbar waren, so verschwinden auch die Urzellen des ectodermalen Theils des Keimstreifens in dem nun folgenden Stadium, indem sie in kleinere Zellen zerfallen. Ich bin in der glücklichen Lage, ein sehr wichtiges Stadium dieses Zerfalls be- schreiben und abbilden zu können (Fig. 22). Am Hinterende des aus Längs- und Querreihen von Zellen gebildeten Ectoderm-Keimstreifens finden sich noch immer grössere Zellen, von denen zwei noch normale, ruhende Kerne aufweisen, während dagegen die übrigen acht, die in die Figur mit aufgenommen wurden, in verschiedenen Stadien der Theilung begriffen sind. Die Theilungsrichtung ist noch ganz dieselbe wie früher: die Aequatorialplatte steht also quer zur Längsaxe des Embryos; aber die Aequatorialplatten liegen hier nicht wie bei allen frühern Theilungen excentrisch in den Zellen, sondern eben in der Mitte der Zellen, so dass dieselben in gleiche Tochterzellen halbirt werden. Und wenn dies geschehen ist, wächst keine der Tochterzellen zu be- deutenderer Grösse heran, sondern sie bleiben klein wie die sonstigen Zellen der Umgebung, von denen sie bald nicht mehr zu unterscheiden sind. In dieser Weise verschwinden die Urzellen, und die scharf markirte hintere Grenze des Keimstreifens wird dadurch bald ganz verwischt. Von diesem Zeitpunkt an wird dann auch die reihenförmige 33 * 512 R. S. BERGH, Anordnung der Zellen immer weniger deutlich. — Sonst bemerken wir bezüglich dieses Stadiums Folgendes (Fig. 21): alle Theile des Embryos sind weit stärker entwickelt und treten viel deutlicher hervor, so die Augen, die dahinter liegenden vordern und hintern Gehirnanlagen, die Antennen und Mandibeln, die Dorsalorgane; der Mund tritt als eine deutliche (bei der Oberflächenbetrachtung sichelförmige) Einstülpung hervor; von der chitinigen Schwanzflosse hat sich schon die zellige Matrix derselben weit zurückgezogen. Was aber am meisten auffällt, ist die tiefe, schmale Rinne, die sich in der Mitte der Bauchfläche von der Mandibelregion bis ziemlich weit nach hinten erstreckt. Die Furche ist in ihrem vordern Theile ganz eng und schmal, weiter hinten ist sie (segmentweise) abwechselnd verbreitert und eingeschnürt. Zu ihren beiden Seiten sind die Extremitätenwülste sehr deutlich als ver- dickte Streifen, die in quere Abschnitte zerlegt erscheinen, so dass man in einem solchen Stadium leicht den Eindruck bekommt, als hätte man die Anlage einer Ganglienkette mit einer Neuralrinne vor sich. Hinten sind noch einige jugendliche Ursegmente sichtbar und zu den Seiten der Extremitätenanlagen verdickte Gruppen von Mesodermzellen, die seitliche Verbreiterungen der Ursegmente darstellen. Im hintern Theil des Keimstreifens erkennt man auch noch im Ectoderm die reihenförmige Anordnung der Zellkerne. Schnitte durch die hinterste Region des Keimstreifens auf diesem Stadium bieten das Aussehen von Fig. 42 dar. Die Zellen der Muskel- platten zeigen nicht mehr eine so regelmässige Zahl und Anordnung wie früher, auch sind sie mehr abgeplattet. Das Ectoderm hat noch etwa dasselbe Aussehen wie früher, doch lässt sich in einigen Schnitten (wie Fig. 42) eine Sonderung in eine mediane und zwei laterale Partien erkennen. Erstere besteht in Fig. 42 nur aus drei Zellen, die schon ein ganz wenig eingesenkt scheinen, indem die sich ihnen seitlich an- schliessenden Zellen sie ein wenig überragen. Es ist die Weiterführung dieses Vorgangs, die zu solchen Verhältnissen führt, wie sie sich uns in den weiter vorn geführten Querschnitten, Fig. 43—47, darstellen (nebenbei hat eine sehr erhebliche Vermehrung der Ectodermzellen stattgefunden). Indem die seitlich stehenden Zellen sich über die mittlern immer mehr emporwölben und gleichzeitig an Anzahl zunehmen, hat sich schon in Fig. 43—44 eine ansehnliche mediane Rinne gebildet, deren Boden von einer aus hohen, cylindrischen Zellen bestehenden Ectodermplatte gebildet wird, die in der Medianlinie in eine ziemlich scharfe Spitze (d. h. also körperlich: eine Leiste) emporgehoben ist in Fig. 45 ist die Furche noch tiefer und in ihrem obern Theil eingeengt Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 513 worden. Die Muskelplatten sind in diesen Schnitten nur durch eine spärliche Anzahl von Zellen repräsentirt. — In Fig. 46—47, die noch weiter vorn geführte Querschnitte darstellen, ist die Furche noch viel enger und tiefer geworden, d. h. ihre äussere Abtheilung ist eine sehr enge Spalte, die sich nach innen sehr stark seitlich verbreitert, indem sie jedoch dabei sehr eng bleibt; die seitlichen Wülste stellen sich jetzt als mächtige ectodermale Duplicaturen dar, in welche (Fig. 47) die Muskelplatten hineinzuwachsen anfangen; die Wülste sind ja nichts weiter als Extremitätenanlagen. In Fig. 47 ist die Region einer der oben erwähnten seitlichen Verdickungen der Muskelplatten ge- troffen, in Fig. 46 eine dazwischen liegende Stelle. Längs der Mittel- linie sind noch keine Zellen der Muskelplatten vorhanden; im Gegen- theil wurden die Muskelplatten durch den Einstülpungsprocess eben mehr nach den Seiten auseinandergedrängt. Innerhalb der eingesenkten Ectodermplatte (oder Nervenplatte, wie wir sie ganz gut nennen können, da sie der Bauchkette den Ursprung giebt) erkennt man eine Anzahl kleiner, platter Zellen mit abgeplatteten, sehr intensiv sich färben- den Kernen; diese sind nicht den Muskelplatten, sondern dem Ectoderm angehörig; in Fig. 46 sind nur zwei, in Fig. 47 eine grössere Anzahl derselben zu sehen; auch bemerkt man in dem letzten Schnitt eine Kerntheilungsfigur mit tangential gestellter Aequatorialplatte in einer Zelle der Nervenplatte. Wir werden uns weiter unten mit den Vor- gängen, die hier stattfinden, näher zu beschäftigen haben. — Viele der Querschnitte bieten ein etwas complicirtes Aussehen dar, indem die vordern Extremitäten die hintern überragen, so dass man oft an einem Querschnitt ausser einer deutlich inserirten Extremitätenanlage noch den freiliegenden Querschnitt einer solchen ausserhalb jener an- trifit. Man versteht dies leicht bei Betrachtung des sagittalen Längs- schnitts Fig. 48, wo eine Anzahl hinter einander liegender Extremitäten dargestellt sind: die vordern decken theilweise die hintern. Innerhalb der Nervenplatte sind auch hier im vordern Theil (segmentweise) die oben erwähnten kleinen, platten Zellen sichtbar, aber keine Zellen der Muskelplatten (der Schnitt ist submedian geführt). Von diesem Stadium ab lassen sich Flächenpräparate vom Keim- streifen nicht mehr so durchsichtig machen, dass sie mit Erfolg genauer studirt werden könnten. Die Extremitätenanlagen wachsen weit nach hinten aus und verdecken den centralen Stammtheil des Keimstreifens vollständig; auch werden die hintern Extremitäten von den vordern bedeckt; ein solches Präparat wird daher sehr dick und undurch- sichtig. Ich machte nun Versuche, die Extremitätenanlagen wegzu- 514 R. S. BERGH, präpariren, um dadurch den centralen Theil des Keimstreifens unbe- deckt in situ sehen zu können, diese Versuche misslangen aber aus- nahmslos; die verschiedenen Theile des Embryos, die einander ja sehr eng anliegen, scheinen mit einander in irgend einer Weise verlöthet oder verkittet zu sein und zerfallen durch Behandlung mit Nadeln in ganz unregelmässige Bruchstücke. Diese Verhältnisse haben mich daran verhindert die Fragen zu entscheiden, ob eine bestimmte Zahl Längsreihen von Zellen, beziehungsweise wie viele in die Bauchkette eingehen. Nach Schnitten allein diese Frage beurtheilen zu wollen, ist sehr misslich. Allerdings könnten solche Querschnitte wie Fig. 42 zu der Vermuthung Veranlassung geben, dass nur drei der ursprüng- lichen Zellenreihen mit der Bildung der Bauchkette zu thun hätten, nämlich die mediane und die ihr jederseits zunächst liegende, und dies würde auch mit den Verhältnissen bei den Anneliden am besten übereinstimmen, wo ja jederseits nur eine Zellenreihe in die Bildung des Bauchnervenstranges eingeht (eine mediane Zellreihe fehlt hier ganz, sowie auch die Urzelle einer solchen). So deutliche Verhältnisse wie in Fig. 42 finden sich aber bei weitem nicht in allen Querschnitten durch solche Stadien, und da sich die erwähnte Erscheinung also nicht mit Regelmässigkeit wiederholt, so muss ich mich darauf beschränken, sicher festzustellen, dass die der Mittellinie zunächst liegenden ecto- dermalen Zellenreihen des Keimstreifens — ungewiss, wie viele — der Bildung der Bauchkette vorstehen, während die mehr lateral gelegenen Reihen die sich schnell und stark emporwölbenden Extremitätenanlagen bilden. Sehr interessant ist die ausserordentlich strenge Gesetzmässigkeit, mit der die Zelltheilungen in dem ectodermalen Keimstreifen stattfinden, solange dieser noch auf indifferenter, embryonaler Stufe verharrt und noch nicht für die Bildung der Organe specialisirt ist. Wie die Ur- zellen des ectodermalen Keimstreifens immer nur in einer Richtung sich theilten, nämlich so, dass die Aequatorialebene senkrecht zur Längsaxe des Embryos stand, so behalten auch ihre Abkömmlinge diese Einförmigkeit der Vermehrungsrichtung lange Zeit bei (doch sind ihre Theilungen nicht ungleich wie die der Urzellen, sondern sie zerfallen immer in gleiche Tochterzellen). Dabei findet zugleich ein höchst regelmässiges Fortschreiten der Zellenvermehrung von der medianen Ventrallinie nach den Seiten hin statt. Schon früher wurde erwähnt, dass die mittlern Urzellen ihre knospende Thätigkeit früher Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 515 anfangen als die seitlichen, und indem sich dies auch später wieder- holt (siehe Fig. 9), resultirt daraus, dass die Abkömmlinge dieser Urzellen nicht nur in Längsreihen, sondern auch in Querreihen höchst regelmässig angeordnet sind. Und wenn nun die kleinern Zellen, welche die Reihen bilden, sich zu theilen anfangen, so geschieht das auch in einer ganz bestimmten Zeitfolge: die Theilung der Zellen in jeder Querreihe schreitet von der Mitte nach den Seiten hin fort. In der Weise entsteht eine solche Anordnung, wie sie in den Fig. 17 und 20 sehr deutlich sichtbar ist. In Fig. 17 erblickt man an der rechten Seite zwei Kerntheilungsfiguren, die eine dicht vor der andern gelegen; die erstere ist im Stadium der Aequatorial- platte, die letztere im Knäuelstadium. Medialwärts von jeder dieser Zellen finden sich zwei Querreihen, indem hier jede der frühern Quer- reihen schon in zwei zerlegt ist; lateralwärts von jeder der sich theilen- den Zellen findet sich nur eine Querreihe, deren Zellen ruhende Kerne haben. Auch in mehreren der sonstigen Querreihen (vor den eben be- sprochenen) ist erkennbar, dass die einfache Reihe, wenn man sie von aussen nach innen verfolgt, in zwei zerlegt wird (hier sind aber keine Theilungsfiguren). Fig. 20 zeigt ganz entsprechende Verhältnisse: auch hier liegen zwei Theilungsfiguren, eine dicht hinter der andern, die vordere im Stadium der Tochtersterne, die hintere im Stadium der Aequatorialplatte; auch hier ist medialwärts jede der betreffenden Zellenreihen in zwei zerlegt, lateralwärts aber nicht!). Die Theilungen der Elemente der Zellenreihen scheinen im Allgemeinen erst aufzu- treten, jedenfalls erst lebhafter vorzugehen, wenn dieselben ein gutes Stück von den Urzellen durch die nachfolgenden Generationen von Zellen entfernt worden sind. Es ist danach wahrscheinlich, dass in einem und demselben Keimstreifen die den Urzellen am fernsten liegen- den Zellen durch eine grössere Ahnenreihe von ihren Stammeltern, den Urzellen, geschieden sind als die diesen näher liegenden Zellen. Auffallend ist, dass, wenn in einer Längsreihe zwei unmittelbar auf einander folgende Zellen in Theilung begriffen sind, die vordere der- selben immer am weitesten vorgeschritten ist (vergl. Fig. 17 und 20). Es herrscht wahrscheinlich eine ähnliche Gesetzmässigkeit in der Zeit- 1) In Fig. 19 sind diese Verhältnisse nicht erkennbar. Bei der Kleinheit der Elemente und der Complicirtheit der hier darzustellenden Verhältnisse habe ich nicht alles genau ausführen können, so dass diese Figur nicht Anspruch auf volle Correctheit erheben kann. Doch sind die ectodermalen Urzellen mit dem Prisma entworfen, und auch die Lage der Mitosen und der Ursegmente wurde mit dem Prisma markirt. 516 R. S. BERGH, folge der Theilungen mit Bezug auf die Längsreihen wie mit Bezug auf die Querreihen: von den Zellen, die durch die gleiche Ahnenzahl von ihren Stamm- oder Urzellen getrennt sind, theilen sich immer erst die vordern; die Theilungen in den Längsreihen schreiten, mit andern Worten, von vorn nach hinten fort. Untersucht man jedoch weiter auseinanderliegende Zelltheilungen in einer und derselben Längsreihe, dann kann es wohl vorkommen, dass die vordere in einer weniger vorgeschrittenen Phase der Theilung begriffen ist, als die hintere; es ist hier die einfachste Voraussetzung, dass die beiden Zellen nicht durch die gleiche Ahnenzahl von ihrer Urzelle entfernt sind, sondern dass die vordere z. B. Enkelzelle ist, während die hintere noch Tochterzelle ist. Ich wüsste keine andere Erklärung der beobachteten Verhältnisse zu geben. Ob die Elemente der Zellenreihen der Muskelplatten sich in ebenso gesetzmässiger Weise wie die ectodermalen Keimstreifenzellen theilen, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Kerntheilungsfiguren habe ich in denselben nur äusserst selten gefunden; diese Sache bietet der Untersuchung sehr bedeutende Schwierigkeiten dar. Eine Zelle in Fig. 11, die zu den Muskelplatten zu gehören scheint — ich sage ausdrücklich „scheint“, denn es könnte am Ende auch eine oberfläch- lich liegende Dotterzelle sein, was ich jedoch nicht glaube — theilt sich so, dass die Aequatorialplatte der Längsaxe des Embryos parallel steht. Jedenfalls verhalten sich aber die Muskelplatten darin dem Ectoderm-Keimstreifen gleich, dass sie längere Zeit einschichtig bleiben, dass also, um mich der Sacus’schen Ausdrucksweise zu bedienen, alle in ihnen stattfindenden Zelltheilungen während dieser Periode in anti- kliner Richtung vor sich gehen. Ich komme dabei auf einen wichtigen Gegenstand zu sprechen. Mit der ihm eigenen Meisterschaft in der Darstellung seiner eigenen genialen Gedanken hat Sacns!) schon vor längerer Zeit die Frage nach der gesetzmässigen Aufeinanderfolge der Zelltheilungen ventilirt und es versucht, feste Regeln für die fortschreitenden Zelltheilungen in wachsenden Organen der Pflanzen anzustellen. Als die gewöhn- lichen Regeln stellt er folgende zwei auf: 1) die Tochterzellen sind einander an Volumen gleich, und 2) die neu auftretenden Theilungs- wände sind rechtwinklig auf die schbn vorhandenen aufgesetzt. Diesen 1) Ueber die Anordnung der Zellen in den jüngsten Pflanzentheilen, in: Arb. Bot. Inst. Würzburg, Bd. 2. — Vorlesungen über Pflanzen- physiologie, 1880. Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 517 Grundsatz, dass „die successiven Theilungswände einander rechtwinklig schneiden, und dass man auf Grund dieses einfachen Gesetzes im Stande ist, die gesammte Anordnung der Zellen zu zeichnen, wenn nur einige wenige Anhaltspunkte über die Vertheilung des Wachsthums gegeben sind, dass man aber auch umgekehrt aus dem beobachteten Zellwandnetz die Vertheilung des Wachsthums im Innern eines jungen Organs beurtheilen kann“, denselben Grundsatz meint Sacus auch für das Thierreich durchführen zu können !); allerdings giebt er zu, dass die Schwierigkeiten für den betreffenden Nachweis hier bedeutend grössere sind als im Pflanzenreiche, was durch die Nichtexistenz von Zellwänden und die viel leichtere Verschiebbarkeit der Zellen bedingt wird. Für das Thierreich hat, soviel ich weiss, nur RAUBER”) ent- sprechende Versuche gemacht, feste Regeln für die Richtungen und die Aufeinanderfolge der Zelltheilungen im Embryo zu geben; bei der grossen Wichtigkeit der Sache muss es auffallen, dass seine Arbeiten noch so wenig Beachtung gefunden haben, vielleicht mag es daran liegen, dass dieselben, trotzdem sie werthvolle Betrachtungen enthalten, viel schwieriger geniessbar sind als die Sacus’schen. RAUBER hat sich besonders mit der Furchung beschäftigt und unterscheidet hier drei Arten von Theilungsebenen: Radialen (solche Furchen, die die Eiaxe in sich fassen, also Meridionalfurchen), Antiklinen (Aequatorial- oder Horizontalfurchen) und Periklinen (Furchen parallel zur Oberfläche des Eies, durch welche also mehrere Schichten gebildet werden), und er meint, dass das Zellenmaterial des Embryos bei seiner weitern Zerklüftung immer mit denselben rechtwinklig sich schneidenden Furchungssystemen arbeite; doch giebt er zu, dass Ausnahmen von dieser Regel vorkommen, dass es Fälle giebt, wo die successiven Theilungsebenen nicht rechtwinklig zu einander stehen. Der Gegen- satz zwischen Radialen und Antiklinen ist, glaube ich, nur bei der Furchung von Bedeutung, ‘dagegen möchte ich dem Gegensatz von Antiklinen und Periklinen eine weit tiefere Bedeutung beimessen. In- dessen ist das Material an positiven Beobachtungen über die Auf- einanderfolge der verschiedenen Zelltheilungsrichtungen — wenn wir von der Furchung absehen — noch ziemlich gering, und um allge- meinere Schlüsse ziehen zu können, muss man zunächst eine Anzahl klar liegender Fälle analysiren und vergleichen. Sehr klare Verhält- nisse finden sich eben bei Mysis. 1) Physiologische Notizen, III, in: Flora 1892, p. 57 ff. 2) Thier und Pflanze, in: Zool. Anzeiger, 1881. — Neue Grund- legungen zur Kenntniss der Zelle, in: Morph. Jahrb., Bd, 8, 1883, 518 R. S. BERGH, Der Unterschied, der sich mit Bezug auf die Richtungen der Zell- theilungen zwischen dem Keimstreifen und dem vor dem Keimstreifen liegenden Theil des Körpers geltend macht, ist ja bei Mysis sehr auf- fallend. Wie vorhin erwähnt, verliefen im Ectoderm des Keimstreifens, solange das Zellenmaterial ganz embryonal oder indifferent bleibt, d. h. solange noch keine Organe aus demselben sich anlegen, alle Zelltheilungen nach einer ganz bestimmten antiklinen Richtung, nämlich quer zur Längsaxe des Embryos. Erst wenn sich aus dem Keimstreifen die ersten Organe, die Bauchkette und die Extremitäten, anlegen, ändert sich dieses Verhalten: die Zelltheilungen finden nach verschiedenen Richtungen statt und nicht mehr immer nach der Quer- ebene. Dies wird durch Fig. 19 veranschaulicht: im vordersten Theil dieses Keimstreifens sind mehrere Kerntheilungsfiguren zu sehen, deren Aequatorialplatten schräg oder parallel zur Längsaxe des Embryos stehen, und eine Folge davon ist, dass auch die reguläre Anordnung der Zellen in Längs- und Querreihen in dieser vordern Region ver- wischt wird. Dieser Vorgang findet zunächst in der Nähe der Median- ebene statt; die Zellenmasse, die hier jederseits der medianen, unver- ändert gebliebenen Zellenreihe anliegt, entstammt wahrscheinlich den dieser zunächst liegenden lateralen Reihen, die nichtsdestoweniger noch als solche erkennbar sind, aber seitwärts verschoben wurden. Bald geht die reihenförmige Anordnung gänzlich verloren, wie gesagt, eine Folge der Veränderung in der Richtung der Zellentheilungen. Diese verlaufen doch noch immer alle zunächst in antikliner Richtung, d. h. die Theilungsebenen schneiden senkrecht zur Oberfläche ein, und das bleibt in der Region der Extremitäten auch dann noch der Fall, wenn diese sich emporwölben; bei der Bildung der Bauchkette treten aber später Periklinen auf, d. h. Theilungsebenen parallel zur Oberfläche, wie gleich erwähnt werden soll. — Die vor dem Keimstreifen liegende Partie des Embryos, aus der sich die Augen und die Naupliusgliedmaassen heraus- heben, ist dadurch von jenem unterschieden, dass die Zelltheilungen hier keineswegs nach einer einzigen, sondern nach allen möglichen antiklinen Richtungen stattfinden. Ob hier die successiven Theilungs- ebenen senkrecht zu einander stehen, dies zu untersuchen war nicht möglich, da eine Methode, um eine und dieselbe Mutterzelle in ihren verschiedenen Generationen von Tochter-, Enkelzellen u. s. w. wiederzu- erkennen, fehlt. Bei Mysis ist man bei einer Untersuchung der be- treffenden Vorgänge auf das Studium gefärbter Präparate angewiesen, aber selbst bei einem solchen Objecte, wie Hyperia, wo das Ei von wundervoller Durchsichtigkeit ist und die Embryonalzellen noch dazu Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 519 so gross sind, dass man mit Leichtigkeit die Kerntheilungen am leben- den Objecte wahrnimmt, selbst hier sehe ich keine Möglichkeit, die successiven Theilungen einer Mutterzelle und ihrer Tochterzellen präcise zu verfolgen. Die Verhältnisse im Keimstreifen fasse ich in folgender Weise auf. Jeder Zellenfaden (d. h. die Urzelle und die von ihr ausgehende Längsreihe von Zellen) hat während der ersten Periode ihres Bestehens ihr eigenes, selbständiges Wachsthum ; dadurch dass für die Elemente aller Zellenreihen genau die gleiche Fähigkeit des Wachsthums und die gleichen Bedingungen der Ernährung bestehen, wird die Reihen- folge der Vermehrung der Zellen, die einmal eingeschlagen wurde, auf lange Zeit beibehalten. Warum gerade die in der Mitte liegenden Urzellen mit der Bildung der kleinern Zellen anfangen, warum das ganze Wachsthum des Keimstreifens in der Mitte beginnt und nach den Seiten hin fortschreitet, das bleibt ein Räthsel; hat es aber einmal in der Weise angefangen, dann ist es leicht begreiflich, dass es in derselben Weise fortgeht, unter der Voraussetzung, dass bei gleichen Ernährungs- und Wachsthumsbedingungen dieselbe Spanne Zeit zwischen den aufeinander folgenden Theilungen von Zellen gleicher Art verläuft. Und im Ectoderm-Keimstreifen giebt es während der ersten Periode ihres Bestehens nur zwei Arten von Zellen: die Urzellen und ihre Abkömmlinge, die kleinern Zellen. Dass erstere grössere Fähigkeit des Wachsthums haben und sich lebhafter theilen als die kleinern, ist klar. Ausnahmen von den im Vorhergehenden gegebenen Regeln von der Reihenfolge der Zelltheilungen sind sehr selten. Nur in ganz vereinzelten Fällen findet man in einer und derselben Querreihe eine Mitose lateralwärts neben einer einfachen, ungetheilten Zelle mit ruhendem Kern, und ich nehme keinen Anstand, solche Fälle als durch kleine Ernährungsstörungen bedingte Anomalien unbedeutender Art zu betrachten. Wenn sich nun die Bildung der Bauchkette einleitet, so tritt in der betreffenden Region eine neue Theilungsrichtung der Ecto- dermzellen auf, nämlich die perikline, wie schon oben kurz erwähnt wurde. Wie viele der ursprünglichen Zellenfäden oder Längsreihen in der Bildung der Bauchkette aufgehen, konnte ja nicht entschieden werden, weil die einzelnen Zellenreihen eben um den betreffenden Zeit- punkt durch die nach verschiedenen antiklinen Richtungen verlaufenden Zelltheilungen unkenntlich werden. Jedenfalls vermehren sich die Zellen stark; auf dem Querschnitt Fig. 42 liessen sich ja nur drei Zellen als 520 R. S. BERGH, Anlage der Bauchkette deuten, weiter vorn wird aber die Zahl der Zellen in dieser Anlage weit grösser (Fig. 43, 44, 45, 46, 47). Schon früher wurde auf die kleinen Zellen mit den stark sich färbenden Kernen aufmerksam gemacht, die man innerhalb der Ectodermzellen der mittlern Region der Bauchseite in den letztgenannten Figuren (46 und 47) wahrnimmt. Diese Zellen sind durch perikline Theilungen oder Knospungen der Ectodermzellen entstanden. Die Ectodermzellen besagter Region theilen sich nämlich sehr lebhaft, das geht aus den zahlreichen Mitosen hervor, die sich hier finden; in Fig. 47 ist schon eine solche im Stadium der Tochtersterne sichtbar; die Theilungsebene ist augenscheinlich parallel der Oberfläche. Die Bildung der kleinen Zellen scheint Anfangs in bestimmten segmentalen Zonen stattzufinden (vergl. den sagittalen Längsschnitt Fig. 48, wo mehrere solche Zonen sichtbar sind, durch Zwischenräume, wo die kleinern Zellen fehlen, getrennt). Später erstreckt sich dieser Vermehrungsmodus der Ecto- dermzellen continuirlich über die ganze mittlere Region der Bauch- fläche. Und dieselben Ectodermzellen wiederholen diesen Proliferations- vorgang oftmals; hierdurch entstehen solche Zellenreihen, wie sie in Schnitten von spätern Stadien, wie Fig. 49—52, sichtbar sind, von der Oberfläche nach innen verlaufend; die innersten der kleinern Zellen sind also die aus den ersten, die äussersten die aus den letzten Knospungen hervorgegangenen Elemente. In Fig. 51 und 52 sieht man auch Zellen in verschiedenen Phasen der Mitose, an einigen der- selben kann man deutlich erkennen, wie die Theilungsebene nicht mitten in der Zelle, sondern näher an ihrer Innenfläche liegt, womit es stimmt, dass der Vorgang keine äquale Theilung, sondern eine Knospung ist, indem ja die innere Zelle viel kleiner wird. Sehr auf- fallend ist auch der Unterschied zwischen den Kernen der grössern äussern und der kleinern innern Zellen. Während die erstern z. B. nach Hämatoxylinbehandlung hell bleiben und den Farbstoff nur in geringem Grade anziehen, sind die letztern dunkel und färben sich höchst intensiv. Diese kleinen Zellen theilen sich, soviel ich sehen kann, nicht weiter, und es gehen aus ihnen ohne weiteres Ganglien- zellen hervor. Also kurz: die in der künftigen Region der Bauch- kette befindlichen Ectodermzellen bilden sich als Ur- zellen aus, die durch fortgesetzte Theilung (Spross- ung) Zellenreihen erzeugen, welche in das Innere des Körpers hineinstrahlen. Solche Reihen sind immer am deut- lichsten nahe an der Medianlinie, nach den Seiten hin wird alles viel Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 591 undeutlicher (vergl. Fig. 49). Es könnte dies vielleicht davon herrühren, dass am Rande neue Urzellen gebildet werden, entweder durch (äquale) Theilung der alten oder durch Hinzutreten von neuen Zellen, und dass sich die Zellen deshalb drängen und drücken. Die Zahl der betreffen- den Urzellen ist ja ersichtlich viel grösser in dem spätern Stadium, dem die Fig. 49 entnommen wurde, als in dem frühern Stadium (Figg. 46—47). Während es also früher nahe am Hinterende des Körpers ein System von Urzellen gab, die durch antikline Zellknospung parallel der Längsrichtung des Embryos den oberflächlichen Zellen- reihen des Keimstreifens den Ursprung gaben, so hat sich jetzt an der ganzen mittlern Partie der Bauchfläche ein neues System von Urzellen aus den Abkömmlingen der mittlern von den alten Urzellen herausgebildet, welche durch perikline Zellknospung Zellenreihen liefern, die in das Innere hineinwachsen und der Bauchkette den Ursprung geben. Trotzdem ich mich in dieser Abhandlung mit dem Kopftheil des Embryos nicht besonders beschäftige, möchte ich doch die Bemerkung nicht unterlassen, dass bei der Bildung des Gehirns ganz entsprechende Vorgänge wie bei der Bildung der Bauchkette stattfinden. Die Ecto- dermzellen der vordern Körperregion (die ja nicht von dem System der hintern Urzellen abstammen) fangen in den Regionen, wo sich das Gehirn entwickelt, an sich als Urzellen auszubilden, die durch ungleiche Theilungen in perikliner Richtung Stränge von kleinern Zellen nach einwärts erzeugen. Schnitte durch das sich entwickelnde Gehirn geben demgemäss Bilder, die den Figg. 49—52 recht ähnlich sind. Eigenthümlich verhalten sich bei der Bildung der Bauchkette die Elemente der oben erwähnten medianen Zellenreihe. Dieselben bilden sich nämlich nicht überall als Urzellen aus, die durch perikline Theilungen kleinere Zellen sprossen. Sie thun dies nur in den künftigen ganglionären Regionen; in diesen verhalten sie sich ganz wie die Elemente der lateralen Reihen, wie aus Fig. 50 ersichtlich, wo nur die mediane und die zwei ihr zunächst liegenden lateralen Reihen von Tochterzellen dargestellt sind. In den commissuralen Regionen findet zunächst keine erhebliche Vermehrung der medianen Ectodermzellen statt; auf dem sagittalen Medianschnitt Fig. 52 sieht man zwischen den einzelnen Ganglienanlagen einige wenige grosse und sehr hohe Ectodermzellen, die weit nach innen reichen. Einen Quer- schnitt durch eine solche Region stellt Fig. 51 dar; die mediane Zelle ist hier durch die ihr zunächst anliegenden seitlichen verdeckt. Der Querschnitt Fig. 49 ist etwa der Grenze einer commissuralen und einer | 522 R. S. BERGH, ganglionären Region entnommen. Auch in spätern Stadien finden in den commissuralen Regionen keine Sprossungsvorgänge statt, sondern die Elemente derselben vermehren sich einfach durch äquale Theilung. Die eben beschriebenen Vorgänge bei der Bildung der Bauchkette (und des Gehirns) erinnern sehr an das, was vor kurzem ein ameri- kanischer Forscher, WHEELER, für Insecten mitgetheilt hat’). WHEELER beschreibt für Xiphidium und andere Orthopteren 8 Reihen von ,,Neuro- blasten‘‘?) (entsprechend meinem System von secundären Urzellen längs der Ventralseite), die durch Sprossung in perikliner Richtung Zellen- reihen als Anlage der Bauchkette erzeugen sollen. Insofern ist Uebereinstimmung vorhanden, auch giebt der Verfasser genau den- selben Unterschied im Verhalten der grossen und der kleinen Zellen gegen Farbstoffe an, die ich oben erwähnt habe. In anderer Hinsicht aber finden sich Differenzpunkte, die ich hervorheben möchte. Zunächst konnte ich keine bestimmte Zahl von Reihen dieser Urzellen nach- weisen, während WHEELER immer 8 solche Reihen bei seinen Objecten findet. Zweitens bilden die Urzellen (Neuroblasten) in meinem Falle die äusserste Schicht des Körpers in der betreffenden Region, und müssen aus ihnen schliesslich Epidermiszellen hervorgehen, da sich niemals ein Ueberwachsen derselben von den Seiten her nachweisen lässt; sie werden dabei nach und nach stark abgeplattet und bilden eine dünne Haut, dicht innerhalb deren die Bauchkette anfänglich liegt?) (die reihenförmige Anordnung der Ganglienzellen bleibt noch eine Zeit lang, bis nach dem Erscheinen der Punktsubstanz, deutlich sichtbar, ebenso wie bei den Insecten). Im WunerLer’schen Falle hin- gegen liegen die Neuroblasten gleich, wenn sie bemerkbar werden, einwärts von einer dünnen Epidermisschicht, und sie treten später mit in die Substanz der Bauchkette ein, werden von dem äussern Neuri- lemma umgeben. Ihren Ursprung scheint WHEELER nicht genauer ver- folgt zu haben. — Drittens endlich ist als Unterschied hervorzuheben, dass nach WHEELER die Proliferation kleinerer Zellen von den Neuro- 1) Neuroblasts in the Arthropod embryo, in: Journ. of Morphology, Vol. 4, 1891, p. 337 ff. 2) Ich habe gegen diesen Ausdruck nichts einzuwenden; nur muss man sich vergegenwärtigen, dass die Neuroblasten WHEELER's weder identisch sind mit den Zellen, die so genannt wurden hei Anneliden, noch mit denen, die Hıs bei Wirbelthieren mit diesem Namen belegt hat. 3) Ich habe es für unnöthig gehalten, Figuren von diesen Stadien der Entwicklung der Bauchkette zu geben, da ein jeder sich das oben Gesagte leicht vorstellen kann. / Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 593 blasten der medianen Reïhe Anfangs nur in den commissuralen Regionen stattfindet, und dass diese isolirten Zellencomplexe erst später in die Ganglien hineinrücken, während der entsprechende Vorgang bei Mysis gleich von vorn herein nur in den ganglionären und nicht in den com- missuralen Regionen stattfindet. Mit Bezug auf diese Differenzpunkte werden vielleicht Beobachtungen an verschiedenen Repräsentanten von Arthropoden Aufklärung und Vermittlung bringen. Denn da dieselben Grundvorgänge bei so verschiedenen Formen wie Mysis und Orthopteren auftreten, so werden sie sich wohl auch bei andern Formen von Arthro- poden nachweisen lassen. — Bei der Bildung des Gehirns von Xiphidium findet WHEELER 16 (jederseits 8) Reihen von Neuroblasten; ich habe bei Mysis auch hier keine bestimmte Zahl nachweisen können. Auch von den eben geschilderten Vorgängen bei der Bildung des Nervensystems hat Nuspaum, der Monograph der Mysis-Entwicklung, nicht das Allergeringste gesehen, trotzdem doch diese Vorgänge eben an Schnitten zu studiren sind. Zum Schluss möchte ich nur noch auf eine Erscheinung hinweisen, die ich an Längsschnitten, besonders auf dem Stadium, dem die Figg. 49—52 entnommen sind, beobachtet habe. Wenn die nicht nauplialen Gliedmaassen sich zu bilden angefangen haben, wachsen sie sehr schnell aus und werden grösstentheils sehr lang und dünn. Anfangs bestehen sie nur aus dem ectodermalen Epithel (aus Elementen der seitlich gelegenen Reihen des Ectoderm-Keimstreifens); sehr bald wachsen aber die Muskelplatten in sie hinein, und dabei ist es eigen- thümlich, dass jeder dieser Auswüchse der Muskelplatten Anfangs nur aus einer einzigen Reihe von Zellen besteht, die am distalen Ende mit einer sehr grossen und charakteristischen Zelle abschliesst; in proxi- maler Richtung nimmt die Grösse der in der Reihe liegenden Zellen allmählich ab. Die Erscheinung tritt in solchen Stadien sehr constant auf; in Fig. 53 habe ich einen solchen Fall als Beispiel dargestellt. Da ja bei dem Wachsthum des Mysis-Embryos sonst verschiedene Systeme von Urzellen oder Teloblasten auftreten — wir haben drei solche kennen gelernt: die Urzellen des Ectoderm-Keimstreifens, die Myoblasten und die Neuroblasten — so wäre ich nicht abgeneigt, die grossen Zellen an dem distalen Ende der in die Extremitäten hinein- wachsenden Muskelplatten als Urzellen der in einer Reihe angeordneten kleinern Zellen anzusehen; da ich aber keine Sprossungsvorgänge an denselben nachweisen konnte — ich fand in ihnen überhaupt keine Mi- tosen — so kann ich keinen Beweis für eine solche Vermuthung liefern, 594 R. S. BERGH, Ich möchte also nur die Aufmerksamkeit auf die Erscheinung hin- lenken; vielleicht haben spätere Untersucher mit Bezug hierauf mehr Glück. Wollen wir nun einen vorläufigen Vergleich dessen, was wir bei Mysis gefunden haben, mit dem Aufbau des Keimstreifens bei den Anneliden durchführen, so stellt sich zunächst die Aehnlichkeit heraus, die besonders in dem Wachsthum durch Knospung von Urzellen und in der reihenförmigen Anordnung der Abkömmlinge jener existirt. Zwar ist dies nur bei den Oligochäten und Hirudineen deutlich zu beobachten ; bei den Polychäten scheinen ja nur in einigen Fällen die Zellen der Muskelplatten reihenförmig angeordnet zu sein, während es im Ectoderm-Keimstreifen keine solche reihenförmige Gruppirung der Zellen giebt; ectodermale Urzellen wurden in einigen wenigen Fällen, namentlich bei Nereis, von Wırson und v. WISTINGHAUSEN während der Furchung nachgewiesen, verschwinden aber sehr bald als solche. Bei den Oligochäten und Hirudineen finden sich aber meistens noch während späterer Embryonalstadien sehr deutliche Urzellen und Zellen- reihen im Keimstreifen; in einzelnen Fällen können, wie schon oben erwähnt wurde, auch hier die Urzellen frühzeitig verschwinden, während die reihenförmige Anordnung der Zellen bestehen bleibt (so bei Rhynch- elmis). Vielleicht liegen unter den Arthropoden die Verhältnisse ähnlich wie bei Gammarus: wenn der Keimstreifen hier recht deutlich hervortritt, besteht er aus deutlichen Reihen von Zellen ohne grössere Urzellen am Hinterende +). Beim Vergleich zwischen dem Keimstreifen von Mysis einerseits und dem der Oligochäten und Hirudineen andrerseits treten aber auch wesentliche Differenzpunkte hervor. Zunächst sind bei den eben- genannten Anneliden die Zellenreihen des Kctoderm-Keimstreifens all- gemein von der Epidermis überzogen, während sie bei Mysis ganz frei liegen und selbst der Epidermis der betreffenden Körperregion den Ursprung geben (bei den Kieferegeln haben wir zwar auch den Fall, dass sich die bleibende Rumpfepidermis aus den Zellenreihen des Keimstreifens entwickelt, doch ist dies unter den Anneliden ein Special- fall, der auch wohl zu dem Vorhandensein einer vergänglichen Larven- haut in genetischer Beziehung steht). Ferner sind bei den Oligochäten 1) Bereu, Die Drehung des Keimstreifens etc., in: Zool. Anzeiger, 1892. Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 525 und bei den Rüsselegeln (Clepsine) die Zellenreihen des Ectoderm- Keimstreifens Anlagen für ganz bestimmte Organe: die mittlern für die Bauchkette, die seitlichen für die Ringmusculatur; bei Mysis da- gegen entstehen ja aus dem Material des Ectoderm-Keimstreifens die sämmtlichen Ectodermbildungen der betreffenden Körperregion. In dieser Hinsicht scheinen die Polychäten einen etwas bessern Vergleichs- punkt zu bieten nach dem, was ich aus den Mittheilungen WıLson’s und v. WISTINGHAUSEN’s herauszulesen vermag. Vielleicht bringt uns die ausführliche Arbeit von WıLson neue Anhaltspunkte hierfür. — Drittens endlich hat sich die Zahl sowohl der Ectoderm-Urzellen wie der Myoblasten bei Mysis und andern Crustaceen sehr erheblich ver- mehrt (sowie auch natürlich die Zahl der Längsreihen von Zellen), doch ist diesem Unterschied nur eine geringere Bedeutung beizumessen. Ich möchte aber vor der Hand nur die Aehnlichkeiten und die Differenzen, die sich in der Ausbildung des Keimstreifens zwischen Anneliden und Crustaceen nachweisen lassen, bestimmter hervorheben und präcisiren. Ein wirklicher Vergleich, d. h. ein Versuch, die eine Entwicklungsweise aus der andern abzuleiten, wird erst mit Erfolg unternommen werden können, wenn ein umfassenderes Vergleichs- material vorliegt als das, welches bis jetzt gesammelt wurde. Denn besonders was die Arthropoden (und übrigens auch die Polychäten) betrifft, sieht es in der Beziehung noch sehr dürftig aus. Kopenhagen, Ende November 1892. Zool. Jahrb. VI. Abth. f. Morph. 34 526 R. S. BERGH, Erklärung der Abbildungen. Tafel 26— 29. Buchstabenbezeichnungen : au Augenanlagen. at! und at? Anlagen des ersten und zweiten Antennenpaares. blp Blastoporus. blz gewöhnliche Blastodermzellen. do Dorsalorgan. dz Dotterzellen. E Urzellen des Ectoderm - Keim- streifens. e gewöhnliche ectodermale Keim- streifenzellen. em mediane Zellenreihe im Ecto- derm-Keimstreifen. en Entodermplatte. gh Gehirnanlage. gl postmandibulare Gliedmaassen- anlagen. i primitive innere Zellenschicht. Fig. 1. an der Oberfläche liegt. ks Keimscheibe. M Myoblasten. m gewöhnliche Zellen der Muskel- platten. md Mandibel. N Urzellen der Bauchkette (Neuro- blasten).. n deren Abkömmlinge (Ganglien- zellen). o Mund. sf provisorische Schwanzflosse. us Ursegmente. x „mesodermale“ Zellenschicht in der vordern Körperregion. x! grosse Endzelle der Muskel- plattenausläufer in den Extremi- täten. Ei von Mysis, wo die junge Keimscheibe in einer Rinne Sehr schwache Vergrösserung. Fig. 2. Flächenpräparat der Keimscheibe, die sich erst kürzlich differenzirt hat. Der Tongegensatz zwischen der Keimscheibe und der Umgebung ist etwas zu stark hervorgehoben. D, Oc. 1 (Zeiss). Fig. 3. Flächenbild einer etwas weiter entwickelten Keimscheibe, wo die Urzellen noch nicht deutlich erkennbar sind. D, Oc. 1. Fig. 4 Weiter entwickeltes Stadium, wo die ectodermalen Urzellen theilweise differenzirt sind. D, Oc. 1. Fig. 5—7. Die centralen Partien von ähnlichen Stadien. In Fig. 5 ist eine ungewöhnlich reguläre Anordnung der Ectodermzellen hinter den Urzellen sichtbar; in Fig. 6—7 ist das ganze Ectoderm hell ge- halten, und nur die Kerne der Entodermzellen sowie die Myoblasten sind durch stärkern Ton hervorgehoben. Fig. 7 ist älter als Fig. 6, die Production der kleinern Ectodermzellen des Keimstreifens hat in Fig. 7 ihren Anfang genommen. D, Oc. 1. Fig. 8. Stadium, wo sich die Augenanlagen deutlicher abgrenzen und die Thätigkeit der Urzellen kürzlich angefangen hat. D, Oc. 1. Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 527 Fig. 9. Ganz junger Ectoderm-Keimstreifen, nur aus den Urzellen und 2 resp. 3 Querreihen von kleinern Zellen bestehend. Mitosen in vier Urzellen. D, Oc. 1. Fig. 10. Wenig weiter entwickeltes Stadium, nur an der einen Seite vollständig. Augenanlagen sehr deutlich, die provisorische Schwanz- flosse legt sich an. D, Oc. 1. Fig. 11. Zellenreihen der Muskelplatten, Myoblasten und Ento- dermplatte eines Embryos, dessen Ectoderm-Keimstreifen aus 5 Quer- reihen kleinerer Zellen und den Urzellen bestand. D, Oc. 1. Fig. 12. Die Einkrümmung des Keimstreifens fängt an. Augen- anlagen und beide Antennenanlagen sehr deutlich, sowie auch die An- lage der provisorischen Schwanzflosse. D, Oc. 1. Fig. 13. Der Einkrümmungsvorgang weiter vorgeschritten, die Ur- zellen theilweise schon bedeckt. Entodermplatte vorwärts verschoben. 2:06; Lt Fig. 14. Der Einkrümmungsvorgang noch weiter vorgeschritten. Das Dorsalorgan und die Mandibeln legen sich eben an; die Urzellen ganz in die Tiefe geschoben. Entoderm und Muskelplatten sind nicht mit in die Zeichnung aufgenommen. D, Oc. 1. Fig. 15. Naupliusstadium innerhalb der Eihaut mit eingeschlagenem Abdomen. AA, Oc. 1. Fig. 16. Muskelplatten mit ihren Urzellen (Myoblasten) von einem Nauplius mit eingeschlagenem Abdomen, auch die Ectoderm-Urzellen sind eingezeichnet. D, Oc. 1. Fig. 17. Der hintere Körperabschnitt eines ebensolchen Embryos; das Abdomen ist auf die Seite gelegt, so dass der unterliegende Theil des Keimstreifens zum grössten Theile sichtbar gemacht ist. Die vordere Grenze des Keimstreifens und die weit nach vorn liegende Entoderm- platte sind sehr deutlich. D, Oc. 1. Fig. 18. Naupliusstadium nach Sprengung der Eihaut und Aus- streckung des Abdomens. Ursegmente deutlich. AA, Oc. 1. Fig. 19. Die Körperregion, wo der hintere Theil des Keimstreifens sich findet, in demselben Stadium, Myoblasten verschwunden, Ectoderm- Urzellen und Ursegmente sehr deutlich. D, Oe. 1. Fig. 20. Zellenreihen mit Mitosen von dem Naupliusstadium mit umgeschlagenem Abdomen. D, Oc. 1. Fig. 21. Stadium, wo die postmandibularen Gliedmaassen in der ersten Anlage begriffen sind. Die Rinne zwischen den Extremitäten- wülsten sehr deutlich. AA, Oc. 1. Fig. 22. Vom Hinterende des Keimstreifens eines ebensolchen Stadiums. Die Ectoderm-Urzellen sind im Begriff, sich in kleinere Zellen zu theilen. D, Oc. 1. Fig. 23. Sagittalschnitt durch das Stadium Fig. 2, submedian ge- führt. D,.Qe; 1, Fig. 24. Aus derselben Serie, der Schnitt mehr lateral geführt, D, OCR Fig. 25—26. Querschnitte aus der Region der sich bildenden tiefern Zellenschicht von einem wenig weiter entwickelten Stadium. D, Oc. 1. 34% 528 R. S. BERGH, Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. Fig. 27. Querschnitt durch die vordere Region (Augenregion) einer Keimscheibe vom Stadium Fig. 8 AA, Oc. 3. Fig. 28. Querschnitt durch die hintere Region derselben Keim- scheibe. AA, Oc. 3. Fig. 29—30. Zwei neben einander geführte Sagittalschnitte durch die mediane Partie einer Keimscheibe auf demselben Stadium. Die Ein- wucherungsstelle (Blastoporus) ist noch sichtbar. D, Oc. 1. Fig. 31. Querschnitt durch die hintere, zweischichtige Region einer wenig ältern Keimscheibe. D, Oc. 1. Fig. 32—34. Drei Sagittalschnitte durch ein Stadium, das etwa die Mitte hält zwischen Fig. 12 und 13. Fig. 32 ist submedian, Fig. 33 etwas mehr lateral, Fig. 34 noch mehr lateral geführt. D, Oc. 1. Fig. 35. Querschnitt durch das (abpräparirte) Abdomen des Nauplius- stadiums innerhalb der Eihaut. D, Oc. 1. Fig. 36. Sagittalschnitt durch dasselbe Stadium. Ein Ast der provisorischen Schwanzflosse ist getroffen. D, Oc. 1. Fig. 37—40. Vier Querschnitte durch den Keimstreifen auf dem Naupliusstadium mit ausgestrecktem Abdomen, Fig. 37 und 38 durch den hintern, Fig. 39 und 40 durch den vordern Theil. Fig. 37 und 39 durch Ursegmentregionen, Fig. 38 und 40 durch Zwischenzonen. In Fig. 39 und 40 heben sich die Extremitätenwülste ganz schwach empor und fassen eine seichte Rinne zwischen sich. D, Oc. 1. Fig. 41. Sagittalschnitt durch die mittlere Region des Keimstreifens auf demselben Stadium. D, Oc. 1. Fig. 42—47. Querschnitte durch den Keimstreifen, wenig weiter entwickelt als im Stadium Fig. 21. Fig. 42 durch das Abdomen, Fig. 43 und 44 zwei auf einander folgende Schnitte weiter vorn, Fig. 45 noch weiter vorn, die Extremitätenanlagen heben sich stark empor. Fig. 46 und 47 noch weiter vorn; die Extremitätenanlagen sind von grosser Mächtigkeit und erreichen sich fast in der Medianlinie; an der Neural- platte hat die Bildung der Ganglienzellen angefangen. In Fig. 47 sind die seitlichen Ausbreitungen der Ursegmente getroffen. Diese sechs Schnitte sind nicht einer und derselben Serie, sondern mehrern ent- nommen. D, Oc. 1. Fig. 48. Sagittalschnitt durch die mittlere Region eines Keim- streifens auf demselben Entwicklungsstadium. D, Oc. 1. Fig. 49 Querschnitt und Fig. 50—51 Stücke solcher Querschnitte durch die Anlage der Bauchkette auf einem weiter entwickelten Stadium mit Urzellen und Zellenreihen (vergl. den Text). F, Oc. 1. Fig. 52. Längsschnitt durch ein Stück der Bauchkette auf dem- selben Stadium. F, Oc. 1. Fig. 53. Längsschnitt durch eine thoracale Extremitätenanlage mit der den Muskelplatten angehörigen Zellenreihe im Innern (die Extremi- tätenanlagen liegen einander ganz dicht an). F, Oc. 1. Nachdruck verboten. Uebersetzungsrecht vorbehalten. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 2. Die Anlage der Keimblätter bei der menorquinischen Sumpf- sehildkröte (Cistudo lutaria GESN.). Von Dr. Ludwig Will in Rostock. Hierzu Tafel 30—36 und 11 Abbildungen im Text. Während meines bereits in der vorigen Abhandlung!) über die Keimblätterbildung beim Gecko erwähnten dreimonatlichen Aufenthalts auf der Insel Menorca (Balearen) hatte ich auch Gelegenheit einige Schildkrötenembryonen zu sammeln, von denen die hier zu behandelnden jungen Stadien sämmtlich von Cistudo lutaria GESN. stammen. Wenn die Zahl der Embryonen auch nur eine geringe ist, namentlich im Verhältniss zu meinem Geckomaterial sowie den zahlreichen Embryonen, welche MEHNERT?) bei seiner kürzlich erschienenen Arbeit über den gleichen Gegenstand vorgelegen haben, so handelt es sich doch vor- zugsweise um die ersten Stadien des Gastrulationsprocesses, die zum Theil noch ganz unbekannt sind, während andere zwar bereits in dem CLArk’schen *) Werke im Oberflächenbilde ganz treffend dargestellt 1) L. Wir, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. I. Die Anlage der Keimblätter beim Gecko (Platydactylus facetanus Scareï8.), 11 Tfln., in: Zool. Jahrb., Bd. 6, Morphol. Abth., Hft. 1, 1892. 2) E. Mexsnerr, Gastrulation und Keimblätterbildung der Emys- lutaria taurica, 5 Tfln., in: Morphol. Arbeiten, Bd. 1, 1892. 3) L. Acassız and H. J. Cuarx, Contributions to the Natural History of the U. St. of America, vol. 2, part 3, Embryology of the turtle, Boston 1857. 530 LUDWIG WILL, sind, jedoch in Folge ganz falscher Deutung von Seiten des Autors in unrichtiger Weise orientirt wurden und daher sich der ihnen gebühren- den Beachtung entzogen. Die Lücke in unserer Kenntniss der . Schildkröten-Gastrulation, welche die nachfolgenden Zeilen zunächst ausfüllen, umfasst die Periode von dem Auftreten der Primitivplatte bis zum vollendeten Durchbruch des Urdarms, mit welchem Moment die beiden trefflichen Arbeiten Mirsukurrs ?) und Isarkawa’s!) einsetzen. Da mir jedoch auch aus der durch die beiden japanischen Forscher bearbeiteten Periode Embryonen vorlagen, so erfährt im Nachfolgenden der gesammte Gastrulationsprocess eine zusammenhängende Schilderung, die bei sorg- fältiger Verarbeitung der wenig umfangreichen Literatur gleich- zeitig die Gesammtsumme unserer Kenntnisse von der Keimblätter- bildung der Schildkröten repräsentirt. Als allgemeinere Resultate möchte ich hervorheben, dass, während nach den bisher allein bekannten spätern Gastrulationserscheinungen die Schildkröten sich ähnlich wie die Eidechsen zu verhalten schienen, die Kenntniss der jüngern Stadien lehrt, dass auch den Schildkröten eine ebenso umfangreiche Urdarmeinstülpung wie dem Gecko zukommt, dass demnach die Schildkrötenentwicklung entsprechend auch dem höhern geologischen Alter viel ursprünglicher verläuft, als bisher an- zunehmen war. Unter allen bislang entwicklungsgeschichtlich unter- suchten Reptilien schliessen sich daher neben dem Gecko die Schild- kröten am engsten an die Amphibien an. Ein anderes hochwichtiges Ergebniss betrifft die Bildung des gastralen Mesoderms, welches ebenso wie beim Gecko entsteht, d. h. nicht nach dem von HERrTwIG angenommenen Modus durch Auftreten von Urdarmdivertikeln rechts und links neben der Chorda, sondern durch Vorwachsen entfernt von der Chorda auftreten- der septenartiger Falten der dorsalen Urdarmwand gegen die Chordaanlage?°). 1) K. Mrrsukurr and C. IsumkawA, On the formation of the ger- minal layers in Chelonia, in: Quart. Journ. Micr. Sc., vol. 27, 1887, 4 tab. 2) K. Mrrsuxvri, Further studies on the formation of the germinal layers in Chelonia, in: Journ. Coll. Sc. Imp. Univ. Japan, vol. 5, pt. 1, 1891. 3) Wenngleich ich zu diesem letztern Resultat bei der Schildkröte ebenso selbständig gelangt bin wie beim Gecko, so muss doch hervor- gehoben werden, dass Mırsukurı in seiner neuesten Arbeit über die Keimblattbildung der Schildkröte für die letzte Hälfte des Mesoderm- bildungsprocesses bereits zu genau demselben Ergebniss gelangt ist. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 531 Hinsichtlich der Conservirung und Untersuchung wurden dieselben Methoden wie beim Gecko befolgt. Auch das vorliegende Embryonen- material wurde nach den gleichen Principien in Stadien geordnet, die demnach den gleichbezifferten vom Gecko an die Seite zu stellen sind. 1. Das Stadium mit Sichel und Sichelrinne (Stadium J). Wenn ich auch beim Gecko und so auch bei den übrigen Reptilien das Stadium mit eben aufgetretener, noch keine Einstülpung auf- weisender Primitivplatte als das erste dieser Entwicklungsperiode be- zeichnet habe, so kann dieses Kriterium doch nur ganz im Allge- meinen für die Altersbestimmung maassgebend sein. Im einzelnen Falle wird man, worauf ich schon an der Hand der vorigen Abhand- lung hinwies, immer finden, dass die einzelnen Entwicklungsvorgänge zeitlichen Schwankungen unterliegen, wodurch man gezwungen wird, bei der Altersbestimmung die einzelnen ausschlaggebenden Momente gegen einander abwägend, einen mittlern Entwicklungszustand zu be- stimmen. So sah ich mich in der Geckoarbeit veranlasst, den in fig. 1 ab- gebildeten Embryo, trotzdem er bereits eine Sichelrinne auf seiner Primitivplatte aufwies, doch noch dem Stadium I zuzuzählen, weil eben sein mittlerer Entwicklungszustand noch demselben entsprach. Ganz dasselbe gilt nun auch von dem jüngsten mir zur Verfügung stehenden Schildkrötenembryo. Trotzdem derselbe bereits eine Sichel- rinne (Taf. 33 [15], Fig. 13a, b)!) aufweist, steht er doch in seiner ge- sammten übrigen Entwicklung noch so sehr hinter dem Embryo des II. Stadiums (Taf. 30 [12], Fig. 2a, b) zurück, dass ich ihn noch dem I. Stadium zuzählen musste. Der Embryonalschild stellt ein gedrungenes Oval von 2,5 mm Länge und 2,3 mm Breite dar. Bei der Ansicht von oben ist weiter nichts zu sehen als am hintern Rande des Schildes eine bei durch- fallendem Licht undurchsichtig erscheinende Stelle von grösserer Weisse, die eine Breite von etwa 1,2 mm, dagegen nur eine Längs- ausdehnung von 0,56 mm besitzt und in der Mitte etwas nach hinten und vorn vorspringt. Auf der Oberfläche verläuft eine seichte quere Rinne, die ungefähr parallel dem Hinterrande des Schildes ver- 1) Die in [] eingeschlossene Zahl bedeutet bei allen Figuren- Hinweisen die Reihenfolge der Tafeln, wie sie sich an die Tafelbezeich- nungen des ersten Theils dieser Beiträge anschliessen. 532 LUDWIG WILL, streicht. Bei der Ansicht von unten bemerkt man sodann an der ab- gelösten Keimhaut, dass die Undurchsichtigkeit der den Schild an seinem Hinterrande umgebenden Blastodermpartie (Taf. 30 [12], Fig. 1) auf einer ansehnlichen Anhäufung, sei es von Dotter, sei es von Zellenmaterial, beruht, welche nach unten, also nach dem Dotter zu stark vorspringt, dagegen sich in keiner Weise über die Keimscheiben- oberfläche erhebt. Diese Verdickung stellt die uns bereits vom Gecko her bekannte Primitivplatte dar, jene Stelle des Keimes also, an der das Ento- derm zu Tage tritt und die nach ihrer für den Gecko dargelegten Entstehungsweise die Bedeutung eines Blastoporus hat. Die Primitiv- platte hat zu dieser Zeit die Gestalt einer nach vorn gebogenen Mondsichel und besteht aus einem mittlern, besonders stark verdickten Theil, dem Sichelknopf, und zwei seitlichen, nicht ganz sym- metrischen Flügeln, den Sichelhörnern, die sich von dem Knopf ziemlich deutlich absetzen, um nach dem Ende zu sich allmählich zu verjüngen. Die Aehnlichkeit des ganzen Gebildes mit der gleich- namigen Bildung beim Vogel- sowie beim Geckokeim, das Vorhanden- sein einer auf derselben verlaufenden Sichelrinne sowie der Befund auf Schnitten berechtigen uns, auch hier die ganze Erscheinung als Sichel zu bezeichnen, die demnach auch bei der Schild- kröte die Ausgangsform der Primitivplatte darstellt. Der Embryo wurde in sagittale Längsschnitte zerlegt, von denen Fig. 13a einen Medianschnitt bei schwacher Vergrösserung wieder- giebt, der zur allgemeinen Orientirung über die Regionen der Keim- scheibe dienen soll, während Fig. 13b nur die Region der Primitiv- platte bei stärkerer Vergrösserung wiedergiebt. Der Schild wird, wie bei allen Reptilien, durch die besondere Form seiner Ectodermzellen charakterisirt, welche in seinem Bereiche hohe Cylinderzellen darstellen, die in einfacher Reihe an einander gelagert sind, trotzdem man auf den Schnitten vielfach zwei bis drei Kerne in verschiedener Höhe antrifft. Doch rührt diese Erscheinung nur daher, dass nicht immer die Cylinderzellen des Schildes parallel ihrer Längsaxe getroffen werden, vielfach aber die Zellen thatsächlich zwei Kerne enthalten. In der Nähe des Schildrandes nehmen die Cylinderzellen allmählich an Höhe ab, um schliesslich in die ausser- ordentlich niedrigen Plattenzellen des den Schild umgebenden Keim- scheibenabschnitts, der späteren Area intermedia (a.i.), überzugehen. Nur an dem durch die Lage der Sichel bezeichneten Hinterrande des Schildes macht das Ectoderm eine bemerkenswerthe Ausnahme. Hier Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 533 verjüngt sich der Schild (s) ziemlich rasch und setzt sich so scharf gegen das Zellenmaterial der Sichel ab, dass zwischen beiden keinerlei Uebergang besteht. Auf der Sichel selbst fehlt jeder ectodermale Ueberzug, und erst hinter derselben tritt wieder Ectoderm auf, hier aber in Form jener Plattenzellen, wie wir sie auch im übrigen Bereich der Area intermedia antrafen. Vom Entoderm interessirt uns zunächst der histologische Bau der sichelförmigen Primitivplatte, der ganz wesentlich von dem des ober- flächlichen Blastoderms abweicht. Die Sichel besteht aus einem sehr dotterreichen Zellenmaterial mit verhältnissmässig spärlichen Kernen, die sich am zahlreichsten in den oberflächlichen Theilen finden, nach der Tiefe zu dagegen seltener werden. Zwischen den Kernen bemerkt man radiär und senkrecht zur Rinne gestellte Zellgrenzen, von denen sich aber wegen des starken Dottergehalts nicht angeben lässt, ob sie bis unten durchgehen oder nicht. Wichtig ist, dass die Sichel vorn, hinten und seitlich überall mit dem übrigen Entoderm in continuir- lichem Zusammenhang steht, mit dem sie auch hinsichtlich des Cha- rakters der Zellen völlig übereinstimmt. Auf der Sichel erkennen wir die Sichelrinne als eine ziemlich ansehnliche Einsenkung, die auch auf einer grossen Reihe von seit- lichen Schnitten wahrnehmbar ist, jedoch mit zunehmender Entfernung von der Medianebene flacher wird. In dieser Sichelrinne haben wir den ersten Anfang einer Urdarmeinstülpung zu sehen. Wenn es mir auch wegen des Mangels der voraufgehenden Stadien hier bei der Schildkröte nicht möglich war, die Anlage der Sichel Schritt für Schritt zu verfolgen, so ergiebt sich doch aus dem histo- logischen Bau sofort, dass die Primitivplatte keine Beziehungen zum Ectoderm, wohl aber zum Entoderm hat und dass hier ganz dieselben Verhältnisse obwalten wie beim Gecko. Gegen einen ectodermalen Ursprung spricht zunächst das unvermittelte plötzliche Aufhören und die scharfe Abgrenzung des Schildes nach der Primitivplatte hin, ferner der verschiedene Charakter ihrer Zellen. Die Zellen der Sichel sind dermaassen mit Dotter vollgepfropft, dass sie in Folge dessen sich nur schwach färben gegenüber den Ectodermzellen, die ihren Dotter schon stärker verbraucht haben. Aus dem gleichen Grunde machen die Zellen der Primitivplatte einen so embryonalen Eindruck, dass Wucherungserscheinungen in denselben unmöglich schon statt- gefunden haben können. Wären sie aus einer Ectodermwucherung hervorgegangen, so hätten sie sicher ihren Dotter schon in gleicher Weise verbraucht, wie das überall im Ectoderm der Fall gewesen ist. 534 LUDWIG WILL, Das übrige, allseitig mit der Primitivplatte in Verbindung stehende Entoderm zeigt in den beiden auf der Keimscheibe zur Zeit zu unter- scheidenden Regionen ein verschiedenes Bild. Nur in der Region des Embryonalschildes tritt es in der Form eines wohl gesonderten Keim- blatts auf, welches vom vordern Rande der Primitivplatte ausgeht und eine einschichtige unregelmässige Lamelle darstellt (Fig. 13a), welche vielfach kurze plasmatische Fortsätze nach unten und oben aufweist (Fig. 13b). Anders sieht es in der den Embryonalschild umgebenden, als Area opaca oder Area intermedia zu bezeichnenden Region aus, in der sich das untere Keimblatt noch nicht vom Dotter gesondert hat, in der es also von der oberflächlichen Schicht des Dotters sammt den eingelagerten Kernen repräsentirt wird. Wie man aus Fig. 13a sieht, geht das blattartig gesonderte Entoderm der Schild- region am vordern und ebenso auch an den seitlichen Schildrändern continuirlich in die Dotteroberfläche der Area opaca über. Am hintern Rande der Primitivplatte setzt sich das zellige Material derselben noch eine ganz kurze Strecke mit scharfer unterer Grenze als ge- sondertes Blatt fort (Fig. 13b), dann aber (Fig. 13a) hört diese untere Grenze auf, so dass in geringer Entfernung von der Sichel auch hier das untere Keimblatt direct in die oberflächliche von Kernen durch- setzte Dotterschicht übergeht. Wir constatiren somit, dass auf diesem Stadium das Entoderm noch einen durchaus einheitlichen Cha- rakter besitzt, indem Primitivplatte, blattartiges Entoderm und Dotter zur Zeit noch in continuirlichem Zusammenhang stehen. Ueberall ist das Entoderm vom Ectoderm bedeckt, mit alleiniger Ausnahme der sichelförmigen Primitivplatte, an der dasselbe frei zu Tage tritt. Da ich nun für den Gecko den Nachweis geliefert habe, dass die oberflächliche Lage der Primitivplatte eine Erscheinung primärer Natur ist, die von Anfang an besteht und dadurch zu Stande kommt, dass an der betreffenden Stelle der Keimscheibenoberfläche die Differenzi- rung einer oberflächlichen, als Ectoderm aufzufassenden Zellenlage unterbleibt, habe ich dort das Gebiet der Primitivplatte als den Blastoporus einer durch Epibolie zu Stande ge- kommenen Gastrula aufgefasst. Wenn ich nun auch bei der Schildkröte aus dem angeführten Grunde nicht den gleichen Nachweis führen kann, so glaube ich dennoch die bei Platydactylus gewonnene Auffassung um so mehr auch auf die Schildkröte übertragen zu dürfen, als ja auch hier die Ableitung der Primitivplatte aus einer Wuche- rung des Ectoderms sich als völlig ausgeschlossen erwies. Somit be- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 535 findet sich auch der vorliegende Embryo von Cistudo auf dem ersten Stadium der Gastrulation, das aber durch das Vorhandensein einer als beginnende Urdarmeinstülpung aufzufassenden Sichelrinne bereits zu der zweiten, durch das Eintreten der Embolie charakterisirten Phase hinüberführt. Um die von den verschiedenen Autoren beschriebenen Embryonen in richtiger Weise zu einer zusammenhängenden Entwicklungsreihe an einander ordnen zu können, betone ich, dass der vorliegende Embryo der jüngste bisher beschriebene ist, abgesehen natürlich von den durch CLark abgebildeten Furchungsstadien. Der jüngste von MEHNERT beschriebene und abgebildete Embryo gehört, wie wir sehen werden, bereits dem nächsten Entwicklungsstadium an. 2. Das Stadium mit rundlicher Primitivplatte und dellenförmiger Urdarmeinstülpung (Stadium I). Aus diesem Stadium lag gleichfalls nur ein Embryo vor, der in Fig. 2a bei auffallendem Licht von oben, in Fig. 2b von unten ab- gebildet ist. Da das Entoderm noch ähnliche Verhältnisse aufwies wie in dem vorhergehenden Stadium, d. h. erst in der Region des Schildes vom Dotter getrennt war und hier sich demnach von letzterm glatt ablöste, während in der Area opaca das ungesonderte Entoderm mit den nächstliegenden Dotterpartien beim Ablösen in Zusammenhang blieb, erscheint der Schild als der dünnere Theil der Keimscheibe in der Abbildung auf dem dunklen Untergrunde dunkel, die Area opaca als der weniger durchscheinende Theil hell. Der Embryonalschild, obwohl im Allgemeinen in seiner Gestalt deutlich erkennbar, war doch so wenig scharf umgrenzt, dass es nicht möglich war, seine Länge und Breite genau festzustellen. Die Primitiv- platte ragt ebensowenig wie auf dem vorigen Stadium über die äussere Oberfläche des Schildes hervor, tritt demnach bei der Ansicht von oben nur durch ihre grössere Weisse hervor. Die sichelförmige Gestalt, welche sie auf dem vorigen Stadium auszeichnete, ist verloren gegangen, indem durch Zellverschiebungen innerhalb des Entoderms und Ueber- wachsung von Seiten des Ectoderms die Sichelhörner geschwunden und nur die knopfartig verdickte Mitte der Sichel, der Sichelknopf, erhalten geblieben ist, welcher nunmehr allein die Primitivplatte re- präsentirt. Letztere ist demnach aus der Sichelgestalt in eine bei Flächenansicht ziemlich kreisrunde Form übergegangen, eine Umwand- lung, welche wir in genau der gleichen Weise beim Gecko sich ab- spielen sahen. In entsprechender Weise hat auch die Sichelrinne ihre 536 LUDWIG WILL, ursprüngliche Gestalt aufgegeben, indem nur ihr mittlerer Theil sich erhalten hat und in der Mitte der Primitivplatte eine rundliche Delle darstellt, wie Fig. 2a erläutert. Schliesslich ist noch über die Lage- rung der Primitivplatte zu bemerken, dass sie nach unten stark gegen den Dotter vorspringt, wie wir das ja auch schon an der Sichel be- obachten konnten, und dass sie ferner bedeutend stärker in den Schild hineinragt als in Fig. 1, so dass der Hinterrand der Platte nunmehr ziemlich mit dem Hinterrande des Schildes abschneidet, ein Verhalten, das im Zusammenhang mit spätern Stadien Bedeutung gewinnt. Wie aus dem medianen Längsschnitt Fig. 15, Taf. 33 [15] hervor- geht, zeigt das Ectoderm noch dieselben Verhältnisse wie vorhin. Der aus einer Reihe hoher Cylinderzellen bestehende Embryonalschild (s) grenzt sich noch ziemlich scharf (bei *) von der Primitivplatte ab, wenn auch diese Grenze nicht mehr ganz so stark in die Augen springt, weil in- zwischen innerhalb der Primitivplatte ein grösserer Dotterverbrauch stattgefunden hat. Auffallend mächtig erweist sich nur das Ectoderm hinter der Primitivplatte in der Region der Area opaca (a.i.), offenbar ein ganz individueller Charakter, der sich bei keinem andern Embryo, weder bei der Schildkröte noch beim Gecko, findet und daher bedeu- tungslos sein dürfte. Die Urdarmdelle hat sich gegenüber dem vorigen Stadium wesent- lich vertieft und steigt ziemlich senkrecht nach unten, doch auffallender Weise mit einer Neigung nach hinten, eine Erscheinung, der ich gleich- falls keinerlei Bedeutung zuschreiben möchte, die ich vielmehr für eine zufällige halte, da sie später bei dem ausgesprochenen Wachsthum der Urdarmeinstülpung nach vorn sich ausgleicht, ohne eine Spur zu hinter- lassen. Viel wichtiger sind die Verhältnisse, welche das Entoderm er- kennen lässt. Während wir dasselbe auf dem vorigen Stadium im Bereich des ganzen Schildes wohl gesondert vom Dotter antrafen, finden wir an dem vorliegenden Embryo nur auf einer ganz kurzen Strecke vor der Primitivplatte (e”) ein wohl gesondertes unteres Keim- blatt, welches jedoch noch weit unregelmässiger gebaut ist und einen durchaus maschigen Bau zeigt. Weiter nach vorn geht es noch im Bereich des Schildes wiederum unmittelbar in die oberflächliche Dotter- masse über, welche ebenfalls von ansehnlichen Lückenräumen durch- setzt ist und nur spärliche, vorzüglich oberflächlich gelagerte Kerne aufweist. Dasselbe ist unter (bei x) und hinter der Primitivplatte (bei e“) der Fall, wo die oberflächliche Dotterzone mit zahlreichen Kernen angefüllt ist, zwischen denen Zellgrenzen (im Gegensatz zu Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 537 dem von MEHNERT beschriebenen gleichalterigen Embryo) nicht nach- weisbar waren und die das hier noch nicht vom Dotter gesonderte untere Keimblatt darstellen. Nach einer andern Richtung hin macht sich aber innerhalb des Entoderms bereits ein wesentlicher Fortschritt in der Entwicklung bemerkbar. Während auf dem vorhergehenden Stadium das untere Keimblatt noch eine durchaus einheitliche Zellenmasse darstellt, be- ginnt sich an dem vorliegenden Embryo ein oberer Theil desselben durch einen Abspaltungsvorgang von dem untern und dem Dotter zu sondern. Unmittelbar vor der Einstülpung hat sich dieser Process bereits vollzogen, und wir bezeichnen nunmehr in der gleichen Weise wie beim Gecko den obern abgespaltenen Abschnitt als das primäre Entoderm oder Urdarmblatt (e’), die übrig gebliebene untere Schicht als das secundäre Entoderm oder Dotterblatt (e“). Da nun gleichzeitig das Urdarmblatt der Primitivplatte unmittelbar vor der Invagination zu wuchern beginnt, so kommt es in Folge dessen zur Bildung eines zunächst noch kurzen Kopffortsatzes (e’), der sich frei in den Raum zwischen Schild (s) und Dotterblatt (e) hineinerstreckt. Dieser zur Zeit noch ganz kurze Kopffortsatz ist durchaus homolog mit dem gleichen Gebilde beim Gecko und ebenso natürlich auch mit der schon lange bei den höhern Amnioten als Kopffortsatz bekannten Bildung. Wie wir sehen werden, setzt er sein Wachsthum nach vorn fort, und indem sich dann gleichzeitig das Lumen der Einstülpung in denselben hineinerstreckt, kommt es zur Bildung eines nach vorn gerichteten Urdarms. Unter der Einstülpung selbst ist diese Sonderung von Dotterblatt und Urdarmblatt noch nicht vollzogen, und da hier ferner auch das Entoderm als Ganzes sich noch nicht vom Dotter abgespalten hat, so stehen an der Primitivplatte noch alle Theile des Entoderms in conti- nuirlichem Zusammenhang, ein weiterer Beweis, dass Dotter, secun- däres und primäres Entoderm ein einheitliches Entoderm darstellen, das erst durch Vorgänge secundärer Natur sich in einzelne Abschnitte gliedert. Hinter der Urdarmeinstülpung finden wir wiederum den Ab- spaltungsprocess vollzogen, so dass sich hier von dem secundären Entoderm (e”) eine: ansehnliche keilförmige Zellenmasse abgegliedert hat, die jedoch mit dem hintern Rande der Einstülpung in continuir- lichem Zusammenhang steht und soweit sie frei zwischen oberes und unteres Keimblatt hineinragt, als Mesoderm (mpr) und zwar als un- paares oder prostomiales Mesoderm zu bezeichnen ist. 538 LUDWIG WILL, Das prostomiale Mesoderm entsteht demnach hier ebenso wie im Prineip auch bei Platydactylus durch Abspaltung vom Entoderm, wenn- gleich bei letzterem dieser Modus nicht so ins Auge fiel. Wie ich ferner beim Gecko ausführlich dargethan, spielen auch bei der Schild- kröte gleichzeitig Wucherungsvorgänge, die von der Primitivplatte in der Richtung nach hinten und den Seiten ausgehen, eine wichtige Rolle bei der Anlage und der Ausbreitung des unpaaren Mesoderms. Um schliesslich auch noch den histologischen Charakter des pri- mären Entoderms auf diesem Entwicklungsstadium zu erwähnen, so hebe ich hervor, dass gegenüber dem vorigen Stadium der Dotter- reichthum innerhalb der Primitivplatte in Folge lebhafter Zellver- mehrung bedeutend abgenommen, die Zahl der Kerne sich dagegen ganz erheblich vermehrt hat. Innerhalb der Primitivplatte sind deut- liche Zellgrenzen sichtbar, besonders am Boden und dem vordern Rande der Urdarmdelle. Hier sind sie durchweg radiär gestellt, ziehen sich im Bogen in den kurzen Kopffortsatz hinein und weisen somit klar darauf hin, dass der Kopffortsatz eine Wucherung der Primitivplatte darstellt. In der hintern Region der Primitivplatte sind die Zell- grenzen nur an der Oberfläche der hintern Dellenwand zu erkennen und stehen hier ausnahmslos senkrecht zu dieser. Im Bereich des prostomialen Mesoderms fehlen Zellgrenzen ganz. Einen genau gleichaltrigen Embryo hat bereits CLARK im Jahre 1857 von Malacoclemmys vor sich gehabt und in dem oben citirten trefflichen Werke (tab. 11, fig. 6) so vorzüglich in der Ansicht von oben abgebildet, dass seine Abbildung, wenn nur richtig orientirt, fast genau meiner Fig. 2 gleicht. Wie alle übrigen noch zu erwähnenden Oberflächenbilder des amerikanischen Forschers ist auch dieses mit der Primitivplatte dem obern Tafelrande zugewandt, entsprechend seiner irrigen Meinung, dass die als Primitivplatte aufzufassende Verdickung die erste Anlage des Kopfamnions darstelle. Die Figur braucht dem- nach nur umgedreht zu werden, um richtig zu sein. Wenn der Verf. auch die Urdarmdelle im Oberflächenbilde nicht mitzeichnet, so ist sie ihm doch auf diesem frühen Stadium keineswegs entgangen, denn auf einem, wenn auch äusserst skizzenhaften, Längsdurchschnitt tritt deutlich das Grübchen auf der Primitivplatte hervor, dessen Ränder jedoch als die beginnenden Kopffalten angesehen. werden. Ein dritter und letzter Embryo aus diesem Stadium ist erst durch MEHNERT !) in allerneuester Zeit bekannt geworden, dessen Abhand- 1) E. Meunerr, Gastrulation und Keimblätterbildung der Emys lutaria taurica, 5 Tfln., in: Morphol. Arbeiten, Bd. 1, 1892. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 539 lung zwar schon Ende 1891 erschienen, doch, weil in einer neu- segründeten Zeitschrift, mir erst während des Niederschreibens dieser Zeilen zugänglich wurde, d. h. 9 Monate nach Abfassung meiner Anfang Februar 1892 abgesandten vorläufigen Mittheilung !) und fast 2 Jahre nach Anfertigung sämmtlicher Serien und Zeichnungen. Unsere beider- seitigen Untersuchungen sind demnach völlig unabhängig von einander und auch ziemlich gleichzeitig ausgeführt. Der MexnerT'sche Embryo gehört zur Kategorie jener Stadien, bei denen es ihm in Folge der durch die wechselnden Verhältnisse seiner Reise nothwendig gewordenen und einfacher zu bewerkstelligenden Chromsäurehärtung unmöglich war, die Keimscheibe bei äusserer Be- trachtung wahrzunehmen und zum Schneiden richtig zu orientiren. In Folge dessen giebt der Verfasser keine Totalabbildung; doch erhellt aus der Beschreibung und einem abgebildeten Schnitt (fig. 21 1. c.), dass der Embryo meiner Fig. 2a und b, sowie dem erwähnten CLARK- schen Bilde durchaus gleicht. Von diesem Embryo (Ser. A des Verf.) werden zwei Schnitte abgebildet, von denen einer anscheinend durch die Seitentheile des Schildes, der andere dagegen durch die Gastrula- einstülpung geht. Letzterer (fig. 21, tab. 19 1. c.) interessirt uns hier allein. Derselbe ist wegen der Unmöglichkeit der Orientirung etwas schief ausgefallen, so dass zwar die Mitte der Einstülpung getroffen, dagegen der hintere Theil der Primitivplatte nur seit- lich berührt wird. Trotzdem der Embryo vielleicht ein wenig jünger ist als der meinige desselben Stadiums, zeigt dennoch das Entoderm einen höhern Entwicklungsgrad, indem die Spaltung des- selben in ein primäres und ein secundäres Entoderm, die an dem von mir an der Hand der Fig. 15 besprochenen Embryo in der Region der Primitivplatte noch nicht vollendet war, hier im ganzen Bereich des Keimes bereits vollzogen war. Das secundäre Entoderm (Pard) ist hier auch unter der Einstülpung deutlich durch eine scharfe Grenze von dem primären der Einstülpung und der übrigen Primitivplatte geschieden. Die Details sowie der histologische Bau der Primitiv- platte mit ihrer Einstülpung entziehen sich der Beurtheilung, da der Verfasser in seiner Figur auf dieselben nicht eingegangen ist. Auch MEHNERT adoptirt den von mir aufgestellten Begriff der Primitivplatte, unterscheidet aber bei der Schildkröte an derselben noch einen „Primitivknoten“, welcher eine nach unten gerichtete locale 1) L. Wu, Zur Kenntniss der Schildkrötengastrula, in: Biol. Centralbl., 1892. 540 LUDWIG WILL, Zellenwucherung der Primitivplatte darstellen soll. Es springt nun zwar die Primitivplatte der Schildkröte, wie ja auch aus meinen Figuren hervorgeht, relativ stärker gegen den Dotter vor, als das bei Platy- dactylus und Lacerta der Fall ist, nichts desto weniger aber ist der äussere und innere Bau der Primitivplatte zu dieser Zeit ein so ein- heitlicher, dass mir die Unterscheidung der mittlern Kuppe der Platte als ,,Primitivknoten“ um so unmotivirter erscheint, als durch einen derartigen überflüssigen und nicht scharf abzugrenzenden Begrift gar zu leicht Verwirrung angerichtet werden kann. Wenn STRAHL!) bei Lacerta von einem Knopf als dem Vorläufer des Primitivstreifens spricht, so kann damit, worauf ich schon in meiner ersten vorläufigen Mittheilung über den Gecko hinwies, nur die gesammte Primitivplatte gemeint sein, nicht aber ein mittlerer Theil derselben, wie MEHNERT annimmt. Schon in meinen vorläufigen Mittheilungen über den Gecko und die Schildkröte betonte ich den Unterschied zwischen der Sichel, die wir als Ausgangsform der Primitivplatte beim Gecko und der Schild- kröte kennen gelernt haben und die mit der Korrer’schen Sichel beim Hühnchen identisch ist, und der viel später auftretenden von KUPFFER bei Reptilien beschriebenen Sichel, die lediglich die Ausbreitung des unpaaren Mesoderms im Bereich der Area intermedia darstellt. Auch MEHNERT macht, indem er die Kurrrer’sche Sichel beschreibt, sehr richtig einen Unterschied zwischen dieser und der KoLzer’schen Sichel. MEHNERT glaubt nun auch, allerdings in Unkenntniss meiner vor- läufigen Mittheilung über die Schildkrötenentwicklung, die KoL.Ler’sche Sichel wahrgenommen zu haben, die sich aber bei der mikroskopischen Untersuchung lediglich als eine Ansammlung von Dotterkörnchen er- wies. Aus diesem Grunde und weil er dieses Dottersichelbild nur in zwei Fällen unter 250 Eileitereiern antraf, glaubt er demselben keinen tiefern morphologischen Werth beimessen zu sollen und dasselbe für eine bedeutungslose Nebenerscheinung halten zu müssen. Ich kann hierin unserm Verf. nur beipflichten, denn ich brauche wohl kaum hervorzuheben, dass diese Dottersichel nicht mit der von KoLLER und mir beschriebenen identisch ist, indem diese sowohl beim Gecko wie auch bei der Schildkröte nicht aus einer Ansammlung von Dotterkörnern, sondern wie die Primitivplatte aus Zellen besteht. Da MEHNERT jüngere Embryonen weder beschreibt noch abbildet, muss 1) H. Srranı, Beiträge zur Entwicklung von Lacerta agilis, in: Archiv f. Anat. u. Phys, 1882, Anat. Abth. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 541 ich annehmen, dass ihm auch keine vorgelegen haben; er war somit gar nicht in der Lage, das eigentliche Sichelstadium beobachten zu können. Wenn sich unter 250 Eileitereiern kein einziger Embryo mit Korter’scher Sichel vorfand, so hat allerdings der Zufall eine besondere Rolle gespielt, da die Zahl meiner Embryonen im Ganzen nur 25 bis 30 beträgt. Wie sehr man übrigens beim Sammeln junger Entwicklungsstadien dem Zufall ausgesetzt ist, möge folgender Fall illustriren. Unter dem Braun’schen Material von mehrern Hunderten Geckoembryonen befanden sich 2 bis 3 mit in Durchbruch befindlichem Urdarm, dagegen nur einer, bei dem der Urdarm die Höhe seiner Ausbildung erreicht hatte, aber noch nicht durchgebrochen war. Unter den von mir gesammelten Hunderten von Geckoembryonen belief sich die Zahl der Durchbruchsstadien auf etwa 20 ‘bis 30, dagegen fand sich kein einziger Embryo mit vollständig ausgewachsenem, noch nicht durchgebrochenem Urdarm, trotzdem doch dieses Stadium in der Ent- wicklung jedes einzelnen Individuums wiederkehren muss. Man ersieht hieraus, dass man von der Seltenheit irgend eines Stadiums noch nicht ohne weiteres auf die morphologische Bedeutungslosigkeit schliessen darf. Auf Grund des besprochenen MEHNERT’schen Stadiums, in dem die Abspaltung des secundären Entoderms vom primären sich voll- zogen hat, kommt der Verf. zu dem irrigen Schluss, dass dieser Spalt von Anfang an bestanden habe und demnach die Primitivplatte aus einer Wucherung der oberflächlichen Keimschicht hervorgegangen sein müsse, eine Ansicht, die ich natürlich nicht theilen kann und die durch das beschriebene erste Stadium ihre Erledigung findet :). 3. Die Urdarmeinstülpung nimmt die Richtung nach vorn (Stadium Ill). Die Urdarmeinstülpung hat auf diesem Stadium die Richtung nach vorn eingeschlagen. Der einzige hierher gehörende Embryo wurde in Fig. 3a in der Flächenansicht von oben, in Fig. 3b in der Ansicht von unten dargestellt. 1) Meunert citirt mich zwar p. 402 seiner Arbeit als überein- stimmend mit seiner Ansicht, indem er mich die Primitivplatte beim Gecko aus einer Ectodermwucherung ableiten lässt. Dieses unrichtige Citat erklärt sich natürlich lediglich als ein Missverständniss, hervor- gerufen durch die mit einer vorläufigen Mittheilung verbundene knappere Ausdrucksweise. Zool. Jahrb. VI. Abth. f, Morph. 35 542 LUDWIG WILL, Während der Embryonalschild bisher noch vollkommen im Niveau der übrigen Keimscheibe lag, tritt derselbe auf diesem Entwicklungs- stadium zuerst als deutliche, wohl amschriebene Erhebung von herz- förmiger Gestalt aus der Keimscheibenoberfläche hervor. Dement- sprechend macht sich diese Wölbung an der Dotterseite (Fig. 3b) durch eine leichte Concavität bemerkbar. Die Primitivplatte prägt sich nach wie vor nur auf der Unterseite der Keimscheibe als eine Erhebung aus. Schon an der Hand des vorigen Stadiums konnte ich auf eine Lageverschiebung derselben in der Richtung nach vorn hinweisen, eine Erscheinung, die wir auch beim Gecko constatiren konnten, und auf ein Längenwachsthum der Primitivplatte, auf das das allmähliche Auswachsen derselben zu einem länglichen Primitivstreifen zurückzuführen ist. Dieses Längenwachs- thum hat hier bereits einen solchen Umfang angenommen, dass der ursprünglich glatt gerundete Embryonalschild nunmehr hinten tief herz- f‘rmig ausgeschnitten ist und man annehmen muss, dass durch die vorwachsende Primitivplatte die Mitte des hintern Schildrandes me- chanisch nach vorn verschoben ist. Die Primitivplatte selbst nimmt den Raum ein, der durch den herzförmigen Ausschnitt gebildet wird, und liegt mit Ausnahme der vordern Lippe der Einstülpungsöffnung noch durchaus im Niveau der Area intermedia, also wesentlich tiefer als das Ectoderm der benach- barten Theile des Schildes. Wie ich das für den Gecko ausführlich dargelegt habe, so ist auch hier an dem Längenwachsthum der Pri- mitivplatte besonders der hinter der Urdarmeinstülpung gelegene Theil derselben, den wir auch als Entodermpfropf bezeichneten, betheiligt. Die Folge ist, dass die ursprünglich nahezu im Centrum der Primitiv- platte gelegene Urdarmdelle mehr und mehr dem vordern Rande der Primitivplatte sich nähert. So liegt auch in unserer Fig. 3a der Ein- gang zum Urdarm im vordersten Abschnitt der Primitivplatte unmittel- bar hinter dem Hinterrande des Schildes an der Spitze des herz- f‘rmigen Ausschnitts. Die Urmundöfinung stellt einen queren Spalt von 0,179 mm Breite dar, dessen vordere, in der Mitte eingekerbte Lippe von dem Umschlag des Eetoderms des Schildes in die dorsale Urdarmwand gebildet wird und durch den vorgewachsenen Urdarm mässig gewulstet erscheint, während der hintere Rand wesentlich tiefer liegt und von dem als Entodermpfropf zu bezeichnenden hintern Theil der Primitivplatte gebildet wird. Auch hier verstopft der Entoderm- pfropf wie beim Gecko und den Amphibien den grössten Theil des aus der Epibolie hervorgegangenen Blastoporus. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 543 Der mediane Längsschnitt durch diesen Embryo (Taf. 33 [15], Fig. 16) gleicht fast vollständig dem gleichen Entwicklungsstadium von Lacerta, nur dass hier bei der Schildkröte die Dimensionen grösser, der Dottergehalt der Zellen stärker ist, ausserdem aber bei dem vorliegenden Embryo die Abspaltung des unpaaren Mesoderms noch nicht erfolgt ist. Gleichaltrige Geckoembryonen unterscheiden sich meist dadurch von den genannten Reptilien, dass bei ihnen gewöhnlich das secundäre Entoderm zu dieser Zeit überhaupt noch nicht angelegt ist. Die vorliegende Fig. 16 stellt das Folgestadium zu Fig. 15 dar. Die auf letzterm Schnitte unterhalb der Einstülpung noch nicht durch- geführte Trennung von primärem und secundärem Entoderm ist hier auch an dieser Stelle vollzogen, dagegen steht bei e in der hintern Region des Primitivstreifens das secundäre Entoderm noch in engem Zusammenhang mit den primären Entodermzellen der Primitivplatte, wie man das vielfach auch noch an ältern Stadien antrifft. Der wesent- lichste Fortschritt aber besteht darin, dass sich in unserer Figur das secundäre Entoderm zum ersten Mal vollständig von dem darunter liegenden Dotter abgespalten hat, was ja in Fig. 15 nur erst in einem kleinen Bereich des Schildes eingetreten war. Somit stellt nunmehr das secundäre Entoderm oder Dotterblatt eine selbständige, zusammen- hängende Lamelle dar, die sich continuirlich unter dem obern Theile des Keimes hinwegzieht und nur noch in der hintern Region der Pri- mitivplatte mit dem primären Entoderm zusammenhängt. Es setzt sich durchweg aus einer einfachen Lage von allerdings noch ziemlich unregelmässigen, dotterreichen Zellen zusammen, die nur gelegentlich, besonders im Bereich der Zwischenzone, sich zu mehreren über ein- ander ordnen. Die Primitivplatte ist in Uebereinstimmung mit dem geschilderten Oberflächenbilde bedeutend länger geworden; sie reicht von y bis 2 und kann wegen der vorwaltenden Längsausdehnung schon jetzt als Primitivstreif bezeichnet werden. Sie liegt tiefer im Niveau als der Embryonalschild, worauf ich ja schon bei der Betrachtung des Ober- flächenbildes aufmerksam machte, und zeigt eine wellige Oberfläche, offenbar ein mehr zufälliger Charakter, da er an den nächstältern Embryonen vermisst wird. Im Gegensatz zu dem Embryo aus dem vorigen Stadium zeigt der vorliegende das unpaare Mesoderm noch nicht angelegt. Die für dasselbe bestimmten Zellen bilden noch mit dem secundären Entoderm eine continuirliche Masse (e), welche wiederum mit dem Hinterrande der Primitivplatte zusammenhängt. Das gleiche Verhalten werden wir 307 544 LUDWIG WILL, auch noch an ältern Embryonen constatiren können, so dass demnach die Abspaltung des prostomialen Mesoderms recht bedeutenden zeit- lichen Schwankungen unterliegt. Ein Fortschritt prägt sich dagegen in dem Verhalten des Ecto- derms des Schildes aus, das auf dem vorigen Stadium noch scharf von dem Entoderm der Primitivplatte abgegrenzt war, nunmehr aber mit demselben verschmolzen ist, eine Erscheinung, die wir ja auch auf einem ähnlichen Stadium beim Gecko ganz regelmässig eintreten sahen und die uns weiter unten noch einmal beschäftigen wird. Schliesslich bleibt nur noch der Urdarm selbst zu erwähnen. Der Kopffortsatz hat sich bedeutend weiter entwickelt und läuft nach vorn ziemlich schnell in eine scharfe Spitze aus, die nur aus einer einfachen Reihe spindliger Zellen besteht. Die Einstülpung selbst ist tiefer ge- worden, hat die Richtung nach vorn eingeschlagen und erstreckt sich somit eine Strecke weit in den Kopffortsatz hinein. Die untere Ur- darmwand stimmt in ihrem histologischen Bau im Ganzen mit der Primitivplatte überein. An der Oberfläche beider beobachten wir senkrecht gestellte Zellgrenzen, während in der Tiefe rundliche oder polyedrische Elemente angetrofien werden. Die kurze obere Urdarm- wand zeigt dagegen schon jetzt ein hohes, schönes Cylinderepithel, wie es für die spätere chordale Mittelplatte des ausgebildeten Urdarms charakteristisch ist. Andere Embryonen aus diesem Entwicklungsstadium sind bisher nicht bekannt geworden. 4. Das Auswachsen des Urdarms bis zur Erreichung seiner definitiven Länge (Stadium IV). Als ich im Mai 1890 zum Sammeln von Gecko- Material nach Menorca ging, musste ich nach den vorliegenden Arbeiten von KUPFFER u. BENECKE !) sowie Mirsukuri u. ISHIKAWA ?) annehmen, dass die Gastrulation bei der Schildkröte ebenso verliefe wie bei der Eidechse, 1) ©. Kurrrer und B. Benecke, Die ersten Entwicklungsvorgänge am Ei der Reptilien, Königsberg 1878. C. Kurrrer, Die Gastrulation an den meroblastischen Eiern der Wirbelthiere und die Bedeutung des Primitivstreifens, in: Archiv f. Anat. u. Phys., 1882, Anatom. Abth. 2) K. Mrrsukurr and C. Isurkawa, On the formation of the ger- minal layers in Chelonia, in: Quart. Journ. Mier. Science, Vol. 27, 1887, p. 17—45, 4 Tafeln. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 545 dass also bei der Schildkröte ebenfalls nur ein so rudimentärer Urdarm vorkäme, wie er von KUPFFER zuerst für die Eidechse beschrieben wurde. Ohne besondere Erwartungen dachte ich also nur daran, einiges Controlmaterial zu sammeln. Ich war daher einigermaassen überrascht, als gleich der erste Embryo, den ich präparirte, mir bei der Ansicht von unten ein Bild zeigte, wie ich es in der fig. 17b, tab. 2 meiner vorigen Abhandlung für Platydactylus abgebildet habe. Es konnte sich auch bei der Schildkröte bei einem solchen Bilde nur um einen im Durchbruch begriffenen Urdarm handeln, um einen Urdarm, der den des Geckos absolut wie relativ noch an Ausdehnung übertraf. Dadurch musste natürlich der Gastrulationsprocess der Schildkröte eine ganz andere Bedeutung für die vergleichende Entwicklungs- geschichte bekommen, als ich ihm bis dahin zuzuschreiben geneigt war. Trotzdem ich nun nach diesem Funde doppelt eifrig bemüht war, auch von der Schildkröte ein vollständiges Material in die Hand zu bekommen, ist doch mein Streben nur zu einem kleinen Theil mit Erfolg gekrönt worden. Obschon sowohl Cistudo lutaria wie Testudo graeca in Menorca ziemlich häufig ist und namentlich die letztere auch vielfach in Gefangenschaft gehalten wird, so war ich doch durch den Gang der Geckoentwicklung, die mir gerade die zweite Serie der jungen Stadien lieferte, sowie durch das mir reichlich zugehende Material von Lacerta lilfordi verhindert, mich selbst wiederholt auf die zeit- raubende Suche nach Schildkröteneiern zu begeben, da hierzu bei der entlegenen Oertlichkeit und schlechter Verbindung stets eine mehrtägige Abwesenheit von Mahon, meinem Standquartier, nothwendig wurde, die leicht meinen Hauptreisezweck gefährdet hätte. Von Testudo graeca erhielt ich nur wenige ältere Embryonen, indem die meisten Eier, die in Gefangenschaft lebenden Thieren ent- stammten, sich als unbefruchtet erwiesen. Von Cistudo lutaria da- gegen sammelte ich eine grössere Zahl von befruchteten Weibchen, die ich theils öffnete, um die jungen Entwicklungsstadien aus dem Ei- leiter zu erlangen, theils aber die Eier ablegen liess. Von ihnen stammen die hier beschriebenen Stadien. Leider trat die Brunstzeit von Cistudo erst so kurz vor meiner Abreise ein, dass ich mich mit den wenigen erlangten Embryonen begnügen musste, die uns jedoch immerhin über die wichtigsten Verhältnisse des Gastrulationsprocesses hinreichende Aufklärung verschaffen. Gern hätte ich nun auch von der Schildkröte ein Stadium mit völlig entwickeltem, aber noch intactem Urdarme vorgeführt, allein bei der Seltenheit eines solchen Stadiums auch beim Gecko kann es nicht 546 LUDWIG WILL, Wunder nehmen, dass unter den Schildkröten -Embryonen mit ent- wickeltem Urdarm keiner war, bei dem nicht schon der Durchbruch eingesetzt hatte. Nichtsdestoweniger schliessen diese Embryonen, wie wir sehen werden, jeden Zweifel an der Existenz eines solchen Stadiums aus. Glücklicher als ich ist in dieser Beziehung, wie ich nach meiner Rückkehr entdeckte, CLARK gewesen. In dem 1857 erschienenen Werke bildet derselbe ohne jeden Commentar und in unrichtiger Orientirung einige Embryonen ab, die nur auf das mir fehlende Stadium mit vor- geschrittenem, intactem Urdarm bezogen werden können. Trotz des damals mangelnden Verständnisses zeugen die betreffenden Abbildungen doch von so vorzüglicher Beobachtung, dass ich diese alten Figuren, allerdings in anderer Orientirung, reproduciren und benutzen kann, um die Lücke in meinem Material auszufüllen. Fig. 5a stellt die Oberflächenansicht eines Embryos von Ozotheca odorata mit herzförmigem Embryonalschild dar, an dessen Hinterrande der breite, spaltförmige Eingang in den Urdarm liegt, welcher letztere eine breite, taschenförmige Einstülpung darstellt, die sich fast bis an den Vorderrand des Schildes erstreckt. Wie der Urdarm bei der Ansicht von oben zum Ausdruck kommt, ist aus der Zeichnung nicht genau zu ersehen; entweder scheint er nur durch oder aber — was nach dem gleichen Verhalten beim Gecko mir wahrscheinlicher ist — verursacht er eine entsprechende Hervorwölbung des Schilde. Um jedes Missverständniss aus dem Wege zu räumen, fügt Verf. in Fig. 5b noch einen Längsschnitt bei. Die ventrale Ansicht eines andern Em- bryos derselben Schildkröte bietet fast dasselbe Bild, wie die nunmehr zu besprechenden und in Fig. 4a—d reproducirten Abbildungen eines Embryos von Malacoclemmys palustris. Fig. 4a stellt denselben in Ansicht von oben dar. Der Embryonalschild zeigt sich auch hier, wie ich das bereits an dem Embryo des vorigen Stadiums schilderte, hinten tief ausgeschnitten, innerhalb welchen Ausschnitts wiederum die Pri- mitivplatte gelegen ist. Eine Ansicht des Schildes von hinten (Fig. 4c) erläutert, worauf ich ebenfalls bereits hinwies, dass die Primitivplatte im Niveau wesentlich tiefer liegt als der Embryonalschild. Bei der Ansicht von unten (Fig. 4b) blickt man auf den langen Urdarm selbst, der nahezu seine definitive Länge erreicht hat, jedoch noch relativ schmal ist. Ein beigegebener Längsschnitt (Fig. 4d) zeigt, dass die Urdarmeinstülpung bis an den vordern Rand des Schildes reicht. Ein besseres Bild noch als die eben besprochenen Abbildungen CLArK’s geben uns die gleich zu beschreibenden Embryonen des Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 547 nächsten Stadiums von der ganz ausserordentlichen Ausdehnung des Urdarms bei den Schildkröten. Ich verweise hier nur auf die Ventral- ansichten Fig. 6b, 7b, 8b, die beweisen, dass der vollständig ausge- bildete Urdarm bis an die seitlichen und vordern Ränder des Schildes reicht, und ferner ausser der Querschnittserie Fig. 17, Taf. 34 [16] auf den reconstruirten Längsschnitt Fig. 20, Taf. 36 [18], der durch den Embryo Fig. 6 geführt ist. An diesem Embryo war der gleich zu beschreibende Urdarmdurchbruch erst jederseits von der Mittellinie erfolgt, so dass der median geführte Längsschnitt die stehen gebliebene mittlere Partie der ventralen Urdarmwand getroffen hat und uns daher genau das Bild eines noch intacten Urdarms auf der Höhe seiner Ent- wicklung zeigen muss. Der Urdarm erreichte in diesem Falle, vom vordern Einstülpungsrande an gemessen, eine Länge von 1,4 mm bei einer Schildlänge von nur 1,8 mm, eine Breite von 1,3 mm bei 1,97 mm Schildbreite. Die Dimensionen des Urdarms der Schildkröte über- treffen daher diejenigen des Geckos (Urdarmlänge 1,08 mm) nicht nur absolut, sondern auch relativ, indem bei letzterm der Urdarm niemals die Schildränder vollständig erreicht. 5. Der Urdarm beginnt nach unten durchzubrechen (Stadium V). Von diesem hochinteressanten Stadium fielen mir drei Embryonen in die Hände, die, wenn auch im Einzelnen abweichend, doch in den allgemeinen Charakteren sich übereinstimmend verhielten. Alle drei Embryonen (Taf. 31 [13], Fig. 6, 7, 8) zeigten in der Dorsalansicht noch ziemlich genau dasselbe Oberflächenbild wie der Em- bryo Fig. 3a aus dem dritten Stadium und die aus dem citirten Werke CLARK’s copirte Fig. 4a der vierten Entwicklungsphase. Ueberall war der Embryonalschild hinten tief herzförmig ausgeschnitten in Folge des Längenwachsthums der Primitivplatte. Besonders stark trat dieser Ausschnitt des Schildes in Fig. 7a hervor. Die Primitivplatte füllt nach wie vor diesen Schildausschnitt vollkommen aus und zeigt an ihrem Vorderende wiederum den breit spaltförmigen Eingang in den Urdarm. Dieser Urmundspalt variirt in seiner Breitenausdehnung in ähnlicher Weise wie beim Gecko; während seine Breite im Falle der Fig. 6 0,25 mm, in Fig. 8 0,28 mm betrug, mass ich in Fig. 7 0,36 mm, Auch die Formverhältnisse der Urmundspalte sind ebensowenig wie beim Gecko ganz constante, nur variiren dieselben bei der Schildkröte nach einer andern Richtung. Während die Einstülpungsöffnung beim 548 LUDWIG WILL, Gecko zu dieser Zeit entweder eine quere Spalte darstellte, oder nach hinten hufeisenförmig gekrümmt erschien, traf ich dieselbe bei zwei Schildkrötenembryonen dieses Stadiums noch wie auf dem Sichel- stadium nach vorn gebogen, während der dritte (Fig. 6a) eine nach hinten gebogene Urmundspalte aufwies. Letztere Form ist offenbar bei der Schildkröte auf diesem und den nächsten Stadien die seltenere, denn unter den zahlreichen von Mennert abgebildeten Embryonen findet sie sich nur bei einem einzigen (fig. 12a 1. c.). Eine Bedeutung kann selbstverständlich diesen Formverschiedenheiten nicht zuerkannt werden. Das Hauptinteresse knüpft sich natürlich an die Ventralansicht der in Frage stehenden Embryonen. Alle drei (Fig. 6b, 7b, 8b) zeigen im hintern Abschnitt der Dotterseite des Schildes einen stark vorspringenden Buckel, der die Mitte der Primitivplatte oder, wie wir jetzt bereits sagen können, des Primitivstreifens darstellt und wegen seines mächtigen Hervortretens von MEHNERT noch besonders als „Primitivknoten“ unterschieden wurde, obwohl, wie hervorgehoben wurde, hierzu kein triftiger Grund vorliegt. Wie man sieht, liegt die buckelförmige Erhebung in verschiedener Entfernung vom Hinterrande des Schildes, besonders weit entfernt in Fig. 7 b, was damit zusammen- hängt, dass die Länge des Primitivstreifens selbst eine verschiedene ist, wie auch aus den betreffenden Dorsalansichten hervorgeht. Von dieser knopfartig verdickten Stelle des Primitivstreifens fällt die Unterseite ganz allmählich nach allen Seiten ab, um seitwärts und nach vorn unmittelbar in die ventrale Urdarmwand oder, correct aus- gedrückt, in das Dotterblatt der untern Wand des Urdarms überzu- gehen. Die untere Urdarmwand selbst, die, wie Durchschnitte ergeben und auch aus dem vorhergehenden Stadium folgt, aus zwei Schichten, dem primären Entoderm und dem Dotterblatt, besteht, zeigt nun bereits die ersten Stadien des uns schon vom Gecko her bekannten Durch- bruchs. Sie weist bei sämmtlichen Embryonen zahlreiche grössere und kleinere fensterartige Oeffnungen auf, durch welche man nunmehr in das Lumen des Urdarms hinabschaut. Immerhin sind aber bei allen Embryonen ansehnliche Reste der untern Urdarmwand erhalten geblieben, die namentlich in der mittlern Region des Schildes noch grössere buchtig ausgeschnittene Flächen darstellen, von denen zahlreiche feinere und gröbere Netzbalken zum Rande des Urdarms hinziehen, so dass man an diesen Embryonen noch ein gutes Bild von der mächtigen Ausdehnung des Urdarms empfängt. Die Abbildungen zeigen, dass der Durchbruch sich genau ebenso wie beim Gecko durch das gleichzeitige Auftreten zahlreicher Oeff- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 549 nungen vollzieht, deren Form und Lage keinerlei be- stimmten Regeln unterliegt. Die durch die geschilderten Embryonen gelegten Querschnittserien bestätigen durchaus die Richtigkeit der Oberflächenbilder, zeigen aber ausserdem, dass der Urdarm der Schildkröte sich noch durch eine nicht unwichtige Besonderheit vor dem des Geckos auszeichnet. Ein Schnitt durch die Mitte des Primitivstreifens, 24 Schnitte hinter der vordern Lippe der Urmundöffnung (Fig. 17e) ), zeigt den Primitivstreifen aus unregelmässig rundlichen bis polyedrischen Zellen zusammengesetzt, die wie alle übrigen Embryonalzellen mit Dotter- körnern vollgepropft sind, welche in den untern Regionen des Primitiv- streifens allmählich an Grösse zunehmen, was nur wegen des kleinen Maassstabes der Figur in dieser nicht genügend hervortritt. Nach unten wird das Zellenlager allmählich breiter, um sich schliesslich nach rechts und links in eine dünnere, blattartige Lage, das Entoderm der Area intermedia, auszuziehen. In dieser Region des Primitiv- streifens, und dasselbe gilt auch von dem ganzen vordern Abschnitt desselben, ist es daher auch auf diesem Stadium noch nicht zu einer Spaltung des Entoderms in ein secundäres und ein primäres unteres Keimbiatt gekommen. Sehr charakteristisch ist das Verhalten des Ectoderms zu dem entodermalen Zellenmaterial der Primitivplatte. Da die Querschnitte etwas schräg ausgefallen sind, so ist nur rechts in der Figur das Ecto- derm des Schildes (s) getroffen, während links das Ectoderm (ai) bereits der Area intermedia angehört. Wie in Fig. 13b am Vorderende der Primitivplatte, so finden wir an unserm Querschnitt auch rechts und links an den Seitenrändern (yy) derselben das Ectoderm scharf von dem entodermalen Zellenlager des Primitivstreifens abgesetzt. Von einem Uebergang zwischen beiden kann um so weniger die Rede sein, als es sich beim Entoderm um rundliche, beim Ectoderm um cylin- drische Zellen handelt, letzteres aber ausserdem gegen die Primitiv- platte zu sich allmählich verjüngt, um dann plötzlich aufzuhören. Mit derselben Schärfe, mit der das äussere Keimblatt im ganzen Bereich der Keimscheibe nach unten begrenzt ist, macht sich diese Abgrenzung auch gegen die Primitivplatte zu bemerkbar. Hierzu kommt überdies noch ein Unterschied in dem Tinctionsvermögen zwischen Ectoderm 1) In allen Abbildungen von Querschnitten sind die Schnitte vor der vordern Lippe der Urmundöffnung mit +, alle dahinter gelegenen mit — bezeichnet. 550 LUDWIG WILL, und Primitivplatte, indem letztere stets wegen der reichern Dottermenge blasser gefärbt erscheint. Gehen wir nun von dem geschilderten Querschnitt zu der Be- trachtung der hintern Region des Primitivstreifens über, so beobachten wir ein allmähliches Schmälerwerden der Primitivplatte, sowie ferner die Abspaltung eines secundären Entoderms in dieser Region; im Uebrigen aber bleiben die Verhältnisse genau dieselben. Die Ab- spaltung eines secundären Entoderms von dem Zellenmaterial der Pri- mitivplatte, welche bereits auf dem 26. Schnitte beginnt, tritt uns an unsern Abbildungen zunächst in Fig. 17d hervor, welche 31 Schnitte hinter der vordern Lippe der Urmundspalte liegt. Der restirende Theil der bereits sehr schmal gewordenen Primitivplatte (pp) gehört nunmehr dem primären Entoderm an, zeigt aber in Bezug auf seine Lagerung und besonders hinsichtlich der scharfen Abgrenzung vom Ectoderm noch die gleichen Verhältnisse. Noch weiter nach hinten wird die Primitiv- platte andauernd schmäler, bis sie schliesslich in Fig. 17a auf einen kleinen, im Querschnitt dreieckigen Zellenpfropf zusammengeschrumpft ist (pp), der von rechts und links her bereits vom Ectoderm über- wachsen ist. Auf dem nächsten Schnitt ist die Primitivplatte ver- schwunden, und wir treffen unterhalb des Ectoderms nur das blatt- förmige secundäre Entoderm, dagegen keine Spur eines prostomialen Mesoderms, das auch an dieser Schnittserie noch vollständig ver- misst wird. Aus den betrachteten Schnitten geht vor allen Dingen also die Thatsache hervor, dass dieselbe scharfe Abgrenzung zwischen Ecto- derm und Primitivplatte, die wir in Fig. 13 am Vorderende der letztern constatiren konnten, sich an dem vorliegenden Embryo auch in der hintern Region der Primitivplatte beobachten liess. Verfolgen wir nunmehr von dem Ausgangsschnitt Fig. 17e die Serie weiter nach vorn, so finden wir, dass die erwähnte und früher auch hier vorhandene scharfe Grenze allmählich verloren geht, dass weiter nach vorn eine Verschmelzung des Ectoderms mit dem ento- dermalen Zellenmaterial der Primitivplatte eingetreten ist. Es handelt sich hierbei um Erscheinungen, die wir noch an andern Schnittserien wiederkehren sehen werden und die erst Bedeutung gewinnen werden, wenn wir sie später im Zusammenhang betrachten. Sie harmoniren, wie hier hervorgehoben werden mag, durchaus mit ähnlichen Vorgängen beim Gecko und sind von besonderm Werth für eine richtige Aut- fassung des Gastrulationsprocesses. Die Verhältnisse des Urdarms erkennen wir aus den vor dem Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 551 Urmundspalt gelegenen Schnitten. Der erste derselben, Fig. 17f, liegt 0,07 mm vor der vordern Urmundlippe, also wenig vor der Stelle, wo das Ectoderm des Schildes sich nach unten in die obere Urdarm- wand umschlägt. Unter dem Ectoderm des Schildes (s) treffen wir daher in der Mittellinie das primäre Entoderm der dorsalen Urdarm- wand (udd), welches aus einer einfachen Lage hoher Cylinderzellen besteht und jederseits nach unten zu in die ventrale Urdarmwand (udv) umbiegt. Der Anfangstheil des Urdarms selbst zeigt sich auf diesem und den nächsten Schnitten auffallend verengt gegenüber dem vorigen Stadium, was auch von MEHNERT hervorgehoben wird; das Urdarm- lumen ist, hier sogar bedeutend enger als an gleicher Stelle bei gleich- altrigen Geckoembryonen (cf. fig. 59b, tab. 10 meiner Gecko-Arbeit). Wie beim Gecko ist auch hier die untere Urdarmwand in ihrem hintern Abschnitt bedeutend mächtiger als die obere und weist mehrere Lagen von Zellen auf, die namentlich in den mittlern Schichten ein sehr lockeres Gefüge haben und der untern Urdarmwand auf vielen Schnitten ein schwammiges Aussehen verleihen. Da auch auf diesem Schnitt die Abspaltung des Dotterblattes noch nicht erfolgt ist, so finden wir in der untern Urdarmwand noch die Elemente des primären und des secundären Entoderms vereinigt. Nach links setzen sich obere und untere Urdarmwand gemeinsam in das blattartige Entoderm des Schildes fort, das ebenfalls einen recht unregelmässigen Bau aufweist. Nach rechts gehen sie in gleicher Weise in die Entodermlage (e‘) über, doch ist an dem betreffenden Schnitt dieser Zusammenhang bereits im Begriff unterbrochen zu werden, was mit dem Durchbruch des Urdarms in Zusammenhang steht. Zwischen der Entodermschicht (e”) und dem Schilde treffen wir nun ein von einem zarten Plattenepithel gebildetes Säckchen an, welches wir sowohl beim Gecko wie bei allen übrigen Reptilien vermissen. Wie die nächstfolgenden Schnitte zeigen werden, stellt dieses Säckchen, das den erwähnten Raum vollständig ausfüllt und sich auch an die Wandungen des Urdarms dicht anlegt, ein nach hinten gerichtetes Urdarmdivertikel dar, welches bis an den Eingang des Urdarms nach hinten reicht. Die Wandungen dieses Blindsackes stehen nach vorn zu mit denen des Urdarms in unmittelbarem Zusammenhang, so dass dieselben dem primären Ento- derm (e‘) zugerechnet werden müssen, während die darunter weg- gehende Entodermlage (e*) an dieser Stelle bereits als secundäres Entoderm bezeichnet werden kann. Wie der Urdarm im vordern Be- reich des Schildes überall im Durchbruch begriffen ist, so bahnt sich letzterer auch bereits in der Region des Urdarmdivertikels an, und 552 LUDWIG WILL, so sehen wir in unserer Figur an der proximalen Seite des Blindsacks bereits eine Unterbrechung seiner Wandung eingetreten, welche mit der erwähnten Lücke im Dotterblatt e“ correspondirt. Die Klarheit des Bildes leidet bedeutend unter der schiefen Schnitt- richtung, die, statt senkrecht zur Längsaxe, mit derselben einen Winkel von ca. 75—80° bildet. Wäre der Schnitt genau senkrecht geführt, so würden wir die Urdarmdivertikel, wie die folgenden Schnitte beweisen, jederseits vom Eingang zum Urdarm finden, der Urdarm würde also auf dem Schnitt dreimal getroffen sein. Statt dessen liegt nur die rechte Hälfte des Schnittes vor der Invaginationsöffnung, während die linke Hälfte noch durch die Region des Primitivstreifens geht. Der nächste Schnitt (Fig. 17c) zeigt im Ganzen noch dieselben Verhältnisse, nur dass die Durchbruchsstelle des Divertikels ein wenig grösser geworden ist und die mediane Wand des Blindsacks, die auf dem vorigen Schnitt sich deutlich als eine Lage von Plattenzellen von der Wandung des centralen Urdarms absetzte, nunmehr mit der letztern so continuirlich verschmolzen ist, dass die Wandungen des Blindsacks die directen Fortsetzungen der Wandungen des Einganges darstellen. Auf dem 27. Schnitt tritt uns zuerst der Blindsack der linken Seite entgegen, der allerdings schon wenige Schnitte vorher sich nach- weisen liess. Auch dieser stellt, wie wir das soeben von dem hintersten Abschnitt des rechten Divertikels constatiren konnten, in seinem hinter- sten Abschnitt ein völlig selbständiges Säckchen dar, um erst weiter nach vorn eine Verbindung mit der Wand des centralen Urdarms ein- zugehen. Der rechte Blindsack hat sein Bild gegenüber dem zuletzt betrachteten Schnitt wesentlich verändert. Von Schnitt zu Schnitt hat sich die Anfangs schmale Durchbruchsstelle vergrössert, so dass auf dem vorliegenden 27. Schnitt die untere Wand des Divertikels sammt dem unter ihr wegziehenden Dotterblatt bereits zum grössten Theil in Wegfall gekommen und nur ganz rechts etwa ein Drittel der- selben (r) bestehen geblieben ist, das noch recht deutlich seine Zu- sammensetzung aus den beiden Lagen erkennen lässt. Weiter aber erkennen wir, was schon auf dem 24. Schnitt (e) hervortrat, bei f einen horizontalen Fortsatz dieses rechten Blindsacks, der unter dem Haupttheil des Urdarms hinwegzieht, um eine Vereinigung mit dem linken Divertikel anzustreben. Auf dem 31. Schnitt (Fig. 17f) ist dieser horizontale Fortsatz noch etwas weiter ausgebildet, so dass hier der linke Blindsack schon fast erreicht wird. Das Lumen des centralen Urdarms, den wir auch als den Eingang zum Urdarm bezeichnen können, ist noch enger ge- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 553 worden, während gleichzeitig die untere Wandung desselben bis zu seiner Durchbruchsstelle immer dünner wird. In Fig. 17 g, sieben Schnitte weiter nach vorn, ist dieser Durchbruch erfolgt (ud), ebenso hat sich hier auch die Vereinigung beider Urdarm- blindsäcke vollzogen. Das rechte Divertikel ist vollends nach dem subembryonalen Raum durchgebrochen, während der linke Blindsack nach wie vor von demselben durch eine aus primärem Entoderm und Dotterblatt gebildete Membran geschieden ist. Auf diesem Schnitt gleicht der Schildkrötenembryo, abgesehen von den besondern histo- logischen Charakteren, einem (Querschnitt, wie wir ihn auch beim Gecko kennen gelernt haben. Der Urdarm stellt einen zusammen- hängenden Raum dar, dessen Wandungen, soweit sie noch bestehen, vom primären Entoderm gebildet werden. Der mittlere Theil der obern Urdarmwand, aus dem vor allem die Chorda hervorgeht — wir wollen von seiner Betheiligung an der Mesodermbildung hier absehen -— erweist sich als stark verdickt und setzt sich nach hinten in die Wandung des beschriebenen Eingangs zum Urdarm fort. Seitlich ver- jüngt er sich ziemlich schnell zu einer Lage Plattenzellen, welche nach hinten in die obern Wandungen des Urdarmdivertikels übergeht. Verfolgen wir nun die Querschnitte noch weiter nach vorn, so treffen wir überall die typischen Durchbruchsbilder, wie wir sie beim Gecko kennen gelernt haben und die vollständig mit der Oberflächenansicht (Fig. 8) zusammenfallen. Die obere Wandung des Urdarms wird nach vorn immer dünner, und die axiale Chordaverdickung (Mittelplatte) tritt allmählich immer mehr in den Hintergrund, bis wir sie schliesslich (Fig. 17e) überhaupt nicht mehr nachweisen können. Die untere Ur- darmwand sammt dem Dotterblatt ist auf grosse Strecken in Wegfall gekommen, doch geben uns die stehen gelfliebenen ansehnlichen Reste recht wohl eine Vorstellung von der colossalen Breitenausdehnung (1,3 mm) des Urdarms. Dass es sich bei den isolirten Zellenplatten wirklich, ebenso wie beim Gecko, um Reste der ursprünglichen untern Urdarmwand handelt, lehren ausser den Seitenrändern des Urdarms, wo wir ihren Zusammenhang noch erkennen können, besonders Quer- schnitte durch die vordere Region des Urdarms, in der, wie Fig. 171 zeigt, die untere Urdarmwand noch völlig intact erhalten ist. Aus der vorstehend beschriebenen Querschnittserie wurde ein medianer Längsschnitt (Fig. 21, Taf. 36 [18]) construirt, der eine bessere Vorstellung von den Längenverhältnissen des Urdarms geben soll und deswegen auch im gleichen Maassstabe wie die Querschnitte gezeichnet wurde. Auch die histologischen Details wurden mit möglichster Sorg- 554 LUDWIG WILL, falt eingetragen, wenngleich in dieser Beziehung keine absolute Treue möglich ist. Wenn auch der histologische Charakter vor der Urmund- spalte mit Sicherheit als correct wiedergegeben betrachtet werden darf, so ist es bei der Mehrschichtigkeit des Primitivstreifens und dem un- regelmässigen Bau seiner Elemente doch nur im Allgemeinen möglich, von Querschnitten auf die Gruppirung der Elemente im Längsschnitt zu schliessen. Dass jedoch ein etwa in dieser Region bei der Ein- tragung des histologischen Details begangener Fehler auf keinen Fall ein bedeutender sein kann, dafür bürgen die wirklichen Läugsschnitte (Fig. 22, 25) durch Embryonen des nächstfolgenden Stadiums. Aus diesem Längsschnitt ist nun zunächst ersichtlich, dass sich der Urdarm bis an den vordersten Rand des Schildes erstreckt, wo dieses ziemlich unvermittelt von einem hohen Cylinderepithel in das niedrige Plattenepithel der Area intermedia übergeht. An dieser Stelle findet sich bei r noch der vorderste Abschnitt der untern Urdarm- wand erhalten und steht hier im Zusammenhang mit dem Epithel der obern Urdarmwand. Ein anderer Rest der untern Wandung findet sich bei 7’ und giebt uns eine Vorstellung von der Höhe des Urdarm- lumens. In Folge des Durchbruchs des Urdarms hat sich der hintere Abschnitt desselben in einen Canal verwandelt, der ebenso wie beim Gecko als Kuprrer’scher Gang bezeichnet werden soll und die erste Phase des Canalis neurentericus darstellt, welcher letztere höchst wahr- scheinlich auch bei der Schildkröte in zwei durch canallose Zwischen- stadien getrennten Phasen auftritt. Auffallend ist die frühzeitige Verengung dieses Canals, die auch schon MEHNERT an etwas ältern Embryonen aufgefallen ist, beim Gecko jedoch erst bedeutend später eintritt. Auch hier beobachten wir ferner die bereits beim Gecko constatirte Thatsache, dass die hintere Partie der untern Urdarmwand, soweit sie mehrschichtig ist, sich nicht am Durchbruch betheiligt und daher erhalten bleibt. Wenn hier dieser Abschnitt auch nicht dieselbe Länge wie bei Gecko erreicht, wo er 1/, der Urdarmlänge ausmacht, so ist er doch auch hier so lang, um dem Kuprrer’schen Gang bei seinem Auftreten einen ziemlich hori- zontalen Verlauf zu geben. Die Zellen dieses hintern stehen gebliebenen Theiles der untern Urdarmwand gehen auch hier nach hinten so unmerklich in den Pri- mitivstreifen über," dass die enge Zusammengehörigkeit beider hier- durch aufs beste documentirt wird. Im Bereiche des Primitivstreifens vermissen wir in der vordern Hälfte, entsprechend dem Ergebniss der Querschnitte, die Abgrenzung eines secundären Entoderms, während Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 555 es sich dagegen im hintern Abschnitt in Form eines besondern Blattes (e’) abgetrennt hat. Der restirende Theil der Primitiv- platte, deren Zellenmaterial also an dieser Stelle als primäres Ento- derm angesprochen werden kann, ist in Folge dieser Abspaltung dünner geworden und verjüngt sich nun nach hinten noch mehr, um schliesslich zugespitzt aufzuhören. Das Ectoderm der Area intermedia ist durch eine scharfe Grenze von dem hintern Ende der Primitiv- platte abgesetzt und schiebt sich (cf. Querschnitte Fig. 17 a—d) ganz wenig über die letztere hinüber. Aus einer andern Querschnittserie durch den in Fig. 6a und b abgebildeten Embryo bilde ich in Fig. 18d den 32. Schnitt vor der vordern Lippe der Urmundspalte ab, nur um zu zeigen, dass hier die- selben Verhältnisse obwalten. Der Schnitt geht genau durch die Stelle, wo der enge Eingang des Urdarms (Kuprrer’scher Canal) sich in den weiten Theil des Urdarms geöffnet hat. Auch hier bemerken wir wiederum die beiderseitigen nach hinten gerichteten Urdarmdivertikel (dv.r. und dv.l.), die bereits beide nach unten durchgebrochen, in der Mitte aber noch nicht zur Vereinigung gekommen sind. Wenige Schnitte nach vorn findet diese Vereinigung und damit der Schwund der sie trennenden senkrechten Lamelle statt, so dass auch die folgen- den Schnitte völlig der geschilderten Querschnittserie gleichen. Da bei diesem Embryo (cf. Fig. 6b) die gesammte mediane Partie der untern Urdarmwand noch erhalten geblieben ist, findet man natürlich hier auf den Querschnitten stets in der Mitte einen grössern Rest der untern Urdarmwand. Die Primitivplatte zeigt hinsichtlich der Abgrenzung nach dem Ectoderm zu dieselben Verhältnisse wie der vorige Embryo; die Ab- weichungen bestehen in dem vorliegenden Fall nur in der grössern Breite der Primitivplatte, sowie darin, dass bei diesem Embryo die Spaltung des Primitivstreifens in secundäres und primäres Entoderm noch nirgends eingetreten war. Um übrigens die Breitenausdehnung der Primitivplatte auch nicht zu überschätzen, mache ich darauf auf- merksam, dass die Schnitte a, b, c mit einem stärkern Ocular ge- zeichnet wurden als die Querschnitte der vorigen Figur sowie der Fig. 18d. Wie die Schnitte Fig. 18a und b übereinstimmend zeigen, ist die seitliche Abgrenzung der Primitivplatte (pp) bei y jederseits noch klarer ausgeprägt als an der vorigen Serie. Diese Grenzen finden sich auch hier an allen Querschnitten durch die hintere Region des Primitiv- streifens, während sich dagegen im vordern Abschnitt desselben unter 556 LUDWIG WILL, allmählicher Verschmälerung der Platte eine Verschmelzung ihres Zellen- materials mit dem benachbarten Ectoderm anbahnt, wie Fig. 18¢ be- weist, in der rechts diese Verbindung bereits eingetreten ist, während links die Ectodermgrenze noch besteht (y). Die Primitivplatte selbst ist in der ganzen Serie aus einem lockern, dotterreichen Zellenmaterial zusammengesetzt, welches sich rechts und links unter die hintern Schildflügel in Form eines blattartigen Ento- derms fortsetzt, das aber, wie es für die Schildkröte überhaupt cha- rakteristisch ist, einen sehr unregelmässigen Bau aufweist. Zu einer Trennung von secundärem und primärem Entoderm ist es, wie erwähnt, im Gegensatz zu dem vorhin betrachteten Embryo noch an keiner Stelle des Primitivstreifens gekommen. Ebenso vermissen wir in Ueber- einstimmung mit der vorigen Serie noch jede Anlage eines prostomialen Mesoderms. Als wesentlich für die Auffassung des Primitivstreifens sei hier noch hervorgehoben, dass derselbe in beiden Serien nur in enger Be- ziehung mit dem Entoderm steht, dagegen in dem ganzen hintern Abschnitt desselben vom Ectoderm scharf abgesetzt ist. Diese That- sachen, zusammengehalten mit dem frühern Befunde, wo wir diese Ectodermgrenze auch in der vordern Region des Primitivstreifens constatiren konnten, sprechen entschieden nicht nur für die entodermale Natur der Primitivplatte, sondern auch für die für den Gecko ausführlich begründete Auffassung derselben als Blastoporus einer epi- bolischen Gastrula, dessen Lippen durch die Ecto- dermgrenzen yy bezeichnet werden. Die Einstülpungs- öffnung würde nach dieser Auffassung auch bei der Schildkröte nur den Theil dieses Blastoporus darstellen, der durch den Eintritt der Embolie zur Oeffnung ge- kommen ist, während der Rest der Primitivplatte den übrigen grössten Theil des Blastoporus noch als Ento- dermpfropf verstopft. Für den Gecko konnte der positive Nachweis geliefert werden, dass auch dieser restirende Theil der Pri- mitivplatte sich noch später in allerdings rudimentärer Form an der Invagination betheiligt. Auch von diesem zuletzt besprochenen Embryo wurde in Fig. 20 die Reconstruction eines medianen Längsschnitts versucht, der nach dem Gesagten ohne weiteres verständlich ist, so dass ich nur noch auf wenige Punkte aufmerksam zu machen habe. Wir ersehen aus demselben die ausserordentliche Länge des Primitivstreifens von Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 557 0,52 mm, ferner die hintere Abgrenzung desselben vom Ectoderm bei z, der wahren hintern Urmundlippe, sowie den Mangel eines prostomialen Mesoderms und die fehlende Spaltung in primäres Ento- derm und Dotterblatt im Bereich des Primitivstreifens. Während die Invaginationsöffnung im ersten Entwicklungsstadium als Sichelrinne ziemlich in der Mitte der sichelförmigen Primitivplatte auftrat, ist die- selbe, wie auch die vorigen Embryonen zeigten, nunmehr ganz an den vordern Abschnitt des Primitivstreifens gerückt. Wir folgern daraus, dass an dem Längenwachsthum des letztern ausschliesslich der hinter der Invaginationsstelle gelegene Theil desselben betheiligt ist, was durchaus mit den Verhältnissen beim Gecko übereinstimmt. Da ein Schildkrötenembryo mit vollständig entwickeltem und noch nicht durchgebrochenem Urdarm bis jetzt noch nicht aufgefunden ist und auch die CLark’schen Bilder denselben noch nicht in seiner vollen Ausdehnung zeigen, so kann die vorliegende Reconstruction benutzt werden, um den medianen Längsschnitt durch ein solches mit Sicher- heit existirendes Stadium zu ersetzen. Da an dem vorliegenden Em- bryo, wie oben beschrieben, nur die seitlichen Theile der untern Ur- darmwand durchgebrochen, die medianen aber (cf. Fig. 6b) nahezu ganz erhalten geblieben sind, so muss natürlich der Längsschnitt noch das Bild eines intacten Urdarms gewähren. In der That sehen wir nur in der Nähe der Urdarmspitze einige winzige Unterbrechungen. Aus der Abbildung geht hervor, dass der Urdarm bis an den vordern Rand des Schildes reicht, während Messungen eine Länge von 1,4 mm ergaben. Der Eingang zum Urdarm ist hier noch enger als in Fig. 21. Während eine Sonderung der Entodermtheile in der Region des Pri- mitivstreifens, wie an den meisten frühern Embryonen, vermisst wurde, ist diese im vordern, durch die Lage des Urdarms bezeichneten Ab- schnitte des Schildes entsprechend auch dem frühern, an Fig. 16 con- statirten Verhalten überall deutlich nachweisbar. Die Wandungen des Urdarms ud, e‘ stellen das primäre Entoderm oder Urdarmblatt dar, während unter dem ganzen Urdarm das secundäre Entoderm oder Dotter- blatt als gesonderte Zellenschicht hinzieht (e”). Die untere, zum Durch- bruch kommende Wand des Urdarms besteht somit überall aus den beiden Zellenschichten e’ und e”, die sich dicht an einander gelegt haben, gelegentlich auch schon mit einander verlöthet sind, so dass die Grenze zwischen beiden nicht mehr an allen Stellen mit Deutlichkeit nach- gewiesen werden kann. Zool, Jahrb, VI. Abth. f, Morph, 36 558 LUDWIG WILL, Die Angaben über den Durchbruch des Urdarms bei Reptilien in der oben geschilderten Form datiren erst aus den letzten Jahren. Während bis dahin, gestützt auf Beobachtungen an der Eidechse und in Unkenntniss der ausserordentlichen Ausdehnung des Urdarms beim Gecko und der Schildkröte, allgemein angenommen wurde, dass der Urdarm wesentlich an der Bildung des Canalis neurentericus betheiligt sei, und dass es sich zur Herstellung des letztern um das Auftreten einer einzigen Durchbrechung der untern Urdarmwand handle, legte ich zuerst im Jahre 18891) für den mit umfangreichem Urdarm ver- sehenen Gecko die Erscheinungen des Durchbruchs in ihrer wirklichen Form dar. Im Jahre 1891 folgte für die Eidechse mit ganz ent- sprechenden Angaben WENCKEBACH ?), dessen Angaben um so werth- voller sind, als es sich bei der Eidechse wegen des bedeutend weniger umfangreichen Urdarms um schwierigere Verhältnisse handelt. Auch bei der Eidechse entstehen mehrere Durchbruchsöffnungen in der ven- tralen Urdarmwand, indem „oft noch hier und da zeitweilig eine kleine Gewebsbrücke bestehen bleibt“, wie das auch durch den Längsschnitt fig. 5 der citirten Abhandlung illustrirt wird. Für die Schildkröte wurde das oben geschilderte Verhalten zuerst von mir *) in der unten citirten vorläufigen Mittheilung dargestellt. Wenig vor derselben er- schien die Arbeit MeHnert’s‘) über die Entwicklung der Emys lutaria taurica (meine Mittheilung, eingegeben am 2. Februar 1892, erschien im März desselben Jahres, die Mennerr’sche Arbeit Ende 1891), in der sich ebenfalls Angaben über den Durchbruch finden. MEHNERT hat jedoch das Missgeschick gehabt, welches bei der Schwierigkeit der Beschaffung des Materials sich ja ohne weiteres erklärt, dass seine sonst so reiche Embyonensammlung eine sehr empfindliche Lücke auf- wies, welche die Stadien III, IV und V umfasst. Wenn auch auf diese Lücke nicht besonders hingewiesen wird, so geht sie doch ohne weiteres 1) L. Wir, Bericht über Studien zur Entwicklungsgeschichte von Platydactylus mauritanicus, in: Sitz.-Ber. Künigl. Preuss. Akad. d. Wiss. Berlin, 1889. — Zur Entwicklungsgeschichte des Geckos, in: Biol. Centralbl., 1890. 2) K. F. Wencxesacu, Der Gastrulationsprocess bei Lacerta agilis, in: Anat. Anz., 1891. 3) L. Wizz, Zur Kenntniss der Schildkrötengastrula, in: Biol. Centralbl., 1892. 4) E. Meunerr, Gastrulation und Keimblätterbildung der Emys lutaria taurica, 5 Tfln., in: Morphol. Arbeiten, herausgeg. v. G. SCHWALBE, 1. Bd., 1892. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 559 daraus hervor, dass aus den erwähnten Stadien weder ein Oberflächen- bild, noch irgend ein Schnitt gegeben wird. Auf den bereits S. 539 besprochenen Sagittalschnitt fig. 21, der meinem II. Stadium ent- spricht, folgen unmittelbar Schnitte (fig. 22, 23) aus dem später zu beschreibenden VI. Stadium, bei denen die ventrale Urdarmwand schon völlig geschwunden ist. Ebenso wird auch im Text (p. 409, 410) von der Beschreibung der fig. 21 direct zu den figg. 22 u. 23 übergegangen. Wenn daher dieser Autor auf p. 411 nichtsdestoweniger Angaben über das Vorwachsen des Urdarms macht, der, wie durch Druck hervor- gehoben wird, völlig frei zwischen oberer Keimschicht und dem ,,Para- derma‘ liegt, sowie die Verlöthung der Zellen des Invaginationssackes mit dem Paraderm schildert, so kann es sich hierbei wohl nicht um eine thatsächliche Beobachtung, für die jeder Beleg durch Zeichnung fehlt, sondern vielmehr nur um eine Ueberbrückung der erwähnten Lücke durch eine Combination handeln, für die die eitirten Mit- theilungen von WENCKEBACH und mir über die Eidechse und den Gecko den Weg wiesen. Auf diesem Mangel an Zwischenstadien beruhen denn auch die irrthümlichen Angaben über den Durchbruch selbst; derselbe soll erfolgen, wenn der Urdarm die halbe Länge des Embryonalschildes erreicht hat!), während er in Wirklichkeit erst eintritt, wenn der Urdarm mit seiner Spitze bis an den vordern Rand des Schildes vor- gewachsen ist. Ferner soll bei der Schildkröte hierbei in der Regel (von 36 Embryonen nur eine Ausnahme) nur eine sich allmählich er- weiternde Durchbruchsöffnung auftreten, was, wie wir gesehen haben, ebenfalls unrichtig ist. Die als Beleg für diese Ansicht vorgebrachten Totalansichten und Sagittalschnitte gleichen sämmtlich vollständig dem von mir in Fig. 9a, Taf. 32 [14] abgebildeten Embryo aus dem VI. Ent- wicklungsstadium so vollständig, dass daraus hervorgeht, dass MEHNERT 1) Man könnte ja daran denken, dass möglicher Weise die taurische Varietät von Cistudo lutaria sich etwas anders verhielte als die me- norquinische, um so mehr als ich bereits beim Gecko auffallende Va- riationen der individuellen Entwicklung beschrieben habe und Varianten sich auch im Laufe dieser Abhandlung ergeben werden. Man könnte also annehmen, dass bei der taurischen Varietät der Durchbruch bereits erfolgt, wenn der Urdarm erst die halbe Länge des Schildes erreicht hat; das ist mir aber aus dem Grunde durchaus unwahrscheinlich, weil sogar bei den ganz andern Gattungen angehörigen amerikanischen Arten der Urdarm nach den Crarx’schen Zeichnungen noch vor dem Durch- bruch den vordern Rand des Schildes erreicht. 36 * 560 LUDWIG WILL, nicht Stadien im Beginn des Durchbruchs, sondern mit bereits voll- endetem Durchbruch vor sich gehabt, bei denen nach dem definitiven Schwunde der untern Urdarmwand, wie in meiner Fig. 9a, natur- gemäss die zahlreichen kleinen Durchbruchsstellen zu einer grossen Oeffnung zusammengeflossen sind und die daher einen richtigen Schluss über die Form des Processes nicht mehr erlauben. Während demnach alle diese Embryonen, welche den Angaben MEHNERT’s über den Urdarmdurchbruch zu Grunde liegen, offenbar erst dem nächsten Stadium angehören, bildet seine fig. 6a, b vielleicht die einzige Ausnahme; sie stellt den einzigen Embryo dar, der zwei Durchbruchsöffnungen aufweist, zwischen denen eine mediane Brücke stehen geblieben ist. Dieser Embryo wäre demnach vielleicht noch dem V. Stadium zuzureihen, ich sage vielleicht, denn der Verfasser drückt sich selbst ziemlich zweifelhaft aus: „Bei diesem Embryo mag es sich um eine paarige Urdarmdurchbrechung gehandelt haben.“ Von diesem so wichtigen Stadium, das allein über den Vorgang des Durch- bruchs hätte Aufschluss geben können, sind leider keine Schnitte ab- gebildet, so dass man sich auch keine Vorstellung von dem Umfang des Urdarms zu dieser Zeit machen kann. Im Anschluss an die geschilderte irrthümliche Darstellung des Urdarmdurchbruchs der Schildkröte schliesst MEHNERT noch einige allgemeinere Betrachtungen. So fragt er sich, ob die einfache Durch- brechung der Urdarmwand, wie er sie bei der Schildkröte beschreibt, oder die mehrfache, siebförmige, wie sie beim Gecko vorkommt, als die ursprüngliche anzusehen ist. Er entscheidet sich hierbei für die erstere und hält die Form, wie ich sie beim Gecko beobachtet habe, für einen cenogenetisch modificirten Entwicklungsvorgang. Obwohl sich nun diese Frage, nachdem das Irrthümliche der MEHNERT’schen Darstellung nachgewiesen, von selbst erledigt, muss ich doch noch kurz auf dieselbe eingehen, weil der Verf. ausser seinen eigenen Be- obachtungen noch solche von andern Autoren ins Feld führt. So soll auch Trionyx japonicus nach den Angaben von MITSUKURI u. IsmkAwA nur eine ventrale Urdarmapertur besitzen, was jedoch nur theilweise richtig ist. Da nämlich die jüngsten Stadien der beiden japanischen Autoren erst mit dem nächsten, dem VI. Entwicklungs- stadium beginnen, so zeigen diese bereits die Bilder wie meine Fig. 9a, also bereits einen völlig durchgebrochenen Urdarm, der nicht mehr beweiskräftig ist; übrigens beschränken sich die Angaben dieser Autoren auch nur auf die Erläuterung der von ihnen gegebenen Abbildungen, ohne den Vorgang selbst in Erwägung zu ziehen, wozu damals, vor Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 561 5 Jahren, weder irgend welche Anhaltspunkte noch Veranlassung vorlagen. Direct unrichtig ist aber die Angabe, dass auch bei Eidechsen bisher nur eine ventrale Oeffnung des ,,neurenterischen Canales‘ be- schrieben wurde. Wie wir im Gegentheil S. 558 gesehen haben, be- schreibt WENCKEBACH, der auch von MEHNERT mehrfach citirt wird, gerade eine mehrfache Durchbrechung der Urdarmwand mit zeit- weilig erhalten bleibenden Gewebsbrücken, was auch noch durch einen Medianschnitt in unzweideutiger Weise illustrirt wird. Da auch für die Säuger von VAN BENEDEN!) ein mehrfacher Durchbruch des Urdarmlumens (LIEBERKÜHN’Scher Chordacanal) an- gegeben wird, so scheint im Gegensatz zu MEHNERT gerade das gleichzeitige Auftreten von zahlreichen Durchbruchs- stellen, wie ich es zuerst für Platydactylus beschrieb, die Regel und, wie ich bei dem Mangel entgegenstehender Beobachtungen wohl hinzufügen kann, das ursprüngliche Verhalten zu sein. 6. Der Durchbruch des Urdarms ist vollendet (Stadium VI). Diesem Stadium gehören die eben besprochenen MEHNERT’schen Embryonen, sowie die jüngsten Embryonen von MITSsuUKURI u. ISHI- KAWA an. Aus dieser Periode beschreibe ich zunächst einen Embryo, den ich der Güte des Herrn Professor BRAUN verdanke und der ebenfalls von Menorca stammt, woselbst er im Sommer 1882 gesammelt wurde. Ungeachtet des langen inzwischen verflossenen Zeitraums zeigte er noch einen tadellosen Erhaltungszustand, auch in histologischer Be- ziehung. Im Oberflächenbild ist die eigenthümliche Gestalt der Urmund- öffnung bemerkenswerth, die in Fig. 9b, Taf. 33 [15] abgebildet ist und etwa eine Mittelstellung einnimmt zwischen meiner fig. 7, tab. 1 vom Gecko und den Kuprrer’schen Figuren (1. c.) 40f, g von Coluber aesculapii. Kine Erklärung für diese eigenthümliche Formabweichung ist mir zur Zeit noch nicht möglich. Bei der Betrachtung des Embryos von unten (Fig. 9a, Taf. 32 [14]) gewahren wir, dass bereits die gesammte ventrale Wandung des Ur- 1) Ep. Van BENEDEN, Untersuchungen über die ersten Entwicklungs- stadien von Säugethieren. Sect. f. Anat. u. Phys., 53. Naturf.-Vers., in: Anat. Anz., 1886. 562 LUDWIG WILL, darms, soweit sie einschichtig war (cf. Fig. 21), in Wegfall gekommen ist, ohne dass irgend welche erhalten gebliebenen Reste derselben auf die ehemalige Ausdehnung des Urdarmlumens schliessen liessen. Von der untern Wandung des Urdarms ist, wie wir das bereits beim Gecko gesehen haben, nur der hintere mehrschichtige Theil erhalten geblieben, der nach hinten in das mächtige Zellenlager des Primitivstreifens über- geht und die ventrale Bekleidung des nunmehr fertigen Kuprrer’schen Ganges bildet. Derselbe stellt demnach den hintern erhalten ge- bliebenen Theil des ehemaligen Urdarmlumens dar und mündet auf der Dotterseite in Form einer weiten, 0,36 mm breiten Oeffnung, welche nach hinten durch den nischenförmig vorspringenden, erhalten bleiben- den Theil der untern Urdarmwand begrenzt wird. Vor dieser Urdarmnische bemerken wir eine flache, schüssel- förmige Vertiefung, die auch bei den Embryonen MEHNErT’s, Mirsu- KURTS u. IsaiKAWA’s sich wiederfindet und leicht als der Ausdruck des ehemaligen Urdarmlumens aufgefasst werden könnte, wenn uns nicht ein Vergleich mit den Ventralansichten aus dem vorigen Stadium belehrte, dass das Urdarmlumen viel ausgedehnter ist. Möglicher Weise ist Mennert durch solche Bilder zu dem oben widerlegten Irrthum verleitet worden, dass der Urdarm bereits zum Durchbruche komme, wenn derselbe die halbe Länge des Embryonalschildes er- reicht hat. Im vordern Bereich des Schildes tritt auf der Ventralseite der obern Urdarmwand eine eigenthümliche netzartige Zeichnung hervor, die eine sehr regelmässige Erscheinung sein muss, da sie auch bei allen gleichaltrigen Embryonen vorkommt, die von MirsukKuRI u. IsmkAwA, in besonderer Zahl aber von MEHNERT abgebildet sind. Diese Netzzeichnung hat nun keineswegs, wie es bei der Flächen- betrachtung zunächst scheint, in balkenartigen Vorsprüngen der obern Urdarmwand ihren Grund, sondern erklärt sich, wie auch MEHNERT richtig erkannt hat, durch den unregelmässig vacuolären Bau der dorsalen Urdarmwand in ihrem vordern Abschnitt. Die letztere zeigt in dem betreffenden Bezirk zwischen ihren Zellen grössere blasenartige Hohlräume, welche bei der Oberflächenbetrachtung etwas durchscheinen und dunkle Flecken darstellen, zwischen denen die solidern Theile der obern Urdarmwand Netzbalken vortäuschen müssen, weil sie sich durch grössere Weisse auszeichnen und daher leicht den Eindruck von Erhebungen erwecken. Wenn aber Mernnert diese eigenthümliche Zeichnung mit der Mesodermbildung in Beziehung bringt, hinsichtlich welcher er zu ganz eigenthümlichen Resultaten gelangt ist, so ist das Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 563 vollständig verfehlt, wie sich weiter unten ergeben wird. Die Be- zeichnung ,,Mesodermhof*, die dieser Forscher in Verbindung mit seiner Mesodermtheorie für dieses Gebiet des Embryonalschildes vor- schlägt, kann somit selbstverständlich nicht auf Anklang rechnen. Der vacuoläre Bau des vordern Theils der obern Urdarmwand ist vielmehr eine vollständig bedeutungslose Erscheinung, um so mehr als diese Vacuolisirung überhaupt für den geweblichen Charakter des Entoderms bei der Schildkröte in früher Embryonalzeit charakteristisch ist und so auch vielfach im Primitivstreifen und dem Dotterblatt "beobachtet wird (vgl. meine Fig. 17, 18, sowie besonders eine Reihe der höchst getreuen Abbildungen MITSUKURT'S). Aus einer Serie von Sagittalschnitten durch diesen Embryo führe ich in Fig. 22 den hintern Theil eines Medianschnittes vor, der sich unmittelbar an den reconstruirten Längsschnitt Fig. 20 anschliesst, von dem er sich hauptsächlich dadurch unterscheidet, dass die in letzterer Figur noch erhalten gebliebenen Reste der untern Urdarm- wand nunmehr ebenfalls in Wegfall gekommen sind, so dass dadurch das Urdarmlumen gegen den subembryonalen Raum völlig geöffnet ist. Der Primitivstreifen (pp) zeigt noch genau denselben Bau wie auf den vorhergehenden Stadien, doch liess sich trotz der vorzüglichen Erhaltung die hintere Abgrenzung desselben gegen das niedrige Ecto- derm der Area intermedia wegen des lockern Gefüges seiner Zellen in den oberflächlichen Schichten nicht feststellen. Ein secundäres Entoderm war in seinem Bereich ebenfalls noch nicht zur Abspaltung gekommen, weshalb auch hier die Anlage des prostomialen Mesoderms noch vermisst wird. Nur bei der mit a bezeichneten Stelle waren die untersten Zellen der Primitivplatte auf eine ganz kurze Strecke durch eine deutliche Lücke von den obern geschieden, so dass wir es hier wahrscheinlich mit dem ersten Anfang der Abspaltung eines Dotter- blattes zu thun haben. Die Zellumrisse treten innerhalb des Primitiv- streifens in dem vorliegenden Präparat ziemlich deutlich, besonders in den tiefern Schichten hervor, welche aus rundlichen, stark dotter- haltigen Zellen gebildet werden. Weiter nach oben treten in den Zellen unter allmählicher Verringerung des Dotters Vacuolen auf, wo- durch erstere unregelmässig sternförmig werden und, indem sie gleich- zeitig mit ihren Fortsätzen in gegenseitige Verbindung treten, ein schwammiges Netzwerk darstellen, welches an das Bild eines Mesenchyms erinnert. Der Theil des Urdarms, den wir auf dem vorigen Stadium (Fig. 20, 21) als den Urdarmeingang bezeichneten, hat sich mit dem vollendeten 564 LUDWIG WILL, Durchbruch in den Kuprrzr’schen Gang umgewandelt. Derselbe con- trastirt durch seine auffallende Weite zu dem engen Lumen bei den Embryonen des vorigen Stadiums, woraus hervorgeht, dass in dieser Beziehung auffallende Schwankungen vorkommen, für die wir an einem Embryo des nächsten Stadiums noch einen weitern Beleg antreffen werden. Der andere hier zu beschreibende Embryo ist zwar bereits etwas weiter entwickelt, wie sich aus dem Verhalten des neurenterischen Canals ergiebt, muss aber doch noch diesem Stadium zugezählt werden, weil vom Mesoderm noch nichts nachzuweisen war. Das Oberflächenbild glich, wie schon weiter oben erwähnt, so ziemlich dem des zuletzt betrachteten Embryos, nur dass im vor- liegenden Fall das Relief besonders klar hervortrat. Bemerkenswerth ist an demselben besonders die ausgedehnte Primitivplatte, die circa 1/, der Schildlänge ausmacht und weit nach vorn in den Schild hinein- ragt, so dass dieser in Folge dessen an seinem Hinterrande einen tiefen Ausschnitt zeigt. Am Vorderende des im Niveau etwas tiefer liegenden Primitivstreifens treffen wir wiederum die quere, spaltförmige Eingangs- öffnung zum Urdarm resp. zum neurenterischen Canal an, welche auch hier wieder leicht nach vorn gebogen erscheint. Die ventrale Ansicht gewährt gegenüber dem vorigen Embryo eine wesentlich anderes Bild, welches hauptsächlich durch das be- sonders mächtig entwickelte Zellenlager des Primitivstreifens, sowie die starke Verengerung des KupFrer’schen Ganges bedingt wird. Die Zellenmasse der Primitivplatte bedeckt von unten her den gesammten hintern Abschnitt des Schildes und hat noch eine ungefähr sichel- formige Gestalt. Sie ragt ganz bedeutend gegen den Dotter vor, um nach hinten ganz allmählich, nach vorn zu aber ziemlich steil abzu- fallen. Die untere Ausmündung des neurenterischen Canals war im Gegensatz zu der breiten, nischenartigen Oeffnung bei dem vorigen Embryo nur sehr undeutlich zu erkennen. Sie markirt sich im Flächen- bilde als eine kleine, rundliche Vertiefung in der Mitte des ventralen Vorderrandes der Primitivplatte und ist in der Figur durch den runden, dunklen Fleck bezeichnet. Gegenüber dem stark vorspringenden Pri- mitivstreifen liegt in dieser Ansicht der Embryonalschild selbst wesent- lich tiefer und weist eine flache, schüsselförmige Vertiefung auf, die bis unmittelbar an die Schildränder reicht und wegen dieser Aus- dehnung wohl in Beziehung mit dem ehemaligen Umfang des Urdarm- lumens steht. Lässt schon die Betrachtung des Oberflächenbildes auf eine Ver- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 565 engerung des Kuprrer’schen Ganges schliessen, so erfährt diese Ver- muthung auf sagittalen Längsschnitten, von denen ein medianer in Fig. 23 abgebildet wurde, ihre volle Bestätigung. Der Canal stellt _ nunmehr einen engen Gang dar, der namentlich in der Längsrichtung des Embryos so schmal ist, dass man ihn auf Querschnitten von 1/,9, mm Dicke nur auf einem Schnitte antrefien würde. Seine Breitenausdehnung ist etwas, wenn auch namentlich im untern Theil wenig, beträchtlicher; während nämlich die dorsale Oeffnung ent- sprechend dem Oberflächenbild auf einer grössern Reihe von Längs- schnitten nachweisbar ist, fällt der untere Abschnitt des Canals nur in zwei bis drei Schnitte. Im Vergleich mit der Fig. 22 hat aber in der vorliegenden Ab- bildung der Gang ausserdem eine andere Richtung angenommen, indem er nicht mehr schräg nach vorn und abwärts, sondern ziemlich senk- recht nach unten verstreicht. Berücksichtigen wir zunächst nur den Befund an den beiden Em- bryonen dieses Stadiums, so ergiebt sich aus einem Vergleich beider derselbe Vorgang, den wir auch beim Gecko constatiren konnten und der bei diesem nur in der Regel etwas später eintrat. Der Anfangs weite Canal verläuft, wie er aus der Gastrulainvagination hervorging, ziem- lich schräg nach vorn, um aber später sich mehr und mehr zu ver- engen und hierbei eine steilere Richtung anzunehmen. Wie beim Gecko muss auch hier der veränderte Verlauf des Ganges die Folge davon sein, dass die mehrschichtige Partie der ehemaligen untern Urdarm- wand, welche beim Durchbruch erhalten bleibt und in den Fig. 20 und 21 die ventrale Wandung des Kuprrer’schen Ganges bildet, sich allmählich an die Oberfläche erhebt und so noch zur Verlängerung des Primitivstreifens beiträgt. Wenn nun auch, wie aus einem Vergleich der Fig. 22 mit den jüngern Stadien der Fig. 20 u. 21, sowie noch besonders mit den Embryonen des nächsten Stadiums erhellt, gerade die Umwandlung des Kuprrer’schen Ganges bedeutenden zeitlichen Schwankungen unter- worfen ist, so kann es sich nach den Ergebnissen der Geckoentwicklung bei dem Bilde der Fig. 23 nur um einen Zustand handeln, der schliess- lich von allen Embryonen, von den einen früher, von den andern später erreicht wird. Schon bei Gelegenheit der Geckoentwicklung habe ich wiederholt innerhalb des sich verengenden Kuprrer’schen Ganges Elemente be- obachtet, die dort deutlich als Zellen erkannt werden konnten, deren Ursprung möglicherweise auf Nachfurchungszellen hinweist, über deren 566 LUDWIG WILL, Bedeutung ich jedoch im Unklaren blieb, wenn es auch wahrscheinlich ist, dass es sich hierbei um Zufälligkeiten handelt. Auch bei dem vorliegenden Schildkrötenembryo fand ich innerhalb des neurenterischen Canals Gebilde, die jedoch mit Zellen nichts zu thun zu haben schienen. Sie stellten unregelmässige Körper dar, welche wegen ihrer starken Lichtbrechung wohl auf Dotterkörner zu beziehen sind, wenn auch ihr stärkeres Tinctionsvermögen nicht recht mit einer solchen Auf- fassung harmonirt. Das Verhalten der Keimblätter selbst stimmt vollständig mit dem vorigen Embryo (Fig. 22) überein; auch hier fehlt noch die Abspaltung des secundären Entoderms im Bereich der Primitivplatte, so dass damit auch ein selbständiges prostomiales Mesoderm noch nicht zur Anlage gekommen ist. Auch von dem gastralen Mesoderm konnte ich noch keine Spur auffinden, wenngleich für den Nachweis desselben Längs- schnitte nicht recht geeignet sind und aus diesem Grunde die Mög- lichkeit nicht ganz auszuschliessen ist, dass doch schon der Anfang mit der Bildung desselben gemacht ist. Aus diesem Entwicklungsstadium sind bereits durch KUPFFER, so- wie MrrsukuRrI u. IsHikKAWA mehrere Embryonen bekannt geworden, deren Zahl noch durch die Mennerr’sche Arbeit wesentlich vermehrt wurde. KurpFrer !) bildet in fig. 8 u. 12 seiner Arbeit zwei Oberflächen- ansichten von Embryonen im Durchbruchsstadium ab, die eine bei auf- fallendem, die andere bei durchfallendem Licht; zu diesen kommt in fig. 13 noch eine Ansicht von der Dotterseite her. Hervorgehoben muss jedoch werden, dass Kuprrer selbst das betreffende Stadium nicht richtig erkannt, vor allen Dingen aber den Durchbruch selbst über- sehen hat, den wir bei dem heutigen Stande unserer entwicklungs- geschichtlichen Kenntnisse freilich ohne weiteres aus seiner fig. 13 entnehmen können. In der Axe des Schildes zeichnet dieser Forscher bei durchfallendem Licht in der Dorsalansicht, sowie bei auffallendem Licht in der Ansicht von unten eine mediane, vom Urmundspalt nach vorn hinziehende, mit zackigen Rändern versehene Zellenplatte, welche er als die „Axenplatte des Mesoderms‘“ bezeichnet. Da nun das 1) C. Kurrrer, Die Gastrulation in den meroblastischen Eiern der Wirbelthiere ete., in: Arch. f. Anat. u. Phys., 1882, Anat. Abth. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 567 gastrale Mesoderm nicht in der Axe, sondern rechts und links von derselben durch einen weiten Zwischenraum getrennt entsteht, wie wir weiter unten sehen werden, und da ferner zu dieser Zeit das gastrale Mesoderm überhaupt noch nicht angelegt ist, so braucht kaum gesagt zu werden, dass diese Axenplatte des Mesoderms auf Täuschung be- ruht, indem Kuprrer ohne Zweifel die axiale Verdickung der dorsalen Urdarmwand als Mesodermplatte angesehen hat. Die erste richtige Beschreibung des vorliegenden Stadiums ver- danken wir Mrrsuxurt u. IsHIkAwA!). Die besonders instructive Ansicht eines Embryos von unten in fig. 1b der citirten Abhandlung gleicht fast vollständig meiner Fig. 9a, sowie zahlreichen MEHNERT- schen Abbildungen und zeigt unter andern Charakteren auch die netz- artige Zeichnung im vordern Abschnitt des Schildes. Von besonderm Werthe sind namentlich die beigegebenen Schnittbilder, die auch den histologischen Charakter in äusserst getreuer Weise wiedergeben. Ueber- sehen haben die beiden Autoren nur die scharfen Grenzen zwischen Ectoderm und Primitivplatte, sowie ferner auf den Querschnitten die hintern Urdarmblindsäcke ; jedoch ist es in Betreff des letztern Punktes leicht möglich, dass die von den Autoren untersuchte Trionyx sich in dieser Beziehung anders verhält als Cistudo. Ein medianer Längs- schnitt, der in gleich vorzüglicher Weise den geweblichen Charakter zur Anschauung bringt, zeigt ungefähr die gleichen Verhältnisse wie meine Fig. 23, nur ist in der Region der Primitivplatte das Dotter- blatt bereits theilweise zur Abspaltung und damit auch das prostomiale Mesoderm zur Anlage gekommen, welches somit ähnlich wie in meiner Fig. 15 als ein hinterer Fortsatz der Primitivplatte frei zwischen Ecto- derm und Entoderm hineinragt. Aehnliche Stadien beschreibt Mrrsuxurt ?) ferner in einer neuen von ihm allein herrührenden Arbeit von Clemmys. Die Oberflächenansicht ist hier zwar ziemlich unklar, doch zeugen die Schnitte, von denen eine Querschnittserie und ein medianer Längsschnitt vorgeführt werden, wiederum von gleich trefflicher Beobachtung. Der Längsschnitt deckt sich hier völlig mit meiner Fig. 22, indem auch an diesem Embryo die Anlage des prostomialen Mesoderms, sowie die Abspaltung des 1) K. Mrrsuxuri and C. IsuıkawA, On the formation of the germinal layers in Chelonia, in: Quart. Journ. Micr. Sc. Vol. 27, 1887. 2) K. Mırsururı, Further studies on the formation of the germinal layers in Chelonia, in: Journ. Coll. Science Imp. Univ. Japan, Vol. 5, 1891. 568 LUDWIG WILL, Dotterblattes im Bereich der Primitivplatte noch nicht erfolgt war. Die Querschnittserie lässt hiervon ebenfalls noch nichts erkennen, doch vermissen wir an dieser wiederum die Abgrenzung des Ecto- derms nach der Primitivplatte zu, sowie die hintern Urdarmdivertikel. MEHNERT !) verdanken wir eine ganze Reihe von Totalansichten aus dieser Periode, die im Allgemeinen ebenfalls vollkommen mit meiner Fig. 9a sich decken. Alle zeigen bei der Ansicht von unten jene eigen- thümliche Netzzeichnung im vordern Theil des Embryonalschildes, die der Verf. freilich irrthümlich mit der Mesodermbildung in Beziehung bringt. Alle zeigen ferner in derselben Ansicht den Urdarm bereits völlig durchgebrochen (mit Ausnahme vielleicht von fig. 6b), demnach eine einzige grosse Durchbruchsöffnung. Unrichtig ist es jedoch, wie ich schon weiter oben auseinandersetzte, wenn MEHNERT aus diesem Verhalten schliesst, dass der Durchbruch sich von vorn herein nur mittelst dieser einen Oeffnung bewerkstelligte. Die Ansichten von der Dorsalseite stimmen in Betreff der Form des Urmundspaltes ebenfalls mit den meinigen überein, merkwürdig ist mir jedoch die geringe Aus- prägung des Oberflächenreliefs in der Region der Primitivplatte, die mir um so unerklärlicher ist, als dasselbe an meinen Embryonen und offenbar auch an denen, die seiner Zeit CLARK vorgelegen haben, immer ganz vorzüglich hervortrat. Da ein gleich zu beschreibender Embryo aus dem nächsten Stadium sich, allerdings als einzige Aus- nahme, ähnlich den Mennert’schen verhielt,‘ so ist es möglich, dass bei der taurischen Varietät von Cistudo diese Ausnahme zur Regel geworden ist, wenngleich ich mich nicht ganz des Gedankens enthalten kann, dass bei den Mrnnert’schen Embryonen vielleicht die Con- servirung zu der Verwischung des Oberflächenreliefs beigetragen haben mag. 7. Das gastrale Mesoderm ist angelegt (Stadium VII. Zum Studium der Mesodermbildung lagen mir leider nur zwei ver- schieden alte Embryonen vor, die äusserlich ein recht verschiedenes Aussehen gewähren. Während der ältere, in Fig. 12a u. b abgebildete sich unmittelbar an die bisherigen Embryonen anschliesst, zeigt der jüngere so abweichende Verhältnisse, wie man es bei Individuen der- selben Species nicht für möglich halten sollte. Ich schildere deswegen zunächst das Aeussere des ältern Embryos. DM. © Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien, 569 Bei der Ansicht von oben (Fig. 12a, Taf. 32 [14]) finden wir wiederum im hintern Theil des Embryonalschildes die spaltförmige Urmundöffnung, die aber nunmehr in ähnlicher Weise, wie wir das früher beim Gecko sahen, scharf nach hinten geknickt erscheint und so ungefähr einen rechten Winkel bildet, an dessen Spitze sich der Eingang zum Kuprrer’schen Gange befindet. Nach den Befunden beim Gecko können wir annehmen, dass sich die Urmundspalte zur Primitivrinnen -Bildung anschickt, obwohl es nach den Oberflächen- bildern aus spätern Stadien, die wir KUPFFER, MITSUKURI und MEHNERT verdanken, nicht wahrscheinlich ist, dass die Primitivrinne bei der Schildkröte dieselbe prägnante Ausbildung wie beim Gecko erlangt. Nach den Verhältnissen beim Gecko müssen auch hier die beiden Schenkel der Urmundspalte den Primitivstreifen zwischen sich fassen, eine Annahme, die durch den Querschnitt Fig. 24a, Taf. 36 [18] vollauf bestätigt wird. Dieser Querschnitt verlangt jedoch noch eine eingehendere Be- trachtung. Beim Gecko konnte ich den Nachweis führen, dass sich die Primitivplatte, successive von vorn nach hinten fortschreitend, in y ww y 8 N; GK) Keio ae a De Er ÿ i ak I me AN 75 69 ‘ ar ERICA AO LOGE Ol AN F Er u = = 08 Sours geo 2 € > 7 sp 8 ron) sp Fig. A. Querschnitte durch den Primitivstreifen eines Gecko- embryos aus dem Stadium VIII, I. 12 Schnitte hinter der vordern Urmundlippe. w—vw Mittelfeld, y—w Randfeld, y—y Primitivstreif, s Ectoderm des Embryonalschildes, so Somato- pleura, sp Splanchnopleura. II. 2 Schnitte hinter der vordern Urmundlippe. Das Randteld ist mit dem Ectoderm des Schildes verschmolzen und in Folge der Bildung der Primitiv- rinne von der Oberflächenbegrenzung ausgeschaltet. Nur das Mittelfeld schaut als Ecto- dermpfropf zwischen den Rändern der Primitivrinne pr hervor. Aus L. WILL, Beiträge z. Entw. d. Reptilien, I ein Randfeld und ein Mittelfeld gliedert, von denen das erstere nach aussen von den Ectodermgrenzen y (Holzschnitt Fig. A, I), welche die wahren Lippen des Blastoporus darstellen, begrenzt wird, während es von dem Mittelfelde durch die Grenzlinie w jederseits geschieden ist, 570 LUDWIG WILL, welche die Fortsetzung des Urmundspaltes nach hinten darstellt. Im Verlauf der Invagination, deren Schlussphase mit der Bildung der Pri- mitivrinne einsetzt, sahen wir daun, wie regelmässig zu einem be- stimmten Zeitpunkt die Greuze y schwindet (Holzschnitt Fig. A, II), in- dem sich eine Verschmelzung des Randfeldes mit dem Ectoderm an- bahnt, der die Ausschaltung und Invagination des Randfeldes auf dem Fusse folgt. In Folge dessen schliessen die Ränder der Primitivrinne auf dem Stadium der Fig. A, JZ nicht mehr den ganzen Primitivstreifen zwischen sich, sondern nur noch das Mittelfeld desselben, welches als sogen. Entodermpfropf zwischen ihnen hervorschaut. Genau dieselben Verhältnisse müssen nun auch bei der Schild- kröte obwalten, wenn es mir auch wegen des spärlichen Untersuchungs- materials nicht möglich ist, für diese einen ebenso eingehenden Nach- weis zu führen. Auf verschiedenen Längs- (Fig. 13, 15, 20, 21) und Querschnitten (Fig. 17 a—e, 18a—c) lernten wir bei der Schildkröte die äussern Ectodermgrenzen der Primitivplatte (y, z) kennen, welche sich mit den äussern Grenzen des Randfeldes decken. Dass hier aber auch ein Mittelfeld zur Differenzirung kommt, lehrt uns unsere Fig. 24a, Taf. 36 [18]. Hier sehen wir die Ectodermgrenze y geschwunden, in- dem das Ectoderm des Schildes mit den peripheren Theilen des Pri- mitivstreifens, eben unserm Randfelde, verschmolzen ist, welches letztere ferner durch Invagination in die Tiefe gerückt und in die Bildung des somatischen Mesoderms übergegangen ist. Statt der Linie y ist dagegen eine neue Grenze w entstanden, welche die Fortsetzung der Urmundspalte darstellt, hier aber nicht mehr in den eigentlichen Ur- darm, sondern in den Cölomspalt führt, der splanchnisches und so- matisches Mesoderm scheidet. Die Linien ww fallen demnach voll- ständig mit den gleichen beim Gecko zusammen, wir können also den von ihnen umgrenzten Zellenpfropf nicht mehr als den gesammten Primitivstreifen betrachten, sondern nur noch als das Mittelfeld desselben ansehen. In Ueber- einstimmung mit den Verhältnissen beim Gecko beobachten wir denn auch bei der Schildkröte dieselben Beziehungen des Mittelfeldes zum Mesoderm. Wie das Randfeld in der Bildung der Somato- pleura aufgeht, so steht das Mittelfeld nur mit der Splanchnopleura in Verbindung. Da anzunehmen ist, dass nach Analogie des Geckos beim Schluss der Primitivrinne auch das Mittelfeld noch überwachsen und somit zur Invagination gebracht wird, so ist es wahrscheinlich, dass es hierbei ganz in der Bildung der Splanchnopleura aufgeht. Jedenfalls aber repräsentirt Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 571 der sogen. Entodermpfropf oder Dotterpfropf auch bei der Schildkröte nicht den gesammten Primitivstreifen, sondern nur den jeweiligen Theil des Mittelfeldes, der noch an die Oberfläche tritt und somit einen Theil des Blastoporus verstopft. Der Kuprrer’sche Gang des vorliegenden Embryos zeigt genau die Verhaltnisse der Fig. 23 aus dem vorigen Stadium, d. h. er stellt einen engen Canal dar, der bereits senkrecht nach unten führt und hier in den hintern Theil der grossen ventralen Rinne führt, welche, wie Fig. 12b zeigt, mittler Weile in der Mitte der obern Urdarmwand entstanden ist. Die Form dieser Rinne, die allseitig scharf umschrieben ist, wird noch durch die Querschnitte Fig. 24 b—d erläutert, während wir in Fig. 9a offenbar den Vorläufer einer solchen Bildung in der muldenartigen Vertiefung vor der ventralen Ausmündung des KUPFFER- schen Ganges zu erblicken haben. Auch MExNERT bildet in seiner Fig. 14b einen Embryo mit einer ganz ähnlichen Rinnenbildung ab, ohne ihrer jedoch im Texte zu gedenken. Die Rinne steht hinsichtlich ihrer Entstehung und Form in einer gewissen Beziehung zur Aus- bildung des Urdarms und zum Kuprrer’schen Gang. Sie tritt zur Zeit des Urdarmdurchbruchs auf und stellt eine muldenartige Ver- tiefung vor der ventralen Ausmündung (Fig. 9a) des Kuprrer’schen Ganges dar, die genau die Breite des Kuprrer’schen Ganges in seiner ursprünglichen Ausdehnung hat. Da der Kuprrer’sche Gang selbst den Eingang zum Urdarm, also den hintersten Abschnitt des letztern darstellt, so deckt sich also hinten die Breite der Rinne mit dem Lumen des hintersten Urdarmabschnittes. Wie ich es nun schon beim Gecko gezeigt habe (tab. 10, fig. 59 g, h), so tritt auch bei der Schild- kröte (Fig. 17a, Taf. 34 [16]) weiter vorn eine Differenzirung der dorsalen Urdarmwand in einen verdickten medianen Abschnitt und zwei stark verdünnte Seitentheile ein, von denen die erstere von den ältern Autoren kurzweg als Chordaanlage angesehen wird, von mir jedoch als Mittelplatte bezeichnet wurde, weil sie, wie auch kürzlich Mirsuxurt für die Schildkröte nachwies, durchaus nicht ganz in der Bildung der Chorda aufgeht, sondern auch noch zur Bildung des gastralen Mesoderms beiträgt. Die fragliche Rinne setzt sich nun nach vorn lediglich auf diese verdickte Mittelplatte fort (Fig. 17a), ist also in dieser Region ganz beträchtlich schmäler als das Lumen des Urdarms. Während nun auf dem Stadium der Fig. 9 (das gleiche Verhalten zeigen zählreiche Figuren von MenNert) die Rinne ganz allmählich 572 LUDWIG WILL, nach vorn verstreicht und flacher wird, wird sie später auch vorn tiefer und ebenso scharf umgrenzt wie hinten, so dass dann das Bild der Fig. 12b, Taf. 32 [14] entsteht. Wie die Fig. 24b—d (Taf. 36 [18]) zeigt, wird der Boden der Rinne von einem ziemlich regelmässigen Cylinderepithel gebildet, das sich an den seitlichen Rändern stark ver- dickt, indem gleichzeitig die Zellgrenzen eine Richtung nach aussen annehmen. Diese Ränder fallen, wie Fig. 24d zeigt, durchaus nicht mit den Insertionsstellen des gastralen Mesoderms zusammen, so dass eine Beziehung der Rinne zur Mesodermbildung nicht in Frage kommen kann. Da überdies der Boden der Rinne nur in ihrem mittlern Theil zum Aufbau der Chorda verwandt wird, die Bezeichnung als Chorda- rinne daher unzutreffend wäre, schlage ich für dieselbe die Bezeichnung „mediane Urdarmrinne“ vor, wodurch ihrer an der Hand älterer Embryonen festzustellenden Bedeutung in keiner Weise vorgegriffen wird. Auch in der Region vor der geknickten Urmundspalte zeigt der vorliegende Embryo Fig. 12a in seinem Oberflächenrelief so viel Ueber- einstimmung mit gleichaltrigen Geckoembryonen, dass er fast voll- ständig dem in fig. 24, tab. 3 abgebildeten Geckoembryo gleicht. Rechts und links von der Urmundspitze zieht jederseits eine erhabene Leiste im Bogen nach vorn und aussen, welche die Insertionsstelle des gastralen Mesoderms äusserlich zum Ausdruck bringt, so dass die durch diese Bogenlinien nach vorn begrenzten Flächen rechts und links von der Mittellinie als die äussern Mesoderm- oder Rückenwülste be- zeichnet werden können. Während die paarigen Mesodermwülste des Geckos durchweg eine leichte, gleichmässige Erhebung des Schildober- fläche darstellen, ist an dem vorliegenden Schildkrötenembryo jede in der Mitte etwas eingesunken, was wahrscheinlich nur eine mehr zu- fällige Erscheinung darstellt, wie sich zeigen wird, sobald erst weitere Embryonen mit Mesodermwülsten aufgefunden sein werden. Sonst verhalten sich die Mesodermwülste im Ganzen wie beim Gecko, so dass schon aus diesem Umstande zu vermuthen steht, dass auch die Entstehung des gastralen Mesoderms in ähnlicher Weise sich vollzieht. Doch soll die Mesodermbildung in einem besondern Capitel besprochen werden. Auch verläuft zwischen beiden Mesoderm- oder Rückenwülsten eine oberflächliche Rinne, die Rückenfurche, welche entsprechend der Gestalt der Wülste hinten am schmalsten ist und vorn sehr schnell breiter wird. Vor den beiden äussern Mesodermplatten zeigt dieser Embryo noch eine Bogenlinie, wie ich sie von verschiedenen Geckoembryonen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 573 (fig. 20, 26, 29) beschrieb, die ungefähr dem vordern Schildrande parallel zieht und die vordere Schildregion in zwei Abschnitte gliedert, eine vordere, einen Halbkreis beschreibende flachere Gürtelzone, aus der später die Anlage des Kopfamnions hervorgeht, und eine dahinter ge- legene erhabenere Partie, die ich mit Kuprrer als Hirnplatte bezeichne, weil sie jedenfalls zum grössten Theil in die Gehirnanlage eingeht. Die erwähnte Bogenlinie, welche als vordere Rumpfgrenze be- zeichnet werden kann, kommt durch die verschiedene Höhe der Ecto- dermzellen des Schildes vor und hinter derselben zum Ausdruck und ist unzweifelhaft identisch mit einer gleichen Linie des in fig. 26 vom Gecko abgebildeten Embryos. An ihrer Stelle tritt später die von MEHNERT für die Schildkröte zuerst beschriebene vordere „Grenz- furche“ auf. Eine Bildung anderer Art ist dagegen eine in gleicher Lage angetrofiene Bogenlinie bei einem jüngern, fig. 20, tab. 2, abge- bildeten Geckoembryo, wo dieselbe den äussern Abdruck der vordern Urdarmgrenze darstellt. Wenn daher beim Gecko die spätere vordere Rumpfgrenze an gleicher Stelle auftritt, so handelt es sich dabei offen- bar nur um ein beim Gecko eintretendes Zusammenfallen, während bei der Schildkröte die vordere Urdarmgrenze (cf. Fig. 20, 21, Taf. 36 [18]) weiter nach vorn gerückt ist und mit dem vordern Schildrande zusammenfällt. Ein anderer, jedoch etwas jüngerer Schildkrötenembryo, der in Fig. 11 in der Ansicht von oben dargestellt ist, zeigte so abweichende Verhältnisse hinsichtlich der Region der Primitivplatte, dass es ohne verbindende Glieder schwer ist dieselben auf den gewöhnlichen Ent- wicklungsmodus zurückzuführen. Zunächst fällt uns an dem Embryo schon die geringe Entwicklung des Oberflächenreliefs auf, dessen Studium ich in dem vorliegenden Falle noch eine ganz besondere Sorgfalt widmete. Trotzdem das gastrale Mesoderm bereits in ziemlichem Umfange an- gelegt war, so war doch von den äussern Mesodermwülsten keine Spur zu erkennen, wie das ja auch auf jüngern Stadien der Mesoderm- bildung beim Gecko gelegentlich vorkam. Die Oberflächengliederung, die wir bisher bei allen Embryonen im Bereich der Primitivplatte kennen lernten, wird hier ebenfalls vollständig vermisst, dagegen finden wir im hintersten Abschnitt des Schildes eine leichte, plateauartige Erhebung und in der Mitte derselben eine winzige Delle, in deren Grunde der Eingang zum Kuprrer’schen Gange gelegen ist, wie Quer- schnitte ergaben. Der mediane Längsschnitt (Fig. 14, Taf. 33 [15|) durch die Region des Kuprrer’schen Ganges, der aus einer Querschnittserie reconstruirt Zool. Jahrb. VI. Abth. f. Morph. 37 574 LUDWIG WILL, wurde, giebt uns, soweit es überhaupt möglich, ein schnelles Ver- ständniss des Oberflächenbildes. Wir sehen hier den Kuprrerr’schen Gang dorsal in die Delle ausmünden. Da die Delle inmitten der rund- lichen Erhebung liegt, kann die Primitivplatte (pp) nur den hintersten Theil der Erhebung bilden, während der vordere Theil derselben bereits vom Schilde (s) eingenommen wird, welches an der betreffenden Stelle durch die ventrale Wand des Kuprrer’schen Ganges emporgehoben wird. Wenn wir zunächst von dem Verhalten des Kuprrer’schen Ganges absehen, so erhebt sich für uns die Frage, wie die kleine Delle, welche das alleinige Rudiment der Urmundöffnung darstellt, aus der bisher constant beobachteten ansehnlichen queren Spalte entstanden ist. Hat der Embryo dieselben Stadien, welche andere Embryonen bis zum Schwunde der Urmundspalte resp. Primitivrinne erst später durch- machen, nur in schnellerer Aufeinanderfolge durchlaufen ? Wäre das der Fall gewesen, so müsste auch die Primitivplatte schon in be- deutenderm Umfang vom Ectoderm überwachsen sein, was mir aber nicht der Fall zu sein schien, obgleich mir Querschnitte keine absolut beweisenden Bilder lieferten. Die einfachste Erklärung des Bildes scheint mir folgende zu sein. Während normal bei der Verengerung des Kuprrer’schen Ganges die äussere, breite Eingangsöffnung nur theilweise getroffen wird, indem sie rechts und links von der engen Ausmündung des Kuprrer’schen Ganges in Form einer Rinne erhalten bleibt, sind hier ausnahmsweise auch die Seitentheile der Urmundöffnung vollständig verwischt, so dass nur die Oeflnung des Kuprrer’schen Ganges selbst übrig geblieben ist. Zur Bildung einer Primitivrinne könnte es also in diesem Falle überhaupt nicht mehr kommen, das Schlusstadium der Gastrulation müsste sich als eine einfache Ueberwachsung der Primitivplatte von Seiten des Ectoderms abspielen, die sich der äussern Beobachtung ent- zieht. Jedenfalls handelt es sich in dem vorliegenden Fall um eine sehr auffallende Variante der individuellen Entwicklung. Auch der Kuprrer’sche Gang verhielt sich abweichend von den zuletzt besprochenen Embryonen. Während der um diese Zeit sehr eng gewordene Canal durchweg schon seine spätere senkrechte Lage angenommen hat (Fig. 23, Taf. 36 [18], fig. 24, tab. 4 der ersten Arbeit von MrrsukURI u. ISHIKAwA), hat er in unserm Falle (Fig. 14, Taf. 15) ausnahmsweise noch seine horizontale Lage beibehalten, um sie voraus- sichtlich erst später zu verändern, ein Beweis, dass auch die Um- wandlungen des Kuprrer’schen Ganges nicht an einen eng umgrenzten Zeitabschnitt gebunden sind. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 575 Das Lumen des Ganges war in diesem Falle enger als bei irgend einem der vorher beschriebenen Embryonen, so dass es auf Quer- schnitten ausserordentlich schwer zu verfolgen war. In den Figg. 19a und b ist das Lumen, um es überhaupt erkennbar zu machen, etwas zu weit gezeichnet, und dasselbe gilt von dem reconstruirten Längs- schnitt Fig. 14. Im Maximum erreichte es etwa Kerndurchmesser, an den meisten Schnitten jedoch ungefähr 1/, bis !/, Kerndurchmesser. An einzelnen Schnitten war sogar von einem Lumen trotz eingehender Untersuchung überhaupt nichts mehr nachzuweisen, wenngleich ein solcher negativer Befund noch keinen Beweis für einen wirklichen Schwund des Canals an der betreffenden Stelle abgeben kann. Die allmähliche Verengerung des KuPFrEr’schen Ganges, die wir somit bis zu einem kaum oder gar nicht mehr unterscheidbaren Lumen desselben führen sahen, legt uns die Vermuthung nahe, ob nicht der Kuprrer’sche Gang im nächsten Sta- dium vollständig schwindet. Eine der- artige Vermuthung liegt um so näher, als ich gezeigt habe, dass beim Gecko nu und wahrscheinlich auch bei Schlangen 7 der bei Lacerta continuirliche neuren- terische Canal durch eine canallose Pe- riode in zwei Phasen getrennt wird, von denen ich die erste als KUPFFER- schen Gang, die zweite als Canalis neurentericus s. str. bezeichnete. Da nun MEHNERT von weit ältern Em- bryonen mit theils geschlossener Me- dullarrinne im Bereich des Primitiv- RER AUD IRAN TAN streifens wieder einen Canal zwischen die Gegend des Canalis neu- Darm- und Medullarrohr beschreibt, 7°7)°" RE A + der aber, wie der Holzschnitt Fig. B rinne nach Meunerr (Gastrulation ete. zeigt, ganz bedeutend‘ weiter ist als 795 mis Istaria). on Canalis neuren- der Kuprrer’sche Gang der letzt- besprochenen Stadien, so ist kaum anzunehmen, dass es sich hier um eine abermalige Dehiscenz des ursprünglichen Canals handle. Viel- mehr darf man vermuthen, dass hinter der Schwundstelle desselben ein neuer Durchbruch entstanden ist, der dann als Canalis neuren- tericus s. str. von der ersten Phase des neurenterischen Canals, der bereits im Laufe der ganzen Abhandlung als Kurrrer’scher Gang be- zeichnet wurde, zu unterscheiden wäre. MEHNERT ist in seiner Arbeit 37* cn b16 LUDWIG WILL, zu derselben Ueberzeugung gelangt, die er zwar in sehr positiver Form ausspricht, die ich jedoch ebenfalls nur als eine Vermuthung gelten lassen kann, da ich eine exacte Beweisführung vermisse. Zwar heisst es p. 458: „Auch bei Emys verödet das Anfangsstück des Ur- darmcanales gänzlich. Der Zeitpunkt dieser Verwachsung scheint auch hier verschiedenen individuellen Schwankungen zu unterliegen. Jedenfalls ist die anfängliche Communication zwischen der Ectoderm- und der Entodermfläche zeitweilig völlig aufgehoben.“ Hier, wie auch an andern Stellen der Arbeit, muss jedoch dem Leser der Mangel an Belegen durch Abbildungen auffallen. So verweist der Verf. hinsicht- lich der Verengerung des Kuprrer’schen Ganges auf fig. 29, wo der letztere zwar in sagittaler Richtung enger geworden ist, dagegen in der Breite noch fast seine ursprüngliche Ausdehnung bewahrt hat. Weitere Abbildungen, welche auf die „Verödung“ des Kuprrer’schen Ganges Bezug haben, fehlen nun gänzlich, so dass durch nichts be- wiesen wird, ob der Verf. den betrefienden Canal in spätern Stadien nur übersehen hat, oder ob der letztere wirklich vollständig schwindet. Dieser Zweifel ist um so mehr berechtigt, als Verf. thatsächlich zu einer irrigen Ansicht über die „Verödung“ des Kuprrer’schen Ganges gelangt ist. Derselbe glaubt nämlich, wie aus verschiedenen Aeusse- rungen hervorgeht (p. 411, 458), dass die Verengerung des Ganges dadurch erfolgt, dass sich vordere und hintere Wand eng aneinander legen, bis schliesslich das Lumen völlig schwindet. Dieser Vorgang leitet nun zwar den Vorgang ein, kann ihn aber schon aus dem Grunde nicht zu Ende führen, weil der letzte Rest des Kuprrer’schen Ganges ein capillares Rohr von ungefähr kreisförmigem Querschnitt darstellt. Der Nachweis und die Unterscheidung desselben (Fig. 19a, b) von den zahlreichen kleinen Hohlräumen, welche besonders dem Entoderm häufig einen spongiösen Charakter verleihen, ist eigentlich nur dadurch mög- lich, dass der Canalquerschnitt stets durch die radiär gestellten Zell- grenzen der umgebenden Zellen ausgezeichnet ist. Diese radiären Zellgrenzen wiesen auch dann auf den Ort des Canals hin, wenn das Lumen selbst nicht mehr erkennbar war. Offenbar aber hat MEHNERT die letzten Schlusstadien des Kuprrer’schen Ganges gar nicht gesehen, denn sonst begreife ich nicht, weshalb er keine Abbildung eines so wichtigen Präparats giebt. Aus diesem Grunde kann ich auch seiner einfachen Angabe von dem zeitweiligen Fehlen jeder Communication noch keine volle Beweiskraft beimessen, um so weniger, als von der Schlussnaht oder dem sonstigen Charakter der Verschlusstelle über- haupt nicht geredet, geschweige denn etwas abgebildet wird. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 5717 Demnach ist es, wenn auch nicht vollkommen sicher, so doch höchst wahrscheinlich,. dass der Kuprrer’sche Gang, wie beim Gecko, etwa um die Zeit der Bildung der Me- dullarrinne schwindet, und dass der bei ältern Em- bryonen aufgefundene weite Canal einen neuen Durch- bruch, einen Canalis neurentericus s. str. darstellt. 8. Die Entstehung des Mesoderms. Die Differenzirung des mittleren Keimblattes zeigt naturgemäss eine grosse Uebereinstimmung mit den Verhältnissen beim Gecko. Trotzdem auch das gesammte Mesoderm bei der Schildkröte einen durchaus einheitlichen Charakter zeigt, erweist es sich doch auch hier zweckmässig, bei der Schilderung ein gastrales Mesoderm von einem prostomialen zu unterscheiden. Während ersteres seine Entstehung aus dem hohlen Theil des Urdarms vor der Urmundöffnung nimmt, entsteht das letztere in der Umgebung des Prostoma, der Primitivplatte. Die Differenzirung des prostomialen Mesoderms vollzieht sich im Wesentlichen ebenso wie beim Gecko als Abspaltung vom Entoderm, doch tritt dieselbe, wenn auch der Zeitpunkt ganz auf- fallenden Schwankungen unterliegt, im Allgemeinen bedeutend später ein als bei Platydactylus. So ist z. B. die Sonderung in Fig. 15 (Stad. II, Taf. 33 [15]) bereits — allerdings ganz ausnahmsweise früh — erfolgt, während bei dem Embryo des nächsten Stadiums (Fig. 16), ja sogar bei Embryonen viel späterer Stadien (Fig. 22, 23) von einem prostomialen Mesoderm noch nicht gesprochen werden kann. Nichtsdestoweniger ist auch bei der Schildkröte das Material für den Aufbau dieses Mesodermabschnitts schon lange vorher kennt- lich, so dass wir auch hier bereits von einer Mesodermanlage sprechen können, bevor überhaupt die Differenzirung desselben, d.h. die Ausschaltung aus dem Zusammenhang mit dem Entoderm erfolgt ist. Wenn wir den Längsschnitt Fig. 23 etwas genauer ins Auge fassen, so sehen wir, trotzdem im Bereich des Schildes schon lange die Sonderung von primärem und secundärem Entoderm erfolgt, ja in Folge des Urdarmdurchbruchs bereits die secundäre Verbindung der dorsalen Urdarmwand mit dem Dotterblatt wieder eingetreten ist, in der Region der Primitivplatte (pp) die ursprüngliche Einheitlichkeit beider Ento- dermtheile immer noch gewahrt. Die Abspaltung eines Dotterblattes ist hier noch nicht erfolgt, und die Primitivplatte setzt sich nach hinten in die Region der Area intermedia als eine allmählich sich 578 LUDWIG WILL, verjüngende Zellenmasse (e) fort, welche dorsal vom Ectoderm über- zogen wird und nach hinten sich schliesslich in die einschichtige Zellenlage des Dotterblattes fortsetzt. Wenn wir die durchschnittliche Dicke des Dotterblattes in Betracht ziehen, so ist klar, dass an der mit e bezeichneten Stelle auch noch die künftigen mesodermalen Ele- mente mit enthalten sein müssen, die erst durch Abspaltung des Dotterblattes zur Stufe eines besondern Keimblattes sich erheben. Genau das gleiche Verhalten beobachten wir auch auf Quer- schnitten durch die Primitivplatte, wie die Fig. 17e, Taf. 34 [16] be- weist. Der betrefiende Schnitt liegt sehr weit nach hinten; weiter nach vorn werden die seitlichen flügelartigen Ausbreitungen der Pri- mitivplatte ansehnlicher, bis sie in der Nähe des Urmundspaltes etwa ihr Maximum erreichen, um noch weiter nach vorn schnell wieder an Breite abzunehmen. Von der Fläche gesehen, würde diese Ausbreitung der Primitivplatte eine im Allgemeinen sichelförmige Gestalt zeigen [Fig. 7 u. 10, sowie die figg. 4b, 6b, 7c von MEHNERT, die fig. 1b von Mirsukuri u. ISHIKAWA1)], weshalb sie von KUPFFER und später von MITSUKURI, ISHIKAWA und MEHNERT geradezu als „Sichel“ bezeichnet wurde. Ich habe schon weiter oben, sowie auch in meiner Geckoarbeit darauf hingewiesen, dass diese von KUPFFER entdeckte Sichel sich wesentlich von der wahren Sichel unterscheidet, die den Ausgang für die Bildung der Primitivplatte darstellt. Vielleicht ist es zur Vermeidung jeder Verwirrung zweckmässig, die letztere als Primitivsichel von der Kuprrer’schen- oder Mesodermsichel zu unterscheiden. Während die Primitivsichel ganz an die Oberfläche tritt und von Ectoderm vollständig frei ist, geht sie dadurch in die Mesodermsichel über, dass ihr hinterer Rand, besonders aber die seit- lichen Sichelhörner allmählich vom Ectoderm von hinten und den Seiten her überwachsen werden, so dass dann nur der mittlere Theil als rundliche Primitivplatte von dem ectodermalen Ueberzug frei bleibt. Wir können demnach die Anlage für das prostomiale Mesoderm bis zurück in die Randtheile der Primitivsichel verfolgen. Auf die Abbildung einer Serie von Querschnitten durch die Kurrrer’sche Sichel vor der Abspaltung des Mesoderms glaubte ich verzichten zu können, weil aus den Längsschnitten, sowie der Fig. 17e das Verhalten derselben ohne weiteres klar werden muss. Bezüglich einer vollständigeren Querschnittserie durch diese Region verweise ich 1) K. Mirsuxuri and IswıkawA, On the formation of the germinal layers in Chelonia, in: Quart. Journ. Micr. Science, Vol. 27. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 579 auf die figg. 6, 7, 8, 9 der neuesten Arbeit von MrTsukukt (I. c.). Meine Figg. 19a, b liegen bereits vor der Blastoporusöffnung und zeigen des- halb schon einen dorsalen Ectodermüberzug, sowie den Querschnitt des Kuprrer’schen Ganges, und dasselbe gilt von den diesem Stadium entnommenen MEHNERT’schen Figuren. Wenn auch diese Abbildungen möglicher Weise schon in den Bereich des späteren gastralen Mesoderms fallen (eine genaue Grenze zwischen beiden Mesodermtheilen zu ziehen, ist ganz unmöglich), so erläutern sie doch noch das ziemlich unver- mittelte Aufhören der Mesodermsichel nach vorn. Von der aus- gedehnten seitlichen Ausbreitung derselben ist z. B. in Fig. 19a kaum noch etwas wahrzunehmen, so dass nach Abspaltung des secun- dären Entoderms, wie sie Fig. 19b erfolgt ist, eigentlich nichts mehr übrig bleibt als die Wandung des Kuprrer’schen Ganges. Anders sieht es natürlich auf spätern Stadien aus, wo nach Emancipirung des prostomialen Mesoderms aus dem Zusammenhang mit dem Ento- derm selbständige Wucherungen der Mesodermanlagen stattgefunden haben und in Folge davon auch die Form der Mesodermausbreitung ihre Sichelgestalt aufgiebt. Die Selbständigkeit und Bedeutung als besonderes Keimblatt erlangt die mesodermale Anlage, wie hervorgehoben, erst ziemlich spät durch den Process der Differenzirung oder Emanci- pation, der in einer Abspaltung vom secundären Ento- derm besteht. In Fig. 22, Taf. 36 [18] sehen wir vielleicht das erste Stadium dieses Vorganges an der mit «a bezeichneten Stelle, während in der Fig. 20 in der mit a.i. bezeichneten Region die hintere Ausbreitung des Primitivstreifs sich bereits in ganzer Ausdehnung in eine dünne mesodermale und eine dickere entodermale Lage gespalten hat. Am besten wird der Abspaltungsvorgang durch die mehrfach besprochene Fig. 15, Taf. 33 [15] illustrirt, in der dieselbe ausnahms- weise früh eingetreten (mpr), jedoch bei x noch nicht ganz vollzogen ist. In gleich überzeugender Weise erläutern diesen Process die figg. 24 und 18, tab. 4 der ersten, mit Isarkawa gemeinsam verfassten Arbeit MitsukuRrS, von denen die erste einen Längs-, die andere einen Querschnitt durch den Entodermpfropf därstellt und beide den Spalt zwischen Dotterblatt und prostomialem Mesoderm erst unvollkommen durchgeführt zeigen. Auf eine ziemlich vollständige, sehr getreu ge- zeichnete Querschnittserie durch das bereits völlig gesonderte prosto- miale Mesoderm in derselben Arbeit (fig. 7—10) möchte ich gleich- falls an dieser Stelle verweisen. Nach der Abspaltung des prostomialen Mesoderms kommt natür- 580 LUDWIG WILL, lich für die fernere Ausbreitung desselben eine selbständige Wucherung allein noch in Betracht, denn ein Zuwachs aus irgend welcher peri- pheren Quelle ist auch für die Schildkröte vollkommen ausgeschlossen. In späterer Zeit, bei meinen Embryonen während des VII. Stadiums, nimmt das prostomiale Mesoderm einen sehr wichtigen und bisher bei Schildkröten nicht beachteten Charakter dadurch an, dass es sich (Fig. 24a, Taf. 36 [18]) in ein somatisches und splanchnisches Blatt gliedert. Mit der Knickung der Urmundspalte nach hinten vertieft sich dieselbe in die Substanz des prostomialen Mesoderms, um als Cölomspalte die Trennung in die beiden erwähnten Lamellen zu be- wirken. Es zeigt dann das prostomiale Mesoderm bei der Schildkröte dasselbe Verhalten, wie ich es für den Gecko ausführlich beschrieben und wie es auch für verschiedene Anamnier und höhere Amnioten mehrfach constatirt wurde. Durch das Auftreten dieses Cölomspalts wird es ermöglicht, das prostomiale Mesoderm auch hinsichtlich seiner stammesgeschichtlichen Entwicklung direct auf denselben Ent- stehungsmodus wie das gastrale Mesoderm zurückzuführen und es als den cänogenetischen, am meisten veränderten Theil eines einheitlichen Mesoderms aufzufassen. Die hier vertretene Ansicht von der Entstehung des prostomialen Mesoderms harmonirt vollständig mit den Ergebnissen MITsUKURT®. Wenn auch dieser Forscher auf die hier erörterten Fragen nicht ge- nauer eingeht, so geht doch aus dem ganzen Zusammenhang seiner Abhandlungen, sowie besonders aus seinen trefflichen Schnittbildern hervor, dass auch bei den von ihm untersuchten Schildkrötenformen Abspaltung und Wucherung bei der Differenzirung und Ausbreitung des prostomialen Mesoderms die alleinige Rolle spielen. Dieselbe Uebereinstimmung geht auch aus den Figuren MEHNERT’s hervor, wenngleich dieser Autor selbst aus denselben Folgerungen zieht, die nur theilweise als richtig bezeichnet werden können. Diese irrigen Schlüsse basiren jedoch wesentlich auf anderen, bereits früher wider- legten falschen Folgerungen aus Präparaten jüngerer Stadien, so dass ich auf dieselben nicht ausführlicher zurückzukommen brauche. Es genüge hier, dass MEHNERT,* weil er bei seinem Embryo des II. Sta- diums (fig. 20, 21) die Spaltung des Entoderms in das primäre und secundäre Entoderm (bei ihm Paraderm) bereits vollzogen findet, diesen Zustand für den ursprünglichen, die bei anderen Embryonen constatirte Verbindung beider Entodermtheile im Bereich der Primitivplatte da- gegen für einen secundären, durch Verschmelzung entstandenen Zu- : stand hält. Unser Forscher lässt daher das prostomiale Mesoderm Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 581 ausschliesslich durch Wucherung entstehen; ganz richtig identificirt er ersteres mit der Kuprrer’schen Sichel, diese aber soll in der hinter dem Prostoma gelegenen Region unter dem Bilde der Primitivstreifen- bildung als mediane Ectodermwucherung (sic) in die Erscheinung treten. Unser Autor ist also offenbar der Ansicht, dass das prostomiale Meso- derm in letzter Linie eine ectodermale Wucherung darstellt, in ähn- licher Weise, wie wir an anderer Stelle (p. 408) die interessante That- sache erfahren, dass der entodermale Urdarm dadurch entsteht, dass in der Mitte der Primitivplatte ein Grübchen auftritt, das sich ver- tieft und in die ,ectodermale“ Zellenmasse einsenkt. Dass wir dem Autor bei solcher Auffassung nicht folgen dürfen, liegt auf der Hand. Die Entstehung des gastralen Mesoderms, zu der ich nun- mehr übergehen will, zeigt, soweit wir heute schon den Process über- haupt übersehen können, ebenfalls eine fast vollständige Ueberein- stimmung mit dem gleichen Vorgang, wie ich ihn für Platydactylus beschrieben habe. Ich glaube daher hier die Schilderung nicht besser einleiten zu können als durch einen kurzen Hinweis auf die Verhält- nisse beim Gecko unter Reproduction einer meiner frühern Arbeit ent- lehnten Reihe von Querschnitten. Die erste Anlage des gastralen Mesoderms beim Gecko wird von zwei schmalen paarigen Zellenplatten (sp, Holzschn. C, 7) repräsentirt, die hinten am breitesten sind, nach vorn aber allmählich sich ver- jüngen. Je nachdem diese Anlagen bereits an dem intacten Urdarm oder erst nach erfolgtem Durchbruch des Urdarms in die Erscheinung treten, erscheinen sie (Schema J) entweder einfach als die solid ge- bliebenen Seitentheile des Urdarms oder (Schema II, III) als seitliche Wucherungen der dorsalen Urdarmwand, doch steht auch in letzterm Falle nichts im Wege, diese Wucherung als eine nachträgliche, solid bleibende Ausbreitung des Urdarms aufzufassen. Die erste Anlage des gastralen Mesoderms entsteht also nicht neben der Chorda, sondern ist von derselben durch einen ansehnlichen Zwischenraum, die Zwischen- platte (zp), getrennt. In der zweiten Phase der Mesodermbildung kommt es dann, ebenfalls entgegen der Herrwic’schen Lehre, zur Er- hebung einer Urdarmfalte, welche an den äussersten Seitentheilen des Urdarms entsteht, gegen das Urdarmlumen vorspringt und, unmittel- bar unter der dorsalen Urdarmwand sich vorschiebend, septenartig gegen die Axe des Embryos vordringt (Schema IV, V). Dadurch kommt ein Theil des Urdarmlumens zur Abschnürung, der zum Cölom- spalt wird, Anfangs mit der Urdarmhöhle communicirt und direct oder indirect in die spätere Leibeshöhle übergeht. Die Zwischenplatte der 582 LUDWIG WILL, i} ‘ . h ' e” so sp pee as ———— — — oe 080009 DOS 900908 Gs SS Proce SERIE ° Desso sde = Se = CR nn Ce su ' ' ’ 1 nsc In} Pas: Ir €" sp so 7 e” CO INGT Fig. C/—V. Querschnitte durch die vordere Urdarmregion des Geckos auf fiinf verschiedenen Entwicklungsstadien. ec Ectoderm, ud obere, vd ventrale Urdarmwand, e’ Urdarmblatt, e’’ Dotterblatt des Entoderms, sp solide Seitenplatte des Urdarms, welche die erste Anlage des gastralen Mesoderms darstellt, mp Mittelplatte, zp Zwischenplatte der dorsalen Urdarmwand, mgr gastrales Mesoderm, so somatisches, sp splanchnisches Blatt des Mesoderms, co Célomspalt. Aus: L. WiLL, Beiträge z. Ent- wicklungsgeschichte d. Reptilien, I. dorsalen Urdarmwand wird dadurch in einen Theil des somatischen, das obere Blatt der Urdarmfalte in das splanchische Blatt umgewandelt, während das untere Blatt der Falte zum bleibenden Darmepithel wird. Sind die Urdamfalten neben der Chordaanlage (welche in der Mittel- platte enthalten ist, jedoch nur einen Theil derselben bildet) angelangt, so verschmelzen beide Mesodermlamellen mit einander, schnüren sich gleichzeitig von der Chorda ab, welch letztere dadurch selbständig wird, daß nunmehr die untere Lamelle der Urdarmfalte allein ihr nach der Axe gerichtetes Wachsthum fortsetzt und durch Unterwachsung der Chorda auch diese aus dem Zusammenhange des Urdarms aus- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien, 583 schaltet. Somit wird bei Platydactylus die gesammte dorsale Wand der umfangreichen Urdarmeinstülpung zur Bildung des gastralen Mesoderms sowie der Chorda aufgebraucht. Aus dem mittlern Theil der erstern geht die Chorda, aus den gesammten seitlichen Theilen das gastrale Mesoderm hervor. Ganz unabhängig von meinen Resultaten beim Gecko ist nun MITSUKURI in seiner neuesten Arbeit (I. c.) für die Schildkröte zu Er- gebnissen gelangt, die, wenn sie auch den ersten Beginn der gastralen Mesodermanlagen nicht mit Sicherheit feststellen können, doch bezüg- lich der zweiten und dritten Phase des Processes in dem Kernpunkt des- selben so sehr mit meinen Resultaten bei Platydactylus übereinstimmen, daß mir für Cistwdo wenig mehr übrig bleibt, als die von. Mrrsu- KURI zu Tage geförderten Thatsachen zu bestätigen, dabei aber gleich- zeitig gegenüber dem anatomischen Befund, auf dessen Constatirung der japanische Forscher sich fast ausschliesslich beschränkt, das Haupt- gewicht auf die Vorgänge zu legen. Mirsuxurrs treffliche Arbeit gipfelt in dem ante durch Druck hervorgehobenen Satz (1. c. p. 45): „Bei der Schildkröte wenig- Stens giebt nur der mittlere Theil der bisher als Chordahypoblast bezeichneten Anlage der Chorda dor- salis den Ursprung, während die seitlichen Theile schliesslich dem Mesoblast einverleibt werden.“ In der That trifft auch dieser Satz den Kernpunkt der ganzen Frage, denn wenn auch die lateralen Theile des sogenannten Chorda- hypoblasts dem Mesoderm einverleibt werden sollen, so kann das kaum anders vor sich gehen als durch Vorwachsen einer aus zwei Zellenschichten bestehenden Urdarmfalte gegen die Mittellinie oder aber, indem sich allein der sog. Darmhypoblast als einfache Zellenschicht gegen die Mitte vorschiebt und so nach einander die seitlichen Theile des sog. Chordahypoblasts und dann die Chorda selbst zur Unter- wachsung bringt. Aus dem Text geht nicht klar hervor, welcher An- sicht unser Autor huldigt. Nach den Worten: „The gut-hypoblast, however, soon extends itself toward the chorda-Anlage, shutting off the epithelial stretch in question from the enteric cavity könnte es scheinen, als ob er der letztern Ansicht wäre, auf die eine Reihe von Figuren bezogen werden könnten. Der specielle Hinweis auf fig. 17 jedoch, sowie einige andere Abbildungen, in denen deutlich eine zwei- schichtige Falte, entsprechend meinen Figuren von Platydactylus, ge- zeichnet ist, müssen uns veranlassen, zu Gunsten des Autors anzu- 584 LUDWIG WILL, nehmen, dass er sich die Einverleibung in der richtigen Weise durch Vorwachsen einer zweischichtigen Urdarmfalte gedacht hat. Die beiden bereits beschriebenen Embryonen, welche mir allein zur Untersuchung der Mesodermfrage zur Verfügung standen, sind beide etwas jünger als die von Mrrsuxuri benutzten. Ich schildere zunächst eine Serie von Querschnitten (Fig. 19c—h, Taf. 35 [17]) durch die Urdarmregion des jüngsten, in Fig. 11 abgebildeten Embryos. Gehen wir von Fig. 19g aus, welche den 71. Schnitt vor der vordern Urmundlippe darstellt, so sehen wir in der Axe des Embryos den stark verdickten mittlern Theil der dorsalen Urdarmwand, der die durch lebhafte Zellenvermehrung verstärkte Mittelplatte des vor- hergehenden Stadiums darstellt, die jedoch viel zu breit ist, um aus- schliesslich in die Anlage der Chorda überzugehen, wie schon ein Ver- gleich mit Querschnitten durch ältere Embryonen von andern Reptilien sowie mit ältern Schildkrötenembryonen lehrt (Holzschn. Fig. D). ec OO > L PS | DS 1 NES SEE se sp Bry wail à 40/00 —/07 © CELLES: BOS 26) alo! © o% ' Ein. 3 ch Fig. D. Querschnitt durch die mittlere Körperregion eines Em- bryos von Clemmys mit offener Medullarrinne nach MıTsURURI (Journ, Coll. Science Imp. Univ. Japan, Vol. 5). Die Chorda ch ist bereits zum Theil von der Entodermlamelle e unterwachsen. Somatopleura (so) und Splanchnopleura (sp) sind proximal zur Verschmelzung gekommen. ec Ectoderm. Jederseits von der Mittelplatte treffen wir die Anlage des gastralen Mesoderms, welches durch einen in den Urdarm einmündenden Spalt, den Cölomspalt (co), in ein somatisches (so) und ein splanchnisches (sp) geschieden wird. Links in der Figur treffen wir sogar statt des Spaltes ein deutliches Lumen, das in manchen andern Schnitten derselben Serie (19c—f) in noch grösserm Umfang wiederkehrt. Ob diese Cölom- höhle eine natürliche Erscheinung oder die Folge einer künstlichen Abhebung beider Mesodermlamellen ist, lässt sich natürlich auf Grund einer einzelnen Serie nicht mit Sicherheit angeben. Auffallend ist es Beiträge zur Entwicklungsgesehichte der Reptilien. 585 immerhin, dass eine derartige deutliche Cölomhöhle auch an ver- schiedenen Figuren MITSUKURT’s, wenn auch in etwas geringerm Umfang, constatirt werden kann. Der Zusammenhang der beiden mesodermalen Blätter ist auch hier derselbe, wie es beim Gecko und zahlreichen andern Wirbelthieren mit Sicherheit constatirt ist. Das somatische Blatt steht nur mit der axialen Mittelplatte in Verbindung, während das splanchnische Blatt an der Ausmündung des Cölomspalts in das ausserordentlich dünne Epithel der seitlichen Urdarmregion umbiegt. Die Grenze zwischen dieser dünnen Entodermlamelle und der Splanchno- pleura war in ganzer Ausdehnung deutlich erkennbar, während der Cölomspalt zwar sehr weit, doch nicht bis in die Spitze der Cölom- säcke zu verfolgen war, die scheinbar eine solide Beschaffenheit zeigte. Verfolgen wir die Schnittserien weiter nach vorn, so beobachten wir, wie die Mittelplatte an Höhe abnimmt, dafür aber an Breite mehr und mehr gewinnt und wie gleichzeitig die Insertionsstellen der beiden Cölomsäcke (Fig. 19h) sich von der Mittellinie entfernen. Leider war es wegen des unregelmässig spongiösen Baues des vordersten Urdarm- abschnittes nicht möglich, die Platten des gastralen Mesoderms weiter über den 80. Schnitt nach vorn hinaus mit Sicherheit zu unter- scheiden; nach Analogie der Verhältnisse beim Gecko, sowie nach einem gleich zu besprechenden Oberflächenbild müssen wir jedoch an- nehmen, dass dieses Auseinanderrücken der Mesodermplatten nach vorn immer mehr zunimmt, wobei letztere gleichzeitig an Umfang ab- nehmen. Das umgekehrte Verhalten beobachten wir, wenn wir die Meso- dermplatten nach hinten verfolgen (19f—d); sie rücken nach hinten fortschreitend zusammen, bis sie in Fig. 19d, einen Schnitt vor der ven- tralen Ausmündung des Kuprrer’schen Ganges, nur noch durch einen Zwischenraum getrennt sind, der wenig grösser ist als der Durch- messer der späteren Chorda. Im Uebrigen aber bleibt die Con- fisuration aller in Frage kommenden Theile genau die gleiche, nur dass stellenweise die Cölomhöhle, sei sie nun künstlich oder natürlich, weiter ist und sich gelegentlich (19d) bis fast in die Spitze des Cölomsacks verfolgen lässt, sowie dass die Grenze zwischen splanch- nischem Blatt und dem darunter gelegenen dünnen Entoderm vielfach, besonders in der Nähe der Insertionsstelle, nicht deutlich nachgewiesen werden kann, was wahrscheinlich nur in der Conservirung seinen Grund hat. Genau den gleichen Bildern begegnen wir, wenn wir die durch den in 12a, b, Taf. 3, abgebildeten Embryo gelegte Schnittserie 586 LUDWIG WILL, (24b—e, Taf. 36 [18]) in der Richtung von vorn nach hinten oder umgekehrt verfolgen. Die Unterschiede beschränken sich auf eine stärkere Ausbildung der beiden Mesodermplatten, auf eine kräftigere Ausprägung der medianen Urdarmrinne, sowie auf den Mangel eines Lumens der Cölomsäcke, welches allein durch einen Spalt repräsentirt wird. Die vorderste Region des Urdarms musste auch bier wegen der an meinem Material nicht zu überwindenden Schwierigkeiten von der Schilderung ausgeschlossen werden. Das eben an Querschnitten gewonnene Bild wird wesentlich durch das in 12a gegebene Oberflächenbild des letzten Embryos vervoll- ständigt. Wir erkennen hier, dass ebenso wie beim Gecko die Mesodermplatten ihre Form auch auf der äussern Oberfläche aus- prägen können, indem sie das Ectoderm des Schildes emporheben und so die äussern Mesoderm- oder Rücken wülste hervorrufen, welche die Rückenrinne zwischen sich fassen. Die Wülste sind auch hier nach innen je durch eine Bogenlinie begrenzt, welche der Insertionslinie des Mesoderms entspricht und vorn stark mit der gegenüberliegenden divergirt. Die Mesodermplatten sind dem- nach, wie auch beim Gecko, hinten am breitesten. Der helle Hof rechts und links von denselben im Bereich der Area intermedia ist der Ausdruck der seitlichen Ausdehnung des gastralen Mesoderms, das nach hinten natürlich continuirlich in die entsprechende Aus- breitung des prostomialen Mesoderms übergeht. Im Einzelnen weist, wie ein Vergleich unserer Figur mit den auf tab. 3 der Geckoarbeit abgebildeten Embryonen oder mit beistehendem Holzschnitt Fig. E zeigt, die Mesodermplatte der Schildkröte (wenigstens Fig. EE Schematische Darstellung des Wachsthums der gastralen Mesodermplatten beim Gecko. Die Linien 1, 2, 3, 4 bedeuten die jeweilige Lage der innern Grenzen der Mesodermplatten auf den vier dargestellten Stadien, x die Spitze der Mesodermplatten. Aus: L. WiLL, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien, I. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 587 bei unserm Embryo) eine zwar nur geringfügige Formverschiedenheit von der des Gecko auf, die jedoch für die Untersuchung auf Quer- schnitten nicht gleichgültig ist. Wir sehen in Fig. 12b die Mesoderm- platten vorn weit mehr gerundet, als das auf den durch den Holz- schnitt illustrirten verschiedenen Stadien der Mesodermbildung beim Gecko der Fall ist, und das ist wahrscheinlich der Hauptgrund, weshalb meine Querschnittserien für die vorderste Region der Mesodermplatten keine brauchbaren Präparate mehr ergaben. Künftige Untersucher dürften daher gut thun, bei genügendem Material für diese Region Sagittalschnitte zu Hülfe zu ziehen, die allein einigermaassen senk- rechte Durchschnitte durch den vordern Theil der Insertionslinie liefern können. Indem wir jetzt dazu übergehen, aus den geschilderten ana- tomischen Befunden auf die bei der Mesodermbildung in Frage kommen- den Vorgänge zu schliessen, haben wir eine doppelte Frage zu beant- worten: Wie sind die Mesodermplatten in der Form, wie wir sie soeben kennen gelernt haben, entstanden, und welches ist ihre weitere Ent- wicklung? Versuchen wir uns zuerst an der Lösung der letztern Frage. Vom Gecko wissen wir, dass die Mesodermplatten, die Anfangs (Holzschnitt Fig. E, 1) durch sehr weite Zwischenräume getrennt sind, im Laufe der weitern Entwicklung der Mittellinie des Embryos ent- gegenwachsen, so dass ihre Insertionslinien nach einander von den Linien 1, 2, 3, 4 des Holzschnittes bezeichnet werden. Man wird uns kaum die Berechtigung bestreiten können, wenn wir zunächst erwarten, dass etwas Aehnliches auch bei der Schildkröte Platz greift, zumal da wir bereits an Fig. 12a die auffallende Aehnlichkeit der Mesodermplatten mit denen des Geckos constatiren konnten. Dass diese Vermuthung richtig ist, wird einmal bewiesen durch Querschnitte durch die vordere Rumpfregion bei ältern Embryonen, welche wir Mırsukurı verdanken, sowie durch ein von demselben Autor herrührendes Flächenbild von einem Embryo, bei dem die Mesodermplatten sich auch auf der Ventral- seite ausprägen, möglicher Weise auch nur durch die dünne Entoderm- lamelle durchscheinen. Die Bedeutung dieses Flächenbildes, von dem ich im Holzschnitt Fig. F eine einfache Skizze gebe, konnte von unserm Autor nicht erkannt und auch nicht interpretirt werden, weil demselben damals die ähnlichen Oberflächenbilder vom Gecko noch nicht bekannt waren, die allein dieses vereinzelt stehende Bild deutbar machten. Wir erkennen in der Skizze zwei in ihrem hintern Abschnitt nahezu parallel der Mittellinie verlaufende Linien, welche vorn plötzlich stark divergiren. Ich kann dieselben nur als die Insertionsgrenzen des 588 LUDWIG WILL, gastralen Mesoderms ansehen. Wenn die Bogenlinien der Fig. 12a, Taf. 32 [14] den Linien 3 des Holzschnitts Fig. E entsprechen, so correspondiren die eben erwähnten Linien des Holzschnitts Fig. F den Linien 4 vom Gecko. Die Knickungsstelle der Insertionslinie würde dem Punkte entsprechen, den ich beim Gecko als Kopfwinkel des Mesoderms bezeichnet habe. Das Mesoderm hat also den Weg von der Linie 3 bis zur Linie 4 zurückgelegt, und wir können demnach den Satz aussprechen, dass die paarigen Mesodermplatten der Schildkröte ebenso -m Wie beim Gecko allmählich gegen die Mittellinie vorwachsen, und dass in den Fällen, in denen überhaupt dieser Process sich äusserlich ausprägt, derselbe zu den gleichen Oberflächenbildern Veranlassung NES | giebt. scoters ner eines Gehen wir zu den Vorgängen im mys japonica) mit stark ge- Innern über, so fragt es sich: was ge- päherten Mesodermplatten. 1. Schieht, wenn die weit entfernten Meso- ansicht in: MITSURURI, Journ. Coll. dermplatten der Fig. 19h oder 24 d,e sich A ae hie “1 nähern bis zu dem Abstande, den sie in derms. Fig. 19d besitzen ? Die sicherste Antwort würden wir bekommen, wenn wir dieses Wachsthum vom ersten Beginn bis zum Schluss in der gleichen Region bei einer grössern Zahl von auf einander folgenden Altersstufen unter- suchen könnten. Die geringe Zahl von Embryonen jedoch, die von Mirsukurr und mir bisher auf ihre Mesodermbildung untersucht werden konnten, lässt eine derartige Form des Beweises nur theilweise zu. Wir wissen nun aber, dass die Bildung des gastralen Mesoderms bei keinem Embryo an allen Punkten gleichzeitig und gleich schnell verläuft, dass vielmehr die Mesodermbildung hinten beginnt und all- mählich nach vorn vorschreitet. Wir können daher nahezu mit gleicher Sicherheit ein Bild von dem Vorgang gewinnen, wenn wir an einer oder wenigen Schnittserien die Schnitte von vorn nach hinten ver- folgen. Soll nun von den Schnitten Fig. 24d, e oder 19h das Bild Fig. 19d erreicht werden, so müssen nach einander die von den zwischenliegenden Schnitten dargestellten Phasen durchlaufen werden, d. h. die Falte, welche von der Uebergangsstelle des splanchnischen Blattes in das seitliche Urdarmepithel gebildet wird, muss gegen die Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 589 Mittellinie vorrücken und in Folge dessen einen Theil der dorsalen Urdarmwand unterwachsen, der damit dem somatischen Blatt des Mesoderms hinzugefügt wird. Ist dann die vorwachsende, aus den beiden erwähnten Blättern bestehende Falte, welche wir auch hier als Urdarmfalte bezeichnen können, bis zu jenem Theil der Mittely platte vorgedrungen, der sich thatsächlich in die Chorda umwandelt, so tritt, wie Holzschnitt Fig. D (S. 584) zeigt, dasselbe ein wie beim Gecko. Das splanchnische Blatt der Urdarmfalte verschmilzt an der Spitze der letztern mit der durch Unterwachsung entstandenen Somatopleura, welche ihrerseits sich aus dem Zusammenhang mit der Chorda löst, so dass also das Mesoderm durch Abschnürung vom Entoderm selb- ständig wird. Der Schlussact des ganzen Processes besteht darin, dass nunmehr das Darmepithel als einfache Schicht die Unterwachsung fortsetzt und somit die Chorda aus der Begrenzung des Urdarmlumens ausschaltet. Wir constatiren demnach für die letzte Hälfte des Entstehungsprocesses des gastralen Mesoderms der Schildkröte eine völlige Uebereinstimmung mit dem gleichen Vorgang beim Gecko. Ein ansehnlicher Theil der dorsalen Urdarmwand, nämlich die seitlichen Theile der Mittelplatte sowie die anstossenden Theile der obern Urdarmwand (cf. Fig. 24d, e) gehen ebenfalls in die Bildung des gastralen Mesoderms und zwar des somatischen Blattes ein, indem sie von einer doppel- schichtigen Falte der obern Urdarmwand, der Urdarm- falte, unterwachsen werden. Das obere Blatt der letztern wird zur Splanchnopleura, das untere zum de- finitiven Darmepithel. Durch das Vorwachsen der Ur- darmfalte wird ein Theil des Urdarmlumens abge- schnürt, der zum Cölomspalt wird. Dieser, Anfangs noch mit dem Urdarmlumen in offener Communication, verliert die letztere, indem zum Schluss die Mesoderm- platten durch Abschnürung selbständig werden und dann die Chorda von dem Entoderm allein unter- wachsen wird. Weit schwieriger ist die Beantwortung des ersten Theiles unserer Frage: wie sind die Mesodermplatten in dem Stadium, wie wir sie an der Hand der Fig. 19 u. 24, sowie der Mrrsuxurrschen Ab- bildungen kennen gelernt haben, entstanden ? Zu einer directen Lösung der Frage durch Beobachtung sind nun sowohl die Mrrsukurrschen Zool. Jahrb. VI, Abth. f. Morph, 38 590 LUDWIG WILL, wie auch meine Embryonen bereits zu alt. Die jüngsten Phasen finden sich hier ausschliesslich am Vorderende der Mesodermplatten, wo man durch Querschnitte keine sichern Bilder mehr erreichen kann. Zwar bildet Mırsukurı derartige Querschnitte in seinen fig. 13—15 ab und sucht durch diese unsere Frage zu beantworten; ich kann mich jedoch nicht von der Beweiskraft dieser Bilder überzeugen und halte die aus denselben gezogenen Schlüsse über die erste Anlage der Mesodermplatten für den einzigen Punkt der betreffenden Arbeit, der nicht hinreichend begründet, wahrscheinlich aber unrichtig ist. Da demnach eine sichere Lösung dieser Frage nur von der Unter- suchung jüngerer Embryonen zu erwarten ist, bin ich zur Zeit auf einen Wahrscheinlichkeitsbeweis angewiesen, dem einmal die Verhält- nisse beim Gecko, dann aber die von Mrrsukuert und mir beschriebenen und soeben besprochenen Schildkrötenembryonen zur Basis dienen. Wenn wir einen Querschnitt durch die mittlere Urdarmregion, z. B. den Schnitt Fig. 19g, als Ausgang wählen, so bestehen ver- schiedene Möglichkeiten, die Entstehung der Mesodermplatten zu er- klären. Am nächsten liegt es wohl unstreitig, die Ursache für dieselbe in dem gleichen Vorgange zu suchen, den wir soeben die Mesoderm- bildung zu Ende führen sahen, d. h. in dem Auftreten und Vorwachsen einer Urdarmfalte, wie wir dieselbe auch beim Gecko von Anfang an bis zu Ende den Process der Mesodermbildung durchführen sahen. Beim Gecko treten diese Urdarmfalten (cf. Holzschnitt Fig. C, III, IV) an der Stelle auf, wo beim Durchbruch des Urdarms die dorsale Wand desselben mit dem benachbarten secundären Entoderm verlöthet wird, d.h. am äussersten Seitenrande des Urdarmlumens. Durch Unterwachsung von Seiten dieser Falte wird dann die dorsale Urdarmwand in toto — mit Ausnahme natürlich der axialen Theile — zum somatischen Blatt des Mesoderms. Diese Ansicht erscheint mir auch für die Schildkröte um so wahrscheinlicher, als die Ausdehnung des Urdarmlumens nach den Seiten hin dieselbe, ja eher noch grösser ist als bei Platydactylus und der Cölomspalt sich auf manchen Schnitten bis in die äussersten Seitentheile der Mesodermplatten verfolgen lässt, wie das ja auch durch Abbildungen Mirsukurr’s illustrirt wird. Die Urdarmfalte, durch welche die Anlage der Mesodermplatten erfolgt ist, müsste sich also mindestens an der Stelle erhoben haben, wo seitlich zuerst ein Cölom- spalt nachweisbar wird. Für die Richtigkeit dieser Annahme lassen sich noch verschiedene Punkte geltend machen, von denen ich hier die wichtigsten anführe. Wenn die Mesodermplatten unserer Embryonen auf anderm Wege Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 591 entstanden wären, also etwa durch Ausstülpung der Urdarmwand oder Wucherung derselben, so müsste natürlich dieser Ausstülpungs- resp. Wucherungsprocess da seinen Ursprung genommen haben, wo wir auf unsern Stadien die Mesodermplatten sich an der Urdarmwand in- seriren sehen. Wir müssten also erwarten, dass die Mittelplatte des Urdarms jenseits der Insertionsstelle des Mesoderms, wenn auch sich verjüngend, so doch in einer annähernd gleichen Stärke in die seit- lichen Theile des Urdarmepithels sich fortsetzte; statt dessen finden wir dieses letztere seitlich von der Insertionsstelle (Fig. 19g, h, 24c—e) so ausserordentlich verdünnt, dass hier auch vorher von einem Ueber- gang kaum die Rede gewesen sein kann. Ein solcher allmählicher Uebergang findet sich dagegen von der Mittelplatte zur Somato- pleura und steht in Einklang damit, dass letztere aus der in ihrer ur- sprünglichen Lage verharrenden, sich passiv verhaltenden dorsalen Urdarmwand hervorgegangen ist. Im Falle der Entstehung der Meso- dermplatten durch Wucherung oder Ausstülpung müsste man er- warten, dass sowohl das splanchnische Blatt wie das darunter weg- ziehende Entoderm an der Spitze unserer Urdarmfalte besonders ver- dickt wäre; eine derartige Verdickung lässt sich nun zwar an manchen Schnitten, namentlich aus der hintern Urdarmregion erkennen, doch findet bei der Schildkröte, wie auch verschiedene Abbildungen Mırsu- KURIS erläutern, besonders häufig gerade das umgekehrte Verhalten statt, indem (Fig. 24c,d, e) die Urdarmfalte sich ausserordentlich lang und dünn auszieht, ein Bild, das wohl für eine Unterwachsung spricht, nach meiner Meinung aber auf keine Weise mit der Aus- stülpungs- oder Wucherungstheorie in Einklang zu bringen ist. Wenn ich daher bei der Bildung der Platten des gastralen Mesoderms den vorwachsenden Urdarmfalten von vornherein die ausschliessliche Rolle zuschreiben möchte, so lasse ich dabei die Möglichkeit unberücksichtigt, dass eventuell auch hier wie beim Gecko noch solide Seitenplatten des Urdarms in Betracht kommen könnten. Da ich jedoch bisher der- artige Bildungen (cf. Fig. 17 m—p) in einigermaassen nennenswerthem Umfang nicht bemerkt habe, so fehlt für die Besprechung einer solchen Möglichkeit jeder thatsächliche Boden. Eine andere Möglichkeit für die Entstehung der gastralen Mesoderm- platten, wie wir sie an unsern Figuren vorgefunden haben, besteht, wie soeben angedeutet, in der Ableitung derselben von einer Urdarmaus- stülpung im Herrwıg’schen Sinne, die dann an der Insertionsstelle des Mesoderms aufgetreten sein muss. Ich habe jedoch schon oben einige Gründe gegen eine solche Annahme geltend gemacht. Besonders scheint 38* 592 LUDWIG WILL, mir aber dagegen zu sprechen, erstens, dass beim Gecko thatsächlich der Nachweis geführt werden konnte, dass die Urdarmfalten sich bereits an der seitlichen Grenze des Urdarmlumens erheben; zweitens, dass bei Annahme einer Ausstülpung das gastrale Mesoderm zwei ganz verschiedenen Vorgängen den Ursprung verdanken müsste, nämlich im ersten Stadium eben dieser Ausstülpung, im zweiten dem Vorwachsen einer Urdarmfalte. Da der letztere Modus aber für sich allein völlig ausreicht zur Erklärung der gesammten Mesodermbildung, erscheint mir die Zuhülfenahme einer Ausstülpung, für welche keinerlei Anhalts- punkte vorliegen, mindestens überflüssig. Dieselben Gründe sprechen aber gegen die Ableitung der ersten Anlage der Mesodermplatten aus einer soliden Wucherung, in welche sich erst nachträglich ein Darm- divertikel hineinerstreckt. Letzterer Ansicht scheint Mrrsukurı zu huldigen, wenn ich ihn recht verstehe. Er beschreibt an seiner fig. 23 das kurze Darm- divertikel, welches sich in die Mesodermmasse hineinsenkt. „That this mass has budded out from the walls of the diverticulum is evident from the karyokinetic figures which we see in it.‘ Dass aber das Vor- handensein karyokinetischer Figuren für eine solche Annahme nicht ausreicht, ist klar, denn dieselben müssen auch beim Vorwachsen einer Urdarmfalte an gleicher Stelle auftreten. Ich glaube auch nicht, dass MITSUKURI zu einer solchen Ansicht gekommen wäre, wenn er damals schon die Verhältnisse beim Gecko gekannt, wenn er ferner bereits die richtige Vorstellung von der bedeutenden seitlichen Ausdehnung des Urdarmlumens gehabt hätte, zumal er für die letzte Hälfte des Mesoderm-Bildungsprocesses bereits das Vorwachsen der Urdarmfalte richtig erkannt hat. Meine Ergebnisse über die Entstehung des gastralen Mesoderms lassen sich kurz in folgender Weise zusammenfassen. Das gastrale Mesoderm tritt in Form paariger Mesodermplatten auf, die anfänglich, wie beim Gecko, durch grosse Zwischenräume getrennt sind und höchst wahrschein- lich dadurch entstanden sind, dass durch an den seit- lichen Rändern des Urdarms auftretende Urdarmfalten ein Theil der dorsalen Urdarmwand unterwachsen wird. Sicher ist, dass die Mesodermplatten allmählich der Mittellinie sich nähern in Folge des weitern Vor- wachsens der erwähnten Urdarmfalten. Die unter- wachsene obere Urdarmwand wird zum somatischen, das obere Blatt der Urdarmfalte zum splanchnischen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 595 Blatt des Mesoderms, während das untere Blatt der letztern das definitive Darmepithel liefert. Durch das Vorwachsen der Urdarmfalten wird auch bei der Schildkröte ein Theil des Urdarmlumens abgeschnürt, der weit in die Mesodermplatten sich hineinerstreckt und als Cölomspalt aufzufassen ist. Wie weiter aus Ab- bildungen Mirsuxuri’s unzweifelhaft hervorgeht, kom- men die beiden Mesodermlamellen, sobald die Urdarm- falten die Chorda erreicht haben, proximal zur Ver- schmelzung und Abschnürung vom Entoderm und findet sodann der Unterwachsungsprocess dadurch seinen Abschluss, dass die untere entodermale Lamelle der Urdarmfalten ihr Vorwachsen allein fortsetzt und da- durch auch die Chorda zur Unterwachsung bringt. Schliesslich kann es als höchst wahrscheinlich bezeich- net werden, dass auch bei der Schildkröte der ganze, sicher aber der grösste Theil der dorsalen Urdarm- wand zur Bildung von Mesoderm und Chorda verbraucht wird. Ausgenommen muss natürlich der vorderste, vor den Mesoderm- platten gelegene Theil des Urdarms werden, der später in die Bildung des Kopfdarms eingeht. Am Schlusse dieses Capitels fällt mir noch die Aufgabe zu, die merkwürdigen Ergebnisse kurz zu besprechen, zu denen MEHNERT hinsichtlich der Entstehung des gastralen Mesoderms bei der Schild- kröte gelangt ist. Dieselben stehen in einem so auffallenden Gegen- satz zu allen dieselbe Frage betreffenden Ergebnissen moderner Forschung, dass man mit Recht erwarten dürfte, eine ausführliche Begründung derselben vorzufinden. Trotzdem nun unser Verfasser über ein Material verfügt, wie es bisher wohl keinem andern Autor vorgelegen, finden wir, was ich schon bei anderer Gelegenheit zu rügen hatte, seine mit grosser Sicherheit vorgetragenen Ansichten nur in einer höchst mangelhaften Weise durch Abbildungen belegt, unter diesen aber keine einzige, welche wirklich beweisend für dieselben wäre. Zunächst macht uns der Autor mit der auffallenden Thatsache bekannt, dass das gastrale Mesoderm zuerst am cranialen Ende 5h04 LUDWIG WILL, der obern Urdarmwand auftritt. Die Bildung desselben soll in der Weise vor sich gehen, dass innerhalb der dorsalen Urdarmwand zahlreiche vacuolenartige Hohlräume auftreten, die an Grösse zu- nehmen und schliesslich die Spaltung der Urdarmwand bewirken 1) in eine untere, von ganz niedrigen Zellen gebildete einschichtige Lage, welche das eigentliche „Enteroderm“ oder Epithel des bleibenden Darmrohrs repräsentirt, und 2) in ein oberes lockeres, von sternförmigen, vielverästelten Zellen gebildetes Stratum, welches die Anlage des Rumpfmesoblasts darstellt. Zum Beweise wird auf die fig. 35 u. 36 verwiesen, an denen man leicht eine Sonderung in die beiden Schichten erkennen soll, in der That aber sich vergeblich bemüht, eine solche wahrzunehmen. Beide weisen nur ein einheitliches Entoderm auf, das von zahlreichen Vacuolen durchsetzt ist und in dem einen Falle sogar die Kerne vermissen lässt. Eine Abbildung, welche die eingetretene Abspaltung des Mesoderms illustrirte, vermissen wir daher voll- ständig. Schon weiter oben habe ich darauf hingewiesen, dass der spongiöse Bau besonders des vordern Theils der obern Urdarmwand (cf. Fig. 23, besonders aber fig. 10 der zweiten Arbeit Mrrsuxurrs) bei der Flächen- betrachtung von unten her der obern Urdarmwand ein netzartiges Aussehen verleiht (Fig. 9a), welches von MEHNERT nun irrthümlicher Weise für die erste Anlage seines Rumpfmesoblasts in Anspruch ge- nommen wird und demgemäss als „Rumpfmesodermhof“ bezeichnet wird. „Das Eliminationsgebiet des Rumpfmesoderms vergrössert sich dann allmählich caudalwärts zum Blastoporus hin fortschreitend.“ In dem hintersten (caudalen) Abschnitt des „Urdarmepithelhofes“ soll die Mesodermbildung nach demselben Schema vor sich gehen wie in der oben betrachteten cranialen Partie, nur tritt hier eine Neben- erscheinung in Gestalt zweier aus dem Urdarmlumen in die Mesoblast- massen hineinragender Divertikel hinzu. Zum Beweise verweist uns der Verfasser auf seine fig. 34, einen offenbar histologisch höchst mangelhaft erhaltenen Schnitt, an dem uns die Seitentheile des hier noch Reste der untern Urdarmwand aufweisenden Urdarmlumens als Cölomdivertikel demonstrirt werden. Höchst folgenschwer werden die Irrthümer MEHNERT’s dadurch, dass nach ihm das gastrale Mesoderm nicht in Form zweier medianer, durch einen grossen Zwischenraum getrennter Mesodermplatten, sondern als eine unpaare, median und zuerst cranial angelegte Bildung auf- tritt. Sie führt ihn zu dem weitern schweren Irrthum, dass die Chorda in dem vordern und mittlern Körpergebiet als eine axiale Zellen- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 595 verdickung des durch Abspaltung entstandenen Meso- derms auftritt. Nur das caudale Endstück der Chorda soll aus dem untern Keimblatt unter anfänglicher Bildung einer medianen Furche hervorgehen. Alle diese Irrthümer erfahren durch einen Vergleich mit den von MirsuKuri und mir vorgeführten Abbildungen eine so gründliche Wider- legung, dass ich nicht glaube länger bei denselben verweilen zu sollen. Wie MEHNERT zu seiner sonderbaren Ansicht gelangt ist, ist mir nahe- zu unbegreiflich. Da ein einziger guter Querschnitt durch einen in Mesodermbildung begriffenen Embryo ihn hätte eines Bessern belehren müssen, kann ich nur annehmen, dass die Conservirung seiner Em- bryonen keine ausreichende gewesen ist. Zusammenfassender Ueberblick über die Bildung der Keimblätter. Wie beim Gecko sehen wir auch bei der Schildkröte die Pri- mitivplatte zuerst in Form einer Sichel auftreten, an der sich ein medianer, stark verdickter Theil als Sichelknopf und zwei seitliche Sichelhérner unterscheiden lassen. Die Sichel besteht aus einem stark dotterhaltigen Zellenmaterial, welches nach unten in continuirlicher Verbindung mit dem Entoderm und dem Dotter steht (Fig. 15, Taf. 33 [15]) und daher als eine entodermale Bildung anzu- sehen ist, um so mehr, als sie sich von dem benachbarten Ectoderm scharf abgegrenzt. Das Stadium mit sichelförmiger Primitivplatte ist als eine epibolische Gastrula anzusehen, deren Ectoderm von der obersten Zellenlage der Keimscheibe gebildet wird und nur die Sichel frei lässt. Die sichelförmige Primitivplatte stellt den Blastoporus dieser Gastrula dar, an der also das Entoderm zu Tage tritt. Der Embryonal- schild ist eine Differenzirung des Ectoderms und wird durch die Höhen- zunahme der ectodermalen Cylinderzellen an der betreffenden Region bedingt. Der Schild, von ovaler Gestalt, liegt unmittelbar vor der Primitivplatte, von derselben durch eine deutliche Grenze abgesetzt. Die Sichel stellt nur die Ausgangsform für die Primitivplatte dar. Bald werden ihre Hörner vom benachbarten Ectoderm überwachsen (Fortsetzung der Epibolie) und sie selbst in eine rundliche Primitiv- platte umgewandelt, die demnächst in die Länge zu wachsen beginnt und damit zum Primitivstreifen wird Während Anfangs die Primitivplatte ganz ausserhalb des Schildes lag, wächst sie erst während dieser Vorgänge in den Schild hinein und bewirkt dadurch einen tiefen, pp ar LUDWIG WILL, pie Aen Fig. G. Schematische Darstellung des Flichenbildes zweier Em- bryonen von Cistudo lutaria. a) Stadium mit Sichel und Sichelrinne; b) Embryo, dessen Sichelknopf zum Primitivstreifen ausgewachsen ist. s Embryonalschild, pp Primitiv- platte, sr Sichelrinne, asp Urmundspalte. Aus: L. WiLL, Beiträge zur Entwicklungs- geschichte d. Reptilien, I. herzförmigen Ausschnitt des hintern Schildrandes (Holzschnitt Fig. G). Es handelt sich hier um einen Vorgang von allgemeiner Bedeutung, da wir denselben nicht nur beim Gecko wiederfinden, sondern auch Fig. H. Junger Embryo- nalschild mit Primitiv- streifen und Primitivrinne vom Emu nach HASWELL. Pr.R. Primitivrinne, Pr. S. Primitivstrei- fen. Aus: L. Wırr, Zur Kenntniss der Schildkrötengastrula, in: Biol. Centralblatt, 1892. bei den Vögeln eine ähnliche Erscheinung zu constatiren ist. So zeigt die Schilderung . HASWELL’s?) von der Entwicklung des Emu, dass der Primitivstreifen, wie bei- stehender Holzschnitt Fig. H erläutert, zu- nächst als ein Annex des Schildes erscheint, um erst später in denselben einbezogen zu werden. Die Gastrulation vollzieht sich auch bei der Schildkröte unter einer engen Verbindung von Epibolie und Embolie. Die letztere macht sich zuerst durch das Auftreten einer Sichelrinne bemerkbar, welche sich jedoch nach Ueberwachsung der Sichelhörner auf eine median gelegene rundliche Delle reducirt. Gleichzeitig hiermit beginnt das Entoderm der Pri- mitivplatte unmittelbar vor der Invagi- 1) W. A. Hasweuz, Observations on the early stages in the de- velopment of the Emu (Dromaeus novaehollandiae), in: Proceed. Linn. Soc. New South Wales (2), Vol. 2, 1887, p. 579—600. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 597 nationsstelle zu wuchern, wodurch es (Fig. 15e, Taf. 33 [15]) zur Bildung eines zunächst noch kurzen Kopffortsatzes kommt, der sich frei in den Raum zwischen Schild und Entoderm hinein erstreckt. Indem sich so- dann die dellenförmige Invagination vertieft und in den Kopffortsatz hineinsenkt, kommt es zur Bildung eines nach vorn gerichteten Urdarms (Fig. 16, Taf. 33 [15]), der im weiteren Verlauf der Entwickelung einen solchen Umfang erreicht, dass er sich unter den ganzen Embryonal- schild erstreckt (Fig. 20, Taf. 36 |18]). Die Entstehung des Urdarms beruht demnach auf der Verbindung eines Wucherungsprocesses mit einer reinen Invagination. Wenngleich auf den jüngsten zur Untersuchung gelangten Stadien das Entoderm nicht mehr den ursprünglichen Zustand darstellt, in- dem schon die gleich zu erwähnenden Abspaltungserscheinungen in demselben Platz gegriffen haben, so stehen doch noch, wie ich gezeigt, alle Theile des Entoderms im Zusammenhang, so dass das letztere demnach als einheitliches Ganze aufzufassen ist. Besonders aus dem Verhalten von Fig. 15 geht unzweideutig hervor, dass auf einem dieser vorhergehenden Stadium das Entoderm lediglich repräsentirt war durch den in seinen oberflächlichen Schichten stark kernhaltigen Dotter, der demnach an der Primitivplatte als dem Blastoporus direct an die Oberfläche getreten sein muss. Erst nach und nach tritt durch Ab- spaltung eine Gliederung des Entoderms in einzelne Abschnitte ein, die wir als primäres Entoderm oder Urdarmblatt, als se- cundäres Entoderm oder Dotterblatt und als den un- gefurchten Dotter zu unterscheiden haben. Während das Ur- darmblatt von dem Zellenmaterial der Sichel und der von ihr ausgehen- den Urdarmausstülpung gebildet wird, stellt das Dotterblatt eine Ento- dermlamelle dar, welche unter dem primären Entoderm hinwegzieht und dieses von dem Dotter scheidet. Der Zeitpunkt, in dem diese Gliederung sich vollzogen hat, ist ganz ausserordentlichen Schwankungen unterworfen; nicht nur tritt der Abspaltungsprocess, als Ganzes genommen, bei dem einen Embryo weit früher auf als bei dem andern, sondern auch die einzelnen Ento- dermtheile können in einer verschiedenen Reihenfolge aus diesem Pro- cess hervorgehen. So ist z. B. in Fig. 13, dem jüngsten Entwicklungs- stadium, in der Region des Embryonalschildes eine Abspaltung des zelligen Theiles des Entoderms (primäres und secundäres Entoderm) vom Dotter erfolgt, während von einer weitern Spaltung des zelligen Ento- derms in.primäres und secundäres noch keine Spur zu entdecken ist. Dem gegenüber ist zwar an dem nächst älteren Embryo die Spaltung 598 LUDWIG WILL, in Urdarmblatt und Dotterblatt schon theilweise durchgeführt, dagegen die Sonderung der Gesammtheit des zelligen Entoderms vom Dotter noch in bedeutendem Rückstande. Die Constituirung des Entoderms vollzieht sich somit etwas anders als beim Gecko. Bei diesem ist oftenbar bereits vor der Differenzirung der Keimblätter die Zahl der Furchungszellen eine grössere, so dass nach Anlage des oberen Keim- blattes unterhalb desselben noch genügend Furchungszellen übrig bleiben, welche durch ihre Aneinanderlagerung ein zusammenhängendes unteres Keimblatt aufbauen können und überdies durch weitere Furchungszellen vermehrt werden, welche noch lange Zeit hindurch, jedoch einzeln und nicht als zusammenhängende Lage vom Dotter sich abschnüren. Der Unterschied in der Entodermbildung beider Thiere lässt sich auch kurz dahin formuliren, dass bei der Schildkröte das Entoderm sich als zusammenhängende Zellen- schicht vom Dotter abspaltet, während beim Gecko das zur Bildung des Entoderms bestimmte Zellenmaterial einzeln vom Dotter abgeschnürt wird. Eine wesentliche Be- deutung kann diesem verschiedenen Verhalten keineswegs beigemessen werden; bei den wenigen jungen Stadien, die bisher von der Schild- kröte untersucht werden konnten, sowie bei den grossen individuellen Schwankungen, welche wir sowohl bei der Entwicklung des Geckos wie auch der Schildkröte constatirten, ist es leicht möglich, dass bei Untersuchung weitern Schildkrötenmaterials diese Unterschiede durch- aus nicht als so durchgreifend sich herausstellen, wie es zur Zeit der Fall zu sein scheint. Die Form des ausgebildeten Urdarms wird bei der Schildkröte wesentlich durch das starke Vorwachsen des Primitivstreifens beein- flusst, wodurch der Eingang zum Urdarm nach vorn gerückt wird. Indem also damit der mediane Theil der hinteren Urdarmbegrenzung nach vorn vorgeschoben wird, erscheinen dann die seitlichen Theile des hintern Urdarmlumens als zwei kurze, nach hinten gerichtete Darmblindsäcke. Ob diese Formabweichung des Urdarms eine regel- mässige Erscheinung darstellt, ist zur Zeit nicht zu sagen, jedenfalls zeigten die beiden Embryonen aus der betreffenden Periode, welche ich auf Schnitten untersuchen konnte, dieselbe in gleicher Ausprägung. Der Durchbruch des Urdarms erfolgt genau unter den gleichen Erscheinungen wie beim Gecko. Nachdem die seitlichen Ränder des Urdarms mit dem Dotterblatt verlöthet sind, treten gleichzeitig zahl- reiche fensterartige Durchbrechungen der untern Urdarmwand sowie des darunter wegziehenden secundären Entoderms ein. Die Oeffnungen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 599 vergrössern sich, zu den alten treten neue hinzu, und schliesslich fällt die gesammte untere Urdarmwand, soweit sie einschichtig war, dem Schwunde anheim. Nur der Eingang zum Urdarm, dessen untere mehr- schichtige Wandung bestehen bleibt, bleibt erhalten und wird zum Kuprrer’schen Gang, der auf der Ventralseite Anfangs in Form einer Nische ausmündet. Der Kuprrer’sche Gang erleidet dieselben Veränderungen, wie wir sie beim Gecko beobachten konnten. Anfangs nahezu horizontal nach vorn hinziehend (Fig. 20, 21, Taf. 36 [18]), nimmt er durch Zurück- weichen seiner untern Wandung und Aufgehen dieser in dem Zellenlager des Primitivstreifens eine immer steilere Richtung an, bis er schliess- lich senkrecht von oben nach unten verläuft (Fig. 23). Mit dieser Lage- veränderung geht eine fortschreitende Verengerung des Lumens Hand in Hand. Abgesehen von der mechanischen Veränderung des Canals, die durch das Auswachsen des Primitivstreifens bedingt wird und eine Annäherung der vordern und hintern Wandung bewirkt (cf. Fig. 22 und 23), kommt es zu einer concentrischen Zusammenziehung der Canalwandungen, in Folge dessen der Kuprrer’sche Gang zu einem immer feinern Canal von ungefähr kreisrundem Durchschnitt wird (Fig. 19a, b), dessen Lumen schliesslich an einigen Stellen überhaupt nicht mehr nachzuweisen war. Diese auffallende Reduction des Lumens, sowie ähnliche Angaben MEHNERT’S machen es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass ebenso wie bei Platydactylus auch bei der Schildkröte der Kuprrer’sche Gang etwa um die Zeit der Erhebung der Medullarwülste völlig ver- schwindet und dass die von den Autoren bei älteren Embryonen con- statirte weite Communication zwischen Darm und Nervenrohr einen neuen Durchbruch darstellt. Demnach würde auch bei der Schildkröte der neurenterische Canal in zwei Phasen auftreten, die als KuPFFER- scher Gang und Canalis neurenterisus s. str. unterschieden werden müssen. Auch die Eutstehung des Mesoderms zeigt grosse Ueberein- stimmung mit den Verhältnissen beim Gecko, trotzdem es bei der Schildkröte im Allgemeinen etwas später auftritt, was besonders vom prostomialen Mesoderm gilt. Nach den Lagebeziehungen zu den ver- schiedenen Regionen des Entoderms kann man auch hier ein prosto- miales und gastrales Mesoderm unterscheiden, wenngleich diese Unterscheidung nur eine rein äussere ist und der einheitliche Charakter des Mesoderms unter allen Umständen zu betonen ist. Das gastrale Mesoderm tritt wie beim Gecko in Form zweier 600 LUDWIG WILL, Mesodermplatten auf, die rechts und links von der Mittellinie gelegen und durch einen grossen Zwischenraum getrennt sind. Höchst wahrscheinlich haben sie dadurch ihre Entstehung genommen, dass an den seitlichen Rändern des Urdarms eine Urdarmfalte wie bei Platydactylus auftrat, durch welche ein Theil der dorsalen Urdarm- wand nach der Mittellinie zu unterwachsen wurde. Sicher ist, dass die Mesodermplatten allmählich nach der Mitte zu an Breite zu- nehmen in Folge des weiteren Vorwachsens dieser Urdarmfalten. Die unterwachsene obere Urdarmwand wird zum somatischen, das obere Blatt der Falte selbst zum splanchnischen Blatt des Mesoderms, während der durch das Vorwachsen der Urdarmfalte abgeschnürte Theil des Urdarmlumens den Cölomspalt repräsentirt, der sich seitlich weit in die Mesodermplatten hinein erstreckt, während er an der Ur- sprungsstelle der Falte in den Urdarm ausmündet. Sind die Urdarm- falten bis in die Nähe der axialen Chordaanlage gelangt, so tritt neben dieser eine Verschmelzung von Somatapleura und Splanchnopleura, gleichzeitig aber auch eine Abgrenzung dieser von der Chorda selbst ein. Das untere entodermale Blatt der Urdarmfalte bringt nunmehr den Unterwachsungsprocess vollends zum Abschluss, indem es sich als ein- fache Lamelle unter die Chorda schiebt und auch diese aus der Be- grenzung des Urdarms ausschaltet. So wird die dorsale Wand des Urdarms höchst wahrscheinlich ganz, sicher aber zum grössten Theil zur Bildung von Chorda und Mesoderm verbraucht, abgesehen natür- lich von dem vordersten Theil des Urdarms, der von der Mesoderm- bildung frei bleibt. Während demnach die Chorda mit Sicherheit aus dem primären Entoderm der dorsalen Urdarmwand abgeleitet werden kann, ist es weit schwieriger, die Herkunft des definitiven Urdarmepithels festzu- stellen. Ohne Kenntniss der Entstehung des gastralen Mesoderms würde man sich zu der irrthümlichen Ansicht gedrängt sehen, das ge- sammte definitive Darmepithel aus dem primären Entoderm der dor- salen Urdarmwand abzuleiten, ein Fehler, zu dem auch MEHNERT ver- leitet wurde, der das Urdarmblatt für den einzigen Repräsentanten des Entoderms der Autoren hält, das secundäre Entoderm, welches er als Paraderm bezeichnet, dagegen für eine Bildung eigener Art an- sieht, die keine Züge mit dem Darmentoblasten gemein hat und auch keinen wesentlichen Antheil am Aufbau des Embryos nimmt. Eine derartige Ansicht ist nun aber sicher unrichtig. Wohl kann in der vor den Mesodermplatten gelegenen vordern Region das definitive Darm- epithel, soweit ich die Verhältnisse zur Zeit übersehen kann, ganz Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 601 oder zu einem Theil vom primären Entoderm der dorsalen Urdarm- wand abgeleitet werden, nicht so in dem Gebiet der Mesodermplatten selbst. Hier, also in dem weitaus grössten Theil des späteren Darm- rohres, ist das definitive Darmepithel aus der untern Lamelle der vorwachsenden Urdarmfalten abzuleiten, diese aber scheint mir mit viel mehr Recht auf das secundäre denn auf das primäre Entoderm be- zogen werden zu müssen. Das prostomiale Mesoderm entsteht durch eine Abspaltung aus dem Entoderm in der Umgebung des Blastoporus, der Primitivplatte, mit der es auch nach erfolgter Abspaltung noch continuirlich zu- sammenhängt. Da das Zellenmaterial, welches in die Bildung des prostomialen Mesoderms eingeht, zum großen Theil den überwachsenen Theilen der Sichel, also besonders den Sichelhörnern entstammt, zeigt das prostomiale Mesoderm in seiner ersten Anlage häufig noch eine sichelförmige Gestalt, welche von KUPFFER zuerst als Sichel be- schrieben wurde, von mir aber als Kuprrer’sche oder Mesoderm- sichel von der wahren Sichel unterschieden worden ist. Die Aus- breitung dieser Mesodermanlage in den Bereich der Area intermedia erfolgt durch selbständige Wucherung, wie ja auch fiir die centri- fugale Ausbreitung des gastralen Mesoderms eine selbständige Wuche- rung der freien Ränder der Mesodermplatten mit Sicherheit zu con- statiren ist. Wenn das prostomiale Mesoderm demnach in der Onto- genie eine andere Entstehung nimmt als das gastrale Mesoderm, so zeigt die Thatsache, dass sehr bald auch im prostomialen Mesoderm ein auf der Primitivplatte im Urmundspalt ausmündender Cölomspalt auftritt, der eine Somatopleura von einer Splanchnopleura scheidet, dass stammesgeschichtlich auch dieser Mesodermtheil auf denselben Ursprung wie das gastrale zurückzuführen ist und dass es nur den cänogenetisch am meisten veränderten Theil des Mesoderms darstellt. Die Veränderungen, welche die Urmundöffnung im Laufe der Ent- wicklung erfährt, sind ganz ähnlich wie beim Gecko, wenngleich es wegen Mangels an Material nicht möglich war, auch die letzten Ver- änderungen zu studiren, welche wir beim Gecko zur Bildung einer langen Primitivrinne führen sehen. Die Sichelrinne wird nach Ueber- wachsung der Sichelhörner zu einer rundlichen Delle reducirt, deren obere Oeffnung den Eingang in den sich vertiefenden Urdarm dar- stellt. Während die Primitivplatte selbst die Gesammtheit des Blasto- porus darstellt, repräsentirt die Urmunddelle nur den zur Zeit ge- öffneten, also zur Invagination gebrachten Theil desselben. Anfänglich ungefähr in der Mitte der Primitivplatte gelegen, rückt sie in Folge 602 LUDWIG WILL, des Längenwachsthums der letzteren, an dem vorzugsweise der hinter der Urmundöffnung gelegene Theil der Primitivplatte betheiligt ist, allmählich ganz an das Vorderende der letztern (Fig. 10a) und wird dabei gleichzeitig zu einem queren Spalt comprimirt, der leicht nach vorn gebogen ist. Später (Fig. 12a) erfährt der quere Urmundspalt wie beim Gecko eine scharfe Knickung nach hinten, wobei gleichzeitig der Spalt selbst sich nach hinten verlängert und die Primitivplatte ebenfalls inein Rand- und ein Mittelfeld getheilt wird, von denen ersteres mit der Somatopleura, letzteres mit der Splanchnopleura in Verbindung steht. Wenn auch exacte Beobachtungen noch nicht darüber vorliegen, so erscheint es doch im höchsten Grade wahr- scheinlich, dass auch bei der Schildkröte im Laufe der Zeit die ge- sammte Primitivplatte zur Invagination gebracht wird, indem zunächst das Randfeld in die Tiefe rückt (in Fig. 24a bereits erfolgt) und dann auch das Mittelfeld durch Ueberwachsung von Seiten der Blastoporus- lippen seine oberflächliche Lage aufgiebt. Der Entodermpfropf würde dann auch hier denjenigen Theil des Mittelfeldes darstellen, der noch thatsächlich an die Oberfläche tritt. Wie aber im Einzelnen diese Ueber- wachsung der Primitivplatte vor sich geht, ist ohne eingehende Unter- suchung nicht mit annähernder Sicherheit zu sagen. Zwar wissen wir, dass beim Gecko die geknickte Urmundspalte das Vorstadium einer 3 “ ‘ { 1 ' t (0 RR ST ina ARTEN agin” ~ a a = te usp ae” usp Fig. Ju. K. Zwei ältere Embryonen mit noch offener und theils geschlossener Medullarrinne (mr) von Cistudo lutaria taurica nach MEHNERT (Gastrulation etc. von Emys lutaria). Trotz des Alters der Embryonen zeigt die Urmundspalte (usp) immer noch die winklige Form; an Umfang ist sie geringer ge- worden, ohne dass dabei die Bildung einer Primitivrinne eingetreten wäre, am vordere Amnionfalte. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 603 langgestreckten Primitivrinne ist, und es ist daher wohl anzunehmen, dass die Schildkröte sich im Princip ebenso verhalten wird. Ob es dabei jedoch ebenfalls zu einer äusserlich in gleicher Weise hervor- tretenden Primitivrinne in Wirklichkeit kommt, ist dagegen nach den vorhandenen Oberflächenansichten von ältern Embryonen, von denen zwei in beistehenden Holzschnitten, Fig. J u. K, wiedergegeben sind, kaum anzunehmen !). Fast alle Embryonen zeigen wie die beistehenden trotz ihres Alters noch eine winklig gebogene Urmundspalte von aller- dings geringerer Ausdehnung, so dass es viel wahrscheinlicher ist, dass bei der Schildkröte die Schenkel des Winkels, wie wir sie in meiner Fig. 12a sehen, überhaupt nicht annähernd gleichzeitig wie beim Gecko sich an einander legen, sondern dieser Process vielmehr so langsam, von vorn nach hinten fortschreitend, erfolgt, dass vorn die Verwachsung der Lippenränder zur Urmundnaht bereits erfolgt ist, wenn hinten die Schenkel noch divergiren ?). Es käme auf diese Weise wohl zu einer allmählich über den ganzen Prmitivstreifen sich erstreckenden Naht- bildung, nicht aber zu dem Vorstadium, einer in gleicher Ausdehnung sichtbaren Primitivrinnen-Bildung. Rostock, den 5. Januar 1893. 1) O. Herrwie benutzt zwar in allen Auflagen seines Lehrbuches der Entwicklungsgeschichte (3. Aufl., fig. 101b) eine Kurrrer’sche Abbildung eines Schildkrötenembryos zur Demonstration der Entstehung einer Primitivrinne aus einer queren Urmundspalte. Die betreffende Figur weicht aber so sehr von den von Mırsururı und Mennxerr abgebildeten gleichaltrigen Stadien ab, dass ich auch noch aus andern Gründen an- nehmen muss, dass das Hinterende des betr. Embryos unrichtig wieder- gegeben ist. 2) In dieser Ansicht wurde ich noch durch den Umstand bestärkt, dass nach inzwischen angestellten Beobachtungen bei der Eidechse die Primitivrinnenbildung sich thatsächlich in dieser Weise vollzieht. 604 LUDWIG WILL, Erklärung der Abbildungen. Durchgehende Bezeichnungen. ai Area intermedia. r Reste der untern Urdarmwand. co Cölomspalte. s Embryonalschild. dv.l. linkes Urdarmdivertikel. so somatisches Blatt des Mesoderms. dv.r. rechtes Urdarmdivertikel. sp splanchnisches Blatt desselben. e Entoderm. udd dorsale Urdarmwand. e, primäres Entoderm, Urdarmblatt. «dv ventrale Urdarmwand. e,, secundäres Entoderm, Dotter- wdr Urdarmrinne. blatt. w Grenze zwischen Mittel- u. Rand- kg Kurrrer’scher Gang (Canalis feld des Primitivstreifens (cf. neurentericus). Geckoarbeit, tab. 11). mgr gastrales Mesoderm. y vordere, resp. seitliche Blasto- mpr prostomiales Mesoderm. poruslippe. pp Primitivplatte. 2 hintere Blastoporuslippe. Tafel 30 [12]. Fig. 1. Cistudo lutaria, Embryo No. 3 (Stadium I). Embryonal- schild mit sichelförmiger Primitivplatte in der Ansicht von unten. Länge des Schildes 2,5 mm, Breite desselben 2,3 mm, Länge der Sichel 0,36 mm, Breite derselben ungefähr 1,2 mm. Vergrösserung Zeiss aa, Oc. 1, Text S. 531; sagittale Längsschnitte in Fig. 13a, b, Taf. 33 [15]. | Fig. 2a. Cistudo lutaria, Embryo No. 4 (Stad. II). Embryonal- schild mit rundlicher Primitivplatte und dellenförmiger Urdarmeinstülpung in der Ansicht von oben. Die Schildränder waren in Folge des der Unterseite des Embryos anhaftenden Dotters so undeutlich erkennbar, dass Messungen der Schildausdehnung unmöglich waren. Länge der Primitivplatte ca. 0,5 mm. Vergröss. Zeiss aa, Oc. 1, Text S. 535 ff.; Medianschnitt in Fig. 15, Taf. 33 [15]. Fig. 2b. Derselbe Embryo in der Ansicht von unten. Fig. 3a. Cistudo lutaria, Embryo No. 5 (Stad. III) in der Ansicht von oben. Die Primitivplatte ist, wie das bereits aus voriger Figur hervorgeht, median gegen den Schild vorgewachsen, weshalb dieser von nun an hinten tief herzförmig ausgeschnitten erscheint. Am Vorderende Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 605 dieses Ausschnittes liegt der querspaltförmige Eingang in die Urdarm- einstülpung, welche, wie aus Schnitten ersichtlich, bereits die Richtung nach vorn eingeschlagen hat. Länge des Schildes 2,15 mm, Breite des- selben 1,8 mm, Breite der Urmundspalte 0,18 mm, Entfernung derselben vom vordern Rande des Schildes 1,6 mm. Vergröss. Zeiss aa, Oc. 1, Text S. 541 ff; Medianschnitt in Fig. 16, Taf. 33 [15]. Fig. 3b. Derselbe Embryo in der Ansicht von unten. Fig. 4a. Malacoclemmys palustris (Stad. IV). Embryonalschild, dessen Urdarmeinstülpung so ziemlich die volle Länge, dagegen noch nicht die definitive Breite erreicht hat, in der Ansicht von oben. Die axiale Erhebung des Schildes ist durch den Urdarm veranlasst. Die Verhältnisse der Primitivplatte wie auf dem vorhergehenden Stadium. Copie der fig. 10, tab. 11 von Crark!), nur in richtiger Orientirung gezeichnet, Text S. 546. Fig. 4b. Derselbe Embryo in der Ansicht von unten, aus der der Umfang des Urdarms ersehen werden kann. Gleichfalls in anderer Orientirung nach demselben Autor copirt. Tafel 31 [13]. Fig. 4c. Embryonalschild desselben Embryos von hinten, aus welcher Ansicht hervorgeht, dass die Primitivplatte im Niveau tiefer liegt als die Schildoberfläche. Copie nach CLARK (1. c.). Fig. 4d. Medianer Längsschnitt durch denselben Embryo, copirt nach CLARK, um zu zeigen, wie trotz der irrthümlichen Auffassung der Einstülpung, die mit der Amnionbildung in Verbindung gebracht wird, der Thatbestand bereits richtig von dem amerikanischen Autor zur Be- obachtung kam. Fig. 5a. Ozotheca odorata (Stad. IV). Embryonalschild mit gleich- falls sehr weit entwickelter Urdarmeinstülpung. Copirt nach fig. 9, tab. 11 der Abhandlung von CLARK (1. c.) in richtiger Orientirung. Aus der Abbildung ist nicht zu ersehen, ob der Urdarm durch den Embryonal- schild hindurchscheint, oder ob derselbe nur in Folge einer Empor- wölbung der Schildoberfläche äusserlich zum Ausdruck kommt. Text S. 546. Fig. 5b. Längsschnitt durch denselben Embryo nach dem gleichen Autor. Fig. 6a, b. Cistudo lutaria, Embryo No. 8 (Stad. V). Embryonal- schild mit im Durchbruch befindlicher unterer Urdarmwand in dorsaler und ventraler Oberflächenansicht. Aus der Ansicht von unten (vergl. auch die Fig. 7b, 8b) erhellt zugleich der ausserordentliche Umfang, welchen die Urdarmeinstülpung bei der Schildkröte erreicht. Länge des Schildes 1,8 mm, Breite desselben 1,97 mm, Breite der Urmundspalte 0,25 mm. Vergrüss. Zeiss aa, Oc. 1. Text S. 547 ff.; Querschnittserie Fig. 18, Taf. 35 [17], reconstruirter Längsschnitt Fig. 20, Taf. 36 [18]. 1) L. Acassız and H. C. Carr, Embryology of the Turtle, Boston 1857, in: Contributions to the Natural History of the U. St. of America, Vol. 2, Part 3. Zool. Jahrb. VI. Abth. f. Morph. 39 606 LUDWIG WILL, Fig. Ta, b. Cistudo lutaria, Embryo No. 7 (Stad. V). Embryonal- schild mit in Durchbruch befindlichem Urdarm in dorsaler und ventraler’ Oberflächenansicht. Länge des Schildes 1,8 mm, Breite desselben ebenso. Breite der Urmundspalte 0,36 mm. Vergröss. Zeiss aa, Oc. 1. Text S. 547 ft. Fig. 8a, b. C. lutaria, Embryo No. 1 (Stad. V). Embryonalschild mit in Durchbruch befindlichem Urdarm in der Ansicht von oben und unten. Länge des Schildes 1,8 mm, Breite der Urmundspalte 0,29 mm. Vergröss. Zeiss aa, Oc. 1. Text S. 547 ff. Querschnittserie Fig. 17 a—p (Taf. 34 [16]), reconstruirter Längsschnitt Fig. 21 (Taf. 36 [18]). Tafel 32 [14]. Fig. 9a. Cistudo lutaria, Embryo No. 6 (Stad. VI), gesammelt von M. Braun (Menorca 1882). Embryonalschild nach vollendetem Durch- bruch des Urdarms in der Ansicht von unten. Die Reste der untern Urdarmwand sind vollständig geschwunden. Länge des Schildes 2,15 mm, Breite desselben 1,8 mm. Vergréss. Zeiss aa, Oc. 1. Text S. 561 ff.; medianer Längsschnitt Fig. 22, Taf. 36 [18], dorsale Ansicht der Ur- mundöffnung Fig. 9b, Taf. 33 [15]. Fig. 10a. C. lutaria, Embryo No. 2 (Stad. VI). Ansicht von oben. Die Primitivplatte liegt in einem tiefen Ausschnitt des Embryonalschildes und trägt auf ihrem vordern Rande die Urmundöffnung, die nunmehr den Eingang zum Canalis neurentericus darstellt. Trotzdem letztere noch eine breite, quere Spalte darstellt, ist doch der Kurrrer’sche Gang bereits zu einem Canal geworden, der nahezu senkrecht von oben nach unten verstreicht. Länge des Schildes 1,97 mm. Vergröss. Zeiss aa, Oc. 1. Text S. 564 ff; Medianschnitt Fig. 23, Taf. 36 [18]. Fig. 10b. Derselbe Embryo in der Ansicht von unten. Die untere Ausmündung des Kurrrer’schen Ganges bildet im Gegensatz zu Fig. 9a nunmehr eine feine, am Vorderende der mächtig vorspringenden Pri- mitivplatte gelegene Oeffnung. Fig. 11. C. lutaria, Embryo No. 9 (Stad. VII). Ansicht von oben. Der Embryo zeigte in Betreff des Oberflächenreliefs und des Verhaltens des Kurrrer’schen Ganges recht abweichende Verhältnisse. Während der letztere in Fig. 10 bereits nahezu senkrecht verlief, verstreicht er hier noch fast horizontal in der Richtung nach vorn (reconstruirter Längsschnitt Fig. 14, Taf. 33 [15]), zeigt dabei noch seine ursprüngliche Länge, ist aber schon so eng geworden, dass sein Lumen stellenweise nur mit der grössten Schwierigkeit nachzuweisen war. Trotzdem das gastrale Mesoderm bereits seine Entstehung genommen, hat dasselbe doch in keiner Weise das Oberflächenrelief beeinflusst, wie wir das beim Gecko zu sehen gewohnt waren und es auch für den nächst ältern Schildkrötenembryo constatiren werden. Bemerkenswerth sind die Ver- hältnisse in der hintern Region des Embryonalschildes. Hier findet sich statt der bei den übrigen Embryonen constatirten Oberflächen- gliederung nur eine leichte, plateauartige Erhebung, deren vordere Ränder mit der vordern Grenze des stehengebliebenen hintern Abschnittes der Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 607 ventralen Urdarmwand zusammenfallen. In der Mitte der Erhebung, die keineswegs der Primitivplatte entspricht, findet sich eine äusserst kleine Delle, deren Mitte sich in den engen Kurrrer’schen Gang ver- tieft und als Urmundöffnung aufzufassen ist. Die Primitivplatte kann also nur unmittelbar hinter der Dello gesucht werden. Wie diese Delle aus einem queren Spalt hervorgegangen ist, darüber können bei der geringen Zahl von Embryonen nur Vermuthungen geäussert werden. Länge des Schildes 2,3 mm, Breite desselben 1,8 mm. Vergröss. Zeiss aa, Oc. 1. Text S. 573; Querschnittserie Fig. 19, Taf. 35 [17], reconstruirter Medianschnitt Fig. 14, Taf. 33 [15]. Fig. 12a. C. lutaria, Embryo No. 10 (Stad. VII. Embryo mit vorgeschrittener Mesodermbildung, dessen das Oberflächenrelief in typi- scher Weise ausgeprägt ist. Ansicht von oben. Die früher (cf. Fig. 10a) quere Urmundspalte ist nunmehr wie auf dem gleichen Stadium beim Gecko winkelig nach hinten geknickt und schickt sich somit zur Bildung (der Primitivrinne an. Die beiden Schenkel des Winkels fassen die Pri- mitivplatte zwischen sich. Von der Spitze des Winkels aus ziehen nach vorn zwei bogenförmige, stark divergirende Firste, welche die Insertions- linien des gastralen Mesoderms darstellen und die paarigen; äussern Mesoderm- oder Rückenwülste medianwärts begrenzen, die Rückenwülste sind leicht eingesunken. Der vor den Mesodermwülsten gelegene Theil des Embryonalschildes ist durch eine Bogenlinie in zwei hinter einander gelegene Regionen getheilt, von denen die hintere die sogen. Hirnplatte, die vordere dagegen die Anlage für das Kopfamnion darstellt. Länge des Embryonalschildes 1,62 mm, Breite desselben 1,44 mm. Vergröss. Zeiss aa, Oc. 1. Text S. 568; Querschnittserie Fig. 24, Taf. 36 [18]. Fig. 12b. Derselbe Embryo in der Ansicht von unten. In der Mitte des Schildes erkennt man eine breite, scharf begrenzte Rinne, die als Urdarmrinne bezeichnet werden mag, in deren hintern Theil der Kuprrrer’sche Gang mit weiter Oeffnung einmündet. Text S. 571. Tafel 33 [15]: Fig. 9b. Urmundspalt des Embryos No. 6 (Stad. VI) in der An- sicht von oben. Vergl. die ventrale Ansicht desselben Embryos in Fig. 9a, Taf. 32 [14]. Text S. 561. Fig. 13a (Stad. I). Medianer Längsschnitt durch den in Fig. 1 ab- gebildeten Embryo. Vergröss. Zeiss AA, Oc. 1. Text S. 532 ff. Fig. 13b (Stad. I). Region der Sichel desselben Längsschnittes bei stärkerer Vergrösserung. Vergröss. Zeiss DD, Oc. 1. Text S. 532 ff. Fig. 14. Embryo No. 9 (Stad. VII). Längsschnitt durch die Region des Kurrrer’schen Ganges, reconstruirt aus der in Fig. 19, Taf. 35 [17] abgebildeten Querschnittserie. Text S. 573. Fig. 15. Embryo No. 4 (Stad. II). Sagittaler Längsschnitt durch 1) Bei allen Längsschnitten ist auf das Vorderende durch einen Pfeil hingewiesen. 39* 608 LUDWIG WILL, den in Fig. 2a, b, Taf. 30 [12] abgebildeten Embryo. Text S. 536, 577. Vergröss. Zeiss cc, Oc. 1. Fig. 16. Embryo No. 5 (Stad. III) Sagittaler Längsschnitt durch den in Fig. 3a, b, Taf. 30 [12] abgebildeten Embryo. Vergröss. Zeiss DD, Oc. 1. Text S. 543, 577. Tafel 34 [16]. Fig. 17a—p. Cistudo lutaria, Embryo No. 1 (Stad. V). Quer- schnittserie durch den in Fig. 8a, b, Taf. 31 [13] abgebildeten Embryo. Alle vor der vordern Urmundlippe gelegenen Schnitte sind mit +, alle dahinter gelegenen mit — bezeichnet. Die Reihenfolge der Schnitte ist durch die beigefügte Zahl bezeichnet, aus der man unmittelbar die Entfernung des Schnittes von der Urmundlippe entnehmen kann, da die Schnittdicke dieser und aller folgenden Serien !/,,, mm beträgt. Vergröss. Zeiss cc, Oc. 1. Text S. 549 ff, 578. Tafel 35 [17]. Fig. 18a—c. Cistudo lutaria, Embryo No. 8 (Stad. V). Quer- schnitte durch den Primitivstreifen des in Fig. 6a, b, Taf. 31 [13] ab- gebildeten Embryos. Vergrüss. Zeiss cc, Oc. 2. Text S. 555 ff. Fig. 18d. Querschnitt durch die Urdarmregion desselben Embryos, 0,32 mm vor der vordern Urmundlippe. Vergröss. Zeiss cc, Oc. 1. Text S. 555. Fig. 19a—h. Embryo No. 9 (Stad. VII). Querschnittserie durch den in Fig. 11, Taf. 32 [14] abgebildeten Embryo. Vergröss. Zeiss ce, Oc. 1. Text S. 575, 579, 584; Bezeichnung der Schnitte und Schnitt- dicke wie in den vorhergehenden Serien. Tafel 36 [18]. Fig. 20. Cistudo lutaria, Embryo No. 8 (Stad. V). Medianschnitt durch den in Fig. 6a, b, Taf. 31 [13] abgebildeten Embryo, reconstruirt aus einer Querschnittserie (cf. Fig. 18, Taf. 35 [17]. Text S. 556, 579. Vergröss. 100 : 1 (Zeiss cc, Oc. 1). Fig. 21. Embryo No. 1 (Stad. V). Medianschnitt durch den in Fig. 8a, b, Taf. 31 [13] abgebildeten Embryo, reconstruirt aus der in Fig. 17, Taf. 34 [16] zum Theil abgebildeten Querschnittserie. Vergröss. 100 : 1 (Zeiss cc, Oc. 1). Text S. 547, 553. Fig. 22. Embryo No. 6 (Stad. VI). Wirklicher Medianschnitt durch den in Fig. 9a, b, Taf. 32 [14], 33 [15] abgebildeten Embryo mit völlig durchgebrochenem Urdarm. Vergröss. Zeiss cc, Oc. 1. Text S. 563. Fig. 23. Embryo No. 2 (Stad. VI). Wirklicher Medianschnitt durch den in Fig. 10a, b, Taf. 32 [14] abgebildeten Embryo mit nahezu senk- rechtem Kurrrer’schen Gang. Vergröss. Zeiss cc, Oc. 1. Text S. 565. Fig. 24a—e. Embryo No. 10 (Stad. VII). Querschnitte durch den in Fig. 12a, b, Taf. 32 [14] abgebildeten Embryo mit bereits angelegtem gastralen Mesoderm. Vergröss. Zeiss ce, Oc. 1. Text 8. 569, 580, 588. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 609 Nachschrift. Nach beendeter Correctur des Satzes der vorstehenden Arbeit erschienen in der neuesten Nummer des Anatomischen Anzeigers vom 13. Mai d. J. zwei Aufsätze Mrrsuxurr’s, von deren Erscheinen mich der Autor bereits vorher freundlichst in Kenntniss gesetzt hatte. Beide stehen in so enger Beziehung zu der vorstehenden Arbeit, dass sie mich zu einer kurzen Nachschrift veranlassen. Der erste Aufsatz: „Preliminary note on the process of gastru- lation in Chelonia“ hat einen besondern Werth, weil der Verf., dem in seinen früheren mehrfach citirten Arbeiten nur Embryonen nach er- folgtem Urdarmdurchbruch vorgelegen haben, in vorliegender Mit- theilung auch jüngere Embryonen beschreibt, unter denen nur das Sichelstadium zu fehlen scheint. Die Resultate, zu denen der Autor hinsichtlich des Gastrulationsprocesses gelangt ist, decken sich im Wesentlichen so vollkommen mit meinen Ergebnissen, wie ich sie in meiner vorläufigen Mittheilung +) sowie in vorstehender Arbeit nieder- gelegt habe, dass ich zum Beweise dieser erfreulichen Uebereinstimmung die Hauptsätze des japanischen Forschers hier in wörtlicher Ueber- setzung anführe: 1) „Im weitern Verlauf der Furchung treten innerhalb des Blasto- derms zwei Schichten auf: a) der oberflächliche, in der Region des Embryonalschildes aus Cylinderzellen zusammengesetzte Epiblast, und b) das untere Blatt, das sich aus unregelmässig sternförmigen Zellen zusammensetzt und wahrscheinlich keine vollständige Membran dar- stellt.“ (Fig. L, 1). 2) „Diese Trennung in zwei Blätter tritt im ganzen Bereich des Blastoderms ein mit Ausnahme einer kleinen Zone am Hinterende des künftigen Embryos (Fig. L, 1 Prim. Kn.). Hier ist nicht nur die Differenzirung der Keimblätter unterblieben, sondern durch den Hinzu- tritt von Zellen aus dem darunter gelegenen Dotter ein dicker Knopf entstanden: die Primitivplatte oder der Primitivknopf.“ 3) „In der Mitte der letztern tritt eine Einstülpung (Fig. L, 2 Arche.) auf, die Anfangs gerade nach unten sich erstreckt, bald aber eine hori- 1) L. Wit, Zur Kenntniss der Schildkrötengastrula, in: Biolog. Centralbl., 1892. 610 LUDWIG WILL, zontale Richtung nach vorn einschlägt (Fig. L, 3) und die Invagi- nationshöhle oder den Urdarm darstellt, dessen dorsale Oeffnung der Blastoporus ist. Der Urdarm dehnt sich allmählich nach vorn aus pari passu mit der Verlängerung des Primitivknopfes nach vorn“ (Fig. L, 2—3). 4) „Das Dach des Urdarms, welches an der dorsalen Blastoporus- lippe in den Epiblast übergeht, nimmt den Charakter eines Cylinder- epithels an, welcher Process am Hinterende beginnt und sich all- mählich nach vorn ausdehnt. Aus dem mittlern Theil des Daches geht die Chorda und der gastrale Meso- 1 blast hervor“ +). FR ERDE D 5) „Der Boden des Urdarms zerfällt in zwei Abschnitte: a) in z 2 den hintern gréssern Theil, aus dem der prostomiale Mesoblast hervorwuchert, und b) den vordern kleinern Abschnitt, der allmahlich undeutlich wird (loosing its de- finiteness) und gleichzeitig mit dem darunter gelegenen Theil des Primitivknopfes der Resorption anheimfallt, auf diese Weise den Urdarm mit der grossen sub- 3, germinalen Dotterhöhle in Ver- cu Be: bindung setzend“ (Fig. L, 4). 6) „Der Primitivknopf, der Ha. fd 6 Ye Aug sich vor dem Durchbruch der Ur- darmhöhle allmählich unter dem = S Ss = Embryonalschild ausbreitete, setzt . { h auch nachher seine Ausbreitung so Fig. L. Schematische Längs- schnitte durch verschiedene Ga- strulationsstadien von Chelonia caouana WAGL. nach MITSURURI (aus: MiTsUKURI, in: Anatom. Anzeiger, 1893, p. 428). Embr. Shield. Embryonalschild, Pr. Kn. Primitivplatte, Arche, Urdarmein- stülpung, Yk. Plug Entodermpfropf. lange fort, bis er die ganze ven- trale Oberfläche des Embryonal- schildes eingenommen hat (Fig. L, 5). Das Vorrücken der Zellen des Primitivknopfes wird auf den spätern Stadien durch eine peri- 1) Hier wird verwiesen auf des Autors frühere, von mir mehrfach erwähnte Arbeit: Further studies on the germinal layers in Chelonia, in: Journ. Sc. Coll. Tokyo, Japan, vol. 5, Part 1. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 611 phere reticuläre Zone!) bezeichnet, die eine compacte innere Zone umgiebt.‘ Soweit ich die neuen, an Chelonia gewonnenen Resultate MITSUKURT'S in der knappen Fassung einer vorläufigen Mittheilung beurtheilen kann, scheinen sich, wie bereits erwähnt, dieselben in allen wesentlichen Punkten vollständig mit den Ergebnissen meiner Untersuchungen an Cistudo zu decken. Zwar wird eine Primitivsichel als Vorläufer der Primitivplatte nicht erwähnt, doch dürfte eine solche sowohl beim Gecko wie bei Cistudo vorkommende Bildung auch bei Chelonia kaum fehlen und daher die Hoffnung gerechtfertigt sein, dass auch bei Chelonia ein solches Stadium noch aufgefunden wird. Wesentlich scheint mir hinsichtlich der von mir in dieser und der vorigen Arbeit vertretenen Auffassung der Pri- mitivplatte zu sein, dass auch MıTsuKuri dieselbe nicht für eine Bildung ectodermalen, sondern vielmehr entodermalen Ursprungs hält. Indem er nämlich von der Ausbreitung des Blastoderms über den Dotter spricht, heisst es in dem folgenden Satz: „But in the center of the blastoderm, a certain amount of undifferentiated materials is left in the shape of the primitive knob etc.“ Wenn in der Mittheilung Mırsu- KurIs die Beziehungen zwischen primärem und secundärem Entoderm nicht eingehender behandelt und auch auf den schematischen Figuren nicht dargestellt sind, so geschah das wohl nur im Interesse der Ein- fachheit der Darstellung, zumal aus den wenigen Worten, die ihnen p. 430 gewidmet werden, hervorgeht, dass hier keine wesentlichen Differenzen vorkommen. Decken sich bis soweit also unsere beiderseitigen Ergebnisse an verschiedenen Untersuchungsobjecten vollständig, so differiren sie hin- sichtlich des Urdarmdurchbruchs thatsächlich; jedoch beruht diese Abweichung nicht auf etwaigen Beobachtungsfehlern, sondern auf einem thatsächlich verschiedenen Verhalten von Cistudo und Chelonia. Wäh- rend bei ersterer und ebenso auch bei den von CLARK untersuchten Schildkrötenarten der Urdarm noch vor dem Eintritt des Durchbruchs seine definitive Ausdehnung erlangt und die Schildränder erreicht, tritt der Durchbruch bei Chelonia, offenbar ein nicht mehr so ursprüngliches Verhalten, viel früher ein, so dass nach erfolgtem Durchbruch das primäre Entoderm der dorsalen Urdarmwand allein seine weitere Aus- dehnung unterhalb des Schildes fortsetzen muss (cf. Fig. L, 4—5). Es handelt sich hier bei Chelonia somit um eine Abweichung von dem 1) Mrrsuxurt erwähnt hier die auch von mir besprochene irrthüm- liche Deutung, welche Meunerr dieser Zone hat zu Theil werden lassen. 612 LUDWIG WILL, beim Gecko und bei Cis{udo beobachteten Typus, die um so bedeutungs- voller erscheint, als wir darin wahrscheinlich den Uebergang zu dem Verhalten des Kopffortsatzes bei der Eidechse zu erblicken haben !). Wenn der Verf. ferner nur den mittlern Theil der dorsalen Ur- darmwand (cf. Satz 4 der angeführten Resultate MıTsukurr’s) ausser in die Bildung der Chorda in die Entstehung des gastralen Mesoderms eingehen lässt, so bin ich in dieser Beziehung allerdings anderer An- sicht, indem ich beim Gecko glaube den Nachweis geführt zu haben, dass die gesammte dorsale Urdarmwand zur Bildung der Chorda und des gastralen Mesoderms aufgebraucht wird und für eine solche Auffassung auch bei der Schildkröte kein Hinderniss sehe. Auch hier handelt es sich jedoch nicht um einen Widerspruch in der Beobachtung, sondern nur um eine verschiedene Deutung der auch von MITSUKURI anerkannten Thatsachen. Doch soll dieser Punkt an der Hand des zweiten, am gleichen Orte erschienenen Aufsatzes MITsUKURTS ein- gehender besprochen werden. Dieser Aufsatz, betitelt: „On mesoblast formation in Gecko“, basirt auf den von mir im ersten Theil dieser Beiträge niedergelegten That- sachen und bezieht sich ferner auf die im Laufe der vorstehenden Abhandlung ausführlich besprochene Arbeit Mrrsukurrs: „Further studies on the formation of the germinal layers in Chelonia“ (in: Journ. Sc. Coll. Imp. Univ. Tokyo, Japan, vol. 5, Part 1). Zunächst ist es von Wichtigkeit, zu constatiren, dass der Verf. die Richtigkeit der von mir mitgetheilten Beobachtungen über die Meso- dermbildung des Geckos rückhaltslos anerkennt. Pag. 432 heisst es: „In a paper of mine published about a year ago I went over the same ground in Clemmys. The facts as [given] by myself agree so closely with those given by WiLL that we may safely take it for granted that they are essentially correct“. In einer Anmerkung hierzu heisst es dann weiter: „My observations did not include that stage in which cells are proliferated from the lateral edges of the archenteron, before that 1) Wie auf S. 559 meiner vorstehenden Arbeit erwähnt, behauptet auch Mennxerr für die taurische Varietät von Cistudo lutaria, dass hier ebenfalls der Durchbruch bereits erfolgt, wenn der Urdarm etwa die Hälfte seiner definitiven Länge erreicht hat. Ich betone nochmals, dass ich eine derartige individuelle Schwankung auch innerhalb derselben Schildkrötenspecies sehr wohl für möglich halten würde, dass ich sie jedoch vorläufig für Cistudo noch nicht als bewiesen ansehen kann, da ich in der Mreunert’schen Arbeit exacte Belege für eine derartige Form des Durchbruchs vermisse. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 613 cavity opens below. I am, however, persuaded that Wri is correct in his statements in regard to this.“ In der Deutung des Thatbestandes weichen wir nun mehr von ein- ander ab, als es mir beim Lesen der citirten Arbeit Mirsukurrs über die Keimblattbildung der Schildkröte der Fall zu sein schien !). Wie nämlich aus diesem neuesten Aufsatz hervorgeht, hält Verf. die Bilder, welche er für die Mesodermbildung der Schildkröte aufgefunden hat und die sich hinsichtlich des Thatbestandes ebenfalls mit den meinigen, in vorstehender Arbeit vorgeführten decken, für „a renewed and em- phatic confirmation of the view that the gastral mesoblast arises as the wall of diverticula of the archenteron.“ Verf. glaubt nun diese Hertwia’sche Auffassung auch auf die von mir geschilderten Verhält- nisse beim Gecko übertragen zu können und erläutert diese Anschauung noch genauer an der Copie der Figuren II und V, die auf S. 582 in vorstehender Schildkrötenarbeit reproducirt sind. Die Strecke zp der Fig. II, welche ich als Zwischenplatte bezeichnet habe und für einen Theil des Urdarms halte, der später durch Unterwachsung in die Bildung des gastralen Mesoderms eingeht, hält Verf. für ein durch besondere Verhältnisse abgeflachtes Urdarmdivertikel, das nur durch den Mangel einer Curvatur von einem gewöhnlichen Divertikel unterschieden ist, Ich kann mich jedoch bei einer solchen Auffassung, die durch den weitern Verlauf der Dinge direct widerlegt wird, des Eindrucks nicht erwehren, als ob durch dieselbe, zu Liebe einer herrschenden Theorie, den Thatsachen ein recht auffallender Zwang angethan wird. Wäre die Zwischenplatte ?) als ein abgeflachtes Cölomdivertikel anzusehen, so müsste aus ihr sowohl das somatische wie das splanchnische Blatt hervorgehen. Thatsächlich geht jedoch aus ihr nur die Somatopleura hervor, während die Splanchnopleura durch das obere Blatt der vor- 1) Da in dieser Arbeit Mirsuxurrs ausschliesslich der Thatbestand in den Vordergrund gestellt ist, dagegen die zu demselben hinführenden Vorgänge fast ganz unberücksichtigt gelassen wurden, so war es mir nicht möglich, auf Grund derselben eine genaue Vorstellung von den An- schauungen unseres Forschers zu gewinnen. Ich bitte deshalb um Ent- schuldigung, wenn ich in dem Bestreben, unserm japanischen Forscher Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, demselben in vorstehender Arbeit vielleicht eine Ansicht untergeschoben habe, die mehr mit der meinigen übereinstimmt, als es nach den neuesten Auslassungen Mirsuxuri’s that- sächlich der Fall ist. 2) Verf. scheint dieselbe bereits auch auf diesem Stadium als Meso- derm anzusehen, während sie für mich zunächst nichts als ein Theil der dorsalen Urdarmwand, also Entoderm ist. 614 LUDWIG WILL, wachsenden Urdarmfalte gebildet wird. Das Vorwachsen dieser Falte scheint Verf. nichtsdestoweniger, im Gegensatz zu seiner Auffassung der Zwischenplatte, für nöthig zu halten, wenn er sagt: „A fold is needed to snack the outer limit of the diverticulum, and wether the pre- sence of the fold is emphasized or the diverticulum is pointed out as the essential feature does not alter the facts of the case much.“ Hin- sichtlich des letztern Punktes scheint mir unser Forscher sich in einem fundamentalen Irrthum zu befinden, in dem ich den Kernpunkt unserer Differenz sehe. Bei der Beurtheilung einer embryonalen Anlage kommt es in erster Linie gerade auf die Vorgänge an, welche zu ihrer Bildung geführt haben; nun aber sind gerade die Bildung eines Divertikels im Sinne Hertwia’s, welches neben der Chorda auftritt und nach aussen an Ausdehnung gewinnt, sowie die Bildung einer Urdarmfalte in meinem Sinne, welche am Rande des Urdarms beginnt und gegen die Chorda vorwächst, grundverschiedene Vorgänge, auch wenn das Endbild scheinbar das gleiche ist. Letzteres ist aber insofern nur scheinbar der Fall, als bei der Annahme der vorwachsenden Urdarm- falte (cf. Fig. C, S. 582) die gesammte dorsale Urdarmwand mit Aus- schluss der Chordaanlage zum Mesoderm wird, während bei der bis- herigen Annahme, nach der das Mesoderm durch zwei neben der Chorda auftretende Divertikel gebildet werden soll, eben nur die an die Chorda grenzenden Partien der obern Urdarmwand für die Mesodermbildung in Betracht kommen können. Nach Mrrsuxuers nunmehr klar ausgesprochener Auffassung würde nun bei der Schildkröte das Cölomdivertikel nicht unmittelbar neben der Chordaanlage auftreten, sondern von derselben durch einen Zwischen- raum getrennt, der von einem Theil des Urdarmepithels resp. den seit- lichen Theilen der bisher als Chordaanlage aufgefassten Bildung einge- nommen wird, der „becomes eventually incorporated in the mesoblast“. Mit dieser wichtigen Entdeckung aber setzt sich, wie mir scheint, unser Forscher schon selbst in Widerspruch zu der von HERTWIG inaugurirten Auffassung. Wenn dieser zwischen dem Ursprung der Divertikel und der Chorda gelegene Entodermabschnitt in das Meso- derm einbezogen werden soll, so muss eben eine Falte gegen die Chorda vorwachsen oder, wie sich Verf. ausdrückt, „a fold is needed to snack the outer limit of the diverticulum“. Verf. hat also zur Erklärung der Mesodermbildung bei der Schildkröte zwei Vorgänge nöthig, einmal die Bildung des Divertikels durch Ausstülpung, dann aber zur Be- endigung des Processes das Vorwachsen der erwähnten Falte. Bei meiner Auffassung des Mesodermbildungsprocesses beim Gecko genügt Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 615 das Vorwachsen der Urdarmfalten nicht nur zur Erklärung des ganzen Vorganges vollständig, sondern bringt auch überdies noch die Unter- wachsung der Chorda von Seiten des Entoderms unter den gleichen Gesichtspunkt. Uebrigens glaube ich in meiner Arbeit über den Gecko hinreichend betont zu haben, dass ich mich durchaus mit den Grundanschauungen der Hertwia’schen Lehre einverstanden fühle, die doch schliesslich darin gipfeln, dass die Cölomsäcke als abgeschnürte Theile des Urdarms aufzu- fassen sind. Nur in Bezug auf das Zustandekommen dieser Abschnürung bin ich verschiedener Ansicht, und in diesem Punkte glaube ich aller- dings zu einer richtigeren Auffassung gelangt zu sein, als das seiner Zeit für HerrwiG auf Grund der damals vorliegenden Thatsachen möglich war. Ich bin auch der Ueberzeugung, dass die Formulirung, welche ich dem Vorgang der Mesodermbildung gegeben habe, in un- gezwungenerer Weise eine Ausdehnung der Herrwie’schen Grund- anschauung auf die gesammten Wirbelthiere ermöglicht, als das bisher bei Zugrundelegung der Ausstülpungstheorie möglich war. Rostock, Ende Mai 1893. Nachdruck verboten. Uebersetzungsrecht vorbehalten. A Sketch of the Structure and Development of the Eye of Clepsine, By | C. 0. Whitman, Head Professor of Zoology, University of Chicago. A more complete account of the sense-organs will be published in connection with papers devoted to American Clepsinidae, some of which are now nearly completed. The results reached by one of Prof. Bürscazrs pupils, Mr. B. L. Marer'), furnish some ground for a brief preliminary sketch. Mr. MAIER devotes considerable attention to the finer structure of the „large clear cells“, and their connection with nerve-fibres, and concludes that they are visual cells, as I had before maintained ?). He, however, fails to get a correct idea of the eye, and has the boldness to dispute results which he might have easily verified. The author fails to find „the tactile part of the organ“, and so misses the key to its morphology. That he should do this after the structure had been pointed out, and while working under the guidance of an experienced teacher, is hardly what we should expect from the Zoo- logical Institute of Heidelberg. Although Maïer finished his work in January 1892 — over two years after the appearance of my paper — it seems that he worked all that time without access to the facts published in the Journal ot Morphology in April 1889, and only noticed them at last in a post- 1) in: Zoolog. Jahrbücher, Bd. 5, Abth. f. Morph., p. 552, 1892. 2) in: Journ. Morph., vol. 2, No. 3, 1889, and Biological Lectures, 1890, p. 50. C. 0. WHITMAN, A Sketch of the Structure and Development of the Eye of Clepsine. 617 script. The author dismisses my statements summarily, and goes so far as to assert that they have no foundation. ‚Thin serial sections and maceration-preparations do not disclose any tactile cells in con- nection with the eye, „die Angaben Wuirman’s müssen daher wohl auf Irrthum beruhen“ ! My positive statements about the development of the eye are also disputed, although the author confesses to having made no obser- vations on this point. A theory of the development is put forward without so much as a single fact of development to support it; and this theory happens to be all wrong from beginning to end, as I shall show by facts easy of demonstration. Development of the Eyes and the Metamerie Sensillae. As long ago as 1887 (in: Journal of Morphology, vol. 1, p. 159), it was pointed out that the eyes arise as „bulb-like thickenings of the epidermis“, and in the work above cited (p. 590) the origin and differentiation are described thus: „Both the eyes and the segmental sense-organs develop as local thickenings of the epidermis. At first the cells are alike in form, size, and structure. About the time the pigment be- gins to appear, the two sorts of sense-cells begin to show a difference in size, and an indistinct boundary line appears between them.“ These statements were based on a thorough investigation of every Fig. A. Sagittal section of a young Clepsine plana, about 2 mm in length, showing the head, X 280. J—V Segments marked by sense organs in process of formation. 618 C. O. WHITMAN, point, and their accuracy would not have been disputed had our author taken the trouble usually expected of those who assume the right to contradict. The origin of the sensory rudiments from the epidermis is clearly shown in Fig. A. The section passes through the optic buds (IZ and III) and three median sense-buds, the metameric homologues of the eyes. At the tip are seen two or three ru- diments of labial sense organs. In this stage of development, the cells of the buds show no histological differentiation ; they are alike in origin, size, form, and structure. Fig. B presents an early stage of differentiation, which is reached about ET eut in" the time the first trace of yellow pigment cipal eye from a specimen 10 days Can be seen. The future tactile cells old. (X 780.) now have an elongated form, and they occupy the upper and anterior angle of the eye. The nuclei are smaller than those of the deeper, rounded cells, which are destined to become the visual cells and the pigment-cup. Fig. C. Sagittal section of a somewhat older individual (3—4 mm in length), showing the eye in a more advanced stage of differentiation. In Fig. C we find the differentiation of parts carried out so far that we have no difficulty in comparing them with the adult conditions shown in Fig. D. The tactile and visual elements (e. 2) are clearly A Sketch of the Structure and Development of the Eye of Clepsine. 619 Fig. D. Portion of a sagittal section of an adult Clepsine hollensis, showing the double nature of the eye. defined, and the pigment-cup is already well formed. Figs. A, B and D (IT) show at a glance the origin of the anterior rudimentary eye (e. 1). 620 C. O0. WHITMAN, Structure and Serial Homology of the Eyes and Sensillae. Fig. E represents a sensilla that may fairly be called an eye, although it falls far short of the typical Clepsine eye seen in Fig. D (III). The visual cells are few, loosely arranged, and rounded in form, resembling those clustered about the nerve of the anterior sense- organ (Fig. D II). The sensillae V and VI, which follow this (IV), also bear some resemblance to the typical eye; but as we follow the series backward the visual cells are reduced to two or three, and the pigment wholly disappears, or at least ceases to have any definite relation to the visual cells. In this species, then, we have the ordinary sensillae grading into eyes by as- cending steps of struc- tural elaboration, and thus we get conclusive evidence of serial homo- logy from anatomy as well as from embryology. It can now be seen whether Fig. E shows the median sensilla of the the followine statements. made segment following the ocular segment of Olepsine , = 2 TA in Dec. 1888, had any foun- dation : „Ihe segmental sense-organs are double organs, both in structure and in function. There is an axial cluster of elong- ated cells, terminating at the surface in minute hairs, and repre- senting most likely a tactile organ. Around and beneath the tactile cells, are the large, clear visual cells, so characteristic of the eye. Thus we have a visual and a tactile organ combined, both derived from a common mass of indifferent epidermal cells, and both supplied by fibres from a common nerve branch. Incredible as the double nature of these organs may at first appear, there is no escape from the fact, when we once understand the structure of the eye in Clepsine. A vertical section in the plane of the optical axis reveals the compound nature of the eye, and the identity of its structure with that of the segmental sense-organs. Here stands the tactile part of the organ, an exact copy of every feature seen in the corresponding part of a segmental sense-organ ; and below and behind, but in continuity with the tactile portion, lies A Sketch of the Structure and Development of the Eye of Clepsine. 621 the mass of visual cells. The common nerve runs up in front of the visual cells, dwindling gradually in size as its fibres pass to the cells, and at length it is lost in the tactile cells.“ Had Mr. Mater seen the following (1. c. p. 589) in due season, he might have spared himself the trouble of refuting an earlier opinion of mine in regard to the eye of Hirudo: „Ihe visual cells are the “large clear cells” of Leypre, the socalled “Glaskörper”. The proof of this lies in a variety of facts, only a few of which can here be presented in a summary way. The leading points are as follows: 1) These cells always make up the bulk of the eye, and in the Hirudo pattern they are the only cells supplied by the optic nerve. 2) The main axis of these cells — that passing through the centre of the cell and the eccentric nucleus — is generally, though not invariably, parallel with the axis of the eye. This is most clearly seen in some species of Clepsine, and is very evident in Branchelliopsis. 3) In these genera, the nucleus lies on the side exposed to the light, the clear rod-like part of the cell being directed towards the pigment. The cells are practi- cally inverted, the nerve-fibres entering at the nucleated pole. 4) A comparison of the different patterns of eye represented in Hirudo, Nephelis, Clepsine and Branchelliopsis, with the typical segmental sense-organ, shows that the chief distinction between the two classes of organs lies in the relative abundance of the clear cells.“ Again p. 590: yln Hirudo, the visual cells are symmetrically pla- ced around the axial nerve fibres, and no tactile cells are developed; in Clepsine and Haementeria, the visual cells are developed only on the posterior side of the nerve, While the tactile cells are grouped above and in front. In Nephelis the nerve is again axial; in Bran- chelliopsis it is eccentric, as in Clepsine, and there are comparatively few visual cells.“ Development of the First Pair of Eyes. The development of the rudimentary eyes (e. 1) has been described in Leuckart’s Festschrift (p. 391), but without figures, and hence I repeat it. here. »lhis rudimentary eye has an interesting history, which I will Zoo). Jahrb. VI. Abth. f. Morph. 40 622 C. O. WHITMAN, briefly sketch. Its position is very remarkable, and we at once inquire how it can be reconciled with the metamerism of the head. This ru- dimentary eye does not belong to the same segment as the principal eye (III), but to the segment in front (II). The development shows this conclusively. The place of origin is at the surface, on the hind margin of ring 2. The ectodermal cells multiply at this point, giving rise to a mass of rounded or polygonal cells, which are all alike at first. Later the mass differentiates into two distinct kinds of cells, 1) peripheral hair-bearing cells and 2) deeper, large clear cells. The former are probably tactile, the latter visual. While this differentiation is going on, a portion of the visual elements is carried back beneath the 2% pair of eyes, and here takes the form of a small pigmented eye. The rest of the visual cells arrange themselves beneath the tactile cells around the common nerve, and remain throughout life without any pigment investment. This backward migration of the deeper portions of the first pair of eyes seems to be due, in part at least, to lack of space for de- velopment in segment II. Just beneath the point of origin, we meet with a large cavity, representing the junction of the marginal and median vascular sinuses. The organ is much larger than the space above this cavity will accommodate, and its elongation carries it in the direction of the 2% pair of eyes.“ The Hirudo Eye. Maier brings out one fact that has hitherto escaped the attention of other authors: namely, that the eye of Hirudo and Aulastomum is supplied with two nerve-branches, one of which is axial while the other passes up in front of the eye, innervating „the anterior ventral cells“ (p. 562, 575, 577). The significance of this pe- culiarity completely escaped Mr. MAıEr, as might be expected from one who not only failed to detect the leading features in the morpho- logy of the eye, but also failed to recognize them years after they had been pointed out and accepted by many authors. For example, the serial homology of the eyes and the meta- meric sensillae was disputed (p. 574—575), and this radical error naturally led to faulty observations and misinterpretations. The fact that visual cells are associated with tactile cells as integral parts of the sensilla failed of recognition. The visual cells were supposed to be isolated cells scattered through A Sketch of the Structure and Development of the Eye of Clepsine. 623 the parenchyma; and by the local aggregation of such cells the eye was imagined to have arisen. The Hirudo eye, having a double nerve, presented itself as a fusion of two of these local aggregations! and the Nephelis eye appeared to anticipate the conditions of such a fusion. This double innervation of the eye of Hirudo is easily understood, if we take the Clepsine eye as our starting-point. The eye-nerve is composed of two parts, 1) optic fibres terminating in the visual cells, and 2) tactile fibres ending in the hair-cells. If the optic branch, which is extremely short in Fig. D, should separate from the main nerve just behind and below the eye, and enter the base of the eye, instead of passing to the front, as it now does, we should have the relations shown in Maıer’s fig. 1, tab. 37. The resemblance would be essentially complete, if the tactile cells were changed into visual cells. It seems to me most probable that that is precisely what has happened in the history of the Hirudo eye. This view accounts for the fact that the upper anterior part of the eye is not covered by pigment, and for the further fact that the visual cells in this region often spread out rather loosely in front of the proper eye-cylinder (vide MAIER, p. 562). It is this surplus of cells that I should regard as the homologue of the tactile elements in the Clepsine eye. Of course I understand that this theory stands in need of verification through the study of the development. I venture to predict that both parts of the Hirudo eye will be found to have a common origin, just as in Clepsine. Functions of the Eyes and of the Sensillae. The structure of the eye makes it evident that it can form no image of external objects. Leeches, however, have a very keen ,,phot- esthetic sensibility. The presence of visual cells in all, or nearly all, the metameric sensillae, and in many of the scattered, non-meta- meric sensillae, especially those of the head, enables us to see how extensively the surface of the body is provided with incipient eyes, and thus to account for its general sensibility to light. One must not conclude from a failure to get any manifest reaction in experiments with these animals, that their sensibility is dull. No response to the stimulus applied may mean merely that the animal is afraid to move, or that it has no motive for moving. The habits of the animal must be taken into consideration, and the stimulus 40* 624 C. O. WHITMAN, must be given in such a way as to tempt it to respond without frightening it. The extreme sensitiveness of Olepsine, for example, to the slightest tremor of the water about it, can be seen only under well-chosen conditions. \ Let the animal be at rest and undisturbed by any jar; let the point of a needle barely touch the surface of the water over it, and the quick response will be a flattening out of the body, best seen under a low magnification. The sensitiveness to light in Clepsine is so keen that the faint shadow of the hand passed over the animal may — if the conditions are favorable — arouse it to most energetic activity. The success of the experiment may depend upon whether the leech is hungry or not, and again upon whether the stimulus is one it is accustomed to respond to under natural conditions. We have several species of Clepsine that appear to depend upon turtles for their food. These species, if hungry, respond to the shadow of the hand, as if it were the shadow of a turtle. Other species, as C. sexoculata, which obtain their food from fresh-water snails, although probably equally sensitive to light, do not respond to this stimulus. The host they seek does not apprise them of its presence by a shadow cast as it swims over them; and hence, allowing that it is recognized, it only serves to warn them to keep still in order to avoid danger. In this connection, a paragraph may be added from a lecture of 1889 (, Biological Lectures“ of the Marine Biological Laboratory of Woods Holl, 1890, p. 49—50): „Ihe sensory impressions received by a visual organ differ so radically from those received by a tactile organ, that is seems almost incredible that cells devoted to one of these functions could ever serve the other. Nevertheless, this marvelous transformation and change of function have actually taken place, and the fact still admits of demonstration in a very large group of Annelids. Sometimes all the tactile cells are converted into visual cells; at other times only a part of the cells assume the new function, while the rest continue to serve the old. The result is that we have at one end of the series pure visual organs, at the other end pure tactile organs, and between the two extremes every grade of mixture represented in veritable com- pound sense-organs. The picture is a revelation that gives swift wings to suggestion. If such is the path of evolution in one case, A Sketch of the Structure and Development of the Eye of Clepsine. 625 the best ground is given for suspecting that the same economy has been practised elsewhere. The discovery of these facts in the leeches, led naturally to the anticipation of a similar origin for the eyes of other Annelids, and in those groups that have had a common origin with the Annelids, before all the Arthropods and Vertebrates. The existence of segmental sense-organs, as I have said, is well known in other Annelids than the leeches, and the origin of eyes from them is fairly well indicated in many cases.“ Frommannsohe Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 1106 ù D, 2 i , 5 zu h mn Be: | set af RATS CT C4 Die tia Pt ER. éd 4 cle | ct aa it quatres navi * ae ut es Ole AT ON a dy ip . ‘+ ERO LE Lis out ti AA (ioe 5) donuts ts bua wt RTE TEE Le A ff | 2 af à ll 91 27 Dine Iris j ’ (epithets the ABI Le Mrs ni. TEN ws ‘à RME. = vey 1 1 LR FPT ES LITE r Ti # it 20 ALL A AN brie it I iL is ’ N Fu "un Ar NA ‘ 42,237 (OOP TH 5 gv ci A + ù ORR led Cee AT Bee 6) f - Wer LR " AE a: CNE 4. prit wa Joy) NT iy tte. FOR e N ai, 1°) De À i À D ar» Le pet = ‘nes Fen tiie ea yl Vi mo jen votes. tai Len En Au Erw AA cd a EA. x q # CT LA? pl An ays bine J ™ be a. i : ER Bir je \ 4 No L f San, Al tarte Na I Kl da er! nie A A L = £ fs , ‘ A wii i ‘ S i Een x S Ss ee ~ & cs Ss Ss : © ao à S Ÿ 2 ‚S > S à È ï. D> = Ds Ss Ss N 38.01 + 54. (1) PEATTBASTITELUS: " Jith Anst.v Werner & Winden Browkfiart ® ER « Pr ~ m nn nt u u ni Le pesait E 2 EIRE me ¥ = > BE Kal, : 7 ? D a Fi h ver. Bd. 6. Abth.f Morphol. 3 42.(M) 45. (ID 45 s 19. (1) > a Vie: | 2 a” .: Taf.7 Ee “3 48. (il) 49, (IM) | V — en ar pn : = : À * IN Il | 024 as 2 = ” = 2 4 ~ Oc : A 3 = 7 D, Q} | oA a“ J 2 Be Jen ; = . = ” Lith Anst w Werner aWinter Frankfurt? * : oe Pe Fy PLATYDACTYLUS. . CRT à “on 52b (m) +33 i ep œ eclai) mpr * we deseaselse La | | a = F x | Torsten DIE EEE ey RP) | us a 7 Sa T e Verlag v Gustav Fischer, Jena | lith Anst Werner &Whier Frankfurt 4 me N x PLATYDAGTYLUS. Ei Taf. 55a. (I) we —— ec (ai) m pr 55b. (WV) 36.1) 57. (V) ec (ai) mpr ec(ai) mpr 5 mpr r uv - get Lu 7 m — iia te Re PER = Se — r LA « - EPRTATTBACTLTEUS. à Zi — di | 59n.(v) +85 61d (VD +15 Lu rs 59h) i i 60e (ID Gle (UT) ns el i Re =q 7 a + + br er 59 Fe +40 - 50 É Tu 60e (VT) E +3 59k (Vv) +46 è + 8 26000014 œ ER RP AO PSE Pons À BER EZ: 6 RT ORG 4 Far Will 7 ; aad Verlag v Gustav Fischer, Jena i 3 En k *% ? Pre GI deUIs, | tuberner Klinter Frankfar ry i . nn r u ns ze u à Mi) > 2 è E Has we =. Le at mm FR ne in nn Zu — ET | 6 me > - an u. Ih 7 EN HE 62h. ae 65h.1X) +5 — 621.10 65c.(X) « Ke y Rae st > KORAN, Kr ey GS. (VT) : = : > ni <— 7 “0 | > GGc. IN) +1 G5e.(X) 20 G7b.(AT) +0 gez.v L Will Verla u Gusta Fischer Vand Lith, Aust v Werner «Winter, Frarkfirt : PEATYBACTZLUS. IH. Seeliger del. Verlag v. Gustav Fischer in Jena. . Lith:vWesser, Jena. > sa ee u ——— Seeliger del. Verlag v Gustav Fischer in Jona. ihyWesserJena. ay LS Le = In ACTUS ® : Vg © ce 5 u) Ba RL + — Seeliger del. Verlag v. GustaY Fischer in Jena, Lith.v.Wesser, Jena: ne | en Jahrbücher Bd.6 Abthf Morphol. Ly a} ji eis jeeliger del, ° Er > Verlag v. Gustav Fischer in J n Jena — SS | LithyWesserJena. Ge SS = Verla® v Gustav Fischer in J era Seeliger del. II a * ES yo: ; ms u —— —— = _— —— Verlag V. GustavFischer in Jena | Lithv.WesserJena m ” | P wv Seeliger del.. qi on Seeliger del. Fig, 10h. Do) £ yy Pig.10%. - FH en GustavFischer in Jena, | na LithwWesser, Jana. el Ty LE. | ES Seelige . Vi y Gustav Fi | Jen ger del. Verlag v. Gustav Fischer in Jena. 1 Tal. 20. aa ‘ Seeliger del. u a a zz j Verlas v Gustav Fischer in Jena . © Zoniog Jahrbücher Bd. 6 Abth£ Morphol. Pig. 171. u Seeliger del. —— Fi i = 2 en » Verlag V- Gustav Fischer in Jena a FE vr _ + SS —=S See —_ = Seeliger del. : Verlag v. GustavFischer in Jena. LithvWeesenJena. - 0 nr _ Jahrbücher Ba 6.Abth. { Morph. Es --90 ph Loologische Jahrbücher Bd. 6. Abth. f!_Morph. Fig.1. 4 — — L 4 \ 7 ? “ Big. 5. Verlag vor. Gustav Fischer ir. Jena. Anse E À Banke Lei, > ae Zoologische JahrbücherBd.6.40th£Morphot. OO Ô ee an von Gusta Fischer iy, js » te ie) Zoologische Jahrbücher Bd. 6 AbthS Morphol. / = e \ Sr \ \ ®;| @ OS = ayo hes \ N 7 | ie ey Se —/®; [© OX = 30 vol GustavFischer is 2 Ss ee Taf:28. (CE etz t SORe ot tpi RS Bergh del | | Verlag v Gusta Fischers, j Zoologische Jahrbücher Bd.6.Abth.f Morphol. ES.Berdh del Verlag von Gustav Éischerin Jena. Tith Anst.v-E.A Funke, Leipzig Es Taf. 30 (12) Zoolog Jahrbücher Bd.6. Abth.f Mornhol. u) > 2. = fd 4 O O O < =) < = Ÿ 0 A ® H 3 O ac Zoolog. Jahrbücher Ba.6. Abth.£ Morphol. Zoolog. Jahrbücher Bd.6. Abth.f Morphol. Taf. 52 (14) Taf: 53 (15) 154 (1) none 16. (I) yO i Lith. Anst w Werner &Winter, Frankfurt *V gez.v LWill af 5 Hr A (A) all r i | | — : a (Alu LT TR (® ap Lith Anst. v Warner &Winder Fraxkfürt®B. Verlag von Gustav Fischer, Jena. gez.v J. Will. US ROIS ON s RNB Dee st so 199 m) dv ! ee ee ae 19% (vn) 19 (m) +25 co co Verlag von Gustay Fischer, Jena Lith. Anst v Werner & Winter, Frankfurt. Terme. oe EZ “#4 BR "sr © ri, - th Anse v Werner & Winter, Frankfurt #M m Jena, Verlag von Gustav Fische See Te —— + - Zu. - =f Ava ca LT (1 Dao dy QU AN RE a RE 1 EE Ill i > - “ron