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Full text of "Frühling [microform]"

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JOHANNES  SCHLAF 


FRÜHLING 


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LEIPZIG  1896 
VERLAG    KREISENDE    RINGE 

(MAX  SPOHR) 


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FRÜHLING 


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—  :5o^anne§  ©d^Iaf:  „g^rü^Ung".  SSerlag  Äreifenbe 
Sttnge.  Seipjtg,  1896.  —  ^dö  miü  nid^t  fagen,  3o^anne§  ©d^Iaf, 
bisher  nur  befannt  al§  Bannerträger  be§  confequenten  9iaturali?= 
ntu§,  fei  feinen  alten  ^a^nen  untreu  geroorben ;  aber,  unb  bafür 
bürgt  mi^-  fein  neuefte§  fSud),  er  ift  nid^t  roic  fo  oiele  feiner 
einfügen  UeberjeugungSgenoffen  firengcr  Dbferoanj  in  bcr  ©arf= 
gaffe  bcr  ©ro^ftobtpoefie  ftedfen  geblieben,  fonbern  ^at  ä^nlid^  raie 
fein  bramatifc^er  (JoUege  Hauptmann  glüdlid^  einen  2Iu§n)eg  in 
®otte§  freie  '^flatux  gefunben.  „g^rü^Iing"  l^at  er  mit  SRed^t  fein 
S3ud^  überfd^rieben,  roonnige  g^rü|ling§Iüftc  flutl^en  burd^§  ®anje. 
2)rau§cn  im  g^reicn  l^at  er'§  gebid^tet,  ber  Sänge  nad^  auf  bcm 
SHüdfen  liegenb  unb  mit  l^albgefc^Ioffcnen  Singen  in  ba§  tiefe, 
blenbenbe  ^lau  l^ineinträumenb.  Unb  roer'ä  genießen  roiH,  mu§ 
e§  aud^  roicber  brausen  im  ^^reien  Icfen:  fo  nur  fommt  man  in 
bie  rid^tige  Stimmung,  um  biefe  unmittelbaren  ©rgüffe  eine§  über* 
fprubeinben  SJid^ter'^erjenS  nad^erleben  ju  fönnen.  2Bie  feber 
roa^re  5Poet  fd^aut  unb  empfinbet  ©d^laf  bie  $J?atur  al§  befeelte§, 
perfönlid^eS  SSefen,  mit  bem  fein  eigne§  ^d^  innig  oerfd^miljt. 
Gr  umfaßt  unb  umarmt  bie  ganje  Sßclt  in  feinen  regellos  ^in= 
flut^enben  SDtt^pramben,  in  benen  ibt)llifd^e  35erfenfung  in  ben 
Äel(^  bc§  tieinften  S81ümlein§  roed^felt  mit  fd^iroungoDUem  5)3ans 
tbei§ntu§  unb  Tomantifd)bunEler  S'iaturmgftif.  ^s^  möd^te  bem  S3ud^ 
nid)t  jum  S3orrourf  madien,  ba§  ha  unb  bort  nod)  ber  naturaliftifd^e 
^ferbefu^  ^ertiorlugt,  ba§  mani^e  Silber  forcitt  unb  ber  ^uSbrucf 
biSroeilen  gar  ju  üerfdfiroommen  unb  abgeriffen  ift  —  man  fül^It 
auf  jeber  ©eite,  ba§  man  e§  mit  einer  fraftüollen  2)id^terinbiDi= 
bualität  ju  f^un  f)at,  unb  menn  nid^t  SlßeS  trügt,  bebeutet  ba§ 
neuefle  SBetf  be§  S3etfaffer§,  ber  mehrere  ^al^re  gefdimiegen  ^at, 
aud^  einen  „^yrü^Iing"  in  feinem  eigenen  poetif^en  ©cbaffen. 

5B.  ©döroeij^T. 


JOHANNES  SCHLAF 


FRÜH  LI  NG 


FP^ 


LEIPZIG  1896 

VERLAG    KREISENDE    RINGE 

(MAX    SPOHR) 


SEINEM  LIEBEN  FREUNDE 


HANS  HEILMANN 


ZUGEEIGNET 


Frühling 


Draussen  am  Hinterdeich  hab  ich  mein  Dusel- 
plätzchen. 

Ein  kleines  Stündchen  gehts  durch  die  blüten- 
durchwölkten  Gärten,  an  Blumenbeeten,  Gräben, 
Wiesen  und  Feldern  vorbei,  und  ich  bin  an  Ort 
und  Stelle.       • 

Und  dann  lieg  ich  tief  im  Gras,  in  der  hellen 
Sonne,  die  Hände  unterm  Genick,  und  pfeife  und 
simuliere    in    den    blauen    Himmel    und    die    milch-    , 
weissen  Frühlingswolken  hinein.     Blühender  Weiss-  / 

dorn  über  mir.  Der  frische  Wind  drin  und  Bienen, 
Hummeln,  Fliegen  und  Schmetterlinge.  In  die 
Länge  und  Breite  dehnen  sich  vor  mir  die  Wiesen 
hell  gegen  dunkelgrüne  Binsenstrecken  hin  zum  Fluss 
hinunter,  wogen  und  gleissen  mit  smaragdenen  Wellen. 
Und  in  weiten  Farben  breitet  sich  roter  Sauerampfer 
dazwischen  und  lilaweisses  Schaumkraut  mit  zierlichen 
Dolden,  gelbe  Ranunkeln  und  Kuhblumen,  und  mit 


I  vwwfi/uau^.iHi.  f-v-KX'H'iin  /vapt^r-  4i^t'^  u*^^  yv/r^ 


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feinem  rauchigen  Silberflimmer  die  tausend  und 
tausend  Lichterchen  der  Butterblumen.  I   .  : 

Langsam,  im  Schritt  weidend,  tauchen  Kühe 
drüben  auf  dem  andern  Ufer  aus  dem  frischgrünen, 
lichtflinkernden  Erlengehölz.  Braune,  schwarze  und 
gefleckte.  Sie  rupfen  und  brüllen.  Und  gemächlich 
her  bis  gegen  die  blitzende  stillgleitende  Fläche. 
Hoch  aber  aus  dem  weitgewölbten  weisslichen  Blau 
die  Lerchen,  und  Kibitze  hinter  mir  auf  den  Wiesen- 
breiten, Elstern  und  Raben.  Kukuk,  Staare  und 
Finken  im  Gehölz,  und  aus  den  tiefen  grünen 
Dämmerungen  heraus  die  Nachtigall.  ' 

Fern,  weit  vom  Fluss  herübergetragen,  das 
Tuten  eines  Dampfers  und  das  Kreischen  der  Möven. 

Hergetragen  und  verweht,  aufjubelnd  und 
verebbend  hundert  und  hundert  Laute  und  Lieder; 
und  der  herrliche,  fröhliche  Tumult  der  weiten 
Farben:  hell,  verhauchend,  nah  und  fern,  gleissend 
und  sänftigend.  '"  I  w^ 

Und  die  warme,  helle  Sonne.  Die  stille,  stille 
Sonne  


I;       Meiner  Einsamkeit  entgegen. 

So  lustig  bin  ich,  so  stillfröhlich,  so  zutäppisch 
liebevoll  wie  ein  Kind. 


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Mit  jedem  Pulsschlag,  mit  jedem  Beben  meines 
Körpers,  mit  jeder  Bewegnng  liebkose  ich  die  weit 
und  lustig  gebreitete  Welt.  Und  mich  liebkosen 
die  Käfer,  die  Blumen  und  Bäume  mit  Summen 
und  Blüten  und  Laub,  mit  Farben  und  Düften  und 
hundert  sanften  Berührungen.  Der  leise  Wind 
durch  Blätter  und  Gezweig  liebkost  mich,  kühle 
Schatten  und  helle,  warme  Lichter,  blaue  Fernen 
und  heitre  Nähen,  ziehende  Wolken  und  Wellen. 

Zwischen  einem  Getreidefeld  und  dem  Erlen- 
gebüsch eines  Grabens  schlendr'  ich  hin. 

Hoch  ragt  eg_über  mich  hinauf,  hinein  in  end- 
los tiefe,  klare  Bläue.  Lichtglänzendes  Laub  und 
wogende,  wellende  Halme  biegen  sich  zu  mir  her, 
vor  mir,  hinter  mir,  zu  beiden  Seiten.  Ganz,  ganz 
versunken  bin  ich  in  jungem,  duftenden  Grün;  über 
und  über  ist  mein  Kleid  voll  gelben  Samenstaubes 
und  feinen  Blütengeriesels, 

Kühles,  wogendes,  anschmiegendes  Schmeicheln. 
Weite,  weite  jubelnde  Bläue.  Mückenspiel  vor  mir 
her,  und  auf  blinkendem  Gekräusel  stille,  weisse 
Blumen 


Hier    heg   ich    nun    unter    meinem    Weissdorn, 
spiele  und  wandle  mich  nach  Herzenslust. 


--     10 


Ich  bin  der  alte  Braak-Klaas.  Bin  über  achtzig 
Jahre  alt.  Weisshaarig,  mit  rosigem  Gesicht  und 
hundert  freundlichen  Runzeln  sitz  ich  vor  meiner 
Thür,  Habe  lange  rote  Strümpfe,  schwarzbauschige 
Kniehosen  und  eine  hellblaue  Weste  an  mit  zwei 
Reihen  dicker  Silberknöpfe.  Starkknochig  sind 
meine  Handgelenke,  und  lässig  liegen  meine  braun- 
runzligen Hände  auf  den  Knien,  breit,  behaart, 
mit  dicken,  knotigen  Fingern  und  Adern.  Ich  sitze 
vor  meinem  Haus  und  zwinkre  unter  weissen  Brauen 
in  die  sonnigen  Apfelblüten  hinein.  .    . 

Hoch  und  langgestreckt  mit  goldiggrünen 
iVIoosflecken  hebt  sich  über  mir  das  mächtige, 
braunverwitterte  Strohdach  über  der  niedrigen 
Backsteinwand  mit  ihren  weissen  Kirschblüten  und 
ihren  Fensterchen  breit  in  die  blaue  Klarheit.         ! 

Die  Vögel  singen  in  meinem  Garten  und  oben 
im  Nest  um  die  Giebeldrachenköpfe  herum  klappert 
der  Storch  bei  der  brütenden  Storchmutter.  Durch 
die  offene  Halbthür,  von  der  Diele,  weht  ein  feines, 
blaues  Räuchlein  vom  Herd  her  in  die  warme, 
sonnenzitternde  Luft.  Mächtige  Eichenschränke 
stehn  da  drin  im  kühlen  Dunkel,  zwei  Jahrhunderte 
alt,  und  massives,  rauchverdunkeltes  Gerät  mit  hell- 
braunen, eingelegten  Blumen  und  Vögeln,  und  rot- 
bäckige Enkelkinder  spielen  auf  dem  glatten  Estrich. 


—    11    —  ;,;-  ■'  :^V:r\-,m  ■■'r  — " 

Drüben  blinkert  das  Braak  zwischen  blühendem 
Gebüsch  durch.  Ein  Fischewer  schwebt  still  vor- 
über mit  rotbraunem,  weitgebauschten  Segel,  Ueber 
blumenbunten  Beeten  flimmert  die  warme  Luft  und 
der  Flieder  duftet,  und  überall  arbeiten  sie  in  den 
Gärten. 

Klug  bin  ich,  schlau  für  zwölfe,  mit  meinen 
blinzelnden,  wasserblauen  Aeugelchen,  und  meine 
Gedanken  sind  geschwätzig  und  plaudern  von  meinen 
achtzig  Jahren,  plaudern  und  nehmen  Anteil,  stillen, 
spöttischen  Anteil. 

Mild  bin  ich,  freundlich,  zufrieden,  klug  und 
hindämmernd  müde 


Und  jetzt  bin  ich  ein  Kind. 

In  einem  roten  Leibchen  sitze  ich  auf  einem 
Schubkarren,  ganz  eingewühlt  in  gelbe  Blumen 
unter  weissen,  tiefhängenden  Blüten,  kreische  und 
patsche  mit  dicken  Aermchen.  Und  wieder  still. 
Staune  und  starre  mit  weiten  klaren  Augen  in 
tausend  sonnige  Wunder  hinein.  Erkenne  wieder 
und  lerne  zu.  Und  wie  Staunen,  Lust,  Furcht  und 
Begier  wunderlich  aus  mir  herausstammeln,  w^ächst 
leise,  leise  in  mir  eine  goldigfrische  Welt;  knospet 
und  treibt  und  will  blühen.  i- 


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—     12     — 

Von  tausendfarbigen  Hoffnungen  jauchzt,  braust, 
leuchtet  und  umduftet  mich  die  weite  Welt,  und 
die  blau  verhauchenden  Fernen  locken  in  unschuldiger, 
reiner,  frühlingsfrischer  Pracht,  locken  so  fern,  so  weit, 
so  wunderbar 


Tiefer  den  Kopf  ins  Gras  zurück. 

Nun  macht  mich  mein  begehrender,  ahnender 
Sinn  kleiner  und  immer  kleiner,  und  nun  bin  ich 
winzig,  ganz  ganz  winzig  klein. 

Ich  habe  ein  goldgrünes  Röckchen  auf  einem 
runden,  festen,  geschmeidigen  Körperchen,  tripple 
mit  sechs  flinken  Beinchen  und  habe  zwei  Aeugelchen 
wie  rote  Rubinen,  zwei  scharfe,  feine  Aeugelchen. 
Schlüpfe,  schmiege,  winde  mich  durch  eine  wunder- 
liche, üppig  verschlungene  Endlosigkeit,  wandere 
und  weile,  und  wandere  wieder,  emsig,  rastlos.     ' 

Von  hier  bis  zum  Fluss  hinunter  sind  nun  viele, 
viele  ]\ [eilen,  und  da  unten  ist  ein  Meer,  ein  unab- 
sehbares, strahlendes  Meer.  .  ,'■ 

Ich  wandre  und  wandre,  raste  mit  atemlosen 
Staunen,  und  wandre  wieder,  schaue  und  staune. 

Jetzt  bin  ich  tief,  tief  unten  in  einem  feuchten, 
braunen  Dunkel.  Da  ist  ein  millionenfältiges  Gewirr 
von  P'ormen,  Farben  und  Körpern.     Da  spreizt  sich 


.1 


—     13     — 

in  dicken,  dichten  Ranken  härenes  Gekrissel,  da 
filzt  es  sich  über-  und  durcheinander  mit  MiUiarden 
von  Spitzchen  und  Hälmchen,  von  Blättchen,  Knösp- 
chen  und  Blüten.  Millionen  mächtiger  Stämme  im 
dichten  Beieinander  streben  draus  empor.  Grosse, 
rote  Würmer  schlingen  sich  zwischen  ihnen  hin, 
und  es  kribbelt,  und  schlüpft  und  kriecht  und 
schmiegt  sich,  zirpt,  singt,  pfeift  und  raschelt  in 
einer  Welt  von  Tönen,  die  noch  nie  mein  vordem 
ungefüges  Menschenohr  vernommen  hat,  von  Formen 
und  Körpern,  dunkel  und  bunt,  wie  sie  nie  mein 
Menschenauge  sehen  konnte.  Die  seh  ich  alle  mit 
meinen  feinen,  roten  Aeugelchen,  und  höre  sie  mit 
einem  scharfen,  unendlich  scharfen  Gehör,  und 
nehme  dasalles  wahr  mit  zarten  Sinnen. 

Da  glimmt  Feuchte  in  feinen  Perlchen,  und 
in  ihnen  lebt  das  durchsichtige  Getümmel  neuer 
Welten  in  heimlicher  Irispracht.  Da  dehnt  es  zarte 
Körperwände  und  zieht  sie  zurück.  Da  rinnt  es 
zusammen,  w^ächst  und  teilt  sich.  Da  keimt  es  und 
bildet  sichs ,  verschlingt  und  wehrt  sichs  im  unend- 
lichen Wechsel,  im  ewigen  Hin  und  Wieder. 

Und  aus  tiefstem  braunen  Dämmer  streb  ich 
hinauf  am  Schaft  eines  Grases,  das  nun  ein  Baum 
ist,  ein  mächtiger  Baum,  und  strebe  einem  Schimmer 
nach,  einem  Glanz  en^tgegen. 


14     — 


Ich  fühle,  wie  es  unter  mir  dadrinnen  sich  dehnt 
und  mehrt,  wie  es  rauscht  von  Säften  und  gährt 
mit  freudigem,  sehnenden  Wachstum.  Und  nun  teilt 
sich  der  Schaft  in  breite,  langgespreizte  Halme,  und 
sie  wieder  mischen  sich  in  ein  milliardenfältiges, 
lichtgrünes  Gewirr  im  ewigen  Wechsel  schwanken- 
der Biegungen.  Millionen  mächtiger  Diamanten  an- 
einander hingereiht  in  gleissender  Pracht  an  den 
Rändern  langgestreckter  Stengelblätter.  Flinkem 
und  Leuchten  silbriger  Härchen,  Lustiges  Getier 
dazwischen  mit  tausend  Tönen  und  Farben,  mit 
Zirpen,  Summen,  Schrillen  und  Jauchzen,  mif  schwir- 
render Flügelpracht. 

Lichter  wird  es  nun  und  lichter.  In  einem 
sanften  Biegen  und  Wiegen  bin  ich.  Da  seh  ich 
die  unerhörte  Schönheit  riesiger,  leuchtender  Farben- 
wunder gegen  ein  unendliches,  laut,  laut  jubelndes 
Blau.  Mächtige,  silberweisse  Sterne  schaukeln  da 
oben  mit  blitzenden  Schwingungen  auf  schlanken, 
rauchflaumigen  Stielen.  Ich  sehe  runden  Silber- 
rauch, der  sich  um  weissgrüne  Kelchknöpfe  ballt. 
Und  blendend  goldene  grosse  und  kleine  Sterne. 
Sanftgewiegte,  still  strahlende,  fröhlich  blitzende 
Wunder.  Unzählige  blaue,  lilaweisse,  rote,  violette, 
tausendfarbige  Kelch-  und  Glockenpracht,  gezackt, 
beperlt,  bewimpert,  glatt,  mit  feinem  Netzwerk  bunter 


i^: 


15 


Aederchen,  im  dicht  und  weit  geregelten  Beieinander 
an  schlanken  und  dicken  runden  Stengeln  hinauf. 
Buntes,  süss  verwirrendes  Gekrissel  von  Grasdolden 
und  die  tiefglühende,  breitentfaltete  Pracht  des 
roten  Mohns. 

Und  höher,  immer  immer  höher! 

Auf  dem  goldenen  Kelchknopf  eines  riesigen, 
silberleuchtenden  Sternes  sitz  ich,  oben,  hoch  oben 
auf  dem  höchsten  Wipfel,  und  schaukle  mit  selig  däm- 
mernden Sinnen,  betäubt  von  Duft,  Licht  und  dem 
weiten,  unendlichenTEinklang  holden  Getöns.  Bunte, 
breitentfaltete  Schwingenpracht  gleisst  über  mir  und 
an  mir  hin,  rastet,  bebt,  glänzt,  leuchtet  auf  herr- 
lichen Blütenwundern,  surrt  und  tönt  in  berauschen- 
den, taumelnden  Tänzen  hinein  in  die  warme,  lichte 
Unendlichkeit.  Jauchzende,  kreischende,  glockenklar 
süsse,  brüllende,  wiehernde,  zwitschernde,  millionen- 
stimmige Lust.  ::     . 

Und  süsse,  warme  Kraft  in  den  Muskeln  meiner 
Schwingen  und  bebende,  sehnende  Lust  in  meinem 
Leib.  Und  auf,  hoch  hoch  hinauf  in  Wärme, 
Lichtflut,  Glanz  und  Farbe.  Und  von  mir  geht 
ein  Tönen  aus,   ein   feines,  wunderliclies  Tönen  .... 


16 


Jetzt  hab  ich  einen  Schilfhalm  herausgezogen 
und  bin  nun  Wissbegier,  ganz  Wissbegier  und  er- 
kenne. .  ;  :;l 

Hier  ist  ein  langes,  faltendes,  blaugrünes  Blatt. 
Und  hier  unter  ihm  ein  zarteres  mit  einem  helleren 
Grün.  Und  Blatt  schäl  ich  von  Blatt  und  Hülle 
von  Hülle.  So,  und  nun  weiss  ich  eine  grosse,  stolze 
Weisheit:  Blatt  schliesst  sich  um  Blatt  und  Hülle 
um  Hülle  in  alle  Unendlichkeit  hinein. 

Ach,  ich  muss  lachen,  lachen! 

Ich  sehe  einen  schnurrigen  alten  Herrn  mit 
einer  mächtigen  Brille  auf  einer  langen,  spitzen  Nase. 
Er  sieht  aus  wie  ein  ururalter  Chinesengreis.  Sein 
Kopf  ist  wie  ein  Totenschädel,  über  den  sich  eine 
vergilbte,  unendlich  faltige  Haut  spannt.  Er  hat 
einen  breiten  mokanten  Mund  mit  einer  hochmütigen, 
ewig  spöttisch-dummen  Unterlippe  und  wasserblaue, 
neunmalkluge  Aeugelchen.  Der  kann  die  wunder- 
schönsten Kunststücke  aus  lauter  Normen,  Regeln 
und  Regelchen,  Gesetzen  und  Gesetzchen  zusammen- 
bauen. Ein  so  kluges  Wirrwarr,  dass  einem  die 
Augen  übergehen  vor  lauter  lauter  Staunen.  Und 
mit  seinen  alten  Beinchen  versteht  er  sich  auf  den 
Eiertanz  wie  kein  zweiter. 

Ach  —  jetzt!  hier!  wie  ungeheuer,  ungeheuer 
spasshaft  der  alte  Würdetaper  ist! 


17 


O,  da  unten  zwischen  feuchter,  bröckelnder 
Krume  schlingt  sich  durch  das  schwarze  Dunkel 
ein  blöder  Wurm;  und  hier  liegt  ein  zweibeiniges 
Tier,  das  spintisiert  und  klebt  mit  seinem  Wollen 
und  Entschliessen  an  allerlei  Gedankenleim  fest. 
Weit,  weit  da  hinten  aber  blauen  ferne  Berge.  Und 
dort,  auf  dem  höchsten  Gipfel,  auf  der  höchsten 
Wipfelspitze  der  höchsten  Kiefer,  da  zwitschert  und 
zirpt  eine  kleine  Meise,  und  w^enn  sie  will,  so  fliegt 
sie  weit,  weit  in  die  blaue  Himmelsfreiheit  hinein  .... 


Jetzt  will  ich.  Und  will  ein  Prophet  sein, 
ein  Seher. 

Die  Blumen  blühen,  die  Bäume  rauschen,  die 
Wasser  plätschern,  die  Vögel  singen  und  der  Himmel 
blaut  mir  durch  die  w^eite,  reifende  Mittagsstille 
Offenbarungen,  und  das  endlose  Beieinander  und 
Ineinander  aller  Wesen  leuchtet  mir  eine  Offenbarung. 
'Ich  stammle  Verheissungen ,   die   sich   erfüllen: 

> 

jetzt,  morgen,  in  hundert,  in  tausend  oder  in  hundert- 
tausend Jähren,  hier,  dort,  irgendwo;  die  Wirklich- 
keit sind  und  sich  erfüllt  haben,  jetzt,  gestern,  vor 
hundert,  vor  tausend  oder  hunderttausend  Jahren, 
hier,  dort,  irgendwo 

Schlaf,  Frühlingf.  2 


—     18     — 


Alles,  alles  ist  eine  einzige,  grosse,  fröhliche 
Einheit  und  alles  Lebendige  eine  einzige,  grosse 
Familie. 

Der  Andre?  Die  Andre?  Ist  es  nicht  immer 
derselbe  und  ist  es  nicht  immer  dieselbe?  Jeder  für 
Jeden,  Alle  für  Alle,  Alles  für  Alle  und  Alles? 

Trug  ist  Leid  und  Hass,  Trug  ist  Trennung 
und  Selbstqual,  und  Lüge  ist  die  ewige  Vernichtung, 
ein  neckisches  Spiel  zuhöchst,  ein  bunter  Traum,  der 
einen,  unendlichen  Ruhe,  die  alles  ist  und  in  der 
alles  beschlossen  ist  .  .  . 

Dort  drüben,  im  fernen,  weissen  Sonnendunst, 
breitet  sich  das  Dorf.  f    v 

Hinter  breit  gewipfelten,  dunkelgrünen  Linden 
hervor  verschimmert  die  Kirchturmhaube  mit  ihrem 
hellblauen  Schiefer  spitz  und  gleissend  in  den 
gleissenden  Himmel.  I>anggedehnt  das  rote  Kirch- 
dach, und  die  braunen  Dächer  lugen  mit  Giebelputz 
und  Storchnestern  aus  weissen  Blüten  wölken.  <  .. 
.^■,:  Eng,  gedrückt,  so  zieht  es  sich  lang  durch 
das  weite  Marschland  hin. 
'.        AV^ärme,  Summen  und  blendende  Farben. 

Schweigen.     Lichtes,  schwüles  Schweigen. 

Und    der    weite,    weisse  Dunst  wogt  und  flirrt 


—     19     — 

durch  die  heissen  Höhen  bis  tief  über  Wiesen,  Felder 
und  flinkernde  Wasser  gegen  mich  her. 

Ein  Tönen   hör   ich   und    ein  heimhches,  tiefes 
Summen. 

Ferner,     ferner     Orgelton     und     Gesang     der 
Gemeinde.  >  o:  »i  ;   /- 

Wechselnd,  wellend,  auf  und  ab,  hin  und  wieder, 
im  Bann  eines  feierlichen,  getragenen  Rhythmus. 

Eine  Sehnsucht  hör  ich  in  ihm,  eine  stille,  nieder- 
gezwängte Sehnsucht. 

Das    ist    die    Sehnsucht    nach    Gott,    nach    dir, 
nach  dir  ... 

Und  ich  bin  traurig,  traurig  ... 
■■Eingezwängt  bin   ich  in   zehn   „Du   sollst!";    in 
hundert,  in  tausend  „Du  sollst!"  .  .  . 
;: ;    Traurig  bin  ich,  traurig,  traurig  .....       ■       v 


Und  aus  dem  weiten,  schwülen  Brüten  kommt 
ein  Brüllen,  ein  langgedehntes,  schmerzliches  Brüllen. 

Eine  Kuh  drüben  bei  den  Erlen. 

Bis  an  ihren  weissen  Bauch  steht  sie  in  dem 
hohen,  schimmernden  Gras.  Sie  hat  den  breiten 
Hals  starr  vorgereckt  und  wie  geängstigt  stieren 
ihre  grossen,  dunklen  Augen. 

Ich  bin  zusammengefahren. 

'  2* 


20 


Wie  ein  Sehnsuchtsschrei,  irgendwoher,  aus 
einem  niederen,  zwängenden,  dumpfen  Leid.  ' 

Und  die  weite  Schwüle  nimmt  mich  hin,  um- 
spinnt mich,  umspinnt  mich  dicht  mit  einem  trüben, 
dumpfen  Brüten,  mit  einem  tiefen,  tiefen  Grauen. 

Unsinn!  j    ; ; 

Wie  herrlich  glüht  hier  die  Nelke.  Und  die 
gelbe  Königskerze  hier:  wie  aus  Gold,  aus  lautrem 
glänzenden  Gold. 

Wandern !     Wandern ! 

Neulich  der  Spaziergang.  Da  waren  zwei  Enten, 
schnatterten  zwei  schneeweisse,  prächtige  Enten  unten 
im  Thal  im  hellen  Bergbach.  Und  ein  Spitz  mit 
■  fröhlichem  Gebell  gegen  mich  her.  Und  über 
Stackete  unzählige  Rosen  in  entfalteter  Pracht. 
Und  wie  schön  das  Dorf  aus  den  wogenden,  reifen- 
den Getreidebreiten  hervor.  Schwalben  an  mir  hin, 
dicht  an  mir  hin,  als  ich  rastete,  dass  ich  das  feine 
Wehen  ihres  Flügelschlags  spürte. 

Ich  weiss,  ich  sang  und  schwatzte  vor  mich 
hin,  ich  weiss  nicht  was.  Aber  in  mir  war  eine 
himmelweite     Seligkeit     und     ein     einziger,     stiller 

Friede "  .     /.I 

Lachen,  lachen,  lachen  kann  ich  wieder,  jauchzen, 
brüllen  vor  trotziger  Lust  am  Leid,  und  mein  heller 
Lebenswille    geht    von    mir    aus    mit    einem    tiefen, 


im^- 


■    —     21     — 

befreienden  Atem,  und  durch  Laub  und  Gräser 
geht  ein  heimliches,  fröhliches,  neckendes  Flüstern, 
weht  kühl  über  meine  Stirn  und  weiter  über  die 
Breiten  hin,  und  ich  atme  es  ein,  tief  in  mich  hinein 
wie  einen  süssen,  geliebten  Atemzug. 


Lust  am  Leid,  wilde,  wild  unbändige,  frucht- 
bare Lust  am  Leid,  Aufatmen  und  helles,  klares, 
sonnenhelles    Gestalten    aus    wilder  Leidlust  .  .  .  .  , 

Nun  bin  ich  wieder  bei  Laune. 

So!  —  Jetzt  lieg  ich  auf  dem  Bauch,  die  Deich- 
böschung hinauf,  lege  mein  Skizzenbuch  vor  mich 
hin  und  zeichne,  was  mir  gerade  in  den  Sinn  kommt, 
allerlei  Karrikaturen. 

Und  nun  beseh  ich  mir,  was  ich  gezeichnet 
habe,  und  blättre  und  sehe,  was  ich  vor  Tagen 
zeichnete. 

Da  ist  ein  altes ,  nacktes ,  schwammiges  Weib, 
unsagbar  hässlich,  neulich  mal  im  Anfall  einer  bösen 
Laune  hingekritzelt.  Ich  betrachte  es  mit  lustig  ge- 
kniffenen Augen  und  summe  allerlei  Uebermut. 

Die  Sonne  liegt  grell  auf  dem  Papier  und  lässt, 
wenn  ich  etwas  von  der  Seite  drauf  niedersehe,  die 
Konturen  in  leisen  Irisfarben  schillern.  Ein  Käferchen 
knistert  drüber  weg,  macht  Halt,  biegt  seine  Fühlerchen, 


—     22 


putzt  sich  den  Hinterleib  und  trippelt  weiter.  Weisse, 
gekrümmte  Blütenblättchen  treibt  ein  Lufthauch  von 
dem  Weissdorn  über  mir  herab.  Sie  liegen  blendend 
silberhell  auf  dem  Papier  wie  auf  mattem  Goldgrund. 

Der  alte,  gute,  regenbogenschillernde  Fettwanst. 

Sachte,  sachte,  mit  viel  Sorgfalt  bringe  ich  ihm 
jetzt  zwei  zarte  Elfenflügelchen  an  den  Schulter- 
wampen an.  Die  Sonnenstrahlen  tuschen  sie  mit 
Farben  meinem  Stifte  nach. 

Auch  sie  gut!  —  Alles,  alles  gut! 

Und  ich  blättre  weiter.       '  l 

Da  ist  ein  Geck.  Mit  einem  winzigen  Hütchen, 
weitem  Jaquet  und  Sackhosen.  I 

Wie  unbändig  schön!  j 

Auch  er  bekommt  die  beiden  Flügelchen. 

Und  hier  ein  Betrunkener.  Sein  Taumeln  ist 
ein  Tanz,  ein  schöner  Rhythmus.  [ 

Hier  ist  ein  Weib,  das  ich  bei  einer  Hausthür 
kauern  sah.     Zerlumpt,  vergrämt,  stumpf,  schmutzig. 

Die  Arme! 

Ein  mächtiges  Mitleid  überkommt  mich. 

Aber  ich  lache  und  weiss,  irgendwie  w^irkt  es 
in  die  Ferne  und  tröstet  sie  und  macht  sie  lachen. 
Ihr  Abbild  aber  hier,  das  ist  nun  schön,  so  schön 
wie  die  strahlendste  Schönheit,  die  je  gebildet  wurde, 
die  je  in  Fleisch  und  Bein  einhergewandelt  ist.     » 


—     23     — 

Und  hier  ist  eine  Dirne,  gezeichnet  wie  sie  mit 
schwankendem ,  hüftenschaukelnden  Gang,  in  Nacht 
und  Wetter,  an  flackernden  Laternen  vorbei,  sich 
an  den  dunklen  Häusern  entlang  drückt.  Sie  wird 
gescholten  und  missachtet.  Aber  einmal ,  als  ich 
bei  ihr  war  oben  in  ihrer  armen  Spelunke,  als  ich 
sie  in  hingegebener,  mitleidiger  Liebe  küssen  konnte, 
da  wurde  ihr  müdes  stumpfes  Herz  lebendig  und 
blühte  mir  entgegen  wie  ein  schöner  Frühling.  Und 
in  dieser  Erinnerung  nun  ist  sie  mir  so  rein  und 
adlig  wie  die  reinste  Jungfrau,  und  blüht  in  Schön- 
heit und  Würde 

O  überall,  überall  seh  ich  heimlich  eine  schöne, 
verjüngte  P'riedenswelt.  Und  ein  Nahen  spür  ich, 
ein  Nahen  ..... 

Gesang,  Fröhlichkeit,  unbändiges,  unsterbliches 
Gelächter,  Wein  und  goldenes  Bechertönen,  und 
Liebe,  Liebe,  Liebe!  .....  ;        .. 

Der  Länge  nach  lieg  ich  auf  dem  Rücken  und 
lächele  mit  halbgeschlossenen  Augen  in  das  tiefe, 
blendende  Blau  hinein. 

Nah  und  fern  hör  ich  eine  Musik. 

Durch  das  Gesumme  der  Bienen  und  Hummeln, 
durch   das  Wispern   der   Gräser  und  Binsen,   durch 


—      24      — 

das  heimliche,  verlorene  Plätschern  blinkenden  Ge- 
kräuseis, aus  den  tausend  Stimmen  der  Vögel, 
zwischen  den  rauschenden  Büschen. 

Sie  lebt  in  dem  Gebrüll  der  Kühe,  in  den 
zierlichen  Schwunglinien  glänj;ender  Pferdeleiber, 
wie  sie  grasen;  in  dem  Muskelspiel  ihrer  prächtigen 
Formen,  wie  sie  dort  gemächlich  schreiten,  oder 
schnell,  mit  mutwilligen  Sprüngen  hineilen  durch 
das  hohe,  blumenüberragte  Gras.  Sie  flirrt  und 
flimmert  und  wellt  in  zierlichen  Schwingungen^ 
•durch  die  blauen  Lüfl;e,  wogt  und  schwirrt  und 
schwingt  wie  feine  Metallsaiten  iq^  dem  Spiel  der 
Insekten.     ^  i 

In    unendlichen    Farben,    Formen,    Tönen    ein 
einziges    Lied,     ein    einziger,    einender,    mächtiger   . 
Rhythmus;  ein  gewaltiger  Einklang. 

Jauchzt,  jubelt,  flötet,  klagt,  braust. 

Kommt  aus  lichtdämmernden, gleissendenWeiten, 
wird  off^enbat,  süss,  schaurig,  freundlich  in  den  Nähen, 
verklingt  in  den  Fernen.  .  | 

Und  ich:  hingenommen  in  ihn,  sein  Wieder- 
klang, ganz  ganz  sein  Wiederklang  für  eine  Minute 
der  Verlorenheit  ^  ' 

Suchen,  Haben  und  Verlieren,  und  wieder  Suchen, 
Halten  und  Verlieren.  Immer  wieder  und  wieder 
und  immer  von  neuem. 


:    -    ■     ■     —   25   — 

Das  ist  das  Leben.  Das  ist  alles  Schicksal 
und  aus  diesem  einen  werden  alle  Leiden  und 
Lieder. 

Eine  Musik  hör  ich,  nah  und  fern.  Einen  ein- 
zigen, millionenstimmigen  Akkord:  das  ist  das  Lied 
der  Kraft,     Das  ist  die  Kraft. 

Wer  versteht  es?  Wer  kann  .es  wiedertönen 
lassen  aus  einer  reinen,  unverzagten  Seele? 

Ich  will  nichts  als  liegen  und  lauschen  und 
immer  lauschen,  und  lauschen  und  stammeln  wie 
ein  Kind ,  hingegeben  in  Ehrfurcht ,  in  Lust  und 
Jubel,  in  Schreck,  in  Furcht  und  Grauen  und  njit 
kindlichem  Vertrauen  wiederkehren  und  immer, 
immer  wiederkehren  ..... 

*  .  ,  *  ■ 

Ich  sehe  in  den  Kelch  einer  Winde,  in  den 
flachen,  süss  duftenden  Kelch  einer  Winde  hinein. 
Und  wie  ich  ihn  betrachte,  blicke  ich  mit  weiten, 
wild  erschauernden  Augen  in  einen  Abgrund  der 
Erkenntnis. 

Es  ist  eine  einzige,  grosse  unendliche  Ruhe 
und    Einheit,    die    sich    durch    die    unerm esslichen 


—     26     — 

Stufen  des  Lebendigen  sucht  und  verliert,  ewig 
sucht  und  ewig  verhert  und  doch  sich  ewig  hat  in 
der  Liebe  und  als  Liebe.  -  j  . 

Leben!     Urbeginn!  ' 

Hinauf,  hinauf  mit  sehnendem ,  allmächtigen 
Drange  in  Milliarden  von  verschlungenen  Lebens- 
wellen, die  ansteigen  und  verrinnen,  und  mit  immer 
neu  verjüngter  Inbrunst  mächtiger  und  mächtiger 
dem  Licht  entgegen,  dem  Licht .         i 

Es  faltete  sich  auseinander  in  die  Unendlichkeit 
der  Formen  und  Farben,  in  immer  mächtiger, 
sehnender  kreisenden  Schwingungen,  durch  die 
Weltenalter  und  Zeitmillionen  unbegreiflichen  und 
ungeahnten  Klarheiten  entgegen,  im  Auf  und  Nieder, 
im  Hin   und  Wider,  im  Werden  und  Vergehen  .'.  . 

Es  wurde  zu  gewaltigen,  ungeheuren  Körpern 
und  brüllte  und  jauchzte  seine  Inbrunst  den  Un- 
bekannten zu,  suchend  suchend  suchend,  und  streckte 
sich,  sich  selbst  zum  Untergang  und  Leid,  mit  neuen, 
immer  neuen,  immer  sehnenderen  Sinnen  dem  Un- 
begreiflichen entgegen.  Und  es  bebte  hinein  in 
den  dunklen  Kreislauf  der  Kraft  mit  dem  Worte 
des  Menschen,  dem  armen,  zitternden,  eben  er- 
wachenden   <        ,  i 

Das  Wort"  aber,  das  erwachende,  erstarkende 
Wort  zwang  das  Verstreute  zusammen,  dass  es  ge- 


^  —     27      —     / 

■  "    .  .......  >..<^^  ^. 

eint    sich    in    die   Mannigfaltigkeit  unzähliger   neuer 
Ä  Triebe  und' Kräfte  spalte. 

Ich   träume  und   träume,  und  tief,  tief  lausche 
ich  in  mich  hinein.     Wie  ein  heimliches,  staunendes  .      v 

*  Lauschen  ist  es  in  mir,  wie  ein  stille  treibendes,  :  ' 
keimendes,  aufblühendes  Werden  hellerer  Augen,  '* 
als  die  sich  aus  dem  blöden  Farbfieck  jenes  Urtiers 

■*  entwickelten. 

Nur  noch  eine  dünne,  dünne  Scheide  zwischen 
uns  "und  einer  neu  erweiterten  Welt  neuer  Wunder. 

^  Entgegen,  entgegen  der  Klarheit  hellerer  Sinne 

•Frühling!     Frühling!     Ewiger  Frühling!    Licht, 
das  sich  entflammt,  hinein,  hinein  in  ewig  weichendes 
^  Dunkel! 

Hier,  hier,  "in   mir',   dort,  irgendwo  krümmt  es 
sich  in  süsser,  banger  Werdequal  in  nun  schlechter 

*  :      Hülle  neuen  Wundern  neuer  Offenbarungen  entgegen. 


Sonne!     Sonne!     Sonne! 
'  Meine  Blicke  haften  in   dem  weiten  Blau,   mit 

Sehnsucht,  mit  Sehnsucht 

Und  nun  - —  nun  bin  ich  ein  goldlichtes  Wesen. 
Breites  Silbergefieder  spriesst  aus  meinen  schimmern- 
I  den    Schultern    und    heisses,    goldenes    Sonnenblut 


vt*«^44y%4^y!^''iiH^li'h^  US4fihmt  ■ 


28 


braust  durch  meine  Adern,  und  ich  rausche  empor, 
empor,  empor 


Eine  Musik  fern  und  nah. 

Und  nun  in  mir  ein  Wort^  geboren  aus  Licht 
und  Getön;  es  bebt  mir  im  Ohr  wie  ein  tiefer^  voller 
Glockenton,  irgendwoher.  Aus  einer  Nähe,  aus 
einer  mystischen  Nähe.  ! 

Ich  kann  sie  nicht  sehen  vor  lauter  Licht. 
Nur  meine  Sehnsucht,  meine  Sehnsucht  ist  ihrer 
teilhaftig. 

Ein  Wort 

In  mir  ist  ein  Auge,  und  das  sieht  durch  dieses 
Wort  eine  Welt.  j 

Sie  schwebt  her  zu  mir  mit  webenden,  gleitenden, 
leuchtenden  Formen,  naht  und  vollendet  sich,  mehr 
und  mehr  und  immer  mehr.  [ 

■    '  ■  f      r 

Freiland!     Freiland! 

Lauter  Jubel  ist  in  mir;  lauter,  laut  aulQauchzender 
unbändiger  Jubel!  '      , 

Freiland!     Freiland!  | 

Und  nun  wieder  still,  still,  und  ich  lächle 
und  sehe.  i 

Durch  einen  grauen  Dämmer  muss  ich  und 
durch  alle  Fährlichkeiten  der  sieben  Berge,  vorüber 


—     29     — 

an  Drachen  und  Gewürm,  an  Riesen  und  Hunden 
mit  feurigen  Augen,  gross  wie  Wagenräder,  und 
über  gefährliches  Zaubergelände  mit  Fiebermoor  und 
grossen ,  schwülen  Blumen ,  zwischen  denen  böse, 
schöne  Fabelwesen  hausen  und  irre  Lichter  schweben, 
bis   ich   zu   einem  Walde  komme;   da  wird    es   still. 

Da  rauscht  und  leuchtet  buntes  Gefieder  zwischen 
dunklen,  dichten  Wipfeln,  da  huschen  Sonnenstrahlen 
in  träumerischer,  neckender  Verlorenheit,  da  spriessen 
heimlich  wunderbare  Blumen,  und  da  wogen  kost- 
bare Düfte  seltener  Kräuter  über  helle  Wiesen  zu 
mir  her,  und  wie  im  Traum  geh  ich  durch  milde, 
heimliche  Märchenlichter. 

Da  klingen  aus  blauen,  sonnenzitternden  Dämme- 
rungen glockenreine  Melodien,  und  zierliches  Getier 
schlüpft  durch  Gras  und  Laub  und  blickt  mich  an 
mit  zutraulichen,  Jclugen  Augen. 

Und  wie  ich  so  auf  stillen  Waldpfaden  hin- 
wandre  durch  streichelndes  Laub  und  schmeichelnde 
Lüfte,  über  blumige  Wiesen,  und  mehr  und  mehr 
der  Lärm  der  Welt  hinter  mir  erstirbt,  da  komme 
ich  zu  einer  hohen,  hohen  Mauer,  die  dehnt  sich 
weithin  durch  die  finstren  Schauer  himmelanrauschen- 
der Edeltannen.  So  weit  ich  blicken  kann,  klettert 
dunkler  Epheu  hinauf  und  Teufelszwirn  ballt  sich 
hernieder  in  graugrünen  Dunstwolken,  und  dazwischen 


u^müu  lu^  zufi^Aim  u»j^fiGm.Cmmf&Mlf'/^ 


—     30     — 


weit,  weithin  entfacht  mit  freundlichen  Lichtern  un- 
zähhge  Blüten  von  Dornrosen.  cft-yift^'^^^^^^'* 

Aber  da  ich  ein  Sonntagskind  und  ein  Berufener  ^♦•>'^>**^^J*^ 
bin,  weicht  das  Dickicht  willig  vor  meinen  Schritten,  '»tW<W/. 
und  eine  Pforte  thut  sich  auf  und  sicher  und  mühe-  ■* 

los  schreite  ich  durch  das  dicke,  trotzige  Mauerwerk. 

-  ■  '  i   '       ■  -  " 

Dann  bin  ich  in  einer  andren  Welt.  '       , 

Heller  scheint    hier   die   Sonne   und    heimlicher  ' 

sind  die  Schatten,  klarer  die  stillen  Wasser  und 
fröhlicher  das  Geriesel  lebendiger  Bäche,  grüner 
die  Wiesen  und  Hügel.     jMächtiger  gipfeln  sich  hier  ^ 

die  Wälder  in  die  Wolken;  mit  heisseren  Farben 
imd  Düften  glühen  die  Blumen,  üppiger  und  immer 
üppiger    spreizen    Pflanzen    und    Kräuter    seltsame  ■' 

Blätter,  und  in  tieferen  Farben  brennen  bei  Auf- 
und  Niedergang  die  Himmelsbreiten.  Grosse,  schöne 
Menschen  haben  sich  hier  zusammengefunden,  ge- 
schwisterlich, ein  König  jeder  in  Freiheit  und  in 
der  Seligkeit  weltfernen  Glückes.  j 

Kräftiger  ist  das  Mark  in  ihren  Knochen,  und 
freier  strahlt  ihr  Blick  der  Welt  entgegen,  und  wie  ,      , 

der  Blitz  folgt  dem  Gedanken  die  That.  Geeint 
leben  sie  in  Freiheit;  nicht  mit  der  zagen,  feigen, 
schielenden  Neigung  der  Anderen,  die  sich  ärmlich  ;. 

und   ängstlich   und  selbst  misstrauend  zwischen  Ge-    .        ."      v 
setzen  und  Normen  hinfristet.  . 


^^äUJC 


■      ■        ,'  ,  —    31    —  ■    .   .--v;.',/- 

In  ewigen  Sommertagen  leben  sie  hin,  in  Festen, 
himmelanjauchzenden,  herrlichen  Gleichnissen,  wie  das 
Leben  treibt  und  glüht,  wie  die  Lebenssäfte  mächtig 
durch  die  Adern  der  Welt  brausen  und  der  blöde 
Staub  sich  mit  der  tausendfältigen  Pracht  berückender 
Gebilde  in  die  blaugebreiteten  Unendlichkeiten 
faltet 

Weite,  lichte  Nacht.  Warme,  blühende,  duftende 
Sommernacht  mit  der  endlos  gebreiteten  Pracht  der 
Gestirne.  . 

Tausend  Lieder  irren  unter  dem  hellen  ]\Iond 
aus  Blütenwolken  und  Laubdämmerungen  und 

Still!  Still! 
^  Eine  Alusik  hör  ich,  nah  und  fern,  in  allen 
Nähen  und  Weiten,  einen  einzigen  millionenstimmigen 
Akkord.  Das  ist  das  Lied  der  Kraft,  Das  ist 
die  Kraft.  Das  bist  du,  das  bin  ich,  das  ist  alles, 
alles,  und  die  Kraft,  die  einzige,  einige,  eine.  Und 
aus  ihrem  Wandel  und  Wechsel  tönt  es  mit  neuer, 
ungestümer  Lebenslust,  das  alte,  wildfreudige  Zorn- 
wort: Qa  ira!  Ca  ira!  .  .  .  . 


Und  andre  Weisen  hör  ich  nun.  Alte,  uralte 
Lieder.  Und  doch  neu,  immer  wieder  neu  und 
ewig  neu. 


/ly.-i 


32 


jfidl^^ 


m-*^' 


\ 


Und  alle  das  eine:  Du,  und  das  Lied  von  Dir. 

Und  so  ist  sein  Text:  i  i 

Die  Sonne  und  alle  Gestirne:  dein  Blick. 
Strahlend,  leuchtend,  sehnend,  helllachend,  freund- 
lich, klar,  mild,  schelmisch  verhüllt.  Und  die  Blumen: 
der  Duft  deines  Körpers.  Die  ganze,  weite  Erde: 
das  ist  dein  Leib.  Und  das  goldige  Lebenslicht 
über  den  Breiten  ist  die  Wärme  deines  Leibes, 
und  die  milde  Luft,  weiches  Moos  und  Gras  sind 
seine  schmeichelnde,  süsse  Weichheit.  Graswogen 
und  alle  die  vielen,  vielen,  unendlichen  Bewegungen : 
so  gehst  du,  und  so  ist  das  Wogen  und  Wiegen 
deiner  Glieder.  L'nd  wie  es  singt  und  flötet  und 
zwitschert  und  jauchzt:  das  ist  deine  Stimme.  ' 

Ueberall,  überall  bist  du  und  nur  du,  und  nichts 
ist  ohne  dich  und  nichts  ausser  dir.  Alles  ist  dein 
Bild  und  dein  Gleichnis.  ■ 

Du  bist  das  liebe  Alädel ,  das  mich  neulich  er- 
freute. Du  bist  heute  blond,  morgen  schwarz,  über- 
morgen braun,  bist  Mann  und  Weib,  Kind  und 
Tier,  alles,  alles ' 

Wie  könnt  ich  deiner  jemals  überdrüssig  werden? 
Lnmer  und  immer  wechselst  du  und  erfreust  mit 
tausend  wechselnden  Gestalten  mein  liebes,  ver- 
änderliches Herz.  I 

Und  du,  du  bist  in  Lust  und  Pein  das  drängende, 


treibende,    nimmerrastende  Leben  hier  hinter  dieser  ;'- 

jl  dünnen  Grenze  meines  Körpers,  die  nur  ein  necken-  ;  ;. 

der,  spielender  Schein  ist  zwischen  mir  und  dir. 

Das  sind  die  Lieder,    die  alten  uralten,  immer 
^  neuen  Lieder,  das  eine,  einzige,  das  Lied  von  Dir  ...  "  ^  ; 


* 


Mein  Kopf  liegt  an  deiner  Brust. 

LTnd  du,  goldig,  licht,  jung,  beugst  dich  über 
mich. 

Mit  deiner  linden  Hand  träufelst  du  mir  Helio- 
trop auf  die  Stirn.  Ich  atme  den  süssen  Duft  und 
deinen  Atem,  der  süsser  ist  als  er. 

Mein  Gesicht  fühlt  deinen  Herzschlag,  deinen 
ruhigen,  ruhigen  Herzschlag. 

Und  Auge  in  Auge,  tiefer  immer,  versinkender. 

Leise,  leise  hernieder  zu  mir,  und  leise,  leise 
ich  hinauf  zu  dir.  Du  lächelst,  biegst  den  Kopf 
hintüber,  und  deine  Hände  drücken  sich  schwach 
gegen  meine  Brust  mit  schelmischem  Drängen. 

Und    nun :    Lippe    an    Lippe.      Lange    .    .... 

Zwischen    halbgeschlossenen    Lidern     dunkelt     dein 

Blick.      Und    nichts    ist    als    sein    Glanz    und    eine 

süsse  Wärme  von  dir  zu  mir. 

Frieden.     Und  aus  ihm  Kraft,  Gedanken,  Ent- 
schlaf, Frühling-.  3 


4/llfi^i^ä^^MMii'mk 


34     — 


hi<Mfi 


■zio^' 


Schlüsse,  lichter,  immer  lichter,  kühner  und  kühner, 
und  Erkenntnisse  .  .  .  ?^. 

Ein  Jubel  ist  in  mir,  ein  ungeduldiger  Jubel, 
der  hinauf  will,  hinauf,  bis  in  den  siebenten  Himmel 
hinauf! 


Was  ich  hier  träume  und  denke  und  dichte, 
das  ist  nicht  mein  Verdienst  und  nicht  meine  Schuld. 
Das  ist  das  goldige,  flammende  Rund  da  oben,  das 
sind  die  Blumen,  die  mich  umblühen,  die  Vögel,  die 
mich  singend  umschweben,  Halme  und  Laub,  die 
mich  umrauschen,   die   Menschen  nah  und  fern,  du. 

Alles,  alles  ist  dein  Verdienst,  und  wie  ich  mit 
dir  eins  bin,  so  ist  es  erst  auch  meins. 

Sind  wir  denn  getrennt:  du  und  ich? 

Nicht  hier,  nicht  jetzt.     Jetzt,  hier  sind  wir  ge- 
eint in  einem  einzigen,  weiten,  stillen  Frieden.    Hier 
sind  wir  Blume  und  Baum  und  Gras,  heller  Himmel 
und    goldiges    Kornwogen,    Farben    und  Vogellied,  ; 
hier  blühst  und  singst  und  levichtest  du  in  mir.  und  \ 
ich  in  dir.     Hier  bin  ich  frei 


Wir  beide,   wir  kennen  Augenblicke,  Stunden: 
wunderliche    Augenblicke!      Wunderliche    Stunden! 


35 


Was  peinigen  wir  uns  mit  harten,  höhnenden 
Worten?  Was  quälst  du  mich?  Was  quäl  ich 
dich? 

Lirum  larum!  Ich  weiss  jetzt  eine  grosse, 
tröstende  Weisheit! 

Lust  ist  Qual  und  Qual  ist  Lust,  und  es  giebt 
und  kann  in  alle  Ewigkeit  hinein  nur  eins  geben: 
Liebe^  Liebe,  Liebe,  dreimalheilige  Liebe,  wechselnd 
in  zwei  Gegensätzen  und  doch  einzig,  einig  und 
allein  Liebe,  Liebe,  Liebe  ..... 


Wie  sich  deine  Brauen  über  deinen  Augen 
wölben,  ihr  Schnitt,  ihre  Schwingungen,  der  feine, 
weisse  Bogen  unter  dem  dunklen  Apfel,  dieser 
Glanz  in  diesem  Rund  und  diese  schimmernden 
Lichter  in  das  Weiss  hinein,  diese  Nasenflügel  und 
ihr  feines  Beben,  die  sanften,  runden  Linien  dieses 
Gesichtes  mit  dem  milden  Spiel  von  Rot  und  Weiss, 
das  Gleiten  und  Biegen  dieser  Körperformen:  das 
alles  alles  spricht  von  einem  bestimmten  Schicksal, 
und  dieses  Schicksal  ist  eine  lebendige  Seele  und 
hat  dieses  Fleisch,  diese  Glieder  und  ihr  Verhältnis 
zu  einander  geschaffen.  Dieses  Schicksal  aber,  diese 
Seele   lieb   ich,   lieb   ich   in  Mitleid,   in  Staunen,   in 

3* 


36     — 


versinkender,      anbetender^     hingegebener     Bewun- 
derung .  .  .  .  . 


Ich  simuliere,  wie  ich  dir  den  Hof  mache. 

Eine  putzige  Welt  hat  der  liebe  Gott  um  uns 
hergerichtet  mit  artigem  Getier  und  Menschenvolk, 
zu  unsrer  Verlustierung  sonderbarlichen  Treibens 
beflissen.  ' 

Sie  fischen  und  gärtnern,  graben,  pflügen  und 
bauen  Beete  und  Felder,  feilschen  und  beklatschen 
sich,  bekalkulieren  Witterung  und  Ernte,  essen, 
trinken  und  schlafen,  rechnen  sich  über  heute  und 
morgen  hin,  schustern  und  schneidern,  zimmern  und 
schmieden,  zeugen  sich  fort  und  sterben,  sind  gesund 
und  krank,  hassen  und  lieben  sich,  und  alles  ist 
eine  artige,  lustige  Komödie.  ^ 

Und  Wälder,  Felder  und  Fluren,  weitgedehntes 
Land  mit  lautem  und  stillen,  mit  tausendbuntem 
Getier:  kriechend,  hüpfend,  springend,  laufend, 
flatternd  und  schwirrend,  mit  Blumen  und  Gräsern, 
mit  tausend  bunten  Farben  und  Bewegungen,  mit 
Leuchten,  Glitzern  und  Flinkem  ist  um  uns  herge- 
richtet, uns,  uns  zur  Lust:  von  dieser  Welt  bau  ich 
dir    träumerische,    ausgelassene,    viele,    viele    bunte 


—     37     —       "  , 

Lieder   in   freien  Weisen,  wie  sie  mir  so  durch  den 
Kopf  schiessen. 

Alles,  alles,  ganz  sollst  du  mich  haben;  denn 
das  alles  war  und  ist  mein  liebes,  gepeinigtes, 
lauschendes  und  schaffendes  Herz  mit  Lust  und 
Leid,  Elend  und  Glück,  Hass  und  Liebe;  ein  Spiel 
nun  alles,  ein  närrisches,  lustiges  Spiel,  denn  du, 
du  bist  in  der  Welt  und  in  mir  beschlossen  und 
eine  einzige  Wonne,  ein  einziges,  unerm essliches 
Glück.  Und  mit  diesem  ist  für  alles  gesorgt ,  jetzt 
und  immer  und  ewig  ....  . 

*         ■  ■■;*   '-  \  ?V  '    -     " 

Heute  Morgen  schlenderten  wir  beide  durch 
die  Felder,  schaukelten  unsere  zusammengefügten 
Hände,  sahen  uns  in  die  Augen,  lachten  und  waren 
still,  ganz  still. 

Da  haben  wir  den  Frühling  gesehn.  ■; 

Mitten  auf  dem  staubigen  Feldweg  patschelte 
er  uns  entgegen  in  einem  hellrosa  Wölkchen. 

Er  war  ein  Mosjöh  Dreikäsehoch,  hatte  einen 
ratzekahl  geschorenen,  schlohweiss  scliimmernden 
Flachskopf  und  zwischen  zwei  rotbraunen  Posaunen- 
backen eine  höchst  naive  Stuppsnase,  aus  der  ein 
paar  perlenklare  Talglichtlein  sacht  auf  ein  offen 
Schnäuzchen  herniederrannen.    Ohne  viel  Gene  trug 


38 


er  ein  blauverschlissen  Kittelchen  auf  seinem  nudel- 
dicken Wurstleibchen,  vorn  hoch,  hinten  tief,  aus 
dem  ein  höchst  schnuddliges  Bein-  und  Armwerk 
hervorpendelte. 

Seine  Hoheit  sahen  uns  mit  ein  paar  grossen, 
tiefblauen  Vergissmeinnichtaugen  durch  und  durch 
und  brömselten  so  viel  Unsinn  vor  sich  hin ,  dass 
uns  ganz  wirblicht  wurde.  I 

Er  liess  sich  von  dir  die  Nase  putzen,  geruhte 
von  mir  einen  Nickel  anzunehmen,  und  gesegneten 
Herzens  schlenderten  wir  weiter,  weit,  weit  in  die 
sonnige  Klarheit  hin,--  aus  der  er  gekommen  war  .  .  . 


Anders  aber  sah  ich  ihn  ein  andermal. 

Das  war  vor  mancher  Woche.  ' 

Einsam  sass  ich  in  meinem  einsamen  Zimmer 
mitten  in  der  grossen,  grossen  Stadt. 

Die  Sterne  flammen  auf  im  tiefen  Blau ,  hoch 
oben  über  den  Dächern,  zwischen  den  milchweissen 
jagenden  AVindwolken,  den  Frühlingswolken  und 
die  roten  Abendlichter  verglühen  still  an  den  langen, 
langen,  dunkelnden  Mauern. 

Draussen  aus  der  Stille  lösen  sich  Stimmen 
und    der  Wind    fängt  an   mit  frischen   Stössen   das 


:  ;_  _   39   — 

Fenster  zu  streifen,  und  singt  im  Rauchfang  sein 
altes  Lied. 

Es  wächst  und  wächst,  und  immer  voller,  immer 
stärker  das  frische,  fröhliche  Brausen. 

Wunderlich  geht  es  vom  Fenster  zur  Thür 
durch  das  Zimmer  mit  einem  feuchtwarmen  Zug. 

Und  ich  schnaufe  den ,  Frühling  ein ,  seinen 
gesunden  Odem,  Und  ich  wittre  einen  Duft  wie 
von  Rosenblättern,,  getragen  von  den  unsichtbaren 
Fluten.  Frisches,  thaufeuchtes  Wiesengras  spür  ich 
und  den  Geruch  frischgepflügter  brauner  Felder, 
die  im  sonnigen,  lerchenschmetternden  Frühnebel 
dampfen.  Und  ich  höre  die  freudige  Sprache  der 
werdenden  Welt,  der  erwachenden,  jungen  Kreaturen. 

•Meine  Sinne  fahren  auf  und  hin,  getragen  von 
dem  Brausen,  eins,  ebbend  und  flutend  mit  seinem 
herrlichen  Rhythmus:  jetzt  aufhorchend,  jetzt  still 
in  traumhafter  Versonnenheit  und  in  neuer,  immer 
neuer  Gewissheit  auf,  in  die  Höhe;  und  es  packt 
und  durchschüttelt  mich  in  freudetollen  Phantasien 
von  der  Zukunft. 

Und  nun  bin  ich  draussen  in  der  äussersten 
Vorstadt. 

Weit  dehnt  sich  das  Land  hinaus  im  nächtigen, 
witternden  Zwielicht.  Hier  ein  Netz  von  baumbe- 
pflanzten   Wegen,   im   flachen  Land   sich   verlierend. 


40 


Bald  werden  sie  Strassen  sein,  wie  die  da  drin,  und 
die  Häuser  da  und  dort,  vereinzelt  und  in  Gruppen 
über  das  Freie  hin  verstreut,  werden  zusammen- 
wachsen zu  Stadtvierteln  bis  hinaus  zu  den  fernen 
Vororten. 

Weite  Landstrassen  ziehen  sich  hinaus,  und 
von  allen  Seiten,  durcheinander,  aneinander  hin, 
schnaubende,  donnernde,  rollende  Züge,  herein  und 
hinaus  in  das  nächtige  Land  wie  riesige,  feurige 
Raupen.  i 

Und  nun  zackt  es  sich  weit  hinter  mir  mit 
Dachzinnen  und  Türmen  und  ragenden  Schorn- 
steinen und  verrinnt  breit,  endlos  in  trüben  roten 
Dunst,     und    starrt    müde    mit    seinen    tausend    und 

abertausend  Fenstern  in  das  freie  Land  hinein. 

i 

Und  der  Sturm  wächst  und  braust  und  knattert 
und  pfeift  mit  den  hundert  lustigen  Stimmen  seines 
wilden  Akkordes  heran  über  die  brachen  schwarzen 
Schollen,  durch  Gestrüpp  und  Geäst,  und  hinein 
n  die  langen,  lichtflackernden  Strassenzeilen ,  und 
all  das  Lebensblut  da  drin  wallt  auf  in  frischen 
Gluten,  und  lebendiger  regen  sich  Millionen  Kräfte 
gegen-  und  durcheinander. 

Aus  weitem  fernen  Süden  strömen  die  durch- 
glühten Lüfte  her,  seitwärts  gebogen  vom  kreisenden 
Umlauf    der    Erde,    und    in    ihrem    jubelnden    Ge- 


41 


tose  ist  es  lebendig  von  Millionen  Stimmen  und 
Wunderen. 

Ueber  der  unendlichen  Oede  der  Wüste  haben 
sie  geglüht,  von  reineren  Sonnen  und  Monden 
durchbebt,  über  ragenden  Palmen  und  fernen, 
fremden  Gebreiten,  über  mächtigen  jMeeren  und 
Strömen  und  Seen,  über  der  wilden  grünen  Nacht 
der  Urwälder,  durchhallt  vom  Gekreisch  und  Ge- 
brüll fremdartiger  Tiere,  und  durchglüht  von  unge- 
ahnter, leuchtender  Pracht,  und  ein  üppig  wucherndes 
Leben  haben  sie  gezeugt. 

Und  nun  tragen  sie's  herüber  mit  ihren  wild- 
freudigen Strömen  und  wirbeln  es  zu  uns  her  über 
weite,  bäumende  Meere,  über  herrliche  Breiten 
wärmerer  Sonnen,  über  ewig  eisige  Höhen,  ihrer 
winterlichen  Starrheit  trotzend,  und  wirbeln  es  her 
mit  den  fröhlichen  Scliaaren  der  Vögel  und  leben- 
digen Keimen. 

Und  der  Tumult  der  ewig  lebendigen  Kräfte 
wogt  herab  aus  den  Höhen  in  unbegreiflichen 
Schwingungen  und  bebt  in  uns  hinein. 

Sie  zittern  hinein  in  schwarze,  ruhende  Tiefen, 
und  es  beginnt  ein  Hin  und  Wider  und  Ineinander, 
und  bebt  und  treibt  dunkel  unter  süssem  Zwange, 
und  aus  Beben  und  Treiben  und  unerforschlichen 
Mischungen  der  Elemente  werden  Keime,   und  die 


—     42 


^ 


schwarze,    träumende   Ruhe  ringt  sich  dem  Lichte 
entgegen,  dem  Licht  .....  i 

So  spürt  ich  damals  den  Frühling.  1 

Sturmlieder  brauste  er  hinein  in  die  langen, 
flackernden,  öden  Vorstadtstrassen,  wilde,  rüttelnde 
Sturmlieder,  und  wenn  ich  recht  hörte,  hatten  sie 
einen  sehr  polizeiwidrigen  Text 


Bah!  —  Hier  lieg  ich  und  strecke  mich,  ein 
Thunichtgut  und  Simulant  schlimmster  Sorte. 

Sämtlicher  Laster  und  Tugenden  bin  ich  teil- 
haftig. Ich  habe  mit  Christus^  dem  Herrn,  die 
Leidensnacht  in  Gethsemane  durchlitten,  und  mit 
Buddha  das  innerste  Wesen  der  Welt  erkannt. 
Ich  bin  geschlechtlos,  bin  Mann  und  Weib.  Schuld- 
los bin  ich  und  naiv  wie  das  reinste  Kind  und  er- 
fahren wie  der  blasierteste  Roue!  Ich  bin  Kaiser 
und  Held  und  der  niedrigste  Sklave.  Der  gew^andteste, 
gefährlichste  und  der  blödeste,  einfältigste  Liebhaber, 
bin  und  habe,  was  ich  will.  ,  i 

Jetzt  aber  bin  ich  eine  grosse,  schöne  Blume. 
Bin  Fühlen,  ganz,  ganz  dämmerndes  Fühlen.  Ich 
wurzele  in  einer  süssen,  feuchten  Kühle,  und  dehne 
mich  sacht  in  ein  laues,  fächelndes  Schweigen  hinein, 
spreize  mich,  ringend  und  nachgebend,  mit  hundert 


f  ^t  / 


ff,it^," ., 


f0a 


43 


Formen  in  sanften,  neckischen  Widerstand  hinein, 
etwas  Heissem,  Lichtem  sehnend  entgegen.  Zu 
oberst  leuchte  ich  vor  Jubel,  und  meine  Lust  wird 
eine  köstliche  Süsse.  Es  schwirrt  zu  mir  her  mit 
bunten,  durchsichtigen  Flügeln,  und  ich  erschaure 
in  den  Wonnen  einer  leisen,  leisen,  sanften  Be- 
rührung   

Traum  bin  ich,  Traum,  ganz  Traum  und  süsses, 
süsses  Verdämmern,  Schlummern,  Entschlafen 


Staunendes,  erschrecktes  Erwachen. 

Lange  Schatten  und  müde  Lichter.  Treiben 
und  wellen  mit  verglühendem  Gekräusel  über  die 
Wasser  herüber  und  verblinken  in  stumpfes  Blaugrau. 

Goldig  versinkende  Glut  über  breitgedehntem, 
schwarzen  Baum  gekrissel.  , 

Hoch,  hoch  drüber  aus  zartem,  zarten  Grün 
ein  Sternchen. 

Noch  eins;  noch  eins.     Viele. 

Breite  Schatten  wogen  vom  Osten  her  über 
die  Welt  mit  den  Geheimnissen  heimlicher  Laute 
und  Gestalten.  ;  -^ 

Drüben  sinken  die  müden  Gluten,  sinken  und 
sinken 


44     — 


Kühle  Schauer  vom  Wasser  her  durch  leises 
Geflüster,  singendes  Plätschern  und  Murmeln.  1 

Langsam,  langsam  schiebt  sich  die  Silhouette 
eines  Kahns  durch  silberspiegelnde  Glätte,  langsam, 
langsam  den  Nebelfernen  zu. 

Tiefe,  tiefe  Einsamkeit,  Friede,  Grauen :  meiner 
Seele  zu  süss,  viel,  viel  zu  süss 

Rote,  warme  Lichtlein  glimmen  fern  in  niedriger 
Enge  zwischen   breit  geballten,  schwarzen  Wipfeln. 

L^nd  unter  weitentfachter,  goldiger  Pracht 
wandre  ich  mit  eiligen  Füssen  durch  weisse  Nebel 
den  Lichterchen  zu,  den  ar^en,  glimmenden,  heim- 
lichen Lichterchen. 

Zu  Dir,  Madame!     Zu  Dir! 


:aen 


# 


Zwielicht 


An  den  himmelhohen  Mauern  nieder,  durch 
das  Fenster,  zwischen  den  Gardinen  das  erste 
Morgenlicht. 

Leise  —  grau  —  tot.     : 

Nur  hoch  oben  das  arme  bischen  Himmel 
und  die  drei  Sterne.  • 

Und  ich  liege  und  brüte  und  würge  an  meinem 
blöden  Leid. 
~"  Dich  will  ich!     Dich!  ....  . 

Und  mein  Wille  und  meine  grosse  Pein  schreit 
in  mir:  Dich  will  ich!  Dich!  Dich! 

Nichts  ist  in  der  müden  Welt  als  das  Grauen 
und  der  Zw^eifel.  .  *• 

Und  du  und  ich.  Du  und  ich  und  unsre 
Sehnsucht. 

Und  unsre  Sehnsucht  will  neuen  Anfang. 
Unsre  Sehnsucht,  die  nie  sterben  kann!     Nie!  — ■ 

Wo  bist  du?!     Wie  halt  ich  dich?! 


—     46     —  . 

1 
■        ■■       ■.  ■  ■    -"      ■  t 

Ich   schreie   nach   dir  durch  eine   einsame,  ein- 
same Nacht!  I 
Meine  Sehnsucht  wird  Angst  und  meine  Angst 

■wird  Grimm! 

I    - 

Gieb  dich  mir!!  j 

Du  musst  dich  mir  geben!!     Musstü  i 


Wo  bist  du?!  i 

Ueberall,  überall  bist  du  und  überall  flirrt 
meine  Sehnsucht  an  dir  hin.  ' 

Älit  hundert  dummen  Masken  hast  du  mich 
den  Tag  über  geäfft. 

Warum?  ' 

Du  warst  die  Kinder,  die  am  Brunnen  Ringel- 
reihen spielten.  Und  wie  sie  sangen  und  jauchzten, 
ganz  junger,  seliger,  helläugiger  Wahn,  da,  einen 
Augenblick,  hielt  ich  dich! 

Aber  hinter  hundert  thörichten  Masken  verlor 
ich  dich  wieder. 

Alt,  runzlig,  gebückt,  niedergezwängt  von 
stummen  Oualen  wanktest  du  an  mir  vorüber, 
verkrüppelt,  hässlich,  schmutzig.  Du  sahst  mich 
an  mit  schielendem,  ausweichenden  Blick,  mit 
feigem  Hass.  Stumpf,  im  Frohn  von  tausend 
täglichen    Hantierungen,    in  tausend    Gestalten    sah 


1 


47 


ich  dich  keuchen  und  gegen  deine  Sehnsucht  ringen. 
Du  schaltest,  logst,  stahlst,  beschimpftest.  Du  ver- 
leumdetest, betrogst,  weintest,  lachtest,  sangst  und 
warst  guter  Dinge:  und  immer  wolltest  du  dich  um 
deine  Sehnsucht  betrügen.  Deine  Stimme  war  grell 
und  roh,  deine  Geberden  rauh  und  widerwärtig,  rauh 
deine  Sprache.  Und  wieder  sanft  und  mild  und 
weich,  und  schwoll  in  köstlicher  Fülle  von  deiner 
sehnenden  Angst. 

Hinter  tausend  dummen ,  thörichten  Masken 
wolltest  du  dich  vor  mir  verbergen.  ' 

Warum? 

Meinen  Augen  bleibst  du  nicht  verborgen. 

Tief  und  scharf  sehen  sie  in  dich  hinein  und 
sehen  deine  suchende,  hastende  Angst  und  deinen 
Willen,   der  doch  weiss,   der  ja  doch  weiss 

Ach,  warum  sind  wir  so  feig,  du  und  ich? 

Warum  bin  ich  so  feig? 


Nächtig  ist  es  überall  und  überall  nur  tausend 
irrende,  grausige  Fragen. 

Ach,  ich  kenne  unsre  Erlösung! 

Denn  ich  sehe  ein  Licht,  ein  fernes  Licht,  und 
höre  einen  Ton,  von  fern  einen  feinen,  süssen  Ton. 


48 


Irgendwo  seh   ich   ein  Licht,  irgendwo  hör  ich 
einen  Ton  und  irgendwo  grollt  ein  Wille. 
.        O,  ich  kenne  unsre  Erlösung!  i 

Hier  glimmt  das  Licht!     In  mir!     In  dir! 

Wenn  wir  wollen,  hellt  es  alle  Nächte  und  ge- 
biert Millionen  freudiger  Farben  und  Formen. 

Hier  lebt  der  Ton!     In  mir!     In  dir! 

Wenn  wir  wollen,  so  jauchzt  er  ungeahnte,  nie 
gehörte  Melodien.  i 

Hier  grollt  der  Wille!     In  mir!     In  dir!         |  , 

Und  er  ist  die  morgenfrische  Kraft  neuer,  junger, 
knospender  Sinne.  l 

In    uns  drängt   das  unermessliche   Glück  einer 
Offenbarung. 

Wann  soll  es  hervorbrechen?  i 

..     Wann  lacht  es  unsre  Feigheit  zu  Tode? 


Weichst  du   mir  aus?     Weichst   —   du   —  mir 
—  aus?!!  ,        1    , 

V:    Wohin?  ■     i 

Komm!     Komm  mit! 

Weit,    weit    durch   die  Nacht!     Hinauf  zu  den 
Höhen! 

-:  Den  Höhen!  — 
Ach,  Hohn!     Hohn! 


•■  ■:  —    49    —  ;■  i    ;  :,■•;■; 

Oben,  hoch  oben  im  weiten  Zwielicht. 

Hoch  oben  über  den  brausenden  Wäldern,  in 
der  einsamen,  schaurigen  Frühe. 

Hoch  über  den  weissen,  toten  Nebeln,  zwischen 
dem  schwarzen,  donnernden  Grauen  der  Tiefen  und 
den  kalten,  blassen  Weiten. 

Durch  die  frühlichtwitternde  Oede  geht  ein 
Sausen,  eintönig  ein  weites,  weites  Sausen  dumpf 
über  Höhen  und  durch  Schlünde.  . 

Mein    Gehör     spannt     sich    ihm    nach    in    alle  ... 

Fernen  hinein  und  meine  Augen  starren  in  weiter 
Angst  und  doch  mit  mutiger,  wollender,  zorniger  Lust. 

Mitten    hinein   in   diesen  furchtbaren  Einklang. 

Das  ist  die  „Harmonie  der  Sphären". 

Die  Harmonie! 

Komm!  ; 

.         *  *         '  ■■".■■■■ 

Dort  oben  die  Himmel  mit  dem  Wirrsal  ihrer 
Weltenringe. 

Ich  fühle  das  eisige,  tiefschwarze  Grausen  der 
endlosen  Räume. 

Ich  sehe   all   die   gelben  Welten   und  höre  den  > 

grässlichen  Tumult  ihres  Umlaufs.  Jahre,  Jahrzehnte, 
Jahrtausende  und  Jahrmillionen,  in  die  Unendlich- 
keiten hinein,  das  gleiche  und  ewiggleiche  kalte, 
blöde  Sausen  ihrer  Bahnen. 

Schlaf,  Frühling.  4 


Y^^m^^am^i 


—     50     — 


Feuer,  Wasser  und  Elemente,  werdender  Welten- 
stofF  in  den  unerhörten  Empörungen  seiner  zahl- 
losen Bildung-en.  Wogen  als  weltenweite  Nebel, 
dichten  sich  und  lösen  sich  wieder  und  härten  sich 
zu  Welten,  zeugen,  gebären  und  verschlingen  sich 
wieder,  rasen  ewig  zwischen  Werden  und  Untergang. 

Wozu?  I 

Dieses  Glitzerpünktchen  zu  erzeugen,  das  das 
erste  Licht  hier  auf  dem  gx*auen  Gestein  weckt? 
Oder  wozu? 

Und  hier,  hier  unten:  immer  der  gleiche,  tote 
Wechsel  von  Tag  und  Nacht,  mit  demselben  Tumult 
tauber   Farben,   Formen   und  Töne?     Und 

Ach,  alte  Leier!  | 

Soll  ich  dich  wieder  und  wieder  und  noch  ein- 
mal herunterleiern?  1 

Dummes  Rätsel!     Dumme  Zweifel!  _ 

Wissen  wir  nicht  unser  Glück? 

Wissen  wir  nicht? 

^  %  '  -  '       I 

■      -.  *  r  ■  .- 

O,  ich  denke,  ich  sitze  da  oben  unter  meinem 
Buchenstamm  und  du  bist  bei  mir.  Und  du  bist 
in  mir  eine  gelassene  Ruhe. 

Und  du,  meine  Ruhe,  mein  Frieden,  du:  leise, 
leise  machst  du  die  taube  Welt  lebendig,  und  mit 
innerlichstem  Jubel  seh  ich,  wie  das  Licht  wird. 


51 


/ 


Hell,  hell  wird  es  in  mir  von  dem  lieben  Getön 
eines  erwachten  Vogelliedes. 

Durch  die  grünen  Gründe  flötet  es  herauf  und 
jubelt  in  der  Gewissheit  des  nahenden  Tages. 

Ich  schlafe,  schlafe  nun  mit  weitoffenen  Augen 
und  schlafend  seh  ich  mit  weitoffenen,  lachenden 
Augen  die  grosse  Einheit,  die  alles  ist,  die  wir  sind, 
du  und  ich 

Hinauf  seh  ich  in  die  Höhe,  hinein  in  die  Breite, 
hinab  in  die  Tiefe  und  sehe  in  mich  hinein,  wo  das 
dreifach  gedehnte  einig  ist,  jetzt  einig  in  einer  friede- 
vollen Einheit. 

Und  aus  Schatten  und  Lichtahnungen  werden 
Gedanken  in  mir  und  Lieder,  laute,  fröhliche,  aus- 
gelassene, stille,  friedevolle  Schlummerlieder. 

Die  sind  nun  meine  Arme,  meine  weiten,  riesen- 
starken Arme.  ;;  - 

Mit  denen  will  ich  dich  jetzt  umfassen,  und 
will  dich  an  mein  nun  übermütiges,  sonnenhelles 
Herz  pressen.  Mit  denen  heb  ich  dich  hinaus  über 
den  tausendgestaltigen  Zwiespalt  unsrer  Unrast, 
trotzig  hinaus,  hoch,  hoch  hinauf  in  einen  goldigen, 
stillen  Frieden,  Dich  ...... 


/ 


Wc 


4* 


52 


Hier  sitzen  wir,  du  und  ich,  in  Liebe  eins,  und 
spielen,  und  geben  dem  Getümmel  der  Welten  einen 
Sinn,  der  uns  genehm  ist,  und  der  untrüglichste, 
fröhligste,  ausgelassenste  Wahrheit  ist. 

Aller  Welten  und  allen  Lebens  Sinn  ist  er, 
dieser  kleine  dumme  Sinn,  den  unsre  spielende 
Liebeskraft  ihm  giebt,  und  mutig  drängt  er  sich 
gegen  das  grosse,  schaurige  Rätsel,  und  so  muss 
es  uns  Frieden  lassen,  dir  und  mir '        - 

So    aber    lacht   unser   Uebermut  und  fabuliert: 

Mit  sehnenden  und  immer  sehnenderen  Bahnen 
kreisen  die  Welten,  jede  um  einen  Ursprung  uran- 
fänglicher Seligkeit,  und  alle  um  einen,  im  ewigen 
Spiel  ewigen  Suchens,  Findens  und  Verlierens.       i 

Der  blasse  Mond,  das  stille,  verlöschende  Licht- 
wölkchen dort  über  den  westlichen  Wäldern,  kreist 
um  die  mütterliche  Erde  in  der  Sehnsucht  seiner 
Elemente  nach  aufflammender  Vereinigung,  und  sie 
ist  ihm  unverweigerlich  verbürgt  nach  unverbrüch- 
lichen, mystischen  Gesetzen.  J^ 

.  Und  die  Erde  um  das  liebe,  gleissende  Rund 
dort  oben  in  der  Sehnsucht  ihrer  Elemente  nach 
aufflammender  Vereinigung,  und  sie  ist  ihr  ver- 
bürgt, unweigerlich,  nach  den  gleichen  mystischen 
Gesetzen.  ' 

Der  sehnende  Zwang  der  Elemente  aber  dichtet 


—     53     —       ,:- 

sich  in  unergründlichen  Mischungen,  gestaltet  sich 
und  wird  lebendig  und  seines  seligunseligen  Ge- 
schickes sich  bewusst  in  den  unzähligen  Genera- 
tionen ungezählter  Lebewesen. 

In  Milliarden  von  Krystallen  formt  sich  ihre 
Sehnsucht  und  Seligkeit,  in  Kampf  und  Widerspiel, 
verfeinert  sich  aus  dem  Nichtorganischen  zur  ersten 
dumpfen  Lebensregung  des  Urschleims,  wird  Pflanze 
und  Tier,  wie  die  Zeitalter  sich  vollenden  und  das 
selige  Ziel  sich  nähert. 

Und  das  Tier  wurde  im  Kreislauf  der  Ent- 
faltungen erlöst  zur  Klarheit  über  sich  selbst  hinaus 
im  Menschen.  Und  wie  die  Jahrtausende  sich  runden, 
werden  die  Elemente  im  Menschen  durch  unzählige  < 
Zeugungen  hindurch  zu  herrlichen  Erlösern,  mischten  #1 
und  dichteten  sie  sich  zu  Confuzius  und  Zarathustra, 
zu  Buddha  und  Christus,  und  alle,  alle  verkünden 
den  einen  Trost  vom  lachenden  Ende,  das^imsterb- 
licher  Anfang  ist. 

Und  enger  und  sehnender  treiben  und  ziehen 
sich   die  Weltenbahnen   gegen   ihren   Ursprung  hin. 

Neue  Unruhe  neuen  Werdens   und  Erkennens. 

Feiner  mischen  sich  die  Elemente,  und  der 
letzten,  hastenden  Unrast  des  Erstarrenden  entblühen 
neue,  wissendere  Geschlechter. 

Sinn  und  Trost  letzter,  wilder  Leiden,  gieriger 


54     — 


Genusswut,  dumpfer,  gellender  Verzweiflung  tod-  und 
friedereifer  Geschlechter  und  Erkenntnisse  ist  ein 
neuer  Held  und  Heiland. 

Und    der    wird    schön    sein    und    fein    wie    ein 
hellenischer    Gott,    mit    weiten   Sonnenaugen.     Sein 
mächtiges  Gehirn  wird   alle  Weisheit  Buddhas  um- 
spannen.    Klug  ist  er  und  beweglich,  ohne  Falsch, 
gut,  mild,  edel,  sich  selbst  eine  Lust,  ganz  freudige, 
selbstsichre  Kraft.     Alle  Weisheit  wird  in  ihm   zur 
heitren,  spielenden  Thorheit  eines  Kindes  geworden 
sein.     Und   er    wird    der   Kaiser   sein,    der    Kaiser 
einer  goldigen,  verjüngten  Zeit  ...... 

-   Verstehst    du    mich?      Dies    grosse    Lied    und 
diese  grosse  Geschichte?  i 

Unser  kleines  Lied  und  unsre  kleine  Geschichte 
ist  das.  Die  lachende,  lustige  Geschichte  von  zwei 
Leuten,  die  sich  lieb  haben,  von  dir  und  mm^  Und 
wir  singen  sie  uns  jetzt  zu  unsrem  Spass  so,  und 
wenn  wir  wollen,  werden  wir  sie  morgen  mit  einem 
andern  Text  singen .         j 


Ich  denke,  ich  liege  nun  an  deiner  Brust  und 
schlummre  und  bin  einen  süssen  Tod  gestorben.     ' 

Mein  Blut  ist  nun  das  morgenfreudige  Tosen 
deiner   Wälder.     Weitgedehnte,  hohe,  blaue  Berge 


f^ßmf 


7, 


iM^//U4^- 


rn^ff^^ 


\_    -  —  55   —  ■-.  ■  ■/.^:/^^ 

in  hundertfacher,  freundhch  wellender  Bildung,  tiefe, 
breite,  grüne  Thäler,  blitzende  Flüsse  und  trommelnde, 
donnernde  Wildwasser:  das  alles  bin  ich  in  dir. 

Meine  Gedanken  sind  sanfte,  blinkende  Thau- 
tropfen,  kleine  liebe,  rote  Blumen  und  unermessliche 
Himmelsfernen,  die  entflammen  in  goldblauem  Glanz, 
dunkle  Wettertannen  und  zirpende,  flötende  Vogel- 
lieder, jähes  Gestein  mit  gleissenden  Rissen,  uingoldet 
von  den  erwachten  Lichtern  der  Frühe. 

Mich,  mich  selbst  seh  ich  mit  trunkenen  Augen. 
Klar  bin  ich  meiner  selbst  mir  bewusst,  und  mystisch 

verhüllt   ahn   ich   mich  mit  erschauernder  Sehnsucht 

in  meiner  Unendlichkeit,  in  dir,  als  du ^  , 

Höher  und  höher  hebt  sich  die  Sonne  über  die 
blauen  Wälder  und  wärmt  und  lacht  und  wärmt 
und  zeugt. 

Denn  jetzt  ist  die  urbestimmte  jMischung  der 
Elemente  da,  die,  gewärmt  und  befruchtet  von  dieser  •-' 

Sonnensphäre,  den  übermenschlichen  Heiland  zeugen     ' ' 
und  gebären. 

Tiefes,  tiefstes  Geheimnis! 

Und  doch,  wie  meine  Hand  hier  auf  der  grauen 
Stammborke  liegt,  spür  ich  es  mit  verstehenden, 
wissenden  Schauern. 


—     56     — 

Und  ich  fühle,  fühle,  wie  es  unzählige  Rinnen 
und  Röhrchen  und  Poren  öffnet,  in  Sehnsucht,  in 
Sehnsucht  der  lieben  Wärme  entgegen,  wie  es  giebt 
und  aufnimmt  in  wonnigen  Spannungen  und  Ent- 
ladungen. 


i  Und  in   mir  hab  ich  jetzt  den  Trost  einer  uii.-_ 

-  erhörten  Selbstschätzung.  I 

Meine  Poren    saugen   die  himmlische  Glut  ein, 
;  und  wie   sie    durch   mein   Blut    schauert,    weiht   sie 

;  ■  jetzt  mich,   mich  zu   dem   Helden,   der  da  ist  und 

kommen  soll. 

Siegfried   bin   ich  und  schlage  einen  mächtigen 

'^röttdiuU*vwUi.(h^^'^^'^  Lindwurm  tot.  I 

VftO^rh  '^"^'^^s*  ^"oi"    niir '    i^^    ^ii"    krümmt    und    schlingt    und 

windet  er  sich  mit  tausend  klammernden  Schwänzen 

und  klaffenden  Rachen,  gebannt,  gebannt  von  meinen 

\  lachenden  Blicken.  ' 

,  Und  wie  er  sich  auch  feige  windet  mit  unzähligen 

schlauen  Listen,   mir  beizukommen:  mir  bleiben  sie 
!  nicht  verborgen.  j 

Da  oben  das  liebe  Licht  durchbebt  mich  mit 
einem  innerlichsten,  frohen  Gelächter:  und  dieses 
Gelächter  ist  mein  Schwert.  Mit  dem  schlag  ich 
ihn  tot,  den  alten  müden,  verzweifelten  Lügner. 


57 


Schon  blinzeln  seine  hundert  Aeugelchen,  und 
immer  müder  werden  seine  KJreise  und  seine  böse 
Kraft  dämmert  hinüber  in  den  seligen  Frieden  der 
Einheit,  der  auch  ihm  bestimmt  ist. 

Mit  tausend  Klammern   umpresst   er  das  arme,    i 
junge  Leben,  und   die   nennen  sich  ehrbar  Gesetze,  '  -  -  .    y,       r 

Institutionen ,  heilige  Vermächtnisse ,   Staat ,  Kirche,,   ^ (jt/vffüti^ '-'^ , 
Sitte,  Ehre,  Moral,  Gott.  i 

Schlau  trennt  er  die  Natur,  die  ewig  ungeteilte,  | 
in   Geist   und  Fleisch.     Sünde    nennt    er   die  Liebe^' 
und  Teufel  das  Weib. 

Tausend  schnörklige  Phrasen  pfaucht  und  dunstet 
er  mir  ins  Gesicht,  bläst  mir  tausend  verzwickte 
Neunmalklugheiten  ins  Ohr  und  hakt  nach  mir  mit  / 
seiner  gefährlichsten  Tatze,  die  Gewissen  heisst  und  MLi^dM'^^ 
Pietät.  .;  .  ^ 

Aber  ich  lache  und  lache  nur,  und  vor  meinem 
Lachen  vergeht  er  in  einen  dummen,  blöden  Dunst, 
vor  meinem  unwissenden  Lachen. 

■  ■?  ■"  *     .'   -   ' '  --  ■  *  ■'"    ..  ".■  "-■' 

^'  '  ' 

Und  ich  sehe  in  ein  fernes  Thal. 
Da    lacht    im   weiten   Sonnenglanz   ein   schönes 
Wunderland. 

Noch  verhüllt,  leise  verhüllt. 

Das  ist  das  verlorene,  wiedergewonnene  Paradies. 


—     58     — 


Da  gehen  Hand  in  Hand  Adam  und  Eva  im 
gütigen  Sonnenlicht  an  breiten  klaren  Wassern  über 
smaragdene  Wiesen. 

Da  gehen  Hand  in  Hand,  wir  beide,  du  und 
ich,  im  gütigen  Sonnenlicht  an  breiten  klaren  Wassern 
über  smarafgdene  Wiesen. 


An  den  stillen  Wassern  gehen  wir  hin  durch 
den  Garten.  Und  wir  sehen  alles  Getier,  das  in 
den  Lüften  lebt  und  im  Wasser  und  auf  der  grünen 
Erde,  und  nennen  es  mit  neuen  Namen.  Und  wir 
sehen  die  Menschen,  und  über  sie  erlöst  nennen 
wir  sie  mit  neuen  Namen  und  haben  an  ihnen 
unser  staunendes  Ergötzen.  Wir  sehen  Bäume, 
Sträucher,  Kräuter  und  Blumen  und  nennen  sie 
mit  neuen  Namen.  Und  Lüfte,  Winde,  Wasser, 
Sonne,  Mond  und  Sterne  nennen  wir  mit  neuen 
Namen.  Denn  alles,  alles  ist  nun  anders  geworden 
und  neu,  und  du  und  ich  wir  sind  zwei  dumme 
Kinder,  die  spielen  und  staunen,  und  gaffen  und 
lernen i 


I 


—     59     — 

■■    Du?!  ■'-:---^'--:   -  ■       '    -  ;<■    ■■: 

Hörst  du  mich  durch  alle  deine  Masken,  deine 
thörichten  Masken? 

Das  ist  das  Lied  unserer  Sehnsucht  und  unserer 
Ahnung. 

Trüb  noch,  trübe  und  zag. 

Aber  ich  weiss  und  will  noch  ein  andres.  Das 
ist  das  letzte  und  höchste.  Das  kümmert  sich  nicht 
um  Himmel  und  Rätsel.  Das  ist  das  Lied  von  den 
Nähen,  das  Lied  von  den  enthüllten  Nähen. 

Wann  wird  seine  Zeit  gekommen  sein  ? 

Wann  werden  wir  wollen? 

Leise,  leise  kommt  der  Tag  und  mit  ihm  die 
Feigheit  und  die  Angst  und  —  der  Zorn !  — 


Das  Lied 


Unter    den    Sternen    hin,    hinter    den    dunklen 

Bäumen,  ziehen  Leute  und  singen  ein  Lied.  ' 

Ich  lausche  —  mitleidig  —  schadenfroh  —  ver- 

I 
sonnen. 

Denn  in  diesem  Lied,  in  diesem  schlichten  Lied, 
ist  ein  Gift  und  eine  heimlich  fressende  Flamme 
und  die  Schönheit  einer  fernen,  fernen  Heimat  .  .  . 

Das  wissen  sie  nicht  in  ihrer  dunklen  Fröhlich- 
keit; aber  ich  weiss  es  .  .  .  I 

Denn  tief  in  mir  zehrt  dieses  Gift  und  frisst 
diese  Plamme  und  will  hervor  und  leuchten.  Und 
tief  in  mir  ist  ein  Kreisen  und  Werden.  —  Wessen? 

Ach  Not,  Not  halbbewusster  Fülle,  endlos 
süsse  Not!  j 

Ich  lausche  und  sitze  und  warte,  ahne;  und 
meine  Augen  weiten  sich  einem  köstlichen  Gesicht 
entgegen,  das  naht  und  naht,  von  fern,  ganz 
von  fern  .  .  . 


"■    —   61'  — :    \ 

Denn  noch  gleitet  um  mich  und  in  mir  und 
wechselt,  unbändig  und  ungebändigt,  ein  ewiger, 
trüber  Wechsel  des  Einzigen.  -t 

Not,  ewige  Not!  —  Kommt  das  Ende?  —  Und 
welches?? 


* 


An  den  Sternen  hin  ziehen  die  weissen  Wolken 
und  die  Winde  rauschen;  raunen  mit  lieben,  heim- 
lichen Stimmen  und  kräuseln  glitzerndes  Laubwerk, 
schaukeln  schwankes  Geäst,  gleiten  mit  blinkenden 
Schauern  über  die  breiten  Wasser.  Und  das  Licht 
durch  Nebel  und  zarten  Dunst,  durch  millionen- 
fältigen  Widerstand  plumpen  Stoffes,  nieder  durch 
klare  Höhen.  —  Das  Licht  —  das  Lied  ... 

Reimverbunden  vier  arme  Verse  und  eine  simple 
Weise;  ungefüge  Stimmen  in  rauher,  unbewusster 
Andacht. 

Aber  es  ist  nichts  in  allen  Nähen  und  Weiten, 
nichts,  nichts  als  dieses  Lied  und  eine  heimatliche 
Welt,  die  nun  offenbar  wird,  und  alle  die  zahllosen 
Seelen  und  eine  einzige,  unendliche  Seele. 

Nun  sind  die  Höhen  und  Tiefen  und  Breiten 
ein  Spiel,  und  Minuten,  Stunden,  Tage,  Jahre  und 
Jahrtausende  ein  schelmischer  Trug. 


62 


Und  nur  die  offenbaren  Seelen  und  im  zeitlosen 
Selbstfrieden  die  eine,  offenbare  Seele.  | 

Ich  sehe  das  bunte  Spiel  der  vielen,  das  die 
ewige  Ruhe  der  einen  ist.  Und  in  mir  leben  die 
Schauer  der  Wiedergeburt  ewiger  Religion  und 
ewiger  Vereinigung. 

Dieses  zitternde  Pappellaub,  hoch,  schlank, 
dunkel  in  das  weisse  Licht  hinein,  dieser  schimmernde 
Birkenstamm,  traulich  geducktes  Buschwerk,  diese 
gleitenden  Wellen,  diese  Hand,  die  ich  gespreizt 
gegen  das  Licht  halte,  mit  dem  Geflecht  ihrer  Adern, 
mit  ihren  wunderlichen  Linien,  mit  Sehnen,  Muskeln 
und  Knochen:  alles,  alles  ist  das  ewige  Spiel  ihrer 
Kraft  und  ihr  neckisches  Versteck,  hinter  dem  sie 
sich  selbst  sucht  und  jubelnd  sich  findet  und  immer, 
immer  wieder  findet.  '  ^ 

So  müde  bin  ich,  so  ahnend  müde.  ! 

Will  eine  Schranke  fallen?  —  Willst  du  mich 
finden?  Will  ich  mich  finden?  [ 

Und  ein  neues  Spiel,  und  immer  ein  neues  und 
ein  schöneres,  lustigeres  immer? 

Fern  das  Lied  —  verklingend  mit  sehnendem 
Jubel  das  Lied  .  .  . 

Das  Lied 


—     63     — 

Und  alles  wieder  still  und  rauschende  Ruhe. 
Ich  fühle,  wie  jede  Fiber  in  mir  zuökt  und  sich 
spannt. 

Das  Ende?  Und  welches? 

Welches  auch  immer:  keins  und  nie  und 
nimmer  ein  Ende.  Eine  Schranke,  die  fällt;,  ein 
Dunst,  der  verweht;  ein  jubelndes,  lachendes  Her- 
vortauchen, —  Wohin? 

Weit,  unendlich  weit  ist  die  Welt,  und  doch 
immer  und  überall  einzig  du,  ich 


Was  war  ich,  war  ich  diese  wilde,  rastlose 
Lust  und  dieser  unermessliche  Jammer?  —  Was 
war  ich,  war  ich  dieses  hinfällige  Gestell  von 
Knochen,  Fleisch,  Muskeln,  Sehnen  und  Nerven 
und  nicht  dieses  ahnende  Sehnen? 

Wild  ras  ich  durch  meine  Erdenzeiten,  durch 
Mord,  Not,  Blut,  durch  zahllose  Gräuel,  durch  diese 
und  gegen  diese  meine  fieberwache  Endlichkeit.^^ 

Betrüge,  lüge,  morde,  hasse;  stürze  mich  in 
zorniger  Verzweiflung  in  den  Wahnsinn  tausend- 
fältiger Wollust;  rase  in  meiner  Finsternis  und 
strecke  mich  gierig  nach  Erkenntnis  durch  meine 
Räume  und  Zeiten;  verschlinge  und  gebäre  meine 
tausend  und  abertausend  schwankenden,  entgleitenden 


> 


64 


ewig  wechselnden  Täuschungen  von  sausenden 
Welten  und  ewig  unbefriedigten  Erkenntnissen; 
taumele  durch  die  hastenden  Zeitläufte  meiner  Vergäng- 
lichkeiten ewng  von  Jubel  zu  Verzweiflung,  von  Ver- 
zweiflung zu  Jubel;  bin  blühende  und  welkende 
Völker  und  Reiche;  krieche  hin  in  dumpfer  Be- 
friedigung und  klammere  mich  an  karge,  blöde 
Freuden;  verschanze  mich  hinter  Gesetzen,  feige  und 
weise  gegen  mich  selbst;  betrüge  mich  selbst  und 
bin  der  Blödheit  meiner  engen  Sinne  ein  zerfallender, 
faulender  Haufe  Schmutz  und  ein  kleines  jämmer- 
liches Ende. 

Was  war  ich,  erkargte  sich  mein  sehnendes 
Ahnen  nicht  zwischen  tauber  Lust  und  taubem 
Leid  ein  paar  stille  Friedensblumen  und  wäre  nicht 
der  Preis  und  Sieg  aller  meiner  Verzweiflung  und 
meines  heissen,  rasenden  Ringens  gegen  mich  selbst 
das  Wissen  von  meinem  wohlverbürgten  Frieden 
und  immer  und  immer  wieder  sein  endlicher  Besitz? 


Gelassen  seh  ich  jetzt  das  grausigste  aller  Rätsel 
und  beantworte  seine  dunkle  Frage.  In  unendlichen 
gelben  Wüsten  steh  ich  der  uralten  bösen  Riesen- 
fratze gegenüber  und  sehe  lachend  in  ihre  toten, 
starren  Augen.         .  .     "  j 


65 


Und  hier  ist  all  meine  Nichtigkeit,  mein  Stolz 
und  meine  hohe  Würde. 

Ich,  ich  selbst  bin  ihr  grosses,  starres  Schweigen. 
Ich  selbst  bin  zutiefst  in  mir  eine  grosse,  weite, 
schweigende  Ruhe,  ein  dunkel  schlummerndes 
Können  und  Wissen  und  doch  eine  ewig  bewegte, 
milliardenfältige  Unrast.  Dies  beides  und  doch 
das  eine,  einzige:  eine  grosse,  weite,  schweigende 
Ruhe. 

Meine  Unrast  aber  und  meine  Verzweiflung 
schreit  tausend  trübe  Fragen  in  mich  selbst  hinein, 
wieder  und  wieder,  ihrer  selbst  gewiss  zu  werden 
und  ihres  endlosen  Wandels,  und  sich  zu  finden, 
immer  von  neuem,  in  einer  stillen,  gefriedeten 
Einheit. 

Meine  Unrast  aber  seid  ihr.     Meine  Unrast  bin 
ich    als    das    ewig    und    unendlich    Vielfältige:    als 
Elemente,  Sonnen,  Pflanzen,  Tiere,  Menschen  und  ^_,^^     \      ^ 
alle  Wesen  und  Seelen:    dies   alles   und  seine  uner-  '    "  \. 
messlich  zahllosen  Einzelheiten  und  ihre  unermesslich 
zahllosen  Schicksale. 

Das  alles  schreit  in  mich  hinein,  findet  Antwort 
und  keine,  findet  ewig  Antwort  und  als  seligste 
Antwort  ewig  schweigende  Ruhe. 

Denn  aus  dem  dunklen  Urgrund  meiner  Ruhe 
und  Nichtigkeit   tönt    ewig    und  ewig  als  Antwort 

Schlaf,  Frühling.  5 


—     66     —  i 

auf  die  wilde  Sehnsucht  ewiger  Frage  ihr  ewig  gleicher 
Wiederhall  und  nichts,  nichts  als  ihr  Wiederhall. 


Denn  dann,  wenn  je  und  je  am  wildesten  die 
alte  Frage  gellt  und  an  dem  uralten,  mystischen 
Geheimnis  rüttelt,  dann  —  Frage  und  Antwort  zu- 
gleich —  tönt  sie  zurück  aus  den  dunklen  Welten- 
fernen ewigen  Lichtes  und  ewiger  Gewissheit,  und 
Einer  wird  geboren,  der  ihr  Mund  ist:  Einer,  der  ist 
der  ewig  Wiedergeborene,  der  Stille,  unter  dem  ewigen 
Mysterium  Duldende,  in  dem  Endliches  und  Un- 
endliches offenbar  wird  als  das  Eine,  das  ewig 
liebend  sich  selbst  umschliesst. 

Wo  aber  in  aller  Welt  je  und  je  Er  hineinge- 
boren wird  in  die  Endlichkeit,  da  erhebt  sich  ein 
neuer  Tag  und  eine  neue  Zuversicht.  Da  jubelt  die 
Freude,  da  lächelt  der  Friede  und  d^i  rüstet  sich 
ein  neuer,  junger,  todesmutiger  Wille  und  hat  eine 
neue  Bahn  und  ein  neues  Ziel  endloser  Bethätigung. 


Das  ist  all  meine  Nichtiglceit ,  mein  Stolz  und 
meine  hohe  Würde.  Denn  wenn  ich  ein  Wort 
vom  Frieden  weiss,  so  ist  es  nichts  als  Eures  Un- 
friedens Wiederhall   und  die  irre  Frage  Eurer  Ver- 


67 


zweiflung.  Die  tön  ich  zurück,  zu  meinem  Teil, 
in  ewig  stiller  Gelassenheit;  einer,  der  treu,  schlicht, 
hingegeben,  hört,  aufnimmt,  zusammenfasst,  und  der 
wiedergiebt:  treu,  schlicht,  hingegeben. 

Das  ist  mein  schauriges  und  unsagbar  seliges 
Logs!     Nichts,  nichts  bin  ich,  nichts  und  Alles. 

Ihr  seid  ich,  Ihr!  Und  ich  bin  Ihr!  Du  bist 
ich,  ich  bin  Du;  und  Du  und  einzig  Du  bist  meine 
ganze  Würde  und  meine  ganze  Nichtigkeit.  Das 
ist  die  e^vige,  lachende  Erkenntnis  und  ewig  die 
Morgenröte  eines  neuen  Tages  ... 


Zwischen  mir  aber  und  ihr  dunkelt  eine  Nacht. 

Schon  bin  ich  hineingetaucht  in  ihr  weites  il^^A/>Jiii}A-^l^iMi 
Grauen.  In  das  Grauen  zwischen  Anfang  und  fi^AöiiAjri^ClA  ^ 
Ende.  '  Sie  ist  der  heimliche  Tod,  der  mich  verzehrt.  ^  ^  ;  v^ 

Sie    kommt    mit    den    kühlen    Schauern    einer 
schweren  Müdigkeit.     Sie  ist  die  Feigheit,  die  bang  ■' 

und  zaudernd  am  Ueberwundenen  hängt.  Liebe 
und  Hass,  die  mich  verfolgen,  und  hundert  Ge- 
wohnheiten und  tote  Begriffe,  die  doch  noch 
leben   wollen   und  hetzende   Zweifel   alter  Begrenzt-  ;^ 

heit.      Und    sie    ist    ein    letzter,    noch    nicht    ausge-  ,:       ^^ 

fochtener  Kampf  und  das  krasse  Gesicht  einer 
alten  Lüge,   die  ewig  und   ewig  wieder   mich,   den  1 


—     68     — 


ewig  Lebendigen,  erschauern  macht.  Sie  ist  die 
grausige  Starre  eines  Kadavers  und  seine  dumpfe, 
gährende  Fäulnis.  Sie  ist  der  wild  verwirrte,  trübe 
Tumult  neuer,  geahnter  Welten,  meiner  Feigheit  zu 
weit  und  zu  herrlich,  viel  zu  weit  und  viel  zu 
herrlich.  i 

Mein  Tod  ist  diese  Nacht,  mein  langes  Sterben, 
der  dunkle,  trübe  Wandel  zweier  Tage,  zweier 
Tage  ...  ' 

In  diese  Nacht  und  in  diesen  Kampf  tauch 
ich  hinein.  Mit  fröhlichem,  wissenden  Mute  und 
mit  einer  stolzen,  kräftigen  Seele.  Die  ist  ein 
Held  geistiger  Kämpfe,  gewaltiger  als  alle  Leibes- 
gewaltigen der  Vorzeit.  [ 

*  *  .         ■        !     .  ■ 

.     '  ■  I     ■     , 

*  -   j  - 

Langer,  langer  Weg!  Dunkler  Kampf!  —  Und 
sein  Ziel?  —  Ach,  Ohnmacht  meines  armen  Wortes! 
—  sein  Ziel  ist  ein  ungeheures  Meer  des  Schweig"ens! 

Da  werd  ich  endlich  hineinschwinden,  ich  und 
der  Kreislauf  aller  Seelen  und  Sonnen  und  alle 
Unrast.  ! 

Ich  und  alle  meine  Unrast:  Seelen  und  Sonnen: 
ich  bin  dieses  Schweigen,  und  einst  werd  ich 
mich  ganz  als  solches  erfassen  und  in  mir  selbst 
ruhen. 


—     69     — 


Das    ist    mein    ewiges  Ende    und   mein   ewiger 


Anfang 


Wenn  die  Sterne  strahlen,  wenn  die  Lüfte 
raunen  und  die  letzten,  stillen  Farben  spielen:  jetzt . . . 

Jetzt  —  o  Qual  der  Qualen!  —  jetzt  kenn  ich 
meinen  langen  Weg,  und  meiner  Blindheit  dämmert 
rosig  ein  Ziel 


Schönheit 


Sonne!  Sonne! 
In  mir  treibt  die  köstliche  Unruhe  deiner  Kraft! 
In  mir  dein  Lachen, 
in  mir  ein  heimliches  Lachen! 
Befreit  lachen  nun  in  mir  alle  ^Menschen. 
lacht  in  mir  die  ganze  Welt!  1 

Ein  einziges  goldiges  Friedensgelächter  lacht 
mein  Herz  in  alle  Fernen  hinein ! 

Alle,  alle  kommen  sie  zu  einem  grossen  ^lahl. 
mit  tausend  bunten,  wichtigen  ^Meinungen:  , 
Gute  und  Böse,  \ 

i 

Zweifler  und  P>omme.  i 

stolz  und  demütig'.  ,         j 

wissend  und  einfältig',       ^  j 

vornehm  und  gering.  j 

Ausschweifende,  Diebe.  Mörder  —  ,            i 


—      71 


A]]<\  :i]]'-  komrnfrn   sie  --  " 

mit  fraj^f:nf]f;n   sr:hn'',-rid<';n   ängstlichen  .\ug-en, 
denn   sie  ghiub^-n, 
dass  sie  hässlieh   und   sündhaft  sf-ir-n. 


Aber  wie  sie  kommen, 

in  breiten  Schaaren, 

mit  unzähligen  dunklen  Geheimnissen, 

mit  Gebresten, 

Lastern.  Schwächen,  Einbildungen  und 

Lächerlichkeiten  — 
ein  einziges 

unauslöschliches  Gelächter  ist  es, 
das  sie  empfängt, 
das  sie  vermehren.        ^     :  - 
In  diesem  Gelächter  aber  ;  ^ 

lebt  der  bitterste  Grimm 
und  das  furchtbarste  Mitleid  ...  , 

Xun  röten  sich  Gesichter 

glätten  sich  Falten  und  Runzeln. 

verschwinden   Geschwüre,  -• 

ergänzen  sich  Glieder, 

hellen  sich  trübe,  blöde  Ai:gen. 

runden  sich  magre  Leiber 

und  verjüP.ger.  sich  ungeschlachte. 


i/lfiiiACf^lSiuMl  -  iU^^, 


12 


Und  alle  sind  nun  eine  einzige 
selige  junge  Göttergemeinde. 

Jetzt! 
In  mir! 


O  Wunder!  1 

Dummes,    fröhliches,    freches    Frühlingswunder! 


Am  Graben 


Hier,  zwischen  Schaumkraut  und  Vergissmein- 
nicht  wollen  wir  ruhen ,  im  schönen ,  w^eichen  Gras, 
am  Graben,  wo  die  Kätzchen  schaukeln. 

Sieh,  zwischen  den  gelben  lilien,  zwischen  Kuh- 
blumen und  weissen  Sternchen,  im  goldigen  Ge- 
zitter  unser  Bild. 

Da:  Deine  Augen! 

So  lachend,  so  jung!    So  dunkel!  .  .  . 

Und  dein  Lachen,  durch  die  weite,  selige, 
strahlende  Stille  dein  helles  Lachen. 

Näher,  und  Wange  an  Wange. 

Der  Wind,  leise,  leise  in  den  Binsen,  und  der 
kühle  Wasserduft  herauf. 

Wir  träumen  .  .  . 

*    ■     ■  ,-  *  ■ 

Sieh,  hier  lang  am  Ufer  hin!  Wie  es  aufquillt 
vom  braunen  Grund  in  traubigen  Gebilden. 


74 


Der  jungen  goldigen  Wärme  entgegen.        i 

Es  will  reifen,  will  sich  gestalten.  ' 

Sieh,  in  weicher  rauchiger  Masse  der  dunkle  Kern. 

Uranfang.    Ruhe.    Vollendung  .  .  . 

Nein!  In  der  engen,  runden,  winzigen  Wand, 
millionenfältig  Du  und  Ich,  und  immer  Du  und 
Ich,  unser  Widerstreit  und  unsre  Vereinigungen, 
unser  unendliches  Spiel  ...  i 

Windet,  krümmt,  stülpt  sich,  wogt  im  endlosen 
Wechsel,  in  der  süssen  Qual  ewigen  Wandels;  un- 
geformt  und  dennoch  in  unbegreiflichen  Gestaltungen, 
viel  zu  wunderbar  unserem  plumpen  Begreifen! 

Zu  wunderbar!  Wir  uns  selbst!  Du  mir!  Ich 
dir!  ... 


* 


Du  siehst  mich  an. 

.    "  .  ■■         j 

Sieh  mich  an!  j 

Banne  mich  mit  deinen  lieben,  bösen  Augen! 

Nun  halt  ich  dich,  und  Mund  an  Mund  .  .  . 

Die  Welt  um  uns  mit  Nähen  und  Fernen  und 
ihren  Millionen  Formen  ein  Wirbel,  ein  dummer, 
dummer  Wirbel!  ... 

Nur  hier  ... 
'■Alles!  Nichts!  Gott!  ... 


Im  Haidekraut 


■;".:;,.;,'  I 

Auf  der  Klippe 

Hoch  oben  lieg  ich, 

im  Haidekraut, 

hoch  über  den  dunklen  Wäldern, 

hoch  «auf  dem  sonnenglüjienden  Geklipp. 

Ich  denke,  ich  treibe  auf  einem  lendendlosen  Meer. 
Das  Spiel  seiner  Wogen  ist  das  helle  Himmelsblau, 
das  unaufhörliche  Rauschen  und  Wühlen  des  freien 

Bergwindes  in  den  hohen  Kronen, 
Vogelgezwitscher  und  wehende  Düfte, 
Summen,  Schrillen  und  Knistern  der  Käfer, 
die  hundert  Geräusche  der  windbewegten  Zweige, 
blitzende  Strahlen 

und  ruhende,  gleitende  Lichter,  ■ 

wellende  P'arben  ' 

und  das  Blinkern  und  Donnern   der  Wildwasser  — 


—     76     — 

und  meine  Gedanken, 

meine  dummen  Gedanken  .  .  . 

Mit  Strömen  von  Wärme  und  Licht  rauscht 

die  Welt  Lieder  durch  meine  Pulse, 
dunkle,  grausige,  süsse  Lieder  der  Einheit. 
Ueber  die  blauen  Thäler  hin, 
in  die  weite,  sonnige  Welt  hinein, 
schwatzt  dich  meine  Sehnsucht, 
du  liebes,  unergründbares  Rätsel; 
neckt  sich  mit  kindlichen  Thorenworten 
die  uranfängliche  Kraft, 
ihr  eigenes  Rätsel 
und  ihres  eigenen  Rätsels  Sinn  ... 


II 

Haidekraut  steck  ich  an  meinen  Hut 

und  wandre. 

Was  ist  mein  Ziel? 

Der  Ruf  eines  Vogels 

glockenhell 

aus  einem  tiefen, 

fernen  Grund  .  .  . 


Unter  den  tiefen  dunklen  Wolken 


Unter  den  tiefen  dunklen  Wolken  hin 

hinein  in  den  fröhlichen  Vorfrühlingswind. 

Die  grauen  Wellen  --^' 

schäumen  über  den  Kies 

und  in  den  roten  Weiden 

zwitschert  eine  Lerche 

ihr  erstes,  eiliges  Liedchen: 

Goldige  Fluten! 
Blauende  Höhen! 

Immer,  immer  mit  dem  Winde  herüber 
das  eilige,  helle  Zwitschern. 

Sonne,  liebe  Sonne! 

Du  liebes  altes  schelmisches  Auge 

da  oben 


78 


zwischen  der  dunklen  i 

jagenden,  fruchtenden  Feuchte!  ' 

Morgen,  morgen  verbrausen  die  wilden  Stürme! 
Morgen,  morgen  hab  ich  dich! 
Morgen  jauchzt  dein  goldiges  Gelächter  über      ; 

die  Welt  ...  ' 


Die  Vehikel 


Gieb  mir,  wo  ich  stehe! 

Nun!  Ich  bin  so  ein  Allerweltspapa ,  sitze 
irgendwo  im  Mittelpunkte  der  Welt  in  einem  alten, 
guten ,  soliden  Sorgenstuhl ,  von  wo  aus  ich  den 
schönsten,  geordnetsten  Ueberblick  habe. 

Man  meint,  meine  Augen  seien  ein  wenig 
schwach ,  mein  Gehör  ein  wenig  verschleiert.  Das 
sind  so  Besorgnisse  und  Klagen,  was  weiss  ich! 
jedenfalls  Vorurteile. 

Ich  sitze  ja  hier  vortrefflich;  und  alles  hält  sich 
in  bester  Ordnung. 

Wirklich!     Es  ist   eine   ewig'e,  endlose  Freude! 

Da  seh  ich  viele  Millionen  goldener  runder 
Wagen,  die  fahren  in  weiten  jubelnden'  Kreisen 
einem  gutverbürgten  Ziele  zu,  fahren  die  weite, 
weite  Fahrt  durch  die  Welt. 

Das  ist  ein  einziger,  allerliebster  Dummer- 
jungen skrakehl,  ein  einziger  süsser  Spektakel! 


80 


Da  kribbelt  es  in  ewig  geschäftiger  Unrast, 
und  ich  sehe  lauter  weite  lachende  Kinderaugen. 

Und    alles  ist   ein   nimmerendendes   Hallelujah! 

Wie?!  ;  '        ■ 

Nun,  wies  auch  damit  sein  mag:  ich  sehe, 
was  ich  sehe!  — 

Millionen,  Milliarden  lustiger  Vehikel  meiner 
Seligkeit,  meiner  Seligkeit!  ' 


•.:  -^^^s-ar?^!»- • 


Andacht 


Sommerabend! 

Ich  trete  vor  die  Thür,  vorm  Schlafengehn 
noch  ein  wenig  Luft  zu  schöpfen. 

Müde  lass  ich  mich  auf  die  Bank  nieder,  zufrieden. 

Nach  gethaner  Arbeit  ist  gut  ruhn. 

Mit  dämmerbraunen  Felderbreiten  dehnt  sich 
im  Halbkreis  weit  das  flache  Land.  Die  milch- 
weissen  Nebel  liegen  auf  den  Wiesen,  von  den  Ge- 
treidefeldern weht  die  Kühle  den  köstlichen  Roggen- 
duft herüber,  und  aus  der  Ferne  schnarren  die 
Rebhühner. 

Weit  über  dem  braunen  Frieden  der  JBreiten 
aber  dämmert  der  Himmel  mit  allen  Sternen.  Breit 
schimmert  die  Milchstrasse  zwischendurch. 

Ich  lehne  den  Kopf  in  das  Weingerank  der 
Mauer  und  meine  Sinne  versinken  in  dem  unend- 
lichen Geglitzer. 

„Heilige  Nacht!  Wie  ein  Cherub  strahlst  du!",  . 

*■",'■..      *  .■      ■   ■ 

Schlaf,  Frühling.  0        . 


82     — 


y/       /,     .4/   "-/     ihren    zahllosen   Welten. 
t     j/^  /  ,5»    Dämmern    der  Breiten, 


Versunkenscin !  .1 

■  Wer  ermisst  diese  Tiefen?  '        ' 

y  Innen   und   aussen:   kaum   sind  sie  zu  scheiden. 

ffvJ\tijnL        ^'^    ^^^^   ^^^   lichtgewülbte  Weite   da   oben   mit 

Ich  bin  das  tiefe,  süsse 
der  Duft  des  Roggens  und 
T^^  .-'der  tief  braunen  Erdschollen.  Ich  bin  der  Ruf  der 
Rebhühner,  leises  Laubrascheln  und  hundert  feine 
Geräusche;  bin  das  Gekläff  des  Hofhundes  vom 
Gehöft  drüben;  bin  der  zarte  Sternschimmer  auf 
seiner  Scheunenmauer;  bin  die  tiefen,  schwarzen 
Schatten.  , 

Und  in  mir  noch  eine  ^Sehnsucht?  1 

Augen!     Augen!   —   Fern,    fern    "vveite,   grosse 
Augen,  tiefdunkle!  1 

Immer,  immer  mit  demselben  uralten  Rätsel!.. 


Der  Tod 


Ich  sehe  einen  lieben  Menschen  sterben ,  mir 
innig  verbunden. 

Mit  einem  Mal  kommt  mir  das  Bild  hier  in  die 
Dunkelstunde  hinein. 

Ich  sehe  ihn  auf  dem  Sofa  sitzen.  Die  Arme 
hängen  schlaff  in  den  Schooss,  die  Beine  hat  er,  von- 
einandergespreizt,  lang  vor  sich  hingestreckt.  Das 
Gesicht  ist  fahl,  und  darinnen  glühen  die  braunen 
Augen.  Mühsam  wendet  er  den  Kopf,  aber  sie 
sehen  nichts  mehr.  Sein  Bart  neigt  sich  auf  die 
Brust,  allmählich  verröchelt  der  Atem:  er  ist  tot. 

Und  ich  sehe  ihn  auf  seiner  Matratze  liegen, 
mit  seinem  stillen,  weissen  Gesicht,  in  seinem  Leichen- 
staat, schwarze  Handschuhe  an  den  Händen.  Arme 
und  Beine  von  sich  gestreckt,  liegt  er  da  wie  ein 
Hampelmann. 

Mich  überkommt  ein  Brüten. 

Will  mich  etwas  bange  machen? 

6* 


—     84     —  I 

-  .     i 

O,  in  mir  ist  eine  trotzige  Unwissenheit,  und 
die  fabelt  aus  den  Tiefen  meiner  Unruhe  ein  fröh- 
liches, ausgelassenes  Märchen!  ! 

Tod!  Was  kümmerts  mich,  dass  ich  sterbe? 
Mein  Tod  ist  meine  letzte  Wonne. 

Nie  wieder  leben?  Nie  wieder  leiden!  —  Leiden: 
Kämpfen! 

Kampf!  O  Wonne,  ewige  Wonne!  —  In  mir 
ist  ein  Auge,  das  sieht  alle  meine  Endlichkeiten  und 
meine  immer  erneute,  fröhliche  Wiederkehr!       ,i 

Ich  bin  ich,  bin  diese  meine  Endlichkeit,  und 
ich  bin  Ich,  bin  mein  ewig  UnbegrifFenes ,  das  ist 
über  Räume  und  Zeiten  und  alle  Meinungen  meiner 
Endlichkeiten.  Mein  Endliches  ist  nichts  als  eine 
zitternde  Flocke,  die  auf  Seiner  urewigen,  zeitlos 
gebärenden  Flut  schaukelt.  i 

Ewig  Ich-Du!       -  t 

Fühlst,  fühlst  du  das?!  I 

Ewig  tauch  ich  aus  den  Tiefen  Meiner  Einheit 
als  ein  Endlicher  und  eine  Endliche! 

Du,,  o  du,  fühlst,  fühlst  du  das?!  ... 


Das  dunkle  Thor 


Ich  weiss  ein  dunkles  Thor. 
So  klein  oder  so  gross  es  ist, 
kommt,  ihr  fröhlichen  Kinder! 
da  stossen  wir  all  unsre  Freuden 
und  all  unsre  Leiden  hinein, 
in  leidfroher  Lust, 
in  lustbangem  Leid, 
die  müden. 

Irgendwo,  irgendwie  ist  dahinter  ein  Jungbad. 

Wenn  sie  wieder  hervorkommen 

die  lieben  gewaschenen  Seelchen, 

zu  uns, 

in  die  Sonne, 

so  giebt  es  eine  neue  Lust!  .  .  . 


Was  es  doch  ist! 


Dir  geht  es  schlimm, 

mir  nicht  besser! 

O  wärs  am  Ende!  ... 

Aber  hier  ist  mein,  dein  Leid, 
meine,  deine  Sehnsucht, 
und  hier  ist  ein  drittes, 
Notwendiges ! 

Was  ist  es? 


Ist   es   ein    Keimchen,   das   noch   spriessen 

muss?  1 

Ist  es  ein  Sonnenstäubchen,  das  noch  wirbeln 

muss?  1 

Ist  es  eine  Blume  im  Mai, 

eine  Flocke  im   Winter, 

ein  bunttaumelndes  Blatt  im  Herbst, 

ein  Staubkörnlein  am  Sommerweg? 


—  .87     —        ■    . 

Was  ist  es? 

Wenn  es  nicht  wäre 

wäre  die  Welt  am  Ziel ! 

Wenn  es  nicht  w^äre, 

läge  die  Welt  in  Trümmern ! 

Mein,  dein  AIuss  und  Zwang!  — 

Was  ist  es  doch? 

Zwischen  Anfang  und  Ende 
müssen  wir  ihm  befohlen  sein!  .  .  . 
Der  Neugeburt  eines  Mückleins  wohl, 
das  noch  zum  Licht  will  ... 


>" 


.  /.•^■t 


Glück 


Goldene  Träume  träumt  die  Not  und  die  laute 
Thorhcit!  !     • 

In  blauen  Fernen  erdämmern  Welten  der  Vcr- 
heissung,  erdämmert  das  verkündete  Reich  des 
Friedens !  . 

Aber  Millionen  dunkler  Stimmen  kommen  und 
gehen,  Stimmen  der  unbefriedigten  Not  und  der 
Gerechtigkeit,  Klagen,  dass  nur  der  Traum  des 
Traumes  Erfüllung!  ... 

Küsse  mich! 

Wir  sehen  uns  an  und  lachen! 

Unser  sind  tausend  Traum  Wirklichkeiten,  und 
mehr!  Denn  uns  gehört  ein  gegenwärtiges  kluges 
Glück  und  fromme  Stunden  der  Erfüllung,  der 
ewigen,  einzigen!  ...  ! 


Mondlicht 

Eine  Phantasie 


as   ich    schrei' 
und   wer    es 

be, 
lie: 
in 

schreibe 

ich    von    mir 

W; 

das 

st,    d 

sich 

selbst , 

er    mag 
_selbst.^ 

nach  Belieben 
Immer   ist  ich 

denken 

,    er 

lebe 

es 

ich  und  du  und  gar  umfangreich!  .  .  .  .  .  . 

Ich  halte  Dunkelstunde  bei  einer  Cigarre, 

Lange  cremefarbene  Gardinen  mit  feinen  creme- 
farbenen Spitzen  vor  einem  breiten,  hohen  F'enster. 
Und  dazwischen,  drüben  über  dem  Dachfirst,  steht 
hell  der  grosse  runde  Vollmond  und  lugt  silberblau 
in  meine  Stube. 

]\Iir  wird  so  närrisch  zu  Mut  und  ich  fange  an 
zu  phantasieren. 

Es  ist  wie  eine  religiöse  Anwandlung. 

Ich  denke,  ich  bin  der  Eine,  der  Wandrer  von 
Anbeginn,  liege  hier  still  und  höchst  modern  auf 
meinem  Ruhebett  und  schaffe  mir  ein  Divertissement. 


—     90     — 

Ich  habe  eine  gar  ruhige,  umfassende  Laune; 
viel,  viel  passt  in  sie  hinein.  Selbst  crmess  ich  nicht 
ihre  dunkelsten  Tiefen !  —  •      . 


„Schwester  du  vom  ersten  Licht, 
Bild  der  Zärtlichkeit  in  Trauer  .   , 


O  Mond!     O  Hell-Dunkel!  O  lichte  Nacht! 

Ich    denke.    Du    bist    es,    eine    Ferne,    die    hier 

hineinschaut,  und  ich  phantasiere  mit  dir  fromm,  das 

alte  Märchen  von  unserer  Ewigkeit.  i 

f 
Weisst  du  noch  ?     Weisst  du  auch  ? 

O  weite  Fahrt!     O  wogende  w^echselnde  Welt! 

Du  mein  goldener  Dämon!  Mein  Wille  und 
meine  vSehnsucht!  Wie  mit  einem  Strahl  aus  deinem 
fernen  Auge,  neckisch,  sehnend,  grüsst  es  mich, 
dunkel  ...  [ 


Religion | 

Leben,  Verwesung!     Blüte  und  Welke n^^ 
I    Ich  träumte  es  in  zwei  Träum enj^._ 

Es  w^ar  eine  herrliche,  grausige  Fahrt  durch 
ein  endloses  Meer,  durch  .Milliarden  geheimnisvoller 
Gebilde  mit  unzähligen  Landungen  und  Abschieden. 


—     91     — 

Und  es  war  ein  Heben  und  Sinken ,  hinauf  in 
Himmel  blutwarmen,  kraftfröhlichen,  liebegewaltigen 
Lebens,  hinab  in  fade,  schauerliche  Verwesung;  und 

hinauf  hinab,  hinab  hinauf! y 

I  Und  das  ist  unser  ewiger  Wandel  und  unsere 

Einigung!  ... 

*  ■  .      .     ■ *  -    ';  ■       ■ 

Lass!     Komm!         '  . 

Hier! 

Drüben  auf  dem  Tisch  im  blauen  Traumlicht 
steht  eine  Amphora. 

Wir  machen  uns  Hellas  zu  eigen. 

Säulenpracht  und  heiligheitre  Tempelschöne.  Im 
holden  Bann  des  Dreiklangs  umspinnt  uns  unser 
altes  Lied  mit  goldklaren  Melodien. 

Der  edle  Faltenwurf  langer,  lichter  Gewänder. 
Die  Spiele  der  Olympien,  das  schöne  Gleichmaass 
heller,  athletischer  Gliederpracht. 

Aber  dein  Auge,  immer  und  nur!  Tief  klar  — 
dunkel!  ... 


Und  jetzt  sind  wir  in  Indien ,   in  der  alten,  ur- 
alten Heimat! 

Eine    fremde,    wunderlich    üppige    Vegetation; 


0{A 


92 


seltsam  glühende  Blumen  mit  wundersamen  Düften. 
Dunkelhäutige  Menschen  mit  dunklen  Weisheiten. 
Die  mystische  Pracht  und  Gliederung  der  mächtigen 
Tempel.  In  ihrem  blauen  Dämmer  zwischen  heim- 
licher Farbenglut,  funkelnden  Steinen  und  Metallen 
riesige,  starre  Götzenbilder,  Spiele  unsrer  Träume 
von  uns  selbst  und  unsrem  ewigen  Schicksal. 
Cymbelklang  und  seltsame  Tänze  und  Künste  und 
der  Wahnsinn  der  Begnadeten.  i 

Aber  nur  immer  ich  und  du  und  unser  süsses, 
tiefes  Geheimnis! "  j   . 

Immer  mein,  dein  Fliehen  und  Finden! 


Nun  ist  hier  unser  Rhodus  und  hier  tanzen 
wir!     Hier!  j 

Da  sind  die  hohen  Häuser,  und  hier  ist  unsre 
Stube  und  dieses  gegenwärtige  Leben! 

Ist  es  nicht  ein  schönes  Märchen,  das  Märchen 
von  Dir  und  mir? 


Nachthimmel 


Hoch  in  den  Höhen, 

weit  über  den  nachtdunklen 

raunenden  Gärten 

funkeln  alle  Gestirne. 

Die  Liebe, 

die  ewige  Liebe 

hat  zu  thun! 

Hilft,     . 

hilft,  dass  die  Welten  stieben! 

Und  ich  versinke^ 

staunend 

in  dem  mystischen  Grauen 

eines  unendlichen  Trostes! 


'A44yfntC4, 


% 


-?"^  A 


Inhalt 


Seite 


1.     Früliling 


2.  Zwielicht 45 

3.  Das  Lied 60 

4.  Schönheit 70 

5.  Am  Graben 73 

6.  Im  Haidekraut 75 

7.  Unter  den  tiefen  dunklen  Wolken 77 

8.  Die  Vehikel 79 

9.  Andacht 81 

10.  Der  Tod .  83 

11.  Das  dunkle  Thor 85 

12.  Was  es  doch  ist 86 

13.  Glück      . 88 

14.  Mondücht 89 

15.  Nachthimmel 93 


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