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Zur Entwicklungsgeschichte des Kopfes des Menschen und der höheren Wirbelthiere.

Zur

Entwicklungsgeschichte des Kopfes

des

Menschen und der höheren Wirbelthiere.

Von

Dr. Emil Dursy,

Professor und Trosector an der anatomischen Anstalt zu Tübingen.

Mit Holzschnitten und einem Atlas von neun Kupfertafeln mit erklärendem

Texte.

Tübingen, 1869.

Verlag der H. L au pp 'sehen Buchhandlung.

- H. Siebeck. -

Die Entwicklungsgeschichte ist der wahre Lichtträger für Untersuchungen über organische Körper.

C. E. v. Baer, über Entwicklungsgeschichte der Thiere. I, S. 23.

Druck von H. Laupp in Tübingen.

Seinem hochverehrten Lehrer,

dem Herrn

H o f r a t h Dr. J. H e n I e,

Professor der Anatomie in Göttingen

aus tiefster Dankbarkeit und Hochachtung

Der Verfasser.

Vorbemerkung.

Was man mit einem Vorwort zu sagen pflegt, findet sich in der Einleitung der vorliegenden Abhandlung; schicke ich nun den- noch eine besondere Vorbemerkung voraus, so stellte sich deren Notwendigkeit erst während der Ausarbeitung des Manuscriptes ein , nachdem bereits ein Theil davon nebst der das Vorwort ent- haltenden Einleitung dem Drucke übergeben worden war. In der Einleitung nämlich deutete ich bereits meine Beobachtungen an , die mich zur Veröffentlichung vorliegender Abhandlung veranlassten, erkläre aber jetzt diese meine vorläufige Darlegung des Inhaltes für eine sehr unvollständige, nachdem ich nachträglich die Erfahrung machte, dass die in meinen Tagbüchern, Handzeichnungen und Prä- paraten enthaltenen Beobachtungen viel zahlreicher waren, als ich während der Abfassung der Einleitung, die ich nicht mehr ändern konnte , vermuthete.

Ein zweiter Grund, der mich zu einer besonderen Vorbemer- kung nöthigte, liegt in der Anknüpfung dieser Abhandlung an eine frühere von mir über den Primitivstreif des Hühnchens (Lahr, 1867) veröffentlichte Schrift. Dieselbe wird nämlich in den kürzlich er- schienenen Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthier- leibes von Wilhelm His in der Einleitung einer Besprechung unterworfen, jedoch in einer Weise, die mich sofort davon über- zeugte, dass meine gegen H i s gerichteten übrigens rein sachlichen und wohl begründeten Angriffe eine nicht geringe Verstimmung her- vorgerufen haben müssen. Wer aber meine Schrift über den Primitiv- streif kennt und den von His (S. 51) darüber erstatteten Bericht

VIII

liest, dem wird wohl die irrige Auffassung und zum Theil vollständige Umkehrung meiner Angaben nicht entgehen. Es ist dies um so auf- fallender, als doch in dem folgenden Inhalt der His'schen Abhandlung, wenn man die vielen neuen, die Vergleichung erschwerenden Be- zeichnungen in die bisher gebräuchliche Sprache der Embryologen übersetzt, vielmehr eine Bestätigung als eine Widerlegung meiner Angaben gefunden werden kann.

Man vergleiche z. B. nur die auf der letzten Tafel des His'- schen Werkes nach freilich nicht sehr gelungenen Präparaten an- gefertigten Abbildungen (H i s sah ja nicht einmal den von mir entdeckten und mit zwei Endknöpfchen versehenen Achsenfaden des Primitivstreifs!) mit meinen früheren der Abhandlung über den Primitivstreif beigegebenen Tafeln, oder man vergleiche die von His gegebene Beschreibung der von den bisherigen Angaben wesentlich abweichenden Gliederung des Embryonalschildes, oder der Chorda dorsalis, des Endknopfes der Wirbelsaite, der Entstehung der Hy- pophyse *) , der sogenannten Urwirbelhöhlen , des Verhaltens des Medullarrohres zur Schwanzanschwellung der Chorda, des nach hinten zurückweichenden Primitivstreifs u. s. w. mit meiner Dar- stellung , so wird man meine Verwunderung über diese Art der Benutzung meiner vorausgegangenen Schriften begreiflich finden.

Da nun vorliegende Abhandlung sich an meine früheren Ver- öffentlichungen anlehnt, so sehe ich mich einstweilen zu einer vor- läufigen Erwiederung an Herrn Prof. His genöthigt, die ich als Nachtrag auf S. 222 angeschlossen habe.

1) Vergl. auch meine »Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Hirn- anhanges« im Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. 1868. Nr. 8.

'o1-

Tübingen, 1. October 1868.

Emil Dursy.

Inhalt)

Seite

Einleitung 1

Uranlage des Schädels 7

Gemeinschaftliche Uranlage des Schädels und der Wirbelsäule 7

Schädelanlage 8

Chordaknopf.

Primitivstreif 10

Achsenfaden des Primitivstreifs. Kopfende des Primitivstreifs.

Urwirbelplatten des Kopfes 12

Bedeutung der vordersten Urwirbel.

Ort der vordem Eadigung der Chorda dorsalis.

Kopftheil der Chorda dorsalis des Menschen und der Säugethiere nebst

Bemerkungen über die Wirbelsaite überhaupt 15

Beziehungen der Chorda zum Hirnanhang.

Verhalten der Chorda in der Schädelbasis und der Wirbelsäule

jüngerer und älterer Embryonen 16

Chordakanal . 19

Chordagewebe 23

Anschwellungen des Chordastranges 26

Beziehungen der Chorda zu den Wirbelsynchondrosen ... 30

Chorda in der Schädelbasis verschiedener menschlicher Fötus . . 33

Krümmungen der Chorda 34

Verhalten der Chorda im Keilbein 35

Rathke'sche Tasche 35

Bursa pharyngea 40

Knopfförmiges Kopfende der Chorda 82

Primitives häutiges Schädelrohr * 45

Rückenrinne und Rückenfurche.

Schliessung der Rückenfurche 47

X

Seite

Primitives Schädelrohr 48

Dessen Bedeutung und Beziehung zum Hirnrohr (vergl. aueh S. 52).

Erklärung der Bezeichnung „Rückenplatten" 49

Bemerken über den Ort der beginnenden Schliessung des Rücken- rohres «0

Membrana reuniens superior.

Vorderes Hirnende und Trichterregion 53

Wachsthum und Krümmung des embryonalen Schädels .... 53

Spheno-Occipitaltheil und Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels 55

Kopfbeuge und Nackenbeuge. Hirnhautfortsätze des Schädels 60

a) Hirnhautfortsätze des Schädeldaches ... . 60

Entstehung dieser Fortsätze.

Schädelzellen, Schädelkammern 61

Tentorium cerebelli 67

Hirnsichel «~ 69

b) Hirnhautfortsätze der Schädelbasis 72 .

Mittlerer Schädelbalken.

Arteria basilaris 73

Rathke'sche Tasche. Chordaknopf, Trichter, Hypophyse. Operculum der Satetlgrube, Bursa pharyngea.

Hinterer Schädelbalken 79

Bursa pharyngea.

Veränderungen der Krümmungen der embryonalen Schädelbasis bei dem

Menschen und den Säugethieren 82

Verhalten des mittleren Schädelbalkens und des Gehirns zu den Abände- rungen der Krümmungen der Schädelbasis 88

Uranlage des Gesichtes 90

Primitiver Kopf.

Mundbucht 91

Primitive Mundhöhle 93

Rathke'sche Tasche. Rachenhöhle.

Nasenrachengang 95

Keilbeinhöhlen und Keilbeinmuscheln.

Primitive Mundspalte 98

Erste Anlage des Gesichtes und dessen weitere Ausbildung . 99

Schlund- und Brusthöhle 100

Kopfdarmhöhle.

Schlund- oder Rachenhöhle 101

Primitive Brusthöhle 102

Membrana reuniens inferior 103

Hals 105

Primitive Schlundhöhle.

Schlundspalten und Schlundbogen.

Bauchplatten 106

Kopfbauchplatte. Rumpf bauchplatte.

XI

Seite

Schlundbogen 109

Schlundspalten und Ohröffnung j]2

Kiemendeckelartiger Fortsatz, Hals ........ 112

Seitliches Halsdreieck des Embryo. Kiemendeckel.

Unterkieferfortsatz, Zunge 116

Erster Schlundbogen. Unterkieferfortsatz.

Meckel'scher Knorpel 120

Knochenkerne des Kinns.

Zunge 121

Oberkieferfortsatz 122

Stirnfortsatz 126

Uranlage des Stirnfortsatzes 127

Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels.

Vordere Hirnblase 128

Seitlicher Schädelbalken 129

Riechgrube 129

Jakobsou'sches Organ.

Nasendrüse.

Seitlicher Stirnfortsatz 131

Augen-Nasenfurche. Primitive Nasenhöhlen.

Entstehung der Riechgruben, Jakobson'sches Organ, Nasendrüse 132

Jakobson'sches Organ des Menschen 135

Mittlerer Stirnfortsatz 139

Verhalten des mittleren Stirnfortsatzes bei jüngeren Embryonen 140

Stirnfortsätze und Nasenhöhlen eines 1,15 Ctm. langen Rinds- embryo 141

Stirnfortsätze und Nasenhöhlen eines 1,8 Ctm. langen Rinds- embryo 144

Entstehung der Nasenscheidewaad 145

Primitiver Gaumen 146

Primitive Gaumenspalten 147

Primitive Gaumenleisten 148

Primitiver Gaumen älterer Säugethierembryonen . . . 148

Primitive Gaumenleisten 152

Primitive Gaumenspalten 154

Nasenrachengang 156

Zur Entwicklungsgeschichte der Nase des Menschen .... 157

Ueber das spätere Verhalten der Oberkieferfortsätze .... 162

Ueber Cyklopie 165

Zur Bildungsgeschichte des bleibenden Gaumens 169

Bemerkungen über Wolfsrachenbildung , das Pflugscharbein und den

knöchernen Gaumen 177

XII

Seite

Zur Bildungsgeschichte des Gesichtsskeletes 181

Knorpelgerüste der vorderen Abtheilung der Nasenhöhlen . 184

Nasenknorpelgerüste des mittleren Abschnittes der Nasenhöhlen 187

Nasenknorpelgerüste des hinteren Abschnittes der Nasenhöhlen 190

Grundform und späteres Verhalten des Knorpelgerüstes der Nase 196

Gesichtsknochen . ' 198

Keilbein 205

Zur Entwicklungsgeschichte der Zähne ....... 211

Nachtrag 222

Eine die Bildung des menschlichen und Wirbelthierkopfes allseitig umfassende Geschichte lag schon von Anfang an gar nicht in meinem Plane, weil ich in den vorliegenden Blättern nur eigene Beobachtungen zu geben beabsichtige. Unter dieser Voraussetzung wird der Kenner, der die grossen Schwierigkeiten dieser Seite der anatomischen Thätigkeit bereits erfahren hat, auch nur Beiträge zu einer Entwicklungsgeschichte des Kopfes erwarten. Ich verzichte daher auf den in Lehrbüchern und monographischen Abhandlungen gebräuchlichen Gang der Erzählung sowie auf breit angelegte historische Erörterungen und andere die Magerkeit so mancher Monographien maskirende Zuthaten. Auch beabsichtigte ich ursprünglich nur die Bearbeitung eines ganz bestimmten und beschränkten Theiles, der aber zwischen die übrigen so eingriff, dass dadurch das ganze Gebäude in Mitleidenschaft gerieth und theils mit neuen Stützen versehen theils an vielen Stel- len ausgebessert werden musste. Ich gab daher vorliegender Abhandlung einen allgemeineren Titel und ihre die Anordnung und Zusammengehörigkeit der folgenden Beobachtungen erklärende Geschichte soll die Einleitung bilden.

Veranlasst wurde die Zusammenstellung einiger meiner theils schon älteren theils neueren Erfahrungen über die Entwicklung des Kopfes durch eine die Gaumenbildung betreffende Beobachtung, nach welcher die Gaumenfortsätze ursprünglich nicht horizontale, sondern vertikal gestellte Platten darstellen. Die dazwischen wie eingeklemmte Zunge berührt die ebenso breite Nasenscheidewand und kann, wie ein von mir untersuchter Fall beweist, durch ver- späteten oder unregelmässigen Rückzug die mediane Vereinigung der Gaumenplatten hindern. Zahlreiche die Gaumenbildung be- treffende Untersuchungen zeigten mir noch andere den Gaumen- schluss betreffende Hindernisse und belehrten mich, dass die bis- herige Auffassung der Gaumenplatten als Bildungsfortsätze nur

D u r s y , Eutwicklgsgesch. 1

der Oberkieferwülste nicht die richtige ist. Als gemeinschaftliche Anlagen des harten und weichen Gaumens sind sie schon von An- fang an auch entlang der Seitenwand des späteren Schlundkopfes bis zum Kehlkopf herab zu finden, so dass man in den späteren Arcus palato-pharyngei die zu keiner bleibenden medianen Ver- bindung gelangten Seitenhälften der ursprünglichen Gaumenanlage vor Augen hat , welche den Isthmus pharyngo-nasalis als Rest der embryonalen Gaumenspalte begrenzen.

Diese schon vor mehreren Jahren gemachten Erfahrungen, worüber ich im Jahre 1866 in einer Sitzung der Senkenberg'- schen naturforschenden Gesellschaft einige Präparate vorlegte und einen Auszug meines darüber sowie über den Primitivstreif des Hühnchens gehaltenen Vortrages zu Protokoll gab, nöthigten mich zu einer immer weiter zurückgreifenden Revision der das Gesicht betreffenden Bildungsvorgänge. Da ich dabei hauptsächlich die Beziehungen zum Gaumen im Auge hatte, so waren es vor Allem die Nasenhöhle und Mundhöhle, die ich bei dem Menschen und einigen Säugethieren (Rind , Schaf, Schwein) einer Untersuchung unterwarf.

Schon vor der Bildung des eigentlichen Gaumens sind es be- sondere oberhalb der späteren Gaumenplatten hervortretende leisten- förmige Vorsprünge der Oberkiefer wülste , welche in Verbindung mit lateralen Ausladungen des untern Randes der Nasenscheide- wand eine provisorische Abschliessung der Nasenhöhle von der Mundhöhle zu Stande bringen , gleichsam einen vorläufigen primi- tiven Gaumen darstellen. Bei Säugern fand ich, zum Unterschied von dem Menschen , noch einen besondern die Regio olfactoria von der hintern Partie der Regio respiratoria abschliessenden Boden , in welchem ein der Keilbeinmuschel des Menschen ana- loger Knochen sich entwickelt. Ferner lernte ich bei Säugethieren eine später nicht mehr vorhandene Uvula des Gaumensegels , so- wie bei dem Menschen ein später nicht mehr vorhandenes Jacob- son'sches Organ sowie eine mit zwei divergirenden gebogenen Schenkeln versehene untere Muschel (wie bei manchen Säugern bleibend) kennen. Auch Knorpelplatten finden sieh, wie bei den Säugern, so auch bei menschlichen Embryonen im Nasenhöhlen- boden. Ueberhaupt fasse ich jetzt die Entwicklung der Nasenhöhle

und besonders der in sie einmündenden Nebenhöhlen in einer von der bisherigen Lehre verschiedenen Weise auf. Bei dem Menschen und den Säugern finde ich schon in früher Zeit des embryonalen Lebens diese Höhlen (Keilbeinhöhlen, Oberkieferhöhlen, Stirnhöhlen, Siebbeinhöhlen) knorplich vorgebildet und erst nachträglich von Knochenmasse umfasst. Auch lernte ich bei dieser Gelegenheit horizontale knorpliche Seitenplatten des Siebbeins kennen, welche die Augenhöhlendächer bilden und einen weiteren Anhaltspunkt zur Vergleichung des Siebbeins mit einem Wirbel bieten.

Meine im Hinblick auf den Gaumen auch auf die Bildungs- vorgänge der Mundhöhle ausgedehnten Untersuchungen leiteten meine Aufmerksamkeit auf die Entwicklung der für die Gaumen- bildung wichtigen Zunge und ich erkannte deren Bildung aus drei besonderen Uranlagen, welche Scheidung auch später noch durch das mediane Septum des Zungenkörpers sowie durch das nur einen Rest fötaler Bildung darstellende Foramen coecum an- gedeutet wird. Auch überzeugte ich mich von der im Wesent- lichen gleichen Bildungsweise der Zähne des Menschen und der Säuger, wobei ich jedoch auf einige Verschiedenheiten aufmerksam machen werde.

Die zur Begründung meiner Lehre der Gaumenbildung her- beigezogene Entwicklungsgeschichte der Nasen- und Mundhöhle verlangte auch ein Eingehen auf die das Gesicht zusammensetzen- den Bildungsfortsätze und ich gewann dadurch die Ueberzeugung, dass die Oberkieferwülste weder als Fortsätze des ersten Schlund- bogens noch als dessen seitliche Bogenstücke betrachtet werden können. Sie und selbst die Stirnfortsätze sind den Schlundbogen ursprünglich analoge Bildungen, nämlich" Bogenhälften , deren mediane Vereinigung durch die Kopfbeuge gehindert wird, aus- nahmsweise aber zu Stande kommen kann.

Zur näheren Begründung der die Gesichtsbildung betreffenden Vorgänge unterzog ich auch die embryonale Schädelbasis einer Prüfung und namentlich war es deren vorderer dem Gesichte zur Anlagerung dienende Abschnitt oder der Spheno-Ethmoidaltheil der Schädelbasis , welcher zunächst meine Aufmerksamkeit in An- spruch nahm. Ihre anfangs so geringe Dicke sowie der Mangel einer sie stützenden Chorda macht sie gleichsam wehrlos gegen-

1*

über dem um die Oberherrschaft geführten Kampfe zwischen Hirn und Gesicht. Wir sehen daher ursprünglich diesen Schädelabschnitt vor dem Erscheinen des erst nachträglich sich geltend machenden Gesichts völlig in die Hand des Gehirns gegeben und zwar zu- nächst der vordem primitiven Hirnblase, deren durch den Chorda- knopf von der ursprünglichen Richtung abgelenktes Längenwachs- thum die zuerst spitzwinklige Kopfbeuge (die sogenannte Gesichts- kopfbeuge) hervorruft. Diese finde ich daher auch bei allen Wirbelthieren, möge die spätere Gesichtslagerung sein, welche sie wolle. Mit dem Erscheinen des Gesichtes wird die der Wirbel- körpersäule entgegen gekrümmte Schädelbasis wieder gehoben, um Raum zu schaffen; sie weicht dorsalwärts aus und zwar um so mehr , je bedeutender dem Gehirn gegenüber das Gesicht sich Geltung verschafft. Die unterdessen hervorsprossenden Grosshirn- bläschen mit den Geruchskolben suchen bei den höheren Thieren diesen Rückzug zu hemmen, können selbst eine neue, vor der ur- sprünglichen Kopfbeuge liegende, dem Gesichte entgegen strebende Beugung der Schädelbasis veranlassen. Schliesslich gewinnt bei dem Menschen das Gehirn wieder die Oberhand und stellt den fast zum Ausgleich gekommenen Kopfbeugewinkel, wenn auch nicht in der früheren Kleinheit, wieder her.

Dem Gehirn weniger fügsam zeigt sich der hintere oder Spheno- Occipitaltheil der Schädelbasis, welcher schon von Anfang durch grössere Dicke , durch den Besitz einer stützenden Chorda sowie durch seine frühe Betheiligung an der Bildung der Kopfdarmhöhle sich unterscheidet. Da zur Begründung meiner Lehre der Kopf- beuge auch dieser Schädelabschnitt einer näheren Untersuchung nicht entzogen werden durfte , so kam ich schliesslich auf die Ur- anlage des Schädels überhaupt zurück, wobei ich auch meine früheren über den Primitivstreif veröffentlichten Beobachtungen zu bestätigen und zu erweitern Gelegenheit hatte 1). Eine wich-

1) Andere mir bis jetzt bekannt gewordene Bestätigungen einiger meiner früheren in der Abhandlung über den Primitivstreif niedergelegten Angaben finde ich in der Abhandlung über Entwicklung der Gewebe von C. Bruch, worin ebenfalls die ßemak 'sehe Urwirbelhöhle zurückgewiesen wird ; ferner bei A. Rosenberg (Untersuchungen über die Entwicklung der Teleostier- Niere), welcher auch beim Hühnchen die Entwicklung des Urnierenganges aus dem mittleren Keimblatt bestätigte.

tige Rolle bei der Entstehung der Kopfbeuge und der damit zu- sammenhängenden Bildung der Hypophyse , die ich ebenfalls zur Sprache bringen werde, spielt der Chordaknopf. Eine aus diesem Grunde wiederholte Prüfung des Kopftheiles der Chorda, die ich zugleich auf den Bau und das spätere Verhalten der ganzen Wir- belsaite ausdehnen musste, gab mir ein Resultat, welches von den bisherigen Angaben in vielen und wesentlichen Dingen abweicht.

Da ferner die Kopfbeuge sowie auch die Nackenbeuge in ihrem ersten Auftreten sowie in ihren späteren Veränderungen in Beziehung stehen zur Entstehung und zum späteren Verhalten ge- wisser von der Schädelbasis ausgehender Fortsätze (hinterer und mittlerer Schädelbalken), so habe ich diese und zur Vergleichung auch die Hirnhautfortsätze des Schädeldaches in den Bereich meiner Untersuchungen gezogen. Namentlich ist es die Bildung des Tentorium , dessen Entstehung aus ursprünglich ganz ent- fernten voreinander liegenden Hirnhautfortsätzen ich nachweisen und dabei auf eine, auch genetisch begründete doppelte Bedeutung des späteren Hirnzeltes aufmerksam machen werde. Gänzlich unbegründet ist die Lehre , dass der mittlere Schädelbalken , den ich im Wesentlichen als einen für die anfangs überwiegende Ar- teria basilaris bestimmten Hirnhautfortsatz erkannte, sich an der Bildung des Tentorium betheilige oder gar das primitive Hirnzelt darstelle. Eine Rolle aber spielt er bei der die Sattelgrube über- brückenden Decke der harten Hirnhaut und in seiner Wurzel bildet sich die Sattelleime.

So führte mich eine ursprünglich nur den Gaumen betreffende Beobachtung schliesslich in das Gebiet der Entwicklungsgeschichte des Kopfes überhaupt und die oben erzählte Geschichte vorlie- gender Untersuchungen zeigt das Band, welches die nun folgenden Beiträge zusammenhält.

Der dieser Abhandlung beigegebene Atlas enthält Abbildungen zerlegter und unzerlegter Embryonen, deren Erwerbung bekanntlich mit vielen Schwierigkeiten verknüpft ist. Ich hielt es daher für angezeigt , der üblichen kurzen Figurenerklärung jedesmal eine einleitende übersichtliche Betrachtung der einzelnen Abbildungen vorauszuschicken, um zugleich eine allgemeinere Verwerthung der- selben zu ermöglichen. Auch brachte mir diese Behandlung den

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Vortheil , dass ich den Text der Abhandlung erleichtern durfte, indem ich ermüdende Erörterungen dorthin verlegte. Mit grosser Bereitwilligkeit ging Herr S i e b e c k , der Verleger dieses Werkes, auf diese sowie auf alle eine schöne Ausstattung bezweckenden Vorschläge ein und stellte mir für den Stich der Tafeln die Mei- sterhand des Herrn Wagenschieber zur Verfügung; auch ge- stattete Herr Siebeck, dem bereits abgegebenen Manuscripte nachträglich noch einige dem Texte eingedruckte Holzstiche bei- zufügen. Ich fühle mich daher verpflichtet , dem Herrn Verleger hiermit für dieses so freundliche und uneigennützige Entgegen- kommen meinen Dank auszusprechen.

Schliesslich ergreife ich mit Freude diese Gelegenheit, den Herrn Aerzten , welche mich durch Uebersendung menschlicher Embryonen unterstützten, für diese Bereitwilligkeit meinen Dank auszusprechen. Ganz besonders verpflichtet fühle ich mich dem Herrn Dr. Eugen Koller in Hechingen, dem Herrn Oberamts- arzt Dr. Ott in Horb, dem Herrn Sanitätsrath Dr. Reh mann in Haigerloch sowie dem Herrn Oberamtsarzt Dr. Stockmayer in Heidenheim, welche schon seit Jahren mir zahlreiche Embryonen zuschicken und in ihrem mündlichen und schriftlichen Verkehr mit mir ein sehr erfreuliches Interesse für diesen in neuerer Zeit wieder allgemein in Aufnahme kommenden Theil der Anatomie, die Entwicklungsgeschichte, an den Tag legen.

Uranlage des Schädels.

Schädel und Wirbelsäule finden ihre gemeinschaftliche An- lage in den Urwirbelplatten , welche anfangs mit den darüber lie- genden Medullarplatten eine ungetheilte scheibenförmige Verdickung des Embryonalschildes darstellen. Es besteht somit diese zuerst kreisrunde dickere Schildmitte oder die gemeinsame Uranlage der Iiückenplatten aus einem oberen Blatt (oberes Keimblatt) für das Centralnervensystem und einem unteren Blatt (mittleres Keimblatt), aus welchem das Knuchensystem hervorgeht und zwar zunächst der Schädel und die Wirbelsäule. Mit dem Erscheinen des Primi- tivstreifs und der davor liegenden Wirbelsaite sondert sich die Schildmitte in zwei symmetrische Seitenhälften (Rückenplatten) und nimmt zugleich die Gestalt einer ovalen Platte an mit einem brei- teren abgerundeten Kopfende und einem sich zuspitzenden Schwanz- ende. In jenem fliessen die Seitenhälften der ovalen Schildmitte oder die Rückenplatten in einem Bogen zusammen, den ich den Schlussbogen der Rückenplatten nennen will. In dem hinteren Ende der Schildmitte erfahren die Rückenplatten keine solche Verbindung, sondern erzeugen eine durch den Primitivstreif hal- birte Spitze (Taf. II, Fig. 10). Hierauf verschmälert sich die Schildmitte in der Gegend vor dem Kopfende des Primitivstreifs zu beiden Seiten der hier beginnenden Chorda und gewinnt da- durch eine Biscuit-Form , woran man einen mittleren sowie einen längeren und breiteren vorderen und hinteren Abschnitt unter- scheidet. Der vordere Abschnitt enthält die Anlage des Schädels und Gehirnes, der folgende oder mittlere die Anlage der Urwirbel und des Rückenmarkes, der hintere den Primitivstreif enthaltende Abschnitt dagegen betheiligt sich, wie ich für das Hühnchen nach- gewiesen habe , nicht direct an dem Aufbau des embryonalen Leibes.

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Die biscuit- oder leierförmig gewordene Schildmitte besteht, wie oben bemerkt wurde, aus einem oberen und einem unteren Blatt. Das letztere (mittlere Keimblatt) , welches die Anlage des Knochensjstem.es enthält, wird an seiner Bauchfläche von dem Darmdrüsenblatt(dem sogenannten unteren Keimblatt) überzogen und lässt entsprechend dem oben angegebenen Verhalten der gesammten Schildmitte, zwei symmetrische dickere Seitenhälften (Urwirbel- platten) unterscheiden, welche vorn sich bogenförmig vereinigen (Schlussbogen der Urwirbelplatten) , hinten dagegen zu beiden Seiten des Primitivstreifs sich zugespitzt verlieren. Jede Urwirbel- platte wird von einer ebenso gestalteten durchsichtigen Medullar- platte gedeckt und bildet mit derselben eine Eückenplatte. Ge- schieden sind beide Urwirbelplatten durch einen mit wasserheller Flüssigkeit erfüllten Zwischenraum , welcher durch das darüber liegende obere Keimblatt sowie durch das darunter ausgespannte Darmdrüsenblatt zu einem die Wirbelsaite aufnehmenden Kanal ergänzt wird und den Boden einer bisher mit der Rinne des Primitivstreifs verwechselten Rinne darstellt, die ich Rücken- rinne (nicht zu verwechseln mit Rückenfurche) genannt habe (Taf. II, Fig. 10). Das knopfförmig verdickte Kopfende der Chorda erreicht den Schlussbogen der Urwirbelplatten und steht mit ihm in ununterbrochenem Zusammenhang.

Nach dem Uebergang der Schildmitte aus der ovalen in die Biscuit-Form Avird damit auch an den Urwirbelplatten eine Ab- scheidung in Schädel und Wirbelsäule angedeutet, jedoch erst mit dem Erscheinen der ersten Urwirbel eine schärfere Grenze erzielt. Es bedeutet nämlich der vorderste der zuerst entstehenden Ur- wirbel die Gegend des ersten Halswirbels, wodurch ein auffallen- des Missverhältniss in der ursprünglichen Länge des zukünftigen Schädels und der Wirbelsäule herbeigeführt wird (Taf. II, Fig. 10). Es beschränkt sich daher die Anlage der Wirbelsäule auf die mittlere schmalere Abtheilung der biscuitförmigen Schildmitte, so- mit auf die anfangs sehr kurze Gegend zwischen dem Kopfende des Primitivstreifs und dem vordersten Urwirbel; die Schädel- anlage dagegen beansprucht die vordere Hälfte der ganzen Länge der Schildmitte. Alsbald aber überflügelt die mittlere Abtheilung die übrigen in ihrem Längenwachsthum und schiebt die Schädel-

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anläge mit den zuerst entstandenen Urwirbeln nach vorn, während die hintere Partie der Urwirbelplatten mit dem Primitivstreif zu- rückbleibt und , wie schon früher von mir nachgewiesen wurde, niemals in Urwirbel sich abgliedert.

Kehren wir nun zur Schädelanlage zurück , so zeichnet sich dieselbe durch ihre auffallende Länge aus und übertrifft die Anlage der Wirbelsäule nur wenig an Breite, unterscheidet sich aber von ihr darin, dass sie niemals in Urwirbel sich abgliedert. Sie be- steht zwar ebenfalls aus zwei symmetrischen Seitenhälften, besitzt jedoch noch ein drittes unpaariges Verbindungsstück (Schlussbogen der Urwirbelplatten) , in welchem die Chorda mit einem Knopfe endigt. Wie den Rumpf- und Schwanztheil der Urwirbelplatten, so finde ich auch deren Kopftheil durch einen hellen Saum von den Seitenplatten des mittleren Keimblattes geschieden und nur dem Schlussbogen fehlt diese Abgrenzung.

Fragt man nach den Beziehungen dieser Schädelanlage zu dem fertigen Schädel, so ist es zunächst die Schädelbasis, welche den Urwirbelplatten ihre Entstehung verdankt und daher mit der ebenfalls paarigen Uranlage der Wirbelkörper übereinstimmt; auch bildet für beide die Chorda die gemeinschaftliche Achse. Es lehrt aber der weitere Verlauf der Entwicklung , dass diese Uranlage der Schädelbasis trotz ihrer auffallenden Länge einstweilen nur den medianen Theil der spätem hinteren und mittleren Schädel- grube , also die Basis des Spheno-Occipitaltheiles des späteren Schädels formirt. Im Einklänge damit schliesst auch das Medul- larrohr an seinem vorderen Ende nicht mit den Grosshirnhemi- Sphären ab , sondern mit einer Blase , deren Höhle vorerst der Gegend des spätem dritten Ventrikels entspricht. Zur Beurtheilung dieser Verhältnisse dient besonders auch noch die von mir her- vorgehobene Beziehung des Chordaknopfes zur Hypophysenbildung und wir erfahren dadurch, dass dieser Knopf vorläufig die Ge- gend der spätem Sattelgrube markirt. Der den Chordaknopf auf- nehmende Schlussbogen der Urwirbelplatten enthält die Anlage des erst nachträglich hervorwachsenden Spheno -Ethmoidaltheils des Schädels, welcher somit durch eine unpaarige Uranlage sowie da- durch sich auszeichnet, dass er vor dem Kopfende der Chorda dorsalis sich ausbildet, die niemals die Hypophysengegend über-

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schreitet. Diese Deutung der Uranlage des Schädels erklärt auch das von den übrigen Wirbelthieren scheinbar abweichende Ver- halten der Chorda bei Amphioxus lanceolatus , bei welchem sie auch später und das ganze Leben hindurch die Stirnwand erreicht. Bei diesem Geschöpfe bleibt nämlich der Kopf auf einer so nied- rigen Bildungsstufe zurück , dass er zunächst nur dem Spheno- Occipitaltheil des Schädels der höheren Wirbelthiere entspricht und ein das Gesicht tragender Spheno-Ethmoidaltheil gar nicht sich entwickelt. Hiermit hoffe ich auch den noch immer bestehenden Streit über die Lage des vordersten Chordaendes zu beseitigen, da obige Darlegung einen Anhaltspunkt zur Beurtheilung der je nach der Entwicklungsperiode des Schädels verschiedenen Lagerungs- verhältnisse bietet.

Diese Angaben über die erste Entwicklung des Schädels stützen sich auf meine Beobachtungen über die Entwicklung de: Hühnchens, die ich zum Theil schon bei einer andern Gelegenheit veröffentlichte 1).

Bekanntlich suchte v. Baer die Schädelanlage in dem von ihm ent- deckten Prhnitivstreif und zwar in schon sehr früher Zeit, wie aus einer in seiner Entwicklungsgeschichte der Thiere gemachten Aeusserung 2) her- vorgeht: „Der Kopf des zukünftigen Embryo ist schon in dem Primitiv- streif durch ein etwas dickeres Ende angedeutet." Auch Remak gründet auf diese Lehre den Entwicklungsplan. Richtiger leitet Reichert die auch der ersten Schädelanlage zu Grunde liegenden Urwirbelplatten nicht aus dem Primitivstreif , den er bekanntlich überhaupt läugnet. Weitere unterdessen angestellte Kachforschungen über diese Streitfrage ergaben mir das Resultat , dass es hier zum Theil um ganz verschiedene Dinge sich handelt , worüber man streitet. Die Beschreibung nämlich , die Reichert von der Primitivrinne des Hühnchens giebt, passt zwar nicht auf den Raer-Remak'schen Primitivstreif und dessen Rinne, stimmt da- gegen ganz zu der von mir als Rückenrinne bezeichneten Rinne, welche die Chorda enthält und von den Rückenplatten (Medullär- und Urwirbel- platten) begrenzt wird. Auch die von Bisch off gegebene Darstellung passt nur auf meine Rückenrinne. Ich wundere mich daher nicht mehr so sehr darüber, dass Reichert und Bise hoff auch einen ein- fachen, ohne Rinne existirenden Primitivstreif in Abrede stellen, da diese

1) Der Primitivstreif des Hühnchens, Lahr 1866. Messungen an Hühner- embryonen etc. in Henle's u. Pfeufer's Zeitschr. 3. R. Bd. XXIX. 1867. Beiträge z. Entwickig. d. Hirnanhanges im Centralbiatt f. d. med. Wissen- schaft. 1868. Nr. 8.

2) Entwicklungsgeschichte der Thiere. 1828. 1. S. 12.

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Forscher, indem sie den Primitivstreif zu bekämpfen glaubten, die bereits v o r dem Primitivstreif erschienene Uranlage des embryonalen Leibes vor Augen hatten, welche in Gestalt zweier durch die Rückenrinne und durch die Chorda geschiedener Platten aus dem Embryonalschild hervorgeht.

Was den von mir in der Rinne des Primitivstreifs entdeckten räth- selhaften Achsenfaden betrifft, so belehrten mich neuere Untersuchungen, dass derselbe niemals über das Kopfende des Primitivstreifs hinaus sich verlängert , was ich in meiner Abhandlung über den Primitivstreif gesehen zu haben glaubte; er hat daher überhaupt mit der Wirbelsaite gar nichts zu schaffen. Ganz regelmässig besitzt er zwei knopfförmige Endanschwel- lungen, welche in den beiden Enden der Rinne des Primitivstreifs liegen (Taf. II, Fig. 10 u. 12). Er ist seiner ganzen Länge nach so lose auf den Boden der Rinne gleichsam nur aufgelegt , dass er unter Wasser häufig unter den Augen des Beobachters ganz oder theilweise sich erhebt und über die Seitenränder der Rinne hinweg gleitet. Dabei ist er so ungemein zart, dass er leicht an einer oder mehrern Stellen entzwei bricht. Mit Anwendung ganz besonderer Vorsicht gelingt es mir jetzt, den vollständigen Achsenfaden an in Farrant's Flüssigkeit aufbewahrten Präparaten zu erhalten. An Querschnitten ist er nicht darstellbar. Da man bisher den Primitivstreif mit der davor liegenden Anlage des Embryo .verwechselte und letztere theilweise daraus hervorgehen liess, so passen auch die Beschreibungen der Chorda nur auf den die embryonale Ur- anlage stützenden Zellenstrang, nicht aber auf den Achsenfaden, den man bisher übersah. Nur Baer scheint ihn vielleicht gesehen zu haben, weil er die erste Anlage dieses von ihm für die Chorda gehaltenen Gebildes abweichend von allen übrigen Schriftstellern als eine einfache Reihe dunkler Kügelchen (nicht Zellen, wie Bischoff1) diese Ba er 'sehe Angabe zu verbessern glaubt) beschreibt.

Man trifft den Achsenfaden bereits ehe jioch eine Spur der vor dem Primitivstreif sich ausbildenden Uranlage des Embryo und der Chorda wahrgenommen wird. Das Schwanzende und das Kopfende der Rinne des Primitivstreifs werden durch die entsprechenden Endanschwellungen des Achsenfadens , die als dunkle Punkte sich scharf von der durchsichtigen Unterlage abheben , noch besonders markirt. Erscheint dann vor dem Primitivstreif die Chorda dorsalis nebst der umgebenden Anlage des Embryo, so bleibt das angegebene Verhalten des Primitivstreifs längere Zeit immer dasselbe, und auch das noch vorhandene vordere Endknöpfchen des Achsenfadens giebt ein weiteres charakteristisches Merkmal zur Be- stimmung des Kopfendes des Primitivstreifs (Fig. 10 u. 12) ab.

Ursprünglich , vor dem Erscheinen der wahren Chorda und der Ur- anlage des Embryo , zeigt der mit Rinne und Achsenfaden versehene Primitivstreif ein deutlich abgerundetes durch die bogenförmige Vereini-

1) Entwicklgsgesch. d. Säugethiere u. d. Menschen. 1842. S. 381.

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gung seiner Seitenhälften entstandenes Ende, welches ich den vordem Schlussbogen des Primitivstreifs nennen will. Ausnahmsweise erleidet derselbe an Einer Seite, niemals in der Medianlinie, eine Unterbrechung in Folge einer ungleichen Dickenzunahme. Viel häufiger trifft man dieses Verhalten in späterer Zeit , wenn bereits die Chorda und die Uranlage des Embryo deutlich vorliegen (Fig. 10). Merkwürdiger Weise finde ich diese Unterbrechung des im Uebrigen durch seine Dicke und durch das Endknöpfeken des Achsenfadens auffallend markirten Kopfendes des Primi- tivstreifs in der Regel nur auf der linken Seite des Embryo. Da nun der mediane Theil des Schlussbogens mit der davor liegenden Chorda- wurzel in Verbindung steht und zugleich auch mit dem rechten Seitentheil des Primitivstreifs in continuirlichem Zusammenhang bleibt, so macht dann ein solches Verhalten den Eindruck, als ob nur der rechte Seitentheil des Primitivstreifs unter Bildung einer S förmigen Krümmung sich in die Chordawurzel fortsetze. Niemals jedoch bemerkte ich diese Unterbrechung des vordem Schlussbogens auf beiden Seiten zugleich, und es wäre da- durch auch der Zusammenhang der Chorda mit dem Primitivstreif gestört.

Von den Urwirbelplatten des Kopfs behauptet Remak 1), dass dieselben zum Unterschied von den Urwirbelplatten des Rumpfes und des Schwanztheiles nicht durch einen hellen Saum von den Seitenplatten geschieden seien und bezeichnet diese ver- schmolzenen Seiten- und Urwirbelplatten als Kopfplatten. Eine derartige Verschmelzung findet sich höchstens nur entlang des vor- dem Randes des Schlussbogens, also nur am vordersten Ende der Urwirbelplatten des Kopfes, nicht aber an den Seitenrändern , die durch einen hellen Grenzsaum ebenso deutlich abgeschieden wer- den, wie am Rumpf- und.Schwanztheil des Embryo. Die Figur 10 der zweiten Tafel zeigt diesen Grenzsaum bei durchfallendem Licht (daher hell), die Figuren 11 und 12 stellen ihn bei auffal- lendem Lichte (dunkel) dar.

Auch die von Remak selbst in seinem Werke über die Entwicklung der Wirbelthiere gegebenen Figuren (Taf. I, Fig. 9 A, 10 A, IIA, sowie Taf. II, Fig. 17 A) sprechen gegen eine Verschmelzung der Urwirbelplatten mit den Seitenplatten, während das in seiner Fig. 18 oder 20 A u. s. w. gegebene Verhalten des Grenzsaumes der Wirklichkeit durchaus nicht entspricht. Ich kann daher die Aufstellung besonderer Kopfplatten im Sinne Remak 's nicht gelten lassen; auch stösst dieselbe in ihrer spä- teren Durchführung auf allerlei Schwierigkeiten, die ich nicht zu beseiti-

1) Untersuchungen über d. Entwklg. d. Wirbelthiere, 1855. S. 11 u. a, anderen Stellen.

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gen weiss. Mit dem Erscheinen der ersten Urwirbel ist zwar eine Ab- grenzung zwischen Schädel mit Hirn und Wirbelsäule mit Rückenmark gegeben , nicht aber zwischen Kopf und Rumpf. In so früher Zeit der Entwicklung zeigen nämlich die verschiedenen Anlagen des embryonalen Leibes ganz andere Lagebeziehungen als später. Da nun die Urwirbel- platten des Kopfes niemals in Urwirbel zerfallen und dieses Verhalten auch Remak (S. 23) noch besonders für seine Kopfplatten hervorhebt, so ist mir nicht verständlich, wie aus der hinteren Hälfte dieser Platten nach Remak später der Vorderdarm, die Halsplatten, der obere Abschnitt der Pleuroperitonealhöhle und der (doch in Urwirbel zerfallende!) Ha Is- theil der Wirbelsäule entstehen kann. Es stimmt damit die von Remak gegebene Definition der Kopfplatten nicht überein. Auch scheint dies Remak selbst gefühlt zu haben, da er (S. 12) die Vermuthung aufstellt, dass vielleicht die vordersten Urwirbel, deren Deutung als oberste Hals- wirbel von ihm als höchst wahrscheinlich zugegeben wird, vielleicht später nach vorn (in die Halsgegend) rückten. Verschiebungen kommen aller- dings vor, daher auch aus diesem Grunde Bezeichnungen wie „Kopfplatten, Halsplatten" u. s. w. am besten ganz aufgegeben werden.

Für die Ansicht , dass der vorderste der drei zuerst erscheinenden Urwirbel die Gegend des späteren obersten Halswirbels bedeutet, war ich schon früher eingetreten und bin jetzt im Stande , noch einen weitern Beweis beizufügen. Es bilden sich nämlich die hellen Streifen, welche die Urwirbelplatten in Urwirbel abgliedern, nicht in ihrer ganzen Länge auf Einmal, sondern beginnen am lateralen Rand der Urwirbelplatten und dringen allmählig medianwärts vor. Häufig läuft dieser Abgliederungs- process auf der einen Seite des Embryo rascher ab als auf der andern. So kann eine Urwirbelplatte z. B. sechs Urwirbel zeigen , die gegenüber liegende sieben, wobei dann der überzählige ohne Ausnahme dem Schwanz- ende seiner Urwirbelplatte angehört. Ebenso werden auch die erwähnten noch unvollständigen hellen Abgliederungsstreifen ausnahmslos nur an dem Schwanzende der Urwirbelplatten gefunden.

Was das Kopfende der Chorda betrifft , so geht dasselbe nach Rathke x) bei keinem Wirbelthier zu irgend einer Zeit des Lebens weiter nach vorn als bis in die Gegend zwischen den beiden Ohrkapseln. Später jedoch fand dieser Beobachter, dass bei Amphioxus die Chorda das vor- derste Schädelende erreicht und er erklärte dieses Verhalten als eine Ausnahme. Aber auch bei der Schildkröte 2) musste er bald darauf die Erfahrung machen, dass die Wirbelsaite eine von der Glandula pituitaria erfüllte Lücke erreichte, „was mich nicht wenig befremdete, sagt Rathke, weil ich diesen Körpertheil ausser bei Amphioxus bisher bei keinem Wir- belthier so weit nach vorn reichend gesehen hatte."

1) Entwklg. der Natter, Königsberg 1839. S. 122.

2) Entwklg. der Schildkröte. 1848. S. 231.

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Beim Hühnchen fand Baer1) das vorderste Ende der Wirbelsaite weiter vorn und zwar in dem mittleren Schädelbalken, „in der Lücke zwischen Trichter , Kleinhirn und den Vierhügeln liegt die Bückensaite und zugleich umgebendes dem Stamm der Wirbelsäule gehöriges Bildungs- gewebe, mit immer schärfer werdender Umbeugung". Wenn Baer mit dieser Umbeugung die Chorda meint, so Ist dies richtig, da sie damit zu ihrem Endknopf (der Gegend der spätem Hypophyse) sich wendet.

Nach Remak2) reicht das Kopfende der Chorda bis zur Basis des Vorderhirns (worunter er zunächst die Anlage der spätem Zwisehenhirn- blase versteht). Daraus, sowie aus den beigefügten Abbildungen und aus seiner Bemerkung, dass die Chordaspitze einen von den Drüsenblattzellen gebildeten Knopf berühre, ersehe ich, dass Remak die ursprüngliche Ausdehnung der Chorda bis zum vordersten Ende des primitiven Schä- dels kannte und nur in der Deutung des genannten Knopfes fehlte. Der von ihm (S. 44) beschriebene spätere Rückzug des vordersten Chorda- endes ist nur scheinbar, wie ich sogleich aus einander setzen werde.

Nach Reichert3) geht bei dem Frosch, dem Hühnchen und auch bei Säugern die Chorda anfangs bis zur Stirnwand und soll ihre spätere weiter hinten befindliche Lage durch Verkümmerung des vordersten Endes erhalten. Reichert (S. 29 u. f.) behauptet geradezu, dass das vorderste Chordaende zuerst in der Gegend des ersten Kopfwirbels liege, später aber durch Verkümmerung der Spitze nur noch den Anfang des zweiten Schädelwirbels mit dem Boden des dritten Ventrikels erreiche. In dieser Beziehung stand Remak (a. a. 0. S. 36) der Wahrheit näher, indem nach ihm die ursprüngliche Schädelanlage über das vorderste Chordaende sich dergestalt hinaus verlängert, dass dasselbe von der Grundfläche des Zwischenhirns weit zurückgedrängt wird.

Auch Kölliker4) erkannte, dass das vordere Chordaende erst in Folge der mächtigen Entwicklung des vorderen Schädeltheiles immer weiter rückwärts zu liegen kam , weniger richtig aber ist die Bemerkung „Nach meinen Untersuchungen an Hühnerembryonen geht die Chorda nicht bis zu dem vordem Ende der Urwirbelplatten , wie Reichert meint, jedoch anfangs weiter nach vorn als Rathke und Remak (?) annehmen.

Nach Stricker6) soll bei Kröten die Chorda nicht über das Ohr- labyrinth hinausgehen; an einer anderen Stelle erklärt dieser Beobachter, dass bei Batrachiern mit noch weit offener Rückenfurche das vordere Chordaende wegen seiner Unbestimmtheit sich nicht genau angeben lasse,

1) Entwklg. d. Thiere. I. 1828. S. 78.

2) Unters, über d. Entwklg. d. Wirbelthierc. 1855.

3) Müll. Archiv 1849, sowie Entwicklungsleben im Wirbelthierreich 1840.

4) Entwiklgsgesch. d. Menscheu u. d. höhern Thiere 1861.

5) Müll. Archiv. 1864.

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jedoch sei es kaum gestattet, dasselbe noch am vordersten Hirnende zu suchen. Dabei wird (S. 63) bemerkt: „Hie und da erhielt ich jedoch an Durchschnitten v o r diesem unbestimmten Chordaende ein kleines der Schädelbasis anhaftendes Zellcnklümpchen, was an eine rudimen- täre Chorda erinnert." Diese von Stricker gemachte Beobachtung passt offenbar auf meinen Chordaknopf.

Nach meinen Erfahrungen erreicht das vorderste Chordaende ur- sprünglich das vordere Ende der Urwirbelplatten , was Reichert zuerst gesehen hat. Alle anderen Angaben der genannten Schriftsteller betreffen eben das vorderste Chordaende von in der Entwicklung weiter fortge- schrittenen Schädeln, deren vorderstes Ende bereits als Spheno-Ethmoidal- theil über das Chordaende hinausgewachsen war. Die Wirbelsaite endigt im spätem Türkensattel, indem ihr Knopf sich an der Bildung der Hypophyse betheiligt (Taf. II, Fig. 9); sie schnürt sich hierauf von diesem Gebilde ab und endigt zugespitzt unterhalb der Wurzel der Sattellehne in der hintern Wand des Türkensattels. Niemals befand sich die Chorda in der vordem Keilbeingegend, was auch Kölliker a. a. 0. S. 205 her- vorhebt; ja selbst der vor der Sattellehne liegende und den Boden der Sattelgrube darstellende Abschnitt des hintern Keilbeins ist zu jeder Zeit frei davon. Weitere Angaben über den Kopftheil der Chorda siehe unten.

Kopftheil der Chorda dorsalis des Menschen und der Säuge- thiere nebst Bemerkungen über die Wirbelsaite überhaupt.

Die nächste Veränderung' der Urwirbelplatten des Schädels be- steht darin, dass sie die Chorda umwachsen und zwar eher, als dies am Rumpf geschieht. Unmittelbar hinter dem Chordaknopf treffen sie am frühesten medianwärts zusammen, so dass von hier aus die Urwirbelplatten in der Richtung gegen das Schwänzende divergiren. Ihre Vereinigung geschieht zuerst an der Bauchseite der Chorda, dann über ihr, wodurch die Chorda ihren früheren Zusammenhang mit dem Medullarrohr und dem Darmdrüsenblatt einbüsst. Nur das knopfförmig verdickte vorderste Chordaende be- hauptet den ursprünglichen innigen Zusammenhang mit dem Me- dullarrohr (Boden der vorderen primitiven Hirnblase) sowie mit dem die Schlundhöhle auskleidenden Darmdrüsenblatt. Die Ver- einigung der Urwirbelplatten wird hierdurch verzögert und das längere Bestehen einer die eigentliche Schädelbasis betreffenden Lücke veranlasst, in die jedoch der Chordaknopf sich einbettet

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und durch seine fortbestehende Verbindung mit dem Medullarrohr und dem Darmdrüsenblatt die Bildung der Hypophyse vorbereitet.

Bei den Menschen und den Säugern nimmt die Wirbelsaite bei ihrem Uebertritt aus der Halswirbelsäule in die Schädelbasis kaum merklich an Umfang ab und erst gegen ihr vorderstes in den Knopf übergehendes Ende verjüngt sie sich etwas. Im weichen und im rein knorplichen Zustande der Schädelbasis wird die Chorda niemals vermisst und erst einige Zeit nach dem Eintritt der Verknöcherung wird sie innerhalb des Knochenkernes der Pars basilaris des Hinterhauptbeins allmählig unkenntlich, in den knorplich bleibenden Partien dagegen erhält sie sich noch längere Zeit hindurch mehr oder weniger vollständig.

Die ältesten menschlichen Embryonen, die ich auf die Chorda der Schädelbasis untersuchte , hatte eine Länge von 1,8 Dem. und besassen in dem Knorpel zwischen dem vordem Rand des verknöcherten Hinterhauptskörpers und dem hintern Umfang der Sattelgrube eine so auffallend stark entwickelte Chorda, dass ich auch an einem noch späteren Vorkommen derselben nicht zweifle 1). Beim Rind fand ich an 7,2 Ctm. langen und beim Schwein an 7,5 Ctm. langen Embryonen die Chorda noch in ihrer ganzen Länge vom Hinterhauptsloch bis zum hintern Umfang der Sattel- grube und auch durch den Knochenkern des Hinterhauptskörpers nicht unterbrochen.

Bekanntlich hat zuerst H. Müller2) auf das längere Ver- bleiben von Chordaresten in dem vorderen und hinteren Abschnitte der Wirbelsäule, Steissbein einerseits, Epistropheus-Zahn und Schä- delbasis andererseits, aufmerksam gemacht und bezeichnete diesen Fund als einen auffallenden , weil nach seinen Beobachtungen (a. a. O. S. 219) die Chorda bei dem Menschen frühzeitig

1) Ueber den Schädeltheil der Chorda des Menschen enthält meine Sammlung zehn Präparate von medianen Längsschnitten und zwar von 71/* Ctm. langen Embryonen zwei (Nr. 1076 u. 1081), von 8 Ctm. langen Embryonen zwei (Nr. 1084 u. 1121), von einem 8,3 Ctm. langen Embryo Eines (Nr. 1017), von 1 Dem. langen Embryonen zwei (Nr. 1077 u. 1078), von 1,8 Dem. langen Embryonen drei (Nr. 1080, 1082, 1085).

2) Ueber das Vorkommen von Resten der Chorda dorsalis beim Menschen nach der Geburt und über ihr Verhältniss zu den Gallertgeschwülsten am Clivus, iu d. Zeitschr. f. rat. Med. v. Henle u. Pfeufer. R. 3, Bd. II, 1858.

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verschwinde, sowohl in den Wirbelkörpern als auch in denWirbelsynchondrosen. Da meine Erfahrungen gegen die beiden letzten Angaben sprechen , so kann ich das spätere Vorkommen von Chordaresten an den genannten Stellen nicht als eine besondere Eigenthümlichkeit der Wirbelsaite aufnehmen. Es lässt sich nämlich nicht blos bei dem Menschen, sondern auch bei den von mir untersuchten Säugethieren (Rind, Schwein) das ganze fötale Leben hindurch die Chorda innerhalb der Wirbelkörper- säule in allen nicht verknöcherten Abschnitten nachweisen , also nicht nur in den Wirbelsynchondrosen, sondern auch in den Wir- belkörpern bis dicht an die Grenze der Knochenkerne. Nur die Knochenkerne sind es, welche durch Umlagerung die Chorda nach und nach unkenntlich machen, und an hinlänglich feinen Längs- schnitten überzeugt man sich , dass auch hier die Chorda noch einige Zeit hindurch den Knochenkern als ein nachweisbarer zel- liger Strang durchzieht ; sie verschwindet daher nicht schon vor der Verknöcherung, wie Gegenbauer für die Säugethiere be- hauptet x).

An Median- wie an Frontalschnitten der Brust- und Hals- wirbelsäule menschlicher Embryonen von 8 Ctm. Länge fand ich die Chorda noch völlig ununterbrochen, daher auch noch innerhalb der Knochenkerne deutlich nachweisbar ; ebenso an Rindsembryonen mit bereits grösseren Knochenkernen. Es sind übrigens solche Schnitte , wenn sie längere Strecken der Chorda treffen sollen, wegen der Feinheit des Chordastranges zwischen den in den Wir- belsynchondrosen liegenden Anschwellungen sehr schwer anzu- fertigen. Weicht das Messer nur wenig von der Medianebene ab, so trifft man stellenweise nur die zwischen den Wirbelkörpern liegenden Anschwellungen und so erklärt sich z. B. die unrichtige Angabe , dass schon in der Mitte des dritten Monates bei dem Menschen die Chorda an gewissen Stellen auf die Synchondrose sich beschränke. Man lege nur von Einem Präparate immer mehrere Sagittalschnitte an, so ergänzen sich dieselben und die scheinbar unterbrochene Chorda wird an so jungen Embryonen wieder zu einem continuirlichen, auch in den Knochenkernen noch sichtbaren Strang.

1) Unters, z. vergl. Anat. der Wirbelsäule. Leipz. 1862. S. 67. Dursy , Entwklgsgesch. 2

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Macht man verschiedene Durchschnitte mit einiger Vorsicht und in grosser Menge, so überzeugt man sich, dass innerhalb der Knochenkerne nicht blos, wie es an vielen Schnitten den Anschein hat, ein leerer Chordakanal sich befindet, sondern ein wirklicher Zellenstrang, der nur sehr brüchig geworden ist und daher leicht herausfällt. Brachte ich den Schnitt in Wasser, so konnte ich mitunter schon mit blossem Auge die Ablösung des weissen Chorda- stranges wahrnehmen , wie er seinen Kanal verliess. Ich besitze Präparate von medianen Längsschnitten eines 7 Ctm. langen Rinds- embryo, bei welchen der innerhalb des Knochenkernes liegende Zellenstrang sogar bedeutend dicker ist als selbst die in der Wirbelsynchondrose liegende Partie der Chorda. Wird nun der Knochenkern grösser, so macht er allmählig den Zellenstrang und den ihn aufnehmenden Kanal völlig unkenntlich, zeigt aber noch einige Zeit hindurch einen dem Verlaufe der Chorda entsprechen- den dichteren Streif. Was schliesslich aus dem Chordastrang in dem Knochenkern wird, ob er wirklich gänzlich verschwindet oder ob seine Zellen den Elementen der Markräume sich beigesellen und deren Schicksal theilen , konnte ich nicht herausbringen. Da nun auch Querschnitte darüber keinen Aufschluss geben, so kann ich nur sagen, der Chordastrang gibt im Knochenkern allmählig seine Selbständigkeit und seine ursprüngliche Bedeutung auf und ent- zieht sich schliesslich jeder weiteren Verfolgung.

In den knorplich gebliebenen Theilen der Wirbelkörpersäule sowie in den Synchondrosen habe ich immer bei allen Embryonen des Menschen , des Rindes und des Schweines die Chorda ge- funden, und ich sehe mich daher zu dem Ausspruch berechtigt, dass dieser Strang überhaupt nur innerhalb der verknöcherten Theile dem Auge sich spurlos entzieht, sonst aber wohl das ganze fötale Leben hindurch mehr oder weniger vollständig sich erhält. Da nun am Ende des fötalen Lebens und nach der Geburt die Schädelbasis zum grossen Theil, und das Steissbein durchaus oder fast ganz knorplich gefunden werden, so erklärt sich daraus das spätere Vorkommen von Chordaresten auch in diesen Theilen und es ist diese Thatsache daher nicht auffallender, als eben die ver- spätete Verknöcherung der genannten Skelettheile überhaupt.

In der Schädelbasis sowie in ihrem ganzen Verlaufe durch

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die Wirbelkörpersäule liegt der aus Zellen bestehende Chorda- strang innerhalb eines wasserhellen kanalförmigen Eaumes , der ihn von der Umgebung völlig isolirt und den ich den Chorda- kanal (die bisher sogenannte Chordascheide) nennen will. Er lässt sich sowohl an Längsschnitten als auch an Querschnitten darstellen und erscheint an letzteren bei jüngeren Embryonen als eine wasserhelle kleine Scheibe, in deren Centrum scheinbar ganz frei der dunkle körnige Durchschnitt der Chorda getroffen wird. An feineren Durchschnitten geschieht es sehr häufig, dass die Chorda aus ihrem Kanäle von selbst herausfällt oder man kann sie leicht herausnehmen und es erscheint dann der ganze zurück- bleibende Chordakanal z. B. an dem Querschnitt der knorplichen Schädelbasis oder eines knorplichen Wirbelkörpers lediglich nur als eine unmittelbar von Knorpelgewebe begrenzte wasserhelle Lücke ohne alle Structur. Namentlich ist auch kein innerer die herausgefallene Chorda begrenzender Contur aufzufinden, so dass ich diesen Kanal nicht als eine besondere glashelle Scheide des Chordastranges auffassen kann. R o b i n , der noch in neuerer Zeit x) die Existenz einer Scheide festzuhalten sucht, giebt zu, dass im frischen Zustande ein innerer Contur nicht bemerkt werde ; aber , wie ich hinzufüge , auch an erhärteten und selbst an noch so intensiv gefärbten Durchschnitten lässt sich weder ein innerer noch ein äusserer Contur nachweisen. Einige wenn auch noch so geringe Consistenz oder etwas klebrige Beschaffenheit muss jedoch die Flüssigkeit des Chordakanales enthalten , da sonst an allen feinen Durchschnitten der Chordaschnitt herausfallen oder seine centrale scheinbar völlig freie Lage aufgeben müsste. Letzteres geschieht auch hie und da und man kann selbst durch Verschie- bung des Schnittes mitunter eine derartige Lageveränderung ver- anlassen zum Beweise, dass der die Chorda umgebende Inhalt des Kanales keine derbere die Chordaelemente zusammenhaltende Scheide sein kann. Es existirt daher nach meinen Erfahrungen weder bei dem Menschen noch bei den von mir untersuchten Säugethieren zu irgend einer Zeit des fötalen Lebens weder eine eigentliche glashelle, noch eine, körnige, noch eine faserige Scheide.

1) Memoire sur Tevolution de la notocarde etc. 1868.

2*

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Auch beim Hühnchen giebt es keine Chordascheitle und der da- für gehaltene Kanal lässt sich hier leicht vom ersten Anfang seiner Bildung verfolgen.

In früher Zeit der Entwicklung nämlich, wenn die Urwirbel- platten noch flächenhaft ausgebreitet zu beiden Seiten der Wirbel- saite liegen , werden sie von letztern jederseits durch einen mit wässeriger Flüssigkeit erfüllten Raum geschieden. Dorsalwärts durch die dünne mediane Verbindungsmembran beider Medullar- platten und bauchwärts durch das Darmdrüsenblatt zu einem Kanäle geschlossen, bildet er mit seinem Inhalte, der Chorda, den Boden meiner Rückenrinne (der Reichert 'sehen Primitivrinne). Vor der medianen Verschrnelzung der beiden Urwirbelplatten liegt jedoch die Chorda nicht frei in diesem Kanal, sondern hängt dorsalwärts sehr innig dem unterdessen sich schliessenden Medullar- rohr an, wesshalb sie von Remak die embryonale Stütze des Medullarrohres genannt wurde. Aber auch ihre Bauchseite ist nicht frei, sondern hängt dem Darmdrüsenblatt an. Später werden diese Zusammenhänge durch die hereinwachsenden Urwirbel- platten gelöst und nun der . Chordakanal durch die letztern allein gebildet.

In der knorplichen Schädelbasis und in den knorplichen Wir- belkörpern ist es deren hyaline Grundsubstanz , welche anfangs scharf und glatt den Kanal unmittelbar begrenzt. An Sagittal- sclmitten der Wirbelsäule eines erst 1,2 Ctm. langen Rindsembryo, von welchem ich noch mehrere Präparate aufbewahre (Nr. 1159, 1160, 11G1 u. 1162), konnte ich nach Anwendung einer Färbung durch Anilinroth sehr deutlich das Verhalten der Wandung des völlig klaren und wasserhellen Chordakanales erkennen. An diesem Embryo waren die Wirbelkörper und die Anlage der Synchondrosen aus ganz gleichen Elementen (den ursprünglichen noch nicht deut- lich conturirten völlig runden und körnigen Bildungszellen) con- tinuirlich angelegt. Die Wirbelkörper standen im Beginn des Verknorplungsprocesses , ihre Formelemente waren daher in einer jedoch noch nicht ganz klaren und noch spärlichen Grundsubstanz etwas weiter auseinander gerückt. Die Anlage der Synchondrosen bestand aus Elementen , die sich von denen der etwas helleren (durchsichtigeren) Wirbelkörper weder durch Grösse noch durch

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Gestalt unterschieden, waren daher ebenfalls kreisrund, jedoch so dicht gedrängt, dass sie den Synchondrosen das Ansehen dunkler breiter Querbänder verliehen. An der Peripherie waren die Synchondrosen zwar höher , sonst aber ebenso beschaffen wie im Centrum , zeigten daher noch keine Schichtung und Streifung. In einiger Entfernung von dem Lumen des Chordakanales fehlten die Zellen und zwar sowohl im Gebiete der Wirbelkörper wie in dem der Synchondrosen. An ihrer Stelle fand sich ein völlig homogener roth gefärbter schmaler Streif, welcher gegen das Lumen bei Anwendung einer 400maligen Vergrösserung nicht ganz geradlinig, sondern mit niedrigen Ein- und Ausbiegungen endigt. Gegen die Peripherie ging er continuirlich in die Grund- substanz der Wirbelkörpersäule über , deren directe Fortsetzung er darstellte, jedoch durch seine intensivere Färbung mit Anilinroth scheinbar sich wie eine den Chordakanal umfassende Scheide markirte.

An älteren Embryonen des Menschen und der Säuger nehmen die dem Chordakanal zunächst stehenden Zellen eine etwas läng- liche Gestalt an, und an Querschnitten sprang der erwähnte Streif der zellenlosen Grundsubstanz mit Zacken, an Längsschnitten mit scheinbaren Falten gegen das Lumen vor. Der Querschnitt des Kanales gewann dadurch ein sternförmiges Lumen , welches an älteren Embryonen in der Richtung von einer Synchondrose bis zum nächsten Knochenkern allmählig an Umfang abnimmt. Sehr häufig fällt alsdann die brüchig gewordene Chorda heraus, so dass man nur den leeren Kanal bemerkt, den man bisher für die leere und gefaltete Scheide gehalten hat. Auch kann es geschehen, dass eine den Chordastrang betreffende Einschmelzung , die ich unten näher beschreiben werde, stellenweise nicht sofort die ganze Breite des Stranges, sondern zuerst nur dessen Achse betrifft mit Zurücklassung einer dünnen feinkörnigen peripherischen Schichte des Chordagewebes, die ebenfalls schon zur Aufstellung einer be- sondern Scheide Veranlassung gab.

Niemals füllt bei dem Menschen und den genannten Säugern der Chordastrang seinen Kanal vollständig aus , bleibt also immer von der umgebenden Masse der Schädelbasis und der Wirbelkörper durch einen hellen Zwischenraum geschieden und unterscheidet

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sich dadurch von dem Chordastrang des Hühnchens, bei welchem

der anfangs ebenso gelagerte Chordastrang alsbald einen viel

grössern Umfang gewinnt und den Kanal völlig ausfüllt.

Verfolgt man bei dem Menschen und den Säugern den Chordakanal von den Wirbelkörpern aus gegen die Synchondrosen , so geht er mit trichterförmiger Erweiterung aus dem knorplichen Wirbelende in seinen umfänglicheren die Synchondrose einnehmenden Abschnitt über. Seine Wand wird auch hier von dem umgebenden Gewebe, also von der durch dicht gedrängte Zellen ausgezeichneten hyalinen Grundsubstanz der Synchondrose gebildet und ist zuerst völlig glatt. Eigentlich ist diese Erweiterung schon nicht mehr der reine ursprüngliche Chordakanal, der zuerst gleichweit die ganze Länge der Wirbelsäule durchsetzte, sondern verdankt ihre Entstehung einer Einschmelzung des umgebenden Synchon- drosengewebes. Ich finde diese Erweiterung schon an 4 Ctm. langen menschlichen Embryonen sehr merklich und die sie erfüllende helle Flüs- sigkeit trennte den entsprechend aufgetriebenen Chordastrang scharf und in ziemlichem Abstände von der noch immer glatten Wand. Beim Rind tritt nach meinen Beobachtungen diese Erweiterung erst an 6 7 Ctm. langen Embryonen auf, während diese Stelle vorher sehr abweichend von dem Menschen, sich gerade als die engste zeigte. Beim Schwein dagegen beginnt die Erweiterung schon bei 2*/2 Ctm. langen Embryonen.

An einem 7 Ctm. langen menschlichen Embryo hatte der die Synchondrosen einnehmende Abschnitt des Chordakanales im Brusttheil der Wirbelsäule bereits eine in horizontaler Richtung ausgedehnte niedrige scheibenförmige Gestalt , und nur an ihrem excentrischen Uebergang in den Chordakanal der anstossenden Wirbelkörper war sie höher und trichterförmig aus- gezogen. Alsbald aber verschwindet die schärfere Begrenzung des Kanales, indem das erweichende und stellenweise einschmelzende Synchondrosen- gewebe ein von hyalinen oder feinkörnigen sehr blassen Balken begrenztes unregelmässiges Maschenwerk zurücklässt, in welches die Chorda hinein- wuchert. Von einem Chordakanal kann jetzt nicht mehr die Rede sein. Die Lehre einer Chordascheide wurde durch Baer1) eingeführt und aus dessen das Hühnchen betreffenden Beschreibung geht hervor, dass er darunter den durchsichtigen die Chorda enthaltenden Boden der Rücken- rinne (der sogenannten Primitivrinne) verstand. Er hält den breiten glashellen die Chorda umgebenden Saum für eine auffallend feste und aus einer glashellen Masse bestehende Scheide, welche ursprünglich auch mit den feinsten Nadeln nicht von der Chorda abgelöst werden könne, daher mit ihr ein Ganzes bilde. Erst später soll sich die Chorda leicht aus der Scheide herausziehen lassen.

Rathke2) lehrt, dass bei allen Wirbelthieren die Chorda einen

1) Entwickig. d. Thiere. I. 1828. S. 16.

2) Entwickig. d. Natter.

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Kern und eine Scheide besitze. Bei der Natter beschreibt er die Scheide als gallertig-sulzig und sehr durchsichtig; beim Zerquetschen zwischen zwei Glastafeln blieb nur der dünne Kern zurück, nicht aber die Scheide. Bei einer andern Gelegenheit1) erklärt dieser Forscher um- gekehrt die Scheide für häutig und den Kern für gallertig.

Reichert2) erkannte ganz richtig, dass beim Hühnchen eine Hülle und eine Kernmasse sich nicht unterscheiden lasse; Remak3) dagegen giebt an, dass gegen den Schluss des fünften Brüttages eine Sonderung in eine durchsichtige feste Scheide und einen undurchsichtigen weichen (!) Achsentheil eintrete. Auch Kolli k er4) nimmt eine Scheide für das Hühnchen, die Säuger und den Menschen an und hält sie für eine einer secundären Zellenmembran vergleichbare Ausscheidung ; sie soll jedoch 5) erst nachträglich und zwar als eine structurlose Hülle entstehen, welche nach und nach etwas fester werde und an einer ausgebildeten Chorda als ein glashelles , massig dickes Umhüllungsgebilde erscheine ; an den Chordaresten des Neugeborenen dagegen (S. 189) soll die Scheide nicht mehr nachweisbar sein.

Was die histologischen Verhältnisse der Chorda betrifft , so ist dieselbe zuerst nur ein aus dicht gedrängten Zellen bestehender Strang; im weiteren Verlauf der Entwicklung tritt nach meinen von der gewöhnlichen Angabe abweichenden Erfahrungen eine helle wässrige Grundsubstanz auf, welche die Zellen zwar aus- einander drängt ; jedoch nicht wie beim Knorpel völlig isolirt. Sie bleiben mit einander verbunden und stellen ein durch rund- liche und ovale helle Lücken durchsetztes Zellengewebe dar. Die an die Lücken anstossenden Zellenflächen werden durch den Druck der darin enthaltenen wässrigen Flüssigkeit entsprechend gebogen und so erhalten die rundlichen Maschen scharfe dunkle Conturen und nehmen sich an Flächenansichten der isolirten Chorda oder an nicht ganz feinen Durchschnitten wie helle Blasen aus. An feinen Durchschnitten dagegen habe ich mich davon überzeugt, dass dieselben keine umgewandelten Chordazellen sind, sondern Flüssigkeitsräume, die von den das ganze fötale Leben hindurch sich gleich bleibenden zarten Chordazellen eine scharfe Begren- zung erhalten. Untersucht man nur Flächenansichten einer iso-

1) Vierter Bericht d. nat. Seminars in Königsberg.

2) Entwicklungsleben im Wirbelthierreich. 1840. S. 176.

3) a. a. 0. S. 44.

4) Lehrbuch d. Gewebelehre.

5) Entwicklgsgesch. d. Menschen.

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lirten Chorda oder nur gröbere Durchschnitte, so erscheinen die diese Räume trennenden den Charakter junger Zellen bewahrenden Chordaelemente als feinkörnige, Blasen enthaltende Grundsubstanz oder sie wurden wohl auch zur Wand der scheinbaren Blasen geschlagen und so kam man zur Aufstellung von dickwandigen knorpelzellenähnlichen, mit heller Flüssigkeit ganz oder theilweise sich füllenden Chordazellen.

Die Balken, welche die Hohlräume umfassen, bestehen bald nur aus Einer Reihe von Zellen, bald kommen zwei oder mehrere derselben auf den Querdurchmesser; mit der Zeit werden diese Elemente polygonal abgeplattet , erhalten schärfere aber immer nur einfache Conturen und besitzen zu jeder Zeit einen deutlichen Kern. Niemals bemerkte ich, wie von Manchen gelehrt wird, eine Grössenzunahme der Chordazellen, oder eine Aufhellung ihres In- haltes, oder den Verlust ihres Kernes oder eine endogene Zellen- vermehrung oder eine Umwandlung in grössere mit vielen Tochter- zellen gefüllte Mutterzelle. Solche Veränderungen kommen zwar allerdings im Laufe des fötalen Lebens in den Synchondrosen vor , beziehen sich aber nicht auf die Chordazellen , sondern auf die Elemente des erweichenden und einschmelzenden Knorpels der Umgebung.

Mit der fortschreitenden Zunahme der in den Lücken ent- haltenen Flüssigkeit vergrössern sich dieselben , so dass stellen- weise die Balken gedehnt und annähernd zu Fasern comprimirt werden können , die an den dicker bleibenden Stellen noch den früheren körnigen Zelleninhalt nebst deutlichem Kern zeigen. Sehr auffallend zeigt diese Umwandlung in ein weitmaschiges Fasernetz das Chordagewebe der Vögel und der darunter stehen- den Thiere; darin liegt der Grund der bei diesen Thieren so be- deutenden Dicke, der Durchsichtigkeit und der mehr gallertigen Beschaffenheit der Chorda, so dass dieselbe alsbald ihren Kanal völlig erfüllt und an der Peripherie gegen die umgebende Wirbel- körpermasse wie zu einer faserigen Scheide angedrückt wird.

Bei dem Menschen und den Säugern verbindet sich mit dieser Ausdehnung des Chordagewebes zugleich eine Einschmelzung, die Lücken fliessen stellenweise zusammen , theils durchbrechen sie das Chordagewebe peripherisch gegen den Chordakanal. Die

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Chorda verliert ihre gleichrnässige Begrenzung, wird zerfetzt und zerbröckelt, macht jetzt den Eindruck eines in Rückbildung und Zertrümmerung befindlichen Gebildes. Es schwinden dabei die Chordazellen ohne irgend eine vorausgehende Veränderung ihrer Gestalt und ihres granulirten Inhaltes. Niemals geht dabei die Chorda mit der Wandung ihres Kanales irgend eine continuirliche Verbindung ein, lässt sich daher zu jeder Zeit daraus entfernen oder, wie z. B. in den Wirbelsynchondrosen, herauspinseln.

Von Säugethierembryonen war der jüngste, den ich auf die histolo- gischen Verbältnisse der Chorda untersuchte, ein Rindsembryo von 1,2 Ctra. Länge. An einem durch den Rumpf geführten Sagittalscbnitt konnte ich den Längsschnitt der Chorda eine Strecke weit gänzlich isoliren. Sie bestand aus dicht gedrängten granulirten kernartigen Elementen von kug- liger Gestalt und war noch nicht von helleren Flüssigkeitsräumen durch- setzt. Auch an den Rändern des Chordastranges bemerkte man keine Spur eines continuirlicben einfachen oder doppelten Conturs als Ausdruck einer wenn auch noch so zarten Hülle. Die Begrenzungslinie ergab sich bei 400maliger Vergrösserung als ein von den Conturen der peripheri- schen Chordaelemente zusammengesetzter und daher feiner aus- und eingebogener dunkler Saum. Auch nach Anwendung von Druck liess sich weder im Verlaufe der Chorda noch an ihrem quer durchschnittenen Ende irgend eine Andeutung einer Hülle unterscheiden , welche den so auffallend innigen Zusammenhang der Elemente des Chordastranges hätte erklären können.

Bei einem andern 1,5 Ctm. langen Rindsembryo hatte der Chorda- strang an Dicke etwas zugenommen und seine Elemente waren nun deut- lich als fein granulirte, einfach und zart conturirte, kernhaltige und runde Zellen zu unterscheiden. Die Bildung von zwischen die Zellen sich ein- schaltenden hellen Räumen hatte noch nicht begonnen.

Ebenso beschaffen war die Wirbelsaite eines 2,6 Ctm. langen Rinds- embryo, dessen "Wirbelsäule und Schädelbasis ebenfalls noch den rein knorplichen Zustand zeigten.

An einem 6,5 Ctm. langen Rindsembryo, dessen Wirbelkörper bereits Knochenkerne besassen, war die Chorda von hellen Lücken durchsetzt und dadurch in ihrem Verlaufe durch die Wirbelkörper stellenweise gänz- lich unterbrochen. Dass diese Lücken nicht etwa in den Chordazellen selbst sich bildende hellere Inhaltstropfen sind, sondern zwischen den Elementen als anfangs nur ganz kleine Räume in Gestalt niedriger un- regelmässig eckiger Spalten erscheinen, die erst allmählig eine rundliche und schärfer begrenzte Form annehmen, davon habe ich mich vielfach überzeugt.

Aehnlich verhielt sich ein 7 Ctm. langer Rindsembryo, nur war der

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durch die Wirbelkörper und deren Knochenkerne ziehende Chordastrang noch ganz continuirlich und von kleinen Lücken durchsetzt; in den Syn- chondrosen dagegen hatten sich die letztern bereits vielmehr ausgedehnt. Ebenso verhielt sich auch ein 8,3 Ctm. langer Rindsembryo.

Was die menschlichen Embryonen betrifft , so finde ich an einem solchen von 4 Ctm. Länge den Chordastrang innerhalb der noch völlig knorplichen Wirbelkörper solid und ununterbrochen, in den Synchondrosen dagegen waren die Zellen stellenweise schon durch helle Lücken ausein- ander gedrängt.

Ebenso beschaffen war die Chorda eines 41/« Ctm. langen mensch- lichen Embryo, dessen Wirbelsäule immer noch völlig knorplich war.

An einem 6 Ctm. langen menschlichen Embryo zeigten sich endlich Knochenkerne in den Wirbelkörpern. Die in den Synchondrosen liegenden Anschwellungen der Chorda waren vielfach durch kleinere und grössere helle Lücken durchbrochen, und aus demselben Grunde zeigte auch der die Anschwellungen verbindende Zellenstrang bereits Unterbrechungen seiner Continuität.

An älteren Embryonen wird der die Wirbelkörper durchziehende Strang in Folge der Zunahme der ihn durchbrechenden Lücken und einer damit verbundenen Einschmelzung immer unvollständiger, so dass stellen- weise nur der leere Kanal übrig bleibt.

Was die Gestalt der in der Schädelbasis befindlichen Chorda betrifft, so kennt man in dieser Beziehung durch H. Müller nur die Chorda des Rindes und des Menschen. Da aber nach meinen Beobachtungen das Rind anders sich verhält , als der Mensch und das Schwein, was H. Müller entgangen ist, so schicke ich meine an Rindsembryonen gewonnenen Resultate zur Vergleichung voraus.

Dass sich der anfangs überall ziemlich gleich dicke Chorda- strang in seinem Verlaufe durch die Wirbelkörpersäule an den Inter- vertebralstellen rosenkranzartig erweitert, ist bekannt. H. Müller hat nun darauf aufmerksam gemacht, dass bei dem Menschen und dem Rind solche Anschwellungen auch zwischen Körper und Zahn des zweiten Halswirbels sowie zwischen Hinterhauptsbein und Keilbein vorkommen und diese Gegenden somit auch darin den Intervertebralstellen der übrigen Wirbelsäule entsprechen. Ganz eigenthümlich gehen aber nach meinen Beobachtungen diese Veränderungen der Chorda beim Rinde vor sich. Dort bilden, sich nämlich zweierlei Anschwellungen, an den Intervertebralstelleq der Wirbelkörpersäule und zweitens in den Wirbelkörperabschnitten

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selbst , ja die letzteren sind sogar viel früher vorhanden , so dass dann abweichend von dem Schwein und dem Menschen die dünn- sten Stellen der Chorda den Synchondrosen entsprechen. Unter- sucht man den Medianschnitt der Wirbelsäule eines 1,2 Ctm. langen Rindsembryo (Holzschnitt XII, a), so zeigen sich lang gezogene

m

a-

f

spindelförmige Anschwel- lungen nur in den An- lagen der Wirbelkörper und es liegen deren dünne kurze Verbindungsstücke in den Intervertebralstel- len. Ebenso finde ich die Anordnung der Wirbel- saite an Medianschnitten von 1,5 Ctm. langen Rindsembryonen und es waren hier die spindel- förmigen Anschwellungen noch viel dicker geworden.

An Medianschnitten eines 2,4 Ctm. langen Rindsfötus (Holz- schnitt XII, b) zeigten diese Anschwellungen sehr merkwürdige Veränderungen. Die dickste Stelle lag nämlich nicht mehr in der Mitte der Höhe eines Wirbelkörpers , sondern an den beiden Endflächen desselben. Anstatt einer mittleren Anschwellung hatte man jetzt in jedem Wirbelkörper zwei, eine obere und eine untere. Da sie die Endflächen der knorplichen Wirbelkörper erreichten und selbst ein wenig in die Synchondrosen hineinragten , so war das dazwischen liegende im Centrum der Synchondrose eingeschlos- sene Mittelstück nur sehr niedrig, aber durch seine Dünnheit deutlich von den angrenzenden Anschwellungen zu unterscheiden.

Ganz verändert fand ich die Gestalt der Chorda an dem Median- schnitt eines 6,5 Ctm. und eines 7 Ctm. langen Rindsfötus (Holzschn. XII, c). Es fand sich nämlich in jedem Wirbelkörper wiederum nur eine einzige spindelförmige Verdickung, welche den Knochenkern durch- zog und dessen Gebiet nicht überschritt. Von hier aus bis zu den beiden Endflächen der Wirbelkörper war der Strang sehr schlank geworden und was die Intervertebralstellen betraf, so fan- den sich jetzt endlich auch hier, jedoch nur niedrige kleine An- schwellungen, die aber keine spindelförmige, sondern mehr eine knopfförmige oder im Durchschnitt rautenförmige Gestalt zeigten.

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An Rindsembryonen von 8,3 Ctm. Länge und darüber (Holz- schnitt XII, d) waren die spindelförmigen Anschwellungen der Wirbelkörper nur noch ganz schwach angedeutet oder auch gänz- lich geschwunden , die knopfförmigen Verdickungen der Inter- vertebralstellen dagegen hatten in horizontaler Richtung an Umfang zugenommen, zeigten somit die Gestalt einer biconvexen Scheibe.

Im Epistropheus und in der Schädelbasis verhielt sich die Chorda in Beziehung auf die Anschwellungen an jüngeren Rinds- embryonen von 2,4 und 4,4 Ctm. Länge ähnlich, wie ich es oben von der- Wirbelsäule der jüngsten Embryonen angegeben habe. Eine Anschwellung lag in der Mitte der Höhe des Körpers vom zweiten Halswirbel, nahm also die Stelle des spätem Knochenkernes ein. In der deutlich markirten Synchondrose zwischen dem Körper dieses Wirbels und dem Zahn fehlte sie j dagegen lag eine Anschwel- lung in der Mitte des Zahnes. Alsbald nach dem Eintritt in die eben- falls noch rein knorplige Schädelbasis bildete die Chorda eine lang- gezogene schlanke spindelförmige Anschwellung, entsprechend der Gegend des spätem Knochenkernes des Hinterhauptsbeins. In der Gegend der spätem Synchondrosis spheno-occipitalis war sie ganz dünn und erst in der Gegend der Wurzel der spätem Sattel- lehne, am hinteren Umfang der Sattelgrube, schwoll sie wieder etwas an. Es verhält sich somit auch hier die Wirbelsaite gerade umgekehrt, als man es nach der bisherigen Lehre hätte er- warten sollen. Was nun die älteren Rindsembryonen betrifft, so stellt sich zwar in dem Intervertebraltheil zwischen Epistropheus und Zahn noch eine Anschwellung ein, in der Schädelbasis da- gegen konnte ich keine neuen Verdickungen mehr auffinden und auch die zuerst vorhandenen waren im Abnehmen begriffen. Ich sehe daher beim Rinde keine der späteren Synchondrosis spheno- occipitalis entsprechende Verdickung der Chorda.

Beim Schwein verhält sich die Chorda innerhalb der Wirbel- körpersäule in der Art, wie es bisher gelehrt wurde. Ich finde nämlich bei einem 2,6 Ctm. langen Embryo (Holzschn. XII, e) spindelförmige Anschwellungen nur in den Intervertebralstellen und von solcher Höhe, dass sie noch in die angrenzenden knorp- lichen Wirbelkörper hineinragten. An einem 7,6 Ctm. langen Schweinsembryo war die Spindelform verschwunden und dafür

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eine niedrige biconvexe Scheibe vorhanden , welche das Gebiet der Synchondrose nicht überschritt.

In der Schädelbasis fand ich bei zwei 7*/s und einem 8 Ctm. langen Schweinsembryo folgendes Verhalten. Die aus dem vor- dem Umfang des bereits vorhandenen Knochenkernes des Hinter- hauptbeins hervorkommende Chorda erzeugte in der Gegend der spätem Synchondrosis spheno-occipitalis eine mächtige Anschwel- lung in Gestalt einer frontalen biconvexen Scheibe , nahm dann wieder ab und bildete nahe hinter der Sattelgrube noch eine zweite aber viel kleinere Anschwellung , bevor sie in die Sattel- grube selbst eindrang. Der unter der Sattelgrube liegende Kno- chenkern des hintern Keilbeins kam mit der Chorda noch lange nicht in Berührung.

Aehnlich wie beim Schwein so verhält sich auch bei dem Menschen der Chordastrang in seinem Verlaufe durch die Wirbel- säule. Sehr schön entwickelt fand ich die spindelförmigen An- schwellungen der Intervertebralstellen bei einem 4 Ctm. langen Embryo (Holzschn. XII, f) und von solcher Höhe, dass sie noch die angrenzenden Viertheile der noch rein knorplichen Wirbel- körper erfüllten. An ihrem vordem Umfang waren sie einfach convex , hinten dagegen in der Mitte ihrer Höhe in einen kurzen horizontalen rückwärts in die Synchondrose hineinwachsenden scheibenförmigen Anhang ausgeladen. Aehnlich verhielt sich auch die Wirbelsaite bei einem 4,5 Ctm. langen menschlichen Embryo und waren auch hier die Knochenkerne noch nicht vorhanden.

Bei einem 6 Ctm. langen menschlichen Embryo fand ich die Wirbelkörper mit Knochenkernen versehen. Die spindelförmigen Anschwellungen hatten in der Mitte ihrer Höhe an Umfang zu- genommen und sich daselbst in eine biconvexe auf das Gebiet der Synchondrosen beschränkte horizontale Scheibe erweitert, aus deren oberer und unterer Fläche noch deutliche kegelförmige Fort- setzungen in die angrenzenden knorplichen Enden der Wirbel- körper eindrangen.

Sehr viel grösser fand ich die erwähnten von vorn nach hinten horizontal in die Synchondrosen eindringenden Scheiben an einem 7,5 Ctm. langen (Holzschn. XII, g) sowie an einem 8 Ctm. und 8,5 Ctm. langen menschlichen Fötus. Der vordere

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dickere Theil einer solchen Scheibe entspricht der ursprünglichen spindelförmigen Anschwellung jüngerer Embryonen und dringt auch noch mit einem oberen und einem unteren kegelförmigen Fortsatz in die angrenzenden Wirbelkörper ein. Frontalschnitte, welche diese dicker gebliebenen Partien der Scheibe durchschneiden, zeigen daher die Gestalt eines Kreuzes mit längeren horizontalen Schenkeln. Querschnitte der in den Synchondrosen liegenden Chordascheiben haben das Ansehen einer vielfach durchbrochenen kreisrunden Lamelle mit zerfetztem oder ausgezacktem Rande und erinnern an das Bild der flächenhaften Knochenkerne des häutigen Schädeldaches. Ich finde übrigens die Ränder dieser Chorda- scheiben zu jeder Zeit völlig und scharf geschieden von dem um- gebenden in Erweichung und Einschmelzung begriffenen Synchon- drosengewebe , so dass sie leicht herausfallen oder über den angrenzenden Rand der durchschnittenen Synchondrose sich hin- wegschieben. Beim Auflegen eines Deckgläschens werden die strahlig eingerissenen Ränder der Chordascheiben in der Art dem in der Bildung begriffenen Gallertkern der Synchondrose an- und eingedrückt, dass mitunter der Anschein eines continuirlichen Zu- sammenhangs entsteht.

Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir einige Bemerkungen über das Verliältniss des Gallertkernes zur Chorda bei menschlichen und Säugethier- embryonen einzuflechten. Die Synchondrosen erscheinen zuerst nur als dunklere Querstreifen zwischen den helleren Wirbelkörperanlagen , be- stehend aus dichter gedrängten runden Zellen von ganz derselben Be- schaffenheit und Grösse wie die der Wirbelkörper. Entfernt man die darin liegende Anschwellung der Chorda, so bleibt eine einfache Lücke zurück , welche von dem umgebenden dichten Gewebe der Synchondrose scharf sich absetzt. Es existirt also um diese Zeit in den Synchondrosen eine wirkliche die Chordaanschwellung völlig frei enthaltende und dieser entsprechend geformte Höhle. Alsbald bemerkt man in der anfangs völlig gleichförmig dunklen Synchondrosenanlage eine mittlere zunächst die Chorda umgebende Aufhellung, während die an die Wirbelkörper anstossenden Partien dunkel bleiben und jetzt aus länglichen quergestellten Elementen bestehen , welche auch in die gleichbeschaffenen vertikalen Zellen des ebenfalls dunklen Annulus fibrosus in ununterbrochener Reihenfolge über- gehen. Die mittlere aufgehellte Partie ist die Anlage des Gallertkernes und verdankt ihre Entstehung der Zunahme einer homogenen Grundsub- stanz; die Zellen stehen jetzt weiter von einander ab und bleiben theils rundlich, theils werden sie spindelförmig oder erhalten einfache und vor-

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zweigte Ausläufer , mit welchen sie netzförmig untereinander sich ver- binden. Im weiteren Laufe der Entwicklung beginnt eine stellenweise Einschmelzung dieser die Chordahöhle enthaltenden Anlage des Gallert- kernes , sie wird von mit wasserheller Flüssigkeit erfüllten runden und ovalen Lücken durchbrochen , die schliesslich untereinander und mit der Chordahöhle communiciren, so dass letztere ihre Selbstständigkeit aufgiebt. So entsteht ein aus blassen zarten homogenen oder matt granulirten Balken und durchbrochenen Lamellen bestehendes Gerüste, dessen Maschen an verschiedenen Stellen theils mit Ausläufern versehene und dadurch ver- bundene Zellen enthalten , theils kuglige Elemente , welche auch in den Balken selbst vorkommen. Die letzteren haben ganz das Aussehen ge- wöhnlicher Knorpelzellen und zeigen verschiedene Stufen der Vermehrung ; manche derselben dehnen sich zu grossen mit vielen Tochterzellen ge- füllten Mutterzellen aus , welche auch frei in den Maschen liegen oder stielförmig mit der Grundsubstanz der Balken zusammenhängen. Unter- dessen aber bleibt die Chorda in den Synchondrosen nicht unthätig, son- dern erweitert sich in der oben angegebenen Weise , " indem bei dem Menschen aus dem hintern und seitlichen Umfang der spindelförmigen Anschwellung eine vielfach durchlöcherte horizontale biconvexe Scheibe hervorwuchert, bestehend aus einem Balkenwerk polygonal abgeplatteter granulirter kernhaltiger Zellen, an welchen ich niemals irgend eine Ver- änderung wahrgenommen habe. Mit dieser Erweiterung ist zugleich eine Einschmelzung des Chordagewebes verbunden, so dass dasselbe mehr und mehr zerklüftet und schliesslich in Fetzen, Klumpen und unregelmässig verbundene Zellenbalkenreste zerfällt, welche völlig frei die Räume des oben beschriebenen Gerüstes des Gallertkernes erfüllen. Sehr schön aus- gebildet finde ich dieses Verhalten bei einem 1,872 Dem. langen mensch- lichen Embryo und es liegt jetzt die Chorda nicht mehr in einer scharf abgegrenzten Höhle der Synchondrose, sondern in den Lücken eines weit- maschigen gallertigen Gewebes, welches continuirlich mit dem peripheri- schen Theil der Synchondrose sowie auch mit den austossenden Endflächen der Wirbelkörper in Verbindung steht. In der Halswirbelsäule zeigt die beschriebene Erweiterung der Chorda nur eine ganz geringe Ausdehnung, so dass der grösste Theil des Gallertkernes zu keiner Zeit von Chorda- elementen durchsetzt war.

Eine Chordahöhle existirt jetzt nicht mehr und die erst nach der Geburt entstehende Höhle der Zwischenwirbelscheibe ist eine seeundäre Bildung, welche auch dem hintern Umfang der Synchondrose viel näher liegt, während die ursprüngliche Chordahöhle bei dem Menschen ganz excentrisch die Grenze des mittlem und vordem Drittels einnahm (s. unten).

Der Gallertkern ist daher entstanden durch Erweichung und stellen- weise Einschmelzung der Grundsubstanz einer Intervertebralscheibe ; nie- mals bemerkte ich eine auf die Bildung der Flüssigkeit des Gallertkernes sich beziehende Veränderung der Chordazellen, sie bleiben immer klein,

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granulirt und machen ganz den Eindruck von Gebilden , die zu keiner weiteren Entwicklung sondern zur Einschmelzung bestimmt sind.

Man kannte bisher nur die ursprünglichen spindelförmigen Anschwel- lungen der Chorda jüngerer menschlicher Embryonen und Säugethiere, hatte aber aus dem noch nach der Geburt in dem Gallertkern gefundenen durchbrochenen Zellenhaufen den Schluss gezogen , dass die Wirbelsaite während des fötalen Lebens nicht vollständig verschwinde. Ich habe nun durch obige Angaben den wirklichen Nachweis von der Persistenz der Chorda bei dem Menschen und den Säugern geliefert, indem ich die Ver- änderungen der ursprünglichen spindelförmigen Anschwellungen verfolgte. Ferner habe *ich mich davon überzeugt , dass an dem Chordagewebe zu keiner Zeit irgend welche histologischen Veränderungen auftreten, und dass die Chordaanschwellung im Laufe der Entwicklung zwar im Ganzen an Ausdehnung gewinnt, jedoch zugleich in der Art zerklüftet und einschmilzt, dass nach der Geburt nur noch Reste getroffen werden. Ich halte da- her die Annahme einer wesentlichen und bleibenden Be- theiligung der Chorda an der Bildung des Gallertkernes für unbegründet und kann ihr nur eine embryonale Bedeu- tung zugestehen; auch das oben erwähnte Verhalten der Chorda in der Halswirbelsäule spricht für diese meine Auffassung.

Bei den Vögeln schwindet nach den Untersuchungen von G. Jäger1) die Wirbelsaite schon während des embryonalen Lebens , was ich nicht vermuthet hätte, da gerade bei diesen Thieren die Chorda lange Zeit hindurch einen so auffallend mächtigen Umfang zeigt, dass schon dadurch sich dieselbe sofort von der Chorda des Menschen und der Säuger sehr merklich unterscheidet.

Interessant ist die von Jäger versuchte Vergleichung der Wirbel- körperverbindungen der Vögel und der Säugethiere und ich kann nicht umhin, einer von mir an Frontalschnitten der Halswirbelsäule eines 8 Ctm. langen menschlichen Fötus gemachten Beobachtung zu erwähnen, welche vielleicht im Sinne dieses Forschers gedeutet werden könnte. An diesen Schnitten, von denen ich mehrere in meiner Sammlung aufbewahre, war die in der Synchondrose liegende Anschwellung der Chorda nicht scheiben- förmig ausgebreitet , wie es an demselben Embryo in den weiter unten folgenden Partien der Wirbelsäule der Fall war , sondern stellte eine niedrige kleine rundlich-eckige Verdickung dar, umgeben von einem nur ganz beschränkten hellen Hofe des gallertig erweichten Centrums der Synchondrose. Zu beiden Seiten dagegen lag in der Synchondrose ein dunkler niedriger aus dicht gedrängten Zellen bestehender Streif, welcher oben und unten durch eine hellere Partie von den angrenzenden Wirbel- körpern geschieden war. Kurz, man gewann den Eindruck, als ob sich hier ein Meniscus bilden wollte , dessen Centrum durch eine gallertige

1) Dr. Gustav Jäger, das Wirbelkörpergelenk der Vögel. Wien 1859.

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und von der Chorda durchsetzte Masse durchbrochen war. Auch lag die Chorda nicht im Centrum, sondern in der vordem Hälfte der Synchondrose. An einem hinter der Chordaanschwellung gemachten Frontalschnitt des- selben Embryo durchsetzt der Meniscus , wenn ich diesen Querstreif so nennen darf, ununterbrochen fast die ganze Breite der Synchondrose, so dass der an seiner Streifung erkennbare Annulus fibrosus eine nur sehr geringe Mächtigkeit besass und kaum zwischen die Wirbelkörper eindrang.

Bezüglich der Gestalt der Chorda in der Schädelbasis, so war der jüngste der menschlichen Embryonen , den ich darauf untersuchte, 71/* Ctm. lang; die hintere Hälfte des Hinterhaupts- körpers war verknöchert und die Chorda darin nicht mehr zu bemerken. Der davor liegende Knorpel dagegen enthielt in der Gegend der spätem Synchondrosis spheno-occipitalis zwei grössere durch ein knorpliches Septum geschiedene Höhlen, worin ein Haufen Chordazellen von dem oben beschriebenen Verhalten lag und offenbar eine Anschwellung des übrigen an diesem Schnitte nicht bemerkbaren Chordastranges darstellte.

Glücklicher war ich mit Sagittalschnitten mehrerer 8 Ctm. bis 1,8 Dem. langer menschlicher Embryonen und ich überzeugte mich daran , dass der Chordastrang , ähnlich wie beim Schwein, an zwei Stellen des Clivus eine Anschwellung zu bilden pflegt, von welchen die hintere der Gegend der späteren Synchondrosis spheno-occipitalis entsprach , die vordere dagegen in einiger Ent- fernung hinter dem hintern Umfang der Sattelgrube unterhalb der Wurzel der Sattellehne ihre Lage hatte. Auch hier über- zeugte ich mich, dass die Chordazellen selbst niemals zu grösseren hellen Blasen sich erweitern, oder sich mit hellen Inhaltstropfen füllen, sondern die anfängliche Beschaffenheit bewahren ; die Zellen- haufen waren durch stellenweise Einschmelzung vielfach zerklüftet und bestanden aus polygonalen zu netzförmig verbundenen Balken vereinigten, granulirten kernhaltigen kleinen Zellen. Die Knorpel- wand der die Chorda aufnehmenden Höhle war vielfach ausge- buchtet und stellenweise durch Erweichung und Verflüssigung ebenfalls zerklüftet und durchbrochen und drang mit Fortsätzen, welche zum Theil die gegenüberliegende Höhlenwand erreichten, in entsprechende Lücken der Chorda ein.

Ich kann daher, gestützt auf das histologische Verhalten des Chordagewebes beim Embryo , eine von H. Müller behauptete

Dursy, Entwicklgsgesch. 3

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directe Beziehung zu den von Virchow beschriebenen Ge- schwülsten am Clivus nicht bestätigen, sondern mache in dieser Beziehung auf die genannte Höhle des Knorpels aufmerksam, welche sich durch Erweichung und Verflüssigung der hyalinen Grundsubstanz vergrössert.

Merkwürdig ist der gebogene Verlauf der Wirbelsaite in der Schädelbasis, worauf bei dem Menschen und dem Rinde ebenfalls zuerst H. Müller aufmerksam gemacht hat. Ich habe jedoch in dieser Beziehung beizufügen, dass auch darin der Kopftheil der Chorda von dem Rumpftheil sich nicht unterscheidet.

Nach meinen Beobachtungen liegt bei dem Menschen, dem Rind und dem Schwein zwar die Chorda in ihrem Verlaufe durch die Wirbelsäule immer genau in der Medianebene, hält aber darin nicht streng die centrale Achse ein, sondern beschreibt eine Wel- lenlinie , wie aus dem nebenstehenden Holzschnitt (XII) zu er- sehen ist. Bei dem Rind und dem Schwein (XII, a. b. c. d. e.)

zu

macht die Chorda an Me- dianschnitten in jedem Wirbelkörper einen mit der Convexität nach vorn, und in jeder Synchon- drose mit der Convexität nach hinten gerichteten Bogen. Da nun dabei der Strang beim Durch- tritt durch die Synchondrosen nicht das Centrum einhält, sondern etwas davor liegt, so liegt somit überhaupt die ganze Chorda in der vordem Hälfte der Wirbelkörpersäule. Bei dem Menschen rückt die Chorda beim Durchtritt durch die Syn- chondrosen so weit nach vorn, dass sie die Grenze zwischen mittlerem und vorderem Drittel des horizontalen Durchmessers einhält und die Knochenkerne bauchwärts durchbohrt. Besonders aber unterscheidet sich die Chorda des Menschen von der der genannten Thiere durch ein umgekehrtes Verhalten der Biegungen ; in den Wirbelkörpern schaut deren Convexität vorwärts , in den Synchondrosen rückwärts (Holzschn. XII, f. g.).

An jüngeren Embryonen sind diese Krümmungen sehr auf-

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fallend und deren Grund lässt sich nicht recht einsehen. Ur- sprünglich war doch die Chorda gerade und wenn sie eine Stütze für die sich darum bildenden Wirbelkörper abgeben soll, so dürfte sie sich doch nicht in so auffallender Weise krümmen. Sie scheint rascher in die Länge zu wachsen als die Wirbelkörpermasse ; bei Vögeln , Reptilien und Amphibien habe ich solche Biegungen wenigstens in der Wirbelkörpersäule nie gesehen.

Eine Fortsetzung dieser wellenförmigen Krümmung findet sich nun in der Schädelbasis und es tritt die Chorda am vordem Rand des Hinterhauptsloches ganz oberflächlich, also der Schädelbasis näher und mitunter hier nur von der Hirnhaut gedeckt, in das hintere Ende des Hinterhauptskörpers ein. Hierauf beschreibt sie einen langen bauchwärts convexen Bogen (Holzschn. XI), dessen Gipfel fast die Bauchfläche der knorplichen Schädelbasis erreicht , steigt dann wieder durch die Gegend der spätem Synchondrosis spheno- occipitalis auf bis hinter die Wurzel der Sattellehne, und krümmt sich dann von Neuem abwärts zur hintern Wand der Sattel- grube, die sie durchbohrt. Der Gipfel dieser zweiten dicht hinter der Wurzel der Sattellehne liegenden Krümmung ist desshalb noch sehr merkwürdig , weil er die Grenze des Knorpels nahezu oder auch wirklich erreicht oder selbst noch in das Peri- chondrium dringt, wie es H. Müller schon beim Rindsfötus ge- sehen hat, aber nach meinen Erfahrungen auch bei dem Schwein und dem Menschen vorkommt (s. unten).

An dem Medianschnitt der Schädelbasis eines 2,2 Ctm. langen Rindsembryo fand ich dieselbe zwar verknorpelt, jedoch befand sich in der Sattelgrubengegend ein breiter die knorpliche Anlage des hintern Keilbeinkörpers vollständig in eine hintere und eine vordere Abtheilung trennender bindegewebiger Streif, welcher continuirlich in das Gewebe der Bauchseite der knorplichen Schädel- basis überging und ein von hier aus in die Sattelgrube aufsteigendes grösseres Blutgefäss trug. Der Knorpel der Schädelbasis besass somit eine ihn völlig unterbrechende durch ein anderes Gewebe ausgefüllte Lücke, durch die in früher Zeit die Rathke'sche Schlundkopftasche ihren Weg mitten durch den hintern Keilbein- körper genommen hatte. In diese Lücke drang auch an dem mir vorliegenden Präparate (Nr. 1016 meiner Sammlung) von hinten

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her der Chordastrang ein, beschrieb darin zwei kurze korkzieher- förmige Krümmungen und endigte zugespitzt unter dem vordem noch sackförmigen hohlen Lappen des Hirnanhangs. Er hatte sich also bereits von seinem Endknopf abgeschnürt, von welchem um diese Zeit nichts mehr zu sehen war.

An derselben Stelle sah ich beim Hühnchen sehr häufig ein ganz ähnliches Verhalten und ich konnte auch hier die Rathke'sche Schlundausstülpung bald in ihrem ursprünglichen Verhalten und in Begleitung von Blutgefässen beobachten , bald auf den ver- schiedenen Stufen ihrer Abschnürung und der Umbildung ihres Grundes in den vordem Lappen der Hypophyse. Die Mitte des hintern Keilbeinkörpers ist es somit , in welcher die Spitze des früheren Kopfbeugewinkels der Schädelbasis lag. Wenn manche Schriftsteller an älteren Köpfen auch des Menschen von fötalen Resten der früheren Rathke'schen Tasche oder selbst von einem durch diese Tasche bedingten Loch der Schädelbasis sprechen, so kann ich eine solche Deutung nur dann zulassen, wenn davon die Gegend des mittleren Abschnittes des hinteren Keilbeinkörpers, nicht aber das Hinterhauptsbein , betroffen wird. An jüngeren und auch an älteren Keilbeinen des Menschen findet man zuweilen im Grunde der Sattelgrube verschieden grosse von Blutgefässen durchzogene Löcher , von welchen das vordere nahe hinter dem Sattelknopf zwischen den Processus clinoidei medii gelegene der Grenze zwischen hinterem und vorderem Keilbein entspricht, das hintere Loch dagegen gegen das Centrum des hinteren Keilbein- körpers dringt. Das letztere entspricht somit genau der Stelle, welche an Rindsembryonen den Knorpel des hinteren Keilbein- körpers in seiner ganzen Höhe vollständig unterbricht und das Ende der Chorda nebst einem vertikal aufsteigenden Blutgefäss enthält. An Schädeln erwachsener Haasen ist dieses den hin- teren Keilbeinkörper durchbohrende Loch sehr weit und ganz beständig.

Auch an Medianschnitten eines 2,3 Ctm. und eines 2,4 Ctm. langen Rindsembryo fand ich ein ganz ähnliches Verhalten der knorplichen Schädelbasis , indem dieselbe innerhalb des hintern Keilbeinkörpers durch einen breiten Bindegewebsstreif völlig un- terbrochen war und hier die Chorda unter Bildung einer spitz-

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winkligen mit der Convexität dorsalwärts gerichteten Krümmung in die Sattelgrube eindrang.

An Medianschnitten etwas älterer Rindsembryonen von 4 Ctm. bis 6 Ctm. Länge war die Schädelbasis ebenfalls noch völlig knorp- lich , die den hintern Keilbeinkörper durchsetzende Lücke jedoch war geschwunden und durch einen wenn auch sehr niedrigen Knorpel geschlossen. Die Chorda beschrieb noch immer einen völlig ununterbrochenen langgezogenen bauchwärts convexen Bogen in ihrem Verlaufe durch den Clivus und endigte bald kolbig ver- dickt nahe hinter dem hintern Umfang der Sattelgrube, bald er- reichte sie dieselbe wirklich, ohne jedoch weiter in derselben vor- zudringen , sondern hörte plötzlich wie abgeschnitten auf. Bevor sie sich zur hintern Wand der Sattelgrube wendet, macht sie an einigen meiner Präparate eine auffallende spitzwinklige Krümmung dicht hinter der Wurzel der Sattellehne und in der Art, dass deren Scheitel nicht blos die dorsale Oberfläche des Knorpels erreicht, sondern auch darüber hinaus ragt. Auch bildete deshalb hier das Perichondrium einen gegen die Schädelhöhle sich er- hebenden abgerundeten Hügel und war sehr verdünnt. Bei zwei Embryonen fand ich die Knorpelhaut sogar wirklich durchbrochen und die dadurch blosgelegte Windung der Chorda war nur von der Hirnhaut gedeckt.

Bei einem 7,2 Ctm. langen Rindsembryo traf ich in der sonst noch völlig knorplichen Schädelbasis einen noch kleinen im Median- schnitt längsovalen Knochenkern in der Mitte der Länge des spätem Hinterhauptskörpers. Derselbe erreichte bereits die dor- sale Oberfläche des Knorpels, nicht aber die ventrale und wurde hier, also ganz excentrisch, von der noch in ihrer ganzen Länge erhaltenen Chorda durchsetzt.

Vom Schwein besitze ich nur Medianschnitte bereits älterer Embryonen, die eine Länge von 7 8 Ctm. hatten. Der Knochen- kern des Hinterhauptskörpers war grösser geworden und die Wirbelsaite darin nicht mehr zu erkennen. Unter der Sattelgrube lag auch bereits der Knochenkern des hintern Keilbeinkörpers, welcher von einem dicken vertikal aufsteigenden Blutgefäss durch- zogen wurde. Dieses Verhalten erinnert an das oben bei dem RinHe angegebene und zeigt, dass auch beim Schwein eine den

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hinteren Keilbeinkörper central durchsetzende Lücke der knorp- Jichen Schädelbasis bestand, durch welche die Rathk e 'sehe Tasche ihren Weg nahm. Die Chorda beschrieb genau in derselben Art wie bei dem Rinde einen den Clivus durchsetzenden langen flachen Bogen, dessen vorderes Ende dicht hinter der Wurzel der Sattel- lehne fast die freie Oberfläche des Knorpels erreichte ; hierauf stieg sie unter Bildung eines kürzeren und steileren Bogens zur hinteren Wand der Sattelgrube hinab, die sie auch durchbohrte, dann jedoch plötzlich wie abgeschnitten und sehr verdünnt endigte. Wie bei dem Rind und dem Menschen, so kommt auch bei dem Schwein die Chorda mit dem Knochenkern des hinteren Keilbein- körpers gar nicht in Berührung.

Von menschlichen Embryonen besitze ich , wie oben bereits erwähnt wurde, eine grössere Anzahl von medianen Längsdurch- schnitten der Schädelbasis, welche noch längere oder kürzere Stücke des Chordastranges enthalten und die sich in der Art ein- ander ergänzen, dass daraus auch für die Wirbelsaite des Menschen ganz derselbe Verlauf "sich ergiebt , wie für die der genannten Säugethiere. Es beschreibt somit die Chorda zuerst einen lang- gezogenen flachen Bogen, welcher den Knochenkern des Hinter- hauptskörpers ventralwärts , also excentrisch, durchzieht und sich dann bis zur Gegend unterhalb der Wurzel der Sattellehne erhebt. Dort angekommen bildet sie an einem meiner Präparate (Nr. 1084, von einem 8 Ctm. langen Embryo) eine Anschwellung , welche einen strangförmigen Ausläufer abgiebt. Der letztere durchsetzt den Knorpel dorsalwärts , also in der Richtung gegen die der Schädelhöhle zugekehrte Oberfläche , und dringt selbst noch dicht hinter der Sattellehnenwurzel in das Perichondrium ein.

Ganz dasselbe Verhalten zeigt der Medianschnitt der Schädel- basis eines 1,8 Dem. langen Fötus. ,

An einem anderen von einem 1 Dem. langen Fötus her- rührenden Medianschnitt wendet sich das vordere Ende des Chorda- stranges ohne vorausgegangene Anschwellung direct und unter einem rechten Winkel dorsalwärts sich krümmend durch den Knorpel hindurch in das Perichondrium derselben Gegend.

Nach diesen meinen Beobachtungen ist daher die Angabe von H. Müller (a. a. O. S. 120) zu berichtigen, nach welcher

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nur bei dem Rinde , nicht aber bei dem Menschen die Chorda hinter der Sattellehne die Oberfläche des Clivusknorpels erreiche. Auch ist es durchaus nicht, wie dieser Beobachter meint, als eine Abnormität zu betrachten , wenn an älteren menschlichen Fötus sowie bei Kindern Chordareste in dem Knorpel des Clivus gefunden werden. Denn Einmal hat dort hinter der Sattel- lehne die Chorda ganz normal ihre Lage , und zweitens habe ich schon oben hervorgehoben, dass die Chorda nur durch Berührung mit Knochensubstanz allmählig unkenntlich wird , nicht aber in den knorplich und häutig gebliebenen Partien der Wirbelsäule und der Schädelbasis des Fötus und des Neugeborenen.

Alle von mir untersuchten Medianschnitte der Schädelbasis menschlicher Embryonen zeigten zwar bereits einen in der Ver- knöcherung begriffenen Hinterhauptskörper, sonst aber war die ganze Basis noch rein knorplich und selbst an einem 1 Dem. langen Fötus traf ich noch keine Spur eines Knochenkernes in dem hinteren Keilbeinkörper. Erst an dem Medianschnitt eines 1,8 Dem. langen Fötus wurde endlich auch dieser sichtbar. Vor dem Erscheinen dieses Keilbeinknochenkernes ist die knorpliche Schädelbasis in dieser die Sattelgrube tragenden Gegend nament- lich an jüngeren Embryonen auffallend niedrig und nicht blos von oben her zur Bildung der Sattelgrube ausgehöhlt, sondern auch von der Bauchseite her bald trichterförmig vertieft, bald mehr oder weniger auffallend ausgeschweift. Diese äussere der Sattelgrube senkrecht entgegen strebende Vertiefung des Knorpels betrifft die Mitte der Länge des spätem hintern Keilbeinkörpers, welche ich bei ganz jungen Rinds- und Schweinsembryonen völlig unterbrochen fand, und bezieht sich somit auf die frühere zum Durchtritt der R a t h k e 'sehen Tasche dienende Lücke. Es be- trifft übrigens diese noch übrig gebliebene Einsenkung nur den Knorpel der Schädelbasis , nicht aber das darunter liegende Ge- webe, welches sogar zur Ausgleichung an dieser Stelle an Höhe zunimmt. Niemals habe ich daher später weder bei dem Menschen noch bei den genannten Säugethieren irgend eine von der Schlund- höhle aus sichtbare taschenförmige Aussackung bemerken können, welche auf die früher hier vorhandene Lücke der Schädelbasis hätte bezogen werden können. Auch wäre für den erwachsenen

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Menschen ein solcher fötaler Rest gerade an dieser der Mitte der Länge des hintern Keilbeinkörpers entsprechenden Stelle schon deshalb unmöglich, weil der nach hinten sich ausdehnende Vomer mit seinen Alae die untere Keilbeinfläche bekanntlich deckt. Wie wir später sehen werden, so liegt die für einen solchen Rest ge- haltene Bursa pharyngea (Meyer) weiter hinten unter dem Hinter- hauptskörper und richtet ihren Grund nicht nach vorn gegen die Sattelgrube, sondern umgekehrt nach hinten, so dass ihre Ver- längerung den Hinterhauptskörper durchbrechen würde.

Was das Verhältniss des hintern Keilbeinkörpers zur Chorda betrifft, so hatte man bisher davon keine richtige auf directe Be- obachtung sich gründende Vorstellung. Auch H. Müller lässt uns darüber im Unklaren und er erklärt geradezu , dass er aus Mangel an Material, welches er zu medianen Längsschnitten ver- wenden wollte , die Chorda nicht mit Bestimmtheit bis zu ihrem vordem Ende hätte verfolgen können. Seine Angaben über ein Vordringen des Chordastranges in den Knochenkern des hintern Keilbeinkörpers kann ich nicht bestätigen und sind dieselben auch so unbestimmt und von Müller selbst als zweifelhaft hingestellt, dass sie eine weitere Berücksichtigung nicht mehr verdienen.

Aus den von mir beschriebenen Medianschnitten der Schädel- basis des Menschen und einiger Säuger geht hervor, dass in dem hintern knorplichen Keilbein die von hinten in die Sattelgrube eindringende Wirbelsaite zwar enthalten ist, aber ganz excentrisch und zweitens nur in der hinteren Partie des hintern Keilbein- körpers , in der Gegend zwischen der Synchondrosis spheno-occi- pitalis und dem hinteren Umfang der Sattelgrube, nahe unter der Wurzel der Sattellehne. Es bildet sich daher der Knochenkern des hintern Keilbeinkörpers, der unter der Sattelgrube entsteht, nicht wie der Kern des Hinterhauptskörpers um oder an der Wirbelsaite , sondern davon völlig unabhängig und weit entfernt. Wenn nun allmählig dieser Knochenkern sich nach hinten gegen das Hinterhaupt ausdehnt , so rückt er zwar der Chorda näher, bleibt aber tiefer liegen, so dass die Chorda an seiner dorsalen Seite im Clivusknorpel hinter der Sattellehne, sowie weiter hinten in dem Knorpel der Synchondrosis spheno-occipitalis noch sicht- bar bleibt. Auch werden hier noch bei Neugeborenen Reste wahr-

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genommen , die erst durch die allmählig fortschreitende Ver- knöcherung verdrängt werden.

Auch bei dem Hühnchen beschreibt die in der Wirbelkörper- säule völlig gestreckt verlaufende Chorda in der Schädelbasis einige in der Medianebene liegende wellenförmige Krümmungen (Taf. II, Fig. 9).

Nach Rathke1) tritt bei der Natter die Wirbelsaite in der Schädelbasis so weit an die der Schädelhöhle zugekehrte Ober- fläche heran , dass sie sogar einige Zeit hindurch einen vor- springenden Längswulst erzeugt. Ja einmal fand Rathke hier einen dem Kopftheil der Wirbelsaite ähnlich geformten Knochen- kegel , der dem Körper des Hinterhauptsbeins der Länge nach auflag und nur allein an seiner untern Seite mit ihm verschmol- zen war.

Knopfformiges Kopfende der Chorda dorsalis.

Der zuerst von Baer erwähnte aber erst durch mich her- vorgehobene und nach seiner Bedeutung erforschte Chordaknopf wurde bisher allgemein in Abrede gestellt , indem die meisten Anatomen das Kopfende der Chorda in eine abgerundete Spitze auslaufen lassen.

Reichert kannte den continuirlichen Zusammenhang der Chorda mit dem Schlussbogen der Rückenplatten (s. dessen Werk über das Entwicklungsleben der Thiere), beschränkt jedoch, wo- mit ich nicht übereinstimme, diese Verbindung nur auf den Schluss- bogen der Medullarplatten , weil die Urwirbelplatten nach diesem Beobachter erst später , nach dem Erscheinen der Chorda , sich bilden sollen. Die Chordaspitze soll dann verkümmern und da- mit ihre frühere Verbindung mit dem vordem Hirnende aufgeben ; man finde sie jetzt nicht mehr in der Gegend des ersten, sondern in der Gegend des zweiten Kopfwirbels , wo sie nun mit dem Boden des dritten Ventrikels eine ziemlich feste Verbindung ein- gehe. Schliesslich werde diese verkümmerte Spitze von der übrigen

1) Entwickig. d. Natter. S. 125.

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Chorda durch die Urwirbelplatten völlig abgeschnürt und bleibe in einer Grube (Sella turcica) liegen als die bekannte Glandula pituitaria. Wie hier vom Frosch, so berichtet Aehnliches Reichert auch von dem Hühnchen (a. a. O. S. 108 und an andern Stellen). Eine knopfiormige Anschwellung stellt er zwar auch hier in Ab- rede , verwirft aber mit Recht die Annahme einer feinen Spitze, sondern lässt das Kopfende ohne sichtbare Scheidungsgrenze all- mählig in den Schlussbogen „der sich vereinigenden Urhälften der Anlage des Embryo" übergehen. Ganz entschieden aber muss ich in Abrede stellen, dass von diesem Schlussbugen die Chorda durch Verkümmerung sich zurückziehe und mit Unrecht verwirft hier Reichert (S. 122) die von Baer gemachte Angabe, dass das Wirbelsystem über die Chorda hinauswachse. Es geschieht dies allerdings , wie wir später sehen werden. Im Uebrigen soll sich auch hier in Bezug auf die Glandula pituitaria die Chorda ebenso erhalten, wie beim Frosch. Aus diesen Angaben geht her- vor, dass Reichert zwei wesentliche Dinge zuerst und bisher allein gesehen hat, nämlich 1) den continuirlichen Zusammen- hang der Chorda mit dem Schlussbogen der Rückenplatten , also mit dem ursprünglich vordersten Schädelende , und 2) den Zu- sammenhang der Chorda mit dem Boden des dritten Hirnventrikels und mit der späteren Hypophyse. Letztere Angabe nimmt jedoch Reichert1) in neuerer Zeit wieder zurück ; die Glandula pitui- taria sei wahrscheinlich eine Wucherung der Pia mater und dabei wird bemerkt :

„Die Entstehungsweise der Hypophyse ist nicht genügend „aufgeklärt ; das Infundibulum , mit welchem sie in Verbindung „steht, legt sich mit seiner Spitze fest an die Schädelbasis an. „Bei Froschembryonen liegt diese Berührungsstelle gerade da, wo „die vordere Spitze der Chorda dorsalis in der Schädelbasis endigt „und hier befindet sich die Anlage der Hypophyse. Der Um- „stand, dass in jener Gegend ein Theil der Chorda dorsalis, näm- „lich derjenige Abschnitt, welcher ursprünglich nach vorn bis zur „Stirnwand, und zwar frei liegend, unter dem ersten Hirnbläschen „hinzieht , um diese Zeit verkümmert war , veranlasste mich , in

1) Bau d. menschl. Gehirns. 1861. S. 18 u. 19.

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„der Hypophyse das verkümmerte Rudiment der Chorda dorsalis „zu sehen. So genau, wie ich es jetzt wohl wünsche, habe ich „diesen Bildungsvorgang damals nicht verfolgen können und ich „muss daher die Sache unentschieden lassen."

Wie wir später sehen werden , muss ich die frühere Angabe von Reichert, wenn auch in manchen Dingen wesentlich um- gestaltet, festhalten und zwar nicht blos für den Frosch, auf den überhaupt Reichert seine ganze Lehre stützte und sie für das Hühnchen nur als wahrscheinlich annahm , sondern auch gestützt auf zahlreiche eigene Untersuchungen für das Hühnchen , die Säugethiere und den Menschen.

Auch was den ersten Punkt betrifft, nämlich den continuirlichen Zusammenhang der Chorda mit dem Schlussbogen der Rücken- platten, so spricht darüber Reichert in einer spätem Abhand- lung über den Primordialschädel eine seine frühere richtige Angabe wiederum aufhebende Bemerkung aus, nach welcher das ursprüng- liche Kopfende der Chorda einfach abgerundet an der späteren Stirnwand ohne knopfförmige Verdickung endigen soll und zwar nicht blos bei dem Frosch, sondern auch bei dem Hühnchen und den Säugern *). Gleich darauf heisst es : „Beim Huhn markirt sich das vordere Ende der Chorda, bei Betrachtung der untern Fläche der künftigen Basis cranii , durch einen weisslichen Fleck dicht hinter der Stirnwand." Man wird zugeben, dass es auch hier wieder sehr schwer ist, Reichert zu folgen, da er mit dieser letzten Bemerkung offenbar den von mir hervorgehobenen Knopf der Chorda gesehen hat, den er aber in dem vorgehenden Satze gerade ausdrücklich verwarf. Hinzufügen will ich noch, dass man diesen weissen Fleck bei Betrachtung der Rückseite ganz ebenso gut sieht und dass ihn R e m a k und E r d 1 , wie ich sogleich angeben werde , ebenfalls gesehen aber unrichtig ge- deutet haben.

Was Remak betrifft, so war diesem Forscher der zur Er- klärung gewisser späterer Erscheinungen so wesentliche continuir- liche Zusammenhang der Chorda mit dem Schlussbogen der Rückenplatten völlig entgangen. Nach seiner Beschreibung (a. a. O.

1) Zur Kontroverse über den Primordialschädel in Müll. Archiv. 1849.

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S. 10) sowie nach den beigegebenen Abbildungen (Remak, Taf. I, Fig. 9A, 10A, IIA, sowie die Figuren der zweiten Tafel) besitzt die Chorda ein etwas zugespitztes Kopfende , welches den Schlussbogen der Rückenplatten gar nicht erreicht, sondern durch einen hellen Zwischenraum von demselben geschieden bleibt. Glück- licher war E r d 1 *) , der schon von Anfang an den Chordaknopf sah und ihn ganz naturgetreu sowohl bezüglich seiner Gestalt als auch seines Zusammenhangs mit dem Schlussbogen der Rücken- platten abbildet (vgl. dessen Taf. IV, Fig. 3, 4 u. 5). Freilich wusste er nicht , was er zeichnete , und hielt den Knopf für die Anlage des Gehirns , die übrige Chorda für die Anlage der Medulla oblongata. Erst im Laufe des zweiten Brüttages , wenn sich die Kopfdarmhöhle bereits ansehnlich verlängert hat, bemerkte endlich auch Remak den Knopf und sagt darüber (a. a. O. S. 19): „An dem blinden obern Ende der Kopfdarmhöhle zeigt sich in der Regel eine dunkle knopfähnliche Stelle." „Da bis zu demselben Punkt auch die Chorda reicht und die Chordaspitze dicht hinter der Spitze der Kopfdarmhöhle liegt, so entsteht zuweilen (!) der Anschein, als wenn die Chordaspitze eine knopfförmige Anschwel- lung hätte." „Es ist aber in der That eine stärkere Ansammlung von grösseren Fetttröpfchen in den Zellen desDrüsenblattes an jener Stelle, welche den beschriebenen Anschein bedingt." Aus dieser Beschreibung geht hervor, dass Remak diese Stelle offenbar nicht näher untersucht hat und sie unrichtig deutete, weil er ihre erste Anlage nicht kannte. Wer diese Stelle schon von Anfang an in's Auge fasst, wenn die Uranlage des Embryo und die Chorda gerade in der Entstehung begriffen sind , dem kann der so deutliche Zusammenhang des Knopfes mit dem Schluss- bogen der Rückenplatten nicht entgehen und wird um diese Zeit vergebens nach einem Darmdrüsenblatt suchen, dessen mit Fett- tröpfchen erfüllte Zellen nur eine Verdunklung (also nach Remak überhaupt gar keine Anschwellung) erzeugen sollen. Von solchen Zellen ist um diese Zeit überhaupt noch gar nicht die Rede, ferner lässt sich diese wirkliche Anschwellung in continuirlichem Zusammenhang mit der Anlage der Chorda darstellen, wobei auch

1) Entwickig. d. Menschen u. d. Hühnchens. Bd. I. 1845.

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in histologischer Beziehung keine Verschiedenheit wahrgenommen wird. Richtig ist nur, dass später, wenn die Kopfdarmhöhle vor- handen ist , ein inniger Zusammenhang des Chordaknopfes mit dem Darmdrüsenblatt , aber ganz ebenso auch mit dem Medullar- rohr existirt. Dieser ohne Gewalt gar nicht lösbare Zusammen- hang erhält sich für immer , indem aus diesen drei Anlagen die Hypophyse hervorgeht. Remak (a. a. O. S. 44) bestreitet die Beziehung des Chordaendes zur Hypophyse, weil später, wenn die Chorda bereits von der Hirnbasis sich wieder entfernt habe, noch keine Spur einer Glandula pituitaria nachzuweisen sei. Dies ist aber nicht richtig, weil eben der Chordaknopf zur Hypophyse ge- hört und schon von Anfang an vorhanden ist. Remak selbst scheint von der Unmöglichkeit einer solchen Beziehung doch nicht ganz überzeugt zu sein , indem er bemerkt : „es ist indessen in dieser Hinsicht beachtenswerth , dass nach meinen Beobachtungen über die Glandula pituitaria bei dem Menschen und den Säugern in derselben knorpelharte unregelmässige aus kleinen polyedrischen kernlosen Zellen bestehende Stückchen gefunden werden." Auch giebt Remak nirgends an, für was er diese seine durch Fett- tröpfchen erzeugte knopfförmige Verdunklung halte, was sie bedeute , was daraus werde ; er hat das weitere Schicksal nicht verfolgt und spricht einfach nicht mehr davon.

Primitives häutiges Schädelrohr.

Schädelrohr und Hirnrohr entstehen mit einander gleichzeitig durch Erhebung und Umrollung der lateralen Ränder der anfangs

planen Rückenplatten. Es beginnt je- doch dieser Process nicht sofort, wie ge- wöhnlich angegeben wird, mit der Er- hebung dieser Ränder , sondern zuvor wölben sich die Rückenplatten in ihrem transversalen Durchmesser dorsalwärts (Holzschn. II, b), so dass die dazwischen liegende Rückenrinne (I, a) den durchsichtigen und die Chorda enthaltenden Boden einer longitudinalen Furche (II, c) darstellt,

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welche die Bildung der späteren Rückenfurche (III , dd) ein- leitet. Diese Wölbung, welche den Vorgang der Röhrenbildung verständlicher macht , wird hervorgerufen theils durch ungleiches Wachsthum im transversalen Durchmesser , theils durch Dicken- zunahme der Rückenplatten. Die Dickenzunahme bezieht sich namentlich auf die in den Rückenplatten enthaltenen Urwirbel- platten (also auf die Schädelanlage) , welche dadurch die darüber liegenden und mehr passiv sich verhaltenden Medullarplatten heben. Hierauf erheben sich auch die äusseren Rückenplattenränder und begrenzen die jetzt erweiterte Rückenfurche, an der man nun einen oberen breitern Abschnitt (III, dd) und eine mediane durch den durchsichtigen Boden der Rückenrinne bauchwärts abgeschlossene Einsenkung (c) unterscheidet. Mitunter findet man den Zugang zu der letzteren durch mediane Berührung der gewölbten Rücken- platten von oben her verlegt, scheinbar durch eine Naht geschlossen, und man glaubt ein bereits geschlossenes Hirnrohr vor sich zu haben.

Die transversale die Bildung des Schädel- und Hirnrohres einleitende Wölbung der Rückenplatten beginnt zuerst am medianen die Rückenrinne begrenzenden Rand, der zuerst dadurch an Höhe gewinnt. Es erscheinen deshalb bei durchfallendem Lichte die medianen Ränder dunkler als die laterale Partie der Rückenplatten. Es beginnt diese Wölbung nicht sogleich in der ganzen Länge der Rückenplatten , sondern zuerst hinter dem Knopf der Wirbel- saite, wie Figur 10 der zweiten Tafel lehrt; man bemerkt hier hinter dem Chordaknopf (a) zwei rückwärts divergirende dunkle kurze Streifen, wie Flügel , die spitz auslaufen und das vorderste gegen den Chordaknopf sich zuspitzende Ende der durchsichtigen Rückenrinne begrenzen. Aelmliches zeigt Figur 1 1 derselben Tafel, jedoch bei auffallendem Licht , daher die in der vorigen Figur dunkel gehaltenen Partien hier weiss erscheinen. Zugleich heben sich hier auch die lateralen Ränder der Rückenplatten (Fig. II, b d) des Kopftheiles und begrenzen die breite Rückenfurche. In der Tiefe erblickt man innerhalb der schmalen dunklen Rückenrinne den weissen Strang der Chorda (e) und hinter deren Knopf (a) die stärker hervortretenden medianen Ränder der Urwirbclplatten in Gestalt zweier nach hinten sich zuspitzender weisser Streifen.

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Somit endigt der schon von Anfang an vertiefte und durch die ursprüngliche Rückenrinne geschlossene Boden des primitiven Hirn- rohrs genau am Chordaknopf (Hypophyse), hängt untrennbar mit demselben zusammen und zieht sich daselbst später zum Trichter aus.

In Beziehung auf die Erhebung und schliessliche Vereinigung der äusseren Ränder der Rückenplatten finde ich ebenfalls, wenig- stens in Betreff des Schlussbogens, in der mir darüber bekannten Literatur keine genügende Aufklärung. Es entsteht nämlich die Frage , erhebt sich der gesammte Aussenrand der Rückenplatten, also auch der vordere Rand des Schlussbogens und, wenn dies der Fall, wie steht es dann mit dem vordersten Ende der medianen Schliessungsnaht ? Nach Remak sind es nur die lateralen Ränder, nicht aber der vordere Rand des Schlussbogens, die sich erheben, und so würde sich ein vorn offenes und hier erst später sich schliessendes Rohr bilden, wie auch aus Remak 's Abbildungen (a. a. O. Taf. II) hervorgeht. Wie jedoch schon Reichert her- vorhebt , so ist diese vorderste Hirngegend gerade diejenige des gesammten Medullarrohrs, welche auch nach meinen Erfahrungen sich zu allererst schliesst. Wie diese Schliessung jedoch geschieht, finde ich auch bei Reichert nicht angegeben, ersehe jedoch deutlich aus Fig. III auf Seite 6 seines Hirnwerkes , sowie aus Fig. 3 , Taf. III seines Buches über das Entwicklungsleben im Wirbelthierreich, dass er auch den vordem Rand des Schlussbogens (und zwar zuerst) sich erheben lässt, was an die halbmondförmige Grube der beginnenden Kopfdarmhöhle erinnert. Nach Reichert würde die Rückenfurche an ihrem vorderen Ende einen ähnlichen Abschluss erfahren, wie etwa das Fersenende eines Schuhes. Wenn alsdann die Seitenränder der Rückenfurche medianwärts einander bis zur Berührung entgegenwachsen , so könnte somit die Schlies- sungsnaht nicht das vorderste Hirnende treffen. Nun reicht aber nach meinen Erfahrungen die Schliessungsnaht des Medullarrohrs bis dicht an den Chordaknopf (Taf. II, Fig. 12 u. 13). Betrachtet man Fig. 13, so erblickt man bei auffallendem Licht die Rückseite eines Hühnerembryo , dessen bereits geschlossene vorderste Hirn- blase nachträglich sich wieder geöffnet hatte. Mit a ist der Chorda- knopf bezeichnet, an welchem der mediane Abschnitt des Ursprung-

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liehen vordem Randes des Schlussbogens innig anhaftet und dadurch in seiner Erhebung gehindert wurde. Oder man betrachte den Embryo in Fig. II dieser Tafel, dessen Rückenplattenränder noch gar nicht vereinigt waren, sondern erst in der Erhebung begriffen sind, und man wird sich davon überzeugen, dass der Chordaknopf (a) die Erhebung des Schlussbogenrandes gerade in der Median- linie hindert. Zu beiden Seiten aber erhebt sich dieser Rand, wobei er sich zugleich etwas über den medianen Abschnitt hinaus verlängert. Nun erst ist eine mediane Vereinigung der Seiten- hälften des Schlussbogenrandes und zugleich eine bis zum Chorda- knopf oder der spätem Hypophyse reichende Schliessungsnaht möglich.

An diesem aus den Rückenplatten hervorgegangenen Rohr unterscheidet man ein inneres die drei primitiven Hirnblasen dar- stellendes Hirnrohr und ein dasselbe genau umgebendes äusseres oder Schädelrohr. Letzteres oder die weiche oder häutige primi- tive Schädelkapsel besteht in der ganzen Länge seiner Basis aus den Urwirbelplatten und der Chorda dorsalis , das Schädeldach jedoch ist nicht blos eine sich dorsalwärts verdünnende Fortsetzung der Urwirbelplatten , sondern besitzt auch noch eine die Anlage der Cutis und der Epidermis darstellende Fortsetzung des Horn- blattes und der Seitenplatten. Wie an der ursprünglichen zunächst nur die Schädelbasis darstellenden Uranlage, so ist auch an dieser häutigen Schädelkapsel der Spheno-Ethmoidaltheil noch nicht her- vorgetreten; Schädel und Hirn schliessen beide vorläufig mit der spätem Hypophysengegend ab und dort schon erhebt sich um diese Zeit die primitive Stirnwand. Es fehlt somit noch die Grund- lage zur Bildung des Gesichts und wenn unterdessen die Anlagen der Sinnesorgane hervorgetreten sind, so finden diese für jetzt ihre Lage an der vordem und an der Seitenwand des Hirnschädels.

Wäre die Schädelkapsel, wie man angiebt, in diesem primi- tiven Zustande nichts weiter als eine nur zur Umschliessung des Gehirns bestimmte Kapsel , so müsste sie innerlich und äusserlich genau die Form des Hirnrohres wiedergeben und auch eine überall sich gleich bleibende Dicke zeigen. Wie übrigens schon die Ent- wicklung der Urwirbelplatten und des daraus entstehenden Schädel- daches vermuthen liess , so zeigt ein Frontalschnitt des Schädels,

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ähnlich wie bei der Wirbelsäule , eine durch die ursprünglichen Urwirbelplatten dargestellte dickere Basis und nur ein äusserst dünnes Dach, welches noch viel dünner wird, wenn man das zur Vervollständigung herbeigezogene Hornblatt und die wahrscheinlich von den Seitenplatten abstammenden Hautplatten in Abrechnung bringt. Schon diese durch die ursprüngliche Anlage gegebenen ungleichen Dickenverhältnisse machen es unmöglich , den Hirn- schädel auch äusserlich für eine der Hirnform ganz getreue Kapsel zu halten. Schon von Anfang an ist es der jetzt noch allein vor- handene Spheno-Occipitaltheil der Schädelbasis , welcher an Selb- ständigkeit das Schädeldach übertrifft und von letzterem auch in seiner Bedeutung sich ebenso unterscheidet, wie die Wirbelkörper- säule von der dorsalen Wand der Wirbelsäule. Er ist eben schon von Anfang an zugleich die Stütze und die dorsale Wand der um diese Zeit bereits vorhandenen Kopfdarmhöhle.

Die zur Bildung der Rückenfurche sich erhebenden lateralen Ränder werden auch z. B. von Reichert ausschliesslich als „Rückenplatten" bezeichnet , während ich nicht blos diese , sondern überhaupt die ganze zu beiden Seiten der Rückenrinne (der sogenannten Primitivrinne) liegende und zur Herstellung des Rückens dienende verdickte Partie des Em- bryonalschildes, also die frühere verdickte Schildmitte, darunter verstehe. Bekanntlich wurde diese Bezeichnung durch Baer eingeführt1), welcher darunter die verdickten Seitentheile des durch eine helle Rinne halbirten Primitivstreifs verstand ; daraus leitete er den Rücken ab und in ihnen suchte er die Rudimente der Wirbelbogen. Auf S. 17 und 18 liest man, dass nicht blos die Wirbelbogen , sondern überhaupt die Wirbel in ihnen entstehen. Ferner beschreibt Baer (S. 20) die Rückenplatten als Ver- dickungen des serösen Blattes , worunter er , wie aus einer Anmerkung hervorgeht, überhaupt den animalischen Theil des Embryo versteht und daran wieder zwei Schichten unterscheidet. Auch erklärtBaer (S. 22), dass der nach der Schliessung der Rückenplatten entstandene Kanal zu- gleich der Kanal im Inneren des künftigen Rückenmarkes , also zugleich der Kanal des Medullarrohrs sei. Einen wesentlichen Fortschritt macht Baer bereits noch in demselben Bande seines Werkes (S. 154); dort er- klärt er geradezu , dass das Medullarrohr nicht erst nachträglich aus der in dem Rückenplattenkanal enthaltenen Flüssigkeit sich niederschlage, sondern nur eine allmählig sich ablösende Schichte der Rückenplatten sei, bedingt durch eine Spaltung des animalischen Theiles der Keimhaut überhaupt. Er unterscheidet an den Rückenplatten eine besondere durch

1) Entwklg3gesch. d. Thiere. I. 1828. S. 14 u. 15. D u r s y , Entwicklgsgesch.

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Differenzirung des Keimes in Schichten bedingte Nervenschichte , die er die Medullarplatten nennt, und erkannte auch bereits, dass diese Medullär - platten continuirlich an ihren Rändern in den peripherischen Theil der obersten Schichte des Keimes übergehen. Endlich spricht Baer im zweiten Theil seiner Entwicklungsgeschichte (S. 102) von Rückenplatten im weiteren Sinn, nachdem er erkannt hatte, dass sie schon von vorn, herein auch die Anlage des Medullarrohrs enthalten.

Ueberträgt man nun diese Baer'sche Auffassung der Rückenplatten aus dem von mir in meiner Abhandlung über den Primitivstreif (S. 46) angegebenen Grunde von dem Primitivstreif auf die eigentliche vor ihm liegende Uranlage des Embryo, die Baer mit einander verwechselte, so hatte ich gewiss keinen triftigen Grund , diese einmal gebräuchliche Be- zeichnung zu verlassen und ich verstehe also unter Rückenplatten schlecht- weg die Baer'schen Rückenplatten im weitern Sinn (also die Urwirbel- platten und die Medullarplatten zusammen). Unter Rückenplatten im engern Sinn meint Baer die Urwirbelplatten, welche letztere vonRemak eingeführte Bezeichnung aus nahe liegenden Gründen den Vorzug verdient. Freilich lassen sich viele Bezeichnungen in der Entwicklungsgeschichte nicht streng in ihrer ursprünglichen Bedeutung festhalten und es wäre ein Fehler, wollte man den dorsalen Abschnitt des geschlossenen oder in der Schliessung begriffenen Rückenplattenrohres lediglich aus den Rücken- platten ableiten ; es kommen ja das Hornblatt und die Hautplatten hinzu. Darin sehe ich aber noch keinen Grund, die sich erhebenden Ränder der Rückenplatten mit einem besondern Namen zu belegen. Ich kann daher Reichert nicht Recht geben, wenn er (Bau d. Gehirns S. 6) noch weiter geht und „Rückenplatten" nur die sich erhebenden Leisten des Embryonal- schildes nennt.

Ueber den Ort , an welchem die Rückenplatten zuerst zur Bildung eines Rohres zusammenstossen , werden bekanntlich mehrere Meinungen vorgetragen, welche Verschiedenheit, wie schon Reichert u. A. hervor- hoben, dadurch sich erklärt, dass bei der Herausnahme des Hühnerembryo aus dem Ei die Schliessungsnaht stellenweise sich leicht wieder löst. An der vordersten Hirnblase, welche die weiteste ist, wird dies leichter ge- schehen, als an engeren Stellen. Zu diesem Zwecke muss man die Em- bryonen auch in Situ studiren, was mit Hülfe einer guten Lupe und unter Anwendung eines Tropfens einer l%gen Essigsäure leicht ausführbar ist. Bei dieser Gelegenheit mache ich noch auf eine andere Fehlerquelle auf- merksam, dass nämlich umgekehrt ein Abschnitt des in der Lage im Ei noch offenen Medullarrohres nach der Herausnahme oder selbst erst wäh- rend der Untersuchung sich schliessen kann; dabei legen sich die er- hobenen Rückenplattenränder anstatt lateralwärts , zur Abwechslung auch einmal medianwärts um. Es geschieht dies namentlich in der Gegend zwischen der ersten und zweiten oder zwischen der zweiten und dritten Hirnblase, an welchen Stellen das Hirnrohr enger ist. Ich muss übrigens

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eingestehen, dass ausnahmsweise auch an dem in Situ mit aller Sorgfalt untersuchten Emhryo bei noch völlig unverletzter Dotterhaut ganz ent- schieden die vorderste Hirnblase in ihrer ganzen Länge noch offen stand, während die zweite bereits geschlossen war, die dritte aber wieder klaffte. Den gewöhnlichen Schliessungsprocess zeigt die Fig. 12 meiner zweiten Tafel ; Fig. 13 dagegen stellt ein Hirn dar, welches nach der Herausnahme des Embryo aus dem Ei und während der Untersuchung an seinem vor- deren Ende wieder auseinander gefallen war. Interessant ist die Angabe von Reichert1), dass, abweichend von höheren Thieren, beim Frosch die Rückenplatten zuerst am Rumpf sich schliessen.

Haben sich die Rückenplatten endlich zu einem Rohr geschlossen, so stossen zuerst nur die Medullarplatten in der dorsalen Schlusslinie zu- sammen, darüber liegt das Hornblatt, hierauf erst rücken noch die Haut- platten zur Umhüllung des Medullarrohrs nach und schliesslich erst folgt eine Fortsetzung der Urwirbelplatten. Allmählig verdicken sich diese das häutige Schädeldach zusammensetzenden Bestandteile und zwar in der Richtung von der Schädelbasis dorsalwärts gegen die hintere Schlusslinie. In dem ursprünglich sehr dünnen Zustand nennt R a t h k e 2) diese vor- läufige Schädeldecke Membrana reuniens superior, betrachtet sie als eine mit der Zeit gefässreiche Yerbindungsmembran der dickeren Seitentheile, und lässt sie schliesslich in die Cutis sich umwandeln. Da jedoch aus der ganzen Schilderung nicht klar hervorgeht, ob Rathke damit das ganze aus genetisch verschiedenen Theilen hervorgehende häutige Schädeldach, oder wirklich nur die Hautplatte meint , so habe ich von dieser Bezeich- nung keinen Gebrauch machen wollen und um so weniger, weil Remak8) darunter nicht blos die membranöse Fortsetzung der Hautplatten, sondern auch die der Urwirbelplatten, Kolli k er4) nur die letztere, Reichert6) nur die erstere darunter versteht.

Die Grundlage des eigentlichen späteren knöchernen Hirnschädels kommt für die Basis aus den Urwirbelplatten und für das Schädeldach aus einer anfangs dünnen inembranösen Fortsetzung derselben. Ob diese Fortsetzungen, welche erst nachträglich das längst geschlossene Hirn all- seitig umwachsen, sich ebenfalls in einer Längsnaht vereinigen und ob dieselbe zuerst am vorderen Schädelende sich zu bilden beginnt, sind bis jetzt noch unerledigte Fragen , weshalb ich eine darauf sich beziehende Beobachtung hier anführen will. Wie die Membrana reuniens inferior, so ist auch das primitive häutige Schädeldach nur eine vorläufige Hülle und man bemerkt die Heranbildung der späteren bleibenden Decke zu-

1) Entwicklungsleben. S. 17.

2) Zur Entwcklgsgesch. d. Thiere, in Müll. Archiv. 1838. S. 369 u. ff.

3) A. a. 0. S. 9.

4) Entwicklungsgeschichte. S. 70.

5) Entwicklungsleben. S. 17 u. a. anderen Stellen.

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nächst an einer von der Basis allmählig dorsalwärts aufsteigenden Ver- dickung des ursprünglichen dünnen Schädeldaches. Es geht übrigens dieser Process sehr langsam vor sich und schliesslich ist es die Vierhügelblase, wie ich sehr deutlich an Köpfen von Säugethierenibryonen sehe, welche am längsten dieser Umschliessung widerstrebt. Mit kreisrundem Rand, wie mit einem Nabel , schliesst die Verdickung rings um die Basis der genannten Blase ab, wie man schon an frischen Embryonen bemerkt, noch deutlicher aber während der anfänglichen Einwirkung von Weingeist, indem sich zuerst nur die dickeren Partien des Schädeldaches durch Verlust ihrer Durchsichtigkeit weiss färben. Auch ist ja diese Gegend eine der Stellen , an welchen Hydrencephalocele häufiger aufzutreten pflegt. In der That fand ich bisweilen bei Embryonen (Huhn und Rind) die Hirn- blase an dieser Stelle geborsten oder hydropisch ausgedehnt, oder ich be- merkte eine prolabirte Hirnmasse in Gestalt eines hypertrophischen Hirn- auswuchses. Auch bei dem Frosch bemerkte schon Remak, wenn auch nicht an derselben Stelle, ein ähnliches Verhalten der Schädeldachbildung und wir erfahren aus der beigegebenen Fig. 18, b seiner 10. Tafel, dass es die Gegend des Hinterhirns ist , welche später als alle übrigen Abtheilungen des Hirnrohres von der eigentlichen Schädeldecke um- wachsen wird.

Virchow1) macht darauf aufmerksam, dass unter allen Theilen des Schädelgerüstes die Schädelbasis , und zwar besonders die Wirbelkörper des Grundbeins , die grösste Selbständigkeit der Entwicklung und des Wachsthums zeigen. Zu dieser Ansicht gelangte auch ich durch directe Untersuchung der jüngsten Schädel der Vögel und Säuger, wie ich oben angegeben habe. Reichert2) tritt ganz entschieden gegen diese Ansicht auf und macht Virchow den Vorwurf, dass er eben nur spätere Stadien der Entwicklung berücksichtigt habe , in welcher an der Basis des Ge- hirns verhältnissmässig nur geringe Veränderungen der äussern Form, sehr erhebliche dagegen im übrigen Umfang des Gehirns hervortreten; anfangs stelle die Schädelkapsel in toto auch äusserlich einen getreuen Abdruck des Gehirns dar. Wie ich schon oben angegeben habe , spricht gegen diese Auffassung schon von vorn herein die ursprünglich ungleiche Dicke der primitiven Schädelkapsel, sowie der Umstand, dass gleichzeitig mit der- selben (oder selbst noch früher) die Kopfdarmhöhle sich bildet, für welche die Schädelbasis zur Stütze und Begrenzung dient. Wenn aber Reichert (S. 30) noch über dieses frühe Entwicklungsstadium hinweggeht und sich auf Embryonen beruft, welche bereits die Kopf beuge (Gesichtskopf beuge) und die Grosshirnbläschen zeigen, so kann, wie wir später sehen werden, noch viel weniger davon die Rede sein, dass die Schädelkapsel auch äusser- lich einen getreuen Abdruck des Gehirnes darstelle. Man vergleiche nur

1) Entwickig. d. Schädelgrandes. S. 115 u. ff.

2) Bau des Gehirns. II, S. 30 u. 32.

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den medianen Durchschnitt eines 67* Mm. langen Rindsembryo aufTaf. III, Fig. 15, oder die medianen und transversalen Durchschnitte verschiedener Köpfe menschlicher, Säugethier- und Vogelembryonen der 1., 2. u. 6. Tafel. Reichert (a. a. 0. S. 12) bestreitet auch, dass die Trichterregion das ursprüngliche vordere Hirnende bedeute, weil die tiefste der spätem Trichtergegend entsprechende Stelle des vordem Hirnbläschens hinter der Insertion der Nn. optici (Chiasma) liege. Es sei aber der vordere Abschluss des Gehirns genetisch vor dem Chiasma in der spätem Lamina terminalis der dritten Hirnkammer zu suchen. Hiergegen erlaube ich mir die Einwendung , dass diese Angabe an einem vordem Hirnbläschen demonstrirt wird, welches bereits, wie Reichert bemerkt, an Grösse zu- genommen und sich auch nach vorn, in der Gegend des vordem Schluss- stückes der Röhre, gegen die Basis des Schädels hin erweitert hatte. Betrachtet man aber, wie ich oben hervorgehoben habe, den Schlussbogen der Rückenplatten vor der Schliessung des Medullarrohres oder sogleich nach dem Schluss , wenn sich das vordere Hirnbläschen nach vorn noch nicht erweitert hat, so fällt derselbe mit dem Chordaknopf (spätere Hypo- physengegend) zusammen und eben dort endigt auch zugespitzt der mediane vertiefte Theil der Rüchenfurche (s. oben). Auch liegen die aus der vor- deren Hirnblase in die Augenblasen führenden Eingänge anfangs nicht vor, sondern zu beiden Seiten dieser Hypophysengegend. Erst später, wie wir sehen werden, ändert sich diese Lage.

Wachsthum und Krümmung des embryonalen Schädels.

Der primitive Hirnschädel ist ein langer gegen sein vorderes Ende allmählig sich erweiternder, also ungefähr birnförmiger Schlauch , welcher durch zwei jedoch nur das Schädeldach be- treffende flache Einschnürungen in drei Abtheilungen zerfällt. Sie schliessen die entsprechenden Hirnblasen ein, wurden von Baer *) „Hirnzellen" genannt und als vorderste oder erste, mittlere oder zweite , hintere oder dritte bezeichnet. Zur Unterscheidung von den Hirnblasen, die ebenfalls Hirnzellen genannt werden, will ich sie Schädel zellen nennen. Sie liegen anfangs hinter einander und in derselben Richtung, wie das Wirbelrohr, beschreiben daher mit demselben nur eine geringe durch die Wölbung der Keim- scheibe und bei den Säugern durch die Wölbung der Keimblase bedingte Krümmung. Zur Erleichterung des Verständnisses der

1) a. a. 0. I. S. 23.

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späteren Krümmungen betrachte ich in der jetzt folgenden Erör- terung den Hirnschädel bei vertikaler Stellung der primitiven Schädelbasis (Spheno-Occipitaltheil), wie an den hier eingeschalteten schematischen Holzschnittfiguren zu ersehen ist. Die das obere freie Ende (IV, a) der ersten Schädelzelle bildende Wand hat sich aus dem Schlussbogen der Urwirbelplatten hervorgebildet und geht daher von dem oberen Umfang des Chordaknopfes (IV, b) ab. Da nun dieser Knopf die Gegend der späteren Hypophyse be- zeichnet, so wissen wir damit, dass der primitive Schädel vorläufig mit der Gegend der späteren Sattelgrube abschliesst ; es ist daher der für die Vorderlappen des Grosshirns bestimmte Schädelabschnitt (Spheno-Ethmoidaltheil) , welcher die vordere Keilbeingegend und das Siebbein enthält , noch nicht hervorgetreten. Dies geschieht erst mit dem fortschreitenden und anfangs über alle übrige Wachs- thumsrichtungen vorherrschenden Längenwachsthum des Schädel- rohres. Dabei verlängert sich jedoch der Schädel nicht in der ursprünglichen Richtung, sondern in einem Bogen, dessen Mittel- punkt in dem Knopf der Wirbelsaite liegt. Das Schädeldach ist

es daher , welches schneller sich ver- 6L längert als die ursprüngliche mit der

j /O* «z/^TX, C~i \ Chorda abschliessende Schädelbasis.

w Das Schädeldach verlängert sich über den Chordaknopf hinaus und wird dadurch zu einer Ablenkung von der ursprünglichen Richtung veranlasst. Ich kann daher diese Rich- tungsveränderung des vordem Schädelendes nicht als eine Beugung der ganzen ersten Schädelzelle betrachten, sondern nur als eine Verschiebung ihrer Decke über die ursprüngliche Schädelbasis hinaus und zwar in einem Bogen, dessen Mittelpunkt im obersten Ende der primitiven im Längenwachsthum zurückbleibenden Schädel- basis, also im Chordaknopf liegt (vgl. IV— VII). Die ursprüngliche obere Wand (IV, a) der ersten Schädelzelle , oder die primitive Stirnwand, wird dadurch zuerst nach vorn (V, a), dann nach unten VI, a) und schliesslich sogar nach hinten (VII, a) gleichsam um- gelegt, sie wird zum Boden der ersten Schädelzelle, erscheint von nun an wie eine Fortsetzung der ursprünglichen Schädelbasis (die in den Holzschnitten überall mit c bezeichnet ist), und bildet mit

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derselben einen spitzen Winkel (VII, ab c). Was die beiden übrigen Schädelzellen betrifft, so ist es auch hier hauptsächlich die Decke, welche sich von der Wirbelsäule aus nach oben verlängert und daher ihre früheren Lagebeziehungen zur ursprünglichen Schädel- basis ändert. So rückt die Decke der zweiten Zelle (d) hinauf und bildet schliesslich, indem sie dem Bogen der ersten Zelle folgt, den höchsten Theil oder den Scheitel des Kopfes.

Vergleichen wir nun diesen Schädel mit dem frühereu, so hat er an Länge zugenommen und zwar vorzüglich in seinem Dach, welches sich somit um das Ende der zurückbleibenden Schädel- basis herumkrümmen muss und folglich in seiner Gestaltung von der Basis abhängt. Man vergleiche auch den Kopf eines Binds- embryo auf Taf. III, Fig. 14 u. 15, sowie den Kopf eines Hühn- chens auf Taf. II, Fig. 9.

Man unterscheidet jetzt an dem so gekrümmten Kopf eine hintere längere Abtheilung oder den Spheno-Occipitaltheil, sowie einen vordem oder kürzeren oder den Spheno-Ethmoidaltheil. Der letztere ist nicht ein erst nachträglich umgebogener Theil des frü- heren Schädels, sondern eine durch ungleiches Längenwachsthum entstandene und dadurch umgebeugte spätere Fortsetzung. Er bildet sich bei dem niedrigsten der Wirbelthiere (Amphioxus) über- haupt gar nicht , beginnt dagegen schon bei den übrigen Fisch- embryonen und es zeigen daher alle Wirbelthiere (mit Ausnahme von Amphioxus) in diesem Stadium der Entwicklung einen ge- krümmten Schädel oder die von Reichert sogenannte Gesichts- kopfbeuge, die sich an der Schädelbasis als ein zwischen Spheno- Occipitaltheil und Spheno-Ethmoidaltheil entstandener spitzer Winkel (Sattelwinkel) markirt.

Dazu gesellt sich alsbald noch eine zweite die Grenze zwischen Schädel und Wirbelsäule betreffende Krümmung oder die sogenannte Nackenbeuge, die ihre Entstehung ebenfalls einem rascheren Längen- Avachsthum der dorsalen Seite der Wirbelsäule und des Schädels verdankt. Von der eigentlichen Kopfbeuge unterscheidet sie sich dadurch, dass hier ein ursprünglich gerad verlaufender Körpertheil nachträglich durch ungleiches Längenwachsthum umgebeugt wird. Der dabei zwischen Schädelbasis und Wirbel-

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körpersäule entstehende Winkel ist anfangs ein rechter (vergl. Taf. III, Fig. 14 u. 15).

Diese anfangs sehr auffallenden Krümmungen gehen allmählig mit der Zunahme des Längenwachsthums der Bauchseite der Em- bryonen und mit dem Erscheinen des Gesichtes wieder zurück und es werden die Winkel um so grösser oder selbst ganz aus- geglichen, je mehr die Bauchseite und das Gesicht sich dem Central- nervensystem und seiner knöchernen Hülle gegenüber Geltung ver- schaffen. Sie bleiben daher bei dem Menschen , wenn auch nicht in ihrer ursprünglichen Grösse , so doch immer noch am meisten bemerkbar zurück , während sie bei den übrigen Wirbelthieren mehr oder weniger vollständig verschwinden, worauf ich später noch einmal zurückkomme.

Das Schädeldach , wie wir gesehen haben , ist zuerst durch ein rasches Längenwachsthum ausgezeichnet, so dass es in dieser Richtung über die Basis hinauswächst. Was den transversalen Durchmesser des Schädels betrifft, so ist derselbe anfangs an der Basis grösser als am Dach, allmählig aber wächst das Schädeldach, der Hirnausdehnung entsprechend, auch in dieser Richtung über die Basis hinaus. Am auffallendsten geschieht dies bei dem Menschen , bei welchem das Schädeldach überhaupt nach allen Richtungen so über die Schädelbasis hinauswächst, dass die an- fangs vertikal gestellten Partien desselben sich zur Erweiterung der Schädelbasis horizontal umlegen. Daraus erklärt sich , wie die ursprünglich an den Seiten und an der vorderen Wand des Schädels liegenden Augen und Riechgruben allmählig zum Antlitz hinab rücken. Die anfangs vertikalen Riechgruben nehmen dann eine horizontale Lage an, ebenso werden die anfangs senkrechten und dem Schädeldach angehörigen Augenhöhlendächer horizontal umgelegt und, gleich der Siebplatte, der Schädelbasis einverleibt.

B a e r benutzte schon in seiner Entwicklungsgeschichte des Hühnchens (S. 16) den Chordaknopf zur Bestimmung der Kopf beuge , indem er er- kannte, dass das Schädeldach in Folge seines Längenwachsthums sich um den Knopf der Wirbelsaite nach unten krümmt , so dass schliesslich der- selbe nicht mehr das vordere Ende , sondern die Mitte der Schädelbasis einnimmt. Ebenso erfahren wir auf Seite 30 , dass die ursprünglich das vorderste Schädelende darstellende Zelle später vor dem Chordaknopf

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ihre Lage einnimmt. Auch wusste B a e r (S. 102) , dass später die Kopfkrümmung wieder rückgängig wird.

Auch Ratlike hespricht vielfach in seinen verschiedenen Schriften die Kopfbeuge und betrachtet sie ebenfalls als einen Theil der den Wirbel- thieren in frühester Zeit überhaupt zukommenden allgemeinen Krümmung nach der Bauchseite, bedingt durch rascheres Längenwachsthum der Rück- seite des Embryo. Warum sich diese allgemeine Körperkrümmung an zwei Stellen (Nackenbeuge und Kopfbeuge) stärker und unter Winkelbildung ausprägt, sucht Rathke durch ein eigenthümliches Verhalten der Chorda dorsalis zu erklären. Was zunächst die Nackenbeuge betrifft, so soll diese durch den Nachlass der Widerstandskraft der von dieser Stelle an sich verjüngenden Chorda bedingt sein, womit sich auch Kölliker einver- standen erklärt. Es geschieht jedoch die Dickenabnahme ganz allmählig und erst nach dem Eintritt in die Schädelbasis, so dass darin die plötz- liche und anfangs einen rechten Winkel betragende Knickung am Ueber- gang der Wirbelkörpersäule in die Schädelbasis ihre Erklärung nicht finden kann. Man betrachte nur einen Medianschnitt der Chorda an dieser Stelle und man wird so gut wie gar keinen Unterschied der Dicke wahrnehmen; besonders deutlich ist dies an schon etwas älteren Hühner- embryonen zu demonstriren, bei welchen die überhaupt sehr dicke Chorda noch in ihrer vollen Stärke in die Schädelbasis eindringt. Zur Erklärung einer so starken winkligen Umbeugung müsste doch gerade an dieser Stelle die Chorda ganz plötzlich sich verdünnen, da dies jedoch nicht ge- schieht , so kann die Nackenbeuge nur durch einen verschiedenen Grad des Längenwachsthums erklärt werden. Es besitzt eben das Schädel- dach anfangs ein rascheres Längenwachsthum als die dorsale Wand der Wirbelsäule.

In Betreff der Kopfbeuge (Gesichtskopfbeuge) stellte Rathke x) den nach meinen Erfahrungen unrichtigen Satz auf, dass bei Fischen und Batrachiern dieselbe niemals vorkomme. Später jedoch2) änderte er diesen Ausspruch dahin ab, dass die Kopfbeuge ursprünglich wohl bei allen Wirbel- thieren vorhanden , am geringsten jedoch bei Fischen , am grössten bei Säugern sei; bei der Natter soll der Kopfbeugewinkel der Schädelbasis ungefähr einen rechten Winkel betragen (a. a. 0. S. 11, 190 u. 130). Ausser dem in verschiedenem Längenwachsthum liegenden Grunde findet Rathke noch eine zweite Ursache der Kopf beuge in der ursprünglichen Dünnheit der Basis des Spheno-Ethmoidaltheils des Schädels, so dass sie dem Druck des Gehirns in dieser Richtung nachgeben müsse 3). Auch dieser Lehre kann ich mich nicht anschliessen , da, wie ich oben ausein- andersetzte , die Kopfbeuge nicht eine nachträgliche Krümmung eines

1) Entwickig. d. Natter. S. 34.

2) Entwicklgsgesch. d. Wirbelthiere. Leipzig 1861.

3) A. a. 0. S. 3.

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schon vorher vorhandenen Theiles ist, sondern gleichzeitig mit dem Her- vorwachsen des vorderen Schädelahschnitts sich macht und auch einen ganz anderen Grund hat.

Am meisten beschäftigte sich mit der Kopfbeuge bekanntlich Reichert und gründet *) darauf einen verschiedenen Entwicklungsplan des Kopfes der Wirbelthiere, indem er folgende zwei Sätze aufstellt: „1) Niedere Wirbelthiere, keine Kopfbeuge, das Gesicht dem ersten Schädelwirbel vor- gelagert; 2) Höhere Thiere , Kopfbeuge, der erste Kopfwirbel wird in den Bereich des Antlitzes hineingezogen." Es soll diese Beuge in innigster Beziehung zur Gesichtsbildung der höheren Wirbelthiere stehen, weshalb Reichert sie „Gesichtskopfbeuge" genannt hat und den dadurch an der Basis entstehenden Winkel „Gesichtskopfwinkel." Den Grund der Kopf- beuge sucht er in den Grosshirnhemisphären, welche das Zwischenhirn hinabdrücken 2). Je höher nun ein Individuum in der höheren Wirbel- thierreihe stehe , um so stärker sei die Kopfbeuge , um so kleiner ihr Winkel ; bei Schlangen sei er daher sehr stumpf , bei dem menschlichen Embryo dagegen spitz. Auch in seiner neueren Schrift über den Bau des Gehirns hält Reichert diese Lehre noch aufrecht und wiederholt (S. 14), dass er bei nackten Amphibien und Fischen die Kopfbeuge nicht gesehen, fügt jedoch in einer Anmerkung hinzu, dass ihm neuerdings einige Aus- nahmen von dieser Regel bekannt geworden seien.

Dass ich mich an der Hand zahlreicher eigener Erfahrungen dieser Lehre nicht anschliessen kann, ergiebt sich schon aus der Reichert'- schen Darstellung der Entstehung der Kopf beuge. Reichert bestreitet nämlich mit Unrecht (s. oben) die Verlängerung des Schädels über die Chorda hinaus3), diese verkümmere vielmehr rückwärts; es soll die Chorda zuerst im Gebiete des ersten Schädelwirbels ihre Lage haben und durch Verkümmerung mit ihrem Ende auf das Gebiet des zweiten Kopfwirbels sich zurückziehen. Wie schon Remak nachgewiesen hat, kann jedoch um diese Zeit von einer Unterscheidung im Schädelwirbel durchaus nicht die Rede sein , niemals zeigen die Urwirbelplatten des Kopfs eine Spur irgend einer Abgliederung. Der erste Kopfwirbel soll es sein , der sich nachträglich dem Gesichte entgegen beuge. Wollte man auch eine Unter- scheidung im Wirbel zugeben, so könnte doch, wie ich oben zeigte, von einem ersten oder vordersten Schädelwirbel, also von einem Spheno-Eth- moidaltheil des Schädels , um diese Zeit noch nicht die Rede sein , da diese Gegend erst nachträglich mit der Verlängerung der ersten Schädel- zclle und mit dem Erscheinen der Grosshirnhemisphären hervorwächst. Die Reichert'sche Lehre, dass ein bereits vorhandener und von der Chorda durchzogener Schädeltheil nachträglich die Chorda verliere und

1) Entwicklgsgesch. d. Kopfes etc. 1838. S. 156.

2) Bau d. Gehirns. S. 13.

3) Entwicklgsleben. S. 122 u. an anderen Stellen seiner verschied. Werke.

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dann sich umbeuge , ist entschieden unrichtig. Bei allen Wirbelthierefl, auch den niedersten, ist das primitive Schädelrohr ursprünglich gleich be- schaffen und von einer und derselben Bedeutung. Es ist der Spheno- Occipitaltheil des Schädels , dessen Chorda bis zu seinem vordem Ende reicht und auch dort bleibt, und dessen Basis niemals sich winklig krümmt. Auf dieser Stufe bleibt der Schädel von Amphioxus stehen. Erst in zweiter Linie, und zwar bei allen übrigen Wirbelthieren bildet sich der Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels und damit erst die Gegend des spätem sogenannten ersten Schädelwirbels hervor, die niemals eine Chorda besass und schon von Anfang an ein Wachsthum einschlägt, dessen Richtung mit der des ursprünglichen Schädels einen Winkel erzeugt. An der Schädel- basis liegt dieser Winkel genau an der Grenze der Basis des primitiven Schädels (Spheno-Oceipitaltheil) und des neu hinzugekommenen Schädel- abschnittes (Spheno-Ethmoidaltheil) und ist nicht blos bei allen höheren, sondern auch bei allen mir bekannten Embryonen der niederen Wirbel- thiere ein spitzer. Wie ich oben S. 36 zeigte, entspricht diese Gegend der Mitte der Länge des spätem hinteren Keilbeinkörpers. Ich kann somit eine von Reichert hervorgehobene Verschiedenheit des Entwick- lungsplanes des Wirbeltkierkopfes nicht bestätigen und ebensowenig der Ansicht mich anschliessen , dass schon in früher Zeit der Entwicklung der Kopfbeugewinkel des Menschen kleiner als bei anderen Thieren sei. Endlich vermeide ich die Bezeichnung „Gesichtskopfbeuge", weil ich die Entstehung der Kopfbeuge nicht durch die Gesichtsbildung veranlasst finde. Ich halte sie vielmehr für die Gesichtsbildung hinderlich , so dass sie sich, um Platz für das Gesicht zu schaffen, wieder zurück bilden muss und dies um so mehr, je grösser das Gesicht im Verhältniss zum Kopfe wird. Beim Menschen wird sie daher am wenigsten zurückgehen, bei niederen Thieren am meisten, so dass schliesslich eine gerade oder selbst abwärts convexe Gesammtbasis des Schädels resultirt. Näheres über diesen Punkt später. Zur Vermeidung von Missverständnissen wiederhole ich hier noch einmal, dass ich, wenn ich auch bei niederen Thieren von einer Kopfbeuge spreche, nicht die auch von Reichert (Bau d. Gehirns S. 14) erwähnte Krümmung verstehe , welche in Folge einer halbkreisförmigen den Dotter umfassenden Krümmung des ganzen Embryo entsteht , sondern nur die- jenige , welche entsteht , wenn das vorderste Ende der ursprünglichen Schädelbasis an Längenwachsthum hinter dem vorderen Ende des Schädel- daches zurückbleibt, so dass letzteres einen Bogen beschreibt, dessen Centrum im vorderen Ende (Chordaknopf) der ursprünglichen Schädelbasis liegt.

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Hirnhautfortsätze des Schädels.

Vor dem Eintritt der Kopfbeuge, wenn das Schädelrohr noch mit dem Chordaknopf endigt , wird seine Höhle völlig von dem Hirnrohr ausgefüllt , welches überall der Schädelwand genau an- liegt. Bald aber ändert sich dieses Verhalten , indem das rasch heranwachsende Hirnrohr bedeutend an Oberfläche zunimmt und eine vermehrte Blutzufuhr verlangt , wozu besondere von der Schädelwand abgehende blutreiche Fortsätze nötlüg werden , die ich Hirnhautfortsätze nennen will. Es sind solide Fortsetzungen und keine Faltungen der inneren Lage der Schädelwand und be- stehen aus gallertiger Bindesubstanz (embryonales Bindegewebe) sowie aus zahlreichen grösseren und kleineren Blutgefässen. Sie verwandeln sich später in die mit den Adergeflechten zusammen- hängenden Fortsetzungen der Pia mater , theils in die bekannten den Schädelraum abscheidenden Fortsätze der harten Hirnhaut 1). Sie sind , ähnlich wie der embryonale Glaskörper , sehr geeignet zum Studium der Entwicklung der Blutgefässe und ich gewann durch sie die Ueberzeugung, dass auch Zellen mit hohlen Ausläufern unter sich und mit grösseren Blutgefässstämmchen in offener Ver- bindung stehen und sich in ein Blut führendes Gefässnetz um- wandeln können. Sie gehen theils vom Schädeldach ab und dienen vorzugsweise zur Aufnahme venöser Blutbahnen, theils sind es Fort- setzungen der Schädelbasis , von welchen Einer zur Leitung von Arterien bestimmt ist.

a) Hirnhautfortsätze des Schädeldaches.

Was zunächst die Schädeldachfortsätze betrifft, so entwickeln sich diese an den flachen Einsenkungen des Schädeldaches, welche die drei primitiven Schädelzellen von einander abgrenzen. Sie dürfen ihrer Entwicklung nach nicht als in den Schädelraum wirklich hineinwachsende Fortsätze betrachtet werden , sondern verdanken ihre Entstehung einem nicht mehr genau übereinstimmenden Wachs- thum des Hirnrohres und des Schädeldaches. Es nimmt nämlich das Hirnrohr an den die drei Hirnblasen scheidenden anfangs

1) Die Angabe, dass die Pia mater überhaupt genetisch dem Medullar- rohr angehöre, kann ich nicht bestätigen, aber das Gegentheil.

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flachen Einschnürungen weniger an Umfang zu , so dass die letz- teren sich allmählig in tiefere Thäler verwandeln, wölbt sich da- gegen zwischen diesen stärker hervor und gewinnt dadurch bedeutend an Oberfläche (Taf. II , Fig. 9). Ein anderes Wachsthum zeigt das Schädeldach , indem die den Hirnzellengrenzen anfangs auch an Tiefe genau entsprechenden Einsenkungen zwischen den Schädel- zellen an Höhe nicht zunehmen, sondern sogar mit der Zeit sich mehr und mehr abflachen , daher das Wachsthum der äussern Schädeldachfläche viel gleichmässiger erscheint. Es vergrössert sich daher an diesen Stellen der Abstand zwischen der äusseren Schädeloberfläche und dem Grunde der an Tiefe zunehmenden Hirnzellengrenzen , wobei das sich entfernende Schädeldach die blutreichen Hirnhautfortsätze zurücklässt, welche die entstehenden Lücken zu jeder Zeit ausfüllen. Niedrig aber breit erscheinen zuerst diese Fortsätze, wie man an dem Medianschnitt des Kopfes eines 6x/2 Mm. langen Rindsembryo (Taf. III, Fig. 15, b e) er- kennt ; ausgebildeter erblickt man sie auf Taf. II, Fig. 9 an dem Medianschnitt des Kopfes eines 76 Stunden bebrüteten Hühnchens sowie auf Taf. VI, Fig. 4 an dem Medianschnitt des Kopfes eines 1,9 Dem. langen menschlichen Fötus.

Entsprechend den Einschnürungen zwischen den drei primi- tiven Hirnblasen unterscheidet man zuerst nur zwei transversale Schädeldachfortsätze, deren an der seitlichen Schädelwand herab- laufende Enden gegen den mittleren Theil der Schädelbasis, also gegen den mittleren Schädelbalken convergiren. Sie theilen den Schädelraum in drei hintereinander liegende Schädelzellen oder Schädelkammern zur Aufnahme der drei primitiven Hirnblasen. Später, mit dem Erscheinen der bekannten Unterabtheilungen des Hirnrohres, vermehrt sich ihre Zahl auf fünf , von welchen der vorderste unpaarig und in der Medianlinie des Schädeldaches (Holzschnitt VIII und IX, a) beginnt (Anlage der grossen Hirn- sichel) , alsbald aber in zwei lateralwärts divergirende Seitentheile (VIII und IX, m) zerfällt. Auch diese neuen Fortsätze sind keine von der Schädelwand in die Schädelhöhle wirklich hineinwachsende Fortsätze, sondern entstehen wie die früheren. Hiermit steigt die Zahl der Schädelkammern auf sechs , die wir zum bessern Ver- ständniss der bisher nicht näher bekannten Entwicklung des Ten-

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1&

toriura cerebelli etwas genauer ansehen wollen, wobei ich neben- stehende etwas schematisirte Figuren VIII und IX zu Hülfe nehme,

die sich auf einen medianen und einen horizontalen Durchschnitt des Kopfes eines menschlichen Embryo beziehen. Von den drei primitiven Schädelkam- mern liegt die vorderste oder erste vor dem mittleren Schädelbalken , welcher in beiden Hülfsfiguren mit g bezeichnet ist. Mit dem Erscheinen der Gross- hirnbläschen bildet sich in der oben für alle diese Fortsätze angegebenen Weise ein neuer medianer Schädeldachfortsatz (Anlage der grossen Hirnsichel), dessen vorderer unpaariger Abschnitt (a) von der Medianlinie des Schädeldaches und der angrenzenden Schädelbasis abgeht. Nach hinten aber zerfällt derselbe in zwei lateralwärts divergirende und zu- gleich schräg sich stellende Seiten- hälften f VIII und IX, m) , die sich an

Fig. VIII Medianschnitt und Fig. IX v ' J '

Horizontalschnitt des Kopfes eines die seitliche Schädelwand anheften,

menschlichen Embryo. Das Gehirn '

dt^d^HiÄuSsSt^ScMe- schliesslich medianwärts zur Schädel-

denen Schädelkammern. h^ ^ umkrümmen und mit dem

vorderen unpaarigen Abschnitt jederseits eine weite kreisrunde Oeffnung (h) umfassen. Die beste Vorstellung von der Gestalt dieser primitiven Hirnsichel gewinnt man, wenn man sich dieselbe aus zwei halbmondförmigen Seitenhälften zusammengesetzt denkt. Vorn , also in a , verschmelzen beide Halbmonde mit ihren vor- dem Hörnern zu einem unpaarigen median gestellten Stück , ihre hintern Hörner dagegen (m) weichen auseinander, indem sie das um diese Zeit verhältnissmässig sehr umfängliche und noch an das •Schädeldach reichende Zwischenhirn zwischen sich fassen. Diese hintern Hörner , die mit ihren Enden an die Schädelbasis sich heften und in der Gegend der späteren Processus clinoidei anteriores des vorderen Keilbeins endigen , tragen jetzt die hintere Partie der Grosshirnblasen und betheiligen sich daher , wie wir sehen

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werden, an der Bildung des späteren Kleinhirnzeltes. Die primitive erste Schädelkammer ist nun in drei neben einander liegende Kam- mern zerfallen, eine mediane (IX, k) zur Aufnahme der Zwischen- hirnblase und in zwei Seitenkammern (1) zur Aufnahme der Gross- hirnbläschen. Die Communication geschieht jederseits durch eine grosse annähernd vertikal gestellte Oeffnung (VIII und IX, h), welche das um diese Zeit verhältnissmässig noch sehr weite primitive Foramen Monroi umfasst.

Betrachten wir nun die mittlere, die Vierhügelblase enthaltende Schädelkammer, so nimmt diese für jetzt die spätere Scheitelgegend des Kopfes ein, liegt über dem mittleren Schädelbalken (g), dessen oberer verdickter freier Rand den Boden darstellt und sich jeder- seits mit den unteren Enden der diese Kammer begrenzenden Schädeldachfortsätze verbindet (VIII, b u. c). In der Hülfsfigur IX ist diese Kammer nicht sichtbar, da der Horizontalschnitt den mittleren Schädelbalken trifft , und hinter demselben bereits die dritte primitive Schädelkammer (i) erscheint. Die letztere wird jetzt durch einen Schädeldachfortsatz (VIII , d), welcher die Bil- dung der Adergeflechte und des hinteren Gefässhautvorhanges ein- leitet , in zwei Abtheilungen geschieden , eine obere (c d) für das Hinterhirn (Kleinhirngegend) und eine untere (d f) für das Nach- hirn (verl. Mark). Aus dem die Vierhügelblase von dem Klein- hirn trennenden Schädeldachfortsatz (c) entwickelt sich in Ver- bindung mit den nach hinten sich ausdehnenden hinteren Hörnern der grossen Hirnsichel das spätere Tentorium cerebelli.

Bevor ich zu den späteren Veränderungen der Schädeldach- fortsätze übergehe , muss ich zur Vermeidung von Missverständ- nissen noch einmal hervorheben, dass diese Fortsätze die Uranlage nicht blos der Fortsätze der harten , sondern auch der weichen Hirnhaut darstellen. Wenn ich daher oben bemerkte , dass der vordere halbmondförmige und hinten in zwei Schenkel auseinander weichende Fortsatz die Anlage der grossen Hirnsichel bilde, so will ich damit nicht gesagt haben, dass diese Anlage in ihrer jetzigen gesammten Ausdehnung bis zum Foram. Monroi herab sich in die Hirnsichel verwandele. Ich meine damit nur, dass in ihr die Hirn- sichel entstehe, zugleich aber auch die zwischen die Abtheilungen des Grosshirns eindringenden Fortsätze der Gefässhaut. Ich beschreibe

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nun die späteren Veränderungen der Schädeldachfortsätze und das spätere Verhalten der primitiven drei Schädelkamrnern und ihrer Unterabtheilungen und beziehe mich dabei wieder hauptsächlich auf meine am Menschen und an Säugethieren gemachten Er- fahrungen.

Von den drei primitiven Schädelkammern ist es nur die dritte oder hintere , welche sich vollständig erhält ; ihr Boden ist die spätere hintere Schädelgrube.

Die zweite primitive Schädelkammer, welche über dem freien Rand des mittleren Schädelbalkens einige Zeit hindurch den höchsten Theil der primitiven Schädelhöhle darstellt, giebt in Folge der Vergrösserung der Grosshirnblasen und der Verkümmerung des mittleren Schädelbalkens ihre Selbständigkeit auf, so dass später nicht mehr die Rede von ihr ist und ihre frühere Existenz nur durch die Vierhügelgegend des fertigen Gehirns oberhalb des freien Randes der Sattellehne angedeutet wird.

Die vordere primitive Schädelkammer erhält sich zwar nicht vollständig, geht aber auch nicht ganz auf, ihr Boden wenigstens verbleibt als Sattelgrube , welche nachträglich durch das Herein- wachsen der Urwirbelplatten und durch die Entstehung des Oper- culum von der übrigen Schädelhöhle abgeschieden und genetisch nicht mit den erst später entstehenden Seitenhälften der mittleren Schädelgrube zusammengefasst werden darf. Ursprünglich bildet diese spätere Sattelgrubengegend das vorderste und auch in der Breitedimension einzige Ende des primitiven Schädels; das Gebiet der spätem vorderen Schädelgrube sowie der beiden mittleren Schädelgruben ist noch nicht hervorgetreten. Die weiteren Ver- änderungen der vorderen primitiven Schädelkammer werden sofort verständlich , wenn man die ähnlichen Veränderungen der primi- tiven vordem Hirnzelle im Auge behält, wobei ich das be- kannte Werk über den Bau und die Entwicklung des Gehirns von Reichert als dasjenige hervorhebe, welches mir zuerst ein wahres Verständniss der so schwierigen Hirnentwicklung beibrachte. Die Grosshirnbläschen sind Hohlknospen des vordem und lateralen Abschnittes der ersten Hirnzelle. Die zur gemeinschaftlichen Auf- nahme dieser drei Hirnabtheilungen sich gleichmässig ausdehnende Wand der ersten Schädelkammer hinterlässt, indem sie sich durch

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Wachsthum erhebt , den oben beschriebenen halbmondförmigen und nach hinten in zwei Seitenhälften auseinander weichenden Fortsatz, der sich an der Bildung der grossen Hirnsichel und mit seinen lateralwärts divergirenden hintern Hörnern später an der Bildung des Tentorium cerebelli betheiligt. Entfernt man die vor- dere Hirnzelle (jetzt Zwischenhirn) mit den beiden daran hängenden Hemisphärenbläschen , so bleiben im vordem Schädelende drei Fächer zurück , deren mittleres der primitiven ersten Schädel- kammer entspricht, die aber jetzt namentlich auch in der Richtung nach vorn zur Aufnahme der grösser gewordenen Zwischenhirn- blase sich erweitert hat. Ihr ursprüngliches Gebiet wird durch die Gegend der Sattelgrabe markirt. Was die beiden die Gross- hirnbläschen enthaltenden Seitenfächer betrifft, so überragen diese den vorderen Abschnitt des medianen Faches einmal nach vorn und nach oben (Holzschnitt IX, a), wobei sich zwischen ihnen der vordere unpaarige mediane Abschnitt der Hirnsichelanlage bildet (VIII und IX, a). Sie überragen aber auch den lateralen Um- fang der hintern Hälfte der primitiven Schädelkammer (IX, k) in der Richtung nach hinten (1) und bilden damit die Anlage der beiden Seitenhälften der spätem mittleren Schädelgrube, welche daher erst nachträglich zu beiden Seiten der spätem Sattelgrube in Folge der Entwicklung der Grosshirnhemisphären entstehen. Betrachten wir z. B. die fertige Schädelhöhle mit Belassung der harten Hirnhaut oder die auf Taf. VI, Fig. 1 dargestellte Schädel- basis eines 6,2 Ctm. langen menschlichen Fötus, so zeigt die Sattel- grubengegend auf jeder Seite eine durch die harte Hirnhaut ge- bildete Seitenwand, welche sich zur Bildung des Sinus cavernosus sowie zur Umhüllung der Carotis interna, einer Anzahl von Nerven und des Ganglion Gasseri entfaltet , vorn sich an die Procc. clin. anteriores und den Limbus sphenoidalis anheftet , rückwärts da- gegen in das Tentorium sich fortsetzt, dessen Incisura begrenzend. Diese Seitenwand ist so wenig als die übrigen Hirnhautfortsätze eine nachträgliche in die Schädelhöhle wachsende Erhebung, son- dern ein Rest der ursprünglichen Seitenwand des primitiven häuti- gen Schädelrohres selbst, ein Rest, den sie in Gestalt eines Fort- satzes zurückliess , als sie durch die heranwachsenden Gehirn- bläschen aus dieser Gegend verdrängt und lateralwärts umgelegt

Dursy , Entwicklgsgesch. 5

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oder hinausgebeugt wurde. Daraus erklärt sich auch die ursprüng- liche oberflächliche Lage mancher Gebilde an der Seitenwand des Schädels jüngerer Embryonen, die später der Schädelbasis ange- hörend, sich scheinbar dorthin zurückgezogen haben. Nehmen wir z. B. das Ganglion Gasseri mit seinem in der äussern Wand des Sinus cavernosus verlaufenden Ramus ophthalmicus , so liegt das Ganglion bei jungen Embryonen des Menschen und der höheren Wirbelthiere (Taf. I, Fig. 19, g) so oberflächlich an der Seiten- wand des Schädels , dass dadurch ein die freie Körperoberfläche überragender Hügel erzeugt wird, der seine Stelle dicht hinter der Wurzel des ersten Schlundbogens und dicht vor der Wurzel des an frischen Embryonen deutlich hindurchschimmernden mittleren Schädelbalkens (f), also lateralwärts von der Gegend der spätem Sattelgrube einnimmt. Von diesem Hügel geht, wie an dieser Figur der ersten Tafel zu ersehen ist, ein weisser Streif oder viel- mehr eine erhabene Leiste ab (gemeinschaftliche Anlage der spä- tem drei Aeste des Trigeminus), welche entlang dem obern Rand des Oberkieferwulstes schräg auf- und vorwärts zum hintern Um- fang des ebenfalls noch frei hervorstehenden Augapfels gelangt (Anlage des Ramus ophthalmicus des Trigeminus). Ferner lehrt unsere Figur , dass dieser Strang lateralwärts vom Grunde der Zwischenhirnblase (b) , also des früheren vorderen Schädelendes, verläuft. Da nun diese vor dem mittleren Schädelbalken liegende Gegend die spätere Sattelgrube bedeutet, so weiss ich damit, dass der genannte Nerv in deren Seitenwand verläuft, welche somit für jetzt noch der freien Oberfläche der seitlichen Schädelwand an- gehört. Vor dieser Gegend zeigt unsere Figur das rechte Gross- hirnbläschen (a). Wächst nun dieses Bläschen nach oben und- hinten über den Augapfel hinweg in der Richtung gegen den mitt- leren Schädelbalken, so muss sich der Schädel durch Wachsthum ausdehnen. Würde er sich gleichmässig ausdehnen , d. h. die Schädelbasis und die gegenüber liegende Scheitelgegend gleich- mässig an Breite , die Seitenwände an Höhe gewinnen , so wäre damit allerdings auf die einfachste Weise ein vergrösserter Schädel- raum geschaffen. Alsdann müssten aber auch die an der ursprüng- lichen Schädelseitenwand sichtbaren Bildungen, wie z. B. das Laby- rinthbläschen, das Ganglion Gasseri, der Ramus ophthalmicus des

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Trigeminus, die übrigen Kopfnervenganglien, das Ganglion ciliare, der Augapfel in seinem ganzen Umfang u. s. w. noch sichtbar bleiben. Aber das Wachsthum des Schädeldaches und der Schädel- basis, wie ich schon hervorgehoben habe, ist ein verschiedenes. Die ursprüngliche nur aus der Anlage der Schädelwirbelkörper bestehende Schädelbasis bleibt nicht blos im Längenwachsthum, sondern auch im Breitenwach sthum gegen das Schädeldach weiter zurück , so dass letzteres , welches dem Grosshirn viel fügsamer sich zeigt, alsbald die Peripherie der Basis ringsum überragt, sich darüber hinausbeugt. So geschieht es denn, dass der an die Basis anstossende anfangs vertikal gestellte Umfang des Schädeldaches allmählig eine horizontale Lage annimmt und zur Erweiterung der Basis beiträgt. So gehörte, wie ich Aehnliches von der Lamina perpendicularis des Siebbeins und den Partes orbitales des Stirn- beins schon oben mittheilte , der Boden der beiden mittleren Schädelgruben ursprünglich der Seitenwand des Schädels an und änderte allmählig zur Erweiterung der Schädelbasis seine Wachs- thumsrichtung ab. E^s erhält sich aber hier noch ein Theil der ursprünglichen vertikalen Seitenwand , welche an jüngeren Em- bryonen das Ganglion Gasseri und den Nervus ophthalmicus zeigte, als Seitenwand der späteren Sattelgrubengegend und erscheint dann als eine Erhebung der harten Hirnhaut der Schädelbasis. So er- klärt sich der scheinbare Rückzug vieler Bildungen von der ur- sprünglichen Seitenwand des Schädels zur späteren Basis, oder, wie beim Auge und dem Geruchsorgan , unter die Schädelbasis. Man wird dann , wie wir später sehen werden , nicht mehr sagen können , die anfangs flachen Riechgruben vertiefen sich von der Stirnwand aus rückwärts gegen das Keilbein, da sich die Sache gerade umgekehrt verhält.

Nachdem ich die Veränderungen der ursprünglichen drei Schädelkammern aus einander gesetzt und ihre Beziehungen zu dem fertigen Schädel beleuchtet habe, bespreche ich jetzt die Verände- rungen der Schädeldachfortsätze , soweit sie sich auf die Bildung des späteren Tentoriums und der grossen Hirnsichel beziehen. Das Tentorium des fertigen Schädels ist nicht blos ein das Kleinhirn überragendes Zelt, sondern auch eine stützende Unterlage der Grosshirnhemisphären, hat daher eine doppelte Bedeutung. Diese

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\m

Unterscheidung kann ich aber, wie schon oben angedeutet wurde, auch durch die Entwicklungsgeschichte begründen , da sich das Tentorium an zwei ganz verschiedenen Stellen des Schädels ent- wickelt und zwar vorn als Sustentaculum cerebri, hinten als Ten- torium cerebelli; dazwischen liegt die mittlere primitive Schädel- kammer mit der Vierhügelblase. Erst allmählig nähert sich die vordere Anlage der hinteren ; beide entstehen unabhängig von einander und zwar die hintere früher als die vordere. Die hintere oder das primitive Kleinhirnzelt, wie ich sie nennen will, ist der schon oben beschriebene Schädeldachfortsatz an der Grenze der mittleren und hinteren Hirnblase und läuft mit seinen beiden Enden gegen den lateralen Umfang des mittleren Schädelbalkens aus.

Die vordere Anlage des späteren Tentorium, die ich Sustenta- culum cerebri nenne, entwickelt sich aus dem Schädeldach mit dem Erscheinen der Grosshirnbläschen und besteht aus zwei sichel- förmigen Seitenhälften (Holzschn. VIII und IX, m), die ich oben

als die hintern lateralwärts divergiren- den Hörner der Hirnsichelanlage be- schrieben habe. Denkt man sich die Grosshirnbläschen als seitliche Hohl- knospen der vordem Hirnblase, welche vorn über die Zwischenhirnblase hinaus- wachsen und daselbst einander nahe liegen, hinten aber divergiren , so dass die Zwischenhirnblase wieder auftaucht, so muss der sie trennende Schädel- dachfortsatz vorn einfach und median gestellt (VIII und IX, a), hinten dagegen doppelt sein (m). Diese getrennten Abschnitte will ich die hinteren Hörner der Hirnsichelanlage nennen, sie tragen den hintern und untern Umfang der Grosshirnbläschen , bilden also deren sichelförmige Sustentacula. Mit dem convexen Rande ist ein Sustentaculum an die Seitenwand des Schädels geheftet und mit sich zuspitzendem Ende befestigt es sich in der Gegend

I&

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der spätem Processus clinoidei anteriores des Keilbeins , daher auch am späteren Tentoriura die Schenkel seiner Incisura mit ihrer Hauptmasse nicht von den hintern, sondern von den vordem der genannten Keilbeinfortsätze abgehen. Mit der Verlängerung der Grosshirnbläschen nach hinten wandert und vergrössert sich auch deren Sustentaculum , indem der an die Seitenwand des Schädels befestigte Rand mehr und mehr nach hinten rückt. Die Grenze zwischen Vierhügelblase und Zwischenhirn hat derselbe bald erreicht (VIII, b) und es verschmilzt dann das Sustentaculum mit dem hier befindlichen transversalen Schädeldachfortsatz zu Einer Platte. Die nach oben und hinten wachsenden Grosshirnhemi- sphären schieben sich nun über und neben den Vierhügeln hinweg, heben dabei das Schädeldach auf und drängen die Anheftungsstelle des Sustentaculum nach hinten, bis schliesslich die Grenze zwischen der hinteren und der frühern mittleren Schädelkammer erreicht ist (c). Sofort verschmilzt nun auch hier das Sustentaculum mit dem hier befindlichen transversalen Schädeldachfortsatz oder dem primitiven Tentorium zu Einer Platte, dem spätem Tentorium. Die zwischen den Grosshirnblasen liegende anfangs niedrige und kurze Hirnsichel nimmt mit dem Wachsthum derselben an Höhe und Länge zu und ihre hinteren divcrgirenden Hörner (Sustentacula cerebri) finden sich jetzt in den Seitenhälften des secundären Ten- torium. Durch diese Darlegung der Entwicklung wird es be- greiflich , warum die Schenkel der spätem Incisura tentorii mit ihrer Hauptmasse von den Processus clinoidei anteriores des Keil- beins abgehen (Taf. VI, Fig. I) und nur zum geringem Theil von den Procc. clin. posteriores der Sattellehne (h). Es bedeutet über- haupt diese von den Schenkeln der Incisura tent. begrenzte und vorn durch den Limbus sphenoidalis des Keilbeins abgeschlossene Gegend das Gebiet des primitiven häutigen Schädels, also der drei primitiven Schädelkammern. Ferner zeigt auch diese einen 6,2 Ctm. langen menschlichen Fötus betreffende Figur die Schnittränder (k) der hintern Hörner der Hirnsichel an ihrem Uebergang auf das Tentorium. Der dazwischen liegende dreieckige Raum, dessen Boden durch das ursprüngliche Tentorium dargestellt wird, ist ver- hältnissmässig noch sehr gross und zieht sich später zur Bildung des Sinus tentorii zusammen ; auch ist um diese Zeit diese hintere

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Partie des Tentorium im sagittalen Durchmesser noch sehr schmal und am freien Rande auffallend herzförmig ausgebuchtet. Sehr hoch, wenn auch sehr verdünnt , ist noch um diese Zeit der mitt- lere die Arteria basilaris tragende Schädelbalken (b), welcher die vor ihm liegende Türkensattelgegend (primitive vordere Schädel- kammer) von der hinteren Schädelkammer trennt und zur Com- munication eine verhältnissmässig niedrige herzförmige, in der Ab- bildung schwarz gehaltene Oeffnung (i) zurücklässt. Ich kann daher der Ansicht von Tie de man n undKölliker, welche den mittleren Schädelbalken für die Anlage des Tentorium cerebelli halten, nicht beitreten.

Rathke1) beschreibt bei Eidechsen, Vögeln und Säugethieren die vom Schädeldach abgehenden und die Hirnzellen trennenden Fortsätze als ein Netzwerk von Venen , von welchen einer zwischen der vordem und mittlem Hirnblase, ein zweiter zwischen der mittleren und hintern und ein dritter zwischen der hintern Hirnblase und dem Rückenmark liege. Was den letzten Fortsatz betrifft, der von hinten her zwischen das Gehirn und Rückenmark eindringen soll , so kann ich davon weder bei dem Menschen, noch den Säugern, noch bei dem Hühnchen zu irgend einer Zeit der Entwicklung eine Spur finden und Rathke hat damit wohl nur den spätem zwischen Hinter- und Nachhirn sich bildenden Fortsatz gemeint, der sich auf die Bildung der Tela chorioidea inferior bezieht (vergl. meine Tat'. VI, Fig. 4 f.).

Reichert2) machte zwar darauf aufmerksam , dass die Hirnhaut- fortsätze des Schädeldaches ihre Form entsprechend der Veränderung der äussern Form des Gehirns wechseln, die Bildungsweise des Tentorium jedoch entging ihm. Es beschreibt nämlich dieser Forscher die Anlage der grossen Hirnsichel einfach als einen sagittalen senkrecht von der Schädeldecke zwischen die Grosshirnbläschen hinab wuchernden Fortsatz, sagt aber nichts über das ursprüngliche Verhalten des zum Verständniss der Kleinhirnzeltbildung wichtigen hintern Abschnittes, der nach meinen Erfahrungen niemals frei endigt , sondern sich spaltend an die Schädel- seitenwand sich heftet und schliesslich in die Schädelbasis ausläuft. Nach Reichert soll nun die Hirnsichel mit den Grosshirnblasen nach hinten wachsen , daselbst mit der Anlage des Tentorium verwachsen und hierauf noch weiter rück- und abwärts zum Processus falciformis minor sich ver- längern. Diese Angabe stützt sich offenbar nicht auf directe Beobachtung, sondern ist wohl nur dem spätem Verhalten entsprechend ausgedacht, da eine Verlängerung der Grosshirnsichel abwärts zur Bildung der kleinen

1) Entwicklung d. Natter. S. 176.

2) Bau d. Gehirns. 1861. S. 30 u. 31.

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doch nur geschehen könnte, wenn jene das transversale Tentorium durch- bohren oder durchschneiden würde. Ferner geht aus dieser gauzen Dar- stellung hervor, dass Reichert sich das hintere Ende der grossen Hirn- sichel ursprünglich als einen freien einfachen Rand einer sichelförmigen medianen Platte vorstellt, der allmählig nach hinten rücke und schliesslich mit der Mitte des Tentorium sich verbinde. Auch spricht Reichert nur von zwei Schädeldachfortsätzen, nämlich von der medianen Anlage der Grosshirnsichel zwischen den Grosshirnbläschen , sowie von einem zwischen Vierhügel und Kleinhirn sich einschiebenden frontalen Fortsatz, aus welchem er das spätere Tentorium ableitet.

Auch mit der von Kölliker gegebenen Darstellung bin ich nicht einverstanden. Vor Allem ist es die schon von Tiedemann in seiner Bildungsgeschichte des Gehirns geäusserte Meinung, dass der mittlere Schädelbalken die Anlage des Tentorium darstelle, welche Kölliker1) durchführen will und die ich (s. oben) für entschieden unrichtig halte, wie später bei der Besprechung des mittleren Schadelbalkens noch weiter gezeigt werden soll. Sehr lehrreich jedoch ist der von Kölliker (S. 195) gegebene Medianschnitt eines acht Wochen alten menschlichen Fötus und da ich ganz ähnliche Durchschnitte sowohl an menschlichen als auch ver- schiedenen Säugethierembryonen in grosser Anzahl untersucht habe , so will ich die Kölliker 'sehe Abbildung etwas näher besprechen. Sie ent- spricht zwar völlig der Natur, jedoch weicht der Schnitt am vordem Ende von der Medianebene ab, verletzte die Anlage der grossen Hirnsichel, deren vorderes Stück somit hier ganz fehlt, und trifft bei der Zahl 1 be- reits das für ein Grosshirnbläschen bestimmte Seitenfach der vorderen Schädelkammer. Zur Orientirung vergleiche man meinen Holzschnitt VIII und man wird bemerken, dass der mit a bezeichnete Abschnitt der Hirn- sichel in der Kölliker 'sehen Figur ganz fehlt, folglich auch die kreis- runde Communicationsöffnung zwischen der vordem Schädelgrube und ihrem Seitenfach (die ich mit h bezeichnete) unvollständig ist und des- halb bei der Zahl 1 eine unrichtige Ausbuchtung zeigt. Richtig ist das sichelförmige zur Schädelbasis sich hinabkrümmende hintere Seitenhorn der Hirnsichel abgebildet (vergl. auch meinen Holzschnitt VIII, m), jedoch spricht Kölliker nicht davon und erkannte nicht seine Beziehung zu dem spätem Tentorium. Mit 2 bezeichnet Kölliker den zwischen Vier- hügel und Kleinhirn sich einsenkenden Schädeldachfortsatz , welcher sich mit dem mittleren Schädelbalken verbinde und mit letzterem das Ten- torium cerebelli herstelle. Nun liegt aber weiter vorn zwischen Vierhügel und Zwischenhirn noch ein Fortsatz , der ebenso wie der vorige mit dem mittleren Schädelbalken sich verbindet, der aber von Kölliker nicht weiter beachtet und überhaupt nicht mit den übrigen Hirnhautfortsätzen aufgeführt wird. Derselbe ist aber, wie ich oben gezeigt habe, ebenso an

1) Entwicklgsgesch. d. Menschen etc. S. 195 u. 230.

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der Bildung des Tentorium etheiligt wie der Fortsatz 2 , während der mittlere Schädelbalken damit nichts zu thun hat.

Kollmann1) beschreibt die mediane Scheidewand der beiden Gross- hirnbläschen von einem menschlichen Fötus um das Ende des zweiten Monates und bemerkte auch deren hinteres in zwei Seitenhälften aus- einanderweichende Ende sowie deren Anheftung an die Schädelbasis; auch war ihm bekannt, dass es die Sehhügelblase ist, welche diese Thei- lung veranlasst. Mit Unrecht dagegen verwirft K oll mann die von Tiedemann gemachte Angabe, dass diese Scheidewand der Hirnsichel entspreche , und hält dieselbe für die noch zusammenhängenden Gefäss- häute der einander zugekehrten Hemisphärenflächen, die Hirnsichel aber für eine nachträglich von der Gegend der Crista galli aus zwischen die Gefässblätter eindringende Bildung. Kollmann beruft sich dabei auf die mikroskopische Untersuchung , welche gegen das Ende des zweiten Monates in der Scheidewand nur die durch eine feine dazwischen ge- lagerte Masse verbundenen Gefässblätter erkennen lasse. Diese Behaup- tung wird eigentlich durch Kollmann selbst wieder zurückgenommen, indem er nur wenige Seiten darauf (S. 29) erklärt, dass zuerst die Scheide- wand einfach sei und keine besonderen Lamellen unterscheiden lasse. Erst vom vierten bis siebenten Monat an erkenne man zwei Gefässhaut- lamellen und eine dazwischen gelagerte Zellensubstanz, welche sich in die Sichel umbilde. Ich habe daher nur noch hinzuzufügen, dass in frühester Zeit die unverhältnissmässig breite Scheidewand aus dein gewöhnlichen embryonalen Zellengewebe besteht und sich dann keine besonderen Lagen unterscheiden lassen. Daraus entwickelt sich alsbald ein reiches Blut- gefässnetz, wobei sich zugleich an Querschnitten zwei blutreichere laterale Lagen und eine dazwischen liegende hellere, weniger gefässreiche Schichte bemerklich machen. Die letztere verwandelt sich hierauf, und zwar von dem angehefteten Rande aus, in ein dichtes fibrilläres Bindegewebe; die Sinus werden einstweilen durch reiche Venengeflechte ersetzt.

b) Hirnhautfortsätze der Schädelbasis.

Ich wende mich nun zu den Hirnhautfortsätzen der em- bryonalen Schädelbasis und unterscheide einen vordem und hinteren. Der letztere liegt an der Grenze zwischen Schädelbasis und Wirbel- körpcrsäule und schwindet im Laufe der Entwicklung mit Zurück- lassung des den vordem Umfang des Hinterhauptsloches umfas- senden Venengeflechtes. Viel wichtiger ist der mächtige vordere Hirnhautfortsatz der Schädelbasis oder der sogenannte mittlere

1) Entwickig. d. Adergeflechte. S. 25 u. 29.

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Schädelbalken, welchen Namen ich, obgleich er sehr unpassend ist, beibehalten will.

Der mittlere Schädelbalken ist eine die Arteria basilaris dem Hirnrohr zuführende Verlängerung der Basis des Spheno-Occipital- theils des Schädels j er hat die Gestalt einer dicken , hohen , un- gefähr halbmondförmigen Platte, welche in der Gegend der spätem Sattellehne und der Sattelgrube sich in der ganzen Breite des Schädels erhebt , lateralwärts sich an dessen Seitenwand befestigt und daselbst mit den beiden mittleren die Vierhügelgegend begren- zenden Schädeldachfortsätzen zusammenhängt (Holzschn. VIII, g). Er bildet eine transversale hohe Scheidewand (Holzschnitt IX, g) mit einem freien obern abgerundeten und dicken Rand, welcher die Schädelhöhle in eine vordere und hintere Abtheilung trennt, und zwar liegt hinter ihm die hintere Schädelkammer, vor ihm die vordere primitive Schädelkammer; über seinem obern Rand communiciren beide Kammern durch Vermittlung der hier befind- lichen Schädelkammer (Taf. II, Fig. 9 f., Taf. III, Fig. 15 f., Taf. VI, Fig. 4, i). Er besteht wie alle übrigen Hirnhautfortsätze aus em- bryonalem Bindegewebe , unterscheidet sich aber durch seine, auf- fallende Dicke sowie dadurch , dass er einen starken Arterien- stamm, die A. basilaris nebst deren rechtwinklig nach beiden Seiten abgehenden Aesten trägt (Taf. VI, Fig. 1 , b) ; ferner ist er nicht blos Hirnhautfortsatz, sondern zugleich bildet sich in seiner Wurzel die spätere knöcherne Sattellehne , die nebst der die Sattelgrube überziehenden Decke der harten Hirnhaut als Rest dieses merk- würdigen embryonalen Gebildes übrig bleibt. Warum gerade die Arteria basilaris einen so langen fast die ganze Höhe der Schädel- höhle durchsetzenden Fortsatz verlangt , erklärt sich wohl daraus, dass in früher Zeit, so lange die Grosshirnhemisphären noch fehlen oder nur erst eine geringe Grösse besitzen, auch die entsprechenden Arterien (die inneren Carotiden) eine untergeordnete Rolle spielen. Einstweilen sind es daher die Vertebralarterien , welche fast aus- schliesslich das Gehirn mit Blut versorgen ; sie vereinigen sich zu einem mächtigen Stamm , der Arteria basilaris , welche mit Hülfe des mittleren Schädelbalkens gegen das Hirnrohr vordringt und dadurch eine Lage gewinnt , die ihm die gleichzeitige Ver- sorgung aller drei Hirnblasen in der vortheilhaftesten Weise ge-

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stattet. Man trifft nach meinen Erfahrungen den mittleren Schädel- balken bei allen Wirbelthieren, nur bei Amphioxus kann er nicht vorkommen , da hier eine die Balkenbildung bedingende Ver- längerung des ursprünglichen Schädels fehlt. Er wird niemals knorplich mit Ausnahme der Achse seiner Wurzel, wenn sich eine Sattellehne bildet. Ferner nimmt der mittlere Schädelbalken nicht wie die Schädeldachfortsätze, die Grenzfurche zweier Hirnblasen ein, da solche an der Hirnbasis überhaupt gar nicht vorkommen, sondern bettet sich in ein tiefes von dem gesammten primitiven Hirnrohr gebildetes Thal.

Der mittlere Schädelbalken entsteht mit der Verlängerung und Krümmung des vordem Schädelendes über den Chordaknopf hin- aus. Schon oben habe ich hervorgehoben, dass die Schädelkrüm- mung ein ungleiches Längenwachsthum des Schädelrohres bedeutet, hervorgerufen einmal durch ein ähnliches Wachsthum des primi- tiven Hirnrohres , zweitens durch die Entwicklung der Grosshirn- bläschen. In Folge dieser Krümmung schliesst sich ein Theil der primitiven Stirnwand durch Umbeugung der primitiven Schädel- basis an, wodurch die letztere eine Verlängerung (Spheno-Ethmoi-' daltheil) gewinnt, gleichsam einen Ansatz , der mit der primitiven die Chorda enthaltenden Basis einen Winkel erzeugt. Aber auch die primitive Schädelbasis (Spheno-Occipitaltheil) verlängert sich an ihrem vordem Ende über den durch den Chordaknopf mar- kirten Winkel hinaus in ihrer ursprünglichen Richtung fort und erzeugt so einen dicken und hohen Fortsatz oder einen in eine hohe dicke Platte auswachsenden Querwulst , welcher die Schädelhöhle in einen hinteren oder Spheno-Occipitaltheil und einen vorderen oder Spheno-Ethmoidaltheil abscheidet. Dieses Gebilde ist der von Rathke sogenannte mittlere Schädelbalken (Taf. II, Fig. 9 f) , welcher dicht an seiner hinteren Oberfläche die bis zu seinem freien vorwärts umgebogenen Rande verlaufende Arteria ba- silaris einschliesst. Wenn aber , wie ich oben gezeigt habe , der Chordaknopf das ursprüngliche Ende der primitiven Schädelbasis markirt, und wenn dieser Knopf seine ursprüngliche Lage im Scheitel des Kopfbeugewinkels nicht verlässt, so wird er von der über ihn hinauswachsenden primitiven Schädelbasis, also von den Urwirbelplatten umschlossen und liegt jetzt in der Wurzel des

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durch diese Verlängerung entstandenen mittleren Schädelbalkens (Taf. II , Fig. 9). Verwickelt aber wird dieser Vorgang wegen des dabei sich erhaltenden ursprünglichen Zusammenhangs des Chordaknopfes mit dem vorderen primitiven Hirnende und dem die Schlundhöhle auskleidenden Darmdrüsenblatt , wodurch die Bildung der Hypophyse eingeleitet wird. Die den Chordaknopf umwachsenden und sich verdickenden Urwirbelplatten umfassen zugleich den von dem Darmdrüsenblatt der Schlundhöhle aus- gekleideten Grund des mit der Kopfbeuge entstehenden spitzen Flächenwinkels der Schädelbasis und verwandeln denselben in eine sagittal comprimirte Tasche, welche Rathke als eine taschen- förmige Ausstülpung der Schlundhöhle beschrieb. Der Grund dieser Tasche ist an den Chordaknopf geheftet und wird jetzt mit demselben von der Wurzel des mittleren Schädelbalkens aufge- nommen , wie man an dem auf Taf. II, Fig. 9 abgebildeten Me- dianschnitt des Kopfes eines Hühnchens bemerkt. Eine ähnliche Tasche zeigt auch der auf Taf. III, Fig. 15 dargestellte Kopf eines 61/» Mm. langen Rindsembryo. Von der Schädelbasis aus betrachtet erkennt man an jüngeren Embryonen den Eingang in diese Tasche als eine Querspalte genau an der Stelle, an welcher der Spheno- Occipitaltheil der Schädelbasis (Taf. I, Fig. 23, b) in den Spheno- Ethmoidaltheil (a) übergeht, also im Grunde des Kopf beugewinkels; vergl. auch Fig. 22 derselben Tafel *). Allmählig schliesst sich der Eingang in diese Tasche (Taf. II , Fig. 9) und es schnürt sich dieselbe als ein selbständiges Säckchen (Holzschnitt XI, i) von der Schlundkopfhöhle völlig ab , wie ich schon bei einer anderen Gelegenheit angegeben habe 2).

Aber auch mit dem vordersten Ende der Basis der ersten primitiven Hirnblase hängt der Chordaknopf untrennbar zusammen. Wenn daher die Urwirbelplatten zur Bildung des mittleren Schädel- balkens den Chordaknopf umwachsen, so schliessen sie ein schlauch- förmig sich ausziehendes Stück des Hirnrohres mit ein , welches in Folge der Kopfkrümmung rückwärts in die Wurzel des mitt-

1) Es entspricht diese Stelle der Mitte der Länge des spätem hintern Keilbeinkörpers (vergl. S. 35.)

2) Centralblatt f. d. med. Wissenschaften. 1868, Nr. 8 (Beiträge zur Ent- wicklgsgesch. d. Hirnanhanges).

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leren Schädelbalkens eindringt und noch längere Zeit mit der Hirn- höhle communicirt (Holzschnitt XI, e h). Es liegt dieses Säckchen

hinter dem Schlund- kopfsäckchen und wird allmählig an der Ein- trittsstelle in den Schä- delbalken bis zum völ- ligen Schwund der Lich- tung eingeschnürt. Die oberhalb der P^inschnü- rung liegende Wurzel des Säckchens verwan- delt sich in das Infun- dibulum , während das Säckchen selbst die An- lage des hinteren Lap- pens der Hypophyse darstellt. Das Schlund- kopfsäckchen ist die Anlage des vorderen Lappens der Hypophyse. Beide liegen nun mit dem Chordaknopf, der bald seine Selbständig-

Fig. X. Medianschnitt der Schädelbasis eines 7 Ctm. lan-lrpif jiiifo-ipVir unrl elnh gen menschlichen Fötus, vergrössert. a Stirne , b Crista ailtgieDt UlKl SICH

galli, c Jugum sphenoidale, d Sattelknopf , f mittlerer nn A^i. ti;iJ J n

Schädelbalken , g Sattellehne, e Zahn des Epistropheus an der Bildung des blut- m Gegend des früheren hinteren Schädelbalkens, n vor- 1 n. ,

derer Bogen des Atlas , o Gaumensegel, p Nasenscheide- reiclien ötroma der

wand, r Aussackung der Schleimhaut beim Uebergang t-. , , .,. . -,

vom Schlundgewölbe zur hintern Schlundwand, s Sattel- Lmise betheillgt, in der grübe von der Wurzel des mittleren Schädclbalkens ge- -„r

deckt. Wurzel des mittleren

Medianschnitt der Schädelbasis eines 1,3 Dem. Schädelbalkens und wpr- indsfötus, vergrössert. Die Buchstaben ä, c, d, 0,-u«*utJlu«ilK.ens Una WC1-

Fig. XI langen Hin

f, g, 1, m, n, 0, p, r, s wie in Fig. X. e Ein Stück des Aon rlirlurpli rlmvi Bodens der dritten Hirnkammer mit Trichter, h Anlage Qen aaüuicn neui -t>e- des hinteren Lappens der Hypophyse , i Anlage des vor- 1 j . 1-

deren Lappens derselben, k Chorda dorsalis in ihrem ganzen reiche der eigentlichen Verlaufe durch eine Punktreihe bezeichnet. 0 , .. ■, ,,...,

ochadelhohle entzogen. Mit dem Eintritt der Verknorplung der Schädelbasis nimmt die Wurzel des Schädelbalkens mit ihrem Inhalt die ganze Länge und Breite der Sattelgrube ein (Holzschnitt X, g s d und XI, e d s g)

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und enthält in ihrem hintern Unifang die anfangs niedrige knorp- liche Anlage der Sattellehne (X und XI, g).

Der zuerst eine Verlängerung der primitiven Schädelbasis (also der Gegend des spätem Clivus) darstellende Schädel balken ändert mit der Zeit diese Richtung, indem er sich aufrichtet und schliesslich mit dem spätem Clivus einen rechten Winkel bildet. Fig. 9 auf Taf. II zeigt den Schädelbalken noch in gleicher Rich- tung mit dem Spheno-Occipitaltheil der Schädelbasis; in Fig. 15 auf Taf. III beginnt er sich aufzurichten (f) und bildet mit dem Clivus einen stumpfen Winkel. In Fig. 4, Taf. IV bildet er be- reits mit dem Clivus einen rechten Winkel und ist überhaupt jetzt nicht mehr nach vorn oder nach oben, sondern in Folge der ver- änderten Kopfkrümmung zugleich nach hinten gerichtet. Dabei nimmt er allmählig im sagittalen Durchmesser an Dicke ab, so dass der frühere vordere Umfang seiner Wurzel nun horizontal nach hinten über den obern Rand der knorplichen Sattellehne hinweg verläuft (Holzschnitt X , d f , und XI, d e f). Auf diese Weise bildet sich aus der Wurzel der Schädelbasis, indem sie sich rück- wärts umlegt , das Operculum der Sattelgrube. Schliesslich ver- dünnt sich der ganze Balken zu einer zarten durchsichtigen die Arteria basilaris tragenden Membran (Taf. VI, Fig. 1, b), welche mit ihrer Wurzel der hinteren Fläche der knorplichen Sattellehne aufliegt, aber immer noch einige Zeit hindurch in ihrer früheren Höhe frei in die Schädelhöhle einspringt. An ihrem obern freien halbmondförmig ausgeschweiftem Rand besitzt sie ein medianes Knötchen , welches gerade dem hier sich in seine Endäste thei- lenden Ende der Arteria basilaris aufsitzt. Unterdessen hat sich auch schon das spätere Tentorium gebildet und nun erst beginnt die Rückbildung des mittleren Schädelbalkens auch in der Höhen- dimension.

Die nächsten Veränderungen des zur Hypophysenbildung ab- geschnürten Schlundsäckchens habe ich bereits in der oben citirten Nummer des medicinischen Centralblattes angedeutet; da jedoch meine zum Verständniss der weiteren Entwicklung der Hypophyse nöthigen Abbildungen in den dieser Abhandlung beigegebenen Tafeln nicht mehr angebracht werden konnten , so kann ich für jetzt noch nicht weiter darauf eingehen. Bei dem Menschen habe

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ich nach vollzogener Abschnürung des Schlundsäckchens niemals eine Spur eines Restes desselben in Gestalt einer in die Schlund- höhle sich öffnenden Grube oder Tasche wahrnehmen können. Sie müsste mitten unter der Sattelgrube an der ventralen Seite des hinteren Keilbeinkörpers ihre Lage haben , welche Gegend jedoch später von dem Pflugscharbein bedeckt und überhaupt dann nicht mehr dem Schlundgewölbe , sondern dem Nasenrachengang angehört. Die sogenannte Bursa pharyngea (Mayer) hat, wie wir später sehen werden, mit dieser Rathke 'sehen Ausstülpung gar nichts zu schaffen (vergl. auch S. 40).

Auch von dem Hühnchen besitze ich eine grössere Anzahl von Präparaten zur Demonstration der verschiedenen Umbildungs- stufen der Rathke 'scheu Tasche. Wie bei dem Menschen und den Säugern , so durchbohrte auch hier die Tasche in vertikaler oder etwas schief nach vorn ansteigender Richtung den Boden der Sattelgrube und man unterscheidet an ihr einen weiteren in der Sattelgrube liegenden Grund sowie einen das Keilbein durch- setzenden Hals, welcher trichterförmig sich erweiternd in die primi- tive Schlundhöhle mündet. Mit dem Beginn der Abschnürung verengert und verlängert sich der Hals, verliert sein Lumen und nur seine frühere trichterförmige Ausmündung ist noch längere Zeit hindurch in der Schlundhöhle als eine grubenförmige Ein- senkung der Schleimhaut wahrzunehmen. Aber auch der nun solide Hals der Tasche schwindet nicht sofort, sondern verbindet in Begleitung eines mächtigen Blutgefässes die trichterförmige Aus- mündung mit dem nun zu einem Säckchen abgeschnürten Grunde der Tasche in Gestalt eines das knorpliche Keilbein durch- setzenden Streifes , der stellenweise noch Spuren der früheren Lichtung wahrnehmen lässt.

Hinter dem genannten trichterförmigen Grübchen bemerkt man dahinter an der Schlunddecke, wo sie in die hintere Schlund- wand umbiegt, an Sagittalschnitten noch eine zweite grubenförmige Einsenkung der Schleimhaut, welche an ein von mir bei mensch- lichen Embryonen bemerktes Grübchen erinnert (s. unten). Das- selbe ist gegen den Körper des Hinterhauptsbeins gerichtet, ähnlich der bei dem erwachsenen Menschen hie und da vorkommenden isogenannten Bursa pharyngea.

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Was den hinteren Hirnhautfortsatz der Schädelbasis betrifft, so bildet sich derselbe erst später nach dem Eintritt der Nacken- beuge, die, wie ich oben angegeben habe, bei den Embryonen der höheren Wirbelthiere und des Menschen zwischen Schädelbasis und Wirbelkörpersäule anfangs einen rechten Winkel bildet. Von der Schädelhöhle aus gesehen markirt sich dieser Winkel als eine scharfe den vordem Umfang des Hinterhauptsloches begrenzende Kante, gebildet von der die gemeinschaftliche Uranlage der Hirn- häute darstellenden Lage des Wirbelsytems und sehr blutreich (Taf. III, Fig. 15, h). Hebt sich dann wieder die Schädelbasis unter Zunahme des Nackenwinkels, so erhebt sich diese Kante als ein breiter dicker Wall (Taf. VI , Fig. 4 , 1) , welcher die ent- sprechende Krümmung des Medullarrohres nicht blos erhält, son- dern noch vermehrt, bildet sich dann aber wieder völlig zurück. Bei dem Menschen erhält sich in dieser Gegend eine von der Schlundhöhle schief rückwärts gegen den Hinterhauptskörper gerichtete Ausbuchtung, welche ich bei allen etwas älteren Em- bryonen regelmässig finde und die ihre Lage in der Gegend des Uebergangs des Schlundgewölbes in die hintere Schlundwand ein- nimmt. An dieser Stelle ist die anfangs völlig glatte Schleimhaut dem Hinterhauptskörper inniger angeheftet und sie macht sich bei Embryonen meist nur als ein kleines trichterförmiges Grübchen bemerklich , welches um so leichter der Beobachtung entgehen kann , weil es von hinten her durch eine halbmondförmige Falte klappenartig überragt wird (Holzschnitt X, r). Ihre Lage hat sie hinter den Mündungen der Eustach'schen Trompete, während die jetzt schon längst nicht mehr sichtbare Rathke'sche Ausstül- pung vor denselben in der Gegend der sogenannten Gesichts- kopfbeuge ihre Stelle fand. Wenn nun später die Schleimhaut ringsum wuchert und sich wulstet, so wird dadurch die Bildung der spätem sogenannten Bursa pharyngea hervorgerufen. Die zahlreichen nadelstichförmigen feinen Grübchen in dieser Gegend sowie am ganzen Schlundgewölbe bis dicht an den hintern Rand der Nasenscheidewand sind die Mündungen acinöser Drüsen und fand ich dieselben an Sagittalschnitten eines 2,3 Dem. langen mensch- lichen Fötus bereits sehr entwickelt und mit langen Ausführungs- gängen versehen.

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B a e r (a. a. 0. S. 75) beschreibt den mittleren Scluidelbalken als ein dem Stamm der Wirbelsäule angehöriges Bildungsgewebe, welches zu- gleich die Chorda enthalte und die Lücke zwischen dem Trichter , dem Kleinhirn und den Vierhügeln erfülle. Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass der Streit, ob der Trichter das ursprüngliche vorderste Hirnende sei oder nicht, zum Theil wohl auch darin seinen Grund finden möchte , dass man dabei an den spätem Trichter dachte. Jedoch schon Baer, der ja zuerst den Trichter als das ursprünglich vorderste Hirn- ende bezeichnete , verstand darunter nicht den spätem trichterförmigen Anhang des Bodens der dritten Hirnkammer, sondern das vordere gegen die Schädelbasis umgebogene Ende der vordersten primitiven Hirnzelle. "Wie ich nun aber oben auseinander setzte, bildet sich der spätere Trichter erst nachträglich, immerhin aber an dem wenigstens ursprünglich vorder- sten Hirnende. Ferner habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass dieser aus dem vorderen jetzt aber ab- und rückwärts umgebogenen Hirnende hervor- gewachsene Trichter anfangs die gemeinschaftliche Uranlage des spätem Trichters und des Vorderlappens der Hypophyse darstellt. Nach den Be- obachtungen von F. Schmidt1) schliesst sich bei dem Menschen die hohle Hypophyse erst am Schlüsse des vierten Monates von der Trichter- höhle ab. Was die Angabe von Baer betrifft, dass der mittlere Schädel- balken die Chorda enthalte , so ist dieselbe nach meinen Beobachtungen darauf zu beschränken, dass die Chorda mit ihrem Knopfe bereits in der Wurzel des Balkens endigt. Dabei mache ich auf eine an Medianschnitten mögliche Verwechslung der Chorda mit dem Stamm der Arteria basilaris aufmerksam, welche den Balken bis zu seinem freien Rande durchläuft und dort ebenfalls mit einer Anschwellung endigt (vergl. Taf. II, Fig. 9). Tiedemann2) beschreibt den mittleren Schädelbalken eines 1'" lan- gen, etwa der 7. Woche angehörigen menschlichen Embryo als eine Fort- setzung der harten Hirnhaut, welcher als Hirn zeit in das Innere der Schädelhöhle vorsprang und dieselbe in fast zwei gleiche Hälften theilte. Seine Lage hatte er in der tiefen Lücke der Hirnbasis unterhalb der Vierhügelblase, und da auch die beigegebene Abbildung seiner ersten Tafel (Fig. 2, g) ganz naturgetreu ist, so verstehe ich nicht, wie Tiede- mann diesen Fortsatz für die Anlage des Tentorium halten konnte. Auch Kölliker in seiner Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere schliesst sich Tiedemann an, ich halte jedoch die dafür beige- brachten Gründe durch meine obige Darlegung für widerlegt. Ausdrücklich bemerkt, Kölliker (a. a. 0. S. 195): «Der mittlere Schädelbalken ist meinen Untersuchungen an jungen menschlichen Embryonen zufolge Nichts als das sehr frühe auftretende Tentorium cerebelli, und nicht Sattel-.

1) Beiträge z. Entwickig. d. Gehirns. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. XI. 1862. S. 51.

2) Bildungageschichte d. Gehirns. S. 11 u. 13.

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lehne, die erst später hervorwächst.» Dazu stimmt aber gar nicht die auf derselben Seite stehende Figurenerklärung eines acht Wochen alten menschlichen Embryo, welche lautet : «Die Schädelbasis erhebt sich in der Gegend der spätem Sattellehne in einen grossen mittleren, am Ursprung im Inneren knorp liehen, sonst häutigen Fortsatz, welcher der mittlere Schädelbalken Rathke's ist.» Aber eben dieser mit der knorplichen Schädelbasis zusammenhängende Knorpel ist ja die Sattellehne , welche nach meinen Erfahrungen mit dem Operculum sellae turcicae als einziger Rest des einst so mächtigen Schädelbalkens zurückbleibt.

Die von Rathke vorgetragene Lehre von drei Schädelbalken halte ich mit Reichert, Kölliker und Stricker für unbegründet und werde die sogenannten seitlichen Schädelbalken später bei dem Gesichte be- sprechen. Was den mittleren Schädelbalken betrifft, so hat Rathke ganz richtig denselben als eine Fortsetzung der die Chorda einschliessen- den Urwirbelplatten erkannt, minder gut aber ist die Angabe, dass der- selbe im Schädelgrund eine transversale Falte der harten Hirnhaut er- zeuge. Unrichtig ist auch die Bemerkung , dass er niemals bei Fischen und Batrachiern sich finde '); er ist hier nur niedriger und dünner, was mit der geringeren Entwicklung des Gehirns übereinstimmt, dem er die Arterien zuführt. Unter den niedern Thieren finde ich ihn am stärksten entwickelt und von nicht unbedeutender Länge bei dem Landsalamander. Auch die Bedeutung dieses Schädelbalkens hat Rathke nicht erkannt und er betrachtet ihn (a. a. 0. S. 34), ähnlich wie Baer, als hervorge- rufen durch eine Erhebung des Gehirns von der Schädelbasis, wobei er nur eine Lücke ausfüllen soll. Auch lässt er ihn , was wieder nicht richtig ist , mit der Zeit spurlos verschwinden. In seiner Entwicklungs- -geschichte der Schildkröte (S. 231) sagt Rathke: «die drei Schädelbalken verknorpeln durchweg». Wenn dies richtig ist, so wäre nach meinen Er- fahrungen die Schildkröte das einzige Thier, bei welchem der mittlere Schädelbalken vollständig verknorpelt. Offenbar aber hatte Rathke, wie aus der weiteren Beschreibung hervorgeht, ein bereits späteres Entwick- lungsstadium, also überhaupt nicht mehr den ursprünglichen Schädelbalken, sondern die bereits fertige Sattellehne vor Augen. Auch ändert er bei dieser Gelegenheit seine frühere Ansicht hinsichtlich der Bedeutung des Balkens, da «der nach oben gerichtete mittlere Schädelbalken die Lehne des Türkensattels darstellt». Ebenso der Wahrheit näher steht die von Rathke in einer andern Abhandlung2) gemachte Angabe, dass bei Säu- gern der mittlere Schädelbalken zur hintern Parthie des Türkensattels und insbesondere zur Lehne werde.

Reichert3) fand den mittleren Schädelbalken auch bei Fröschen

1) Entwickig. d. Natter. S. 34 u. 75, und Lehrb. d. Entwicklgsgesch. S. 125.

2) üeber d. Entstehung d. Glandula pituitaria, Müll. Archiv. 1838. S. 483.

3) Entwicklungsleben. S. 33.

Dursy, Entwicklgsgesch. 6

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und in seinem Werke über den Bau des Gehirns (S. 19) erklärt er ihn für die künftige Sattellehne. An einer andern Stelle (S. 30) betrachtet Reichert den mittleren Schädelbalken als eine Fortsetzung der Innen- fläche des Schädels zur grösseren Befestigung des Gehirns. Wenn über- haupt dieser und die anderen Hirnhautfortsätze ursprünglich auch diese Bedeutung haben sollten, so ist diese jedenfalls weitaus die unter- geordnetere.

Was den von mir als hinteren Schädelbalken bezeichneten Fortsatz betrifft, so finde ich denselben nur bei Kölliker (a. a. 0. S. 195) als eine hinter dem Pons liegende Kante der Schädelbasis erwähnt und auch richtig abgebildet von einem acht Wochen alten menschlichen Embryo. Sehr entwickelt finde ich ihn auch in der von Bischoff *) gegebenen Abbildung des Schädels eines Hundsembryo (Taf. XIII, Fig. 45, F, unter dem Buchstaben k); ein diesem Präparate entnommener mikroskopischer Schnitt würde zeigen , dass dieser mächtige Vorsprung eine Wucherung der gemeinschaftlichen Uranlage der Hirnhäute darstellt,

Veränderungen der Krümmungen der embryonalen Schädel- basis bei dem Menschen und den Säugethieren.

Im Laufe der Entwicklung nehmen die Krümmungen der Schädelbasis wieder ab und zwar in Folge des unterdessen ent- stehenden Gesichtes , welches , um Platz zu gewinnen, die gegen die Wirbelsäule winklig gebeugte Schädelbasis wieder in die Höhe hebt. Je mehr daher das Gesicht dem Hirnschädel gegenüber sich geltend macht, um so bedeutender ist die Rückbildung des Nacken- und Kopfbeugewinkels, so dass die Schädelbasis wiederum der Richtung der Wirbelkörpersäule sich nähert. Bei dem Menschen nehmen daher wegen der verhältnissmässig geringen Gesichtsbil- dung die genannten beiden Krümmungen am wenigsten ab und es gesellt sich sogar in Folge der stärkern Entwicklung der Vorder- lappen des Grosshirns noch eine dritte Krümmung hinzu, welche die Gegend der späteren vorderen Schädelgrube betrifft. Es sind alle diese Krümmungen , besonders auffallend bei dem Menschen, im Laufe der Entwicklung fortwährenden Schwankungen unter- worfen, indem sie abwechselnd zu- und abnehmen.

Was zunächst den Nackenwinkel der Schädelbasis betrifft, so bildet sich derselbe beim Uebergang der Wirbelkörpersäule in den

1) Entwickig. d. Hunde-Eies. 1845.

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Spheno-Occipitaltkeil der Schädelbasis, welche Theile zuerst in Einer geraden Linie lagen. Der anfangs stumpfe Winkel ver- kleinert sich allmählig sowohl bei dem Menschen als auch bei den von mir untersuchten Säugethieren bis zu einem rechten , hierauf aber nimmt er wieder an Grösse zu. Es wird die gegen die Wirbelsäule gebeugte Schädelbasis in Folge der Verlängerung des Bauchrohres während der Bildung des Halses und Gesichtes gehoben , dorsalwärts gedrängt , wobei der Drehpunkt in der Grenze zwischen Wirbelkörpersäule und Schädelbasis liegt. Die der Schädelhöhle zugekehrte Oberfläche des Spheno-Occipitaltheils der Schädelbasis, also der spätere Clivus , höhlt sich dabei aus, beschreibt nämlich an Medianschnitten einen dorsalwärts concaven Bogen (Taf. VI, Fig. 18, a f und Fig. 7, a b), welcher an jüngeren Embryonen in Folge der Erhebung des hinteren und mittleren Schädelfortsatzes noch viel tiefer erscheint (Fig. 4, zwischen 1 und i). Mitunter finde ich sowohl an menschlichen wie an Säugethier- embryonen auch die Aussenfläche dieses bereits knorplichen Ab- schnittes der Schädelbasis, jedoch in viel geringerem Grade an dieser Ausbiegung betheiligt, so dass sie in sagittaler Richtung flach convex erscheint (Fig. 7, 8, 18 und Taf. III, Fig. 15). Viel- leicht kommt schnell vorübergehend in früher Zeit , wenn die Schädelbasis noch weicher ist, eine solche Aufbiegung regelmässig und in noch stärkerem Grade vor, für welche Vermuthung mir der bogenförmige bauchwärts convexe Verlauf der Chorda dor- salis innerhalb der knorplichen Schädelbasis Veranlassung giebt. Regelmässig beschreibt die Chorda des Menschen und der Säuge- thiere diese in dem nebenstehenden Holzschnitt durch eine punk- tirte Linie dargestellte Biegung. Es scheint also , dass nur die Chorda diese Krümmung beibehält , indessen an den Urwirbel- platten während derVerknorplung durch besonderes Dicken wachs- thum diese Ausbiegung sich wieder ausgleicht.

Was den Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels betrifft, so ver- dankt derselbe, wie wir oben sahen, seine Entstehung zunächst einer Verlängerung der ersten primitiven Hirnblase oder Schädel- zelle über den Chordaknopf hinaus mit gleichzeitiger Umbeugung. Dabei bleibt das ursprünglich vorderste Ende des Bodens dieser Schädelzelle und der darin liegenden Hirnblase, durch den Chorda-

6*

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knöpf festgehalten, an seiner ursprünglichen Stelle zurück und es bildet sich hier der primitive Trichter *). Dagegen ist es die ur- sprüngliche vordere oder die primitive Stirnwand der ersten Schädelzelle, welche sich in Folge der Ausdehnung des Schädel- daches bauchwärts um- legt oder umbeugt und so zur Basis des Spheno- Ethmoidaltheiles des Schädels wird, die mit der ursprünglichen Schä- delbasis einen spitzen Winkel erzeugt. Die in die Augenblasen sich ausstülpenden Seiten- wände der ersten Hirn- blase werden dadurch nach vorn und zugleich bauchwärts geschoben und so geschieht es, dass der in das Chiasma nerv, optic. sich umwandelnde Abschnitt der ersten Hirnblase seine , Lage vor dem späteren Infundibulum an der Schädelbasis erhält, während er früher der primitiven Stirnwand angehörte.

Der so entstandene Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels, welcher mit den unterdessen hervorwachsenden Grosshirnbläschen und Riech- kolben rasch sich verlängert, ist an seiner Basis nicht plan, son- dern stellt anfangs eine abwärts gebogene Platte dar, wie man an den Querschnitten der ersten Tafel sowie an Medianschnitten

1) So nenne ich den schlauchförmigen, die gemeinschaftliche Anlage des spätem Trichters und des Hinterlappens der Hypophyse darstellenden An- hang, in den sich der durch den Chordaknopf fixirte Boden der ersten Hirn- zelle auszieht (Holzschnitt X, e h).

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(Taf. III , Fig. 1 5) erkennt. Auch ist die Basis von ungleicher Dicke und zwar mächtiger zu beiden Seiten (woraus Rathke seine seitlichen Schädelbalken construirte) , auffallend dünner in der Mitte und sie verdünnt sich hier rückwärts gegen die Hypophyse in der Art, dass schliesslich eine schon oben er- wähnte Lücke übrig bleibt , in welcher der Boden der dritten Hirnkammer, der Chordaknopf sowie das Darmdrüsenblatt der Schlundhöhle in unmittelbarer Berührung sich erhalten (Taf. III, Fig. 15 und Taf. II, Fig. 9).

Mit der Entstehung des Gesichtes wachsen aus dem Spheno- Ethmoidaltheil der Schädelbasis gewisse Bildungsfortsätze hervor (vordere Partie der Oberkieferwülste , Stirnfortsätze) , welche in Verbindung mit dem ebenfalls hier entstehenden vorderen Keilbein die Grundlage des Gesichtes darstellen. Dadurch sowie durch die vom ersten Schlundbogen aus geschehende Entwicklung der Unter- kieferpartie des Gesichtes wird der Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels gehoben, dorsalwärts gedrängt , wobei der Drehpunkt in der Sattelgrubengegend liegt. Der Kopfbeugewinkel (der soge- nannte Gesichtskopfwinkel) nimmt dann zu , die Kopfbeuge geht ihrer Ausgleichung entgegen und nur der Giebel des früheren spitzen Kopf beugewinkels erhält sich, wird als Rathk e'sche Tasche abgeschnürt und zur Bildung des vordem Hypophysenlappens ver- werthet (Taf. III, Fig. 15, Taf. II, Fig. 9). An älteren bereits etwas über Ein Decimeter langen Rindsembryonen sehe ich an der knorplichen bereits mit Knochenkernen versehenen Schädel- basis die Kopfbeuge durch Erhebung des Spheno-Ethmoidaltheils völlig ausgeglichen (Holzschnitt Fig. XI) ; von der Schädelhöhle aus gesehen bildet dann die Basis eine schräg bis zum vordem Schädelende aufsteigende Fläche (m t), welche drei hintereinander liegende flache Gruben zeigt. Die hintere Grube (s) trägt die Hypophyse und die im Holzschnitt punktirte Wurzel des mitt- leren Schädelbalkens nebst den darin enthaltenen sackförmigen Anlagen der Lappen der Hypophyse (h und i). Die folgende Grube (d c) begreift das Gebiet des Sattelknopfes und ist auch an menschlichen Embryonen (vergl. Holzschnitt X) durch auffal- lende Länge ausgezeichnet. Die dritte vordere und höchste Grube entspricht dem Gebiete der spätem vorderen Schädelgrube und

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trägt die Grosshirnhemisphären nebst den noch kurzen hohlen Riechkolben. Aehnlich verhalten sich auch die Medianschnitte von Embryonen des Schweines und Schafes.

Diese Hebung des vordem Schädelabschnittes bewirkt auch eine Verschiebung des ursprünglich unter dem Schädel gelagerten Gesichtes nach vorn. Daraus folgt, dass die von Reichert so- genannte Gesichtskopf beuge durchaus nicht dem Gesichte zu lieb sich einstellt, sondern gerade umgekehrt der Gesichtsbildung hin- derlich ist; sie ist nur ein ursprünglich stärker gekrümmter Ab- schnitt der allgemeinen Krümmung des ganzen Leibes, welcher dann dem verspäteten Längenwachsthum der Bauchseite mehr oder weniger vollständig weichen muss.

Sehr bald macht sich an jüngeren Säugethierembryonen mit der zunehmenden Ausdehnung der Grosshirnhemisphären und der Riechkolben noch eine neue Krümmung der Schädelbasis bemerklich, welche den Ethmoidal- und Orbitaltheil des Schädels , also das Gebiet der späteren vordem Schädelgrube betrifft, daher in einiger Entfernung vor der ursprünglichen Kopfbeuge liegt und ihren Drehpunkt in dem Jugum sphenoidale findet. Auch diese vordere Kopfbeuge wird bald durch das ihr entgegen strebende Gesicht wieder ausgeglichen. Man sieht, es kämpfen das Gehirn und das Gesicht um die Oberherrschaft, so dass der Spheno-Ethmoidaltheil der Schädelbasis abwechselnd gehoben und gesenkt wird , und es erklären sich dadurch die wechselnden Krümmungen in verschie- denen Entwicklungsperioden.

Aehnliche Veränderungen der Schädelbasis zeigt auch der menschliche Embryo. Mit der Zunahme des ursprünglichen Kopf- beugewinkels bildet sich die dem Gesichte Platz machende Kopf- beuge zurück (Taf. VI, Fig. 4, 7 und 8), so dass sie vorüber- gehend fast zur völligen Ausgleichung gelangt. Da jedoch bei dem Menschen das Gehirn durch seine Ausdehnung sich ein Ueber- gewicht verschafft, so weicht mit dem rascheren Wachsthum der Vorderlappen des Grosshirns und mit dem Hervortreten der eben- falls hohlen Geruchskolben der Spheno-Ethmoidaltheil der Schädel- basis wieder nach der Bauchseite aus, die Kopfbeuge nimmt wieder zu, erreicht aber nicht mehr die frühere Ausbildung, sondern bringt es höchstens wieder zur Bildung eines rechten Winkels. Es ge-

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schieht aber- dieser Kückzug nicht gleichniässig, sondern, im Sagit- talschnitt betrachtet, in einer gebrochenen Linie, indem der vor- derste Abschnitt der in Rede stehenden Partie der Schädelbasis (Holzschnitt Fig. X, c t) sich schneller senkt und es findet diese neue oder vordere Kopfbeuge, wie wir schon oben bei den Säuge- thierembiyonen gesehen haben , ihren Drehpunkt in der Gegend des Jugum sphenoidale (c). Abnormer Weise kann eine oder die andere Stellung zwischen den verschiedenen Partien der Schädel- basis auf einer gewissen Stufe der Entwicklung stehen bleiben, wie der Medianschnitt des Kopfes eines menschlichen Fötus auf Taf. VI, Fig. 18 zeigt, an welchem der ursprüngliche Kopfbeuge- winkel , nachdem er fast gänzlich geschwunden war, sich nach- träglich nicht mehr eingestellt hat.

Die hier eingeschal- teten Holzschnitte X und XI dienen zur Erläuterung der besprochenen Abänderun- gen der Kopfkrümmungen und zur Vergleichung der- selben bei menschlichen und Säugetbierembryonen. Was zunächst den Median- schnitt der Schädelbasis eines 7 Ctin. langen mensch- lichen Fötus (X) betrifft, so ist die ursprüngliche oder hintere Kopfbeuge, welche ihren Drehpunkt in der Gegend des Türken- sattels (s) hat, nachdem sie in einem vorhergehenden Entwicklungsstadium fast zum Ausgleich gelangt war, für jetzt so weit wieder hergestellt, dassderSpheno- Occipitaltheil der Schädel- basis (m s) mit dem Spheno- Ethmoidaltheil (s t) einst- weilen einen stumpfen Winkel bildet. Der jetzt rückwärts gebeugte mittlere Schädelbalken (f) bildet mit seiner Wurzel (g d)

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das die Sattelgrube (s) überbrückende Operculum. Betrachtet man den Spheno-Ethmoidaltheil der Schädelbasis (s t), so zeigt derselbe wiederum eine Krümmung, deren Drehpunkt in der Gegend des Jugum sphenoidale (c) liegt. Diese erst später entstandene vordere Kopfbenge wird durch die starke Entwicklung der darüber liegenden Vorderlappen des Grosshirns bedingt. Da sich somit in Folge der stärkern Hirnentwicklung die fast verschwundene Sattelkopfbeuge wieder einstellt und noch eine neue vor- dere Kopfbeuge sich dazu gesellt, so ersieht man daraus, dass die beiden Hauptabschnitte der Schädelbasis , nämlich der Spheno-Occipitaltheil und der Spheno-Ethmoidaltheil , in Bezug auf ihre Abhängigkeit vom Gehirn ßich verschieden verhalten und zwar der primitiven Schädelbasis eine grössere Selbständigkeit zukommt , wie bereits oben auseinander gesetzt wurde. Vergleichen wir damit den Medianschnitt der Schädelbasis eines auf ungefähr gleicher Entwicklungsstufe stehenden Rindsfötus (XI), so hat sich die zum völligen Ausgleich gekommene ursprüngliche oder Sattelbeuge der Schädelbasis (s) nicht wieder eingestellt, daher die beiden Haupt- abschnitte der Schädelbasis (m s und s t) in gerader Linie auf einander folgen. Was die später entstandene vordere Kopfbeuge betrifft, deren Drehpunkt in c lag, so war diese auch hier in früheren Zeiten vorhanden, ist aber nun ebenfalls verschwunden und nur die flache Grube c t, welche die Riechkolben und die Vorderlappen des Grosshirns trägt , erinnert noch daran.

Verhalten des mittleren Schädelbalkens und des Gehirns zu den Abänderungen der Krümmungen der Schädelbasis.

Wenn die gebeugte Schädelbasis sich wiederum streckt, indem ihr Spheno-Ethmoidaltheil sich hebt, so beschreibt dessen vor- derstes Ende einen Bogen , dessen Mittelpunkt im Türkensattel liegt. Es werden daher die von ihm getragenen Theile nicht blos gehoben, sondern zugleich rückwärts gedrängt und über einander geschoben. Sehr auffallend zeigt dies der mittlere Schädelbalken, welcher ursprünglich genau die Richtung des Spheno-Occipitaltheils der Schädelbasis , also des spätem Clivus oder der spätem knöchernen Sattellehne einschlägt (Taf. II, Fig. 9), und mit der davor liegenden Schädelbasis (Spheno-Ethmoidaltheil) einen rechten Winkel bildet. Dreht sich nun die letztere aufwärts , so bewegt sich auch der im Drehpunkt wurzelnde mittlere Schädelbalken, richtet sich zuerst auf (Taf. III, Fig. 15), und mit seinem freien Ende ebenfalls einen Bogen beschreibend, wendet er sich schliess-

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lieh nach hinten (Taf. VI , Fig. 4) , so dass er fortwährend die ursprüngliche Winkelstellung zu dem vor ihm liegenden Theil der Schädelbasis ähnlich dem Schenkel eines Winkelhebels behauptet. Natürlich bildet er dann auch mit der dahinter liegenden Schädel- basis einen Winkel, welcher schliesslich bei völliger Ausgleichung der Sattelkopfbeuge zu einem rechten sich verkleinert. Wenn da- her der vor dem Balken befindliche Winkel ein constanter ist und zwar ein rechter , so ist der dahinter liegende wechselnd und es giebt somit die Balkenstellung oder die Grösse des dahinter lie- genden Winkels gleichsam einen Massstab zur Beurtheilung der Hebung der vordem Hälfte der Schädelbasis.

Betrachten wir zum Schluss noch kurz das Verhalten des Gehirns , so ist zuerst vor dem Erscheinen des Gesichtes der Spheno-Ethmoidaltheil der Schädelbasis völlig dessen Einfluss unter- worfen und demnach so gegen die Bauchseite umgebeugt, dass er mit der primitiven Schädelbasis den spitzen Sattelwinkel begrenzt. Hebt sich der vordere Abschnitt der Schädelbasis , so bleibt der im Drehpunkt (Sattelgrube) liegende Theil des Hirnrohres (der in das Infundibulum sich ausziehende Abschnitt des Bodens des dritten Ventrikels) zurück , während dessen jetziges vorderes Ende im Bogen sich hebt. Die Grosshirnblasen und der vordere die Augen- stiele tragende Abschnitt des Zwischenhirns Averden gehoben und zugleich rückwärts gedrängt. Der diesem Andrang gleichsam nachgebende mittlere Schädelbalken nimmt schliesslich seine Rich- tung anstatt nach vorn , nun umgekehrt nach hinten und schiebt den hinter ihm liegenden Abschnitt des Hirnrohres unter Bildung einer Knickung zurück. Das Hinterhirn (Kleinhirn) liegt nun nicht mehr vor, sondern über dem Nachhirn ; die erwähnte als Brücken- krümmung bekannte Knickung findet sich hinter der Wurzel des mittleren Schädelbalkens (vergl. d. Figuren 15 auf Taf. III und 4 auf Taf. VI). Gehirn und Gesicht wirken daher wechselseitig auf die Stellung und Krümmung der vordem Hälfte der Schädel- basis ein , sie bekämpfen sich auf diesem Felde mit wechseln- dem Glück.

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Uranlage des Gesichtes.

Wie der Leib des Embryo überhaupt, so besteht auch dessen Kopf in seiner einfachsten ursprünglichen Gestalt aus zwei häu- tigen, parallelen, in ihrer ganzen Länge mit einander verbundenen und am freien Ende blind geschlossenen Röhren, von welchen die eine den Kopftheil des animalischen oder Rückenrohres, die an- dere den Kopftheil des vegetativen oder Bauchrohres darstellt. Jene (Holzschnitt XIII , a b c) ist der primitive häutige Hirn- schädel, diese (a d) ist die sogenannte Kopfdarmhöhle. Die Längen- achse beider Röhren fällt mit der des übrigen Leibes ursprünglich zusammen; bei vertikaler Haltung derselben, die ich der folgenden Betrachtung zu Grunde legen will, liegen beide Röhren hinter ein- ander und erhalten in der Chorda dorsalis und den Urwirbelplatten

des Kopfes eine sie stützende gemeinschaft-

ifnÄÄ Kopfes liche Scheidewand. Bedeutet nun der mit der höheren wirbeithiere. den obern Enden beider Rönren zusammen- fallende Endknopf der Chorda (a), wie ich nachgewiesen habe, die Gegend der Hypo- physe, also der spätem Sattelgrube, so weiss ich damit, dass der primitive Kopf (c b a d) vorläufig hier abschliesst; es fehlt ihm der die Grosshirnblasen aufnehmende Spheno-

a b c , Primitiver häutigerHirn- „,, . , , , ., , 0 , .. , , . , ,

sehädei. ead, Kopfdaimhöhie. Ethmoidaltneil des ochadels nebst dem dazu

ea, Schädelbasis, a, Endknopf . _ . . _ .

der Chorda dorsalis. üieSpai- gehörigen Gesicht. Beide wachsen erst nach-

tung- der Kopfdaimhöhlenwand

zur Herstellung ein.r das Herz träglieh aus dem obern Ende der ge-

aiunehnienden Lücke ist hier ° °

und in den beiden folgenden nannten Röhren heraus, iedoch nicht in deren

Holz*chni!ten nicht berück- ' J

sichtigt. ursprünglicher Richtung , sondern unter Bil-

dung eines Winkels (Kopfbeuge). Zuerst ist es das rascher wachsende Schädelrohr, welches 6ich in der früher beschriebenen Weise über den Chordaknopf hinaus verlängert und alsbald die noch zurückbleibende Kopfdarm- höhle überragt (Holzschnitt XIV). Es bildet sich so zwischen den obern Enden beider Röhren eine quere Einbuchtung (b a f), welche unterhalb der Schädelbasis (a b) bis zum blinden Ende der Kopfdarmhöhle (a) eindringt. Hierauf verdickt sich die Wand

.91

JQY.

der Kopfdarmhöhle mit Ausnahme der vordem Wand ihres obersten an den Chordaknopf angehefteten blinden Endes (a f), welche viel- mehr an Dicke abnimmt, wodurch die oben

, n-ii -i cii-ji Medianer Längsschnitt des

erwähnte Einbuchtung zwischen ocnadel Kopfes der höheren Wirtoel-

. thiere (Schema),

und Kopfdarmhöhle die Gestalt einer wie

durch Einstülpung entstandenen tiefen Bucht gewinnt , die man Mundbucht nennt. Zu- gleich schieben sich die die Mundbucht begrenzenden Seitenwände sowie die obere durch den ersten Schlundbogen dargestellte Partie der verdickten vorderen Wand (d f) der Kopfdarmhöhle nach vorn vor , indem

x e c a b, Hirnschädel. e a f d,

sie das vordere Schädelende (b) zu errei- Kopfdarmhöhle, a b, .Basis des

v ' Spheno - Etbmoidaltheils des

chen suchen , wodurch die Mundbucht an t££%*\&°S*JS£ SJ'- Tiefe gewinnt. Die in der Richtung des ffÄechthÄenhS)d tt

, -i o i •• t l j verdickte , daher durch zwei

nach vorn umgebogenen Schadelendes ge- Conturen bezeichnete vordere , . , , i ..l i Wand der Kopfdarmhöhle.

schehende Verlängerung der Koptdarmhohle

führt daher zur Bildung einer unter der Schädelbasis liegenden Grube, weil das von dem Chordaknopf abgehende Stück der vor- deren Wand der Kopfdarmhöhle an seiner ursprünglichen Stelle zu- rückbleibt und zugleich sich verdünnt.

An der Mundbucht lassen sich eine Decke und ein Boden, zwei kürzere Seiten- wände und eine hintere Wand unterschei- den. Vorn und seitwärts öffnet sich die Mundbucht zwischen Schädelbasis und er- stem Schlundbogen durch eine quere Spalte, die primitive Mundspalte, durch welche von aussen her das Hornblatt eintritt, um sämmt- liche Wandungen zu überziehen. Die Decke wird von der an dem Chordaknopf be-

Seitenansicht eines Säuge- thierkopfes (Schema).

c g b a e , Hirnschadel. Kopfdarmhöhle. e a,

ginnenden Basis des fepneno - Etmnoidal- zwischen Hirnschädel

e a f d, Grenze

l und Kopfdarmhöhle. g, Ohrlaby-

theiles des Schädes (Holzschnitt XIV und "Mh. i, Noch kurze seiten-

wand der primitiven Mnnd-

XV, a b) gebildet. Den Boden bildet die ]Jöhle (Oberkieferfortsatz) h,

1 ' ° Auge. b , Riedisrrube. 1 l b,

unterhalb der Mundbucht befindliche vor- K^ÄffiffibSÄ dere an Dicke fortwährend zunehmende a ^^a3*m^*' Wand der Kopfdarmhöhle (XIV und XV, f) also der erste Schlund-

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bogen, welcher die Anlage des Unterkiefers , des Mundhöhlenbodens und des Zungenkörpers enthält. Die Seitenwände der Mundbucht (XV, i) sind Verlängerungen der Seitenwände der Kopfdarmhöhle, welche die Gegend der Kopfbeuge (a) überschreiten und sich lateral- wärts an die Basis des Spheno-Ethmoidaltheils des Schädels nahe hinter dem Auge (h) anheften , sind jetzt noch niedrig und schmal und dienen daher vorläufig nur zur lateralen Begrenzung des blinden Grundes der Mundbucht. Da aus ihnen , indem sie entlang dem Seitenrande der Schädelbasis unter dem Auge vorbei nach vorn wachsen, auch die Oberkieferknochen sich entwickeln , so werden sie jetzt schon „Oberkieferfortsätze" genannt nach dem Satze „a potiori fit denominatio". Der Hintergrund oder die hintere Wand der Mundbucht wird durch die vordere Wand des ursprüng- lichen blinden Kopfendes der Kopfdarmhöhle dargestellt. Wie man an dem durch den Holzschnitt XIV dargestellten Median- schnitt wahrnimmt, so beginnt diese dünne Wand am Chorda- knopf (a), somit am Kopf beugewink el der Schädelbasis und er- streckt sich abwärts bis zu der Stelle , an welcher die vordere Kopfdarmhöhlenwand zur Herstellung des Bodens der Mundbucht sich verdickt (f, erster Schlundbogen).

Wie die übrige Wand der Kopfdarmhöhle, so besteht auch diese die Mundbucht von der Kopfdarmhöhle trennende Scheide wand, welche von Remak Rachenhaut genannt wurde , aus drei Blättern, nämlich aus dem die Mundbucht auskleidenden Horn- blatt, zweitens aus dem mittleren Keimblatt und drittens aus dem die Kopfdarmhöhle auskleidenden Darmdrüsenblatt (Remak). In Folge der fortschreitenden Verdünnung der Rachenhaut bildet sich eine aus der Mundbucht oder der primitiven Mundhöhle in die Kopfdarmhöhle führende Längsspalte oder die Rachenspalte (Rem ak), schliesslich aber schwinden auch die diese Spalte begrenzenden Seitenhälften der Rachenhaut und zwar so vollständig, dass von nun an die aus der Mundbucht hervorgegangene primitive Mund- höhle ohne alle Abgrenzung in den anstossenden Theil der nun geöffneten Kopfdarmhöhle , nämlich in die Rachen- oder Schlund- kopfhöhle, einmündet.

Auf dieser Stufe der Entwicklung finden wir den auf Taf. II, Fig. 9 dargestellten Medianschnitt des Kopfes eines Hühnchens.

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Die von der Basis des Spheno-Ethmoidaltheils des Schädels weit überragte primitive Mundhöhle (die frühere Mundbuqht) hat zu ihrem um diese Zeit noch kurzen Boden den ersten Schlundbogen oder den oberen dicken abgerundeten Rand der vordem Wand der in die Mundhöhle einmündenden Kopfdarmhöhle (g). Die hintere Grenze der Decke der Mundhöhle wird durch den Chorda- knopf markirt, welcher die hier im Abschnürungsprocess befind- liche Rathke'sche Tasche von oben her umfasst. Letztere ist das durch die Kopfbeuge eingeklemmte und durch seine Anheftung an den Chordaknopf in eine trichterförmige Spitze ausgezogene ursprüngliche blinde Ende der Kopfdarrahöhle (vergl. auch Holz- schnitt XIV, e ad; in a, dem Chordaknopf, liegt die Spitze der Kopfdarmhöhle , welche sich somit in Folge der zunehmenden Kopf- beuge als Rathke'sche Tasche erhält). Daraus erklärt sich auch, dass diese Tasche ihre zellige Auskleidung nicht von der Mund- höhle (also dem Hornblatt), sondern von der Kopfdarmhöhle, so- mit von dem Darmdrüsenblatt erhält. Zur Orientirung in Bezug auf diese Abgrenzung der primitiven Mundhöhle von der Rachen- höhle erinnere ich daran , dass später an dieser Stelle die Mitte des hintern Keilbeinkörpers, also der Boden der Sattelgrube, sich ausbildet. Der in Figur 9 der zweiten Tafel zwischen h g be- ginnende und aufwärts bis zur Rathke'schen Tasche sich er- streckende Abschnitt der Kopfdarmhöhle ist die Rachenhöhle und deren hintere Wand wird von der dicken die Chorda enthaltenden Basis des Spheno-Occipitaltheils des Schädels gebildet. Die Längs- achse dieser Höhle schneidet entsprechend der Kopfbeuge unter einem rechten Winkel die Längsachse der davor liegenden noch sehr kurzen primitiven Mundhöhle.

Aehnlich verhält sich in dieser Beziehung der auf Taf. III, Fig. 15 dargestellte Medianschnitt des Kopfes eines 6l/u Millim. langen Rindsembryo , sowie der Medianschnitt des Kopfes eines ähnlichen Rindsembryo, welchen ich in dem nebenstehenden Holz- schnitt XVI genau nach der Natur abgebildet habe. Die Längen- achse der Mundhöhle (Holzschn. XVI, m v) schneidet die Längen- achse der Rachen- oder Schlundkopfhöhle (m o x h 1) rechtwinklig. An diesem Embryo ist die Grenze zwischen Kopf und Rumpf durch die Nackenbeuge (f) markirt und es bildet die Basis des

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Spheno-Occipitaltheils des Schädels oder der spätere CHvus (i h) mit der Halswirbelsäule (i k) einen rechten Winkel , der an der

Rückseite scharfkantig Fig XVI Medianer &enau naoh der Natur ent.

vnrcnrino-f (\ riintprpr worfener Längenschnitt des Kopfes eines 6 »feMillim. VOlspnngt (1, nmterei langen Rindsfötus.

Schädelbalken), ander Bauchseite dagegen sich ausrundet. Bringt man den Kopf durch Drehung nach vorn in eine solche Lage, dass die genannte Partie der Schädelbasis (i h) eine horizontale , die Hals- wirbelsäule (i k) dage- gen eine senkrechte Richtung erhält , so wird die durch die

Nackenbeuge horizon- tal nmo-plpo-tp Bfl«i« rlpq ab, Vordere Hirnblase, die sich in zwei hinter einander tai umgeiegießdsis ues üeg'mAe Abteilungen geschieden hat, von welchen die ^nJiPvin fWinir«ilrhpil<5 vordere in ihren Seitenhälften die Anlage der jetzt noch öpneno - WCOipn.an.ueUB nich(. unterscheidbaren Grosshirnbläschen enthält, c, Mittel- er, ^r,U-AA„\c „„». nnnlr0 Mrn. d, Hinterhirn, e, Nachhirii. f, Nackenbeuge, g, Mitt- eles OCnaUelS ZU1 JJeCKe lerer Schädelbalken, h, i, Basis des Spheno-Occipitaltheils , o i l n r des Schädels, k i , Halswirbelsäule. 1, Kathke'sche Tasche. des OCnlunCÜCOpieS, m) Erster Schlundbogen. n, Zweiter Schlundbogen, o, Dritter .. . . Schlundbogen, p, o, n, in, Vordere Schlundwand ; dahinter Während dessen hintere liegt die geöffnete Schlundhöhle mit den Schlundspalten.

q, Vorhof tli eil des Heizens, r, Kammertheil desselben.

Wand der Halswirbel- s, Aortenstamm des Herzens, t u, Membrana reuniens

inferior, v , Mediane Fläche des Oberkiefertortsatzes.

Säule anlieft Mit der w> Erste Schlundspalte. x, Zweite Schlundspalte; die

6 ' darunter liegende dritte ist nicht bezeichnet, y, Eingang in

weitern Ausbildung der den bohlen Au&enstiei.

zwischen der Halswirbelsäule und dem Schlundkopf liegenden Muskulatur und der Zunahme des lockeren diesen Zwischen- raum erfüllenden Bindegewebes schiebt sich die hintere Schlund- wand weiter vor , so dass ihre Anheftungsstelle an die Schädelbasis in der Richtung gegen den Keilbeinkörper vorrückt. Dabei bildet sich an dieser Stelle bei menschlichen Embryonen eine kleine schon früher von mir erwähnte Tasche aus , welche später wieder verschwindet oder hie und da auch nach der Geburt zurückbleibt und zur sogenannten Bursa pharyngea sich ausbildet. Es gewährt ferner dieser Durchschnitt einen deutlichen Ein- blick in die primitive Mundhöhle , welche rückwärts bis zur

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Rathke 'sehen Tasche (1) reicht und hier in die Schlundkopf höhle übergeht. In der Tiefe bemerkt man die innere Oberfläche ihrer noch kurzen von dem Oberkieferfortsatz gebildeten Seitenwand (v), welche eine Fortsetzung der seitlichen Schlundwand darstellt und einstweilen hinter und unter dem Eingang in den hohlen Augen stiel (y) endigt. Hierauf folgt der laterale Theil der primitiven Mundspalte und darunter der den Boden der Mundhöhle darstel- lende obere Umfang des ersten Schlundbogens (m).

Der auf Taf. I, Fig. 23 abgebildete Kopf eines V/s Millim. langen Rindsembryo giebt eine Ansicht der Decke der primitiven Mundhöhle a, welche nach hinten durch den eine Querspalte dar- stellenden Eingang der Rathke'schen Tasche von der dahinter liegenden Schädelwand der Rachenhöhle scharf geschieden wird. Letztere erscheint als eine breite flache Mulde, welche zu beiden Seiten von den Oberkieferfortsätzen b begrenzt wird. Diese als seitliche Ausladungen der Schädelbasis sich darstellenden Fortsätze schreiten bereits auf die davor liegende Basis der vorderen Schädel- partie a vor und bilden dadurch die noch kurze seitliche Begren- zung des hintern Abschnittes der primitiven Mundhöhle.

Die primitive Mundhöhle des Menschen und der Säugethiere ist die gemeinschaftliche Anlage des hintern Abschnittes der später erst sich scheidenden Vorhallen des Luft- und Speiseweges, nämlich der Mundhöhle und der Regio respiratoria der Nasenhöhle. Ge- nauer bezeichnet enthält sie die gemeinschaftliche Anlage des Nasen- rachenganges und des hinteren Abschnittes der Mundhöhle nebst der Gegend der Rachenenge.

Am ausgebildeten Kopf des Menschen und der Säuger ver- stehe ich unter „N a s e n r a c h e n g a n g" die hintere Partie der Regio respiratoria der Nasenhöhle, welche dieselbe mit der Rachen- höhle verbindet. Seine Decke wird von den beiden Keilbein- körpern , die laterale Wand von den absteigenden Keilbeinflügeln (und Flügelbeinen) und den senkrechten Gaumenbeintheilen , der Boden von dem Gaumensegel und der hintern Partie des harten Gaumens gebildet. Bei den höheren Säugethieren (und nur von diesen ist hier die Rede) ist wie die ganze Nasenhöhle , so auch dieser die eigentliche Nasenhöhle mit der Rachenhöhle verbindende Gang oder der Nasenrachengang viel länger als wie bei dem

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Menschen. Aus diesem Grunde sind die Flügelbeine und die senkrechten Platten der Gaumenbeine verhältnissmässig viel breiter ; die Verlängerung des Bodens des Nasenrachenganges wird durch eine grössere sagittale Ausdehnung des weichen Gaumens erzielt, sowie dadurch , dass die horizontalen Gaumenbeinplatten ebenfalls in sagittaler Richtung zunehmen und lediglich nur dem Boden des Nasenrachenganges angehören. Die Decke dieses Ganges *) wird nicht wie bei dem Menschen nur durch das Keilbein dargestellt, sondern erhält eine beträchtliche Verlängerung durch eine beson- dere dünne Knochenplatte , welche die Siebbeingegend (Regio olfactoria) von dem Nasenrachengang abscheidet. Es hat somit die Nasenhöhle der höheren Säugethiere, was ich als auffallenden Unterschied von der menschlichen Nasenhöhle hervorhebe, in ihrer hintern Hälfte in der That einen doppelten Boden, von welchen der obere die Riechgegend trägt, der untere die Regio respiratoria der Nasenhöhle fortsetzt. Diese dünne nach vorn in transversaler Richtung sich verbreiternde und daher ungefähr dreieckige Knochen- platte ist an ihrem vordem Rande halbmondförmig ausgeschweift, heftet sich mit ihrem medianen Rande an den obern Rand des Vomer , so dass sie wie eine flügeiförmige Ausladung desselben erscheint, und verbindet sich lateralwärts mit den Gaumenbeinen sowie, was ich an einem gerade vor mir liegenden Hundsschädel bemerke, selbst noch mit den Oberkieferknochen , wobei sie sich an der Begrenzung des Sinus maxillaris und der Siebbeinzellen betheiligt. Untersucht man das Verhältniss dieser aus je einem besondern Knochenkern sich entwickelnden und erst später mehr oder weniger vollständig mit dem Vomer verschmelzenden Knochen- platten zu dem dahinter liegenden vordem Keilbeinkörper , so stellen sie eine Verlängerung der ventralen Fläche derselben vor. Es erscheint daher die darüber liegende Partie der Nasenhöhle als die erweiterte Keilbeinhöhle. Eine besondere von der Nasenhöhle einigermassen abgeschiedene Keilbeinhöhle habe ich nicht gefunden. An dem Schädel des Menschen käme es zu demselben Re- sultat, wenn man die von der untern zur vordem Keilbeinwand

1) Ich beziehe mich auch in diesen die fertige Nasenhöhle der höheren Säugethiere betreffenden Angaben wiederum nur auf eigene Beobachtungen.

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sich aufliegenden Keilbeinmuscheln (Cornua sphenoidalia) in Ge- danken herabschlagen und zur Verlängerung des Bodens der Sinus sphenoidales benutzen würde. Die Keilbeinhöhlen wären dann von der Regio olfactoria der Nasenhöhle nicht mehr als beson- dere Nebenhöhlen abgeschieden. Aus diesem Vergleiche ergiebt sich sofort, dass die oben beschriebene dreieckige den Boden der Regio olfactoria der Säugethiere darstellende Knochenplatte in der That die Keilbeinmuschel des Menschen ist. Sie bilden mit einander gleichsam eine Zugbrücke , die bei dem Menschen aufgezogen ist zur Abschliessung der Keilbeinhöhlen , bei den Säugern dagegen herabgelassen und den ununterbrochenen Uebergang der Regio olfactoria der Nasenhöhlen in die Keilbeinhöhlen vermittelt. Wie wir später sehen , so ist die Uranlage dieser hintern Partie der Riechgegend schon in den Riechgrübchen des Embryo gegeben, welche somit zugleich die Uranlage der Keilbeinhöhlen darstellen.

Zur Begründung des durch das Verhalten der Keilbeinmuscheln bedingten auffallenden Unterschiedes menschlicher und Säugethier- köpfe berufe ich mich auch auf die in den beigegebenen Tafeln niedergelegten zahlreichen Abbildungen von Querschnitten. So stellt z. B. Taf. V, Fig. 12 den Frontalschnitt des Gesichtes eines Rindsembryo dar , dessen Nasenhöhlen von der Mundhöhle durch den bereits verknöcherten Gaumen geschieden sind. Vergleicht man damit einen die Nasenhöhle in ihrer hinteren Hälfte treffenden Frontalschnitt (Fig. 14), so bemerkt man über dem harten Gaumen noch einen zweiten dicken transversalen einstweilen durch Knorpel ge- stützten Boden , welcher die obere Partie der Nasenhöhle (Regio olfactoria) von der untern (Regio respiratoria) abscheidet. Letztere ist der Nasenrachengang, welcher hier durch den bereits ver- knöcherten niedrigen Vomer unvollständig halbirt wird. Die in der Decke des Nasenrachenganges enthaltenen Knorpelplatten (d) sind die Vorläufer der Cornua sphenoidalia und schliessen sich dem obern Rand des Vomer an. Legt man den Schnitt noch tiefer durch die hintere Keilbeingegend an (Fig. 15), so trifft man nur den Nasenrachengang b, an dessen von dem Keilbein gebil- deter Decke das hintere Ende des Vomer sich entwickelt.

Aehnliches zeigen auch die Frontalschnitte des Kopfes eines Schweinsfötus (Taf. IV) , jedoch mit dem Unterschied , dass hier

Dursy , Entwicklgsgesch. 7

98

der Nasenrachenkanal durch ein breites den Vomer enthaltendes Septum halbirt wird (Fig. 11, 12 und 13, w).

Vergleicht man damit die Frontalschnitte menschlicher Em- bryonen (Taf. VIII, Fig. 8 und Taf. VII, Fig. 13 und 14), so lässt sich ein ähnlicher Plan der Nasenbildung nicht verkennen. Be- sonders schön zeigt dies der in Fig. 13, Taf. VII dargestellte Schnitt , an welchem auf der einen Seite die obere Partie der Nasenhöhle (n) von der untern oder der Regio respiratoria (g) sich abzuscheiden im Begriffe steht. In Fig. 14 ist dieser Process fertig und der Nasenrachengang c von dem hintersten Ende der Regio olfactoria b geschieden. Der Unterschied von den Säuge- thieren besteht aber darin , dass die als Nasenrachengang abge- schiedene Nasenhöhlengegend weitaus die grössere ist, während die Regio olfactoria nur als ein unansehnlicher Rest übrig bleibt, welcher die Uranlage der Sinus sphenoidales darstellt. Aus den Figuren 14 und 15 der VII. Tafel ergiebt sich ferner, dass der unter beiden Keilbeinkörpern verlaufende und von den Partes horizontales der Gaumenbeine sowie von dem Gaumensegel ge- tragene eigentliche Nasenrachenkanal ursprünglich wie bei dem Rindsfötus unpaarig ist und eine nur unvollständige Theilung in zwei symmetrische Seitenhälften durch einen von der Decke herab- ragenden, das hintere Ende des Vomer enthaltenden Längswulst erzeugt wird. Erst später rückt der hintere Rand des Vomer nach hinten vor, um sich mit den Partes horizontales der Gaumen- beine zu verbinden.

Nachdem ich hiermit die Bedeutung der primitiven Mundhöhle angedeutet habe , deren Richtigkeit durch den späteren Verlauf der Entwicklung sich herausstellen wird , habe ich noch den Ein- gang in dieselbe oder die primitive Mundspalte zu besprechen. Am besten geschieht dies mit Hülfe des auf Seite 104 stehenden Holzschnittes XVII, welcher den Kopf eines 6 Millim. langen Rinds- embryo darstellt. Man unterscheidet an der sehr breiten Mund- spalte einen medianen geräumigeren und zwei laterale niedrigere Abtheilungen. Der mediane Theil bildet ein mit der Spitze ab- wärts gekehrtes Dreieck; seine von dem vordem Ende der Schädel- basis dargestellte Basis ist in der Mitte etwas flach ausgeschweift, da an dieser Stelle, wie der Querschnitt des vorderen Schädelendes

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(XVIII) zeigt, die Schädelbasis dünner ist als an beiden Seiten. Die untere, einen tiefen winkligen Ausschnitt darstellende Begren- zung wird von den beiden Seitenhälften des ersten Schlundbogens gebildet. Die beiden lateralen Abtheilungen der primitiven Mund- öffnung sind niedrige, schief ab- und rückwärts zwischen die Ober- kieferfortsätze (g) und die Seitentheile des ersten Schlundbogens (h) eindringende Spalten.

Fragt man nach der Bedeutung der primitiven Mundspalte, so ist zwar ihr mittlerer höherer Theil der Vorläufer der spätem Mundöffnung, zugleich aber auch der Eingang in den von der Mundhöhle noch nicht abgeschiedenen Nasenrachengang. Ferner steigt in diesen Theil der Mundöffnung der Stirnfortsatz, also die Nase, herab und von hier aus beginnt somit in der Richtung nach vorn die Bildung der vor der primitiven Mundhöhle liegenden Ge- sichtsgegend.

Die lateralen Theile der primitiven Mundspalte trennen den Oberkiefer von dem Unterkiefer und werden später durch die Weichtheile der Backen gedeckt.

Die erste Anlage des Gesichtes besteht, wie wir gesehen haben, aus der noch kurzen und niedrigen primitiven Mundhöhle, deren Decke von der Schädelbasis, deren Seitenwände von den Ober- kieferfortsätzen, deren Boden von dem ersten Schlundbogen ge- bildet wird. Die weitere Ausbildung zeigt sich hauptsächlich darin, dass die bisher an der seitlichen und vordem Schädelwand lie- genden Anlagen der Seh- und Geruchsorgane gegen das Gesicht herabrücken und ferner von dem Mundhöhlenboden das Ge- schmacksorgan sich erhebt. Namentlich sind es die Geruchsorgane (Riechgruben) , welche ihren Einfluss auf die Gesichtsbildung gel- tend machen; zu ihrer Aufnahme entwickelt das vor den Augen liegende vordere Schädelende einen mächtigen zum Gesicht herab- steigenden Fortsatz (Stirnfortsatz). Derselbe zerfällt in einen mittleren und in zwei laterale die Riechgruben zwischen sich fas- sende Abtheilungen (mittlerer und seitliche Stirnfortsätze) , welche somit die erste Anlage der Nase formiren. Ihr entgegen wächst von dem nach vorn verlängerten Mundhöhlenboden die Zunge, während die Oberkieferfortsätze zur Aufnahme der herabrückenden Augen nach vorn sich verlängern und sich zugleich an der Bildung

7*

100

der Nase betheiligen , indem sie sich mit den Stirnfortsätzen ver- binden. Es verlängert sich das anfangs sehr kurze Gesicht in der Richtung von hinten nach vorn und gewinnt dabei zur Auf- nahme der Zunge und der von oben heranwachsenden Nase an Höhe. Die Verlängerung geschieht erstens durch die vor der primitiven Mundhöhle entstehenden , also die Gegend der primi- tiven Mundspalte einnehmenden Nase, wobei zugleich die Ober- kieferfortsätze nachrücken , zweitens durch Ausdehnung des von dem ersten Schlundbogen abgehenden Mundhöhlenbodens. An Höhe gewinnt das Gesicht durch die von der Schädelbasis herab- steigende Nase und die ihr entgegenkommende Zunge, sowie durch die an Umfang bedeutend zunehmenden Oberkieferfortsätze. Diese zwischen dem Schädel und den ersten Schlundbogen sich ein- schiebenden Bildungen drängen den vor der Kopfbeuge liegenden Abschnitt der Schädelbasis mehr und mehr nach oben, womit die früher geschilderten Abänderungen des Kopfbeugewinkels zu- sammenhängen.

Nun erst kann man eigentlich von einem Gesichte sprechen, welches eine zur Aufnahme der genannten Sinnesorgane be- stimmte und die primitive Mundhöhle enthaltende Körpergegend darstellt. Die das Gesicht zusammensetzenden Bildungstheile sind theils Fortsetzungen der vordem und seitlichen Wand der Kopfdarmhöhle (erster Schlundbogen mit Unterkieferfortsätzen, Oberkieferfortsätze), theils des Schädels (Stirnfortsatz), die ich in dieser Reihenfolge einer Besprechung unterziehen will. Ich beginne mit dem ersten Schlundbogen und schicke eine Betrachtung der Schlundhöhle und der Schlundbügen überhaupt voraus.

Schlund- und Brusthöhle.

Wie ich schon bei einer andern Gelegenheit gezeigt habe, so wird die Bildung des Bauchrohres in Gestalt der sogenannten Kopfdarmhöhle früher eingeleitet als die des Rückenrohres. Unter- sucht man einen Hühnerembryo kurz vor dem Erscheinen der ersten Urwirbel , so bemerkt man nach aussen von den Rückenplatten und von diesen durch eine dünnere und daher durchsichtige Grenz-

101

zone geschieden , die Bauchplatten. Dieselben haben die Gestalt schmaler durch Verdickung des Embryonalschildes entstandener Streifen, welche nach aussen ganz allmählig und continuirlich in den durchsichtigen Fruchthof sich fortsetzen. Am Kopfende fliessen sie vor dem Schlussbogen der Rückenplatten ebenfalls bogenförmig zusammen und schlagen sich hier alsbald zur Bildung der Kopf- darmhöhle bauchwärts um. Entstehen unterdessen die ersten Ur- wirbel (Taf. II, Fig. 10), so überzeugt man sich, was ich schon früher gegen Remak geltend machte, dass die oben erwähnte helle Abgrenzungszone oder Grenzrinne zwischen Rücken- und Bauchplatten durchaus nicht auf den Rumpf sich beschränkt, son- dern den ganzen Kopf betrifft (vergl. auch die Figuren 11, 12 und 1 3 derselben Tafel). Auch in spätem Zeiten , wenn bereits das Bauchrchr bis zum Nabel sich geschlossen hat , erhält sich die Grenzfurche und kann, wie man an den auf Taf. I, Fig. 19 und 20 abgebildeten Säugethierembryonen bemerkt, entlang dem obern Rand der Oberkieferfortsätze unter dem Auge vorbei bis gegen vorderes Schädelende verfolgt werden.

Nachdem der Kopftheil des Bauchrohres oder die Kopfdarm- höhle eine gewisse Länge erreicht hat , so zerfällt dieselbe nach Remak beim Hühnchen in eine obere (den Embryo in vertikaler Haltung gedacht) in ihrer Wandung ungespaltene Hälfte , die er Schlundhöhle nennt, und in eine untere Hälfte, in welcher durch Spaltung die Bauchwand von der Darmwand sich trennt. Es zerfällt daher nach Remak die untere Hälfte der Kopfdarmhöhle in den Vorderdarm und in die obere unpaarige Partie derPleuro- peritonealhöhle oder die primitive Brusthöhle, die man auch Herz- höhle, Herzlücke, Halshöhle nennt. Eine genauere Untersuchung jedoch lehrt, wie Götte1) mit Recht geltend macht, dass auch die obere Hälfte der Kopfdarmhöhle oder die Schlundhöhle an der Bauchseite eine zur Aufnahme des Aortenendes des Herzens be- stimmte und aufwärts sich verschmälernde Fortsetzung der ge- nannten Spaltungslücke besitzt. Auch für den Menschen und die Säuger kann ich dieses Verhalten bestätigen , indem hier an der vordem Seite der Schlundhöhle die zur Aufnahme des Herzens

1) Beiträge z. Entwklg. d. Darmkanales. 1867. S. 9 u. 26.

102

bestimmte Spaltung der Bauchwand aufwärts bis zum untern Rand der primitiven Mundspalte, also bis zum oberen Rand des ersten Schlundbogens reicht. Allmählig zieht sich dann das obere Ende dieser Spaltungslücke aus dieser Gegend zurück , indem der erste Schlundbogen an Höhe zunimmt und über den Anfang der Spal- tung hinauswächst (vergl. den durch den Holzschn. XVI darge- stellten Medianschnitt des Kopfes eines Rindsembryo). An diesem Embryo sind in der Seitenwand der Schlundhöhle bereits die durch die Schlundspalten geschiedenen Schlundbogen entstanden und haben sich auch in der vordem Schlundwand (p o n m) mit ein- ander zu einem unpaarigen der ganzen Länge nach zusammen- hängenden Mittelstück verbunden. An der innern Oberfläche dieses Mittelstückes erkennt man das Gebiet der hier sich ver- bindenden Schlundbogenhälften an in die Schlundhöhle einsprin- genden flachen Wülsten, von welchen der obere (m) dem ersten, der mittlere (n) dem zweiten, der untere (o) dem dritten Schlund- bogen angehört. Ferner enthält die vordere Schlundwand eine Fort- setzung des Aorten- stammes des Herzens (s), welcher sich, schief von oben herabstei- gend, in die Mitte der vorderen Schlundwand einsenkt (vergl. Taf. I, Fig. 20, i und Fig. 21). Vor der Schlundhöhle liegt das Herz (s q r), sowie die obere Partie der dasselbe auf- nehmenden primitiven Brusthöhle. Es entsteht diese Höhle durch Spaltung der vordem Wand der ursprünglichen Kopfdarmhöhle in zwei Blätter, von welchen das tiefere die vordere Schlundwand bildet und auch die Schlundbogenhälften verbindet. Es ist daher falsch, wenn man diese mediane Verbindungshaut , die anfangs dünn ist , in neben-

Erklärung s. Seite 94.

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stehendem Holzschnitt aber bereits eine beträchtliche Dicke erreicht hat, als einen Theil der Membrana reuniens inferior auffasst; sie ist vielmehr die durch Spaltung der Bauchwand frei gewordene Darmfaserwand des Schlundes, während die Membrana renn. inf. bekanntlich die primitive Bauchwand ergänzt.

Das oberflächliche Spaltungsblatt der primitiven Brusthöhle (t u) beginnt an diesem Embryo mit einem dickern Wurzelstück am unteren Umfang des ersten Schlundbogens (m). An jüngeren Embryonen lag die Abgangsstelle hoher oben und unmittelbar an die Mundspalte angrenzend. Das Herabrücken erkläre ich mir dadurch, dass der an Höhe zunehmende erste Schlundbogen über die Abgangsstelle der primitiven Brustwand hinauswächst. Die vorläufige Brustdecke (t u) ist an ihrem Wurzelstück (von der vordem Schlundwand bis zu dem Buchstaben t) etwas dicker, be- steht aus dem Hornblatt und der Remak'schen Hautplatte, geht schliesslich in das Amnion über und ist daher die obere Partie oder der Brusttheil der Membrana reuniens inferior. Daraus geht hervor , dass diese Haut nicht als mediane Verbindungsmembran der Schlundbogen aufgefasst werden kann. Die Abgangsstelle der primitiven Brustdecke liegt, wie wir gesehen haben, in der Me- dianebene des Embryo am höchsten, indem sie hier von dem ersten Schlundbogen abgeht. Lateralwärts dagegen rückt der Ursprung tiefer herab und nähert sich zugleich dem Schädel- und Wirbel- rohr und zwar um so mehr, je weiter man ihn abwärts verfolgt (Taf. I, Fig. 20). Zur Erläuterung wähle ich die durch den Holzschnitt XVII (s. S. 104) gegebene Halbprofilansicht des Kopfes eines 6 Millim. langen Rindsembryo. Zwischen den beiderseitigen Schlundbogen- hälften bemerkt man eine dreieckige den Querschnitt des Arterien- stammes des Herzens (a) enthaltende Fläche , deren Spitze fast die Mundspalte erreicht. Die beiden abwärts divergirenden Be- grenzungslinien dieser Fläche bedeuten den Abgang der hier mit dem Herzen abgetragenen oberen Partie der Membrana reun. inf. oder der primitiven Brustdecke von der Schlundwand. Die da- zwischen liegende dreieckige Fläche, welche somit den Hintergrund der abgetragenen Brusthöhle 'darstellt, ist der mediane die beider- seitigen Schlundbogen verbindende Abschnitt der vordem Schlund- wand, in welcher die Fortsetzung des Arterienstammes des Herzens

104

um

xvm.

und der Anfänge der Aorten- bogen verlaufen , und wel- chen die Bedeutung einer durch Spaltung frei gewor- denen Darmfaserwand des Schlundes zukommt (vergl. auch Taf. I, Fig. 20).

Lehrreich ist auch die Profilansicht des durch den Holzschnitt XX, S. 105 dar- gestellten Kopfes eines Rinds- embryo , an welchem die ror dem Schlundtheil des Bauchrohres liegende Herz- höhle mit der umgebenden bruchsackartig vorgetriebe- nen primitiven Brustdecke (e b) erhalten ist (vergl. auch Taf.I, Fig. 19 und Taf. III, Fig. 14). Die im Holzschnitt XX links von e bis zu d vor den Schlundbogen herablaufende Linie bedeutet den Abgang der primitiven Brustdecke von der Schlundwand, also die Gegend, in welcher die Schlundwand sich in Bauchwand und Darmwand spaltet. Es reicht dieser Ursprung der Brustdecke aufwärts und der Medianlinie sich nähernd bis zur vordem Fläche des ersten Schlundbogens (oberhalb e). Aus diesen Angaben geht hervor , dass auch der an seinem obern Ende ur- sprünglich blind endigende Kopftheil des Bauchrohres in seiner vordem Wand in zwei Blätter sich spaltet, welche eine unpaarige bis zum untern Rande der Mundspalte reichende Fortsetzung der Pleuroperitonealhöhle begrenzen. Somit besteht, wie man an einem Medianschnitte (Holzsehn. XVI, S. 94) erkennt, das Kopfende des Bauchrohres aus zwei hinter einander liegenden Höhlen , von welchen die hintere die in die nachträglich entstehende Mundhöhle ausmün- dende Schlundhöhle der Embryologen (m o p k h), die vordere (p t u) die primitive Brusthöhle darstellt. Hierauf verlängert sich die Schlund- höhle, wobei sie sich über die davor liegende Brusthöhle nach oben hin-

XIX.

Figr. XVII. Nach der Natur grez. Kopf eines 6 Mallim. laueren Rindsembryo im Halbprofil. Eiechgruben sind keine vor- handen, a Querschnitt des Aottenendes des Herzens, g Oberkieferfortsatz, h Erster Schlundbogen.

Fig. XVIII. Frontalschnitt des vordem

Schädelendes dieses Embryo ; Gehirn wurde

entfernt.

Fig\ XIX. Frontalschnitt dieses Kopfes durch die Gegrend der Augen und der Ober- kieferfortsätze, b c Lateraler Theil des Oberkieferfortsatzes, d Medianer Theil desselben.

105

wegschiebt und zugleich rückt die Abgangsstelle der Brustdecke von der Schlundwand tiefer herab. Auf diese Weise bildet sich aus der über die Brusthöhle hinauswachsenden Schlundhöhle der Hals, welcher anfangs sehr kurz war und als sogenannte Schlund- höhle seine Lage hinter der Brusthöhle einnahm (vergl. den Holz- schnitt XXI, S. 113, XXII, S. 114, XXIII, S. 115, XXIV, S. 116.

Schlundbogen und Schlundspalten.

Die primitive Schlundhöhle ist die Anlage des vor der Wirbel- säule liegenden Abschnittes des Halses (Vorderhalses); ihr oberes in die primitive Mundhöhle einmündende Ende betheiligt sich an der Bildung des Gesichtes, indem ihre Seitenwände zu den Ober- kieferfortsätzen und ihre vordere Wand zu dem Unterkieferfort- satz sich verlängert.

Ihre Seitenwand wird durch vier von Rathke entdeckte Schlundspalten durchbrochen, die man beim Rinde in ihrer schön- sten Ausbildung an 6 12 Millim. langen Embryonen wahrnimmt (Taf. I, Fig. 19 und 20, Taf. III, Fig. 14). Wie man aus dem nebenstehenden den Kopf eines 6x/ä Millim. langen Rindsembryo darstellenden Holzschnitt XX ersieht, so beschränken sich die Schlund- spalten auf die Seitenwand des Schlundes und endigen bereits in eini- ger Entfernung hinter dem Abgang der primitiven Brustdecke (vergl. auch Holzschn. XVII, S. 104). Die erste oder oberste Schlundspalte ist die längste (Taf. I, Fig. 20) ; sie überragt die übrigen Schlundspalten sowohl in der Richtung nach vorn als nach hin- ten gegen das Schädelrohr. Ihr hinteres Ende (oberhalb a) wird Ohröö'nung u. s. w., stösst an das Schädelrohr an

Fig. XX. Kopf eine« 6'/aMm. langen Rindsembryo.

und unterbricht daher die Bauchplatte (1 c a) in ihrem Verlaufe zu dem Ober- kieferfortsatz (i). Die übrigen Schlund- spalten endigen in ihrem Verlaufe nach hinten gegen das Schädelrohr

a Wurzel des zweiten Schlundbo- gens. e b Primitive Brustdecke. c Kopfbauchplatte. 1 m Rumpf- bauchplaite. f Obere Extremität, d Gegend des Ductus Cuvieri. i Oberkieferfortsatz, k Seitlicher Stirnfortsatz. p Innerer Stirnfort- satz. o Flügel d. mittl. Stirnfort- satzes, r Gegend des Vorderhirns.

106

schon früher , wesshalb die dazwischen liegenden Schlundbogen durch die ursprüngliche streifenförmige Bauchplatte (d c a) wie durch eine gemeinschaftliche Wurzel in Verbindung gesetzt werden. Dabei schwillt der den zweiten Schlundbogen abgebende Abschnitt der Bauchplatte zu einem rundlichen von der übrigen Bauchplatte durch eine Furche (nicht durch eine Spalte) abgesetzten Hügel (a) an, hinter welchem man die Anlage des Ohrlab yrinthes (Taf. I, Fig. 20) bemerkt; über dem Hügel liegt das hintere Ende der ersten Schlundspalte oder die Ühröffnung. Niemals erreichen die Schlundspalten die vordere durch den Abgang der Brustdecke (Membr. reun. inf.) von der Seitenwand geschiedene Schlund- wand. Höchstens bemerkt man hier , wenn der Hals über die zurückweichende Brustwand sich hinaus verlängert und da- durch eine freie Fläche gewinnt, transversale in der Richtung der Schlundspalten verlaufende Furchen (vergl. Holzschn. XXI, S. 113, XXIII, S. 115, XXIV, S. 116).

Was die Schlundbogen betrifft , so erscheinen dieselben (Holzschn. XX) als Fortsätze der ursprünglichen neben der Wirbel- säule und dem Schädel verlaufenden streifenförmigen Bauchplatten (l c a i), welche auch die Extremitäten (f) abgeben. Reichert, welcher bekanntlich zuerst auf dieses Verhalten aufmerksam machte, nannte den Kopftheil der Bauchplatte „Kopfvisceralstreif" und die davon abgehenden lateralen Schlundbogen „Visceralfortsätze". Ueber das ursprüngliche Verhalten der Bauchplatten im Allgemeinen habe ich oben (S. 101) bereits einige Mittheilungen gemacht und auch schon W o 1 ff und B aer , welche uns mit diesen Streifen bekannt machten und sie Bauchplatten nannten , verstanden darunter die streifenförmige und ursprünglich ungespaltene , also die gemein- schaftliche Anlage der Bauch-1) und Darmwand enthaltende Partie des Embryonalschildes. Nach dem Eintritt der Spaltung zerfällt jede Bauchplatte in ein oberes und ein unteres aber immer noch streifenförmig verdicktes Blatt; für das obere die Grundlage der eigentlichen Bauchwand darstellende Spaltungsblatt behält Baer die Bezeichnung „Bauchplatte" bei. Er nennt sie auch zum Unter-

1) Die Bezeichnung »Bauch« gebrauche ich in dem bekannten weiteren Sinn, verstehe also darunter den vor der Gegend der Wirbelsäule und de3 Schädels oder dem Rücken im Allgemeinen liegenden Theil des Leibes.

107

schied von der primitiven Bauchplatte „eigentliche Bauchplatte" und unterscheidet daran wieder zwei Schichten , von welchen er die obere die Hautschichte (Hornblatt, Remak), die untere die Fleischschichte (Hautplatte, Remak) nennt. Da ich keinen trif- tigen Grund habe, von der durch Baer eingeführten und gewiss allgemein verständlichen Bezeichnung abzugehen , so kann man an der primitiven (ungespaltenen) Bauchplatte einen Rumpftheil und einen Kopftheil unterscheiden. Das oberste Ende des Kopf- theilß, was ebenfalls schon Baer erkannte, ist der Oberkieferfort- satz. Im Laufe der weitern Entwicklung jedoch unterscheidet sich der Kopftheil in wesentlichen Dingen von dem Rumpftheil. Unter- sucht man nämlich einen Säugethierembryo, dessen Bauchrohr sich bereits geschlossen hat, wie es bei dem durch den Holzschn. XX dargestellten Rindsembryo der Fall ist , so findet man die Bauch- platte des Rumpfes zur Bildung der Pleuroperitonealhöhlc gespalten und die jetzt neben der Wirbelsäule liegende streifenförmige Ver- dickung (m 1) ist das obere Spaltungsblatt der primitiven Bauch- platte oder die Baer 'sehe eigentliche Bauchplatte. Sie trägt die Extremitäten , ist aber immer noch und auch später längere Zeit hindurch sehr schmal und geht an ihrem lateralen Rande in eine dünne die vorläufige Bauchdecke (Membrana reun. inf.) bildende Haut über (Gegend zwischen in b 1). [Siehe S. 105.]

Was den neben dem Schädelrohr verlaufenden Kopftheil einer Bauchplatte (d c a i k) betrifft, so nimmt sich derselbe bei äusserer Besichtigung wie eine ununterbrochene Fortsetzung der Rumpf- bauchplatte aus und beide zusammen werden durch eine schon früher (S. 100) beschriebene Grenzfurche von dem Wirbel- und Schädelrohr geschieden. Der unterhalb des zweiten Schlundbogens liegende Abschnitt der streifenförmigen Kopfbauchplatte (c) ent- hält die Jugularvene ; ebenso enthält das angrenzende Stück der Rumpfbauchplatte (1) das obere Ende der Cardinalvene. Beide Venen fliessen zur Bildung eines Ductus Cuvieri zusammen, welcher in einer kurzen gemeinschaftlichen Fortsetzung (d) der hier zusammenstossenden Kopf- und Rumpfbauchplatten enthalten ist. Es verliert sich dieser Fortsatz in der durchsichtigen das Herz bedeckenden primitiven Brustdecke (e b) und bezeichnet die Grenze zwischen dem von den Schlundspalten durchbrochenen

108

Hals und dem übrigen Rumpf. Verfolgt man die streifenförmige hinter den Schlundspalten liegende Kopfbauchplatte aufwärts, so schwillt sie bei a zu einem runden die Wurzel des zweiten Schlund- bogens darstellenden Hügel an, welcher durch eine Furche von der übrigen Bauchplatte (c) sich absetzt. Somit gehen alle Schlund- bogen, mit Ausnahme des ersten, von einem ihre ununterbrochene gemeinschaftliche Wurzel darstellenden Streif ab. Oberhalb der verdickten Wurzel des zweiten Schlundbogens liegt die einen An- hang der ersten Schlundspalte darstellende Ohröffnung, welche das Schädelrohr berührt und somit die streifenförmige Kopf bauchplatte unterbricht. Weiter oben aber setzt die letztere ihren Lauf ent- lang dem Schädelrohr bis gegen das vordere Schädelende als so- genannter Oberkieferfortsatz fort (i k) und von ihm entspringt der erste Schlundbogen.

Die Kopfbauchplatte unterscheidet sich wesentlich von der Rumpfbauchplatte dadurch, dass sie nicht wie diese in eine eigent- liche Bauchplatte und in eine Darmplatte sich spaltet. Ferner unterscheidet sie sich dadurch, dass ihr vorderer Rand schon sehr frühe in bogenförmige durch transversale Spalten geschiedene dicke Fortsätze (Schlundbogen Rathke, Visceralfortsätzc Reichert) auswächst, welche sich rasch nach vorn verlängern und die primi- tive dünne Schlundwand verdicken. Verfolgt man diese Fortsätze von den ursprünglichen Bauchplatten aus in der Richtung nach vorn, so verlaufen sie zuerst in der Seitenwand des Schlundes, sind hier durch die Schlundspalten geschieden und zeigen wie die ihre Wurzel darstellende ursprüngliche Bauchplatte ebenfalls keine Ablösung der Darmwand von der eigentlichen Leibeswand. Wie jedoch Gott e beim Hühnchen ganz richtig hervorgehoben hat, so finde ich auch bei Säugethieren eine solche die Pleuroperitoneal- höhle ersetzende Abscheidung durch die in den Schlundbogen ver- laufenden Aortenbogen gegeben. Interessant ist auch die vonGötte beschriebene allmählige Fortsetzung der inneren die Darmwand darstellenden Lage zur hinteren der Schädelbasis anliegenden und hier nur durch das Darmdrüsenblatt dargestellten Schlundwand ; wir erfahren dadurch , dass die bleibende Darmwand im ganzen Tractus intestinalis aus entsprechenden Theilen der Embryonal- anlagen und auf analoge Weise entsteht.

109

Von diesen Fortsetzungen der ursprünglichen Kopfbauchplatte oder den Schlundbogen gewinnt, von der Seite gesehen, der erste oder oberste die grösstc Länge , die folgenden sind kürzer und die ge- ringste Länge zeigt der unterste Bogen (Holzschn. XX). Es hängt dies zum Theil auch damit zusammen, dass die Schlundhöhle nach oben sich erweitert, nach unten sich verengt. Bei ihrem Ueber- gang zur vorderen Schlundwand worden die Schlundbogen nicht mehr durch Spalten von einander geschieden , sie fliessen daher zusammen und ihre Trennung wird nur durch Furchen angedeutet, welche besonders bei Betrachtung der inneren der Schlundhöhle zugekehrten Oberfläche auffallen. Die so durch Furchen einiger- massen abgeschiedenen Schlundbogen jeder Seite vereinigen sich nun in der vordem Schlundwand zu einem unpaarigen sämmtliche Schlundbogen beider Seiten aufnehmenden Mittelstück (Holzschnitt XVI, m nop, S. 102). Auch hier lassen sich noch an jüngeren Embryonen die Schlundbogen durch flache Einsenkungen (XVI, zwischen m und n, sowie zwischen n o) von einander unterscheiden. Die Bezeichnung „Schlundbogen" gewinnt so eine doppelte Be- deutung ; man versteht darunter die durch Schlundspalten geschie- denen bogenförmigen Fortsätze der ursprünglichen Bauchplatte in der seitlichen Schlundwand ; man gebraucht aber diese Bezeichnung auch in einem weiteren Sinn , indem man die gleichen Schlund- bogen der beiden Seiten als Einen, daher unpaarigen Bogen auf- fasst. In diesem Sinn besteht dann ein Schlundbogen aus zwei Seitentheilen und einem medianen Verbindungsstück; das letztere gehört der vorderen Schlund wand, wird von den übrigen Schlund- bogen nicht mehr durch Spalten geschieden und erscheint von vorn gesehen nicht mehr convex , sondern flach eingesunken , weil die Schlundhöhle einen in sagittaler Richtung comprimirten Raum dar- stellt. Die dadurch entstehende flache Aushöhlung der vordem Schlundwand bildet den Hintergrund der das Herz enthaltenden primitiven Brusthöhle , deren Decke als sogenannte Membrana reun. inf. zu beiden Seiten der vordem Schlundwand entspringt und an jungen Embryonen bereits am untern Rand der primitiven Mundspalte beginnt (s. oben S. 102). Daraus ergiebt sich aber auch eine von der seitlichen Schlundwand verschiedene Zusammen- setzung der vordem Wand , indem sich diese in eine tiefere die

110

Erklärung s. S. 105.

eigentliche Schlundwand darstellende und in eine dünnere ober- flächlichere in die primitive Brustdecke übergehende Lage spaltet. An dem in dem nebenstehenden Holzschnitt XX dargestellten Kopf eines Rindsembryo ist das obere Ende der Brustdecke bereits bis in die untere Hälfte des ersten Schlundbogens herabgerückt (ober- halb e) und von hier aus steigt ihr Ursprung (hinter e) von der eigent- lichen Schlundwand schief rückwärts abwärts bis zur untern Grenze der Schlundhöhle (d). In dieser Richtung spaltet sich die Schlundwand in ähn- licher Weise wie die Rumpfwand. So lange die primitive Brusthöhle mit dem Herzen in dieser Höhle liegt , können somit die Schlundbogen auch nur von der Seite gesehen werden ; in dieser Ansicht verlaufen sie nicht parallel, sondern convergiren mit ihren an die Brustwand seitlich anstossen- den Enden. Dort angekommen gehen sie mit ihrer oberflächlichen Schichte, welche dem Hornblatt und der Hautplatte Remak's entspricht, in die dünne Brustdecke über; mit ihrer tieferen ihre eigentliche Fortsetzung darstellenden Schichte dagegen wenden sie sich zur vorderen thalförmig eingesunkenen vorderen Schlundwand (vergl. Taf. I, Fig. 20 und 21 , sowie Holzschn. XVII, S. 104). Sie erfahren deshalb beim Uebergang von der seitlichen convexen zur vorderen concaven Schlundwand eine Knickung, ähnlich dem Ellenbogenvorsprung der vor der Brust gekreuzten Arme, welche bei reiner Profilansicht (Taf. I, Fig. 19) ein scheinbar freies vor- deres Ende eines Schlundbogens vortäuscht.

Der oberste oder erste Schlundbogen (Holzschn. XX) erscheint am frühesten , geht mit einem niedrigeren Anfangsstück aus dem seine Wurzel darstellenden oberen Ende der Kopfbauchplatte (i) hervor und scheint dann im Profil gesehen mit einer mächtigen runden Anschwellung oder einem Kolben frei zu endigen (Taf. I, Fig. 19). Dieser scheinbare Endkolben ist jedoch nur die Stelle, an der sich der einen mehr in die Länge gezogenen Wulst dar- stellende Bogen zur vordem eingesunkenen Schlundwand wendet

111

(Taf. I, Fig. 20 und 21, und Holzschn. XVII, S. 104). Dort angelangt, nimmt er an Höhe und Dicke rasch ab und verbindet sich mit dem der andern Seite zu einem ganzen Bogen oder zu dem ersten Schlundbogen im weiteren Sinn und hängt auch an seiner vordem Fläche mit der primitiven Brustdecke zusammen.

Der zweite Schlundbogen zeigt eine sichel- oder schwertförmige Gestalt mit einem obern schwach concaven und einem untern stark convexen Rande (Taf. I, Fig. 20 und 21). Der Theil der ursprüng- lichen Kopfbauchplatte , von welcher der zweite Schlundbogen abgeht, ist zu einem vorspringenden Hügel (XX, a) verdickt (s. S. 105) und kann als rundliches Wurzelstück dieses Bogens beschrieben werden. Zwischen ihm und dem sichelförmigen Stück zeigt der untere Rand einen wirklichen Ausschnitt, welcher die hier begin- nende zweite Schlundspalte erweitert. Das in der Seitenansicht vordere Ende hängt mit der Brustdecke zusammen und wendet sich dann zur vordem Schlundfläche , wobei es zugleich schräg aufsteigt. Eine weitere Verfolgung dieses Bogens bis zur Median- linie der vordem Schlundwand ist wegen der hier angehefteten obern Partie der primitiven Brusthöhle nicht möglich. Nach Ent- fernung der Brustdecke und des Herzens wird zwar, wie der nebenstehende Holz- schnitt XVII zeigt , der me- diane Abschnitt der vordem Schlundwand blossgelegt, zeigt jedoch keine Spur ir- gend einer durch Furchen angedeuteten Abgrenzung der hier zusaminenfliessen- den Schlundbogen. Von der Schlundhöhle aus gesehen bemerkt man jedoch hier transversale sämmtliche Schlundbogen trennende Furchen, so dass man daher immerhin auch von einem zweiten, dritten und vierten unpaarigen Schlundbogen sprechen kann.

Die folgenden kürzeren Schlundbogen, nämlich der dritte und der vierte, entspringen breit von der ursprünglichen Kopfbauch-

XVII.

AVIL

-3-

XIX.

Erklärung s. S. 104.

112

platte , erreichen bei äusserer Betrachtung schon bald den mehr und mehr lateralwärts vorrückenden Abgang der Brustdecke und verhalten sich von da an ebenso wie der zweite Schlundbogen.

Was die Schlundspalten betrifft, von welchen die unterste die kürzeste , die oberste die längste ist , so unterscheidet sich die letztere von den übrigen noch dadurch , dass ihr Anfang nicht vor der ursprünglichen Bauchplatte, sondern in dieser selbst liegt. Es wird dadurch die Kopfbauchplatte in ihrem Verlaufe nach oben völlig unterbrochen (Holzschn. XX oberhalb a, S. 105). Dieses bis zu dem Schädelrohr gelangende hintere Ende der ersten Spalte oder die Ohröffnung kann somit nicht unbedingt als eine den übrigen Schlundspalten völlig gleichwerthige Lücke angesehen werden; auch scheidet sie sich sehr bald von dem davor liegen- den Theil der ersten Schlundspalte durch eine Substanzbrücke ab (XXI, S. 113).

Kiemendeckelartiger Fortsatz, Hals.

Wie der auf Taf. I, Fig. 19 abgebildete Kopf eines Rinds- embryo deutlich zeigt , so ist der dritte Schlundbogen nicht blos niedriger, sondern auch dünner als der zweite; der dünnste ist der vierte. Diese Dickenabnahme erzeugt in der untern Partie der seitlichen Schlundwand eine dreiseitige mit der ausgerundeten Spitze abwärts gekehrte Vertiefung, welche oben von dem untern Rand des zweiten Schlundbogens, hinten von dem vordem Rand der primitiven streifenförmigen Kopfbauchplatte und vorn von dem Ursprung der primitiven Brustdecke begrenzt wird. Die untere Spitze wird von dem obern concaven Rand des schon auf S. 107 beschriebenen Grenzstreifs zwischen Hals und Rumpf umfasst (XX, d), welcher den Ductus Cuvieri deckt. Dieses so entstan- dene untere seitliche von den drei unteren Schlundspalten durch- brochene Halsdreieck , welches eine flache Vertiefung darstellt, wird allmählig von dem untern Rande des zweiten Schlundbogens wie von einem Deckel überbrückt, wobei die aufliegende Deckel- fläche mit dem Grunde der genannten Halsgrube verschmilzt, während der hintere Rand des Deckels mit der streifenförmigen

113

Fig-. XXI. Kopf eines 1 Ctm. langen Rindsembryo.

Bauchplatte , der vordere Rand dagegen mit der davor liegenden Brustdecke verwächst.

Es entwickelt sich dieser Deckel aus dem untern convexen Rande des sichelförmigen Abschnittes des zweiten Schlundbogens, der dadurch die Gestalt eines breiten mit stark convexer Klinge versehenen Schwertes erhält , wie man sehr schön an dem auf Taf. III, Fig. 16 dargestellten Hühnerembryo wahrnimmt. An einem etwas älteren Rindsembryo (Holzschnitt XXI) hat sich dieser Rand bereits in einen abgerundeten dreieckigen Deckel (b) aus- gezogen , welcher die zweite Schlundspalte bereits überbrückt und eben im Begriffe steht, auch die dritte Spalte zu überschreiten. Hinter diesem den Deckel tra- genden Stück des zweiten Schlund- bogens erkennt man noch dessen der ursprünglichen Bauchplatte angehöriges rundliches Wurzel- stück (a). Auch hat sich jetzt das vordere aber noch sehr nied- rige Schlussstück des gesammten zweiten und dritten Schlundbogens frei gemacht, indem der Ursprung der primitiven Brustdecke bis in die Gegend des untersten Schlund- bogens herabgerückt ist. Sehr verändert hat sich auch der erste Schlundbogen, denn er ist höher geworden und zerfällt durch eine transversale Einsenkung in eine untere dem Halse verbleibende Partie und in eine obere oder den Unterkieferfortsatz , welcher bereits in der Richtung nach vorn zur Verlängerung des Mund- höhlenbodens vorwächst. Die über die Brusthöhle hinaus gewach- sene und dadurch frei gewordene vordere Fläche des Schlundes oder des Halses zeigt unterhalb der genannten Einsenkung des ersten Schlundbogens noch zwei andere Furchen, von welchen die obere den ersten Schlundbogen von dem zweiten und die un- tere den zweiten Schlundbogen von der darauf folgenden Hals- wand abscheidet. Die erste Furche liegt in der Richtung der

;i Rundliches Wurzelstück des zweiten Schlundbogens. b Kiemendeckelartiger Fortsatz desselben. c Kopfbauchplatte, d Gegend des Ductus Cuvieri. k Seit- licher Stirnfortsatz. p Innerer Stirnfort- satz, o Zwischenkiefer.

Dursy, Entwicklgsgesch.

8

114

ersten Schlundspalte, ohne jemals eine solche zu sein. Die eigent- liche erste Schlundspalte liegt seitlich und ist an diesem Embryo noch offen. Durch eine den ersten mit dem zweiten Schlundbogen verbindende Substanzbrücke wird sie von der dahinter liegenden Ohröffnung (XXI oberhalb a) geschieden. Was die zweite dicht darunter liegende Querfurche betrifft, die ebenfalls niemals eine die Schlundwand durchbrechende Spalte war, so verläuft diese in der Richtung des untern steil absteigenden Randes des zweiten Schlund- bogens. Das zwischen diesen Furchen liegende noch sehr nied- rige Bogenstück scheint bei dieser Ansicht nur das unpaarige Verbindungsstück der beiden Seitenhälften des genannten Bogens zu sein. Eine genauere Untersuchung ergiebt jedoch , dass hier der zweite und der jetzt völlig ,ron ihm gedeckte dritte Schlund- bogen zu einem einzigen unpaarigen Mittelstück sich verbunden haben.

Allmählig rückt der Kiemendeckel weiter herab (vergl. den in nebenstehendem Holzschnitt XXII dargestellten Kopf eines Rinds- embryo), wobei er (b) sämmtliche Schlundspalten verschliesst und' mit den dazwischen liegenden Schlund- bogen verschmilzt. Noch immer hat er eine dreieckige mit der Spitze abwärts gekehrte Gestalt, legt sich aber bereits mit seinem hintern Rand an die Kopfbauchplatte an. Der Hals ist an seinem vordem Umfang höher geworden und zeigt die schon oben beschriebene Einsenkung des ersten Schlundbogens sowie die beiden darunter liegenden Querfurchen. Die k, stiinnasenfurche. p, Mittlerer stim- Einsenkung des ersten Schlund-

fortsatz. o, Zwisehenkiefer.. r, Unter- . / 1 i \ 1

kiefertortsatz. s, Erster Schluudbogen. DOgenS (zwischen S und r) hat an a, Grenzfurche zwischen Hals und Schä-

dei. b, Untere Haisgregend. d , Gegend Tiefe bedeutend zugenommen, so

des Ductus Cuvieri.

dass sie nun ebenfalls eine Quer- furche darstellt, welche von dem bereits vorgewachsenen Unter- kieferfortsatz überragt wird. Das ehemalige rundliche unter der Ohröffnung gelegene Wurzelstück des zweiten Schlundbogens (a)

Fig. XXII. Kopf eines 1,6 Ctm. langen Kindsembryo.

115

ist nicht mehr als eine besondere Bildung zu unterscheiden. Die vor der Ohröffnung beginnende erste Schlundspalte ist noch völlig offen und in ihrer Richtung verläuft die den ersten Schlundbogen abwärts abgrenzende Querfurche des vordem Halsumfanges. Sehr deutlich zeigt es sich hier, dass die untere Hälfte des ersten Schlundbogens dem Halse verbleibt und dessen oberste an den Mundhöhlenboden anstossende Partie (Zungenbeingegend) darstellt. Das unterhalb der Grenzfurche des ersten Schlundbogens folgende Stück der vordem Halsfläche verhält sich so, wie oben angegeben wurde, nur ist es höher geworden, indem auch das vordere Schluss- stück des früheren vierten Schlundbogens mit ihm verschmilzt. Die darunter liegende und seitwärts am vorderen Rand des Kiemen- deckels (b) absteigende Furche trennt den letztern von der noch übrigen untersten Halspartie , welche von Anfang an unterhalb der untersten Schlundspalte lag und den Uebergang des Halses in den Rumpf vermittelte. Ihre untere Grenze ist jedoch auch jetzt noch durch die Gegend des Ductus Cuvieri (d) markirt; nach vorn geht sie in die Brustdecke über und nach hinten und oben berührt sie den mit der Unterlage völlig verschmolzenen Rand des Kiemendeckels (man erlaube mir der Kürze halber diesen Ausdruck).

Im Laufe der Entwicklung **: xx^ ^SaSSS^S!"^ 1&n" verwischt sich jedoch in Folge einer ™™.

gleichmässigen Verdickung auch in dieser Gegend jedeAbgrenzung (vergl. den Kopf eines Rindsembryo Holz- schnitt XXIII). Der noch immer sehr kurze Hals ist umfänglicher geworden. Unterhalb der geschlos- senen und verkleinerten Mundspalte folgt der den Boden der Mundhöhle darstellende Unterkieferfortsatz und

,. n i l tp u/ !■ *> Wulst über und hinter dem Auge.

hieraut durch eine .furche (a, die 0 , Zwischenkiefer, a, Grenzfurche zwi-

. . . i •• . \ sehen Unterkiefertheil und Halstheil des

manZungenbemfurche nennen konnte) ersten schlundbogens, die man zungen-

beinfurche nennen könnte, h, Halstheil geschieden die untere dem Halse des früheren ersten Schlundbogens; da- ° hinter die Anlage des äussern Ohres.

verbleibende Partie des früheren °> untere Haisgegend.

ersten Schlundbogens (h). Die zwischen h und b verlaufende

8*

116

Furche ist die frühere jetzt schräg nach hinten absteigende Grenzfurche zwischen dem Gebiete des ersten und zweiten Schlund- bogens. Die noch an dem vorhergehenden Embryo daran sich anschliessende erste Schlundspalte, die sich somit am längsten er- hält, ist jetzt spurlos verschwunden. Hinter h liegt die Ohröffnung, deren Rand sich zur Bildung des äusseren Ohres erhebt. Die

durch b bezeichnete Gegend erscheint

Fig-. xxiv. Kopf eines 2,2 ctm. jetzt gleichförmig verdickt und ent- lang-en Rindsembryo. . . ., . .

hält an dem vorhergehenden Embryo

J[Xiy den kiemendeckelartigen Fortsatz

sowie noch eine zweite Furche in der vordem Halsgegend. Alle diese Abgrenzungen sind in Folge aus- gleichender Verdickungen verschwun- den und da diese Verdickung auch auf die angrenzende Brustdecke sich erstreckt, so erscheint jetzt der Hals verhältnissmässig etwas kürzer als an dem vorigen Rindsembryo.

Alsbald aber streckt er sich wieder (Holzschn. XXIV), die Mund- spalte wird kürzer und die Furchen der vordem Halsseite gehen ihrer Ausgleichung entgegen. Auffallend dünn erscheint hier das Grenzgebiet zwischen Hals und Rumpf.

8, Halstheil des ersten Schlundbogens. u, AeusseresOhr. b, Untere Halsgegend.

Unterkieferfortsatz , Zunge.

Von den beiden Seitenhälften, welche den ersten Schlundbogen zusammensetzen (vergl. S. 110), bildet jede an jüngeren Säuge- thierembryonen (Holzschn. XVII, S. 104, und Holzschn. XX, S. 105) einen halbovalen Kolben mit zwei dünneren Enden , von welchen das hintere aus dem in einen Oberkieferfortsatz sich furtsetzenden Kopfende der Bauchplatte (XX , i) abgeht , das vordere an der vordem Schlundwand mit dem der andern Seite sich verbindet und den mittleren winklig ausgeschnittenen untern Rand der Mund- öffnung darstellt (S. 98). Der untere Rand eines Kolbens ist mehr

117

gerade oder nur schwach convex, sehr gewölbt und bei seitlicher Betrachtung wie zu einem runden Hügel sich erhebend ist der obere die Mundspalte begrenzende Rand. Wie ich zum Theil schon oben (S. 111) angegeben habe, so nimmt der Kolben nach seinem Uebergang zur vordem Schlundwand an Höhe und Dicke ab, so dass der erste Schlundbogen von vorn gesehen in der me- dianen Zone thalförmig eingesunken und an seinem obern Rand winklig ausgeschnitten erscheint (vergl. Taf. I, Fig. 19, 20 und 21).

Alsbald aber nimmt der ganze Schlundbogen an Dicke und besonders an Höhe zu und es wachsen aus seinem obern Rand vier Hügel hervor, welche zusammen einen gegen die Mundspalte convexen Aufsatz oder den sogenannten Unterkieferfortsatz for- miren (Taf. I, Fig. 2 und 3). Die beiden seitlichen und längeren Hügel haben sieh aus den früheren kolbigen Seitenhälften des Schlundbogens hervorgebildet. Die beiden mittleren kleineren und mehr rundlichen Hügel erfüllen den früheren winkligen Aus- schnitt des obern Schlundbogenrandes , übertreffen an Höhe die seitlichen Hügel und werden, wie ich es bei dem Rinde und Schafe finde, durch einen medianen keilförmig sich einschiebenden hohen Zwickel geschieden. Beide mittlere Hügel mit ihrem Zwickel bilden den höchsten Theil des ersten Schlundbogens, kommen an Breite dem darüber liegenden und ihnen entgegen wachsenden Stirn- fortsatz gleich und bilden gleichsam ein die spätere Kinngegend darstellendes Zwischenkieferstück des Unterkieferfortsatzes.

Es enthält der Unterkieferfort- satz die Anlage der Knochen und Weichtheile des Bodens der Mund- höhle und in ihm entwickelt sich als vorläufige Stütze der MeckePsche Knorpel. Indem sich der Unter- kieferfortsatz nach vorn in der Rich- tung gegen das vordere Schädelende verlängert und dadurch den Boden der Mundhöhle vergrössert, bildet sich zwischen ihm und der darunter

liegenden ursprünglichen Partie des Erklärung s. s. im.

ersten Schlundbogens, woraus der obere Theil der vordem und

118

seitlichen Halsgegend hervorgeht, die von dem Unterkieferfortsatz überragte Grenzfurche. Dieselbe scheidet den Mundhöhlenboden von dem Hals und liegt in der nebenstehenden Abbildung eines Rindsembryo zwischen r (Unterkieferfortsatz) und s (erstem Schlund- bogen). Indem sich der Unterkieferfortsatz entsprechend der Ver- längerung des Gesichtes und des Schädels horizontal nach vorn schiebt, wird der Mundhöhlenboden ausgebildet und es entspricht die erwähnte Grenzfurche der spätem Zungenbeingegend.

Auch bei dem Menschen entwickelt sich der Unterkieferfort- satz in Gestalt von vier flachen Hügeln auf dem oberen Rand des ersten Schlundbogens , die man sehr schön in den Abbildungen verschiedener menschlicher Embryonen bei C o s t e erkennt. Den medianen Zwickel vermisse ich. Einer dieser Embryonen , der nach Coste *) 35 Tage alt ist, zeigt in Fig. 3 sehr deutlich den aus vier flachen Höckern zusammengesetzten Unterkieferfortsatz, welcher durch eine Furche, die ich oben bei den Rindsembryonen Zungenbeinfurchc genannt habe , von dem ursprünglichen dem Halse verbleibenden ersten Schlundbogen geschieden ist und aus welcher der Mundhöhlenboden nebst dem Unterkiefer sich ent- wickelt. Die beiden mehr rundlichen und den höchsten Theil des Unterkieferfortsatzes bildenden Hügel sind durch einen medianen flachen Ausschnitt geschieden, welcher bei den Rinds- und Schafs- embryonen durch einen medianen Zwickel ausgefüllt wird. Es bilden diese beiden der spätem Kinngegend angehörigen Hügel mit einander ein dem mittleren Stirnfortsatz an Breite gleichkom- mendes Mittelstück des Unterkieferfortsatzes , welches man Kinn- stiiek nennen könnte. Zu beiden Seiten folgen durch flache Aus- schnitte geschieden die längeren aber weniger hohen lateralen Hügel des Unterkieferfortsatzes. In der citirten Figur von Coste ist der erste Schlundbogen herabgeschlagen, daher die Seitenhügel höher zu stehen scheinen , man vergleiche daher Fig. 2 derselben Tafel. Der unter dem Unterkieferfortsatz liegende ursprüngliche erste Schlundbogen erscheint von vorn gesehen etwas abgeflacht, gehört der obersten Halsgegend an und wird durch eine tiefer liegende Furche von dem folgenden Schlundbogen geschieden.

1) Developpement des Corps organises, espece humaine. PI. 4a.

119

Auch in Fig. 1 der genannten Tafel von Coste erkennt man im Profil den von dem Unterkieferfortsatz erzeugten aber noch wenig vorspringenden Wulst, welcher durch eine flache Furche von der untern dem Halse verbleibenden Hälfte des ersten Schlundbogens getrennt wird. Derselbe Embryo findet sich auch inKölliker's Entwicklungsgeschichte S. 134 abgebildet, jedoch ist daran die Zusammensetzung des Unterkieferfortsatzes aus vier durch flache Furchen geschiedenen Hügeln nicht zu sehen. Sehr deutlich aber erkennt man die durch die Zungenbeinfurche markirte Abschei- dung des ersten Schlundbogens in einen obern hufeisenförmigen Aufsatz (Unterkieferfortsatz) und in eine untere dem Halse ange- hörige Partie.

An einem 40 Tage alten von Coste (PL Va) abgebildeten menschlichen Embryo bemerkt man im Profil eine von der Ohr- öffnung nach vorn verlaufende Furche, welche das Gebiet des ersten und zweiten Schlundbogens sondert. Der erste Schlund- bogen zeigt an seinem vordem Umfang die Zungenbeinfurche und darüber den schon weiter vorgeschobenen Unterkieferfortsatz.

An einem von mir aufTaf. VI, Fig. 13 dargestellten 1,3 Ctm. langen menschlichen Fötus , dessen erster Schlundbogen herabge- schlagen ist, zeigt derselbe ebenfalls einen jedoch noch sehr nied- rigen und noch nicht in besondere Hügel geschiedenen Unter- kieferfortsatz , welcher wie ein niedriger in der Zeichnung hell gehaltener Aufsatz dem ersten Schlundbogen aufliegt und von demselben durch eine Furche sich absetzt. Die Abgrenzung des letztern von der Gegend des früheren zweiten Schlundbogens ge- schieht durch eine rückwärts in die Ohröffnung einmündende bo- genförmige Furche , die in dem Stich zu scharf hervorgehoben wurde; durch diesen Fehler entsteht hier das Bild eines breiten abgerundeten mit der Convexität abwärts gerichteten Kinns. Letz- teres aber erhebt sich später aus dem darüber liegenden Unter- kieferfortsatz, hinter welchem die Zunge hervorsieht.

An einem etwas älteren 1,8 Ctm. langen menschlichen Fötus, dessen Gesicht ich auf Taf. VI, Fig. 1 1 dargestellt habe, bemerkt man die Anlage der spätern Kinngegend an einem in die Mundspalte eindringenden abgerundetenVorsprung, der aber an diesemKopfe keine Trennung in zwei Hügel erkennen liess; im Profil gesehen (Fig. 10)

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erkennt man die Grenze zwischen erstem Schlundbogen und der darüber liegenden Gegend an einem vordem Einschnitt, der rückwärts in der Richtung gegen die Ohröffnung in eine kurze Furche ausläuft. Der obere Rand des ersten Schlundbogens war als Unterkieferfortsatz schon nach vorn verlängert und durch die Mundspalte von dem in gleicher Richtung verlaufenden Oberkiefer- fortsatz geschieden ; ich konnte jedoch hier eine Zungenbeinfurche nicht bemerken.

Alsbald wird der aus dem obern Umfang des ersten Schlund- bogens hervorgewucherte Unterkieferfortsatz von dem M eck er- sehen Knorpel gestützt, den ich bereits an einem 1,9 Ctm. langen in Fig. 2 der sechsten Tafel abgebildeten menschlichen Fötus fand. Wie man dort an den Durchschnitten der Seitenhälften des ersten Schlundbogens bemerkt , so liegen die Meckel'schen Knorpel dem obern Rande desselben viel näher ; sie nehmen nämlich ihren weitern Verlauf nicht in der ursprünglichen dem Halse verblei- benden Partie dieses Schlundbogens, sondern in dessen Unter- kieferfortsatz , den sie stützen. Ihre Lage zu dem später ent- stehenden Unterkieferknochen ist bekannt und lässt sich am besten an Durchschnitten erkennen (vergl. Taf. II, Fig. 5 und 7 ; Taf. IV, Fig. 9 und 15; Taf. VII, Fig. 8); in der Kinngegend kommen beide Knorpel zusammen (Taf. II, Fig. 2 und 3; Taf. IV, Fig. 14; Taf. IX, Fig. 7).

Bei dem Menschen fliessen die Meckel'schen Knorpel nicht, wie z. B. bei dem Rinde, zu einem unpaaren Stück zusammen, sondern verlaufen parallel nebeneinander noch eine Strecke weit in dem Unterkiefer zwischen Protuberantia mentalis interna und externa nach vorn , sind jedoch durch eine breite Faserschichte, welche ähnlich wie in der Schambeinfuge die beiden Unterkiefer- knochen verbindet, von einander geschieden. Sie erhalten sich in dieser Gegend das ganze fötale Leben hindurch und auch bei Neugeborenen fand ich noch Reste. Diese Gegend zwischen dem inneren und dem äusseren Kinnhöcker ist es auch, in welcher bei Neugeborenen zwischen die verknöcherten Unterkieferhälften zu beiden Seiten der sie verbindenden Faserschichte je ein rund- licher besonderer Knochenkern *) eingeschaltet ist. An dem vor- 1) Auch Arnold beschreibt diesen Knochenkern in seinem Lehrb. d. Anatomie.

121

dem inneren Umfang dieser Zwischenkieferknochen finde ich noch nach der Geburt einen nicht unbedeutenden Rest des Mcckel'- schen hyalinen Knorpels , auf dessen Kosten der Knochenkern wächst. An Querschnitten dieser Gegend erscheint daher jeder Meckel'sche Knorpel als eine Scheibe, deren mediane Hälfte zwar noch deutlich erhalten und scharf durch ein Perichondrium von der medianen Faserknorpelschichte beider Unterkieferhälften ge- schieden ist ; die laterale Hälfte dagegen ist von dem angrenzenden Knochenkern nicht abgesetzt, sondern dessen Bälkchen treten in den Knorpel unmittelbar ein und verlieren sich darin (Taf. IX, Fig. 7).

Was die oben beschriebenen Hügel betrifft, aus denen sich der Unterkieferfortsatz zusammensetzt, so wurden dieselben auch von Reichert1) an Schweinsembryonen gesehen; jedoch fand Reichert hier nur vier Hügel.

Zange.

Die Zunge entsteht bei dem Menschen und den von mir un- tersuchten Säugethieren aus der inneren Oberfläche der drei oberen Schlundbogen und zwar entwickelt sich ihr ursprünglich paariger Körper aus den kolbig verdickten Enden beider Seitenhälften des ersten Schlundbogens, während die unpaarige Anlage der Zungen- wurzel eine Wucherung des Schlussstückes des zweiten und dritten Schlundbogens darstellt. Auf Taf. I, Fig. 18 habe ich die der Innenfläche der drei oberen Schlundbogen aufliegende Zunge eines 1,15 Ctm. langen Rindsembryo dargestellt. Der dem ersten Schlund- bogen aufliegende Zungenkörper besteht aus zwei nach hinten sich verschmälernden Seitenhälften, die durch ein breites Thal von einander geschieden werden. Im Grunde der letztern bemerkt man eine keilförmig sich einschiebende breite Leiste, welche hinten in die Zungenwurzel übergeht. Die eine dreiseitige Platte darstellende Zungenwurzel erstreckt sich mit einer hinteren abgerundeten Spitze bis zu dem Kehlkopf herab und gewinnt ihre grösste Ausbreitung hinter dem paarigen Zungenkörper, woselbst sie auch noch von dem Grenzgebiet des ersten und zweiten Schlundbogens ihren Ursprung ableitet. In den Figuren 2, 20 und 21 erblickt man durch die

1) Müll. Archiv. 1837.

122

Mundspalte hindurch das Epitheliura , welches sich von dem dar- unter liegenden aus zwei Seitenhälften bestehenden vordem Ende der Zunge blasig abgehoben hat.

Auf Taf. VI, Fig. 12 wurde die Zunge eines 1,8 Ctm. langen menschlichen Embryo dargestellt und man erkennt auch hier eine durch eine mediane Leiste (e) angedeutete paarige Anlage des Zungenkörpers (d). Von der dahinter liegenden Zungenwurzel (c) wird die Leiste durch eine tiefe winklig gebrochene Spalte abge- grenzt, welche sich nach beiden Seiten in eine seliief nach vorn und lateralwärts verlaufende Grenzfurche zwischen Zungenwurzel und Zungenkörper fortsetzt. In dieser Furche entstehen die Pa- pulae circumvallatae ; ein Rest der Spalte, in welche diese Grenz- furche medianwärts sich vertieft, erhält sich als Foramen coecum.

Auch an einem älteren 3,8 Ctm. langen menschlichen Fötus zeigt der Zungenkörper noch deutlich eine durch eine mediane Furche angedeutete Theilung und auch von der Zungenwurzel wird er noch durch eine winklig gebrochene tiefe Furche schart abgeschieden. Die spaltenförmig vertiefte mediane Partie dieser Grenzfurche wird Foramen coecum.

Die in den Figuren 13 und 14 dargestellten Köpfe mensch- licher Embryonen zeigen den in seiner Anlage doppelten Zungen- körper in seiner Lage in der Mundhöhle.

Wenn sich die Zunge von ihrer Unterlage erhebt und in der Richtung nach vorn an Länge zunimmt, erfüllt sie alsbald den ganzen Raum der Mundhöhle und des Nasenrachengangs j sie liegt daher der Schädelbasis und der daselbst entstehenden breiten Nasen- scheidewand dicht an (vergl. Taf. II, Fig. 1, 2, 3, 5 und 7). Erst mit dem Beginn der Gaumenschliessung weicht sie und zwar zu- erst mit der Spitze von der Schädelbasis zurück.

Oberkieferfortsatz.

Ein Oberkieferfortsatz ist die entlang der Seitenwand des Spheno-Ethmoidaltheiles des Schädels sich fortsetzende Verlänge- rung der ursprünglichen streifenförmigen Kopfbauchplatte (vergl. S. 92, 101 und 106). An einem 6—10 Millim. langen Rindsembryo

123

Erklärung s. 8. 105.

(Holzschnitt XX) hat er, von aussen gesehen, die Gestalt eines dreieckigen Lappens (i) , woran man zwei Ränder, zwei Flächen und eine vordere Spitze unterscheidet. Der obere convexe unter dem Auge vorbei ziehende und seiner ganzen Länge nach an den Schädel geheftete Rand Avird von diesem durch eine Furche geschieden , welche eine Fortsetzung der den Rücken von dem Bauch schei- denden Grenzfurche (S. 101 und 107) darstellt (vergl. auch Taf. I , Fig. 20). Der untere ebenfalls convexe gegen die Spitze jedoch coneave Rand bildet die obere Begrenzung des lateralen Theils der Mundspalte. Die ebenfalls mit dem Schädel verwachsene Spitze erreicht nicht das vordere Schädelende , sondern endigt in einiger Entfernung vor dem Auge am hintern unteren Umfang der Riechgrube.

An einem Frontalschnitt des Oberkieferfortsatzes überzeugt man sich, dass derselbe vielmehr eine dreiseitige Pyramide ist, deren nach hinten gerichtete Basis (XX , i) aus dem Theil der Kopfbauchplatte sich entwickelt , welcher auch den ersten Schlundbogen abgiebt. Der nebenstehende Holzschnitt (XIX) stellt einen durch die Gegend der Augen geführten Frontal- schnitt des Kopfes eines 6 Millim. langen Rindsembryo dar und man unterscheidet an dem Oberkieferfortsatz eine laterale (b c), eine me- diane (c d) und eine obere Fläche (b d) sowie einen untern Rand (c). Die obere Fläche, die an diesem Fron- talschnitt ungefähr durch eine Linie ausgedrückt wer- den kann, welche oberhalb d dicht unter der Schädelbasis beginnt

Ml.

XVlll.

Erklärung s. S. 104.

124

und unter dem Auge zu dem Punkt b geführt wird, ist nicht frei, sondern mit dem Schädel so verbunden , dass der ganze Ober- kieferfortsatz nur als eine laterale das Auge tragende Ausladung des untern Schädelumfangs erscheint. Von den beiden übrigen Flächen ist die laterale gewölbt und oben durch die schon öfters erwähnte Grenzfurche (b) von der Seitenwand des Schädels ge- schieden. Darüber bemerkt man einen kleinen dem Auge ent- sprechenden Hügel , welcher die in der Einstülpung begriffene Augenblase enthält (in Holzschnitt XVII bemerkt man diesen Hü- gel über dem vordem sich zuspitzenden Ende des Oberkieferfort- satzes). Vergleicht man damit den dieselbe Gegend betreffenden Frontalschnitt eines in der Entwicklung etwas weiter fortgeschrit- tenen Kaninchenembryo (Holzschnitt XXVII, S. 133), so bemerkt man auch hier diesen über der Grenzfurche c liegenden aus dem Hornblatt und der Hautplatte bestehenden Augenhügel (b), dessen Mitte mit Hinterlassung einer kreisförmigen Oeffnung zur Bildung einer Grube sich eingesenkt hat, welche die entgegen kommende Augenblase einstülpt.

Die mediane Fläche des Oberkieferfortsatzes (XIX, c d) be- ginnt unmittelbar an der Schädelbasis (oberhalb d) und steigt schräg nach aussen zum untern Rand (c) herab. In diesem Ver- laufe zerfällt sie durch eine zwischen c und d liegende flache Bucht in einen medianen (d) und in einen tiefer stehenden late- ralen Abschnitt c (vergl. auch Taf. I, Fig. 14). Mit Hülfe dieser Abscheidung der medianen Fläche in zwei Abtheilungen kann man nun den gesammten Oberkieferfortsatz in zwei diesen entsprechende Portionen trennen, nämlich in einen lateralen höheren (b d) und in einen medianen niedrigeren Theil (d). Jener enthält die Anlage der Lamina ext. des Proc. pterygoideus des Keilbeins , des Ober- kiefers, des Jochbeins und der dazu gehörigen Weichtheile, dieser die Anlage der Lamina int. des Proc. pterygoideus der senk- rechten Gaumenplatte und der betreffenden Weichtheile. Ferner entwickelt sich aus dem medianen Theil und zwar durch Ver- längerung der an der medianen Fläche sichtbaren flachen Er- habenheit (d) eine Gaumenplatte; die lateral wärts davon liegende flache Aushöhlung bedeutet die Gegend, in welcher die Zähne und Zahnfortsätze sich entwickeln.

125

Deutlich zeigt dieses Verhalten des Oberkieferfortsatzes der auf Taf. I, Fig. 14 abgebildete durch den hintern Umfang der Augen gelegte Frontalschnitt des Gesichtes eines 1,9 Ctm. langen Rindsembryo. Auch hier besitzt der an seiner ganzen Schnitt- fläche punktirte Oberkieferfortsatz (d) einen lateralen dickeren und höheren, sowie einen kleineren medianen Theil. Von der Mund- höhle aus gesehen erscheint der mediane Theil als ein mit der Wölbung abwärts schauender und von dem lateralen Theil durch eine flache und breite Furche geschiedener Wulst, dessen aus der Schädelbasis hervorgehende Wurzel von letzterer durch eine schmale Furche sich absetzt.

Der zwischen beiden Oberkieferfortsätzen liegende Raum ist die primitive Mundhöhle (S. 95) , wie der in Holzschnitt XVI ab- gebildete Medianschnitt des Kopfes eines 6*/2 Millim. langen Rinds- embryo zeigt. Mit v ist die mediane Fläche des linken Oberkieferfurt- satzes bezeichnet ; dar- über liegt die an der Rathke'schen Tasche (1) beginnende Basis des Spheno - Ethmoidaltheils des Schädels , darunter aber folgt der laterale Theil der primitiven Mundspalte. Aus dieser medianen Fläche ent- wickelt sich das Flügel- bein und die senkrechte Erklärung s. s. 91. Gaumenbeinplatte, also überhaupt die Seitenwand des Nasenrachen- ganges sowie der betreffende Abschnitt des diesen Gang nach- träglich von der Mundhöhle abscheidenden Gaumens. Nach hinten und unten setzt sich die mediane Fläche des Oberkieferfortsatzes nebst der an diesem Embryo noch nicht sichtbaren Gaumenanlage continuirlich in die Seitenwand der Schlundhöhle fort.

Wenden wir diesen Befund auf die späteren fertigen Verhält- nisse des menschlichen Kopfes an , so wird die Seitenwand des

126

unter dem Keilbein liegenden Abschnittes der Nasenhöhle (Laraina int. des Proc. pteryg. des Keilbeins, senkrechte Gaumenbeinplatte nebst der sie bedeckenden Schleimhaut) durch den medianen Theil des Oberkieferfortsatzes gegeben ; da nun dieser Fortsatz eine Ver- längerung der Kopfbauchplatte (also des an die Schädelbasis ge- hefteten Abschnittes der seitlichen Schlundwand) ist, so schliesst sich auch später die oberste Partie der seitlichen Schlundwand unmittelbar an den hintern Rand der Lamina int. des Proc. ptery- goideus an. Es sind somit die Seitenwände des spätem Nasen- rachenganges durch Knochen gestützte unmittelbare Fortsetzungen der Seitenwände des Schlundes.

Die als flacher Längswulst an der medianen Fläche des Ober- kieferfortsatzes entstehende Gaumenanlage setzt sich in ähnlicher Gestalt auch auf die seitliche Schlundwand fort und daraus bildet sich die hintere Partie des harten Gaumens sowie das Gaumen- segel und dessen hintere Bogen.

In dem lateralen umfänglicheren Theil des Oberkieferfortsatzes entstehen die Lamina ext. des Proc. pterygoideus des Keilbeins, die laterale Wand des Sinus maxillaris nebst dem Zahnfortsatz, sowie das Jochbein nebst den Weichtheilen der Unterschläfengrube, der Wangen und der oberen Partie der Backen.

Verfolgt man bei äusserer Betrachtung des Kopfes den oberen convexen Umfang eines Oberkieferfortsatzes , so findet man hier die Grenzfurche zwischen Schädel und Bauchplatte , welche unter dem Auge vorbeizieht (Holzschnitt XVII, S. 123) und dann schräg zur Spitze des Oberkieferfortsatzes gegen die Schädelbasis abfällt, ohne jedoch diese Spitze von der Schädelwand wirklich zu trennen. Was man als freie Spitze des Oberkieferfortsatzes beschreibt , ist erst eine spätere dem Zwischenkieferstück des Stirnfurtsatzes ent- gegenwachsende Fortsetzung. Bevor ich zu den spätem Verän- derungen der Oberkieferfortsätze übergehe , wende ich mich vor- her zur Betrachtung des Stirnfortsatzes.

Stirnfortsatz.

Stirnfortsatz im weiteren Sinn nenne ich eine zur Bildung der Nase bestimmte Fortsetzung der vordem und seitlichen Stirnwand sowie der darunter liegenden Schädelbasis.

127

Uranlage des Stirnfortsatzes.

Vor dem Erscheinen der Riechgruben ist dieser Schädeltheil völlig glatt und es geht die Stirnwand ohne Abgrenzung in einem Bogen in die Schädelbasis über. Am besten erkennt man dieses Verhalten an einem Medianschnitt, wie ihn Holzschnitt XVI von einemüindsembryo zeigt,

und es lässt sich hier «; ju

die Stirnwand (a) in gleichförmiger Wölbung zur Schädelbasis ver- folgen. Der hier in Be- tracht kommende Theil der Schädelbasis gehört dem Spheno-Ethmoidal- theil des Schädels an und sein hinterer vor der Rathke'schen Grube (1) liegender und seit- lich von den Oberkiefer- fortsätzen (v) begrenzter Erklärung: s. s. 94. Abschnitt bildet das Dach der primitiven Mundhöhle. Sein vor- derer Abschnitt, welcher die Mundspalte begrenzt, überragt den darunter liegenden ersten Schlundbogen und hier, also vor der primitiven Mundhöhle, sowie aus der angrenzenden vorderen und seitlichen Stirnwand entsteht der die Grundlage der Nase dar- stellende Stirnfortsatz.

In der Medianzone ist diese Schädelbasis (Taf. I, Fig. 23, a) sehr dünn und zu einem flachen Thale eingesunken, welches die Basis in zwei dickere gewölbte Seitenhälften scheidet und sich auch noch auf die angrenzende untere Partie der Stirnwand fortsetzt, wie der nebenstehende im Halbprofil gezeichnete Kopf eines Rinds- embryo zeigt (Holzschnitt XVII, s. S. 128). Lateralwärts grenzt die untere Stirngegend an das Auge an und wird hier von der dar- unter liegenden Spitze des Oberkieferfurtsatzes durch eine vom Auge zur Mundspalte schief absteigende Furche geschieden, die man Augen-Nasenfurche nennen kann. In der Medianlinie ist die Stirnwand in noch viel höherem Grade als die Schädelbasis verdünnt

128

m\

ÄVIll.

und durchscheinend, wie ein in einiger Entfernung vor den Augen durch die Gegend der späteren Riechgruben gelegter Frontalschnitt

des Schädels zeigt (XVIII). Ueberraschend klein er- scheint daran das eiförmige mit dem schmaleren Theil aufwärts gekehrte Lumen des Schädels im Verhältniss zur Dicke der Wandung, welche ihre grösstc Mächtig- keit zu beiden Seiten der Basis gewinnt. Die darin enthaltene aber in der Zeich- nung nicht berücksichtigte Erklärung s. s. io4. Hirnblase war das Stamm-

bläschen der um diese Zeit noch nicht hervorgetretenen Gross- hirnbläschen. Es zerfällt nämlich, wie Reichert gezeigt hat, die vordere primitive Hirnblase vor dem Erscheinen der Gross- hirnbläschen durch eine transversale Einschnürung in zwei hinter- einander liegende Abtheilungen, von welchen Reichert die hintere als Trichterregion (XVI, b), die vordere als Sehhügelregion (XVI, a) bezeichnete. Auch erkennt man an dem Medianschnitt XVI bei y den Eingang in den hohlen Augenstiel (vergl. auch den Frontal- schnitt XIX), aber noch keine Spur eines Grosshirnbläschens und noch weniger irgend eine auf den Geruchsnerv sich beziehende Ausstülpung der Hirnblase. Selbst wenn bald darauf die Riech- gruben erschienen sind (Taf. III, Fig. 14), hat die vordere Hirn- blase noch immer dieselbe Beschaffenheit (Fig. 15), besteht daher aus den genannten zwei hintereinander liegenden Abtheilungen (b und a) , von welchen die vordere in den hohlen Augenstiel führt, aber weder Grosshirnblasen noch den Riechgruben entgegen- kommende Aussackungen wahrnehmen lässt; auch kann ich nicht, wie Rathke angiebt, eine durch die Riechgruben erzeugte be- sondere Veränderung der Schädelwand, noch irgend eine innigere Anheftung der Hirnblase an den Riechgrubengrund wahrnehmen. Endlich habe ich noch zu bemerken, dass entlang der Median- linie nicht blos die Stirnwand, sondern auch die darunter liegende

129

Hirnblase so dünn wird, dass in der That die Nervensubstanz hier fehlt und der Verschluss nur durch eine dünne durchsichtige Haut bewerkstelligt wird.

Kehren wir nun wieder zu dem durch obenstehenden Holz- schnitt XVIII dargestellten Frontalschnitt des vor den Augen lie- genden Schädelabschnittes zurück , so zeigt dessen Wand ihre grösste Dicke im Grenzgebiet des Daches und der Basis, somit in der untern Hälfte der Stirnwand und der angrenzenden Partie der Schädelbasis. Es beginnt diese Verdickung , welche die An- lage des Stirnfortsatzes enthält , vor dem Auge , jedoch nicht plötzlich , sondern ist eine unmittelbare Fortsetzung derjenigen seitlichen Schädelverdickung, welche das Auge enthält und ab- wärts in die Oberkieferfortsätze sich ausladet (Holzschnitt XIX). Von hier aus schreitet diese Verdickung oder die Uranlage des Stirnfortsatzes in der lateralen Zone der Schädelbasis und der an- grenzenden Partie der Stirnwand nach vorn gegen die Median- linie , woselbst sie durch die oben besprochene Verdünnung und Einsenkung der Schädel wand unterbrochen wird, daher ursprünglich paarig ist. Rathke nannte die beiden dicken Seitenhälften der Schädelbasis „seitliche Schädelbalken."

Riechgrabe.

Hierauf entstehen in einiger Entfernung vor den Augen in der verdickten untern Partie der seitlichen Stirnwand die Riech- gruben, die ich aber bei Säugethieren und dem Menschen niemals als Grübchen von solcher Kleinheit und kreisrunden Form ange- troffen habe, wie sie Rathke beschreibt und abbildet. Da sie zuerst nur ganz flach sind , so werden sie nur bei richtiger und guter Beleuchtung gesehen und erscheinen schon von Anfang an als längliche etwas schief nach vorn aufsteigende Gruben von ziem- licher Ausdehnung (vergl. Taf. III, Fig. 14; Taf. I, Fig. 19, 20 und 21, sowie den nebenstehenden Holzschn. XX, zwischen k und p, s. S. 130). Oben und zu beiden Seiten werden sie von einem nied- rigen Saum umfasst , nicht aber unten , woselbst sie sich in der Richtung gegen die Mundspalte und die Augen-Nasenfurche all- mählig verlieren. In dieser Gestalt erkennt man die Riechgruben ,

am besten in der Seitenlage des Kopfes, während die Betrachtung Dursy, Entwicklgsgesch. 9

130

Erklärung 8. S. 105.

im Halbprofil oder von vorn die Gruben kleiner und ringsum ge- schlossen erscheinen lässt. Unter den mir bekannten Säugethier-

embryonen zeichnen sich die Kanin- chen durch weiten Umfang ihrer Riech- gruben aus , so dass sie wegen ihrer ursprünglichen Flachheit leicht über- sehen und mit einem viel kleineren kreisförmigen dickwandigen Grübchen verwechselt werden können, welches innerhalb der noch flachen Riechgrube schon sehr frühe auftritt (Holzschnitt XXVI, S. 133, c) und die Anlage des Jakobson'schen Organs, bei den Schlan- gen (XXVIII, S. 134, g) die ganz ebenso beschaffene und nur etwas grössere Anlage einer Nasendrüse darstellt. Auch bei dem Men- schen und den übrigen mir bekannten Säugethieren zeigt sich, wenn auch etwas später und weniger auffallend , ein solches die Anlage des Jakobson'schen Organes darstellendes kreisrundes Grübchen (XXI, hinter p).

Der Grund einer Nasengrube ist nicht ausgehöhlt, sondern wird von der sanft gewölbten seitlichen Stirnwand gebildet ; indem aber der hintere und das angrenzende Stück des obern Randes des Umfassungssaumes rascher an Höhe zunehmen und ihre Rich- tung gegen das vordere Schädel- ende einschlagen (XXI , k) , ver- decken sie den oberen und hinteren Abschnitt der Riechgrube, und der dazwischen entstehende hohe aber seitlich comprimirte spaltförmige Raum ist die Anlage der Nasenhöhle (Taf. I, Fig. 15), welche somit hinten und oben geschlossen ist, unten und vorn dagegen offen steht. Betrachtet Erklärung s. s. 113. man den nebenstehenden Kopf

eines Rindsembryo (XXI), so hat die Riechgrube scheinbar einen

131

geringeren Umfang, als es bei jüngeren Embryonen (vergl. XX) der Fall war. Diese scheinbare Verkleinerung hat aber darin ihren Grund, dass der anfangs ganz niedrige hintere Begrenzungs- saum (XX, k) alsbald über die hintere Partie der Riechgrube hin- weg nach vorn wächst; er verwandelt sich in eine breite Platte (XXI, k), welche mit ihrem hintern und obern Rand von der seit- lichen Stirnwand entspringt und durch eine bogenförmige Furche von ihr sich absetzt. Ihr freier vorderer Rand, der an jüngeren Embryonen concav war, ist nun convex und hat sich dem vor- dem Begrenzungssaum der Riechgrube bereits soweit genähert, dass von dem Grunde der Riechgrube nur noch die vordere Partie (XXI, zwischen k und p) bemerkt wird. Zugleich enthält der- selbe an diesem Embryo dicht hinter dem vorderen Grenzsaum (p) ein kleines napfförmiges dickwandiges Grübchen oder die An- lage des Jakobson'schen Organs.

Seitlicher Stirnfortsatz.

Die in eine hohe und breite (XXI, k) Platte umgewandelte hintere und oberePartie des Grenzsaums (seitlicher Stirnfortsatz , Reichert) besitzt auch einen untern Rand, welcher auf dem verlängerten Oberkieferfortsatz ruht und von ihm durch die jetzt ebenfalls ver- längerte und vertiefte Augen - Nasenfurche geschieden wird. In ihrer vor dem Auge liegenden hintern Hälfte erhält sich diese Furche als solche, daher in ihrem Grunde der seitliche Stirnfort- satz oder die Seitenplatte der Nasenhöhle (k) continuirlich in den Oberkieferfortsatz sich fortsetzt. In ihrer vordem Hälfte dagegen verwandelt sie sich in eine die genannten Fortsätze trennende und daher mit dem unteren offenen Ende der spaltförmigen Nasenhöhle zusammenfliessende Spalte (Taf. I, Fig. 15). Mit seinem oberen Theil setzt sich der seitliche Stirnfortsatz unter Bildung eines den obern Umfang der Riechgrube überdachenden Bogens in den vor- dem Grenzsaum der Riechgrube fort (XXI, p). Auch der letztere hat sich unterdessen zu einem Wulst verbreitert und bildet die mediane Begrenzung des noch weiten vorderen Einganges in die Nasenhöhle.

Allmählig rückt der vordere Rand des seitlichen an Länge zunehmenden Stirnfortsatzes weiter nach vorn, so dass er schliesslich

9*

132

die Riechgrube völlig verdeckt (Holzschnitt XXII) und den vor- dem Randwulst (p) erreicht, neben welchem er, durch das jetzt

enger gewordene äussere Nasenloch geschieden , zum vordem Ende des verlängerten Oberkieferfortsatzes herabläuft (vergl. auch Taf. I, Fig. 1). Geht man durch das äussere Nasen- loch ein , so gelangt man in die eine einfache vertikale Spalte dar- stellende Nasenhöhle, welche oben und hinten durch den Abgang des seitlichen Stirnfortsatzes von der Stirnwand geschlossen ist. Ihre mediane Wand wird von der dem Boden der ursprünglichen Riechgrube darstellenden lateralen Schädelwand gebildet; die laterale Nasen- höhlenwand ist der in eine mächtige Platte (seitlicher Stirnfortsatz) ausgewachsene frühere hintere Randsaum der Riechgrube (Taf. I, ' Fig. 15). Unten mündet jede Nasenhöhle durch eine Spalte in die Mundhöhle (Taf. I , Fig. 2, 3, 4) und es setzt sich dieselbe ohne Unterbrechung in den untern Umfang des äussern Nasen- lochs fort. Alsbald jedoch scheidet sich das letztere von der Spalte des Nasenhöhlenbodens ab in Folge einer Verwachsung der unteren Enden der das Nasenloch umfassenden Schenkel.

Erklärung s. S. 114.

Entstehung der Riechgruben; Jakobson'sches Organ, Nasendrüse.

Wie wir oben gesehen haben, so ist vor dem Erscheinen der Riechgruben der vor den Augen liegende Schädelabschnitt zu beiden Seiten der Medianebene gleichförmig gewölbt und am la- teralen Umfang am dicksten. Es ist diese Verdickung die Uran- lage oder Wurzel des späteren gesammten Stirnfortsatzes. Im weitern Verlauf der Entwicklung jedoch nimmt sie nicht gleich- förmig zu, sondern in einiger Entfernung vor dem Auge an der seitlichen untern Stirnwand bleibt eine länglich runde Stelle im Dickenwachsthum zurück (Riechgrube) und zugleich erhebt sich aus der umgebenden Stirnwand ein diese Grube umgebender bo- genförmiger anfangs niedriger Saum, der jedoch unten eine Unter-

133

brechung zeigt. Es bildet sich daher die Riechgrube nicht durch Einstülpung und Verdünnung der Stirnwand, wie man an Frontal- schnitten erkennt, auch bemerkt man keinerlei auf die Riechgrube sich beziehende Veränderung der vordem Hirnblase und eben so wenig konnte ich hier irgend eine besondere Verdickung der Haut- schichte oder des Hornblattes wahrnehmen Alsbald verdickt und erhöht sich der bogenförmige Randsaum zu einem Wulst, wodurch die Riechgrube tiefer wird. Namentlich ist es, wie ich oben ge- zeigt habe , die hintere Hälfte des Randwulstes , welche am raschesten an Höhe zunimmt und dabei als eine Platte über die Riechgrube sich allmählig vorschiebt. Zugleich aber entsteht in der vordem Partie der Riechgrube dicht hinter dem vordem Rand- wulst ein kreis- oder napfförmiges Grübchen, umgeben von einem breiten Wall und von einem mächtigen Epithel ausgekleidet (Ja- kobson'sches Organ der Säugethiere und des Menschen, Nasen- drüse der Schlangen). Bei den von mir untersuchten Säugethieren entsteht dieses Grübchen am frühesten beim Kaninchen und zeichnet sich bei diesem auch durch seine Grösse sowie durch die Breite des umgeben- den Walles aus (Holzschn. XXV und XXVI). Man bemerkt es sowohl im Profil als auch von vorn. In Holz- schnitt XXVI ist das Grübchen mit c bezeichnet und wird v<*n einem pi&_ xxv> giebt eine Profllan. breiten Wall umfasst, welcher mit dem g^££ÄS5°P?B?xi^ vordem Schenkel des Randwulstes ^^l^^Lj^ieTter

, -r,. , t i .. / \ Riechgrube, c, Jakobson'sches Or-

der Kiechgmbe zusammenhangt (pj. gan. i Oberkieferfortsatz. k, Seit- . .. ii- licher Stirnfortsatz. p, Seitenflügel

Der vor dem Auge liegende hintere des mittleren stirnfoitsatzes.

0 , ii t r> j li. / -i.1- U Fi&- XXVII. Frontalschnitt die-

bChenkel des Randwulstes (seitlicher ses Kopfes durch die Gegend der „. . N . ..ii i_ Augen, stärker vergrössert.

ötirniortsatz) ist mit K bezeichnet. a, Vordere Hirnblase, welche durch

den hohlen Augenstiel in die in der Noch viel 'grösser Und auffallen- Einstülpung begriffene Augenblase

fuhrt. b, Linsengrube, c, Furche,

der erscheint diese tellerförmige Grube weiche den Oberkieferfortsatz von

° dem Auge trennt, l , Lateraler Theu

an Natterembryonen (Colub. natr.), des 0h,iMe4^%^lene' Medianer wie aus den auf Seite 134 stehenden Figuren XXVIII und XXIX hervorgeht. Die von R a t h k e für die Natter und daselbst auch

mii.

134

zugleich für die Säugethiere gegebene Beschreibung der Riech- grube passt genau auf diese das Jakobson'sche Organ der Säuger

darstellende Nasendrüsengrube der 2ZW. /> \ a, Natter, nicht aber auf die Riechgrube.

Man vergleiche auch die von R a t h k e gegebenen Abbildungen (Taf. II, Fig. 1 und 3), die mich sehr überraschten, weil hier R a t h k e die tellerförmige Anlage der Nasendrüse geradezu als XXK. &- x Riechgrube bezeichnet (Fig. I, g).

Jetzt erst war es mir klar , warum R a t h k e sein Nasendach (nämlich den von mir beschriebenen hinteren Fig. xxviii, Kopf eines Natter- und oberen Randsaum der Riechgrube)

embryo von vorn. Fig. XXIX, . i . t j j t»-i i c

derselbe Kopf im Profil. nicht als Kand der Kiechgrube aut-

a, Stirne. b, Auge, c, Seitlicher Stirn- . .

fortsatz. d , Seitenflügel des mittleren { asste , SOlldem erst in einiger Ent-

Stirnfortsatzes. e , Oberkieferfortsatz. °

g, Nasendrüsengrube. f, Erster Schlund- femung davon aus der Seitenwand

bogen. °

des Schädels hervorwachsen liess.

Nachdem ich einmal diese Erfahrung gemacht hatte, fand ich endlich auch bei Rindsembryonen in der vordem Hälfte der noch offenen Riechgrube dieses von einem dicken Wall umfasste Grüb- chen (Holzschnitt XXI, S. 130, hinter p) dicht hinter dem vordem Randwulst der Riechgrube. Es schien mir jedoch etwas kleiner, hatte eine verstecktere Lage , so dass ich es nur im Profil und bei richtiger Beleuchtung wahrnehmen konnte.

Nach diesen Beobachtungen muss auch das Riechgrübchen des Hühnchens wieder einer neuen Untersuchung unterworfen werden , da möglicher Weise dasselbe eine andere Bedeu- tung hat.

Hat sich allmählig der vordere Rand des über die Riechgrube hinweg wachsenden seitlichen Stirnfortsatzes dem vordem Rand- wulst so weit genähert, dass die Riechgrube völlig gedeckt und von aussen nur noch durch das äussere Nasenloch zugänglich bleibt, so hat sich auch das Jakobson'sche Organ der äussern Be- sichtigung entzogen und findet sich dicht hinter dem äussern Nasenloch am untern Ende der medianen Nasenhöhlenwand. An Frontalschnitten des Gesichtes eines 1,9 Ctm. langen Rindsembryo

135

(Taf. I), welche die Nasenhöhlen dicht hinter den äusseren Nasen- öffnungen treffen (Fig. 6 und 7), bemerkt man dieses napfförmige Grübchen in dem Winkel zwischen dem Boden und der medianen Wand einer Nasenhöhle (e). Legt man noch eine Reihe von Frontal- schnitten hinter dieser Gegend an, so zeigt es sich, dass dieses Grübchen mit der Verlängerung der Nasenhöhle sich ebenfalls ver- längert und die Gestalt einer tiefen ausgerundeten Rinne ange- nommen hat , die sich in ihrer hintern Partie allmählig von der Nasenhöhle abzuschliessen sucht (Fig. 8 und 9) und schliesslich ganz abschnürt (Fig. 10). Es mündet dann die so entstandene noch kurze Jakobson'sche Röhre direct in die Nasenhöhle dicht hinter den primitiven äusseren Nasenlöchern. Da nun später der Theil des Schädels , welcher die mediane Wand einer Nasenhöhle oder den Boden der früheren Riechgrube darstellt, in seiner un- teren Partie zur Nasenscheidewand sich verlängert, so enthält diese in ihrem untern Ende die Jakobson'schen Gänge (Taf. II, Fig. 3). Vor der Bildung des Gaumens, wenn die Nasenhöhlen durch ihren offenen Boden noch- mit der Mundhöhle communiciren , stehen da- durch die am Boden der Nasenhöhlen ausmündenden Jakobson'- schen Gänge zugleich auch mit der Mundhöhle , wenn auch nicht unmittelbar, in Verbindung. Erst später, wenn der Gaumen die Nasenhöhlenboden schliesst , verbinden sich die anfangs freien Mündungen der Jakobson'schen Gänge mit den unterdessen in Folge der Gaumenbildung entstandenen Stenson'schen Gängen und münden durch diese in die Mundhöhle.

Auch bei menschlichen Embryonen entdeckte ich ein als Grüb- chen am untern Ende der Nasenscheidewand entstehendes Jakob- son'sches Organ (Taf. VII, Fig. 6, c und Fig. 7 ; Taf. VIII, Fig. 2, c ; Taf. IX, Fig. 6 , c). Wie bei den Säugethieren verlängert sich das Grübchen zu einer Rinne, die hierauf von der Nasenhöhle sich abschnürt, mit ihrem vordem Ende dagegen in die Nasen- höhle mündet. Ueber diese ersten Entwicklungsstufen kommt je- doch dieses Gebilde bei dem Menschen nicht hinaus, gelangt daher auch zu keinem unmittelbaren Anschluss an die später entstehen- den Stenson'schen Gänge.

Anfangs besitzen die Jakobson'schen Organe, wie die nach ihrer Entwicklung die gleiche Bedeutung zeigende Nasendrüse der

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Schlangen, nur eine häutige Wand mit einem mächtigen Epithel. Hierauf erhalten beide eine knorpliche Hülle , welche bei Rinds- und Schafsembryonen die Gestalt eines lateralwärts offenen Halb- kanales besitzt. Es bildet sich dieser Knorpel zuerst in seiner hinteren Hälfte und zwar in der Nasenscheidewand, unterhalb und lateralwärts von dem verdickten untern Rand des Nasenscheide- wandknorpels (Taf. III, Fig. 5), während die vordere Partie der Jakobson'schen Gänge noch rein häutig ist (Fig. 4 und 12). Von einem älteren Rindsembryo giebt die fünfte Tafel eine Reihe von Frontalschnitten des Gesichtes , welche den Verlauf und das Ver- halten der Jakobson'schen Gänge darlegen. Fig. 2 trifft die Gaumenmündungen der Stenson'schen Gänge in Gestalt spitzwink- licher Ausschnitte zu beiden Seiten eines warzenförmigen Schleim- hautvorsprungs (b). Fig. 3 zeigt die Durchschnitte der Stenson'- schen in dieser Gegend noch rein häutigen Gänge nahe oberhalb ihrer Gaumenmündung. Fig. 4 trifft die Einmündung der Jakobson'- schen in die Stenson'schen Gänge (d) ; man bemerkt zugleich eine grössere Entfernung der Stenson'schen Gänge von einander, in- dem sie auf ihrem Wege in die Nasenhöhlen divergiren. Die hier getroffenen Lichtungen sind halbmondförmig , medianwärts concav und oben von einem C-förmigen lateralwärts convexen Knorpel umfasst. Die obere engere Abtheilung eines jeden Ganges gehört dem Jakobson'schen, die untere weitere dem Stenson'schen Gang an. In Fig. 5 hat sich der höher liegende engere Jakob- son'sche Gang von dem tieferen und mehr lateralwärts liegenden Stenson'schen Gang geschieden und beide werden von einem ge- meinschaftlichen Knorpel umfasst. In Fig. 6 durchbrechen beide Gänge den knöchernen Gaumen und es trennt sich der Knorpel des Jakobson'schen Ganges von dem des Stenson'schen Ganges und verschmilzt mit der untern Fläche des knorplichen Nasenhöhlen- bodens. Verfolgt man durch die Figuren 7, 8, 9 und 10 das weitere Verhalten und den Verlauf der Jakobson'schen Gänge und ihrer Knorpelhüllen , so legen sich die letzteren allmählig an den untern Rand des Nasenscheidewandknorpels seitlich an, öffnen sich aber nicht mehr, wie an den vorhergehenden Durchschnitten, nach unten und innen , sondern allmählig nach aussen und schliesslich

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nach aussen und oben. Zugleich schnürt sich dabei ein Knorpel- stückchen ab und sucht die Oeffnung zu schliessen.

Bei allen von mir untersuchten Säugethierembryonen setzt sich das hintere Ende des Jakobson'schen Knorpels noch eine Strecke weit über das hintere blinde Ende des eigentlichen Ganges hinaus fort (Taf. III, Fig. 8; Taf. IV, Fig. 8; Taf. V, Fig. 11 und 12). Schliesslich finden sich noch kleine Reste desselben an den oberen Rändern des rinnenförmig gekrümmten Pflugscharbeins.

Aehnlich verhalten sich auch die Jakobson'schen Gänge und ihre Knorpel an Schweinsembryonen (Taf. IV, Fig. 6 und 7). An einem der Schnitte (Fig. 7) wird der Gang ringsum von seinem Knorpel völlig umfasst.

Was die von mir entdeckten Jakobson'schen Organe des Menschen betrifft , so fand ich dieselben an Embryonen , von welchen der jüngste eine Länge von 8 Ctm., der älteste eine Länge von 2 Decim. besass. Die Gänge scheinen zwar später spurlos zu verschwinden, jedoch erinnern die von Husch ke entdeckten Knorpelstreifen in dem untern vordem Ende der knorplichen Nasen- scheidewand an ihr früheres Dasein. Ausnahmsweise scheint sogar ein wirklicher Gang sich erhalten zu können. So lese ich in dem Thesaurus anatora. Ruyschii III, S. 49 folgende Bemerkung über die Nasenscheidewand eines Kindes : „In anteriore et inferiore parte septi juxta palatum in utroque latere foramen apparet, seu osculum cujusdam ductus, de cujus usu et existentia nil apud Autores legi ; inservire muco excernendo existimo." Die daselbst beigefügte Fi- gur (Tab. III, Fig. 5) zeigt in der That einen längeren am untern Ende der Nasenscheidewand verlaufenden Gang, welcher mit einer für eine Sonde durchgängigen Oeffnung in die Nasenhöhle mündet.

Vergleicht man die Jakobson'schen Organe menschlicher Em- bryonen mit denen der Säugethiere , so ergeben sich folgende Unterschiede : Der Jakobson'sche Gang des menschlichen Embryo bleibt für immer nur ein häutiges , jedoch von einem mächtigen Epithel ausgekleidetes Rohr, welches in die vordere untere Partie der Nasenhöhle ausmündet (Taf. VII, Fig. 6 ; Taf. VIII, Fig. 2). Er bleibt daher auf der Stufe der Entwicklung stehen, die man bei Säugethieren nur in früher Zeit findet, indem ich nachgewiesen habe, dass auch bei diesen ursprünglich dieser ebenso beschaffene

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Gang in die Nasenhöhle mündet (Taf. I, Fig. 6, 7 , 8, 9 und 10; ferner Holzschn. XXI, S. 113, hinter p, sowie Holzschn. XXVI, c, S. 133). Uebrigens ist die Mündung des menschliehen Jakobson'- schen Ganges so gelagert, dass sie dicht über einer am Nasen- höhlenbbden befindlichen und in den Stenson'schen Gang sich furtsetzenden Furche liegt. Bei den Säugethieren dagegen bildet sich allmählig eine unmittelbare Verbindung zwischen diesen Gängen und sie erhalten eine Knorpelhülle. Bei dem Menschen bleibt der Jakobson'sche Gang sehr kurz und wird von keiner Knorpelplatte unmittelbar umfasst; er liegt überhaupt höher, oberhalb des ver- dickten untern Randes des Nasenscheidewandknorpels. Bei Säuge- thieren gelangt er durch seine tiefere Lage in den knorplichen Nasenhöhlenboden. Es fehlt aber auch den menschlichen Em- bryonen dieser Knorpel nicht und hat ganz dieselbe Lage und eine ähnliche Gestalt. Man findet ihn am Nasenhöhlenboden zu beiden Seiten des untern Randes des Nasenscheidewandknorpels (vergl. auch Taf. VII, VIII und IX). Vergleicht man die auf Taf. VII dargestellten Frontalschnitte eines 8 Ctm. langen mensch- lichen Embryo, so zeigen sich diese Knorpel, rundlich im Durch- schnitt, bereits nahe hinter den äusseren Nasenlöchern (Fig. 1, d) zu beiden Seiten des kolbig verdickten untern Randes des Nasen- scheidewandknorpels. Aehnlich verhalten sie sich auch in den Figuren 2 und 3. In Fig. 4 und 5 kommt noch ein laterales Knorpel- stück hinzu ; in Fig. 6 nehmen die medianen Knorpelstücke eine längliche Gestalt an. In Fig. 7 erstrecken sich die noch mäch- tiger und rinnenförmig gewordenen senkrecht absteigenden medianen Knorpelplatten von dem Nasenscheidewandknorpel zur lateralen Fläche der Crista nasalis. In Fig. 8 und 9 sind die lateralen Knorpel verschwunden und zwischen den medianen erscheint das vordere Ende des Pflugscharbeins. Auch auf Taf. IX , Fig. 6 und 7 zeigt das vordere Ende des Nasenhöhlenbodens eines 1,08 Ctm. langen menschlichen Fötus ähnliche Knorpelplatten ; ebenso der auf Taf. VIII, Fig. 2 abgebildete Frontalschnitt eines 2 Ctm. langen menschlichen Fötus.

Die von Huschke bei dem erwachsenen Menschen ent- deckten und beschriebenen sogenannten Pflugscharknorpel sowie noch zwei andere lateralwärts davon liegende Knorpel des Nasen-

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hohlenbodens stimmen in Bezug auf Lage und Anordnung ganz zu meinen an Embryonen gefundenen Knorpeln. Da jedoch diese von Husch ke gemachte Wahrnehmung bisher weder bestätigt noch berücksichtigt, vielmehr in Abrede gestellt wurde, so suchte ich mich durch eigene Anschauung von ihrem Vorkommen zu überzeugen und schon an dem ersten Schädel eines erwachsenen Mannes, den ich gegen 14 Tage der Maceration unterwarf, fand ich sofort nach Entfernung des Perichondriums und der angrenzenden Beinhaut diese von Huschke beschriebenen Knorpelstreifen, welche dem untern Rand des Nasenscheidewandknorpels lose auf- lagen. Nach den lateralen Knorpelstückchen habe ich bis jetzt noch nicht gesucht, bezweifle aber deren Vorkommen jetzt nicht mehr. Uebrigens hat schon Jakobson solche Knorpel gesehen, wie aus einer Besprechung einer von ihm eingeschickten Arbeit über das von ihm entdeckte Organ durch Cuvier (Ann. d'hist. nat.) hervorgeht; dort heisst es nämlich: „Bei dem Menschen scheint es (das Jakobson'sche Organ) zu fehlen und nur eine Spur davon zeigt sich in dem Vorhandensein einer kleinen Knorpel- platte".

Was den Jakobson'schen Gang selbst betrifft , so finde ich noch darüber für den erwachsenen Menschen bei J. F. M e c k e 1 (Hdb. d. Anat. IV, S. 141) folgende jedoch nicht ganz verständ- liche Bemerkung : „An dem untern Rand der Nasenscheidewand verläuft nicht selten von hinten nach vorn ein enger hinten blin- der Gang, welcher sich in geringer Entfernung hinter dem vor- deren Rand öffnet, offenbar über (?) das Jakobson'sche Organ (?)."

Mittlerer Stirnfortsatz.

Wie wir oben gesehen haben, so wird die Bildung des Stirn- fortsatzes im weitern Sinn durch eine Verdickung des Schädels eingeleitet, welche durch eine mediane Verdünnung der Stirnwand und der darunter liegenden Schädelbasis in zwei Seitenhälften zer- fällt. Diese paarige Wurzel des Stirnfortsatzes, wie ich diese Ver- dickung nennen will, an der sich auf jeder Seite des Schädels die untere Partie der Stirnwand und die laterale Zone der Schädel- basis betheiligt, ist anfangs von der übrigen Stirnwand nicht ge- schieden j es erscheinen daher die beiden Stirnhälften noch immer

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gleichförmig gewölbt. Erst später bildet sich eine transversale Trennungsfurche , deren vor den Augen beginnende Seitenhälften aufwärts gebogen sind (XXI, S. 113, oberhalb k; XXII, S. 114, k; vergl. ferner Taf. I, Fig. 1, zwischen c und d, sowie die Figuren 2, 3, 4 und 5 ; in Fig. 5 ist diese Furche mit b bezeichnet).

Jede Seitenhälfte der Stirnfortsatzwurzel trägt in einiger Ent- fernung vor dem Auge eine die untere Partie der seitlichen Stirn- wand einnehmende Riechgrube. Die zwischen den Riechgruben liegende Partie der Schädelbasis und der Stirnwand enthält die durch die mediane Verdünnung des Schädels halbirte, daher paa- rige Anlage des mittleren Stirnfortsatzes, woraus die Nasenscheide- wand und die Zwischenkiefergegend des Gesichtes hervorgeht. Die über und hinter den Riechgruben liegende Partie der Stirn- fortsatzwurzel enthält die Anlage der beiden seitlichen Stirnfort- sätze , welche die laterale Wand der primitiven Nasenhöhlen darstellen.

Verhalten des mittleren Stirnfortsatzes bei jüngeren Embryonen.

Was den mittleren Stirnfortsatz betrifft, so bestand derselbe an einem 1,1 Ctm. langen Rindsembryo (Taf. I, Fig. 19 22) aus zwei durch die mediane Schädelfurche geschiedenen Seitenhälften (Fig. 21). Jede Seitenhälfte erstreckte sich lateralwärts bis zum vordem Umfang der Riechgrube und war von der Stirnwand, die bereits die in der Entstehung begriffenen Grosshirnblasen hindurch- schimmern Hess , noch nicht geschieden. "Beim Uebergang zur

Schädelbasis verlängerte sich jede Sei- tenhälfte des Stirnfortsatzes in zwei die obere Begrenzung der Mundöffnung bildende Hügel, einen inneren und einen äusseren , welche später mit ein- ander verschmelzen und einen Seiten- flügel des mittleren Stirnfortsatzes dar- stellen. In Fig. 22 erblickt man diese Hügel von unten und in Fig. 20 im Halbprofil.

Erklärung %. s. 105. Bei reiner Profi-lansicht (XX) sieht

man nur den äussern Hügel der Anlage des Seitenflügels (o), gegen

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welchen der vordere Grenzsaum der Riechgrube ausläuft. Verdickt sich später dieser Saum zu einem Wulst (XXI, S. 113, p), so erscheint dann der Hügel als dessen unteres verdicktes Ende (o).

An dem in nebenstehendem Holz- schnitt (XXVIII) dargestellten Kopf ]0[m- eines Natterembryo ist der mittlere Stirnfortsatz bereits durch eine trans- . versale Furche deutlich von dem darüber liegenden Kopf (a) geschie- den, an seinem untern Rand dagegen zerfällt er durch einen tiefen medianen XXK. Ausschnitt in zwei seine Seitenflügel darstellende und die Riechgruben vorn und unten umfassende Hälften (d), woran die an Rindsembryonen von Erklärung: s. s. 134. mir gesehene Unterabtheilung in je zwei Hügel fehlt.

Stirnfortsätze und Nasenhöhlen eines 1,15 Ctm. langen Rindsembryo.

(Taf. I, Fig. 15, 16, 17).

Betrachtet man vorher zur Vergleichung den auf S. 128 durch den Holzschnitt XVIII dargestellten Frontalschnitt des Kopfes eines 6 Millim. langen Rindsembryo, welcher in einiger Entfernung vor den Augen die seitliche Stirnwand trifft, so erscheint derselbe im Ganzen sehr einfach. Da sich aus dem Vorderhirn noch keine Grosshirnblasen gebildet haben , so erscheint die Lichtung der Schädelhöhle oval und mit ihrem breitern Theil abwärts gekehrt. Beim Uebergang zur Schädelbasis ist die seitliche Stirnwand am dicksten und gleichförmig nach aussen gewölbt.

Vergleicht man damit den auf Taf. I, Fig. 15 durch dieselbe Gegend gelegten Frontalschnitt des Kopfes eines 1,15 Ctm. langen Rindsembryo, so hat sich vieles geändert. Aus der obern Hälfte des Vorderhirns sind die Grosshirnblasen hervorgewachsen; auch die Lichtung der Schädelhöhle hat an Höhe und Breite zuge- nommen , jedoch in der Art , dass jetzt umgekehrt der weitaus breiteste Theil sich oben befindet und sich über die verdickten untern Seitentheile der Stirnwand ausbuchtet. Ist daher auch der Hirnschädel bei äusserer Betrachtung in der Höhe der Augen

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wegen der Dicke seiner Wand noch immer am umfänglichsten, so verhält sich doch das Lumen der Schädelhöhle gerade umgekehrt. Betrachten wir nun die vor den Augen liegende seitliche Schädel- verdickung , so hat auch diese an Umfang zugenommen und ent- hält den Frontalschnitt der nahe hinter den äusseren Nasenlöchern getroffenen Nasenhöhlen in Gestalt senkrechter Spalten. Es sind jedoch dieselben nicht etwa von vorn oder unten in die seitliche Stirnwand nachträglich eingedrungen, sondern verdanken ihre Ent- stehung einem lateralen Auswuchs der Stirnwand (a), welcher in Gestalt einer an diesem Frontalschnitt absteigenden Platte (seit- licher Stirnfortsatz) die ursprüngliche freie, den Boden der Riech- gruben darstellende Schädelwand verdeckt. Der dazwischen lie- gende spaltförmige Raum ist eine Nasenhöhle, deren laterale Wand von dem seitlichen Stirnfortsatz (a), deren mediane Wand von dem Boden der früheren Riechgrube oder von der verdickten Seiten- wand des ursprünglichen Schädels (S. 128, XVIII) gebildet wird. Abwärts münden beide Nasenhöhlen in die Mundhöhle , jedoch nicht unmittelbar, sondern durch den medianen Theil eines Ober- kieferfortsatzes (b) verdeckt. Zugleich verbindet sich mit dem untern offenen Ende einer Nasenhöhle die schief absteigende Augen- Nasenfurche, welche hier als förmliche Spalte die seitlichen Stirn- fortsätze von den Oberkieferfortsätzen trennt.

Die beiden Nasenhöhlen erscheinen zwar an vorliegendem Frontalschnitt verhältnissmässig schon recht hoch , ihre unteren Enden überschreiten jedoch kaum die untere Partie der Schädel- lichtung. Sie besitzen daher auch noch keine eigentliche Scheide- wand , sondern werden vorläufig durch den Hirnschädel selbst geschieden. Erst im weitern Verlaufe der Entwicklung verdickt sich die Basis des Hirnschädels, wächst in ihrer ganzen ursprüng- lichen Breite in die Mundhöhle hinab und stellt die an jungen Embryonen unverhältnissmässig breite Anlage der Nasenscheide- wand dar. An dem vorliegenden Kopf dagegen ist die Schädel- basis noch sehr niedrig , in ihrer Mitte sehr dünn und verdickt sich erst zu beiden Seiten beim Uebergang in die frühere freie seitliche Schädelwand, die jetzt die mediane Wand einer Nasen- höhle darstellt. Diese lateralen Verdickungen, welche den Rathke'- echen seitlichen Schädelbalken entsprechen, verlängern sich später

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zu flugelförmigen Vorsprüngen des unteren Nasenscheidewandrandes (Taf. I, Fig. 11). Da nun bekanntlich die Anlage der Nasenscheide- wand „mittlerer Stirnfortsatz" genannt wird , so ist somit an dem vorliegenden Frontalschnitt dieser Fortsatz in seinem medianen Abschnitt noch gar nicht hervorgetreten und nur die abgerundeten lateralen Verdickungen der Schädelbasis können als seine Vor- läufer (Seitenflügel) betrachtet werden.

Die beiden Nasenhöhlen , welche jetzt noch der Seitenwand des Schädels anliegen , rücken später mit den dahinter liegenden Augen herab, so dass sie mehr unter den Schädel zu liegen kom- men (vergl. Fig. 11). Daran ist die Erweiterung der Schädelhöhle schuld, welche ihre den Nasenhöhlen anliegenden Seitenwände nach aussen drängt , so dass sie der horizontalen Richtung sich nähern und zur Erweiterung der Schädelbasis beitragen. Es ändert sich damit auch die Begrenzung der abwärts gedrängten Nasenhöhlen, indem ihre frühere mediane den Boden einer Riechgrube darstel- lende Wand allmählig eine mehr horizontale Richtung einschlägt, und dadurch zur Decke einer Nasenhöhle wird.

Kehren wir nun zu dem in Rede stehenden 1,15 Ctm. langen Rindsembryo zurück, so betrifft der beschriebene Frontalschnitt (Taf. I , Fig. 15) die Gegend nahe hinter den äusseren Nasen- löchern. Trifft aber der Schnitt den Kopf unmittelbar vor den Augen (Fig. 16 und 17), so hat derselbe das Gebiet der Nasen- höhlen nach hinten bereits überschritten. Die zu beiden Seiten der dünnen Schädelbasis liegende Verdickung der Schädelwand ist in ihrer obern Hälfte Wurzel des seitlichen Stiimfortsatzes, in ihrer untern Hälfte setzt sie sich in den Oberkieferfortsatz fort. Aeusser- lich werden diese beiden Gebilde durch eine tiefe vor dem Auge liegende Furche (Augen-Nasenfurche) geschieden. Wie ich schon oben angab , so ist ein Oberkieferfortsatz eine Fortsetzung der Bauchplatte; jedoch auch die seitlichen Stirnfortsätze erscheinen an den vorliegenden Durchschnitten als unmittelbare Fortsetzungen der Bauchplatten. Ferner lehren diese Schnitte, dass die Augen und die Nasenhöhlen ursprünglich nicht neben, sondern hinter ein- ander liegen; allmählig erst rücken die Augen lateralwärts von den Nasenhöhlen vor.

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Stirnfortsätze und Nasenhöhlen eines 1,8 Ctm. langen Rindsembryo.

(Taf. I, Fig. 1—14).

Im Profil gesehen (Fig. 1) hat der die Grundlage der Nase darstellende gesammte Stirnfortsatz an diesem Embryo bereits sich mächtig entwickelt, so dass er das vordere Schädelende (d) nach vorn überragt (c). Von der Stirne wird er durch eine tiefe vor den Augen beginnende Bogenfurche geschieden (zwischen d und c). Hinter dieser Furche ist es die das Vorderhirn tragende Schädel- basis, welche die Nasenhöhlen deckt, während der vor dem Auge bis zum lateralen Nasenlochrand reichende seitliche Stirnfortsatz theils allein , theils mit Hülfe des Oberkieferfortsatzes die Seiten- wand einer Nasenhöhle bildet. Untersucht man den vor der Stirn- wand liegenden Abschnitt der Nasenhöhlen (c), so wird derselbe oberhalb der Nasenlöcher durch die seitlichen Stirnfortsätze ge- deckt, indem dieselben unter Bildung eines obern Bogens mit dem mittleren Stirnfortsatz sich verbinden. Da nun diese Partie der Nasenhöhlenwand nicht mehr dem Dache zugezählt, sondern als vordere Nasenhöhlenwand angesehen wird , so bildet somit ein seitlicher Stirnfortsatz die seitliche und vordere Wand einer Nasen- höhle , wesshalb ich von der von R a t h k e für diesen Fortsatz vorgeschlagenen Bezeichnung „Nasendach" keinen Gebrauch machte. Betrachten wir diesen Kopf von vorn (Fig. 2), so überblicken wir den gesammten zwischen den Augen liegenden Stirnfortsatz, dessen Wurzel von der darüber liegenden Stirnwand durch eine transversale Einsenkung abgeschieden wird. Die kleinen äusseren Nasenlöcher werden von einem breiten Wulst umfasst , dessen laterale und obere Partie dem seitlichen, dessen mediane und un- tere Partie dem mittleren Stirnfortsatz angehört. An letzterem kann man wieder einen medianen am untern Rand flach ausge- schweiften und zwei Seitentheile unterscheiden. Die letzteren bil- den den medianen Umfang der äusseren Nasenlöcher und weichen dann als „Seitenflügel" des mittleren Stirnfortsatzes auseinander, welche die Nasenlöcher von unten umfassen und mit den Spitzen der Oberkieferfurtsätze sich verbinden. Von den seitlichen Stirn- fortsätzen werden diese Flügel noch durch eine in das Nasenloch eindringende Spalte geschieden. Mit den Oberkieferfortsätzen da- gegen haben sie sich so verbunden, dass nur eine äussere Furche

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die früher bestandene Trennung andeutet. Auf diese Weise er- halten die anfangs in ihrer ganzen Länge unten offenen Nasen- höhlen wenigstens in dieser über der Mundspalte liegenden Gegend einen Boden, während dahinter eine noch offene Verbindung zwi- schen ihnen und der Mundhöhle besteht.

Vergleichen wir damit den Kopf jüngerer Embryonen (Fig. 21 und 22) , so bestand dort der mittlere Stirnfortsatz aus vier unmittelbar aus der Stirnwand und der angrenzenden Schädelbasis hervorgehenden Hügeln, und ausserdem wurde diese Anlage durch die Medianfurche des Vorderschädels halbirt , ist also paarig. Später verschmelzen von diesen Hügeln je zwei auf jeder Seite und formiren die Seitenflügel des mittleren Stirnfortsatzes. All- mählig rückt nun dieser untere durch einen medianen Ausschnitt halbirte Rand des Stirnfortsatzes tiefer in die Mundspalte herab, indem sich der darüber liegende Schädelabschnitt zu einem die Seitenflügel tragenden Zapfen verlängert. Damit schwindet auch in dieser Gegend die mediane Verdünnung des Vorderschädels, obgleich noch lange Zeit hindurch die ursprünglich paarige An- lage des mittleren Stirnfortsatzes durch eine mediane Aushöhlung angedeutet bleibt.

Die durch die Figuren 3 und 4 dargestellten Ansichten des- selben Kopfes zeigen das Verhältniss der beiden Nasenhöhlen zur Mundhöhle. Es communiciren diese Höhlen jederseits durch eine Längsspalte, welche ihre Richtung zum äusseren Nasenloch nimmt, jedoch durch die schon oben erwähnte Verwachsung des mittleren Stirnfortsatzes mit den Oberkieferfortsätzen von denselben ge- schieden bleibt. Der zwischen diesen Spalten oder den sogenannten inneren Nasenlöchern befindliche Theil der Schädelbasis ist in der Mitte ausgehöhlt und zerfällt daher in einen medianen niedrigeren und in zwei laterale Theile , welche mit gewölbter Oberfläche in die Mundhöhle hinabragen. Die Bedeutung dieser Bildung erkennt man an den durch diese Gegend gelegten Frontalschnitten (Fig. 9, 10 und 11). Sie lehren, dass die Basis des Vorderschädels in ihrer ganzen ursprünglichenBreitean der Herstellung der Nasenscheidewand sich betheiligt, welche somit in dieser frühen Zeit der Entwicklung durch unverhältnissmässige Breite auffällt. Was die Höhe dieser primitiven Nasenscheidewand betrifft, so nimmt

D u r s y , Entwicklgsgescli. 1 0

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dieselbe , wie die Frontalschnitte zeigen , von vorn nach hinten allmählig ab. Ferner überzeugt man sich durch Vergleichung aller diesen Embryo betreffenden Figuren, dass die Nasenscheide- wand oder der mittlere Stirnfortsatz die Nasenhöhlen nicht blos trennt, sondern auch dieselben von der Mundhöhle abzuschliessen sucht, indem sie an ihrem untern Rand in zwei bereits oben er- wähnte, den Oberkieferfortsätzen entgegenstrebende Seitenplatten auswächst. Es bilden diese Platten (Seitenflügel des mittleren Stirnfortsatzes) mit den Oberkieferfortsätzen den durch eine Spalte unterbrochenen primitiven Boden der Nasenhöhlen oder einen primitiven Gaumen (Fig. 4 und 11), welcher an den Gaumen gewisser Thiere, z. B. der Eidechsen, erinnert.

Eine vollständige Flächenansicht des von mir sogenannten primitiven Gaumens giebt Fig. 4. Seine Zusammensetzung verdankt er den beiden Oberkieferfortsätzen und dem mittleren Stirnfortsatz, worunter ich die gesammte zwischen den Nasenhöhlen und zwischen den äusseren Nasenlöchern befindliche Schädelpartie verstehe. Man kann daher an dem mittleren Stirnfortsatz eine zwischen den äusseren Nasenlöchern liegende Gesichtsfläche unter- scheiden, sowie eine Gaumenfläche, welche den mittleren Theil des primitiven Gaumens darstellt. Die Seitentheile des letztern werden von den Oberkieferfortsätzen (Fig. 4, k) gebildet, von welchen ein jeder eine horizontale Platte abgiebt, welche ebenfalls an der Bil- dung des primitiven Nasenhöhlenbodens sich betheiligt. Jeder Seitentheil des primitiven Gaumens zeigt einen in die Mundhöhle hinabragenden Längswulst (m , Anlage des späteren Gaumens), welcher lateralwärts durch eine Furche von dem lateralen Theil des Oberkieferfortsatzes (k) sich abscheidet. Somit erstreckt sich der primitive Gaumen nach beiden Seiten bis zu den lateralen Theilen der Oberkieferfortsätze. Unterhalb der äusseren Nasen- löcher sind schon frühe die Seitentheile des primitiven Gaumens mit dem mittleren Theil verwachsen , so dass nur noch oberfläch- liche Furchen die früher bestandene Trennung durch eine Spalte anzeigen. Hier (Zwischenkiefergegend) hat sich somit der Nasen- höhlenboden völlig geschlossen , ohne die Ausbildung des spätem Gaumens abzuwarten. Im Uebrigen dagegen communicirt der Nasenhöhlenboden mit der Mundhöhle auf jeder Seite durch eine

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Längsspalte, die ich primitive Gaumenspalte nennen will. Bevor ich diese Figur verlasse, will ich noch Einmal hervorheben, dass der zwischen den genannten Spalten liegende mittlere Theil des primitiven Gaumens oder die Gaumenfläche des mittleren Stirntortsatzes nicht blos den unteren Eand der späteren Nasen- scheidewand darstellt, sondern zugleich mit seinen gewölbten Seiten- hälften in der angegebenen Weise zu dem primitiven Boden der Nasenhöhlen sich verbreitert. Es gehören diese Seitenplatten zu den Seitenflügeln des mittleren Stirnfortsatzes , an welchen man daher einen das äussere Nasenloch umfassenden vorderen oder Antlitztheil und einen unteren oder Gaumentheil unterscheiden kann. In dem Antlitztheil entwickeln sich die Zwischenkiefer- knochen.

Ich wende mich nun zur Besprechung der diesen Embryo betreffenden Frontalschnitte der Nase (Fig. 5 14). Fig. 5 betrifft deren vorderstes Ende mit der oberen Hälfte der äusseren Nasen- löcher ; man überblickt die vordere oder Antlitzfläche des ge- sammten Stirnfortsatzes , welcher durch eine Furche (b) von der darüber liegenden Stirne geschieden wird. Nach unten zerfällt der Stirnfortsatz in die lateralen Stirnfortsätze c und in den breiten mittleren Stirnfortsatz, dessen unterer ausgeschweifter Rand in zwei Seitenflügel aus einander weicht.

Die beiden folgenden Schnitte Fig. 6 und 7 treffen die Nase noch immer vor der Spitze der Oberkieferfortsätze, daher die Be- grenzung der hier noch niedrigen und mit den Jakobson'schen Gruben versehenen Nasenhöhlen lediglich durch den mittleren und die seitlichen Stirnfortsätze geschieht. Fig. 8 trifft endlich die Stelle, an welcher die Spitze der Oberkieferfortsätze mit den Stirn- fortsätzen sich verbindet. Die Nasenhöhlen sind nun ringsum ge- schlossen und ihr Boden wird von den Seitenflügeln des mittleren Stirnfortsatzes gebildet, worin sich auch die Zwischenkieferknochen bilden. Fig. 9 trifft die Nasenhöhlen hinter der Zwischenkiefer- gegend. Die Schädelbasis (d e) hat an Höhe bedeutend zuge- nommen zur Herstellung einer unverhältnissmässig breiten aber niedrigen Nasenscheidewand. Ihr unterer Rand (d b) ist der Durch- schnitt der in Fig. 4 besprochenen Gaumenfläche des mittleren Stirnfortsatzes oder des mittleren Theils des primitiven Gaumens.

10*

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Mit einer flügeiförmigen Verlängerung (b) berührt er einen ihm entgegenkommenden Vorsprung c des Oberkieferfurtsatzes f, den wir in Fig. 4 als lateralen Theil des primitiven Gaumens haben kennen lernen, und den ich die primitive Gaumenleiste des Ober- kieferfortsatzes nannte. Er bildet mit den genannten Seitenflügeln der Nasenscheidewand den primitiven jedoch durch eine Spalte unterbrochenen Nasenhöhlenboden. Die laterale Wand der hier getroffenen Nasenhöhle wird von dem seitlichen Stirnfortsatz a und dem mit ihm verschmolzenen Oberkieferfortsatz gebildet. Aehnlich verhält sich der in Fig. 10 abgebildete Frontalschnitt, jedoch ist die Nasenscheidewand niedriger geworden. Noch nied- riger erscheint dieselbe in Fig. 11, so dass man hier nur noch von zwei Seitenflügeln sprechen kann.

Fig. 12 trifft die hinteren Enden der Nasenhöhlen, deren Boden durch künstliche Verschiebung des Oberkieferfortsatzes stärker klafft. Es trifft dieser Schnitt zugleich den vorderen Theil des Auges (c) und steht somit in Widerspruch mit den schon oben besprochenen Durchschnitten eines jüngeren Embryo (Fig. 16 und 17). Dort nämlich endigen die Nasenhöhlen bereits in einiger Entfernung vor den Augen. Folglich dringen entweder die Nasenhöhlen allmählig nach hinten tiefer ein, verlängern sich nach hinten , so dass sie zwischen die Augen zu liegen kommen oder , und dies halte ich für das Richtigere , die Augen rücken vor. Thatsache aber bleibt es , dass die Nasenhöhlen der Säuge- thiere ursprünglich in ihrer ganzen Länge vor den Augen liegen und erst allmählig mehr oder weniger weit zwischen die Augen gelangen , wobei die seitlichen Stirnfortsätze die Scheidewand bilden. In den Figuren 13 und 14, welche den mittleren und hinteren Abschnitt der Augen treffen , werden die Nasenhöhlen nicht mehr berührt.

Primitiver Gaumen älterer Säugethierembryonen.

(Rind, Schaf, Schwein, Taf. II und III.)

Vergleicht man das auf Taf. III, Fig. 13 abgebildete Mund- höhlendach eines älteren Rindsembryo, dessen seeundärer Gaumen noch weit offen steht, mit der Mundhöhlendecke des oben be- schriebenen Embryo (Taf. I , Fig. 4) , so kann man an beiden

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eine mittlere und zwei laterale Zonen unterscheiden, welche durch Furchen und Spalten von einander geschieden werden. Die mitt- lere Zone wird von der Schädelbasis, die lateralen Zonen werden von den Oberkieferfortsätzen gebildet.

Aus dem vorderen Ende der mittleren Zone entwickelt sich die Zwischenkiefergegend, welche zu beiden Seiten mit den Ober- kieferfortsätzen verschmilzt und dadurch die äusseren Nasenlöcher nebst der dahinter liegenden Partie der Nasenhöhlen von der Mund- höhle abschliesst. Die Figuren 10 und 11 (Taf. III) sind Frontal- schnitte dieser vorderen Partie der Nasenhöhlen, welche sich auf den in Fig. 13 abgebildeten Embryo beziehen. Der völlig ge- schlossene Nasenhöhlenboden wird von den ehemaligen unteren Seitenflügeln des mittleren Stirnfortsatzes (Nasenscheidewand) und den angrenzenden Oberkieferfortsätzen hergestellt. Interessant ist der Frontalschnitt Fig. 11 durch zwei in die Mundhöhle hinab- ragende Vorsprünge a, welche den vordem Enden der seeundären Gaumenleisten angehören (vergl. Fig. 12, a).

Der folgende Abschnitt der mittleren Zone liegt zwischen den beiden primitiven Gaumenspalten (Fig. 13, h) und zerfällt wie- derum in einen medianen und in zwei Seitentheile, deren Bedeu- tung ich schon oben (vergl. Taf. I , Fig. 4) auseinander gesetzt habe. Der mediane Abschnitt nämlich ist der untere Eand der noch niedrigen Nasenscheidewand , und seine Seitentheile sind deren Seitenflügel , welche die Nasenhöhlen von der Mundhöhle abzuschliessen suchen und in ihrem vorderen Abschnitt die Jakob- son'schen Röhren enthalten. Ein auf diesen Embryo sich be- ziehender Frontalschnitt (Fig. 12) giebt über diesen Gaumen theil der Nasenscheidewand und die zu beiden Seiten liegenden primi- tiven Gaumenspalten Aufschluss.

Auf diesen dem primitiven Gaumen angehörigen Theil der mittleren Zone folgt ein dritter Abschnitt der Schädelbasis, welcher von den seitlich angrenzenden Oberkieferfortsätzen je durch eine tiefe Furche (Fig. 13, k) geschieden wird. In der genannten Figur ist diese die Keilbeinanlage enthaltende Gegend durch eine dunk- lere Schattirung hervorgehoben und sie erstreckt sich nach hinten nur wenig über k hinaus. Hier fand sich an jüngeren Embryonen der durch die Kopfbeuge erzeugte Winkel der Schädelbasis, der

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hier bereits seiner Ausgleichung entgegen geht. An jüngeren Em- bryonen (Taf. I, Fig. 4) erscheint diese Gegend als eine kleine viereckige im Hintergrunde liegende Fläche, welche von den la- teralwärts angehefteten Oberkieferfortsätzen durch Furchen ge- schieden wird. An ihrem hinteren Ende erkennt man noch die in der Zeichnung hell gehaltene Stelle , welche den Eingang der jetzt abgeschnürten Rathke'schen Tasche markirt. Dieser Ab- schnitt der Schädelbasis ist das Dach des von der Mundhöhle noch nicht abgeschiedenen Nasenrachenganges und der dazu ge- hörigen hinteren Partie der Mundhöhle.

Die hinter dem Nasenrachengang liegende Gegend der Schädel- basis (Fig. 13) gehört in das Gebiet des Hinterhauptskörpers, bildet somit die Decke des Schlundkopfes.

Die beiden lateralen Zonen der primitiven Mundhöhlendecke werden , wie oben bereits angegeben wurde, von den Überkiefer- fortsätzen gebildet. In ihrem ursprünglichen Verhalten habe ich diese Fortsätze bereits beschrieben und werde ihre weiteren Ver- änderungen später noch einmal im Zusammenhang vortragen. Einiges davon muss ich vorgreifend schon hier besprechen, da an den beiden in Rede stehenden Embryonen diese Fortsätze bereits über ihr ursprüngliches an den Schädel geheftetes Vorderende be- trächtlich hinaus gewachsen sind. Ich unterscheide daher an einem Oberkieferfortsatz eine vor den Augen liegende vordere Partie und eine unter und hinter den Augen liegende hintere Partie, deren Mundhöhlenfläche ich einer kurzen Betrachtung unterziehen will.

Die vordere Partie (Taf. I, Fig. 4; Taf. III, Fig. 13) wird durch die primitive Gaumenspalte von dem Seitenflügel der Nasen- scheidewand geschieden und erzeugt hier zur lateralen Begrenzung dieser Spalte eine horizontale medianwärts einspringende Kante, die ich bereits oben „primitive Gaumenleiste" genannt habe. Die- selbe betheiligt sich nämlich an der Bildung des primitiven Nasen- höhlenbodens und so entsteht mit Hinzurechnung der unteren Partie der Nasenscheidewand der primitive Gaumen (S. 146).

Die hintere Partie der Oberkieferfortsätze ist an den Theil der Schädelbasis angeheftet , welcher die Decke des Nasenrachen- ganges bildet, wird jedoch durch eine tiefe Furche abgegrenzt (s. oben). In Fig. 13 der dz*itten Tafel ist dieser angeheftete und

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die seitliche Begrenzung des Nasenrachenganges darstellende Theil des Oberkieferfortsatzes mit 1 und die Abgrenzungsfurche mit k bezeichnet.

Bereits sehr entwickelt erscheint an dem älteren Embryo (Fig. 13, Taf. III) auf jeder Seite die Anlage der secundären Gaumenplatte. Dieselbe beginnt als eine in der Zeichnung hell gehaltene Leiste bereits am Zwischenkiefer (vor b) und nimmt in ihrem Verlaufe nach hinten bedeutend an Höhe zu. Der zwischen diesen Platten liegende Abschnitt der primitiven Mundhöhle wird später durch den bleibenden Gaumen von der eigentlichen Mund- höhle abgeschieden und bildet dann in seiner hinteren Hälfte den Nasenrachenkanal, in seiner vorderen Hälfte einen Theil der Regio respiratoria der Nasenhöhlen. Für jetzt gehört er noch der primi- tiven Mundhöhle an und wird auch von der rasch heranwachsen- den und der Schädelbasis sich anlagernden Zunge völlig erfüllt. Zur Erläuterung dieses Verhaltens sind besonders Frontalschnitte geeignet, wie ich solche auf Taf. II, Fig. 1, 3 und 5 von einem Rindsembryo mit noch völlig offenem Gaumen abgebildet habe. Es treffen diese Schnitte die Nasenhöhlen und den primitiven Gaumen, welcher von dem verbreiterten unteren Ende der Nasen- scheidewand und von den primitiven Gaumenleisten der Ober- kieferfortsätze (Fig. 1, i; Fig. 3, c; Fig. 5, b) gebildet wird. Darunter liegt die von der Zunge völlig erfüllte Abtheilung der primitiven Mundhöhle, welche zu beiden Seiten von den Ober- kieferfortsätzen un;l deren senkrecht absteigenden Gaumenplatten (Fig. 5 , c ; in den anderen Figuren sind sie nicht besonders be- zeichnet) begrenzt wird. Im frischen Zustande rücken die primi- tiven Gaumenleisten (Fig. 1, i) den Seitenecken der Nasenscheide- wand so nahe und auch die Zunge schmiegt sich dem primitiven Gaumen so innig an, dass die Nasenhöhlen von der primitiven Mundhöhle fast völlig geschieden erscheinen (vergl. auch Taf. III,

Fig. 12).

Wenn nun mit der Zeit die Zunge von der Schädelbasis sich zurückzieht, so wird der zwischen den Gaumenplatten befindliche obere Abschnitt der primitiven Mundhöhle frei (Taf. III, Fig. 13) und durch die mediane Verbindung der Gaumenplatten von der übrigen Mundhöhle abgeschieden (Taf. IV, Fig. 15). Der dadurch

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für die Nase gewonnene Raum dient zur Vervollständigung der Regio respiratoria und zerfällt in einen hinteren unpaarigen und in einen vorderen paarigen Abschnitt. Den hinteren berührte ich schon öfters und nannte ihn Nasenrachengang. Bliebe die Nasen- scheidewand auf ihrer früheren Höhe zurück, so wäre auch der vordere Abschnitt dieses kanalförmigen Raumes einfach ; seinen Boden würde der secundäre, seine Decke der primitive Gaumen bilden und durch die daselbst befindlichen Spalten (primitive Gaumenspalten) stünde er mit den Nasenhöhlen in Verbindung. Es giebt jedoch der primitive Gaumen seine Selbständigkeit auf, indem sein von der Nasenscheidewand gebildeter Antheil herab- wächst (Taf. IV, Fig. 15; Taf. III, Fig. 8) und schliesslich mit dem eigentlichen Gaumen verwächst. Auf diese Weise wird dieser Raum paarig und jede Seitenhälfte bildet jetzt den untersten Ab- schnitt einer Nasenhöhle, welcher vorn durch die äusseren Nasen- löcher ausmündet und hinten in den unter dem Keilbein liegenden noch unpaarigen Nasenrachengang übergeht. Die Nasenscheide- wand ist nämlich um diese Zeit in sagittaler Richtung sehr kurz, so dass ihr hinterer Rand schon vor dem Nasenrachengang endigt. Nachdem ich gezeigt habe , dass der primitive Gaumen bei den Säugethieren seine Selbständigkeit aufgiebt , indem sein von der Nasenscheidewand gebildeter Antheil in den oberen Theil der nach vorn verlängerten primitiven Mundhöhle hinabsteigt, denselben halbirt und mit dem bleibenden Gaumen verschmilzt, so habe ich noch das spätere Verhalten der primitiven Gaumen- leisten, der primitiven Gaumenspalten und des Nasenrachenganges zu besprechen.

a. Primitive Gaumenleisten.

Wie wir gesehen haben, so liegt an jüngeren Rindsembryonen, vor dem Erscheinen der späteren Gaumenplatten , der primitive Gaumen mit seinen Spalten von der Mundhöhle aus gesehen ganz oberflächlich (Taf. I , Fig. 4 und 1 1) ; man vergleiche auch den Frontalschnitt Fig. 10, an welchem mit d die Gaumenfläche der Nasenscheidewand und mit c die primitive Gaumenleiste des Ober- kieferfortsatzes bezeichnet ist; zwischen beiden liegt die den Boden der Nasenhöhle durchbohrende primitive Gaumenspalte.

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Alsbald jedoch nehmen die zu beiden liegenden Oberkieterfort- sätze rasch an Höhe zu (Taf. II , Fig. 3 , d) , wachsen zugleich nach unten in die Gaumenplatten aus und begrenzen einen von der Zunge erfüllten Raum , dessen Decke der primitive Gaumen ist (Fig. 1, 3 und 5). Die primitiven Gaumenleisten finden jetzt ihre Lage hoch oben an der medianen Seite der Überkieferfort- sätze , stehen aber noch immer in gleicher Höhe mit der Grund- fläche der Nasenscheidewand (Fig. 1, i; Fig. 3, c; Fig. 5, b). Von der Mundhöhle aus gesehen, liegen nun diese Leisten mit den primitiven Gaumenspalten ganz in der Tiefe zAvischen den in die senkrechten Gaumenplatten auswachsenden Oberkieferfortsätzen (Taf. III , Fig. 13, h). Um nun für das spätere Verhalten einen Anhaltspunkt zu gewinnen, so mache ich darauf aufmerksam, dass die primitive Gaumenleiste unterhalb der erst später entstehen- den unteren Muschel sich findet und von derselben durch einen Zwischenraum abgeschieden wird, welcher die Anlage des unteren Nasenganges darstellt (Taf. II, Fig. 3 und 5). In Fig. 5 bedeutet a den unteren Rand der unteren Muschel, b die primitive Gaumen- leiste , zwischen beiden liegt der untere Nasengang , welcher an diesem Frontalschnitt die Gestalt einer transversalen am lateralen Ende bogenförmig aufsteigenden Spalte zeigt. Ich kann daher die Angaben von Kölliker, welcher die primitive Gaumenspalte (das sogenannte innere Nasenloch) zwischen die untere Muschel und die Nasenscheidewand verlegt , nicht bestätigen ; im Ganzen jedoch enthält die von diesem Forscher in seinem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte gegebene Darstellung der Bildung der Nasenhöhle und namentlich auch der primitiven Gaumenspalten einen nicht geringen Fortschritt gegenüber der bisherigen Lehre. Behält man diese Lage der primitiven Gaumenleisteu im Auge, so lassen sich dieselben an älteren Embryonen stellenweise noch nachweisen, während sie in ihrem übrigen Verlaufe sich ausgleichen. Nehmen wir z. B. den auf Taf. III , Fig. 8 dargestellten Frontal- schnitt eines Schafsembryo , dessen bleibender Gaumen sich eben geschlossen hat, so bemerkt man die frühere primitive Gaumen- leiste in Gestalt einer Schleimhautfalte (e) , welche durch einen Ausschnitt von der darüber liegenden unteren Muschel (d) ge- schieden ist. Sie liegt jetzt höher als das untere Ende der Nasen-

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Scheidewand, welche unterdessen weiter hinabwuchs um sich mit dem bleibenden Gaumen zu verbinden. Von einer primitiven Gaumenspalte kann man jetzt wohl nicht mehr sprechen und die ihr entsprechende Gegend der Nasenhöhle liegt zwischen der Nasen- scheidewand und der genannten Falte e.

An dem auf Taf. IV, Fig. 15 abgebildeten Frontalschnitt stehen die Gaumenplatten im Begriff, sich mit einander zur Bildung des bleibenden Gaumens zu verbinden. Darüber liegt das untere dicke mit den Gaumenplatten noch nicht verwachsene Ende der Nasen- scheidewand und zwar in einem lateralwärts von den Oberkiefer- fortsätzen begrenzten Raum, der früher der primitiven Mundhöhle angehörte und von der Zunge erfüllt war (vergl. Taf. II, Fig. 5). Durch das Hinab wachsen der Nasenscheidewand wird dieser Raum halbirt und jede Hälfte stellt von nun an die unterhalb der unteren Muschel liegende dem Gebiete des unteren Nasenganges angehörige Partie der Regio respiratoria einer Nasenhöhle dar. Der untere Nasengang erscheint an diesem Frontalschnitt als eine kurze schief nach aussen ansteigende Spalte , welche die untere Muschel von einer darunter liegenden Schleimhautfalte (ehemalige primitive Gaumenleiste) trennt.

b. Primitive Gaumenspalten.

In früher Zeit der Entwicklung münden die beiden Nasen- höhlen ihrer ganzen Länge nach durch eine ihren Boden durch- brechende Spalte in den unter ihnen liegenden vordem Abschnitt der verlängerten primitiven Mundhöhle. Alsbald jedoch schliesst sich der vordere Theil dieser Spalte in Folge einer Verwachsung des mittleren Stirnfortsatzes mit den vorderen Enden der Ober- kieferfortsätze (Taf. I, Fig. 4). Den dahinter liegenden noch offenen Theil der Spalten nannte ich, um einen kurzen Ausdruck zu haben, primitive Gaumenspalten. An jeder derselben unterscheide ich wieder eine vordere und eine hintere Hälfte. Die vordere Hälfte bleibt offen und erhält sich nach der Bildung des bleiben- den Gaumens in geringer Entfernung über demselben als ein Theil der untersten Partie der Nasenhöhle (s. oben). Was dagegen die hintere Hälfte betrifft, so tritt im Grunde derselben eine Verwach- sung der Nasenscheidewand mit der Seitenwand der Nasenhöhlen

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ein, wodurch dieselben einen eigenen von dem spätem Gaumen völlig unabhängigen Boden gewinnen (Taf. IT, Fig. 7). Untersucht man diesen durch die genannte Figur dargestellten Frontalschnitt eines Kindsembryo etwas näher, so liegt die den Nasenhöhlen- boden darstellende Verbindungsbrücke oberhalb der primitiven Gaumenleiste, welche in Fig. 5 mit b bezeichnet ist. Legt man den Frontalschnitt durch das hinterste zwischen den Augen lie- gende Ende der Nasenhöhlen an (Fig. 2), so hat dieser Nasen- höhlenboden auf Kosten der Nasenhöhle (b) bedeutend an Höhe zugenommen und die hier getroffene Partie der Nasenscheidewand ist niedriger geworden und entspricht dem vorderen Keilbeinkörper des Menschen. An beiden Durchschnitten rindet man unterhalb dieses Nasenhöhlenbodens einen der primitiven Mundhöhle ange- hörigen Raum von derselben Beschaffenheit und mit demselben Inhalt wie an den weiter vorn liegenden Gesichtsdurchschnitten (vergl. Fig. 1, 3 und 5). Er wird nämlich von der Zunge erfüllt und zu beiden Seiten von den Oberkieferfortsätzen und den senk- recht absteigenden Gaumenplatten begrenzt.

Dieses Verhalten der hinteren Hälfte der Nasenhöhle erinnert an ein ähnliches, wie ich es für das vordere Ende der Nasenhöhlen beschrieben und auf Taf. III, Fig. 11 abgebildet habe. Auch dort bildet sich der Nasenhöhlenboden ohne Dazwischenkunft des späteren Gaumens, einfach durch Verwachsung der Nasenscheide- wand mit den seitlichen Stirnfortsätzen und den Oberkieferfurt- sätzen , während der schon in der Bildung begriffene spätere Gaumen in Gestalt zweier absteigender Platten (a) von diesem Nasenhöhlenboden abgeht. Somit besitzt jede Nasenhöhle, noch bevor der eigentliche oder bleibende Gaumen entstanden ist, einen Boden, welcher zugleich das Dach der primitiven Mundhöhle dar- stellt und den Zungenrücken in seiner ganzen Ausdehnung be- rührt. Ich habe ihn daher primitivenGaumen genannt. Ursprünglich wird derselbe , wie wir gesehen haben , in seiner ganzen Länge durch die primitiven Gaumenspalten durchsetzt, welche auch den unteren Umfang der äusseren Nasenlöcher durchbrechen und eine Communication der Nasenhöhlen mit der primitiven Mundhöhle gestatten. Hierauf schliessen sich diese Spalten in der angegebenen Art in ihrem vorderen und ihrem hinteren Theil und nur ihre

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mittlere Partie erhält sich. Bildet sich dann der spätere Gaumen, so wird dadurch der obere an den primitiven Nasenhöhlenboden anstossende Theil der Mundhöhle abgeschnürt und, wie ich oben bereits angegeben habe, dem Gebiete der Nasenhöhlen einverleibt. Die Nasenhöhlen gewinnen dadurch an Höhe, indem sie durch den offen bleibenden Theil der primitiven Gaumenspalten mit diesem neu hinzugekommenen Raum sich in Verbindung setzen. Von nun an ist es der secundäre Gaumen, welcher den Boden der Nasenhöhlen darstellt, wenigstens für den mittleren Abschnitt, nicht aber für deren vorderes und hinteres Ende, weil diese schon einen eigenen Boden besitzen. Ganz eigenthümlich gestaltet sich nun das Verhältniss des seeundären Gaumens zu diesen bereits geschlossenen Nasenhöhlenpartien , von welchen ich für jetzt nur die hintere besprechen will.

Nachdem nämlich die hinteren Nasenhöhlenhälften ihren eigenen Boden erhalten haben , so zieht sich die dicht anliegende Zunge allmählig von ihm zurück und der entstehende Raum ist der Nasen- rachengang, dessen Seitenwände von den Oberkieferfortsätzen und den Gaumenplatten gebildet werden (Taf. II, Fig. 2, c; vergl. auch Fig. 7). Von der Mundhöhle ist er noch nicht geschieden, was aber sofort dadurch geschieht, dass die ursprünglich neben der Zunge absteigenden Gaumenplatten sich aufrichten und zur Herstellung des Gaumens sich verbinden. Auf diese Weise erhält die Nasenhöhle einen den Nasenrachengang zwischen sich fassen- den doppelten Boden (Taf. V, Fig. 14). Den oberen Boden, welcher alsbald durch eine Knorpelplatte d gestützt wird, sowie die Be- deutung der darüber liegenden Partie der Nasenhöhle habe ich schon früher (S. 95 u. f.) besprochen und dabei auch das Ver- halten der menschlichen Nasenhöhlen berührt.

Nasenrachengang. Was den Nasenrachengang betrifft, den ich ebenfalls (S. 95) in Beziehung auf seine Bedeutung und sein späteres Verhalten schon erörtert habe, so ist derselbe zuerst ein unpaariger Kanal, dessen hinteres Ende in die Schlundkopfhöhle mündet , dessen vorderes Ende an den noch ganz vorn liegenden hinteren Nasen- scheidewandrand anstösst und daselbst zu beiden Seiten des letz-

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teren in die eigentliche Nasenhöhle sich fortsetzt. Es ist nämlich an der Bildung der Nasenscheidewand zuerst nur die vorderste vor der Keilbeingegend liegende Partie der Schädelbasis betheiligt. Allmählig aber nimmt auch die Keilbeingegend der Schädelbasis daran Antheil , indem sie in den darunter liegenden Nasenrachen- gang sich verlängert. Es bildet sich so zuerst ein medianer Wulst, welcher von oben her den Nasenrachengang zu halbiren beginnt (Taf. V, Fig. 14 und 15). Beim Schwein bildet sich dieser Theil der Nasenscheidewand viel früher , so dass der bei diesem Thier viel längere Nasenrachengang an den auf Taf. IV abgebildeten Frontalschnitten doppelt erscheint (Fig. 11, 12 und 13, w). Später werde ich bei der Besprechung menschlicher Embryonen noch einmal auf den Nasenrachengang zurückommen.

Zur Entwicklungsgeschichte der Nase des Menschen.

Da bei dem Menschen die Nase im Wesentlichen ganz in der- selben Weise sich bildet, wie bei den von mir untersuchten Säuge- thieren , so will ich nur die durch Vergleichung sich ergebenden Verschiedenheiten hervorheben, soweit sie mir aus eigener Erfah- rung bekannt sind.

Betrachtet man die auf Taf. VI, Fig. 1 3 und 1 1 dargestellten Köpfe, von welchen jener einem 1,3 Ctin. langen, dieser einem 1,8 Ctm. langen menschlichen Embryo entnommen ist, so fällt sofort beim Vergleiche mit Köpfen von Rindsembryonen (Taf. I) einmal die Flachheit des gesammten Stirnfortsatzes auf. Eine einfache ober- halb den Augen liegende Querfurche markirt unter Bildung eines flachen aufwärts convexen Bogens die Grenze zwischen derStirne und dem Stirnfortsatz , welcher wie ein Mützenschild von der Stirnwand abgeht und die Gegend zwischen den Augen erfüllt. Die unten noch weit offenen äusseren Nasenlöcher stehen einander wegen der geringen Breite des mittleren Stirnfortsatzes viel näher und es zeichnet sich der letztere noch überdies durch die mehr senkrechte Stellung seiner schmalen Seitenflügel aus, wodurch der untere Rand dieses Fortsatzes einen auffallend tiefen medianen

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Ausschnitt erhält. Erst im weiteren Verlaufe der Entwicklung verschwindet diese mediane Spalte (Fig. 2), kann sich aber, wie ein mir vorliegender Fall (Fig. 14) beweist, abnormer Weise er- halten und eine mediane Trennung der Oberlippe und der beiden Zwischenkiefer veranlassen. Es war an diesem Kopfe jeder Zwi- schenkiefer vollständig entwickelt, und zeigte von unten gesehen zwei für die beiden Schneidezähne der betreffenden Seite be- stimmte Hügel.

Untersucht man den Kopf eines etwas älteren menschlichen Embryo (Fig. 2—5), so hat der die Nase darstellende gesammte Stirnfortsatz zwar an Dicke sehr zugenommen , weniger aber an Höhe, wesshalb er im Verhältniss zu dem übrigen Kopf sehr niedrig erscheint. Der mediane Ausschnitt des mittleren Stirnfortsatzes ist verschwunden und dafür ein die Zwischenkiefergegend darstellen- der breiter Wulst entstanden , der sich zu beiden Seiten mit den Oberkieferfortsätzen verbindet und der vorderen Partie der Nasen- höhlen einen Boden abgiebt.

Vergleicht man diesen Kopf mit dem eines 1,9 Ctm. langen oben beschriebenen Rindsembryo, so erscheinen die Nasenhöhlen und überhaupt die ganze Nase sehmaler und viel kürzer. Be- trachtet man beide Köpfe nach Entfernung des Unterkiefers (Taf. VI, Fig. 3 und Taf. I, Fig. 4), so erscheint der primitive Gaumen des menschlichen Embryo sehr kurz und schmal und die entsprechend verkürzten primitiven Gaumenspalten erscheinen mehr wie läng- liche am vordem Rand ausgerundete Löcher (vergl. auch Taf. VI, Fig. 2, h). Erst im weiteren Verlaufe der Entwicklung, wenn sich die Nase in der Richtung nach vorn verlängert, gewinnen auch bei dem Menschen diese Löcher die Gestalt von Längsspalten, welche den primitiven Boden der Nasenhöhlen durchbrechen (Fig. 21). Die in Fig. 2 und 3 hinter dem primitiven Gaumen und seinen Spalten liegende lateralwärts von den Oberkieferwülsten begrenzte Gegend ist die primitive Mundhöhle oder die noch ungeschiedene Anlage des Nasenrachenganges und der hinteren Partie der spä- teren Mundhöhle. Ihr von der Keilbeinanlage gebildeter Hinter- grund (Decke) wird zu beiden Seiten von den hier an die Schädel- basis angehefteten Oberkieferfortsätzen durch eine Furche geschieden (Fig. 2, f; Fig. 3, e), welche in ihrem Verlaufe nach hinten und

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unten an Tiefe zunimmt und schliesslich zur Mündung der Eu- stach'schen Trompete führt. Latcralwärts von dieser Grenz- furche entwickelt sich aus dem Oberkieferfortsatz eine hier noch sehr niedrige Längskante oder Leiste (Fig. 2, e ; Fig. 3, e), wor- aus der weiche Gaumen und die hintere Partie des harten Gaumens hervorgeht (Fig. 6, c). Nach vorn setzt sich diese Gaumenplatten- anlage auf einen Theil des Oberkieferfortsatzes fort, welcher die primitive Gaumenspalte lateralwärts begrenzt, und daraus entwickelt sich die vordere Partie des harten Gaumens. Wenn nun später die Gaumenplatten beider Seiten medianwärts zur Bildung des bleibenden Gaumens sich verbinden , so wird der obere an die Schädelbasis und die Nasenscheidewand angrenzende nach vorn bis zu dem Zwischenkiefer reichende Abschnitt der primitiven Mund- höhle abgeschlossen und in einen niedrigen Gang verwandelt, dessen hintere unter dem Keilbein liegende Hälfte der Nasen- rachengang ist. In seinen vorderen unter der Nasenscheidewand liegenden Abschnitt münden die Nasenhöhlen durch die primitiven Gaumenspalten und schon frühe wächst die Nasenscheidewand hinab, verbindet sich mit dessen Boden (Gaumen) und theilt da- her diesen Raum in zwei den untersten Abschnitt der Nasenhöhlen darstellende Hälften, welche am hinteren Rande der Nasenscheide- wand in den noch langen Nasenrachen gang münden. Allmählig aber zerfällt auch dieser Gang in der Richtung von vorn nach hinten in zwei die Nasenhöhlen fortsetzende Gänge, indem sich auch die untere Keilbeinfläche an der Verlängerung der Nasen- scheidowand betheiligt. Folglich ist die später doppelte Ausmündung der Nase in den Schlundkopf (Choanae) ursprünglich einfach und der hintere Nasenscheidewandrand lag in der Gegend vor der unteren Keilbeinfläche. Die hinteren Nasenlöcher oder Choanen sind daher die beiden Seitenhälften der ursprünglich einfachen Mündung des Nasenrachenganges in die Schlundkopfhöhle. An dem auf Taf. VI, Fig. 2 und 3 abgebildeten menschlichen Em- bryo fehlt noch der spätere Gaumen ; es wäre daher ein Fehler, wollte man die den Boden der Nasenhöhlen durchbrechenden spaltenförmigen Löcher (die ich primitive Gaumenspalten nannte) als Choanen ansprechen. Diese Spalten bleiben und mit der Vex-längerung der Mundhöhle nehmen sie an Länge zu. Sie werden

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später von den Gaumenplatten verdeckt und erhalten sich als ein Theil des unteren Nasenganges. Ein diesen Kopf halbirender Medianschnitt (Fig. 4) zeigt die in ihrer Entwicklung begriffene Nasenscheidewand, zu deren Herstellung, wie ich oben angab, die Basis des Vorderschädels in ihrer ganzen ursprünglichen Breite als sogenannter mittlerer Stirnfortsatz in die Mundhöhle hinab- wächst. Sie erscheint zuerst am vorderen Ende des Schädels als eine Wucherung der Stirnwand und der zunächst angrenzenden Schädelbasis; hierauf wächst auch die weiter rückwärts liegende Partie der Schädelbasis aus und es bildet sich so eine senkrechte Platte , deren Dicke der ganzen Breite des ursprünglichen Vorderschädels gleichkommt und welche zugleich die gemeinschaft liehe Anlage der Körper der beiden vorderen Schädelwirbel (vor- derer Keilbeinkörper und Lamina perpendicularis des Siebbeins) darstellt. Es enthält dieser Schädeltheil die von Rathke soge- nannten seitlichen Schädelbalken, welche, indem sich allmählig auch die dazwischen liegende anfangs sehr dünne Zone der Schädel- basis verdickt, scheinbar mit einander medianwärts verschmelzen und die Grundlage der Nasenscheidewand und des dazu gehörigen vorderen Keilbeinkörpers bilden. In Fig. 4 ist die so verdickte vordere Schädelbasis (h g) abgebildet und ihr unterer Rand bildet mit der Basis des Spheno-Ethmoidaltheils des Schädels (k h) einen bogenförmig ausgerundeten sehr stumpfen Winkel.

Vergleicht man hiermit den in Fig. 7 dargestellten Median- schnitt der Schädelbasis eines 3,8 Ctm. langen menschlichen Em- bryo, so hat die Nasenscheidewand mit der Verlängerung des Schädels nach vorn ebenfalls an Länge zugenommen und man kann an ihr eine hintere und eine vordere Partie unterscheiden. Die hintere Partie ist noch sehr niedrig und setzt sich rückwärts ohne Grenze in den vorderen Keilbeinkörper (d) fort. Ihr unterer Rand ist noch völlig frei und erscheint von der Mundhöhle aus gesehen (Fig. 6, d) als eine breite Fläche. Der darunter liegende Raum (Fig. 7) ist die primitive Mundhöhle, deren Seitenwand von dem Oberkieferfortsatz gebildet wird und die mit ihrem freien Rand abwärts gekehrte Gaumenplatte (g i) abgiebt. Der über dieser Platte liegende Abschnitt der primitiven Mundhöhle, welcher vorn und oben mit den Nasenhöhlen coinmunicirt, wird später

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mit der Gaurnenbildung von der Mundhöhle abgeschnürt und bildet dann einen Theil der Regio respiratoria der Nasenhöhlen sowie den Nasenrachengang , welcher unter dem Keilbein (d c b) liegt und rückwärts bis zu der hier sichtbaren Mündung der Eustach'- schen Trompeten (zwischen i und b) sich erstreckt.

Die vordere Partie der Nasenscheidewand unterscheidet sich von der vorhergehenden durch ihre viel bedeutendere Höhe , be- sonders aber noch dadurch , dass ihr unterer Rand in den den Boden der Nasenhöhlen darstellenden Zwischenkiefer übergeht. Durch einen vorderen Einschnitt ist das Zwischenkieferstück von der Oberlippe und durch einen hinteren Einschnitt von der hin- teren Partie der Nasenscheidewand geschieden ; zugleich bemerkt man an seinem hinteren Ende in der Tiefe eine längliche schräg nach hinten ziehende Oeffnung, welche in die Nasenhöhle führt. Ein neben der Nasenscheidewand durch das äussere Nasenloch geführter Sagittalschnitt desselben Kopfes (Fig. 8) öffnet die rechte Nasenhöhle, welche bereits drei Muscheln enthält. Die untere längste Muschel erreicht mit ihrem vorderen Ende den Rand des äusseren Nasenlochs (a). Die im Verhältniss zu ihrer Höhe kurze Nasenhöhle erstreckt sich rückwärts unter dem Keilbein bis zur Mündung der Eustach'schen Trompete. In ihrer vorderen Hälfte besitzt sie bereits einen geschlossenen Boden , welcher von dem an seinem vorderen Umfang von der Oberlippe (b) gedeckten Zwischenkiefer gebildet wird.

In Fig. 6 gebe ich eine Flächenansicht der primitiven Mund- höhlendecke dieses Embryo. Zwischen den Gaumenplatten be- merkt man in der Tiefe die in die breite Nasenscheidewand aus- wachsende Schädelbasis und zu beiden Seiten derselben die nach hinten von den Gaumenplatten verdeckten Spalten des Nasen- höhlenbodens (primitive Gaumenspalten). Im Vergleiche zu den oben beschriebenen Rindsembryonen sind die Nasenhöhlen und ihre Scheidewand bei menschlichen Embryonen auffallend verkürzt und es steht dazu die sagittale Ausdehnung des Zwischenkiefers, der mehr als die halbe Länge der eigentlichen Nasenhöhlen bean- sprucht, in auffallendem Missverhältniss.

Dursy , Entwicklgsgesch. 11

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Ueber das spätere Verhalten der Oberkieferfortsätze.

Nachdem icli die erste Anlage der Oberkieferfortsätze bereits besprochen habe (S. 122 u. ff.), wende ich mich zu deren spä- teren Veränderungen lind lege dabei meine an Rindsembryonen gemachten Erfahrungen zu Grund.

Wie die nebenstehende Figur XX zeigt, so besitzt der Ober- kieferfortsatz eines Gx/2 Millim. langen Rindsembryo von aussen

gesehen die Gestalt eines in eine vor- dere Spitze auslaufenden Lappens, der seiner ganzen Länge nach mit dem convexen Rand an die Schädelbasis angeheftet ist (vergl. auch Taf. I, Fig. 20 und Fig. 21 , d) , und an dem hin- teren unteren Umfang der Riechgruben endigt. Von der darüber liegenden An- lage des seitlichen Stirnfortsatzes k wird er durch die Augennasenfurche geschieden. Hierauf nimmt er an Dicke und an Länge zu, so dass er über sein vorderes angeheftetes Ende hinaus- wächst, wobei er seine Anheftung an denSchäd el aufgiebt und sich an der Bildung der unteren Partie der Nase betheiligt. Ich unterscheide daher von jetzt an an dem Oberkieferfortsatz einen hinteren an den Schädel gehefteten Abschnitt (Taf. I, Fig. 16 und 17) sowie einen vorderen Abschnitt , welcher von dem Schädel sich ablöst und unterhalb der Riechgruben dem Stirnfortsatz sich an- schliesst (Taf. I, Fig. 15; vergl. auch S. 150).

Der hintere Abschnitt ist eine Fortsetzung der an den late- ralen Umfang der Schädelbasis gehefteten Bauchplatte und besitzt, wie wir gesehen haben, einen oberen convexen durch eine Furche (XX, i) sich abgrenzenden Rand. Alsbald aber nimmt der Ober- kieferfortsatz an seiner Aussenseite bedeutend an Dicke zu und gewinnt auch an Höhe, so dass er das Auge von unten umfasst und dabei sein oberer früher convexer Rand in einen concaven sich umändert. Zugleich wuchert er hinter dem Auge hinauf und erzeugt in Verbindung mit einer entgegenkommenden Wucherung

Erklärung s. S. 105.

163

Erklärung s. S. 113.

des Schädeldaches einen das Auge umfassenden Wulst, welcher jedoch in der Gegend vor dem Auge durch die hier beginnende Augen -Nasenfurche eine Unter- brechung erfährt. Die frühere Abgrenzungsfurche (XX , i) er- fährt dadurch eine Abänderung ihres Verlaufes , zieht nicht mehr unter dem Auge vorbei zur Augen- Nasenfurche, sondern umkreist hinter und über dem Auge den genannten Wulst. Allmählig ver- schwindet sie in Folge einer aus- gleichenden Massenzunahme der Aussenseite des Kopfes. Betrachtet man den auf Taf. I , Fig. 1 dar- gestellten Kopf eines Rindsembryo, so bildet der nun stark ausgehöhlte das Auge tragende obere Umfang der hinteren Abtheilung des ver- dickten Oberkieferfortsatzes die untere Hälfte eines die Augen umgebenden Walles, der nur durch die Augen-Nasenfurche eine Unter- brechung erfährt. Die frühere Grenzfurche zwischen Bauchplatte (also auch Oberkieferfortsatz) und Schädelrohr ist verschwunden und es bilden sieh in der hier entstandenen Wucherung, welche den hinteren Umfang des Auges umgiebt und den Oberkieferfortsatz mit der seitlichen Schädelwand verbindet, das Jochbein und die Weichtheile der Schläfengrube.

Es wuchert aber die hintere Abtheilung des Oberkieferfort- satzes nicht blos hinter dem Auge nach oben, sondern auch in entgegengesetzter Richtung abwärts über das hintere Ende der Mundspalte hinweg und verschmilzt mit einer entgegenkommenden Wucherung des ersten Schlundbogens zur Bildung der Backen; es wird dadurch der laterale Theil der Mundspalte von aussen

11*

Erklärung 6. S. 114.

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gedeckt. In Fig. XX (Holzschn.) erblickt man den lateralen Theil der primitiven Mundspalte noch völlig frei und ihr Winkel liegt hinter dem Auge. In Fig. XXI wird das hinterste Ende der Spalte überbrückt, ebenso in Fig. XXII, und man bemerkt hier deutlich eine von dem unteren Umfang des Oberkieferfortsatzes abgehende Wucherung, welche in Gestalt einer nach vorn con- caven Falte auf den Unterkieferfortsatz übergeht.

Was den vorderen Abschnitt des verlängerten Oberkieferfort- satzes betrifft, so hat derselbe im Profil gesehen an jüngeren Em- bryonen (Fig. XXI) die Gestalt eines dreieckigen Lappens, welcher den seitlichen Stirnfortsatz k trägt und mit seiner abgerundeten Spitze dem Seitenflügel des mittleren Stirnfortsatzes o entgegen- strebt. Vergleicht man damit das in Fig. XX dargestellte vordere zugespitzte Ende des ursprünglichen Oberkieferfortsatzes, so haben beide ein ähnliches Ansehen und es hat daher den Anschein , als ob mit der Verlängerung des Oberkieferfortsatzes dieses ursprüng- liche vordere Ende nur Aveiter nach vorn gerückt wäre. Dies ist aber nicht der Fall , sondern es bildet sich eine neue dem ur- sprünglichen Ende sich gleichsam aufsetzende Wucherung, welche von dem Schädel sich entfernt, um der herabwachsenden Nase (Stirnfortsatz im weiteren Sinn) Platz zu lassen. Die ursprüng- liche Spitze ist daher als solche nicht mehr zu unterscheiden, sondern verdickt sich zur Wurzel der die Nase tragenden Ver- längerung des Oberkieferfortsatzes. Legt man daher um diese Zeit der Entwicklung nahe vor dem Auge einen Frontalschnitt an (Taf. I, Fig. 16 und 17), so trifft man damit die Gegend der früheren an den Schädel gehefteten Spitze des Oberkieferfortsatzes, die nun zur Wurzel der folgenden Abtheilung sich verdickt hat und das vordere Ende der in die Schädelwand übergehenden Kopfbauchplatte darstellt. Durch eine vor den Augen liegende tiefe Furche wird sie von der darüber liegenden seitlichen Stirn- wand äusserlich abgegrenzt. Legt man jedoch den Schnitt weiter vorn an , so trifft man die später entstandene vordere Abtheilung des Oberkieferfortsatzes (Fig. 15, b), welche nicht mehr mit dem Schädel zusammenhängt. Sie wird vielmehr durch eine die Augen- Nasenfurche aufnehmende Spalte von dem darüber liegenden seit- lichen Stirnfortsatz (a) geschieden und verlängert sich medianwärts

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in eine horizontale Kante , welche unter den Nasenhöhlen hinweg der Schädelbasis entgegenstrebt. Es trägt somit diese Abtheilung des Oberkieferfortsatzes die Nase und scheidet deren Höhlen von der primitiven Mundhöhle einigermassen ab. Ich habe diese me- diane Kante bereits als einen Theil meines primitiven Gaumens beschrieben und sie primitive Gaumenleiste genannt (S. 148). All- mählig verwächst der Oberkieferfortsatz mit dem seitlichen Stirn- fortsatz und betheiligt sich auch an der Bildung der lateralen Nasenhöhlenwand (Taf. I, Fig. 10 und 11). Ferner verschmilzt sein vorderstes Ende mit dem Seitenflügel des Stirnfortsatzes (Fig. 8). Zur Zeit der beginnenden Verwachsung des Oberkieferfortsatzes mit den beiden Stirnfortsätzen bemerkt man an der Aussenfläche seines vorderen Abschnittes Auftreibungen theils in Gestalt flacher breiter Wülste, theils in Gestalt kleinerer schärfer begrenzter Hü- gel (Taf. 1, Fig. 1, 2 und 3). So finde ich beständig an seinem oberen Rand einen kleinen runden Höcker, dem ein ähnlicher von dem anstossenden Theil des seitlichen Stirnfortsatzes entgegenkommt (Fig. 2) ; ich habe sie bis jetzt noch nicht weiter verfolgt.

Nachdem ich gezeigt habe, dass der vordere oder Nasentheil des Oberkieferfortsatzes aus dem ursprünglichen dem Schädel an- gehefteten Theil frei hervorwächst, indem er durch eine in die Mundhöhle führende Spalte von den Stirnfortsätzen geschieden wird , so erinnert er durch dieses Verhalten an die aus der ur- sprünglichen Bauchplatte hervorwachsenden und ebenfalls durch Spalten geschiedenen Schlundbogenhälften , erscheint daher eben- falls wie diese als ein Visceralfortsatz , welcher dem der anderen Seite nach vorn entgegenwächst. Auch haben sie in der That das Bestreben in der vorderen Medianlinie zur Herstellung eines vollständigen den Schlundbogen analogen und von der Stirne durch eine Querspalte geschiedenen Bogens sich zu verbinden , werden aber daran durch den dazwischen tretenden mittleren Stirnfortsatz gehindert. Ein solcher Fall kann aber eintreten, wenn aus- nahmsweise dieser Fortsatz nicht herabwächst, sich überhaupt gar nicht bildet. Auf Taf. III, Fig. 16 habe ich einen Hühnerembryo abgebildet , dessen mittlerer Stirnfortsatz sich nicht entwickelte ; die Mitte der vorderen Stirnwand blieb auf einer frühen Bildungs- stufe zurück , ist daher niedrig und schmal und wird zu beiden

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Seiten von den seitlichen Stirnfortsätzen überragt. Es bildet sich so mitten auf der Stirne eine Vertiefung, welche zu beiden Seiten in die von den seitlichen Stirnfortsätzen lateralwärts gedeckten Riechgruben führt. Was nun die seitlichen Stirnfortsätze betrifft, so sind dieselben in Folge der Verkümmerung der mittleren Stirn- wand einander viel näher gerückt und wenden sich mit ihren unteren Enden medianwärts , um sich in der bekannten Weise unterhalb der Riechgruben mit dem mittleren Stirnfortsatz zu ver- binden. Da nun ein solcher hier fehlt, so stossen sie von beiden Seiten in der Medianlinie aufeinander, verschmelzen und bilden einen die Nasengegend abwärts abschliessenden bogenförmigen Wulst. Die darüber liegende Grube der Stirnwand ist gleichsam ein unpaariges äusseres Nasenloch , welches zu beiden Seiten in die verkümmerten Nasenhöhlen führt. Eine Nase hat sich somit in diesem Falle , wenn auch unvollkommen , gebildet , ist aber in Folge der Verkümmerung des vorderen Schädelendes nicht zwi- schen die Augen (c) in die Mundhöhle hinabgewachsen ; es fehlt daher die Verbindung mit den Oberkieferfortsätzen. Besonders interessant dabei ist der Umstand , dass auch die seitlichen Stirn- fortsätze ähnlich den Visceralfortsätzen (Schlundbogen) das Be- streben haben, zur Herstellung eines geschlossenen Bogens einander medianwärts entgegen zu wachsen, was im vorliegenden Falle ge- lingt, sonst aber durch die Dazwischenkunft des mittleren Stirn- fortsatzes verhindert wird. Betrachten wir nun die Oberkiefer- fortsätze (d) , so steht auch hier ihrer medianen Vereinigung zu einem geschlossenen Bogen Nichts im Wege. Man glaubt den ersten Schlundbogen zu sehen und es fehlen selbst die kolbig ver- dickten Enden nicht, mit welchen sie sich aneinander legen. Auf- fallend ist ein von oben zwischen die Kolben sich einkeilender Wulst , welcher an das oben beschriebene Zwischenkieferstück des Unterkiefers erinnert. Es scheint dieser Zwickel einigen Er- satz bieten zu wollen für den sonst am unteren Rand des mittleren Stirnfortsatzes sich bildenden Zwischenkiefer. Zwischen den End- kolben der vereinigten Oberkieferfortsätze und den Endkolben des ersten Schlundbogens (e) erblickt man die kleine rautenförmige Mundöffnung.

Was den Raum betrifft, der in transversaler Richtung unter-

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halb der Augen den Schädel von dem Bogen der Oberkieferfort- sätze trennt, so ist dies der an die Schädelbasis angrenzende oberste Abschnitt der primitiven Mundhöhle , deren Eingang durch die nachträgliche Verschmelzung der Oberkieferfortsätze in eine obere die Augen aufnehmende und in eine untere die eigentliche Mund- öffnung darstellende Abtheilung geschieden wurde. Die wegen Verkümmerung der Nase einander näher gerückten und nicht geschiedenen Augen (Cyklopie) ragen daher in den obersten Theil der primitiven Mundhöhle hinein, also in einen Raum, der bei den Säugethieren als Nasenrachengang und untere Partie der Regio respiratoria der Nasenhöhle abgeschieden wird. Da ich diesen Hühnerembryo noch unverletzt in Weingeist aufbewahre und nicht zergliedern will, so weiss ich nicht, ob auch in der Tiefe die Oberkieferfortsätze nachträglich sich in Verbindung gesetzt haben, in welchem Falle der die Augen aufnehmende Raum einen Bo- den hätte.

Nachdem ich somit gezeigt habe , dass mit dem Ausfall des mittleren Stirnfortsatzes sowohl die seitlichen Stirnfortsätze als auch die Oberkieferfortsätze ähnlich den Schlundbogenhälften me- dianwärts einander entgegenstreben und sich zur Herstellung eines geschlossenen Bogens vereinigen können , so scheint daraus her- vorzugehen, dass auch dem Gesichte ursprünglich ein ähnlicher Entwicklungsplan zu Grunde liegt wie dem Kopftheil des Bauch- rohres oder der Schlundhöhle. Auch führen die zwischen den Bogenhälften befindlichen Spalten an ihrem Ende zu Sinnesorganen und zwar die erste Schlundspalte zum Ohr, die Spalte zwischen erstem Schlundbogen und Oberkieferfortsatz zur Geschmackshöhle, die Spalte zwischen Oberkieferfortsatz und seitlichem Stirnfortsatz zum Auge, die Spalte zwischen seitlichem und mittlerem Stirnfort- satz zur Riechgrube.

Im Anschluss an das oben beschriebene Verhalten der Ober- kieferfortsätze will ich hier noch einige die Oberkieferknochen eines menschlichen Cyklopen betreffende Beobachtungen mittheilen. Die unter der einfachen medianen Orbita liegenden Oberkiefer- knochen bestanden nur in dem aus den Oberkieferfortsätzen her- vorgehenden Abschnitt; der Zwischenkiefer fehlte völlig, so dass die eigentlichen Oberkieferknochen vorn zur unmittelbaren Be-

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rührung und Verbindung gelangten. Es haben sich somit die Oberkieferfortsätze, wie bei dem oben beschriebenen Hühnerembryo, zu einem geschlossenen Bogen verbunden. Der knöcherne Ober- kiefertheil des Gesichtes war daher an dem Cyklopen von vorn gesehen wegen Mangels der Zwischenkieferknochen viel schmaler als an dem normalen Schädel eines Neugeborenen. Die Foramina infraorbitalia standen einander sehr nahe und von den Processus nasales waren wenigstens die Wurzeln , wenn auch schmal und niedrig, vorhanden und in unmittelbare Berührung gerathen.

Aber auch nach hinten waren die Oberknochen einander sehr nahe gerückt, so dass ihre Augenhöhlenflächen medianwärts sich berührten und den Boden der einzigen Orbita bildeten. Die beiden Processus alveolares standen einander , von unten gesehen , zwar ebenfalls sehr nahe, waren aber doch durch einen äusserst schmalen Gaumen von einander geschieden. Die Gaumenplatten waren nämlich vorhanden, jedoch in der ursprünglichen bei den Em- bryonen von mir nachgewiesenen verticalen Stellung. In dieser Haltung kommen sie mit einander in der Medianebene in Be- rührung und erzeugen einen in die Mundhöhle hinabragenden hohen Kamm. In Folge des geringen Zwischenraumes zwischen den Oberkieferfortsätzen mussten die Gaumenplatten auf ihre spätere horizontale Richtung verzichten, jedoch nicht ganz vollständig, da wenigstens ihre Wurzeln ein wenn auch sehr schmales Gaumen- gewölbe darstellen. Ueber diesem Gaumen fand sich zwischen den beiden Oberkieferknochen ein schmaler Zwischenraum , dessen Decke von dem Boden der einzigen Orbita dargestellt wurde. Vorn war dieser Raum geschlossen, hinten aber offen und mündete somit in die Schlundhöhle. Eine dünne einfache senkrechte Knochen- platte, am unteren Rand mit dem Gaumenrudiment verschmolzen, trennte diesen Raum in zwei Seitenhälften und es stellt derselbe offenbar die untere Partie der Nasenhöhle vor, an deren Seiten- wand man sogar ein muschelförmig gekrümmtes Knochenplättchen wahrnahm. Nach der bisherigen die Cyklopen betreffenden Lehre soll die Nase an ihrer normalen Stelle fehlen und nur durch ein über dem einfachen Auge hervorragendes Rudiment angedeutet sein. Von einer zweiten unter dem einfachen Auge liegenden An-

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deutung einer Nasenhöhle ist mir aus der Literatur bis jetzt kein Fall bekannt.

Es findet ein solches Vorkommen in der von mir gegebenen Darstellung der Nasenbildung seine Erklärung. Es entwickelt sich nämlich die Regio olfactoria der Nasenhöhlen nebst einem Theil der Regio respiratoria aus den Riechgruben und den sie begren- zenden Stirnfortsätzen, also unabhängig von der Mundhöhle vor den Augen. Aus diesem Theil der Nasenhöhle besteht das bei Cyklopen über dem Auge gefundene Nasenrudiment. Was dagegen den Nasenrachengang nebst einem Theil der unteren Partie der Regio respiratoria der Nasenhöhlen betrifft, so scheiden sich diese bei der Gaumenbildung von der primitiven Mundhöhle ab. Wenn aber wegen Verkümmerung des vorderen Schädelendes die Stirn- fortsätze nicht herabwachsen und sich mit den Oberkieferfortsätzen verbinden , so bleibt auch die obere Partie der Nasenhöhle von der unteren geschieden. Beide sind freilich nur sehr rudimentär und können auch ganz fehlen. In dem mir vorliegenden Falle jedoch fand sich, wie ich oben angegeben habe, ein Rest der un- teren zwischen den Oberkieferfortsätzen liegenden Partie der Nasen- höhle, welcher sogar durch eine dünne senkrechte Knochenplatte in zwei Seitenhälften getheilt wurde. Diese Scheidewand kann aber nicht die eigentliche Nasenscheidewand sein , da diese aus dem mittleren Stirnfortsatz entsteht, der hier fehlt. Ich deute da- her diese Knochenplatte als Vomer , der in diesem Falle wegen Mangels eines dazwischen liegenden Nasenscheidewandknorpels nur ein einfaches Knochenplättchen darstellt.

Zur Bildungsgeschichte des bleibenden Gaumens.

Die beiden Gaumenplatten, woraus der bleibende Gaumen des Menschen und der Säugethierc entsteht, wachsen aus der Seitenwand der primitiven Mundhöhle und der dahinter liegenden Schlundkopfhöhle hervor und trennen, indem sie medianwärts sich verbinden , diese ursprünglich einfachen Höhlen in zwei überein- ander liegende Abtheilungen. Die obere Abtheilung vervollständigt

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die Regio respiratoria der Nasenhöhle, zieht dann gleichsam als Ausführungsgang der Nasenhöhle oder Nasenrachengang unter dem Keilbein hinweg nach hinten und bildet das Cavum pharyngo- nasale des Schlundkopfs. Ihr vorderes Ende liegt hinter dem Zwischenkiefer und setzt sich in den Theil der Nasenhöhle fori» Avelcher bereits durch den Zwischenkiefer einen Boden erhalten hat und durch die äusseren Nasenlöcher ausmündet. Das hintere Ende oder das Cavum pharyngo-nasale mündet durch eine den weichen Gaumen durchbohrende Oeffnung (Isthmus pharyngo- nasalis) in die untere Abtheilung der Schlundkopfhöhle.

Die erste Spur einer Gaumenplatte erkennt man an einem schon früher erwähnten abgerundeten Längswulst , welcher aus dem medianen Theil eines Oberkieferfortsatzes nahe unter der Schädelbasis hervorgeht (Taf. I, Fig. 13, b; Fig. 4, m) und als- bald nach vorn in die Zwischenkiefergegend und nach hinten entlang der Seitenwand des Schlundkopfes bis hinter die Kehl- kopfgegend sich verlängert. Die daraus hervorgehende Platte wächst nicht sofort, wie gelehrt wird, in horizontaler Richtung der gegenüber stehenden Platte entgegen, sondei'n schlägt zuerst eine vertikale Richtung ein , so dass beide die der Schädelbasis und dem primitiven Gaumen sich anschmiegende Zunge zwischen sich fassen (Taf. II, Fig. 1, 2, 3, 5, 7). Ueber die Bedeutung des zwischen den senkrechten Gaumenplatten befindlichen Raumes sowie über deren Vei'hältniss zu den primitiven horizontalen Gaumenleistcn der Oberkieferfortsätze habe ich mich schon früher ausgesprochen.

An einem auf Taf. VI, Fig. 2 dargestellten 1,9 Ctm. langen menschlichen Embryo ist die senkrechte Gaumenplatte (e) noch niedrig, erscheint wie eine mit der Schneide abwärts gekehrte Kante. Die folgende Figur 3 zeigt diese Kanten von unten (e) ; sie be- ginnen in der Zwischenkiefergegend, nehmen in ihrem Verlaufe nach hinten an Höhe etwas zu und finden ihre höchste Stelle am hinteren Ende des späteren Nasenrachengangs. Sie erzeugen dort eine klappenartig vorspringende Ecke (Anlage der Seiten- hälfte des Gaumenzäpfchens), nehmen von hier aus, indem sie entlang der Wurzel des ersten Schlundbogens an dem Seitenrand der Rachenhöhle hinabsteigen, rasch an Höhe ab und werden in

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diesem Verlaufe in den genannten Abbildungen durch die Schnitt- fläche der Schlundbogen verdeckt.

Wie diese Anlagen , so beginnen auch die daraus hervor- gehenden Platten ganz niedrig in der Zwischenkiefergegend , wie Fig. 6 von einem 3,8 Ctm. langen menschlichen Fötus zeigt, er- reichen ihre grösste Höhe in der Mitte ihrer Länge, zeigen daselbst die erwähnte auffallende Ecke (Gaumenzäpfchen) und nehmen in ihrem weiteren Verlauf an der Seitenwand der Schlundhöhle an Höhe wieder ab (Anlage der Arcus palato-pharyngei) , um sich allmählig zu verlieren. Eine ähnliche Ansicht der Gaumenplatten von einem Rindsfötus zeigt Taf. III, Fig. 13 und ich hebe hervor, dass auch hier die Anlagen der Gaumenzäpfchenhälften sehr deut- lich sind , obgleich später beim Rinde und anderen Säugethieren das Zäpfchen nicht als ein besonderer Anhang des Gaumensegels hervortritt. Eine von der Mundhöhle aus gesehene Seitenansicht der senkrechten Gaumenplatte eines menschlichen Fötus giebt Taf. VI, Fig. 7 und 8.

Hierauf zieht sich die Zunge von dem unteren Nasenscheide- wandrand und der dahinter liegenden Schädelbasis zurück , ver- lässt den zwischen den vertikalen Gaumenplatten befindlichen Raum und gestattet dadurch der letzteren eine Abänderung ihrer ursprünglichen Richtung in eine horizontale. Wie der auf Taf. IV, Fig. 15 abgebildete Frontalschnitt eines Rindsembryo zeigt, so wachsen die nun horizontalen Gaumenplatten mit dicken freien abgerundeten Enden einander bis zur medianen Berührung ent- gegen , verschmelzen dann mit Zurücklassung einer Naht und bilden den bleibenden Gaumen.

Was die darüber stehende Nasenscheidewand betrifft, so wächst dieselbe , wie wir gesehen haben , zuerst aus dem vordersten in die Stirnwand übergehenden Ende der Schädelbasis hervor und indem sie an Höhe gewinnt, nimmt auch allmählig in der Richtung von vorn nach hinten die weiter zurück liegende Partie der Schädelbasis daran Antheil. Die Nasenscheidewand erhält so eine dreiseitige Gestalt mit schief nach vorn abfallendem unteren Rand und kommt daher mit dem Gaumen zuerst ganz vorn in Berüh- rung und zur Verwachsung. Allmählig verschmilzt auch der nächstfolgende Theil des unteren Nasenscheidewandrandes von

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vorn nach hinten mit den schon früher verbundenen Gaumenplatten und so erklärt sich die für eine gewisse Entwicklungsstufe normale Communication beider Nasenhöhlen zwischen dem Gaumen und der Nasenscheidewand (Taf. III, Fig. 8; Taf. IV, Fig. 15); ab- normer Weise kann sich auch bei dem Menschen noch in späterer Zeit ein Rest dieser Lücke als ein beide Nasenhöhlen ver- bindendes Loch erhalten.

Wenn sich die zuerst senkrecht in die Mundhöhle hinabstei- genden Gaumenplatten aufrichten und eine horizontale Richtung annehmen , so sind sie noch nicht breit genug, um sich sofort zu verbinden und den Gaumen zu schliessen, sie Averden vielmehr vorerst durch eine an verschiedenen Stellen verschieden breite Spalte geschieden (Gaumenspalte oder , wenn der Gegensatz zu den primitiven Gaumenspalten hervorgehoben werden soll , „se- eundäre Gaumenspalte").

Nach meinen bei dem Menschen, dem Rinde, Schafe und dem Schweine gemachten Erfahrungen schliesst sich die Spalte in der Richtung von vorn nach hinten mit Ausnahme ihrer beiden En- den, von welchen das vordere in der Schliessung sich verspätet, das hintere dagegen für immer offen bleibt (Isthmus pharyngo- nasalis). Betrachtet man den auf Taf. VI, Fig. 15 abgebildeten noch offenen Gaumen eines Avenig über Einen Zoll langen mensch- lichen Fötus, so kann man daran eine vordere kürzere (Spalte des harten Gaumens) und eine hintere längere Hälfte unterscheiden (Spalte des weichen Gaumens).

Die Spalte des harten Gaumens (e) , die an ihrem hinteren Ende (oberhalb f) am breitesten ist, verschmälert sich gegen ihr vorderes Ende und erweitert sich ganz vorn in der Zwischen- kiefergegend zu einer breiten mit der Spitze rückwärts gekehrten dreieckigen Lücke, die ich den Zwischenkiefertheil der Gaumen- spalte nennen will. In diese Lücke schiebt sich eine die Mün- dungen der Stenson'schen Gänge tragende Platte ein (d), deren vorderer breitester Rand von dem Zwischenkiefertheil entspringt. Dieser Gaumentheil der Zwischenkieferpartie, welcher auch an den unteren Nasonscheidewandrand befestigt ist, scheidet den Zwischen- kiefertheil der Gaumenspalte in zwei nach vorn divergirende schmale Seitentheile, Avelche rückwärts in den einfachen Theil der

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Gaumenspalte einmünden. In Fig. 20 und 21 erkennt man deut- lich an einem mit Wolfsrachen behafteten menschlichen Fötus den dreieckigen Gaumentheil des Zwischenkiefers, der von vorn her zwischen die nicht zur Vereinigung gekommenen Gaumenplatten sich einschiebt.

Die Spalte des weichen Gaumens (Taf. VI, Fig. 15, f h g) ist im Allgemeinen breiter als die des harten Gaumens und zer- fällt durch zwei einspringende die Hälften des Gaumenzäpfchens darstellende Ecken (h) in eine kleinere vordere und eine hintere längere Abtheilung. Die genannten Ecken vermisse ich auch bei keinem der von mir untersuchten Säugethiere (vergl. auch Taf. III, Fig. 13 von einem Rindsembryo). Von diesen beiden Abtheilungen schliesst sich nur die vordere und bildet das Gaumensegel; es erfolgt die Schliessung ebenfalls von vorn nach hinten , so dass die Hälften des Zäpfchens am längsten geschieden bleiben. An Säugethier- embryonen erkennt man die Stelle, welche bei dem Menschen in das Zäpfchen auswächst, als einen die Mitte des Gaumensegelrandes einnehmenden anfangs paarigen Höcker.

Was die hintere längere Abtheilung der Spalte des weichen Gaumens betrifft , so bleibt dieselbe offen (Isthmus pharyngo - na- salis) und die begrenzenden Seitenhälften sind die Arcus palato- pharyngei. An Schweinsembryonen, deren Gaumensegel sich durch bedeutende Länge auszeichnet, nehmen die Arcus palato-pharyngei in ihrem Verlaufe an der seitlichen Schlundwand nur wenig an Höhe ab, fliessen schliesslich von beiden Seiten her zu einer die hintere Schlundwand einnehmenden bogenförmigen Falte zusammen und begrenzen mit dem hintern ein Zäpfchenrudiment tragenden Gaumensegelrand eine ovale und verhältnissmässig enge Oeffhung, welche aufwärts in das Cavum pharyngo - nasale des Schlund- kopfs führt.

Wie ich oben angegeben habe , so beginnt die Schliessung des Gaumens nicht am vordersten Ende , sondern in einiger Ent- fernung hinter dem Zwischenkiefer und ich nannte die hier zu- rückbleibende und erst später sich schliessende dreieckige Lücke „Zwischenkiefertheil der Gaumenspalte". In dieser Lücke liegt das vordere in den Zwischenkiefer übergehende Ende des unteren Nasenscheidewandrandes, aus welchem der oben erwähnte Gaumen-

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theil des Zwischenkiefers hervorgeht* An Rinds- und Schafsembryonen fand ich den Zwischenkiefertheil der Gaumenspalte von bedeu- tender Länge und noch offen, während der dahinter liegende Theil des harten Gaumens nebst dem angrenzenden Stück des Gaumen- segels bereits geschlossen war. Auf Taf. III habe ich eine Reihe von Frontalschnitten des Gesichtes eines Schafsembryo (Fig. 1 8) abgebildet, dessen Gaumen gerade auf dieser Stufe der Entwick- lung stand. Die beiden ersten Schnitte (Fig. 1 und 2) treffen den vor dem Gaumen liegenden Zwischenkiefertheil des Nasen- höhlenbodens. Die Figuren 3 6 zeigen den Zwischenkiefertheil der Gaumenspalte, deren laterale Begrenzung von den getrennten Gaumenplatten (Fig. 3, b ; Fig. 4, b ; Fig. 6, a), deren Boden von dem unteren Rand der Nasenscheidewand gebildet wird.

Die beiden folgenden Schnitte (Fig. 7 und 8) treffen den Gaumen hinter dem noch offenen Zwischenkiefertheil der Gaumen- spalte, also die Gegend, in welcher die Gaumenplatten sich median- wärts bereits berühren. In Fig. 7 , welcher Schnitt weiter vorn liegt, haben sich die Platten auch mit der Nasenscheidewand ver- bunden , eine wirkliche Verwachsung ist aber noch nicht erfolgt. Es werden nämlich die sich berührenden Theile durch eine Fort- setzung der tiefsten Lage des Mund- und Nasenhöhlenepitheliums geschieden. Zwischen den Gaumenplatten b bemerkt man zugleich auch eine zwickeiförmige Einschiebung der oberflächlichen Lage des Mundhöhlenepitheliums, welches früher die noch geschiedenen Gaumenplatten überall bedeckte. In dem darauf folgenden Schnitt hat die Scheidewand den Gaumen noch nicht erreicht. Endlich habe ich noch in Fig. 9 den Frontalschnitt eines jüngeren Schaf- fötus abgebildet , dessen Gaumen der ganzen Länge nach klaffte. Der Schnitt trifft die Spalte des spätem knöchernen Gaumens.

Allmählig schliesst sich auch der Zwischenkiefertheil der Gaumenspalte und zwar in der Art , dass in ihrer hintern Hälfte die beiden Gaumenplatten medianwärts sich verbinden, in ihrer vordem Hälfte dagegen erreichen sie einander nicht, so dass hier der die Mündungen der Stenson'schen Gänge tragende Gaumen- theil der Zwischenkiefergegend in seinem medianen Abschnitt für immer frei bleibt und auch einen warzenförmigen Vorsprung er- zeugen kann. Besonders lehrreich in dieser Beziehung sind Frontal-

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schnitte, von welchen ich mehrere ununterbrochene Reihen von Embryonen des Menschen , des Rindes und des Schweines mit völlig geschlossenem und bereits in Verknöcherung begriffenem Gaumen abgebildet habe. Die Schnitte folgen sich von den äus- seren Nasenlöchern in der Richtung von vorn nach hinten.

Ich beginne mit den auf Taf. V abgebildeten Schnitten eines Rindsfötus. Fig. 1 trifft die Zwischenkiefergegend und die äus- seren Nasenlöcher, deren Eingang, wie gelehrt wird, durch einen gallertigen aus Schleim und abgelösten Epithelzellen bestehenden Pfropf ausgefüllt werden soll. Nach meinen Erfahrungen besteht diese an vorliegenden Frontalschnitten von der Seite her ein- dringende Ausfüllung der Nasenöffnung aus einer Fortsetzung der Epidermis , deren oberflächliche aus schönen polygonalen kern- haltigen Zellen bestehende Lage an Dicke zunimmt und das Nasenloch verschliesst. Bei stärkerer Vergrösserung betrachtet, bemerkt man an dem nach aussen convex vorspringenden Pfropf im Frontalschnitt einen centralen aus grösseren Zellen bestehenden Kern, umgeben von einem mehrfachen Kreis mehr abgeplatteter und dichter gedrängter Zellen ; in Ablösung und Zerfall begriffene Elemente konnte ich an frisch erhärteten Embryonen nicht wahrnehmen.

Die Figuren 2 und 3 treffen den vordersten Theil des früheren Zwischenkiefertheiles der Gaumenspalte und man bemerkt hier einen medianen die Stenson'schen Gänge enthaltenden Vorsprung und zwei Seitentheile. Die letzteren sinc^ in Fig. 3 von dem mittleren Theil noch deutlich durch eine Naht geschieden, welche schief zwischen dem Querschnitt eines Stenson'schen Ganges und dem benachbarten Zwischenkieferknochen aufsteigt. Die Seiten- theile bedeuten die vorderen Enden der früheren Gaumenplatten; der mediane Vorsprung ist der die Lücke zwischen den Gaumen- platten erfüllende vorderste Abschnitt des Gaumentheiles des Zwischenkiefers.

Die Figuren 4 9 betreffen den folgenden Abschnitt des Zwischenkiefertheils der früheren Gaumenspalte bis zu dessen hinterstem Ende. Die Gaumenplatten berühren einander in der Medianlinie mit abgerundeten Enden und werden daselbst durch eine senkrechte Naht geschieden. Darüber liegt der jetzt von

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unten gedeckte Gaumentheil des Zwischenkiefers, welcher bereits in seiner Mitte zwei im Durchschnitt rundliche Knochenstücke (Fig. 6, g) enthält.

Die folgenden Figuren zeigen den in der Medianebene noch durch eine Naht halbirten harten Gaumen hinter der Zwischen- kiefergegend.

Was die auf Taf. IV abgebildeten Frontalschnitte eines Schweinsembryo betrifft , so treffen die Figuren 4 , 5 und 6 das vorderste Ende des Zwischenkiefertheils der früheren Gaumenspalte und passen daher zu den auf Taf. V, Fig. 2 und 3 abgebildeten Schnitten eines Rindsembryo. Im Verhältniss zu dem schmalen Gaumen ist der mittlere die Mündungen und die vorderen Enden der Stenson'schen Gänge enthaltende Vorsprung oder der Gaumen- theil des Zwischenkiefers sehr breit. Die Figuren 7 und 8 treffen den hinteren Abschnitt des Zwischenkiefertheiles der früheren Gaumenspalte ; die mediane Naht ist bereits verschwunden.

Von den auf Taf. VII dargestellten Frontalschnitten eines 8 Ctm. langen menschlichen Fötus treffen die Figuren 6 und 7 die Gegend dicht hinter den vordersten Schneidezähnen, sowie die Gegend des vordersten Endes des Zwischenkiefertheils der früheren Gaumenspalte. In der Mitte bemerkt man den als Vorsprung (Gaumenwarze) hinabragenden Gaumentheil des Zwischenkiefers (Fig. 6, i) mit den Mündungen der Stenson'schen Gänge (h). In Fig. 7 ist dieser Vorsprung niedriger aber breiter und enthält die Querschnitte der vordem Enden der Stenson'schen Gänge.

Die Fig. 8 bezieht sich auf den hinteren Abschnitt des bei dem Menschen viel kürzeren Zwischenkiefertheiles der früheren Gaumenspalte und es vereinigen sich hier die Gaumenplatten unter Bildung einer medianen Naht. Darüber liegen die rundlichen Durchschnitte des knöchernen Gaumentheils des Zwischenkiefers und daneben eine den Stenson'schen Gang aufnehmende Aus- sackung des Nasenhöhlenbodens.

Frontalschnitte derselben Gegend von einem 1,08 Dem. lan- gen menschlichen Fötus giebt Taf. IX , Fig. 6 und 7 , und zwar betrifft Fig. 6 die vordere, Fig. 7 die hintere Abtheilung des Zwi- schenkiefertheiles der früheren Gaumenspalte.

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Bemerkungen über Wolfsrachenbildung, das Pflugscharbein und den knöchernen Gaumen.

Die der Schädelbasis und der Nasenscheidewand dicht an- liegende Zunge bedingt die ursprünglich senkrecht absteigende Richtung der Gaumenplatten (Taf. II) und hindert die mediane Vereinigung zur Bildung des Gaumens ; die Gaumenschliessung ist nur möglich, wenn sich die Zunge zurückzieht (Taf. IV, Fig. 15). An einem von mir untersuchten 3 Ctm. langen Schweinsembryo (Taf. IV , Fig. 14) zeigt die Zunge in ihrer ganzen Länge eine abnorme schiefe Stellung, indem sie nur mit einer Seitenhälfte von der Nasenscheidewand sich entfernt hat. Die dadurch hervorge- rufene Störung der Gaumenbildung besteht darin, dass in diesem Fall nur Eine der Gaumenplatten eine horizontale Richtung ein- schlagen konnte, während die andere ihre ursprüngliche vertikale Stellung beibehält.

An einem auf Taf. VI, Fig. 19 abgebildeten 1 Zoll 8 Linien langen menschlichen Fötus fand ich als Grund einer abnormen Gaumenspalte eine von der linken Oberlippe continuirlich ab- gehende Membran , welche die Mundhöhlendecke überzog und mit einer Verdickung in die breite Gaumenspalte sich einsenkte und sie erfüllte. Die Abbildung zeigt diese Membran völlig un- verletzt und es Hess sich dieselbe als eine unregelmässig begrenzte Platte ohne weitere Präparation frei abheben und zurückschlagen, war nirgends an ihre Unterlage befestigt. Fig. 20 zeigt den Gaumen desselben Fötus nach Entfernung dieser Membran, welche mit der Scheere von der Oberlippe abgetragen wurde. Auf der linken Seite bemerkt man noch eine Lippen-Kieferspalte. Der nun deutlich hervortretende dreieckige Gaumentheil des Zwischen- kiefers war rechts durch eine Furche, links durch eine Spalte be- grenzt; ich nannte diese Gegend (s. oben) Zwischenkiefertheil der Gaumenspalte (vergl. Fig. 15 ders. Tafel). Im Ganzen blieb der Gaumen auf der in Fig. 15 abgebildeten Entwicklungsstufe zurück. In Fig. 21 wurde die vordere Hälfte der linken Gaumenplatte durch einen Schnitt von dem Oberkiefer abgetragen und. man er- blickt nun den noch völlig freien primitiven Gaumen , dessen

Duvsy, Entwicklgsgesch. 12

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mittlerer Theil von dem breiten Nasenscheidewandrand gebildet wird. Daneben bemerkt man die rechte primitive Gaumenspalte, jedoch besteht deren laterale Begrenzung hier nicht mehr aus der ursprünglichen primitiven Gaumenleiste , die jetzt durch Aus- gleichung verschwunden ist; sondern aus der unteren Muschel.

Eine dritte die Gaumenschliessung störende Ursache lernte ich an einem 2 Dem. langen menschlichen Fötus kennen (Taf. VIII). Haben sich nämlich beide Gaumenplatten in der Medianlinie er- reicht, so verschmelzen sie nicht sogleich, sondern sind noch einige Zeit hindurch, wie ich oben beschrieben habe, durch eine Zwischen- lage eines ihre früheren freien Enden überziehenden Epitheliums geschieden (Taf. III, Fig. 7 und Taf. IV, Fig. 15). Hier können sich nun verschieden grosse Cysten ausbilden, die ich auf Taf. VIII abgebildet habe. In Fig. 6 erblickt man in der Schliessungsnaht des harten Gaumens eine sehr grosse von einem Epithel ausge- kleidete Cyste (f), die fast die ganze Dicke des Gaumens einnimmt, so dass sie die mediane Annäherung der knöchernen Gaumenplatten verhindert. Eine kleinere derartige Cyste findet sich in Fig. 7, i, die aber nicht zwischen die Knochen selbst eindringt , sondern in der darunter liegenden Schleimhaut sich befindet. In Fig. 8 er- blickt man bei f eine Gruppe solcher jedoch kleinerer Cysten.

Bei einem anderen auf Taf. VI, Fig. 16 und 17 abgebildeten vier Monate alten menschlichen Fötus scheint ausser anderen Gründen auch eine ungleiche Längenausdehnung beider Gesichts- hälften auf die Entstehung der hier vorhandenen beidseitigen Lippen-Kiefer-Gaumenspalte nicht ohne Einfluss gewesen zu sein. Entsprechend der grösseren Länge der rechten Gesichtshälfte ist auch die rechte Gaumenplatte bedeutend länger (Fig. 1 7) und man unterscheidet an ihr eine vordere für den harten Gaumen und eine hintere längere für das Gaumensegel bestimmte Abtheilung. Letztere ist glatt, die vordere Abtheilung dagegen (e) zeigt eine Reihe von Querwülsten. Diese beiden Abtheilungen besitzt auch die linke Gaumenplatte , ist aber so kurz , dass ihre vordere Ab- theilung, die man ebenfalls an einer Reihe jedoch nur sehr schwach entwickelter Querwülste erkennt, viel weiter hinten liegt als die- selbe Abtheilung der rechten Seite (e). Für diese Zeit der Ent- wicklung ganz ungewöhnlich hoch ist an diesem Kopf die Nasen-

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Scheidewand, wie der in Fig. 18 abgebildete Medianschnitt zeigt. Es macht den Eindruck, als sei der mittlere Stirnfortsatz, in welchem die Nasenscheidewand und der Zwischenkiefer sich entwickelt , in Folge der hier unterbliebenen Verbindung mit den seitlichen Stirn- fortsätzen und Oberkieferfortsätzen in seinem Wachsthum nicht aufgehalten worden, weshalb er sein gewöhnliches Höhenmaass überschritt. Auch ist ja bekannt , dass bei beidseitiger Lippen- Kiefer-Gaumenspalte das aus dem Mittelstück der Oberlippe und dem Zwischenkiefer bestehende Mittelstück , wie es auch hier der Fall ist, meist auffallend stark hervorsteht, was ich mir durch die erwähnte ungewöhnliche Ausdehnung der Nasenscheidewand erkläre.

Bei mangelhafter Ausbildung der Gaumenplatten sucht der untere Rand der Nasenscheidewand seine frühere Rolle als mitt- lerer Theil des primitiven Gaumens wieder aufzunehmen , indem er den unvollständigen secundären Gaumen zu ergänzen sucht und sich zu diesem Zwecke mehr oder weniger verbreitert. Am leichtesten lässt sich diese Betheiligung an macerirten Köpfen er- kennen und da ist es denn das Pflugscharbein, welches durch ein- seitige oder beidseitige Verbreiterung seines unteren Randes eine Platte bildet , welche die Lücke des knöchernen Gaumengewölbes auszufüllen sucht. An einem mir vorliegenden Kopf eines Neu- geborenen hatte sich der eine Seitenrand dieser Gaumenplatte des Pflugscharbeins , wie ich sie nennen will , mit Einer knöchernen Gaumenplatte durch eine Naht in Verbindung gesetzt, während der gegenüber liegende Seitenrand durch eine breite Spalte von der entsprechenden verkümmerten Gaumenplatte geschieden war. Wir haben hier also einen Fall, in welchem die Gaumenspalte die Mitte einer Seitenhälfte des Gaumens betrifft, worüber ich bei Förster (die Missbildungen des Menschen, 1861, S. 97) folgende Angabe linde: „Am harten Gaumen findet sich gewöhnlich der innere an den Vomer stossende Theil defect, doch kommen auch einzelne Fälle vor, in welchen die Spalte mitten durch die eine Hälfte des Gaumengewölbes hindurch geht und daher der innere Theil des harten Gaumens an dem Vomer anliegt, der andere nicht." Nach Förster hätte sich also in diesem Falle die für den harten Gaumen bestimmte Gaumenplatte der einen Seite in

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zwei Hälften gespalten, eine Annahme, welche durch die Entwick- lungsgeschichte nicht zu erklären wäre. Eine genauere Unter- suchung wird wohl in allen diesen Fällen zeigen, dass die soge- nannte innere dem Vomer anliegende Gaumenhälfte nicht der Gaumenplatte, sondern einer Verbreiterung des Vomer und des un- teren Nasenscheidewandrandes ihre Entstehung verdankt. Ueber- haupt ist schon von Anfang an die Nasenscheidewand dazu vor- bereitet, indem sie bereits vor dem Erscheinen des bleibenden Gaumens an ihrem unteren Ende sich durch Abgabe von Seiten- flügeln verbreitert, wodurch die Nasenhöhle von der Mundhöhle einigermassen abgeschieden wird (s. oben „primitiver Gaumen"). Daraus erklärt sich auch das von dem Pflugscharbein des Er- wachsenen abweichende eigenthümliche Verhalten des unteren Randes des Vomer menschlicher Embryonen und öfters auch noch des Neugeborenen. An einem Frontalschnitt der Nasenhöhle eines 2 Dem. langen menschlichen Fötus (Taf. VIII, Fig. 6) hat der Vomer die Gestalt einer Stimmgabel, deren Griff jedoch an seinem freien Ende zu einer an der Bildung des Nasenhöhlenbodens sich betheiligenden Platte sich verbreitert. Isolirt man ein solches Pflugscharbein, so fand ich mitunter seinen aus einer horizontalen Platte bestehenden Fuss so breit und glatt, dass man den Vomer frei darauf stellen konnte, was auch bisweilen am Pflugscharbein von Kindern noch gelingt. Verkümmert nun aus irgend einem Grunde die eine oder andere Gaumenplatte, so kann sich der Fuss oder die Gaumenplatte des Pflugscharbeins erhalten und in der Richtung gegen die verkümmerte Gaumenplatte noch mehr ver- breitern. Bei manchen Thieren ist diese Betheiligung des Pflug- scharbeins zur bleibenden Gaumenbildung Regel ; aber auch bei solchen, deren knöcherner Gaumen ohne den Vomer zu Stande kommt, kann ausnahmsweise an irgend einer Stelle eine von dem Vomer ausgefüllte Lücke sich erhalten. So sehe ich an dem Schädel eines Katers im Kreuzungspunkt der Sutura palatina trans- versa und sagittalis eine rautenförmige kleine Knochenplatte wie ein Zwickelbein eingeschaltet ; dieselbe war, wie es sich bei einer genaueren Untersuchung herausstellte, ein Rest der früheren Gaumen- platte des Pflugscharbeins.

Es ist daher der Vomer ein Knochen, der sowohl an seinem

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obern wie auch an seinem unteren Rand das Bestreben zeigt, sich flügeiförmig auszubreiten , um dadurch die Regio respiratoria der Nasenhöhle von der darüber liegenden Regio olfactoria und ab- wärts von der Mundhöhle abzugrenzen. Die obere flügeiförmige Ausbreitung wird bei den 'Säugethieren auf jeder Seite durch eine dreiseitige dünne Knochenplatte ergänzt , welche , wie ich beim Rind gefunden habe, aus einem besondern Knochenkern hervor- geht, alsbald aber untrennbar mit dem Pflugscharbein verschmilzt (vergl. S. 96). Am Schädel des Kalbes konnte ich noch deutlich eine diese dreieckige Knochenplatte von dem oberen Rand des Vomer trennende Naht bemerken. Diese Platte habe ich mit den Keilbeinmuscheln des Menschen verglichen und die Aehnlichkeit tritt besonders hervor, wenn man an einem älteren Kindsschädel den Vomer in Verbindung mit den Keilbeinmuscheln auslöst, wo- bei die letzteren auf den Rändern des Pflugscharbeins sitzen bleiben. An der Herstellung des knöchernen Gaumens betheiligen sich bei den Säugethieren nicht blos die Gaumenbeine und Oberkiefer- knochen , sondern auch die Zwischenkieferknochen und es bildet sich so noch eine durch die vorderen Gaumenlöcher unterbrochene Sutura transversa anterior. Bei dem Menschen ist dieser Gaumen- theil der Zwischenkieferknochen sehr kurz und wird mit der Zeit von den Gaumenplatten der Oberkieferknochen so überragt, dass man ihn dem Zahnrand beizählt und die Sut. palat. transv. an- terior (Sut. incisiva) zur Abgrenzung des Zahnrandes von dem harten Gaumen benutzt. Es spricht jedoch die vergl. Anatomie sowie die Entwicklungsgeschichte nur für meine Deutung und es erscheint auch die Gaumenpartie der Zwischenkiefergegend an menschlichen Embryonen, wie ich oben gezeigt habe, viel grösser (vergl. Taf. VI, Fig. 6, Fig. 15 und Fig. 20).

Zur Bildungsgeschichte des Gesichtsskelettes.

Wie der Hirnschädel, so durchläuft auch das Gesichtsskelett drei Zustände, den häutigen, den knorplichen und den knöchernen.

In der aus den beschriebenen Bildungsfortsätzen entstandenen weichen Gesichtsanlage bildet sich alsbald ein stützendes Knorpel-

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gerüste , an welches die meisten der späteren Gesiehtsknochen während ihrer ersten Entwicklung als Belegknochen sich anlehnen. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung verschwindet wiederum ein Theil des Knorpelgerüstes , ein zweiter erhält sich knorplich und vervollständigt das knöcherne Gerüste , ein dritter Theil endlich erhält sich ebenfalls, aber verknöchert.

Es besteht das Knorpelgerüste aus zwei ganz getrennten Ab- schnitten , von welchen der obere die Grundlage der oberen Ge- sichtshälfte formirt (knorpliche Nase), der untere den Unterkiefer- theil des Gesichtes stützt (Meckel'sche Knorpel). Die letzteren habe ich schon früher besprochen.

Das Knorpelgerüste der oberen Gesichtshälfte entsteht in der weichen aus dem Stirnfortsatz im weiteren Sinn und den Ober- kieferfortsätzen gebildeten Nasenanlage. In sämmtlichen Wandungen der Nasenhöhlen bilden sich als stützende Grundlage hyaline Knorpelplatten aus und zwar durch histologische Differenzirung des bereits vorhandenen weichen Gewebes; sie gehen daher nach meinen Erfahrungen in ihrer Entstehung nicht von einer bestimmten Stelle aus, wachsen daher auch nicht von der Schädelbasis nach- träglich in die bereits vorhandenen Nasenwände hinein.

Wie ich für den Menschen und die schon öfters genannten Säugethiere gefunden habe, so erscheint am frühesten der Knorpel der Nasenscheidewand , bestehend aus schönen grossen runden bläschenförmigen Zellen ohne nachweisbare Zwischensubstanz. An Embryonen mit noch völlig offenem Gaumen ist derselbe an Durch- schnitten bereits deutlich zu erkennen (Taf. II) und bildet die durch ihre Helligkeit auffallende Achse der dicken Nasenscheide- wand. Mit Ausnahme seines oberen Randes, Avelcher ohne Grenze continuirlich in die Schädelbasis übergeht , wird er in seinem ganzen übrigen Umfang von einem breiten dunklen Saum um- fasst, welcher zu beiden Seiten seines oberen Randes bogenförmig in die Seitenwand der Nasenhöhlen übergeht. Bei allen von mir untersuchten Säugethieren und dem Menschen zeichnet sich der embryonale Scheidewandknorpel durch eine im Frontalschnitt kolbige Anschwellung seines unteren Randes aus.

Was die Seitenwände der Nasenhöhle betrifft , so konnte ich an Embryonen mit noch völlig offenen Gaumen (Taf. II) zwar

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die Anlagen der alsbald hier auftretenden Knorpelplatten wahr- nehmen, sie zeigten jedoch in der ersten Zeit noch nicht die hellen bläschenförmigen Zellen des Nasenscheidewandknorpels , sondern bestanden vorläufig aus dichter gedrängten Elementen von der Beschaffenheit der bekannten embryonalen Bildungszellen. An Durchschnitten erschien daher diese Anlage als ein dunkler breiter Streif, der noch nicht in Knorpelgewebe und Perichondrium sich differenzirt hatte und welcher an seinem oberen Rand bogenförmig in den oben erwähnten dunklen Grenzsaum oder das Perichondrium des Scheidewandknorpels sich fortsetzte. Etwas später machen sich auch die Anlagen der Nasenbodenknorpel bemerklich und zwar an Frontalschnitten in Gestalt rundlicher oder streifenförmige Schatten zu beiden Seiten des unteren Randes des Scheidewandknorpels.

In seiner einfachsten primitiven Gestalt besteht das Knorpel- gerüste der Nase aus einer dicken medianen Platte (Scheidewand- knorpel) und aus zwei von dem oberen Rand derselben abgehenden Seitenplatten, welche bogenförmig zuerst lateralwärts, dann abwärts sich wenden und somit ihre Lage in der obern und seitlichen Wand der Nasenhöhlen finden. Ein auf Taf. IV, Fig. 15 abge- bildeter durch die Gegend des inneren Augenwinkels geführter Frontalschnitt des Gesichtes eines Rindsembryo, dessen Gaumen im Beginn der Schliessung stand, zeigt dieses primitive Knorpel- gerüste der Nase und es erscheinen die Seitenplatten als helle schmale Streifen , welche die Nasenhöhlen oben und seitlich um- fassen. Die von dem Dach und den Seitenwänden in die Nasen- höhlen einspringenden Wülste oder die Muscheln bestehen noch aus einem mehr gleichförmigen Gewebe und erst allmählig ent- halten sie von den Seitenplatten abgehende knorpliche Stützen. Auch der Nasenhöhlenboden enthält, wenn auch nicht in seiner ganzen Länge, so doch in seinem vordem und hinteren Abschnitt knorpliche Platten , welche theils isolirt auftreten , theils Fort- setzungen des Scheidewandknorpels oder der knorplichen Seiten- platten darstellen. Es werden daher an diesen Stellen die Nasen- höhlen mehr oder weniger vollständig ringsum von Knorpel umfasst. Im weiteren Laufe der Entwicklung zeigen die Seitenplatten die meisten und wichtigsten Veränderungen, denn sie bilden die knorp- lichen Muscheln, die knorplichen Labyrinthe, die knorpliche Sieb-

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platte sowie die Knorpel des Rückens und der Seitenwand der äusseren Nase ; ferner bilden sie die ersten Anlagen der Oberkiefer- höhlen, der Keilbeinhöhlen und der Stirnhöhlen. Zur Darlegung dieser Veränderungen, wobei ich zugleich die übrigen Knorpel be- spreche und Betrachtungen über die Gesichtsknochen und das Keilbein einflechte , benutze ich die in den beigegebenen Tafeln abgebildeten Frontalschnitte älterer Embryonen des Rindes, Schweines und des Menschen. Zur Erleichterung der Vergleichung theile ich die Schnitte , welche an den äusseren Nasenlöchern beginnen , in solche der vorderen Abtheilung der Nase (Gegend der äusseren Nasenlöcher , der Zwischenkieferknochen und des vorderen Ab- schnittes des Gaumens) , zweitens in solche der mittleren und drittens in solche der hinteren Abtheilung der Nasenhöhlen.

Frontalschnitte der vorderen Abtheilung der Nasenhöhlen.

Es erstreckt sich diese Gegend von den äusseren Nasenlöchern rückwärts bis zur hinteren Grenze der vorderen Gaumenlöcher. Wie sich durch Vergleichung macerirter Schädel ergiebt, so hat dieser Theil der Nasenhöhlen bei verschiedenen Säugern eine sehr verschiedene Länge, indem z. B. bei dem Hasen diese vorderen Löcher des knöchernen Gaumens mehr als zwei Drittheile der ganzen Länge des letztern beanspruchen. Weniger lang erscheinen die durch den Gaumentheil der Zwischenkieferknochen geschie- denen Gauraenlöcher beim Rinde und dem Schafe , viel kürzer beim Hund und der Katze, am kürzesten bei dem Menschen. Bei dem letzteren nimmt die untere Fläche des die Gaumenlöcher trennenden Gaumentheils der Zwischenkieferknochen eine sehr steil von oben und hinten nach vorn abfallende Richtung an und wird von dem dahinter liegenden Abschnitt des harten Gaumens so überragt, dass beide Gaumenlöcher, die man hier Canales incisivi nennt, zu dem einfachen Foramen incisivum zusammenfliessen. Bei dem Menschen ist daher der vordere von den äusseren Nasen- löchern bis zur hintern Grenze des Foramen incisivum reichende Nasenhöhlenabschnitt verhältnissmässig sehr kurz.

Betrachten wir nun die Anordnung des diesem Theil der Nasenhöhle zukommenden Knorpelgerüstes , so ist hervorzuheben, dass dasselbe auch zum Nasenboden sich erstreckt und die als

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vordere Gaunienlöcher bezeichnete Lücke des knöchernen Gaumens schliesst.

An dem auf Taf. V abgebildeten Frontalschnitt eines Rinds- fötus beziehen sich auf diesen Theil der Nasenhöhle die Fi- guren 1 9. Verfolgt man diese Schnitte von vorn nach hinten, so schwillt der Nasenscheidewandknorpel an seinem untern Rande mächtig an (Fig. 1 4) und giebt auf jeder Seite eine horizontale die Zwischenkieferknochen bedeckende Spalte ab , welche dem Nasenhöhlenboden angehört. Was die Knorpelplatte der seitlichen Nasenwand betrifft , so wird diese in Fig. 1 durch das äussere Nasenloch unterbrochen ; in Fig. 3 giebt sie die knorpliche Grund- lage der untern Muschel ab und sucht sich bei c durch eine an diesem Schnitt unterbrochene Fortsetzung mit der Knorpelplatte des Nasenbodens zu verbinden. Die Figuren 5 9 treffen den vorderen Abschnitt der Nasenhöhle in der Gegend der Gaumen- löcher. Ein jedes der letzteren trennt den betreffenden knöchernen Zwischenkiefer in einen lateralen Theil (Fig. 6, h) und in me- dianes rundliches Stück oder den knöchernen Gaumentheil eines Zwischenkiefers (g). Der dadurch entstehende Zwischenraum wird durch eine Knorpelplatte des Nasenbodens gedeckt (Fig. 5, e). Es dient diese Lücke oder das vordere Gaumenloch zum Durch- tritt der von einer Knorpelplatte umfassten Jakobson'schen und Stenson'schen Gänge, welche in Fig. 5 noch unter ihr liegen; in Fig. 6 und 7 treten sie in das Loch ein und ihre Knorpelhülle verschmilzt mit dem Knorpel des Nasenbodens ; in Fig. 8 und 9 erhalten sie endlich ihre Lage über dem Gaumenloch. Dabei ändert jede ursprünglich sehr einfache Knorpelplatte des Nasen- bodens ihre Gestalt und scheidet sich auch von dem untern Rand des Nasenscheidewandknorpels ab. Wie ferner aus Fig. G und 7 hervorgeht, so sucht die Knorpelplatte der Nasenseitenwand dem Nasenbodenknorpel sich anzuschliessen, wobei sie in mehrere Stücke zerklüften kann. Vergleicht man damit die auf Taf. IV abge- bildeten Frontalschnitte eines Schweinsfötus (Fig. 1 7), so zeigen auch hier sämmtliche Nasenhöhlenwandungen Knorpelplatten , die in der Seitenwand und im Nasenhöhlenboden in einzelne Stücke zerklüften können. Der das äussere Nasenloch treffende Frontal- schnitt (Fig. 1) ist dadurch ausgezeichnet, dass der Nasenscheide-

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wandknorpel in zwei symmetrische Seitenhälften zerfällt. Auffallend sind ferner in Fig. 2 und 3 zwei von dem knorplichen Nasenboden abgehende zapfenförmige Fortsetzungen. Fig. 7 trifft das Gaumen- loch (zwischen o und p).

Was den Menschen betrifft, so will ich zuerst die hierher ge- hörigen Frontalschnitte eines 8 Ctm. langen Embryo besprechen (Taf. VII, Fig. 1 8). Bei dem Rind und dem Schwein enthält der Nasenhöhlenboden eine von dem unteren Rand des Nasen- scheidewandknorpels abgehende horizontale Knorpelplatte, die in ihrem Verlaufe nach hinten, wie wir gesehen haben, ihre Gestalt in verschiedener Weise abändert und sich von dem Scheidewand- knorpel ablöst. An dem vorliegenden menschlichen Fötus dagegen besitzt zwar der Nasenboden ebenfalls Knorpel , jedoch nicht in Gestalt von breiten Platten , sondern von schmalen Längsbalken. Im Durchschnitt erscheinen dieselben rundlich (Fig. 1 , d) und liegen dem Nasenscheidewandknorpel nur dicht an, ohne mit ihm zu verschmelzen. In einiger Entfernung hinter den äusseren Nasen- löchern werden diese Balken auf jeder Seite doppelt (Fig. 4 und 5) und es verbreitern sich die medianen Balken allmählig zu senk- recht gestellten Knorpelplatten (Fig. 6, 7 und 8). Was die knorp- lichen Seitenplatten betrifft , so erreichen dieselben hinter den äusseren Nasenlöchern den Nasenboden (Fig. 5, d) , um sich den hier befindlichen Knorpelbalken anzuschliessen. Fig. 8 trifft die vorderen Gaumenlöcher (Canales incisivi), deren mediane Begren- zung durch die verknöcherten Gaumentheile (f) der Zwischenkiefer- knochen gebildet wird (vcrgl. Taf. V, Fig. 6, g). Von den Knorpeln des Nasenhöhlenbodens sind die lateralen verschwunden, die me- dianen sind mit d bezeichnet.

An den entsprechenden Frontalschnitten eines älteren, 1,08 Dem. langen menschlichen Fötus (Taf. IX, Fig. 5 und 6) sind die Knorpel des Nasenhöhlenbodens stärker entwickelt. Ferner bemerkt man in Fig. ß eine auffallende in die Stirnwand aufsteigende Wuche- rung des Nasenknorpelgerüstes , worin durch nachträgliche Ein- schmelzung die Stirnhöhlen entstehen (a). Schon an dem vorher- gehenden 8 Ctm. langen menschlichen Fötus ist diese Wucherung zu bemerken (Taf. VII, Fig. 8, c), aber noch ohne Aushöhlung; ebenso auf Taf. VIII, Fig. 2, b von einem 2 Dem. langen Fötus.

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Frontalschnitte des mittleren Abschnittes der Nasenhöhlen.

Diese Nasengegend reicht von der hinteren Grenze der vor- deren Gaumenlöcher rückwärts bis zur vorderen Grenze des Nasenrachenganges , trifft daher auch die Gegend der Oberkiefer- höhlen und die Processus palatini der Oberkieferknochen. Der Nasenhöhlenboden ist hier im Ganzen ohne Knorpel mit Ausnahme des an die vorderen Gaumenlöcher anstossenden Abschnittes, wo- selbst noch eine kurze Fortsetzung des davor liegenden Nasen- bodenknorpels getroffen wird; ferner fehlen hier die Jakobson'schen und Stenson'schen Gänge, die Knorpelplatten der Nasenseitewände nehmen an Dicke auffallend zu und es entstehen in ihnen die Siebbeinlabyrinthe sowie durch nachträgliche Einschmelzung die Oberkieferhöhlen.

Die hierher gehörigen Frontalschnitte eines Rindsfötus finden sich auf Taf. V, Fig. 10—13. Die in Fig. 10 und 11 abgebil- deten Schnitte liegen nahe hinter den vorderen Gaumenlöchern, zeigen daher noch eine Fortsetzung der Nasenbodenknorpel und es enthalten die letzteren , S-förmig gebogen , in P^ig. 10 die hin- tersten Enden der Jakobson'schen Gänge. Fig. 12 zeigt noch einen Rest der zuletzt genannten Knorpel an den oberen Rändern des rinnenförmig gebogenen Vomer. Die rechte Seite dieser Figur ist einem weiter nach hinten liegenden Schnitte entnommen und man bemerkt die Dickenzunahme der Nasenseitewandplatten , die sich hier bis zum Nasenboden herab erstrecken. In Fig. 13 macht sich die Dickenzunahme der Seitenwandknorpel sehr be- merklich; beide erreichen zugeschärft den Nasenboden und ent- halten in ihrer unteren Partie eine durch Einschmelzung entstandene grosse Lücke (w) oder die knorpliche Anlage der Oberkieferhöhlen. Es geschieht die Einschmelzung von der Nasenhöhle aus, wie die rechte Seite dieser Figur zeigt, und schreitet dann in dem Knorpel theils nach vorn, theils nach hinten weiter; es bildet sich zugleich dabei eine mit der Nasenschleimhaut zusammenhängende Ausklei- dung. Aehnliche aber kleinere durch Einschmelzung der anfangs soliden Knorpel entstandenen Lücken zeigt jede Seitenplatte in ihrer oberen ebenfalls mächtig verdickten Partie (x) und es stehen dieselben in Beziehung zur Entstehung der vordersten Enden der Siebbeinzellen.

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Bei dem Schwein (Taf. IV, Fig. 8, 9 und 10) zeigt der vor- derste dicht hinter den vorderen Gaumenlöchern liegende Schnitt noch einen zwischen den Vomer (q) und die Proc. palatini der Oberkieferknochen (p) sich einschiebende Fortsetzung des knö- chernen Gaumentheils des Zwischenkiefers (o), sowie noch eine kurze Fortsetzung der Knorpelplatten des Nasenbodens (e). In Fig. 10 bemerkt man in der unteren verdickten Hälfte der Knorpelplatte der Nasenseitewand einen durch Einschmelzung ent- standenen von Schleimhaut ausgefüllten Raum, der bei u eine das vorderste Ende der Kieferhöhle darstellende Lücke zeigt (vergl. Fig. 11, u).

Die hierher gehörigen Frontalschnitte eines 8 Ctm. langen menschlichen Fötus finden sich auf Taf. VII, Fig. 9, 10, 11 und 12. Der erste dicht vor der Crista galli liegende Schnitt zeigt am Boden der Nasenhöhle zu beiden Seiten des Vomer noch einen Rest des Nasenbodenknorpels. Die Seitenplatten nehmen aufwärts an Dicke zu (knorpliche Anlage des vordersten Endes der Sieb- beinlabyrinthe) und dringen mit dem oberen dicken Rand des Nasenscheidewandknorpels zwischen den Partes orbitales des Stirn- beins in die Schädelhöhle.

Fig. 10 trifft die Nasenhöhlen in der Gegend der Crista galli (c). Die frühere bogenförmige Verbindung der knorplichen Seitenplatten mit dem obern Rand des Nasenscheidewandknorpels hat sich auf jeder Seite in eine dünne Knorpelplatte verwandelt (d), welche die Anlage einer Seitenhälfte der Lainina cribrosa des Siebbeins dar- stellt. Vergleicht man alle die Siebplatte treffenden Frontalschnitte menschlicher Embryonen (Fig. 1 1 , Taf. VIII , Fig. 3 , 4 und 5 ; Taf. IX, Fig. 2 und 7), so findet man an manchen Durchschnitten diese Knorpelplatte nicht durchbrochen und mit dem Nasenscheide- wandknorpel sowie mit den knorplichen Seitenplatten in ununter- brochenem Zusammenhang (Taf, VIII, Fig. 5; Taf. IX, Fig. 2). Die an den übrigen Schnitten sichtbaren einfachen oder mehrfachen Abgliederungen beziehen sich auf die Bildung der Foramina cri- brosa. — Die an die knorpliche Siebplatte anstossende obere Partie der knorplichen Seitenplatte (Taf. VII, Fig. 10, b) giebt die knorp- liche Grundlage der beiden Siebbeinmuscheln ab und ist überhaupt sehr massig (knorpliche solide Anlage des Siebbeinlabyrinthes) ;

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noch auffallender markirt sich diese Partie in der folgenden Fi- gur 11, k. Ferner giebt jede dieser Seitenplatten an ihrem oberen Rand einen iateralwärts in das Augenhöhlendach eingehenden hori- zontalen Flügel ab , welcher an manchen Durchschnitten stellen- weise von seiner Wurzel sich etwas absetzt (Fig. 10, b und Fig. 11, b); vergl. auch Taf. VIII, Fig. 3, 4 und 5 , sowie Taf. IX, Fig. 2 und 7. Ich will sie Orbitalflügel des knorplichen Siebbeins nennen und sie erinnern, wenn man die verschiedenen Abbildungen vergleicht, an das Verhältniss der knorplichen kleinen Keilbein- flügel (Orbitalflügel, H e n 1 e) zu dem knorplichen Keilbeinkörper, während die soliden knorplichen Labyrinthanlagen in mancher Hinsicht mit den absteigenden Keilbeinflügeln übereinstimmen. Es bedecken diese Orbitalflügel des Siebbeins die darunter entstehen- den Orbitaltheile des Stirnbeins (vergl. die versch. Abbildgn. d. 3 letzten Tafeln) und gehen rückwärts continuirlich in die knorp- lichen Orbitalflügel des Keilbeins über. Sehr schön zeigt diese Flügel der auf Taf. IV, Fig. 14 abgebildete Frontalschnitt eines Schweinsfötus.

Auch die untere Partie der knorplichen Seitenplatten der Nasenhöhlen nimmt an Masse zu und wird ebenso , wie ich es für die Säugethiere gezeigt habe , von der Nasenhöhle aus zur Bildung der Oberkieferhöhlen ausgehöhlt (Taf. VII, Fig. 10). Besonders schön sieht man von einem 1,08 Dem. langen mensch- lichen Fötus auf Taf. IX , Fig. 7 das untere anschwellende Ende einer knorplichen Seitenplatte (a) ; auf der gegenüberstehenden (rechten) Seite dieses Schnittes erblickt man dasselbe von dem Oberkieferknochen umfasst, jedoch von der Nasenhöhle aus bereits tief ausgehöhlt (Sinus maxillaris). Lehrreich für die Bildungs- geschichte der Oberkieferhöhlen sind auch die auf Taf. VIII ab- gebildeten Frontalschnitte eines 2 Dem. langen menschlichen Fötus; Fig. 4 trifft das vordere Ende dieser von Knorpel umfassten Höhlen (f und m) ; Fig. 5 trifft den mittleren Theil (d und s), dessen Knorpelhülle durch den heranwachsenden Oberkieferknochen bereits grösstentheils verdrängt wurde. Ferner bemerkt man an diesem Schnitt in der Schleimhaut der untern Muschel sowie in der Wand der Oberkieferhöhle die runden Durchschnitte von zahl- reichen in der Entwicklung begriffenen Schleimdrüsen ; sehr deutlich

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erkennt man diese Drüsenanlagen auch in der Wandung der Ober- kieferhöhlen von Schweinsembryonen (Taf. IV, Fig. 11, u).

Die in diesen Durchschnitten getroffenen unteren Muscheln des Rindes , Schweines und des Menschen stimmen ihrer Gestalt und Lage nach sehr mit einander überein. Betrachtet man die Frontalschnitte der unteren Muscheln eines Rindsembryo (Taf. V, Fig. 13), so kann man daran eine Wurzel und zwei nach oben und nach unten divergirende gebogene Schenkel unterscheiden. Ueber und lateralwärts von dem oberen Schenkel gelangt man zum Eingang der von Knorpel ringsum umgebenen Oberkieferhöhle, deren mediane Wand in die Wurzel der Muschel sich fortsetzt. Eine ganz ähnliche Gestalt und Lage zeigen die unteren Muscheln eines 1,08 Ctm. langen menschlichen Fötus (Taf. IX, Fig. 7); man unterscheidet daran eine in die mediane Knorpelwand der Oberkieferhöhle sich fortsetzende Wurzel, sowie einen unteren und einen kürzeren oberen Schenkel. Die knorpliche Achse des letz- teren hat sich von dem übrigen Knorpel bereits abgegliedert. Eine ähnliche Ansicht giebt der in Fig. 8 abgebildete Frontal- schnitt einer isolirten Muschel, welche demselben Fötus angehört und durch einen ihre Wurzel treffenden Schnitt abgetrennt wurde. Ebenso verhalten sich die unteren Muscheln menschlicher Fötus auf Taf. VII, Fig. 10; Taf. VIII, Fig. 4 und 5. An der aus- gebildeten unteren Muschel des Erwachsenen unterscheidet man bekanntlich aufsteigende Fortsätze (Processus ethmoidalis et lacry- malis) sowie einen absteigenden Fortsatz (Proc. maxillaris) ; jene sind die Reste des embryonalen oberen Schenkels der Muschel, dieser ist die Wurzel, während die eigentliche Muschel den un- teren Schenkel darstellt.

Frontalschnitte des hinteren Abschnittes der Nasenhöhlen.

Dieser Theil der Nasenhöhle ist bei den Säugethieren durch einen doppelten den Nasenrachengang enthaltenden Boden ausge- zeichnet. Nur die über dem Nasenrachengang liegende Partie der Nasenhöhle oder die eigentliche Siebbeingegend enthält eine Fort- setzung des Knorpelgerüstes , welches jede Nasenhöhle ringsum umfasst und woraus sich auch das Siebbein bildet. Der in der Nasenscheidewand enthaltene mächtige Knorpel, woraus hier die

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Lamina cribrosa hervorgeht, setzt sieh nach hinten ohne Unter- brechung in den Knorpel des vordem Keilbeinkörpers fort, so dass derselbe mit seinem vordem Abschnitt noch zwischen die hintersten Enden der Nasenhöhlen zu liegen kommt. Die hierher gehörigen Frontalschnitte eines Rinds- und eines Schweinsembryo finden sich auf Taf. V, Fig. 14 und Taf. IV, Fig. 11, 12 und 13. Legt man den Frontalschnitt hinter der Siebbeingegend durch die hintere Partie des vorderen Keilbeinkörpers an, so trifft man noch das hintere Ende des Nasenrachenganges (Taf. V, Fig. 15).

Bei menschlichen Embryonen weicht dieser Theil der Nasen- höhlen sehr von dem der Säugethiere ab. Es fehlt nämlich , wie icli schon früher auseinander setzte, der die Riechgegend von der Regio respiratoria abscheidende Boden , weshalb ich die Riech- gegend des Menschen bereits bei dem mittleren Abschnitt der Nasenhöhle besprochen habe. Ich finde jedoch auch bei mensch- lichen Embryonen noch eine kleine Verlängerung der Riechgegend, welche ihre Lage zu beiden Seiten des knorplichen Keilbein- körpers einnimmt, während die Regio respiratoria der Nasenhöhle unter dem Keilbein hinweg als Nasenrachengang sich fortsetzt. Somit besitzt auch der Mensch im hintersten Abschnitt der Nasen- höhle eine Abscheidung in eine obere und eine untere Partie, je- doch mit dem Unterschied , dass die obere Partie nur einen äusserst kleinen Anhang der Regio olfactoria oder die Anlage der Keilbeinhöhlen darstellt. Auch bei den Säugethieren greift das hintere Ende der Regio olfactoria in die Keilbeingegend ein , aber in viel stärkerem Maasse , so dass aus diesem Grunde besondere Keilbeinhöhlen nicht vorkommen oder es bilden vielmehr diese Höhlen bei den Säugern keinen Anhang der Nasenhöhlen, sondern gehen gänzlich in die Nasenhöhlen auf (vergl. S. 97).

Was den Knorpel der Nasenscheidewand betrifft, so geht auch bei dem Menschen derselbe ohne Unterbrechung in den knorp- lichen Körper des vorderen Keilbeins über , wobei er an Dicke allmählig zunimmt.

Wenn ich mich nun zur Betrachtung der beigegebenen Ab- bildungen wende, mache ich noch einmal darauf aufmerksam, dass alle hierher gehörigen den hintersten Abschnitt der Nase treffen- den Frontalschnitte durch den vordem Theil des knorplichen

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vordem Keilbeinkörpers gehen, welcher hier somit die Rolle der Nasenscheidewand spielt. Zu beiden Seiten von ihm liegen die von Knorpel umfassten hintersten Enden der Regio olfactoria der Nasenhöhlen oder die Anlagen der späteren Sinus ethmoidales ; unter dem Keilbeinkörper trifft man den Durchschnitt der hin- teren Partie der Regio respiratoria oder den Nasenrachengang.

Ich beginne mit den Frontalschnitten eines 8 Ctm. langen menschlichen Fötus, die ich auf Taf. VII, Fig. 13, 14 und 15 abgebildet habe, schicke aber zum besseren Verständniss eine Be- merkung über einige davor liegende Schnitte voraus , welche die Siebbeingegend treffen. Bekanntlich wird an dem macerirten Schädel des Erwachsenen das hintere Ende der Siebplatte von dem Keilbein zu beiden Seiten der Mittellinie überragt, so dass zwischen beiden eine im frischen Zustande von Weichtheilen aus- gefüllte und von der harten Hirnhaut überzogene Lücke sich findet, welche am knorplichen Primordialschädel verhältnissmässig noch viel grösser erscheint und nach Entfernung aller Weichtheile als ein die knorpliche Schädelbasis durchbohrendes Loch erscheint, welches vonSpöndli „Foramen spheno-frontale" genannt wurde. Nach meinen an menschlichen Embryonen gemachten Erfahrungen ist nun die erwähnte Aushöhlung zwischen dem späteren Keilbein und Siebbein ein Rest dieses Foram. spheno-frontale.

In der Medianebene dagegen verbindet sich das häufig zu diesem Zweck in eine Spitze verlängerte Jugum sphenoidale mit einer medianen Leiste der Lamina cribrosa, welche nach vorn zur Crista galli auswächst und mit derselben den in die Schädelhöhle vorspringenden oberen Rand der Lamina perpendicularis darstellt.

Betrachtet man nun den in Fig. 10, Taf. VII dargestellten Frontalschnitt, so bedeutet der Nasenscheidewandknorpel die An- lage der Lamina perpendicularis des Siebbeins und setzt sich der- selbe als Crista galli (c) in die Schädelhöhle fort. Der folgende Schnitt (Fig. 1 1) trifft das knorpliche Siebbein hinter der Crista galli und es springt hier der obere Rand des Nasenscheidewand- knorpels (Lamina perpendicularis) nur ganz wenig in die Schädel- höhle vor (mediane Leiste der spätem knöchernen Lamina cribrosa). Der folgende Schnitt (Fig. 12) trifft die hintere Siebbeingegend und es geben die vorausgeschickten Bemerkungen über den

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knöchernen Schädel des Erwachsenen den Schlüssel zum Ver- ständniss; in dieser Gegend wird nämlich das knorpliche Siebbein von dem knorplichen vorderen Keilbein überlagert. Es wächst der obere Rand der knorplichen Nasenscheidewand wiederum stärker über die knorplichen Seitenhälften der Lamina cribrosa hervor , so dass er sie beträchtlich überragt, schwillt dann etwas an und entladet sich nach jeder Seite in eine horizontale, schliesslich in das Augenhöhlendach sich fortsetzende Knorpel- platte (b). In dem das Siebbein überragenden Abschnitt des Nasenscheidewandknorpels entsteht das hintere Ende der medianen Leiste der Siebplatte sowie der mediane Abschnitt des vorderen Randes des Jugum (Spina- ethmoidalis). In den beiden knorp- lichen horizontalen Seitenplatten entsteht der laterale Abschnitt des Jugum sphenoidale.

Die horizontalen Seitenplatten sind Fortsetzungen der schon früher beschriebenen in den Augenhöhlendächern sich ausbreiten- den horizontalen Flügeln des knorplichen Siebbeins (Fig. 11, b; Fig. 10, b) , welche ich Orbitalflügel genannt habe. Sie bilden mit den knorplichen Orbitalflügeln (Alae parvae) des Keilbeins eine zusammenhängende Knorpelplatte, unter welcher die Partes orbi- tales des Stirnbeins entstehen und die man bisher bei dem Menschen in dieser Ausbreitung nicht gekannt hat. Man sprach nur von einer die kleinen Keilbeinflügel mit dem hintern Siebbeinende ver- bindenden Knorpelbrücke, dieSpöndli Frontalplatte nennt. Da, wie wir gesehen haben (Fig. 12), die Lamina cribrosa an ihrem hintern Ende tiefer liegt als der obere Rand des Nasenscheide- wandknorpels, so gehen von dort an die Orbitalplatten nicht mehr von den Seitenrändern der Siebplatte , sondern höher oben von dem Scheidewandknorpel ab (b).

Was die in Fig. 12 getroffene knorpliche Seitenwandplatte der Nasenhöhle betrifft (e) , welche in ihrem obern Abschnitt die Anlagen der hinteren Enden der Labyrinthe vorstellen, so nehmen dieselben hier bereits an Höhe und Dicke ab und es verlieren sich die davon abgehenden Knorpelstützen der Muscheln.

Nachdem ich diese Erörterungen vorausgeschickt habe, wende ich mich nun zu den Frontalschnitten der hintersten Partie der Nasenhöhlen (Fig. 13, 14 und 15). Figur 13 trifft das Grenzgebiet

D u r s y , Ent wicklgsges eh. 1 3

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des Keilbeins und Siebbeins , es nimmt daher die Nasenscheide- wand mit ihrem Knorpel an Höhe ab, um so mehr aber an Dicke zu. Auf der linken Seite haben sich die Nasenhöhlen in eine obere kleinere (n) und eine untere grössere Abtheilung (g) ge- schieden. Jene ist das hinterste Ende der Regio olfactoria oder die Anlage eines Sinus sphenoidalis; diese ist die in den Nasen- rachengang übergehende Partie der Regio respiratoria. Was nun das Knorpelgerüste der Nase betrifft, so unterscheidet man hier immer noch eine mediane und zwei laterale Knorpelplatten. Die mediane nach unten keulenförmig anschwellende Knorpelplatte ist die unmittelbare Fortsetzung des Nasenscheidewandknorpels, aus welchem hier der hintere Rand der Lamina perpendicularis und die anstossende Partie des vordem Keilbeinkörpers sich ent- wickelt. Der die Seitenplatten nach oben überragende und an seinem Ende in zwei horizontale Platten (b) übergehende Abschnitt des medianen Knorpels hat dieselbe Bedeutung wie in Fig. 12. Die Knorpelplatten der Seitenwände der Nasenhöhlen (d) sind viel kürzer geworden, indem ihre untere Partie durch die Gaumen- beine (m) verdrängt wurde. Mit ihrem oberen hackenförmig um- gebogenen Ende (a) umfassen sie den obern Umfang der Nasen- höhlen und lösen sich von dem Scheidewandknorpel ab.

Der folgende Schnitt (Fig. 14) trifft den vorderen knorplichen Keilbeinkörper, welcher somit eine unmittelbare Fortsetzung des Nasenscheidewandknorpels darstellt. Die beiden horizontalen Seiten- platten, in welche das obere verdickte Ende des Keilbeinknorpels sich ausladet, habe ich schon in den vorhergehenden Figuren be- sprochen ; es entstehen in ihm die beiden Seitenhälften des Jugum und der kleinen Keilbeinflügel. Jede Nasenhöhle hat sich jetzt vollständig in eine obere und in eine untere Abtheilung geschie- den ; die obere Abtheilung (einwärts von b) erscheint als eine kleine rundliche von einem dicken Knorpel umfasste Höhle (Sinus sphenoidalis); die untere grössere Abtheilung (c) ist das hintere Ende der Regio respiratoria, welche mit dem der anderen Seite zum Nasenrachengang zusammenfliesst. Der die Sinus sphenoi- dales umgebende Knorpelring ist eine directe Fortsetzung der Knorpelplatten der Nasenseitenwände, wie sich durch Vergleichung mit den vorhergehenden Figuren ergiebt ; indem sie sich zu einem

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Rohre unirollen, schliessen sie den Rest der Regio olfactoria (Sinus sphenoidales) von der Regio respiratoria (Nasenrachengang) ab. Da nun die Anlagen der Sinus sphenoidales zu beiden Seiten des knorplichen Keilbeinkörpers liegen, so folgt daraus, dass von dem spätem die Sinus umschliessenden knöchernen Keilbeinkörper nur dessen in der Medianeb enc der Schädelbasis liegende Partie (Ge- gend des späteren Septum sinuum sphenoidalium) knorplich prä- forinirt ist , während die laterale die Sinus enthaltende Knochen- masse eine in dem umgebenden Gewebe entstehende nicht knorplich präformirte Ablagerung ist. Nach hinten nimmt diese knorpliche Keilbeinmitte an Höhe ab, an Dicke dagegen zu, um ohne Unter- brechung in die dickere knorpliche Anlage des hinteren Keilbein- körpers sich fortzusetzen.

In Fig. 15 trifft man zu beiden Seiten des knorplichen vor- dem Keilbeinkörpers noch Reste der knorplichen Kapseln der nun verschwundenen Keilbeinhöhlen (d) ; von den Nasenhöhlen ist nur der noch unpaarige Nasenrachengang (f) zu sehen.

Trennt man das Gesicht eines menschlichen Fötus durch einen Frontalschnitt in zwei Hälften , so lässt sich an der hintern Hälfte das die Anlage der Keilbeinhöhlen darstellende Grübchen zu jeder Zeit auffinden , sobald man die Nasenseitenwände von der Scheidewand etwas abzieht. Es liegt ganz hoch oben in dem von dem Keilbein gebildeten Hintergrund der Nasenhöhle, kann den Kopf einer gewöhnlichen Stecknadel aufnehmen und besitzt einen durch ein halbmondförmiges Schleimhautfältchen von unten her überragten engeren Eingang.

Ich gehe nun zu den diese Gegend betreffenden Frontal- schnitten eines älteren 2 Dem. langen menschlichen Fötus über (Taf. VIII, Fig. 7, 8, 9 und 10; Taf. IX, Fig. 1), unterlasse aber eine ausführlichere Beschreibung der Nasenhöhlen und ihrer Knorpel, da für sie dasselbe gilt , was ich bereits für die auf Taf. VII, Fig. 12 15 abgebildeten Schnitte angab.

Fig. 7 trifft das Grenzgebiet der Siebbein- und Keilbeingegend, findet daher ihre Erklärung durch Taf. VII, Fig. 12 und 13. Die knorplichen Seitenplatten der Nasenhöhlen ä, welche früher bis zum Nasenboden herabreichten , werden in ihrer unteren Hälfte durch die Gaumenbeine n verdrängt. Ihr oberes Ende, welches

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früher als knorpliche Lamina cribrosa mit dem Seheidewand- knorpel sich in Verbindung setzte, hat sich von diesem gelöst und umfasst den oberen Umfang einer Nasenhöhle. Man kann daher von nun an an jeder Seitenplatte einen lateralen dickeren und längeren (r), sowie einen medianen kürzeren Schenkel unterschei- den (c). Indem sich beide Schenkel mit ihren unteren Enden einander nähern, schnüren sie den dazwischen liegenden Theil der Nasenhöhle als Sinus sphenoidales (Fig. 8 , o) von dem übrigen Theil oder der Regio respiratoria (Fig. 8, d) ab. Fig. 8 findet ihre Erklärung durch Taf. VII, Fig. 14; jedoch ist hier noch her- vorzuheben, dass der Nasenrachengang (d) durch eine nachträglich entstandene Fortsetzung der Nasenscheidewand halbirt wird. Die beiden folgenden bei geringerer Vergrösserung gezeichneten Durch- schnitte (Fig. 9 und 10) zeigen ebenfalls zu beiden Seiten des knorplichen vorderen Keilbeinkörpers die Anlagen der Sinus sphenoidales (Fig. 9, c) und zuletzt noch deren Knorpel (Fig. 10, b).

Grundform und späteres Verhalten des Knorpelgerüstes der Nase.

Bei jüngeren Embryonen ist das Knorpelgerüste der Nase, wie wir gesehen haben, viel vollständiger und findet sich in sämmt- lichen Wandungen der primitiven Nasenhöhlen, welche unab- hängig von der Mundhöhle als Riechgruben entstehen, von den Stirnfortsätzen und Oberkieferfortsätzen begrenzt werden und durch die engen primitiven Gaumenspalten mit der Mundhöhle sich in Höhlenverbindung setzen. Nur dieser Theil der Nasenhöhlen er- hält ein Knorpelgerüste, nicht aber der später aus der primitiven Mundhöhle sich abscheidende Abschnitt, dessen Boden von dem secundären Gaumen gebildet wird (Nasenrachengang nebst dem unter den primitiven Gaumenspalten liegenden Abschnitt der Regio respiratoria, vergl. Taf. IV, V und VII). Auf seine Grundform zurückgeführt besteht dasselbe aus zwei seitlich comprimirten und, auf den Menschen bezogen, horizontalen neben einander liegenden Röhren, deren sich berührende mediane Wände zu einer gemein- schaftlichen Scheidewand verschmelzen. Ihre vorderen Enden sind offen, die hinteren endigen blind und abgerundet in der Keilbein- gegend über dem Nasenrachengang. Die übrigen Wandungen sind völlig geschlossen mit Ausnahme der untern Wand oder des Bodens,

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der in dem mittleren Theil seiner Länge eine Unterbrechung er- fährt. Bei dem Menschen beträgt diese Unterbrechung, wie wir gesehen haben , noch viel mehr , indem sie bis an das hinterste blinde Ende der Knorpelröhren reicht. Ein weiterer Unterschied zwischen dem Menschen und den Säugethieren besteht darin, dass das hintere in der Keilbeingegend gelegene blinde Ende bei den Säugethieren eine viel mächtigere Ausbildung zeigt, vor Allem also viel geräumiger ist. Bei dem Menschen dagegen verengert sich dieses Ende so plötzlich , dass es nur wie ein kleiner in der Abschnürung von dem übrigen Rohr begriffener Anhang erscheint, welcher seine ursprüngliche Bedeutung als hinterstes Ende der Regio olfactoria aufgiebt und nur eine Nebenhöhle darstellt (Sinus sphenoidalis). Bei den Säugethieren kommt es daher gar nicht zur Entstehung einer die Rolle einer Nebenhöhle spielenden Keil- beinhöhle, es nimmt vielmehr das vordere Keilbein geradezu den hinteren Theil der Regio olfactoria in sich auf.

Die anfangs ganz einfachen Knorpelröhren geben alsbald an ihrer inneren Oberfläche Fortsätze ab , welche die schon früher entstandenen aber noch weichen Muscheln stützen. Ferner zeigen die Röhren an verschiedenen Stellen ihrer Wandung eine auffal- lende Dickenzunahme und zwar vorzüglich in ihrer lateralen Wand, wozu sich jedoch alsbald eine von den Nasenhöhlen aus ge- schehende Einschmelzung hinzugesellt. Die laterale Knorpelwand erscheint dann ausgebuchtet und umschliesst einen mit den Nasen- höhlen communicirenden Hohlraum oder Nebenhöhle (Sinus maxil- laris) ; in ähnlicher Weise bilden sich auch die Anfänge der Stirn- höhlen. Ferner verdanken auch die Siebbeinzellen einer solchen Wucherung der lateralen Knorpelröhrenwand ihre Entstehung. Durch nachträgliche auf verschiedene Stellen beschränkte Ein- schmelzungen bilden sich dann in einem ursprünglich soliden knorp- lichen Labyrinth die späteren Siebbeinzellen (Taf. VIII, Fig. 5, v). Bei den Säugethieren ist diese Gegend wie später so auch in ihrer Entwicklung viel complicirter , da hier die meisten der so- genannten Siebbeinzellen den Muscheln ähnliche Vorsprünge der Nasenhöhlenwand sind. Wir finden daher auch später nicht wie bei dem Menschen nur eine einfache obere Muschel, sondern die- selbe ist gleichsam in eine grosse Anzahl kleinerer gewundener

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Knochenplättchen zerfallen. Da diese zugleich von der untern Fläche der Siebbeinplatte abgehen , so können sie als die weiter entwickelten und selbstsändig gewordenen Kanälchen angesehen werden, die im menschlichen Siebbein sich finden und die Foramina cribrosa fortsetzen.

Die obere Wand der Nasenknorpclröhren ist zugleich, soweit sie dem Schädel anliegt, knorpliche Schädelbasis (Lamina cribrosa) und steht hier mit einer lateralwärts in das Augenhöhlendach sich ausbreitenden Knorpelplatte, die ich Orbitalflügel des knorplichen Siebbeins nannte, in ununterbrochenem Zusammenhang. Der den Hirnschädel nach vorn überragende Abschnitt der Nasenknorpel- röhren ist die knorpliche Grundlage der äusseren Nase.

Unterdessen entstehen die Gesichtsknochen, umlagern das sie stützende Nasenknorpelgerüste (Taf. V, Fig. 13) und bilden sich zum Theil auf Kosten desselben weiter aus. Abgesehen von dem Unterkiefer erscheint am frühesten der Oberkieferknochen, welcher in Gestalt einer kleinen dünnen Scherbe an der Aussenseite der Knorpelplatte der Nasenseitenwand sich ablagert und zwar an der unteren Hälfte derselben (Taf. III, Fig. 3, e und Fig. 4). Diese Scherbe umwächst alsbald mit einem lateralen Schenkel die late- ralwärts liegende, die Zahnanlagen enthaltende Gegend und bildet so die Anlage des knöchernen Alveolarfortsatzes. Es scheint, dass der laterale Schenkel des Alveolarfortsatzes, aus welchem auch der Processus zygomatico - orbitalis (He nie) hervorwächst, gesondert und selbst früher sich bilden kann , als die mediane der Nasem seitenwand anliegende Knochenscherbe (Taf. IV, Fig. 14, d, Fig. 15, d; Taf. VII, Fig. 11, lateralwärts von f). Von den übrigen Knochen erscheinen alsbald in ähnlicher Weise als Deckknochen der unteren Fläche des Nasenknorpelgerüstes die Zwischenkiefer- knochen, das Pflugscharbein, die Keilbeinmuscheln (auch Keilbein- tuten genannt), sowie als vordere und seitliche Deckknochen die Nasenbeine und Thränenbeine. Die Oberkieferknochen nehmen rasch an Umfang und Höhe zu und verlängern sich auch median- wärts in die Gaumenplatten. So wird dann schliesslich das Knorpelgerüstc der Nasenhöhle von Knochen mehr oder weniger vollständig umlagert (Taf. V, Fig. 13; Taf. VII, Fig. 5).

Im Gebiete der äusseren Nase ist mit Ausnahme des vor-

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dersten auch später knorplich bleibenden Abschnittes die Um- lagerung durch die Zwischenkiefer- und Oberkieferknochen sowie durch die Nasenbeine ganz vollständig. Weiter hinten dagegen hält sich die obere die Riechgegend enthaltende, somit in das Sieb- bein sich umwandelnde Partie des Knorpelgerüstes, abgesehen von der Thränenbeingegend , grösstenteils frei , während die untere von den Oberkieferknochen gedeckt werden (Taf. VII, Fig. 9, 10, 11; Taf. IX, Fig. 7; Taf. V, Fig. 7; vergl. auch Taf. IV). Später jedoch wird die Siebbeingegend des Nasenknorpelgerüstes nicht blos durch das Thränenbein gedeckt , sondern auch das Stirnbein und das Keilbein sowie das Gaumenbein und die Keil- beinmuscheln (Cornua sphen.) suchen allmählig die noch freie Knorpelfläche mehr und mehr zu uniwachsen, was bei den Säuge- thieren mit Ausnahme der Siebbeinplatte vollständig gelingt; bei dem Menschen jedoch erhält sich wenigstens die Gegend der späteren Lamina papyracea ungedeckt. Bei dieser Gelegenheit will ich noch bemerken, dass es viel richtiger wäre, die Keilbein- muscheln den Gesichtsknochen beizuzählen; für diese meine Ansicht spricht entschieden ihre Entwicklung , ihre Lage, ihre Beziehung zur Nasenhöhle und der Umstand, dass bei den Säugethieren diese Knochen mit dem Pflugscharbein zu Einem Stück verschmelzen. Wenn die Keilbeintuten bei dem Menschen später mit dem Keilbein verschmelzen, so hat dies seinen Grund in dem von den Säugethieren abweichenden Verhalten der hin- tersten Partie der Nasenhöhle , wie ich oben auseinanderge- setzt habe.

Das von den Säugern abweichende Verhalten der Riech- gegend des Menschen bedingt auch eine Verschiedenheit der Be- ziehungen der Gaumenbeine zu dem Nasenknorpelgerüste. Es entwickelt sich nämlich bei den Säugern das Gaumenbein nebst dem Flügelbein unterhalb des die Riechgegend allseitig umschlies- senden Nasenknorpelgerüstes und unterhalb des Keilbeins in der Seitenwand und dem Boden des Nasenrachenganges (Taf. IV, Fig. 12 und 13; Taf. V, Fig. 14 und 15) ; es entsteht das Gaumen- bein ohne knorpliche Stütze in dem an die Schädelbasis gehefteten hinteren Abschnitt des ehemaligen Oberkieferfortsatzes. Allmählig erreicht das obere Ende seiner senkrechten Platte den untern Um-

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fang des in das Siebbein sich umwandelnden Nasenknorpelgerüstes (Taf. IV, Fig. 13) und aus diesem Grunde kann auch das Gaumen- bein den Deckknochen des Nasenknorpelgerüstes beigezählt werden; es deckt, wie diese Figur zeigt, einen Theil der Aussenseite der die Riechgegend nach unten abschliessenden Knorpelpatten.

Bei dem Menschen dagegen fehlt der Riechgegend (abgesehen von den Sinus sphenoidales) ein solcher von der Regio respira- toria sie abschliessender Knorpelboden , indem die knorplichen Seitenplatten (Taf. VII, Fig. 11, k i) mit ihrem untern Ende nicht wie bei den Säugethieren medianwärts sich umrollen, sondern mit einer abgerundeten Anschwellung endigen. Hier finde ich nun merkwürdiger Weise die senkrechten Gaumenbeinplatten an der inneren Oberfläche der knorplichen Seitenplatten (i), sind daher innere Deckknochen der knorplichen Nase und werden dadurch von den aussen liegenden Oberkieferknochen geschieden. Indem sie an Höhe zunehmen, trennen sie den Knorpel der unteren und später auch der mittleren Muscheln von den knorplichen Seiten- platten ab (Fig. 11, rechte Seite); ähnliches zeigt auch Fig. 12. Trifft dagegen der Frontalschnitt die Gegend des Nasenrachen- ganges , so verhält sich diese hintere Partie der Gaumenbeine wiederum ebenso wie bei Säugethieren.

Während in der angegebenen Weise das Nasenknorpelgerüste von Knochenplatten umwachsen wird, verschwinden wiederum ge- wisse Abschnitte desselben oder geben vielmehr ihre knorpliche Beschaffenheit auf, indem sie in Folge des Dickenwachsthums der anliegenden Knochenplatten in den Verknöcherungsprocess herein- gezogen werden. Diese Art der Verknöcherung ist daher keine selbständige , dem Nasenknorpelgerüste eigenthümliche und unter- scheidet sich dadurch von der späteren von den Deckknochen unabhängigen Verknöcherung des Siebbeins und der unteren Muscheln.

Wie man aus den auf Taf. VII abgebildeten Frontalschnitten ersieht, so sind an einem 8 Ctm. langen menschlichen Fötus die Oberkieferbeine mit den Zwischenkieferknochen bereits verschmol- zen. Der in Fig. 5 abgebildete Frontalschnitt zeigt, dass auch in dem Gebiete der äussern Nase nicht blos die Nasenbeine, wie bisher gelehrt wurde, sondern auch die Oberkiefer und Zwischen-

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kiefer eine knorpliche Unterlage besitzen. Ueberhaupt ist ur- sprünglich die ganze innere Oberfläche der Oberkieferknochen von einer Fortsetzung der seitlichen Nasenknorpelplatten überzogen, welche zum Theil wieder schwindet, zum Theil aber sich erhält und verknöchert (Proc. maxillaris, ethmoidalis und lacrymalis der untern Muschel, Proc. uncinatus des Siebbeinlabyrinthes).

An einem 8 Ctm. langen menschlichen Fötus (Taf. VII) ist der hinter dem Processus frontalis folgende Körper des Oberkiefer- knochens sehr niedrig, so dass er an dem in Fig. 10 abgebildeten Frontalschnitt einstweilen nur eine den Boden der späteren knö- chernen Highmorshöhle darstellende fast horizontale Knochenplatte darstellt, welche abwärts in den Zahnfortsatz und medianwärts in den Gaumenfortsatz übergeht. Er trägt den untern Abschnitt einer knorplichen Nasenseitenplatte, welche bereits die erste Anlage der Highrnor'shöhle enthält (i , h). Die nächste Aufgabe eines Oberkieferknochens besteht nur darin , die über ihm liegende knorpliche Highrnor'shöhle zu umwachsen. Es geschieht dies, wie man aus Taf. IX, Fig. 7 ersieht, mit Hülfe zweier vertikaler aus dem ursprünglichen Körper nach oben wachsender Knochenplatten, welche die noch knorpliche Highrnor'shöhle zwischen sich fassen. Die dickere laterale Knochenplatte (e) gewinnt alsbald eine be- trächtliche Höhe , so dass sie die Augenhöhlenwand erreicht und die knorpliche Highrnor'shöhle von aussen deckt. Der Oberkiefer besitzt von nun an eine noch dicke äussere Wand, welche zugleich mit ihrem oberen Ende den noch schmalen knöchernen Boden der Augenhöhlen darstellt. Was die mediane Knochenplatte betrifft, so bleibt diese nur ganz niedrig und besitzt einen obern zuge- schärften Rand, welcher mit dem Processus maxillaris der unteren Muschel sich verbindet und die dem Oberkiefer eigenthümliche mediane Wand der Highrnor'shöhle darstellt. Es zeigt jetzt der Oberkieferknochen eine die knorpliche Higmor'shöhle aufnehmende Grube, welche somit nicht, wie bisher gelehrt wurde, durch Schwund bereits vorhandenen Knochengewebes , sondern in Folge einer nachträglichen Umwachsung der knorplich präformirten Highrnor's- höhle von Seite des Oberkieferknochens entsteht. Von dem knö- chernen Sinus maxillaris ist daher zuerst nur der mit dem Zahn-

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fortsatz verbundene Boden vorhanden und erst allmählig bildet sich seine mediane und laterale Wand.

Legt man an einem 8 Ctm. langen menschlichen Fötus den Frontalschnitt durch den hintern Theil der Oberkieferanlage an (Taf. VII, Fig. 11), so endigt jede knorpliche Seitenplatte der Nasenhöhle mit einem kolbig angeschwollenen Rand (i), welcher sich zwischen zweiK.nochenplatten einschiebt. Die laterale Knochen- platte (e) ist eine Fortsetzung des Oberkieferknochens , die wir oben (Taf. IX, Fig. 7, e) als laterale Wand des Sinus maxillaris haben kennen lernen ; sie ist zugleich wegen ihrer schrägen Stel- lung die Anlage der medianen Hälfte des spätem knöchernen Augenhöhlenbodens. Lateralwärts davon liegt eine tiefe mit dem Grunde auf den Zahnfortsatz stossende Aushöhlung (Canalis in- fraorbitalis) , welche den N. infraorbitalis (f) enthält und nach aussen von einer etwas unterbrochenen Fortsetzung des Ober- kieferknochens begrenzt wird (Proc. zygomatico-oi'bitalis, Hen le). Die mediane Knochenplatte (h) schliesst sich als mediane Wand des Sinus maxillaris an die oben beschriebene mediane Knochen- platte des Oberkiefers an (Taf. IX, Fig. 7) und ist die Pars per- pendicularis des Gaumenbeins. Der zwischen beiden Knochen- platten liegende dicke Knorpel (i) ist die noch solide Anlage der hintern Partie der knorplichen Highmor'shöhle. Interessant ist an diesem Frontalschnitt das von unten nach oben fortschreitende Höhenwachsthum der senkrechten Gaumenbeinplatte (h) , wobei sie allmählig die Knorpel der unteren und mittleren Muschel von der knorplichen Seitenplatte abtrennt.

Untersucht man die Oberkiefer- und Siebbeingegend an Frontal- schnitten eines 2 Ctm. langen menschlichen Fötus (Taf. VIII), so wird der vordere Abschnitt der Highmor'shöhle ringsum noch von Knorpel umfasst (Fig. 4) und zeigt in dieser der Crista galli ent- sprechenden Gegend erst wenige verknöcherte Stellen. An einein tieferen hinter der Crista galli liegenden Frontalschnitt dagegen hat sich vieles geändert. (Fig. 5). Die knorplichen Seitenplatten der Nasenhöhlen sind nämlich in ihrer unteren Partie verschwun- den, so dass die lateralen Knochenplatten der Oberkieferbeine nur noch an ihrem oberen Ende (t) eine knorpliche Unterlage besitzen. Es hat daher auch die Highmor'shöhle (s und d) ihre Knorpel-

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hülle verloren und ihre Schleimhautwand zeigt einen Kranz rund- licher Drüsenanlagen , die sich auch auf beide Flächen der unteren Muschel und noch auf die untere Fläche der mittleren Muschel fortsetzen. Vergleicht man die rechte Seite dieses Frontal- schnittes (b c f h e) mit derselben Seite des auf Taf. IX, Fig. 7 dargestellten Schnittes , so ist die die Highmor'shöhle (d) auf- nehmende Oberkiefergrube enger geworden. Auch bemerkt man, dass die laterale knöcherne Begrenzungsplatte des Sinus maxillaris dem noch übrig gebliebenen dicken Reste der knorplichen Nasen- seitenwandplatte bis zur unmittelbaren Berührung sich genähert hat, während in Fig. 7, Taf. IX ein beträchtlicher Zwischenraum sich findet. Es schreitet nämlich die Verknöcherung des Ober- kiefers auf Kosten des diesen Zwischenraum erfüllenden Gewebes gegen den Knorpel vor , so dass dieser seinen früheren dunklen das Perichondrium darstellenden Grenzsaum verliert und schliesslich ebenfalls dem von dem Oberkieferknochen eingeleiteten Verknöche- rungsprocess unterliegt. Sehr deutlich zeigt dieses auf Kosten des Knorpelgewebes geschehende Dickenwachsthum des Oberkiefers der auf Taf. V, Fig. 12, h abgebildete Frontalschnitt eines Rinds- embryo. Dasselbe gilt nach meinen Erfahrungen für alle Deck- knochen des Nasenknorpelgerüstes , wie man z. B. deutlich an dem auf Taf. IX, Fig. 4 dargestellten Durchschnitt der Nasen- scheidewand und des Pflugscharbeins eines 2 Dem. langen mensch- lichen Fötus bemerkt. Der an jüngeren Embryonen so mächtige untere Endkolben des Nasenscheidewandknorpels, dessen früherer Contur durch eine punktirte Linie angedeutet ist, dient zur wei- teren Ausbildung der anliegenden Seitenplatte des Vomer (c). Ebenso verdicken sich auch die Partes orbitales des Stirnbeins auf Kosten der Orbitalflügel des Siebbeins. Ein ähnliches Ver- halten fand ich auch zwischen den vorderen Enden der Unter- kieferhälften und den Meckel'schen Knorpeln, wie ich schon früher näher auseinander gesetzt habe.

Kehren wir nun wieder zu dem in Rede stehenden Frontal- schnitt (Taf. VIII , Fig. 5) zurück , so hat also der Oberkiefer- knochen auf Kosten des die Highmor'shöhle umfassenden Knorpels an Masse gewonnen und ist dadurch die Anlage des knöchernen Sinus maxillaris etwas enger geworden. Die bisherige Lehre, dass

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die Highinor'shöhle sowie überhaupt alle Nebenhöhlen der Nasen- höhle durch Resorption der betreffenden Knochen nachträo-lich entstandene Lücken seien, für welche dann die Nasenschleimhaut Ausstülpungen bilde , ist somit für die erste Anlage dieser Höhlen nicht richtig.

Nachdem auf die angegebene Weise der Knorpel der High- mor'shöhlen verschwunden ist, so wird die davon abgehende Knorpelwurzel der unteren Muschel frei und setzt sich, indem sie verknöchert , als Processus maxillaris conchae inf. mit der me- dianen senkrechten Knochenplatte des Oberkiefers zur Vervoll- ständigung der medianen Wand des Siuus maxillaris in Verbindung (Taf. VIII, Fig. 5). Auf der linken Seite des genannten Schnittes ist die Verknöcherung dieser Muschelwurzel bereits eingetreten und ist dem Gesagten zufolge ein direct verknöcherter Eest der ursprünglichen Knorpelkapsel der Highmor'shöhle. An demselben Embryo ist auch bereits in der unteren Partie der Seitentheile des knorplichen Siebbeins und in den davon abgehenden mittleren Muscheln die Verknöcherung eingetreten. Darüber sowie über die untern Muscheln vergleiche man auch die folgende Figur 6.

Was das Gaumenbein betrifft, so habe ich bereits angegeben, dass dessen vertikaler Theil von dem Oberkiefer durch eine Fort- setzung der Knorpelplatte der Nasenseitenwand geschieden wird, woraus das hintere Ende der Highmor'shöhle hervorgeht (Taf. VII, Fig. 11). Auch an dem folgenden Schnitt (Fig. 12), welcher hinter die Anlage der Highmor'shöhle fällt, bemerkt man noch einen die laterale Seite der vertikalen Gaumenbeinplatte deckenden Fortsatz der genannten Knorpelplatte; allmählig jedoch verdickt sich das Gaumenbein auf Kosten der letztern, die dann von unten nach oben schwindet (e). Vergleicht man damit den Durchschnitt eines älteren menschlichen Fötus (Taf. VIII, Fig. 7), so ist auf diese Weise der frühere zwischen Gaumenbein (n) und Oberkiefer (o) befindliche Knorpel verschwunden; dass sich aber hier eine Fortsetzung der Knorpelplatte der Nasenseitenwand befand, er- giebt sich aus der Vergleichung mit den Durchschnitten jüngerer Embryonen sowie aus dem Umstand , dass hier die Knorpelachse der untern Muschel isolirt ist , während sie früher von der ge- nannten Knorpelplatte abging. Bald wird auch durch das Gaumen-

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bein die Knorpelwurzel der mittleren Muschel abgelöst. An demselben Frontalsclinitt bemerkt man auch am obern Rand der Pflugscharbeinflügel den Durchschnitt eines besonderen kleinen Knochens (e) , welcher nach meinen diese Gegend betreffenden Erfahrungen die Keilbeinmuschel ist, die man bisher erst nach der G-eburt entstehen Hess. Die folgende Figur 8 zeigt ebenfalls die Knochenkerne dieser Muscheln (b), von welchen der der linken Seite doppelt erscheint; sie liegen hier an der unteren Seite der knorplichen Anlagen der Sinus sphenoidales (o). Ich finde übri- gens die knöchernen Anfänge der Keilbeinmuscheln bereits an einem 8 Ctm. langen menschlichen Fötus (Taf. VII , Fig. 14). Betrachtet man die auf Taf. VIII, Fig. 7 und 8 dargestellte Lage der Keilbeinmuscheln am oberen Rand der Pflugscharbeinflügel, so erinnere ich dabei an meine bereits früher geinachte Angabe, dass an Schädeln von Kindern der Vomer ganz ebenso in Verbindung mit den ihm aufsitzenden Keilbeinmuscheln ausgelöst werden kann.

Was das vordere Keilbein des Menschen betrifft, so habe ich darüber schon einige Bemerkungen vorausgeschickt. Es bildet das Nasengerüste mit der knorplichen Schädelbasis ein zusammen- hängendes Ganze. Verfolgt man den medianen Abschnitt der knorplichen Schädelbasis von dem Hinterhauptsloch nach vorn zum vorderen Ende der knorplichen Nasenscheidewand, so zeigt sich abgesehen von der durch das Hypophysenloch bedingten je- doch alsbald wieder verschwindenden Unterbrechung nirgends eine Spur einer Absetzung oder Abgliederung ; ganz allmählig geht der hintere Theil der Schädelbasis in den vordem und in die Nasen- scheidewand über, wobei er an Breite ab-, aber an Höhe zunimmt. Es bildet daher der mediane Theil der knorplichen Schädelbasis vom Hinterhauptsloch bis zum vordem Rand der knorplichen Nasenscheidewand die ungegliederte in ihrem vordem Abschnitt seitlich comprimirte Fortsetzung der knorplichen Wirbelsäule.

Es hängen aber auch bei dem Menschen die lateralen Theile der knorplichen Schädelbasis continuirlich mit den Seitentheilen des Nasenknorpelgerüstes zusammen und zwar durch Vermittlung der Orbitalplatten. Unter einer knorplichen Orbitalplatte im All- gemeinen verstehe ich das knorpliche Augenhöhlendach, dessen hintere Partie durch Vermittlung der knorplichen Seitenhälften

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des Jugum sphenoidale mit dem knorplichen Keilbeinkörper sich verbindet (Taf. VII, Fig. 12, 13, 14 und 15). Die vordere Partie der Orbitalplatten verbindet sich durch Vermittlung der knorp- lichen Seitenhälften der Siebplatte mit dem betreifenden Theil der knorplichen Nasenscheidewand (Lamina perpendicularis des Sieb- beins, Taf. VII, Fig. 10 und 11; Taf. VIII, Fig. 4; Taf. IX, Fig. 2 und 7). Eine Orbitalplatte bildet daher die gemeinsame laterale flügeiförmige Ausbreitung des Keilbeins und Siebbeins und kann daher in seiner hinteren Partie „Orbitalflügel des Keilbeins", in seiner vorderen Partie „Orbitalflügel des Siebbeins" genannt werden. Betrachtet man nun den medianen Abschnitt des vor- dem knorplichen Keilbeins als einen Wirbelkörper, sowie dessen Orbitalflügel als Wirbelbogentheile , so kann darüber nach dem bisher Gesagten kein Zweifel sein, dass auch die primitive knorp- liche Nasenscheidewand einen Wirbelkörper , sowie deren das Hirn tragender Orbitalflügel einen Wirbelbogen darstelle. Auch sieht man hieraus, dass zur Entscheidung solcher Fragen nur die Entwicklungsgeschichte den Ausschlag geben kann , da mit dem Eintritt der Verknöcherung der ursprüngliche Typus mehr oder weniger verwischt wird,' so schwinden z. B. die knorplichen Or- bitalflügel des Siebbeins, indem die darunter entstehenden Deck- knochen (Partes orbitales des Stirnbeins) sich auf ihreKosten verdicken. Betrachten wir die Orbitalflügel des Keilbeins etwas näher, so gehen sie zwar medianwärts ohne Unterbrechung in den knorp- lichen Keilbeinkörper über, verlassen dabei aber das Gebiet der Augenhöhlendächer und liegen oberhalb der hinteren Enden der knorplichen Nasenhöhlen (Sinus sphenoidales , vergl. Taf. VII, Fig. 12, 13, 14 und 15); es ist daher dieses der hintern Nasen- gegend angehörige Wurzelstück der Orbitalplatten die knorpliche Anlage einer Seitenhälfte des Jugum. Auch die Orbitalflügel des Siebbeins besitzen ein solches nicht mehr den Augenhöhlen sondern den Nasenhöhlen angehöriges Wurzelstück (Lamina cribrosa). Das Nasenknorpelgerüste besitzt auch noch absteigende ursprüng- lich sehr einfache Knorpelplatten, welche von dem Grenzgebiet der Orbitalflügel und ihres Wurzelstücks abgehen und sich in der ganzen Länge der Seitenwand der Nasenhöhlen ausbreiten. Nach dieser Auseinandersetzung können die Siebbeinlabyrinthe, die sich

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nachträglich aus diesen Platten entwickeln, nicht mehr mit hin- teren Wirbelbogen verglichen werden , die sich bauchwärts umge- schlagen hätten; viel eher könnte an eine Vergleichung mit der knorplichen Lamina externa des ebenfalls in der Nasenseitenwand herabsteigenden Proc. pterygoideus des Keilbeins gedacht werden.

Wie ich nun gezeigt habe , so zeigt bei dem Menschen das Nasenknorpelgerüste die Eigenthümlichkeit, dass beim Anschluss an das Keilbein die knorpliche Siebplatte nicht continuirlich in das knorpliche Jugum sphenoidale sich fortsetzt, wie es bei den Säugethieren der Fall ist, sondern sich tiefer stellt und. sogar noch eine Strecke weit von den knorplichen Seitenhälften des Jugum überragt wird (Taf. VII, Fig. 12; vergl. auch S. 193). Die absteigenden Seitenplatten (e) folgen dieser Lageänderung, nicht aber die Orbitalflügel (b), welche ihren Zusammenhang mit ihrer früheren Wurzel aufgeben und continuirlich nach hinten in die knorplichen Orbitalflügel des Keilbeins und in dessen Jugum sich fortsetzen.

Eine weitere den Menschen betreffende Eigenthümlichkeit be- steht darin , dass die unter das Jugum sphenoidale sich schie- benden hinteren Enden der knorplichen Nasenhöhlenplatten rasch an Höhe abnehmen, in Verbindung mit dem Reste der Siebplatte von dem medianen Knorpel sich ablösen (Taf. VII, Fig. 13) und schliesslich zur völligen Unischliessung der hintersten Nasenhöhlen- enden (Sinus sphenoidales) sich einrollen (Fig. 14). Die Figuren 14 und 15 treffen den zwischen den beiden Augenhöhlen liegenden Abschnitt des vorderen Keilbeins und es zeigt sich , dass der Keilbeinkörper sich auf die Gegend des spätem knöchernen Septum sin. sphen. beschränkt und an seinem obern Rand zwei die Anlage des Jugum darstellende Platten abgiebt. Die übrige den Raum zwischen den beiden Nasenhöhlen einnehmende und die knorpliche Anlage der Sin. sphen. umfassende Bildungsmasse ist ein noch weiches Gewebe, welches niemals verknorpelt, son- dern eine mächtige faserige Umhüllung der gesammten knorp- lichen Keilbeinanlage und der knorplichen Sinus abgiebt (Taf. VIII, Fig. 9, 10 und 11). Es hat diese Periostschichte eine solche Dicke, dass dadurch z. B. an dem Frontalschnitt Fig. 1 1 der vierseitige Contur des späteren knöchernen vorderen Keilbeinkörpers deutlich vorgezeichnet wird. Was nun die Verknöcherung des vorderen

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Keilbeins betrifft, so besitzt dessen knorplich vorgebildeter Körper weder bei Säugethieren nocji bei dem Menschen einen besondern ihm eigenthümlichen Knochenkern, sondern die Orbitalflügel sind es, deren Knochenkerne von beiden Seiten her gegen die medianen Knorpel vordringen, um theils über ihm medianwärts sich zu ver- einigen (knöchernes Jugum), theils am lateralen Umfang des Keil- beinknorpels auf Kosten der mächtigen Periostlage hinabwuchern und auch die knorplichen Sinus sphenoidales oben und seitlich umfassen. Alsbald gesellt sich zu den Hauptknochenkernen der Orbitalflügel auf jeder Seite noch ein zweiter in der untern Wurzel der kleinen Keilbeinflügel auftretender Knochenkern, welche dann mit einander verschmelzend den Canalis opticus umgeben. Zwi- schen dieser oben und seitlich ihn umfassenden Knochenmasse erhält sich der ursprüngliche mediane Knorpel noch lange Zeit und bleibt dabei in ununterbrochener Verbindung mit der knorp- lichen Nasenscheidewand. Sein unterer Rand (die knorpliche Crista sphenoidalis inferior) wird von dem Vomer gedeckt und zu beiden Seiten liegen die Keilbeinmuscheln, welche den noch freien un- teren Umfang der knorplichen Sinus sphen. umfassen. Wenn nun später in Folge der von der Peripherie nach dem Centrum fortschreitenden Verknöcherung sämmtliche Knorpel verschwunden sind , so werden von nun an die von einer Schleimhaut ausge- kleideten kleinen Anlagen der Sinus sphenoidales direct von Knochenmasse umgeben und vergrössern sich später auf Kosten derselben, während der ursprüngliche knorplich präformirte Keil- beinkörper der Lamina perpendicularis des Siebbeins als Septum sin. sphen. sich anschliesst. Die auf Taf. VIII abgebildeten Frontal- schnitte eines 2 Dem. langen menschlichen Fötus (Fig. 8, 9, 10 und 11) zeigen die von den kleinen Keilbeinflügeln median- wärts vordringenden Knochen kerne , sowie die accessorischen Knochenkerne in der untern Wand des Canalis opticus (Fig. 9 und 10). Taf. IX, Fig. 1 giebt den Frontalschnitt des hin- teren Endes des vordem Keilbeinkörpers von demselben Fötus und zeigt dessen dicke Periosthülle sowie die mit diesem zu- sammenhängende nicht knorplich präformirte Lamina interna (d) des Processus pterygoideus.

Nach diesen von mir über das Keilbein des menschlichen

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Fötus mitgetheilten Beobachtungen muss auch das vordere Keil- bein des Erwachsenen vom Standpunkte der Entwicklungsgeschichte aus in einer andern als in der bisher üblichen Weise aufgefasst werden. Die mit geräumigen Sinus versehene vordere Partie des vordem Keilbeinkörpers des Erwachsenen darf nicht in ihrer Ge- sammtheit , sondern nur in ihrem medianen Abschnitt (Septum, Crista sphenoidalis ant. et inf.) als Keilbeinkörper oder Wirbel- körper angesehen werden. Die zu beiden Seiten liegenden Höhlen dagegen sind die ursprünglichen hinteren Enden der Regio olfac- toria der Nasenhöhlen, die somit nicht i n , sondern neben dem Keilbeinkörper liegen. Die einen Sinus deckende Seitenhälfte des Jugum ist daher, wie ich auch durch die Entwicklungsgeschichte nachgewiesen habe, die Wurzel des Orbitalflügels des Keilbeins, somit der Anfang oder die Wurzel eines Wirbelbogens. Die la- terale Wand eines Sinus ist eine bauchwärts absteigende Fort- setzung des Orbitalflügels zur Begrenzung des genannten hinteren Nasenhöhlenendes und schliesst sich deshalb nach vorn genau der Seitenplatte der Nasenhöhle (Lamina papyracea) an ; sie erinnert an das Verhältniss des absteigenden Keilbeinflügels zum Temporal- flügel, von welchen jener ebenfalls zurBegrenzung der Nasenhöhle dient. Die untere und vordere Wand ist ebenfalls kein dem Keilbeinkörper eigenthümlicher Theil, sondern entwickelt sich aus einem dem knorplichen Labyrinthe anliegenden Deckknochen. Bedenkt man nun die Kleinheit der ursprünglichen Sinus sphenoi- dales, welche einen nur sehr kleinen Raum neben dem knorplichen Keilbeinkörper beanspruchen , so wird es begreiflich , warum die von den Orbitalflügeln absteigenden Seitentheile dem medianen Körper sich anlegen und mit ihm verschmelzen, so dass dadurch der ursprüngliche Bildungsplan verwischt und erst durch die spätere Ausdehnung der Sinus einigermaassen wieder hergestellt wird. Viel ausgeprägter dagegen und schon von Anfang an leicht erkennbar erscheinen diese Verhältnisse bei Säugethieren. Hier treten, wie ich schon früher auseinander gesetzt habe, die hinteren Enden der Regio olfactoria der Nasenhöhlen in viel grösserer Ausdehnung in den vorderen Keilbeinkörper ein. Entfernt man daher an dem Schädel eines erwachsenen Säugethieres das Sieb- bein , so enthält die vordere Partie des vorderen Keilbeins zwei Dursy, Entwicklgsgesch. 14

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geräumige von den Nasenhöhlen nicht abgeschiedene Höhlen, deren ziemlich dickes Septum von dem ursprünglichen Keilbein- körper dargestellt wird. Auch die übrigen Wandungen haben dieselbe Bedeutung, wie ich sie oben für den Menschen angegeben habe, jedoch mit dem Unterschied, dass eine vordere Wand völlig mangelt , indem die mit dem Vomer verschmolzenen Keilbein- muscheln sich auf den Boden beschränken. Ferner ist hervorzu- heben, dass der von den Keilbeintuten gebildete Boden sowie die Seitenwände dieser Höhlen noch eine beträchtliche Strecke weit entlang dem Siebbein sich vorschieben. Ueberhaupt gewinnt diese ganze Partie des vorderen Keilbeins bei Säugethieren im Einklang mit der stärkeren Ausbildung der Riechgegend eine sehr bedeu- tende Längenausdehnung, und zwar ragt am weitesten nach vorn der Boden , dann folgen die Seitenwände und am kürzesten sind die in neuerer Zeit auch als kleinste Keilbeinflügel bezeichneten am vorderen Rande ausgeschweiften oberen Wände.

Von den Keilbeinmuscheln habe ich schliesslich noch zu be- merken , dass dieselben , wie auch H e n 1 e lehrt, mit ihren vor- deren Rändern zur Vervollständigung der Crista sphenoid. ant. und des Rostrum dienen, indem sie sich medianwärts verbinden und dadurch die Lamina perpendicularis von dem knöchernen Keilbeinkörper völlig abtrennen. Eine derartige Scheidung kann dem Gesagten zufolge bei den Säugethieren nicht vorkommen und finde ich hier an einem mir gerade vorliegenden macerirten Hundsschädel eine Lücke.

Was den in das Siebbein und die Muscheln sich umwandeln- den Theil des Nasenknorpelgerüstes betrifft, so zeigt der auf Taf. VIII, Fig. 5 abgebildete Frontalschnitt eines 2 Dem. langen menschlichen Fötus , dass die Verknöcherung in der unteren und mittleren Muschel , sowie in der unteren Hälfte der Labyrinthe ihren Anfang nimmt. Was zuerst die untere und mittlere Muschel betrifft, so sind deren Knorpel an jüngeren Embryonen ganz ein- fache, am Ende etwas kolbig angeschwollene und an ihrer Ober- fläche ebene Fortsätze der knorplichen Seitenplatten der Nasen- höhlen (Taf. VII, Fig. 10 und 11). An älteren Embryonen geben diese Knorpel eine Anzahl einfacher und getheilter Fortsätze oder Nebenblätter ab (Taf. IX, Fig. 8 ; Taf. VIII, Fig. 5 und 6). Das

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mit dem Eintritt der Verknöcherung zuerst daraus entstehende Balkenwerk einer mittleren Muschel zeigt der auf Taf. IX, Fig. 3 abgebildete Durchschnitt.

Auch ein Siebbeinlabyrinth ist, wie die Abbildungen jün- gerer menschlicher Embryonen zeigen , zuerst eine einfache dicke solide Knorpelplatte, worin später durch stellenweise Ein- schmelzung grössere Höhlen oder die Anlagen der Siebbeinzellen entstehen (Taf. VIII, Fig. 5, v). Von demselben 2 Dem. langen menschlichen Fötus ist auf Taf. IX, Fig. 2 ein stärker vergrös- serter Frontalschnitt eines noch völlig knorplichen Labyrinthes abgebildet , welches oben durch die Siebplatte mit einem Stück der Nasenscheidewand zusammenhängt und an seinem unteren Ende die ebenfalls noch rein knorpliche obere Muschel abgiebt. Man bemerkt in dem Labyrinth eine Anzahl weiter zur Aufnahme von Riechfäden bestimmter Hohlräume, welche mit engerem Halse in die dicke Schleimhaut der Nasenhöhlenwand sich öffnen. Daraus entstehen die späteren die Riechfäden enthaltenden Knochen- kanälchen und Rinnen der inneren Labyrinthwand. Es erinnern an diesem Durchschnitt die zwischen den Gängen schräg und etwas gebogen herabhängenden Knorpelfortsätze an die knorp- lichen Muscheln und in der That erscheinen sie dem hier sicht- baren Knorpel der oberen Muschel (h) nicht unähnlich. Würde sich auch noch die darüber liegende Schleimhaut entsprechend aus- und einbuchten, so hätte man den sogenannten Siebbeinzellen der Säuger ganz ähnliche Bildungen, somit eine bedeutende Ver- vielfältigung der Riechmuscheln. Es ist daher die früher von mir geäusserte Ansicht, dass die Knochenkanälchen des menschlichen Labyrinthes bei Säugethieren zu besonderen muschelartigen Fort- sätzen sich weiter bilden, nicht unbegründet.

Zur Entwicklungsgeschichte der Zähne.

Zum Schlüsse reihe ich hier noch einige die Bildungsge- schichte der Zähne betreffende Beobachtungen an , zu welchen mich meine Untersuchungen über die Entwicklung des Gaumens führten ; sie beziehen sich auf die Zahnanlagen der schon öfters

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genannten Säugethiere und des Menschen. Da ich hier nur einige meiner eigenen Beobachtungen mittheile , so lasse ich mich auf eine Erwähnung oder Besprechung anderer Angaben nicht ein, obgleich ich in manchen Dingen davon abweiche. Nur die Be- merkung will ich vorausschicken , dass die Zahnbildung sowohl bei dem Menschen als auch bei den Säugern mit dem Auftreten einer wirklich offenen und in die Mundhöhle mündenden Furche beginnt, wie zuerst von Fr. Arnold und Goodsir richtig an- gegeben wurde ; auch noch andere von diesen Forschern gemachte Angaben sind im Wesentlichen richtig und können daher nicht als überwunden und veraltet übergangen werden.

Untersucht man an Frontalschnitten jüngerer Rindsembryonen (Taf. II), bei welchen die Zunge noch in ihrer ganzen Breite der Nasenscheidewand anliegt und zu beiden Seiten von den noch senkrecht stehenden Gaumenplatten umfasst wird, so bemerkt man bereits den Beginn der Zahnbildung. Lateralwärts von den dicken Enden der neben der Zunge absteigenden Gaumenplatten zeigt die Oberkiefergegend eine ursprünglich sehr flache Furche (Zahnfurche). Die davon betroffene aus rundlichen Elementen bestehende Schleim- haut bildet hier einen bei durchfallendem Licht dunklen Hof (Fig. 1, d) , woraus die Zahnsäckchen und die Zahnpapillen ent- stehen , darüber macht sich ein viel grösserer hellerer Hof be- merklich (Fig. 1 und 2) , welcher den N. infraorbitalis enthält (Fig. 1, c). Das in der Zeichnung durch eine dicke dunkle Linie dargestellte Mundhöhlenepithel ist noch dünn und kleidet ganz gleichmässig auch die Zahnfurche aus. Eine dieser Zahnfurche entsprechende flache Rinne der Oberkiefergegend lässt sich übri- gens schon an viel jüngeren Embryonen bemerken , wie die auf Taf. I, Fig. 1 14 gegebenen Abbildungen eines 1,9 Ctm. langen Rindsembryo zeigen. Ich betrachte sie nicht als eine von der Mundhöhle aus in den Oberkieferfortsatz eindringende Bildung, sondern sie entsteht vielmehr dadurch , dass die anfangs mehr gleichförmige Mundhöhlenfläche des Oberkieferfortsatzes in ihrem weiteren Wachsthum sich ungleich verhält (Taf. I, Fig. 4 zwischen m und k; Fig. 13, zwischen b und d).

Aus dem Gesagten geht hervor, dass die in die Zahnsäckchen und die Zahnpapillen sich umwandelnde Schleimhautpartie , die

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sich schon bei noch völlig offener Zahnrinne an Durchschnitten in Gestalt eines dunklen Hofes markirt, ein von dem Mundhöhlen- epithel überzogener Theil der übrigen Mundschleimhaut ist, welche in Folge eines rascheren Dickenwachsthums der Umgebung all- mählig die Gestalt einer nach der Mundhöhle offenen Furche an- nimmt. Sie wird daher um so tiefer, je weiter die lateral wärts und medianwärts anstossenden Theile in die Mundhöhle hinab- wachsen (Taf. II, Fig. 3 und 7), und es vermehren sich zugleich die den oberflächlichen Lagen angehörigen runden Zellen des Mundhöhlenepithels im Grunde der Rinne (Fig. 3, f und Fig. 7). Schliesslich wird sie dadurch völlig erfüllt und nur an ihrem Ein- gang erhält sich noch eine rinnenförmige mehr oder weniger tiefe Einsenkung (Fig. 4,5,7 und 8); vergl. ferner für das Schwein Taf. IV, Fig. 1 4 und für das Schaf Taf. III. Von n\Äi an erscheint die Zahnfurche an Frontalschnitten in Gestalt einer tiefen von einem soliden Epitheliumszapfen erfüllten Schleimhauteinsenkung. Es ist dieser Zapfen oder der Schmelzkeim eine unmittelbare Fortsetzung des gesammten Mundhöhlenepithels und besteht daher aus einer bei durchfallendem Licht dunkleren peripherischen oder Rindenschichte und aus einer helleren Achse (Kernmasse). Jene ist die der Schleimhaut anliegende Fortsetzung der tiefsten Epitheliumslagen , diese besteht aus den helleren und rundlichen Zellen der oberflächlichen Schichten des Mundhöhlenepithels.

In der ersten Zeit ist die von Epithel erfüllte Schleimhaut- furche noch ziemlich weit; an dem auf Taf. II, Fig. 5 und 6 dar- gestellten Fötus erscheint sie von ungewöhnlicher Breite und zu- gleich hat sich hier an sämmtlichen Schnitten der mächtige Epithel- zapfen oder der Schmelzkeim von der Schleimhaut der Zahnfurche völlig abgelöst, so dass ein heller ungleich breiter Zwischenraum entstand. Allmählig nähern sich die Schleimhautränder der tiefer geworden Zahnfurche einander , die Furche wird enger und es schwinden dabei mehr und mehr die Zellen der Kernmasse des Schmelzkeims , während dessen Rindenschicht die ursprüngliche Dicke noch beibehält (Taf. II , Fig. 4). Es verhält sich jedoch von nun an in dieser Beziehung die Zahnfurche an verschiedenen Stellen verschieden , je nachdem man eine Stelle trifft , welche wirklich zu einem Zahn wird, oder eine Stelle, die zwischen zwei

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Zähnen oder, wie z. B. beim Rind, in der zahnlosen Gegend des Kiefers liegt.

Trifft der Schnitt die Zahnrinne an einer Stelle, die nicht zur Zahnbildung bestimmt ist, so können sich deren Schleimhautwände einander so bedeutend nähern, dass die Kernmasse des Schmelz- keims völlig schwindet und derselbe im Durchschnitt als ein schmaler aus Zellen der tiefsten Lage des Mundhöhlenepithels be- stehender Strang erscheint (Taf. IV, Fig. 15; Taf. V, Fig. 12 zwischen u und v; Fig. 13). Zugleich bemerkt man an dieser Stelle, dass der oben erwähnte dunkle Schleimhauthof, welcher als Vorläufer des Zahnsäckchens und der Zahnpapille den Grund der Zahnfurche umfasst, an jüngeren Embryonen auch hier nicht fehlt und eine halbmondförmige Gestalt angenommen hat (Taf. IV, Fig. 15). An älteren Embryonen dagegen verschwindet er wieder an dieser Stelle. Daraus geht hervor, dass ähnlich wie die Zahn- furche , so auch dieser Vorläufer oder die Uranlage des Zahn- säckchens und der Zahnpapille ursprünglich ohne Unterbrechung die ganze Länge der Kiefergegend durchzieht. An einem 8 Ctm. langen menschlichen Embryo sieht man diesen strang- förmigen Schmelzkeim auf Taf. VII, Fig. 13 und Fig. 8, und auch hier ist der erwähnte dunklere Schleimhauthof noch zu bemerken. Sehr lehrreich in dieser Beziehung ist auch die Vergleichung der auf Taf. IV nebeneinander stehenden bei gleicher Vergrösserung gezeichneten Figuren 14 und 15 von einem Schweins- und einem Rindsfötus. Taf. III, Fig. 1 8 zeigt die Zahnfurche mit dem Schmelzkeim von einem Schafsfötus, dessen Gaumen im Schlies- sungsprocess begriffen war; auffallend daran ist die Weite der Furche und daher auch die Breite der hellen Kernmasse des Schmelzkeims an allen Schnitten, die somit an den zahnlosen Stellen beim Schafe um diese späte Zeit noch vorhanden ist.

Trifft dagegen der Schnitt die zur Zahnbildung bestimmten Stellen der Zahnfurche , so nähern sich die Schleimhautwände nicht in der ganzen Länge , sondern erst in einiger Entfernung von dem Grunde der Rinne, der somit weit bleibt und seinen aus einer Fortsetzung des gesammten Mundhöhlenepithels gebil- deten früheren Inhalt beibehält. An einem Frontalschnitt (Taf. II, Fig. 8) besitzt daher der Schmelzkeim eine keulenförmige Gestalt

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und man nennt sein dickeres Ende „Schmelzorgan". Dasselbe erfüllt den weit bleibenden und mit der Zeit sich noch mehr aus- dehnenden Grund der Zahnfurche , welcher einst ganz flach und offen war und einen Theil der Oberfläche der Mundhöhle dar- stellte. An dem vorliegenden Durchschnitt (Fig. 8) ist er aus dem oben angegebenen Grunde in die Tiefe gerückt , wird von Epithel völlig ausgefüllt und sucht sich zu einem geschlossenen Säckchen abzuschnüren. Es geschieht dies durch die erwähnte Annäherung der Schleimhautwände , deren völlige Verwachsung jedoch noch lange Zeit hindurch durch den Schmelzkeim gehindert wird. Indem sich die Schleimhautwände einander zur Schliessung nähern , zeigt der dazwischen eingeklemmte Schmelzkeim anfangs seine helle aus oberflächlichen Epithelzellen bestehende Kernmasse; bald aber wird er bis auf einen strangförmigen Rest der tiefen Epithelzellen eingepresst , welcher wie ein Stiel das unterdessen grösser gewordene Schmelzorgan mit der tiefsten Schichte des Mundhöhlenepithels verbindet.

Was die Zahnpapille betrifft, so erhebt sich dieselbe in der bekannten Weise am Grunde der noch offenen und von dem Schmelzkeim und dem Schmelzorgan erfüllten Zahnrinne , wobei sie das Schmelzorgan napfförmig einstülpt. An einem auf Taf. III, Fig. 9 dargestellten Schafsembryo fand ich diese Papillen schon sehr frühe, bevor noch der Gaumen sich geschlossen hatte. Die Schleimhautränder der Zahnfurche haben sich an dem offenen von Epithel ausgefüllten Ende der Zahnrinne zwar einander ge- nähert, stehen aber noch beträchtlich von einander ab. Der weiter gewordene Zahnfurchengrund enthält das aus dem gesammten Mundhöhlenepithel bestehende durch die Zahnpapille eingestülpte Schmelzorgan. Auch die übrigen auf derselben Tafel abgebildeten Frontalschnitte eines Schafsembryo (Fig. 1 8) zeigen den Beginn des Abschnürungsprocesses des Schmelzkeims und Schmelzorganes, be- stehend aus einer dunklen Rindenschichte, welche von der tiefsten Lage des Mundhöhlenepitheliums abstammt , und einer aus hellen rundlichen oberflächlichen Epithelzellen bestehenden Ausfüllung oder Kernmasse. Abbildungen über das Schmelzorgan und den Schmelz- keim von Schweins- und Rindsembryonen finden sich auf Taf. IV und Taf. V. Der in Fig. 14, Taf. V abgebildete Frontalschnitt

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eines Rindsembryo zeigt den von Kölliker als secundären Schinelzkeim bezeichneten Anhang. Ferner giebt der auf Taf. V, Fig. 14 abgebildete Schmelzkeirn noch eine Anzahl kleinerer Fort- sätze ab , die ich besonders schön entwickelt auch an mensch- lichen Embryonen finde (Taf. IX, Fig. 7 und 8) ; sie erinnern an die von Kölliker entdeckten Epithelialfortsätze des äusseren Epithels des Schmelzorgans.

Allmählig schliesst sich das Zahnsäckchen vollständig ab , in- dem die den Zahnfurchengrund umgebende Schleimhaut über diesem Grunde und seinem Inhalte verwächst und dadurch den Schmelzkeim von dem Schmelzorgan völlig abtrennt; auf dieser Bildungsstufe befinden sich die auf Taf. VIII, Fig. 5, 6, 7 und 8 abgebildeten Frontalschnitte eines 2 Dem. langen menschlichen Fötus und es endigt das abgeschnürte Ende des Schmelzkeims mit einem Knöpfchen.

Die Uranlage des Zahnsäckchens und der Papille erschien, wie wir gesehen haben, als ein den Zahnfurchengrund umgebender bei durchfallendem Licht dunkler Schleimhauthof (Taf. II, Fig. 1 und 2). Alsbald jedoch und mit Hülfe stärkerer Vergrösserung unterscheidet man daran eine dichtere und daher dunklere äussere sowie eine hellere innere Zone (Fig. 3 8; vergl. auch Kölliker „Gewebelehre" 1867, S. 38). Nimmt nun unterdessen die Zahn- furche an Tiefe zu , so erscheint an Durchschnitten der dunkle Hof als ein auf den Zahnfurchengrund beschränkter Halbmond, dessen Hörner später über dem Zahnfurchengrund zur Bildung eines nur durch den Schmelzkeim unterbrochenen dunklen Kreises sich einander nähern, während aus dem mittleren dickeren Theil des Halbmondes die Zahnpapille sich erhebt (Taf. V, Fig. 14).

Wie ich oben angegeben habe, so ist die Zahnfurche zuerst ganz flach und gewinnt ihre spätere Tiefe durch stärkeres gegen die Mundhöhle gerichtetes Wachsthum der umgebenden Oberkiefer- gegend. Wenn sich nun die Schleimhautwände der Zahnfurche einander nähern, um schliesslich mit Ausnahme der die Schmelz- keime und Papillen enthaltenden Stellen zu verschmelzen, so habe ich damit zugleich die Scheidewandbildung zwischen den Zahn- säckchen erklärt. Untersucht man nun die durch den Schmelz- keim erfüllte Einmündung der Zahnfurche in die Mundhöhle, so

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wachsen allmählig die begrenzenden Schleimhautwände lippenartig über die Schleirahautfläche der Mundhöhle hervor, wofür ich die Bezeichnung „Zahnfurchenlippen" gebrauchen will (Taf. III, Fig. 7, cd; Taf. IV, Fig. 14 und 15). An älteren Fötus treten diese Lippen deutlicher hervor (Taf. V, Fig. 12, u v; Taf. VIII, Fig. 5, k i).

Die aus den oberflächlichen Schichten des Mundhöhlenepithels gebildeten sogenannten Zahnwälle sind an den auf Taf. II dar- gestellten jüngeren Rindsenibryonen noch nicht zu bemerken; von einem älteren Fötus habe ich sie auf Taf. V dargestellt; sie be- decken die Gegend der lateralen Zahnfurchenlippe, so dass die Zahnfurche selbst nebst ihrer medianen Lippe nur von dem all- mählig abfallenden inneren Umfang eines Zahnwalles überschritten wird. Aehnlich verhalten sich die Zahnwälle auch bei dem Schaf. An älteren Schweinsembryonen (Taf. IV) sind zwar die ober- flächlichen Schichten des Mundhöhlenepithels in dieser Gegend ebenfalls verdickt, aber nicht in dem Maasse, bilden daher keine besonderen Zahnwälle, sondern gehen an Dicke zunehmend all- mählig in das mächtige Epithelium des Mundhöhlenvorhofs über.

Was die Unterkiefergegend betrifft , so tritt hier schon sehr frühe die Anlage des Processus alveolaris als ein in die Mund- höhle vorspringender Wulst hervor (Taf. II, Fig. 1, g). Aufseiner anfangs platten Oberfläche bildet sich alsbald in Folge eines un- gleichen Höhenwachsthums eine anfangs sehr flache Aushöhlung, die Zahnfurche. Indem sich dieselbe vertieft, wird sie ganz ebenso wie die obere Zahnfurche von dem oberflächlichen Mundhöhlen- epithel ausgefüllt und von einem dunklen Schleimhauthof oder der Anlage des Zahnsäckchens und der Zahnpapille umfasst (Fig. 7 und Fig. 8). Die noch weit aus einander stehenden oberen Ränder der die Zahnfurche begrenzenden Wände nenne ich wie- derum Zahnfurchenlippen. Der Zahnfortsatz des Unterkiefers mit seiner Zahnfurche steht nicht den gleichen Gebilden des Ober- kiefers gegenüber , sondern liegt bedeutend mehr einwärts. Da nun der Zahnfortsatz lateralwärts durch ein tiefes Thal von dem spätem Vestibulum oris sich abscheidet (Fig. 2 , e ; Fig. 5, g ; Fig. 7, d und Fig. 8) und da ferner dieses Thal der obern Zahn- furche gerade gegenüber steht , so bleibt hier ein grösserer im

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Durchschnitt ungefähr rautenförmiger Raum zwischen oberer und unterer Mundhöhlenwand zurück. Es ist dieser Raum an den genannten Durchschnitten jüngerer Embryonen um so auffallender, weil er wegen der noch geringen Mächtigkeit des Mundhöhlen- epithels völlig leer ist, während im Uebrigen die Mundhöhlenwände bis zur Berührung in einander eingreifen. An älteren Embryonen wird dieser Raum völlig von Epithelium erfüllt und bei Rinds- embryonen bilden sich hier die Zahnwälle. Mau könnte dieses Thal des Mundhöhlenbodens „falsche Zahnfurche" nennen, weil es an jüngeren Embryonen wegen seiner Lage gegenüber der obern Zahnfurche leicht als untere Zahnfurche angesprochen werden kann. Sie unterscheidet sich aber von letzterer durch den Mangel einer ausfüllenden aus oberflächlichen Epithelzellen be- stehenden Kernmasse, sowie durch den Mangel des charak- teristischen dunklen Halbmondes , welcher die wahre Zahnfurche umfasst.

Lehrreich in Beziehung auf das besprochene Verhalten der Mundhöhle und der Zahnanlagen sind die auf Taf. IV, Fig. 14 und 15 abgebildeten Durchschnitte eines Schweins- und eines Rinds- fötus aus der Zeit der beginnenden Gaumenschliessung. An älteren Rindsembryonen greifen die unterdessen entstandenen epi- thelialen Zahnwälle so in einander ein , dass die unteren von den oberen umfasst werden , wie überhaupt auch die unteren Zahn- anlagen der Medianebene näher stehen als die oberen (Taf. V, Fig. 13). Bei Schweinsembryonen bilden sich auch keine un- teren Zahnwälle und es gilt über das hier befindliche mächtige Epithelium dasselbe, was ich bereits für die Oberkiefergegend an- gegeben habe (Taf. IV, Fig. 9).

Der Mensch, dessen Zahnbildung im Wesentlichen ganz in derselben Weise wie bei Säugern erfolgt, zeigt doch einige wenn auch untergeordnete Eigentümlichkeiten der oberen Zahngegend. Zunächst macht sich hier ein bei den übrigen von mir unter- suchten Säugethieren nicht vorkommender Wulst bemerklich (Taf. VII, Fig. 8, m und Fig. 11, g; Taf. VIII, Fig. 5, m; Taf. IX, Fig. 6, h); derselbe entwickelt sich aus dem lateralen Theil der Gaumen- schleimhaut und grenzt unmittelbar an die Gegend der erst all- mählig herabwachsenden Alveolarfortsätze des Oberkiefers an.

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Zwischen dem Gaumenwulst und der gegenüber liegenden lateralen Mundhöhlenwand findet sich ein geräumiger hoher Zwischenraum, also ein weites tiefes Thal (Taf. VII , Fig. 8 zwischen m und n), welches ich das primitive Vestibulum oris nennen will. Es ist dieser Vorhof verhältnissmässig viel geräumiger als der spätere Vorhof, da an seiner oberen Wand die Zahnfurchenlippen noch nicht herabgewachsen sind ; vorläufig ist es daher der Gaumenwulst, welcher seine mediane Begrenzung bildet. Das in der übrigen Mundhöhle nur dünne Epithel setzt sich in den primi- tiven Vorhof fort , nimmt aber dabei in seinen oberflächlichen Lagen an Mächtigkeit so bedeutend zu, dass es den Vorhof fast oder an manchen Durchschnitten selbst völlig erfüllt (vergl. auch Taf. IX , Fig. 6 und 7). An manchen Durchschnitten erzeugt dieses Epithel einen von der obern Wand des primitiven Vorhofes herabhängenden mächtigen Kegel, dem Zahnwall der Wiederkäuer vergleichbar (Taf. VII, Fig. 8 , 9, 11 und 13). In der hinteren Partie der Mundhöhle wird der Gaumenwulst niedriger (Taf, VII, Fig. 12, g; Fig. 13, h; Fig. 14 und 15). Die dem primitiven Vorhof zugekehrte Fläche des Gaumenwulstes ist durch sehr stark entwickelte und lange Papillen ausgezeichnet, zwischen welchen das Mundhöhlenepithel mit entsprechenden Fortsätzen eingreift (Taf. IX, Fig. 6, 7 und 9).

An den auf Taf. IX, Fig. 6, 7 und 9 abgebildeten Frontal- schnitten eines 1,08 Dem. langen menschlichen Fötus dringt das Epithelium des primitiven Vorhofes fast horizontal oberhalb des Gaumenwulstes medianwärts in den Oberkiefer ein und ver- schmälert sich allmählig zu einem mit zahlreichen kurzen Aus- wüchsen versehenen Strang oder Schraelzkeim (Fig. 6, g), welcher mit dem durch die Zahnpapille halbmondförmig eingestülpten Schmelzorgan noch ununterbrochen zusammenhängt. In Fig. 6 sieht man dabei noch den Zusammenhang des Schmelzkeims mit einem Stück Schmelzorgan des benachbarten Zahnes. Fig. 9 zeigt ein Stück der Zahnanlage desselben Embryo bei stärkerer Vergrösserung. Oberhalb des Gaumenwulstes dringt das den Vorhof erfüllende MundhöUenepithel als Schmelzkeim (b) in den Oberkiefer ein und hängt noch mit dem Schmelzorgan zusammen, von welchem ein kleines Stück (c) erhalten ist. Mit a d ist die

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über dem Gaumenwulst liegende Partie der Oberkieferschleimhaut bezeichnet, welche dann später zum weichen Processus alveolaris auswächst. Was den Schmelzkeim betrifft ; so besteht derselbe noch in seiner ganzen Länge aus einer bei durchfallendem Licht dunklen Rinde und einer helleren Kernmasse. Letztere ist eine Fortsetzung der oberflächlichen Lagen des Mundhöhlenepithels und enthält merkwürdige Nester abgeplatteter kleinerer fester ver- bundener Zellen, wie ich solche auch in dem Vorhofsepithel selbst finde (f). Aehnliche Epitheliumsnester werden zwar auch in der Schleimhaut selbst gefunden und sind abgeschnürte Reste des Schmelzkeimes (Kölliker), jedoch ist mir nicht bekannt, dass solche auch an den von mir bezeichneten Stellen bisher gesehen worden wären. Verfolgt man den Schmelzkeim (b) gegen das Schmelzorgan (c) , so wird es dünner, indem seine Kernmassc mehr und mehr verschwindet; in den Schmelzorganen dagegen haben sich diese Zellen nicht blos erhalten, sondern auch an Zahl zugenommen und aus ihnen , also aus den Zellen der oberfläch- lichen Schichten des Mundhöhlenepithels bildet eich das hier ab- gebildete Gallertgewebe des Schmelzorgans.

Betrachtet man die auf Taf. VIII abgebildeten Frontalschnitte eines älteren 2 Dem. langen menschlichen Fötus, so wird in Fig. 5 der frühere primitive Vorhof (der zwischen 1 h befindliche Raum) durch einen von oben herabwachsenden mächtigen Wulst (k i) in einen lateralen Abschnitt (g, oberer Abschnitt des eigentlichen Vestibulum oris) und in eine enge mediane Spalte (zwischen 1 k) getheilt. Der in den Vorhof hinabtretende Wulst enthält den dünnen strangförmigen mit einem Endknöpfchen versehenen Schmelz- keim und es sind daher die ^dadurch geschiedenen ungleichen Hälften des Schleimhautwulstes die nachträglich hervorgewachsenen Ränder der Schleimhautwände der früheren Zahnfurche, die ich oben bei den Säugethieren Zahnfurchenlippen nannte. Der er- wähnte Schmelzkeimrest hindert die wirkliche Verschmelzung beider Lippen, so dass sie leicht von einander abgezogen werden können. Von den beiden Zahnlippen der Oberkiefergegend ist in der grössern vordem Hälfte der Mundhöhle- die innere Lippe so schmal und niedrig, dass sie an einer Flächenansicht des Mundhöhlen- daches (Taf. VI, Fig. 15) von dem dicht angrenzenden Gaumen-

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wulst (c) völlig verdeckt wird und nur die äussere Lippe (nach aussen von i) sichtbar bleibt. Im hintern Theil der Mundhöhle dagegen nimmt auch die innere Lippe an Breite und Höhe so rasch zu , dass sie zwischen Gaumenwulst und äusserer Lippe wie ein ganz neuer Wulst an die Oberfläche gelangt (einwärts von b). Daraus ergiebt sich, dass im vorderen Abschnitt der Mundhöhle die mit i bezeichnete Furche nicht die wirkliche Zahn- furche ist, sondern diese erst in der Tiefe sich als besondere Furche abzweigt. Bei den Säugern vermisse ich einen besonderen Gaumen- wulst, es fällt derselbe gleichsam mit der inneren Zahnfurchen- lippe zusammen , daher auch hier die Verhältnisse einfacher sind, wie man aus den beigegebenen Abbildungen von Frontalschnitten ersieht; auch zeigt die auf Taf. III, Fig. 13 abgebildete Flächen- ansicht der Mundhöhlendecke eines Rindsfötus, dass die den Zahn- wulst halbirende Furche (g) in ihrer ganzen Länge einfach bleibt und den Eingang in die Zahnfurche bedeutet.

Nachtrag.

Ueber den Primitivstreif des Hühnchens (s. Vorbemerkung).

Vergleicht man meine in der Abhandlung über den Primitivstreif des Hühnchens (Lahr, 1867) gegebenen die Bildung der Leibesform betreffenden Flächenbilder der Keimscheibe mit denen von Remak, dem man bisher bekanntlich allgemein folgte, so fällt der wesent- liche Unterschied sofort in die Augen. Nach Remak erscheint in der Mittellinie des Embryonalschildes der Primitivstreif (Achsen- platte) und in diesem eine helle Rinne; so weit stimmen wir im Wesentlichen mit einander überein. Vergleicht man aber unsere Abbildungen des nächstfolgenden Stadiums, so nimmt der Remak'- sche Primitivstreif an Länge und Breite zu und im Grunde seiner hellen Rinne liegt ein mächtiger Strang mit spindelförmig ver- dicktem hinteren Ende, die Chorda. Meine Abbildungen dagegen zeigen den Primitivstreif noch immer in seiner früheren Gestalt, höchstens etwas länger geworden, und in der Mitte seiner Rinne erscheint ein höchst feiner nur aus einer einfachen Reihe dunkler Körnchen bestehender Faden (Achsenfaden, m), der an beiden Enden in ein kleines rundes Knöpfchen ausläuft.

Was nun die folgenden Entwicklungsstufen betrifft , so er- scheinen nach Remak die Urwirbel in dem Primitivstreif, zu beiden Seiten der im Boden seiner hellen Rinne liegenden Chorda und zwar in der Mitte seiner Länge, während die vordere Hälfte des Primitivstreifs ungegliedert bleibt und den Kopf bildet. Meine Abbildungen dagegen, wie ich überdies an aufgehobenen Präpa- raten demonstriren kann, zeigen auch in den nächstfolgenden Sta- dien den Primitivstreif noch unverändert und der in seiner Rinne liegende ebenfalls unveränderte Achsenfaden markirt auch für spä- tere Zeiten mit seinen Endknöpfchen die ursprünglichen Enden des Primitivstreifs. Ferner zeigen meine Abbildungen einen aus dem Kopfende des Primitivstreifs hervorwachsenden Strang, den Remak nicht kannte, der die vor dem Primitivstreif liegende Partie des Embryonalschildes halbirt und im Boden einer im

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frischen Zustande völlig durchsichtigen glashellen Rinne aufge- nommen wird. Ich fand somit, was Remak nicht wusste, zwei hinter einander liegende durch das abgerundete dicke Kopfende des Primitivstreifs geschiedene und auch durch ihre Breite und den Grad der Durchsichtigkeit leicht zu unterscheidende Rinnen, von welchen ich die vordere „Rückenrinne", die hintere „Rinne des Primitivstreifs" nannte. Die Rückenrinne enthält den er- wähnten aus dem Kopfende des Primitivstreifs hervorgewachsenen Strang, von dem ich nachwies, dass er die Chorda darstellt und an seinem Kopfende eine mit der Bildung der Hypophyse in Be- ziehung stehende Anschwellung zeigt 1). Da nun bekanntlich die Urwirbel zu beiden Seiten der Chorda entstehen, so liegen sie so- mit nicht, wie man bisher mit v. B a e r und Remak glaubte, in dem Primitivstreif zu beiden Seiten von dessen Rinne , sondern, wie meine Abbildungen lehren, vor dem Primitivstreif zu beiden Seiten der Rückenrinne. Was dagegen die Rinne des Primitiv- streifs betrifft, so zeigt diese , wenn auch bereits eine Anzahl von Urwirbeln entstanden ist, noch immer ihr früheres Aussehen, d. h. sie enthält nicht die von Remak hineingezeichnete mächtige Chorda mit spindelförmiger Anschwellung , sondern noch immer meinen unveränderten Achsenfaden, dessen vorderes Endknöpfchen das ursprüngliche vordere Ende des Primitivstreifs markirt (vergl. auch die in vorliegender Abhandlung befindliche Taf. II).

Ferner lehren meine Abbildungen, dass mit der Zunahme der Urwirbelzahl auch die vordere Partie des Embryonalschildes rasch an Länge zunimmt, wobei der Priraitivstreif allmählig sich ver- kürzt und mit seinem vorderen Ende sich zurückzieht. Schliesslich verschwindet er mit seinem räthselhaften Achsenfaden, bevor noch die Urwirbelbildung im hinteren Ende des Embryonalschildes Platz gegriffen hat.

Nach dieser Auseinandersetzung, welche zeigt, dass die von Baer und Remak aufgestellte Lehre der Gliederung der Keim- scheibe durch mich eine wesentliche Umänderung erfahren hat,

1) Vergl. meine Abhandlung über den Primitivstreif des Hühnchens, Lahr 1867, S. 49, sowie meine »Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Ge- hirnanhanges« im Centralblatt f. med. Wissenschaft. 1868. Nr. 8.

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wende ich mich zu einer Beleuchtung des in dem neuesten Werke über den Entwicklungsplan der Wirbelthiere von H i s über meine Leistungen erstatteten Berichtes. Da ich diese Abhandlung erst vor wenigen Wochen erhielt und ich gerade mit dem Schluss der vorliegenden Schrift über die Entwicklung des Kopfes beschäftigt war, so blieben mir nur wenige Tage zur Durchsicht übrig, wes- halb ich auf die von His vorgenommenen Umänderungen des Entwicklungsplanes erst bei einer anderen Gelegenheit eingehen werde.

Die von His S. 50 meiner den Primitivstreif des Hühnchens betreffenden Schrift zu Theil gewordene Besprechung beginnt mit dem Vorwurfe, dass ich R e m a k den Rücken zukehre. Nachdem ich aber nachgewiesen habe, dass R e m a k sich in Beziehung auf den Primitivstreif sowie auch noch in anderen Dingen (z. B. Ur- wirbelhöhle , Kopfplatten , Kopfende , Chorda) im Irrthum befand und wenn ich ferner in dem His 'sehen Werke sowie namentlich auf dessen 12. Tafel der Abbildungen meine Verbesserungen, wenn auch meist ohne Erwähnung meines Antheils , wieder finde , so kann ich mir diesen Vorwurf schon gefallen lassen.

Auf die Keimblätter, meint His, scheine ich wenig Gewicht zu legen. Nun besteht aber meine gegen die Remak'sche Keim- blättertheorie vorgebrachte Einwendung darin , dass ich zur Zeit vor dem Erscheinen der Primitivrinne nur zwei Keimblätter wahr- nehmen konnte, und auch darin giebt His (S. 57) mir ausdrücklich Recht. Wenn ich die beiden ursprünglichen Keimblätter des Em- bryonalschildes nicht als die gesammte Uranlage des Embryo an- erkannte, da mir die Herkunft des Darmdrüsenblattes zweifelhaft erschien , wie kann dann H i s daraus auf eine Verachtung der Keimblätter überhaupt schliessen, da er ja selbst die beiden Keim- blätter nicht als Gesammtanlage des Leibes anerkennt und einen Theil desselben aus dem Dotter nachträglich einwandern lässt?

Die histologischen Gesichtspunkte , sagt der Bericht , wären mir ganz fern gelegen. Zuerst aber muss man doch das Gebäude kennen, dessen einzelne Bausteine man untersuchen will und da meine Schrift über den Primitivstreif sich mit der Keimscheibe befasst, so konnte es sich zunächst doch nur um morphologische Verhältnisse handeln. Ueberhaupt griff ich ja nur den morpholo-

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gischen Theil der bisherigen Lehre des Entwicklungsplanes an und wenn ich dabei zu neuen Resultaten gelangte, so war die mir gestellte Aufgabe erfüllt und ein neuer Boden auch für histologische Forschungen geschaffen.

Ferner berichtet His, dass ich aus dem Embryonalschild die Rücken- und Baucliplatten , sowie aus dem vordem Ende des Primitivstreifen die Achsengebilde (!) des Embryo hervorgehen lasse. His nimmt also keinen Anstand, mich Dinge sagen zu lassen, deren Gegentheil ich gerade durch meine Schrift über den Primitivstreif zu beweisen suchte. Die bisherige Annahme, dass aus dem Primitivstreif die Achsengebilde (Centralnervensystem, Schädel , Wirbelsäule) entstehen , verwarf ich und verlegte deren Uranlage in die ausserhalb des Primitivstreifs in dem Embryonal- schilde enthaltenen Rückenplatten, während ich aus dem Primitiv- streif selbst die embryonale Achse, also die Chorda dorsalis, her- vorwachsen lasse (vergl. meine Abh. über den Primitivstreif S. 4 und S. 65). Dabei hat His noch das Unglück, den Widerspruch zu übersehen, wenn er mich sagen lässt, dass in dem Embryonal- schild die Rückenplatten (also die Achsengebilde) entstehen und aus dem vordem Ende desPrimitivstreif's die Achsengebilde (also zweimal !).

Schärfer als irgend einer seiner Vorgänger, lautet wieder der Bericht, hebt Dursy die Thatsache hervor, dass die ganze vor- dere Hälfte der embryonalen Anlage dem Kopfe angehört, auch einige andere Einzeln-Beobachtungen sind bei ihm neu. Dies klingt wie Lob, leider wird jedoch die Spitze meiner Entdeckung, dass der Kopf vor dem Primitivstreif sich bilde , verschwiegen, während die Angabe , dass die vordere Hälfte der embryonalen Anlage dem Kopfe angehöre , schon längst bekannt ist und auch hinlänglich hervorgehoben wurde. Ich hätte wenigstens bei dieser Gelegenheit von His die Erwähnung dieses von mir festgestellten merkwürdigen Verhältnisses des Kopfes zum Primitivstreif um so mehr erwartet, weil er doch selbst diese Thatsache seiner Lehre von der Gliederung der Keimscheibe zu Grunde legt, wobei er freilich meine vorausgegangene Schrift einfach übergeht. Was meine anderen Einzeln-Beobachtungen betrifft, so finde ich zwar dieselben in dem His 'sehen Werke ebenfalls aufgenommen, muss aber hervorheben, dass gerade bei den wichtigeren derselben

Dursy, Entwicklgsgesch. 1 5

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(z.B. Remak'sche Urwirbelhöhle, Kopfanschwellung der Chorda, Beziehung dieser Anschwellung zur Bildung der Hypophyse, des Trichters und der Rathke'schen Tasche l), Verhalten der Medullar- platten zu den Urwirbeln und zur Schwanzanschwellung der Chorda) ineine zu demselben Resultate gelangten Leistungen übergangen wurden. Ich würde mich darüber nicht so auffallend beschweren, wenn ich nicht dazu durch die His'sche Besprechung meiner Schrift, durch die ich einfach bei Seite geschoben werden soll, ge- nöthigt worden wäre.

In seinen Deutungen dagegen , sagt H i s , ist D u r s y nicht glücklich, hauptsächlich deshalb, weil er zu wenig Durchschnitts- bilder und Flächenbilder mit einander cumbinirt hat. Selbst- verständlich können Durchschnittsbilder die von mir gegebenen Flächenbilder der Keimscheibe nicht ändern und es weichen die- selben von den bisher bekannten Flächenbildern so wesentlich ab, dass diese meine Leistung nicht mehr übergangen werden kann. Ich suchte aber auch , wie schon aus meiner Schrift über den Primitivstreif hervorgeht, an der Hand theils der Remak'schen theils eigener Durchschnitte meine Deutungen zu unterstützen und gelangte zu dem Resultate , dass der aus dem Kopfende des Primitivstreifs hervorwachsende Strang die Wirbelsaite ist. Diese Wahrnehmung gab mir den Schlüssel zum Verständniss des von mir gefundenen Flächenbildes der Keimscheibe und bildet den wesentlichsten Theil meiner Lehre. Davon spricht nun H i s in seinem Berichte kein Wort, sagt vielmehr von mir, dass ich aus dem Kopfende des Primitivstreifs successive die Achs en- ge b i 1 d e (!) des Embryo entstehen lasse. Meine Verwunderung darüber stieg, als ich die His'sche Taf. XII ansah und sofort in allen betreffenden Figuren meine von dem Kopfende des Primitiv- streifs abgehende Chorda und die ebenfalls vor dem Primitivstreif liegenden Urwirbel (vergl. namentlich Fig. 16) erkannte. Sagte ich daher, dass die Bildung nicht blos des Kopfes, sondern auch der Urwirbel vor dem Primitivstreif beginne, so ist doch diese meine Deutung ganz richtig. Wenn nun aber noch überdies His im Texte seines Werkes selbst die Erklärung abgiebt , dass ich

1) Centralblatt f. med. Wissensch. 1868. Nr. 8, sowie meine Schrift über den Primitivstreif, S. 49.

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die Bedeutung des aus dem Kopfende des Primitivstreifs hervor- wachsenden Fortsatzes für die Bildung der Chorda richtig erkannt hätte (S. G9 in einer winzigen Anmerkung) , wie kann man in einem Berichte über mich ohne alle Einschränkung die Behauptung aufstellen, dass ich in der Deutung des Gesehenen unglücklich gewesen wäre ? Ferner fasse ich, wie II i s , den Primitivstreif als Wurzel der Chorda auf (vergl. m. Abh. üb. d. Primitivstr. S. 5) ; ist dies falsch gedeutet ?

Wenn ich an verschiedenen Stellen meiner Abhandlung über den Primitivstreif gesagt habe, dass der Embryo vor dem Primitiv- streif entstehe , so geschah dies , um einen kurzen Ausdruck zu haben, welcher sofort den Unterschied zwischen meiner und der früheren Lehre hervorheben sollte. An anderen Stellen dagegen drücke ich mich vollständiger aus und auch aus der ganzen Dar- legung sowie aus meinen beigegebenen Tafeln geht klar hervor, dass die hintere den Primitivstreif enthaltende Partie des Em- bryonalschildes den hintern Theil der Leibesanlage enthalte, welchen die Embryologen im Gegensatz zu dem Kopfende „das Schwanz- ende" der embryonalen Anlage nennen, wobei jedoch nicht an den wirklichen Schwanz gedacht werden darf, der erst viel später aus diesem hinteren Leibesende hervorwächst. Auch gab ich auf Seite 65 meiner genannten Schrift noch einen Rückblick, welcher die wesentlichen Punkte meiner Lehre zusammenfasst und sage daselbst wörtlich „dass der Primitivstreif mit den zu beiden Seiten liegenden Theilen des Embryonalschildes das hintere Ende des Embryo darstellt". Das Resultat meiner Abhandlung ist, dass der Primitivstreif sich nicht in der bisher vor- getragenen Weise an der Bildung des embryonalen Leibes bet heiligt, und dafür finde ich in dem H i s 'sehen Werk nur eine Bestätigung.

H i s legt die von mir gefundene Gliederung der Keimscheibe seinem Werke zu Grund , wie z. B. der von ihm auf S. 45 ge- gebene Holzschnitt zeigt und es besteht der Unterschied zwischen diesem Schema und dem meinigen in der Abänderung der Be- zeichnungen. Wir erblicken daran in der Mitte der Keimscheibe den abwärts oval gewordenen Embryonalschild und in dessen hin- terer Hälfte den mit einer Rinne versehenen Primitivstreif. Ich

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habe nun gezeigt, dass die Rückenplatten nicht, wie man bisher mit v. Baer und Remak annahm, in dem Primitivstreif oder der Remak'schen Achsenplatte entstehen, sondern in der den Primitiv- streif umgebenden dickeren Schildmitte , die man bisher für die Anlage der Bauchplatten hielt , und in welche Gegend Remak seine Seitenplatten verlegte. Dieser Forscher übersah , dass der Embryonalschild selbst, abgesehen von der Achsenplatte oder dem Primitivstreif, aus zwei durch ihre Dicke sich unterscheidende Zonen besteht , von welchen ich die äussere „Schildmitte", die innere „Schildperipherie" nannte. In jene verlegte ich die Bauch- platten, in diese die Rückenplatten, während ich der Achsenplatte die in der bisherigen Weise angenommene Betheiligung an der Bildung des Leibes absprach.

Diese von mir durchgeführte Umänderung der Lehre von der Gliederung der Keimscheibe zeigt auch der Hi s'sche Holzschnitt, nur anders bezeichnet. Den um den Embryonalschild liegenden Rest der Area pellucida nennt His „Aussenzone", meine Schild- peripherie nennt er Parietalzone und verlegt ebenfalls dahin die Bauchplatten. Meine Schildmitte nennt er Stammzone und erkennt sie ebenfalls wie ich als die Anlage der Rückenplatten an. Den in der Achse der Stammzone liegenden Primitivstreif bezeichnet er zwar nicht, bildet ihn aber ab und nennt die in ihm enthaltene Rinne „Primitivrinne". An verschiedenen anderen Stellen dagegen und in seinen Tafeln nennt er den Primitivstreif „Achsenstreif" oder „Achse".

Durch eine punktirte von dem Kopfende des Primitivstreifs nach vorn verlaufende mediane Linie (c. Cr.) deutet His die Ge- gend an, in welcher eine zweite Rinne, nämlich meine Rücken- rinne, entsteht, die er centrale Längsrinne nennt. Wir haben also hier zwei hinter einander liegende durch das geschlossene Kopf- ende des Pritnitivstreifs von einander geschiedene Rinnen, welches Vorkommen von mir nachgewiesen wurde, während man bisher nur von Einer Rinne sprach. Gesehen hat man sie zwar , aber mit einander verwechselt, indem man immer nur eine und dieselbe Rinne, nämlich die Primitivrinne, vor sich zu haben glaubte. Wie ich jedoch gezeigt habe , so bildet sich vor dem Kopfende des Primitivstreifs eine zweite Rinne (meine Rückenrinne), welche mit

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der vordem Hälfte des Embryonalschildes rasch an Länge zu- nimmt, während der Primitivstreif mit seiner Rinne zurückbleibt.

Auch lässt H i s ebenso wie ich in der vor dem Primitivstreif liegenden neuen Rinne eine neue Achse entstehen, welche aus der ursprünglichen oder dem Primitivstreif nachträglich hervorwächst und deutet ihn wie ich als Chorda dorsalis.

Ferner erblickt man in dem Schema von His eine punktirte den vordem Rand des Primitivstreifs treffende Querlinie (c. Qr.), in welcher Gegend ebenfalls eine Rinne entsteht, die er centrale Querrinne nennt. Er betrachtet sie als eine Wiederholung der Primitivrinne (!), welche somit ebenso wie diese, bei durchfallen- dem Licht als ein heller von zwei dunklen Säumen begrenzter Streif erscheinen. Auch ich habe diese Gegend in meiner Schrift über den Primitivstreif beschrieben und daselbst auf Taf. I, Fig. 8 abgebildet. Nach meinen Beobachtungen entstehen jedoch in diesem Grenzgebiet der vorderen und hinteren Schildhälfte zu beiden Seiten des Kopfrandes des Primitivstreifs zwei symmetrische helle, die Rückenplatten etwas schräg durchsetzende von dunklen Säumen umfasste Streifen , welche die Bildung der Urwirbel ein- leiten. Was die dazwischen liegende vor dem Kopfrande des Primitivstreifs befindliche Gegend betrifft, woselbst die Chorda hervorwächst, so zeigt diese niemals bei richtiger Behandlung der Keimscheibe oder an Durchschnitten von in situ erhärteten Em- bryonen die Gestalt einer engen von zwei dunklen Säumen um- fassten Rinne , sondern ist eine flache Einsenkimg , die dadurch entsteht, dass das verdickte Kopfende des Primitivstreifs über die Oberfläche hervorragt. Nach vorn dagegen geht diese EinSenkung ganz allmählig in die dorsalwärts convexe Krümmung des em- bryonalen Leibes über. Wie man auf Taf. II, Fig. 2 meiner Schrift über den Primitivstreif, sowie in der vorliegenden Abhand- lung über die Entwicklung des Kopfes Taf. II, Fig. 10 und 11 sieht, so bildet sich in der Gegend vor dem Primitivstreif allmählig ein die ganze Breite des embryonalen Leibes einnehmendes flaches Thal, welches die dorsalwärts gewölbten hinteren und vorderen Leibesgegenden von einander scheidet. Es erhält dadurch der Leib die bekannte leierförmige Gestalt; er erscheint daselbst ein-

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gezogen und hier liegen die Unvirbel J). An den sagittalen Durch- selinitten von II i s ist eine schmale Querrinne allerdings zu sehen, es liegen jedoch diese Schnitte, wie aus der Erklärung hervorgeht, nicht median, sondern in einiger Entfernung neben der Achse, also neben dem Primitivstreif, es treffen dann diese Schnitte die von mir auf Taf. I, Fig. 8 abgebildeten hellen Querstreifen, also Ein- senkungen, welche die in der Bildung begriffenen ersten Urwirbel von einander scheiden.

Nach dieser Auseinandersetzung kann ich keinen wesentlichen Unterschied zwischen meiner und der His'schen Darlegung der Keimscheibengliederung finden.

Was die späteren Veränderungen der Keimscheibe betrifft, so weicht H i s von meiner Lehre, jedoch nur scheinbar, insofern ab, als er nur einen kleineren Abschnitt des Leibes, ich dagegen einen viel grösseren vor dem Primitivstreif entstehen lasse. H i s ist nämlich der Meinung, dass in der Richtung einer durch den vor- deren Rand des Primitivstreifs gezogenen Querlinie (S. 45 , Holz- schnitt c. Qr) die Grenze zwischen Kopf und Rumpf gegeben sei (S. 44). Darnach würde nur der Kopf vor dem Primitivstreif entstehen. S. 80 dagegen lässtHisauch die ersten Urwirbel vor dem Primitivstreif entstehen, wie ich es ebenfalls thue; besonders lehrreich in dieser Beziehung ist die Vergleichung seiner Taf. XII, Fig. 16 und meiner Taf. I, Fig. 9 in der Schrift über den Primitiv- streif. Fast alle Figuren seiner Taf. XII wurden , wie aus der Figurenerklärung hervorgeht, im Sommer 1867 angefertigt, wäh- rend meine Schrift über den Primitivstreif im Anfang desselben Jahres ausgegeben wurde. Ich führe diesen Umstand deshalb an, weil vor dieser Zeit H i s in Beziehung auf den Ort der Entste- hung der ersten Urwirbel noch der früheren Lehre huldigte, wie man aus seiner im September 1866 gezeichneten Figur 9 seiner Taf. XII sowie auf S. 71 seines Textes erfährt. Die in dieser Figur sichtbaren Absetzungen in den sonst continuirlichen Seiten- theilen des Primitivstreifs kommen nur ganz ausnahmsweise vor und finden sich mitunter auch an anderen Gebilden des embryonalen Leibes. So bemerkt man z. B. hie und da einen Zerfall eines

1) Vergl. auch meinen Aufsatz »über Messungen an Hühnerembryonen etc. in Heule's u. Pfeufer's Zeitschrift«.

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Urwirbels in zwei getrennte Seitenhälften und eben dahin gehört auch die von H i s auf Taf. XII, Fig. 8 abgebildete ungewöhnliche Ab- gliederung der Chorda dorsalis von dem Kopfende des Primitivstreifs.

Nachdem ich gezeigt habe , dass H i s sowohl im Texte wie in Fig. 16, Taf. XII die drei ersten Urwirbel jederseits vor dem Primitivstreif entstehen lässt , so findet er sich damit in Wider- spruch mit seiner Angabe , dass eine das Kopfende des Primitiv- streifs schneidende Querrinne die Grenze zwischen Kopf und Rumpf markire. His muss daher zugeben, dass auch die Bildung der Halswirbel vor dem Primitivstreif geschieht.

Betrachtet man den in meiner üb. d. Pr. Taf. I, Fig. 9 ab- gebildeten Embryo , so liegen die zuerst entstandenen Urwirbel zwar vor dem Primitivstreif, jedoch noch in geringer Entfernung von demselben. Das abgerundete Kopfende des letzteren bildet mit dem breiten Anfang der davor liegenden Chorda eine auf- fallende Anschwellung, welche ich Schwanzanschwellung der Chorda nannte. Durch diese Anschwellung sowie durch das obere End-- knöpfchen meines von His gänzlich übersehenen Achsenfadens ist das Kopfende des Primitivstreifs auch in späteren Zeiten hin- länglich markirt. Ueberblickt man nun die auf der zweiten Tafel meiner genannten Schrift stehenden Figuren, so bemerkt man, dass die Entfernung zwischen den hintersten Urwirbeln und dem Kopf- ende des Primitivstreifs (Schwanzanschwellung der Chorda) mehr und mehr zunimmt. Es zieht sich eben das Kopfende des Primitiv- streifs, indem letzterer allmählig sich verkürzt, zurück und nähert sich mehr und mehr dem hintern Leibesende , während zugleich die hinter den Urwirbeln liegenden noch ungegliederten Urwirbel- platten an Länge zunehmen. Gliedern sich dann die letzteren von vorn nach hinten in Urwirbel ab, so liegen diese doch immer vor dem Primitivstreif und dessen Rinne , wie ich es auch bei His finde. Da ich schliesslich, bevor noch die Urwirbelbildung das hintere Ende des Leibes erreicht, von einem Primitivstreif als einer besonderen Bildung nichts mehr wahrnehmen konnte, so war die mir in meiner Abhandlung gestellte Aufgabe erfüllt. Ich zeigte gegen v. Baer und Reraa k, dass die Urwirbel nebst der zwischen ihnen befindlichen Chorda, so lange ein Primitivstreif überhaupt wahr- genommen wird, nicht in diesem, sondern vor ihm entstehen. Auch

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sehe ich mich weder durch den Text noch durch die Tafeln von H i s genöthigt, von diesen meinen Angaben abzustehen, indem ich in dessen Werk viel mehr eine Bestätigung als eine "Widerlegung finde.

Ferner wundert sich His (S. 51) über meine Vorstellung, wonach Kopf- und Schwanzende des Embryo sich ursprünglich berühren (?) und dann durch den dazwischen auftretenden (?) Rumpf keilförmig aus einander getrieben werden sollen. Es bezieht sich dies auf den Schluss meiner Schrift (Rückblick), worin ich jedoch sage, dass anfangs der zwischen dem Primitivstreif und der An- lage des Kopfes liegende Rumpftheil , worin die ersten Urwirbel entstehen , sehr kurz sei , alsbald aber rasch an Länge zunehme und gleichsam wie ein Keil das Kopf- und Schwanzende des Em- bryo von einander entferne (S. 65 u. 66). Die Angabe von His, dass nach meiner Lehre Kopf- und Schwanzende des Embryo ur- sprünglich sich berühren (!) und dann durch den dazwi- schen auftretenden Rumpf (!) keilförmig aus einander ge- trieben werden sollen, hat somit wiederum keinen Grund.

In ähnlicher Stimmung, in welcher His seinen Bericht über meine Leistungen schrieb, bespricht er auch S. 180 u. f. meine Untersuchungsmethode. Der Darlegung dieser meiner Methode widmete ich in meiner Schrift acht volle Seiten. Zur Untersuchung frischer Embryonen empfahl ich Salzwasser mit einer Lösung von Gummi arabicum. Eine zweite von mir empfohlene Me- thode bestand darin, das Ei nicht unter Wasser zu öffnen, sondern frei und machte dabei auf meine Methode der Erhärtung des Embryo in Situ aufmerksam; ferner bespreche ich ausführlich meine Präparations- und Aufbewahrungsmethode.

Von H i s erfahren wir nun S. 80, dass die älteren Beobachter die Eier stets unter Wasser öffneten, ein Verfahren, welches in neuester Zeit auch von Moleschott und Dursy angenommen worden sei. S. 181 sagt His: Er dl empfiehlt warmes Salz- wasser, auch Moleschott und Dursy scheinen (!) kein besseres Untersuchungsmedium als circa 1 °/o Salzwasser zu kennen ! Das ist Alles , was H i s von meiner Untersuchungsmethode zu sagen weiss und dieses Wenige ist nicht ganz richtig.

Hiermit schliesse ich meine durch das gerügte Verfahren mir abgenöthigte vorläufige Erwiederung.

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