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Full text of "Was man vom Teufel lernen kann"

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Aemaet 

Wissenschaftliche  Zeitschrift  für  Philosophie  und  Theologie 
http://aemaet.de,  ISSN  2195-173X 


Was  man  vom  Teufel  lernen  kann 

Gedanken  zu  einem  Buch  von  CS.  Lewis* 
Norbert  Feinendegen** 
2013 


„Dienstanweisung  für  einen  Unterteufel",  so  heißt  ein  Buch  des 
Oxforder  Literaturwissenschaftlers  und  Schriftstellers  C.  S.  Le- 
wis, das  vor  über  70  Jahren  erschien  und  in  der  deutschen  Uber- 
setzung inzwischen,  im  Jahr  des  50.  Todestages  von  Lewis,  die 
22.  Auflage  erreicht  hat.  In  den  31  Briefen  dieses  schmalen  Bänd- 
chens gibt  der  ältere,  erfahrene  Teufel  Screwtape  seinem  jungen 
Neffen  Wormwood  Ratschläge,  wie  dieser  der  ihm  übertragenen 
Aufgabe  Herr  werden  kann,  seinen  „Patienten",  d.h.  den  seiner 
Obhut  anvertrauten  jungen  Mann,  erfolgreich  zum  Bösen  zu  ver- 
führen. Dieses  Buch  gilt  weltweit  als  ein  Klassiker  der  spirituellen 

*Der  Text  wird  hier  unter  der  Creative-Commons-Namensnennung-Lizenz 
(CC  BY  3.0)  veröffentlicht.  Erscheinungsdatum  12.07.2013. 

"Norbert  Feinendegen  studierte  Philosophie  und  Theologie  auf  Lehramt 
und  promovierte  in  Bonn  bei  Prof.  Menke  (Dogmatik)  über  C.  S.  Lewis 
(2008).  Zur  Zeit  ist  er  als  wissenschaftlicher  Mitarbeiter  am  Moraltheologi- 
schen Seminar  der  Universität  Bonn  tätig  sowie  als  freier  Mitarbeiter  in  der 
Erwachsenenbildung  im  Erzbistum  Köln. 

Moraltheologisches  Seminar  -  Katholisch-Theologische  Fakultät  -  Rheinische 
Friedrich- Wilhelms-Universität  Bonn  -  Regina  Pacis-Weg  1  -  53113  Bonn. 
Epost:  norbert.feinendegen@XYZ.de  (ersetze  'XYZ'  durch  'uni-bonn') 


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urn:nbn:de:0288-20120612229 


Was  man  vom  Teufel  lernen  kann 


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Literatur,  selbst  Joseph  Ratzinger  (nun  der  emeritierte  Papst  Be- 
nedikt XVI.)  zitiert  aus  ihm.  Aber,  so  möchte  man  fragen,  kann 
man  tatsächlich  vom  Teufel  etwas  für  seinen  Glauben  lernen? 

Die  Ratschläge  des  Teufels 

Dies  scheint  in  der  Tat  möglich  zu  sein  -  wenn  man  es  nur  ver- 
steht, von  den  Ratschlägen  des  Teufels  den  richtigen  Gebrauch 
zu  machen.  Ob  man  dabei  an  die  Existenz  des  Teufels  glaubt 
oder  nicht,  ist  (so  merkt  der  Autor  selbst  an)  dabei  unerheblich: 
Die  Ratschläge  der  Hölle  wirken,  ob  der  Teufel  nun  real  existiert 
oder  eine  rein  literarische  Figur  ist.  So  erklärt  Screwtape  zum 
Beispiel,  dass,  wenn  zwei  Menschen  für  viele  Jahre  zusammen 
gelebt  haben,  jeder  von  ihnen  von  Zeit  zu  Zeit  einen  Tonfall  oder 
einen  Gesichtsausdruck  annimmt,  den  der  andere  nahezu  uner- 
träglich findet.  Und  er  fordert  seinen  Neffen  auf:  „Arbeite  daran. 
Lass'  Deinem  Patienten  jenes  bestimmte  Heben  der  Augenbrau- 
en seiner  Mutter  voll  ins  Bewusstsein  kommen,  das  er  in  der 
Kinderstube  hassen  gelernt  hat,  und  lass  ihn  daran  denken,  wie 
sehr  er  es  hasst.  Und  lass'  ihn  annehmen,  dass  sie  weiß,  wie  sehr 
es  ihn  ärgert,  und  dass  sie  es  tut,  um  ihn  zu  ärgern"1.  Erstaun- 
licherweise, so  fügt  er  hinzu,  lässt  sich  dabei  leicht  verhindern, 
dass  es  seinem  Patienten  zu  Bewusstsein  kommt,  dass  es  bei  ihm 
selbst  ebenfalls  einen  Gesichtsausdruck  und  Tonfall  gibt,  den  sei- 
ne Mutter  hasst  -  so  dass  sie  genau  dasselbe  über  ihn  denkt! 

Eines  ist  also  sicher:  Lewis'  Teufel  ist  nicht  dumm,  er  versteht 
eine  ganze  Menge  vom  Menschen,  vor  allem  von  seinen  Schwä- 
chen. Und  auf  sie  hat  er  es  abgesehen,  weil  sie  sein  Ansatzpunkt 

1(Lewis  1982,  S.  17).  Die  Übersetzung  der  Zitate  aus  den  „Screwtape  Let- 
ters" (so  der  englische  Titel  des  Buches)  wurde  aufgrund  einiger  Ungenau- 
igkeiten  der  publizierten  deutschen  Übersetzung  vom  Autor  selbst  erstellt. 
Die  angegebenen  Seitenzahlen  beziehen  sich  auf  das  englische  Original,  nach 
dem  diese  Übersetzung  erstellt  wurde. 


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Norbert  Feinendegen 


sind,  um  den  Menschen  auf  den  „richtigen",  d.h.  auf  den  von 
ihm  beabsichtigten  Weg  in  die  Tiefe  zu  führen.  Beginnt  man 
beim  Lesen  der  Briefe  den  Erklärungen  Screwtapes  zu  folgen,  so 
stellt  sich  daher  recht  bald  eine  erstaunliche  Erkenntnis  ein:  Viele 
der  von  ihm  formulierten  Ratschläge  sind  gar  nicht  neu,  sie  sind 
einem  sogar  bestens  vertraut  -  weil  man  sie  schon  seit  langem 
selbst  befolgt!  Es  ist  also  gefährlich,  sich  auf  die  Lektüre  dieses 
Buches  einzulassen,  weil  es  einen  zu  einer  Prüfung  des  eigenen 
Gewissens  auffordert:  Geht  es  mir  in  meinem  eigenen  täglichen 
Handeln  wirklich  um  das  Tun  des  Willens  Gottes?  Oder  muss  ich 
feststellen,  dass  ich  mich  oft  genug  an  die  Weisungen  des  Teufels 
halte? 

Verdrehung  des  Guten 

Wie  gesagt,  der  Teufel  ist  nicht  dumm,  und  vieles  von  dem,  was 
er  sagt,  klingt  zunächst  höchst  vernünftig.  Oft  ist  es  daher  gar 
nicht  so  leicht,  auf  den  ersten  Blick  zu  erkennen,  was  denn  da 
eigentlich  verkehrt  sein  soll  an  seinen  Ratschlägen.  Dies  macht 
aber  auf  einen  Grundzug  des  Bösen  aufmerksam:  Das  Böse  ist 
selbst  nicht  kreativ,  nicht  schöpferisch,  deshalb  hat  es  auch  nichts 
anzubieten,  was  man  direkt  anstreben  könnte.  So  ist  es  natürlich 
nicht  falsch,  nach  Sicherheit  im  Leben  zu  streben,  wozu  auch  ei- 
ne gewisse  finanzielle  Absicherung  gehört.  Falsch  wäre  es  aber, 
dieses  Streben  nach  finanzieller  Absicherung  dadurch  befriedigen 
zu  wollen,  dass  man  die  reiche  Erbtante  vorzeitig  unter  die  Erde 
bringt.  Das  schlechthin  Böse  gibt  es  also  nicht:  Anstreben  kann 
der  Mensch  stets  nur  etwas  Gutes,  so  dass  dieses  Gute  von  der 
Hölle  immer  erst  verdreht  oder  verzerrt  werden  muss,  bevor  es 
für  sie  von  irgend  einem  Nutzen  sein  kann.2  Die  Kunst  des  Teu- 
fels besteht  deshalb  darin,  so  viel  Wahrheit  in  seine  Ratschläge 

2  (Lewis  1982,  S.  102). 


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mit  einzumischen,  dass  der  ihnen  Lauschende  gar  nicht  bemerkt, 
dass  er  aufgefordert  wird,  an  sich  Richtiges  zu  tun  -  aber  auf 
die  falsche  Weise.  Dies  gilt  auch  für  den  Umgang  mit  den  Freu- 
den des  Lebens:  Der  Oberteufel  weiß  zwar  von  vielen  Fällen  zu 
berichten,  in  denen  es  der  Hölle  gelungen  ist,  einen  Patienten  mit- 
tels seiner  Freuden  auf  ihre  Seite  zu  ziehen.  Doch  Gott,  so  weiß 
er  ebenfalls,  ist  kein  Feind  der  Freude,  im  Gegenteil:  die  Freude 
ist  seine  Erfindung!  Es  ist  äußerst  schmerzlich,  aber  Screwtape 
muss  seinem  Neffen  eingestehen,  dass  es  der  Hölle  trotz  intensi- 
ver Forschungen  nicht  gelungen  ist,  auch  nur  eine  einzige  echte 
Freude  hervorzubringen.3 

Das  Einzige,  was  die  Hölle  deshalb  tun  kann,  besteht  darin, 
die  Menschen  zu  verleiten,  die  von  Gott  geschaffenen  Freuden  in 
einer  Weise  zu  verfolgen,  die  nicht  seinen  Absichten  und  damit 
auch  nicht  der  wahren  Natur  des  Menschen  entspricht  -  und  sie 
dadurch  so  unnatürlich  und  freudlos  zu  machen  wie  nur  irgend 
möglich.  Wer  kennt  ihn  nicht,  den  Sammler,  der  keine  Zeit  mehr 
hat  für  die  Freude  an  den  Dingen,  denen  er  zwanghaft  weiter 
nachjagt,  oder  den  Alkoholiker,  der  den  Genuss  an  einem  guten 
Glas  Bier  oder  Wein  verloren  hat,  das  man  vergnügt  im  Kreis 
der  Freunde  zu  sich  nimmt? 

Flucht  vor  der  Wahrheit 

Daran,  dass  der  Teufel  alles,  was  von  Gott  kommt,  erst  verdrehen 
muss,  bevor  es  ihm  von  irgend  einem  Nutzen  sein  kann,  wird  aber 
noch  ein  Weiteres  sichtbar:  Das  Böse  macht  sich  selbst  willentlich 
blind  für  das  Gute,  das  Gott  ihm  schenken  will.  Und  es  macht 
sich  auch  blind  für  die  Wahrheit.  Auch  das  kennen  wir  vermutlich 
von  uns  selbst:  Wie  oft  haben  wir  nicht  schon  mit  jemandem  über 
eine  Sache  gestritten,  bei  der  wir  die  ganze  Zeit  über  wussten, 


3(Lewis  1982,  S.  41). 


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dass  der  andere  recht  hat?  Aber  das  jetzt  zugeben  -  nein,  auf 
gar  keinen  Fall!  Dann  würde  man  ja  sein  Gesicht  verlieren  und 
müsste  zudem  noch  dem  anderen  seinen  Triumph  gönnen:  „Siehst 
du,  ich  habe  es  doch  die  ganze  Zeit  schon  gesagt!" 

Die  Haltung  der  Hölle  ist  deshalb  die  Haltung  der  Ablehnung. 
Nicht  Gott  ist  es,  der  dem  Teufel  die  Türe  vor  der  Nase  zu- 
schlägt: Gott  wünscht  sich  (das  muss  auch  Screwtape  zugeben) 
das  Glück  eines  jeden  seiner  Geschöpfe. 1  In  Wahrheit  ist  es  ge- 
nau umgekehrt:  Die  Türen  der  Hölle  sind  von  innen  verriegelt.5 
Die  Schuld  hierfür  sucht  der  Teufel  freilich  nicht  bei  sich,  sondern 
bei  Gott:  Gott  ist  es,  so  betont  er,  der  die  Dinge  für  ihn  unan- 
nehmbar gemacht  hat:  Er  ist  schuld,  dass  es  die  Hölle  gibt  -  dass 
es  einige  Geschöpfe  in  seiner  Gegenwart  nicht  mehr  ausgehalten 
und  sich  von  ihm  abgewandt  haben.6 

Das  aber  heißt,  dass  das  Böse  keine  eigene  Verantwortung  an- 
erkennen will,  sondern  sie  immer  beim  anderen  sucht.  Eines  der 
Grundprinzipien  der  Hölle  lautet  daher:  Nicht  ich  bin  schuld, 
sondern  die  anderen.  Um  dies  zu  illustrieren,  lässt  Lewis  in  ei- 
nem anderen  seiner  Bücher  Napoleon  rastlos  in  der  Hölle  auf  und 
ab  gehen  und,  unablässig  vor  sich  hin  murmelnd,  bei  Generälen, 
Frau  und  Gegnern  die  Schuld  für  seine  vernichtende  Niederlage 
bei  Waterloo  suchen:  „Der  Fehler  lag  bei  Soult.  Es  war  Neys  Feh- 
ler. Es  war  Josephinens  Fehler.  Es  war  der  Fehler  der  Russen.  Es 
war  der  Fehler  der  Engländer."' 


4 (Lewis  1982,  S.  64). 
5(Vgl.  Lewis  1966,  S.  125). 
6 (Lewis  1982,  S.  87). 
7  (Lewis  1955,  S.  22). 


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Was  der  Teufel  nicht  versteht 

All  seiner  Cleverness  zum  Trotz  hat  der  Teufel  deshalb  noch  mit 
einem  weiteren  Problem  zu  kämpfen.  Dadurch,  dass  er  sich  von 
Gott  fern  hält,  fällt  es  ihm  äußerst  schwer,  die  wahren  Absich- 
ten seines  Gegners  zu  erraten:  Gott  muss  sich  doch  etwas  davon 
versprechen,  dass  er  die  Welt  geschaffen  und  mit  Wesen  bevöl- 
kert hat,  die  mit  Vernunft  und  einem  eigenen  Willen  ausgestattet 
sind!  Die  Hölle,  so  erklärt  er,  ist  durch  und  durch  praktisch  ori- 
entiert: Hier  verfolgt  jeder  seine  eigenen  Ziele  und  beurteilt  alles 
und  jeden  danach,  inwieweit  ihm  die  Dinge  persönlich  von  Nut- 
zen sind.  Aber  der  Himmel?  Wozu  sollte  Gott,  dem  es  doch  in 
seiner  Herrlichkeit  an  nichts  fehlt,  völlig  überflüssige  Wesen  in 
die  Welt  gesetzt  haben,  von  deren  Existenz  er  keinerlei  Nutzen 
hat?8 

Auch  hier  versagen  also  die  Recherchen  der  Hölle:  Worauf  ist 
Gott  im  Letzten  aus?  Die  Frage  macht  deutlich:  Der  Teufel  ver- 
steht Liebe  nicht.  Würde  er  sie  verstehen,  dann  wäre  sein  Zwist 
mit  Gott  beendet  und  er  könnte  in  den  Himmel  zurückkehren.9 
Diese  Unfähigkeit  des  Teufels,  Liebe  zu  verstehen,  kann  aber  für 
den  Leser  wiederum  sehr  erhellend  sein.  Denn  Screwtape  setzt 
der  „Philosophie  des  Feindes"  seine  eigene  Sicht  der  Dinge  ent- 
gegen -  eine  Sicht,  die  einem  nur  zu  vertraut  ist.  Der  eine  Grund- 
satz der  Hölle,  so  erklärt  er,  besteht  darin,  dass  alles,  was  ist,  in 
Konkurrenz  zueinander  steht:  Schließt  nicht  schon  ein  Stein,  in- 
dem er  seinen  Platz  einnimmt,  alle  anderen  Dinge  von  diesem 
Platz  aus?  Bei  Tieren  nimmt  diese  Konkurrenz  die  Form  des 
Einander- Fressens  an.  Und  wo  zwei  Menschen  aufeinander  tref- 
fen, da  versuchen  sie,  Macht  über  einander  zu  gewinnen  -  was 
aber  heißt:  Sie  versuchen,  den  Willen  des  anderen  dem  eigenen 


8  (Lewis  1982,  S.  86). 
9 (Lewis  1982,  S.  87). 


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Willen  unterzuordnen  und  sich  auf  Kosten  des  anderen  zu  be- 
haupten.10 

Wer  so  lebt,  der  lebt  natürlich  in  der  permanenten  Angst,  dass 
ein  anderer  stärker  oder  cleverer  ist  als  er  selbst  und  dies  zum 
eigenen  Vorteil  ausnutzt.11  Die  Furcht  vor  Strafe,  so  wird  aus 
den  wiederholten  Drohungen  Screwtapes  gegenüber  seinem  Nef- 
fen Wormwood  deutlich,  ist  deshalb  das  zentrale  Mittel,  mit  dem 
der  Stärkere  versucht,  sich  den  Schwächeren  gefügig  zu  machen. 
Natürlich  werden  diese  Drohungen  nur  selten  offen  ausgespro- 
chen, sondern  erfolgen  meist  in  der  Form  des  Bedauerns  -  dass 
man  zum  Beispiel  nicht  länger  die  schützende  Hand  über  den 
anderen  halten  kann,  wenn  sich  dieser  fortwährend  den  eigenen 
(gut  gemeinten)  Ratschlägen  entzieht.  Nun,  ein  Blick  auf  die  Si- 
tuation am  eigenen  Arbeitsplatz  wird  wohl  vielen  genügen,  um 
sich  daran  zu  erinnern,  dass  das  Denken  in  den  Kategorien  von 
Konkurrenz,  Durchsetzung  der  eigenen  Interessen  und  Streben 
nach  Macht  uns  auch  heute  nicht  fern  ist.  -  „Man  muss  schon 
sehen,  wo  man  bleibt." 


Vertrauen  in  die  Liebe  Gottes 

Daraus  folgt,  dass  das,  was  für  den  Glaubenden  der  tiefste  Sinn 
seines  Lebens  ist,  nämlich  das  Ja  Gottes  zum  Menschen,  an  keine 
Bedingung  gebunden,  ihm  umsonst  geschenkt,  für  den  Teufel  ein 
einziger  Widersinn  ist.  Und  er  kann  erst  recht  nicht  verstehen, 
dass  Gott  will,  dass  auch  alle  seine  Geschöpfe  so  leben  können, 
wie  er  es  ihnen  in  Jesus  als  Mensch  selbst  vorgelebt  hat.  Das,  was 
Gott  hier  als  seine  Absicht  ausgibt,  ist  für  Screwtape  eine  blanke 
Unmöglichkeit:  „Es  sollen  viele  Dinge  sein,  und  doch  irgendwie 
Eines.  Das  Gut  der  einen  Person  soll  das  Gut  einer  anderen  sein. 

10(Lewis  1982,  S.  81). 
"(Lewis  1982,  100f.). 


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Diese  Unmöglichkeit  nennt  Er  Liebe,  und  dieses  gleiche  monotone 
Allheilmittel  kann  in  allem  entdeckt  werden,  was  Er  tut,  und 
sogar  in  allem,  was  Er  ist  -  oder  vorgibt,  zu  sein".12 

Das  aber  heißt:  Gott  will  nichts  von  uns,  er  will  etwas  für  uns: 
Gott  möchte  den  Menschen  das  Glück  schenken,  ihn  zu  kennen 
und  auf  seine  Liebe  dankbar  zu  antworten.  Auch  der  Teufel  ver- 
steht noch  so  viel,  dass  dies  nur  freiwillig  geschehen  kann:  Diese 
Antwort  ist  nur  da  möglich,  wo  ein  Mensch  gelernt  hat,  darauf  zu 
vertrauen,  dass  Gott  gut  ist.  Vertrauen  kann  aber  nur  da  wach- 
sen, wo  auch  Platz  für  Zweifel  ist.13  Was  wäre  von  einem  Freund 
zu  halten,  der  als  Grundlage  für  sein  „Vertrauen"  in  uns  abso- 
lute Gewissheit  fordert?  Seine  Hauptsorge  würde  offenbar  darin 
bestehen,  nicht  auf  das  falsche  Pferd  zu  setzen.  Würde  zum  Bei- 
spiel jemand  in  den  Verdacht  geraten,  ein  schweres  Verbrechen 
begangen  zu  haben,  an  dem  er  in  Wahrheit  unschuldig  ist,  so 
würde  er  hoffen,  dass  seine  Freunde  sagen:  „Nein,  das  glaube  ich 
nicht.  Ich  kenne  ihn:  So  etwas  würde  er  nie  tun."  Wie  aber  würde 
er  über  einen  Freund  denken,  der  erst  dann  bereit  wäre,  wieder 
an  seine  Unschuld  zu  glauben,  wenn  sie  vor  Gericht  zweifelsfrei 
festgestellt  wurde?14 

Weiter  kommt  der  Teufel  nicht  bei  seinem  Versuch,  die  „Philo- 
sophie" seines  Gegners  zu  verstehen.  Denn  dazu  müsste  er  seinen 
Widerstand  gegen  Gott  aufgeben  und  sich  auf  dessen  Liebe  ein- 
lassen. Und  weiter  können  auch  wir  an  dieser  Stelle  nicht  gehen: 
Was  positiv  mit  Liebe  gemeint  ist,  lässt  sich  durch  ein  Buch, 
das  aus  der  Perspektive  des  Teufels  geschrieben  ist,  nicht  dar- 
stellen. Das  Buch  lädt  aber  dazu  ein,  sich  kritisch  zu  prüfen,  wo 
man  selbst  zuweilen  diese  Perspektive  des  Teufels  einnimmt  und 
wo  man  geneigt  ist,  seinen  Ratschlägen  nur  allzu  bereitwillig  zu 


(Lewis  1982,  S.  81). 
(Lewis  1982,  38f.). 
(Vgl.  Lewis  1964,  45f.). 


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Norbert  Feinendegen 


folgen.  Es  lädt  aber  auch  ein,  hierbei  nicht  stehen  zu  bleiben, 
sondern  einen  Schritt  weiter  zu  gehen  und  darüber  nachzuden- 
ken, was  es  heißt,  an  einen  Gott  zu  glauben,  der  die  Welt  so  sehr 
geliebt  hat,  dass  er  seinen  einzigen  Sohn  nicht  geschont  hat,  son- 
dern ihn  in  die  Welt  sandte,  um  ihr  durch  seine  Menschwerdung, 
sein  Leiden  und  Sterben  und  seine  Auferstehung  Rettung  und 
Heil  zu  bringen. 

Lit  erat  urverzeichnis 

Feinendegen,  Norbert  (2008).  Denk-Weg  zu  Christus:  C.  S.  Lewis  als  kriti- 
scher Denker  der  Moderne.  Pustet. 

Lewis,  Clive  Staples  (1955).  Die  grosse  Scheidung  oder  zwischen  Himmel  und 
Hölle.  Köln,  Ölten:  Hegner. 

-  (1964).  „Über  das  Festhalten  am  Glauben".  In:  Die  letzte  Nacht  der  Welt. 
Zürich:  Benziger,  S.  19-47. 

-  (1966).  Über  den  Schmerz.  Ins  Deutsche  übertragen  von  Hildegard  und 
Josef  Pieper  und  mit  einem  Nachwort  von  Josef  Pieper.  Freiburg  i.  Br.; 
Basel;  Wien:  Herder. 

-  (1982).  The  screwtape  letters:  with  Screwtape  proposes  a  toast.  Rev.  New 
York:  Macmillan. 


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