BARVNRD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY ur x Sl BEQUEST OF WILLIAM McM. WOODWORTH. C- ln g, 15 % goßl 'Lz "Nur "IVd SRAPN ‘9sna9e1Ag sıageW ‚soıg PIOTLEA) aa)! Zur Gasuistik der Nieren-Echinococcen. 7 —.-— Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doctorwürde in der Mediein, Chirurgie und Geburtshülfe, welche nebst beigefügten Thesen mit Zustimmung der Hohen medieinischen Fakultät der Königl. Universität zu Greifswald ; am Sonnabend, den 4. August 1896 Mittags 1 Uhr öffentlich verteidigen wird Joseph Schulte aus Eslohe in Westfalen. Opponenten: med. Karl Salzmann. Herr cand. med. Wilh. Knott. Herr cand. de SA De Greifswald. Druck von Julius Abel. 1896. S) Im rad ORT £ % Be WET, a Fon _ r Seinen teuren Eltern * Ei) a; ine Lieb e und Dankbark eit gewidmet Verfasser. Ins: den durch Parasiten verursachten Krankheiten des Menschen nimmt die Echinococcus-Erkrankung wegen ihres gefährlichen Charakters eine bedeutsame Stellung ein. Glücklicher Weise ist ihr Vorkommen im Allgemeinen ein nicht sehr häufiges und nur auf bestimmte Gegenden be- schränkt. Dieses endemische Vorkommen findet seinen Grund hauptsächlich in der Beschäftigung und den Lebens- gewohnheiten der Bevölkerung. So sind in erster Linie die Gegenden stark von der Krankheit heimgesucht, in denen vorwiegend Viehzucht getrieben wird. Die direkte Uebertragung der Krankheit, welche durch Aufnahme der Echinococcus-Eier in den Körper stattfindet, kann allerdings nur vom Hunde ausgehen, bei welchem sich die Taenia Echinococcus vorfindet; doch ist durch das Vorhandensein grosser Viehherden, bei welchem dieselbe als Cysticercus einen noch besseren Wirt findet, als beim Menschen, eine sehr günstige Gelegenheit zur Vermehrung und Ausbreitung des Parasiten gegeben. Hierdurch erklärt sich auch der ungleich höhere Prozentsatz der Erkrankung bei der Land- bevölkerung gegenüber den Stadtbewohnern, und die be- kannte Thatsache, dass Seeleute vor derselben fast voll- ständig bewahrt bleiben. Was die Verbreitung der Krankheit auf die ver- schiedenen Organe des menschlichen Körpers anbetrifft, so ist diese eine sehr ungleiche. An erster Stelle befallen wird die Leber und erst an dritter oder vierter Stelle die Nieren; so fand Davaine unter 367 Erkrankungen nur 31 der Nieren, Neisser unter 983 zusammengestellten Fällen nur 80, Mosler unter 20 nur einen und der englische Autor Thomas in Australien unter 307 Fällen sogar nur 2. Dies seltene Auftreten des Echinococcus in den Nieren er- klärt sich leicht aus Folgendem. Neisser giebt an, aus- gehend von der Annahme, dass die Beförderung der Eier der Taenia Echinococcus aus dem Darmrohr in den Or- ganismus nur eine passive sein kann, dass die Verbreitung auf folgenden vier Wegen vor sich gehen könne: 1. Aus den Chylusbabnen der Darmwand gelangen die Embryonen direkt in die Capillaren und kleinen Venen des Portalkreislaufes; daher die grosse Häufigkeit der Leber- Echinococcen und das Befallensein der Leber bei multiplen Cysten. 2. Die Keime kommen in die Lymphbahnen des Me- senteriums, bleiben schon hier liegen, und es entwickelt sich aus ihnen ein Echinococcus mesentericus. 3. Sie bleiben in den Lymphcapillaren und cirkulieren in denselben; dann entstehen entweder Echinococcusblasen in erweiterten Lymphgefässen, oder sie geraten in seröse Höhlen und es entstehen aus ihnen die primären Echino- coccen der Pleura- und Peritoneal-Höhle. 4. Anstatt in den Lymphgefässen des Mesenteriums liegen zu bleiben, passieren sie diese, kommen in den Truncus lymphaticus intestinalis, durch diesen in den Truncus thoraeicus, die Vena jugularıs und das rechte Herz. Aus diesem gelangen sie in die Arteria pulmonalis und ihre Verzweigungen, werden in den Capillaren zurück- gehalten und stellen einen Lungen-Echinococcus dar. Ge- langen sie jedoch in den kleinen Kreislauf und durch diesen in das linke Herz, so steht ihnen durch die Arterien- bahnen der Zugang zu allen Körperorganen offen. Diesen letzteren, sehr langen und mehrfach behinderten Weg haben die Embryonen zu durchlaufen, um zu den Nieren zu gelangen. Es ist daher sehr leicht erklärlich, dass diese im Gegensatz hauptsächlich zur Leber nur sehr selten befallen werden können; denn schwer passieren die Eier die Capillaren des Mesenteriums, wenn sie aber auch in den Arterienkreislauf hineingelangen, so stehen ihnen derartig viele Wege offen, dass es als ein Zufall zu be- trachten ist, wenn sie zu den Nieren kommen. Um mit kurzen Worten die Entstehung der Erkrankung und Entwicklung des Parasiten zu beschreiben, so geht diese in folgender Weise vor sich. Die Eier der Taenia Echino- coccus, eines im Dünndarm des Hundes lebenden Bandwurmes von ungefähr 3—4 mm Länge werden ın den Darmkanal des Menschen verschleppt, wozu das Streicheln und Küssen inficierter Hunde die günstigste Vorbedingung liefert. Hier werden durch die Verdauungssäfte die Embryonen frei gemacht und gelangen auf irgend einem der oben be- schriebenen vier Wege zu den einzelnen Organen. Der Embryo entwickelt sich nun zu einer grossen Blase, der sogenannten Mutterblase, die ihrerseits die sogenannten Scolices, aus denen sich später neue Parasiten entwickeln, entstehen lässt. \-on der Mutterblase aus können sich auch weiterhin neue kleine Blasen, die sogenannten Tochterblasen und aus diesen wieder Enkelblasen in sehr beträchtlicher Anzahl bilden, die ebenfalls alle Scolices enthalten können. Nicht immer aber ist mit dem Eindringen der Taenien- Eier in den Darmkanal des Menschen zugleich eine Ent- wicklung der Embryonen zu Echinococcen verbunden, sodass einzelne Individuen vor der Erkrankung fast geschützt zu sein scheinen.. Diese Thatsache hat zu den verschiedenartigsten Hypothesen vieler Autoren Veranlassung gegeben. So be- haupten die einen, dass gewisse Altersstufen eine Prädis- position zur Erkrankung seien, andere sprechen von einem ar Einflusse des Geschlechts, wieder andere von einer Ein- wirkung anderer Krankheiten, besonders der Tuberculose, bei Entstehung der Krankheit. Alle diese Ansichten jedoch widersprechen vielfach den aufgestellten Statistiken, sodass sie als genügende Erklärung wohl kaum angesehen werden können. Die Mutterblase hat eine kugelige oder ovale Form; ihre Grösse variiert sehr; sie kann bis zu Kindeskopfgrösse heranwachsen. In den Anfangsstadien ist sie umgeben von einer dünnen zarten Wandung, welche bei weiterem Fort- schreiten eine Dicke von mehreren Millimetern annehmen kann. Dieselbe ist durchscheinend und hat ein gallertartiges Aussehen, sodass man nach der Beschaffenheit eine Echinococcuscysteleicht von anderen cystischen Geschwülsten unterscheiden kann. Die Mutterblase ist als das eigentliche Echinococcus- (ebilde anzusehen; alle Tochter- und Enkelblasen sind ihr zwar an Gestalt ähnlich, nur bedeutend kleiner und von dünneren Membranen umgeben. Sie schwimmen teilweise in der wasserhellen Flüssigkeit der Mutterblase, teilweise sind sie auch mit derselben verwachsen. DieEchinococeuserkrankung der Nierenimmtvorwiegend von der Rindensubstanz ihren Ausgang, jedoch auch häufiger von den Pyramiden. In den ersten Stadien dehnt sie sich hauptsächlich aus nach dem Nierenbecken zu, weil sie hier den geringsten Widerstand findet, später hauptsächlich zur Bauchhöhle hin wegen des geringeren Widerstandes des Peritoneums im Gegensatz zur Rückenfascie. Die Cysten- wand ist vollständig mit der Nierensubstanz und dem Bauch- fell verwachsen, sodass sie nur sehr schwer und unter Substanzverlust von derselben getrennt werden kann. Die Wandung der Cyste besteht aus einer grossen Menge mikroskopisch leicht zu erkennender Schichten. Die Innen- fläche derselben ist meistens glatt von grauer bis rötlich gelber Farbe, sie kann aber auch rauh, faltig und besonders in älteren Stadien zusammengeschrumpft sein. Die Cysten- flüssigkeit enthält alle für Echinococcus charakteristischen Substanzen, ausserdem findet man nicht selten Harnbestand- teile, Harngries und Harnsteinchen. Das Vorkommen dieser letztern erklärt sich Queckett dadurch, dass der Harnstoff und die phosphorsaure Magnesia, welche löslich sind, durch Endosmose in das Innere der Blasen dringen, und hier durch Zersetzung des Harnstoffs die unlöslichbe, phosphorsaure Anmoniakmagnesia bilden. Jedoch nicht alle Echinococcus- cysten der Nieren haben urinöse Bestandteile in ihrem In- halt, sondern nach Simon nur diejenigen, welche mit den geraden Harnkanälchen oder dem Nierenbecken in \Ver- bindung stehen. Was nun die Symptome einer Echinococcuserkrankung der Nieren anlangt, so kann dieselbe wie auch beim Be- fallensein anderer Organe lange Zeit bestehen, ohne Be- schwerden zu verursachen. Es ist dies abhängig von dem Entwicklungsgrad und dem Sitz der Cyste. Solange diese nicht ein derartiges Volumen annimmt, dass sie durch mechanische Einflüsse die Funktion der Nieren beeinträchtigt, finden sich keine Erscheinungen. In manchen Fällen über- nimmt auch, begünstigt durch das langsame Fortschreiten des Wachstums der Cyste, die gesunde Niere die Funktion der erkrankten, sodass selbst bei sehr bedeutendem Vo- lumen sich keine Beschwerden einstellen. Im übrigen sind die Symptome abhängig von dem jeweiligen Verlauf der Erkrankung, der ein sehr verschiedener sein kann. Zunächst können die Cysten, was allerdings bei Nierenechinococcus sehr selten ist, ein derartiges Volumen annehmen, dass sie fast die ganze entsprechende Unterleibshälfte einnehmen, und durch die hierdurch entstehende Dislokation und Kom- pression der Nachbarorgane die Ernährung, Respiration und Cirkulation derartig stören, dass der Tod durch Maras- mus eintritt. Noch seltener ist ein Stationärbleiben der 10 Cyste mit nachfolgender Schrumpfung und Spontanheilung zu beobachten. In den meisten Fällen vielmehr tritt ein Durchbruch der Cyste ein, entweder in den Darmkanal oder in die Lungen und am meisten zum Nierenbecken. Dieser Durchbruch erfolgt in der Weise, dass die Cyste in suppu- rative Entzündung gerät, ulceriert, und der Inhalt perforiert. Jedoch auch spontan kann der Durchbruch sich einstellen, wie aus denjenigen Fällen hervorgeht, wo nach Entleerung des Inhaltes der Sack sich wieder geschlossen hatte, und erst nach langer Zeit sich wieder öffnete. Es ist eben nicht anzunehmen, dass bei Vorhandensein von Eiter die Cyste hätte solange geschlossen bleiben können. Die Communikationsöffnung zwischen Cyste und Nierenbecken kann eine sehr enge sein. Es giebt aber auch Fälle, wo sie eine solch’ bedeutende Grösse annımmt, dass die Niere in einen vollständigen Sack verwandelt ist, sodass man nicht mehr die Grenze zwischen Echinococcussack und Nierenbecken erkennen kann. Die Ureteren sind beı der- articem Verlauf meistens erweitert und mit Blasenfetzen angefüllt. Ein solcher Durchbruch zum Nierenbecken kennzeichnet sich durch folgende Symptome. Ganz plötz- lich treten manchmal mit einem vom Patienten wahrge- nommenen krachenden Tone, wie Simon sagt, kolikartige Schmerzen auf, welche längs des Harnleiters nach der Urin- blase und den Geschlechtsteilen ausstrahlen. Diese Schmerzen sind bedingt durch das Passieren der Echinococcusblasen durch die Ureteren. Sobald die Blasen in die Urinblase eingetreten sind, verschwinden die Koliken, aber es treten die Symptome eines Fremdkörpers auf, bestehend in Katarrh der Schleimhaut und heftigem Harndrang. Beim Durch- gang der Echinococcusbläschen dann weiter durch die Harnröhre kann eine Retentio urinae eintreten, wodurch sıch der Harn zersetzt, übelriechend und nicht selten mit Eiter und Blut vermischt ist. Die Untersuchung des Harns ul ergiebt in den Sedimenten ausser den Eiter- und Blut- körperchen zahlreiche Blasen, Häkchen und Membranfetzen, welch’ letztere meistenteils ein schmutzigbraunes Aussehen haben. Nach dem Durchbruch in das Nierenbecken wird die Geschwulst kleiner; tritt zugleich Heilung ein, so kann sie fast vollständig durch Resorption verschwinden. Sind jedoch nicht alle parasitären Bestandteile entfernt und schliesst sich die Cystenwandung, so kann nach neuem Wachstum desselben ein erneuter Durchbruch nach kurzer oder langer Zeit wieder eintreten. Ausser der Perforation, die allerdings in den weitaus meisten Fällen eintritt, kann der Cysteninhalt auch zu anderen Organen perforieren, so zunächst zur Lunge. Es stellen sich dann Atembeschwerden und Hustenreiz ein, und es lassen sich im Auswurf die charakteristischen Bestand- teile eines Echinococcus nachweisen. Dieser Ausgang ist im Gegensatz zum Leberechinococcus ein sehr unerwünschter. Bedeutet er bei jenen, wie durch viele Fälle bekannt, sehr häufig Anfang zur Heilung, so hier meistens den Anfang zu Siechtum und Tod. Es lässt sich dies wohl haupt- sächlich zurückführen auf die Wirkungen der urinösen Be- standteile, welche sich im Cysteninhalt befinden. Ein Durchbruch zum Darm ist ebenfalls als ein wenig günstiger Ausgang anzusehen. Er lässt sich nachweisen durch Vorhandensein von Blasen und anderen charakteri- sierenden Bestandteilen in den Faeces oder erbrochenen Massen. Diese stören in erheblicher Weise die Verdauung und sind Veranlassung schwerer Erkrankungen des Darm- kanals. Erfolgt eine Perforation zur Bauchhöhle, so ist dies natürlich schon wegen der fast unvermeidlich sich ein- stellenden Peritonitis ein Grund zum schnellen Tod. Übrigens sind diese Fälle nur äusserst selten. Zuletzt mag noch der Durchbruch zur Rückenfascie erwähnt sein, der zwar selten, aber fast immer mit günstigem Ausgang beobachtet wurde. Wie aus diesen Schilderungen des verschiedenartigsten Verlaufes hervorgeht, muss die Prognose, wenn man nicht durch operative Eingriffe, die allerdings, wie noch später ausgeführt werden soll, in vielen Fällen Aussicht auf günstigen Verlauf geben, Hülfe schafft, eine fast immer mindestens zweifelhafte sein. Wie aus der Litteratur hervorgeht, stellen sich die Resultate, dem Verlauf entsprechend, folgendermaassen ein. Nach Zusammenstellungen von Beraud starben von 29 Patienten, bei welchen ein Durchbruch der Cyste zum Nierenbecken erfolgte, 10, und zwar 9 nachweisbar an den Folgen der Krankheit. Won sieben anderen fehlen die An- gaben über ihr späteres Befinden. Sechs wurden ungeheilt entlassen, und nur bei sechs anderen konnte man definitive Heilung konstatieren. Günstiger war der Verlauf von 4 bekannten Fällen von Durchbruch in den Darm, da nur bei einem der Exitus letalis erfolgte. Soweit aus der Litteratur zu ersehen, trat eine Perforation zur Rückenfascie nur dreimal, aber stets mit günstigem Ausgang ein. Die Diagnose auf Nieren-Echinococcus ist eine sehr schwierige, da es einerseits sehr schwer ist, die Echino- coccuskrankheit als solche zu erkennen, andernteils aber auch die sich durch einen Tumor kundgebende Affektion auf die Nieren zu lokalisieren. Wir gehen zunächst ein auf die Diagnose des Echinococcus gegenüber anderen Erkrankungen. In den ersten Stadien unmöglich, wird sie sich erst nach längerem Verlauf stellen lassen und zwar mehr differenzial-diagnostisch als durch charakteristische Symptome, weil dieselben unsicher sind und manchmal vollständig fehlen. Als hauptcharakteristisches Merkmal führt man das sogenannte Hydatidenzittern an. Dies ist nach Briancon: „das Gefühl, welches die den Tumor 13 perkutierenden Finger oder die ihn drückende Hand em- pfinden, eine Art Erzittern, wie es der Klang einer Repetier- uhr oder ein Sessel mit Sprungfedern in dem klopfenden Finger erzeugt, ein Erzittern, das dem Tastsinn eine ähn- liche Empfindung hervorbringt, wie das Schwingen ge- ronnener Fleischgallerte dem Auge.“ Mit der Untersuchung dieses Phaenomens beschäftigte sich zuerst Küchenmeister und nach ihm Davaine. Ersterer stellt darüber folgende Sätze auf: ı. Das Hydatidenzittern kann nur vorkommen, wenn mehrere gelatinös erzitternde Cysten, die innerhalb einer grösseren Blase, die ebenfalls gelatinöser Erzitterung fähig ist, eingeschlossen sind, irgendwie in Erschütterung geraten. 2. Dies Gefühl bekommt man auch, wenn man ge- ronnene Fleischgelatine in einer Flasche perkutiert. 3. Die einfachen Echinococcuscysten zeigen kein Hyda- tidenzittern. Davaine sagt darüber Folgendes: ı. Bei den mit Flüssigkeit gefüllten Blasen wr.d das Schwirren nicht durch die Membran, sondern durch den Inhalt hervorgebracht. 2. Eine starre und elastizitätslose Blasenwand hin dert das Entstehen des Schwirrens. 3. Eine einzige isolierte Blase kann vibrieren und der Hand auch das Gefühl des Schwirrens mitteilen. Aus diesen widersprechenden Resultaten der Unter- suchungen geht hervor, dass das Hydatidenzittern sehr von individuellen Empfindungen abhängig ist. Der Wert des- selben ist deswegen für die Diagnose ein sehr geringer. Einzelne Autoren erblicken darin überhaupt nur eine etwas ausgeprägtere Fluktuation. Als diagnostisch bestimmt zu verwerten für Echi no- coccus ist der Austritt von Hydatidenblasen mit den Faeces dem Urin oder in erbrochenen und ausgehusteten Massen 14 Dies finden wir aber nur immer dann erst, wenn bereits Complikationen eingetreten sind, und wo unter Umständen schon vorher eine sichere Diagnose wünschenswert gewesen wäre. Das Vorhandensein von Blasen im Sputum und den Faeces zeigt uns allerdings, dass wir es thatsächlich mit einem Echinococcus zu thun haben. Jedoch über den genauen Sitz desselben können wir daraus ‘ohne Weiteres keine Schlüsse ziehen. Anders ist dies schon beim Austritt durch den Harn. Erfolgt derselbe, nachdem heftige Nieren- koliken und ein intensives Schmerzgefühl längs der Harn- leiter zur Blase hin vorausgegangen sind, so können wir mit Bestimmtheit auf Nieren-Echinococeus schliessen. Erfogt jedoch der Austritt ohne diese voraufgehenden Symptome, so werden wir die Affektion im kleinen Becken zu suchen haben mit direktem Durchbruch zur Blase. Das dritte zwar sicherste, unter Umständen aber auch mit Gefahren verbundene Mittel zur Diagnose auf Echino- coccus ist die Probepunktion. Sie darf aber wegen der grossen Intektionsgefahr nur aus zwingenden Gründen und auch dann nur unter genauer Beobachtung aller Cautelen der Asepsis vorgenommen werden. Sie wird am besten mit sehr feinem Troicart gemacht, den man zweckmässig mit einem Aspirator in Verbindung bringt. Es wird bier- durch ermöglicht, die entnommene Flüssigkeit zu prüfen auf ihre Formbestandteile und ihr chemisches Verhalten, wodurch man in fast allen Fällen ein sicheres Urteil ge- winnen kann. Die Echinococcusflüssigkeit ist hell, klar und durchsichtig, von dem spezifischen Gewicht 1,009— 1,012; sie enthält makroskopisch oder mikroskopisch nachweisbare Blasen, Blasenmembranen und Häkchen. Ihre chemischen Bestandteile sind vorwiegend sehr viel Kochsalz, Trauben- zucker, Innosit, und was einzelne als Hauptcharakteristikum ansehen, Bernsteinsäure, während im Gegensatz zu anderen Cystenflüssigkeiten kein Eiweiss vorhanden ist. Bei Ver- 15 jauchung, die sich auch häufig sehr leicht nach wiederholter Punktion einstellt, ist die Flüssigkeit nicht mehr zu ge- brauchen, da ihr dann die charakteristischen Eigenschaften, besonders der Mangel an Eiweiss, abgehen. Durch diese drei angeführten Mittel können wir in vielen Fällen sicher eine Echinococcuserkrankung feststellen, manchmal auch können wir schon durch die Mittel der physikalischen Diagnostik sichere Anhaltspunkte finden. Unentbehrlich aber sind diese zur genauen Lokalisation. So unterscheidet man zunächst eine Echinococcuscyste der Niere von gleichen Affektionen bei Leber und Milz dadurch, dass sie an ihrer Basis nicht beweglich ist und nicht wie jene den Respirationsbewegungen folgt; ferner dadurch, dass man zwischen ıhr und der Leber oder Milz durch die Percussion Darm nachweisen kann, welcher die Niere von diesen Organen abgrenzt; endlich dadurch, dass das Colon ascendens oder descendens vor der Geschwulst liegt. Von Övariencysten unterscheidet man den Nieren- echinococcus ebenfalls durch die Feststellung der Un- beweglichkeit und der Lage hinter dem Colon, und be- sonders durch den Nachweis, dass der Tumor nicht mit den Genitalien, speciell den Eierstöcken zusammenhängt. Zuletzt erübrigt noch, den Nieren-Echinococcus von anderen der physikalischen Diagnostik gleiche oder ähn- liche Befunde darbietenden Krankheiten, so besonders von der Hydro- und Pyelonephrose zu unterscheiden. Manch- mal wird man hier schon nach den anamnestischen Angaben des Patienten sich ein Urteil bilden können, manchmal wird eine Probepunktion oder Incision notwendig sein. In vielen Fällen ist dagegen die Unterscheidung derart schwierig, dass selbst erste Autoritäten sich nicht selten getäuscht haben. Nachdem wir nun die Diagnose und ihre Methoden be- sprochen, kommen wir zu der wichtigsten Frage: Wie hat 16 die Behandlung stattzufinden? Am besten wäre es, wenn den Bestrebungen der modernen Medizin entsprechend auch hier, wie bei anderen Krankheiten der Hauptwert auf die Prophylaxe gelegt würde, da die Krankheit in manchen Gegenden thatsächlich sehr viele Opfer fordert. Doch würden alle hierfür zu fordernden Massnahmen kaum durch- führbar sein. Die Hauptaufgabe des Arztes ist deswegen eine zweckentsprechende Behandlung. Zunächst hat man durch innerliche Behandlung Hülfe zu schaffen gesucht. Doch von dieser kann man sich nur sehr wenig versprechen. Die Zahl der Mittel ist eine sehr beschränkte, da nur solche in Anwendung kommen können, welche, löslich in der Blutbahn zirkulierend, durch Endos- mose in die Echinococcuscyste hineingelangen und die parasitären Bestandteile abtöten können. Gute Erfolge soll nach Angabe einiger Autoren Jodkali bringen. Das nach Murchison nach Einführung per os thatsächlich in der Flüssigkeit nachgewiesen wurde. Sodann hat man, aus- gehend von der Beobachtung, dass in salinischen Gegenden Schafe von der sogenannten Drehkrankheit geheilt wurden, Salzwässer angewandt. Doch auch hier scheinen die Er- folge nur sehr minimale zu sein. Als einziges wirksames Mittel wird deswegen stets nur die operative Behandlung übrig bleiben. Doch hier drängen sich uns die wichtigen Fragen auf, wann sollen wir eingreifen, und welche Methode von den vielen ange- gebenen sollen wir wählen. In der vorantiseptischen Zeit, wo man mit anderen Faktoren bei der Heilung zu rechnen hatte und fast immer nur schlechte Resultate erzielte, hielt man die Operation nur in sehr dringenden Fällen für indi- ciert. Heute jedoch, nachdem besonders das Verfahren der Asepsis in so vorzüglicher Weise ausgebildet ist, sind die Indikationen und Contraindikationen ganz andere geworden. Nach sicherer Diagnose wird man sich nicht mehr auf 17 Spontanheilung durch Durchbruch der Cyste verlassen, sondern operieren. Von den verschiedenen Operationsmethoden des Echino- coccus der Niere liegen — wegen des seltenen Vorkommens — in der Litteratur nur sehr wenige Fälle vor. Wir müssen uns bei Beurteilung der Resultate deswegen ınanch- mal auf die Erfolge bei gleichen Erkrankungen anderer Organe stützen. Zunächst betrachten wir diejenigen Ver- fahren, bei denen man Abtötung der parasitären Elemente und Schrumpfung der Cyste durch subcutane Eingriffe zu erzielen suchte. Die wohl am wenigsten gefährliche Methode dieser At istelie Klekerolyse, Guerault war der/erste, der dies Verfahren anwandte und zwar mit Erfolg. Er stiess zwei Nadeln in die Geschwulst und verband jede mit einem Pol der Batterie. Hilton und Durham stachen ebenfalls zwei Nadeln ein, verbanden diese aber beide mit dem negativen Pol und den positiven Pol, der in einen feuchten Schwamm endigte, legten sie auf die Bauchwand. 15—20 Minuten liess man dann den elektrischen Strom auf die Cyste einwirken. Die Erfolge waren meist gute, der Tumor verkleinerte sich in den ersten Wochen und verschwand nach 5--6 Monaten. Nach Durham wurden von 8 mit Elektrolyse behandelten Patienten 7 geheilt; bei einem war die Heilung zweifelhaft. Durbam schreibt die Heilung nicht den Einwirkungen der Rlektricität zu, sondern viel- mehr dem einfachen Einstechen der Nadel, wodurch die Blasen zerrissen werden und ein Ausfluss der Flüssigkeit stattfindet. In der Litteratur konnte ich nur einen Fall finden, wo dies Verfahren bei Nieren-Echinococcus ange- wandt ist, und zwar von Simon. Er will damit keine be- deutenden Erfolge erzielt haben. Die zweite Methode besteht in einer einfachen Punk- tion zum Abfluss der Flüssigkeit, ohne Liegenlassen de 18 Troicartcanüle. Der Einstich wird gemacht mit Hautver- schiebung, damit keine Luft eintreten kann; zugleich hat man sich dabei zu vergewissern, ob nicht das Colon vor der Geschwulst liegt. Die Punktion wird mit einem Troicart von gewöhnlicher Dicke, oder einem sehr feinen capillar- förmigen, gemacht, der mit einem Aspirator in Verbindung gebracht wird. Man bezweckt durch diese Methode durch Abfluss der Flüssigkeit und Zerstörung der Blasen, die man noch besser durch Hin- und Herbewegen der Canüle ereichen kann, die parasitären Elemente zum Absterben zu bringen. Einzelne Autoren geben an, man solle die Flüssig- keit direkt in der ersten Sitzung, soweit wenigstens möglich, abfliessen lassen, während andere empfehlen, die Punktion zu wiederholen und die Flüssigkeit nach und nach abfliessen zu lassen, damit sich die Nachbarorgane allmählich von dem durch den Tumor auf ihnen lastenden Drucke ent- wöhnen. Betrachten wir die Erfolge dieser Methode, so finden wir, dass dieselben nicht gerade günstige sind. Harley beobachtete von 34 Fällen ıı mit gutem Frfolge, Finsen behandelte 3 ohne Erfolg, Murchinson allerdings giebt an, dass bei 46 Patienten 36 geheilt wurden. An- gewandt fana ich die Methode bei Nieren-Echinococcus zweimal, einmal bei Brodbury mit, und bei Böckel ohne Erfolg. Wir müssen deswegen die einfache Punktion, die zur Dignose manchmal ein unersetzliches Mittel ist, als eine zur Iherapie nicht sehr zu empfehlende Methode ansehen. An dritter Stelle führen wir an eine Punktion mit nachfolgender Injektion. Dieselbe bezweckt, das Ab- sterben der Parasiten sicherer zn machen, und ein weiteres Wachstum des Tumors zu verhindern. Als Injektions- flüssigkeiten benutzten Jobert und Richard verdünnten Al- kohol. Boinet empfahl Jod, und in neuerer Zeit le Dentu Sublimat. Die Abtötung der parasitären Tochterblasen ist nach Angabe verschiedener Autoren eine sehr unsichere; 19 während die Gefahren der Vereiterung, die sich meisten- teils nach der Injektion einstellt, sehr grosse sind. Le Dentu allerdings, welcher zur Injektion eine Sublimatlösung von I : 1000 benutzt, will, gestützt durch gute Erfolge, durch sein modificiertes Verfahren dies in den meisten Fällen nicht haben eintreten sehen. Ausser diesen Methoden der subcutauen Behandlung hat man andere Verfahren ausgebildet, welche bezwecken, durch dauernde hinreichend grosse Öffnung dem Cysten- inhalt Abfluss zu verschaffen, und so die Schäden der sich nachher meistens einstellenden Eiterung zu vermeiden. Auf diese Weise erzielt man meistens vollständig fieberlosen Verlauf. Die Cyste verkleinart sich, wird zu einem engen Gang, der sich in einen Narbenstrang verwandelt und endlich verschwindet. Hierher gehört zunächst die Punktion mit Liegenlassen der Troicartcanüle. Doch was man hauptsächlich durch dies Verfahren erreichen will, tritt meistens nur in unvollkommener Weise auf. Durch die enge Canüle kann der Cysteninhalt, namentlich, wenn derselbe vereitert ist, nicht in hinreichender Weise abfliessen; die Canüle wird durch die Blasen sehr leicht verstopft, sodass der Abfluss vollständig gehindert ist. Durch das lange Liegen verursacht die Canüle durch Reizung der Gewebe fast stets eine Entzündung und infolge dessen eine Ver- jauchung des ganzen Cysteninhaltes. Um dies zu verhüten, machtemanInjektionen antiseptischer Flüssigkeiten, besonders Salicyl- und Carbollösungen; jedoch auch diese Massregeln bewiesen sich als unzureichend. Jonassen führte nach und nach immer grössere Troicart-Canülen ein und erweiterte auf diese Weise allmählich die Öfnung. Wenn Adhäsionen zwischen Bauchwand und Cystenwand sich eingestellt hatten, suchte er durch Ätzungen noch eine weitere Vergrösserung herbeizuführen, jedoch auch meistenteilsohneden gewünschten Erfolg. Simon wandte dies Verfabren bei Nieren-Echinococ- cen zweimal an, einmal mit und einmal ohne Erfolg. Unter 60 zusammengestellten Fällen von Echinococcus überhaupt wurden 38 Patienten auf diese Weise geheilt. Ü Dasselbe zu erreichen suchte Recamier durch An- wendung scharfer Ätzmittel, mit denen er die Bauch- decken durchzuätzen und durch Erregung einer lokalen Entzündung Adhäsionen zwischen Bauch- und Cystenwand herbeizuführen suchte. Nachdem sich diese Adhäsionen eingestellt hatten, punktierte oder incidierte er innerhalb des Ätzschorfes. Das erstere Verfahren der Punktion hat die Nachteile wie auch die einfache Punktion, und ist schon deswegen zwecklos, weil sich auch schon nach dieser die Adhäsionen einstellen. Anders hingegen die Incision inner- halb des Schorfes. Mit dieser wurden sehr gute Resultate erzielt. Trotzdem aber bat das Verfahren seine Schatten- seiten, besonders dadurch, dass die gewünschten Ver- wachsungen sich manchmal nicht in genügender Weise ein- stellen. Am meisten Sicherheit gewährt eine vollständige Durchätzung der Bauch- und Cystenwandung. Betrachten wir die Resultate der Recamier'schen Methode, so sind dieselben anderen Methoden gegenüber sehr günstige. Von 74 behandelten Patienten starben ı2. Trotzdem lassen ver- schiedene Nachteile dieselbe in einem nicht zu günstigen Lichte erscheinen. Zunächst ist eine Contraindikation, die sehr grosse Schmerzhaftigkeit und lange Dauer des Ver- fahrens.. Wenn auch die Durchätzung im allgemeinen in ı4 Tagen vollendet ist, so sind doch Fälle bekannt, wo 2 Monate und noch länger dazu nötig waren. Was die Schmerzen anlangt, so sind bekanntermassen gerade alle Wunden und Geschwüre auf den Bauchdecken äusserst schmerzhaft, so dass bei der langen Dauer dieses Ver- fahrens dasselbe eine reine Folterqual ist. Alsdann ist das wichtige diagnostische Mittel einer Probepunktion hierbei nicht gut anwendbar; denn die sich einstellende suppurative Entzündung und Eiterung lässt manchmal eine schnelle Er- öffnung der Cyste wünschenswert erscheinen, sodass man nicht bis zur vollständigen Durchätzung warten kann. Bei Nierenechinococcen fand ich das Verfahren in 3 Fällen an- gewandt; in einem starb der Patient, bevor die Durchätzung vollendet war, in den beiden anderen Fällen konnte dieselbe nicht abgewartet werden, sondern es musste durch Punktion die Cyste eröffnet werden. Ein drittes Verfahren hat Simon angegeben. Er punktiert an zwei verschiedenen Stellen in geringem Ab- stande, um durch suppurative Entzündung zwischen diesen beiden Punktionsstellen Verwachsungen herbeizuführen. Die Troicart-Canülen bleiben in den Öffnungen liegen und werden mit Wachs verstopft, damit keine Infektion eintreten kann. Zwischen den beiden Troicarts haben andere Autoren, um die Verwachsungen ganz sicher zu machen, noch ver- schiedene sogenannte Karlsbader Nadeln eingestochen, was jedoch nach Simons Angaben nicht notwendig sein soll. Innerhalb dieser künstlichen Adhäsionen, die in 3—5 Tagen vollendet sind, wird dann incidiert und ein Abfluss der Cystenflüssiekeit ermöglicht. Das Simon’sche Verfahren hat den Vorteil, dass durch die Punktion die Diagnose voll- ständig sicher gestellt werden kann. Ferner kann man durch wiederholtes Ablaufenlassen der Cystenflüssigkeit kontrolieren, ob eine Eiterung eingetreten ist oder nicht. Fin sehr grosser Nachteil aber besteht darin, dass die ge- wünschten Verklebungen namentlich bei Anwendung der Asepsis nicht mit voller Sicherheit sich einstellen. Nach Simon starben von 8 auf diese Weise behandelten Patienten nur einer. Ein anderes Verfahren, bei dem man ebenfalls \erkle- bung der Bauch- und Cystenwand zu erstreben sucht, ist zuerst von Volkmann angegeben worden: „Die zwei- zeitige Eröffnung und Ausräumung“. Auf.der Höhe 1) [09] der Geschwulst spaltet er die Bauchdecken, ohne jedoch die Cyste zu eröffnen und tamponiert die äussere Wunde mit Jodoformgaze. Vermöge ihrer Spannung legt sich nun die Geschwulst den Wundrändern an und verwächst mit ihnen in etwa drei bis fünf Tagen. Es wird alsdann nach Ablauf dieser Zeit eine lange Incision gemacht, wodurch die Echinococcusblasen entfernt werden können. Lindemann und Saenger suchten diese beiden Ope- rationen zu einem Akte zu vereinigen. Unter Anwendung genauer aseptischer Massregeln spalteten auch sie die Bauchdecken auf der Höhe der Geschwulst bis zur Cysten- wand und vernähten dann diese mit den Wundrändern mit carbolisierter Seide. Innerhalb des Kreises der Nähte in- cidierten sie dann, um die Cyste zu entleeren. Diese Verfahren sind allen vorher angegebenen wegen der Möglichkeit und Leichtigkeit einer vollständigen Ent- leerung des Cystensackes entschieden vorzuziehen. Durch die weite Incisionsöffnung kann sich der Operateur über- zeugen, dass alle parasitären Bestandteile vollständig ent- fernt sind und besonders, wenn bereits Eiterung eingetreten ist, für antiseptische Ausspülungen und gute Drainage der Wunde Sorge tragen. Nur hat das Volkmann’sche Ver- fahren den Nachteil, dass die Verklebungen unter Umständen ausbleiben, oder nicht hinreichend fest werden, während man sich bei der Saenger- und Lindemann’schen Me- thode der Gefahr aussetzt, dass während der Operation die Nähte einreissen. Man hat deswegen in neuerer Zeit die beiden Verfahren derartig zu vereinigen gesucht, dass man nach der ersten Incision Cystenwand und Wundränder vernähte und dann noch einige Tage mit der Incision wartete. Beide Arten von Operationen wird man natürlich bei Nierenechinococcus nach Möglichkeit extraperitoneal machen. Zuletzt erübrigt noch eine Methode der Radikalheilung anzuführen, welche in vollständiger Exstirpation des ganzen Sackes besteht. Dieselbe ist jedoch eine äusserst schwierige Operation, da die bindegewebige Kapselwand derartig fest mit dem Nierengewebe verwachsen ist, dass eine Loslösung derselben nur schwer und unter Substanz- verlust möglich ist. Die hierdurch natürlich entstehenden Blutungen sind oftmals kaum zu stillen, sodass man, wenn man einmal den ganzen Sack exstirpieren will, am besten auch die ganze Niere exstirpiert. Man hat hierbei nun die beiden Verfahren der extra- und transperitonealen Operation. Die extraperitoneale Exstirpation würde natürlich immer eher indiciert sein, doch vielfach kann sie wegen der vielen Verwachsungen mit dem Bauchfell nicht vollständig als solche ausgeführt werden, in vielen Fällen muss eben das Bauchfell doch verletzt werden. Es hat deswegen in neuerer Zeit Tansini sehr empfohlen, die ganze Operation von vornherein transperitoneal zu machen. Im Anschluss an einen von ihm dieserart behandelten Fall führt er als Vorzüge der Methode folgendes an: 1. bei der transperitonealen Exstirpation ist eine sichere Untersuchung der anderen Niere möglich, was manchmal von grosser Wichtigkeit sein kann; 2. Dieselbe bietet weniger Schwierigkeiten als der Lumbarschnitt; 3. gestattet sie dem Operateur, das ganze Operationsfeld sicher zuüberschauen, um allesKrankhafte entfernen zu können. 4. Die Lage ist besser zur Narkose. Ausser diesem Fall fand ich die transperitoneale Ex- stirpation noch 2 mal verzeichnet, wo dieselbe ohne Com- plicationen verlief. Nach diesen Ausführungen sei es mir gestattet, einen Fall von Echinococcus der Niere anzuführen, der in der hiesigen Klinik behandelt und vom Herrn Geheimrat Pro- fessor Dr. Helferich mir gütigst zur Beobachtung über- geben wurde. Krankengeschichte; Anamnese: Patientin ist die 57 Jahre alte Rentnerfrau B. aus P. In ihrer Jugend hat sie die Kinderkrankheiten durchgemacht, genaueres weiss sie darüber nicht anzugeben. In ihrem 20. Lebensjahre wurde sie von einem schweren Typhus befallen, von dem sie jedoch vollständig genas. Sie giebt an, in den letzten Jahren vollständig gesund ge- wesen zu sein. Geburten hat sie keine durchgemacht, ebenso nie abortiert. Vor e:wa drei Jahren wıll es ‘der Patientin aufgefallen sein, dass ihr Urin manchmal trübe gewesen sei. Seit dieser Beobachtung hatte Patientin manchmal über starke Schmerzen in der linken Nierengegend zu klagen, welche anfallsweise auftraten. Seit 8 Wochen sollen diese Schmerzen sehr grosse Heftigkeit angenommen haben. Der Urin war nach ihrer Aussage stark von Eiter durchsetzt, manchmal jedoch auch vollständig klar; es gingen dann jedesmal sehr heftige Schmerzen vorher. Der Urindrang soll nur in der letzten Zeit sehr vermehrt ge- wesen sein; ob absolut mehr Urin entleert wurde, konnte nicht festgestellt werden. Bemerkenswert für die Aetiologie der Krankheit ist, dass die Patientin seit 20 Jahren nie mit einem Hunde in Berührung gekommen sein will. Von dem behandelnden Arzte wird angegeben, dass bei der mikros’ kopischen Untersuchung des Urins ausser Eiter keine be- sonderen Bestandteile gefunden seien, namentlich keine Bläschen und Häkchen, die den Verdacht auf Echinococcus hätten lenken können. In die hiesige Klinik wurde Patientin aufgenommen am 6. V. 96. Status praesens: Patientin ist eine schwächlich ge- baute Frau mit gering entwickeltem Fettpolster. Bei der Auskultation und Perkussion des Thorax zeigt sich die Lunge ohne besondere Befunde, beim Herzen ist der erste Ton nicht ganz rein. Die 24stündige Urinmenge beträgt S5o gr, darunter etwa 100 gr Eiter; mikroskopisch lassen [9] or sich nur Eiterkörperchen nachweisen. Die linke Seite ist unter dem Rippenbogen mehr prominent. Auch sind die unteren Rippen etwas nach aussen gedrängt. Drei Finger breit oberhalb des Rippenbogens erhält man bei der Perkussion hinten Dämpfung. Bei der Palpation ergiebt sich unter dem Rippenbogen ein Tumor, welcher bis zur Mittellinie etwas über den Nabel hinaus nach unten bis 2 Finger breit oberhalb der Spina anterior superior reicht. Die Oberfläche des Tumor ist glatt. Es lässt sich deut- liche Fluctuation nachweisen, die sich auch von der Wirbel- säule her erzeugen lässt. Das Colon descendens ist vor der Niere gelegen; innen ist. tympanitischer Schall, aussen Dämpfung nachweisbar. Operation: Die Operation wird amg. V. in Chloroform- norkose in Seitenlage vorgenommen. Die Narkose dauert ungefähr °/s Stunde. Vom Rippenrande aus wird in der hintern Axillarlinie nach vorn und unten ein Schrägschnitt gemacht. Nach Durchtrennung der Muskulatur zeigen sich dicke Schwarten, welche freigelegt und abgehoben werden bis zur Umschlagstelle des Peritoneums. Es zeigt sich jetzt ein deutlich fluctuirender Tumor. Der Schnitt wird jetzt erweitert bis zur Spina anterior superior und der Tumor von unten aus leicht ausgelöst. Hinten reisst derselbe ein und es entleeren sich Echinococcusblasen. Der Sack wird nun weiter freigelegt und man kommt nach oben innen und vorne durch eine für einen Finger durchgängige Öffnung in das erweiterte Nierenbecken. Der Echinococcus ist also hinten und aussen von der Niere gelegen und in das Nieren- beken durchgebrochen. Die Wandungen sind mit gelb- grauen Schwarten besetzt. Jetzt wird der Sack vollständig abgetragen, wobei der untere Pol der Niere mit abgehoben wird. Die Blutung wird gestillt und die Wunde tamponiert. Ausser einer einzigen Lage ı0°/, Jodoformgaze kommt nur teriber Mull in die Wundhöhle. Der umsäumte Sack und 26 die Niere werden in die Hautwunde eingenäht und die untere Wunde in Etagen geschlossen. Verlauf: 10. V. Während der Nacht befand sich Pa- tientin ziemlich wohl und hatte einen guten Schlaf. Gegen Morgen ist der Puls kaum fühlbar; es wird deswegen eine Campherinjektion gemacht. Die Wunde secerniert stark. Nachmittags 4 Uhr wird die Kranke umgebettet und eine abermalise Campherinjektion appliciert. Die Urinmenge beträgt 320 gr. Er ist trübe uud mit Blut durchsetzt. Die Temperaiur beträgt morgens 8 Uhr 38,0, mittags ı Uhr a7 undaabendsz, Uhr 37,5% ı1. V. Nachts hat die Patientin von 3 Uhr ab ge- schlafen. Während der Nacht bekommt sie ı!/s Glas Wein. Früh morgens ist sie somnolent und pulslos. Spontan ent- leert sie keinen Urin, hat keine Flatus, aber manchmal Singultus. Durch den Katheder werden circa 20 cbcm trüben Urins entleert. Beim Verbandwechsel zeigen sich gute Wundverhältnisse.. Die Temperatur beträgt 38,3". Unter zunehmender Schwäche, Sehnenhüpfen und Hyperaesthesien erfolgt der Exitus nachmittags 4 Uhr. Section: Über dem linken Darmbeinkamm verläuft von der Spina anterior superior zum Rippenbogen eine nach vorn concave Wunde, deren unterer Teil durch Nähte verschlossen ist, während der obere 20 cm lange Abschnitt breit klafft. Der Spalt ist erfüllt von Verbandgaze. Ein grosses Drainrohr reicht tief in die Wunde hinein. Nach Entfernung desselben dringt ausder Tiefe der Wunde gelblich grüner, stinkender Eiter, welcher kleine hirsekorngrosse bis knapp erbsengrosse wasserhelle Bläschen enthält. Es findet sich in der Tiefe die linke Niere breit eröffnet, die Oberfläche zeigt hier eine höckrige rote himbeerartige Be- schaffenheit, an einzelnen Stellen mehr gelblich. Die Niere ist an ihren Rändern überall mit den umgebenden Weich- teilen nach oben mit dem Rippenbogen vernäht; die Rand- 27 partieen sind mit der Umgebung fest verwachsen, beim Loslösen findet man an den Weichteilen eingedickten Eiter. Das in der Wundhöhle steckende Drainrohr führt in einen kleinfingerdicken Gang in der Tiefe, und scheint mit dem Nierenbecken in Zusammenhang zu stehen. Bei Druck quillt hier reichlicher Eiter von der schon beschriebenen Be- schaffenheit hervor. Es wird nun von der Bauchhöhle aus die Niere mit dem Ureter, der Blase, den Beckenorganen und dem Colon descenders, welches mit der Vorderfläche der Niere harte fibröse Verwachsungen zeigt, im Zusammen- hange entfernt. Es zeigt sich nun, nachdem die Niere aufgeschnitten ist, dass der untere Teil derselben operativ entfernt worden ist, bis auf einen ganz schmalen Rest, welcher auf dem Durchschnitt eine derbe fibröse Beschaffenheit der Nierensubstanz erkennen lässt. Das Nierenbecken ist be- sonders am oberen Pole zu einem weiten Sacke ausgedehnt, welcher von Eiter erfüllt ist, und an vielen Stellen starke Rötung, überall starke Schwellung zeigt. Die Niere ist überall mit der fibrösen Kapsel fest verwachsen, sodass eine Trennung nur mit Mühe und unter Substanzverlust möglich ist. Die Kapsel ist stark verdickt. Die Oberfläche der Niere ist graugelblich opak. Die Consistenz ist bis auf ganz vereinzelte resistente Partieen auf der hinteren Fläche sehr schlaff, von eigentlicher Rindensubstenz ist nur in dem hinteren Teil, welcher durch den Operationsschnitt breit eröffnet ist, noch einiges mit Deutlichkeit zu erkennen. Im übrigen ist sie durch starke Ausdehnung des Beckens auf eine etwa im oberen Theil ı.;5 mm, im unteren auf 3 mm Dicke sackartige Wand reduziert. Hier sind an einzelnen Stellen deutlich vom Nierenbecken ausgehende gelbliche Streifen in die Substanz der Niere hineinzuverfolgen. Weiterhin findet sich der erwähnte Fistelgang in direkter Communication mit dem Nierenbecken. An der Stelle, wo die Nierensubstanz hier durchbrochen ist, findet sich roter 28 Granulationsbelag. Die Schleimhaut des Beckens, soweit sie mit dem Drain in Berührung gewesen ist, ist stark injiciert, und von einzelnen Haemorrhagieen durchsetzt. Der Ureter ist mit Eiter erfüllt, überall federkieldick und geht ohne Verengung des Lumen's in die Blase ein; letztere ist mässig dilatiert und enthält ungefähr 20 cbcem gelblichen stinkenden Eiter. Die Schleimhaut der Blase ist grüngeib und durch Gefässinjektionen leicht gerötet. Nach der Ein- mündungsstelle der Uretra zu finden sich einzelne mehr rötlich gefärbte Flecken. Die rechte Niere misst 12,5—5,5—3,5 cm; sie ist von sehr weicher Consistenz. Die fibröse Kapsel ist ohne Sub- stanzverlust zu trennen. Die Farbe der Oberfläche ist gelbrot opak. Auf der Schnittfläche ist die Rinde 6 mm breit, von graugelblicher opaker Beschaffenheit, an ein- zelnen Stellen sieht man deutlich gelbe Pünktchen. Die Marksubstanz ist graurot, zeigt keine Veränderungen, ebenso ist das Nierenbecken von normaler Beschaffenheit. Die Untersuchung der übrigen Organe ergiebt fol- gende Befunde: Endocarditis verrucosa Mitralis, Endocar- ditis chronica fibrosa Valvulae Mitralis et Aortae, De- generatio adıposa Myocardiıı, Haemorrhagia Pericardii, Oedema Pulmonum, Pleuritis adhaesiva fibrosa chronica, Endometritis chronica purulenta, Salpingitis catarrhalis, In- filtratio adıposa Hepatis. Es handelt sich hier um einen Fall, wo die Diagnose Echinococcus weder durch die Anamnese, noch den ob- jektiven Befund vor -der Operation mit Sicherheit ge- stellt werden konnte. Die zeitweise auftretenden heftigen Schmerzen und die mit dem jedesmaligen Anfalle ver- bundene Klarheit des Urins liessen auf eine Pyonephrose schliessen. Trotz mehrfacher genauer mikroskopischer Unter- suchungen seitens des vorher behandelnden Arztes und auch 29 in der hiesigen Klinik konnten keine für die Erklärung des Leidens wesentlichen Bestandtheile, namentlich keine Spuren parasitärer Theile (Blasen, Häkchen) nachgewiesen werden. Ebensowenig deutete auf diese Diagnose die bestimmte Angabe der Patientin, dass sie seit 20 Jahren nicht mehr mit einem Hunde in Berührung gekommen sei. Die Patientin will beobachtet haben, dass vor etwa 3 Jahren ihr Urin manchmal trübe gewesen sei; man könnte daher annehmen, dass bereits um jene Zeit eine Echinococcuserkrankung bestanden habe, und dass bereits damals eine Perforation der Cyste mit nachfolgender Zuheilung des Cystensackes erfolgt sei. Doch hiergegen spricht die Erfahrung, dass Echinococceusaffektionen im Allgemeinen nicht derartig lange zu bestehen pflegen. Bemerkenswert ist noch, dass bei der anderen Niere, wie die Sektion ergab, eine sehr bedeutende Nephritis parenchymatosa bestand, so dass dieselbe in ihrer Funktion sehr geschädigt war, dass also auf beiden Nieren sehr schwere Funktionsstörungen vorlagen, und dass bei der Operation die auch oben erwähnte Methode der Exstirpation der Echinococcuskranken Niere hier nicht am Platze gewesen wäre. Zum Schluss erfülle ich die angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Helferich für die gütige Überweisung dieses Themas sowie für die Durchsicht dieser Arbeit meinen ehrer- bietigsten Dank auszusprechen. m — 30 Litteratur. P. A. Braillon, Contribution a l’etude des Kystes hydatiques du rein Paris 1595. Langenbeck’s Archiv für Chirurgie 1886 Band 23. Centralblatt für Chirurgie 1893. Boeckel, Etude sur les Kystes hydatiques du rein an point de vue chirurgical Paris 1837. Neisser, Echinococcuserkrankungen 1997. Simon, Beitrag zur Echinococcuserkrankung der Nieren 18806. Deutsche Medizinische Wochenschrift 1886, No. 7 u. 8. Deutsche Medizinische Wochenschrift 1837, No. 23. Berliner klinische Wochenschrift Band XXX. 31 Lebenslauf. Ich, Joseph Schulte, Sohn des Gutsbesitzers C. Schulte und dessen Ehefrau Gertrud geborene Hitze, kath. Confession, wurde geboren den 1. März 1373 zu Eslohe i. Westph. Den ersten Unterricht genoss ich in der Elementarschule meines Heimatsortes und der höheren Bürgerschule dortselbst. Ostern 1887 wurde ich in das Gymnasium zu Paderborn auf- genommen, das ich Ostern 1592 mit dem Zeugnis der Reife verliess. Zu- erst war ich dann 1/, Jahr als Volontair in einer Fabrik beschäftigt, Herbst 1892 bezog ich jedoch die Universität um mich dem Studium der Mediein zu widmen. Ich studierte 5 Sem. in Marburg, 1 Sem. in Freiburg und 2 Sem. in Greifswald. Das Tentamen Physikum bestand ich Herbst 1894 in Marburg, des Examen rigorosum am 27. Juli 06 in Greifswald. Während dieser Zeit besuchte ich Vorlesungen, Kurse und Kliniken folgender Herren Professoren und Docenten. In Marburg: Ahlfeld, v. Büngner, Gasser, Korschelt, Külz f, Melde, A. Meyer, Müller, Sandmeyer, Strahl, Zinke, Zumstein. In Freiburg: Kraske, Ziegler, Goldmann, Bäumler. In Greifswald: Enderlen, Grawitz, Helferich, Krabler, Mosler, Peiper, v. Preuschen, Pernice, Schirmer, Schulz. Allen diesem meinen hochverehrten Lehrern, spreche ich an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aus. — Thesen. Ih Die Zahl der Echinococcuserkrankungen kann durch prophylaktische Massregeln verringert werden. 08 Bei gangränösen Hernien ist, wenn der Zustand des Patienten es erlaubt, die primäre Darmresektion indiciert. Il. Die Behandlung der Cholelithiasis ist am besten auf chirurgischem Wege zu erstreben. —_ Bl