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Full text of "Bäder und Badewesen in Vergangenheit und Gegenwart: eine kulturhistorische Studie"

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MAÜCUSE, Julian 

Bäder und Badewesen in 
Vergangenheit und Gegenwart. 
1903. 



Bäder und Badewesen 

IN VERGANGENHEIT UND GEGENWART. 



EINE KULTURHISTORISCHE STUDIE 



VON 



Dr. med. JULIAN MARCUSE 

CORRESFOND. MITGLIED DER SOCIETE FRANCAISE D'HYGIENE IN PARIS, DER SOCIETE 
ROYALE DE MEDECINE PUBLIQUE IN BRÜSSEL. 



MIT 22 ABBILDUNGEN. 



» 



STUTTGART. 

VERLAG VON FERDINAND ENKE. 
1903. 



Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. 

Handbuch der Praktischen Medicin. 

Unter Mitwirkung zahlreicher Gelehrter 

redigiert von 

Dr. W. EBSTEIN und Dr. J. SCHWALBE 

Geheimer Medicinalrat, o. Professorin Göttingen Herausgeber der Deutschen med. Wochenschrift 

herausgegeben von 

Fünf Bände. W. EBSTEIN. Fünf Bände. 



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Dr. Rumpf in Bonn, Prof. Dr. J. Schwalbe in Berlin, Prof. Dr. Sticker in Giessen, Prof. Dr. Unver- 
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Mit 47 Abbildungen, gr. 8°. 1901. Preis geh. M. 21.— ; in Halbfrz. geb. M. 24.—. 



Einbanddecken ä M. 1.60. 



Bäder und Badewesen 

IN VERGANGENHEIT UND GEGENWART. 



EINE KULTURHISTORISCHE STUDIE 



Dr. med. JULIAN MARCUSE 

CORRESPOND. MITGLIED DER SOCIETE FRANgAISE D'HYGIENE IN PARIS, DER SOCIETE 
ROYALE DE MEDECINE PUBLIQUE IN BRÜSSEL. 



MIT 22 ABBILDUNGEN. 




STUTTGART. 

VERLAG VON FERDINAND ENKE. 

1903. 



Druck der Hoffmann sehen Buchdruckerei in Stuttgart. 



HERRN PROF. Dr. 0. LASSAR, 



DEM UNERMÜDLICHEN VORKÄMPFER 



GEWIDMET. 



Vorwort. 



Als ich vor einigen Jahren in der „Deutschen Vierteljahrs- 
schrift für öffentliche Gesundheitspflege" einen Cyklus von Auf- 
sätzen über das Badewesen des Altertums und der Neuzeit ver- 
öffentlichte, fand ich für dieses Thema ein so weitgehendes In- 
teresse, welches sich in einer Fülle von Anfragen und Wünschen 
um Ueberlassung von Separatabdrücken dokumentierte, dass ich 
schon damals mich mit dem Gedanken einer Zusammenfassung 
dieser zerstreuten, hie und da publizierten Aufsätze trug. Allein 
mochte das kulturelle Bild, das ich von dem Badewesen des 
Altertums und Mittelalters zu entwerfen suchte, auch Interesse 
genug hervorrufen, die Neuzeit mit ihrem sozialen Ringen nach 
Verbesserung der Volksgesundheitspflege und Volkswohlfahrt be- 
durfte mehr als das, sie verlangte eine aktuelle, auf Statistik und 
gesicherte Anschauung basierende Darstellung, sollte sie ein wahres 
und getreues Bild des zeitgenössischen Badewesens und damit 
den Boden für weitere Arbeit und weiteres Streben vorzeichnen. 
Dieses dringende Verlangen konnte ich damals nicht erfüllen: 
heute aber, wo inzwischen dank der unermüdlichen Thätigkeit 
der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder eine umfassende Statistik 
über den Stand des Volksbadewesens in Deutschland vorliegt, 



6 Vorwort. 

die auf eine absolute und lückenlose Vollständigkeit Anspruch 
erheben darf, ist dies Hindernis beseitigt, und das Büchlein kann 
seinen Weg in die Welt antreten. 

Möge es in einer der elementarsten Fragen der allgemeinen 
Gesundheitspflege, wie der Kultur überhaupt, in der Gegenüber- 
stellung des „Einst" und des „Jetzt", zu neuem Thun anspornen 
und damit der hehren Idee der kulturellen Hebung des Volkes 
dienen ! 

Mannheim, im Januar 1903. 

Dr. Julian Marcuse. 



Inhalt. 



Seite 

I. Bäder und Badewesen im Altertum ... 9 

1. Altorientalische Völker 9 

2. Griechen 12 

3. Römer 15 

4. Badeeinrichtungen und Badeformen ... 21 

5. Zweck der Bäder im Altertum 33 

II. Bäder und Badewesen im Mittelalter ... 42 

1. Oströmer und Türken 42 

2. Westeuropäische Völker im frühen Mittelalter 43 

3. Späteres Mittelalter 49 

4. Badearten und Badegebrauch 52 

5. Badeunsitten und Verfall 62 

6. Kurbäder 67 

7. Bader und Baderzünfte .... 77 

III. Bäder und Badewesen der Neuzeit 81 

1. Badewesen zu Anfang des XIX. Jahrhunderts 82 

2. Badewesen im Orient 83 

3. Osteuropäische Völker . . , 86 

4. England 90 

5. Frankreich .... 95 

6. Deutschland 96 

a) Badeanstalten ... 99 

b) Volksbrausebäder ... . . 123 

c) Fabrikbäder 130 

d) Militärbäder 135 

e) Schulbäder 136 

7. Hygienische und diätetische Bedeutung des Badens 138 

8. Badeeinrichtungen der Gegenwart 151 



I. Bäder und Badewesen im Altertum. 

Der öffentliche Gesundheitszustand eines Volkes hängt von 
einer Reihe von Faktoren ab, von denen nicht der mindeste die 
Reinlichkeit ist, die sich auf alle Beziehungen und Aeusserungen 
des menschlichen Lebens zu erstrecken hat. Während nun aber 
für die Reinigung der Städte und der öffentlichen Verkehrswege, 
für Kanalisation und Assanierung, für reines und gutes Trink- 
wasser in jedem Kulturstaate eine rationelle sozialhygieinische 
Gesetzgebung sorgt, existiert für die Reinigung des Körpers kein 
administrativer Kodex und einzig und allein die Zivilisationsstufe 
des Volkes, seine Sitten und seine sozialökonomischen Verhält- 
nisse bestimmen dieselbe. Die Sitte eines Volkes ist der mächtigste 
Hebel, sozialhygieinische Massnahmen zur Durchführung zu 
bringen, viel mächtiger als jede organisatorische Gesetzgebung, 
und was sich den Lebensäusserungen der Menschen als gewohntes 
planmässiges Thun einflicht, überdauert Jahrhunderte und wird, 
gestützt und geleitet von einer weisen Gesetzgebung, zum Palladium 
des Staatswesens. 

So hat die antike Hygieine, welche weniger auf wissen- 
schaftlichen, theoretischen Grundlagen als auf einer umfassenden 
Anwendung alles dessen basierte, was man als heilsam erachtete, 
und welche aus dem Empfinden und Denken des Volkes in 
Gesetzgebung und Staatsleitung hervorgehend einen weisen 
Schützer und Leiter fand, Griechen und Römer auf jene Höhe 
der Kultur gehoben, vor der wir noch heute bewundernd stehen, 



10 Bäder und Badewesen im Altertum. 

und hat vor allem die Pflege des Körpers zu einer unabweis- 
baren Pflicht des Lebensregimes gemacht. 

Vorbildlich treten auch in unserem Zeitalter die hygieinischen 
und diätetischen Massregeln jener alten Völker vor uns, in erster 
Reihe ihre fast unerreichbaren Badeeinrichtungen, die zum wahren 
Allgemeingut der gesamten Bevölkerung geworden waren. 

Der Ursprung des Gebrauches der Bäder verliert sich in die 
entfernteste Vorzeit. Schon in den fabelhaften Perioden der 
Völkergeschichte findet man Spuren davon. Plato versichert nach 
ägyptischen Traditionen, dass auf der grossen atlantischen Insel, 
die der Ozean verschlungen haben soll, Bäder von grosser Pracht 
und mannigfaltiger Einrichtung vorhanden gewesen wären. 

Bei den ältesten Völkern, von deren Sitten und Gebräuchen 
die Geschichte zuverlässige Nachrichten aufbewahrt hat, vorzüglich 
im ganzen Orient, waren die Bäder seit undenklichen Zeiten ein- 
geführt und durch Religionsgesetze geheiligt. 

Bei den Indern war es Manu, der in seinem sozialhygieinischen 
System durch zahlreiche Waschungen die Gesundheit der Brah- 
manen und des Volkes zu sichern suchte. Alle gottesdienstliehen 
Handlungen sind für Priester und Volk mit reinigenden Wasch- 
ungen verbunden. Jeder Tempel hat seine heiligen Badstellen, 
deren mehrfache Benutzung an jedem Tage nicht nur gestattet 
ist, sondern als verdienstlich erachtet wird. 

Vor dem Essen und vor dem Beten müssen Mundwaschungen 
vorgenommen werden. Göttliche Verehrung genoss der Ganges, 
in dem man wallfahrend badete. Bei den Persern gab ihr Religions- 
stifter Zoroaster die genauesten Anweisungen zur körperlichen 
Reinigung. So besteht die einfachste von ihm in der Zend-Avesta 
täglich gebotene in einer Abwaschung der Arme bis zum Ellen- 
bogen, des Gesichtes bis hinter die Ohren und der Füsse bis an 
die Knöchel. Ebenso machte Muhamed das Baden zu einer 
religiösen Pflicht. In weiser Fürsorge für das leibliche Wohl 
seiner Anhänger erhob er Waschungen zu religiösen Handlungen. 
So oft der Moslem durch natürliche oder zufällige Umstände seine 
gesetzliche Reinlichkeit verloren hat, muss er sich der Abwaschung 



Bäder und Badewesen im Altertum. 1 1 

unterziehen. Die Waschung gewisser Körperteile muss er aber 
auch vor den fünf täglichen Gebeten vornehmen, auch ohne dass 
er sich besonders verunreinigt hat. 

Auch in der ägyptischen Hygieine tritt uns als Hauptidee 
die Reinheit entgegen, durch welche Gesundheit, Leben und 
Dauer erlangt werden sollen. Herodot übermittelt uns die 
Reinigungs- und Kleidungsvorschriften: Der König und die 
Priester mussten jeden dritten Tag den Bart und den ganzen 
Leib scheren , zweimal täglich und zweimal nachts baden , nur 
leinene Kleider und Schuhe von Byblos tragen. Auch das Leben 
des Volkes gipfelte in dem Bestreben nach Reinlichkeit. 

Bei den Juden tritt uns als dominierende Idee in der Hygieine 
des Pentateuchs das Prinzip der Reinheit entgegen, dasselbe 
welches man in der Hygieine aller anderen altorientalischen 
Völker findet. Nur dass ihr Gesetzgeber Moses es in einer Weise 
präcisierte und ausdehnte, wie es bei keinem anderen Volke bisher 
geschehen war. Bei jedem Gebet, jeder körperlichen Verrichtung, 
jeder Berührung unreiner Gegenstände, kranker Menschen oder 
deren Kleidungsstücke waren die peinlichsten Waschungen ge- 
boten, die mit aller Strenge von ihm durchgeführt wurden. Er 
schuf ferner das bekannte System der Mikwaoth, das ist der 
Gemeindebäder, zu deren regelmässigen Benutzung er die gläubigen 
Israeliten verpflichtete, und auch bei der Krankenbehandlung 
spielten Bäder eine bedeutende Rolle. Der Teich Bethesda bei 
Jerusalem, der von fünf Hallen resp. bedeckten Gängen umgeben 
war, diente den Kranken zum Aufenthalt, welche den Tag über 
teils im Wasser, teils in der Luft den entblössten Körper badeten. 

Auch die alten Deutschen kannten, wie Tacitus berichtet, 
diese Art der Reinigung. Sie waren sehr geschickt im Schwimmen, 
badeten sich oft und die Neugeborenen empfing der Rheinstrom, 
wie Klaudian singt: natos explorat gurgite Rhenus. 

Vor allem aber stand das Wasser, besonders als Bad, bei 
den ästhetischen, die Schönheit des Körpers mit Kraft einenden 
Griechen im Ansehen. Darum singt schon der alte Homer von 
der badenden Nausikaa, von dem badenden Agenor, der Heilung 



12 Bäder und Badewesen im Altertum. 

des verwundeten Hektors im Xanthos, und Theokrit berichtet 
von einem Flussbade von 240 jungen Mädchen. Herkules, später 
als göttlicher Beschützer der Thermen angebetet, lässt auf alten 
Münzen einen Strahl Wassers aus dem Rachen eines Löwen auf 
sich sprühen und bei seinem Gottesdienste goss man Flüssigkeiten 
über seine Statue. 

Antike griechische Malereien haben häufig die Bereitung 
des Brautbades vor der Hochzeit zum Gegenstande und ein Bild 
auf einer jetzt im königlichen Museum zu Berlin befindlichen 
Vase von Volci beweist, dass den Griechen unsere Douche- oder 
Sturzbäder wohl bekannt waren. Symbolisch sollte, wie Homer 
(Odyss. XV) sagt, das Bad jeglichen Makel und jede ausser- 
gewöhnliche Seelen- oder Gemütsaffektion beseitigen. Am zweiten 
Tag der berühmten Eleusinischen Feste in Eleusis mussten die 
Einzuweihenden ein Meerbad nehmen ; die Berührung eines 
Toten, selbst nur der Aufenthalt in einem Trauerhause gebot ein 
darauffolgendes Bad. In der historischen Zeit finden wir die 
Kinder, Greise und Jungfrauen der Spartaner in kalte Bäder, 
sei es in Flüsse, sei es in das salzreiche „Nerven stärkende" Meer, 
getaucht, welche das Gesetz geheiligt hatte. „Alles Uebel wäscht 
das Wasser hinweg", sagt ein griechisches Sprichwort und das 
„Beste auf Erden ist Wasser" (Pindar). In dem straffen Ab- 
härtungssystem, das die sozialhygieinische Gesetzgebung Lykurgs 
schuf, mussten die kalten Bäder eine bevorzugte Stelle einnehmen, 
aber auch in dem harmonischen Staatsregime des Solon fehlten 
nicht die Bäder und Abreibungen, die eng sich an die öffentlichen 
Spiele und Leibesübungen anschliessend zum Gemeingut der Athener 
wurden. Der Geist der Beobachtung und das Streben zur wissen- 
schaftlichen Zusammenstellung des Beobachteten, welche das scharf- 
sinnige griechische Volk belebten, erhoben die vormals regellose 
Anwendung der Bäder zu einer Kunst und wirkten hierdurch 
für alle Zeiten. Hatte schon Pythagoras den Gebrauch der 
kalten Bäder aus Aegypten nach Griechenland verpflanzt und 
als gesetzmässig seinen Schülern zur Kräftigung des Körpers und 
Geistes dringend empfohlen, so war es noch mehr Herodicus, der 



Bäder und Badewesen im Altertum. 13 

kurz vor dem Peloponnesischen Kriege lebte, der sie in Verbindung 
mit kunstmässigen Friktionen zur Erhaltung, Stärkung und Her- 
stellung der Gesundheit anriet. Vor allem aber rühren von 
Hippokrates die ersten ausgedehnten, unter wissenschaftlichen 
Gesichtspunkten geordneten Angaben über ihren Nutzen und 
Nachteil sowohl in hygieinischer wie therapeutischer Hinsicht her, 
und sie haben den zukünftigen Geschlechtern als Grundlage der 
Baineotechnik gedient. Er sprach zuerst die Behauptung aus, 
dass kaltes Wasser wärme, warmes kühle, er kannte Begiessungen 
und Reibungen und wandte das Wasser in seinen verschiedenen 
Temperaturen gegen eine grosse Zahl von Krankheiten und 
Störungen des normalen Wohlbefindens an. 

Das Badewesen der hellenischen Zeit war folgendermassen 
gestaltet: In der älteren Zeit beschränkten sich die Griechen auf 
die kalten Bäder in Flüssen und im Meere, die ihnen Lebens- 
bedürfnis waren. Früh findet sich deshalb bei ihnen die Kunst 
des Schwimmens ausgebildet, für die sie auch eigene Schwimm- 
teiche einrichteten. Wenn auch schon in germanischer Zeit 
warme Bäder in Wannen üblich waren, so dienten sie doch nur 
ausserordentlicher Erquickung. Für den gesunden Körper galt 
das warme Bad lange Zeit als Luxus und Weichlichkeit. All- 
mählich erst entstanden Badeanstalten, teils als Privatbäder 
in den Wohnungen, teils als öffentliche Bäder. Letztere dienten 
beiden Geschlechtern, waren aber für dieselben getrennt ein- 
gerichtet. Im IV. Jahrhundert vor Chr. wurden öffentliche Bade- 
anstalten vom Staate errichtet, die namentlich auch für die 
ärmeren Volksklassen bestimmt waren. Die Hauptbestandteile 
dieser öffentlichen Anlagen waren zunächst der eigentliche Bade- 
raum mit Wanne oder Bassin und einem Becken. Aus diesem 
Becken, meist in runder oder ovaler Form' und mit Fuss ver- 
sehen, der auf Vasen abgebildet oft beobachtet werden kann, 
schöpfte man mit einem Gefäss Wasser, um sich damit zu über- 
giessen. Der zweite Raum ist das Salbzimmer, worin der Körper 
mit Oel eingerieben und das Haar gesalbt wurde. Namentlich 
behebt war das schöne, durch Rosen und andere Pflanzen wohl- 



14 Bäder und Badewesen im Altertum. 

riechend gemachte sog. attische Oel. Zu diesen beiden tritt zu- 
weilen ein dritter Raum, das Auskleidezimmer. 

Schon zur Zeit der Vorherrschaft Spartas (IX. bis VI. Jahr- 
hundert vor Chr.) waren Schwitzbäder mit nachfolgendem kalten 
Voll- oder Uebergiessungsbade in Gebrauch gekommen, die man 
nach ihrem Ursprünge lakonische nannte. Mit der zunehmenden 
Sittenverfeinerung wurden auch die warmen Bäder allgemeiner. 
Ihr Gebrauch, namentlich vor der Hauptmahlzeit, erhob sich zu 
einem regelmässigen Bestandteil des griechischen Lebens. 

Häufig wurde das Badehaus mit dem Platz für körperliche 
Uebungen, dem Gymnasium, vereinigt. Das Ankleidezimmer und 
das Salbgemach dienten dann gleichzeitig für das Bad und den 
Uebungsplatz. Vielfach fanden sich die Gymnasien wenigstens 
in der Nähe eines Flusses, Teiches oder am Meeresstrande, um 
nach den Uebungen das Bad nicht entbehren zu müssen. Während 
das ältere Gymnasium gewöhnlich nur aus einer Säulenhalle mit 
einer Laufbahn bestand, war in den späteren Anlagen die Palästra 
auf drei Seiten von den Räumen für geistige Erziehung und 
Unterhaltung umgeben; auf der vierten, meist nach Süden oder 
Westen gerichteten, befanden sich die Bäder. Der palästrische 
Apparat, bestehend aus Salbflasche und Striegel, bildete zugleich 
das unentbehrliche Badegerät. 

Ausser den künstlichen «tanden auch natürliche Kurbäder 
mit heilkräftigen • Quellen, sog. herakleische oder Wildbäder, im 
Gebrauch. Das berühmteste Wildbad Griechenlands mit heissen 
Schwefelquellen war Adepsos auf der Insel Euböa am Euripus 
gelegen. Seine Quellen, die heute noch von Kranken besucht 
werden, hatten, wie Plinius erzählt, versteinernde Kraft. Plutarch 
erzählt in seinen Tischgesprächen, dass der Aufenthalt dort sehr 
angenehm gewesen, und dass sehr viele Kurgäste jedes Jahr dort 
zusammengeströmt seien. Ausser diesen gab es noch viele andere 
auf dem Festland, sowie auf den Inseln Kythnos, Melos und 
Lesbos. Nur Säuerlinge und Stahlquellen waren in Hellas nicht 
zu finden. Auf der Insel Lesbos waren es die einst hoch ge- 
priesenen Thermen von Mytilene bei dem heutigen Dorfe Thermi. 



Bäder und Badevvesen im Altertum. 15 

Die von den Inselbewohnern noch jetzt als Krankenbäder benutzten 
Ruinen bestehen im Wesentlichen aus zwei innen gewölbten Ge- 
bäuden, in denen je ein grosses ausgemauertes Becken das warme 
Wasser aufnimmt. 

Ausser einigen, den Gymnasien zu Ephesos, Alexandria, 
Troas, Hierapolis angehörenden geringen Resten ist von den 
griechischen Bädern nichts auf uns gekommen. Die Einrichtung 
derselben verpflanzte sich jedoch, wie die gesamte griechische 
Kultur, nach den griechischen Ansiedelungen in Italien und wurde 
dort zum Vorbild der römischen Thermen, in denen der Geist 
des griechischen Gymnasiums schliesslich unterging. Aus den 
hier gefundenen Resten — besonders in dem durch den Ausbruch 
des Vesuv im Jahre 79 nach Chr. verschütteten und in unserem 
Jahrhundert wieder aufgedeckten Pompeji — hat man die Grund- 
lage für das Verständnis griechischer und auch der späteren 
römischen Bäder gewonnen. 

Dem älteren Plinius zufolge waren die Bäder von den 
frühesten Zeiten her im römischen Staat eingeführt ; es ist wahr- 
scheinlich, dass hier der Einfluss der benachbarten Etrusker, die 
sich der Bäder bei ihren Religionsgebräuchen und der Reinlich- 
keit wegen bedient haben sollen, mitgewirkt hat. Das Bäder- 
nehmen war zunächst zur Zeit des Königtums und der Republik, 
wie in der älteren griechischen Vergangenheit sehr primitiv. 
Man badete im Meere und in den Flüssen, vornehmlich in dem 
Tiber und übte sich im Schwimmen. Im Hause diente das 
Waschhaus (Lavatrina), ein dunkler untergeordneter Raum, dem 
Bedürfnisse der Reinlichkeit. Es lag neben der Küche, um 
Heizung und Wasserabfluss derselben mitbenutzen zu können. 
Erst im Anfang des zweiten Jahrhunderts, nach der Erbauung 
Roms, scheinen die Römer eigentliche Badeanstalten gehabt zu 
haben ; höchstwahrscheinlich wurden sie unter der Regierung des 
Königs Lucius Tarquinius Priscus eingeführt. Dabei war aber 
immer noch in Rom der Tiber, und zwar im Bezirke des Campus 
Martius, Volksbad und Schwimmbad für die Jugend. Mit dem 
Wachstum der Stadt und der Einleitung der Kanalisation in den 



1(3 Bäder und Badewesen im Altertum. 



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Tiber wurde derselbe aber zum Baden immer ungeeigneter. 
Nachdem Appius Claudius im Jahre 305 vor Chr. die erste grosse 
Wasserleitung (aqua appia) vollendet hatte, legte man ausserhalb 
der Stadtmauer ein zum Volksbad bestimmtes grosses Wasser- 
becken (piscina publica) an und speiste es durch das Wasser 
jener Leitung. An Stelle des Waschhauses trat später das aus 
mehreren Badezimmern bestehende balneum. Am meisten haben 
die in Rom lebenden griechischen Aerzte, die als Kriegsgefangene 
oder als getaufte Sklaven dorthin kamen — römische Aerzte gab 
es bekanntlich in diesen Zeitperioden noch nicht — zur Ein- 
führung der Badeanstalten beigetragen. Unter ihnen war es vor 
allen Asclepiades aus Prusa in Bithynien, der, obgleich er in 
seinen medizinischen Theorien fast ganz von Hippocrates und 
dessen Schule abwich, doch im allgemeinen ihre Grundsätze in 
Hinsicht auf den diätetischen und klinischen Gebrauch der Bäder 
beibehielt und durch seinen Einfluss zur Verallgemeinerung der 
Bäder in Rom viel beitrug. 

Schon vor ihm waren mit der Vermehrung der Wasser- 
zuführung durch drei weitere Leitungen — etwa seit dem zweiten 
punischen Krieg — neue öffentliche Bäder entstanden, von 
denen man nur drei Arten unterschied: die eigenen Hausbäder 
(balnearia), die als Erwerbsquellen errichteten Mietbäder (balneae 
privatae) und die öffentlichen Bäder (balneae publicae), die auf 
Kosten des Staates und zuweilen auch aus Stiftungen und Schen- 
kungen begründet und unterhalten wurden ; für Unterhaltung 
und polizeiliche Aufsicht hatten die Aedilen und Censoren zu 
sorgen. 

Eine weitere Entwicklung erreichten die Warmbäder durch 
die im Jahre 89 v. Chr. erfolgte Einführung der von C. Sergius 
Orata erfundene Luftheizung, worunter man zunächst die An- 
wendung hohler, von den Feuergasen durchzogener Fussböden 
zu verstehen hat. Die höchste Vollkommenheit erhielt das heisse 
Luftbad sodann durch die bald folgende Herstellung von hohlen 
Wänden. Hierdurch wurde der früher zur Erwärmung der Bade- 
räume gebräuchlich gewesene Ofen fast vollständig verdrängt und 



Bäder und Badewesen im Altertum. 17 

die Luftheizung bestimmend für die Einrichtung der späteren 
baulichen Anlagen. Obwohl nach wie vor in Verbindung mit 
Kaltwasserbädern führen nun die öffentlichen Badanstalten aus- 
schliesslich den Namen thermae, vom griechischen thermos, „die 
Wärme". In balneis salus, Heil allein im Bade, wurde von nun 
an die Devise des römischen Volkslebens. Mit dem Aufschwung, 
den Rom unter den Kaisern nahm, beginnt die Blütezeit der 
römischen Thermen, von deren Grösse und Pracht uns heute noch 
gewaltige Ruinen und kostbare Reste beredtes Zeugnis geben. 
Die grossen Thermen, die, an Zahl 15, mit allem versehen waren, 
was Luxus und Geschmack jenes Zeitalters forderten, entstanden 
anfänglich aus der Idee des griechischen Gymnasiums und waren, 
ihrem ursprünglichen Zwecke zufolge, zur Kultur des Geistes und 
zu Leibesübungen bestimmt. Hier hatten Redner, Philosophen, 
Dichter und andere Gelehrte eigene Versammlungssäle, Biblio- 
theken, Sammlungen von Kunstwerken, gegen jede Witterung 
geschützte Hallen, anmutige Lusthaine und mit hohen Platanen 
bepflanzte Alleen. Hier waren Plätze, wo Knaben Leibesübungen 
vornahmen, Plätze zum Wettrennen, zum Ringen, zum Ballspiel, 
zum Diskuswerfen und Teiche zum Schwimmen. Auch für Pflege 
behaglicher Ruhe, geselligen Lebens und Vergnügungen, sowie 
für Essen und Trinken war dort gesorgt. Alt und jung, hoch 
und niedrig, arm und reich fanden sich in den Thermen zu- 
sammen, ergötzten sich an Wett- und Ballspielen, an Turnübungen 
sowie an geistiger Unterhaltung und leiblicher Nahrung. Eine 
Trennung der Räume nach Standesklassen gab es nicht; selbst 
Kaiser, insbesondere Hadrian und Commodus, suchten durch 
öfteren Besuch in den Thermen sich beim Volk beliebt zu machen. 
Das Innere der Thermen war mit dem auserwähltesten und über- 
schwänglichsten Luxus ausgestattet und von fabelhafter Pracht, 
die Wände waren mit den feinsten und seltensten Marmor-, 
Granit-, Porphyr- und Jaspisarten ausgelegt, die Fussböden be- 
standen oft aus dem kunstvollsten Mosaik oder prächtigen Mar- 
morfliessen. Staunenerregende Leistungen der Wölbetechnik, 
Kuppeln und Kreuzgewölbe von riesigen Abmessungen über- 

Marcuse, Bäder nnd Badewesen. 2 



18 Bäder und Badewesen im Altertum. 

deckten die Hauptsäle. Meisterwerke der Bildhauerei und Malerei 
waren hier vereint; so fand man in den Ruinen der Caracalla- 
Thermen den Farnesischen Stier, die Gruppe des Laokoon in 
denjenigen des Titus und die Pferdebändiger in den Constantini- 
schen, ferner wurden der farnesische Herkules, die Hebe in Neapel, 
der Torso von Belvedere und viele andere unvergleichliche Kunst- 
werke unter den Trümmern römischer Thermen hervorgezogen. 
Die darin vorhandenen Bäder waren von mannigfachster Art: 
laue, warme, kalte Wannenbäder, heisse Dunstbäder etc. Ausser- 
dem waren noch Zimmer zu besonderen Zwecken bestimmt, z. B. 
die Salbestube und das Conisterium, worin die Einger sich salbten, 
mit Staub bewarfen etc., ferner Gebäude zu Wohnungen für Auf- 
seher, worunter der Gymnasiarch, der Palästrophylax, der Ago- 
nistarch, der Gymnast und der Pädotriba die vorzüglichsten 
waren. Die Gymnasiarchen waren die ersten Beamten, standen 
in grossem Ansehen und entschieden in zweifelhaften Fällen als 
Richter. Der Palästrophylax scheint die Aufsicht über die Ge- 
bäude und Oekonomie, und der Agonistarch über die athletischen 
Uebungen gehabt zu haben. Der Gymnast und der Pädotriba 
scheinen in den frühesten Zeiten sehr untergeordnete Dienst- 
leistungen geführt und sich mit der Anordnung der palästinischen 
Uebungen und mit dem Einsalben abgegeben zu haben. Man 
nannte sie auch Alipten oder Jatralipten, weil sie innerhalb ihres 
Berufskreises auch Arzneikunst trieben. In späteren Zeiten, be- 
sonders nachdem die Medizin mit der Gymnastik verbunden 
worden war, waren sowohl der Gymnast wie der Pädotriba Männer 
von gründlichen medizinischen Kenntnissen, welche die Leibes- 
übungen wie die Bäder in ihren Beziehungen und Wirkungen 
zum Organismus beurteilten und dementsprechend individualisierend 
einem jeden das richtige Mass und die Arten der Anwendung 
vorschrieben. Deswegen rechneten es sich auch hervorragende 
Aerzte zur Ehre, die Aufsicht über die Leibesübungen und über 
die Bäder in den Gymnasien führen zu dürfen, wie wir dies z. B. 
von Galen wissen. Ausser diesen Beamten waren noch eine Menge 
von Aufwärtern, meistens aus Sklaven bestehend, in den Bädern, 



Bäder und Badewesen im Altertum. 19 

z. B. diejenigen, die die Kleider bewachten, Ofenheizer, Bad- 
bereiter, die, welche kaltes oder warmes Wasser über den Körper 
schütteten etc. Neben diesen grossen Luxus- und Vergnügungs- 
badanstalten entstanden Volksbäder, von denen Rom zur Zeit, 
als Constantin seine Residenz nach Byzanz verlegte, 856 besass, 
und in denen meist unentgeltlich gebadet werden konnte. In 
anderen Bädern kostete ein Bad für Männer einen Quadrans — 
das waren ungefähr 5 Pfennige, die der Badewärter in Büchsen 
sammelte — , während Frauen mehr zu zahlen batten und Kinder 
stets frei waren. Kein Volk des Altertums oder der Neuzeit 
badete mit solcher Leidenschaft wie die Römer ; kein Volk hat 
so Grosses geschaffen und gebaut, um diese Leidenschaft zu be- 
friedigen. Rom verbrauchte damals täglich etwa 750 Millionen 
Liter Wasser in seinen Thermen und kleineren Bädern. 

Von Rom verpflanzte sich der Badegebrauch in die Pro- 
vinzen. In den Städten, Dörfern und Kastellen, in den Herbergen 
an den römischen Heerstrassen, sowie in den Landhäusern vor- 
nehmer Römer war die Anlage von Thermen und Bädern, sowie 
die Beschaffung guten Wassers stets eine der ersten Aufgaben. 
So erzählt der jüngere Plinius, dass in einem Dorfe nahe bei 
seinem Landgute drei öffentliche Bäder gewesen, und er sah es 
als eine grosse Bequemlichkeit an, für den Fall unerwarteter An- 
kunft oder kurzen Aufenthaltes, der für die Bereitung eigener 
Bäder keine Zeit liess . jene benützen zu können. Es scheint 
sogar rechtskräftig gewesen zu sein, wie wir aus einer Stelle bei 
Ulpian ersehen, dass man nämlich auf einem gemieteten Land- 
gute wenigstens ein Dunstbad von dem Eigentümer fordern konnte. 
Sogar die auf den Grenzen in Garnison liegenden römischen 
Legionen konnten Bäder und Gymnasien nicht entbehren. Dies 
beweisen höchst merkwürdige Funde auf dem Hadrianswall, der 
gegen die Germanen aufgeführt worden war. Bei dieser im 
römischen Reich allgemein verbreiteten Wertschätzung der Bäder 
kann man sich nicht wundern, dass auch an solchen Orten, die 
warme oder kalte Quellen enthielten. Thermen erstanden. Die 
warmen Quellen wurden aus Mangel an physikalischen Kennt- 



20 Bäder und Badewesen im Altertum. 

nissen sogar als übernatürliche Ereignisse angestaunt, als heilig 
angesehen und für göttlichen Ursprungs gehalten. Um sie be- 
nützen zu können, legte man Thermen an. Diesen Orten legten 
sie den Namen aquae bei, so z. B. Aquae Albulae, Aquae Calidae 
(Bagnoles und Vichy), Aquae Sextiae (Aix), Aquae Panoniae (Baden 
bei Wien), Aquae Aureliae (Baden-Baden), Aquae Mattiacae (Wies- 
baden), Aquae Grani (Aachen) u. a. Die Zahl der im Römer- 
reich bekannten Heilbäder betrug etwa 80. Alle diese Bäder 
und Quellen kannten und benutzten die Römer, der berühmteste 
römische Badeort war jedoch Bajae (früher Aquae Cumanae) am 
Golfe von Neapel , das alle Kaiser in seinen Mauern sah , und 
dessen Inschrift lautete : „Qui curat non curatur" ; der hier aus 
der Erde dringende heisse Schwefeldampf wurde durch Röhren 
in die Badezellen geleitet und zu Dampfbädern benutzt. Bajae 
besass ausserdem auch Schwefelquellen und zwar in so reichem 
Masse, dass sich kein anderes Bad mit ihm messen konnte. Das 
weisslich-trübe Wasser war an manchen Stellen so heiss, dass 
man bequem darin Fische sieden konnte. Ursprünglich nur 
Krankenbad, nahm sein Besuch zum Zwecke des Vergnügens, 
des Genusses, und weil es Modebad geworden war, bald zu, ja 
derart überhand, dass Seneka, Cicero u. a. den reizenden Ort 
einen Sitz der Ueppigkeit und eine Herberge des Lasters nannten. 
Das fröhliche Treiben in Bajae überdauerte die Macht- und Glanz- 
periode des römischen Kaiserreichs, ja bis über das Mittelalter 
hinaus sind die Bäder von Bajae besucht worden. Heute da- 
gegen bezeugen nur Trümmerhaufen die Stätten , wo Bajae mit 
seinen prächtigen Bädern und Villen gestanden hat : der einst so 
belebte Hafen ist versandet, die Umgegend verödet und versumpft, 
das Ganze eine Brutstätte der Malaria geworden. 

Das Baumaterial, das die Römer bei den Anlagen der Thermen 
benutzten, zeugt von den grossen Kenntnissen, die sie im Bauwesen 
hatten. Die Infiltration der Mauern und die Korrosion der Ober- 
flächen , zwei in den Bädern immer zu bekämpfende Feinde, 
nötigten zu besonderen Massregeln. Deshalb machten sie die 
Mauern kompakt und undurchdringlich. Dies geschah durch 



Bäder und Badewesen im Altertum. 21 

umsichtige Benutzung solcher Materialien, welche dazu dienen, 
die Bildung sehr beständiger erdiger Hydrosilikate zu beschleunigen. 
Sie bedeckten die Mauern mit einem ununterbrochenen Ueber- 
zuge. Es ist bekannt, mit welcher Geschicklichkeit sie diese 
Bedeckung anlegten und sie entweder mit Marmorplatten oder 
kompakten zusammengefügten Steinplatten durch Krampen und 
Klammern aus starker Bronze, welche wie doppelte T eng an- 
einander hingen, verbanden. 

Bei der Anwendung der Massive und Böden aus wasser- 
dichtem Grundpflaster bewahrten sie in ihrer Bauart eine her- 
vorragende Zweckmässigkeit. Man ist von Bewunderung ergriffen, 
wenn man sieht, mit welcher tiefen Kenntnis der Materiahen sie 
die Zusammensetzung ihrer Mörtel abzuändern wussten, um die 
Infiltration des Innern und die Anfressung der Oberfläche zu 
verhüten. In der Subkonstruktion der gallorömischen Thermen 
zu Lukon hat man davon ein auffallendes Beispiel. In den 
Aristokratenpiscinen ruhten die Decken oder Bekleidungen von 
St. Beater weissem Marmor auf einer 12 — 15 cm dicken Schicht 
von feinem, grauweissem, sehr dichtem konservierten Mörtel, der 
Feldspatkristalle enthielt. Die Bauart aller dieser römischen 
Thermen war nicht gleich, wie aus den Ruinen zu ersehen ist. 
Indes waren sie alle mit einer hohen im Viereck gebauten Mauer 
umgeben, worin zwei kreisförmige konzentrische Mauern drei ver- 
schiedene Abteilungen bildeten. Die äussere Abteilung war zu 
manigfaltigen Leibesübungen, die mittlere zu Spaziergängen be- 
stimmt und in der inneren stand das eigentliche Thermengebäude, 
welches mehrere Eingänge hatte. Der nach der Mittagsseite zu 
gelegene Eingang hiess Theatridium; hier waren Stufen, auf denen 
das Volk, insbesondere die Patrizier, sitzend den Spielen und 
Uebungen zusahen. Diese Stufen gingen um das ganze Gebäude 
herum, so dass man von ihnen zur Salbstube, zum Conisterium, 
zu den Bädern, zur Palästra gelangen konnte. Meistens führte 
ein Säulengang zum Sphaeristerium (Ballspielplatz). Die gegen 
Norden liegende Seite der Thermen war zum Aufenthalt der 
Philosophen, Gelehrten und Künstler aller Art bestimmt. Hier 



22 Bäder und Badewesen im Altertum. 

herrschte heilige Stille, hier waren schattige Plätze, Terrassen, 
Galerien, Springbrunnen etc. In dieser Abteilung der Thermen 
trafen alle diejenigen zusammen, die geistige Genüsse liebten. 
Hier unterhielten sich Gelehrte, lasen und arbeiteten, hier dekla- 
mierten Dichter ihre Poeme und quälten, wie Juvenal in seiner 
ersten Satyre versichert, oft unbarmherzig die Ohren der An- 
wesenden. Von hier konnte man auch durch die Platanenallee 
zur piscina (Schwimmteich), zu den Gesellschaftssälen der Jugend, 
zu den Erfrischungszimmern und zu den Bädern gelangen. Die 
Seiten der Thermen, die gegen Morgen und Abend lagen, waren 
hauptsächlich zu gymnastischen Leibesübungen bestimmt. Man 
fand daselbst grosse freie Plätze, im Halbzirkel gebaute Amphi- 
theater für Zuschauer und die für die Athleten bestimmten Säle 
und Säulengänge. Was die innere Einrichtung der römischen 
Badeanstalten betrifft, so bestand das regelmässige Bad, von dem 
sehr richtigen Grundsatz ausgehend, dass die Differenzierungen 
der Wärmetemperatur nur in allmähliger Stufenfolge dem Orga- 
nismus dienlich seien, aus vier Abteilungen: dem Aufenthalt in 
erwärmter Luft, dem warmen Wasserbade, dem kalten Wasser- 
bade und der Abreibung. Diese vier Badeformen erfordern min- 
destens drei Räume: für die dem Wasserbade vorangehende Er- 
• wärmung des Körpers das Tepidarium, für das warme Wasserbad 
das Caldarium und für das kalte Wasserbad das Frigidarium; 
letzteres diente als Aus- und Ankleideraum für diejenigen, denen 
es hier nicht zu kalt war, während kranke und empfindliche 
Personen, welche die Kleider im Warmen ab- und anlegen wollten, 
das Tepidarium hierzu benutzten, in dem man sich auch abreiben 
lassen konnte. Bei grösseren Anlagen trat hierzu ein besonderer 
Aus- und Ankleideraum, das Apodyterium, und ein weiterer Raum 
für die Abreibung (Unctorium). Beide Räume, namentlich der 
Abreiberaum, wurden auch für die Palaestra benutzt, um sich in 
ersterem für die gymnastischen Uebungen vorzubereiten und in 
letzterem nach deren Beendigung mittels des Schabeisens Oel 
und Staub vom Körper zu entfernen. Als eine nicht unmittelbar 
zum gewöhnlichen Bad erforderliche Einrichtung ist das Laconicum 



Bäder und Badewesen im Altertum. 23 

zu betrachten. Dies ist das heisse Schwitzbad, das namentlich 
in der späteren Zeit vielfach allein oder nur in Verbindung mit 
einem darauf folgenden kalten Wasserbade benutzt wurde. Für 
das heisse Schwitzbad (auch Sudatorium genannt) waren öfter 
mehrere Kammern mit allmählich steigenden Wärmegraden vor- 
handen (Fig. 1)*). — Unter den Badezimmern war ein Gewölbe, das 
Hypokaustum hiess. Die zum eigentlichen Bade bestimmten Räume 
waren meist doppelt vorhanden und in eine Männer- und Frauen - 
abteilung geschieden; doch fand sich auch an kleinen Orten die 
Einrichtung , dass beide Geschlechter dieselben Baderäume zu 
verschiedenen Stunden benutzten. So schreibt die lex metalli 
Vipascensis den Frauen das Baden in der Zeit von Sonnenauf- 
gang bis zur siebenten Stunde, den Männern von der achten 
Stunde des Tages bis zur zweiten Stunde der Nacht vor. Unter 
den späteren Kaisern wurde jedoch auch bei Nacht gebadet; 
Alexander Sergius stiftete hierfür einen Fond, aus dem Beleuch- 
tung bezahlt wurde. Kaiser Tacitus schaffte später aus Furcht 
vor nächtlichen Zusammenrottungen diese Unsitte wieder ab. Die 
Beleuchtung selbst geschah mittels Oellampen oder Talglichtern. 
Die frühere strenge römische Sitte gestattete weder dem Vater 
mit dem Sohne, noch dem Schwiegervater mit dem Schwieger- 
sohne zu baden. Für Frauen galt es anfänglich überhaupt nicht 
für anständig, öffentliche Bäder zu besuchen. Doch schon in 
der letzten Zeit der Republik schwinden die strengen Sitten, und 
der Besuch der Bäder seitens der Frauen nahm mehr und mehr 
zu. Mit der Einführung der griechischen Palästra, die wesent- 
lich dazu beitrug, das Schamgefühl zu ersticken, boten die 
Thermen Gelegenheit zu Ausschweifungen aller Art. Die Frauen 
Hessen sieh im Bade nicht nur vielfach von männlichen Sklaven 
bedienen, sondern sie badeten auch gemeinschaftlich mit Männern. 



*) Diese sowie eine Anzahl der folgenden Abbildungen, deren Aufnahme 
an dieser Stelle durch das liebenswürdige Entgegenkommen der Verlagshand- 
lung Arnold Bergsträsser möglich war, stammen aus dem Werke von Felix 
Genzmer, Bade- und Schwimmanstalten, Stuttgart 1899, das auch textlich in 
vieler Beziehung als Unterlage diente. 



24 



Bäder und Badewesen im Altertum. 



Trotz wiederholter kaiserlicher Gesetze hielten sich diese mixta 
balnea bis tief in die christliche Zeitrechnung hinein. 




Bei den Bädern mit getrennten Räumen für Männer und 
Frauen befand sich gewöhnlich die Heizanlage, das Hypokaustum, 
in der Mitte; sie bestand aus dem Ofen, vor dem die Kammer 
zum Heizen liegt. An den Ofen schliessen sich zu beiden Seiten 



Bäder und Badewesen im Altertum. 25 

die Caldarien an, dann folgen die Tepidarien und schliesslich am 
weitesten aussen die Frigidarien. Mit zunehmender Entfernung 
vom Feuer vermindert sich die Wärme, die den Caldarien und 
Tepidarien durch die unter ihren Fussböden angeordneten Hohl- 
räume, suspensurae, zugeführt wird. Das Hypokaustum war in 
römischen Privathäusern gewöhnlich zu einem doppelten Zweck 
bestimmt, zuerst um das Dunstbad zu heizen, und zweitens, um 
bei kalter Witterung die verschiedenen Zimmer des Hauses zu 
erwärmen; letzteres war vornehmlich bei den Villen der Fall, 
die ausserhalb der Stadt auf Anhöhen lagen und mehr der Kälte 
ausgesetzt waren. Alsdann liefen viereckige thonerne Röhren 
aus dem Hypokaustum durch die Mauer hinauf und zirkulierten 
durch das ganze Gebäude. In jedem Zimmer öffnete sich eine 
solche Röhre, die man aber nach Belieben verschliessen konnte. 
Die hervorstehende Oeffnung hatte gewöhnlich eine zierliche Ge- 
stalt, z. B. die eines Löwenkopfes, eines Delphines etc. Auf diese 
Weise wurde durch das Hypokaustum das ganze Gebäude er- 
wärmt und das über dem Hypokaustum liegende gewölbte Zimmer 
diente zum Dunstbade. Die obere Decke des Hypokaustum 
bestand aus sehr dicken Ziegelsteinen, die ohne Kalk und nur 
mit Lehm zusammengefügt waren. Auf diesen Ziegelsteinen lag 
ein mehr oder weniger dicker Betonestrich , über dem ein Mosaik- 
oder Marmorplattenbelag den Fussböden der Cella bildete. Pfeiler 
von Ziegelsteinen unterstützten die Decke, die gleichfalls ohne 
Kalk verfertigt waren, um bei der grossen Hitze besser zusammen 
zu halten. In den Ofen des Hypokaustum wurde durch eine vier- 
eckige Oeffnung eine hinreichende Menge Kohlen geworfen, durch 
deren Glut das Badezimmer und auch auf die oben beschriebene 
Weise das ganze Gebäude erwärmt wurde. Um die Hitze zu ver- 
mehren und anhaltender zu machen, legte man auch nach Vitruv 
metallene Kugeln zwischen die Kohlen. Die Einrichtung zum 
Erwärmen des Wassers bestand meistens aus drei stufenweise 
über dem Hauptofen aufgestellten zylindrischen Wasserkesseln. 
Der der Feuerung zunächst stehende enthielt, wie es in der Natur 
der Sache lag, heisses Wasser; die Dämpfe dieses heissen Wassers 



26 Bäder und Badewesen iui Altertum. 

erwärmten den zweiten darüber befindlichen Kessel hinlänglich, 
um das Wasser darin lauwarm zu erhalten, und etwas höher 
stand der dritte Kessel mit kaltem Wasser, aus dem man durch 
einen einfachen Mechanismus die unteren Gefässe wieder anfüllte, 
wenn das Wasser darin verbraucht worden war. Auf diese Weise 
konnte den verschiedenen Baderäumen Wasser von dem für sie 
entsprechenden Wärmegrad zugeführt werden. 

Um ein Bad zu nehmen betrat man zuerst das Tepidarium, 
entkleidete sich hier, falls man dies nicht etwa schon im Frigi- 
darium oder in einem Apodyterium gethan hatte. Gewöhnlich 
war es von achteckiger Form, sehr geräumig, hell und zuweilen 
mit prächtigen Säulengängen geziert. In diesem mit reichlicher 
Gelegenheit zum Sitzen ausgestatteten Räume setzte man sich 
zunächst um zu schwitzen, liess sich abreiben und salben! Vom 
Tepidarium begab man sich in das Caldarium, das eine oder mehrere 
Wannen für das Wasserbad enthielt. In älterer Zeit nahm man 
letzteres in einer zuweilen für eine Person, zuweilen für mehrere 
Personen bestimmten Wanne. Erst später kam das warme 
Schwimmbecken in Gebrauch, das öfter in einem besonderen 
Raum untergebracht war. Zuweilen waren im Caldarium, das 
immer einen grossen Raum darstellte, Abstufungen, deren einige 
von der Sonne beschienen werden konnten. Die Wanne, die von 
geschmackvoller Form und in grossen Thermen von Porphyr, 
Basalt oder einer anderen kostbaren Steinart waren, befanden 
sich auf der einen Seite des Caldariums, während auf der anderen, 
oft mit einer Nische geschlossenen Seite ein erhöhtes rundes 
Becken war, das zu kalten Uebergiessungen diente. Man ver- 
wandte hierzu ein flaches Gefäss mit einem Stiel, mittels dessen 
man das Wasser aus dem Becken schöpfte. 

Die Wannen nannte man Baptisteria; in diesen Baptisteria 
wurden auch die neugeborenen Kinder gewaschen. Dem Macro- 
bius zufolge geschah dies am achten Tage nach der Geburt mit 
den Mädchen und am neunten mit den Knaben. Diesen Tag 
nannte man dies lustricus und gab gewöhnlich an ihm dem 
Kinde einen Namen. Zur Erwärmung oder auch zur Warm- 



Bäder und Badewesen im Altertum. 27 

haltung des Wassers in der Wanne hatte man zuweilen eine 
eigentümliche Einrichtung. Sie bestand darin , dass sich an die 
Wanne eine in der Mauer liegende Höhlung anschloss, deren 
Boden vermutlich nur aus einer dünnen Metallplatte bestand, so 
dass die unter ihr hindurchführende Wasserleitung auch das 
diese Höhlung füllende Wasser der Wanne stets aufs neue er- 
wärmte. Diese Einrichtung findet sich z. B. im Caldarium der 
Frauenabteilung in den grösseren Thermen zu Pompeji. Auch 
ein brauner Ofen, der von der Form des römischen Meilenzeigers 
den Namen Miliarium hat, und in dem das Wasser durch Röhren 
sich um die Feuerung zog, diente dem gleichen Zweck. 

Das Frigidarium enthielt ein Becken (piscina) für das kalte 
Bad. In grösseren Thermen waren oft deren mehrere vorhanden. 
Wenn das Wasser hier in der geschlossenen Halle zu kalt war, 
konnte man das kalte Bad in der allgemeinen Piscina der Palästra 
nehmen, die unter freiem Himmel lag und von der Sonne er- 
wärmt war. Nach beendetem kalten Bade wurde der Körper in 
eine Decke gehüllt, mit leinenen, leicht gewebten Tüchern ab- 
getrocknet und dann mit der Abreibung und dem Einsalben 
begonnen. Auch vor dem warmen Bade wurden, wie erwähnt, 
Abreibung und Einölung vorgenommen. Das Oel wurde aus 
dazu bestimmten Fläschchen von Glas, Elfenbein oder Hörn 
tropfenweise herausgegossen. Einige liessen sich statt des Salbens 
striegeln. Es wurde hierzu eine Striegel von Eisen oder bei Vor- 
nehmeren von Silber, Gold oder Elfenbein benutzt. Um die 
Wirkung sanfter zu machen, bestrich man sie mit Oel, denn vom 
häufigen Gebrauche dieser Striegel wurde die Haut verhärtet, 
wund oder mit einer Art Ausschlag behaftet, wie dies beim Kaiser 
Nero der Fall war. Sueton erzählt nämlich von ihm, dass er 
Verhornungen auf der Brust und allerhand Verunreinigungen 
der Haut vom vielen Striegeln herrührend gehabt habe. Bei 
Kranken und schwächlichen Personen wurde statt der Striegel 
ein Schwamm gebraucht. Strigilis, Oelflaschen, Salbenbüchse, 
Kamm und Nadeln, in einem Kästchen vereinigt oder an einem 
leicht zu öffnendem Ringe hängend, bildeten das Badezeug der 



28 Bäder und Badewesen im Altertum. 

Römer, wie wir aus einem völlig erhaltenen pompejanischen 
Funde ersehen haben. 

Noch ist das heisse Schwitzbad zu erwähnen, das in Rom 
durch Agrippa in Mode kam. Während das laue Schwitzbad 
im Tepidarium eine Stärkung und Erholung war, war das heisse 
Schwitzbad eine angreifende Kur, durch die man die Folgen 
übermässiger Tafelgenüsse zu überwinden suchte. Der diesem 
Bade dienende Raum Laconicum lag meist neben dem Tepidarium 
oder dem Caldarium. Nach Vitruvs Vorschrift war er von kreis- 
förmigem Grundriss mit halbkugelförmige m Gewölbe. In ihm 
war, wie der jüngere Plinius an Gallus berichtet, ein kleines 
Fenster, welches man öffnete, wenn die Hitze zu sehr zunahm. 
Nach anderen Nachrichten soll oben an der Wölbung unter einem 
runden Deckenlicht eine Art von metallener an einer Kette be- 
festigter Scheibe gewesen sein, durch deren Oeffnen man frische 
Luft erhalten konnte. 

Die Reihe der grossen Thermenbauten in Rom eröffnete 
M. Agrippa mit den nach ihm genannten Thermen des Agrippa, 
die er in seinem 3. Konsulatjahre 25 v. Chr. errichten liess. 
Ihnen verdankt das weltberühmte Pantheon seine Entstehung 
Ursprünglich als Laconicium gedacht, entschloss sich Agrippa, 
den herrlich gelungenen und für den Gebrauch der Menschen 
zu schönen Bau „Allen Göttern" als „Pantheon" zu weihen. 
Granitsäulen mit ehernen Kapitalen trugen hier den mit ver- 
goldeten Bronceziegeln gedeckten Kuppelbau und der Dachstuhl 
ruhte auf Trägern aus vergoldetem Erze. Durch eine in der 
oberen Kuppelöffnung angebrachte Bronceplatte von 9 m Durch- 
messer sollte die Temperatur des Badesaales reguliert werden. 
Sein Bad war das erste Roms mit Schwitzbad und Luftheizung, 
er nannte es geradezu „lakonisches Gymnasium". An der Seite 
von Agrippas Anlage errichtete Nero seine Thermen mit höchster 
Pracht, über welche Martial begeistert ausruft: „Was ist schlechter 
wohl als Nero, und was schöner als Neros warme Bäder?" Jeder 
folgende Kaiser ehrte seinen Namen durch neue Thermenbauten 
oder wenigstens durch Verschönerung und Vergrösserung schon 



Bäder und Badewesen im Altertum. 29 



_ ■ - . . 



bestehender, und immer prunkvollere, immer gigantischere An- 
lagen erstanden. 

Das Parterre der — teilweise auf den Resten von Neros 
„goldenem Hause" aufgeführten — Titusthermen enthielt über 




Fig. 2. Thermen des Caracalla zu Rom (Tepidarimn). 



30 Bäder und Badewesen im Altertum. 

100 Baderäume und ein Riesenwasserbehälter speiste deren Bäder. 
An diese Thermen fügte Trajan ausgedehnte Frauenthermen durch 
den Baumeister Apollodorus. 

Im Jahre 216 n. Chr. erstanden die Thermen des Caracalla, 
die an Grösse nur von den Thermen des Diokletian, an Schön- 
heit und Pracht aber von keiner Badeanlage der Welt übertroffen 
worden sind. (Fig. 2.) 

Alexander Severus lugte den Säulenumgang hinzu, mit dem 
sie eine Fläche von 124,149 qm bedeckten. 2300 Personen 
konnten hier gleichzeitig baden; 1600 Badesessel aus poliertem 
Marmor gehörten zu ihrer Einrichtung. Ihr zweigeschossiger 
Frontbau enthielt Einzelbäder für Frauen. Das Gewölbe ihres 
Tepidariums ward durch Vermittlung ehener Gitterbalken von 
14 m hohen Granitsäulen getragen. Der Plan der Caracallathermen 
zeigt in typischer Form die geschickte Raumverteilung in ihrer 
labyrinthischen Kolossalität , er zeigt die charakteristische, an- 
nähernd quadratische Grundform mit ihren drei baulichen Ab- 
teilungen; der äusseren mit den Räumen eines Gymnasiums, 
den Portiken, Exedren und Sälen für Unterhaltung, akademische 
Vorlesungen und Diskussionen, der mittleren mit Plätzen, 
Spaziergängen, Parkanlagen oder Alleen, der inneren, dem 
Kernbau, mit den eigentlichen Baderäumen in mannigfaltigster 
Kombination und Entwicklung. 

Von den übrigen grossen Thermenbauten Roms, deren Ruinen 
mehr oder weniger erhalten sind , sind zu nennen die Thermen 
des Titus, des Diocletian, des Constantin, die sämtlich Anlagen 
von höchster Vollkommenheit und Pracht darstellten. 

Ueberhaupt herrschte zur Zeit der Cäsaren der ausschwei- 
fendste Luxus in den Bädern. Seneka sagt darüber bei Gegen- 
überstellung der Sitten seiner Zeitgenossen zu denen der Vorzeit 
folgendes : „Jetzt dünkt man sich arm und gering zu sein, wenn 
nicht an den Wänden der Bäder grosse, kostbare Marmortafeln 
glänzen, wenn nicht zwischen dem alexandrinischen Marmor ge- 
malte numidische Steine stehen, wenn nicht dieser Marmor mit 
Kunst so gesetzt ist, dass man wahre Gemälde zu sehen glauben 



Bäder und Badewesen im Altertum. 31 

sollte, wenn nicht ganze Gemächer mit Glas ausgelegt sind, wenn 
nicht Steine von Thasus, die man ehedem nur selten in den 
Tempeln sah, unsere Teiche umschliessen , in denen wir unsern 
durch vieles Schwitzen entkräfteten Körper waschen, und wenn 
nicht das Wasser aus silbernen Hähnen läuft!" Kaligula liess 
sogar ein grosses Schiff von Cedernholz bauen, das neben Galerien 
und Gärten, neben Sälen und zahllosen Gemächern eine Reihe 
der verschiedenartigsten Bäder enthielt. 

Dass der Luxus in der Ausstattung der römischen Bäder 
alles übersteigt, was selbst die reichste Vorstellung sich ausmalen 
kann, das lehren die Ueberlieferungen der römischen Klassiker 
wie die Kunstwerke, die noch auf unsere Zeiten gekommen sind. 
Mit den herrlichsten Reliefdarstellungen geschmückte Wannen 
aus Marmor, Basalt, Porphyr, Fussböden aus Mosaik, vergoldete 
Arabesken, hervorragende enkaustische Gemälde, Meisterwerke 
der Skulptur und vieles andere schmückten diese Räume. (Fig. 3.) 

Der Uebermut stieg zur Zeit des älteren Plinius so hoch, 
dass seiner Versicherung zufolge manche Damen keine Bade- 
zimmer betreten wollten, die nicht mit Silber ausgelegt waren. 
Alle Gerätschaften waren aus den kostbarsten Stoffen; so be- 
standen z. B. die Giesskannen, worin man Wasser holen oder 
aus denen man sich von dazu bestimmten Aufwärtern über- 
schütten liess, aus Gold, Silber oder korinthischem Erze und 
stachen sehr von den Muscheln, irdenen Gefässen und aus- 
gehöhlten Kürbissen, die man in den Zeiten der republikanischen 
Einfachheit gebraucht hatte, ab. Heliogabal liess die Bäder des 
Nachts durch prächtige Lampen erleuchten; die verschiedenen 
Badezimmer erhielten grosse durchsichtige Fenster, die man so 
anlegte , dass sie die Sonnenstrahlen aufsaugen konnten. Auch 
hatten die meisten Badeanstalten Einrichtungen zum Gebrauch 
von Sonnenbädern; diese Art zu baden haben die Römer von 
den Griechen gelernt. Letztere setzten sich auf den Söller ihrer 
Häuser, auf dem platten Dache, nackt den Strahlen der Sonne 
aus und zwar sowohl gesalbt wie ungesalbt. Diese Sonnenbäder 
wurden gleich wie die Sandbäder als diätetische wie als Heil- 



32 



Bäder und Badewesen im Altertum. 



mittel angewandt. Auch auf die Lage und Umgebung nahm 
man bei der Einrichtung von Bädern Rücksicht. So lag in den 
öffentlichen Thermen die Piscina dicht vor den Fenstern und in 




Bäder und Badewesen im Altertum. 33 

den Bädern, die der jüngere Plinius in seiner Villa Laurentina 
hatte, konnte man aus dem zum warmen Bade bestimmten Gemach 
eine Aussicht herrlichster Art auf das Meer geniessen. 

Die Zwecke der Alten bei dem häufigen Gebrauche der 
Bäder waren mannigfacher Art. Zuvörderst waren sie aus Rein- 
lichkeitsgründen ihnen unentbehrlich. Die Alten trugen bekannt- 
lich keine Hemden. Vornehme, die viele Kleider hatten und 
dieselben häufig wechseln konnten, litten darunter weniger wie 
die ärmere Bevölkerung. Ueberdies gingen die Alten meist zu 
Fuss, und hatten als Schutz für ihre Füsse nur Sandalen. Daher 
war es allgemeiner Brauch im Altertum, Gästen bei ihrer An- 
kunft Wasser zum Waschen der Füsse zu reichen. Gewöhnlich 
wurde aber fremden, besonders vornehmen Personen, die von 
einer Reise kamen, "ein Bad zur Reinigung bereitet, und es galt 
für einen Mann von besserer Lebensart und guten Sitten für un- 
anständig, ohne ein Bad genommen zu haben, die Gesellschaft 
aufzusuchen. Ferner badete und salbte man sich vor den Mahl- 
zeiten, deswegen waren auch in den Palästen der Reichen die 
Badezimmer dicht beim Speisesaale. In den Privatbädern richtete 
man sich hinsichtlich der Zeit, in der man badete, nach Lust 
und Geschmack, in den öffentlichen hingegen musste man sich 
zu einer bestimmten Stunde, die durch ein Glockenzeichen an- 
gekündigt wurde, einstellen; wer zu spät kam, lief Gefahr nur 
kaltes Wasser zum Baden zu erhalten. Seitdem Kaiser Alexander 
Severus die Erlaubnis gegeben, badete man während der schwülen 
Sommerszeit auch in der Nacht in den öffentlichen Bädern. 
Schwächliche und kranke Individuen pflegten vor der bestimmten 
Zeit die ihnen von den Aerzten vorgeschriebenen Bäder, Ab- 
reibungen und Leibesübungen zu nehmen. Bei grossen öffent- 
lichen Unglücksfällen wurde der Gebrauch der Bäder zuweilen 
auf eine Zeitlang als Ausdruck der Volkstrauer untersagt. Nach 
jeder körperlichen Ermüdung durch Arbeiten und Leibesübungen 
wurde ein Bad genommen, selbst psychische Depressionen suchte 
man durch Bäder zu mildern. Homer erzählt schon, dass die 
Zauberin Circe den Odysseus hiedurch aufzuheitern versucht 

Marcuse, Bäder und Badewenen. 3 



34 Bäder und Badewesen im Altertum. 

habe. In demselben Sinne empfahlen sie Hippokrates und 
Galen. 

Ferner wurden Bäder im Altertum vornehmlich des Ver- 
gnügens wegen genommen. Das Gefühl von Behaglichkeit und 
Erfrischung, das sie verschaffen, entging der scharfen Beobachtungs- 
gabe der Alten nicht, und die günstige Einwirkung, die hiedurch 
auf die Gemütssphäre zu stände kommt, war ihnen ein Sporn 
zur systematischen Anwendung derselben. Homer zählt bereits 
die Bäder im VIII. Buch der Odyssee zu den Ergötzungen. 
Vornehme Römer hatten geschmackvoll und elegant eingerichtete 
Bäder, um das Vergnügen des Badens besser gemessen zu können. 
Mannigfache Stellen bei Plinius und anderen Autoren zeugen 
von der Wertschätzung der Bäder nach dieser Richtung hin. 
Während man jedoch in den ersten Zeiten der Republik nur so 
oft badete, als es die Reinlichkeit und Gesundheit erforderten, 
wurde, als das römische Volk unter den Cäsaren in Weichlichkeit 
und Schwelgerei versunken war, der Gebrauch der Bäder ein 
massloser und eine Begleiterscheinung der zeitgenössischen Aus- 
schweifungen. Während man in der republikanischen Zeit in 
einfacher, naturgemässer Lebensart arbeitete und zwar in harter 
Arbeit selbst die Felder bestellte, überliessen die entarteten Nach- 
kommen diese Thätigkeit ihren Sklaven, um selbst ein müssiges, 
weichliches Leben zu führen. In dem Bestreben, die Zeit auf 
jede Weise totzuschlagen, wurden die Bäder zum Gegenstand des 
Zeitvertreibes. So wie man die Tempel der Götter besuchte, 
seine Gönner in den mit Büsten und Statuen der Vorfahren 
prunkenden Vorsälen erwartete, auf dem Forum den gericht- 
lichen Verhandlungen beiwohnte, so ging man auch aus lauter 
Müssigkeitsdrang in die Bäder und öffentlichen Thermen. Prasser 
und Schlemmer missbrauchten die Bäder auf eine andere Weise. 
So wie es eine Zeit lang Sitte war, durch Brech- und Abführ- 
mittel die überfüllten Verdauungsorgane wieder leer zu machen, 
um von neuem sich den Schwelgereien hingeben zu können, war 
es Mode in Rom, durch heftiges Schwitzen in den Bädern dies 
zu bewirken. Der ältere Plinius rechnet diesen Gebrauch unter 



Bäder und Badewesen im Altertum. 35 

diejenigen, die zum Verfall des Staates mitgewirkt haben. Selbst 
Gastereien üppigster Art wurden in den Bädern veranstaltet und 
von hier zur weiteren Folgeerscheinung, der der sexuellen Aus- 
schweifungen, wie sie in dem gemeinschaftlichen Baden beider 
Geschlechter sowie in der Bedienung von verschiedenem Ge- 
schlechte des Badenden sich kennzeichneten , war kein weiter 
Schritt ! Schamlosigkeit und Sinneslust triumphierten und feierten 
ihre Orgien unter dem Schutz der Gesetze! 

Da die Weichlinge Roms auf eine feine, weisse und weiche 
Haut einen grossen Wert legten, so suchten sie diese durch 
Bäder und allerhand mit dem Baden verbundenen Künsteleien 
und Raffinements zu erwerben und die erworbene zu erhalten. 
Zu diesem Zwecke war ihnen das krystallhelle, durch Aquädukte 
fortgeleitete Wasser zu schwach. Einige gebrauchten statt dessen 
Fluss- oder Regenwasser ; Kaiser Nero liess mit grossen Unkosten 
Seewasser für seine Bäder herbeischaffen. Seine Gemahlin Poppäa 
trieb den Uebermut so weit, dass sie sich in Milch von Eselinnen 
badete und wenn sie auf Reisen war, fünfhundert Tiere deshalb 
nachtreiben liess. Der sinnliche Luxus stieg so weit, dass das 
Badewasser häufig mit' wohlriechenden Stoffen geschwängert 
wurde. Heliogabal liess zum Beispiel Safran und wohlriechende 
Parfüms dem Badewasser beimischen. So gebrauchte man statt 
des gewöhnlichen Oeles dasjenige von Rosen, Safran, Pappeln- 
blüten und anderen wohlriechenden Pflanzen; auch Salben 
mancherlei Art, wie von Myrrhe, Lavendeln etc. dienten dem 
gleichen Zwecke. Diese kosmetischen Spielereien erstreckten sich 
auch auf die Pflege der Nägel, der Haare und alles Uebrige. 

Der wichtigste Zweck jedoch der Bäder im Altertum war 
hygienischerNatur; das auf Grund eingehender Vorschriften 
angeordnete und mit Friktionen und Leibesübungen verbundene 
Baden machte bei den Alten den vorzüglichsten Teil der ärzt- 
lichen Behandlung aus. In prophylaktischer wie therapeutischer 
Hinsicht spielten die Bäder eine massgebende Rolle und nahmen 
in den physikalisch-diätetischen Behandlungsmethoden der Alten 
einen breiten Raum ein. Die ersten zusammenhängenden diäte- 



36 Bäder und Badewesen im Altertum. 

tischen Systeme findet man in den Hippokratischen Schriften; 
ihre allgemeinen Grundsätze, dass jede plötzliche Veränderung 
für den menschlichen Körper schädlich sei, und dass man des- 
wegen nur allmählich von einer Lebensweise und von jeder Ge- 
wohnheit zu einer anderen übergehen dürfte, ferner dass eine ge- 
wisse Harmonie in allen zur Lebensordnung gehörigen Verhält- 
nissen statthaben müsse und dass jede Unmässigkeit nachteilige 
Folgen nach sich ziehe, wandten sie auch auf den Gebrauch der 
Gesundheitsbäder an und gaben den Badenden die Vorschrift, 
nur in allmählichen Nuancen von einer Wärmetemperatur zur 
anderen überzugehen. Ausser diesen vortrefflichen, für das medi- 
zinische Denken so folgereichen Grundsätzen scheinen sie freilich 
auch zuweilen bei Bestimmung der Anwendung der Bäder die 
von den Philosophen der damaligen Zeit aufgestellte Lehre von 
den Elementen, den Elementarfeuchtigkeiten im menschlichen 
Körper und ihre Veränderung bei Krankheiten zum Regulativ 
genommen zu haben. Die vorzüglichsten der in den Hippo- 
kratischen Schriften enthaltenen Notizen bezüglich der Bäder 
sind folgende: Die betreffenden Autoren bestimmen genau, 
was im allgemeinen und in einzelnen Fällen vor und nach dem 
Bade zu thun sei, die Zeit, welche man darin zu verweilen, wie 
oft man Gebrauch davon machen dürfe. Sie zeigen die Fälle 
an, in denen gewöhnliche Wasserbäder, in denen mineralische 
oder medikamentöse Bäder vorzuziehen seien. Sie lehren, dass 
man weder kurz vor, noch nach dem Essen und Trinken Bäder 
nehmen und dass man den nassgewordenen Kopf mit einem 
Schwamm trocknen solle. Sie setzen auseinander, wann kalte 
und wann warme Bäder passend sind ; vor dem Baden raten sie 
im allgemeinen massige Leibesübungen und mehr oder minder 
starke Abreibungen mit oder ohne Oel. 

Eingehende Beobachtungen über die Anwendung von Bädern 
in krankhaften Anlagen wie in wirklichen Krankheitsfällen finden 
wir weiterhin bei der Hippokratischen Schule. Fetten Individuen, 
die magerer zu werden wünschen, ist das Baden nachteilig, starke 
und vollblütige Personen dürfen täglich baden, schwächliche da- 



Bäder und Badewesen im Altertum. 37 

gegen nur selten. Bei der Epilepsie, bei alten Geschwüren, bei 
bestimmten Fieberarten verwarfen sie Bäder ganz , bei Augen- 
krankheiten, bei Steinbeschwerden, bei eintägigem Fieber etc. 
empfehlen sie dieselben. Auch hinsichtlich der Temperatur des 
Wassers werden eine Reihe von Verordnungen getroffen. Sie 
verbieten zum Beispiel die warmen Bäder den Kindern, die kalten 
allen denen, die an Nervenkrankheiten und Kopfweh leiden. 
Hingegen empfehlen sie die kalten Bäder in gewissen Fällen von 
hitzigem und hektischem Fieber, von Gelbsucht etc. Mineral- 
bäder wurden hauptsächlich bei Wassersüchtigen angewandt. 
Welchen Wert man bei den Griechen der richtigen Anwendung 
der Bäder in Krankheiten beimass, mag daraus erhellen, dass 
die Verfasser der Hippokratischen Schriften es für besser hielten, 
sie gar nicht, als zweckwidrig zu gebrauchen und zwar aus Furcht, 
die krankhaften Erscheinungen zu steigern, statt sie zu vermindern. 
Von den Griechen gingen die Begriffe von dem diätetischen 
und klinischen Nutzen der Bäder und der damit verbundenen 
Friktionen und Leibesübungen auf die Römer über. Besonders 
hat der in Rom praktizierende griechische Arzt Asklepiades zur 
richtigen Anwendung derselben viel beigetragen. Asklepiades 
scheint im ganzen die Vorschriften der älteren griechischen 
Aerzte in Hinsicht auf den diätetischen und klinischen Gebrauch 
der Bäder befolgt, sich aber doch nicht sklavisch daran gebunden 
zu haben. Er war nicht so ängstlich in ihrer Anwendung wie 
jene, berücksichtigte die schon stark im Aufblühen begriffene Ver- 
weichlichung seiner Zeit und verband neue diätetische Hilfsmittel 
mit ihnen; besonders scheint er der Anwendung der Friktionen 
eine grössere Ausdehnung und genauere Bestimmung gegeben zu 
haben. Celsus, der das Lehrsystem des Asklepiades teilweise 
auch zu dem seinigen machte, hat in einer auf uns gekommenen 
Schrift die Maximen seines Vorgängers hinsichtlich des Nutzens 
der Bäder, der Friktionen und Leibesübungen wiedergegeben. 
Ihm zufolge hat Asklepiades bei Behandlung der meisten Krank- 
heiten Bäder und methodische Friktionen allen innerlich ge- 
gebenen Arzneien bei weitem vorgezogen. 



38 Bäder und Badewesen im Altertum. 

Die verschiedenen medizinischen Schulen des Altertums 
warfen diese Grundsätze teilweise wieder über den Haufen, immer 
aber wieder kamen sie erneut in einzelnen Vertretern der ärzt- 
lichen Kunst zum Vorschein. So war es vor allem Aretäus von 
Kappadokien, der in scharf erBeobachtung, gepaart mit selbständigem 
Denken, eine Reihe von Indikationen für die verschiedenen Arten 
von Bädern aufstellte. Er empfiehlt warme Bäder gegen die Me- 
lancholie, Schwefelbäder gegen den Aussatz, der damals aus dem 
Orient sich in ganz Italien verbreitet hatte. Bei starken Kopf- 
schmerzen und Schwindel hält er das Begiessen des Kopfes mit 
kaltem Wasser für nützlich ; in hitzigen Fiebern trachtete er durch 
warme Bäder die Krisen zu befördern. Ungefähr zu derselben 
Zeit war in Rom ein ausübender Arzt, Namens Herodot, der vor- 
züglich Leibesübungen, Friktionen und Bäder empfahl. Oelbäder 
und Seebäder fand er in einer Reihe von Krankheiten nützlich; 
durch heisse Sandbäder suchte er Engbrüstige, Wassersüchtige 
und Gichtiker zu heilen. 

So wechselten im Laufe der Zeiten die Anschauungen, und 
man hatte zur Zeit als Claudius Galenus von Pergamum nach Rom 
kam, die erfahrungsmässigen Grundsätze des Hippokrates hin- 
sichtlich des Gebrauches der Bäder fast ganz vergessen und man 
behandelte, vom Sektengeist und der Modesucht verführt, die 
Kranken ohne feste, aus der Erfahrung hergeleitete Regeln. Wie 
damals, so hat man auch aus früheren Zeiten prägnante Beispiele, 
dass die Herrschaft der Mode auf den Badegebrauch grossen 
Einfluss hatte. So wurden z. B. die kalten Bäder allgemein 
gepriesenes Modemittel, als durch sie Kaiser Augustus von 
einem hartnäckigen Rheumatismus durch Antonius Musa geheilt 
worden war, und sie verloren diesen Ruf wieder, als Marcellus, 
der Sohn der Octavia, kurz nach Gebrauch derselben gestorben 
war. Zur Zeit des Kaisers Nero waren ganz heisse Bäder Mode. 
Häufig liess man sich mit kaltem Wasser begiessen, wenn man 
diese Bäder verliess, und dies wurde wiederum derart übertrieben, 
dass Kaiser Hadrian Verordnungen dagegen erliess. 

Der grosse Arzt aus Pergamum, Galen, der die hippo- 



Bäder und Badewesen im Altertum. 39 

kratischen Erfahrungsregeln wieder in Erinnerung brachte, hat 
sich auch um den diätetischen und klinischen Gebrauch der Bäder 
und der damit verbundenen Friktionen und Leibesübungen ein 
unsterbliches Verdienst erworben. In der Diätetik nahm er keine 
allgemein gültigen Sätze an, sondern lehrte auf individuelle Ver- 
schiedenheiten, besonders in Hinsicht auf Alter, Klima, Gewohn- 
heit und Temperament Rücksicht zu nehmen. Er hielt die 
Diätetik und vornehmlich den regelmässigen Gebrauch der Bäder 
und Uebungen sowohl zur Erhaltung der Gesundheit wie zur 
Verhütung und Heilung der Krankheiten für äusserst wichtig 
und trennte sie als eine eigene ärztliche Doktrin von der Gym- 
nastik, zu der sie bis dahin gehört hatte. Galen Hess die neu- 
geborenen Kinder mit Balz bestreuen, mit Oel einreiben und mit 
lauwarmem Wasser waschen. Bei dem Gebrauch der Bäder und 
der palästrischen Uebungen nahm er auf die Entwicklung des 
Organismus in den verschiedenen Lebensaltern Rücksicht. Er 
verbietet z. B. bis zum 21. Lebensjahre die starken Leibesübungen 
und das kalte Bad, welch beides er vor der Zeit der organischen 
Ausbildung für schädlich hielt, und wandte sich in schärfster 
Weise gegen die zu seiner Zeit in Rom wieder zur Mode ge- 
wordene schematische Anwendung des kalten Bades. 

Man ging sogar so weit, dass man — tout comme chez 
nous ä la Kneipp — neugeborene Kinder in kaltem Wasser und 
in Flüssen badete und sich hierbei darauf berief, dass die damals 
wegen ihrer Grösse, ihrer körperlichen Stärke und ihres Helden- 
mutes berühmten Deutschen diese Sitte hätten. Kulturhistorisch, 
gerade im Hinblick auf die gleiche vor wenigen Jahren unseres 
Zeitalters von dem Kneippianismus inaugurierte Methode, die 
neugeborenen Kinder sofort ins kalte Wasser zu stecken, ist es 
interessant, wie Galen diese Exzentrizität bekämpfte: „Ich habe", 
sagt er, „mein Buch nicht für Deutsche, auch nicht für Bären und 
wilde Schweine geschrieben, sondern für Griechen oder wenigstens 
für solche Menschen, die griechische Ueberlegung haben. War 
es jemals erhört, das kleine, noch von der Gebärmutter warme 
Kind in kaltes Wasser zu werfen, als ob es ein glühendes Eisen 



40 Bäder und Badewesen im Altertum. 

wäre? Kommt das Kind mit dem Leben davon, so mag es dann 
sein, dass dadurch seine natürliche Stärke geprüft und noch durch 
die Berührung des kalten Wassers vermehrt worden ist. Aber 
welch eine vernünftige Mutter, welche nicht ganz eine Skythin 
wird, wird an ihrem Kinde einen Versuch wagen, der, wenn er 
nicht gelingt, nichts weniger als den Tod desselben zur Folge hat, 
um so viel mehr, da aus diesem Versuche gar kein Vorteil er- 
stehen kann. Für einen Esel oder ein anderes lasttragendes Vieh 
mag es ein Vorteil sein, so einen steinharten Rücken zu haben, 
der gegen Kälte und Schmerz gefühllos ist ; aber was nützt dies 
dem Menschen?" Aus diesem interessanten Beispiel sieht man 
einmal den Cirkulus, den alle therapeutischen Experimente im 
Laufe der Zeiten machen, vor Jahrtausenden unter dem Beifall 
der Massen mit derselben Emphase auftretend wie heute, und 
man sieht ferner die klare und energische Abweisung dieser 
gefährlichen Methoden seitens eines klar denkenden Arztes, wie 
es Galen war. 

Er schuf auf dem Gebiete der Bäderanwendung feste, nutz- 
bringende Begriffe und fügte ein System der Bäderbehandlung 
der an und für sich schon in der Volksseele vorhandenen hohen 
Wertschätzung und Würdigung derselben für die Erhaltung der 
Gesundheit und Verhütung der Krankheiten bei. Dieses Bewusst- 
sein von der Bedeutung der Bäder für das römische Volk erhellt 
wohl am besten aus der Aeusserung des älteren Plinius, dass dieRömer 
in den ersten sechshundert Jahren nach Gründung der Republik 
statt aller Arzneien sich mit den Bädern allein beholfen hätten, 
und dass die Sterblichkeit nicht grösser gewesen sei, als nach 
Ankunft und Aufnahme der griechischen Aerzte! 

Das Badewesen des Altertums, das das ganze Geflecht der 
Sitten und Gebräuche der klassischen Völker durchzog und eine 
Blüte erreichte, wie sie ihm seitdem nie mehr geworden ist, hat 
trotzdem das Los aller menschlichen Dinge getroffen, indem es 
allmählich gänzlich in Verfall geraten ist. Dieselben Ursachen, 
die das stolze Rom von seiner weltbeherrschenden Stellung herunter- 
rissen, vernichteten auch die so wohlthätigen diätetischen und 



Bäder und Badewesen im Altertum. 41 

hygieinischen Einrichtungen. Die sinnlose Schwelgerei im Innern, 
die Stürme der Völkerwanderung von aussen und endlich die 
hereinflutende christliche Askese waren die Totengräber jener Pflege 
des Körpers. Thermen und Privatbäder wurden in Schutthaufen 
verwandelt, als die Goten unter Alarich Kom einnahmen und 
während dreier Tage plünderten und verheerten. Und was von 
dem Raubzug der Goten noch übrig geblieben war, wurde bald 
nachher von den Vandalen und Longobarden vernichtet. Die 
letzten Bäder wurden des Wassers beraubt und geschlossen, ihr 
Baumaterial ward mit Gier zur Erbauung von Kirchen verwandt, 
ihr kostbarer Marmor kam in die Kalköfen und ihre Riesen- 
mauern wurden Steinbrüche. Die Aqua Virgo allein, welche heute 
noch fliesst, entging infolge ihrer ausgedehnten unterirdischen 
Leitung diesem Zerstörungswerk ! Heute steht der Altar des 
heiligen Petrus im Kloster St. Pietro in vinculis triumphierend 
über dem Thermen vollbad des Titus, des Zerstörers Jerusalems, 
ein Badesaal von Diokletians Thermen ist heute das Hauptschiff 
einer Karthäuserkirche, und wir sehen in krassem Gegensatze 
das lebensfrohe harmonische Motto der Thermen „Salubritati" 
jetzt in das düstere, asketische „Memento mori" verwandelt. 
Antike Labra und Badewannen dienen gegenwärtig in Kirchen 
als Taufsteine oder Reliquienschreine, künstlerische Badesessel als 
Bischofsstühle. 

Sic tempora mutantur! 



II. Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

Das weltumspannende Rom war gefallen und mit ihm die 
höchste Blütezeit, die das Badewesen je erreicht hat, dahingesunken : 
Auf den Trümmern des römischen Weltreichs spinnt sich der 
Faden der Geschichte weiter, und von seinem Abglanz noch er- 
hellt, tauchen neue Epochen jener weisen und lebensfrohen Pflege 
des Körpers wieder aufl Als Konstantin der Grosse 330 n. Chr. 
Byzanz zur Residenz erwählt hatte, suchte er die alte Pracht 
der Thermen wieder erstehen zu lassen und schmückte sie mit 
den aus Rom geraubten Schätzen. Die folgenden Kaiser eiferten 
ihm nach, und so erstanden nicht nur in Konstantinopel, sondern 
auch in den Provmzstädten des oströmischen Reiches Bäder, 
Wasserleitungen und Thermen. Unter Kaiser Valens wurde im 
Jahre 375 eine gewaltige Anlage vollendet, die den Namen seiner 
Tochter Carosa trug und dem Volke zur unentgeltlichen Benutzung 
überlassen wurde. 

Von der Hauptstadt des oströmischen Reiches lassen sich 
die römischen Badeeinrichtungen bei ihrer weiteren Weltwanderung 
hauptsächlich auf zwei Wegen verfolgen. Der eine dieser Wege 
führte nach dem nördlichen Europa, der andere wandte sich 
nach Süden, zog um das Mittelmeer herum, gelangte nach Algier 
und endigte in Spanien! Die Träger römischen Badewesens auf 
diesem letzteren Wege waren die Sarazenen. Mit dem Aufblühen 
der medizinischen Wissenschaften bei den Arabern zu Anfang 
des VIII. Jahrhunderts fand auch der regelmässige Badegebrauch 
bei ihnen Aufnahme. Die römischen Bäder, die sie auf ihren 



Bäder und Badeweeen im Mittelalter. 43 

Eroberungszügen in Nordafrika und Süditalien vorfanden, waren 
ihre Vorbilder ; sie benutzten und entwickelten dieselben auf ihre 
Art. Deshalb ist in den maurischen Bädern der Ursprung überall 
unverkennbar. Auch die Heizvorrichtungen derselben entsprechen 
bis auf den heutigen Tag den altrömischen Vorbildern. In einem 
der bedeutendsten Denkmale maurischer Baukunst, der vom 
XII. bis XIV. Jahrhundert erbauten Alhambra zu Granada findet 
man Räume für die verschiedenen Badeformen, wie wir sie bei 
den Römern kennen gelernt haben. 

Auf dem nördlichen Wege waren es die Türken, die die 
römischen Badeeinrichtungen zu den ihren machten und dank 
der weisen Fürsorge ihres Religionsstifters Muhammed Waschungen 
und Pflege des Körpers als ein religiöses Gebot ansahen. Von 
den römischen Einrichtungen behielten sie das Heissluftbad mit 
seiner Hyppokaustenheizung bei; an den Wasserübergiessungen 
nach dem Schwitzen hielten sie ebenfalls fest. Das Vollbad und 
das Schwimmbad streiften sie ganz ab, ebenso die bei den 
Römern mit dem Bade verbundene Gymnastik; einen teilweisen 
Ersatz für letztere schufen sie durch Einführung der Massage. 
In dieser veränderten Form bürgerte sich das Badewesen überall 
ein, soweit die Glaubenslehre des Islam reicht. 

Bei den germanischen Stämmen des Altertums findet sich 
ursprünglich das kalte Fluss- und Seebad. Sie badeten gemeinsam 
mit ihren Frauen (Promiscue in fluminibus perluuntur: Caesar 
Bell. Gall. IV) und tauchten gleich den Skythen die Neugeborenen 
in kaltes Wasser, um Lebenskraft und künftiges Geschick ihrer 
Kinder zu prüfen. Tacitus berichtet, dass sie täglich nach dem 
Aufstehen badeten, und teilt ferner mit, dass ihnen auch warme 
Bäder nicht fremd waren. Letztere wurden nicht nur in natürlich 
warmen Quellen gesucht, sondern auch in Wannen oder Kufen 
bereitet. Man erwärmte Wasser in irdenen Geschirren und goss 
es dem Badewasser zu oder warf in letzteres heisse Steine. Durch 
schlanken Körperbau unterstützt, übten die Germanen der ältesten 
Zeit das Schwimmen mit leidenschaftlicher Vorliebe, und die 
Markomannen und Quaden, die Marc Aurel in Städte verpflanzte, 



44 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

erklärten, sie könnten es hier schon deshalb nicht aushalten, 
weil ihnen die Gelegenheit zum Baden im fliessenden Wasser 
abgehe. Auch im IV. Jahrhundert n. Chr. werden die Ger- 
manen als meisterhafte Schwimmer gepriesen, während ein 
römischer Dichter des folgenden Jahrhunderts dem Stamme der 
Franken den Preis im Schwimmen vor allen anderen Völkern 
zuerteilt. Und so blieb Jahrhunderte hindurch die Liebe für 
das Schwimmen erhalten und ein sorgsam gehütetes Gut, wie 
wir aus einer Reihe von Schilderungen und Beispielen aus jener 
Zeit ersehen. Vor allem sind es drei deutsche Kaiser, die uns 
als tüchtige Schwimmer gerühmt werden, Karl der Grosse, von 
dem sein Biograph Einhard sagt, es habe sich mit ihm in dieser 
Fertigkeit kaum einer messen können, Otto IL, der bekanntlich 
nach der Schlacht bei Cotrone durch seine Schwimmkunst der 
Gefangenschaft entging, und Friedrich Barbarossa, der seine Lust 
am Flussbade mit dem Leben büssen musste. Bekannte deutsche 
Sprichwörter waren Optimi natatores saepius submerguntur und 
Durum est natare contra impetum fluminis und in dem thü- 
ringischen Ritterspiegel finden wir unter den sieben Behendig- 
keiten, die der Ritter besitzen müsse, auch folgende aufgezählt: 

„Die zweite ist, dass er schwimmen kann, 
Dass im Wasser dreist er tauche, 
Dass sich krümm' und drehe der Mann 
Auf dem Rücken von dem Bauche." 

Doch der finstere Geist des Mittelalters, dem jede harmo- 
nische Lebensauffassung verhasst, dem jeder körperliche Sport 
als eine Schädigung des allein zu erstrebenden Seelenheiles er- 
schien, ertötete diese natürliche und gesunde Uebung durch Askese 
und Strafen, so dass man zeitweise das kalte Bad als Kastei- 
ung und Beschwörungsform beim Exorcismus anwandte. Dem 
Pietismus folgte die natürliche Schwester, die abergläubische 
Furcht. Und so fing man an, die Anwendung des kalten Wassers 
nicht nur aus Gründen des Seelenheils zu verbieten, sondern auch 
ihm vermeintliche schädliche Folgen auf den Körper anzudichten. 
Wie sehr man damals das kalte Wasser fürchtete, dies beweist 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 45 

allein jene Kirchenverordnung vom Jahr 1287, die die ursprüng- 
liche Vorschrift zur Vornahme der Taufe dahin abänderte, dass 
der Täufling nicht mehr ins kalte Wasser eingetaucht zu werden, 
sondern nur mit kühlem übergossem zu werden brauche, und 
dass sogar erlaubt wurde, das Wasser im Winter zu erwärmen. 
Ut caveatur periculum baptisandi, lautet nämlich der Beschluss 
des Konzils, non mergatur caput pueri in aqua, sed sacerdos 
super verticem pueri ter infundat aquam. Und als man im 
16. und 17. Jahrhundert begann, in dem Nackten etwas Unsitt- 
liches und Obscönes zu sehen, da wurde vollends dem frohen 
Treiben der Jugend durch Polizeimassregeln das Lebenslicht aus- 
geblasen. War also von Natur aus den Germanen die Anwendung 
warmen Wassers zum Badegebrauch fremd, so lernten sie doch das- 
selbe gleich wie die Gallier von den Römern kennen; Tacitus 
berichtet, dass die Männer in Friedenszeiten sich zu später Morgen- 
stunde von der Nachtruhe erhoben und alsdann ein warmes Bad 
genommen hätten. Besondere Badestuben oder Badehäuser gab 
es bereits zur Zeit der Abfassung der Volksrechte (VI. Jahrhundert 
und ff.), wie aus dem Alemannischen Rechtsbuch hervorgeht, 
auch wird im Gesetz der Bayern der balnearius, Badmeister, er- 
wähnt. Von hervorragenden, den Gebrauch der'warmen Bäder illu- 
strierenden historischen Episoden und Persönlichkeiten sei der 
Tod des Langobarden Helmichis, dem aus dem Bade steigend 
seine Gattin Rosamunde einen vergifteten Trank reicht, erwähnt, 
ferner Karl der Grosse, der häufig in Gesellschaft seiner Anver- 
wandten in Aachen badete, Ludwig der Fromme etc. Von wesent- 
lichem Einfluss auf die Entwicklung des Badewesens war die 
Kirche. Infolge jener unbegrenzten Vorliebe der Römer für warme 
Bäder sahen sich die Erben der Siebenhügelstadt, in der noch 
bis ins X. Jahrhundert acht aus klassischer Zeit stammende Bäder 
sich erhalten hatten, die Päpste, veranlasst, ausschliesslich für 
Personen geistlichen Standes bestimmte Baderäume zu erbauen. 
Diesem Beispiele folgend gestatteten auch die Ordensregeln der 
Klöster ihren Insassen massigen Gebrauch der warmen Bäder. 
Vor allem war es Benedikt, der Stifter des angesehensten Mönchs- 



46 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

ordens des Abendlandes, der dies erlaubte, und seine Jünger, die 
sich über den ganzen Occident verbreiteten, trugen den Gebrauch 
warmer Wasserbäder selbst nach Landstrichen, in welche Römer 
nie gedrungen waren. Manche dieser Klöster wurden in der Nähe 
warmer Mineralquellen errichtet, und dann fand man oft Arme 
und Reiche an solchen vor Klöstern vorbeifliessenden warmen 
Quellen, deren Pflege den Mönchen oblag. Wo solche Quellen 
fehlten, und dies war selbstverständlich bei dem grössten Teil 
der Klöster der Fall, dort wurde, um erwärmtes Wasser stets zur 
Hand zu haben, das Bad neben der Küche erbaut. In Klöstern 
nördlicher Länder wurde wenigstens bis gegen die Mitte des 
XII. Jahrhunderts von der Badeerlaubnis Benedikts nur massiger 
Gebrauch gemacht. Man badete dort nur vor hohen Festtagen, 
so vor Weihnachten, Ostern, Pfingsten, in manchen auch vor der 
heil. Kommunion. Jegliches Baden mieden die Anachoreten des 
Morgenlandes, die den Gipfelpunkt der Askese anstrebten. Dem 
Laienpublikum der ersten christlichen Jahrhunderte war der Be- 
such öffentlicher Bäder, insofern diese der Förderung der Gesund- 
heit und nicht der Ueppigkeit dienten, freigegeben. Ja durch 
das Vorbild der Taufe Christi und durch das Sakrament der 
Taufe erhielt das Baden eine gewisse Weihe, ein Umstand, der 
auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass man die Badekufen 
— Badzuber genannt — gleich denen der Taufbecken kreisför- 
mig gestaltete. Enthaltung vom Bade wurde als eine Art kirch- 
licher Strafe auferlegt, denn Pönitenten wurde der Genuss des 
Bades untersagt. Aus gleichem Grunde enthielt man sich 
während der Zeit der Fasten, als einer Zeit der Busse und Trauer, 
gleich wie in der Karwoche, des Bades, und noch in späterer 
Zeit war es Badenden untersagt, ihre Bäder des Freitags zu 
heizen. Die Ueberlieferung verzeichnet eine grosse Reihe von 
„heiligen" Männern, Fürsten und Fürstinnen, die aus Askese das 
Baden gemieden haben sollen, bei dem überwiegenden Teil der 
Frommen jener Jahrhunderte jedoch übte die alttestamentarische 
Ansicht, dass die durch das Element des Wassers vollzogene 
Reinigung des Leibes ein Symbol und Förderungsmittel geistiger 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 47 

Reinheit sei, ihren entscheidenden Einfluss. Sie spricht sich in 
dem vor Festtagen genommenen Bade, wie in jenem vor Erhalt 
des Ritterschlages wie nicht minder in der Sitte des Waschens 
der Toten aus. In diesem Sinne liess der h. Corbinian sein Ende 
herannahen fühlend ein Bad sich bereiten und Haupt- und Barthaar 
scheren. Gleiches wissen wir von Burchard, Bischof zu Worms. 
Diese religiösen Anschauungen des Mittelalters im Verein mit der 
angeborenen Neigung, der Berührung mit der Kultur der Römer, 
dem Eindringen des mit morgenländischer Sitte und Anschauung 
untermischten Christentums, vor allem aber mit der durch die 
Kreuzzüge des XII. Jahrhunderts gepflegten unmittelbaren Ver- 
bindung mit dem Orient, trugen wesentlich dazu bei, die Sitte 
des Badens unter den germanischen Stämmen und im ganzen 
nördlichen Europa zur allgemeinsten Ausbildung zu bringen, wo- 
von uns besonders die poetischen Darstellungen jener Zeiten 
sprechende und anziehende Beweise überliefert haben. Es wurde 
direkt zu einer Pflicht der Gastfreundschaft, dem ermüdeten Gaste 
ein Bad zu bieten, von einer Reise Heimkehrende badeten gleich- 
falls, und ebenso erquickte man sich nach mühe- oder entbehrungs- 
voller Zeit durch ein Bad; so die aus Waffenkampf oder aus 
Gefangenschaft Zurückkehrenden. Besonders finden wir auf den 
Ritterburgen, die in Deutschland zuerst ein häusliches Leben in 
behaglicherer Fülle entwickelten, das warme Bad als den unent- 
behrlichsten und erquickendsten Genuss des Hauses dargestellt. 
„Man schuf ihm gut Gemach von Kleidern, Speis und Bade" 
heisst es an manchen Stellen im Iwein und Tristan und im 
Biterolf: 

Und C-itmther dann die Helden bat, 

Dass sie nach Haus sich Hessen laden, 

Er wollte schön sie heissen baden! 

Und ihnen schenken seinen Wein! 

Der von der Greifeninsel glücklich heimgekehrte Hagen er- 
weist sich gegen die mit ihm geretteten „drei Jungfrauen" be- 
sonders aufmerksam und ausser kostbaren Kleidern lässt er ihnen 
auch häufig Bäder bereiten. So lässt auch der alte Gurnemanz 



48 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

de Graharz seinem Parzival am Morgen ein Bad bereiten und 
die Badekufe in das Schlafzimmer bringen. Das Wasser ist mit 
Rosenblättern bestreut. (S. die Darstellung des Jakob von Warte 
in der Pariser Minnesinger Handschrift ; Hagen, Bildersaal T. XI). 
Sobald der junge Ritter in der Kufe sitzt, kommen zwei Jung- 
frauen, die ihn waschen, als sie ihm aber das Badelaken anbieten, 
schämt er, der junge, unerfahrene, sich doch und „die Juncfrouwen 
muosen gen". Auf einem Bilde, welches die berühmte, manes- 
sische Liederhandschrift enthält, sitzt ein Ritter ganz nackt in 
einer Wanne, seine Brust und das Wasser sind mit Blumen be- 
streut, ein Jungfräulein will ihm einen Kranz aufsetzen, ein an- 
deres kredenzt ihm den Becher. Zu den Füssen der Wanne 
hängt ein Kessel mit dem warmen Wasser über dem Feuer, das 
ein Badeweib mit dem Blasbalg anfacht. (Es war das etwas ganz 
gewöhnliches, dass Mädchen die Ritter beim Baden bedienten.) 
Wahrscheinlich hatten die Männer, ehe sie ins Bad stiegen, eine 
Art Badehose angelegt, die wir uns vielleicht ähnlich denken 
dürfen wie die Schamgürtel, welche die Schacher auf den Dar- 
stellungen der Kreuzigung um die Hüften befestigt haben. Es 
ist dies die Queste, deren öfter gedacht wird. Ja, die Damen 
nahmen nicht Anstand, mit den Herren gemeinsam zu baden ; 
sie schmückten sich dann nur mit dem schönsten Kopfputz. Aus 
den früheren Jahrhunderten haben wir darüber keine bildlichen 
Darstellungen, die erste finden wir in einem Codex des Valerius 
Maximus aus dem Jahre 1470. In einem grossen Zimmer sind 
da Badekufen aufgestellt, in denen immer gegenüber je ein Mann 
und eine Frau sitzt; zwischen ihnen liegt ein Brett, auf dem Er- 
frischungen stehen. Die Männer tragen jene oben schon erwähnte 
Schambinde, die Frauen dagegen sind ganz nackt, haben aber 
die hohen Hennins auf und tragen goldene Halsketten. Beson- 
dere Badestuben gab es in den Burgen anfänglich nicht; sondern 
man bereitete das Bad in einer Wanne, die man auf den Burgen 
im Schlafzimmer oder in einem Saal, in den Klöstern in einer 
Zelle oder sonst einem geeigneten Räume aufstellte. Später wur- 
den auf den Burgen besondere Baderäume eingerichtet. Im 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 49 

„Herzog Ernst" wird uns ein solches Badezimmer beschrieben ; 
es ist mit grünem Marmor getäfelt, gewölbt, hat aber kein Wasser- 
bassin, sondern zum Baden sind zwei Wannen bestimmt, in welche 
warmes und kaltes Wasser hineingeleitet wurde. Ein Abzugs- 
kanal aus grünem Marmor lässt das überschüssige Wasser ab- 
fliessen; staut man ihn, so kann man die ganze Burg abspülen. 
Wir erfahren dies ferner aus einer dem XV. Jahrhundert an- 
gehörenden Beschreibung der Burg Thiersberg in der Ortenau. 
Dort hatte das jüngere der beiden auf der Burg vorhandenen 
Wohngebäude im Erdgeschoss neben der Backstube eine Bade- 
stuben-Kemnate. Als man in den Klöstern zur Anlage eigent- 
licher Baderäume überging, legte man diese meist, um warmes 
Wasser bequem bei der Hand zu haben, neben die Küche, so 
u. a. im Kloster St. Gallen, wo das Bad an die Küche stiess, die 
zwischen der Kirche und dem Refektorium lag. Jedoch finden 
sich auch vereinzelt Baderäume mit selbständiger Heizvorrich- 
tung. Ein Beispiel hierfür ist uns im Kloster Maulbronn erhalten 
geblieben. Ueber einem mit starken Mauern umschlossenen ge- 
wölbten Räume, der als Heizkammer anzusehen ist, befindet sich 
ein kleines Zimmer ; die im gewölbtem Räume durch Verbrennen 
von Holz erzeugte heisse Luft wurde mittels Löcher durch die 
Wölbung in das obere Zimmer geleitet, das vermutlich gleich- 
zeitig als Schwitz- und Baderaum gedient hat. In der Nähe der 
Badstube befindet sich meist ein Ziehbrunnen. 

Mit dem Aufblühen des bürgerlichen Lebens wurde auch in 
den Städten der Gebrauch des Bades ein allgemeiner und zur 
Lebenssitte. Das Badelaken, das grosse Tuch, das man beim 
Verlassen des Bades umnahm, gehört schon im Sachsenspiegel 
(um 1230) zur Brautausstattung und bereits Vincenz von Beauvais 
(t 1264) giebt Vorschriften über die Anlage von Hausbadstüblein, 
die „ebenso der Belustigung wie der Gesundheit dienen". Ein mittel- 
alterliches Sprichwort sagt: „Wiltu ein Tag fröhlich sein? Gehe ins 
Bad. Wiltu ein Wochen fröhlich sein? Lass zur Adern. Wiltu ein 
Monat fröhlich sein? Schlacht ein Schwein. Wiltu ein Jahr 
fröhlich sein? Nimm ein jung Weib." Das Baden galt gewisser- 

Marcnse, Bäder und Badewesen. 4 



50 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

massen als eine Volksbelustigung. Wie in späteren Jahrhunderten 
etwa ein Freitheater, so gab man in früheren bei festlichen Ver- 
anlassungen ein Freibad zum besten. Unser heutiges „Trinkgeld" 
führte in jener Zeit den Namen „Badegeld", bei Hochzeiten be- 
kam das Gesinde, bekamen Arbeitsleute, Handwerker etc. Bade- 
geld. In der ursprünglichen Zeit war das Baden noch auf hohe 
Festtage und wichtige Ereignisse des Lebens beschränkt; so 
badeten Bräutigam und Braut vor der Hochzeit 1 ), man badete 
am Vorabend hoher Kirchenfeste, wie Weihnachten, Ostern, 
Pfingsten, auch vor der Kommunion etc. Diese Hochzeitbäder 
wurden mit solchem Aufwand — ein zahlreiches Gefolge be- 
gleitete das Paar, kostbare Badewäsche wurde an die Gäste ver- 
teilt, üppige Zechgelage schlössen sich an — gehalten, dass die 
Obrigkeiten dagegen einschritten und dieselben entweder ganz 
verboten oder genau festsetzten, wieviel Badegäste das Brautpaar 
laden und wieviel Gerichte es aufsetzen dürfe. An anderen Orten 
schloss man die Hochzeit und andere Festlichkeiten auch mit 
einem allgemeinen Bade, das man den Gästen gab, und das man 
„ausbaden" nannte. 

Späterhin, mit der festen Einbürgerung der Badesitte, be- 
schränkte man sich nicht bloss auf Fest- und Feiertage, sondern 
man suchte mindestens wöchentlich einmal die Badestube auf. 
Diese Nachfrage bestimmte das Erstehen zahlreicher öffentlicher 
Badestuben in Stadt und Dorf gegenüber der bisherigen primi- 
tiven Form des Hausbadestübleins oder der gewöhnlichen Bade- 
kufe. Der Tag der Woche, an dem vornehmlich gebadet wurde, 
war der Samstag als Vorabend des Sonntags. Bei vielen Hand- 
werkern erhielten die Gesellen des Samstags ein besonderes Bade- 
geld, das sie bei Nichtanwendung dem Meister zurückgaben. In 
der freien Reichsstadt Frankfurt a. M. bekamen sogar der Herr 
Bürgermeister und andere städtische Beamte alle Sonnabend eine 
Zahl Pfennige, welche Badeheller genannt wurden. Am Freitag 



') Bekanntlich zählte auch bei den Griechen das Baden sowohl der Braut 
wie des Bräutigams in dem Wasser eines Flusses oder Quelle zu den Hoch- 
zeitsgebräuchen. (Pauly, Real-Encycl. 5, 778.) 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 51 

zu baden, war den Christen verboten, den Juden war dieser Tag 
freigegeben; letztere errichteten sich jedoch vielfach aus ritualen 
Gründen eigene Bäder. Die zunehmende Ausbreitung der öffent- 
lichen Bäder liess sie auch allmählich ergiebig für eine Steuer- 
belastung erscheinen, und so zog die Landesherrlichkeit die Bad- 
stube gleich der Schenke, Schmiede und Mühle in ihre Regalien 
ein. Die Errichtung neuer Bäder wurde von der obrigkeitlichen 
Erlaubnis abhängig gemacht, selbst Privatgebäude, wenn zu diesem 
Zwecke Wasser aus einer Mineralquelle dahin geleitet werden 
sollte, unterlagen dieser. Diese öffentlichen, konzessionierten 
Bäder führten die Bezeichnung die ehehaften (d. h. die gesetz- 
lichen, die privilegierten). Bei Städtegründungen oder bei Er- 
hebung von Orten zu solchen verlieh man diesen mit den anderen 
Ehehaften auch das Recht, Badestuben errichten oder besitzen zu 
dürfen, und diese Bäder waren städtische. Die Städte wiederum 
verpachteten ihre Bäder an Unternehmer, die sogenannten Bader, 
die sich zu Zünften zusammenschlössen und später oder an ein- 
zelnen Orten die Badeanstalten als Erblehen zuerteilt erhielten, 
resp. sie in Privatbesitz hatten. 

Im XVI. Jahrhundert finden wir sowohl in jedem einiger - 
massen behaglich eingerichteten städtischen Bürgerhause wie auf 
jedem grösseren Bauernhof eigene Badestüblein. Häuser, welche 
besondere Badestuben nicht haben konnten, besassen wenigstens 
zwei hölzerne Wannen, die übereinander gestellt und oben mit 
Stroh gedeckt wurden, oder in Gestalt eines hölzernen Schrankes 
gezimmert waren. Das Badestüblein bildete gewissermassen den 
Salon des Hauses. Dahin lud man seine guten Freunde, badete 
und trank mit ihnen, ohne auf den Unterschied des Geschlechtes 
Rücksicht zu nehmen. „Wann mancher, der sonsten nichts zu 
thun hat, nicht weiss was er anfangen solle, lässt er ihm ein 
Schweiss-, Dampff- oder Vollbad zurichten, darin er etwan mit 
seinem Weib oder sonsten einem guten Freund sitzet und ein 
Kändel drey, vier Wein neben guten Sträublen ausleeret." So 
zu lesen im Guarinonius 1610. Essen und Trinken während des 
Bades war überhaupt häufig und beliebt und galt, da man sehr 



52 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

lange im Bade blieb, dem Körper zur Stärkung unentbehrlich. 
Auch von denen, die Badestüblein hatten, wurden die geräumigeren 
öffentlichen Bäder gern aufgesucht. Ihre Bedeutung für die da- 
malige Zeit geht am besten aus ihrer grossen Anzahl hervor; 
so zählte Mainz im XIV. Jahrhundert 4 öffentliche Badestuben, 
Würzburg um 1456 deren 8, in Ulm werden gegen das Ende des 
Mittelalters 11 angeführt (im ganzen, d. h. einschliesslich der 
Privatbäder 168), in Nürnberg 12, in Wien 29, in Frankfurt 15. 

Zu den wesentlichen Momenten, die die Badestuben in die 
Wohnhäuser des Mittelalters einführen halfen, kann man ausser 
der allgemein verbreiteten Badelust die durch die Kreuzzüge ver- 
mittelte Bekanntschaft des Orients zählen, ferner die während 
Epidemien angeordnete Schliessung der Bäder, während massiges 
Baden im Hause gestattet war, und nicht zum mindesten die seit 
Ausbruch der Syphilis allgemein auftretende Furcht vor Ansteckung. 
So kamen eine Reihe von Faktoren zusammen, die die Ausbrei- 
tung der Badestuben begünstigten und mit ihr den Genuss des 
Badens zu einem allgemeinen Lebensbedürfnis machten. Kultur- 
historisch ist es von Interesse, dass die Kalender jener Zeit unter 
den hygienischen Monatsregeln auch die günstige oder ungünstige 
Zeit für Dampf- und Wasserbäder auf Grund astrologischer Speku- 
lationen angaben. Dürftige und Sieche wurden von Frommen 
eigenhändig gebadet, Armenbäder, in denen Arme unentgeltlich 
Aufnahme und Verpflegung fanden, errichtet und aus Vermächt- 
nissen, meist jährlich am Sterbetag des Stifters, an Arme Bäder 
verabreicht. Solche Bäder nannte man Seelbäder, denn die 
durch ein Bad und meist auch durch ein Mahl erquickten Armen 
gedachten an jenem Tage der Seele des Stifters. In Nürnberg 
hatte im Anfang des XVI. Jahrhunderts die Zahl der gestifteten 
Seelbäder bereits eine solche Höhe erreicht, dass man beschloss, 
fernere derartige Stiftungen anderen wohlthätigen Zwecken zu- 
zuwenden. 

Die Form des ursprünglichen Bades war die des Schwimm- 
bades in der Piscina und des Vollbades in Wannen aus Holz 
oder gemauerten Becken. Diese Voll- oder Wannenbäder waren 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 53 

einfache oder medikamentöse, in letzterem Falle setzte man ihnen 
Kräuter zu. Beide Arten von Bädern wurden auch von den 
damaligen Aerzten überaus häufig zu Heilzwecken herangezogen. 
Gegen Lähmungen, Epilepsie, Katarrhe, Nierenleiden und viele 
andere Krankheiten werden sie ärztlicherseits empfohlen und 
neben ihnen auch Wein-. Oel-, Milch- und andere Arten künst- 
licher Bäder angewandt. Ueberdies kommen auch medikamentöse 
Kopf- und Fussbäder im damaligen Arzneischatz vor. Natürliche 
Mineralbäder, sogenannte Badbrunnen, Heil- und Wildbäder, kennt 
das Mittelalter ebenfalls in grösserer Zahl. Wie die Kreuzzüge 
zur Verallgemeinerung des Badegebrauchs wesentlich beitrugen — 
die nach dem gelobten Lande ziehenden Pilger gewöhnten sich 
im Orient an häufiges Baden und wollten, in die Heimat zurück- 
gekehrt, dieser Gewohnheit nicht mehr entsagen — , so übten sie 
auch einen geradezu revolutionierenden Einfluss auf die Art des 
Badens aus. Denn in ihrem Gefolge erschien der unheimliche 
Gast, die arabische Lepra, im Abendlande und heftete Schrecken 
und Furcht an ihre Spuren. Dieses Umsichgreifen der Seuche 
veranlasste die erschreckten Gemüter, vom Wasserbad als schäd- 
lich sich abzuwenden und im Schwitz- oder Dampfbad allein 
das Schutz- und Hilfsmittel gegen diese Krankheit zu sehen. So 
wurde ersteres vollständig verdrängt und dem Schwitzbad eine 
Ausdehnung und Verbreitung gegeben , die es geradezu zum 
typischen Bade des Mittelalters gestempelt hat. Schwitzbäder, 
in denen Schweissentwicklung durch erhitzte Luft hervorgerufen 
wurde, bediente man sich in Deutschland neben Wasserbädern 
schon in früheren Jahrhunderten ; aus den romanischen Ländern 
eingeführt, gaben sie zum Teil die Einrichtung der altrömischen 
Caldarien wieder; Schwitzbäder jedoch, in denen man Schweiss- 
absonderung durch heisse Dämpfe hervorrief, werden erst Ende 
des XIII. Jahrhunderts erwähnt und scheinen von den slavischen 
Völkerschaften her nach Deutschland sich verbreitet zu haben. 
Erzählt doch Nestor vom Heidenapostel Andreas, der längs des 
Dnjepr zu den Slaven kam: „Er sah die Sitte der dortigen Leute, 
wie sie sich in Bädern waschen und mit Badequästen schlagen 



54 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

und wunderte sich darüber. Nach Rom gelangt, erzählt er dort: 
Ich sah hölzerne Bäder und darin steinerne Oefen, die sie scharf 
herzten; in diese Bäder gehen sie und ziehen sich ganz nackt 
aus. Dann begiessen sie sich mit lauem Wasser und nehmen 
Ruten oder zarte Baumzweige und fangen an, sich damit zu 
peitschen, giessen indes Wasser auf die [Steine und peitschen 
sich so arg, dass sie kaum lebendig herauskriechen. Beim Heraus- 
gehen begiessen sie sich mit kaltem Wasser. Das thun sie alle 
Tage." Diese Dampfschwitzbäder kamen, jedoch mit Weglassung 
der kalten Uebergiessimgen, wahrscheinlich durch deutsche Kauf- 
leute , die mit Russland in Handelsbeziehungen standen , nach 
Deutschland und wurden am frühesten in Schlesien gebraucht. 
Die rasche Verbreitung, die sie gewannen, und an der nicht zum 
geringsten die Furcht vor der Lepra beitrug, illustriert am dra- 
stischsten einer der kompetentesten Beurteiler jener Zeit, Guarino- 
nius, Arzt des Frauenstiftes Hall, in seinem 1610 erschienenen 
Werke ; er sagt : „Durch gantz Teutschland ist nichts gemeineres, 
nichts bekandtres, nichts geübteres, als diese Leib Ringerung durch 
den Schweiss — das schweiss- und dampffbaden — darauf? der 
gemein Böffel und viel ansehenliche Burger dermassen steif und 
stark halten, dass sie vermeyneten viel verloren zu haben, wann 
sie nit alle Sambstag vor dem Sontag oder alle Feyerabend vor 
den Fest- und Feyrtägen in das gemeine Feil- oder besondere 
Schweissbad gehen, schwitzen, sich reiben, fegen, butzen und ab- 
waschen lassen." Die Deutschen waren überhaupt grosse Freunde 
stark geheizter Wohnstuben und Anton Guaineri (gestorben in 
Pavia um 1440) bemerkt, sie hätten nicht vom übermässigen 
Trinken, wie viele wähnen, zerkerbte Augenlidränder (oculos scar- 
pellatos), dieses rühre vielmehr von ihrem Aufenthalt in den 
geheizten Wohnstuben her. Ein anderer Autor, Erasmus, beschreibt 
eine deutsche Wirtshausstube, in der man Reisende aller Klassen 
zusammengepfercht findet: „Stark wird der Ofen gefeuert, auch 
wenn draussen die Sonne warm scheint. Sie halten es für etwas 
besonders gutes, wenn alle von Schweiss triefen. Und verträgt 
einer den Qualm nicht und öffnet das Fenster, so rufen alle : zu- 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 55 

gemacht!" Neben öffentlichen fanden in Deutschland auch Privat- 
schwitzstuben allgemeine Verbreitung, auf Burgen wie in Häusern 
der Bürger, und da, wo die besondere Badestube fehlte, half man 
sich mit dem strohgedeckten oder zusammengestülpten Zuber 
und legte erhitzte Steine hinein. Diese Steine • wurden auch, 
wenn man Heilzwecke verfolgte, in einer überdeckten Wanne 
mit Kräuterabkochungen übergössen. In den Kalendern, den 
Volks- und Hausbüchern jener Zeiten waren stets unter den 
Gesundheitsregeln in jedem Monat auch die günstigen und un- 
günstigen Zeiten für Wasser- und Schwitzbäder mit apodiktischer 
Bestimmtheit bezeichnet. In einem solchen heisst es: 

Januar: kühl erlaube ich dir zu paden. 

Hornung: warin päd die seint dir gut. 
März: du magst auch warm paden wol. 

Hewmon: vor slaf und vor paden 

hiit dich, wenn es thut schaden. 
Augustus: hab nit gir zu paden. 

So teilte man also die Schwitzbäder in zwei Hauptarten ein : 
in jene, wo man einzig durch erhitzte Luft, und in jene, in 
welchen man durch heisse Dämpfe erhöhte Schweissabsonderung 
zu erzielen suchte. Letztere waren entweder einfache, wo man 
gewöhnliches Wasser in Dämpfe verwandelte, oder zusammen- 
gesetzte, wo man zur Entwicklung des Dampfes heisses Wasser 
auf Kräuter etc. goss. In Italien bediente man sich auch der 
Dämpfe mineralischer Quellen. Ferner wurde auch der Backofen 
sowohl zu Dampf- als Luftschwitzbädern benutzt; man goss zu 
ersterem Zwecke Wasser in den noch heissen Backofen, oder man 
schob den Kranken (meist Wassersüchtige), nachdem abgebacken 
war, in den Backofen, wobei der Kopf ausserhalb der Einschiess- 
öffnung zu liegen kam. Alle diese Schweissbäder nannte man 
stubae (stuphae), aestuaria, mitunter auch stubae balneales, ohne 
dass jedoch immer aus der Anwendung einer der Beziehungen 
mit Sicherheit auf die Art des Badens zu schliessen wäre. Die 
Vorgänge bei einer solchen Schwitzbadprozedur hat uns in aus- 
führlichster Weise Seifried Helbling, ein österreichischer Spiel- 



56 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

mann, in seinen Satiren, die gegen Ende des XIII. Jahrhunderts 
gedichtet sind, überliefert. Da der Bader nicht alle Tage das 
Bad offen hielt und heizte — ausser Samstag gewöhnlich nur 
Montag und Donnerstag — , gab er mit einem Hörn das Zeichen, 
dass man bei ihm baden könne. Und zwar geschah dies in früher 
Morgenstunde, denn die Stunden des Vormittags wurden ärztlich 
als die dem Badegebrauch entsprechenden anempfohlen. Anderswo 
gingen auch Knaben durch die Gassen und schlugen mit einem 
Klöppel auf eine kupferne Pfanne oder es schrieen, wie von Paris 
berichtet wird, eigens bezahlte Ausrufer es aus. Dies letztere 
war eine in früherer Zeit so gewöhnliche Art und Weise sich 
bekannt zu machen, dass man Quacksalber aller Art unter dem 
Kollektivnamen Schreyer zusammenfasste.^ Auf dieses Zeichen 
entkleideten die gewöhnlichen Leute sich zu Hause bis auf die 
unerlässlichste Hülle und verfügten sich in grossem Negligee über 
die Gasse in die Badestube. So klagt noch Guarinonius: „dass — 
wohl erzogene Burger und Burgerinnen sich in ihren Häusern 
entblössen und also nackend über die öffentlichen Gassen bis 
zum Badhaus — gehen. Ja wie vielmal läuft der Vater bloss von 
Haus mit einem einzigen Untergewand über die Gassen samt 
seinem entblössten Weib und blossen Kindern dem Bad zu". 
Diese geringe Verhüllung, in der man zum Bade ging, dürfte sich 
nicht bloss aus Bequemlichkeit, sondern auch als Vorsichtsmass- 
regel gegen Badediebe eingeführt haben, denen man dadurch 
die Versuchung, sich an wertvollen Gewandstücken zu vergreifen, 
von vornherein aus dem Wege räumte. Dass es im Mittelalter 
nicht an unrechtmässigen Aneignungen fremden Gutes in den 
Badestuben fehlte, das beweisen mannigfache Stellen. Angehörige 
der höheren Gesellschaftsklassen begaben sich jedoch angekleidet 
ins Badehaus. Für Badewäsche war in den Badehäusern vor- 
gesorgt, doch meist nur für Arme und Reisende; Wohlhabendere 
nahmen sich ihr eigenes Badehemd oder Badelaken mit, das in 
keinem Inventar vermögender Häuser fehlen durfte. Jedes besser 
eingerichtete Bad hatte zweifelsohne ein Auskleidezimmer. Im 
Schwitz- wie Wasserbade selbst befand man sich meist in völliger 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 57 

Nacktheit, wie dies Abbildungen im Sachsenspiegel, in der Bibel 
des K. Wenzel, in Kalendern etc. wiedergeben. Der Bader er- 
scheint mit einem Lendenschurz bedeckt. Dagegen findet man 
Badegäste aus den wohlhabenderen Klassen zuweilen auch mit 
einem Schurz, die Frauen mit einem weit ausgeschnittenen 
Badelaken bekleidet. In Baden bei Wien Hessen häufig Frauen 
dem Saume ihres Baderockes, um etwaiges Emporbauschen zu 
verhüten, Bleistücke einnähen. Bildliche Darstellungen Badender 
zeigen diese bis in XIV. Jahrhundert barhaupt, vom XV. Jahr- 
hundert an machen sich als Kopfbedeckung beider Geschlechter 
flachrunde schirmlose Bademützen (Hauben, Käppiein) bemerkbar. 
Es scheinen die häufigen Kopfbäder, die in jener Zeit in Schwung 
waren, teils die dadurch gesteigerte Furcht vor Erkältung des 
Kopfes den Gebrauch der Bademützen gefördert zu haben. 

Beim Eintritt in die Schwitzstube bot der Badewirt dem 
Gaste mehrere, meist aus Birken- oder Eichenlaubreisern gebundene 
Büscheln dar, Wadel, auch Quasten genannt. Eine solche Bade- 
quaste an einer Stange durchs Fenster ausgehängt galt an 
manchen Orten auch als das Aushängezeichen der Badestuben. 
Diese Quasten gehörten zu den unentbehrlichsten Utensilien jeder 
Badestube und dienten dazu, sich zur Erhöhung der Hautthätig- 
keit mit ihr zu peitschen oder nach minder strenger Observanz 
sich mit ihr als mit einer Art Blätterpinsel mit lauwarmem Wasser 
zu besprengen. Die Verbreitung der Dampfbäder in Deutschland 
findet auch kulturhistorisch ihren Ausdruck in den interessan- 
ten Thatsachen, dass Dichter und bildende Künstler in ihren 
Darstellungen des Sündenfalles Adam und Eva statt mit einem 
Feigenblatt mit einer Badequaste versehen wiedergeben, und dass 
man überall, wo man dies findet, auf Werke deutscher Kunst 
schliessen kann. 

Die Schwitzstube war mit terrassenförmig auf gestellten Bänken 
versehen, auf denen man sich — den Kopf auf ein Holzkissen 
gestreckt — hinlegte. Die oberste Bank führte den Namen „Pfahl" ; 
Bänke und Dielen wurden der Reinlickheit halber vor jedesmaligem 
Gebrauch abgewaschen. „Ein weibel viel gelenke", eine gewandte 



58 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

Bademagd — die Dienerschaft im Innern der Badestube war 
meist eine weibliche und nur mit einem Hemd bekleidet — 
bringt im Scheffel Wasser „weder zu kalt noch zu warm", be- 
giesst den Badenden damit und streicht ihm nun mit der Quaste 
Rücken, Füsse und Arme. Diese Eingangspräzedur soll zur 
Oeffnung der Poren durch Entfernung des Schmutzes etc. dienen. 
Nun werden zwei Scheffel Wasser an die heissen Steine gegossen 
— wissen wir doch schon aus Nestor, dass die Dampfentwicklung 
durch Begiessen heisser Steine mit warmem Wasser bewerkstelligt 
wurde, — dass der aufqualmende Dampf das Gemach, das ohnehin 
nur durch kleine Fenster dürftig erleuchtet wird, vollständig ver- 
finstert, in den Ofen wird zur Steigerung der Temperatur noch 
Holz nachgelegt, und der Badegast schwingt schwitzend den 
Wedel auf seinen Leib. Nachdem man tüchtig geschwitzt hat, 
steigt man von der Bank herab und lässt sich auf der Diele, 
wo gemässigte Temperatur herrseht, nieder. Dort wird man nun 
wieder begossen, von der Bademagd geknetet und gerieben, wie 
ein Linnenstück in die Wäsche genommen, in Seifengischt be- 
arbeitet und zuletzt nochmals mit klarer Lauge übergössen. 
Namentlich erfolgte auch ein gründliches Waschen des Haupt- 
und Barthaares. Dem Bade folgte zunächst das Scheren durch 
einen „ Scher knecht" — in Klöstern war es umgekehrt, da ging 
das Scheren dem Baden voran — und nachdem dies erfolgt war, 
setzte sich der Badende auf eine „fürbanc" (wahrscheinlich eine 
in der Vorstube befindliche Bank) und wird beim Herausgehen 
nochmals mit lauwarmem Wasser begossen. In einer Kammer 
legt er sich dann auf ein Ruhebett und bringt dort 1—2 Stunden 
zu, nicht bloss um sich zu erholen, sondern auch, wie Savonarola 
bemerkt, um dadurch den Uebergang aus der hohen Temperatur 
des Bades in die freie Luft zu vermitteln. Nun erst kleidet man 
sich an — Vornehmere werden von ihren mitgebrachren Dienern 
angekleidet — , reicht den Badeleuten ihren Lohn und verlässt 
unter dem frommherzlichen Grusse derselben, dass Gott, der 
alle Dinge zu lohnen vermag, den Gast lange leben lasse, das 
Badehaus. 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 59 

Im gewöhnlichen Wasserbade war der, Hergang ein ähnlicher. 
Auch hier peitschte man sich mit dem Reiserbüschel, liess sich 
gründlich abreiben und nachher auch rasieren und scheren. 
Ebenso legte man sich auch nach dem Wasserbade eine Zeit 
lang auf ein Ruhebett zur Rast. 

Doch mit allem diesem war nicht immer die Operation zu 
Ende, sondern manche Gäste pflegten, ehe sie die Badestube ver- 
liessen, noch Speise und Trank zu sich zu nehmen und wohl 
auch sich schröpfen zu lassen. Das Essen und Trinken fand bei 
den blossen Wasserbädern, wie bei dem gemeinschaftlichen Ge- 
brauch der Mineralbäder auch wohl während des Badens selbst 
statt und die mehrerwähnten bildlichen Darstellungen zeigen uns 
oft Badende in einer Wanne, denen von Frauen Speise und 
Trank gebracht werden oder welche diese auf einem zwischen 
ihnen befindlichen Brette stehen hatten. Zappert führt aus dem 
Jahre 1441 sogar ein Vermächtnis für Bier an, welches den 
Nonnen eines Klosters nach dem Bade zugeteilt werden solle. 
Was die Anlage der Badestuben anbetrifft, so dienten zur Er- 
zeugung der Wärme in denselben grosse Kachelöfen. Das Wasser 
wurde in kupfernen Kesseln erwärmt und dem Badewasser zu- 
geschüttet. Ofen und Kessel waren also wesentliche Bestandteile 
der Badestube. Doch scheint zuweilen der ummauerte Kessel mit 
einem Wasserhahn versehen gewesen zu sein, der das Mauerwerk 
durchbrach, so dass man das heisse Wasser unmittelbar in die 
dicht an den Ofen geschobene Badewanne abzapfen konnte. Die 
letztere — kreisrund — war mit den schon oben erwähnten 
terrassenförmig angebrachten Bänken das Hauptmeublement einer 
Badestube, die als Inventar ausserdem noch Kübel und Becken, 
Schwämme, Badekappen, Seife, Tücher zum Abtrocknen, Kämme 
etc. enthielt. Der Dampf in den Schwitzbädern wurde, wie schon 
erwähnt, dadurch erzeugt, dass man auf dem Ofen Kieselsteine 
erhitzte und sie mit Wasser übergoss. Dem Wasser wurde zu- 
weilen ein Kräuterabsud zugesetzt, und diese medikamentösen 
Bäder nannte man auch „Steinbäder". Röhrenleitungen bestanden 
in den öffentlichen Bädern nicht. Aber nicht immer scheint der 



60 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 



Dampf auf die soeben beschriebene Weise erzeugt worden zu 
sein. Konrad Kyeser giebt im Jahre 1405 in seinem „Bellifortis" 
Damdfbäder an, bei denen wir ein auf Pfählen errichtetes Gebäude 
sehen, unter dem sich ein gemauerter Ofen befindet. Auf diesem 
Ofen steht ein retortenähnliches, vermutlich kupfernes Gefäss, 
dessen Hals durch den Boden des Gebäudes hindurch in letzteres 
hineingeführt ist und so den im Kessel erzeugten Dampf un- 




Fig. 4. Dampfbad im Mittelalter. 

mittelbar in die Schwitzkammern leitete. Im First des Daches 
ist eine Oeffnung angebracht, aus der der überflüssige Dampf 
entweichen konnte. Bei demselben Autor finden wir auch ein 
als „Wannenbad" bezeichnetes Bauwerk, das seiner Aehnlichkeit 
nach mit dem obigen jedenfalls eine Kombination von Wannen- 
und Dampfbad dargestellt hat. (Fig. 4 u. 5.) 

Werfen wir einen Rückblick auf das bisher Erwähnte, so 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 



61 



stellt sich uns der Gebrauch kunstwarmer Wasser — wie Schwitz- 
bäder im Mittelalter als ein in allen Schichten der Gesellschaft 
weithin verbreiteter dar, der zu einer festen Volkssitte geworden 
war und seine höchste Blüte gegen Ende des Mittelalters erreichte. 
Den Beweis hierfür bietet die Einbeziehung der Badestuben in 
die landesherrlichen Regale, die Verabreichung von Badegeld als 
einer Art von Trinkgeld, die zahlreichen in grossen wie kleinen 




Fig. 5. Wannen- und Dampfbad im Mittelalter. 



Orten bestehenden öffentlichen Badeanstalten und Hausbade- 
stuben, die Sitte Badegewänder als Geschenke zu verteilen, das 
sorgfältige Anmerken der günstigen Badezeit in den in aller 
Händen befindlichen Kalendern. Auch in der Gesetzgebung 
bekam diese Sitte feste Formen : In manchen Orten besassen die 
Badestuben eine Art Asylrecht, nord- wie süddeutsche Stadtrechte 
führen die Badestube in gleicher Bedeutung wie Markt und 



62 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

Kirche als ständig frequentierte Orte auf, die mit zur Notdurft 
des Lebens gezählt werden ; so wurde im Jahre 1369 einer 
Bürgerin in Regensburg als Strafe auferlegt, ein ganzes Jahr 
nicht aus ihrem Hause gehen zu dürfen ausser zur Beichte, zu 
Gottes Leichnam und nach ihrer Notdurft ins Bad; so musste 
ein Mörder ein ganzes Jahr den Verwandten des Erschlagenen 
auf der Gasse, dem Kirchgange und an den vier ehehaften Orten 
(Wirtshaus, Badestube, Mühle und Schmiede) ausweichen etc. 
Baden war ein derart unentbehrliches Bedürfnis geworden, dass 
nicht wenige, besonders in nördlichen Ländern, ohne Bad nicht 
leben zu können vermeinten, und dass mancher Orten der Bader 
unter Strafandrohung für den Unterlassungsfall zweimal wöchent- 
lich das Bad zu heizen hatte, dass es ferner Exkommunizierten 
als ein Teil der Busse galt, sich des Bades enthalten zu müssen, 
wie auch dass es als ein hoher Grad der Askese angesehen wurde, 
freiwillig darauf zu verzichten. 

Aber dieser häufige Gebrauch der Schwitzbäder stieg all- 
mählich zu einem solchen gesundheitsgefährdenden Uebermass, 
dass man zuerst ärztlicherseits ihm entgegentrat. Man warf ihm 
vor, dass er weichlich mache, dass er Kopfschmerz verursache, 
dass er schädlich auf das Sehorgan wirke und für Podagra wie 
für Kontagien den Körper empfänglich mache. Martin Ruland 
wies in seiner Schrift vom Wasserbaden (1568) darauf hin, dass 
gewissen Körperkonstitutionen das Schwitzbad geradezu schädlich 
sei, und der um die Volksbelehrung vielfach verdiente Franziskus 
Rapard spricht sich in folgender Stelle über die Nachteile über- 
mässigen Badegebrauches aus: ,.Durch richtigen Gebrauch von 
Bädern werden viele Krankheiten verhütet und gehoben, durch 
Missbrauch derselben aber entstehen auch viele Uebel." Ferner 
rügte man die hohe Temperatur der Schwitz- wie Wasserbäder 
als gesundheitsschädlich, ebenso das lange Verweilen im Bade — 
manche blieben vier Stunden lang darin — , nicht minder den 
Unfug, den Bader durch unmässiges Applizieren von Schröpf- 
köpfen vielerorts trieben. Die Anwendung der Schröpfköpfe 
scheint aus Italien nach Deutschland gekommen zu sein, ohne 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 63 

dass sie sich hier in ärztlichen Kreisen, die den Aderlass bevor- 
zugten, stark einbürgern konnte. Um so eifriger sehen wir die 
Bader sich damit befassen ; denn da zur Förderung der Wirk- 
samkeit der Schröpfköpfe der Patient zuerst ein Bad nehmen 
musste, kam es von selbst, dass die Badestube die Hauptstätte 
des Schröpfens wurde, dass der Schröpfkopf auch die Bezeichnung 
„Baderskopf" und in Niedersachsen der Bader selbst die Be- 
zeichnung „Kopfsetzer" erhielt. Es waren also , wenigstens in 
Deutschland, vorzugsweise Bader, denen sich dadurch eine neue 
Erwerbsquelle öffnete, sie waren es, die dem Schröpfen Eingang 
im Volke zu verschaffen suchten, und zwar mit solchem Erfolge, 
dass bereits in der Mitte des XV. Jahrhunderts bei Männern wie 
Frauen das Schröpfenlassen zu den am häufigsten angewandten 
Präservativ- und Heilmitteln gehörte. Kalender und diätetische 
Volksschriften bemächtigten sich auch dieses Unfugs und gaben, 
gleichwie beim Baden und Aderlass, auch hier die günstigste 
Zeit für das Schröpfen an. Vor des Baders Schröpfkopf war 
keine Stelle am ganzen Körper sicher (Guarinonius) und schliess- 
lich stieg die Zahl, welche den Badenden appliziert wurden, zu 
einer solchen blutigen Höhe, dass das von schnöder Gewinnsucht 
geleitete Verfahren der Bader in den ärztlichen Kreisen heftigen 
Widerspruch erfuhr. Den Impuls zum Kampfe gegen die gesund- 
heitsschädliche Anwendung der Schwitzbäder und der mit ihnen 
verquickten Prozeduren gaben die Aerzte Italiens, die in Wort und 
Schrift den Missbrauch, der mit den Schwitzbädern getrieben 
wurde, bekämpften und an deren Stelle zur Förderung der 
Schweissabsonderung gymnastische Uebungen als heilsamere Mass- 
nahmen und weiterhin kalte Uebergiessungen als therapeutische 
Agentien empfahlen. 

Neben den gesundheitsschädlichen übten die öffentlichen 
Badestuben einen sittenverderblichen Einfluss aus. In ihrem Ent- 
stehen Anstalten zur Förderung der Gesundheit, entarteten sie 
allmählich zu Herbergen des Lasters. Diese Sittenlosigkeit scheint 
sich zunächst unter dem Einfluss der Kreuzzüge entwickelt und 
von Frankreich und Italien nach Deutschland verbreitet zu haben. 



64 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 



Durch den längeren Aufenthalt der Kreuzfahrer im Orient wurden 
die Abendländer mit der verweichlichenden Ueppigkeit des 
Morgenlandes und seiner Bäder bekannt und übertrugen diese 
Ausschweifungen in die Heimat, wo unter dem Einfluss erhöhten 
Wohlstandes vielfach die frühere einfache Lebenssitte einer ge- 
steigerten Genusssucht wich. Aber dieses äusseren Umstandes 
bedurfte es eigentlich nicht; lag doch in dem bisherigen Cha- 
rakter der Badestuben schon genügend Untergrund, um der 
Sittenlosigkeit Vorschub zu leisten ; dies war die totale Mischung 
der Geschlechter! Nicht nur dass die Bedienung, wie schon er- 
wähnt, meist eine weibliche und zwar eine mehr wie leicht- 
geschürzte war, so trat auch im Bade selbst in vielen Fällen 
keine Trennung der Geschlechter ein. Dass Gatte und Gattin 
zusammen in einer Badewanne sassen, war selbstverständlich und 
entbehrt wohl auch nach unseren Begriffen keiner stärkeren An- 
fechtung : Allein auch jegliches andere, nicht zueinander gehörige 
Menschenvolk badete ungeniert zusammen. In früheren Zeiten 
des Mittelalters war das gemeinschaftliche Baden beider Ge- 
schlechter durch kirchliche Gesetze verboten; seit der Zeit der 
Kreuzzüge aber setzte man sich mit Leichtigkeit darüber hinweg, 
und an vielen Orten wurde das gemeinsame Baden förmlich zur 
Sitte. Zappert berichtet z. B., dass zu Basel dies bis 1431 in den 
meisten Badestuben, sowie im Rheingau noch später der Fall 
war, und dass damals zu Baden in der Schweiz Männer und 
Frauen der unteren Volksklassen mit einander ganz nackt, 
Männer und Frauen höheren Standes, jene mit einem Schurz, 
diese mit einem weitausgeschnittenen Badelaken zusammen sich 
badeten, und dabei auch den Blicken anderer, welche von einer 
Galerie herab zusahen, sich preisgaben. Endlich hatten viele 
Badestuben nur ein einziges Auskleidezimmer, welches von beiden 
Geschlechtern zugleich benutzt wurde. Aus diesem Grunde ward 
auch um 1550 in der Badeordnung für das Glotterthal vor- 
geschrieben, dass jeder Mann sein Beinkleid und Hemd und jede 
Frau oder Jungfrau ihr Hemd nicht eher als an der Badewanne 
selbst ablegen solle. Doch noch 1591 lesen wir in einer Chronik 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 65 

Stuttgarts , dass in der Esslinger Vorstadt achtzehn Personen 
männlichen und weiblichen Geschlechts einen ganzen Tag und 
eine ganze Nacht mit einander im Bade gewesen seien. So galten 
um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die öffentlichen Bade- 
stuben in den deutschen und in den niederländischen Städten 
ziemlich allgemein als die Gelegenheiten, die „am meisten zur 
Anreizung der Unkeuschheit erbauet sein", und da half kein 
Eifern und Zetern von kirchlicher Seite her, kein Beichtspiegel und 
keine Bussordnung gegen diese Missstände. Eine wirkliche Abhilfe 
sollte erst von anderer Seite herkommen! Ehe wir diese be- 
trachten, müssen wir noch kurz bei der sozialen Stellung des 
Badergewerbes, wie sie von diesen eben geschilderten Umständen 
beeinflusst wurde, verweilen. Im Zusammenhang mit der mehr 
und mehr zunehmenden Gefährdung der Sitten in den Bade- 
stuben sanken auch deren Besitzer, die Bader, in der allgemeinen 
Achtung. Man zählte sie zu den „anrüchigen" Leuten, deren 
Gewerbe als unehrlich angesehen wurde. Die Statuten der 
Bruderschaften schlössen sie von der Mitgliedschaft aus, sie 
konnten nicht in den Rat der Stadt aufgenommen werden, 
kurzum Ehrenämter oder die Zugehörigkeit zu besonderen Ver- 
einigungen waren ihnen verschlossen. Von den italienischen 
Badern sagt Thomas Garzoni, dass man wenige finde, die nicht 
Kuppler und Gelegenheitsmacher seien, die nebenbei Kammern 
zu erotischen Zusammenkünften herleihen. Als anrüchigen Leuten 
ward ihnen an manchen Orten das Tragen der Waffen verboten, 
in Geburtsscheinen bezeugte man, dass der Betreffende ehrlicher 
Leute Kind und nicht von Badern, Spielleuten etc. herstamme. 
Sie rekrutierten sich zuweilen aus der Reihe verkommener Stu- 
denten, die sich mehr auf Völlerei als auf das Studium gelegt 
hatten ; diese ziehen nachmals , wie Johann Geyler 1498 sie 
schildert, „inn dem land herumb, der ein wird ein Gauckler, oder 
spilmann, der dritt ein Teryackskremer, der viert ein bader". 
Neben diesen Hauptmomenten des inneren Wesens der Bade- 
stuben war noch ein Umstand, der zu Beargwöhnungen Ver- 
anlassung gab, das war der, dass man sie als Stätten politischer 

Marcuse, Bäder und Badewescn. 5 



(36 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

Zusammenkünfte von Unzufriedenen und Neuerungssüchtigen 
ansah und in jener geistig so sehr bewegten Zeit, zu Ausgang 
des fünfzehnten und zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, in 
ihnen die Brutstätten — und nicht mit Unrecht — politischer 
und religiöser Umwälzungen vermutete. „Dort sitzen sie im 
Badestüblein" , heisst es in einer Predigt aus der ersten Hälfte 
des sechzehnten Jahrhunderts, „und reden ketzerisch wider Gott 
und den Kaiser." 

Traten nun unter dem Einfluss der ärztlichen Bedenken 
wie der zunehmenden geistlichen Bekämpfung der Sittenlosigkeit 
in den Badestuben auch Spuren verminderten Badebesuches auf, 
so war es doch vor allem ein äusseres Moment, das im Verein 
mit den oben erwähnten Nebenumständen dem plan- und ziel- 
losen Badeunfug ein Ende setzte, das war das Hereinbrechen der 
Volksseuche im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert! Die 
Lepra, die den Schwitzbädern als vermeintliche Panacee eine 
universelle Verbreitung geschaffen hatte, war erloschen und an 
ihre Stelle die Syphilis getreten. Im Jahre 1509 wurde zu Nürn- 
berg das Franzosenhaus erbaut. Wurden gegen Lepra Schweiss- 
bäder empfohlen, so mahnte man jetzt die von Syphilis Befallenen 
nicht bloss vom Gebrauche derselben ab, sondern warnte über- 
haupt vor dem Besuche öffentlicher Badestuben und untersagte 
an manchen Orten den Badern unter Strafandrohung derartigen 
Kranken den Eintritt in ihre Badestuben zu gestatten. Diese 
begründete Furcht vor Ansteckung entzog den öffentlichen Bade- 
stuben einen nicht geringen Teil besonders der vermögenderen 
Besucher. Und als nun die Pest im Laufe desselben Jahrhunderts 
zu wiederholten Malen ihren Schreckenslauf durch die euro- 
päischen Gefilde nahm, da wurden die öffentlichen Badestuben 
seitens der Obrigkeit völlig geschlossen, und als man sie nach 
Erlöschen derselben wieder öffnete, war der Reiz geschwunden 
und das Publikum wagte aus Furcht, sich darin zu beflecken, 
sich nicht mehr hinein. So verödeten die Badestuben, zumal 
noch ein rein wirtschaftlicher Umstand den Ruin derselben mit 
herbeiführen half. Durch eine masslose Raub Wirtschaft war der 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 67 

Bestand der Wälder im sechzehnten Jahrhundert derart gelichtet, 
dass eine enorme Preissteigerung des Holzes eintrat. Dieser, den 
Badern unentbehrliche Brennstoff veranlasste durch seine Teuerung 
auch ein Steigen der Preise für die Bäder, und als sich dies mehr- 
fach wiederholte — die Badestübner Berlins erhöhten z. B. das 
Badegeld auf acht gute Pfennige und verlangten ausserdem noch 
Trinkgeld, so dass die Kosten auf zwei Groschen (gegenüber 
einigen Pfennigen, die es früher kostete) sich belief — , blieben 
auch die unteren Klassen der Bevölkerung fort, und so geschah 
es, wie Zappert bemerkt, dass „die Axt, welche die Urwälder 
niederlegte, auch die Reihen des Badepublikums lichten half". 
Mit der Abnahme des Gebrauches der öffentlichen Bade- 
stuben treten wir in eine neue Phase des mittelalterlichen Bade- 
wesens, in die sich von Jahr zu Jahr steigernde Frequenz des Auf- 
suchens naturwarmer Quellen, im Gegensatz zu kunstwarmen 
Bädern Wildbäder genannt. Die Römer hatten bekanntlich 
bereits zur Kaiserzeit einen übertriebenen Kultus der Mineral- 
bäder getrieben und ihre Badeorte zu Städten rauschender Ver- 
gnügungen und lebensfroher Lustbarkeiten gemacht. Mit dem 
Hingang der römischen Weltherrschaft war der äussere Glanz der 
Bäder geschwunden, nichtsdestoweniger erfreuten sie sich auch 
die ganze weitere Zeit hindurch eines lebhaften Badegebrauches, 
wurden vielfach besungen und von den Aerzten Italiens, den 
Vätern der Balneographie , mannigfach beschrieben. Erst in 
späterer Zeit nahmen die italienischen Aerzte auch von deutschen 
Mineralquellen Notiz. Hier, in Deutschland, waren, wie Aachen 
und die althochdeutschen Ortsnamen Badun (Baden), Wisibadun 
(Wiesbaden) zeigen, Mineralquellen schon in der Frühzeit nicht 
unbekannt, allein ihre Benützung als Heilquellen kamen erst in 
späteren Jahrhunderten in Aufnahme. Des späterhin so zahl- 
reich besuchten Pfeffers gedenkt bereits eine Urkunde König 
Heinrichs III. im Jahr 1050, am Ende des XIII. Jahrhunderts 
war Plummers (Plombieres) im Wasgau von Badenden vielfach 
besucht, und von nun an mehrte sich die Zahl der dem allge- 
meinen Gebrauch anheimgeführten Mineralquellen , zumal die 



68 Bäder und Badeweseu im Mittelalter. 

Aerzte die Wirkungen derselben zu studieren und bald enthu- 
siastisch zu verehren begannen. Viele Mineralwässer waren infolge 
der häufigen Verbindungen der Bäder mit Kirchenbauten und 
der praktischen Thätigkeit vieler Mönchsorden im Besitztum von 
Klöstern. Vorzugsweise war es der viel verbreitete Benediktiner- 
orden, den wir im Besitze von Warmbädern finden. Die Thermen 
von Arles wurden 786 sein Eigentum, gleichzeitig waren dies 
auch wohl die von Burtscheid, die später in den Besitz einer 
reichsunmittelbaren Nonnenabtei übergingen. Die Saline von 
Kissingen wurde 823 dem Benediktinerorden in Fulda geschenkt, 
Benediktiner vermieteten gegen 1 1 40 das Rippoldsauer Bad meh- 
rere Jahrhunderte hindurch. Eine Reihe balneologischer Ab- 
handlungen der italienischen Aerzte gaben Verhaltungsmassregeln 
über den Gebrauch der Heilquellen, vor allem war es Savonarola, 
der eingehend ihre Anwendung und Wirkung schilderte und unter 
dem Einflüsse der damaligen Geistesrichtung eine Reihe von Vor- 
schriften aufstellte, die die Aerzte Deutschlands, die klimatische 
Verschiedenheit beider Länder völlig ausser Augen lassend, blind- 
lings acceptierten. So empfiehlt er den Frühlingsmonat Mai als 
günstigsten Bademonat, dasselbe wiederholen trotz der proble- 
matischen Wärme dieses Monats in nördlichen Ländern deutsche 
Baderegeln und Kalender, und von da an gelten Maibäder, womit 
man auch überhaupt Wasserbäder im Gegensatz zu Schwitzbädern 
bezeichnet, als besonders heilkräftig und erquickend. So wird 
der Wein von einem seiner poetischen Verehrer „Du suess meyen- 
pad meiner Zungen" genannt, und ähnliche Hinweise finden wir 
allerorts. Diese Maienbäder wurden zum Volksbrauch — werden 
selbst auch heute noch in weiten Volkskreisen sogenannte „Mai- 
kuren 1 ' vorgenommen — bei dem man sich gegenseitig Geschenke 
machte. Wenn die Aerzte Italiens vom Gebrauch der Bäder im 
Juli abraten, so beeilen sich die Deutschen, diesen Monat gleich- 
falls in Acht und Bann zu thun, so zum Beispiel „Julius — alles 
päd ist ungesundt". 

Das Beispiel Italiens übte jedoch nicht nur auf die Bade- 
regeln, sondern überhaupt auf den lebhafteren Besuch der Heil- 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 69 

quellen einen bestimmenden Einfluss; die dort studierenden, der 
Arzneiwissenschaft beflissenen Deutschen brachten den Enthusias- 
mus für den Gebrauch der Heilbäder in die Heimat mit. Man 
proklamierte diese als Universalmittel, als Panacee gegen alle 
Krankheiten, und in einer weit verbreiteten Schrift jener Zeit 
heisst es: „Es sind derjenigen nit wenig, welche dafür halten, es 
seye der Saurbrunn und andere Bäder gleichsam eine Panacea, 
das ist eine solche Artzney, die alle gebrechen des Leibes heilen 
könne." Auch National- wie Lokalpatriotismus und Eigeninter- 
essen spielen mit, um den deutschen Mineralquellen ein zahl- 
reiches Publikum gewinnen zu helfen. So verbreitet sich durch 
Anempfehlung der Aerzte, sowie der Universitätslehrer, vor allem 
auch durch das Beispiel des grenznachbarlichen Lothringen, der 
Gebrauch deutscher Heilquellen, von Westen nach Osten vor- 
schreitend, unter allen Klassen der Gesellschaft. So unternahm 
Abt Albert von St. Emmeram bereits im Jahre 1352 eine Bade- 
reise; als 1376 Meister und Konvent des heiligen Geisthospitales 
zu Ulm eine neue Präbendenmesse stifteten, ward bestimmt, dass 
der jeweilige Inhaber dieser Pfründe alljährlich auf zwanzig Tage 
in ein Mineralbad ziehen könne. Fürsten und Könige unter- 
nahmen Badefahrten, so benützte Friedrich III. 1473 die Heil- 
quellen zu Baden-Baden, ebenso Kaiser Max 1517, 1539 zog Herzog 
Ludwig von Bayern unter glänzendem Pomp nach Gastein, und 
in derbdrastischer Ausdrucksweise schreibt 1545 Herzog Ulrich 
von Württemberg seinem im Wildbad im Schwarzwald zur Kur 
befindlichen Sohne: „Wenn auch das Bad zum allerbesten ge- 
riete, so ist keine andere Vermutung, als dass du nach solchem 
Bad so feist werdest, wie eine Mastsau." Selbst Arme besuchten 
Badeorte. So wurden in Nürnberg kranke Arme, die sich nach 
solchen Heilquellen verfügen wollten, mit einem Wildbad-Almosen 
beschenkt; das grosse Bad zu Baden-Baden war (1480) von „alter 
her armen eilenden menschen umb Gotteswillen allweg fry". 

Allein nicht die wirklich oder eingebildete heilkräftige Wir- 
kung der Mineralquellen war es allein, die im mittelalterlichen 
Badewesen die Aera der Badefahrten anbahnte, vielmehr trug 



70 Bärler und Badewesen im Mittelalter. 

dazu weltliche Lust, die die Kurorte zu den lockersten Vergnü- 
gungsorten umgestaltete, ein gross Teil bei und Hess geradezu 
einen Taumel nach Badereisen, der sich allen Gesellschafts- 
schichten mitteilte, vom Beginn des 16. Jahrhunderts ab ent- 
stehen. 

Mit Hintansetzung aller ärztlichen Vorschriften wurde in diesen 
Badeorten geprasst und geschlemmt, Exzesse in Baccho et in 
Venere gehörten zur Tagesordnung und ein raffiniertes Genuss- 
und Wohlleben füllte die Zeit des Kuraufenthaltes aus. Bis an 
den lichten Morgen — so berichten uns zahllose Sittenschilderer 
der damaligen Zeit — wurde gezecht, gespielt und gebuhlt, während 
des Badens gegessen und getrunken, kurzum ein Leben geführt, 
das jedem vernunftgemässen Kurgebrauche Hohn sprach. Auf 
Abbildungen in Kalendern und Badeschriften sehen wir Badende 
mit mächtigen Flaschen und Bechern im Bade sitzend, in einem 
grossen geographischen Werke der damaligen Zeit eine bildliche 
Darstellung des sogenannten Frauenbades in Baden bei Wien, 
in dessen Mitte eine Badende, in der Rechten ein Stempelglas, 
in der Linken einen mit roter Flüssigkeit gefüllten Humpen 
haltend, sich dem Beschauer bemerkbar macht. Rechts lehnt 
auf dem Legbrett ein bescheidenes Kändlein, während links eine 
Dienerin eine stattliche Pastete herbeiträgt. Man scheint, wie 
folgende Reime verraten, Versündigungen gegen die Badeord- 
nung alsogleich mit Wein im Bade gebüsst zu haben. 

„Nimm mit dir ein voll wein kandel 

Und bekommst du in päd einen Handel 

>So sei stäts willig und bereit 

Zu bussen mit dem Kandel deine tumpheit." 

Auch scheint man mit den Versen 

„Aussig Wasser inne Wein 
Lasst uns alle frölich sein" 

einander im Bade zugetrunken zu haben. 

Ausser Gastgebereien, Vergnügungen aller Art etc., die mit 
den „Badefahrten" verbunden waren, war es auch Sitte, Bade- 
geschenke zu geben. Sie bestanden aus Lebensmitteln, Geld, 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 71 

silbernen Trinkgeschirren und wurden von Verwandten und 
Freunden dem, der eine solche Fahrt antrat, gespendet. Ein 
Modebad allerersten Ranges war Baden in der Schweiz, zu dem 
Tausende und Abertausende jahraus jahrein pilgerten. Fürsten 
und Herren, die dorthin kamen, wurden von der Obrigkeit in 
Zürich mit derlei Geschenken begrüsst, ja man ging so weit, 
auch den eigenen im Bade befindlichen Magistratspersonen und 
vornehmeren Geistlichen von Obrigkeitswegen Geschenke an Geld 
und Silbergegenständen zu senden. Noch aus dem Jahre 1665 
wird uns von einer grossartigen Schenkung an Geld und Lebens- 
mitteln aller Art (Hirsch, Wildschwein, Eier, Semmeln, Nasch- 
werk etc.) berichtet. Mit der Zeit schrumpfte diese Freigebigkeit ' 
auf das Zusenden von einigem Backwerk ein, wie es noch im 
18. Jahrhundert üblich war. Vor allem war es der weibliche 
Teil der bemittelten Klassen der Gesellschaft, der auf den Besuch 
solcher Kurplätze im höchsten Grade erpicht war, so dass sie, 
wie Guarinonius sich höchst ungalant ausdrückt, „viel weniger 
als die Gänns und Enten des Wassers geraten können und jede 
irgend eine Krankheit vorzuschützen wisse, um vom häuslichen 
Heerd nach einem Badeort zu entschlüpfen, damit sie dort lustig 
ihren Ehemännern eine waxene Nase träen künden". Da auch 
einzelne Badeorte in den Geruch kamen, die Unfruchtbarkeit zu 
heilen, so war dies ein Grund mehr für das Zuströmen von Ehe- 
frauen, die in dem Gebrauch der Bäder Abhilfe gegen die 
Conceptionsunfähigkeit suchten. Hierin stand Bad Gastein in 
erster Reihe, auch Baden bei Wien wurde nach dieser Richtung 
hin empfohlen. Auch als kosmetisches Mittel, jugendliches Aus- 
sehen zu erhalten und wiederzugeben, wurde das Mineralbad 
angesehen. Da nun „herzlose" Ehemänner aus guten Gründen 
sich zuweilen derartigen Badefahrten ihrer Ehehälften zu wider- 
setzen wagten, so Hessen sich Bräute des XVIII. Jahrhunderts, um 
sich solcher tyrannischer Willkür zu entziehen, die Genehmigung 
zu einer alljährlichen Badereise ehekontraktlich sicherstellen, 
namentlich die Frankfurter Bräute den Besuch von Schwalbach. 
Diese Vorsicht erscheint um so erklärlicher, als sich die öffent- 



72 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

liehe Meinung mehrfach gegen diese dem Eheglücke und Familien- 
wohlstande — denn Reisen und Aufenthalt in den Kurorten 
waren sehr kostspielig — wenig förderlichen Badefahrten der 
Art unliebsam aussprach, so dass bereits in einer der zweiten 
Hälfte des XVII. Jahrhunderts angehörenden, von Kupferstichen 
begleiteten Schrift über die deutschen Mineralquellen eine dieser 
Abbildungen, die das Gebaren der weiblichen Gäste in Kurorten 
veranschaulicht, durch die Verse 

Der Mann schafft Tag und Nacht, badet in seinem Schweiss, 
Alles die Frau verzehrt in ihrem Bad mit Fleiss" 

illustriert erscheint. Viel besser als die Frauen mögen die Männer frei- 
lich auch nicht gewesen sein. Schon im XV. Jahrhundert muss der 
Frankfurter Rat häufig und regelmässig den angesehenen Beamten, 
wie dem Stadtschultheiss, den Dorfamtmännern etc. Urlaub zu 
Badereisen gewähren, und im XVI. Jahrhundert sehen wir Geist- 
liche und Laien in grosser Zahl nach den besuchtesten Bade- 
orten — Baden bei Zürich, Baden bei Wien, Baden-Baden, und 
wie sie alle heissen mochten — wallfahren, weniger um Heilung 
von Gebrechen, als um Vergnügungen aller Art zu suchen. Eine 
Schilderung des Treibens in diesen mittelalterlichen Modekurorten, 
seinen Lustbarkeiten und Freuden hat uns der Humanist Joh. 
Franz Poggio aus Florenz (1380 — 1459) hinterlassen, der den 
Papst Johann auf die Kirchenversammlung zu Konstanz begleitete 
und von dort aus, um sein Chiragra zu heilen, Bad Baden bei 
Zürich besuchte. In einem Briefe, den er im Jahre 1417 an seinen 
Freund Nicolo Nicoli von hier aus richtete, der in seinen Werken 
zuerst abgedruckt und seither öfter mitgeteilt worden ist — am 
besten hat ihn Gustav Freytag in seinen Bildern aus der deutschen 
Vergangenheit wiedergegeben — findet sich folgende ausführliche 
und teilweise recht laseive Schilderung : ,, Hier im Bade", schreibt 
er jenem Freunde, „gewährt die Lage des Ortes der Seele keine 
oder doch nur sehr geringe Ergötzung ; alles andere aber hat so 
unendlichen Reiz, dass ich mir öfters träumen konnte, Cypria 
selbst und was sonst die Welt Schönes in sich fassen mag, sei 
in diesen Wäldern zusammengekommen , so sehr hält man hier 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 73 

auf die Gebräuche dieser Göttin, so sehr findest du da ihre 
Sitten und losen Spiele wieder. 

„Ungefähr eine Viertelstunde von der Stadt, dicht am Flusse, 
hat man zum Gebrauch der Bäder einen schönen Hof angelegt, 
in dessen Mitte sich ein grosser Platz befindet, ringsum von 
prächtigen Gasthäusern umgeben, die eine Menge Menschen fassen 
können. Jedes Haus hat sein eigenes Bad, dessen sich nur die- 
jenigen bedienen, die in demselben wohnen. Die Zahl der öffent- 
lichen Privatbäder beläuft sich zusammen wohl auf dreissig. Für 
die niedrigste Klasse des Volkes sind zwei besondere, von allen 
Seiten offene Plätze bestimmt, wo Männer, Weiber, Jünglinge 
und Jungfrauen, kurz alles, was vom Volke zusammenströmt, 
zugleich badet. In diesen befindet sich eine die beiden Geschlechter 
absondernde Scheidewand, die jedoch nur Friedfertige abhalten 
können, und lustig ist es anzusehen, wie zugleich alte Mütterchen 
und junge Mädchen nackend vor aller Augen hinabsteigen und ihre 
Reize den Augen der Männer preisgeben. Mehr als einmal hat mich 
dies köstliche Schauspiel belustigt, die Spiele der Flora in Rom 
sind mir dabei eingefallen, und ich habe bei mir selbst die Ein- 
falt dieser guten Leute bewundert, die dabei nicht das mindeste 
Arge denken oder reden. 

„Die besonderen Bäder in den Gasthöfen sind sehr schön 
ausgeschmückt und beiden Geschlechtern gemein. Zwar werden 
dieselben durch ein Getäfel getrennt, aber verschiedene Ablass- 
fensterchen sind darin angebracht, durch die man miteinander 
trinken und sprechen und sich also gegenseitig nicht bloss sehen, 
sondern auch berühren kann, wie das häufig alles geschieht. 
Ausserdem sind in der Höhe Gänge angebracht, wo sich Männer 
zum Plaudern einfinden, und wohlverstanden steht jedem frei 
in das andere Bad einen Besuch zu machen, zu scherzen und 
sein Gemüt zu erheitern und beim Eintritt wie beim Aussteigen 
schöne Frauen entblösst zu schauen. Keine Posten bewachen 
hier die Zugänge, keine Thür und vor allem keine Furcht vor 
Unanständigem verschliesst sie. In mehreren Bädern treten sogar 
beide Geschlechter durch denselben Eingang ins Bad und nicht 



74 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

selten trägt es sich zu, dass der Mann einer Frau begegnet. 
Doch binden die Männer eine Art von Schurz um, und die Weiber 
haben ein Linnengewand an, welches von oben bis in die Mitte 
oder an der Seite offen ist, so dass weder Hals, noch Brust, noch 
Arme, noch Schultern bedeckt sind. In dem Bade selbst speisen 
die Frauen häufig von allseitig zusammengetragenen Gerichten 
an einem Tisch, der auf dem Wasser schwimmt, wobei sich 
natürlich auch die Männer einfinden. In dem Hause, wo ich 
badete, wurde auch ich eines Tages zu einem solchen Fest ein- 
geladen. Ich gab einen Beitrag, ging aber trotz allen Zuredens 
nicht hin und zwar nicht aus Schüchternheit, die man hier für 
Faulheit und bäuerisches Wesen hält, sondern weil ich die Sprache 
nicht verstand, denn es kam mir abgeschmackt vor, dass ein des 
Deutschen unkundiger Welscher einen ganzen Tag zwischen 
Schönen im Bade stumm und sprachlos bloss mit Essen und 
Trinken zubringen sollte. Zwei meiner Freunde hingegen fanden 
sich wirklich ein, assen, tranken, tändelten, sprachen durch einen 
Dolmetsch mit den Frauen , wehten ihnen mit einem Fächer 
Kühlung zu, kurz, belustigten sich sehr. Ich sah alles von der 
Galerie, die Sitten und Gewohnheiten dieser Ehrenleute, ihr gutes 
Essen, ihren angenehmen zwanglosen Umgang. 

„Mancher besucht täglich drei bis vier solcher Bäder und 
bringt dort den grössten Teil seines Tages mit Singen, Trinken 
und nach dem Bade mit Tanzen zu. Selbst im Wasser setzen 
sich einige hin und spielen Instrumente. Nichts aber ist reizender 
zu sehen oder zu hören, als wenn aufblühende oder erblühte 
Jungfrauen mit dem schönsten offensten Gesicht, an Gestalt und 
Benehmen Göttinnen gleich, zu diesen Instrumenten singen, dann 
schwimmt ihr leichtes zurückgeworfenes Gewand auf dem Wasser 
und jede ist eine andere Göttin der Liebe. Dann haben sie die 
artige Sitte, wenn Männer ihnen von oben herab zusehen, sie 
scherzweise um ein Almosen zu bitten; man wirft ihnen kleine 
Münzen zu, die sie mit der Hand oder mit dem ausgebreiteten 
Linnengewand auffangen. Ebenso wirft man ihnen auch aus 
allerhand Blumen geflochtene Kränze hinab, mit denen sie sich 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 75 

das Köpfchen schmücken. Diese vielfältige Gelegenheit, das 
Auge zu erfreuen und den Geist zu ermuntern, hatte einen grossen 
Reiz für mich, dass ich nicht nur selbst täglich zweimal badete, 
sondern auch die übrige Zeit mit Besuch anderer Bäder zubrachte 
und ebenfalls Münzen und Kränze hinunterwarf wie die anderen. 
Denn unter diesem immerwährenden Geräusch von Klang und 
Sang war da weder zum Lesen noch zum Denken Zeit, und 
hier allein weise sein wollen, wäre die grösste Thorheit gewesen, 
zumal für einen, dem nichts menschliches fremd ist. Zur höchsten 
Lust freilich mangelte noch die Unterhaltung durch Gespräche, 
die denn doch vor allen die vorzüglichste ist. Mir blieb also 
nichts übrig, als die Augen an den Schönen zu weiden, ihnen 
nachzugehen, sie zum Spiel zu führen und wieder zurückzugeleiten. 
Ausser solchem Genuss gab es noch andere von nicht geringem 
Reiz. Hinter den Höfen, allernächst an dem Flusse, liegt näm- 
lich eine grosse, von vielen Bäumen beschattete Wiese. Hierher 
kommt nach dem Essen jedermann und belustigt sich mit Ge- 
sang, Tanz und mancherlei Spielen. Die meisten spielen Ball; 
aber nicht wie bei uns, sondern Männer und Frauen werfen 
einander, jeder dem, den er am liebsten hat, einen solchen Ball 
zu, worin viele Schellen sind. Alles läuft zu, ihn zu haschen; 
wer ihn bekommt, hat gewonnen und wirft ihn wieder seiner 
Geliebten zu ; alles streckt die Hände empor, ihn zu fangen, und 
wer ihn hält, thut, als ob er ihn bald dieser, bald jener Person 
zuwerfen wolle. Unzählbar ist übrigens die Menge der Vor- 
nehmen und Gemeinen , die nicht sowohl der Kur als des Ver- 
gnügens wegen von hundert Meilen weit hier zusammenkommen. 
Alle, die lieben, alle, die heiraten wollen, oder wer sonst das 
Leben im Genüsse findet, alle strömen hierher, wo sie finden, 
was sie wünschen. Viele geben körperliche Leiden vor und sind 
nur am Herzen krank. Da sieht man hübsche Frauen in Menge, 
die ohne ihren Mann, ohne Verwandte, nur in Begleitung zweier 
Mägde und eines Dieners hier anlangen oder etwa eines alten, 
alten Mütterchens von Muhme, die sich leichter hintergehen als 
bestechen lässt. Jede aber zeigt sich so viel als möglich in Gold 



76 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

Silber und Edelstein, so dass man denken sollte, sie wären nicht 
ins Bad, sondern zu der prächtigsten Hochzeit gekommen. Auch 
Nonnen, Aebte, Mönche, Ordensbrüder und Priester leben hier in 
noch grösserer Freiheit als alle übrigen ; letztere baden sich wohl 
gar mit den Frauenzimmern, schmücken ihr Haar mit Kränzen 
und vergessen alles Zwanges ihrer Gelübde. Alle nämlich haben 
einerlei Absicht, Traurigkeit zu verbannen, Vergnügen zu suchen, 
keine Gedanken zu haben, als wie sie des Lebens und seiner 
Freuden gemessen mögen. Keiner bemüht sich, der Gesellschaft 
etwas zu entziehen, vielmehr sucht jeder sein Besonderes all- 
gemein zu machen. Und zum Erstaunen ist es , wie bei der 
grossen Menge (es mögen immerhin an die tausend Menschen da 
sein), bei so verschiedenen Sitten, in einem so freudetrunkenen 
Gemisch keine Händel , kein Zwist , kein Schimpfwort , kein 
Murmeln, keine Beschwerde des einen über den anderen entsteht. 
Da sehen Männer, wie mit ihren Weibern getändelt wird, das 
alles bewegt sie nicht, sie wundern sich über nichts." 

Soweit die Darstellung des italienischen Staatsmannes, die 
uns einen Blick in das Milieu eines solchen mittelalterlichen Bades 
werfen lässt, und von der Gustav Frey tag mit Recht bemerkt, 
„was der fremde Mann berichtet, ist noch nicht so arg, als die 
Art, wie er es erzählt". Etwa 100 Jahre später scheint das Be- 
wusstsein von der Sittenlosigkeit dieses Treibens in weitere Kreise 
gedrungen zu sein, denn in einem Bericht über das obige Baden aus 
der Mitte des XVI. Jahrhunderts von Dr. Pantaleon, Arzt, Pro- 
fessor und zeitweiliger Rektor der Universität Basel, lesen wir, 
dass ehrbare Frauen diese Bäder mieden. Der Hauptreiz dieser 
Bäder bestand eben in dem ungenierten Zusammenbaden der 
Geschlechter, das übrigens — durch Badekleider gemildert — in 
einzelnen Badeorten bis in unser Jahrhundert hinein üblich war. 
Der Hauptunterschied der Badegewohnheit war das übermässig 
lange Verweilen im Bade, das dazu nötigte, im Wasser zu essen 
und zu trinken. Man steigerte die Badezeit gewöhnlich von einer 
Stunde bis auf sechs Stunden des Tages, die man dann auf Vor- 
und Nachmittag verteilte. Ausserdem verband man mit den 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 77 

Badekuren eine Reihe von therapeutischen Massnahmen: Man 
nahm Abführmittel, liess sich zur Ader, und gebrauchte innerlich 
eine Reihe von Arzneimischungen. Dies natürlich nur seitens der 
wirklich Kranken, während der grosse Tross, der die Bäder des 
Vergnügens und der Lust wegen aufsuchte, wie wir oben gesehen 
haben, nur diesen beiden Zwecken uneingeschränkt lebte. In 
einem Holzschnitt von Dürer findet man Badeattribute, die der 
Ausdruck jenes Freudelebens sind, nämlich musikalische Instru- 
mente, Trinkgefässe, Blumen und den sogenannten „Krätzer", ein 
Instrument, das man zu Friktionen des Körpers benutzte. In Tirol 
hatte man je nach der Art des betreffenden Bades eigene Bezeich- 
nungen für dasselbe, in denen sich Volksanschauung und Volksspott 
ausdrückte. So nannte man die wegen ihrer Heilkraft in Wert stehen- 
den und nur aus diesem Zweck besuchten Mineralquellen „Badl" 
ohne weiteren Zusatz, die, deren Ruf nicht sehr gross war, „Krätzen- 
badl" und die schliesslich, in denen nach dem dem obigen Beispiel 
zu Baden in Aargau eine Kur Nebensache war, „Fressbadl 1 '. 

Das Badewesen des Mittelalters schuf, wie wir oben des näheren 
gesehen haben, ein eigenes Gewerbe, den Bader, unter dem wir 
uns ursprünglich nichts anderes vorzustellen haben, als den Besitzer 
oder Leiter einer Badestube. Die Geschichte der Baderzunft, die später 
so eng mit der Kulturgeschichte der Menschheit im allgemeinen und 
mit der Geschichte der Medizin und öffentlichen Gesundheitspflege 
im besonderen verknüpft war, verdient eine nähere Betrachtung der 
Entwicklung dieses Gewerbes und seiner Stellung im Staate. 

Wir sahen, dass mit dem Baden meist zugleich ein Scheren 
des Kopfes verbunden war, das in den Badstuben von Knechten 
der Badewirte, sogenannten Scherknechten, ausgeführt wurde. 
Aus diesen Scherknechten entstand im Laufe der Zeiten das Ge- 
werbe der Scherer und mit ihrer zünftlerischen Organisation 
beginnt der wirtschaftliche Kampf zwischen den Badern und 
Scherern einerseits und der der medizinischen Fakultäten mit 
beiden und dem Heere der Quacksalber, deren Nährväter jene 
beiden Zünfte waren, andererseits. Aus der eigentümlichen Stel- 
lung, aus der der Scherknecht als Arbeitnehmer des Baders zu 



78 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

einem selbständigen Gewerbetreibenden herauswuchs, erklärt sich 
das unklare Verhältnis, das zwischen beiden lange Zeit bestand. 
Die eigentliche Geburtsstätte der Scherer waren die Klöster, wo 
das Scheren des Hauptes und das Anlegen der Tonsur eine be- 
sondere Fertigkeit in der Handhabung des Rasiermessers — denn 
dieses benutzte man dazu — notwendig machte. In manchen 
Klöstern mögen Mönche einer dem anderen die Tonsur geschoren 
haben, aber in den meisten fanden sich besondere Rasores vor, 
und als die Mönche des Benediktinerordens und seiner Zweige 
stets auch das Kinn sich glatt zu scheren begannen, führte sich 
für den Scherer die Bezeichnung Barberius und in Deutschland 
das ihm nachgebildete Barbierer (ineist Balbierer gesprochen und 
geschrieben) ein. So wurde das Kloster zur eigentlichen Schule 
der Barbierer. Ferner waren die Mönche auch gehalten, zu be- 
stimmten Zeiten sich zur Ader zu lassen, eine Thätigkeit, die 
ebenfalls auf die Barbiere in den Klöstern, die meistens Laien- 
brüder waren, überging. Somit fanden sich daselbst Individuen, 
die ausser im Rasieren auch Fertigkeiten in kleinen chirurgischen 
Eingriffen sich aneigneten, und es gab zweifelsohne solche, die 
den Rasor und Minutor , d. i. der , der zur Ader Hess , in einer 
Person vereinigten. Als nun ein glattgeschorenes Kinn auch in 
der Laienwelt, wahrscheinlich durch das Beispiel des höheren 
Klerus veranlasst, Eingang fand, erweiterte sich auch die Kund- 
schaft der Barbiere und mit dieser auch die Veranlassung, dass 
sich mehr Leute diesem Geschäfte widmeten. Wir finden nun 
unter den Personen des Gesindes fürstlicher Höfe auch Leib- 
barbiere. Schon vor der Verbreitung der Rasur im Volke gab 
es Aderlasser und ähnliche Individuen, die kleinere chirurgische 
Handleistungen ausführten, auf Grund dessen, dass ja vor Stiftung 
der Universitäten die Ausübung der Heilkunde völlig frei war 
und von jedem getrieben werden konnte. Als man nun später- 
hin der Pflege des Haupt- und Barthaares grössere Sorgfalt zu- 
wandte und solche Scherer sich durch ihre Stellung zu Herrschern 
und Fürsten eines gewissen Ansehens erfreuten, sammelte sich 
der ganze Tross dieser kleinen Chirurgen unter dem Namen 



Bäder und Badewesen im Mittelalter. 79 

Rasor, Scherer oder Barbier. Einzelne von ihnen erwarben sich 
Badstuben, vertauschten ihren auf blosser Handfertigkeit beruhen- 
den Titel mit dem auf Besitz gegründeten, mit dem eines Baders, 
und nun wurden die Badestuben zu direkten wundärztlichen 
Verrichtungsstätten. Jene Scherer, die durch den Erwerb einer 
Badestube in die Baderzunft übertraten, wurden Badermeister, 
durften Lehrlinge halten, bildeten Baderknechte heran, die eine 
grössere chirurgische Gewandtheit erlangten, als jene, die bei 
blossen Badern ihre Lehrzeit durchmachten. Denn, um es 
noch einmal zu wiederholen, die frühmittelalterlichen Bader 
hatten nur hauswirtschaftliche Obliegenheiten in den Bade- 
stuben und Hessen die von den Gästen gelegentlich des Badens 
gewünschten diätetischen oder hygienischen Proceduren durch 
Scherknechte, Minutoren etc. ausführen. Die Badestube war in 
vielen Fällen die Herberge mancher Scherer, die zu unbemittelt, 
um eine eigene Stube zu halten, hier unter dem Patronat 
des Baders ihre Fertigkeiten ausübten. Dieser Uebergang vom 
Scherer zum Bader bildete jedoch immer noch eine Ausnahme, 
im grossen und ganzen waren die Funktionen zünftlerisch von- 
einander getrennt und beide Berufsarten bildeten eigene Zunft- 
vereinigungen. Wie immer im Zunftwesen konnte es auch hier 
nicht ausbleiben , dass Streitigkeiten über die Grenzgebiete der 
einzelnen Verrichtungen entstanden und die beiden Zünfte sich 
feindlich gegenübertraten. Diese Fehden wurden verschiedenartig 
seitens der Städte geschlichtet : So durften die Bader zu Frank- 
furt a. M. scheren, jedoch ohne Becken auszuhängen, in Lübeck 
nur an den Badetagen und nur ihren Badegästen Bart und Haar 
abschneiden etc. Die im Laufe der Zeiten eintretende Zunahme 
der Scherer, welche sich Badestuben erwarben und Baderknechte 
heranbildeten, welche ihrerseits wieder diese an sich brachten, 
veranlasste allmähliche Erweiterung des Kreises der hilfs- 
ärztlichen Thätigkeit seitens der Bader und zwar in einem 
solchen Masse, dass er schliesslich gänzlich mit dem der Scherer 
oder, wie sie später hiessen, der „Barbierer" zusammenfiel und 
beide Zünfte in eine verschmolzen. An einzelnen Orten geschah 



80 Bäder und Badewesen im Mittelalter. 

dies schon in den ersten Dezennien des XV. Jahrhunderts. Wir 
sehen jetzt die Bader gleich den Barbieren scheren, Köpfe 
waschen, zur Ader lassen, Schröpf köpfe setzen, Verwundete ver- 
binden. Doch auch sie verschwinden vom Schauplatz der öffent- 
lichen Thätigkeit mit dem Augenblicke, wo die Universitäten die 
Ausbildung der Chirurgen in die Hand nehmen. Nun erlischt 
die Bezeichnung „Bader" in dem durch Jahrhunderte hindurch 
gebräuchlichen Sinne. Die Badehalter werden auf ihr eigenstes 
Gebiet, aus dem sie ursprünglich hervorgegangen, auf die Ver- 
waltung der Badehäuser zurückgedrängt, und der operativ ge- 
übte Teil derselben geht in die Körperschaft der Wundärzte auf. 
Das Badewesen des Mittelalters hat das klassische Altertum 
mit seinem souveränen Kultus der Pflege des Körpers nie 
erreicht: Die stolzen, unvergänglichen Zeugen jener Blütezeit 
antiker Hygiene sind im Mittelalter einsam auf ihrer Höhe ge- 
blieben. Nach wie vor sind sie die fast unerreichbaren Vorbilder, 
die heute noch nach Jahrtausenden in ihrer gewaltigen, blenden- 
den Ausführung, in ihrer Vereinigung von Schönheit und Pracht, 
von Lebensfreude und wohlthätiger Sorge vor uns stehen und 
uns fast mit Neid erfüllen. Demgegenüber waren die Schöpfungen 
des Mittelalters armselig und dürftig, waren Anlage und Bade- 
gebrauch primitiv und reizlos. Und doch hat auch das Mittel- 
alter in einer Geschichte des Badewesens seinen Platz, denn zum 
zweitenmal in der Entwicklung der Menschheit sehen wir, wenn 
auch dem Geist und Geschmack der Zeit nur allzusehr unter- 
worfen, eine Epoche auftreten, in der das Baden zu den unent- 
behrlichsten Bedürfnissen des alltäglichen Lebens gehört, in der 
es zum Allgemeingut aller Klassen der Gesellschaft wird. In 
diesem Punkte tritt es für den Hygieniker und Kulturhistoriker, 
befreit von seinen sonstigen mannigfachen Schlacken, als kultu- 
relle Errungenschaft hervor und lehrt uns, dass selbst in einem 
Zeitalter, in dem Mystizismus und Askese das Heil des Körpers 
einem falsch verstandenen Heile der Seele opferten, der Sinn 
für die praktische Gesundheitspflege doch nicht ertötet war! 



III. Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Im Leben der Völker entstehen und vergehen die Errungen- 
schaften der Kultur, Neues löst das Alte ab, und oft genug ist 
es nur ein matter Wiederschein unerreicht gebliebener Schöpfungen. 
Dem blühenden Zeitalter der Antike mit ihrer lebenswarmen und 
künstlerisch erhabenen Pflege des Körpers folgte die Vernichtung 
aller auf das Irdische gerichteten Gedanken durch das herein- 
brechende Mittelalter. Allein auch die düstere und lebensfeind- 
liche Askese verfällt dem ewigen Naturgesetz und im Dämmer- 
licht der mittelalterlichen Zeit erwacht neues Leben, ein neuer 
Trieb zur Pflege des Körpers. Die gewaltigen, Kunst und Har- 
monie in einzig schöner Art verbindenden Thermen werden ab- 
gelöst von den primitiven Badestuben und Badehäusern des 
Mittelalters, Gymnastik und die methodische Schulung des Leibes 
sind allerdings aus dem Kreis der Badesitten geschwunden, das 
kalte Wasser zurückgedrängt in ein kaum ans Tageslicht 
kommendes Dasein — allein ein wahrhaft volkstümlicher Drang 
lässt auch in diesen Jahrhunderten die so ungemein wohlthätigen 
Einrichtungen blühen und gedeihen und macht das Baden zu 
einem feststehenden Gebrauch, zu einer Sitte, die sich allen 
Klassen der Gesellschaft mitteilt. Mag auch manches Störende 
und Hässliche im Laufe der Zeiten erstehen, manche im Geiste 
und Charakter der Zeit liegende Unzucht die hygienischen Stätten 
zu Quellen der Sittenverderbnis umwandeln, eines bleibt jedoch 
als Grundcharakter dieser Jahrhunderte bestehen, das ist das alle 
Schichten der Bevölkerung durchflutende Lebensbedürfnis zu 

Marcuse, Bäder und Badewesen. ft 



82 Bäder und Badewesen der Xeuzeit. 

baden, ein Moment, das in dem sonst so finsteren und jedes 
Kulturfortschrittes abholden Zeitalter leuchtend uns entgegentritt 
und mahnend unsere hochentwickelte Neuzeit, das Jahrhundert, 
das so gern als das der Naturwissenschaften bezeichnet wird, an 
ihre noch nicht erfüllten Pflichten erinnert! 

Nachdem das Badewesen im 14. und 15. Jahrhundert noch 
einmal den Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht und im 
17. Jahrhundert unter der Einwirkung der mannigfachsten, ge- 
schilderten Faktoren wieder in Nacht und Nebel versunken war, 
verschwand das Baden als Volksgebrauch, und in jener Zeit 
wurde die verhängnisvolle Grundlage geschaffen, an deren Folgen 
wir heute noch kranken — die Entfremdung weiter Massen von 
der Badegewohnheit, die Ausmerzung des Badens als allgemeine, 
zur Lebenshaltung unentbehrliche Sitte. So bietet das Bade- 
wesen am Ausgang des 18. Jahrhunderts ein trübes Bild. Das 
moderne westliche Europa hatte mit den Ueberlieferungen aus 
dem Altertum sowohl wie aus dem Mittelalter vollständig ge- 
brochen. Das kalte Baden in den Flüssen war in diesem Jahr- 
hundert verpönt. Die Sittenpolizei schritt dagegen ein, „weil das 
Baden der jungen Menschen und Buben Sommerszeit sehr ärger- 
lich und viel Schlimmes nach sich ziehet". Im Jahre 1736 
wurde in Baden durch Schulverordnung den Lehrpersonen be- 
fohlen, ihre Schüler „vor dem so gemeinen als höchst gefähr- 
lichen und ärgerlichen Baden zu warnen und die Uebertreter zu 
bestrafen". Selbst Goethe nennt 1770 das öffentliche Baden eine 
„Verrücktheit der Enthusiasten für den Naturzustand". Das 
Schwimmen lag infolgedessen völlig darnieder, Flussbäder für 
das Volk gab es nicht , es fehlte kurzum an jeder Fürsorge für 
eine Pflege der Volksgesundheit. Nur einzelne Philosophen und 
Philantropen erhoben ihre Stimme für das Baden und Schwimmen 
als Förderungsmittel der Gesundheit, aber sie blieben ungehört. 
Auch die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts wiesen nennens- 
werte Einrichtungen nicht auf. Man begnügte sich mit einigen 
irgendwo aufgestellten Wannen, ohne sie häufig zu benutzen, 
und nach wie vor galt das Baden als ein Luxus, den sich nur 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 83 

der reiche Mann gestatten konnte. Oeffentliche Stadtbäder ge- 
hörten zu den Seltenheiten, die man ausnahmsweise in den 
grossen Hauptstädten Paris und London antraf. Sie enthielten 
nur Wannenbäder, solche mit Schwimmhallen gab es überhaupt 
nicht. Ausschliesslich für die wohlhabenden Klassen bestimmt, 
entbehrten sie jeden Anspruchs, Volksbäder zu sein, und da es 
derartige nirgends gab, so war auch jede Möglichkeit dem Volke 
zu baden genommen. Dies war der Stand des Badewesens nahezu 
im gesamten Westen Europas, anders dagegen gestaltete sich die 
Entwicklung im Osten und vor allem im Orient. Die Völker des 
Islam unterlagen durch die Gebote ihres Religionsstifters Muha- 
med einer peinlichen Sauberkeit, die sich in Waschungen, 
Bädern etc. geltend machte und als religiöse Handlung angesehen 
wurde. Diese Bedeutung, die Muhamed der Reinhaltung des 
Körpers gab und die wohl mit veranlasst durch das heisse Klima 
der Länder des Islam als eine ausserordentlich weise hygienische 
Massregel angesehen werden muss, zwang die moslemitischen 
Herrscher, in erster Linie für Herbeischaffung guten und reich- 
lichen Wassers zu sorgen, das nach den grossen Städten meist 
durch meilenlange Leitungen herbeigeholt und dann in geeigneten 
Behältern aufbewahrt werden musste. So entstanden, namentlich 
in der Türkei, teilweise unter Benutzung der aus dem Altertum 
und der Zeit der griechischen Kaiser herrührenden Bauten Wasser- 
versorgungssysteme für die grossen Städte, so vor allem die so- 
genannten Suterasi oder hydraulischen Pyramiden, die im Gegen- 
satz zu den brückenartigen Aquädukten der Römer das Wasser 
nach dem Grundgedanken der kommunizierenden Röhren von 
einem Thalrande zum anderen führen. Dies sind gemauerte 
Bauwerke, gewöhnlich in Form einer abgestumpften Pyramide 
oder eines Obelisken. 

Die Notwendigkeit häufiger Waschungen behufs Erfüllung 
der religiösen Pflichten gab ferner Veranlassung, nicht nur die 
Moscheen, sondern auch alle Stadtteile mit Brunnen zu versehen. 
Die Errichtung derartiger Brunnen gilt als fromme Stiftung und 
wird für ebenso verdienstvoll als eine Pilgerfahrt nach Mekka 



84 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

gehalten. Vielfach sind die Brunnen mit einem Pavillon ver- 
bunden, in dem Derwische zu jeder Tageszeit frisches Wasser an 
die Vorübergehenden verteilen. Bei so vollkommenen Wasser- 
versorgungseinrichtungen war auch die Anlage der Bäder keine 
schwierige, zumal Araber wie Türken ihre Bäder zunächst in den 
altrömischen Badeanstalten, die sie bei ihren Eroberungen vor- 
fanden, einrichteten. Von den römischen Einrichtungen behielten 
sie das Heissluftbad mit seiner Hypokaustenheizung bei. An den 
Wasserübergiessungen nach dem Schwitzen hielten sie ebenfalls 
fest. Dagegen streiften sie das Vollbad und das Schwimmbad 
fast ganz ab, ebenso die bei den Römern mit dem Bade ver- 
bundene Gymnastik. Das arabische oder türkische Bad bildet 
neben dem Kaffeehaus den Lieblingsaufenthalt des Moslem. Die 
Hammäms sind Volksbäder. Viele sind von Grossen und Reichen 
erbaut, um ein frommes Werk zu thun. Ihre Zahl ist ungeheuer 
gross ; sie fehlen in keiner Stadt, keinem Dorf des Orients, Kon- 
stantinopel allein hat nach der amtlichen Statistik vom Jahre 
1885 169 öffentliche Bäder. Dieselben werden beständig geheizt 
und sind für die Geschlechter getrennt. Wo dies räumlich nicht 
durchführbar ist, tritt eine zeitliche Trennung ein, so baden die 
Frauen an einzelnen Orten am Tage, die Männer des Nachts. 
Die besseren Bäder der Städte, namentlich diejenigen für Frauen, 
sind mit verschwenderischem Luxus ausgestattet. Maurischer 
Stil und Farbenreichtum, Teppiche und kostbarer Marmor im 
Innern, Springbrunnen und schattige Gärten ringsherum zeichnen 
die Hammäms aus, deren prächtigste die in Damaskus sein 
sollen. Für die Eingeborenen ist das Bad zuweilen unentgelt- 
lich; auch findet man in den Höfen der sog. Abwaschungen 
der Moscheen eine oder mehrere Kammern mit gemauerten, 
auscementierten Wannen zum unentgeltlichen Bade für die 
Armen. Wo das Bad nicht frei ist, wird kein fester Preis ge- 
fordert, sondern jeder zahlt nach seinem Vermögen. Die Bäder 
sind hauptsächlich Heissluftbäder ; sie bestehen in Schwitzung, 
Begiessung mittels kalten oder warmen Wassers, in Abseifen und 
Massage. Das Irrationelle dieser Methode leuchtet ein : Während 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 



85 



wohlweislich die Völker des Altertums mit dem heissen Bade 
die Gymnastik verbanden, um einer Erschlaffung vorzubeugen, 
fehlt dieser Ausgleich in den Bädern der Orientalen, und sie be- 
gnügen sich mit einer in ihrer physiologischen Wirkung kaum 
nahekommenden Massage. 

Das Badekleid besteht aus einer Schürze von Seide oder 
Leinwand, die von roter oder blauer Farbe ist, an den Füssen tragen 
sie Holzsandalen, weil der heisse steinerne Fussboden barfüssig 
nicht betreten werden kann. Ein Hammäm besteht aus folgenden 
Räumen (Fig. 6): Zuerst gelangt man durch einen winkligen 




Fig. 6. Grundriss eines arabischen Bades. 

Gang, dessen Anlage den Zweck hat, den Einblick in das Innere 
des Bades zu verhindern, in den Auskleideraum (Meschlah), der 
aus zwei Teilen besteht, einem mittleren, worin Unbemittelte sich 
auszukleiden pflegen, und den diesen umgebenden besseren Aus- 
kleidegemächern. In der Nische dieses Raumes ist gewöhnlich 
eine kleine Bude aufgeschlagen, in der Scherbet, Kaffee und 
andere Erfrischungen ausgeschänkt werden. Vom Meschlah 
gelangt man zum Bet-el-auel, einem massig erwärmten Raum, 
der ungefähr dem römischen Tepidarium entspricht. Die Er- 
wärmung erfolgt hier mittels Hippokausten , wie wir sie bei den 



86 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Römern kennen lernten. Von hier aus gelangt man in den dritten 
und Hauptraum des Bades, dem Harära, der mit seinem Kuppel- 
gewölbe den architektonischen Kern der Bauanlage bildet. Er ist 
reichlich erwärmt, mit Wasserdämpfen meist ganz angefüllt und 
hat eine Temperatur von 44 bis 48 ° C. In diesem Raum lässt 
man sich auf ausgebreiteten Leintüchern nieder, um zu schwitzen; 
hat man genügend geschwitzt, so wird man vom Badewärter am 
ganzen Körper gerieben und massiert und begiebt sich dann in 
eine die Harära umgebende kleinere Zelle, in denen die Tem- 
peratur noch höher ist als in ersterer. Die Zellen sind teils mit 
Wannen, teils ohne Wannen eingerichtet; jedoch haben beide 
Arten Marmorbecken zum Waschen mit Wasserhähnen für kalte 
und warme Begiessungen. Hier begiesst man sich nach Belieben 
mit kaltem oder warmem Wasser, dann erscheint der Badewärter 
wieder, zieht einen kleinen Sack aus Ziegenhaar oder Filz über 
die Hand und reibt den Körper gründlich ab. Dann seift er 
mittels einer Quaste aus Palmrindenfasern den Badegast mit 
wohlriechendem Seifenschaum vom Scheitel bis zur Sohle ein, 
worauf erneute Abspülung mit Wasser von immer abnehmender 
Wärme erfolgt. Damit ist die Badeprozedur beendet : Man wechselt 
die Badewäsche, und streckt sich jetzt im ungeheizten Meschlah 
oder in einem besonderen Ruhesaal hin, schlürft einen Scherbet 
oder Kaffee, raucht einen Nargileh (Wasserpfeife) und empfindet 
die äusserste Behaglichkeit und Erquickung. Das ganze Bad 
dauert in der Regel 2 — 3 Stunden. Der Orient besitzt auch eine 
Zahl Kurbäder ; die berühmtesten, heute noch in Gebrauch befind- 
lichen, sind die Bäder von Brussa, dem alten Prusa am Flusse 
des Olymp in Kleinasien. Sie standen schon im Altertum im 
hohen Ansehen und wurden namentlich von den byzantinischen 
Kaisern viel besucht. (Fig. 7.) 

Anders war die Entwicklung des Badewesens bei den ost- 
und nordeuropäischen Völkern, unter denen die Finnen wohl die 
älteste Form des Dampfbades ihr eigen nennen können. Seit 
uralten Zeiten sind in Finnland Dampfbäder in Gebrauch, für 
die man fast bei jedem Wohnhaus ein eigenes Häuschen errichtet 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 



87 




Fig. 7. Meslakh des öffentlichen Bades von Sultan Mo'ayyad an Cairo. 

hat. Das Badehaus gilt dem Finnen als Heiligtum. Hier sucht 
er Heilung für Krankheit, hier wird jedes Kind des finnischen 
Bauern geboren, denn hierher wird noch heute, wie ehedem, die 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Wöchnerin geführt, hier badet er in paradiesischer Nacktheit und 
Unschuld mit seiner ganzen Familie vom neugeborenen Kind im 
Arm der Mutter bis zum 80jährigen Greis während der Erntezeit 
gewöhnlich jeden Abend, sonst, auch im Winter, ein- bis zweimal 
wöchentlich. Dieses Bad ist des Finnen höchster Lebensgenuss. 
Er geniesst darin mit vollen Zügen die mit Rauch und Dampf 
angefüllte Atmosphäre — die Temperaturen sind nach Reise- 
beschreibungen ungeheuer hohe — , peitscht sich mit Birkenreisern 
und übergiesst sich von Zeit zu Zeit mit kaltem Wasser. Das 
Badehaus ist entsprechend der primitiven Art und Weise des 
Badegebrauches ein aus meist nur roh bearbeiteten Stämmen 
gezimmertes Blockhaus, das einen grossen, aus Feldsteinen auf- 
gebauten Ofen ohne Schornstein, sowie einen hochgelegenen 
Hängeboden aus Brettern, die Schwitzbank, enthält. Ausser der 
Thür hat es 2 — 3 kleine Luken, durch die Rauch und Dampf 
abgelassen werden können, sonst aber keine Oeffnungen. Der 
Dampf wird erzeugt, indem Wasser eimerweise auf den Haufen 
erhitzter Steine, die den oberen Teil des Ofens bilden, geschüttet 
wird. In ganz Skandinavien und auf Island war dieses Dampf- 
bad ebenfalls bis in die Neuzeit hinein verbreitet. Auch hier 
wurden für dasselbe neben den Wohnhäusern, wie wir dies bei 
den Finnen sahen, eigene Gebäude aus Holz aufgeführt. Sowohl 
die Einrichtung der Badestube, wie die Art, das Bad zu nehmen, 
entsprechen ganz der finnischen. Die Verwandtschaft beider ist 
unverkennbar. Die finnische Badestube findet sich noch heute 
in modernisierter Form in vielen Orten, namentlich in den Gar- 
nisonstädten Skandinaviens. In der königlichen Kriegsmarine- 
station zu Stockholm ist der Gebrauch des dort vorhandenen 
„finnischen Dampfbades" im Winter für die Matrosen der Kriegs- 
marine sogar vorgeschrieben. Auch in den russischen Dampf- 
bädern ist das alte finnische Bad leicht zu erkennen. Die Dampf- 
bäder sind in Russland bekanntlich sehr verbreitet. Die Badestube 
findet sich häufig in den Häusern der Wohlhabenden, aber auch 
jedes Dorf besitzt mindestens eine solche. In bescheideneren Ein- 
richtungen auf dem Lande und in kleinen Städten wird der 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 89 

Wasserdampf noch nach alter Art erzeugt, indem auf der glühenden 
Platte eines Ofens Kieselsteine ausgebreitet und von Zeit zu Zeit 
mit Wasser übergössen werden; die dadurch erzeugten Dämpfe 
erreichen eine Temperatur von 50 bis 60 ° C. An den Wänden 
des Dampfbades sind stufenförmige Holzbänke angebracht, auf 
denen die Badenden je nach der von ihnen gewählten Höhelage 
das Bad von geringeren oder höheren Wärmegraden gemessen. 
Schroffe Wechsel zwischen heissem Dampfbad und kalter Brause 
oder Vollbad, wofür in Nebenräumen Gelegenheit geboten ist, 
ist bei den Russen sehr beliebt. Dieser Wechsel wird mehrfach 
wiederholt. Neben dem Peitschen mit Birkenreisern, Einseifen, 
Reiben mit Bürsten und dergl., zur Erhöhung der Hautthätigkeit, 
ist auch die Massage gebräuchlich. Die modernen russischen 
Bäder sind prächtig, aber auch zugleich praktisch eingerichtet, 
und die gebildeten Russen wissen in diesem gesundheitsstärkenden 
Mittel wohl Mass und Ziel zu halten. 

Werfen wir noch einen flüchtigen Blick auf die Kultur- 
völker im Osten Asiens, so sind es vor allem die Japanen, die 
von einem lebhaften Gang zur Reinlichkeit beseelt eine uralte 
Kultur des Badewesens besitzen. Jeder Japaner, ob hoch oder 
niedrig, nimmt, wenn irgend möglich, täglich mindestens ein 
Bad, dessen Wasser 38 bis 45 ° C. hat. Wer im Winter friert, 
geht in das Bad, das immer heiss ist und nur in dieser Form 
zu den landesüblichen Gewohnheiten und Volkssitten gehört. 
Jede japanische Stadt hat eine grosse Zahl öffentlicher Bäder, 
die im wahrsten Sinne des Wortes Volksbäder sind. So zählt 
die Stadt Tokio etwa 800 öffentliche Badeanstalten, in denen 
täglich etwa 300000 Menschen baden. Die Form des Bades ist 
ausschliesslich die des Wasser- oder Vollbades als künstliches 
Bad in Wannen und als natürliches Bad in den warmen Quellen. 
Ganz im Gegensatz zu den Japanern kennt das Volk der Chinesen 
kein Bedürfnis nach Reinigung des Körpers durch Bäder und 
verfügt infolgedessen nicht einmal über Rudimente einer Ent- 
wicklung eines Badewesens. 

Die Invasion der Dampfbäder in die westlichen Staaten 



90 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Europas knüpft sich an zwei politische Ereignisse : Die finnischen, 
resp. russischen Dampfbäder brachten Napoleons Scharen nach 
dem Süden Russlands, wo sie den Charakter opulenter und tech- 
nisch vollendeter Anstalten annahmen, und von wo sie sich rasch 
bei dem Mangel jeglicher Konkurrenz und bei der Leichtigkeit 
und Einfachheit ihrer baulich-technischen Einrichtung über den 
Westen Europas verbreiteten. Dies geschah in den 30er Jahren 
des 19. Jahrhunderts. Kaum aber hatte sich das Dampfbad in 
obiger Form eingebürgert, als auch nach dreizehnhundertjähriger 
Vergessenheit das antike römische Heissluftbad wieder erstand 
und bald einen dominierenden Einfluss in den Badegewohnheiten 
der westlichen Völker gewann. England verdanken wir sein 
Wiederaufleben: Der orientalische Feldzug der Engländer gegen 
Russland machte diese mit den hohen wirtschaftlichen und sani- 
tären Vorteilen der römisch-türkischen Bäder bekannt und als 
reife Frucht verpflanzten sie dieselben nach Albion. Der eng- 
lische Reisende David Urquhart erstattete den ersten Bericht, 
auf dessen Anregung hin der irische Arzt Dr. Richard Barther 
im Jahre 1856 in St. Anns Hill bei Cork in Irland das erste 
„römische Bad" im Westen Europas errichtete. Dies ist die Ur- 
sache, dass sie in ihrer erneuerten Form allgemein unter dem 
Namen „römisch-irische Bäder" erscheinen, im Grunde genommen 
aber nur eine Wiedergabe des antiken Bades mit einer Modi- 
fikation desselben darstellen. Barthers Neuerung besteht in der 
Kombination des Heissluftbades mit warmen und kalten Brausen, 
eine Verbindung, die an den orientalischen Gebrauch erinnert, 
nach der Schwitzung den Körper mit Wasser von allmählich 
abnehmenden Wärmegraden zu begiessen , während die Römer 
nur kalte Uebergiessungen kannten. Die fortgeschrittene Technik 
ermöglichte nach dem System von Meissner eine gut regulierte 
Ventilation, beziehungsweise eine Vermischung der heissen Luft 
vor ihrem Eintritt in das Schwitzbad mit frischer Luft. In diesem 
ist nur höchst wenig und unsichtbarer Dampf vorhanden, doch 
wird gerade die notwendige geringe Feuchtigkeit wie im alt- 
römischen Caldarium durch Verdunstung von Wasser in aufgestellten 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 91 

Becken erhalten. Diese römisch-irischen Bäder, auch vielfach 
türkische Bäder genannt, verbreiteten sich in England rasch, und 
heute hat fast jede Stadt des Inselreiches ihr Schwitzbad. Sie 
sind oft mit anderen Bädern vereinigt, finden sich aber auch als 
selbständige Badeanstalten. In London, Paris und später auch 
in Ofen erstanden mit märchenhaft orientalischer Pracht aus- 
gestattete Hammäms, die entsprechend ihrer ganzen luxuriösen 
Anlage und der teilweise raffinierten Durchführung der Bade- 
prozeduren nur zur Benutzung der wohlhabendsten Klassen der 
Gesellschaft dienen können. 

Die Initiative zu einer volkstümlichen Gestaltung des Bade- 
wesens durch Errichtung von öffentlichen Bädern ging, wie nahe- 
zu auf allen Gebieten der öffentlichen Gesundheitspflege, von 
England aus. Die ersten englischen Anstalten entsprangen dem 
allseits und gleichzeitig hervorgetretenen Bedürfnisse nach öffent- 
lichen Waschanstalten und Volksbädern. So entstand die erste 
Bade- und Waschanstalt für die arbeitende Klasse in Liverpool, 
die im Jahre 1842 eröffnet wurde. Dem Liverpooler Beispiel 
folgte unmittelbar London mit zwei durch Privatkapital gegrün- 
dete Wasch- und Badeanstalten, in denen das Bad einen Penny 
(10 Pfennig) und die einmalige Benutzung eines Waschstandes 
V 4 Penny kostete. Philanthropische Gesellschaften hatten den 
Impuls gegeben, und man erkannte die dringende Notwendigkeit 
von Badegelegenheiten für die dicht bevölkerten Industriecentren ; 
ausser der Philanthropie ward daher auch die Selbsterhaltung' 
ein mächtiger Hebel zur Förderung des Zweckes. Auf Anregung 
einer im Jahre 1844 unter dem Vorsitz des Lordmayors im Man- 
sionhouse abgehaltenen Versammlung entstand die epochemachende 
Parlamentsakte vom 26. August 1846, in der die Errichtung öffent- 
licher Bade- und Waschhäuser empfohlen resp. angeordnet wird, 
und die nach dem Manne, dessen Eintreten hauptsächlich der 
Erfolg zu verdanken ist, die Sir Henry Dukinfields Act genannt 
wird. Diese Akte ermächtigt Kommunen und Kirchspiele, wenn 
auf Anregung von 10 Gemeindemitgliedern der Gemeinderat oder 
die Kirchspielversammlung mit Zweidrittelmehrheit die Anlage 



92 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

eines Bade- und Waschhauses beschlossen hat, eine Verwaltungs- 
kommission von 3 bis 7 Bürgern einzusetzen, welche die Aus- 
führung unter Verwendung von Steuergeldern, eventuell unter 
Ausschreibung besonderer Umlagen, oder mit Beiziehung von 
Kapitalien aus den Fonds der Armenverwaltung nach bestimmten 
Prinzipien und unter gewisser Kontrolle des Staatsministeriums 
zu leiten habe. Die wichtigsten Bestimmungen dieser Akte waren 
folgende : 

Nach Artikel 4 sind die Einnahmen aus den Waschhäusern 
und Bädern dem Gemeindefond zu überweisen, der Gemeinderat 
hat darüber gesonderte Rechnung zu führen. 

Nach Artike] 18 dienen etwaige Ueberschüsse zum Besten 
der Armenfonds. 

Nach Artikel 23 soll Verwaltung, Betrieb und Oberaufsicht 
in den Stadtgemeinden dem Stadtrate, in Kirchspielen den Kom- 
missaren zustehen. 

Nach Artikel 24—27 werden den Gemeinden beziehungs- 
weise den Kommissionen Expropriationsrechte eingeräumt. 

Artikel 28 legt den Wasserwerkskompagnien eine unentgelt- 
liche oder möglichst billige Wasserlieferung ans Herz. 

Nach Artikel 36 müssen für die arbeitende Klasse min- 
destens doppelt so viel Bäder vorhanden sein als für eine höhere 
Klasse. 

Artikel 37 endlich schreibt die Prinzipien der Verwaltung 
und Benützung der Bäder vor, so die Einsetzung fest angestellter, 
mit Instruktion versehener Beamter, die Trennung der Bäder für 
Männer und für Knaben über 8 Jahre von jenen für Frauen und 
für Kinder unter 8 Jahren, dann die Maximalpreise und zwar 
für ein Warm- oder Dampfbad 2 Penny (0,20 Mark), für ein 
kaltes Bad oder kaltes Regenbad 1 Penny (0,10 Mark) einschliess- 
lich Handtuch, bei höheren Klassen nicht über das Dreifache 
jener. In offenen Badeplätzen zahlt die Person x / 2 Penny. Das 
Kirchspiel St. Martins in the field in London war das erste, 
welches 1849 von der Parlamentsakte Gebrauch machte und fünf 
Jahre darauf waren bereits 13, grösstenteils mit Schwimmhallen ver- 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 93 

sehene Bade- und Waschanstalten nach dem Tenor des Gesetzes 
entstanden. Dieselben sind stets einem Unternehmer in Entre- 
prise gegeben; Regieverwaltungen giebt es nicht, wohl aber zeit- 
weilige Inspektion durch die Behörden. Die Preise richten sich 
nach öffentlichen Tarifen und die Klassen unterscheiden sich ledig- 
lich durch elegantere Ausstattung der Baderequisiten. Die grossen 
Schwimmbassins in den gedeckten Hallen besassen anfänglich 
noch primitive Einrichtungen, z. B. einfache Bänke anstatt Aus- 
kleidekabinen, Uebelstände, welche bei der mächtig wachsenden 
Beliebtheit der Bassinbäder jedoch bald verschwanden. 

Neben den Gemeindebädern im Sinne der Parlamentsakte 
existieren jetzt in England noch folgende drei, vom Gesetze un- 
beeinflusste Methoden der Gründung von Bädern: 

1. Allgemeine Aktienunternehmungen. 

2. Subskriptionsunternehmungen mittels freiwilliger Beiträge. 

3. Klubbäder mit begrenzter Aktionärzahl und Ballotage über 
die Teilnehmerzahl, 

welche einesteils den Zweck freier Bewegung in der geschäft- 
lichen und wirtschaftlichen Behandlungsweise, sowie das Eigen- 
interesse, andernteils die Befriedigung des englischen Klubgeistes 
im Auge haben. 

Die Gentleman-Klubbäder sind durchaus keine Volksbäder, 
gemessen aber bei dem Sinn der Engländer für das Klubwesen 
grosse Sympathien und breiten sich infolgedessen immer mehr 
aus. In diesen Klubbädern giebt es nur Jahresabonnements, das 
für die Aktionäre je nach Zahl der Aktien nur 20 bis 40 Mark, 
aber auch für Nichtaktionäre nur 45 Mark und 20 Mark Eintritts- 
geld beträgt. Es sind musterhafte Anlagen, welche Wannen-, 
Schwitz- und Sturzbäder enthalten, besonders aber das Schwimm- 
bad bevorzugen, ausserdem mit Gesellschafts-, Turn-, Lese-, Bil- 
lardsälen etc. ausgestattet sind. Zweckmässigkeit und Körper- 
pflege stehen in erster Linie, körperliche Bewegungen, Schwimmen 
und Turnen, werden ausserordentlich gepflegt, so dass man in 
gewissem Sinne in diesen Anstalten die Ideen der altrömischen 
Thermen wiederfindet. Grossen Einfluss auf die Badelust üben 



94 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

bei der den Söhnen Albions angeborenen Liebe zur Körpergym- 
nastik die im ganzen Inselreich verteilten Schwimmvereine aus, 
an denen London allein eine überaus grosse Zahl besitzt. Keine 
englische Stadt entbehrt heute eines Winterschwimmbades, und 
in allen Volksschulen ist der Schwimmunterricht obligatorisch. 
Ein besonderes Interesse beanspruchen die Waschhäuser 
Englands, die sich dort des allgemeinsten Zuspruches erfreuen, 
während der Versuch, der in den 50er Jahren gemacht wurde, 
sie auch in Deutschland einzuführen, völlig missglückte. Die 
Waschhäuser bieten Gelegenheit zum Waschen und Trocknen von 
Leibwäsche und anderen Waschgegenständen. Der Maximalpreis 
eines Waschstandes, d. h. des Gebrauchs eines Waschkübels, 
Siedekessels, Spültroges, des heissen und kalten Wassers, des 
Dampfes und des Trockenapparates beträgt pro Stunde 1 Penny 
(0,10 Mark), für zwei aufeinanderfolgende Stunden 3 Penny 
(0,30 Mark). Für Waschhäuser der höheren Klassen ist der Tarif 
der Verwaltung, d. h. in Stadtgemeinden dem Stadtrate, in Kirch- 
spielen den Kommissaren anheimgestellt. Schon wenige Jahre 
nach ihrer gesetzlichen Errichtung bestanden in London 7, in 
Liverpool 3 und in 24 anderen Städten wenigstens eine solche 
Anstalt. Ueberall werden in England die Waschapparate und 
Waschstände vermietet, nirgends findet Lohnwäscherei in eigener 
Regie statt. In welcher Gunst und öffentlichen Pflege die Wasch- 
häuser in England stehen, geht allein schon daraus hervor, dass 
sie Schulräume für die Kinder der armen Waschfrauen enthalten, 
um die Kleinen während der Wascharbeit ihrer Mütter nicht 
ohne Aufsicht und Belehrung zu lassen; zum öfteren findet 
man sie mit den Arbeiterkolonien vereinigt. Die nicht unerheb- 
lichen Baukosten werden meist von den Gemeinden durch Kapitals- 
aufnahme zusammengebracht. In London existiert durchschnitt- 
lich für je 50000 Seelen eine Waschanstalt. London allein be- 
sitzt mehr als 70 Hallenschwimmbäder und 17 Badanstalten für 
geschlossene Klubs. Dem Beispiele Englands folgend brachen 
sich nunmehr öffentliche Badehäuser auch in anderen Ländern 
Bahn, zunächst in Frankreich. Das legislative Vorgehen Eng- 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 95 

lands spornte auch die französichen Gesetzgeber zu selbständigem 
Handeln an und unter der Präsidentschaft Napoleon Bonapartes 
gelangte im Jahr 1850, nachdem ein amtlicher Bericht seitens 
einer hierzu designierten Enquetekommission über die öffentlichen 
Bade- und Waschhäuser Englands eingelaufen war, ein Gesetz- 
entwurf zur Annahme, welcher folgende Bestimmungen enthielt: 

Art. 1. In Anbetracht der Vorteile, welche in England 
durch Errichtung von Bädern mit niederen Tarifen und von 
Waschhäusern mit raschem und vollkommenem Betriebe zum 
Nutzen der Arbeiterklasse errungen wurden, wird dem Minister 
für Landwirtschaft und Handel pro 1850 ein Kredit von 
600000 Frs. eröffnet, um auf diese Weise zur Schöpfung muster- 
giltiger Bäder und Waschhäuser in Paris, Lyon und anderen 
Städten, welche Verlangen darnach haben, unter Beobachtung 
herabgesetzter und durch Administrativverordnung geregelter 
Tarife aufzumuntern. 

Art. 2 und 3 bestimmten, class diejenigen Städte, die Staats- 
beihilfe zum Bau solcher Anstalten beanspruchen, verpflichtet 
seien, zwei Drittel der Gesamtkosten selbst aufzubringen, Pläne, 
Kostenanschläge und die Tarife für die Benutzung der Ge- 
nehmigung des Ministers zu unterwerfen, und dass durch Ver- 
ordnung der öffentlichen Verwaltung festgesetzt werden solle, in 
welcher Weise bei Gründung, Leitung und Beaufsichtigung der 
Anstalten auf die Benutzung derselben durch die niederen Volks- 
klassen Rücksicht zu nehmen sei. 

Allein diese Massnahmen hatten bei weitem nicht den 
Erfolg wie in England, und namentlich das Schwimmbad blieb 
und bleibt auch heute noch in Frankreich ein Stiefkind. Dennoch 
verdient es Anerkennung, dass fast jede französische Stadt ihr 
Bade- und Waschlokal besitzt und dass diese Einrichtung in den 
Nachbarländern, so in der Schweiz, Luxemburg und in Belgien 
viele Nachahmung gefunden hat. Eine besondere Entwicklung 
haben in Frankreich die öffentlichen Waschanstalten genommen, 
die infolge der grossen Beliebtheit, deren sie sich erfreuen, eine 
weite Verbreitung gefunden haben und bei der Kombination von 



96 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Bade- und Waschanstalten, wie sie in Uebereinstimmung mit 
englischen Beispielen häufig vorkommt, gewöhnlich den Haupt- 
teil für sich in Anspruch nehmen. 

In Deutschland resp. den deutschen Nachbarländern war es 
zuerst die Stadt Wien, die, gleichzeitig von Osten beeinflusst, dem 
englischen Beispiel in Bezug auf Erbauung grösserer öffentlicher 
Badeanstalten, wenn auch nicht eigentlicher Volksbäder, folgte 
und zwei Bäder, das Diana- und das Sophienbad, erhielt. Ersteres, 
schon im Jahre 1804 gegründet, wurde im Jahre 1842 völlig 
umgebaut, durch Hinzufügen einer grossen Schwimmhalle be- 
deutend erweitert und hiermit erst dem grösseren Publikum 
nutzbar gemacht. Dreizehn Jahre später folgte in Wien die Er- 
richtung des ersten eigentlichen Volksbades in Verbindung mit 
einer öffentlichen Waschanstalt. In Deutschland waren es Ham- 
burg und Berlin, die in den ersten fünfziger Jahren die ersten 
grösseren öffentlichen Badeanstalten erhielten, es folgten sodann 
in langsamem Tempo Leipzig, Magdeburg, Hannover, Karlsruhe 
und andere Städte. Die Gesetzgebung wie der Staat haben sich 
bei uns der Sache überhaupt nicht angenommen und auch die 
Gemeinden und Vereine haben die Aufgabe, das Badewesen im 
Interesse der öffentlichen Gesundheit und Reinlichkeit, im Hinblick 
auf die Heranziehung einer körperlich und geistig lebensfrischen 
Jugend zu fördern, erst mit Beginn der achtziger Jahre in die 
Hand genommen. 

Rühmlich ist dabei die Thätigkeit des Deutschen Vereins 
für öffentliche Gesundheitspflege, wie des Niederrheinischen Vereins 
für Gesundheitspflege anzuerkennen, die beide in Wort und 
Schrift für die Hebung des Badewesens eintraten. 

Unabhängig von dieser oft recht schneckenhaften Entwicklung 
in der Anlage von öffentlichen Badeanstalten hat sich in Deutsch- 
land das Fluss- resp. Schwimmbad entwickelt. 1817 führte 
General von Pfuel, der mit Recht der Vater der heutigen Schwimm- 
kunst genannt wird, das Schwimmen in der preussischen Armee 
ein, indem er die heute noch nach ihm benannte erste grosse 
Militärschwimmanstalt in der Spree erbauen liess. Die Anstalt 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 97 

war auch für nicht dem Militär angehörige Personen geöffnet 
und wurde für andere Anstalten vorbildlich. Es folgte Breslau 
1837 mit einer Schwimmanstalt für Herren und einem Schwimm- 
bassin für Damen — beide begründet durch den Kandidat der 
Theologie G. Kallenbach ; nichtsdestoweniger blieb es längere 
Zeit bei diesen schwachen Anfängen und erst in den siebziger 
Jahren kam wieder ein flotteres Tempo hinein. Es wurde durch 
eine Verordnung des Kultusministeriums das Schwimmen in allen 
preussischen Schullehrerseminaren sowie auf der Turnlehrer- 
bildungsanstalt eingeführt. War mit der methodischen Uebung 
des Schwimmens der erste entscheidende Fortschritt über die 
Leistungen des Altertums im Badewesen gemacht, so blieb nur 
noch der zweite Schritt übrig: Die Uebung des Schwimmens 
musste wie das Turnen von den Einflüssen der Witterung und 
Jahreszeit unabhängig gemacht und mit dem ganzen Badeapparat, 
soweit er gesundheitsfördernde oder gesundheitserhaltende Kraft 
besitzt, vereinigt allen Schichten der Bevölkerung zugänglich 
gemacht werden, Diese Aufgabe löst das moderne Hallen- 
schwimmbad. Auch ihr Ursprung ist in England zu suchen, wo 
die s. Z. vom Staat inaugurierten Bade- und Waschanstalten aus 
praktischen Gründen in Schwimmbäder umgewandelt wurden, 
die eine grössere Menge von Menschen gleichzeitig abbaden lassen 
und eine einfachere Handhabung ermöglichen. Nur zögernd griff 
diese neue Badebewegung auf Deutschland über; die erste Schwimm- 
halle erhielt Berlin, und erst in den letzten zwei Jahrzehnten ist 
ein erfreulicher Fortgang zu konstatieren, so dass wir jetzt bei 
uns, dank wiederum der aufrüttelnden Thätigkeit der Vereine 
für öffentliche Gesundheitspflege, über 77 Hallenschwimmbäder 
verfügen, während 12 weitere im Bau resp. Vorbereitung begriffen 
sind. Zum Schlüsse dieser geschichtlichen Betrachtung haben 
wir noch einer der neuesten Zeit angehörenden Gruppe der Stadt- 
bäder zu gedenken, denen keine Landeseigentümlichkeit anhaftet, 
sondern die sich in einheitlicher Gestalt in einem Jahrzehnt fast 
über ganz Europa, die Vereinigten Staaten und einige andere 
Länder mit europäischer Kultur verbreitet haben. Dies sind die 

Marcuse, Bäder und Badewesen. 7 



98 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

warmen Volksbrausebäder. Sie vereinigen in sich eine Reihe von 
Vorzügen, die dem Zweck, dem sie dienen sollen, gerecht werden. 
In einfachster, am wenigsten kostspieliger Form ermöglichen sie 
eine Reinigung des Körpers bei bequemster Zugänglichkeit und 
geringster Wassermenge. Es ist wesentlich das Verdienst von 
Professor Dr. 0. Lassar in Berlin, diese Badeart in geeigneter 
Anwendungsweise zur Geltung gebracht zu haben. Auf der Aus- 
stellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens 
in Berlin 1882 — 1883 zeigte Lassar ein Volksbrausebad seines 
Systems, das auf seine Anregung hergestellt und in Betrieb gesetzt 
worden war. Das Badehaus war ganz aus Eisenwellblech errichtet 
worden. 

Die Brause als Reinigungsbad in grösserem Umfange war 
in einzelnen Fällen schon früher angewendet worden, vornehmlich 
in Kasernen, und die Ergebnisse waren so günstig, dass die 
preussische Armeeverwaltung die Anlage solcher Brausebäder bei 
Neu- und Umbauten von Kasernements verfügte. Im Jahre 1S86 
fand das Brausebad als Massenbad eine weitere eigenartige An- 
wendung, indem die Stadt Göttingen auf Veranlassung ihres 
Oberbürgermeisters Merkel eine solche Badeeinrichtung inner- 
halb der Volksschulen in das Leben rief. Dieses Göttinger 
Beispiel hat in vielen deutschen Städten Nachahmung gefunden. 
Ferner haben Grossindustrielle die Zweckmässigkeit der Brause- 
bäder für ihre Betriebe erkannt und zum Wohle ihrer Arbeiter 
auf ihren Werken Einrichtungen dieser Art getroffen; besonders 
sind hier die Bergwerksverwaltungen zu nennen. Mit allen diesen 
Anlagen ist jedoch immer nur einer beschränkten Anzahl von 
Personen die Gelegenheit zum Baden geboten worden. Der von 
Lassar auf der Hygieneausstellung ausgesprochene Gedanke, 
den weitesten Kreisen des Volkes eine bequeme, wenig zeit- 
raubende und billige Badegelegenheit zu schaffen , fand erst in 
den für jedermann zugänglichen, an offener Strasse errichteten 
Volksbädern seine Verwirklichung. Das erste derartige Volks- 
brausebad wurde im Herbst 1887 durch die städtische Verwaltung 
zu Wien errichtet. Es folgten die Anstalten des Berliner Vereins 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 99 

für Volksbäder, und dann weiterhin eine grosse Reihe deutscher 
Städte mit Anlagen gleicher Art. 

Gehen wir nun nach dieser historischen Betrachtung der 
Entwicklung des Badewesens der Neuzeit zu den Formen desselben, 
wie sie sich in der Gegenwart repräsentieren, über, so sind in 
erster Reihe die Privatbäder zu erwähnen, d. h. Bäder, die aus- 
schliesslich für die Bewohner des betreffenden Hauses bestimmt 
und Bestandteile der Wohnungen selbst sind. In den meisten 
Fällen beschränken sich diese Bäder auf eine Wannen- oder 
Brausebad einrichtung, die in einem „Badezimmer' aufgestellt 
sind. Wenngleich besonders in Deutschland in dem letzten Jahr- 
zehnt eine sehr erhebliche Zunahme der Anlage von Badezimmern 
in Privatwohnungen zu konstatieren ist, so werden dieselben 
dennoch immer auf einen ganz geringen Bruchteil der Bevölkerung 
beschränkt bleiben und des Charakters einer gemeinnützlichen 
Institution ermangeln. Dass aber die moderne Bauart bereits 
mit der Anlage von Badezimmern als einem notwendigen Korrelat 
rechnet und in den Wohnungen für die besser bemittelten 
Klassen von Jahr zu Jahr in zunehmender Zahl dieselben erbaut, 
verdient immerhin als ein Fortschritt bezeichnet zu werden. Ist 
erst das Bedürfnis des häuslichen Bades allgemein vorhanden 
und zu einem unabweisbaren geworden, so werden dem auch die 
Bauinteressenten entgegenkommen müssen. Je billiger die hierfür 
notwendigen Anlagen sich stellen , um so leichter wird dies ge- 
schehen. In Häusern mit kleinen und kleinsten Wohnungen 
wären Etageneinrichtungen, zum mindesten für Kaltwasserbäder, 
zum gemeinschaftlichen Gebrauch anzulegen, gemeinnützige Bau- 
gesellschaften und Kommunen, die für ihre Beamten und Arbeiter 
Wohnhäuser erstellen, hätten hier bahnbrechend vorzugehen. 
Nie darf die Verbreitung des häuslichen Badens unter der Propa- 
ganda für öffentliche Badeeinrichtungen notleiden. Das Wannen- 
bad ist aber auch der Typus des öffentlichen Bades, der Bade- 
anstalt in ihrer einfachsten Form , wie sie uns in einer grossen 
Reihe von Städten, vor allem in allen mittleren und kleinen, 
gegenübertritt. Mit dem Wannenbad als Warmwasserbad wird 



100 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

hauptsächlich der Zweck der Körperreinigung zu erreichen gesucht 
und zwar, abgesehen von dem Dampfbad, in ausreichendster und 
bequemster Form. Jede Wanne bedarf der Zuführung kalten 
und warmen Wassers, um jede gewünschte Temperatur herstellen 
zu können; die Mischung des kalten und warmen Wassers soll 
durch Vereinigung der Zuleitungsröhren vor dem Eintritt in die 
Wanne erfolgen, das gemischte Wasser soll nicht von oben in die 
Wanne stürzen, sondern vom Boden aus aufsteigen. Eine Ver- 
besserung ist die Mischung des kalten Wassers mit heissem 
Wasserdampf unmittelbar vor der Badezelle, so dass die Zu- 
führung von warmem Wasser entbehrlich ist. Die Grösse der 
Wannenbaderäume schwankt gewöhnlich zwischen 1,80 m Breite 
zu 1,80 m Länge und 2,50 m Breite zu 4 m Länge. Das zuerst 
angegebene Mindestmass darf nicht unterschritten werden, während 
das angegebene grösste Mass zuweilen noch überschritten wird. 
Ein gutes mittleres Mass für eine Zelle ist 2,50 m Breite, 3 m 
Tiefe (Länge) und 3 m Höhe. Die Einteilung der Wannenbäder 
in mehrere Klassen empfiehlt sich selbst bei kleineren Anstalten, 
weil die Ansprüche an Bequemlichkeit der verschiedenen Be- 
völkerungsklassen zu weit auseinander gehen. Auf alle Fälle 
müssen die für billigere Preise zu benutzenden Bäder der minder- 
bemittelten Klassen eher vorhergesehen sein, als diejenigen der 
höheren Klasse, für deren Benutzung auch ein höherer Preis ge- 
fordert werden kann. Das Verhältnis der Anzahl der ver- 
schiedenen Klassen richtet sich natürlich nach der Zusammen- 
setzung der Bevölkerung und wird in jedem einzelnen Fall er- 
wogen werden müssen. Das Wannenbad — allein vorhanden — 
stellt, wie gesagt, die primitivste Form der Badeanstalt dar, aber 
auch bei ihm sind alle diejenigen Postulate zu erfüllen, die vom 
sanitären Standpunkt erhoben werden müssen, das heisst vor 
allem eine tadellose Wasserbeschaffenheit, ferner Luft und Licht 
und schliesslich eine peinliche Sauberkeit der Badezelle und alles 
dessen, was zum Bade gehört. Das gewöhnliche Badewasser muss 
klar, rein und weich sein. Hartes, also stark kalkhaltiges Wasser 
ist besonders deshalb unzweckmässig, weil es in den Kesseln und 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 101 

Rohrleitungen viel Kesselstein erzeugt. Das Wasser muss ferner 
frei von pathogenen Mikroorganismen, frei von grösseren Bei- 
mischungen organischer Stoffe, frei endlich von Giften und Farb- 
stoffen, wie sie im Abwasser chemischer Fabriken und Färbereien 
oft mitgeführt werden, sein. Das Wasser stagnierender Teiche 
und Seen, das stark mit Wasserpflanzen durchsetzt ist, sowie das 
Gletscherwasser mit seiner niedrigen Temperatur sind zum Baden 
gleich ungeeignet. Wo reines Wasser nicht leicht zu beschaffen 
ist, wird man zur Reinigung desselben mittelst Sandfilter schreiten 
müssen. 

Die nächste höhere Form der Badeanstalten ist die, wo wir 
Wannenbäder vereinigt mit einem Schwimmbad vorfinden, eine 
Form, welche als die rationellste und vom hygienischen Stand- 
punkte aus als die beste angesehen werden muss. Das Schwimm- 
bad ist die ursprünglichste aller Badeformen, wenigstens im Sinne 
des gemeinsamen Badens vieler Personen in einer grösseren 
Wassermenge. Es gestattet dem Badenden freie Bewegung nach 
jeder Richtung und gilt zur körperlichen Kräftigung mit Recht 
als das geeignetste Bad. Schwimmen ist Turnen und vereinigt, 
wie wir später sehen werden, in fast idealer Form alle gesund- 
heitlichen Vorteile einer ausgiebigen gymnastischen Uebung in 
sich. Der Schwimmbaderaum oder die Schwimmhalle ist in der 
Regel der grösste aller Baderäume, er bildet den Kern der Bau- 
anlage und muss hoch, hell und luftig angelegt sein. Die Grösse 
des Schwimmbeckens richtet sich nach der Zahl der Personen, 
die gleichzeitig darin baden sollen , wobei in der Regel darauf 
zu rechnen ist, dass zwei vom Hundert der Bevölkerung täglich 
baden können. Die Wasserwärme im Schwimmbecken sojl 20 
bis 22° C. betragen. Diese Temperatur muss stets gleichmässig 
erhalten werden ; man erreicht dies, indem man dem kalten Zu- 
flusswasser warmes beimischt oder an geeigneter Stelle Dampf 
unmittelbar in das Becken einlässt. Um das Wasser rein und 
frisch zu erhalten , muss es stets erneuert und bewegt werden 
und innerhalb 24 Stunden muss die völlige Erneuerung beendet 
sein. Zu einer Schwimmhalle gehören auch als unentbehrliche 



102 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Requisiten eine Reihe von Aus- und Ankleidekabinen, deren Ein- 
richtung wesentlich einfacher ist als die der Wannenbaderäume. 
Die Schwimmhallen werden heutzutage fast durchweg heizbar 
eingerichtet, da die Zahl derjenigen, die auch im Winter das 
Schwimmbad benutzen, erheblich gestiegen ist. Die Temperatur 
soll 16 — 20 ° C. betragen. Als Nebenraum zur Schwimmhalle ist 
ein entsprechendes Gelass für die Reinigungsbäder in den meisten 
Anstalten vorhanden. Dieser Reinigungsraum, der mit Brausen, 
Fuss wannen und allenfalls noch mit Wannen ausgestattet ist, 
hat den Zweck, dass jeder Badende ohne Ausnahme seinen Körper 
einer Reinigung unterzieht, bevor er in das gemeinsame Schwimm- 
becken geht. Die schönsten Schwimmhallen in Deutschland 
finden sich im Volksbad zu Stuttgart, im Augusta- Viktoriabad zu 
Wiesbaden, im Friedrichsbad zu Baden-Baden, im Städtischen 
Schwimmbade zu Frankfurt a. M. , im Müller'schen Volksbad in 
München, im Kaiser Wilhelmbad sowie in den Badeanstalten des 
Vereins der Wasserfreunde in Berlin, im Hallenschwimmbad zu 
Breslau, im Vierordtbad zu Carlsruhe. Wannen- wie Schwimm- 
bäder enthalten ausserdem eine Reihe Brausen und Duschen, die 
in kleineren Anstalten in Wannenbaderäumen selbst aufgestellt, 
in grösseren in einem eigenen Duscheraum vereinigt sind. Zu 
erwähnen wären noch die Flussbäder mit ungedeckten Schwimm- 
bassins — eine Musteranlage dieser Art ist die Badeanstalt Alster- 
lust in Hamburg — als einfachste und allgemein verbreitete An- 
lage unter freiem Himmel. 

Die dritte Form der Badeanstalten ist die, wo ausser Wannen-, 
Schwimmbädern noch Dampf- resp. römisch-irische Bäder vor- 
handen sind. Das russische Dampfbad ist ein feuchtes Heissluft- 
bad, wo feuchte Dämpfe in Temperaturen von ca. 50 ° C. auf den 
Körper einwirken. Da das Bad wirksamer ist, wenn es in all- 
mählich steigender Temperatur aufgesucht wird, so finden sich 
meist zwei Zimmer mit steigenden Temperaturen hintereinander 
vor, oder in einem Räume zwei bis drei stufenartige Erhebungen, 
so dass der Badende durch Aufsuchen einer höheren Lage sich 
der Einwirkung der grösseren Wärme aussetzen kann. Ausserdem 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 103 

findet sich in jedem Dampfbadezimmer eine Holzpritsche , die 
zum Liegen und Kneten oder Massieren dient. Das russische 
Dampfbad in der beschriebenen Form hat sich bei uns nicht ein- 
bürgern können und die an sich schon nicht häufigen Anlagen 
desselben sind in neuerer Zeit noch durch zwei andere Bäder- 
arten verdrängt worden, nämlich durch das Kastendampfbad und 
durch das sogenannte deutsche Schwitzbad. Das Kastendampf- 
bad unterscheidet sich vom Zimmerdampfbad dadurch, dass der 
Badende sich in ruhender Lage befindet und der Kopf vom Bade 
ausgeschlossen ist. Letzterer ragt aus dem Kasten heraus. Das 
deutsche Schwitzbad ist auch ein feuchtes Heissluftbad, allein die 
feuchte heisse Luft wird im Gegensatz zum russischen Dampf- 
bade nicht durch Dampf, sondern durch ein anderes, von dem 
Badeinspektor Bloch in Elberfeld zuerst angegebenes Verfahren 
erzeugt. Es gelingt damit, die Luft statt mit 85°/ Feuchtigkeit, 
wie beim Dampfbade, bis zu 95 % Feuchtigkeit zu sättigen, trotz- 
dem die Temperatur des Raumes niedriger wie im Dampfbade 
gehalten wird, nämlich 42—45 " C. Durch einen besonderen Auf- 
bau leitet man bei diesem Verfahren ständig frische heisse Luft 
an verschiedenen Stellen durch heisses Wasser, welches kaskaden- 
artig von Schale zu Schale niederplätschert und zerstäubend die 
heisse Luft mit Feuchtigkeit sättigt. Bei diesem Vorgange bleibt 
die Luft klar. Das irisch-römische oder trockene Heissluftbad 
dagegen ist gegenüber dem russischen Dampfbad in neuester Zeit 
ein unentbehrlicher Bestandteil unserer öffentlichen Badeanstalten 
geworden. Es wirkt in milderer Form als das Dampfbad und 
wird deshalb auch von gesunden Menschen gern genommen. 
Das Bad besteht gewöhnlich aus zwei verschieden warmen Räumen, 
einem Tepidarium mit ungefähr 40 — 50 ° C. und einem Cal- 
darium oder Sudatorium mit 60—70° C. Während das feuchte 
Heissluftbad von 50° bereits sehr angreifend und teilweise sehr 
unangenehm ist, verursacht das Luftbad von gleicher Temperatur 
grosses Behagen undjässt sich selbst noch mit höheren als den 
angegebenen Wärmegraden ertragen. Unbedingt notwendig ist, 
dass ein ständiger Zufluss von absolut trockener heisser Luft 



104 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

nach dem Baderaum hin stattfindet und dass für die Absaugimg der 
durch die Ausatmung un d Schweissverdunstung der Badenden feucht 
werdenden Luft peinlich Sorge getragen wird. Allen Schwitzbädern 
gemeinschaftlich ist ein Auskleide- und Ruheraum, ein Duschraum 
mit kaltem und temperierbaren warmen Duschen der verschiedensten 
Art, ferner ein Massage- oder Knetraum und ein Abtrockenraum. 

Ausser diesen drei skizzierten Formen der Badeanstalten 
finden sich noch Anstalten, die alles umfassen, was an Bade- 
formen besteht, und die sich vorzugsweise an Weltkurorten, wie 
Wiesbaden, Baden-Baden etc. finden, für die Allgemeinheit aber 
weniger in Frage kommen. 

Noch ein paar Worte über Bauart und Konstruktion. Die 
Badeanstalten sind in hervorragendem Masse gemeinnützige An- 
lagen. Sie sind deshalb als öffentliche Bauten zu betrachten und 
haben schon in ihrer äusseren Erscheinung diese Eigenschaft 
zum Ausdruck zu bringen. Bei reichlichen Mitteln müssen sie als 
Monumentalbauten hergestellt werden; aber auch solche Anlagen, 
die mit bescheidenen Mitteln errichtet werden müssen, sind in 
solidester Weise und in, wenn auch einfachen, aber charakter- 
vollen Formen auszugestalten. Hierbei ist nicht aus dem Auge 
zu lassen, dass Badeanstalten Nu tzlichkeits bauten sind, die starker 
Abnutzung unterworfen werden, und dass insbesondere die reich- 
liche Verwendung von Wasser in denselben beste Konstruktion 
und allersorgfältigste Ausführung erfordert. Das Innere der Bäder 
soll hell und freundlich sein, Luft und Licht in reichstem Masse 
beherbergen, solid und zweckmässig ausgebaut sein und als 
höchsten Schmuck Reinlichkeit sein eigen nennen. Dieser wahr- 
haft ästhetische Schmuck kann schon durch Anwendung zweck- 
mässiger Konstruktion, geeigneter Formen und entsprechender 
Farben ausserordentlich gefördert werden, während unzweckmässige 
Konstruktion, ungeeignete Form und Farbe die Reinlichkeit ge- 
radezu hindern können. 

Im Nachstehenden wollen wir an einigen Beispielen einzelne 
Typen für die verschiedenen Arten der Anstalten schildern (Fig. 
8 und 9). 



Biider und Badewesen der Neuzeit. 



105 




106 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 



Das städtische Vierordtbad zu Karlsruhe ist im Wesentlichen 
ein Wannenbad, dem jedoch auch Dampf- und warme Luftbäder 
beigesellt sind. Dasselbe ist in den Jahren 1870—73 durch den 
Architekten Durm aus einer Schenkung Heinrich Vierordts und 
aus städtischen Mitteln erbaut und im Jahre 1900 bedeutend er- 
weitert worden. Das Gebäude enthält in einem als Kuppel aus- 
gestalteten schmucken Mittelbau den Wartesaal mit Kasse und 
Büffet. Zu beiden Seiten schliesst sich hieran je ein T-förmig 




Fig. 9. Schwimmbassin im Vierordtbad. 



gestalteter Flügel. Der links liegende enthält die Wannenbäder 
für Männer, der rechts liegende diejenigen für Damen. Jede 
Abteilung hat 16 Zellen, ein Doppelbad und ein Salonbad, ferner 
ein Weisszeugbad und die nötigen Aborte. Die Eckpavillons der 
Flügel enthalten in ihrem Obergeschoss Wohnungen für den 
Verwalter und den Bademeister. Auf der Mittelachse des Kuppel- 
raumes südlich sind die Räume für die Beissluft und Dampf- 
bäder, sowie für die elektrischen Lichtbäder. Diese Abteilungen 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 1()7 



umfassen nebst den Ruheräumen zusammen 42 Zellen. Die grosse 
Schwimmhalle ist hinter den beiden Seitenabteilungen gelegen. 
Der luftige Raum ist mit Spiegelgewölbe überdeckt, hat ein 
grosses Oberlicht, reichliches Seitenlicht, weist 42 Einzelauskleide- 
zellen auf und besitzt neben den Reinigungsräumen, Fussbädern, 
Duschen etc. auf der Galerie gemeinschaftliche Auskleideräume. 
Das Bassin hat bei 28,70 m Länge, 10,70 m Breite, eine geringste 
Tiefe von 0,80 m, welche allmählich bis 2,80 m steigt.. Das 
Wasser hat ständigen Zufluss und kann vorgewärmt werden. 
Die elegante und doch so zweckdienliche Einrichtung des ganzen 
Bades macht einen vorzüglichen Eindruck. 

Das Beispiel einer Badeanstalt mit Bevorzugung des Schwimm- 
bades giebt die städtische Badeanstalt zu Barmen, die 1881 — 82 
erbaut, zwei Schwimmbäder, 14 Wannen- und ein römisch-irisches 
Heissluftbad enthält. 

Die Badeanstalt hat eine langgestreckte Gestalt. Die 
Schwimmhalle für Männer ist 31,00 m lang, 18,80 m breit 
und 13,00 m hoch; sie hat im Erdgeschoss 16 Auskleidezellen 
und auf einer Galerie deren 40. Auf letzterer befindet sich 
ferner ein gemeinsamer Auskleideraum für 60 Schüler. Die Halle 
hat äussere und innere Umgänge. Das Schwimmbecken ist 
24,75 m lang, 11,50 m breit und 0,80 bis 2,80 m tief. An diesen 
Hauptraum der Anstalt schliesst sich die kleinere Damenschwimm- 
halle in polygonaler Form an. Die Einrichtung ist der ersteren 
ähnlich ; jedoch fehlt die Galerie. Es sind 18 Auskleidezellen 
vorhanden; letztere fehlen unten an drei und oben an einer 
Seite. Das Becken ist 9,30 m breit, 12,30 m lang und 0,80 bis 
1,80 m tief. Beide Hallen enthalten die üblichen Brausen. An 
der Nordseite der Hallen liegen dem Eingang zunächst im Erd- 
geschoss sieben Wannenbäder für Damen, im I. Obergeschoss 
ebensoviele für Herren, von denen je zwei I. Klasse sind. Jede 
Zelle ist 3,20 m lang und 2,37 m breit. Die Wannen sind aus 
Gusseisen und innen emailliert. An die Zellenbäder schliesst 
sich an derselben Seite der Hallen das römisch - irische Bad 
an; es besteht aus dem Ruheraum mit 8 Kojen, dem massig 



108 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

warmen Schwitzraum, dem heissen Schwitzraum und dem Brause- 
raum. 

Zur Wasserversorgung wurde ursprünglich auf dem Grund- 
stück selbst ein Brunnen angelegt, aus dem das Wasser mittelst 
Dampfstrahl-Elevatoren und Pulsometer gefördert wurde; später 
ist die Anstalt an die städtische Wasserleitung, die ihr Wasser 
aus der Ruhr bezieht, angeschlossen worden. Dem Herrenschwimm- 
becken von 450 cbm Wasserinhalt werden mittelst ständigen Zu- 
flusses stündlich 25 cbm frisches Wasser zugeführt. Der Bauplatz 
kostete 50000 Mark; die Gesamtbaukosten beliefen sich auf etwa 
340000 Mark. 

Das Badewesen der Rheinprovinz zeigt überhaupt einen 
Stand der Entwicklung, der nach vielen Richtungen hin für die 
übrigen Teile Deutschlands als vorbildlich bezeichnet werden 
kann. Schwimmende Badeanstalten bildeten Jahrzehnte lang die 
einzige und vornehmste Gelegenheit zum Baden und in ihrer 
natürlichen Lage am Rhein eine unversiegbare Quelle der Er- 
frischung und Stärkung. Erst in den achtziger Jahren fanden 
Warmbäder mit Schwimmhallen Eingang in die Rheinlande, rasch 
hatten die thatkräftigen und wirtschaftlich so ausserordentlich 
regsamen Kommunen die Bedeutung zeitgemässer Badeeinrich- 
tungen für Gesundheits- und Körperpflege des Volkes erkannt, 
und nun folgte eine nach der anderen mit mustergültigen Anlagen. 
Die erste städtische Unternehmung auf diesem Gebiete leistete 
Essen, welches 1882 eine Anstalt mit einem Schwimmbade, etwa 
20 Wannenbädern und einem russischen Dampfbade errichtete. 
Bemerkenswert ist, dass das Schwimmbassin aus Schmiedeeisen 
hergestellt wurde, um die infolge des Bergbaues etwa vorkommenden 
Bodensenkungen für die Dichtigkeit des Bassins unschädlich zu 
machen. Dann kam die oben beschriebene Barmer Anstalt, der 
übrigens eine zweite grösssre bereits gefolgt ist, es folgte Köln 
mit seinem Hohenstaufenbad, das durch spätere Einfügung eines 
Volksbassins einen besonders gemeinnützigen Charakter ange- 
nommen hat, die Städte Elberfeld, Krefeld, Düsseldorf, München- 
Gladbach mit seinem stattlichen Kaiserbad, Duisburg und viele 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 



109 



andere. Der starke Antrieb zur Förderung der Reinlichkeit, 
Körperpflege und Gesundheit , den die in den 80 er Jahren er- 
richteten Stadtbäder gegeben hatten, der steigende Besuch der- 
selben und die fortschreitende Notwendigkeit erheblicher Ver- 
grösserungen der vorhandenen Anstalten liessen alsbald die 
Errichtung neuer, gross angelegter Badehäuser als ein dringendes 
Bedürfnis hervortreten, und zur Befriedigung desselben steht man 
seit kurzem im Rheinland wiederum in einer Bauperiode be- 




Fig. 10. Müller'sches Volksbad in München. (Ansicht von der Isar.) 

deutender Badeanstalten, welche die vorhergehende der 80 er 
Jahren zu übertreffen verspricht. Von besonderem Interesse ist 
es, dass bei einer Reihe dieser Anlagen der ausgesprochene Zweck 
auf die Schaffung von Volksbadeanstalten mit vollkommenen 
Einrichtungen aller Badeformen gerichtet und damit die Volks- 
gesundheit der breiten Massen in hygieinische Bahnen ge- 
lenkt ist. 

Das von Dr. Wolff 1894—96 erbaute städtische Schwimmbad 



110 



Bader und Badewesen der Neuzeit. 



in Frankfurt a. Main ist eine Anlage mit drei Schwimmbädern, 
vierzig Wannenbädern und einem römisch-irischem Bade. 

Das Badehaus zerfällt in drei Gruppen : rechts liegt das 
Männerschwimmbad I. Klasse, in der Mitte befindet sich das 
Männerschwimmbad IL Klasse, dahinter die Wannenbäder und 
links das Frauenschwimmbad. Unter den Wannenbädern liegt 
die Wäscherei und über denselben im Obergeschoss das römisch- 




11. Schwimmbassin des Müller'schen Volksbads. 



irische Bad. Das Obergeschoss enthält ferner zu Seiten der 
Schwimmbäder noch je 4 Wannenbäder für Männer und Frauen. 

Die Kosten haben sich auf 850000 Mark ausschliesslich 
Grunderwerb belaufen. Hiervon entfallen 175000 Mark auf die 
maschinelle Einrichtung, 127000 Mark auf das Vorderhaus, 
83000 Mark auf Mobiliar und Wäsche und der Rest von 
515000 Mark auf den Bau des Badehauses. 

Weitere hervorragende gemeinnützige Anstalten in Deutsch- 
land sind das Müller'sche Volksbad in München (Fig. 10, 11, 12), 



Bäder und BadeAvesen der Neuzeit. 



111 



die öffentliche Badeanstalt in Bremen, Eigentum des Vereins für 
öffentliche Bäder, das städtische Schwimmbad zu Dortmund, das 
Stuttgarter Schwimmbad und das im Jahre 1897 in Breslau eröffnete 
Breslauer Hallenschwimmbad. Die ebenso schöne und künstlerische 




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Fig. 12. Doucheraum im Mülier'schen Volksbad. 



wie praktische Herstellung desselben, die der gemeinnützigen 
Opferwilligkeit weiter Kreise der Stadt Breslau ihre Entstehung 
zu verdanken hat, möge es rechtfertigen, wenn ich an dieser 
Stelle eine kurze Beschreibung anfüge. Die Anstalt darf mit 
Recht zu den schönsten Deutschlands gezählt werden; sie stellt 



112 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

einen künstlerisch ausgeführten Monumentalbau dar mit charak- 
teristischer Fassade und vortrefflicher Raumbenutzung', luftig und 
hell in allen ihren Teilen, solide und zweckmässig in ihren 
Einrichtungen. Der ganze Verkehr in der Anstalt ist in dem 
Hauptvestibül konzentriert. Von da aus sind sämtliche Bäder 
unmittelbar auf getrennten Wegen zu erreichen, ebenso die 
Waschküche, der Maschinenraum, die Bureauräume der Betriebs- 
leitung etc. Im Erdgeseboss befinden sich die Schwimmhalle, 
die Räume für die Wäscherei, maschinelle Einrichtung etc., im 
ersten Hauptgeschoss die Schwitzbäder, im zweiten die Wannen- 
bäder*). 

Das Hallenschwimmbad stellt eine weite, lichtdurchflutete 
dreischiffige Halle dar, zu deren beiden Seiten sich in den beiden 
übereinanderliegenden Geschossen die Auskleidezellen hinziehen 
zwischen Granitsäulen, welche durch Rundbögen unter sich und 
mit den Wänden verbunden die Gewölbe der Seitenschiffe und 
die mächtige Wölbung des Mittelschiffes mit einem grossen Ober- 
licht tragen. Die Halle hat eine Gesamtlänge von 25,5 m, eine 
Gesamtbreite zwischen den Umfassungswänden von 18,7 m. Die 
Auskleidezellen — an Zahl 75 — sind durch einen breiten Gang 
und ein schmiedeeisernes Geländer von dem Bassin getrennt und 
liegen zu beiden Seiten in zwei Geschossen übereinander. Vom 
Bassin aus ist der Zugang in die Zellen nur für Badende gestattet, 
während ein zweiter Gang hinter den Zellen beim Betreten der 
Anstalt zu benutzen ist. Diese Anordnung der zwei Gänge vor 
und hinter den Auskleidezellen hat den doppelten Zweck, dass 
der dem Schuhwerk anhaftende Strassenschmutz von dem Bassin 
ferngehalten und die lästige Berührung von an- und ausgekleideten 
Menschen vermieden wird. Vor Aufsuchen des Bassins muss ein 



*) Wir entnehmen die folgende Beschreibung dem im Verlage von Wilh. 
Gottl. Korn erschienenen Werke von Dr. Kabierske : Das Breslauer Hallen- 
schwimmbad. Seine Entstehungsgeschichte und Einrichtungen nebst einem 
geschichtlichen Ueberblick über die Entwicklung des Badewesens und des 
Schwimmens und Abhandlungen über die gesundheitliche Bedeutung von Baden, 
Schwimmen und Schwitzbädern. Breslau 1896. 



Bader und Badewesen der Neuzeit. 



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Marcuse, Bäder und Badewesen. 



114 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 



in einem Seitenflügel sich anschliessender Dusch- und Reinigungs- 
raum aufgesucht werden, der 12 temperierbare (35 — 18 °C.) Brausen 
enthält, um den Körper zunächst zu reinigen. Für die Waschung 
der Füsse sind 8 kleine unterhalb der Fenster angebrachte Fuss- 
waschbecken , die mit Seife , Bürste und Zulauf von warmem 
Wasser versehen sind, vorhanden. In der Umgebung des Bassins 
befinden sich ferner noch ein Vorerwärmungsraum (1,90:4,26 m), 
der im Winter zur Anwärmung des strassenkalten Körpers und 
an Volksabenden als Schwitzbad benutzt wird, ferner 2 Klosett- 
räume für angekleidete Personen — nur vom hinteren Gang der 
Schwimmhalle aus zugängig — und auf der gegenüberliegenden 
Seite 2 Bideträume für Frauen. Für die Bedürfnisse der ent- 
kleideten Badegäste sorgen mehrere von der Schwimmhalle aus 
zugängige Klosetts. Das obere Geschoss des Seitenflügels ist zu 
einem Auskleideraum für Schüler hergerichtet; rings an den 
Wänden und in der Mitte des Raumes sind Holzbänke mit Rück- 
lehnen aufgestellt, die 128 Schülern einen Platz von je 41 cm 
Breite gewähren. 

Das Bassin hat eine Länge von 21 m, eine Breite von 11 m, 
also einen Flächenraum von 231 qm, ist mit einem Sprunggerüst 
mit mehrfachen Abteilungen versehen, fasst ungefähr 450 cbm 
Wasser, welches durch ständigen Zufluss warmen bezw. kalten 
Wassers auf einer Temperatur von 23 ° C. gehalten wird. Das 
überschüssige Wasser fliesst durch 8 Ueberlauf Öffnungen, welche 
in den Seitenwänden des Bassins angebracht sind, in die Kanali- 
sation ab. Fussboden und Wände des Bassins sind bis zum 
Wasserspiegel mit blauen, darüber mit weissen glasierten Wand- 
platten bekleidet. Die Schwimmhalle ist mit ihren sämtlichen 
Nebenräumen an die allgemeine Lüftungsanlage angeschlossen; 
die Luft wird einmal in der Stunde erneuert. Die Beleuchtung 
der Halle wie der Auskleidezellen erfolgt durch Bogen- resp. 
Glühlampen. 

Die im zweiten Hauptgeschoss befindlichen Wannenbäder — 
in der Herrenabteilung 10 Zellen erster und 8 Zellen zweiter 
Klasse, in der Frauenabteilung je 8 Zellen erster und zweiter 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 



115 




116 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Klasse, im ganzen 34 Badezellen — enthalten in den Fussboden 
versenkte Wannen mit temperierbaren Brausen , haben eine ge- 
fällige und solide Ausstattung, einen sehr schönen Vor- resp. 
Warteraum etc. 

Die Schwitzbäder sind in erste und zweite Klasse eingeteilt, 
jedoch sind die eigentlichen Baderäume für beide Klassen ge- 
meinsam, nur die Auskleideräume sind von einander getrennt 
verschieden ausgestattet. In dem Ruheraum ist das Zellensystem 
durchgeführt. Man gelangt zuerst in den Duschraum, in dem 
in zwei Nischen zwei verschieden temperierte Vollbäder — von 
18° C. bezw. 35° C. — angelegt sind; er enthält ferner 11 ver- 
schiedenartige Duschen und eine Sitzwanne mit regulierbarer 
Wassergebung. Von dort aus gelangt man in den Massagesaal 
mit 2 Massierpritschen, einer temperierbaren Brause etc. und sich 
dem anschliessend in das feuchte Heissluftbad resp. deutsche 
Schwitzbad mit 45" 0. Innentemperatur und im übrigen nach der 
schon oben erwähnten Blochschen Methode angelegt. An den 
Längswänden des Raumes sind polierte Marmorbänke in zwei 
Etagen aufgestellt, keilförmige Marmorsteine dienen als Kopf- 
unterlage. Auf der anderen Seite des Massageraumes befindet sich 
das trockene Heissluftbad; dasselbe besteht aus einem grösseren 
(5,60 : 5,50 m) warmen Raum mit 65° C. und einem kleineren 
heissen Raum (3,70 : 2,74) mit einer Temperatur von 82° C. 

Vorzügliche maschinelle Einrichtungen , unter denen vor 
allem die Kläranlage anzuführen ist, vervollständigen den nach 
jeder Richtung mustergültigen Aufbau der Anstalt. Die be- 
treffende Kläranlage ist von besonderem Interesse, weil sie neben 
der Anlage in Münster i. W. die einzige ist, welche Kondens- 
wasser für Badezwecke benutzbar macht. Der Reinigungsgang 
ist folgender: Nachdem das Wasser sechs Entölungskammern 
passiert hat, wird es nach einem geringen Zusatz von schwefel- 
saurer Thonerde auf einem längeren, mehrfach gewundenen Wege 
in einem 2 m tiefen Bassin von den schweren Sinkstoffen befreit, 
um dann mittelst zweier Kiesfilter gereinigt in völliger Klarheit 
dem Sammelbassin zuzufliessen. Eine im hygieinischen Institut 



H8 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

der Universität Breslau vorgenommene wiederholte bakteriologische 
Untersuchung ergab das ausserordentlich günstige Resultat, dass 
die Anzahl der Keime selbst nach dreitägiger Badezeit noch nicht 
der durchschnittlichen Anzahl derselben des Oderwassers vor 
Eintritt in Breslau oder des Rheinwassers vor Eintritt in Köln 
entsprach. Dabei wird das Badewasser dreimal in der Woche 
völlig erneuert und täglich die halbe Wassermenge frisch zu- 
geführt. 

Die Gesamtkosten der Anstalt beliefen sich auf 748 364 Mark. 
Dieselbe ist im Besitz einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft, 
in der Vorstand und Aufsichtsrat ehrenamtlich arbeiten und die 
Aktionäre im Höchstfalle eine Verzinsung von 4 1 /., % ihrer Ein- 
lagen erhalten sollen. Es wurden 250000 M. durch Aktien von 
1000, 500 und 250 M. und 350 000 M. als 4prozentige Prioritäts- 
obligationen ä 500 M. aufgebracht; dies war die ursprüngliche 
Feststellung des notwendigen Gesellschaftskapitals, nämlich 
(300 000 M. Die Ueberschreitung der Bausumme wurde gedeckt 
durch weitere 80000 M. , die hypothekarisch in Anteilen zu 
10000 M. aufgebracht wurden, durch den jährlichen Zuschuss 
der Stadt — dieselbe giebt pro Jahr 10 000 M. — und der Rest 
wurde als freie Schuld aufgenommen. Mit der Stadt wurde ein 
Vertrag abgeschlossen, der von dem Gedanken geleitet war. die 
Anstalt baldmöglichst in städtischen Besitz überzuführen. Dem- 
zufolge übernahm die Stadt 30 Aktien zu 1000 M., gewährte einen 
jährlichen baren Zuschuss von 10000 M. und ausserdem Ver- 
günstigungen bei der Entnahme von Gas und Wasser aus den 
städtischen Betriebswerken. Hingegen wurde ihr die Genehmigung 
der Bauzeichnung zugestanden, die Kontrolle des Baues durch 
einen Bauausschuss, die Genehmigung der Bilanz, das Bewilligungs- 
recht bei Aufnahmen von neuen Geldmitteln etc. Die 10000 M. 
sind nur zur Verzinsung von Obligationen bestimmt, falls die 
Betriebsüberschüsse zur Verzinsung derselben nicht ausreichen 
und sollen im anderen Fall zur Auslosung von Aktien dienen. 
Auch die Ueberschüsse der Gesellschaft sind nach dem Vertrage 
zum Ankauf von Aktien zu verwerten und muss die Anstalt nach 



Biider und Badewesen der Neuzeit. Hl) 

Auslosung der letzten Aktien mit allen Aktiven und Passiven in 
den Besitz der Stadt Breslau übergehen. 

Dies der Entwicklungs- und Werdegang einer der jüngsten 
deutschen gemeinnützigen Badeanstalten, der nach mancher Rich- 
tung hin belehrend und nachahmenswert sein dürfte. 

Eine Betrachtung über die gegenwärtigen Musteranstalten 
Deutschlands wäre unvollkommen, wollte man nicht der hervor- 
ragendsten unter allen, des Stuttgarter Schwimmbades, Erwähnung 
thun. 1889 eröffnet, 1893 wesentlich erweitert, stellt es heute 
in seiner Anlage, Einrichtung und Ausdehnung auf alle Arten 
von Bädern und Badeformen wohl die bestgeleitete und bestfundierte 
dar, denn, ohne irgendwelche öffentlichen Mittel in Anspruch zu 
nehmen, prosperiert sie, und die Stuttgarter Bevölkerung ist mit 
Recht stolz auf ihr ebenso praktisch wie elegant eingerichtetes 
Schwimmbad. Die gemeinnützigen Erfolge, denen sich das 
Stuttgarter Bad in Bezug auf die zielbewusste Entwicklung des 
Badewesens weit über die Grenzen der engeren Heimat hinaus 
erfreut, werden erwiesen durch die Frequenzziffern, die seine 
Volkstümlichkeit im besten und höchsten Sinne darthun, durch 
die Leistungen der Anstalt, die, was die Vollständigkeit der dar- 
gebotenen Badeformen anbetrifft, von keiner zweiten erreicht 
werden, durch die Entwicklung, zu der es dem Frauenbaden und 
besonders dem Schülerbaden verholfen hat, kurzum durch eine 
Reihe von Faktoren, die jeder einzelne für sich von wertvollster 
Bedeutung sind. Man könnte sie fast eine Hochschule für Baden 
und Schwimmen nennen, werden doch alljährlich über 200 Kinder, 
Schüler und Schülerinnen der Volksschulen, unentgeltlich in der 
Schwimmkunst, dem Tauchen und besonders auch im Retten Er- 
trinkender unterrichtet und den in öffentlicher Prüfung Be- 
stehenden Diplome gegeben, kurzum auf allen Gebieten des 
Badewesens geht sie bahnbrechend voran. Von der Ueberzeugung 
ausgehend, dass zur Durchführung reformatorischer Bestrebungen 
auf diesem Gebiete vor allem die Jugend der Verweichlichung 
entrissen und dem Bade wiedergewonnen werden müsse, dies 
aber bei den bestehenden Verhältnissen ohne die Autorität und 



Biider und Badewesen der Neuzeit. 




Fig. lü. Stuttgarter Schwimmbad: Fa<;ade. 



Mithilfe der Schule nicht durchführbar ist, ist die Anstalt behufs 
Einführung eines systematischen, womöglich obligatorischen 
Schulklassenbadens unter Aufsicht der Lehrer mit den Schul- 



Bilder und Badewesen der Neuzeit. 



121 




Fig. 17. Stuttgarter Schwimmbad: Frauenschwimmbail. 



vorständen in Verbindung getreten und hat auf diese Weise eine 
Beteiligung sämtlicher Unterrichtsanstalten Stuttgarts von der 



122 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 




Fig. 18. Stuttgarter Schwimmbad: Herrendampfbad (Uuhesaal). 



Volksschule bis hinauf zum Gymnasium erzielt. Fürwahr ein 
Erfolg, auf den allein das Institut stolz sein kann ! (Fig. 13, 14, 15.) *) 



*) Die Abbildungen sind dem Büchlein „Bäder in alter und in neuer 
Zeit" von Leo Vetter, dem verdienstvollen Begründer und Leiter des Stutt- 
garter Schwimmbades, entnommen. 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 123 

Dass in einem derartig organisierten Institut mustergültige 
Badeeinrichtungen vorherrschen, ist wohl selbstverständlich, allein 
die höchsten Erwartungen und der verwöhnteste Geschmack 
werden doch noch durch die Wirklichkeit übertroffen. Nicht 
nur, dass die luft- und lichtreichsten Schwimmhallen, die kom- 
fortabelsten Wannen- und Dampfbäder, alle Arten von medi- 
zinischen Bädern, Licht- und elektrische Bäder vorhanden, dass 
Packungen, Güsse, Inhalationen in einem besonderen Inhalations- 
raume vorgenommen werden können, ist dem ästhetischen Ge- 
schmack soweit Rechnung getragen, dass die Räume sich ebenso 
geschmackvoll und elegant wie praktisch darbieten. Die deko- 
rative Ausstattung vornehmlich des Frauenschwimmbades wie der 
Ruhesäle nach den Dampfbädern ist von einer so vornehmen 
Pracht, wie sie kaum anderswo wohl mehr zu finden ist und 
dem Ganzen den Charakter des harmonisch Schönen aufprägt. 
Um sich von der Grösse der Anlage ein Bild zu machen, seien 
folgende Zahlen aufgeführt : Das Bassin des Herrenschwimmbades 
ist 24 m lang und 14 m breit, das des Frauenscliwimmbades 
18,5 m lang und 12 m breit, an Auskleidezellen hat jede Abteilung 
60, offene Auskleideplätze ausserdem 200. Wannenbäder sind im 
ganzen 125 vorhanden, die Dampfbäder weisen insgesamt 60 Aus- 
kleidezellen und 50 Ruhebetten auf. Die Frequenz ist so stark, 
dass im Vergleich mit Köln und Frankfurt Stuttgart mit allen 
Arten von Bädern an der Spitze marschiert, trotzdem beide Städte 
fast die doppelte Einwohnerzahl und drei Schwimmhallen haben. 

Die modernen Bestrebungen, den breitesten Schichten der 
Bevölkerung soziale Rechte einzuräumen, die Schäden, die sie in 
ihrem Dasein treffen, möglichst auszugleichen, haben auch dazu 
beigetragen, die fundamentale Bedeutung einer wirklichen Volks- 
gesundheitspflege mehr und mehr erkennen zu lassen. Auf 
Grund dessen ist man vor allem der Frage näher getreten, auf 
welche Weise man dem Volk eine zweckmässige, bequeme und 
billige Badegelegenheit verschaffen könne. So erstanden in den 
verschiedenen Städten die verschiedenen Vereine zur Beschaffung 
von Volksbädern, so begann vor allem auf Grund der befruchtenden 



124 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Anregung seitens des unermüdlichen Vorkämpfers für Volksbäder, 
Prof. Dr. 0. Lassar in Berlin, die Erbauung von Volksbrause- 
bädern, Reinigungsanstalten, welche unter knappster Form, be- 
quemer Zugänglichkeit und Erreichbarkeit alles für eine um- 
fassende Körperreinigung Notwendige gegen ein geringes Entgelt 
zu bieten vermögen. Um für diejenigen Bevölkerungklassen, 
denen sie in erster Linie dienen sollen, das ist für den Arbeiter- 
stand, leicht erreichbar zu sein, müssen sie möglichst in Ar- 
beitervierteln resp. auf den Hauptverkehrswegen der Arbeiter- 
schaft angelegt werden. Derartige Volksbrausebäder, wie sie 
jetzt eine überaus grosse Reihe deutscher Städte, vor allem die 
Centren der Industrie, besitzen, enthalten für gewöhnlich ca. 
14 — 20 Brausen, um den Betrieb nicht zu teuer zu gestalten und 
nicht zu erschweren. Die maschinelle Einrichtung beschränkt 
sich bei den Brausebädern auf einen Kessel , der durch Röhren 
mit einem etwas erhöht aufzustellenden Wasserbehälter verbunden 
ist. Letzterer wird mit Wasserstandszeiger und Thermometer 
versehen. Aus diesem Wasserbehälter füllen sich über jeder 
Brause angebrachte kleine Wasserkasten mit etwa 35 1 Inhalt, 
die das Wasser, nachdem ein vom Badenden in Bewegung zu 
setzendes Ventil geöffnet ist, der Brause zuführen. Man hat 
mehrfach, um der Wasservergeudung vorzubeugen, die Einrichtung 
getroffen, dass sich diese Kasten, nachdem sie geleert sind, nicht 
alsbald wieder füllen. Die Praxis hat aber gelehrt, dass eine 
nennenswerte Vergeudung nicht vorkommt, und man ist deshalb 
auch vielfach dazu übergegangen , nicht nur die letztgenannte 
Einrichtung, sondern auch die Kasten selbst fortzulassen, so dass 
den Brausen das Wasser unmittelbar aus dem gemeinsamen 
grossen Wasserbehälter zufliesst. Hierdurch wird die Installation 
der Bäder erheblich vereinfacht. Die Ventile sind jedoch stets 
so einzurichten, dass sie sich jedesmal selbstthätig schliessen, 
sobald der Badende die Hand davon nimmt. 

Das ursprünglich Lassar'sche Modellvolksbrausebad (Fig. 19) 
ist ein achteckiger Bau, der auf einer Seite die getrennten Eingänge 
für Männer und Frauen enthält, zwischen denen sich der Kassen- 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 



125 



räum C befindet. Die beiden gleich grossen, für die Geschlechter 
getrennten Abteilungen a und b enthalten je 7 Badezellen und 
einen Abort f. Jede Zelle ist durch einen wasserdichten Vor- 
hang p in zwei Teile getrennt und durch eine Schiebethür t nach 
dem Umgang abschliessbar. Der dem Umgang zunächst liegende 
Teil der Zelle dient als Auskleideraum. Er enthält einen Sitz s, 
einen Kleiderhalter r und einen Spiegel nebst Kammkasten g. 
Die andere, hinter dem wasserdichten Vorhang liegende Abteilung 
enthält die Brausen und zwar ausser einer schräg gestellten festen 
für warmes Wasser eine Schlauchbrause für kaltes Wasser. Der 
in diesem Teil etwas vertiefte und mit Abfluss versehene Fuss- 




Fig. 10. Modell-Yolks-Brausebad. 

boden ist mit einem Holzrost o belegt ; an der Wand ist ein 
Seifenbecken n angebracht. Im Umgange befinden sich vier 
Schränke u zur Aufbewahrung von reiner Badewäsche, Seife und 
dergl. Hinter dem Kassenraum, und sowohl von der Männer- als 
auch von der Frauenabteilung' zugänglich, ist die Waschküche e 
angeordnet, in der die Badewäsche gereinigt und zugleich ge- 
trocknet werden kann. Sie enthält das grosse Wasch- und 



126 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 



Spülgefäss d und die sonstigen für das Waschen und Trocknen 
erforderlichen Einrichtungen. Im achteckigen Mittelraum ist 
ausser einer Zentrifuge g zur Entfernung des Wassers aus der 
gewaschenen Wäsche die Einrichtung für die Beschaffung des 
warmen Wassers untergebracht ; sie besteht aus dem Warmwasser- 
kessel M und einer Hochdruckheizschlange i. Ueber diesen Kessel 




Fig. 20. Volksbrausebad zu Breslau. 



ist der Warm Wasserbehälter k von 1,20 m Länge, 1,10 m Breite 
und 1,20 m Höhe aufgestellt. 

Eine besonders geschmackvolle Anlage ist das von Plüdde- 
mann 1893 — 94 erbaute Volksbrausebad in Breslau (Fig. 20). Das- 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 127 

selbe enthält im Erdgeschoss 2 Warteräume für Männer und Frauen, 
dahinter eine Kasse, ferner 18 Badezellen für Männer und G Bade- 
zellen für Frauen, Aborte und Wäscherei. In dem nur teilweise 
ausgebauten Obergeschoss befinden sich die Wohnung des Bade- 
wärters und die Wäschetrockenkammer nebst Drehrolle ; die 
Wasserbehälter stehen in dem thurmartig ausgebildeten Treppen- 
haus. Nur ein geringer Teil des Gebäudes ist unterkellert, um 
hier den Dampfentwickler und das Kohlenlager unterzubringen. 
Die Baukosten betrugen 53000 Mark, von denen 34000 Mark auf 
das Gebäude und 19000 Mark auf die Badeeinrichtung entfallen. 

Als ein Mittelglied zwischen den vorbeschriebenen Volksbrause- 
bädern und den grösseren Volksbädern allgemeiner Art sind An- 
lagen anzusehen, die ausser Brausen auch Wannenbäder enthalten, 
so unter anderen das 1891 — 92 erbaute Volksbad zu Mainz, die 
Volksbäder in Cassel, Dresden, Giessen und vielen anderen Städten, 
die durch den Berliner Verein für Volksbäder 1884 — 85 erbauten 
Volksbadeanstalten in der Gartenstrasse und Wallstrasse zu Berlin. 
Die Stadtverwaltung unterstützte das Unternehmen durch un- 
entgeltliche Hergabe der in Parkanlagen gelegenen Baustellen 
und durch einen Barzuschuss von 108000 Mark. Beide Anstalten 
sind vollständig gleichartig eingerichtet und enthalten Wannen- 
und Brausebäder, die in zwei Klassen geteilt sind. 

Die Bäder liegen im Erdgeschoss; sie zerfallen in zwei ge- 
trennte Abteilungen für Männer und Frauen. Durch eine kleine 
Flurhalle mit Kasse gelangt man links zunächst in einen Warte- 
raum für Männer, von dem aus die Bäder zugänglich sind. Ins- 
gesamt sind 4 Wannenbäder I. Klasse und 12 solche II. Klasse 
vorhanden , die in einer gemeinsamen Halle untergebracht und 
durch etwa 2,20 m hohe Scheidewände voneinander getrennt 
sind. Zur Männerabteilung gehören ferner die im Mittelbau be- 
findlichen Brausebäder, wovon 9 Stück I. Klasse mit je einer Aus- 
kleidezelle und 5 Stück IL Klasse vorhanden sind. Für Frauen 
sind ebenfalls durch ein Wartezimmer zugänglich — rechts von der 
Flurhalle — 4 Brausen mit je einer Auskleidezelle und 8 Wannen- 
bäder II. Klasse, sowie 4 Wannenbäder I. Klasse angelegt. 



128 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Die Wannenbadezellen enthalten je eine gusseiserne, innen 
emaillierte Badewanne von einer Form, die es ermöglicht, be- 
reits mit 225 1 Wasser ein vollständiges Bad herzustellen. Die 
Wannen sind zur leichteren Reinigung der Zellen nicht mit den 
Zu- und Abflussleitungen fest verbunden, über jeder Wanne be- 
findet sich eine Brause. Die Brausebäder haben kleine gusseiserne 
Behälter, denen das warme Wasser aus einem im Kesselhaus 
befindlichen Warmwasserbehälter von 3,5 kbm Inhalt zufliesst. 

Die Gesamtkosten beider Anstalten inklusive Inventar haben 
sich auf 225000 Mark belaufen. 

Inzwischen ist die Zahl der städtischen Badeanstalten in 
Berlin auf sechs gestiegen, zu denen noch in gleicher Verwaltung 
befindliche sieben Flussbäder kommen. Für die städtischen Volks- 
badeanstalten ist nach dem Stadthaushalt auf das Jahr 1902 eine 
Einnahme von 458000 Mark angenommen, während die Ausgaben 
auf 477000 Mark bemessen sind. Einen in sozialer Hinsicht 
ausserordentlich interessanten Versuch hat die Stadt Magdeburg 
durch Errichtung eines Volksbades in Kombination mit einer 
öffentlichen Lesehalle und Bücherei gemacht. Die erste Idee 
einer derartigen Vereinigung zweier allgemeinen Kulturinteressen 
dienenden Faktoren geht von der Bezirksgemeinde Shoreditch in 
London aus. In England sind, wie schon Eingangs dieses Ab- 
schnittes ausgeführt, durch ein besonderes Gesetz (Bath and 
Washhouses Act 1846) die Gemeinden zur Errichtung öffentlicher 
Badeanstalten angeregt und ermächtigt worden, für diesen Zweck 
besondere Gemeindesteuern zu erheben. Eine grosse Anzahl von 
Badeanstalten, darunter mustergültige Anlagen, verdankt diesem 
Umstand ihre Entstehung. Diese englischen Volksbadeanstalten, 
die unter sich in einer merkwürdigen Weise übereinstimmen, 
zeigen eine grundsätzliche Abweichung von unseren Bädern. 
Zunächst darin, dass die Schwimmbecken nur für den Sommer- 
gebrauch eingerichtet sind. Im Winter werden sie geschlossen, 
die Becken werden durch besondere Vorrichtungen in Höhe des 
Umgangs abgedeckt und der so gewonnene grosse Saalraum wird 
für Volkskonzerte , Versammlungen etc. benutzt. Eine zweite 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 129 



•^s-j-ssvs 



Eigentümlichkeit der englischen Volksbäder ist das Fehlen von 
Brausebädern, eine dritte die, dass stets eine öffentliche Wasch- 
anstalt damit in Verbindung steht. In Shoreditch, wo das grosse 
Schwimmbecken für die Umwandlung in einen Konzertsaal, das 
kleine für die Umwandlung in eine Turnhalle eingerichtet ist, 
ist nun mit der grossartig eingerichteten Bade- und Waschanstalt 
eine Volksbücherei umfassendsten Stiles verbunden, die circa 
26000 Bände, Leseräume, Jugendlitteratur etc. enthält. Diese 
Vereinigung einer Volksbadanlage mit einer Lesehalle hat auch 
in gesundheitlicher Hinsicht vieles für sich, vermindert sie doch 
die nicht unerhebliche Erkältungsgefahr, die im Winter beim 
unmittelbaren Uebergang aus den warmen, wasserdampfgefüllten 
Baderäumen ins Freie vorhanden ist. 

In Magdeburg hat man dieses englische Beispiel nun nach- 
geahmt, indem man bei der Errichtung eines Volksbades im 
nördlichen Stadtteil, der sogenannten „Nordfront", gleichzeitig 
eine öffentliche Bibliothek, verbunden mit einer Lesehalle be- 
gründete und damit zum erstenmal in Deutschland diesen in 
sozialer Beziehung dankenswerten Schritt unternahm. Der Schwer- 
punkt planmässiger Verbreitung des Badewesens und seiner er- 
zieherischen Einflüsse liegt heutzutage weniger in den Gross- 
städten, die mehr oder minder durch die moderne wirtschaftliche 
Entwicklung gezwungen sind, soziale Kommunalpolitik zu treiben, 
wie in den kleineren und mittleren Gemeinden, die abseits von 
der Heerstrasse der Kultur liegen und in ihrer patriarchalischen 
Abgeschiedenheit nur wenig von den Wellen der sozialen Bran- 
dung berührt werden. Hier ist eine systematische Propaganda, 
eine thatkräftige Einwirkung auf die kommunalen Verbände, die 
Gemeinden und alle in Betracht kommenden Kreise dringend am 
Platze, hier muss jeder zum Ziele führende Weg beschritten werden. 
Dass die Anfänge hierfür an den verschiedensten Ecken des deut- 
schen Reiches gemacht sind, dafür nur einige wenige Beispiele. 

In Neustadt a. d. Haardt in der Rheinpfalz, das 17000 Ein- 
wohner zählt , ist 1899 ein Volksbad errichtet worden , dessen 
Baukosten sich auf 130000 M. beliefen. Die Form desselben ist 

Marcuse, Bäder und Badewesen. 9 



130 Bäder und ßadewesen der Neuzeit. 






eine Aktiengesellschaft nur mit Stammanteilen, das Grundstück 
wurde von der Stadtgemeinde zur freien Benutzung gestellt. Die 
Anstalt enthält 12 Wannenbäder, 12 Brausebäder und ein Schwimm- 
becken und wurden im ersten Betriebsjahr an 163 Betriebstagen 
35 163 Bäder abgegeben. Die Anstalt ist ein ausserordentlich 
schmuckes Gebäude, das jeder Grossstadt Ehre machen würde, 
die Begründer derselben sind von den gemeinnützigsten Absichten 
beseelt. 

Als kleinstes Volksbad stellt sich das im Jahre 1893 in der 
nur 200 Seelen zählenden Stadt Weissenhorn in Schwaben be- 
gründete dar, das nur etwas über 4000 Mark kostete und in 
seiner Errichtung wie Anlage für kleine Verhältnisse völlig aus- 
reichend erscheint. Es wurde unter der Aegide des dortigen 
Arztes ein Verein gegründet, jedes Mitglied zahlte eine Minimal- 
summe von 100 Mark ein, die eingezahlten Beiträge wurden zu 
3% verzinst, doch erhalten die Mitglieder den Zins immer in 
Badebilleten, welche im Laufe des Betriebsjahres benützt werden 
müssen. Die Anstalt ist ein massives Gebäude und enthält zwei 
Wannenzellen , zwei Brausezellen , einen Heizraum , Abort und 
Wartezimmer. Der Bauplatz wurde von der Stadtgemeinde un- 
entgeltlich hergegeben. Diese kleine und doch völlig zweck- 
mässige Anlage verdient ihrer richtigen Fundierung wie ihrer 
praktischen Einrichtung wegen besondere Beachtung. 

Den Volksbrausebädern und Volksbädern mit dem aus- 
schliesslichen Zweck, den arbeitenden Klassen der Bevölkerung 
eine billige und ausreichende Badegelegenheit zu schaffen, reihen 
sich die Arbeiterbäder in Fabriken, Bergwerken und anderen 
industriellen oder fiskalischen Etablissements an. Auf diesem 
Wege sind eine Reihe von Musterstätten persönlicher Fürsorge 
von Arbeitgebern für ihre Geschäftsangehörigen entstanden, so die 
Arbeiterbäder der Glasfabrik zu Corbetha, der Molkereigenossen- 
schaft in Lüdinghausen, der Jutespinnerei in Herford, der Huf- 
eisenfabrik in Minden, der Anilinfabrik in Mainkur bei Cassel 
mit 314 einzelnen Badehütten, der Fabrikwerke vormals Meister, 
Lucius & Brüning zu Höchst a. Main (Fig. 21) mit 130 Wannenbädern, 



Bäder nnd Badewesen der Neuzeit. 



131 




Fig. 21. Arbeiterbad der Farbwerke zu Höchst a. M. (Obergeschoss). 

a) Wannenbäder für Arbeiter, c) Wannenbäder für Aufseher, d) Wannenbäder für Beamte. 
f) Römisch-irisches Bad. g) Aborte, i) Wasserbehälter. 



Brausen und römisch-irischen Bädern, das Arbeiterbrausebad der 
Gebrüder Heyl & Comp, in Charlottenburg, die Fabrikbäder in 



132 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Duisburg, Mühlheim a. d. Ruhr, Kalk und vielen anderen Orten. 
In erster Reihe sind es natürlich alle diejenigen Betriebe che- 
mischer Natur, bei denen es zu starken Gas- und Dämpfe- 
entwicklungen während der Arbeit kommt, und wo also schon 
aus eigenstem Interesse des Arbeitgebers peinlichste Körper- 
reinigung seitens der Angestellten zur Verhütung von gewerb- 
lichen Schäden verlangt wird. So sind in den Betrieben der 
nahezu 6000 Personen beschäftigenden Badischen Anilin- und 
Sodafabrik zu Ludwigshafen am Rhein sämtliche Arbeiter in 
den Farbenfabrikationen gehalten , vor dem Verlassen der 
Fabrik sich gründlich zu reinigen. Es existieren zu diesem 
Zwecke im Anschluss an die Betriebe 45 Wasch- und Bade- 
anstalten mit insgesamt 483 Duschezellen, deren Benutzung auch 
den nicht mit Farbe beschäftigten Arbeitern zu bestimmter Zeit 
freisteht. Die Badezeit fällt unter die Arbeitszeit. Jeder Arbeit- 
nehmer hat in einer dieser Badeanstalten seinen bestimmten 
Platz zum Aus- und Ankleiden und zum Aufhängen seiner Kleider; 
an demselben vertauscht er vor Antritt der täglichen Arbeit den 
Strassenanzug mit den Arbeitskleidern. Seife und Handtuch er- 
hält er unentgeltlich von der Fabrik geliefert. 

Eine weitere Wohlfahrtseinrichtung hat dieselbe Fabrik 
dahin getroffen, dass sie im Jahre 1893 im Bereiche der von 
ihr begründeten Arbeiterwohnungskolonie auch eine Bade- 
anstalt für die Frauen und Kinder ihrer Arbeiter errichtete. 
Dieselbe umfasst neben den Räumlichkeiten für die Warte- 
frau und dem Kesselhaus mit Reservoirs zur Erwärmung des 
Badewassers auf 35 ° C. einen Baderaum von 225 qm Flächen- 
inhalt. In letzterem befinden sich 6 Kabinen mit Wannen und 
18 Duschezellen. Die Anstalt ist jeden Werktag zur unentgelt- 
lichen Benutzung für die oben benannten Kategorien geöffnet. 
Im Jahre 1900 betrug die Frequenz 38910, d. i. durchschnittlich 
pro Tag 130 Bäder. Auf den Krupp 'sehen Werken sind ins- 
gesamt 223 Brausen, 23 Wannenbäder und 376 Aus- und An- 
kleidezellen vorhanden, abgesehen davon, dass die Zechen und 
Hüttenwerke ihre eigenen Badeeinrichtungen haben. 



Bäder und Radewesen der Neuzeit. 133 

Wie mit kleinen Mitteln und wenig verfügbarem Terrain 
demnach ein zweckmässiges Fabrikbad hergestellt werden kann, 
diese Frage hat ebenso praktisch wie ingeniös die Firma Zeiss 
in Jena gelöst. Auf einem Terrain von nur 45 qm erhebt sich 
die Badeanstalt, die sechs Brausebäder, drei Wannenbäder, ein 
medizinisches Bad , sowie ein Dampfbad enthält und im ganzen 
nur 15000 Mark Kosten beansprucht hat. Trotzdem ist diese 
Badeanstalt im stände, 936 Bäder j)ro Woche zu verabfolgen, das 
dürfte sowohl nach dem eingenommenen Quadrat- wie Kubik- 
raum die stärkste Benutzung sein, die möglich ist. Jedem Arbeiter 
ist wöchentlich während der Arbeitszeit eine halbe Stunde frei- 
gegeben, die er für das Bad verwenden kann. Das ist natürlich 
sehr genau organisiert und ein bestimmter Turnus für jede Ab- 
teilung festgesetzt. 

Volksbäder in demselben Sinne finden sich ferner bei ein- 
zelnen Eisenbahnverwaltungen, hier allerdings lange noch nicht 
in dem Masse, wie es erforderlich wäre, in Schlachthäusern und 
staatlichen Betriebsstätten. So hat vor allem die Munitionsfabrik 
in Spandau einen exakt durchgeführten Badebetrieb; sie beschäf- 
tigt ca. 750 männliche und 2355 weibliche Kräfte, die zusammen 
im Jahre 1898 über 44000 Wannen- und Brausebäder genommen 
haben, das macht pro Person und Jahr 14,2 Bäder. Die 1650 
Arbeiter der Geschützgiesserei benutzten 1500 Wannen- und 24240 
Brausebäder (15,6 Bäder). Auf die 2100 männlichen und 250 
weiblichen Beschäftigten des Feuerwerklaboratoriums entfallen 
60000 Bäder (25,1). Das Baden findet während der Arbeitszeit 
und ohne Lohnabzug statt. In den Spandauer Werkstätten müssen 
alle Arbeiter, welche mit gesundheitlich bedenklichen Stoffen in 
Berührung kommen (wie Blei, Zink, Quecksilber etc.), wöchentlich 
mindestens zweimal baden. Bäder nebst Seife und Handtuch 
erhalten sie umsonst. Der von einzelnen Unternehmern oft vor- 
gebrachte Einwand, dass ein Privatmann nicht in der Lage sei, 
den Arbeitern während der Arbeitszeit ohne Lohnabzug Gelegen- 
heit zum Baden zu geben, wird — so sagt der Bericht — für 
Stücklohnarbeiter dadurch widerlegt, dass bei den genannten 



134 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 



Werkstätten ein Eückgang des Arbeitsverdienstes durch die für 
das Baden gegebene freie Zeit nicht eingetreten ist. 

Besondere Erwähnung verdienen noch die in den 90 er 
Jahren bei dem Steinkohlenwerk Zauckerode und seinen ver- 




Fig. 22. Entkleidungsraum im MannBchaftsbad zu Zauckerode. 
(Nach einer Anfnabme aus dem Atelier Schaul, Hamburg.) 
Die Kleider der Badenden werden mittels einer sinnreichen Schnur- 
vorrichtung in die Höhe gezogen und desinfiziert. 

schiedenen Schachten zur Einführung gelangten Mannschafts- 
bäder, die von der gesamten Belegschaft täglich benutzt werden. 
Die Bergarbeiter haben die Bäder nicht nur als eine Annehmlich- 
keit erkannt, sondern vor allem als einen Faktor, der die Ge- 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 135 

sundheit in günstigstem Masse beeinflusst und die von dem 
Werkschaftsarzt bearbeitete Morbiditätsstatistik zeigt, dass die 
Erwartungen, welche man an die Mannschaftsbäder stellte, sich 
voll und ganz erfüllt haben. Trotz Zunahme der Belegschaft 
hat die Zahl der Erkrankungsfälle abgenommen und ebenso ist 
die Zahl der Erkrankten im Vergleich zur Zahl der Belegschaft 
eine geringere geworden. Bei einzelnen Erkrankungen, insbeson- 
dere bei denjenigen, welche anerkanntermassen von Erkältungen 
beeinflusst, wenn nicht indirekt hervorgerufen werden, fällt es auf, 
dass sich bei ihnen eine beachtenswerte Abnahme feststellen lässt. 
Eine eigene Entwicklung haben die Brausebäder in der 
Armee genommen. Während das Baden beim Militär bis in 
die 70 er Jahre hinein wesentlich nur als ein Faktor der 
militärischen Ausbildung betrachtet und dem zufolge in erster 
und vornehmster Reihe das Baden und Schwimmen in freien 
Flussbädern gepflegt wurde, ist von diesem Zeitpunkte an mit 
der Herstellung eigener Baderäume innerhalb der Kasernements 
selbst, der obligatorischen Einführung periodischer Badeproze- 
duren für die Mannschaften begonnen worden. Die erste An- 
regung hierzu gab 1878 Oberstabsarzt Dr. Münnich in Berlin, 
auf dessen Veranlassung in einer dortigen Kaserne Brausen mit 
erwärmtem Wasser zur Anwendung gelangten. Jede der 18 Bade- 
zellen enthielt eine Douche, welche schräg gestellt war, damit 
der Kopf des Badenden nicht gedoucht zu werden brauchte. In 
einer Stunde wurden 300 Mann abgefertigt, von denen auf jeden 
15 — 20 Liter Wasser kamen. Die Gesamtkosten der Anlage be- 
liefen sich auf 4000 Mark, die Kosten eines Bades auf nur einen 
halben Pfennig. Schon sehr bald darauf erschien eine Verord- 
nung, welche die Anlage von Brausebädern bei allen Neu- und 
Umbauten von Kasernen vorschrieb und durch eine vier Jahre 
später erschienene Verfügung wurden weitere Einzelheiten für 
Kasernenbäder festgesetzt und 50—60 qm Bodenfläche für 10—12 
Brausen pro Bataillon, Abteilung Artillerie und Regiment Kaval- 
lerie vorbehalten. Da diese Vorschriften nunmehr überall durch- 
geführt sind, ergiebt sich ein Vorhandensein von über 8500 Brausen 



136 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

im deutschen Heere. Jeder Mann badet vorschriftsmässig einmal 
wöchentlich im Winter unter der Brause, so dass auf eine Brause 
im Durchschnitt 45 — 50 Bäder kommen. Selbst die Sommer- 
baracken der grossen Truppenübungsplätze enthalten derartige 
Anlagen, so dass für das stehende Heer die Frage der Errichtung 
von Brausebädern gelöst zu sein scheint. 

Ausser den eigentlichen Volksbädern sind der Vollständig- 
keit halber noch zu erwähnen Badeanlagen, die nur als Zubehör 
zu einer im übrigen anderen Zwecken dienenden Anstalt gehören, 
dies sind die Bäder in Krankenhäusern, Waisenhäusern, Gefäng- 
nissen und vor allem in Schulen. Die Wichtigkeit der letzteren 
rechtfertigt eine nähere Betrachtung. Es ist noch nicht lange 
her, dass gegenüber einer zuerst in Göttingen im Jahre 1886 ein- 
geführten Badeeinrichtung in den Volksschulen geltend gemacht 
wurde, das Baden gehöre nicht in die Schule, dies sei Sache des 
Hauses und der Familie! Dieser Standpunkt darf wohl heute 
als endgültig aufgegeben betrachtet werden: Eine wirkliche Schul- 
gesundheitspflege verlangt in erster Reihe die Förderung des 
Badens unter der Jugend und reiht die letztere an die Aufgaben 
der Schule an. So finden wir eine wenn auch langsame, so doch 
stete Fortentwicklung des Schulbadewesens und eine mehr und 
mehr wachsende Erkenntnis, dass die Schule auch die Erziehung 
zur Reinlichkeit zu leiten habe. Ist diese doch die Basis für 
jedwede Pflege der Gesundheit und ein unveräusserliches Gut 
kultureller Gesittung. Von diesen Gesichtspunkten geleitet finden 
wir heute in einer grossen Reihe von Städten Schulbrausebäder 
und bei allen grösseren Neubauten von grösseren Schulgemeinden 
in Deutschland, Oesterreich, der Schweiz, Dänemark u. a. sind 
Anlagen hierfür geschaffen worden. Am weitesten auf dieser 
Bahn fortgeschritten sind Aachen, München und Nürnberg, wo 
im Laufe der letzten Jahre in bezw. 10, 16 und 10 Schulgebäuden 
Brausebäder den Kindern zugänglich gemacht wurden. Alle 
Berichte, die seit dem Jahre 1888 als dem Anfangsjahr aus den 
verschiedensten Orten vorliegen, stimmen darin überein , dass 
die Einrichtungen sich glänzend bewährt und in hygienischer 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 137 

wie erziehlicher Hinsicht ausserordentlich förderlich gewirkt 
hätten. 

Die Badeanlage eines solchen Schulbades, wie es zum Bei- 
spiel von Genzmer 1896—97 für eine Volksschule von 1440 Kna- 
ben in Wiesbaden erbaut worden ist, ist folgende: 

Sie besteht aus zwei Bäumen. Das kleinere zum Auskleiden 
dienende Gelass ist mit ringsum laufenden Bänken versehen, über 
denen in entsprechender Höhe Kleiderleisten mit Haken ange- 
bracht sind. Der grössere Baderaum, der durch ein mittels Glas- 
verschlag abgeschlossenes Stück des Flurganges — die Bade- 
einrichtung ist im hohen Sockelgeschoss des Gebäudes unter- 
gebracht — mit dem vorigen verbunden ist, enthält 8 Brausen. 
Unter jeder Brause ist eine muldenartige Vertiefung im Fussboden 
hergestellt. Von einer Trennung der einzelnen Bäder oder Brause- 
stände ist abgesehen worden. Der Auskleideraum ist so gross 
bemessen, dass stets 2 Abteilungen dort Platz finden. Es kann 
also, während die erste Abteilung badet, eine zweite Abteilung 
sich auskleiden. 

Die Fussboden bestehen aus Cementstrich ; auch die Mulden 
unter den Brausen sind im Zusammenhang mit den Fussboden 
aus Cement hergestellt. Die Wassererwärmung erfolgt in einem 
im Nebenraum aufgestellten Badeofen, mit dem ein im Dach- 
geschoss untergebrachter Kaltwasserbehälter von 1,2 cbm Inhalt 
und ein neben dem Badeofen hängender Boiler verbunden sind. 
Die Einrichtung hat 2900 Mark erfordert. 

Das Brausebad einer Volksschule in Köln ist ein Beispiel 
für eine Anlage, bei der man entgegen der Wiesbadener Ein- 
richtung eine Trennung der einzelnen Bäder durch Scheidewände, 
bezw. das Verlegen der Brausen in abgesonderte Zellen ange- 
wandt hat. 

Die Anlage besteht aus zwei Auskleideräumen mit je 16 Plätzen, 
die durch kurze Scheidewände von einander getrennt sind, und 
dem mit 16 Brausezellen versehenen Baderaum. Unter den Brausen 
sind auch hier muldenartige Vertiefungen im Fussboden her- 
gestellt, die in etwas schräg gestellter Lage angeordnet sind. Sie 



138 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

werden mit lauwarmem Wasser angefüllt und bieten Gelegenheit 
zum Waschen. Ausser den bereits erwähnten Auskleideplätzen, 
die zum Ablegen der Oberkleider dienen, ist jeder Brause eine 
abgeschlossene Auskleidezelle vorgelegt, wo sich die Kinder völlig 
der Kleider entledigen. Im Baderaum befindet sich auch ein Abort. 

Die Absicht, in grossen Zügen ein Bild des gegenwärtigen 
Badewesens in seiner inneren und äusseren Gestaltung mit be- 
sonderer Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse zu geben, 
die Aufgaben, die erfüllt sind, zu würdigen, diejenigen, die noch 
der Erfüllung harren, zu skizzieren, begreift auch in sich eine 
Betrachtung der hygieinischen und kulturellen Gesichtspunkte, 
die dem Baden eine so universelle Bedeutung verleihen. Dieser 
hygieinisch diätetische Gesichtspunkt scheidet die Bäder, je nach- 
dem sie kalt oder warm sind, in solche, die auf rein physiologischem 
Wege eine Kräftigung des Gesamtorganismus und dadurch wiederum 
in prophylaktischer Hinsicht einen Schutz gegen die Invasion von 
Krankheiten herbeiführen, und solche, die von vornherein durch 
die Entfernung der Schlacken, durch die Reinigung der Haut 
mehr prophylaktisch wie diätetisch wirken. Doch ist diese 
Erklärung nicht rein schematisch aufzufassen, da zwischen beiden 
Bäderanwendungen rege Wechselbeziehungen statthaben und der 
Endeffekt in vielem zusammenfällt. Wenn wir uns die sanitäre 
Bedeutung des Badens klar machen wollen, so müssen wir uns 
physiologisch das Wesen und die Wirkungen dieser Prozeduren 
auf den menschlichen Körper zu erklären suchen, Prozeduren, 
die der Kindheitszustand der Menschheit mit seinem natürlichen 
Instinkt schon vor Jahrtausenden als wohlthätig und segensreich 
erkannt hatte. 

Der Angriffspunkt des Wassers ist beim Bad in erster Reihe 
die Bedeckung des Menschen, die Haut, die bekanntlich eine 
Anzahl der wichtigsten Funktionen zu erfüllen hat. Zunächst 
die respiratorische Funktion : Die Hautatmung bildet eine der 
Lungenatmung analoge und dieselbe ergänzende Verrichtung; 
Wasser und Kohlensäure werden von ihr abgegeben und zwar 
in der Weise, dass von ersterem fast zweimal so viel durch die 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 139 

Haut verdunstet, wie durch die Lungen, von letzterer nur täglich 
zwei bis drei Gramm, welcher Betrag etwa dem hundertsten Teil 
der zur Verdunstung gelangenden Lungenkohlensäure entspricht. 
Erhöhung der Temperatur der umgebenden Luft, körperliche 
Anstrengung und verschiedene andere Umstände, vor allem der 
jeweilige Füllungszustand der Blutgefässe in der Haut steigern 
jenen Betrag der ausgeschiedenen Kohlensäure sowie die Wasser- 
abgabe in hohem Grade. 

Bei dieser Steigerung oder wenn die Ausdunstung durch 
undurchgängige Kleidung, Bedeckung und dergleichen beschränkt 
oder verhindert wird, erfolgt Schweissabsonderung. Die Ab- 
sonderung von Schweiss und Hauttalg aus den Millionen von 
Seh weiss- und Talgdrüsen , die die Haut durchziehen , ist ihre 
sekretorische Funktion. Durch Schweiss und Verdunstung ver- 
liert der Körper eines arbeitenden Menschen innerhalb 24 Stunden 
bis 1400 gr Flüssigkeit, das ist die gleiche Menge wie durch die 
Nieren. Dieselbe enthält bis 5 °| anorganische Stoffe und zwar 
vornehmlich Chloralkalien, Harnstoff, Fett und Fettsäuren, auch 
steht die Ausscheidung von aromatischen und Fäulnisprodukten, 
von Toxinen und bakteriziden Organismen nach den neuesten 
Untersuchungen ausser Zweifel. Diese Drüsenthätigkeit der Haut 
kann auf dem Wege zentraler und reflektorischer Erregung mittels 
der zahllosen Nervenfasern, die in der Haut endigen, durch 
mannigfache Faktoren gesteigert oder herabgesetzt werden. Unter 
den sensiblen Reizen spielen die thermischen bei der Schweiss- 
sekretion eine besondere Rolle. Wärmereize relativ niedrigen 
Grades sind bereits kräftige Erreger des Schweisses; Muskel- 
bewegung, mechanische Reizung der Haut, Wärmezufuhr sowie 
Wärmestauung, Verhinderung des Wärmeverlustes steigern die 
Schweissabsonderung umsomehr, wenn sich mehrere dieser Fak- 
toren kombinieren. Dabei ist zu bedenken, dass mechanische 
Reizung, wie sie durch Frottieren, Anwendung schweisstreibender 
Prozeduren und dergl. zu stände gebracht wird, eine Abstossung 
von Epidermisschuppen in grösseren Mengen, eine Maceration, 
ein Aufquellen der obersten Hornschichten vermöge ihrer hygro- 



140 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

skopischen Eigenschaft bewirkt, Umstände, welche die Schweiss- 
sekretion ungemein fördern. Dieselbe kann in Form geeigneter 
diaphoretischer Methoden in dieser oder jener Form enorm gesteigert 
werden und entfaltet ihrerseits wiederum mächtige nähere und 
entferntere Wirkungen auf Strömungsgeschwindigkeit, Verteilung, 
Druck- und Spannungsverhältnisse des Blutes und mittels dieser 
Einflüsse auf die Lebensvorgänge in den Geweben und Organen. 
Dies leitet uns zu einer der wichtigsten Funktionen der Haut 
über, die mit der Schweissabsonderung in innigstem Zusammen- 
hang steht, zur Wärmeregulierung, die in einer wechselnden 
Wärmeabgabe und Wärmebildung besteht. Unerlässlich 
für das Verständnis der Bäderwirkung ist das Eingehen auf diese 
physiologischen Funktionen, die wir kurz betrachten wollen. 

Die Wärmeregulierung, ihre Anpassung an die verschiedenen 
Veränderungen in den äusseren Bedingungen steht mit der Be- 
schaffenheit der Hautnerven und zwar sowohl ihrer Endorgane 
als der Leitung zu den Central apparaten in innigster Verbindung. 
Diese Vermittlung geschieht durch die Funktion der Haut als 
Sinnesorgan. Das ganze Wesen aber der Wärmeregulierung 
seitens der Haut können wir am besten bei der Behandlung des 
Körpers mit kaltem Wasser erkennen. 

Wenn wir Wasser von wesentlich kälterer Temperatur auf 
die Haut bringen, so erfolgt eine Zusammenziehung der Musku- 
latur der Hautgefässe, dieselben verengen sich, das Blut wird aus 
der Haut verdrängt, die Wärmeabgabe an die Aussenwelt sinkt, 
es findet eine Fluxion zu den inneren Organen, zuerst zu der 
der Haut benachbarten Muskelschicht statt. Dadurch wird, wie 
von Winternitz, dessen ausgezeichneten Arbeiten wir den grössten 
Teil unserer Kenntnisse auf diesem Gebiete verdanken, festgestellt 
ist, eine Erhöhung der Temperatur in der von reichlicheren 
Blutmassen durchströmten Muskelschicht bewirkt, dann erfolgt 
auch ein vermehrter Zufluss nach den mehr nach innen gelegenen 
Organen. Es bedingen also diese Cirkulationsveränderungen un- 
mittelbar nach dem hydriatischen Eingriff zunächst eine Erhöhung 
der Achselhöhlentemperatur, ebenso wird die Temperatur im 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 141 

Mastdarm vorerst eher um ein wenig erhöht als herabgesetzt. 
Die Wirkung auf das Herz äussert sich in einer erheblichen Zu- 
nahme der Pulsfrequenz und der arteriellen Spannung. Trotzdem 
die Innentemperatur in diesem Stadium eher gesteigert als ver- 
mindert ist, empfindet das Individuum ein der Abkühlung der 
Haut entsprechendes Kältegefühl. 

Mit einem Schlage ändert sich das ganze Bild , sobald die 
Reaktion eintritt, d. h. wenn die kontrahierten Gefässe in der 
Haut sich nicht nur zur Norm, sondern wahrscheinlich unter 
dem Einfluss einer Erregung der Hemmungsnerven über dieselbe 
hinaus mächtig erweitern. Jetzt tritt wohliges Wärmegefühl ein, 
die Temperatur in der Achselhöhle und im Mastdarm sinkt, weil 
die Passage durch das abgekühlte Hautorgan frei ist und das 
Blut in raschem Tempo durch die mächtig erweiterten Haut- 
gefässe strömt, hier seine Wärme zum teil an die kühlere Aussen- 
welt abgiebt und abgekühlt zu den inneren Organen zurückkehrt. 
Gleichzeitig sinkt die Pulsfrequenz, während die erhöhte Span- 
nung im arteriellen System bestehen bleibt. Diese Reaktion ist 
ein physiologischer Vorgang , der bei gesunden , in Bezug auf 
ihre Cirkulationsorgane und ihr Nervensystem normalen Indi- 
viduen glatt eintritt, bei kranken Individuen durch die Kombi- 
nation mit mechanischen Reizen hervorgerufen werden muss. 
So regeln Steigen und Sinken der Wärmeabgabe die Temperatur- 
gleichheit des Körpers, die noch von einem zweiten Faktor, der 
Wärmebildung, erhalten wird. 

Auch diese, welche in der Hauptsache durch Verbrennungs- 
vorgänge in den Muskelgebilden erfolgt, hängt von der Haut und 
zwar von der Thätigkeit der Hautnerven ab, wie wir oben gesehen 
haben. Durch den Wechsel der Blutströmung, durch die Steigerung 
des Blutlaufes in den inneren Organen, durch eine Menge sich 
schon aus unserer seitherigen Betrachtung ergebender Momente 
werden Ernährung und Stoffwechsel wesentlich beeinflusst und 
nimmt man die schon eingangs erwähnten exspiratorischen und 
sekretorischen Funktionen der Haut hinzu, so wird es klar, welch 
grossartiges, vielgestaltiges Vermittlungsorgan sie darstellt, und 



142 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

welche Bedeutung in hygieinischer und diätetischer Hinsicht eine 
rationelle Hautpflege hat. 

Das erste Erfordernis dieser Hautpflege ist Reinigung mittels 
Waschungen oder Bäder, Reinigung von Schweiss, Hauttalg, Staub 
und Schmutz, der in unserem kulturellen Leben eine so viel- 
gestaltige Entstehungsmöglichkeit, eine so schwerwiegende Be- 
deutung hat, hat man doch in 50 kg schmutziger Wäsche allein 
2 kg davon gefunden. 

Weiterhin dient das Bad und zwar vornehmlich das kalte 
Bad dazu, den Körper abzuhärten, das ist wissenschaftlich aus- 
gedrückt, die Regulierung von Wärmebildung und Wärmeabfluss 
soviel wie möglich der Selbstthätigkeit des Körpers zu überlassen 
und diese P'ähigkeit durch Kühlhalten der Haut unter Anwendung 
anderer geeigneter Faktoren so zu entwickeln, dass selbst erheb- 
liche Temperaturunterschiede auch ohne Aenderung in der Klei- 
dung gut ertragen werden. Welche Bedeutung diese Abhärtung 
für die Erkältungskrankheiten hat — mag man nun letztere auf 
neuropathologischem Wege oder auf dem der chemischen Blut- 
veränderung entstanden sich erklären — brauche ich wohl kaum 
zu erwähnen, während der Einfluss des kalten Bades und 
zwar als Schwimmbad auf die verschiedensten Organe und 
Lebensäusserungen unseres Körpers eingehender Betrachtung 
bedarf. 

Der volksgesundheitliche Wert des Schwimmens wird in 
seiner vollen und umfassenden Bedeutung erst klar, wenn wir 
die physiologische Wirkung des Schwimmbades uns zu deuten 
suchen. Das Schwimmbad wirkt thermisch und mechanisch 
durch die Temperatur und den Druck des Wassers auf unseren 
Körper. Das Wasser des Schwimmbades, das wir im Mittel in 
einer Temperatur von 23 ° C, wie es dem Badewasser der Hallen- 
bäder entspricht, annehmen, ist ein Kältereiz, auf den die Haut 
zunächst durch Verengerung ihrer Gefässe reagiert. Das verdrängte 
und in seiner Wärmeabgabe behinderte Blut staut sich, wie wir 
schon oben ausgeführt haben, in den benachbarten Muskel- 
schichten, überwärmt diese und steigert den Stoffwechsel, das 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 143 

heisst die Verbrennungsvorgänge in ihnen — wie es scheint — 
auf Kosten der Zuckerstoffe und Fette. 

Zu dieser Kaltwasserwirkung, welche in jedem kalten Bade 
eintritt, addiert sich beim Schwimmen die Muskelarbeit des 
Schwimmers. Sie facht die Verbrennungsvorgänge noch ener- 
gischer an, so dass der andauernde Wärmeverlust — durch den 
Ausgleich der Hautwärme mit dem kühleren Wasser — durch 
eine mächtig gesteigerte Wärmebildung ersetzt wird. Der geübte 
Schwimmer empfindet das Gefühl der Kälte nicht, ja mancher 
erhitzt sich dabei bis zum Schwitzen. Der Wärmeverlust ist ein 
grosser, da das Wasser ein vortrefflicher Wärmeleiter ist. Schon 
im gewöhnlichen Badewasser von 25 ° C. beträgt der Wärme Ver- 
lust das dreifache des normalen mittleren Verlustes. Beim 
Schwimmen ist er um so grösser, einmal weil die Wärmeproduk- 
tion noch mehr gesteigert ist, und ferner weil die Bewegungen 
die Bildung einer ausgleichenden Wärmeschicht um den Körper 
ständig hindern und darum das Wasser in stets gleicher wärme- 
entziehender Temperatur an den Körper herantritt. Die Energie, 
mit welcher sich der Körper gegen das Eindringen der Kälte 
verteidigt, und die wir Reaktionskraft nennen, ist wechselnd; 
sie schwankt mit der Konstitution und Disposition des Körpers, 
mit seiner Anpassungsfähigkeit und der Stärke und Dauer des 
Kältereizes. Daraus erklären sich manche bekannte Beobachtungen. 
Blutreiche Menschen mit gesunder Konstitution und gutem Fett- 
polster ertragen das Schwimmen besser wie blutarme, schlecht 
genährte Menschen. Die Reaktionskraft, mittels deren mehr 
Körperwärme gebildet wird, hält bei ersteren lange noch vor, 
wenn sie bei letzteren bereits im Sinken ist. Dauerndes Frösteln 
und Frieren im Wasser ist davon das Zeichen ; es giebt an, dass 
der Körper die Wärmeentziehung mit seinen letzten Mitteln mit 
Muskelzuckungen bekämpfen muss, welche den Vorgang leb- 
haftesten Wärmeverlustes stets begleiten. Auch nervenschwache, 
schlaffe Individuen vertragen deshalb das Schwimmen schlecht, 
ebenso wie alte Leute, deren Reaktionskraft herabgesetzt ist, doch 
lässt sich diese durch regelmässige Uebungen wesentlich erhöhen, 



144 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

eine Thatsache, die ja auf dem gesamten Gebiete der funktionellen 
Anpassung wiederkehrt. Wir lernen unseren Körper, sich kühleren 
Temperaturen anzupassen und somit die Disposition für Erkältungen 
zu vermindern. Dies kann man bei jedem selbst noch in der 
Entwicklung begriffenen Organismus durchführen, in extremster 
Form sehen wir es beim regelrechten Schwimmsport, dem Wett- 
schwimmen, verwirklicht. 

Doch auch die Reaktionskraft hat eine Grenze, und sie er- 
lahmt um so früher, je geringwertiger die körperliche Konstitution 
ist. Uebertriebene Anforderungen, die an den Körper gestellt 
werden, können auf diese Weise Erscheinungen einer allgemeinen 
Erfrierung des Körpers (Zittern, Frösteln, tonische und klonische 
Krämpfe etc.) auslösen. 

Die physiologische Nachwirkung des Schwimmens dagegen 
lässt die Hautgefässe sich erweitern, die Körperwärme steigt an, 
da die gesteigerte Wärmebildung noch fortdauert und von der 
Luft schlechter wie durch das Wasser absorbiert wird, den 
Schwimmer überkommt das bekannte behagliche Wärmegefühl. 
Die Dauer des Schwimmens und Badens ist demnach nach der 
Reaktionskraft des Körpers zu bemessen. Bleibt der Körper 
nach jedem Schwimmbad blass und fröstelnd , so war dessen 
Dauer zu lang oder der Körper ist zu schwach und kann sich 
der Temperatur des Wassers nicht anpassen. 

Die Forschungen der letzten Jahre haben als überraschende 
Thatsache festgestellt, dass unter dem Einfluss des kalten Wassers 
eine mächtige Vermehrung der Blutzellen stattfindet. Die Anzahl 
der weissen Blutkörperchen vermehrt sich um das Dreifache und 
auch die Zahl der roten Blutkörperchen zeigt sich im Kubik- 
millimeter um 1,800000 gesteigert; dem entspricht der Hämo- 
globingehalt, welcher eine Zunahme bis 14% aufweist. Diese 
Veränderungen, mit welchen das Blut zugleich eine höhere 
Alkaleszens und damit eine sich steigernde bakterientötende 
Kraft gewinnt, sind allerdings keine dauernden, doch gehen sie 
erst nach annähernd zwei Stunden zurück. Bei manchen, be- 
sonders anämischen und chlorotischen Individuen bleibt indessen 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 145 

eine gewisse Vermehrung der roten Blutkörperchen, deren Zahl 
durch die Muskelbewegung des Schwimmens gesteigert wird, 
dauernd und erklärt uns die Heilung dieser Krankheiten mittelst 
kurzer, kalter Schwimmbäder durch die dadurch geschaffenen 
günstigeren Ernährungsbedingungen. Vorbedingung für diese 
Einwirkung ist indessen der Eintritt der oben geschilderten Reaktion, 
Rötung der Haut und Wärmegefühl. Diese Milliarden scheinbar 
neuer Blutzellen sind jedenfalls Reservezellen, welche durch die 
mächtige Anregung der Zirkulation durch die vermehrte Spannung 
der Muskeln und Gewebe in den Blutstrom hineingedrängt werden 
und dabei, wenn auch nur vorübergehend, in Arbeit treten. Der 
vermehrte Säftestrom ist aber ein Kräftestrom und die zahllosen roten 
Blutkörperchen sind Sauerstoffträger, welche dem Körper neues 
Brennmaterial, die Kraftquelle zu neuer Arbeitsleistung zuführen. 
Aber noch mehr! Der Kältereiz des Wassers beeinflusst 
auch auf das mächtigste die wichtigsten Organe unseres Lebens, 
Nerven, Herz und Atmung. Die Nervenreize, welche die Körper- 
oberfläche erhält, wirken nicht nur auf diese allein, sie werden 
nach den nervösen Zentralorganen weitergegeben und veranlassen 
eine Vertiefung der Atmung, bei welcher mehr Sauerstoff ein- 
geatmet und mehr Kohlensäure ausgeschieden wird. Das Herz 
arbeitet rascher und kraftvoller, der nervöse Apparat wird lebhaft 
angeregt, kurzum eine allgemeine vorteilhafte Einwirkung kommt 
zu stände und gestaltet das Schwimmbad zu einer hygienisch- 
hydrotherapeutischen Prozedur ersten Ranges, zu einem körperlichen 
Erziehungsmittel für die Jugend, das von keinem anderen über- 
troffen werden dürfte. „Wer in der Jugend das Glück gehabt," 
schreibt Rohr*), „an seinem eigenen Körper zu empfinden, 
welche Gesundheitsfülle und herrliche Kraft ein regelmässiges 
Bad zu verleihen im stände ist, wer aus eigener Anschauung be- 
obachten konnte, wie schwächliche Kinder mit schmaler Brust, 
blassem und müdem Aussehen durch fortgesetztes Schwimmen mit 
der Zeit zu kräftigen Gestalten mit breiter Brust und vollem 



*) Dr. A. Rohr, Ein Beitrag zur Erbauung eines Schwimmbassins. 1895. 

Mar cuse, Bäder und Badewesen. 10 



146 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

pulsierendem Leben in körperlicher Frische und geistiger Munter- 
keit heranwuchsen, wie sie abgehärtet wurden, Wind und Wetter 
zu ertragen, wie sie seltener und dann nur leichter erkrankten, 
wird mir aus voller Seele beistimmen, dass derjenige, welcher 
regelmässig vernünftig badet und schwimmt, kräftiger, leistungs- 
und widerstandsfähiger, energischer an Geist und Körper wird, 
als derjenige, der dies verabsäumt und sich um Körperpflege 
nicht kümmert." Und neben diese wahrhaft goldenen Worte 
möchte ich den Ausspruch des früheren Kultusministers von 
Gossler stellen, der einen offenen Sinn für alle Wohlfahrts- 
bestrebungen auf dem Gebiete der Erziehung hatte, und der da 
lautete: „Was das Schwimmen anbelangt, so ist es in meinen 
Augen das Ideal der Ideale für die harmonische Ausbildung des 
Körpers. Es giebt keine körperliche Uebung, welche einem gut 
geleiteten Schwimmen sich vergleichen lassen könnte." 

Eine weitere, wenn auch gegenüber der obigen mehr unter- 
geordnete Einwirkung der Schwimmbäder ist ihre mechanische 
Wirkung. Der Druck des Badewassers auf den Körper ist geeignet, 
die Thätigkeit der Herz- und Blutbewegung und der gesamten 
Atmungsorgane zu steigern. Bei der Atmung ist die Last der 
Wassersäule, die dem Brustkorb und dem Leibe aufliegt, mit zu 
überwinden, die Einatmung muss daher beim Schwimmen mit 
grösserer Kraft ausgeführt werden und muss mit der Zeit zu einer 
Kräftigung der Atmungsmuskulatur und der Lungen führen. 
Letztere werden auch durch den Reiz des frischen Wassers und 
das zeitweilige Verhalten der Atmung beim Tauchen und Springen 
zu besonderen Anstrengungen angetrieben. Wird die Einatmung 
behindert, so wird die Ausatmung durch den Wasserdruck unterstützt 
und vergrössert und dadurch schliesslich die ganze Atmung vertieft. 
Dass auch das Herz, sowie der ganze Gefässapparat zur Ueber- 
windung des Wasserdruckes und bei der vielfach wechselnden 
Atmung tüchtiger arbeiten und eine vorteilhafte Kräftigung er- 
fahren müssen, liegt auf der Hand. 

Das Schwimmen ist aber auch eine gymnastische Uebung; 
Schwimmen, und hierzu gehört Springen und Tauchen, ist Turnen 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 147 

im Wasser *). Es ist vielleicht die vollendetste der Turnübungen, 
da sie alle Muskeln des Körpers in Anspruch nimmt und in 
staubfreier Luft ausgeführt wird. Alle Vorteile des Badenden 
empfindet der Schwimmer in verstärktem Masse. Zu der Kräftigung 
der Atmung, der Blutbewegung, des Nervenlebens und Stoff- 
wechsels gewinnt er noch hinzu die allseitige Ausbildung der 
Muskulatur, mit ihr eine Steigerung der Blutmenge und der 
elastischen Kraft der Gefässe, durch Schwimmen und Tauchen 
aber Mut und Beherztheit, Ausdauer und Willenskraft. 

So ergiebt sich aus der kurzen Betrachtung der physiolo- 
gischen Wirkungen des Kaltbadens und Schwimmens eine ausser- 
ordentlich grosse Reihe hygieinischer und diätetischer Momente, 
die als direkte Folgeerscheinungen jener Wasseranwendungen 
und in prophylaktischer Hinsicht als das beste Schutzmittel gegen 
die Invasion von Krankheiten zu bedachten sind. Die Kom- 
bination des mechanischen Momentes, welches durch die kräftigen 
Muskelbewegungen gegeben ist, mit dem thermischen Einfluss des 
Kaltwasserbades ist es, das so vorteilhaft auf die Thätigkeit des 
Herzens und der Lungen, sowie auf das Nervensystem und den 
gesamten Stoffwechsel einwirkt, und das damit zu einem wesent- 
lichen Faktor der Volksgesundheit wird. 

Liegt somit der Hauptwert des kalten resp. Schwimmbades 
in der Kräftigung und Stärkung des Gesamtorganismus und 
dadurch weiterwirkend in der Steigerung der natürlichen Schutz- 
kräfte desselben gegenüber der Invasion von krankheitserregenden 
Ursachen, so äussert sich der Nutzen eines warmen Bades in 
einer direkten Pflege der Haut im speziellen und einer damit zu- 
sammenhängenden Vernichtung von Mikroparasiten , von An- 
steckungsstoffen von Mensch auf Mensch resp. von Tier auf 
Mensch übertragbarer Krankheiten. Auf unserem Körper lagert 
sich in steter Folge der Staub der Luft ab , die Räume , in 
welchen wir arbeiten, die Gegenstände, welche wir berühren, 
lassen ihre Spuren auf uns zurück. Diese Verschmutzung der 



*) F. Kabirsche, Das Breslauer Hallenschwimmbad. Breslau. 1899. 



148 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

Haut wie der Schleimhäute des Körpers steigert sich ins Enorme, 
da wo zahlreiche Menschen auf engem Räume zusammenleben 
und arbeiten, wo die Luft stockt, die Sonne nicht einstrahlt mit 
reinigender Kraft, wo der Betrieb als solcher eine Staubentwick- 
lung in höchstem Masse verursacht, wo kurzum Schmutz und 
Staub mit jedem Atemzug dem Körper einverleibt, bei Ruhe wie 
bei Bewegung alle sichtbaren Teile der Hautoberfläche bedecken. 
Eine solche Verunreinigung wirkt nicht nur ekelhaft, sie schädigt 
vor allem unser Wohlbefinden, weil sie die normale Thätigkeit 
der Haut verhindert. Millionen Schweiss- und Talgdrüsen durch- 
ziehen die Haut des Menschen und sondern die schon oben er- 
wähnten Stoffe und Fäulnisprodukte ab. Zahllose Nervenfasern 
endigen in ihr, und sie trägt ein so ungeheures Netz von Ge- 
fässen in ihrem elastischen Fasergewebe, dass in einer mächtig 
geröteten Haut nahezu -|:i der gesamten Blutmasse des Körpers 
Platz finden. Bleibt nun das Gemisch von selbsterzeugtem Schweiss 
und Hauttalg und von hinzugetretenem Staub auf der Haut liegen, 
so werden nicht nur die wichtigen physiologischen Aufgaben der 
Haut beeinträchtigt, ihre Schutzkraft gegen äussere Einflüsse 
geschwächt, sondern auch durch Verstopfung der Drüsenöffnungen 
ihr Wachstum und ihre Ernährung gestört und die Veranlassung 
zu Erkrankungen der Haut gegeben. Dieses Gemisch fällt weiter- 
hin, wie alle organischen Substanzen, der Zersetzung anheim. 
Wir bemerken die Wirkung dieser Zersetzungsvorgänge beim 
Eintritt in dicht bevölkerte Lokale, vor allem in Schulen bei 
schlechter Ventilation oder unreinlichem Verhalten der Kinder, 
sowie in den Aufenthaltsräumen unreinlicher Menschen schon an 
dem Geruch. Die Zersetzungs Vorgänge wirken auf die Verderbnis 
der Luft in derartigen Lokalen zurück. Die gesamten Lebens- 
vorgänge werden somit durch eine mangelnde Hautpflege be- 
einträchtigt. Jene in Zersetzung begriffenen Massen nehmen der 
Haut, die in normalem Zustande einen Panzer der* Gewebe 
gegen die Aussenwelt bildet, ihre Schutzkraft und öffnen Thür 
und Thor dem Eindringen organisierter Keime. Durch körper- 
liche Berührung werden sie übertragen, im Körperschmutze finden 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 149 

sie den günstigsten Nährboden für ihre Entwicklung und Ver- 
mehrung und werden ahnungslos herumgeschleppt, bis sie uns 
selbst einmal oder unserer Umgebung Krankheit und Tod bringen. 
Von allen diesen Stoffen nun befreien wir uns wirksam allein durch 
ein warmes Bad, in welchem freilich Seife und Bürste nicht 
fehlen dürfen. Dieses Bad kann ein Wannen- oder Brausebad 
sein; bei letzterem, das als bequeme und rasch zu vollführende 
Prozedur häufig, besonders bei beruflich verunreinigter Haut, 
dem ersteren vorzuziehen ist, tritt noch eine erfrischende und 
bei der Kombination mit einer massig kühlen oder kalten Be- 
rieselung sogar eine direkt anregende und stärkende Wirkung 
hinzu. 

Das Schwitzbad endlich ist diejenige Badeform, die von 
allen Badearten die mächtigste Einwirkung auf unseren Körper 
ausübt. Vergegenwärtigt man sich die mannigfachen Prozeduren, 
wie sie zum Schwitzbad gehören, also Bäder, Duschen, ferner die 
mechanische Bearbeitung des Körpers durch seifen, bürsten, 
massieren , frottieren , so wird man sich von vornherein sagen 
müssen, dass damit alles nur Erdenkbare in Anwendung gebracht 
wird, um den Körper zu reinigen. Der gesamte Organismus 
wird nacheinander jeder uns bekannten Reinigungsart unterworfen, 
in zuverlässigster Weise jeder Schmutz, jede Hautausscheidung, 
jede Hautschuppe entfernt und jede Behinderung der Hautthätig- 
keit wirksam behoben. Die Annahme lässt sich ferner nicht ab- 
weisen, dass die hohen Wärmegrade der Schwitzräume schädliche 
Mikroorganismen vernichten, die in den Falten oder Poren der 
Haut, in den behaarten Teilen des Körpers, besonders in Kopf- 
und Barthaaren, ja in den Schleimhäuten der oberen Luft- und 
Speisewege haften. Eine erhöhte Bedeutung hat diese Frage 
der Einwirkung heisser Luft in hohen Temperaturen auf Bakterien 
durch die Untersuchungen der letzten Jahre gewonnen, die die 
schon lange behauptete Ausscheidung von Bakterien durch den 
Schweiss bestätigt haben. Man hat Eiterkokken, Tuberkelbazillen 
und andere Mikroben im Schweisse gefunden und hat sogar die 
Anzahl der durch den Schweiss ausgeschiedenen Keime quanti- 



] 50 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

tativ festgestellt. Man zählte die Keime des Badewassers vor 
und nach einem gewöhnlichen Reinigungsbade; damit vergleichend 
zählte man die Keime eines Bades, in welchem ein aus dem 
Schwitzkasten kommender schweisstriefender Mann 5 Minuten 
verweilt hatte. Im ersten Fall waren es 32 Millionen, im letzteren 
104 Millionen — die Berechnung geschieht auf Grund der Unter- 
suchung von einem Kubikzentimeter des Badewassers — , welche 
im Bade mehr abgegeben waren. Die reinigende Kraft des 
Schwitzbades zu der des einfachen Bades verhielt sich demnach 
wie 104 : 32, wobei die Zahl 104 selbstredend um vieles zu klein 
anzusehen ist, da Millionen von Keimen mit dem Schweiss ab- 
geflossen und auch im Badelaken des Schwitzkastens geblieben 
waren. 

Jedenfalls besitzen wir zur Zeit kein Mittel, welches den 
Körper nur annähernd so gründlich zu reinigen gestattet, wie 
das Schwitzbad, keines, welches in gleicher Weise mit der Kraft 
eines mächtigen Desinfektionsmittels den Körper auch von Mi- 
kroben zu befreien imstande ist. Wird das anerkannt , so muss 
die prophylaktische Anwendung des Schwitzbades, welches des- 
halb beibeginnenden Erkältungskrankheiten, Schnupfen, Katarrhen, 
Halsentzündungen etc. von vielen instinktiv aufgesucht wird, noch 
eine ganz andere Verbreitung finden. Sie gewinnt unter anderem 
Bedeutung für zu operierende Kranke, für Aerzte und Pflege- 
personal, sie gewinnt vor allem Bedeutung für unsere gesetzlich 
angeordneten Desinfektionsmassregeln nach ansteckenden Krank- 
heiten, nach denen Sachen und Gegenstände wohl desinfiziert, 
die pflegenden Menschen aber und ihre Kleider unbeachtet 
bleiben und dadurch oft genug im Bart- und Kopfhaar (durch 
Anhusten bei Diphtheritis , Keuchhusten etc.) haftende Keime 
weitergetragen werden. Nächst dieser hygienischen Bedeutung 
der Schwitzbäder ist auch eine mächtige physiologische Ein- 
wirkung derselben auf unseren Organismus zu konstatieren; in 
wenigen Worten lässt dieselbe sich dahin resümieren, dass eine 
durch Tage dauernde gesteigerte Oxydation eintritt, bei welcher 
nach Berechnung der mehr gebildeten Wärme nicht nur stick- 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 151 

stoffhaltige Substanzen, sondern vor allem Fettsubstanzen, die 
hauptsächlichen Wärmebildner, verbrannt werden. 

Das Baden, in welcher Form nun auch es vorgenommen 
werden mag, hat aber nicht nur vom Gesichtspunkte der 
Hygiene, sondern ebensosehr auch in allgemein kultureller 
H i n s i c h t eine grosse Bedeutung. In welcher Ausdehnung Krank- 
heiten und Epidemien durch Unreinlich keit begünstigt und en- 
demisch werden, lässt sich auch heute noch und nicht nur bei 
der Pest und Cholera ermessen und überall, wo wir in der Gegen- 
wart oder Vergangenheit eine Vernachlässigung der Körperpflege 
finden, gewahren wir ein Darniederliegen der Kultur, sei es all- 
gemein bei ganzen Völkern, sei es wenigstens bei breiten Schichten 
derselben, aus denen als Ausnahmen nur wenige bevorzugte 
Bevölkerungsklassen mit luxuriösen Badefahrten hervorragen. 

Von diesem Gesichtspunkte aus treten wir an die Frage 
heran : entsprechen die Badeeinrichtungen Deutschlands den vom 
kulturellen wie hygienischen Standpunkte aus berechtigten An- 
forderungen, und ist das Bewusstsein von der hohen sanitären 
Bedeutung des Badens zum Allgemeingut des Volkes geworden? 
Um vor allem die erstere Frage beantworten zu können, sind wir 
genötigt, eine Begrenzung des Begriffes „Badeeinrichtungen" vor- 
zunehmen, insoweit sie nämlich der Allgemeinheit dienend auch 
zu wirklichen Volksbadeanstalten, die die obigen Anforderungen 
erfüllen, und damit zu einer sozialhygienischen Institution werden. 
Nicht zu berücksichtigen sind also bei den folgenden Betrach- 
tungen Badeeinrichtungen in Privathäusern, die nur einem ver- 
schwindend kleinen Teil der Bevölkerung zur Verfügung stehen, 
ferner Badeeinrichtungen in öffentlichen Gewässern, deren Aus- 
dehnung am weitesten vorgeschritten ist, sei es nun, dass die 
Anstalten von gemeinnützigen Gesellschaften oder öffentlichen 
Korporationen erstellt und betrieben werden, sei es, dass 
die private Unternehmerlust auf eigenes Risiko dieselben ge- 
schaffen hat. 

Mit Badeeinrichtungen in Privathäusern kann die Mehrzahl 
der Haushaltungen sich selber nicht helfen, sie ist angewiesen 



152 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

auf öffentliche Anstalten; mit solchen in öffentlichen Gewässern 
ist nur für die Sommerszeit, das ist also für vier Monate oder 
unter günstigsten klimatischen Verhältnissen und in warmen Jahren 
für höchstens fünf Monate Vorkehr getroffen und dann auch nur 
für gesunde, kräftige Personen. Es bleiben also einzig und allein 
geschlossene Badeanlagen, die das bieten können, was 
das Bedürfnis erheischt. Für die Beurteilung der thatsächlichen 
Verhältnisse nach dieser Richtung hin kann die Grundlage nur 
eine statistische Kenntnis bilden. Eine solche hat zum ersten- 
mal im Jahre 1886 Lassar 1 ) durch eine Enquete, die er per- 
sönlich anstellte, geschaffen und im Jahre 1895 G. H. Schmidt 2 ), 
zur damaligen Zeit Vorstand des statistischen Amtes der Stadt 
Mannheim, in rationeller Weise weiter ausgebildet. 

Lassar ging davon aus, dass ein warmes Reinigungsbad per 
Woche ungefähr das Mass desjenigen darstellt, was zur Popu- 
larisierung der körperlichen Reinigung erstrebt werden darf und 
muss, ein Gebrauch, der bei anderen Nationen längst zur Volks- 
gewohnheit geworden ist. Damit aber jeder Einwohner eines 
Bezirkes, beispielsweise von 1000 Einwohnern, wöchentlich ein- 
mal warm baden könne, müsste ausreichende und bequem er- 
reichbare Gelegenheit gegeben sein, um jährlich 52 000 Bäder zu 
verabreichen. Als Durchschnittsannahme müsste für den Zweck 
eines wöchentlichen Durchschnittsbades für je 1000 Einwohner 
eine Badeanstalt verlangt werden; das wäre bei einer Bevölke- 
rung von etwa 44 — 45 Millionen, um jedem Deutschen einmal 
wöchentlich ein warmes Bad zu gewähren, im ganzen 44 — 45 000 An- 
stalten. 

Die Eingänge der Enquete bezogen sich auf eine Bevölke- 
rung von ca. 31 1 j i Millionen Einwohnern; für diese bestanden 
nachweislich im ganzen nur 1060 oder prozentualisch auf etwa 
30000 Personen statt 30 nur eine Warmwasserbadeanstalt. Von 



') Siehe Deutsche Viertel jahrsschrift für öffentliche Gesundheitpflege, 
XIX, 1887, Seite 23. 

-) Statistisches Jahrhuch deutscher Städte. Sechster Jahrgang. Bres- 
lau 1897. 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 153 

diesen 1060 entfielen noch 25 auf Krankenhäuser und 24 auf 
Kurhäuser, so dass in Wirklichkeit nur 1011 der Allgemeinheit 
zugängliche Anstalten verblieben. 

Im Königreich Preussen kamen auf höchstens 38 000 Ein- 
wohner je eine Badeanstalt, die aber alle nur in den Städten 
sich befanden, in zwei Dritteln des preussischen Königreichs behalf 
sich die gesamte Landbevölkerung durchweg ohne jedwede Warm- 
wasserbadeanstalt. Von den 268 Kreisen der deutschen Staaten 
ausser Preussen waren 80, das Wohnungsgebiet von etwa 2,4 Mil- 
lionen Menschen, jeder öffentlichen Badeeinrichtung bar. Kom- 
men hierzu noch 96 Kreise gleicher Lage in Preussen, so waren 
notorisch in zwei Dritteln des Reiches über 5 Millionen, also 
mindestens ein Sechstel der Einwohnerschaft, gänzlich ausser 
stände, jemals ein warmes Reinigungsbad zu nehmen. Lassar 
musste damals auf Grund dieser Ergebnisse zu dem Resume ge- 
langen, dass die Anzahl der in Deutschland vorhandenen Bade- 
anstalten in auffallendem, man darf wohl sagen beschämenden 
Missverhältnisse zu der vorhandenen Einwohnerzahl stehe und 
dass selbst da, wo ausreichende Einrichtungen existieren, die- 
selben nicht im entferntesten ausgenützt würden. Die Statistik 
von Schmidt berücksichtigte in erster Reihe die Frequenz der 
Badeanstalten und zwar für das Jahr 1895, wobei einmal zu be- 
rücksichtigen ist, dass sich die statistische Zusammenstellung nur 
auf die von öffentlichen Korporationen oder gemeinnützigen Ver- 
einen ins Leben gerufenen und betriebenen Warmbäder be- 
schränken musste, da aus Privatanstalten sich genaue Angaben 
nicht gewinnen liessen und fernerhin, dass auch die von ersteren 
eingeholten Erhebungen auf völlige Genauigkeit keinen Anspruch 
machen konnten. Die Ziffern sind somit nur als Minimalzahlen 
anzusehen. Nichtsdestoweniger waren sie im Vergleich zu den 
von Lassar 9 Jahre vorher gewonnenen sehr lehrreich und 
gaben uns wenigstens von einzelnen deutschen Städten ein an- 
schauliches Bild des Standes des gegenwärtigen Volksbadewesens. 

Die verdienstvollen Arbeiten von Lassar und Schmidt waren 
bis vor kurzem die einzigen Unterlagen, die wir über den Stand 



154 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

des Badewesens hatten, aber sie mussten lückenhaft bleiben, da 
sie mehr oder minder privater Natur und dadurch nur auf das 
Entgegenkommen der in Betracht kommenden Kreise angewiesen 
waren. Seit dem Jahre 1900 hat sich dies Bild wesentlich ge- 
ändert: Von diesem Zeitpunkte an besitzen wir eine absolut zuver- 
lässige und umfassende amtliche Statistik und damit das wichtigste 
Glied in der Reihe der Beweise von der Unzulänglichkeit der modernen 
Badeeinrichtungen. Auf Veranlassung der „Deutschen Gesellschaft 
für Volksbäder" wurde staatlich erseits eine Enquete vorgenom- 
men, die fussend auf amtlichen Berichterstattungen aus sämt- 
lichen Stadt- und Landkreisen des Deutschen Reiches nunmehr 
eine absolute und lückenlose Uebersicht über den in Frage stehen- 
den Gegenstand darbietet. Das von dem Direktorialassistenten am 
Statistischen Amt in Berlin, Dr. E. Hirschberg, bearbeitete 
Material wurde im IV. Heft der Veröffentlichungen obiger Ge- 
sellschaft publiziert und bildet die Grundlage für die Erkenntnis 
der gegenwärtigen Verhältnisse wie für alle sich daran knüpfenden 
Bestrebungen und Reformen. Im ganzen Deutschen Reiche 
wurden 2918 Warmbadeanstalten ermittelt, das ist eine auf 
18000 Einwohner (nach der Volkszählung von Ende 1895). Unter 
den preussischen Provinzen zeigt Brandenburg die verhältnis- 
mässig grösste Zahl von Anstalten, Ost- und Westpreussen die 
geringste. Im übrigen ergiebt sich (im Vergleich mit 1886, dem 
Jahr der Lassarschen Statistik): 

Es kommt eine Warmbadeanstalt auf Personen: 

in Brandenburg ohne Berlin auf 16 000 (35 000), 

„ Hannover ,16 000 (24 000), 

„ Hessen-Nassau . . . ., 20 000 (48 000), 

„ Schleswigs-Holstein . . . „ 20 000 (34 000), 

„ Pommern „ 21000 (29 000), 

„ Sachsen „21000 (33 000), 

„ Schlesien „27 000 (31000), 

„ Westfalen ,27 000 (36 000), 

„ Posen „ 30 000 (45 000), 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 



155 



in Rheinprovinz 
„ Ostpreussen 
„ Westpreussen 



auf 30 000 (53 000), 
„ 31000 (56 000), 
„ 36 000 (47 000). 



Im ganzen hatten die 2918 Anstalten 19258 Badewannen, 
7343 Brausezellen und 251 Schwimmbassins und es kamen in 
den einzelnen deutschen Staaten auf 100000 Einwohner Bade- 
vorrichtungen : 



Staaten 



Schwimm- 
bassins 



Bade- 
wannen 



Brause- 
zellen 



Preussen 

Bayern 

Sachsen 

Württemberg . . . 

Baden 

Hessen 

Thüringen . . . . 
Mecklenburg-Schwerin 
Mecklenburg-Strelitz . 
Oldenburg . . . . 
Braunschweig . . . 

Anhalt 

Waldeck 

Lippe-Detmold . . . 
Schaumburg-Lippe 

Hamburg 

Lübeck 

Bremen 

Elsass-Lothringen . . 
Reich 



0,4 
0,5 
0,8 
0,6 
1,2 
0,2 
0,7 
0,2 
1,0 
0,8 
1,2 
0,7 

0,7 

0,4 

1,5 

0,5 



28,7 
27,7 
67,0 
53,0 
83,1 
24,2 
59,7 
27,1 
31,5 
18,2 
45,6 
50,5 

358,2 
47,5 
43,7 
52,4 
36,0 

121,7 
52,5 



0,5 



36,8 



10,2 
25,4 
14,8 
20,7 
28,8 
12,5 
24,2 

5,2 
17,7 

9,4 
20,5 
83,2 
55,4 

1,5 

3,5 
16,8 
19,3 

8,2 



14,0 



Hier zeigen sich die grössten Unterschiede. Die wenigsten 
Badewannen auf 100000 Einwohner hatte Oldenburg (18,2), die 
meisten Waldeck (358,2). Es folgte Bremen (127,7), Baden (83,1), 
Sachsen (67,0). In Anhalt sind die Brausezellen besonders ver- 



156 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

treten. Geht man in der Statistik noch weiter auf die kleineren 
Verwaltungsbezirke, insbesondere des Königreichs Preussen, ein, 
so zeigen gerade einige östliche und einige westliche Regierungs- 
bezirke die kleinsten Ziffern. Im Regierungsbezirk Münster 
standen nur 48, im Regierungsbezirk Stade nur 29 Badewannen 
und 5 bezw. 21 Brausezellen sowie 2 bezw. 1 Schwimmbassin 
zum öffentlichen Gebrauch und es kamen auf 10000 Ein- 
wohner nur 8,1 Badewannen, im Regierungsbezirk Stade nur 
8,2, Aachen nur 8,8, Coblenz 4,8 und aus dem Osten im Re- 
gierungsbezirk Marienwerder 8,0, Gumbinnen 9,6, Posen 12,4. 
Im übrigen Reich fanden sich so niedrige Ziffern, wie sie einzelne 
preussische Regierungsbezirke aufweisen, nicht wieder, während 
andererseits die preussischen Maximalzahlen vielfach übertroffen 
werden. So steht besonders hoch der Kreis Dresden (132,0), der 
Neckarkreis (86,9), die Landes kommissariate Freiburg i. Br. und 
Karlsruhe, Schwarzburg und Waldeck. Die Ursachen dieser 
merkwürdigen Verschiedenheit sind durch Ortsgebrauch, Klima, 
soziale und wirtschaftliche Verhältnisse bedingt. Vielfach hat 
das Vorhandensein von Kurorten oder Kuranstalten, von See- 
bädern einen offenbaren Einfluss auf die Zahl der Warmbade- 
anstalten gehabt. Mehr für die Kurgäste bestimmt, dienen sie 
doch zugleich der Bevölkerung im allgemeinen. Auch religiöse 
Gebräuche sind von Einfluss auf das Vorhandensein von Bade- 
anstalten, und es wird aus einer Anzahl von Orten des östlichen 
Preussens berichtet, dass diese Anstalt — oft die einzige — auch 
dem Publikum im allgemeinen zugänglich ist. Wo die Bevölkerung 
wesentlich aus Arbeitern zusammengesetzt ist, kommen die von 
den Grossbetrieben getroffenen Badeeinrichtungen in Betracht, 
obwohl sie nicht wirkliche Warmbadeanstalten darstellen. An 
mehreren Orten wird die Bevölkerung als Bädern überhaupt ab- 
geneigt geschildert, so die polnische Bevölkerung in Ost- und 
Westpreussen, aber auch in gewissen Distrikten von Bayern. In 
anderen Fällen scheitert der Wunsch nach Warmbädern an den 
schwierigen Wasserverhältnissen. So zeigt sich, dass das Fehlen 
geeigneter Badegelegenheit in mannigfachen Ursachen begründet 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 157 

ist, welche jedenfalls einen Sohluss auf die Intensität des Rein- 
lichkeitsbedürfnisses von vornherein nicht zulassen. 

Es kommt nun weiter in Frage — und das war eine der 
vornehmsten Aufgaben der Statistik von 1900 — ein wie grosser 
Teil des deutschen Volkes durch das Fehlen jeder Badegelegen- 
heit in der Ausübung der Reinlichkeit und der Hautpflege nach 
dieser Richtung hin überhaupt beschränkt ist. Wenig mehr 
als ein Drittel aller Einwohner des Reichs leben in 
Orten mit öffentlichen Warmbadeanstalten, von 1000 
Einwohnern nur 370, in Preussen nur 358, in Bayern nur 290, 
im Grossherzogtum Hessen nur 280. Am besten steht das König- 
reich Sachsen mit 564 auf 1000. Unter den grösseren Verwaltungs- 
bezirken Preussens nimmt, nach Ausscheidung von Berlin, der 
Bezirk Düsseldorf die höchste Stelle ein, wo 599 Einwohner von 
1000 in Orten mit öffentlichen Warmbadeanstalten lebten; es 
folgen die Bezirke Potsdam, Köln, Hannover, Schleswig, Erfurt. 
Am niedrigsten stehen Stade, Gumbinnen, Marienwerder, Wies- 
baden, Trier. Innerhalb der übrigen Staaten sind es die säch- 
sischen Kreise Leipzig und Dresden, wo je 632 pro Mille der 
Bevölkerung am Orte des Wohnsitzes oder doch in dessen Nähe 
Gelegenheit zu warmen Bädern hatten. Hoch stehen auch das 
Herzogtum Anhalt, der Bezirk Oberbayern, Kreis Karlsruhe, 
Sachsen - Altenburg , Coburg- Gotha, Braunschweig und niedrig 
Niederbayern, die Kreise Waldshut, Mannheim, Oberhessen, Olden- 
burg und zu unterst Lippe-Detmold und der Kreis Mosbach in 
Baden, aber auch Waldeck-Pyrmont mit 120 pro Mille. Letzteres 
ist auch deswegen bemerkenswert, weil Waldeck-Pyrmont in der 
Verteilung der Wannen auf die Einwohner die günstigste Stellung 
unter allen Bezirken einnahm, bei dieser Betrachtungsweise aber 
die ungünstigste. Es kommt das daher, weil von den 58000 Ein- 
wohnern des Fürstentums nur etwa 7000 in Orten mit öffent- 
lichen Bädern wohnen, hier aber eine für die kleine Bewohner- 
zahl verhältnismässig so grosse Anzahl solcher Einrichtungen sich 
vorfand, dass ihre Verteilung auf die gesamte Bevölkerungszahl 
schon eine hohe Ziffer ergab. Man erkennt hieraus, dass es 



158 Bäder und Badewesen der Neuzeit 

weniger Nutzen bringt, die Badeanstalten auf einen Ort zu kon- 
zentrieren oder sie an einem Orte besonders umfangreich zu ge- 
stalten, dass es vielmehr darauf ankommt, kleinere Bade- 
anstalten über das Land hin zu verteilen, um so möglichst 
auch der Landbevölkerung Gelegenheit zur Befriedigung des Be- 
dürfnisses nach warmen Bädern zu gewähren. 

Nach der Hirschfeldschen Statistik entbehren von den 
545 preussischen Kreisen noch 133 überhaupt öffentlicher Bade- 
anstalten, darunter 5 Orte mit über 25000 Einwohnern, 55 Orte 
mit einer Einwohnerzahl von 10000 bis 25000, worunter 17 in 
der Rheinprovinz, 13 in Westfalen. Ausserhalb Preussens waren 
an Orten mit über 10000 Einwohnern nur zwei ohne öffentliche 
Bäder, nämlich Lechhausen in Oberbayern und Oschatz in 
Sachsen, so dass von den mehr als 400 Orten mit über 10000 
Einwohnern im Deutschen Reich nur 62 keine öffentlichen Bäder 
hatten. An Orten mit 3000 bis 10 000 Einwohnern waren in 
Preussen 495 mit 3 184373, im ganzen Reich 721 mit 4 191 848 Ein- 
wohnern als solcher Einrichtungen entbehrend namhaft gemacht. 

Wenn also auf der einen Seite eine erfreuliche Zunahme 
der Volksbäder an sich in den letzten Decennien zu konstatieren 
ist, so ist auf der anderen Seite unzweifelhaft festgestellt worden, 
dass ein überwiegend grosser Teil der Bevölkerung jeder Mög- 
lichkeit und Gelegenheit entbehrt, warme Wannen- oder Brause- 
bäder zu nehmen. Fast das ganze platte Land und die Mehrzahl 
der Städte sind entweder jeder Einrichtung für Volksbäder gänz- 
lich bar oder besitzen im Vergleich zu der Zahl der Einwohner 
nur verschwindend geringfügige Anstalten. Auch auf diesem 
Gebiete konzentriert sich wieder eine wirklich umfassende ge- 
meinnützige Thätigkeit in den Grossstädten, und was einzelne 
von diesen für das Badewesen der Gegenwart gethan, mögen 
folgende kurze Betrachtungen illustrieren. 

Frankfurt a. Main, dessen vorzügliche städtische Bade- 
anstalt im Jahre 1896 vollendet wurde, hat für die Jahre 1898 
bis 1900 als Durchschnittsjahreszahl 437385 Bäder abgegeben, 
von denen 329865 auf die Schwimmhalle entfallen. 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 159 

Breslau nach Eröffnung seines mustergültigen Hallen- 
schwimmbades 263961 Bäder, davon 195 623 im Hallenschwimmbad. 

Karlsruhe in seinem Vierordtbad 153598 Bäder, davon 
105510 Schwimmbäder. 

Elberfeld in den städtischen Anstalten 398376 Bäder, 
davon 278078 im Schwimmbad. 

Köln weist vier städtische Badeanstalten auf, von denen 
zwei geschlossene, zwei offene Rheinbäder sind. 

Das Hohenstauf enbad , welches alle Arten von Bädern in 
sich vereinigt und teilweise sehr luxuriös ausgestattet ist, hat im 
Jahre 1900 425906 Bäder abgegeben, das sind im Durchschnitt 
täglich 1196. 

Das Volksbad, das Wannen- und Brausebäder enthält, ist 
von 109821 Bädern im Jahre 1898 auf 123364 im Jahre 1900 
gestiegen, das sind durchschnittlich pro Tag 347. 

Die Rheinbäder endlich sind in diesem Jahr von 59380 
Personen besucht worden. 

Die Gesamtzahl der in den geschlossenen Anstalten ab- 
gegebenen Bäder belief sich also im Durchschnitt pro Jahr auf 
548305. 

Berlin besitzt 16 städtische Flussbadeanstalten mit 21 Bassins, 
sieben geschlossene Volksbadeanstalten, von denen fünf im 
städtischen und zwei in gemeinnützigem Betrieb mit städtischer 
Subvention (sie sind Besitz des „Berliner Vereins für Volksbäder") 
stehen. 

München, das bis zum Jahre 1889 nur je ein Männer- 
und Frauenfreibad zur Verfügung hatte, zählt jetzt ausser diesen 
beiden neun in den verschiedensten Stadtteilen befindliche Volks- 
brause- bezw. Wannenbäder, das prächtige, im Jahre 1901 
vollendete Müller'sche Volksbad sowie ein städtisches Schwimm- 
bad und 22 Schulbrausebäder. Insgesamt wurden im Jahre 1900 
rund 425000 Brause- und 114000 Wannenbäder genommen. 
Rechnet man noch die Schulbrausebäder mit durchschnittlich je 
30000 verabreichten Bädern hinzu, so ergiebt sich eine Gesamt- 
ziffer von 1100000 Bädern. 



160 Bäder und Badewesen der Nevizeit. 

Dresden besitzt drei Volksbadeanstalten, in denen Wannen- 
bäder mit Brausen kombiniert sind; die erste wurde 1897 eröffnet 
und hatte im dritten Jahre ihres Bestehens bereits eine Frequenz 
von 156598 Bädern aufzuweisen. 

Stuttgart mit seiner in Deutschland wohl hervorragendsten 
Schöpfung auf dem Gebiete des Badewesens hat als Durch- 
schnittszahl der drei Jahre 1898—1900 552 418 Bäder abgegeben 
und dabei ist der Tarif für Wannenbäder billiger als in drei be- 
kanntesten rheinischen Volksbadeanstalten Barmen, Elberfeld und 
Köln. Die abgegebenen Bäderarten und -formen sind auf alle 
erprobten und wissenschaftlich anerkannten Methoden ausgedehnt 
worden: So werden ausser kalten, warmen, Dampfbädern etc. 
Fichtennadel-, Schwefel- und Sodabäder, kohlensaure Bäder, 
Lohtanninbäder, Fangobäder, Lichtbäder verabreicht, die Anstalt 
besitzt weiterhin einen elektrischen Heissluftapparat, einen In- 
halationsraum etc. und steht im Begriff, eine Filiale ihrer ge- 
meinnützigen Einrichtungen in einer im Umkreis gelegenen, vor- 
zugsweise von Arbeitern bewohnten Stadt zu errichten. Selbst 
ein Hundebad, in dem im Jahre 1901 5271 Hunde gebadet 
wurden, gehört zu der nach jeder Richtung hin vorzüglich ge- 
leiteten Anstalt. 

In Augsburg wird in kürzester Zeit ein der Vollendung 
entgegengehendes Stadtbad eröffnet, welches mit Schwimm- 
bassins für Männer und Frauen, Dampf- und Wannenbädern in 
zahlreicher Menge ausgestattet ist und in Anlage wie Einrichtung 
idle Errungenschaften der Neuzeit aufweist. 

Dies in grossen Zügen der gegenwärtige Stand des Bade- 
wesens in Deutschland. 1886 gelangte Las sar in seiner Enquete 
zu dem betrübenden Resultat, dass im Deutschen Reiche auf etwa 
30000 Personen eine einzige Warmwasserbadeanstalt käme, und 
er schloss damals seine bemerkenswerten Ausführungen mit den 
Worten : „Soviel steht fest, auf dem Felde des öffentlichen Bade- 
wesens ist fast Unendliches zu thun. Was nicht brach liegt, 
krankt an Teilnahmlosigkeit. Und diese zu brechen ist die 
nächste Aufgabe. In Flugschriften und Vorträgen, in Vereinen 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 161 

und durch Wanderlehrer, namentlich aber in beispielgebendem 
Vorgehen einzelner Vergesellschaftungen sollten die massgebenden 
Kreise für eines der vornehmsten Interessen praktischer Gesund- 
heitspflege gewonnen werden. Dann kann allmählich die Zeit 
herannahen, wo im entlegensten Winkel des Vaterlandes auch 
der Armselige und Beladene unsere Bestrebungen segnen wird." 
Inzwischen sind über V/2 Jahrzehnte dahingegangen und wir 
sind verpflichtet, uns Rechenschaft zu geben, was in dieser Zeit- 
spanne geschehen ist, um dieser Frage höchster praktischer Be- 
deutung für die Gesundheitspflege des Volkes näher zu kommen. 

Da ist vor allem zu konstatieren, dass die Schulbrause- 
bäder, eine Institution, die noch 1886 mannigfache Opposition 
selbst seitens grosser Gemeinwesen Deutschlands erfuhr, ihren 
Einzug in fast alle Kommunen gehalten und zu einer segens- 
reichen stabilen Einrichtung erstarkt sind. In Berlin z. B. wird 
keine neue Gemeindeschule mehr gebaut, ohne sie mit Schul- 
bädern nach dem Brausesystem auszustatten und in vielen anderen 
Städten wird die gleiche Praxis geübt. Die Schulbrausebäder 
haben eine hohe kulturelle Bedeutung. Sie dienen nicht nur, wie 
jedes Bad, der augenblicklichen körperlichen Reinlichkeitspflege, 
sie erfüllen ausserdem noch einen höheren Zweck, indem sie die 
Jugend zur Reinlichkeit und zum Baden, als einem unentbehr- 
lichen menschlichen Bedürfnis, erziehen. Darin liegt der Schwer- 
punkt ihrer Bedeutung ! 

Mit der Schule Hand in Hand ist die Armee gegangen, 
auch sie hat sich der Brausebäder als einer zur Schulung des 
Körpers notwendigen Einrichtung bemächtigt und heute sehen 
wir keine Kaserne erstehen, ohne dass nicht Brauseanlagen in 
ihr vorhanden wären. Auf diesen beiden Gebieten ist also ein 
entschiedener Fortschritt zu konstatieren, und es darf nicht ver- 
gessen werden, dass die befruchtende Initiative zu dieser Art von 
Bädern von dem damaligen Oberbürgermeister von Göttingen, 
Merkel, ausgegangen ist. 

Auch das weitere und in seinen praktischen Konsequenzen 
noch bedeutsamere Ziel, Einrichtungen gleicher Art auch für alle 

Marcuse, Bäder und Badewesen. 11 



1G2 Bäder und Badewesen der Neuzeit. 

anderen Perioden des Lebens und alle anderen Klassen der Be- 
völkerung zu beschaffen, ist in den vergangenen sechzehn Jahren 
erheblich gefördert worden. Volksbrausebäder sind in den grös- 
seren Städten in zahlreichen Mengen erstanden, Anstalten mit 
Schwimmbassins von Kommunen und gemeinnützigen Vereinen 
ins Leben gerufen, Badestätten von Arbeitgebern für ihre An- 
gestellten angelegt worden, kurzum ein reges Streben, das ist 
nicht zu leugnen, ist auf der ganzen Linie entbrannt, die Geister 
sind, wie Lassar es 1886 in seinem „Ruf zu den Waffen" aus- 
sprach, aufgerüttelt worden. 

Ein unleugbares Verdienst hierfür gebührt der „Deutschen 
Gesellschaft für Volksbäder", welche von Lassar 1899 ins Leben 
gerufen ist, die ihre Mitglieder in allen Teilen Deutschlands hat 
mit dem ausschliesslichen Zweck der Förderung und Hebung des 
Badewesens im ganzen Deutschen Reich; hervorragende Männer 
aller Gesellschaftsklassen, Vertreter der Wissenschaft, Kunst etc. etc. 
haben sich in ihr zu gemeinsamer Agitation und praktischer 
Arbeit vereinigt. In Berlin existiert ein selbständiger, für die 
lokalen Verhältnisse gegründeter „Berliner Verein für Volks- 
bäder", dessen erfolgreicher Arbeit in der Gründung von Volks- 
badeanstalten wir bereits unter Berlin gedacht haben. Allein 
wenn auch in erspriesslicher Weise und an den verschiedensten 
Punkten im Sinne der Durchführung dieser hohen Idee gekämpft 
und manches erreicht worden ist, unendlich viel bleibt noch zu thun, 
soll auch nur im entferntesten die Möglichkeit einer allgemeinen 
Bäderbenutzung seitens des Volkes geschaffen werden. So viel 
zu thun, dass man fast das vergisst, was geschehen ist, und 
allenthalben immer nur noch Lücken auf dem Gebiete des Bäder- 
wesens vor sich sieht. Nicht nur dass die geschaffenen Anlagen 
in vielen Städten unzureichend sind, dass sie der Nachfrage nicht 
entsprechen und in ihrer geringen Zahl das Bedürfnis der Be- 
völkerung nicht befriedigen können, dass Anstalten mit gedeckten 
Bassins nur in einer kleinen Reihe besonders bevorzugter Kom- 
munen vorhanden sind, während die übrigen die Frage nur durch 
Errichtung von Brausebädern gelöst zu haben glauben, entbehrt 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 163 

die überaus grösste Mehrzahl aller kleineren Orte wie wohl 
nahezu das ganze platte Land systematischer Badeanlagen voll- 
ständig ! 

Der Förderung gegenüber, die vom Standpunkte der Hy- 
giene wie der nationalen Wohlfahrt erhoben werden muss und 
welche lautet „Jedem Menschen wöchentlich ein Bad", stehen 
wir also noch fern, und ihre praktische Durchführung ist und 
bleibt noch immer ein Gebot der weitesten Zukunft. Und dies 
trotzdem die Erkenntnis dessen, dass uns die saubersten Strassen, 
dass uns lichte und luftige Wohnungen, Schulen und Kasernen, 
dass uns alle sanitären und Desinfektionsmassregeln gegen Epi- 
demien etc. nichts nützen , wenn wir nicht gelernt haben, 
dass Reinlichkeit der eigenen Person der Ausgangspunkt für alles 
weitere Wohlbefinden ist, in die weitesten Volskskreise gedrun- 
gen ist! 

Nach zwei Richtungen hin werden sich vornehmlich die 
Ziele zu erstrecken haben, das Badewesen zu einem volkstümlichen 
zu gestalten und ihm in der öffentlichen wie privaten Gesundheits- 
pflege die massgebende Stellung, die es in jedem kulturellen 
Staatswesen einzunehmen hat, zu verschaffen, das ist einmal 
in der Errichtung von Brausebädern und zweitens in der 
Anlage von Anstalten mit gedeckten Bassins. Die weiteste Indi- 
kation finden die Brausebäder, die vermöge ihrer billigen Her- 
stellung, ihrer einfachen, wenig Raum in Anspruch nehmenden 
Anlage, ihrer geradezu idealen Zweckerfüllung als Reinigungs- 
anstalten, welche unter knappster Form, bequemer Zugänglichkeit 
und Erreichbarkeit alles für die umfassende Körperreinigung 
Nötige gegen ein mininales Entgelt zu bieten vermögen, fast 
überall am Platze sind; so in den Grossstädten mit industrieller 
Bevölkerung, in deren Centren sie vorzugsweise gelegen sein 
müssen, in allen kleineren Gemeinden, ja selbst auf den Dörfern. 
Als einfachste rationellste Anlage werden sie das wirkliche Rein- 
lichkeitsbedürfnis vollauf befriedigen können. Ihre Errichtung 
wird in erster Reihe von den Gemeinden zu erfolgen haben, und 
nur wo die Lasten hierfür seitens derselben nicht zu tragen sind, 



164 Bäder und Badewesen der Neuzeit, 

wird es die Aufgabe gemeinnütziger Gesellschaften sein, die Sache 
in die Hand zu nehmen. Das geringe erforderliche Kapital — 
ein einfaches Volksbrausebad für 10 Personen kostet ca. 6500 Mk., 
ein solches in vollendeter Ausführung und in grossen Dimensionen 
20000 Mk. — ist in Form von Anteilsscheinen in allen nur 
einigermassen gut fundierten Bevölkerungsklassen aufzubringen; 
die weitgehendste Unterstützung des Staates wie der Gemeinden 
ist ja in allen diesen Fällen von vornherein sicher. Selbstver- 
ständlich muss der Preis eines Brausebades ein durchaus minimaler 
sein, das Maximum wären 10 Pfg. pro Bad, um auch dem Aermsten 
die Benutzung desselben zu gestatten. 

In zweiter Linie sind es Anstalten mit Hallenschwimm- 
bassins, deren Erbauung in jedem grösseren Gemeinwesen anzu- 
streben ist ; denn mit der Schöpfung derselben dienen wir nicht 
nur Reinlichkeitszwecken, sondern wir heben damit die körper- 
liche und geistige Gesundheit des Volkes und die wirtschaftliche 
Kraft desselben. Unendlich gross erscheint von diesem Gesichts- 
punkte aus der Nutzen der Hallenbäder, und Staat wie Gemeinden 
erwächst die Pflicht, diese Aufgabe der öffentlichen Gesundheits- 
pflege, deren Bedeutung nicht hoch genug erfasst werden kann, 
zu lösen. 

In erster Reihe sind es auch hier die Gemeinden, die diese 
Anstalten zu kreieren haben, wie es auch schon von einer Reihe 
von Kommunen geschehen ist; an eine Inanspruchnahme des 
Staates ist bei uns in Deutschland wenigstens wohl kaum auf dem 
Gebiete des Badewesens zu denken. Musterstätten solcher städtischer 
oder wenigstens mit thatkräftiger Unterstützung der Stadt er- 
richteter Anlagen besitzen wir bereits heute in Frankfurt a. Main, 
Stuttgart, Köln, Breslau, Bochum, Düsseldorf, München, Barmen, 
Krefeld, Karlsruhe und vielen anderen Städten. 

Das Badewesen der Neuzeit hat mit den vergangenen Kultur- 
epochen wenig gemein: Weder erreicht es nur im Entferntesten 
die gewaltigen, ewig denkwürdigen Vorbilder des Altertums, noch 
kommt es dem badefrohen und badefreien Treiben des Mittel- 
alters nahe. Im Dämmern des 19. Jahrhunderts beginnt die 



Bäder und Badewesen der Neuzeit. 165 

längst vergessene Idee von der Wohlthätigkeit des Wassers für 
den menschlichen Körper wieder wach zu werden und langsam, 
aber stetig gewinnt sie an Kraft, gestützt und genährt von der 
mehr und mehr zunehmenden Bedeutung der öffentlichen Gesund- 
heitspflege. 

So erblicken wir heute eine Schöpfung vor uns, die in 
kräftiger Entwicklung im Aufblühen begriffen ist, und sich an- 
schickt zum Gemeingut des Volkes zu werden. Dass sie dies 
werde, dass die grosse sanitäre Bedeutung, die in dem Baden 
liegt, den weitesten Kreisen des Volkes zu teil werde, dafür 
mögen die berufensten Vertreter der Durchführung öffentlicher 
Gesundheitsmassregeln, Staat und Gemeinden, Sorge tragen. 
Dann wird das 20. Jahrhundert eine Blüte der Entwicklung des 
Badewesens heranreifen sehen, die als eins der kostbarsten Güter 
der Kultur nicht wie bei den alten Römern mit dem Niedergang 
der Volkskraft, nicht wie im Mittelalter mit Zuchtlosigkeit und 
Sittenverfall einhergehen, sondern die Gesundheit und Kraft stählen 
und die natürlichen Faktoren der Volksgesundheit hilfreich unter- 
stützen wird. Die Grundlage jeder Reform auf gesundheitlichem 
Gebiete bildet die Reinlichkeit : Für dieses wichtigste Gut mensch- 
licher Gesittung kämpfen wir, wenn wir das allgemeine Bewusst- 
sein zu gemeinsamem Thun für eine der vornehmsten Pflichten 
praktischer Gesundheitsgflege aufrütteln ! 



Litteratur. 



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Verlag von FERDINAND ENKE i n Stuttgart. 

Marcuse,Dr.med. J., Diätetik im Altertum. £äiSS£j 

Vorwort von Geh. Medizinalrat Professor Dr. E. von Leyden. 8 . 
1899. geh. M. 1.60. 



Marcuse, Dr. med. J M Hydrotherapie im Altertum. 

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Dr. Winternitz. 8°. 1900. geh. M. 2.—. 

Ebstein, Geh. Rat Prof. Dr. W^Die^esTdes Thuky- 

HiflPS ( Die Attisehe Seuehe.) Eine geschichtlich -naedicinische 
Studie. Mit 1 Kärtchen, gr. 8°. 1899. geh. M. 2.-. 



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Infektionskrankheiten. 1881. geh. M. 12.—. U. Abteilung: Die chro- 
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infektiöse Wundkrankheiten und chronische Ernährungs-Anomalien. 1883. 
geh. M. 12.— . III. Abteilung: Die Organkrankheiten. Nebst einem 
Register über die drei Abteilungen 1886. geh. M. 14. — . 



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TT $1 litt Ein Führer und Berater bei der Wahl und Errichtung der 
* Wohnstätte nach den Grundsätzen der modernen Gesund- 
heitspflege. Mit 527 in den Text gedruckten Abbildungen, gr. 8. 1902. 
geh. M. 14. — ; in Leinwand gel). M. 15.40. 



Nassauer, Max, Doktorsfahrten. A ZSche™ d 



kl. 8°. 1902. geh. M. 2.80 ; elegant geb. M. 3.60. 



Orschansky, D p r ro j„ Die Vererbung im ge- 
sunden und im krankhaften Zustande 

und die Entstehung des Geschlechts heim Menschen. Mit 41 in den 
Text gedruckten Abbildungen, gr. 8°. 1903. geh. M. 10.—. 



Neuester Verlag von FERDINAND ENKEin Stuttgart. 

Rosinsky, D ?° e B? Die Syphilis in der Schwanger- 

CfllSl'P'f" ^'* 7 chromolithographischen Tafeln und 17 Textfiguren 

m ndii. ^ 8 „ 1903 geh M 10 _ 

Stratz, C P H , Die Körperformen in Kunst und 
Leben der Japaner. ™! .y, 2in den Te f f c ^ kte " 

*r Abbildungen und 4 farbigen 

Tafeln, gr 8 IJ . 1902. geh. M. 8.00; in Leinwand geb. M. 10.—. 



Stratz, c ? h.. Die Rassenschönheit des Weibes. 

Dritte Auflage. Mit 233 Textfiguren und einer Karte in Farbendruck. 
gr. 8". 1902. geh. M. 12.80; elegant in Leinwand geb. M. 14.—. 

Wullstein, Pr £ at L d ? c Die Skoliose in ihrer 
Behandlung- und Entstehung-. ^^ 

experimentellen Studien. (Sonderabdruck aus „Zeitschrift für ortho- 
pädische Chirurgie", X. Bd.) Mit 115 Abbildungen im Text. gr. 8". 
geh. M. 7.60. 



v. Zeissl, Pro M. Pr ' Lehrbuch der venerischen 

li i". n Mi <»H<-n (Tripper, Venerisches Geschwür, Syphilis.) 
IVI.IIIKIH IHM Mit 50 Textabbik , ungon . gr . 8 ». geh. M. 10.-; 

in Leinwand geb. M. 11.20. 



Han d Wörter buch 

der 

Gesamten Medicin. 

Herausgegeben von 
I>r\ A. Villaret, 

Kgl. Preuss. Generalarzt. 

Zweite, gänslich neu bearbeitete Auflatje. 

'Zrw&i. Bände. 

gr. 8°. geh. M. 56.60; in Halbfranz gebunden M. 62.60. 

Das Handwörterbuch ist, wie schon in seiner ersten Auflage, auch in 
seiner recht umfassenden Neubearbeitung von der Kritik durchweg ausser- 
ordentlich günstig aufgenommen worden und wird allgemein als ein praktisches 
Nachschlagebuch bezeichnet und empfohlen. Dasselbe ist ausserdem von 
allen ähnlich gearteten Unternehmungen das kompendiöseste und billigste 
und sollte daher in keiner ärztlichen Bibliothek fehlen. 



HOFFMANN 0TUTTGART 



3 9002 02842 5040 




Accession n( X}mC,Q r l 

Author Marcuse 
B'äder und Badewesel 



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