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VICVS AVRELII
ODER
(EHRINGEN ZUR ZEIT DER RÖMER
MIT 1 KARTE, 2 PLÄNEN, 2 PHOTOTYPIEEN, 52 UTHOGBAPHIEEN
UND EINIGEN HOLZSCHNITTEN.
VON
Dr 0. KELLER.
RECTOR DES K. WÜRTT. LYCEUMsi ZU CEHRINGEN.
Fest - Programm
zu
Winckelmanns Geburtstage
am 9. December 1871.
Herausgegeben
vom
Vorstande des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande.
Bonn 1871.
Gedruckt auf Kosten des Vereins.
Bonn, bei A. Marcus.
INHALT DES TEXTES.
I. Einleitung.
Die ältesten historischen Bewohner der Gegend waren Markomannen (SteinwafFen, Flussnamen);
nicht Siieven. Sueven und Schwaben zwei verschiedene Völker S. 1 — 3. Auswanderung der meisten
Markomannen im ersten christlichen Jahrhundert. Einwanderung römischer Provinzialen ; römisches Fort
am Limes bei Oehringen S. 3.
IL Der Vicus Aurelii.
Vergrösserung des Forts zum Vicus Aurelii zur Zeit des Caracallus. Verlegung der ßeckinger
Besatzung in den Vicus Aurelii S. 3 f. Untergang des Vicus Aurelii ums Jahr 270 S. 4 — 6 'Münzen
der Gegend S. 5). Grösse und Lage des Vicus Aurelii S. 6 f. Der Limes oder Pfahlgraben S. 7—10
(vergl. auch S. 39). Besatzung des Vicus Aurelii S. 10 — 12. Das Collegium iuventutis S. 12 f. Klima
und Producte des Vicus Aurelii S. 13—15. Das Bad am Orendelstein S. 15 — 17. Zwei Brücken und
die Hainengasse S. 18. Die Untere Bürg S. 18—22. Die Obere Bürg S. 22 flf. Die Miucrvenstatuen
S. 23 — 25. Das Eponarelief S. 25 f. Der Nymphen- oder Matronenstein von ünterheimbach S. 26—28.
Cultus des Mars, des Taranucnus, der Fortuna und des Mercur S. 28 f. Inschriften der Oberen Bürg
S. 29. Begräbnisstätte des Vicus Aurelii S. 29—31. Denkmal der Gattin des Maximinus am Orendel-
stein S. 31 f.
III. Der Orendelstein.
Eigel und Orendel, Helden der deutschen Sage S. 33—36. Eigelstein, Rendelstein S. 36 f. Oren-
delsall und seine Crypta S. 37. Der Orendelstein eine altdeutsche Dingstätte S. 38. Erklärung der Le-
genden vom heil. Orendulus ebendas.
IV. Umgebung des Vicus Aurelii.
Römisches Vorwerk des Vicus Aurelii auf dem Hornberg S. 39. Römerveste Mainhardt S. 39 f.
Römerveste bei Jagsthausen und Olnhausen S. 41—46. Römerveste bei Neuenstadt und Oedheim S.
47 f. Römische Villa bei Rückertshausen S. 48 f.
V. Die germanischen Grabhügel im Hohenlohischen.
Topographisches S. 49. Bauart der Leichenhügel S. 50—53. Bauart und Inhalt der Brandhügel,
besonders bei Hohbach S. 53 f. Töpferwaaren S. 54 — 56. Bronze- und Eisengeräthe S. 56—59. Streit-
wagen S. 59. Steinwaffen S. 59 f. Thierische Beigaben S. 60. Zeit und Volksthum der Todten uusrer
Grabhügel S. 60 f. Ihre Beziehung zu den Salzquellen des Kocherthals S. 62 f.
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Nunc seges est ubi Troia fuit.
Ueber die Bewohner und die Natur unserer Gegend vor der Eroberung durch die
Römer haben wir keine schriftlichen Nachrichten, ausgenommen was im allgemeinen die
griechischen und römischen Schriftsteller von dem damaligen Germanien, beziehungsweise
dessen südwestlichem Theile erzählen. Viele Sümpfe und Wälder, vornehmlich Eichen-
wälder (vgl. Schriften des württ. Alterthumsv. 1859, 5. Heft S. 12), bedeckten das Land, dessen
Bewohner, germanischen Blutes, sich Mark- oder Grenzmänner, Markomannen oder Marko-
manen nannten (vgl. Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung I 420, II 178; Jahrb.
der Alterthumsfr. im Rheinl. VII 137). In ihren Händen war offenbar zur Zeit des Augustus
und noch des Titus die Landschaft um Oehringen; im Norden hausten die Chatten, nicht
immer die friedfertigsten Nachbarn. Dass die Markomannen an den Quellen der Donau
Sassen, berichtet Arrian (anabas. I 3, 2) vielleicht (vgl. die Einleitungsworte zur Anabasis)
nach dem Zeugniss von Aristobul oder Ptolemäus Lagi; und von Drusus wissen wir, dass
er an der südlichen chattischen Grenze eine hervorragende Anhöhe mit den Spolien und
Insignien der Markomannen nach Art eines Tropäums schmückte (Flori epitoma II 30, 22. 23
Halm). Diesen Platz sucht man auf der Taunus höhe (Dederich, Feldzüge des Drusus und
Tiberius 60) und nimmt an, dass zu Drusus und Livius Zeiten die Markomannen »zwischen
den Flüssen Neckar und Main« gewohnt haben (ebendas. 61). Endlich erscheint auf der
in ihren Ursprüngen den Zeiten Augusts und Agrippas entstammenden tabula Peutingeriana
der Schwarzwald als Silva Marciana d. h. Grenzwald, Wald der Markmänner, und noch
Ammianus erwähnt die silvae Marcianae; ja auch später noch einmal (Förstemann 991)
hören wir von der Martiana Silva (Bacmeister, alem. Wander. 139).*) Die Steinmeissel und
1) Die vulgare Anaahme, dass die Schwaben von den Sueveu abstammen und der Name beider
identisch sei, ist sachlich und sprachlich sehr unwahrscheinlich. Wo man nur etwas bestimmteres über
den Aufenthalt der Sueven erfährt, sind sie ein offenbar norddeutsches Volk. Dass Ariovist [ein Sueve
gewesen und] am Oberrhein gewohnt habe, ist eine willkürliche Behauptung. Auch ist mir kein Bei-
spiel bekannt, dass bei einem von den Römern überkommenen historischen Namen im Deutschen ein E
in A verwandelt würde (ausser dass vorübergehend statt Vosegus die Form Vosagfus auftritt) : im Gegentheil :
Rhenus verwandelt sich in Rhein, Raetia oder Retia — Reticius statt Raeticius bei Hefner, röm. Bayern *
nr. CCLIII, — in Riess, Attila in Etzel. Vielmehr sind die Suaven oder Suaben vollständig, zeitlich und
örtlich, von den alten Sueven zu unterscheiden. Als die Sueven vom weltgeschichtlichen Schauplatz be-
1
Steinhämmer oder Aexte, ') welche man in hiesiger Gegend schon gefunden hat, so der
IV2 Stunden von hier auf dem Obersteinbacher Plateau in der Nähe des abgegangenen
Ortes Lupfersberg in einem Walde ungefähr 1 Fuss unter der Erde gefundene Steinmeissel
aus Diorit, 2) abgebildet Taf. VI. nr. 8, im Besitz des H. Forstmeisters Gantz, und der bei
Lindenschmit (Alterthtimer unserer heidn. Vorzeit I. 1 tab. 1, 10) abgebildete aus Sei'pen-
tinschiefer, gefunden bei Heilbronn, ^) und manche andere, auch viele Grabhügel, auf welche
reits abgetreten waren, werden im V. Jahrhundert, zum erstenmal Schwaben genannt, und zwar an einer
Stelle, wo niemals Sueven gelebt haben, nämlich an der Save, Suavia, Savia, Sau im südlichen Oester-
reich (Pxocop. de bell. Goth. I 15. 16. Zeuss S. 589-591). Zunächst (a. 465—472) an Dalmatien
grenzend (Dalmatiis Suavia vicina erat, Jordanis cit. bei v. Wietersheim, Gesch. der Völkerwander.
IV 460) zogen sie in der zweiten Hälfte des V. Jahrhunderts durch Tirol, wo man nach Steub, rhät.
Ethnologie S. 103, noch jetzt eine stark schwäbelnde Mundart im Oberinnthal und bis ins Yintschgau
findet, eroberten unter König Hunimund Batava oder Passau (vita s. SeTsrini c. 22), ergossen sich durchs
Baierland bis gegen Franken, so dass sie ums J. 555 westlich von den Baiern (Baiorii), südlich von den
Thüringern, östlich von den Franken und nördlich von den bis zur französischen Schweiz verdrängten
Burgundern sassen (Jordanis c. 55). Diess also waren in der Mitte des VI. Jahrhunderts die Grenzen
des Reiches der Schwaben, damals Verbündeter der Alamannen (Jordanis 1. c), mit welchen sie immer
mehr verschmolzen: quibus Suavis tunc iuncti aderant etiam Alamanni, ipsique Alpes erectas omnino
regentes, unde nonnulla fluenta Danubio influunt, Jordanis. Suavi heisst die Schwaben, auch Paulus
Diaconus, und Otfrid spricht ungefähr um 871 in seiner Evangelienharmonie (Graff S. 6) vom Schwaben-
reiche Suäborichi. Aber durch Kaiser Karls Hofgelehrte scheint der Glaube aufgebracht worden zu
sein, dass unsere Vorväter, die süddeutschen Schwaben, mit den alten norddeutschen Sueven identisch
oder deren Abkömmlinge seien, und es wurde Mode, dass die Gelehrten die schwäbischen Alamannen
Sueven nannten — so schon Ermoldus Nigellus a. 826 lib. III. v. 261 bei Pertz monum. II 494 — und
unter den Titeln Ludwigs des Deutschen lesen wir den Namen Alamanni in Suevii verwandelt, Stalin,
württ. Geschichte I 334. Ueber die mit der Geschichte »völlig unvereinbaren Bezeichnungen Suevia
und Alamannia« . wie sie auf der Tabula Peutingeriana angebracht sind — das erstere wahrscheinlich ein
Zusatz aus dem Mittelalter — vgl. v. Wietersheim, Geschichte der Völkerwander. II 371. Beide Namen
sind auch den Schriftzügen nach verschieden und zwar hat Alamannia die Schrift der älteren Becension.
Suevia die der späteren Interpolationen, wie Jutugi, Vanduli u, a. Von den Suavi reden ganz besonders
Jordanis de Getarum sive Gothorum origine etc. c. 55 nach Closs, edit. 1861, und dem codex Monacen-
sis; der Geographus Ravennas 4, 26. Paulus Diaconus 2, 15. 3, 18. Gregor. Turon. V 15 (a. 568).
Procop. bell. Goth. I 42 2:oväßoi. annale» S. Amandi ad a. 709. 710. 711. 730. Die beiden Stellen bei
Ausonius epigr. 4, 1 — 3; Danubius penitis caput occultatus in oris , totus sub vestra iam ditiore fluo:
qua gelidum fontem mediis eflundo Suevis u. s. w. und edyll. 6 p. 167 Bip. : lusimus quos in Suevae
gratiam virgunculae verdienen genau nach den Handschriften revidirt zu werden; im cod. Vossian. 111
fehlen sie nach Holders Angabe. Auch für die bei unserer Frage in Betracht kommende vita Columbani
ist eine kritische Ausgabe abzuwarten.
1) Auf eine Unterscheidung beider verzichtet Lindenschmit, Alterthümer unserer heidn. Vorzeit
I 1, tab. 1 Text.
2) Die Waffen au8 solchem Gestein entstammen wahrscheinlich den oberschwäbischen Geschieben,
vgl. Quenstedt, Handb. der Mineralogie • S. 672. Eitenbenz, röm. Niederlassung bei Messkirch S. 8.
3) Ferner finde ich verzeichnet in der Zeitschr, des histor. Vereins für das württemb. Franken
1665 S. 111 einen Streitmeissel mit sehr scharfer Schneide aus Kieselschiefer, wie er am Taunus vor-
wir beim Schluss unserer Abhandlung ausführlich zu sprechen kommen, werden mit grösster
Wahrscheinlichkeit den voraugusteischen Markomanen beigelegt. Ebenso wird der Name
des an und durch Oehringen strömenden Flusses Orana (Oorana a. 795, Bacmeister, alem.
Wanderungen S. 108) auf die ältesten Zeiten zurückzuführen sein. Denn auch die übrigen
Flussnamen wie Rhenus, Nicer, Amisia u. s. w. sind nicht von den Römern erfunden wor-
den, vielmehr hat man von den meisten und bedeutendsten einen urgermanischen Ursprung
nachgewiesen. Und gerade für unsre Ohrn lässt sich um so weniger daran zweifeln, al?
wir ihre offenbare Namensschwester, die Orne ("Gurgite suscipior subter quoque fluminis
Ornae' Venantius de navigio suo v. 13 ed. Boecking, Jahrb. der Alterthumsfr. im Rheinl. VII.
HO. um 580), unterhalb Metz in die Mosel münden sehen, und auch im badischen Glotter-
thal einen Orensbach antreffen (Schoepflin, Alsat. illustr. I 51). Nach der Mitte des I.
Jahrhunderts unsrer Zeitrechnung wanderten die Markomanen, gedrängt von den Römern,
zum Theile aus dem sogenannten Decumatland aus und längs dem 50 Stunden weit gedehn-
ten Limes, der Hauptsache nach einem Werke Domitians, siedelten sich römische Soldaten
und gallische Abenteurer (Squatters) an.
Die römische Niederlassung zu Oehringen war anfangs wahrscheinlich blos ein CastelL
ein grösseres Fort, welches bei der ersten Erbauung des Limes transrhenanus sofort er-
richtet wurde, theils weil überhaupt in gewissen Entfernungen solche Befestigungen ange
bracht werden mussten, theils, weil auch die Oertlichkeit sehr dazu einlud. Diess geschah
vielleicht schon zur Zeit Domitians, dessen Verdienste um den Limes Tacitus parteiisch
verechwiegen hat, spätestens wohl unter der Regierung Trajans (cf. Eutrop. 8, 2: urbes
trans Rhenum in Germania reparavit) oder Hadrians (Cassius Dio bist. Rom. LXIX. 9:
^AÖQiavdg öi akh]v ctt' a?^lrjg öiaTioqsvnfxevog ercaqxiav zag xe xcogag -Kai xäg 7iö),eig etti-
Gy.E7ix6(xevog yxti Ttccvza tcc (pQOVQia y.ai tu rct'x*/ ^£ Qioy.OTraiv tcc fiiv ig btii-
xaiQOTccTovg Tonovg /ued^ioTr], tcc di tTtave, xa öi ngogya^ioTazo. cf. Spar-
tian. Hadrian. 11. v. Wietersheim, Geschichte der Völkerwand. II 189).
Einen ziemlichen Aufschwung scheint der bisher namenlose Platz unter der Regierung
des Aurelius Caracallus genommen zu haben, von welchem Kaiser er zu einem Städtchen
erhoben und vicus Aurelii oder Aurelius i) getauft wurde (cf. Brambach, Baden unter römi-
scher Herrschaft S. 6). Diese ausserordentlich wahrscheinliche Hypothese, woruach der in
der Inschrift C. I. Rh. nr. 1561 überlieferte Name römisch Oehringens von Caracallus her-
rührt, stützt sich auf die merkwürdige Notiz bei Cassius Dio LXXVII, 13: y.al yag o
^AvT(x)vlvog ig zovg Ahxfxßavvoiig aTgarevaag, duvazzev €l not zi %wßfoi' iTtizijdeiov
TiQog ivoiycrjOiv eiöev ivzavd-a (pQOv qiov ze ixi^o &rjzco. Kai inoivv fxiag
kommt, gefunden unweit Züttlingen; 1862 S. 104 einen Streitmeissel von Grünstein (verde antico. schön ge-
schliffen und poliert) mit scharfer Schneide aus einem Grabhügel des Waldes Platten bei Neckarsulm ;
ebendaher eine Streitaxt von Gneis; 1859 S. 125 = Lindenschmit I 1, 1, 8 Hammer aus thonigem Bern-
stein gef. bei Mergentheim.
1) Auf dem III. Segment der Tabula Peuting. ist ein Ort gleiches Namens in Gätulien von der
Strasse von Lampese nach Theveste zwischen Liviana und Zyrnas Maseli angegeben, in der (Ablativ-)
Form Vico Aureli.
ye Ttvag TOtg totcoi^ dw' eavTov ctk tovo f*a^€j %üiv im^ujqiwv ^n^ dXkoiovuivwv.
Ol fiiv yäq y.yvoovvj oX öi naiCeiv avTov idöxovv.
Aus der Zeit vor Caracallus haben wir nur Eine datierbare Inschrift, vom J. 169,
offenbar von Freigelassenen herrührend und auf der Oberen Bürg selbst gefunden (C. I.
Rh. nr. 1558), was zu der Annahme gut stimmt, dass der Platz zuerst etwas unbedeuten-
der und kleiner, also auf die von Natur festen Positionen der Oberen und Unteren Bürg
beschränkt und hinsichtlich der Einwohnerzahl nicht besonders bevorzugt war. Man mag
zu diesem Herauswachsen des Städtchens aus einem oder zwei blossen Forts vergleichen,
was Tacitus bist. IV 22 von der Entstehung der Stadt Castra vetera erzählt. — Aus der
Zeit des Vicus haben wir 3 datierte Inschriften, aus den J. 222. 232 u. 237, von welchen
zwei ausserhalb der beiden Bürgen, die dritte am Ende der Oberen Bürg auf der Seite ge-
funden wurde, wo wir städtische Anlagen voraussetzen dürfen. Diese 3 Inschriften sind
Zeugen eines regeren, grossartigeren, reicheren Lebens in der Stadt. Die eine hat ein Kaiser,
die andere das CoUegium iuventutis, die dritte ein Quästor gesetzt, und zwar letzterer am
Sockel einer sehr schönen Minervastatue, die er zum gemeinen Besten der Vicani Aurelia-
nenses hatte restaurieren lassen. Ebenfalls nach oder unter Caracallus ist vielleicht die
Erbauung des grossen Bades anzusetzen, wegen Ziegelplatten mit dem Stempel Aur. —
Um die Zeit, wo römisch Oehringen den durch die Inschriften uns angedeuteten Aufschwung
nahm, sehen wir in dem benachbarten Beckingen (ältere Schreibart Beggingen) die Spuren
der früher daselbst garnisonierten Helvet'er und Brittonen verschwinden und dagegen
in Oehringen auftauchen. — Allerdings existiren überhaupt nur zwei datierbare Beckinger
Inschriften, C. I. Rh. 1583. 1590, beide aus dem gleichen J. 148. — Es drängt sich daher
die Vermuthunj; auf, und sie ist schon ähnlich vom alten Hansseimann aufgestellt worden,
dass der Aufschwung Oehringens hauptsächlich durch Verlegung der vorher in Beckingen
gelegenen Garnison oder wenigstens ihres grössten Theiles ins Werk gesetzt worden sei.
Früher, vor dem Ausbau des Pfahlgrabens, hatte man vor allem die Neckarlinie durch Be-
satzungen gesichert, jetzt schob man die Truppen an den Limes vor. In derselben Zeit
entstanden eine Menge Strassen im Gebiete des oberen Rheins (vgl. Brambach, de column.
miliar, ad Rhen. repert. p. XII. XIV. XV. XVII. XVIII), wie der oberen Donau (Hefner,
röm. Bayern ^ S. 6), oder sie wurden ausgebessert. Ohne Zweifel war diess auch mit der
Strasse zwischen Oehringen und Beckingen der Fall, deren Richtung, etwas südlicher als
die jetzige Chaussee, sich noch heute auf grosse Strecken verfolgen lässt. — Die letzte öh-
ringische Inschrift datirt aus dem J. 237, die letzte der Umgegend (der Inschriften stein der
Cohors equitata Philippma von Osterburken, aus den Jahren 244—249 (Correspondenzblatt
der deutschen Alterthumsvereine XVI 8, 64), und der epochemachende Einbruch der Ala-
mannen in das Zehntland, welchem ausser vielen andern Festungen auch unser Platz zum
Opfer fiel, muss somit bald nach der Mitte des dritten Jahrhunderts erfolgt sein. Von den
neunziger Jahren des dritten Jahrhunderts an sprechen die Römer selbst vom Zehntland
nicht mehr als einer römischen Provinz, sondern als von Alamannien (v. Wietersheim, Ge-
schichte der Völkerwanderung III 53) ; die Münzen vieler von Römern vergrabenen Schätze
in Württemberg, Bayern und der Schweiz hören mit Gallienus, Gaudius IL, Postumus oder
den Tetrici auf, mit den letzteren auch das Gros der dem Vicus Aurelii zugehörigen Münzen. 0
Es war die furchtbare Zeit der 20 Tyrannen (»viginti prope tyrannos« nennen die Hand-
1) Sehen wir von den 1860 beim Eisenbahnbau hier entdeckten, in der Staatssammlung zu Stutt-
gart befindlichen Münzen ab, so gehen die Bporadischen, zu verschiedenen Zeiten ganz bestimmt inner-
halb der römischen Niederlassung Oehringens gefundenen Münzen — es sind bloss 8 Stücke, während
die Zahl der in »Oehringen und Umgegend« ausgegrabenen Münzen viel grösser ist — diese sonstigen
sporadisch gefundenen Münzen also gehen von Vespasian bis Clodius Albinus (196/197 n. Chr.) ; davon
wurden 3 auf der Unteren Bürg gefunden, ein Antoninus Pius (Erz), ein Clodius Albinus (Silber) und
eine [nicht ganz sichere] Faustina maior (Erz) als Anhänger; eine auf der Oberen Bürg, ein Antoninus
Pius (Silber); 2 beim Orendelstein, ein Marc Aurel (Stoff unbekannt) und eine Faustina iunior (Erz);
2 bei der Hahnengasse, ein Vespasian und ein Trajan. Ferner stammen sehr wahrscheinlich noch 2 Erz-
mÜDzen von Mark Aurel aus der hiesigen römischen Niederlassung. Bei dem Fund gelegentlich des
Eisenbahnbaues 1861, auf dem Terrain des Vicus, gingen die Münzen bis Severus Alexander (t 235)
herab. Aus Hansseimanns Angaben über seine Münzfunde, Beweiss I. 49—52, ist für diese Untersuchung
nichts mit Sicherheit zu entnehmen. Dagegen waren in einer hiesigen Privatsammlung von römischen
Münzen Oehringens und der Umgegend verhältnissmässig viele Münzen von den Tetrici (und Gallienus)
und wieder besonders viele von Constantinus und seinen nächsten Nachfolgern, die späteste darunter von
Constantius II. (t 361). So wenig nun jemand muthmassen dürfte, dass die Katastrophe über Römisch-
Oehringen erst unter oder nach Constantius II. hereingebrochen sei, so wahrscheinlich ist dagegen die
andere Hypothese, dass die verhältnissmässig vielen Münzen von Tetricus und Gallienus eben zur Zeit der
Vernichtung unserer Niederlassung vergraben wurden oder sonst verloren gingen. Mögen auch später
noch viele römische Münzen im Lande circulirt haben, namentlich in der ersten Hälfte des vierten Jahr-
hunderts, WO fast ununterbrochen Friede und Freundschaft zwischen Alamannien und dem römischen
Kaiser bestand und mancher Germane römischen Sold zu erwerben begehrte: in die wüsten Räume un-
seres abgebrannten Vicus scheint sich keine verirrt zu haben. Was die römischen Niederlassungen der
Umgegend betrifft, so gingen die Jagsthäuser Münzen einer Privatsammlung, gleichfalls wie die Oehrin•^
ger von 1861, bloss bis auf Severus Alexander, während eine zweite reichhaltigere Sammlung (von 32
Silber- und 41 Erzmüuzen) solche bis Philippus Arabs (f 249) aufweist. Bei den »Burgwiesen e zu Weis-
lensburg, ^/^ Stund, von Oehringen, wurden ein Caracallusdenar und ein Hadrian in Grosserz gefunden,
in dem römischen Hof gut zu Rückertshausen, 'l^ Stund, von Oehringen, 2 Antonine (Erz): zu Verren-
berg, Va Stund, von Oehringen, wo übrigens keine Spur römischer Niederlassung nachweisbar ist, ein
Caligula (Erz); zwischen Adolzfurt und Geddelsbach, unweit dem wahrscheinlichen Fundort des Unter-
heimbacher Nymphensteins, 1 Stunde von Oehringen, ein Marc Aurel (Erz); im römischen Castrum zu
Maiuhardt neben einem schönen Gefäss aus Terra sigillata ein Antoninus Pius (Silber); auf dem Gögelhof.
Vj Stunde westlich von Steinbrück und dem Limes, eine Goldmünze des Nero. Diese Betrachtung wird
zeigen, dass wo nicht ein vollständiger Schatz, sondern nur einzelne Münzen ausgegraben werden, das
gewöhnhch kleine Prozent derjenigen Münzen, die zuverlässig innerhalb der zerstörten römischen
Schanzen gefunden wurden, kein ausreichendes Mittel ist, um die definitive Zerstörung der römischen
Niederlassung bald nach der Prägezeit der jüngsten dieser authentischen Münzen anzusetzen. Die Ver-
nichtung unseres Vicus scheint mir vielmehr wegen der oben angeführten Tetricusmünzen erst in die
Zeit von Tetricus II. gesetzt werden zu müssen. Das Aufhören der späteren, wohl aus der Umgegend
stammenden Münzen mit Constantius IL, ein auch anderwärts bemerkliches Datum für das Ende von
Münzfunden im früheren Decuraatland (cf. Gok, röm. Alterthümer und Heerstrassen 56), wird mit dem
Feldzug Julians nach Capellatium zusammenhängen, wobei unsere Gegend wieder alle Schrecken des
Krieges und der Verheerung aaszustehen hatte.
Schriften des Trebellius PoUio [Gallieni duo c. 16, 1 Peter; ebenso c. 21, 1 Peter: nunc
transeamus ad viginti tyrannos], 19 Tyrannen zählt v. Wietersheim, Geschichte der Völker-
wanderung IV 489). Damals verwüsteten die Gothen Kleinasien und Griechenland 10 Jahre
lang; in Rom selbst grassierte die Pest, so dass an Einem Tage gegen 5000 Menschen star-
ben ; Noricum, Rätien, Vindelicien, das Decuraatland, Helvetieu, der grösste Theil Galliens,
selbst Spanien wurden von den Deutschen greulich verwüstet, Markomannen und Alaman-
nen brachen wiederholt in Oberitalien ein und konnten nur durch die äussersten Anstren-
gungen der Römer wieder hinausgeworfen werden ; Gegenkaiser erhob sich auf Gegenkaiser,
sechzehnjährige Knaben, intriguante Frauen, alles wollte commandiren, niemand gehorchen,
in der Armee war die vollendete Zuchtlosigkeit eingerissen. Tetricus regierte von 267 oder
268 bis 271 in Gallien und Spanien und da die hiesige Landschaft von Gallien aus ver-
waltet wurde, war ihr Schicksal sicher mit deni des Tetricus verknüpft. Um dem rechtmässigen
Kaiser Aurelian entgegentreten zu können, zog Tetricus, der gallische Usurpator, während
der letzten Zeit seiner Regierung, seine besten Streitkräfte in Gallien zusammen, und er
wird namentlich das für ihn ziemlich werthlose Decumatland von Truppen entblösst haben,
wie er es auch allem Anschein nach mit Helvetien gemacht hat. Während sich nun in der
Ebene von Chalons a. 271 Tetricus und Aurelian eine Entscheidungsschlacht lieferten, wo-
bei natürlich auf beiden Seiten Massen deutscher Söldner fochten, hatten Markomannen und
Alamannen den Limes durchbrochen und hausten raubend, brennend und mordend in den
schutzlos gelassenen Ländern, bis endlich Aurelian unter Beihilfe des Himmels, wie die
abergläubischen Leute wähnten,*) bei Mailand ein grosses Heer der germanischen Mord-
brenner vernichtete. Das Jahr 270, vielleicht ein Jahr früher oder später, ist als Todes-
jahr des Vicus Aurelii zu betrachten. 2)
Den gefundenen Römerresten nach muss der Vicus eine grosse Ausdehnung gehabt
haben, um ein namhaftes grösser, als die heutige Stadt; das hat übrigens nichts auffallen-
des, weil auch sonst die römischen Festungen in Vergleich zu den mittelalterlichen befestig-
ten Plätzen häufig einen viel grösseren Umfang zeigen.'*) Die sicheren Spuren einst zusam-
1) Nach Vopiscus Aurelian. c. 21, 4 wurden die Barbaren monstris quibusdam speciebusque divinis
iapliciti.
2) Die späteste datierbare römische Inschrift aus Württemberg ist die von Lonsee aus der Zeit
des Gallienus, württembergische Jahrbücher 1835, S. 36. 37. Oberamtsbeschreibung von Heiden-
beim S. 115.
3) So befinden sich nach Haller, Helvetieu unter den Römern II, 384: »inner dem Bezirke des
ehemaligen Platzes [von Vindonissa] nebst dem Dorfe Windisch auch noch Oberburg. Altenburg, Hausen,
das Städtchen Brück und das Kloster Eönigsfelden diesseits und Gebistorf jenseits^ der Büss.« Die
Stadtmauer von Aventicum »hielt mehr als eine Stunde im Umfang [nach Ritter sogar im Durch-
messer] . . . der Hügel, auf welchem jetzt das Städtchen Wiflisburg oder Avenches gelegen ist, lag da
mals innerhalb der Stadtmauern« Histor. Verein von St. Gallen, die Schweiz unter den Römern S. 11.
Das Dorf Eschenz befindet sich »inner dem Umfang von Gaunodurumt Haller, Helvetien unter den Rö-
mern. II, 135. Ebenso verhält es sich mit Vitodurum und Oberwinterthur, Noviodunum und Nyon u. s. w. Die
menhängender römischer Befestigungen sind bei Oehringen in der Diagonalrichtung fast eine
halbe Stunde auseinander. An der Nordseite lässt sich der Lauf der umschliessenden Mauer
mit ziemlicher Sicherheit nachweisen, an der Westseite lässt er sich vermuthen: offenbar
bildete die Befestigung ein unregelmässiges Vieleck mit möglichster Ausbeutung localer
Vortheile, der hohen Lage, der Krümmungen der Ohm, des Ochsensees und des Limes. Er-
wägt man die Bedingungen einer Festung, wie sie von den Kriegsschriftstellern aufgeführt
werden, so war Oehringen ein Platz von bedeutender Festigkeit. Urbes atque castella, sagt
Vegetius epitoma rei mil. IV 1, aut natura muniuntur aut manu aut utroque, qnod firmius
ducitur; natura aut locorum edito .vel abrupto aut circumfuso mari sive pcdudibus vel flumi-
nibus; manu fossis ac muro. Die Gräben lassen sich noch vielfach bemerken und von den
Mauern auf den Burgen fördert noch jede tiefere Umgrabung der Aecker eine Menge Ziegel
zu Tage: sie sind ganz gleichartig z. B. den Mauerziegeln von Vindonissa, die ich mir bei
Grabarbeiten daselbst persönlich geholt habe. Den Nordrand schützte die natürliche Lage,
da der Berg oder das schiefe Plateau, auf dem die Bürgen sich befinden, theils mehr theils
weniger schroff gegen den nun ausgetrockneten Ochsensee abfällt. Der West- und Südrand des
eben nach diesen Richtungen hin sich abdachenden Plateaus war durch die Ohm geschützt, deren
tief eingeschnittene Ufer den Uebergang vielfach schwierig machen. Gegen Westen diente
der Limes als Bollwerk, der in gerader Linie von Mainhardt bis Jagsthausen laufend in
nächster Nähe von Oehringen die Ohra überschritt. Murrhardt, Mainhardt, Oehringen,
Jagsthausen, Osterburken liegen in ziemlich gleichen Abständen, je ungefähr 3 Stunden
hintereinander am Pfahlgraben hin : ^) Murrhardt, Oehringen und Osterburken offenbar als
Hauptfestungen, Mainhardt und Jagsthausen als Nebenplätze; in beiden letzteren Orten, die
wir füglich Forts werden nennen dürfen, stand je eine Cohorte der XXIL Legion, in Main-
hardt eine Cohorte Asturier, Hansseimann, Beweiss etc. L tab. VHI 1. C. I. Rhen. 1621.
1625 ; in Jagsthausen die erste Cohorte der Germanen, C. I. Rhen. 1608. 1610. Von dem
römischen Grenzwall, der anderwärts Teufelsmauer, 2) bei uns Pfahldöbel d. h. Pfahlrain,
oder auch bloss der Döbel genannt wird, 3) haben sich noch heute bei dem nach ihm
römische Niederlassung bei Köngen am Neckar war ungefähr 200 Morgen gross. Jahrb. d. Alterthumsv.
im Rheinl. X 50.
1) Das war auch sonst die Distanz bei systematischen römischen Ansiedlungen. »An den
Flüssen finden wir ferner von 3 zu 3 Stunden eine grössere Ansiedelung« Jahrb. des Alterthumsv.
im Rheinl. III 79.
2) Vgl. z. B. Döderlein. Pfahlheck S. 30. 31. Zeiller. topograph. Ducatuum Brunsvic. et Lüneb.
p. 31. Hier zu Lande habe ich nicht ermitteln können, dass das Landvolk den Limes oder sonstige
römische Befestigungen von sich aus (d. h. ohne Einwirkung von Schulmeistern, Pfarrern oder Alterthüm-
lem) Teufelsmauer benenne. Dagegen weist die römische Niederlassung bei Beckingen den gleichbedeutenden
Namen Cuculimur, Cuculi murus, Kukuksmauer, auf; bis jetzt erklärt aus dem Keltischen ■(!) als Mauer
der Hochwache. Dass besonders das schwäbische Volk in vielen Fällen den Kukuk statt des Gottseibeiuns
nennt, ist bekannt; vgl. übrigens im allgemeinen Friedreich, Symbolik und Mythologie der Natur S. 533 sq.
3) Döbel oder vielmehr Debel — weil überhaupt das Volk statt ö e spricht — nennen die Leute
allgemein die Fragmente des Limes bei Pfahlbach, ebenso heisst eine in der Richtung des Limes länglich
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benannten Dorfe Pfahlbach, 1 Stunde von Oehringen, ansehnliche Trümmer erhalten, die
aber leider mit jedem Jahrzehnt mehr zusammenschmelzen. Ich will desswegen Hanssei-
manns Worte beisetzen, damit man erkennt, wie viel vor 100 Jahren [a. 1768] davon noch
erhalten war. »Dieses aber, nemlich Pfahlbach, nordwärts eine Stunde von hier ohnfern
dem dahin sich ziehenden annoch bey uns so genannten Pfahldöbel, gelegen ist, welches
recht ansehnliche Stück des valli bey 3000 Schritt lang ist und, nebst noch mehreren von
einer Distanz zur andern sich zeigenden merkwürdigen Stücken sothanen valli, sich nord-
wärts gegen den Kocherfluss zuziehet, über welchen bis an die Jagst, gegen Jagsthausen
zu, sich ebenfalls Trümmer von dem durchbrochenen vallo finden lassen; Alles aber, was
ich mir jetzo weiter zu beschreiben vorgenommen habe, lasset sich in einer geraden Linie,
von vorermeldtem vier Stund von hiesiger Stadt Oehringen südwärts gelegenen Hohenlo-
hischen Amtsort Mainhard an, hier vorbey bis an den Kocher und von da weiter bis an
die Jagst antreffen.« Hansseimann, Beweiss etc. I, 68. Diese mauerartige, in hohem Erd-
wall eingerammte, vorn durch einen Graben, hinten durch Wachposten geschützte Palli-
sadenreihe ^) hat als Alarm- und Vertheidigungshnie fast zwei Jahrhunderte läng ihrem Zwecke
genügt; und als die Römer schon 100 Jahre aus der Gegend vertrieben waren, führte sie
von diesem imponierenden Pfahlwerk den Namen Gepfähle oder Pfahl: wregionem cui Capel-
latü [ka-pälij vel Palas nomen est, ubi terminales lapides Alamannorum et Burgundiorum
confinia distinguebant« sagt Ammianus Marcell. XVHI 2, 15 vom Jahre 359, vgl. v. Stalin,
württembergische Geschichte I 128. Bacmeister, alemann. Wanderung. 58. Wegen Am-
mian. XXVIU 5 : [Burgundii] salinarum finiumque causa Alamannis saepe iurgabant«
muss die Regio in hiesiger Gegend gesucht werden. Niemand wird sich wundem, dass
noch jetzt die in den Flurnamen, Markungsgrenzen u. dgl. steckende Tradition den einsti-
gen Lauf des Pfahldöbels mit ziemlich grosser Sicherheit fast von Mainhardt bis Jagst-
hausen verfolgen lässt. Hansseimann sagt. Beweiss etc. I 73: »Wenn man von Mainhard
weiter bis wieder gegen hiesige Gegend, und zwar anfänglich auf den 2 Stund davon noch zu
dasigem Amt gehörigen Ort Gleichen fortrückt, so trifft man in schnurgerader Linie bis dorthin
nicht nur einen über Wälder und Felder sich ziehenden Graben, sondern auch neben und
und achmal hinlaufende Flur zwischen Oehringen und Gleichen »ufm Debelec und ein einzelstehendes
abgegangenes Haus bei Mainhardt, gleichfalls am Limes, führte den Namen »Debelbüttec.
1) Der jetzt noch erhaltene Limes bei Pfahlbach besteht bloss aus Lehmerde; nur an einer Stelle
fand ich oben einen grossen viereckig behauenen Sandstein, vielleicht von einem Wachhäuschen. Auf
dem Rücken des 7 — 9' hohen und mehrere Fuss unter
die jetzige Bodenfläche reichenden Walls läuft ein Ein-
schnitt von 1 — IVj ' Tiefe; hier mochten einst die Palli-
saden eingerammt gewesen sein (stipites magni in mo-
dum muralis saepis funditus iacti atque conexi Spartian.
Hadrian. c. 12). Die Erde zu dem Wall wurde auf
der Ostseite ausgegraben, so dass gegen die Feinde zu
Durchschnitt des Limes. ein Graben entstand und das Ganze im Durchschnitt
I I = 10' nebenstehende Form hat.
bey solchen die merklichste Spuren von dem römischen vallo oder der sogenannten Teufels-
mauer, wie es die nahe dabey wohnenden Leute selbsten zum Theil nennen, an.« Jetzt führen
die daselbst mehr als eine Stunde und auch noch südlich von Mainhardt etliche Stunden weit aus-
gedehnten Spuren den Namen Säugraben ; ^) und der nördlich von Mainhardt liegende Weiler Stein -
brück, wo weder Brücke, noch Bach, noch Klinge zu sehen ist, hat seinen Namen schwerlich ton
etwas anderem als vom Römerwall. Ihm gegenüber ist das Streithaag, d. i. Verschanzung, um
welche einst gekämpft ward. Zwischen Gleichen und Oehringen schneidet und streift die
Linie des zum Theil noch sichtbaren, auch auf der Flurkarte verzeichneten Grabens die Fluren
Schanzwiesen, Maurer, aufm Döbele [»auf dem Pfahl« im Eichstädtischen, Döderlein, Pfahl-
heck S. 23], Heuberg [= Höhburg?], Wachholder [= Wachhalter, dialektisch; ein Wach-
holderhof ist zwischen Mainhardt und Murrhardt am Säugraben], Hainenberg [Heunenberg],
Hainenklinge, Hungerfeld [vgl. Regensburger Glosse aus dem XU. Jahrhundert in Roths
Denkmälern der deutschen Sprache, München 1840 p. XH: Huni = vvnger], Rain, wüster
Rain, Cappelrain. Hunnen oder Hennen, woraus dialektisch Hainen und Hahnen wurden,
setzten die alamannischen Ansiedler in zahllosen Fällen, wo eigentlich die Römer zu nennen
waren; so haben wir z. B. bei Badenbaden, Aurelia Aquensis, einen Hahnbuckel, Hahnhof
und Hungerberg, Huhn, Badenbaden S. 52. Namentlich zu beachten ist auch noch eine
kleine, schmale, sonderbar geformte, ganz an die muthmassliche Linie des Limes stossende
und schwerlich anders als aus seiner Existenz erklärbare Flur «Stiftsbänder«. Sie unter-
scheidet sich der Figur nach vollständig von ihrer Umgebung, wo die Gewendte ganz an-
ders laufen, und hat nebenstehende I'orm:
m L 1 m 1 := Limes, m L M 1 m * = Markungsgrenze zwischen
Oehringen und Cappel. Dies scheint bloss dadurch erklärlich,
dass trotz des Uebergreifens der Cappler Markung über
" ^ —rr-' Qgjj Limes an dieser Stelle der Limes doch noch seine
Kraft als Qrenzmarke wenigstens soweit ausübte, dass die
Flur nicht über ihn herübergreifen durfte, sondern das
jenseits des Limes gelegene unbedeutende und unförmliche Stück Feld eine besondere
Flur für sich bilden musste, deren Grenzscheide gegen die übrigen Cappler Fluren die
Limeslinie blieb. An der Ohrnkrümniung bei Oehringen, wo der Limes nach dem Lineal
übersetzen musste, trifft man noch die Spuren einer einstigen Vermauerung der Stelle mit
Sandstein. Eine ziemliche Strecke rechts und links von der Ohm ist der Lauf des Pfahl-
grabens durch die Markungsgrenze zwischen Oehringen und Cappel bezeichnet, wie auch
an der Stelle bei Pfahlbach, wo der Limes noch erhalten ist, die Markungen von Western-
bach und Pfahlbach zusammenstossen. Auf dem rechten Ufer erscheinen quer in die übrigen
1) So im Volksmiind; auf der amtlichen Flurkarte veredelt in Schweinsgraben, vgl. Saustrasse in
Bayern = Römerstrasse, Stalin, württemb. Geschichte I 97. Zunächst ist Saugraben eine ArtEuphemis-
muB für Teufelsgraben; in den Legenden beugen sich vor den Heiligen Schweine als Symbole des Dämo-
nischen, Friedreich, Sjnnbolik und Mythologie der Natur 444.
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Fluren der Länge des Limes nach eingestreut die »langen Gewendte.« Gehen wir dann
direct auf Jagsthausen los, so treffen wir ausser den bedeutenden Resten des Pfahlgrabens
und Walles auf und hart an unsrem Wege eine alte Strasse, Schildwache, Hungerberg,
Kreuzstein, Pfahläcker, Schildwache, in der Wach, Jonasfeld, *) Pfahldöbel, Burgwiesen, dann
kommt Pfahlbach (schon a. 795 in pago Cochengowe in loco Phalbach, Bacmeister, alem.
Wander. 58), dann bei Sindringen von der Flur »Eisenhut« [d. i. Platz, wo mau Eisenreste
findet], bei Jagsthausen vom »Altenberg« [Berg = Burg, sehr häufig im hohenlohischen
Dialekt] begleitet, die lang sich hinziehenden Pfahläcker [Pfahläcker auch im Eichstädtischen
Döderlein, Pfahlheck S. 23], die auch nordöstlich von Jagsthausen wieder erscheinen, ^j
Die Einwohnerschaft des Vicus Aurelii bestand natürlich fast bloss aus Soldaten und deren
Familien. Diese gehörten anfangs zur VIII.,'*) später zur XXII.*) Legion. Die Hauptstadt
und Residenz des Stabs, in der letzten Zeit des Vicus zugleich die Residenz des Dux limi-
tis transrhenani , war Mainz. Den Oberbefehl im Städtchen führte natürlich ein Offizier
von einigem Rang, nach 2 Inschriften ein Excornicular, d. i. früherer Auditor oder Adjutant
des Generals oder Legaten [in Mainz] C. I. Rhen. nr. 1559. 1560. Ihm waren eine Cohorte
Helvetier und aurelianische Brittonen »coh. I. Helve et Brit. Aure« (nr. 1559) untergeben,
also Truppen, die ursprünglich in der Schweiz und in Britannien *) (noch genauer in Schott-
land) rekrutirt wurden -, auf andern Inschriften oder Ziegelstempeln erscheint ebenfalls diese
offenbar von Beckingen hieher verlegte Cohors prima Helvetiorum (nr. 1560. 1563 c~d.);
die in nr. 1559 erwähnten Brittones Aurelianenses dagegen sind etwas unklar,*')
1) Wahrscheinlich aus Misdeutung eines heidnischen Bildwerks, das einen Gott und einen Delphin
vorstellt, entstanden.
2) Bei der Aufzählung der einschlägigen Flurnamen habe ich absichtlich den Flurnamen Wallref-
fen bei Oehringen übergangen, welcher gewöhnlich sehr mit Unrecht auf den Römerwall bezogen wird.
Er rührt nämlich von einer bedeutenden Oehringer Bürgerfamilie Wallreff her. Auch Walldüren am
Limes hat nicht vom Römerwall seinen Namen, für welchen, wie oben erwähnt, die Deutschen schon
seit dem vierten Jahrhundert den Namen Pfahl festhielten — sondern von den Wallfahrten. Ganz falsch
und gegen die Aussprache des Volks ist die durch gelehrte Deutelei aufgebrachte Schreibung
Waldreffen (so auch auf der amtlichen Flurkarte, angeblich = Waldtraufe !) : der nächste Wald ist eine
starke halbe Stunde weit weg.
3) C. I. Rhen. nr. 1554 Steinschrift beim Orendelstein gefunden; Legionsziegel C. I. Rh. nr. 1563
nach Hanyaelmann, Beweiss I 39, auf der untern Bürg als Grabplatte gefunden (nach dem Kirchberger
Katalog auf der östlichen Seite der Stadt], aufbewahrt in Kirchberg a/J. — was ich mit Beziehung auf
Ilaugs Frage (röm. Inschr. von württ. Franken 46) anfüge.
4) Gestempelte Ziegelplatten dieser Legion sind nach Hansseimann, Beweiss IL tab. XII. XIIL zu-
sammengestellt und besprochen bei Haug* röm. Inschr. von württ. Franken S. 46. 47. Sie sind seh^
verschieden unter einander hinsichtlich der Zeichen (Capricornus, Donnerkeil, Mond u. a.) und der
Art, wie der abbrevicrte Titel der legio XXII. primigenia pia fidelis augebracht wird. Jetzt sind sie zu
Kirchberg.
5) Dass die Brittones nicht Bretagner waren, wie Lersch will Jahrb. der Alterth. im Rheinl. IX
€7—72, geht aus den Beinamen Caledonii und Triputienses aufs schlagendste hervor.
6) Ganz zweifelhaft bleibt die Inschrift einer Ziegelplatte BALR fin/B. C. I. Rhen. nr. 1563 e.
Von dieser durch Hansseimann als balneum restauratum interpretierten Inschrift konnte ich unter den
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sonst, nr. 1563 d., tritt ein Numerus Brittonum Cal(edomorum) und ein Numerus Brittonum
M. . .^) auf, letzterer offenbar identisch mit den früher zu Beckingen garnisonierten Brit-
tones Mu . . . nr. 1592. Möglich, dass der Numerus Brittonum Caledoniorum die ursprüng-
liche Besatzung des Orts bildete, durch die Verlegung der Beckinger Garnison dann ein
zweiter Numerus Brittonum, mit dem Beinamen Mu . . . hinzukam und dann nach Erhe-
bung des Ortes zum Vicus Aurelii beide Numeri Brittonum Brittones Aurelianenses genannt
wurden; wie auch zu Augsburg, Augusta, eine Ala Augusta lag, Hefner, römisch Bayern ^
nr. CLXXX. Numerus ist ein Manipel Grenzsoldaten, also die Unterabtheilung einer
Cohorte oder Ala, Chrysostom. ed. Montfaucon t. IX 177: GTceiqcc fonv, n y.ulnvf^itv vwl
vovfiEQov; vgl. auch Becker-Marquardt, Handb. der röm. Alterth. III. 2, 391. Probus
vertheilte 16,000 alamannische oder germanische Rekruten in den verschiedenen Provinzen,
ita ut numeris vel limitaneis militibus quinquagenos et sexagenos intersereret. Vopisc.
Prob. c. 14, 7. Von den Helvetiern wissen wir weiter nichts, als dass sie zur VIII., später-
hin wohl zur XXII. Legion gehörten, früher, mindestens bis 148 (nr. 1583), in Beckingen
lagen und keltische Götter verehrten (vgl. Hang, röm. Inschriften in württemb. Franken
S. 13—15). Die Brittonen dagegen gehörten zu den beUebtesten Milites limitanei. Wir
finden eine Cohorte in Noricum (Katancsich I 307 nr. 26) ; zuverlässig lag die Cohorte iTi
Brittonum am 1. Dec. 211 zu Eining bei Abensberg (bei Regensburg; Hefner röm. Bayern ^
S. 47 — 49). Dann kommen die Oehringer Numeri und der von Beckingen und weiter
nördlich der Grenze entlang zu Schlossau (C. I. Rhen. nr. 1732), zu Amorbach (C. I. Rh.
nr. 1745) und Eulbach (C. I. Rh. nr. 1394) Brittones Triputienses (von Triputium oder
Tripontium^) bei Rugby in Brittanien), bei Aschaffenburg ein Numerus Brittonum et explo-
ratorum Nemanincensium C. I. Rh. nr. 1751 ; Brittones Curvedenses lagen zu Heddernheim
übrigen Hansselmannischen Sachen zu Kirchberg nichts entdecken. Mommsen und Brambach halten
das L in BALR für falsch gelesen und beziehen die Inschrift auf die Brittones Aurelianenses. Es ist
mir nicht unwahrscheinlich, dass Hansselmann selbst noch die Entdeckung machte, dass er das V für L
gelesen, und dass er dann theils aus falscher Scham, theils aus Aerger, weil die Inschrift ihm nun ganz
unerklärlich blieb und jedenfalls für das an der Fundstelle aufgegrabene Bad nichtsbeweisend war, ab-
sichtlich vernichtet hat. Vielleicht war auch die ganze Inschrift ein einfacher Betrug, gleich seinen
sämmtlichen eingeritzten Inschriften des II. Bandes.
1) Der räthselhafte, auf der Untern Bürg gefundene Ziegelstempel lautet :
Er ist noch unerklärt (Hang a. a. 0. S. 48) und bedeutet vielleicht (?): numerus Brittonum M . . . sucura
(für sub cura vgl. Jahrb. der Alterth. im Rheinl. XLI, 154) Vaterculi (Vaterculus Proculus hiess der
Centurio, unter dessen Befehl, cura, das hiesige oder ein hiesiges Befestigungswerk vollendet wurde C.
I. Rh. nr. 1554, besprochen weiter unten). Hinsichtlich der nach unserer Auffassung mitten in dem
Wort sucura angebrachten Punkte kann man die auf Tafel II. phototypirte Minerveninschrift des Fau-
stius Faventinus vergleichen. Bedenklich bleibt die Auffassung von V = Vaterculi.
2) Noch stärker ist die Romanisirung des keltischen oder urgermanischen Städtenamens
Sumalocennae (Rottenburg) in Solicinium, schwächer die von Lopodunum in Lupodunum (bei Ausonius).
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C. I. Rh. nr. 1455; ein Ordo Brittonum war zu Niederbieber C. I. Rh. 694 und zu Cöln
C. I. Rh. 362 ; eine Vexillatio Britonura zu Holdreüt (Jahrb. d. Alterth. in den Rheinl. VII
61), Utrecht C. I. Rh. nr. 4 C. 26 und Nymegen C. I. Rh. nr. 139 h. Es lagen somit
bloss Auxiliartruppen helvetischen und schottischen Ursprungs, die sich natürlich allmählich
mit germanischen Elementen vermengten,') in unsrem Städtchen. Dem freien Germanien
gegenüber war wahrscheinlich keine so strenge Absperrung, wie diess bei Cöln z. B. der Fall
war Tac. bist. IV 64: denn die Einfuhr des Salzes aus dem Kochcrthale, von Weissbach
bei Niedernhall und von Schwäbisch-Hall selbst, konnten die Römer schwerlich entbehren.
Eine acht römische Cultur darf also im Vicus Aurelii nicht gesucht werden, sondern viel-
mehr eine keltisch-germanische mit römischem Firniss, und wie sie eben in Soldatenstädten
möglich ist. Ausser dem Militärcommandanten, beispielsweise jenem oben erwähnten Excor-
nicular, hören wir noch von einem Quästor oder Gemeindecassier (dergleichen z. B. auch
vom Vicus Belginum Jahrb. der Alterth. im Rheinl. III, 49. 52, von Verona, Brixia u. a.
bezeugt ist) C. I. Rh. nr. 1561 und von einem Collegium iuventutis, Genossenschaft der
jungen Männer nr. 1551. Dieses Collegium errichtete 1. Nov. 222 ausserhalb der Bürgen
(siehe den Plan) dem Kaiser Severus Alexander in tiefster Ehrfurcht (devotissimi) eine Ära ;
deren Widmungsschrift ich hier im Facsimile beifüge, weil auch noch im Corpus incriptionum
Rhenanarum von Brambach die zu ergänzenden Buchstaben theilweise auf einer Seite ge-
sucht werden, wo sie niemals gestanden haben können. 2)
7\ U V — o .
R I C O L L E
g i v /m i v v e n t
vt/1dev o t i s s i
m/nvminieiv
SySACRA N TK
A /l N O V • I M P • S
l£VE ROjjALEXA
/ndroavg • C O S
1) Germanische Grabhügel der Umgegend, z. B. einer bei Offenau 0/A. Neckarsulm, enthalten
Urnenfragmente römischen Ursprungs und andere römische Sachen, Sammlung des württ. Alterthumsver.
nr. 497, vgl. Schriften des fränkischen Alterthumsvereins 1863 S. 297 Ü.
2) Die ausserhalb des erhaltenen Steines angegebenen Buchstaben sind theils durch Conjectur er-
gänzt (die punktierten), theils waren sie bei Auffindung des Steines a. 1783 auf einem jetzt verlorenen
Fragment noch vorhanden, und zwar nach der Gestalt des Fragments in der oben angegebenen Lage,
nicht, wie es im C. I. Rh. verzeichnet ist. Der Stein wurde bei Erbauung des von Porzigschen Hauses,
wo jetzt das Kameralamt seinen Sitz hat, ausgegraben und von dem damaligen Gymnasiasten Weber,
späteren Verfasser des »Demokritc, sammt dem verlorenen Fragment skizzirt. Aus obigem, genauem
Facsimile erhellt, dass das S von EIYS auf der viertletzten Zeile gestanden hat; zwischen den Schen-
keln von V (Hang, Inschriften von württ. Franken S. 36) habe ich nichts von einem S bemerkt.
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Nach Haug, röm. Inschriften von württ. Franken S. 36 = <Jovi Optimo Maximo pro Sa-
lute Imperatoris M. Aureli Sev>eri oder <(Genio domini nostri M. Aureli Sev)eri coUegium
iuventuti(s) devotissimi numini eins sacrant kal(endis) Nov(embribus) Imp(eratore) Severe
Alexandro Aug(usto) cons(ule).
Solche Genossenschaften, angeblich zunächst zu dem Zwecke gegründet, ihren Mit-
gliedern gegen einen bestimmten Beitrag kostenfreie Bestattung zu sichern (Hirschfeld in
den Götting. gel. Anz. 1870 S. 1112 f.), hatten jedenfalls einen gemeinsamen Gottesdienst,
des Genius collegii iuventutis (Klein, röm. Mainz I, S. 9), verbunden mit festlichen Spielen,
lusus (Mommsen, de coUeg. p. V), eigene Fahnen, vexilla (Trebell. Gallieni duo c. 8, 6.
Vopiscus Aurelian. c. 34, 4), und eigene Kasse, arca (Orelli inscr. 2414. 2417. 2145. 4549).
In der Kaiserzeit war dieses Genossenschaftswesen fast in allen Provinzen verbreitet. Solch
ein Zusammenhalten der Männer für Spiel und Ernst war in Oehringen um so mehr ange-
zeigt, als ausser Jagd und Bad der Platz nicht eben viel Genüsse bieten mochte und auch
das Klima unfreundlicher war als jetzt, schon in Folge der vielen Sümpfe und Wälder; die
ältesten deutschen Epen, Beowulf, Heliand u. dgl. rechnen nach Wintern statt nach Jahren,
und Rhein, Donau und ßodensee überzogen sich viel öfter als jetzt mit einer eisigen Decke. ')
Auf den Bergen der Umgegend, wo wir heute die trefflichsten Piebenhalden haben, wuchs
damals noch keine Traube: denn von Domitian bis Probus, also während der ganzen Lebens-
dauer des Vicus war der Weinbau in diesen Ländern durch kaiserliche Satzung verboten,
angeblich damit weniger leicht Krawalle entständen, in Wirklichkeit wohl mehr, damit Ita-
lien die gewinnreiche Weinausfuhr zufalle; 2) und auch für die spätere Zeit bleibt es ein
Mythus, dass Probus und überhaupt die Römer Reben in Württemberg gepflanzt haben. 3)
Bei der Ländertheilung a. 842 zwischen Karl dem Kahlen, Ludwig dem Deutschen und Lo-
thar erhielt nach Regino ad h. a. Ludwig der Deutsche Speyer, Worms und Mainz um des
Weinbaus willen, weil damals noch kein Wein rechts vom Rhein wuchs, Hansseimann, Be-
weiss etc. I 150. So wird denn der Wein im Vicus theuer und spärlich gewesen sein; aber
die Fragmente von Amphoren aus den beiden hiesigen Bürgen (Kirchberger Samml. und in
meinem Besitz), vom benachbarten Oedheim (in der Staatssamml. vaterländ. Alterthümer zu
Stuttgart) und Jagsthausen (Festsche Sammlung),*) der weinlaubbekränzte bronzene Silen
von ebendaher, dann überhaupt die* im ganzen Decumatland verstreuten Amphoren und
Amphorenfragmente zwingen jedenfalls zu dem Schlüsse, dass der Rebensaft auch im Vicus
Aurelii nicht ganz unbekannt war. Wie unbedeutend auch im übertragenen Sinn der
Dienst des Bacchus im Decumatland war, geht daraus hervor, dass keine einzige Inschrift
1) Vgl. u. A. Jahrb. des Alterthumsver, im Rheiul. IV 123 f. v. Wietersheim, Geschichte der
Völkerwand. III 395.
2) Aus diesem letzteren Grund verboten auch die Franzosen im vorigen Jahrhundert ihren nord-
amerikanischen Provinzen den Weinbau.
3) Vgl. Düntzer in den Jahrb. des Alterthumsver. im Rheinl. II 32.
4) Auch Osterburken könnte erwähnt werden, von dem sich grosse Amphorentrümmer in der
Sammlung des Vereins für württ. Franken finden.
u
dieses Gottes gedenkt. ^) Statt des Weins mussten sich die Soldaten mit dem Bier begnü-
gen, dem echten keltischgermanischen Gerstensaft, der in der ganzen Kaiserzeit, von Taci-
tus bis Julian (Anthol. Gr. IX 368) — stets mit Verachtung ~ erwähnt wird. Und
zu diesem zweifelhaften Getränke kam ein harter Dienst: ausser dem eigentlichen Kriegs-
dienst mit Wachstehen, Exerciren und Kämpfen waren Ziegel zu brennen, Mauern und
Häuser, Thürme und Thore, Brücken, Brunnen und Strassen zu bauen, die Post zu versehen
u. s. w. und das alles unter der Zuchtruthe einer oft barbarischen Disciplin, wo Officiere
gesteinigt und gekreuzigt und Soldaten lebendig in Thierhäute genäht wurden. Wie werden
sich die Soldaten gefreut haben, wenn sie hinaus durften aus dem Banne der FestUDg inS
freie frohe Reich der Diana! Auf den hiesigen Vasenfragmenten, ebenso auf denen von
Jagsthausen und Osterburken, sowie auf den Steinreliefs von Hölzern und Neuenstadt, sehen
wir Jagden aller Art dargestellt: speerbewaifnete Männer mit verschiedenrassigen Hunden
verfolgen Hirsche, Rehe und Wildschweine (Abbildungen bei Hansseimann, Originale in Kirch-
berg). Von oben scheint die Liebhaberei begünstigt worden zu sein (vgl. Capitolin. Maximin.
c. 8, 4: solis veuationibus legiones frequenter exercens) und namentlich die Officiere werden
hier so gut als anderwärts 2) der nobeln Passion des Waidwerks gehuldigt haben. Rings
um den Vicus waren grosse Urwälder, wie sie ja selbst in der Nähe der Kaiserresidenz
Trier bezeugt sind (Auson. Mosell. 5. 6). Als unsere Flurnamen geschaffen wurden, lag
Oehringen am »grossen Walde a Meginhart — woher noch das benachbarte Mainhardt seinen
Namen hat — und in der Mitte des Ohrnwaldes, wo noch da und dort Elennthier') und Wi-
sent*) gehaust haben werden, während an Fluss und Bach wilde Schwäne^) und Gänse
1) Selbst das Denkmal von Lindau am Bodensee, wo »Bachust erwähnt wird, Hefner, röm. Bayern^
nr. XCIV, ist sicher eine Fälschung.
2) Vgl. die Votivinschrift eines römischen Reiterpräfecten Silvano invicto wegen des Fangs eines
ausserordentlich grossen Ebers in Northumberland. Lambe, exact and circumstantial history of the
battle of Floddon p. 67.
3) Diese treten, immer in auffallend kleiner Zahl, als Sinnbilder Deutschlands bei vielen Trium-
phen der Kaiserzeit auf, so bei Aurelians Triumph über Tetricus. Lenz, Zoologie der alten Griechen und
Römer S. 216 glaubt zwar, das Thier sei »in den Gegenden Germaniens, in welche die Römer vordran-
gen, nicht heimisch« gewesen. Doch dürfte Elchingen auf dem Härdtfeld bei Ulm, also diesseits des
Limes, durch seinen Namen anzeigen, dass das Elennthier oder der Elch, ahd. elaho. elho, daselbst einst
heimisch war. Noch im 10 und 11. Jahrhundert traf man es am Rhein, Ausland 1861 S. 1154.
4) Die Ortsnamen Wiesenbach 0/A. Gerabronn. Wiesentheid und Wiesenfeld im bairischen Fran-
ken, Wiesensteig (Wisentes steiga) bei Geisslingen wird man vielleicht sämmtlich als Belege für das
Vorkommen des Wisent zur Zeit der Alamannen geltend machen können. Noch zu Vegetius Zeit hatte
die römische Feldmusik Auerochsenhörner im Gebrauch (milit. III 5), cornua ex uris agrestibus, und nocii
im mitteldeutschen Rosengarten führt Hagen oben üp sinem houpte zwei güldin wisants hom, W. Grimm,
Deutsche Heldensage S. 253. Häufig unter den schweizerischen Pfahlbauresten, Ausland a. a. 0.
5) Für die Mosa ist der Schwan bezeugt, wie auch »ganta« durch Venantius Fortunatus miscell.
Vn 4, 11 ; Reste des wilden Schwans hat man. an der Schussenquelle in Oberschwaben gefunden (im
Stuttgarter Natnraliencabinet). Von den Gänsen sagt Plinius hist. nat. X. 53: candidi ibi (= in Ger-
mania), verum minores, gantae vocantur, pretium plumae eorum in libras denarii quini, et in de
15
nisteten. Hirsche, Wölfe, Wildschweine, Bären und Biber gab es nicht wenig, das sehe
wir aus den Dörfern Klein- und Gross- und Löschenhirschbach, Beringen (jetzt Bieringen,
Kausler, württemb. Urkundenbuch II 457), Wölfingen (Vulfiiiga, abgegangener Ort 0/A. Oeh-
ringen Kausler württ. Urkunden II 437), Bibersfeld und Biberach (schon a. 827 bei Heil-
bronn, Bacmeister, alem. Wanderung. 105); ferner aus den Berg-, Fluss-, Wald- und Feld-
namen (grosser topograph. Atlas v. Württemberg) : Hirschberg (mehrfach), Biber oder Biberst,
Beerberg, Bernbach, Bärenbronn, Sauhölzle, Säugraben, Wolf, Wolfsäcker (mehrfach) Wolfs-
bühl und Wolfsklinge.*) Wildschweine, geräuchert und ungeräuchert, galten als delicates
Essen (cf. Spartian. Verus c. 5 und sonst oft; Lauchert, das Waidwerk der Römer S. 17),
und ihre Zähne findet man fast in allen römischen und alamannischen Niederlassungen. *)
Die Bären liess man in den «Bärlisgruben« ^) oder Amphitheatern der grossen Städte, zu
Vindonissa, Aventicum, Basel-Augst, Augsburg, Strassburg, Mainz, Trier, Cöln u. s. f.
mit Auerochsen*) und anderen Tbieren, oft auch mit Menschen kämpfen, und so gross war
die Leidenschaft für diese Vergnügung, dass Salvian erzählt de gubernatione dei VI 15:
nach der dritten Zerstörung von Trier, ums Jahr 408, während die Leichen von Männern
und Weibern haufenweise nackt auf der Strasse lagen und von Vögeln und Hunden benagt
wurden, während Verwesungsgeruch und Seuchen die ganze Stadt erfüllten, sei der Vorschlag
gemacht worden, baldigst wieder die Schauspiele einzuführen, als sicherstes Mittel, der
Stadt wieder aufzuhelfen. In Oehringen kann ich kaum glauben, dass derartige Lustbar-
keiten aufgeführt wurden, wenn man gleich in diesem Jahrhundert auf der untern Bürg
Bärenknochen gefunden haben will und die Stelle bei Hansseimann, Beweiss etc. H 134. 135
die Vermuthung fast aufdrängt, er sei ebendort auf Auerochsenknochen und -Zähne
gestossen.
Spuren eines Amphitheaters hat niemand entdeckt, dagegen aber eines ansehnlichen
Bades. Südlich vom jetzigen Orendelstein lag innerhalb einer Verschanzung aus Kalksteinen
ein umfangreiches Hypocaustum (Hansseimann, Beweiss II 136. 138); sein Mauerwerk war
crimina plerumque auxili orum praefectis a vigili statione ad haec aucupia dimissis
cohortibus totis, eoque deliciae processere, ut sine hoc instrumento durare iam ne virorum quidem
cervices possint. Die Ganta erwähnt auch Adso vit. sancti Walberti c. 5.
1) Auch Luchse gab es noch am Ende des siebzehnten Jahrhunderts im Hohenlohischen (Zeitschr.
des hist. Vereins für württ. Franken 1868 S. 92).
2) Ein tüchtiger Hauer aus den Römerruinen Osterburkens ist in der Samml. des Vereins für württ.
Franken; einer aus der röm. Niederlassung von Zazenhausen und solche aus den z. Th. römischen Pfahl-
bauten des württembergischen Bodensees in der Stuttg. Samml. vaterländ. Alterth.
3) Die Bärenloslassungsgruben — die Sylbe »lise bezeichnet hier nicht das Deminutiv. Den Namen
»Berlis- oder Bärlisgrubc für die Ruinen des Amphitheaters von Vindonissa unweit Königsfelden erwähnt
Haller mehrmals, Helvet. unter den Römern I 148. II 380. 390. 391; Bacmeister, alem. Wanderung. 131.
132; vgl. auch der >Berlich zu Cöln und der Perlach zu Augsburgf in den Jahrb. des Alterthumsv. im
Rheinl. XLII S. 64 ff.
4) Hörner von »Urochsenc und Bärenknochen will man in einem unterirdischen Gewölbe des
Amphitheaters von Vindonissa gefunden haben. Haller, Helvet. unter den Römern II 391.
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16
ganz massiv aus behauenem Sandstein, innen aber besonders auf dem Estrich waren Ziegel
verwendet, die mit den Stempeln coh. T Hei und n. Brit. Cal. Hansseimann II 146) und
B.AVR und A/R versehen waren (II 156, vgl. die Anmerkung S. 10), aus welch letzteren
somit hervorginge, dass das Gebäude nicht wohl vor Caracallus errichtet sein kann. Es
waren verschiedene Zimmer, alle tief in den Grund gelegt, mit Wänden aus behauenem
Sandstein (II 139): dieser war nach innen mit Gyps überzogen und roth, grün, blau und
gelb bemalt (II 157). Die Ausdehnung des Gebäudes von Ost nach West mass Hansseimann
auf 82' 6" (H 138). Das Wasser wurde von der 400 Schritte weg am Limes gelegenen
Ströllerquelle [nach Hansseimann, Beweiss II 140 in ausgehöhltem Sandstein] hereingeleitet
und hatte seinen Abfluss in die ganz nahe Ohrn.*) Leider sind die Trümmer bei ihrer
einzigen systematischen, aber unvollendeten Ausgrabung durch Hansseimann nicht darauf-
hin untersucht worden, ob man wirklich ein Bad, oder bloss ein Wohnhaus vor sich habe,
weil damals jede unterirdische Heizeinrichtung ohne weiteres caldarium, Laconicum u. s. w.
getauft und mit Benutzung der unterschobenen Malerei aus den Thermen des Titus (die
auch Hansseimann wieder abzubilden nicht unterlassen konnte) als Schwitzbad interpretiert
wurde. Doch sprechen die ganze Lage, die Wasserleitung, die Grossartigkeit der heizbaren
Räume und der Luxus, mit welchem das Gebäude ausgestattet war, -) sehr stark für die
Hypothese, dass hier das gemeinsame Bad der Besatzung entdeckt wurde, welches die auf
den Ziegeln genannten Helvetier und Brittonen sich bauten. Keinenfalls kann man anneh-
men, dass die hiesige Garnison kein Bad gehabt habe ; denn selbst die wenigen Truppen —
eine Cohorte Germanen — in dem unbedeutenderen Jagsthausen besassen nachweislich ein
gemeinsames Bad C. I. Rh. nr. 1608; und die Gegend, wo das beschriebene Hypocaustum
gefunden wurde, war ausnehmend günstig für einen solchen Zweck gelegen. Gegen den
Nordwind war es durch die auf der Nordseite im Halbkreis laufenden Mauern der Ver-
schanzung (Hansseimann, Beweiss II 157) und durch die tiefe Lage geschützt; südlich, wo
sich noch jetzt die schönsten Wiesen an der Ohm hinziehen, mögen Spaziergänge gewesen
sein, hin und wieder mit Statuen geschmückt; deren eine, ein Genius mit obstspendendem
1) Ein Wasserleitungsstück befindet sich im Museum zu Kirchberg unter den Hansselmannischen Sachen
und zwar nr. LXVI: »eine eiserne Röhrenbüchse, womit die Röhren der Wasserleitung in das Laconicum
zusammengefügt waren.« Dann nr. CXXVIII »eine kleine steinerne Rinne aus der Wasserleitung des
Schweissbades« aus Sandstein. Eine gleichartige Wasserleitung in massiven Sandsteinen, welche mit ein-
ander durch eiserne und bleierne Büchsen verbunden waren, hat man auch beim Graben in der Hahnen-
gasse gefunden. Bauführer Haug ist aber der Ansicht, dass die quer über die Hahnengasse laufende
Wasserleitung viel späteren, städtischen Ursprungs sei. Dann hätte sich wohl auch Hansseimann ge-
täuscht; denn die in meinem Besitz befindliche »Röhrenbüchse« aus der Hahnengasse ist vollständig
gleich der nr. LXVI zu Kirchberg. Die fragliche sandsteinerne Wasserleitung soll auch sonst an vielen
Orten der Stadt entdeckt worden sein und stammt vielleicht aus dem J. 1516 vgl. weiter unten. In
Jagsthausen und den andern Niederlassungen des Decumatlandes pflegen die römischen Aquäducte ge-
wöhnlich aus thönernen Röhren zu bestehen.
2) Bäder wurden mit Statuen geziert vgl. z. B. Quednow, Beschreibung der Alterthümer in Trier
tabb. XV und XVI.
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Füllhorn, zwar zertrümmert, sich noch gefunden hat ; ') westlich gegen das Städtchen hin
waren wohl Plätze zu Uebungen und dgl. Das Badgebäude selbst war mit allgj^ei Kunst-
werken verziert, mit Säulchen und andern Ornamenten von gelber und röthlicher Terracotta,
(Hansseimann II 168); ferner fand sich eine sehr kleine Statuette der Venus (? — nackte
: liegende weibliche Person, Hansseim ann II, tab. IX fig. 8) aus weissem Marmor (zu ver-
• gleichen das weisse Marmorbüstchen der Juno, bei Otterswang in Oberschwaben gefunden,
Stuttg. Samml. vaterl. Alterth.), das Fragment einer bekleideten sitzenden Statue (Hanssel-
mann II 168), ein Knabe von Bronze auf der Hand einer gi'össern Person sitzend, von einer
Lucerna (II 167); auch Haarnadeln (II 164), ein Schreibgriffel (II 163) und einige Waffen
(II 168) wurden ausgegraben, letztere wohl aus den Zeiten der Zerstörung;'') von Fresco-
_ gemälden und Mosaik entdeckte man nichts. — Auf der Westseite mitten hinter der Mauer,
von welcher das Bad schützend umgeben war, fand man, 60 Schritte vom Orendelstein
(Hansseimann I 31) folgende Inschrift C. I. Rhen. nr. 1554: ped(atura) •)• (= centuriae)»)
Jul(ii) Silvani sub cura Vaterculi Proculi -)• (= centurionis) legio(nis) VIII Aug(ustae) opus
per(fecit); d. h. eine Abtheilung der Centurie des J. S. hat unter der Aufsicht des V. P.,
Centurios der VIII. Legion, das Werk (wahrscheinlich wie oft Befestigungswerk) vollendet;
vgl. Jahrb. der Alterthumsfr. im Rheinl. XLI 154. Damit ist vielleicht die Verschanzung
um das Bad herum gemeint: es ist eine Mauer von Kalksteinen 6' breit 5' tief, der innere
Baum von West nach Ost 45 <> 4' 8" lang, von Nord nach Süd 30", auch noch breiter
(Hansseimann II 136). In westlicher Richtung über Gärten und Aecker, die schon zur
Römerzeit Aepfel,*) Birnen und Kirschen,"^) gallische Spargeln (Plio, bist. nat. XIX 145)
und andere Gemüse, Rosen, Lilien, Krokus, Veilchen und Immergrün (vgl. Billerbeck, flora
class. 45. 46. 60. 91) hervorgebracht haben mögen, ^) kommen wir vorbei am Platze der
1) An der Südseite des Bads fanden sich die Trümmer einer lebensgrossen Sandsteinstatue Hanssel-
mann, II 159—161: der unterste Theil des linken Fusses mit Sandalen bekleidet: der [nicht mehr vor-
handene] Kopf und Fragmente eines Füllhorns mit zierlichen Aepfeln; auch von der Inschrift am Fusse
die Buchstaben HD-D- C. I. Rhen. nr. 1556. Die Vergleichung der bei Dorow, röm. Alterth. in und
um Neuwied, tab. VIII abgebildeten Geniusstatuette aus Niederbiber und eines Geniusreliefs aus Eining
(Hefner, röm. Bayern ^ S. 48 nr. XXXIV) — an welchen beiden Orten ebenfalls Brittonen lagen —
macht wahrscheinlich, dass es einen Genius vorstellte. Weiter unten finden wir noch einen Geniustorso
auf der Obern Bürg.
2) Eine neue Abbildung dieser aller Gegenstände war nicht der Mühe werth. Der bronzene Knabe
ist aus der Kirchberger Sammlung verschwunden und befindet sich jetzt in Privathänden.
3) Vgl. Haug, röm. Inschriften von württ. Franken nr. 34 S. 40: Formen und Punkte der Ab-
kürzungen sind übrigens hier von mir nach meiner eigenen Copie richtiger wiedergegeben.
4) Was sich gewiss aus dem Füllhorn des Genius Hansselmann II tab. IX fig. 6 schlies-
sen lässt.
5) Nachweislich seit Tiberius am Rhein gepflanzt Plin. bist. nat. XV 103; vgl. Hehn, Kulturpflan-
zen und Hausthiere 292.
6) Vegetius empfiehlt milit. IUI 7 die Gartenpflege in befestigten Städten: ut hortorum
cura in virdiariis domorum vel areis exerceatur, utilitatis ac voluptatis ratio persuadet.
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18
Ära des CoUegiums iuventutis, wo Reste von Opferkrügen, ein halbes Schlacht- oder Opfer-
raesser und allerlei Knochen ohne Zweifel von Opferthieren in neuester Zeit ausgegraben
wurden, und gelangen zu der quer von Nord nach Süden laufenden Hahnen- [Hainen- bei
Hansselraann] d. h. Hennen- oder Römergasse, in deren Nähe wiederholt römische Münzen
(von Vespasian und Trajan) und Häusertrümmer (mit Cement, Ziegel, Kohfen u. s. w.) ge-
funden wurden; der alte Name Gasse — zu einer Zeit, wo noch nicht einmal Häuser dar-
an standen (denn dieser Theil der Stadt ist ganz jungen Datums) — weist auf den Römer-
weg hin, dessen sozusagen betoniertes Pflaster mit deutlichen Geleisespuren 6' unter dem
Boden sich noch findet. In neuester Zeit wurde eine ziemliche Strecke blossgelegt und ich
Hess die Breite untersuchen, welche gerade 8' betrug. Das Pflaster bestand aus einer etwa
1 V2 ' tiefen Schicht von halbgrossen und kleineren Kalk- bisweilen auch Sandsteinen, welche
durch eingegossene Backsteinmasse, auch durch Kalk aneinander gekittet und ausserordent-
lich schwer zum Zerschlagen waren. Unter den Ziegelscherben des Pflasters fand man auch
dergleichen Fragmente geschmackvoller römischer Hausverzierungen, wie es schien aus einem
Hypocaustum: ein Fingerzeig, dass die nicht mehr absolut nothwendig zum System der bei-
den Bürgen gehörige Strasse erst bei der Ausdehnung des Vicus gepflastert worden sein
dürfte. Man hat hier ferner mehrere Kuhhörner, einen Thierschädel und andere Knochen,
ein breites Hufeisen, einen Doppelbecher aus grünlichem Glas, eine viereckige eiserne Pfeil-
spitze, einen sehr gut erhaltenen Nagelbohrer, vermuthliches Wagengeräthe aus Eisen, Bronze-
blech mit Blatt Verzierung u. s. w. ausgegraben. Soweit es verfolgt wurde, hielt das
römische Pflaster die Richtung der heutigen Hahnengasse ein. Zur Römerzeit war sie offen-
bar nordwärts durch die ganze Obere Bürg fortgesetzt. Der obere Theil des sogenannten
Massholderbacher Kirchenwegs erscheint als ein Stück der Heunengasse, deren mittlere Partie
behufs Arrondirung der Wallreff'ischen Familiengrundstücke ein wenig westwärts verdrängt
wurde. Die Hahnengasse führt südwärts an einen Punkt der Ohrn, wo wahrscheinlich
schon zu Römerzeiten eine Brücke stand ; denn wenn auch die Römerbrücke selbst zerstört
war, so luden doch die Wege noch lange nach der Erbauung des mittelalterUchen Städt-
chens zur Benützung ein. Wie grosse Sorgfalt übrigens die Römer auf die Brücken ver-
wandten, ist durch viele Inschriften bezeugt. Geht man über die genannte Brücke, so kommt
man auf das Hungerfeld, den Hainenberg und an die Hainenklinge. Vom Bad bis zur
Hahnengasse sind es 1500'. 2500' weiter westlich gelangen wir wieder an eine Brücke,
wo ebenfalls höchst wahrscheinlich schon zur Zeit des Vicus eine gestanden hat. Unmittel-
bar an der Südwestecke der Unteren Bürg verband sie letztere mit der Post- und Militär-
strasse nach Beckingen und bildete zugleich einen Theil dieser Strasse. Die Wahl gerade
dieser Stelle zum Ohraübergang erklärt sich bloss aus den römischen Anlagen: für das
Mittelalter bliebe sie sehr räthselhaft. Substructionen aus Sandstein, welche auf einen
Brückenkopf oder einen Thurm am linken Ohrnufer schliessen lassen, wurden (nach Aussage
des Kaufmanns Hezel) bei einer Correction des Ohrnbettes und der Landstrasse eben an be-
sagtem Punkte vorgefunden. Die mittelalterliche Stadt reichte weit nicht bis an jene Stelle.
Die einstige Umwallung der Unteren Bürg scheint ein Trapez gebildet zu haben, das
sich einem Quadrat näherte. Gegen Westen ist der umschliessende Wall wahrscheinüch in
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19
der Linie gelaufen, wo jetzt ein Fussweg ist; zwar der Flurname Untere Bürg greift noch
etwas westlich über den Fussweg hinaus, aber die rechts davon so schöne Regelmässigkeit
der Gewendte und zugleich der Reichthum der Aecker an Ziegelscherben und importiertem
Sandstein hört vollständig auf; die Vermuthung liegt daher nahe, düss die Bezeichnung
dieser paar Aecker ursprünglich »unter der Bürg« und nicht »untere Bürg« gelautet hat.^)
So heissen auf der Ostseite der Stadt zwei Fluren »oberer« und »unterer Orendelstein«
statt »ober« und »unter Orendelstein«. Der Name Bürg oder Burg deutet bekanntlich in
zahllosen Fällen, soweit die deutsche Zunge klingt, auf befestigte römische Niederlassun-
gen. Eine Inschrift aus der Zeit Valentinians (304—375) erzählt: hunc burgum a funda-
mentis perduxerunt, Muchar, Noricum I 35. und Vegetius kennt das Wort burgum im
Sinne von Castell oder Fort. Burgstall sagte man noch im späten Mittelalter allgemein
und heutzutage noch an mehreren Orten statt Ruine.^) Gegen Westen war die Untere
Bürg durch die in sehr geringer Entfernung vorbeifliessende Ohm gedeckt ; an der Nordseite lief die
Mauer auf dem Grat des Berges hin, dann sind bergabwärts gegen den Ochsensee zu zwei künst-
liche Terrassen, die sicher einst umwallt waren und deren untere unmittelbar an den theilweise mit
sehr schroffen und hohen Uferrändern umgebenen See anstösst; gegen Osten kam die Obere
Bürg ; südwärts war ihre Grenzumwallung ohne Zweifel, wo der Flurname aufhört und das
sogen. Haag (vgl. das Streithaag und den Haghof, Bacmeister, alem. W^ander. 58. am Limes)
und der Stadtgraben sich hinziehen. Auf der Untern Bürg hat man vieles gefunden, vieles
auch leider verschleudert, ehe jemand im Interesse der Wissenschaft davon Notiz nahm.
Ausser vielem anderem, heizbaren und nicht heizbaren Wohnungen, Ställen, Magazinen, Schöpf-
brunnen und Gräbern, entdeckte Hansseimann bei seinen systematischen Ausgrabungen
besonders ein Castell mit 4V2' breiten Mauern und vier abgerundeten Ecken, 36 <* lang süd-
lich, 32 0 westlich und östlich, 33 <> nördlich; 3) darum lief ein Graben herum, über demselben
war wieder eine Mauer. Innerhalb der beschriebenen Verschanzung war ein Schloss mit
spitzen Ecken, 6^ 4' lang, 3'' 10' breit, von Hansseimann praetorium genannt (Beweiss etc.
I 46. 47), ausserdem noch Wohnhäuser und gepflasterte Strassen. Nördlich an der Aussen-
seite des Berges, dessen eine Abdachung die Bürg einnimmt, bemerkten und besuchten die
Knaben noch in diesem Jahrhundert einen unterirdischen gemauerten Abzugscanal, der in
den längst ausgetrockneten Ochsensee mündete. An vielen Stellen der Unteren Bürg fand
man verbrannte Balken und Gebeine (Hansseimann I 4L 47), Bronze- und Eisengeräthe,
1) Möglich bleibt es übrigens, dass es mit dem Flurnamen »Untere Bürge für diese Aecker seine
richtige Bewandtniss hat; denn wenn sie auch offenbar ausserhalb der Mauer lagen, so hat doch der
Bereich des Vicus westlich gewiss bis an die Ohm sich ausgedehnt, deren künstlich verstärktes Ufer die
äusserste Vertheidigungslinie bildete. Die fraglichen Aecker sind überaus fruchtbar.
2) Das Wort tritt theils als Appellativum theils als Xomen proprium auf: schon im achten Jahr-
hundert heisst eine römische Poststation (mutatio) in Oesterreich ob der Ens (Noricum) Burcstol, Gais-
berger, archäolog. Nachlese III 256.
3) Schwer zu vereinigen mit diesen Angaben Hansseimanns ist die Abbildung I tab. IV 1, wo
die Nord- und die Südseite gleich lang gezeichnet sind. Bd. II 120 gibt er die Ausdehnung von Nord
nach Süd auf 214 Schritte an.
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Becher (I 41), Messer, Griffel u. s. w., auch Gefässe von Terra sigillata mit gepressten Fi-
guren und Stempeln (Albinus,Jassu und Aper).') Das merkwürdigste wurde durch Unverstand
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1) Weil meine eigenen Aufzeichnungen über die in Kirchberg aufbewahrten Hansselmanuschen
Stempelfunde mit den Angaben Hansselmauns, Fröhners u. a. keineswegs in allen Theilen übereinstim-
men, so will ich sie hier anfügen:
IAI .RiNIV/QPP I = A-lbinus fecit, Fröhner inscr. terrae coctae 58 — 62 (Voorburg, Friedberg, Wein-
' heim, Mainz, Cöln, London, Regensburg, Ensdorf).
IA'DCD^'^l ^^ Aper fecit, Fröhner 121 — 12 7 (Trier, Biegel, Windisch, Rotweil, Augsburg,
' Yechten, Friedberg, Rosenauberg).
I lASSVFIlCl ^"'' ^*6'^i = lassus fecit, vgl. Macrinu statt Macrinus, Fröhner 1413 u. v. a.
I I V\\A ITA I ^^ Atinni, Atinnius, nur hier (nach andern = arte Inni).
j\INV8-CE )und jlNVSf-l
;= Maximinus, Albinus fecit? vgl. Fröhner 1538 — 1539 (Maximinus
zu Voorburg, Soissons, Maulevrier).
Maior fecit, Fröhner 1429—1480 (Bonn, Heddemheim).
///VSFE I «nd iVlj das I etwas undeutlich.
Zwischen
JAL/ = Albiaus?
I.. . . I = Venalis? vgl. Fröhner 2077—2079 (Venalis m. Rotweil, VIIN Riegel).
VH. -:/\L.IJ yjj ^^^ ^ .^^ Raum für 1—2 Buchstaben; andere wollen Vitalis lesen.
I"^^"""^^"! = Verecundus, Fröhner 2090— 2100 (Rot weil dreifach, Hunenburg. Friedberg, Speier,
2mZlL,^Lmmmmmi Vcchtcn, Ricgcl. GalgCH bei Zürich, Zülpich, Voorburg, Neuss). Diese beiden Stempel
waren von Hansseimann an bis jetzt ungenau publicirt. Ausserdem erwähnt noch Hansseimann, vergl.
Hang, römische Inschriften von württembergisch Franken S. 94 die Stempel — — ^^^^— — ^— ^^—
mit uoigekehrten Buchstaben,
w
\..
I MAN CELIV. I
^iLLygp (Agedillus, Lillus, Marcillus, Meddillus, Tarvillus, Uxxopillus?)
///AINV2llF '^^"^ Zweifel = dem oben für Maximinus fecit erklärten
Stempel, nach Haug a. a. 0. = Fesunia = fecit Sunia. . Diese Stempel, beziehungs-
^» Ip C^ V jf Ij weise den von . . . illus und den räthselhaften mit Man Celiu habe ich
^ l^ /V \/ v' mehrmals vergeblich zu Kirchberg gesucht. Gefunden dagegen habe ich noch
y X ' /y aussen an einer Amphora ein eingepresstes P und eine interessante unten
am äusseren Rand eines Gefässes aus rother Erde eingeritzte, gewiss
echte Inschrift, die ich im Facsimile beifuge.
= Servi//// ; vgl. die beiden eingeritzten Namen von Jagsthansen weiter unten.
sehen zu haben. Zu lassus, der auch bei Frankfurt und Speyer auftaucht,
Fröhner nr. 1174, vgl. man den Töpferstempel lossa von Niederbieber, Dorow,
röm. Alterth. in und um Neuwied S. 123. Fröhner nr. 1214 sq. — wo übri-
gens die Herkunft nicht angegeben ist. Der häufige Name Vitalis kehrt in Stein gemeisselt zu Olnhausen
wieder, Haug a. a. 0. S. 55. 56. C. I. Rhen. nr. 1617. Es war ein geborener Augsburger und gehörte
zur XXII. Legion.
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21
zerstört, nämlich (I, 45) drei mehrere Ellen lange und breite Inschriftenplatten. Die nicht
selten auf dieser Flur gefundenen Münzen sind, soweit sie zuverlässig beobachtet wurden,
keinesfalls jünger als Tetricus. Nach Hansseimann, der in diesem Stück nicht kiitisch ge-
nug war, könnte man glauben, es finden sich welche aus dem vierten Jahrhundert (150).')
Von Kunstwerken ist zu erwähnen das Fragment einoj* grauen Gesichtsurne (Hansseimann
I 38. 1 tab. VI fig. 8) mit Nase und beiden Augen, bei uns Taf. VII 2, von gleicher Art wie die
bei Lindenschmit, Alterthümer unserer heidn. Vorzeit I, VI G, 13 abgebildete aus einem
Grabe bei Castel gegenüber von Mainz; ferner das 9" dicke Fragment einer Säule aus
Sandstein mit etwas zerstörtem Capital, zu den Ruinen des obenangeführten Schlosses ge-
hörend (Hansseimann I 47); sodann ein Siegelring mit breitem vergoldetem Streifen und
goldgefasster Gemme, einem dunkelrothen Carneol, halb so gross als wir ihn auf Taf. IV 3
abgebildet haben. Darauf sehen wir in vertiefter Arbeit fein und trefflich ausgeführt einen
geflügelten jugendlichen Genius, das Haupt von einem Lockenkranz umgeben, den rechten
Arm auf die umgekehrte, noch brennende Fackel stützend, die andre Hand an der Wange:
es ist die bekannte Scene, «wie die Alten den Tod gebildet«, hier in klassischer Einfachheit
und Zartheit. Aehnliche Darstellungen bei Lessing »Wie die Alten den Tod gebildet« Taf.
IV— VI. und besonders eine übrigens an Kunstwerth viel geringere Gemme bei C. W. King,
Q. Horatii Flacci opera illustrated from antique gems, London 1869, p. 67. Müller, Hand-
buch der Archäologie ^ p. 642. 758. Unsere Gemme ist leider in mehrere Stücke zersprun-
gen, daher, namentlich in der Gegend des Gesichtes, undeutlich. Die 4 Buchstaben um
den Genius herum, oben VS unten TI hat man zu deuten versucht (Walch bei Hanssel-
mann, Beweiss II 125; Haug, röm. Inschriften von württ. Franken S. 41): vivus suo testa-
raento iussit d. h. er verfügte bei Lebzeiten testamentarisch das Mitgeben des Ringes ; minde-
stens würde man viva interpretiren müssen, da es sich von einem Frauengrab handelt
1) Auch in einigen anderen Puncten scheint Hansseimann, besonders als er den II. Band seines
Beweisses etc. abfasste, vom kritischen Scharfblick verlassen worden zu sein, während seine Ehrlichkeit
keinem Zweifel unterliegt. Die angeblich römische Flora II. tab. IV fig. 6 erscheint auf den ersten
Blick als das thönerne Modell einer Flora aus dem Ende des XVII. oder Anfang des XVIII. Jahrhun-
derts, wie sie den hiesigen Hofgarten geschmückt haben mag, mit eingezogenem Rücken, bauschigem,
gerade bis unter die Brüste ausgeschnittenem, wenigstens absichtlich geöffnetem Rock. Fast unglaublich
ist es, dass Hansseimann die Bd. II tab. XIV abgebildeten 8 Fragmente von seinen rothen Gefässen mit
eingeritzten Schriftzeichen für echt halten mochte, z. B. KREUZ .5 = 5 Kreuzer. Der Fälscher hatte
keine Ahnung davon, dass die Römer nicht schon der arabischen Ziffern sich bedienten, geschweige
davon, dass sie das grosse U so wenig kannten, als die Schreibung KR. Er kratzte einfach nach dem
Vorbild des nächsten besten Kreuzers und nach eigener Phantasie beliebigen Unsinn ein. Plato-Wild (aus
Regensburg) versuchte die Kritzeleien aus dem Brittischen zu erklären (!). wie Haug a. a. 0. S. 59 er-
wähnt, mit dem Beisatz, dass er es dahingestellt lassen müsse. Wer aber die betreffenden Fragment-
chen in Kirchberg mit Augen sieht, wird an ihrem wirklichen Ursprung keinen Moment zweifeln. Wir
haben die plumpste Fälschung vor uns. Vom gleichen Schlag und aus der gleichen Zeit ist die Inschrift
»Porcelle« d. h. Porzellan, welche Stiber, historische und topographische Nachrichten von dem Fürsten-
thum Brandenburg-Onolzbach S. 866 ff. mit folgenden Worten anführt: »oUae nostrae scripturas etiam
respuunt, unica in fundo has habuit litteras: »Porcelle.c
.ift^Viäßaia. .^ rTjii^jdl^.xlA.^.'
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22
Nach Hansseimanns gewiss zuverlässiger Angabe fand sich nämlich unser Siegelring zwi-
schen den Zähnen eines Skeletts in einem Frauengrab; an der rechten Seite des Kopfes
lag ein Ohrgehänge, bestehend in einer kleinen goldgefassten Bronzemünze mit goldenem
Oehr. Was die Münze einst vorstellte, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit herausbringen,
weil sie sehr stark vom Rost zerfressen ist (Hansseimann H. 123. 124). Ich glaube aber
die Züge der älteren Faustina noch zu erkennen.') Für interessant halte ich auch den
Fund eines schönen Ammoniten unmittelbar unter einem römischen Grab (Hansseim. I 106),
sofern derselbe wahrecheinlich mit Absicht als eine Art Amulet unter die Platten des Gra-
bes gelegt worden ist. Denn auch sonst im Decumatland hat man solche räthselhafte Am-
moniten aus der heidnischen Zeit entdeckt : so zwei bei Hettingen unter der Erde bei
Grabhügeln ; sie sind durch Entfernung der inneren Windungen zu einer einfachen Schlange
ausgehöhlt und durch Anbringung eines Maules ist die Metamorphose in gar nicht so
übler Weise vollendet worden (in der fürstl. hohenzoll. sigmaring. Sammlung). Auch unter
den Sinsheimer Antiquitäten (zu Karlsruhe) sind mehrere durchlöcherte Ammoniten.
U eberschreiten wir von der Untern Bürg aus die sogenannte alte Strasse, welche,
nacbgewiesenermassen römischen Ursprungs,^) in ihrer noch bestehenden — im Mittelalter sehr
frequenten — direct nördlichen Verlängerung weithin auf keine Ortschaft, sondern auf die
Fluren Pfahläcker, Schildwache, Pfahldöbel u. s. w. führt, so kommen wir sofort auf die
Obere Bürg. Das auffallend terrassierte und ziegelreiche Terrain längs der alten Strasse
zwingt zu dem Schlüsse, dass hier einst Backsteinbauten und Erdwälle gewesen sein müs-
sen. Die Form des Umfangs lässt sich bei der Oberen Bürg nicht sicher muthmassen.
Offenbar ist die ursprüngliche regelmässigere Gestalt durch Ein- und Umsichgreifen anderer
Flurnamen, hauptsächlich durch die unter dem Namen Wallreffen arrondierten Grundstücke
der Familie Wallreff beinträchtigt worden. Der befestigte Nordrand der Oberen Bürg scheint
von der Nordostecke der Unteren Bürg aus in ostnordöstlicher Richtung der sogenannten
hohen Strasse 3) entlang gezogen zu sein, wo auch jetzt noch der Flurname aufhört. Die
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(Hv
1) Genius und Anhänger sind von Hansseimann ungenau abgebildet worden, namentlich ersterer,
der sehr ohne Verschulden zu einem Hut, einer langen Nase, rohen Gesichtszügen und einem unbegreif-
lichen Hakenstock gekommen ist, auf welchen er sich, statt auf die Fackel, bei Hansseimann stützt. Der
Kopf auf dem Anhänger wurde auch von Hausseimann als ein weiblicher aufgefasst. Die Münze scheint
mir eine vergoldete oder versilberte kleine Bronzemünze gewesen zu sein, wie solches geiUlschte Geld
nicht eben selten hier zu Lande gefunden wird. So wurde z, B. »im schwarzen Horb« unfern den
»Münzäckernc bei Oehringen eine eiserne versilberte Münze ausgegraben; und die Münzsammlungen in
Jagsthausen und Kirchberg an der Jagst enthalten vergoldete Münzen. Vergoldete Bronzemünzen fand
man auch sonst in Gräbern, so eine dergleichen von Philippus Arabs bei Wels in Oberösterreich, Gais-
berger archäolog. Nachlese HI 258. Unser Anhänger ist abgebildet Taf. VH 8.
2) Das untenliegende römische Pflaster wurde bei Gelegenheit des Eisenbahnbaues an einer Stelle
aufgedeckt.
3) Diese eben an der Nordostecke der Untern und an der Nordwestecke der Oberen Bürg beginnende,
nordöstlich ziehende Strasse, bis zum Limes ohne Zweifel gleich einer Menge Hoch- und hoher Strassen ein
Römerwerk, heisst bei Hansseimann II tab. II »hohe Strasse«; die zwischen beiden Bürgen ziehende da-
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Ostgrenze ist durch einen ziemlich tiefen Graben theilweise noch bezeichnet; er geht von
Nord nach Süd parallel mit der »alten Strasse« und dem Westrande der Obern Bürg, und
mit ihm hört die Benennung «Obere Bürg« gegen Osten auf. Die Südgrenze wird wohl
eine Fortsetzung des Südrands der Untern Bürg gewesen und bei der Anlegung der mittel-
alterlichen Stadt der vorhandene Römergraben als nördlicher Stadtgraben ausgebeutet
und vergrössert worden sein; aus den Ruinen des römischen Bollwerks wurde ein
Haag.
Auch auf der Obern Bürg, beziehungsweise dem dazu gehörigen Theil des Wallreffens
entdeckte man Wohnungen mit unterirdischer Heizung, etliche Gräber, gepflasterte Wege,
Vasen und andere Geräthe, darunter den oberen Theil eines eisernen Helmes mit Kamm,
identisch mit dem von Niederbieber (abgebildet bei Lindenschmit, Alterth. unserer heidn.
Vorzeit I, IX 5, 2), wo, wie oben bemerkt, ebenfalls Limitanei und Brittonen lagen. Ferner
werden erwähnt eine bronzene Frauenarmspange in der so beliebten Form einer Schlange,
die sich in den Schwanz beisst: fast einen Fuss lange bronzene Haarnadeln; eine Art
Bronzemosaik. 1) Ganz besonders interessant aber waren die mancherlei Gegenstände der
Kunst und des Cultus, welche hier in südöstlicher Gegend beim Eisenbahnbau gefunden
wurden. Sie zeugen von einem namhaften Sinn und Talent für Sculptur, wie man sie in
diesem entlegenen Winkel des römischen Reichs niemals gesucht hätte. Zwei steinerne
Minervenstatuen, leider der Köpfe und Arme beraubt, gehören entschieden zum schönsten,
was überhaupt die Römer in Süddeutschland hervorgebracht haben. Sie sind im Königl.
Württemb. Lapidarium zu Stuttgart aufgestellt, nr. 143 und 144. Nr. 143, 3' 4" hoch, ist
recht hübsch und auch von hinten ausgeführt. In hoher schlanker Gestalt steht die Göttin,
als Königin der Schlachten aufgefasst, und sicher einst mit Lanze, Schild und Helm be-
wehrt, vor unsern Augen, mit nur zu reich, doch schön drapiertem Gewände bekleidet:
auf dem glatten Brustharnisch das grinsende Gorgoneion. Vom Schilde, auf dem die linke
Hand wohl ruhte, ist noch ein Stück erhalten ; der rechte Arm war einst erhoben und hielt
majestätisch den Speer. Von der Inschrift am Sockel sind bloss die Buchstaben H • D noch
übrig. Das Material ist bei dieser Statue wie bei den sonstigen Steinbildern und Inschrif-
tentafeln des Vicus ein sehr feinkörniger gelber Sandstein, wie er in der Umgegend bricht
und auch zu den römischen Denkmälern von Heidelberg, Ladenburg, Osterburken u. s. w.
besonders gerne benützt wurde.^) Die zweite kleinere und etwas gedrungenere Minerven-
gegen »alte Strasse«. Da beide ganz verschiedene Richtungen haben, hielt ich es für besser, sie durch
Festhalten an diesen überlieferten Namen zu unterscheiden, als die ostnordöstlich ziehende Strasse eben-
falls »alte Strasse« zu heissen, wie die amtliche Flurkarte thut.
1) Armspange und Haarnadeln gefunden nach Aussage der Frau Diakonus Böckheler; die Arm-
spange wanderte (nach Kaufmann Reinhardt) durch Judenvermittlung nach Mainz, üeberhaupt sind
die meisten kleineren Gegenstände, welche beim Eisenbahnbau hier gefunden wurden, Vasenfragmente
u. B. w. elend wieder verschleudert worden. Ein Stückchen der Bronzemosaik besitzt Herr Diakonus
Böckheler. Eine ganz gleiche Schlangenarmspange und Haarnadeln hat mau auch zu Niederbieber aus-
gegraben, Dorow, röm. Alterthümer in und um Neuwied S. 69. 144.
2) Vgl. Correspondenzblatt der deutschen Alterthumsvereine XVI 1868, 8 S. 64. Sprechend ähn-
lich ist die gleichfalls köpf- und armlose Minervenstatuette aus Kalktuff, gefunden in den alten Stein-
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Statue 2' 7" 1'" hoch, nr. 144, zeichnet sich vor der grösseren durch freie, ungezwungene
Haltung und durch schönen natürlichen Faltenwurf sehr zu ihrem Vortheil aus und ver-
dient gewiss die ihr gewordene Ehre phototypisch dargestellt zu werden, um so mehr als
ihr bisheriges Bild (in den Heften des württemb. Alterthumsvereins) sehr zu ihren Ungun-
sten von der Wahrheit abweicht. Diese Statue ist hinten nicht ausgeführt und stand somit
an die Wand wahrscheinlich eines Tempels gelehnt, zu dem einst die am gleichen Platze ge-
fundenen Säulentrümmer (Stuttg. Lapidarium nr. 111—114) gehörten. Die im Facsimile im
C. I. Rhen. nr. 1561 und bei der obenerwähnten Abbildung in den Jahresheften des württ.
Alterthumsvereins, am genauesten aber auf unsrer Taf. II mitgetheilte Inschrift an der
Basis der Statue sagt: in honorem domus divinae Signum Minervae suo impendio restituit
Faustius Faventinus ^ quaestor Lupo et Maximo consulibus = 232 nach Chr. Auch der
behelmte Kopf einer Minerva aus Bronze (Stuttgarter Antiquarium nr. 212, gut abgebildet
bei Lindenschmit, heidn. Vorzeit II, XI 2, 6 und auf unserer Tafel IV 2) wurde daselbst ge-
funden: ein Werk etrurisch-alterthümlichen Stiles, also zusammenzustellen mit den im
Festprogramm von 1870 durch aus'm Weerth behandelten etruskisirenden Bronzestücken
aus Wald-Algesheim. Der Kopf ist ohne hintere Hälfte maskenartig abgeschnitten, wie es
bei bronzenem Wand- und Altarschmuck oft der Fall ist, vgl. besonders den bronzenen
Stierschädel von Hochmauren bei Rotweil (in der Rotweiler Sammlung) und (weiter unten)
die Amazone von Jagsthausen. Von einem Bruchstück einer Bronzestatue zu reden (Lin-
denschmit, heidn. Vorzeit II, XI 2, 6) ist ganz unrichtig. Das Stück ist vielmehr vollständig
in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten, nur von der Nase ist ein Theil abgebrochen.
Auf dem dargestellten Helmstück erblickt man eine Wiederholung des Gesichts der Göttin ;
sie trägt also einen der Bildung des Gesichts entsprechenden Visirhelm, wie ein solcher
Z. B. bei Wildberg gefunden und in den Schriften des württ. Alterthumsvereins Bd. II 1,
S. 53 veröffentlicht worden ist. Uebrigens ist bei unserm Minervenkopf die Idee des Visir-
helms nicht ganz richtig durchgeführt, aber unverkennbar angedeutet, wie man namentlich
aus der Profilzeichnung bei Lindenschmit a. a. 0. fig. 6 b sehen kann. Sehr ähnhch ist
der Minervenkopf aus Stein von Fliessem unfern Trier, abgebildet Jahrb. des Alterthumsv.
im Rheinl. IV tab. VIII 9, mit ganz gleichem knöpf- und kammlosen Visirhelm, der im
Verhältniss zum Kopf ebenfalls zu klein scheint. Unser Oehringer Minervenkopf ist jedoch
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brüchen zu Blaidt bei Andernach, abgebildet Jahrb. des Alterthumsv. im Rheinl. XVIII tab. II; beson-
ders ähnlich erscheint die Profilansicht von der rechten Seite.
1) Die mit der römischen Vorliebe für allitterierende Namen harmonierende Form Faventinus (ein
auch sonst im mittleren Rheinland gebräuchlicher Name, so bei Zahlbach [Mainz] C. I. Rhen. nr. 1237,
zu Speyer C. I. Bhen. nr. 1804, zu Heddernheim, Töpferstempel bei Fröhner, inscr. terr. coctae nr. 1070.
geschrieben ^^ITINVS ^^* "^^"^ jeden Zweifel erhaben, wie man auf unserer phototypischen Dar-
stellung mit dem Vergrösserungsglas untersuchen kann. Ich führe dies an, weil der neueste Heraus-
geber der Inschrift, Hang, in der Zeitschr. des bist. Vereins für württ, Franken 1871 S. 45, Aventinus
liest. Der Stein ist überhaupt so sorgfältig gemeisselt, dass alle Buchstabenformen aufs deutlichste er-
kennbar sind.
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entschieden von besserer Arbeit als der von Fliessem. Die Göttin des Kriegs und der Industrie stand
in ausnehmend hohem officiellem Ansehen. Sie erscheint auf den Münzen von Domitian, Cenmiodus
und Geta (Haller, Helvetien unter den Römern II 156), und Manlius Statianus betete im Senat zur
Zeit des Probus : » Juppiter optime maxime, Juno regina tuque virtutum praesul Minerva, tu
orbis Concordia et tu Romana Victoria, date hoc senatui populoque Romano, date militibus, date
sociis atque exteris nationibus: imperet quemadmodum militavit! (Vopisc. Prob. c. 12, 7)«;
mit welchen Worten der vierseitige Altar von Nussdorf in der Pfalz zu vergleichen ist, wo
Juppiter, Juno, Minerva und Hercules abgebildet erscheinen (Hefner, röm. Bayern ^ nr. 18
S. 302). Die Göttin der Kriegskunst wurde am ganzen Limes und überall in dem von
römischen Soldaten wimmelnden Württemberg (bei Canstatt, Rottenburg, Köngen, Burg-
stall 0/A. Marbach, Conweiler 0/A. Neuenbürg, Zazenhausen und sonst) mit auffallender
Vorliebe verehrt und die Zahl der von ihr vorhandenen Statuen, Statuetten und Reliefs in
Stein und Bronze steht, wenn ich nicht irre, nur den Mercurdarstellungen nach. Ob sie
sich wie Mercur mit einer verwandten keltischen Gottheit verbunden hat (histor. Verein von
St. Gallen, die Schweiz unter den Römern S. 11), ist mir zweifelhaft, so lange kein kelti-
scher Beiname der Göttin entdeckt wird. — Sehr merkwürdig ist auch das in eben der
Gegend des Vicus gefundene Eponarelief, von hübscher Arbeit und wohl aus der gleichen Künstler-
werkstatt stammend wie die Minerven. Auch dieser Göttin ist offenbar von den einstürmenden
Alamannen der Kopf abgeschlagen worden. Wie immer in langem Gewände thront sie majestä-
tisch in der Mitte, auf dem Schoosse, wie es scheint, einst ein Körbchen mit Blumen [so die Epona
von Luxemburg, Jahrb. der Alterthumsfr. im Rheinl. III 50] oder Früchten* haltend, während
nach rechts und nach links je zwei Pferde von ihr wegschreiten — die nach rechts weg-
schreitenden sind übrigens ziemlich zerstört; ausserdem leidet das Relief an einer Verzeich-
nung, wie mau sagt, welche der Bildhauer verschuldet hat; die Pferde laufen einander
eigentlich mitten durch den Leib. Wir haben das Kunstwerk zum erstenmal abgebildet
Taf. IIL, das Original befindet sich im Stuttgarter Lapidarium nr. 129. Die Pferde haben
wie auf dem Relief von Beihingen und auf einem württembergischen Vasenbild des Töpfers
Comitialis (Paulus'sche Privatsamml. nr. 67) etwas plumpe Körperformen. Es scheint, dass
die im Decumatland ureigenthümliche Pferdera^e, von welcher man 3 Kiefer an der Schussen-
quelle gefunden hat, keineswegs von schöner Gestalt gewesen ist. Was die Composition
unsres Oehringer Reliefs betrifft, so erscheint Epona gerade so, mit Pferden, die nach rechts
und links von ihr wegschreiten, auch sonst, z. B. im Mutterlande unsrer Helvetier auf dem
Relief von Muri im Aargau (Haller, Helvetien unter den Römern II 536). Epona, die kel-
tische') Göttin der Pferde, Esel und Maulthiere, war namentlich bei den Soldaten der
Kaiserzeit eine der populärsten und gefeiertsten 2) Gottheiten. Auch gerade von der in
Oehriugen vertretenen XXII. Legion existirt noch ein Denkmal aus der Zeit Heliogabals,
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1) Kambrisch ebol = Füllen, Bacmeister, alemann. Wanderungen 78 ; hinsichtlich der Endung vgl.
Divona, Axona, MatriJna (jetzt Marne), Carantonus u. a-
2) Das geht u. a. aus dem Ehrenbeiwort mater, MA in der Solothumer Inschrift, hervor. Auch
hiess die Gemahlin des Julius Sabinus Eponina. <"
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das im Vicus Salodurum d. i. zu Solothurn gefunden wurde (Haller, Helvetien unter den
Römern I 211. II 362); desgleichen ward ein Eponarelief zu Heddernheim am Limes aus-
gegraben, wo wie in Oehringen Brittonen lagerten, J. Becker, die Heddernheimer Votivhand
S. 6. Ueberhaupt aber finden sich ihre Denkmäler in Ungarn (acta literaria musei nat.
Hung. Budae 1818 p. 295), Oberitalien, Noricura, Vindelicien, Helvetien, dem Decumatland,
Gallia Belgica (C. I. Rhen. nr. 864. 865) und Britannien (cf. Hessel, thesaur. inscript. prae-
fat. ; Wiener Jahrbuch. Anzeigeblatt Bd. 108 S. 69. 70. Jahrb. der Alterthumsfr. im Rheinl.
VIII 131). Apuleius erzählt, dass er in einem Stalle ihr Bild mit frischen Rosenkränzen
geschmückt gesehen habe (Apulei. metam. III. p. 225 Oudend.). Auch im Vicus Aurelii wird
das Bild der stall- und pferdesegnenden Göttin sich ähnlicher Ehren erfreut haben. Ausser
einer Trankspende wurden ihr Schweine geopfert. Das ersieht man aus dem Eponai'elief
von Beihingen bei Marbach (Stuttg. Lapidar, nr. 60), dessen obere Hälfte die Göttin von
drei Pferden zur linken und vier zur rechten umgeben zeigt, mit beiden Händen eine Kugel
haltend; in der unteren Hälfte fährt auf vicrräderigem Wagen ein Mann mit drei Rossen:
rechts davon ist eine Opferscene: der Priester steht vor dem Altar, hinter ihm erblicken
wir den Opferkrug und ein Diener schleppt das Schwein herbei, das geschlachtet werden
soll. — Ausser den Minerven und der Epona hat man am südöstlichen Ende der Oberen
Bürg den arg verstümmelten Torso eines Genius, mit dem Ansatz eines Füllhorns (Stuttg.
Lapidar, nr. 130), sowie eine Hand (Lapidar, nr. 115) und den Huf eines Pferdes aus Sand-
stein (Lapidar, nr. 116), letzteren von ansehnlicher Grösse, ausgegraben: nebst den Säulen-
resten ein Beweis, wie viele schätzbare Sculpturwerke in dieser Tempelgegend des Vicus
durch die bösen Feinde und den Zahn der Zeit zerstört worden sind, theils auch, wenigstens
fragmentarisch, noch unter dem Boden stecken mögen. Und wer wollte zweifeln, dass auch
die Umgegend sich den Fleiss und das Talent der hiesigen Künstler möglichst zu Nutzen
machte und mit den Schöpfungen ihrer Hände Gelübde löste und Tempel und Haine
schmückte? So finden wir in dem drei Stunden nördlich von der Stadt am Limes gelegenen
Jagsthausen allerlei Kunstwerke in Bronze und Stein, die vermuthlich zum TheilOehringer Werk-
stätten entstammten. Fast ebenso weit westlich von der Stadt liegt das Dorf Hölzern, in
dessen vor Alter abgegangener Kirche einstzweirömischeSteinreliefs eingemauert waren. Das eine
gieng beim Abbruch der Kirche verloren, das andere wurde in das Stuttgarter Lapidarium
gebracht (nr. 120). Es enthält in vier Abtheilungen einen Cyclus mythologischer Scenen, lei-
der bis zur Unkenntlichkeit verwittert. Der auf allen vier Feldern auftretende jugendliche
Held — ohne Löwenfell — scheint im dritten .Feld einen erlegten Eber zu schleppen.
Und eine starke Stunde südlich von hier entdeckte man einst im Walde, nach der Volks-
tradition beim oder gar im Buchhorner See 0, einen merkwürdigen, sehr hübsch gearbeiteten
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1) Hansseimann, Beweiss etc. I 73: ». . . der . . . Stein . . ., welcher vor Alters allernäohst bey
diesem Ort [»Untern Haimbach«] im Wald aufgerichtet, hernach aber anfänglich an der Seiten dasiger
Kirchen eingemauert gewesen, weil er, wegen seiner Grösse, bequem zum mauren.« I 212: ». . . der
ohnweit . . . Windischen-Bach im Wald an einem Bach gefundene — nach Untern Haimbach transpor-
tirte . . . Stein.« Unweit der Stelle, wo er hiemach gefunden worden sein muss, ist ein »Frauenberg«
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Nymphenstein, der jetztaussen an der Kirche von Unterheirabacheingemauertist, schlecht abge-
bildet bei Hansseimann Bew. etc. I tab. X., richtiger bei uns Taf. III 2. Das Bild ist von gelbem Sand-
stein 1,66 m. breit, 0,895 m. hoch. Wir sehen drei schöne weibliche Gestalten neben einander
sitzen; die anmuthigen Gesichtszüge durch die Unbill der Zeiten leider zerstört ; um die un-
teren Theile der Schenkel ein schmales Tuch nachlässig geschlungen ; jede hält in der Rech-
ten einen Schilfstengel und hat den Kopf mit einem Kranz umwunden ; über ihnen in der
Mitte sind zwei Seepferde ausgehaueu. Keine Frage, dass der klassische Künstler, der das
Original dieses Reliefs schuf, drei Nymphen des Meeres und nicht die keltischen drei Müt-
ter darstellen wollte. 0 Aber hier im Binnenland, bei unsem keltischen Soldaten dachte
mau sicherlich bei diesem Bildwerk an nichts anderes als an die viel gefeierten und gefürch-
teten drei Mütter, 2) die den ganzen Limes entlang und in der Schweiz und in Brittannien ')
mit besonderer Auszeichnung verehrt wurden. Sie treten auch in zwei ßeckinger Inschrif-
ten C. I. Rh. 1586 als senonische Mütter (Senonibus Matronis cohors prima Helvetiorum)
und C. I. Rh. 1585 als Feldgöttinnen, Campestres, auf, und gerade unter dem Namen Cam-
pestres sehen wir sie zugleich mit der Epona auf der Limpurg bei Pföring unfern Ingol-
stadt von den römischen Grenzsoldaten verehrt (Hefner, röm. Bayern nr. CXIV). Es sind
drei Feen, die sich bald segnend, bald furchtbar zeigen, heute im unheimlichen Schauer
des Waldes, morgen im Erntesegen des Ackerfelds. Wer sie schaut, dem bekommt es übel
(Malvisae in einer Cölner Inschrift C. I. Rh. 362); aber in der Stille schaffen und wirken
sie all das Gute, was die Natur uns spendet, in W^ald (daher Suleviae C. I. Rh. 673, Sule-
vae Hefner, röm. Bayern nr. CVII; Sulfae Haller, Helvet. unter den Römern II 326) und
Auen (Campestres C. I. Rh. 1596; Hefner, röm. Bayern ^ S. 12), vom Frühhng bis zum
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— von einer Liebfrauen(Marien)kapelle darauf ist nicht die leiseste Spur erhalten. Die amtliche
0. A. Beschreibung von Weinsberg S. 129 behauptet, dass der Stein der Sage nach aus dem Sallen-
walde oder den Sallenäckern stamme. Meinen Erkundigungen nach vv-eiss »das Volke von einer solchen Sage
nichts. Wahrscheinlich beruht sie auf Erfindung eines alten Pfarrers, der die mittelalterlichen zu der
nahen Schlossruine gehörigen Trümmer in den Salläckern mit dem römischen Stein in willkürliche Be-
ziehung brachte und anderes gleich werthlose erträumte.
1) Denn diese pflegen ganz matronenhaft gekleidet zu sein und die zwei, welche zu äusserst sitzen,
haben regelmässig ungeheure turbanartige Hauben oder Wülste als Kopfbedeckung, sehr ähnlich der
Tracht der Baueruweiber in vielen Gegenden Europas. Vgl. die Abbildungen der Matronensteine von
Mannheim Jahrb. der Alterthumsfr. im Rheinl. XII tab. II, von Bonn XII tab. I, von SoUer bei Zülpich
XX tab. I, von «Müddersheim« XX tab. III.
2) Zu vergleichen ist vor allem der den Nymphen von den triputiensischen Brittonen bei Amor-
bach gesetzte Altar: welchen wie es scheint de Wal in seinem mir nicht vorliegenden Buche Moederg. 171
ebenfalls auf die Matres bezieht. Auch zu Titmanning in Oberbaj'eru finden wir eine Ära der Nymphen
Hefner, röm. Bayern nr. C S. 93. Zu Castel bei Mainz waren 2 Altäre deabus Nymphis (nr. 1328 Njrm-
fis) errichtet C. I. Rh. nr. 1328. 1329. Bei Hipfelsberg zwischen Ennetach und Scheer unfern des rechten
Donauufers fand man einen »Apolini Granno et Nimphisc geweihten Altar, v. Gok, röm. Alterthüm. und
Heerstrassen S. 116.
3) Z. B. ein Matronenstein von Lausanne. Haller, Helvet. unter den Römern II 326, und einer von
Netherby in Cumberland citirt ebendas. II 327.
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Herbst. Das Volk von Unterheimbach erzählt, dass es noch jetzt an jenem Steine nicht ge-
heuer sei, dass die Frauen bei Nacht kommen und besonders den spinnenden Mädchen
bei der Arbeit helfen. Diess habe ich selbst aus dem Munde der Leute gehört; und der
Schultheiss bestätigte mir, dass diess der Glaube der »ganz alten Leute« sei. Wenn man
sich erinnert, wie geneigt der grosse Haufe ist, ein Bildwerk nach seinen eigenen religiösen
. Anschauungen zu deuten, wie Maria und das Christuskind, Kain und Abel, der heil. Christoph
u. a. von unsern Bauern in der Glyptothek und auf der Wilhelmshöhe wiedergefunden
werden, wer möchte da zweifeln, dass unsre keltischen Soldaten nicht in jenen drei
Nymphen die hehren Göttinnen ihrer Heimath wiederfanden und andächtig verehrten?
. Werden doch sonst auch die Mütter dargestellt als drei neben einander sitzende Göttinnen,
mit Zweigen, Aehren, Früchten u. dgl., so auf dem Relief von Zazenhausen in Württemberg
(Stuttg. Lapidar, nr. 50). Und selbst die Parcen sind um dieser drei keltischen Mütter
willen im römischen Bayern zum Gegenstand des Cultus geworden (^Hefner, römisch. Bayern
nr. XCV).
Noch zwei andere keltische Götter, die wir in Beckingen treffen, dürfen oder müssen wir
im Vicus Aurelii als verehrt voraussetzen : den Mars Caturix (von Chorges unweit Embrun)
C. L Kh. 1588 und den Gott Taranucnus C. I. Rh. 1589. Sodann müssen wir auch den
zu Beckingen C. L Rben. 1583. 1592 bezeugten Fortunacultus, sowie den Dienst des gros-
sen Keltengottes Mercur (Beckinger Inschrift nr. 1591) für unsern Vicus in Anspruch neh-
men. Denn auch sonst im Decumatland (Stalin, württemb. Geschichte 1 109) und am Limes
(so zu Abbach bei Regensburg die auch in Beckingen verehrte Fortuna redux, Inschrift vom
J. 232 Hefner, röm. Bayern nr. LXI ; zu Obernburg C. I. Rh. 1747 und zu Aschaffenburg
Hefner, röm. Bayern nr. 41 — beides Stationen der XXII. Legion) und von den Brittonen
(vgl. das brittonische Opferdenk mal von Eining, Hefner, röm. Bayern ^ S. 48 und bei
Aschaff^enburg lagen auch Brittonen C. I. Rh. 1751. 1757) ward Fortuna, diese Lieblings-
göttin der Soldaten aller Zeiten, mit Gebet und Opfer geehrt, und für Oehringen bezeugt uns
diess ausdrücklich das einst von Hansseimann ausgegrabene, jetzt zu Kirchberg befindliche
Sandsteinfragment eines Flachbildes, auf welchem wie von einem Rahmen eingefasst Fortuna
mit dem Steuerruder in Vs Lebensgrösse zu schauen war; erhalten ist von dem einst hüb-
schen Bilde bloss das Steuerruder und der unterste Theil des rechten Fusses, ganz gleich
ist die Reliefdarstellung der Göttin auf dem Brittonendenkmal von Eining. Mercur aber,
der Gott des Handels und Geldmachens , kommt in den keltisch - römischen Grenzlän-
dern auf Bildwerken und Inschriften ') am häufigsten vor ; überall erhüben sich seine Tem-
pel (von Bayern allein wissen wir 6 Mercurtempel aus Inschriften: zu Augsburg nebst
einem PriestercoUegiuni von Quindecimvirn Hefner, röm. Bayern nr. XLVII, zu Regensburg
Hefner, röm. Bayern nr. LX; bei Pföring ibid. nr. LVIII; am Ufer der Schutter bei Ingol-
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1) Auf Bildwerken ist der Gott mit dem Geldbeutel und etwa noch mit Hahn und Bock entschie-
den am häufigsten; in der Zahl der Inschriften steht er nur Juppiter nach — der aber bekanntlich oft
genug bloss honoris causa erwähnt ist. In Bayern z. B. finden wir Merkur selbst 28 mal und seine
Matter Mala 2 mal, Juppiter 36 mal auf Inschriften, Hefner 1. c. S. 12.
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Stadt ibid. nr. XLVI; zu Ludenhausen bei Landsberg ibid. nr. LXVII; zu Irgertsheim Stalin,
württemb. Geschichte I S. 53) und vorzüglich bestrebten sich die Kaufleute (negotiatores
Hefner, röm. Bayern nr. LX), den grossen Gott des Vermögens (Mercurius Censualis auf
obiger Regensburger Inschrift), des Wechsclgeschäfts (Mercurius Cambus auf dem Denkmal
von Impflingen bei Landau Hefner, röm. Bayern nr. LXVI) und überhaupt der Kaufmann-
schaft (Mercurius Negotiator auf einem Stein zu Metz Murat. vol. I p. 49. 8) sich gnädig
zu stimmen. Und einigen Verkehr, wenigstens mit Salz (vgl. S. 12), *) wohl auch mit Ar-
beiten in Sandstein, mit Töpferwaaren, Pelzwerk und Gänsefedern (vgl. S. 14} werden wir
für den Vicus Aurelii durchaus annehmen müssen.
Ausser den die Miuerven betreffenden Inschriften hat man beim Eisenbahnbau 1860/61
einiges andere Epigraphische auf der Obern Bürg ausgegraben, nämlich drei fragmentarische
Inschriften, deren Text man bei Hang, röm. Inschriften von württemb. Franken S. 41 — 44.
C. I. Rhen. nr. 1558 — 60 nachlesen möge. Nr. 1558 wurde am 1. Sept. 169 gesetzt und
enthält eine Anzahl Namen von Freigelassenen und ihren Patronen, wobei besonders das
Vorkommen des aspirirten keltischen D, DB, merkwürdig ist (Haug S. 41). Einer der Frei-
gelassenen, Namens <(Ta)citus scheint sich als Arzt, me^dicus) zu nennen.^) Die zweite
Inschrift nr. 1559 überliefert uns, dass die I. Cohorte der Helvetier und die Brittones Aure-
lianenses für das -Wohl des kaiserlichen Hauses der Nemesis (übrigens bloss SI und ein
Theilchen des vorhergehenden E erhalten) ein Geschenk — wahrscheinlich eine Statue —
gewidmet habe und zwar unter der Statthalterschaft des Generals Publius Cornelius A(nul-
linus). Die hiesige Garnison stand damals unter dem Commando eines gewissen Titus oder
Titius, Ordonnanzoffiziers des Generals und ehemaligen Auditors (Excorniculars, Haug S. 44).
Ganz ähnlich lautet die trümmerhafte Inschrift nr. 1560, Haug S. 44, auf welcher aber die
Gottheit, welcher sie gilt, noch weniger ermittelt werden kann. Es sind bloss die Buch-
staben DE erhalten, woraus die einen Virodde, andere Iside, noch andere deae gemacht haben.
Der Tempelplatz, der uns zu Betrachtungen über die Religion unserer keltorömi-
schen Vicani überhaupt angeregt hat, lag, wie ben)erkt, am Westrande der Oberen Bürg.
Suchen wir von da in einem kleinen Bogen zu unsrem Ausgangspunkte, dem nahen Bade
am Orendelstein, zurückzukehren, so führt uns der Weg zunächst über einen gräberreichen
Friedhofplatz auf den Gewendten Lehmgrube und oberer Orendelstein. Man hat auch
anderwärts die Bemerkung gemacht, dass die Begräbnisstätte der Soldaten ausserhalb der
1) Salz wird auf der mitten durch die Oehringer Bürgen ziehenden, also sperrbaren, Hochstrasse
vom Kocherthal z. B. nach der Schweiz ausgeführt woi'den sein, da letzteres Land keine den Römern
bekannte Salzwerke besass und bei der ausgedehnten Viehzucht den Artikel unmöglich entbehren konnte.
Haller, Helvet. unter den Römern II 50.
2) Bei dieser gewöhnlichen und wohl auch richtigen Interpretation des fragmentarischen me ver-
bietet es sich von selbst, an Sklaven zn denken, wie schon geschehen ist. In der nicht sehr entfernten
Limesfestung Obernburg hat sich der Cohortenarzt M. Rubrius Zosimus, Freigelassener eines aus der
gens Rubria, durch einen Gelübdestein verewigt, Hefner, röm. Bayern nr. LXXII. Medici und Profes-
sores neben einander finden wir erwähnt auf einem Denkstein zu Aveutieur:! C. I. L. ed. Orelli
nr. 367.
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eigentlichen Festungsthore lag, so zu Vindonissa, ') Mainz und sonst. Da übrigens dieser
östliche und eigentliche Begräbnissplatz des Vicus Aurelii nur bei Gelegenheit des Eisen-
bahnbaues zufällig um eines Bahneinschnitts willen theilweise aufgegraben, die Resultate
aber weder genügend wissenschaftlich untersucht noch aufgeschrieben wurden, so konnte ich
nicht viel mehr ermitteln, als dass in der auf dem Plan angegebenen Ausdehnung eine
Menge Asche und viele Grablampen und Fragmente von anderen Gefässen aus Thon ge-
funden wurden. Ohne Zweifel würde man sowohl nördlich als südlich von der bezeichneten
Linie bei tieferem Nachgraben auf die gleichen Erscheinungen stossen. In der That hat
man ein wenig südlich davon beim Bau eines Hauses ein römisches Grab gefunden. Nimmt
man die von Hansseimann aufgedeckten und beschriebenen Gräber in den Gärten und an
den Gassen der Bürgen hinzu (Beweiss etc. I 39. 40. H 120—124), so gelangt mau zu fol-
genden Resultaten. Unterschiedlich, wahrscheinlich je nach dem Wunsch des Verblichenen
oder nach der Sitte der Nationalität oder Familie, begruben unsere Helvetier und Brittonen
bald den unversehrten Leichnam, bald verbrannten sie den Todten auf einem Holzstoss und
sammelten Asche und Gebeine in eine Urne. Im ersteren Falle fügten sie den Grund des
Orabes aus Sandsteinplatten, so breit und so lang, dass ein Körper darauf Raum hatte, er-
richteten an allen vier Seiten eine kleine Mauer, übergössen die Steinplatten innen mit
Kalk, legten den Leichnam hinein, so dass er nach Norden schaute, ^) gaben ihm eine zier-
liche thönerne Grablampe, 3) manchmal auch andere Dinge, die dem Todten einst im Leben
lieb und werth gewesen waren, Frauen ihren Schmuck, Kindern ihr Spielzeug*) mit, und
deckten das ganze mit einem Dach von Ziegelplatten, worauf Nummer und Name der Legion
gepresst war. — Oefters war auch das Grab bloss aus Backsteinen, nur an den vier Ecken
von Sandstein zusammengehalten, ein andermal war es nicht viereckig, sondern eiförmig.
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1) Haller, Helvet. unter den Römern II 389. 396 f.
2) Hausselmaun, Beweiss etc. II 123, eine auffallende Wahrnehmung, von welcher er behauptet, dass
sie auch für Gräber, die im I. Bde. beschrieben sind, zutreffe. Sie erklärt sich bloss als Accommodation
an die Landessitte: denn in den germanischen Grabhügeln der hiesigen Gegend ist dies die regelmässige
Lage der Todten. Sonst bekanntlich pflegen die Leichname von den Römern in der Richtung von West
nach Ost gelegt zu werden. Hinsichtlich der Richtung gegen Norden vgl. man, was Wackernagel
(jtta TtKQoevTK S. 28 anführt: »die Griechen kehrten bei der Vogelschau das Antlitz nach Norden, wo
für alle indogermanischen Völker der Götterberg lag. Nordwärts schaute man beim Gebet, bei
Zaubersprüchen, beim Eid und Opfer.t Somit würde der Blick nach Norden dem gen Himmel ent-
sprechen.
3) Symbolisch, um die Grabesnacht zu erhellen; in den Grabmonuraenten der vornehmsten Römer
brannte wirklich ein Licht, wie in den Grüften christlicher Könige. Eine Grablampe, die von oben be-
trachtet den Eindruck eines grinsenden Aflengesichtes macht und deren Boden ein Loch hat, so dass
sie nie benützt werden konnte, aus der Flur Lehmgrube, besitzt Prof. Boger, abgebildet Taf. VII 1, das
gleiche grinsende Gesicht — wobei noch die Nase durchbrochen ist — zeigt eine bei Riegel ausgegra-
bene, in der Karlsruher Sammlung verwahrte Thonlampe.
4) Dass bis jetzt in Oehringen ein römisches Kindergrab aufgedeckt und beachtet wurde, ist
mir nicht bekannt. Das Mitgeben von Spielzeug in solche Gräber war aber bei Griechen und Römern
gebräuchlich und ist auch in den germanischen Provinzen der Römer constatirt.
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Die Gräber ragten über die Erde hervor und standen womöglich an einem Weg, damit
wenigstens das, Gedächtnis derer lebendig bleibe, deren Gräber mit Inschriften geziert
waren.') Gegenstände von Werth fanden sich bloss in den Gartengräbern der Biirgen und
ebendort gab es auch, wenn nicht alles trügt, steinerne Sarkophage mit ausführlichen In-
schriften; 2) auf dem Friedhof vor dem östlichen Thor haben wir, scheint es, nur die ein-
fachen Gräber gewöhnlicher Soldaten, die durch regelmässige Anordnung und Blumen und
Sträucher das Aussehen freundlicher Anlagen mögen geboten haben.
Nur wenige Schritte südUch von diesem Rosengarten muss einst ein grossartiges Denkmal
errichtet gewesen sein und zwar auf Kosten des Kaisers Maximinus Thrax. Dieser bei den
Soldaten ausserordentlich beliebte Kaiser ') unternahm bekanntlich einen grossen und siegrei-
chen Heereszug gegen die Germanen oder Alamannen (v. Wietersheim, Gesch. d.Völkerw. II 235).
Capitolinus erzählt darüber folgendes c. 12, 1 — 4. Peter: ingressus igitur Germaniam trans-
rhenanam per trecenta vel quadringenta milia barbarici soH vicos (incendit) — also 300 — 400
römische = 60—80 deutsche Meilen weit, wahrscheinlich von der Grenze an gerechnet^
verbrannte er die Dörfer der Deutschen (Hansseimann, Beweiss etc. I 7 und andere über-
setzen 30 — 40,000 Dörfer!); bei dem masslos hyperbolischen Stil der damaligen römischen
Siegesberichte wird die Verwüstung in Wirklichkeit kaum halb so weit gereicht haben
— greges abegit, praedas sustulit, barbarorum plurimos interemit, militem divitem reduxit,
cepit innumeros, et nisi Germani a campis (die Hss. amnes) ad paludes et Silvas confugissent,
omnem Germaniam in Romanam dicionem redegisset, ipse praeterea manu sua multa facie-
bat, cum etiam paludem ingressus circuraventus est a Germanis, nisi cum suo equo inhaeren-
tem liberassent. habuit enim hoc barbaricae temeritatis, ut putaret imperatorem manum
etiam suam semper debere. denique quasi navale quoddam proelium in palude fecit pluri-
mosque illic interemit. Den Ort dieser Sumpfschlacht kann man nicht mehr ermitteln.
An unzähligen Stellen, die jetzt trocken gelegt sind, waren dazumal Sümpfe. Völlig un-
begründet bleibt die sehr weitschweifig deducirte Ansicht Hansseimanns, dass der fragliche
Sumpf in der Nähe von Oehringen beim Dorfe Pfedelbach gesucht werden müsse ; wie auch
Hansseimann mit seiner andern Lieblingshypothese, dass Oehringen Arae Flaviae geheissen
habe, sehr im Irrthum gewesen ist. Das aber ist äusserst wahrscheinlich, dass der Kaiser,
der jedenfalls für das Zehntland und den Limes einiges gethan hat (v. Wietersheim, Gesch.
der Völkerw. II 236), persönlich im Vicus Aurelii gewesen ist. Ganz nahe beim Orendel-
stein entdeckte man im J. 1741 das zierliche Fragment eines Postaments und einen Frauen-
1) Vgl. die Worte Werthers bei Göthe, Leiden des jungen Werther: »Ach, ich wollte, ihr be-
grübt mich am Wege, oder im einsamen Thale, dass Priester und Levit vor dem bezeichneten Steine
sieb segnend vorübergiengen, und der Samariter eine Thräne weinte.«
2) Hansseimann gibt I 45 an: drei mehrere Ellen lange Platten mit Inschriften seien auf der
Untern Bürg gefunden, aber durcb einen Müller elendiglich zerstört worden, was ihn zu dem Ausruf ver-
anlasste: molitor redde inscriptiones !
3) Capitolin. Maximin. c. 8, 2 sagt, er habe die Soldaten praemiis et lucris amanti^simos
gemacht.
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köpf aus Sandstein mit der Frisur einer römischen Kaiserin (abgebildet auf Taf. IV 1)
und ausserdem folgende Inschrift aus dem J. 237 : (C. Julius Verus) Maximiuus (P. F. Aug.
pont. ma)x. trib. pot. Ill (imp. v cos. proc)os. et (C. Julius Verus no)b. Caes. Das Facsi-
mile möge man bei Hansseimann I tab. I und im C. I. Rh. nr. 1552") nachsehen; die im
Klammern beigefügten Ergänzungen sind unzweifelhaft richtig; nur sind vielleicht noch einige
weitere Wörter ausgefallen, bei Maximinus Germanicus und pater patriae und bei seinem
Sohn ebenfalls Germanicus und princeps iuventutis. Der abgebrochene untere Theil des
Denksteins ist nicht aufgefunden worden. Die Fassung des Kaisernamens im Nominativ
beweist, dass das Monument im Namen und auf Kosten des Kaisers errichtet wurde,
{ßrambach, Baden unter röra. Herrschaft S. 7). Es ist diess die späteste bestimmt datierte
württembergische Inschrift; vgl. S. 6. Aus dem Frauenkopf mit der eigenthümlichen Fri-
sur schloss Hansseimann (I 30), dass beim jetzigen Orendelstein einst die Doppelstatue
des Maximinus Thrax und seiner Gemahlin Paulina gestanden haben dürfte. Der Inschrift
nach liesse sich sogar an eine dreifache Statue denken, wobei auch der Sohn des Kaisers
vertreten war. Wahrscheinlicher indessen wegen der Nominativformen der Inschrift wird
man annehmen, dass hier einst die Statue der Gattin des Kaisers Maximinus von ihrem Ge-
mahl und ihrem Sohn aufgerichtet stand. Den Kopf selbst hat Hansseimann unvergleich-
lich falsch und schlecht abgebildet; dagegen wird man aus der von uns Taf. VI 1 mit Be-
nützung des Originals und einer Photographie gegebenen Copie ersehen, dass allerdings
dieser Kopf mit seinem sanften liebenswürdigem Ausdruck vollständig mit dem harmonirt,
was Ammianus Marcelhnus von Maximins Gemahlin berichtet: mit acht weiblicher Sanft-
muth und gutgemeinten Rathschlägen habe sie gesucht, den argwöhnischen Tyrannen auf
den Weg der Wahrheit und der Menschlichkeit zurückzuleiten (lenitate feminea ad verita-
tis humanitatisque viam reducere utilia suadendo, Ammian. Marc. XIV 1, 8). Man wird
sonach kaum umhin können, den diademgeschmückten Kopf als Porträt der Gemahlin Maxi-
mins, der sogenannten Paulina, so lange anzunehmen, bis durch einen andern Fund die Un-
richtigkeit der Hansselmannischen Hypothese erwiesen ist. Vielleicht ,hätte die wenige
Schritte von der Maximinusinschrift gefundene Sandsteininscription C. I. Rh. nr. 1553 Hang,
röm. Inschriften von württemb. Franken S. 39 Licht über die Frage verbreiten können,
wenn sie nicht sehr schlecht erhalten wäre. So aber bietet der Stein nur etliche sporadi-
sche Buchstaben, in welche niemand einen Sinn bringen wird, auch wenn sie richtiger als
bisher veröflFentlicht werden sollten. Meine zu Kirchberg gemachten Aufzeichnungen stim-
men nemhch mit den bisherigen Publikationen nicht durchaus überein: sofern u. a. die
Buchstaben NTM der zweiten Zeile auch NIM heissen könnten und der Anfang der
Inschrift vielleicht lautete: <IOVI DEP>VL<SORI ET>NIM<PHIS> vgl. Orelli C. I.
nr. 1231 die gleichlautende Inschrift, ferner die Nympheninschrift der Brittonen von Amor-
bach ibid. nr. 1627 und das Nymphenbild von Unterheimbach.
1) Nach genommenem Augenschein kann ich hinzufügen, dass vor MAXIMIN VS. welches wie Cy^ES
«in eigenthümlich geformtes A hat, ein deutliches Punkt erhalten ist.
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' Das Denkmal war nur einige Schritte von der Nordmauer der Verschanzung entfernt,
^welche das Bad der Besatzung schützen sollte, und wir sind somit bei unsrem Ausgangs-
puncte wieder angekommen. Doch eben dieser Ausgangspunct, die Gegend am Orendel-
stein und dieser selbst, ist wohl noch einiger Betrachtung werth. Ich füge darum bei,
was ich einst in einer Festrede über diesen Stein gesagt habe und verweise die wissen-
^ schaftliche Bekräftigung meiner damaligen Ansichten, die ich jetzt noch für richtig halte,
in die Anmerkungen:
T Ea muss in jenen Tagen gewesen sein, als noch die schweren Hunnenzeiten frisch im Gedächt-
nis waren, da Hess sich eine zweite Truppe Alamannen in Oehringen nieder (die erste, deren Spuren
«ich rasch wieder verlieren, waren die Eroberer des Vicus Aurelii, um's J. 270, gewesen) und nannte
den Platz als Hauptort des Obmgaus Oringowe, *) von ihnen rühren die ältesten Flurnamen u. dgl.
her. Als diese Leute, wir können sie unsere Voreltern nennen, festen Fuss hier fassten. fanden sie noch
. viele Spuren der einstigen Römererarnison des Vicus Aurelii vor. Sie sahen mehrere sorgfältig gepfla-
sterte Strassen und nannten sie Altenweg, Hochstrasse und Heunengasse. Sie glaubten jenseits der Ohm
auf der Höhe, wo sich der Pfahlgraben hinzog, auch wieder Spuren der Hennen, d. i. der schrecklichen
Hunnen zu entdecken und sprachen von einem Heuuenberg und einer Heunenklinge. Aber die Hunnen
hatten nur vervk'üstet, zerstört, höchstens durch die Erdwälle eines Lagers ihre Fähigkeit zu bauen auf
deutschem Boden gezeigt; die gemauerten Festungswerke und Häuser, deren Trümmer auf der Oberen
und Unteren Bürg noch standen, konnten nicht von König Etzel und seinen Bogenreitem herrühren.
Und vollends das prächtige Denkmal, das Kaiser Maximinus in der Nähe des Bades und Pfahlgrabens
aufgerichtet hatte, von dem gewiss noch Säuleu und Statuen standen, das konnte unmöglich den wilden
Söhnen der asiatischen Steppen zugeschrieben werden. Von wem mochte es wohl herrühren? Da gieng
eine dunkle Sage, dass einst ein grosser König zu Trier gewaltet habe, Eigel (oder Eigil) mit Namen,
der beste Schütze weit und breit, so dass er als ein Vorbild Wilhelm Teils dem eigenen dreijährigen
Knaben den Apfel vom Kopfe zu schiessen wagte. Und wirklich traf er gerade mitten in das Ziel, so
dass der Pfeil die Hälfte des Apfels mit sich riss und alles zusammen auf die Erde fiel.^J So spiegelte
1) „in villa Oringowe" a. 1037 Kausler, württ. Urkundenbuch I 264 ibid.: deeimatio etiam omniam
villarum in sllva quae Orinwalt dicitur constitutarum." Der Ohmgau (vielleicht auch herzustellen aus dem
Rangew der Urkunde vom J. 889, Kausler, württ. Urkundenb. I 192) war nur ein Untergau des Kochen-
gaus, daher es z. B. von Pfahlbach a. 795 heisst: in pago Cochengowe ... in loco Phalbach. Der
Hauptgau heisst in der ältesten Zeit Kochengau. Clioengowe = Cohengowe (Kausler, württ. Urkundenbuch
II 463), wie noch jetzt Kochendorf geschrieben und Kochensteinsfeld u. dgl., nicht Koohersteinsfeld, ge-
sprochen wird. Oringen heisst unsre Stadt noch auf der Federzeichnung von Graf Philipps von Hohenlohe
(Befreiers der Niederlande) Leichenzug a. 1606, im fürstlichen Archiv. Auf der gleichen Zeichnung er-
flcheint auch ein Herr von Kochenstetten und einer «zum Burgstall".
2) Nach dem Epos vom König Orendel war Eigel König von Trier, Simrocks Edda ' S. 461 ;
Konigssohn und Konigsbruder und Gemahl einer Walküre «nd Bruder von Wölund oder Wieland und
Schütze ist Eigil (Egill) schon in der älteren Edda, Simrock, Edda » S. 141 Einleitung zu Wölundarkwidha
und diese selbst Strophe 5. Den Tellschuss erzählt — nach deutschen Liedern aus der Gegend von Bre-
men und Münster (siehe Simrocks deutsche Mythol. * 241) die Wiltinasaga o. 27 folgendermassen : „In die-
ser Zeit kam der junge Eigil, Wielanda Bruder, an König Nidungs Hof, dieweil Wieland nach ihm gesendet
hatte. Eigil war einer der wackersten Männer und hatte ein Ding vor Allen zum voraus: er schoss mit
dem Bogen besser als irgend jemand anders ; der König nahm ihn wohl auf und war Eigil da lange Zeit
Da wollte der König einsmals versuchen, ob Eigil so schiessen könnte wie von ihm gesagt war, oder nicht
Er Hess Eigils dreijährigen Sohn nehmen und ihm einen Apfel auf den Kopf legen und gebot Eigiln dar-
nach zu schiessen, so dass er weder darüber hinaus, noch zur linken noch zur rechten vorbei, sondern
allein den Apfel träfe; nicht aber war ihm verböten, den Knaben zu treffen, weil man wusste, dass er
echon selber es vermeiden würde, wenn er irgend könnte; und auch einen Pfeil nur solle er schiessen,
und nicht mehr. Eigil nahm aber drei Pfeile, befiederte sie, legte den einen auf die Sehne und schoss
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sich in deutscher Sage die wahre Geschichte jener römischen Kaiser des 4. Jahrhanderts, die, wie insbe-
sondere Konstantin der Gr. zu Trier an der Mosel einen herrlichen Königssits sich geschaffen, es mit
Amphitheater, prächtigen Bädern, Thoren, Bildwerken, Villen und Parken geschmückt, ^) und den theils
feindlich anstürmenden, theils in ihrem Solde dienenden Germanen als trefflichste Schützen erscheinen
konnten; denn gerade durch die Fernwaffen, durch ihre orientalischen und afrikanischen Bogenschützen
und durch ihre ausgebildete Artillerie waren die späteren Römer im Vortheil gegen die nur im Nah-
kampf zu fürchtenden Deutschen. ') Man meint gewöhnlich, die Bömer haben nur die Festungsartillerie
gekannt; das ist aber für die spätere Kaiserzeit ein Irrthum, wo bei den Feldschlachten von den Rö-
mern ganze Batterien von Wurfgeschützen ins Gefecht geführt zu werden pflegten, die oft über Va Vier-
telstunde weit ihre Steinkugeln, Nägelbalken und Brandpfeile schleuderten, ^j Jener König Eigel war
Wielands Bruder, des berühmten göttlichen Schmiedes der deutschen Sage, der die besten stahlharten
Schwerter schmieden und die köstlichsten Schatzkleinodien von rothem Golde fertigen konnte.*) Wie
hoch stand selbst in der letzten Zeit die römische Kunstfertigkeit über der deutschen! Welch herrliche
silberbucklige Schilde haben sich als Römerspuren im deutschen Boden erhalten, ^) und auch die Hildes-
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mitten in den Apfel, so dass der Pfeil die Hälfte mit sich hinwegriss und alles zusammen auf die Erde
fiel. Dieser Meisterschuss ist lange liochgepriesen worden und der König bewunderte ihn auch sehr und
Eigil ward berühmt vor allen Männern und man benannte ihn Eigil den Schützen [woher noch jetzt der
Familienname Schützeiobel zu Bonn]. König Nidung fragte Eigiln, warum er drei Pfeile genommen habe,
da ihm doch nur verstattet worden, einen zu schiessen. Eigil antwortete: Herr, ich will nicht gegen euch
lügen: wenn ich den Knaben mit dem einen Pfeil getroffen hätte, so waren euch diese beiden zugedacht-
Der König aber nahm dieses gut auf, und däucbte allen, dass er bieder gesprochen habe."
1) Ueber den grossartigen Eindruck, den Trier in damaligen Zeiten machen musste, vgl- in der freien
Uebertragung durch Bacmeister (alemann. Wander. 84) Auson. Moseila 20 — 26:
„Ein Kranz von Villen längs den Uferhängen,
Um rebengriine Bergeshöhen spült
Der Strom mit leise schmeichelnden Gesängen,
Jndess er sachte sich zu Thale wühlt
Und grüne Matten seinen Lauf umdrängten. .
Gegrüsst, o Strom, der diese Thale kühlt.
Der solche Fluren, solche Menschen tränkt,
Der Belgien seine Kaiserstadt geschenkt! —
Da liegt sie, vor den andern allen prächtig,
Friedvoll gleichwie in einer Göttin Schoosse,
Doch männerzeugend, rüstig, waffenträchtig,
Ein Schirm und Schutz vor alamannschem Stosse!
Und rings umher, ein Gürtel breit und mächtig,
Schwingt sich der Mauern Ring, der riesengrosse.
Breit zieht und ruhig der Moseila Flutb,
Sie trägt der fernsten Länder Handelsgut."
2) Herodian. VI 7, 8 von Severus Alexander: 6 6i 'Aki^avÖQOs May^ovatovs r« nXtCoTOvg xal to|o-
TWI' aQi&/n6v noXvv inttyo/ufvos anb rijs ävttToX^s ^x re t^? 'OaQorjVÜiv /wpwf, xal (l rtvfs UttQ&'vattov atro-
ftoloi ^ xQ^M"^'^ ttvanfia&ivTfi ^xoXov&^xtaav avrip ßorj&i^aovtfs, /f»}pTi'f di] reQjnavotS «vr/Tofcuv.
ftttltara yccg toiovtos ojQatog oxXtjqos fxiCvois yCvixtu, rtäv re MavQovatwv TiooQw&tv axovriCöv-
Tiav xal ras IniSQOfius titg rf uvaxtaQriaiig xovtffog noiovfi^viüV, tc3v t( io^otiHv ig yv/nvag ritg xetpaXae
ttirtiäv Xttl acifiara fnifu^xri ^^aicc xal nÖQQotr^tv xaja axonov ro^tvovTtov. . . . Armenische Bogenschützen
im Heere Maximins ausser den osrhoenischen, maurischen und parthischen erwähnt Herodian VII 2, 1 und
Lampridius sagt Alex. Sever. c. 61, 8 Peter, Maximins Heer sei bei dessen Feldzug gegen die Deutschen
potentissimus gewesen per Armenios et Osdroenos et Parthos. Noch zur Zeit Constantins sagt Capitolinua
Maximin. c. 11, 8: null! magis contra Germanos quam expedit! sagittarü valent.
3) Vgl. Pauly-Teuffel Realencyclop. I ' 2249 f.
4) Wölund, Egills Bruder, schmiedet (nach der Wöiundarkwidha 3—6) köstllohe Kleinode und ist
der Sohn eines Finnenkönigs; als eine Art Zauberkünstler, wie Dädalus, muss er von den zauberkundigen
Finnen stammen ; siehe Luning, Edda S. 296.
5) Vgl. Lindenschmit, Alterth. unserer heidn. Vorzeit I V 5.
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heimer Prunkschalen mochte der Deutsche, dem sie zur Beute fielen, gern als ein Werk Wielands, de«
göttlichen Schmiedes, betrachten! Eigels Sohn aber war Orendel, in der ältesten Göttersage Aurwandil
und Oerwandil genaimt, der vom Gott Thor selbst durch die urweltlichen Eisströme getragen wird. ')
«König Orendel von Trier«, so heisst es im alten Heldenbuch, »war der allererste Held, der je geboren
ward. Der fuhr übers Meer mit vielen Schiffen; denn er war ein mächtiger König. Da giengen ihm
die Schiffe alle unter. Doch kam er mit Hilfe eines Fischers ans Land, war lange Zeit bei dem Fischer
und half ihm fischen. Darnach kam er gen Jerusalem zum heil. Grabe. Da war seine Frau eines Königs
Tochter, die war geheissen Brigida, das war eine schöne Frau. Darnach ward dem König geholfen von
andern grossen Herren, dass er wieder kam gen Trier, und starb da, und liegt zu Trier begraben, t^)
Dieser König Orendel oder Oerwandil, der die ganze Welt durchzieht, den kein Eisstrom und kein
Schiffbruch abhält, der selbst ins ferne Morgenland bis zum heil. Grabe gekommen, das ist der Orendel,
dem unsere Urväter das Denkmal an der Strasse nach Cappel (Neuenstein, Hall) zuschrieben. ') Wie
1) König Eigel von Trier war Grendels Vater, Grimm, Mythol. 347. In der Edda heisst Orendel
Oerwandill. die Identlfioierung beider Namen ist sprachlich ganz richtig, siehe G. Eschmann in Haupte
Zeitaohr. für deutsches Alterthum XI 1859, 168. Der Mythus von ihm in der Edda, bei von der Hagen,
der ungenähte Rock Yorr. S. XX nicht ganz richtig gegeben, lautet nach Simrock, deutsche Mytholog. '
S. 237 folgendermassen : Beim Kampf gegen den Riesen Hrungnir war dem Thor ein Schleifstein ins Haupt
gefahren. Die Weissagerin Gröa, die Frau Oerwandils des Kecken, singt ihre Zauberlteder über Thor, und
schon wird der Stein lose : da will ihr Thor die Heilung durch die Zeitung lohnen, dass er von Norden
her durch die Eliwagar gewatet sei und den Oerwandil im Korbe auf dem Rücken aus Riesenheim ge-
tragen habe. Zum Wahrzeichen gab er an, dass ihm eine Zehe aus dem Korbe vorgestanden und er-
froren sei. Er habe sie abgebrochen, an den Himmel geworfen und das Sternbild daraus gemacht, das
„Oerwandils Zehe" heisse. Auch sagte er, es werde nicht lange mehr anstehen, bis Oerwandil heimkomme.
Hierüber ward Groa so erfreut, dass sie ihre Zauberlieder vergass, und so steckt der Stein noch in Thors
Haupte. Dämisögur 59. Diese Erzählung beruft sich auf ein Gedicht des neunten Jahrhunderts (Höstlang).
Wenn die Sage von Eigel in der Teilssage fortlebt, so weist diess darauf hin, dass sie den süd.
deutschen .^.lamannen wohl bekannt war, und da Orendel ausdrücklich der älteste aller Helden ge-
nannt wird und dem Mythus eine tiefe Natursymbolik zu Grunde liegt (Uhland, prosai. Schriften VI 29
Vgl. Müllenhoff, deutsche Alterthumskunde I 33 ff.), so ist die Sage gewiss viel älter, als das neunte Jahr-
hundert, aus welchem bereits ein fuldischer Abt Orentil (f 822) und (a. 844) ein bairischer Graf Oren-
dil bezeugt sind, Ecoard Fr. or. II 367. (irimm, Mythol. 348 f. Zeugnisse für das Vorkommen des Na-
mens (Orentil, Orendii, Orandil) schon im achten Jahrhundert und ausser bei den Franken und Baiem
^Alamannen) auch bei den Langobarden in den Formen Auriwandalo und Auriwandulus weist Mone, Hel-
densage S. 74 nach, vgl. Förstemann I 184. Bekanntlich liebten es unsere Voreltern, ihren Kindern die
Namen der grossen Sagenhelden beizulegen. .\.uch die Steinwaffe Hrungnirs spricht für ein hohes Alter.
2) A. V. Keller, das deutsche Heldenbuch S. 1: König ernthelle von Trier was der aller erste held
der ye geboren ward. Der fuor über möre mit vil schiffen, wann er was gar ein reicher künige. Da
giengen jm dye schiffe alle vnder. doch kam er mit hilff eines fischers ausz. und was lang zeit bey dem
fisoher vnd halff jm tischen. Darnach kam er gen Jerusalem zuom heiligen grabe- Da was sein fraw
•eins künigs tochter. Die was geheissen fraw Brigida, was gar ein schöne fraw. Darnach ward dem künig
geholffen von andern grossen herren das er wider kam gen Trier. Vnd starb da. vnd leit zuo Trier be-
graben. Also ertruncken jm alle sein diener. vnd ferlor gar vil guotz auf dem möre. Eine ausführliche
Analyse des Spielmanngedichts vom König Orendel findet man bei Müllenhoff a. a. O.
3) Diese Heldensage von Orendel, deren ganzes Gewebe in auffallendem Grade an die Odyssee
mahnt (Grimm, Mythol. 347), scheint hervorgegangen zu sein aus jener Vermengung germanischen und
byzantinisoh.römisohen Wesens, wie sie das Lagerleben des vierten bis siebenten Jahrhunderts mit sich
bringen musste. Man vgl. was ich in den Untersuchungen über die Geschichte der griechischen Fabel
S. 822 geschrieben habe. „Freilich wirft Grimm die Frage auf, warum denn die Deutschen eben solche
Thierfabeln aus Konstantinopel hätten mitbringen sollen, nicht andere weit ansprechendere grie-
chische Dichtungen? .Ulein der Heerdienst und das Lagerleben musste die Deutschen im byzantini-
schen Reich gerade am meisten mit denjenigen Volksschichten in Verkehr setzen, welche
Märchen und Fabeln fortzupflanzen am geeignetsten waren: ihr gesimder Sinn verschmähte nun zwar
das unheimliche und gespenstige Element, welches den östlichen Wundergesohichten anhaftet ; desto be-
gieriger aber mochten sie die ihrer Natur verwandten Stoffe der Fabel sich aneignen,
zumal da sie sicherlich schon einen heimischen Schatz von märchenhaften Thierfabeln be-
lassen, in welchen sich die entgegenkommende Erzählung bequem und gefällig wie
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36
,. eine Reihe bedeutender Römerdenkmale in den Rbeinlanden, in Mainz, Trier und Cöln, nach jenem ^ . ' 4^' ^C- ?v^'
sagenhaften König Eigel Eigelsteine ^) genannt wurden, so wurden einige von Trier weiter abgelegen»
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Tonselbereinreihte."' An Odysseen aber war, wie Simrock, deutsche Mythol. ' S. 252 sagt, di» -
' deutsche Sage reich: das Ziel der Reise, ursprünglich (vgl. Simrook, deutsche Mythol. ^ S. 177) die Unter-
weit, wurde erst in der christlichen Zeit in das Grab des Erlösers oder das gelobte Land verwandelt.
Schon Tacitus German. 3 erwähnt einen Ulixes in deutschen Landen als Erbauer der Veste Asoiburgiurn. -i^-
^ Im romischen Rheinla&d war er auf Kunstwerken dargestellt (Relief bei Bierbach unweit Blieskastel in der • - .-.
Pfalz, Hefner, röm. Bayern ' nr. 47 S. 308 : Ulixes und Achill bei Lycomedes, und eines aus Remchin- ; ' - ' /
gen in Baden, jetzt im Karlsruher Lapidarium nr. 33, Fröhner, Samml. vaterl. Alterth. IS. 14: Ulixea •. .\
und die Sirenen.).
1) Eigelsteine zu Mainz, Trier, Cöln, Grimm, Weisthiiraer II 744; auch zu Lüttich (»ein gewisse» . ' " ' >*
Gefängnüss") Ch. G. Blumberg, das Neroni Claudio Druso bey der Stadt Mäntz vormahls aufgerichtete
Grab- und Gedächtniiss-Mahl S. 206 und zu Mannheim, Leichtlen, Schwaben unter den Römern 171. Ge- : '. *. >
' wohnlich lautlich und sachlich falsch mit aquila zusammengebracht, statt mit Orendels Heldenvater. Der
Cölner Eigelstein soll am nördlichen Stadtthor gewesen sein; eine Eichelsteinpforte und Eiohelsteingasse '''^''\
daselbst erwähnt noch Blumberg a. a. 0. S. 206 aus dem J. 1700. Der Mainzer Eigel- oder Eichelstein^
^^ • einst eine Pyramide, Blumberg, a. a. O. S. 206- 210 — 217 war ausserhalb der Stadt auf dem S. Jakobs- ^ . '
berg S. 206. 217 und es wurden bei Erbauung der S. Jakobsschanze unter der Erde ,etllcbe Antiquitäten
7 ' Yon Seulen, darinnen Bilder und Schriften £u sehen, gefunden" S. 218. Vom Mainzer Eigelstein sagt '•'
schon Math. Merian topogr. archiep. Mogunt. fol. 5 fast ganz richtig, er habe seinen Namen nicht von der
Figur eJcer Eichel, sondern von einem gewissen ,,heydnischen Fürsten Eigil," dessen Asche unter diesem
Stein begraben läge. ibid. ,,Es war auch vor zelten ein Pyramis oder Thurn-Grab allhie Drusilacinm
oder Druseloch genent, so aber nicht mehr vorhanden": oflfenbar das gleiche mit dem Eigelstein. Die '
Bezeichnung „Stein" für römisches Steindenkmal ist zwar bis jetzt noch nicht von den Forschern erkannt
'j und verwerthet, aber ausserordentlich gewöhnlich. So stand z. B. einst an der Landstrasse zwischen Alt-
stätten bei Zürich und Schlieren eine rohe römische Herme unter dem Namen .,der Kindlistein", Hallcr^
*> Helvetien unter den Hörnern II 144 und die alte Malstatt zu Cannatatt (einer bekannten Kömercolonie) ■ - -
' hiess nder Stein", wo Karlmann die alamannischen Häuptlinge, die er dortbin geladen hatte, zusammen- >
hauen Hess (Bacmeister, alemann. Wander. 56). .\uf dem „Stein" zu Baden (der einstigen Römerstadt im
Aargau) hielt König Albrecht noch eine Maienfahrt kurz ehe er durch Mörderhand seinen Tod fand (vgl. ■ '
%^' Joh. V. Müller, Geschichten schweizerischer Eidgenossenschaft im betr. Kapitel). Am ., Steinbrunnen" bei
#■ •' • Pappenheim findet man römische Häuser, Schalen u. s. w., v. Raiser. Oberdonaukreis II 97. Die Ortschaften
i^, Stein am Rhein, Steinberg, Steinwenden, Steindorf, Kaiserstein, Birglistein und viele andere, dazu zahllose Fluren,
^,; deren Namen mit Stein zusammengesetzt sind, sind Fundstätten römischer .\lterthümer. Man nannte solche
/* ;: '■ „Steine" auch mit anderer Helden Namen, als gerade mit denen Eigels und Orendels. Auf der Mitte dea - ' ■
'^^:'-' ' ^ . ' Feldbergs bei Frankfurt ist ein schon a. 1043 bezeugter Brunhildenstein Johannis res Mogunt. II 614 und
^.' ' ■, bei Kehl in der Ortenau ein Krirahildenstein Wilh. Grimm, deutsche Heldensage 155. Eigel oder Eichel
^^' ' ; aber, bisweilen, wie es scheint, zu Eich verkürzt, deutet sehr häufig auf Römisches. .\n der römischen
^.f — Consularstrasse zwischen der Solitüde bei Stuttgart und Feuerbaoh-Canstatt finden wir den Flurnamen
Ji' . Eichelgärten d. i. von den Hömern eingefriedigte Plätze. Das berühmte Denkmal von Igel steht an der "^ •
H, ehemaligen Consularstrasse von Trier nach Rheims, Quednow, Beschreib, der .\lterth. von Trier II S. 99.
s-'. , Zu Eichelberg in Baden wurden sehr namhafte römische Alterthümer gefunden, Ohrist, monum. Rhen. Pa-
,' - lat< S. 30 ,, Hügelgräber aus der Zeit der römischen Occupation" hat man auf dem Aichelberg bei Darms-
S;^;. heim O- A. Böblingen geöffnet, Schriften des württemb. Alterthumsver. I. Bd. VIL Heft 186« S. 78. Bei
f '-' ' V- Iggelsheim in der Pfalz wurde ein römischer Altar mit Götterbildern ausgegraben. Hefner, röm. Bayern * . ' "
<'•"! " nr. 24 S. 304. Der Aiohberg bei Ens, ein römischer Begräbnisplatz (Gaisberger, arohäolog. Nachlese III
^;,, , 265), und die Tour de chSne an einer Heidenweg und Hochgemäuer genannten Römerstrasse bei Aventicum , , -i-
'>^< . (Haller, Helv. unt. d.Röm. II85) mögen nebst manchen andern Compositen mit ,,.\.ich" dem misverstandenen ' >
. ' - Eigel ihren Namen danken. Andererseits hat freilich der Name Eicbelberg häufig auch keinerlei Beziehung auf
»■ -.' •.".■, . römiache Denkmäler, wenn auch angeblich römische Wartthürme auf ihnen standen, wie auf dem bei Kirohheira j
*''■■ ''■.■■ ^ unter der Teck (v. Gok, röm. Alterthümer und Heerstraasen der schwäbischen Alp 72), sondern er be- , . "
^i-- -"' *>■-•> zieht sich auf Eichenwälder. Ebensowenig ist dann wieder alles Romische gerade auf die Helden Eigel ^
: "' 4 .* . und Orendel zurückgeleitet worden. An einem muthmasslichen Römerweg bei Bonlanden auf den Fil- -- '"li
•■^.' '/-v.^': ^ dern hatte der bärtige Held Otte seinen Ottenbrunnen (v. Gok, röm. .\lterthümer und Heerstrassen 67); ' \ '■■/'
■f^fv' .!'•-: . eine thorartige 20' breite Oeffnung im römischen „Heidengraben" oder -wall bei Grabenstetten führt den
. ^ ;' , . Namen Wigandsthor (v. Gok, röm. Altorthümer und Heerstrassen 85). Auch der Kecke Walter hat einem
Römerwall nördlich von Homburg den Namen V> altersgraben verliehen (vgl. K. Arnd, der Pfahlgraben ; .
S. 19); an den Riesen Ecke erinnern drei Fundplätze vieler römischer Münzen in Oberbayern: Eckstätten^ 1
Eglingen und Egenhofen (vgl. Hefner, röm. Bayern ^ S. 296). \ \ - ;
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Römermonumente seinem weitgereisten Sohne, dem König Orendel zugeschrieben, und wir finden nicht
bloss hier, sondern auch in Tirol (einst alamann.) ') einen Rendelstein, und der Name Orendel ist auob
bei Horb, im Elsass und in der nächsten Nähe, in Orendelsall, noch anzutreffen ; an letzterem Orte hat
auch Orendels Vater seinen Eigelberg. 2) Leider sind die Urkunden, die über Orendelsall uns Auskunft
geben könnten, durch Brand vernichtet; aber es findet sich dort noch das Gruftgewölbe eines uralten
Eirchleins, und da in den Zeiten der Einführung des Christ enthums es ein gewöhnlicher, am Rhein noch
in vielen Fällen nachweisbarer Gebrauch war, die Säulen der umliegenden Römermonumente zum Bau
der Kirchen und Klöster zu verwenden,^) so kann es mit dem Namen Orendelsall, der jedenfalls voa
keinem heil. Orendulus herrührt — denn es gab nie einen solchen*) — mit diesem räthselhaften Namen
kann es sehr leicht die Bewandtnis haben, dass die Säulen zu der dortigen Kirche von den Orendel-
1) Vgl. S. 2.
2) An der Sarner Strasse über dem Sarnthal bei Botzen ist eine alte Burg Rendelstein, Bädeker»
Deutschland 1864 1 133. Ein Flurname Orental bei Horb. Orendal im badischen Glotterthal (Mittheilung
von Y. Scheffel). Rendelahusen a. 1083 wahrscheinlieh im Elsass. Ferner eine Gemeinde Kendelbach
bei Ellwangen und ein Nebenbach der Murg Rendelbach, welch letzterer freilich 5m Schenkungsbuch des
Klosters Reichenbaoh Rennielbach heisst, Kausler, württemb. Urkundenbuch II 412. 413. Dass schon die
Römer die Flösserei auf der Murg betrieben, ist bekannt- Der Anlaut O wird in hiesiger Gegend im Na-
men Orendel (schon seit Jahrhunderten) weggelassen ; das Volk spricht nur vom „Rendelstein" und von
„Rendelsall" oder «der Rendel" seil. Sali. Gerade diese Aussprache mag auch ein Beweis dagegen sein,
dass der Orendelsteia als Ohrnthalstein gefasst werden könnte, welche Deutung übrigens meines Wissens
auch noch nie aufgestellt worden ist.
3) Diese — von der amtlichen Oberamtabeschreibung nicht erwähnte — Crypta wurde vor Jahren
von Director Albrecht untersucht: jetzt ist sie verschüttet und vermauert. Das Citat über die am Rhein
zum Bau der Kirchen und Klöster verwendeten römischen Säulen — in den Jahrb. der Alterthumsfr. im
Rheinl. — kann ich im Augenblick nicht finden; in Beziehung auf Cöln vgl. Jahrb. der Alterthumsfr. im
Rheinl. XXXVII 67. 70. Römische Alterthümer hat man zu Orendelsall nicht gefunden, auch in hiesiger
Gegend weit und breit keine Andeutung davon, dass die Römer oder die älteren Alamannen Christen ge-
wesen wären. Dagegen weiss man von den römischen Garnisonen in hiesiger Landschaft und von den zu
Nordendorf begrabenen Alamannen (vgl. Dietrich, sieben deutsche Runeninschriften in Haupts Zeitschrift f.
deutsches Alterth. XIV 1867) mit Bestimmtheit, dass sie Heiden waren. Und warum sollten nicht auch
wirklich von den in der Steinbaukunst wenig bewand erten (späteren) Alamannen (vgl. Bacmeister, alemann.
"Wanderungen 61) beim Bau ihrer Basilicae (deren eine z. B. beim Ausfluss der Ohm in den Kocher in
dem abgegangenen Ort Wächlingen Wachalincgheim (Wachalinga a. 779, Kausler, württemb. Urkundenb.
II 438) erwähnt wird a. 795, Stalin, Württemberg. Geschichte I 319) Säulen und andere behauene Steine
aus den verödeten römischen Burgen der Umgegend herbeigeführt und verwendet worden sein?
4) Eine Handschrift von Herolds Chronik von Schwäbisch-Hall enthält nach von der Hageu, der
ungenähte graue Rock Christi Vorrede S. XX folgende sinnlose Erzählung : „Ein Einsiedler Orendel be-
wohnte Orendels Saal an der Saale in der Grafschaft Hohenlohe. und dorthin wallfahrteten, die an den
Ohren litten." Und Hansseimann, Beweiss etc. II 333 sagt vom Sallgau: ,.MangoIdsali, Langensall,
Kirchensall, Mainhardtsall, Hohensall, Tieffensall, St. Orendelsall etc., als welche Orthe insgesammt uralt
und in unseren ältesten Urkunden gar oft vorkommen, unter denen insonderheit St. Orendelsall, wegen eines
Eremiten, Orendel, genannt, der in selbiger Gegend in der Einsamkeit sein Leben zugebracht, und allda
begraben seyn solle, in vorigen Zeiten berühmt gewesen, nach welchem auch hernach der Ort selbsten
diesen Namen bekommen hat." Die Beschreibung des Oberamts Oehringen vom statistisch-topographischen
Bureau 1865 S. 311 führt den Namen auf das vermuthete Nomen proprium eines Grundbesitzers zurück,
wogegen aber der Eichelberg bei Orendelsall und der Oehringer Orendelstein Einsprache zu erheben seh«!-
nen. Dann fährt sie fort: „Eine ganz ungeschichtliche Sage lässt den Ortsnamen auf einen Einsiedler zurück-
weisen, der schon zu Kaiser Ludwigs des Frommen Zeiten hier eine Zelle gebaut habe, und von dem auch
ein Bildstein bei Oehringen den Namen erhalten habe, weil er dort sein Gebet verrichtet habe. . . . Cra-
sius in seiner schwäbischen Chronik erzählt, dass im 15. Jahrhundert Wallfahrten nach Orendelsall und
Sohuppach (an der Ohrn), namentlich von tauben Leuten, Statt gefunden haben." Irgend ein Zusammen,
hang zwischen dem fabelhaften in hiesiger Gegend begrabenen Orendulus und dem angeblich zu Trier be-
grabenen Königssohn und Heiligen Orendel , der den ungenähten grauen Rock aus dem gelobten
Lande brachte, ist nicht ersichtlich. Hier zu Lande weist keinerlei schriftliche oder mündliche Traditoia
nach Trier.
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88
steinen (d. i. bedeutenderen Römerdenkmalen) in der Nähe, von Oehringen, Sindringen, Jagsthausen und
seinem Römerbade genommen worden sind. Der Oehringer Orendelstein war in der ersten Alamannen-
«eit, gleich den "Eigelsteinen am Rhein (nach J. Grimm*)), wahrscheinlich Dingstätte, d. h. der Ort, wo
das Volk des ganzen Ohmgaus zu öffentlichen Berathungen und zur Rechtspflege sich versammelte. Nach
dem Aufhören dieser alten Einrichtung verlor auch der Orendelstein seine Bedeutung; doch trug man
für seine Erhaltung noch einige Sorge: die hiesige Bäckerzunft nahm sich seiner an, wesshalb auch die
Form eines Weissbrods auf dem Steine ausgehauen ist. Heute, mehr als 1000 Jahre nach der Schöpfung
seines Namens, zeigt er sich zusammengesetzt aus einem römischen Säulenstrunk und einem christlichen
Bildstock darauf, die Kreuzigung unseres Heilandes vorstellend, ^j Diese Gestalt des Steins stammt aus
dem J. 1714 und ist bloss eine Restauration seiner früheren Gestalt von 1519. An den Stein gelehnt,
jetzt unter dem Boden, ist ein christliches Relief aus Sandstein, Todtenkopf mit Todtenbeinern, ein so-
genanntes Memento mori. An der Landstrasse nach Cappel stehend sollte der Stein den Vorübergehen-
den mahnen, an Christum zu glauben und seiner Sterblichkeit sich zu erinnern. Jetzt steht er nicht
mehr genau auf der Stelle, die er ursprünglich einnahm. Erst im J. 1847 bei einer Veränderung der
Strasse musste er um einige Schritte verrückt werden. Das Memento mori mit den Schlangen und
Würmern, die als Zeichen der Verwesung darauf angebracht sind, hatte die Sage veranlasst, unter dem
Steine liege ein heil. Orendulus begraben, der einst dadurch einen jämmerlichen Tod gefunden habe,
dass ihm während des Schlafs eine Schlange in den Mund kroch; man wollte auch den unterirdischen
Gang') kennen, der unser Denkmal mit Orendelsall verbinde und dem Heiligen einst möglich gemacht
habe, den Verfolgungen der Heiden zu trotzen und bald in Orendelsall, bald in Oehringen als Verkün-
diger des Evangeliums zu wirken. Man untersuchte den Platz und fand kein Grab, wohl aber eine
Brunnenstube mit einem Dohlengang bis zur Ströllerquelle, also die ursprüngliche römische Wasserlei-
tung, welche das Bad der Besatzung speiste.
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1) J. Qrimm, Weisthüraer II 744 ist gesagt, dass der Eigelstein zu Cöln und zu Igel (das Secun-
dinerdenkmal) bei Trier und wahrscheinlich «uch der von Mainz (Drusilaciuni, Druselooh genannt vergl.
oben S. 36) Dingstätten waren. Von dem Mannheimer (Lelchtlen, Schwaben unter den Römern S. 171)
und dem Lütttcher spricht er nicht. Der Gunzenlc, Conciolegum eig. Grab- oder Denkmal des nicht sicher
zu erweisenden Cunzo oder Gunzo = die Dingstätte bei .\ugsburg und der Birhtinle, Denkmal eines nioht
zu erweisenden Perahtold oder Birhtilo = die Dingstätte hei Rottenburg (Sumalocennae) vgl. Pfeiffer, freie
Forschung S. 287, dürften ebenfalla für den Orendelstein bei Oehringen als Dingstätte zu Gerichts- und
Heerversammlungen sprechen. Modernisirt zu Kanzel taucht der Kunzele in unserer nächsten Nähe, bei
Niedernhali, wieder auf, als Name des grössten der dortigen Grabhügel, der wahrscheinlich einem germani-
schen König gehörte.
2) Solch ein aus römischen Trümmern zusammengeflicktes Denkmal ist in der Schweiz die Römer-
säule aus Lavastein auf der Höhe des Julierpasses, „ohne Zweifel ein Uebcrbleibsel eines alten Bauwerks
von gottesdienstlicher Bedeutung." Historischer Verein von St. Gallen, die Schweiz unter den Römern
S. 6. Dass der untere Theil des Orendelsteins ein römisches Säulenfragraent ist, kann niemand bezweifeln.
Es ist das bei weitem die wahrscheinlichste .\uffassung. Sein Material, der gelbe Sandstein, ist hier no-
torisch von den Kömern zu ihren Säulen verwendet worden, und neben der Stelle, wo sie steht, stösst man
noch heute im Boden auf römische Substructionen von gelbem Sandstein oder Kalkstein. Vgl. auch den
Flurnamen „zur Saul" in PfuUingen O. A. Reutlingen, wo allerlei Römisches gefunden wurde, v. Gok, röm.
Alterth. und Ueerstr. S. 86.
3) Diese aller Orten wiederkehrende Fabel von geheimen Gängen, wie sie nioht bloss an fast jeder Römer-
«tätte (z. B. in der Nähe noch an der einstigen Römervilla bei Rückertshof), sondern auch an allen Klö-
stern und Burgen des Mittelalters haftet, beruht bisweilen auf uralten unterirdischen Wasserleitungen, wie
gerade in unserm Falle. Brunnenstube und Wasserleitung am Orendelstein wurden erneuert ZV DER
ZEIT 1516 (Hansseimann, Beweiss etc. II 140); 3 Jahre nachher, 1519, erhielt der Orendelstein seine
heutige Gestalt. In welch ansehnliches Alter die Brunnenstuben bisweilen zurückgehen, beweist u. a. eine
bei Riedlingen (also auch im Decumatland), wo mehrere bronzene Gelte gefunden worden sind (württemb.
Antiquarium nr. 65, früher 109).
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Vierhundert Schritte vom Orendelstein zog der Limes an Oehringen vorbei und offen-
bar war der. auffallende Winkel, welchen die Ohrn an der Stelle macht, wo er den Fluss
aus andern Gründen überschritten haben dürfte, von den Romern zu Befestigungszwecken
ausgebeutet worden. Auch scheinen dort beide Ufer durch eine Brücke verbunden gewesen
zu sein. ^) Jenseits ist die Flur Cappelrain d. i. der zur Markung des Dorfs Cappel gehö-
rige Rain — doch greift der Name etwas über die wirkliche Markungsgrenze hinaus.
Diese Flur durchzog der Limes, von den späteren Deutschen Cappelrain, wüster Rain und
bloss Rain, bei Pfedelbach wie bei Pfahlbach wieder Döbel genannt. Vorgeschoben am lin-
ken Ohmufer lag dicht vor dem Pfahlgraben ein römisches Fort (vgl. H. Bauer in der
Zeitschr. für württ. Franken 1861 S. 436), dessen Spuren wie sonst in Süddeutschland Burg-
stall genannt werden. Die Verschanzung, auf dem Homberg (entstellt aus Ohrnburg?), ist
ein mit Wall und Graben umgebenes Oblongum, 225' lang, 100' breit mit abgerundeten
Ecken — eine allgemeine Eigenschaft vieler römischer Forts — ; vor hundert Jahren soll
der Graben noch 5' breit und 5' tief, der Wall 16' hoch und 6' breit gewesen sein, vgl.
die Statist, topogr. Oberamtsbeschreibung S. 198. Das Fort hatte einen eigenen Ziehbrun-
nen 2) und war zur Wachstation (statio) trefflich geeignet ; denn es bot eine weite Aussicht
ins obere Ohmthal und namentlich in der Richtung Künzelsau und Waidenburg.
Von jenem Ohraübergang aus führt der Pfahlgraben in gerader Richtung südöstlich
nach Mainhardt, und zwar hat er von der Gegend von Harsberg an, zwischen Pfedelbach
und Gleichen, 1 Stunde südlich von Oehringen, beim Volk den Namen Säugraben, während
schon vorher bei Pfedelbach die Flur »auf dem Döbele« und hinter Mainhardt wieder der
»Döbelwald« mit der erst vor kurzem abgegangenen »Döbelhütte« die eigentlich hohenlohische
Benennung des Walles noch bieten. 3) Der Limes zeigt sich hier theils (wie auch nördlich
von Jagsthausen) als Markungsgrenze, zwischen Cappel und Oehringen, Gailsbach und Lach-
weiler, Mainhardt und Hütten u. s. w., theils als Weg, so längs dem Kirchhoffeld zu Main-
hardt, theils als eigentlicher »Säugraben«, Graben mit Wall, stellenweise noch fast 10 ' tief.*)
Auch von einigen Wachhäuschen wurden die Grundmauern ausgegraben (Paulus, der röm.
Grenzwall vom Hohenstaufen bis an den Main S. 28—30. O.-A.-Beschreib. von Weinsberg
S. 125. 126). Ein Badbrunnen, ^) der vielleicht schon zur Römerzeit benützt wurde, ver-
o
1) Es sind noch auffallend viele künstlich dorthin gebrachte, behanene und unbehauene Sand- und
Kalksteine an dem Uebergangsplatz.
2) Beobachtung des verstorbenen Directors Albrecht.
3) Die südlichste Spur des landesüblichen Namens für den Limes ist der Familienname »Deblerc
in Gmünd, 5 St. südöstlich von Murrhardt ; der nördlichste Punkt der Benennung Säugraben ist dagegen
etwas südlich von Osterburken.
4) Auch bei Mainhardt zeigt der Limes streckenweise deutlich eine auf seinem Kücken hinlaufende
Vertiefung, wie bei Pfahlbach. Ferner ist bemerkenswerth, dass man — wie auch in der unteren Main-
gegend (K, Arnd, der Pfahlgraben 2. Aufl. p. 17) — unfern der Döbelhütte den Limes als doppelte Ver-
schanzung wahrnimmt.
5) Der steinerne Löwenkopf, mit dem er geschmückt war, kam vor wenigen Jahren nach Stuttgart. '
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schaffte dem jetzt unbedeutenden Mainhardt im Mittelalter den Ruf eines Curorts; zurRöraer-
2eit war es eine Grenzfestung zweiten Rangs, ungefähr von gleicher Wichtigkeit wie Jagst-
hausen, vgl. hauptsächlich Hansseimann, Beweis etc. I 68—73. Paulus, der röm. Grenzwall
S. 23— 27. O.-A.-Beschr. von Weinsb. S. 125—129. Man fand hier Reste von römischen Bollwerken
und Häusern, sehr feste Mauern aus Quadersteinen (Hansselraann I S. 70), Heizröhren (Paulus,
röm. Grenzwall S. 25), römische Gräber (Hansseimann I 68) mit Urnen und Lampen, be-
sonders auf dem sogenannten Kirchhoffeld am Limes — schon a. 1690 — ; allerlei sonstige
Oefässe (S. 70), auch Pfeile (S. 71. 72) und Speerspitzen (S. 71), Postamente aus Sand-
stein (S. 72), drei jetzt zertrümmerte Statuen (S. 71 und Stuttg. Lapidarium nr. 71. 72),
das Bruchstück eines Altars (Hansseimann I S. 71j, das Reliefbild eines Opferkrugs an
«inern andern Altar (C. I. Rhen. nr. 1624), einen Becher von schwarzgrauem Marmor (Hans-
selmann I S. 71). Die Lage des Castells, das nach Paulus ein Quadrat von 470' Länge
mit abgerundeten Ecken bildete (Paulus, röm. Grenzwall S. 24), war wie die von Oehringen
und Jagsthausen sehr fest, indem auch hier das sich um die Höhe windende Wasser —
die Brettach — ausgenützt worden war. Inschriftlich ist constatiert (C. L Rh. nr. 1625),
dass von der XXII, Legion, die ja über unsem ganzen Landstrich bis zu ihrem eigenen und
der römischen Herrschaft Untergang verbreitet war, auch zu Mainhardt ein Theil in Gar-
nison lag. Unklar und sehr zerstört ist eine zweite Inschrift (C. I. Rhen. nr. 1621, revidirt
bei Haug, Inschr. von württ. Franken S. 32), die uns sagen zu wollen scheint, dass eine
Cohorte Asturier mit theilweise dalmatischen Subalternoffizieren hier stationirt gewesen
«ei.^) Endlich können wir den Inschriften noch die Verehrung des Juppiter 0. M. (C. I.
Rhen. nr. 1622) und die keltisch-römischen, auch sonst vorkommenden Namen zweier Ein-
wohner Adnamatius Victorinus und Adnamatia Sperata (nr. 1623) entnehmen. Einige rö-
mische Münzen aus der Nähe von Mainhardt besitzt der württembergische Alterthumsverein
{Rechenschaftsbericht 1847 S. 13); aus welcher Zeit kann ich leider nicht angeben (siehe
die Anm. der folg. Seite). Ein Marc Aurel, jetzt zu Kirchberg, ist oben S. 5 erwähnt
worden.
Ebensoweit nördlich von Oehringen, als Mainhardt südlich, finden wir bei Jagsthausen
wiederum eine kleine römische Festung. Die directe Verlängerung der die beiden Oehringer
Bürgen von einander trennenden alten Strasse bildet noch jetzt ein sonderbarer Weg, der
den heutigen Ortschaften absichtlich auszuweichen scheint. Er geht über die Fluren Kreuz-
stein (woselbst ein römisches Wachhaus gestanden haben soll, Paulus, röm. Grenzwall
S. 34; vgl. auch unten bei Rückertshausen das Kreuzholz), Pfahläcker, Schildwache, Jonas-
feld, »in der Wach« an den Pfahldöbel und die Burgwiesen bei Pfahlbach. Halten wir uns
' ^1 '. «^ .*.
1) Haug, röm. Inschriften von württemb. Franken S. 31 ff. liest die Inschrift folgendermassen :
Dis Manibus sacrum (Sanco?) Maximo Dasantis (filio), mensori cohortis (primae?) Astarum sti-
pendiorum XVIII, annorum XXXVIII, civi (colono?) Dalmatae ex municipio Magab. (?), et Batoni [so
auch Stalin, Verzeichniss der in Württemberg gefundenen römischen Steindenkmale S. 84] Beusantis
(filio), optioni cohortis supra scriptae, et itidem (?) stipendiorum XVIII, annorum XL, ex municipio
Salyi(a ?) Apies Incopionis (?)
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von da am Pfahlgraben, dessen Lauf hier durch den Flurnamen Pfahläcker [und ausgegra-
bene Wachhäuschen, nach Paulus in der statistisch-topographischen Oberamtsbeschreibung
von Oehringen S. 98] bezeichnet ist, so kommen wir zunächst bei Sindringen an der Stelle,
wo die Sali in den Kocher mündet, zu einer römischen Kocherbrücke, von deren Pfeilern
man bei niederem Wasserstand noch Reste wahrnehmen soll (statistisch- topographische
Oberamtsbeschreibung von Oehringen S. 98). üebersteigen wir den Pfahläckern entlang
die Höhe, welche Kocher- und Jagstthal scheidet, so treffen wir an letzterem Flusse
einen Punkt, wo noch die Steinfundamente einer uralten Brücke sichtbar sind, und jen-
seits auf dem rechten Ufer die erwähnte entschiedene Römerniederlassung bei den Dörfern
Jagst- und Olnhauseu, ') von Oehringen auf dem nächsten Weg, den wir soeben gewählt
haben, nicht ganz drei Stunden entfernt. Hier auf der Höhe, vom engen tiefgeschnittenen
Jagstthal halbinselartig umfangen, ostwärts durch den Limes gedeckt und diesen wieder
deckend, erhob sich schon im zweiten Jahrhundert nach Chr. eine ansehnliche Veste, die so
gut als ihre spätere Erbin, die Trutzburg Götz von Berlichingens, ihre Geschichte aufzu-
weisen hatte. Das eigentliche Castrum, von welchem noch die südwestliche Ecke sichtbar
ist, stand grösstentheils auf der Stelle des jetzigen Dorfs, während sich die Spuren von Ge-
bäuden und die Fundstellen der römischen Alterthümer, wie Denksteine u. dgl. weiter hin-
aus und namentlich' über die südlich anstossende n Steinäcker erstrecken (vgl. Paulus, röm.
Grenzwall S. 37). Das Castrum selbst zog sich gegen die in nördlicher Richtung etwas
höher gelegene Burg hin, welche wohl dem Befehlshaber der Cohorte als Wohnung diente.
Dieses Castell wird auf dem Platz des heutigen Schlosses gestanden sein. Darauf weisen
die in der unmittelbaren Nähe des Schlosses in neuester Zeit gemachten Funde und beson-
ders der Umstand hin, dass die römische Wasserleitung in den Hof desselben geführt hat.
20—30 Minuten weiter westlich vom Westende Römisch- Jagsthausens kam die Niederlas-
sung von Olnhausen, wo sich nach der vorliegenden Tradition keine Spuren von einem
Castell gefunden haben. Man vergleiche den sehr genauen Situationsplan von Fest
Tafel L
Die lesbaren Inschriften beginnen mit Antoninus Pius (138— 161)C. L Rhen. nr. 1607,
richtiger bei Haug, röm. Inschr. von Württemberg. Franken S. 50. Genau datiert sind die
Jagsthäuser Inschrift vom Jahre 221 nr. 1609 und die beiden Olnhäuser Inschriften vom
Jahre 179 nr. 1618 und vom Jahre 186 nr. 1617. Auf einer vierten, der Jagst-
häuser Inschrift nr. 1608, sind leider die Kaisemamen ausgemerzt. Ich füge hier das
erste getreue Facsimile der Inschrift ein , die auch paläographisch insofern von In-
teresse ist, als — was bisher nicht beachtet wurde — das V vor M zweimal durch Ver-
längerung des zweiten Striches von M angezeigt ist, gerade wie ja sehr oft und auch
1) Ueber die römischen Denksteine in der Kirche zu Olnhausen besitzt der württemb. Alterthums-
verein ein Manuscript des Reallehrers Reinhard in Möckmühl (Rechenschaftsbericht 1845 S- 12), das mir
aber nicht zu Gebote stand. In der Sammlung dieses Vereins sich NotizeH za Baehen oder zu zeiek-
nen ist verboten (!), sch\rerlich durch Beschluss einer Generalversammlung.
8
42
auf eben unserm Stein I vor N durch Verlängerung des ersten Strichs von N bezeich-
net wird.
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Die Inschrift lautet nach Haug a. a. 0. 51. 52 Imp. Caes. (M. Aurelius Antoninus)
Pius Felix invictus Aug. et (Imp. Caes.? P. Septimius Geta Anton. Aug.?) balineum cohor-
tis primae Germanorum (Antoninianae) vetustate conlabsum restituenint, curante Q. Cae-
ciho Pudente viro clarissimo legato Augustorum pro praetore, insistente Q. Mamilio Hono-
rato tribuno cohortis supra scriptae. Gewöhnlich dachte jman bei den ausgemerzten Kaiser-
namen an die beiden Philippi. Allein mit Berufung auf Hagenbuch bei Orelli II p. 366
und Laraey act. Palat. II 121 ff. weist Haug nach, dass die Philippi nicht zu den Kaisern
gehörten, deren Namen nachher ausgekratzt wurden. Mit Recht bezieht er den Stein auf
Caracallus und Geta und ergänzt nach Germ, den Beinamen ANTONINIANAE, also 12 Buch-
staben, welche bei der Vorliebe unsres Steinhauers für Ligaturen nicht mehr Kaum als den
für 9 vorhandenen beanspruchen: AKTON NllAN/t- A, N und I scheinen noch sichtbar
zu sein. Römische Münzeu findet man viele (vgl. auch Hansseimann, Beweiss etc. II 268),
die späteste ist von Philippus Arabs f 249. Nach Hansseimann (Beweiss etc. I S. 75 ff.
II S. 267 ff.) und hauptsächlich nach den Beobachtungen des H. Rentamtmann Fest
zu Jagsthausen, auf dessen freundlichst mitgetheilten Angaben die hier gegebenen Notizen
grösstentheils beruhen und dessen Liberalität wir auch den Situationsplan, die Inschriftco-
pieen und einen Theil der Abbildungen verdanken, entdeckte man Festungsmauern, Hypo-
causta, Brunnen, Gräber, eine Wasserleitung mit thönernen über V2 Meter langen Röhren,
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43
fast V2 Stunde weit sich erstreckend*); von einem Bad, balineum (nicht balnem, wie
mit Zufügung von sie im C. I. Rhen, nr. 1608 angegeben wird), der I. coh. Germanorum
spricht die eben vorgeführte Inschrift und berichtet, es sei zur Zeit der ausgemerzten Kai-
ser wieder hergestellt worden, nachdem es vor Alter zusammengestürzt. Seine Ruinen
wollte Preuner, Zeitschr. des bist. Vereins für württ. Franken 1852 S. 107. 108 in einem
Keller entdeckt haben und beschreibt dieselben ausführlich: dieses Bad aber, ein Gewölbe-
bau, stammt entschieden aus dem Mittelalter. Die gleiche Cohorte, deren Namen wohl für
die Uebernahme des römischen Grenzerdienstes durch Landeseinwohner zeugt, erwähnt die
Olnhäuser Inschrift nr. 1616. ^j Commandant war (nach der gleichen Inschrift) ein Centu-
rio. Ein Signifer (Träger des Cohortenzeichens) lunius luvenis hat sich in der Inschrift
vom J. 221, bei Hang a. a. 0. S. 53 C. I. Rhen. nr. 1609 verewigt: <Iovi Optimo Maximo
lunoni Reginae?) \ Marti et Herculi diis patriis dis deabusq(ue) omnibus lunius luvenis
sig;ni(fer) in suo (geschrieben INSVO als ein Wort — was ich zur Ergänzung der bishe-
rigen Collationen nach eigener Einsicht anmerke; auch ist zwischen düs und patriis ein
Punkt nachzutragen) | v. s. 1. 1. nj. Gr<a>to | (et Se)leüco cos. Zuerst, noch a. 179 (vgl.
nr. 1618), gehörte die Garnison zur VIII. Legion'); a. 186 (vgl. nr. 1617) zur XXII. Diese
letztere geben auch andere Inschriften, nemlich nr. 1610 und eine weitere, neuesten s zu
Jagsthausen aufgefundene, desgleichen die Stempel von Ziegelplatten (Eigenthum des Herrn
Fest).
Die Niederlassung war offenbar nicht so unbedeutend: man hat auch Kunstwerke in
Stein und Erz aus dem Boden gegraben, so einen jetzt zu Kirchberg befindlichen runden
Altar aus Saudstein von sehr hübscher Arbeit; darauf sind in Relief die Götter der sieben
Wochentage — in ganzer Gestalt — dargestellt: Saturnus, Sol, Luna, Mars, Mercur, Jup-
piter und Venus (abgebildet bei Hansseimann II tab. XXIV), dergleichen auch sonst im Ge-
biete des Rheins, wie zu Neckarelz (Christ, monumenta Romana Palatinatus ad Nicrum I
S. 8), Pforzheim (Christ, monum. Rom. Pal. I S. 30, Leichtlen, Zehndlande S.81), zu Godram-
stein in der Pfalz (Hefner, röm. Bayern » nr. 42 S, 307. Jahrb. der Alterthumsfr. im Rheinl.
IV 173 f.), in Mainz und Castel (vergl. Memminger, württembergische Jahrbücher 1835,
1) Im jetzigen Schlossbof, wo sie endigt, liegt noch ein Stück der Leitung: die thönerne Röhre
steckt, von einer Asphaltmischung umgeben, in ausgehöhltem Sandstein.
2) Nach Haug a. a. O. S. 55 lautet sie: I(ovi) O(ptimo) M(aximo) lunoni Reginae L. Petronius Ter-
tiuB eentnrio coh(ortis) I Germanorum ex voto suscepto pro se et suis posuit l(aetus) l(iben8)
m(erito),
3) Die Inschrift nr. 1618, Haug S. 57, habe ich folgendermassen gelesen: ♦ . . f^ . £XCL*
(= et Genio loci) | IPOMETIV<S> GRATINVS I MILES LEG VIII AVC | «F COS
(= beneficiarius consularis) | pRQ SE ET SV IS ' lAAP • COM MODO 11' ET j VERO
II» cos I Also, im Gegensatz zu den bisherigen Lesungen der Inschrift, glaube ich vor GL in der
ersten Zeile nach ET, und ausserdem als den zweitvorhergehenden Buchstaben vor ET ein N zu er-
kennen. Haug liest Zeile 2 Ipomniu, ich selbst habe wie Hansseimann und Fest Ipometiu heraus-
gebracht.
44
1. Heft S. 78. Jahrbücher der Alterthumsfreuade im Rheinlande IV 171 f.), und frag-
mentarisch zu Rotenburg (Sumalocennae; Jahrbücher der Alterthumsfreunde im Rhein-
lande IV^ 145. 175. tab. III 5), endlich auch zu Wellingen in der Schweiz (F. Keller in
den Mittheil, der antiquar. Gesellschaft in Zürich XV S.133 tab. XIII. Jahrb. der Alter-
thumsfr. im Rheinl. IV 176) gefunden worden sind. Dann in allerneuester Zeit wurde .in
meiner Gegenwart ein zweiter Altar aus der Erde gegraben, 64 cm. hoch, oben 31 cm.
breit. Es ist eine runde nach oben sich verjüngende Sandsteinsäule ganz mit grossen Schup-
pen (des Pinienapfels, wie mir scheint) bedeckt, oben mit viereckigem Aufsatz und quadrat-
förmiger Vertiefung in der Mitte: das Capital ist an den vier
Seiten je mit einem Genienkopf verziert, ganz ähnlich wie das
Säulencapitäl von Neuenheim, Carlsruher Lapidarium nr. 20. Un-
mittelbar an der Jagsthäuser Ära lag eine Votivinschrift, gleich-
falls aus gelbem Sandstein, offenbar zu dem Altar gehörig. Ge-
stalt und Inschrift der 54 cm. hohen, in der Mitte 40, an deu
Gesimsen 48 cm. breiten, sorgfältig gearbeiteten und vortrefflich
erhalteneu Platte mag mau aus nebenstehender Zeichnung Fests
ersehen.
Also : lovi Optimo Maximo Atusonius Victorinus votum solvit lae-
tus libens raerito. Ein Atusonius kommt sonst nicht vor; da-
gegen mehrfach Atusii. Ein Victorinus aber findet sich noch
einmal zu Jagsthausen in dem Töpferstempel VICTORINVS
FE.') Ausserdem besitzt Fest den Stempel
c
MICC I
(auch zu Darmstadt, Mainz und
Utrecht, Fröhner inscript. terrae coctae nr. 1580) und das unklare Fragment lyy^J
= Ma . . . Ferner zwei aussen eingeritzte Inschriften: '
FIINV «n<l riR/V\ll. Mit ersterer Form dürfte der Oehringer Stempel lASSV zu ver-
gleichen sein. Unter der Fundstelle obigen Votivsteins uud Altars war ein beinahe eirund
ausgemauerter Raum von 5' Tiefe, 5' Länge und 3—5' Breite, welcher meist mit Kohlen
und Knochenresten von Thieren angefüllt war. Auch viele Stücke von Amphoren und das
Fragment einer grossen hübschen Schüssel von samischer Erde mit gepressten Figuren, Ge-
nien, Hahn, Hund u. s. w. fanden sich in der Opfergrube.
Von Bedeutung für die Kenntnis des religiösen Lebens in dieser kleinen Grenzfestung
sind noch zwei Steininschriften, bei Hang a. a. 0. S. 55. 58. C. I. Rhen. nr. 1619. 1617,
deren erstere, sehr fragmentarisch erhalten, uns mitzutheilen scheint, dass als Schutzgott-
heit des Platzes, Genius loci, die unter den wenigen Inschriften viermal wiederkehrende
S
1) Uebrigens sind sie schwerlich identisch. Victorinus ist vielleicht der häufigste Name im Decu-
matland; wir haben ihn in Steinschrift sogleich wieder zu Mainhardt C. I. Rhen. nr. 1623 uud Murr-
hardt C. I. Rhen. nr. 1568. Victorina nr. 1569 auf Töpferstempeln zu Köngen, Rotweil, Riegel. Fröh-
ner inscript. terrae coctae 2125 sq. 2130, und im nahen Oedheim (vgl. S. 48 dieser Abhandl.). ebenso zu
Bonfelden bei Heilbronn, Haug, röra. Inschr. S. 61.
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Juno (Regina) *) verehrt wurde, welche nemliche Thatsache auch für Röraisch-Canstatt aus
der Inschrift C. I. Rhen. nr. 1575 hervorgeht. Zu Beckingen dagegen wurde Mars Caturix
als Genius loci verehrt C. I. Rhen. nr. 1588. Die zweite Inschrift (nr. 1617) lautet nach Haug
S. 56 : lovi Optimo Maximo lunoni Reginae et His(idi) Sed(atae) Titus Flavius Vitalis Aelia
Augusta, miles legionis XXII primigeniae piae fidelis, beneficiarius consularis, stipendiorum
XXVI, pro Salute sua et sui omnium votum solvit libens merito Imperatore CommodoPio Feiice
quintum et Glabrione (iterum?) consulibus. Sie erzählt uns also vom Cult einer local
verwandelten Isis, wobei das Ephiteton Sedata an den in Bayern und Kärnthen verehrten
Gott Sedatus (Hefner, röni. Bayern ^ nr. CXI S. 100) erinnert und vermuthen lässt, dass
unsrem gebornen Augsburger die ägyptische Göttin mit einer südgermanischen sich verei-
nigt hat, wie ja selbst Tacitus (Germ. 9) von einer Verehrung der Isis bei den Germanen
berichtet und noch zur Zeit der Schlacht bei Strassburg der Alamannenkönig Chnodomar
in die Isismysterien sich einweihen liess und seinen Sohn Serapio nannte, Ammian. Marcell.
XVI 12.
Weiter entdeckte man zu Jagsthausen das Fragment einer kleinen Säule (Hansseimann, Be-
weiss etc. IS. 79), gottesdienstliche Geräthe in halberhabener Arbeit (Hansseimann Itab. XIV 3);
sodann in der Aschenurue eines Grabes einen achteckigen Siegelring aus Silbermischung mit
rundem Topas, auf welchem vertieft geschnitten ein Genius oder geflügelter Amor einen
grossen Hahn am Kragen hält (Hansseimann II S. 267 tab. XVIII fig. 4. 5). Wir hätten
ihn gerne aufs neue abgebildet, konnten ihn aber weder zu Kirchberg noch sonstwo finden.
Hansseimann weiss nicht, was von dem Bild zu halten sei. Es ist aber bekannt, dass der
Hahn als feuriges Thier der Venus geopfert zu werden pflegte (Alciphr. epist. fragm. 6, 5.
Böttiger kl. Sehr. III 462) ; dass er ein gewöhnliches Geschenk an die Geliebten war (Aristoph.
Vögel 707. Plutarch. Lycurg. 20 2); Kunstwerke, wo er in den Händen geliebter Knaben
firscheint, citirt K. F. Hermann, der Knabe mit dem Vogel S. 16; dazu kommt noch Pa-
nofka, Bilder antiken Lebens Taf. 10, 8: Ganymedes mit einem Reif und einem Hahn);
1) Auch in der Nachbarfestung Osterburken ward Juno Regina verehrt, was aus der unedierten
Inschrift eines Veteranen Julius hervorgeht. Ich füge noch einige unedierte Töpfe rstenipel aus Oster-
burken an:
AV.V» TIN^^ _ Augustinus (Caustatt, Rotenburg. Rheinzabeni. Fröhner nr. 235. 236);
CENS $ = Censoriuus (Rheinzabern. Speyer u. s. w, Fröhner nr. 648—6.54);
PATVRINVS
verkehrt, in dieser Form noch nicht nachgewiesen, nur PATRVINVS aus Rhein-
zabern, PATRVENVS aus Mühlhausen bei Canstatt. Fröhner nr. 337; PATV und
BATYR aus Voorburg, nr. 340. 341. Unerklärlich ist mir 1183^7/. Sämmtliche Stempel sind in der
Sammhing des Vereins für württ. Franken: dazu noch auf einer Todtenlampe, vom Rhein, vielleicht aus
Mainz: ///VCARI = Eucari (Bonn. Cöln, Fröhner nr. 1053—1054), wenn nicht = Eucarp (nr. 1055 flF.).
2) Ntavlaxog Sk rroö; Tovlfnnyytllöuevov kvtiÜ So}attv a).(XTov6i'a; f^n^axontti fv tm fjayfafhir un
avys, (Inev. aXXa Sog fioi iwv anoxTfivoVTCjr iv t^ fiayfoQ'tti. '
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46
dass er sehr häufig, namentlich auf Gemmen, in allen (lenkbaren Verbindungen mitAmoren
auftritt : bald reitet Amor auf dem Vogel, bald fahrt er auf einem Hahnengespann (Winkel-
mann, Stoschische Sammlung S. 403), bald fährt ein anderer auf dem Hahnenwagen und
Amor steht dabei, anzudeuten, dass die Fahrt einem Liebesabenteuer gelte (Winkelmann,
Stosch. Samml. S. 372), bald vergnügt sich Amor oder zwei Amoren, ein Paar Streithähne
kämpfen zu lassen (Müller und Oesterley, Denkmäler alter Kunst H 52, 654. Winkelmann,
Stosch. Samml. S. 407), dann wieder lässt ein Amor den Hahn aus einem Käfig laufen (Win-
kelmann ebendas.) oder er spielt, wie auf unsrem Steine, in anderer Weise ruhig mit dem
Thier (so auf dem Sarkophagrelief: Phädra und Hippolyt, Gerhard, antike Bildw. Taf. 26).
Der Siegelring wird somit nichts anderes ursprünglich gewesensein, als ein Zeichen der Liebe,
und als solches wird er auch von liebender Hand der geliebten Asche beigeschlossen
worden sein, wie heute noch gar mancher seinen Trauring mit ins Grab nimmt.
Auch aus Bronze hat man mehrere recht hübsche Sigilla gefunden : das Brustbild einer
kriegerischen Frau mit phrygischer Mütze; eine der beiden Brüste ist entblösst und quer
herüber läuft ein Gurt, vielleicht den Köcher zu tragen, deutlich genug also eine Amazone,
im Besitz des Hrn. Rentanitmann Fest, abgebildet Taf. IV 5. Das Bild ist hohl und hinten
platt abgeschnitten, war somit einst bestimmt an einer Wand befestigt zu werden, wie der
oben bei Oehringen beschriebene Minervenkopf. Ferner zwei Exemplare der beliebten
Satyrstatuetten: eine mit abgeschlagenen Füssen, im Besitze des Hrn. Rentamtmann Fest;
die zweite sollte sich in der Sammlung des württembergischen Alterthumsvereins zu Stuttgart
befinden, nach dem Rechenschaftsbericht 1844 S. 11. Erstere Statuette, genauer bezeichnet
ein halbtrunkener Silen, weinlaubbekränzt mit schiefer plattgedrückter Nase und spitzig
vorragenden Blättern über den Ohren, in sitzender Stellung und so zu ergänzen, dass er
mit der Rechten in das Gefäss sich einschenkt, das er mit der Linken einst gehalten haben
muss: dieses Kunstwerk im edelsten klassischen Stil (vgl. Müller, Handbuch der Archäol.
§. 386), sicher eines der schönsten Erzeugnisse römischer Kunst im Decumatland, geben
wir zum erstenmal wieder auf Taf. IV 4. Ausserdem zeigt Tafel VH (3. 5) eine sehr hübsche
mit blauem, weissem, grünem und rothem Email ausgelegte Bronzebrosche, (9) eine geschmack-
voll einfache bronzene Gewandnadel und (6. 7) ein paar interessante Haarnadeln z. B. mit
einem Knopf in Form eines Hahns, ebenfalls aus Bronze, sämmtlich Jagsthäuser Funde.
Ferner enthält die kleine Sammlung im Freiherrlich Berüchingischem Schlosse den kleinen
Finger einer lebensgrossen Bronzestatue, ohne Zweifel eines Mannes.
W^ir übergehen die Farbschalen, fusslangen Pfeilspitzen u. a., was ausserdem entdeckt
wurde. Das Gebälke zeigt hier, wie überhaupt längs dem Limes in unserer Gegend, die
entschiedensten Spuren der Zerstörung durch Feuer. Dass sie gerade so gründlich gelang
wie die von Oehringen, beweist der Umstand, dass Jagsthausen für ungefähr 800 Jahre
aus der Geschichte verschwand und auch der römische Name verloren gieng.
Jagst abwärts scheint über Widdern eine römische Strasse nach Wimpfen geführt zu
haben ; andererseits dürfte Jagsthausen mittelst der auf der Höhe zwischen Jagst und Kocher
hinziehenden Hochstrasse — es kommt auch der Name Wachhäusle an ihr vor — mit
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den Römerniederlassungen auf den jetzigen Fluren Mäurich ^) und Bürg (nebst Umgebung)
bei Neuenstadt und Oedheim am Kocher verbunden gewesen sein (vgl. v. Gok, der röm.
Grenz wall von der Altmühl bis zur Jaxt S. 196).
Bürg, Mäurich u. s. w. bei Neuenstadt haben verschiedene römische Denkmäler auf-
zuweisen. Abgesehen davon, dass schon im sechzehnten Jahrhundert Säulen und das Mo-
nument der Tochter eines Kaisers (Chronik Reichards v. Gemmingen vom J. 1631; v. Gok,
a. a. 0.) ausgegraben werden sein sollen, erfahren wir aus den Inschriften folgendes : dass
unter Septimius Severus (C. I. Rhen. nr. 1613) und unter seinem Sohne Caracallus zwischen
den J. 198 und 211 (C. 1. Rhen. nr. 1605, Haug, röm. Inschriften von württ. Franken
S. 25) daselbst Römer lagen, dass sie den Sonnen- und Heilgott Apollo Grannus (C. I.
Rhen. nr. 1614) und den Genius des Mars (C. I. Rhen. nr. 1611) verehrten, also wohl zum
grossen Theil Soldaten waren. Von ihrem Reiten und Jagen legt ein gefundener eiserner
Sporn (Paulussche Privatsammlung im Stuttg. Museum vaterländischer Alterthüm. nr. 293)
und die Reliefdarstellung einer Hasenjagd auf dem Altar des Apollo Grannus Zeugnis ab
(Stuttg. Lapidarium nr. 39). Eine Statue des Kaisers Caracallus muss einst auf der römi-
schen Bürg gestanden haben C. I. Rhen. nr. 1605. Von einem Einwohner, der zugleich
Decurio und Eigenpriester war und jenes Standbild errichtete, weiss die gleiche Inschrift zu
melden: «Imperatori Caesari Marco Aurelio Antonino Augusto, Lucii Septimii Severi Augusti
nostri filio, statuam ob honorem decurionatus et tlaminatus . . . .« Ohne Zweifel gehörten
die Truppen wie die von Oedheim der II. isaurischen Cohorte an und zählten wie die rings-
um stationirten Truppen zur VIII., später zur XXII. Legion. Soldatenziegel, die man bei
dem bloss eine Stunde entfernten Oedheim gefunden hat, zeigen den Stempel COH- ll IS
(C. I. Rhen. nr. 1615), so dass man nicht zweifeln kann, dass hier Isaurer lagen. Man
hat auch an die Isarker (in Tirol) erinnert und an die Unterwerfung der Isaurer durch
Probus, beides mit Unrecht. Eine cohors Isaurica war auch zu Augsburg in Garnison
(Hef ner, röm. Bayern ^ S. 5), und zu Stockstadt, also auch am Limes transrhenanus und
im römischen Südwestdeutschland, war ein Soldat [der XXII. Legion] „uatione Isaur." be-
graben (Hefner, röm. Bayern ^ nr. CCIX). Weder Stockstadt noch Oedheim waren zu
Probus Zeit oder nach ihm in den Händen der Römer, auch verschwindet die ganze XXII.
Legion schon vor der Regierung des Probus aus der Geschichte: ihre letzten Lebenszeichen
sind Gallienus- und Victorinusmünzen mit ihrem Namen aus den sechziger Jahren des drit-
ten Jahrhunderts (Wiener de legione Romanorum vicesima secunda p. 79. 80). Probus sel-
ber sagt von sich, dass er den Deutschen ihren «Boden« gelassen habe ; bloss einigen Rhein-
städten, wie Mainz und Bonn gegenüber stellte er die römischen Castelle wieder her. Uebrigens
1) Mäurich oder Mäurig ist Collectiv von Mauer = Gemäuer. Sowohl gegenüber von Neuenstadt,
als gegenüber von Oedheim befindet sich auf dem rechten Kocherufer eine Flur (mit römischen Resten) dieses
Namens, desgleichen gegenüber von Beckingen und Wimpfen am rechten Neckarufer; überhaupt ist der Name
häufig, in der Schweiz als Möriken und Mauracher, bei Leouberg sogar zu Eurach entstellt, eine Vier-
. telstunde von der Oehringer Untern Bürg als Mörig. Hochmauren bei Rotweil gilt für das vielgenannte
Arae Flaviae; Mauren, Muri u. s. w. sind häufig.
y
48
scheinen sich die fremdländischen Soldaten recht behaglich bei Oedheim eingerichtet zu haben.
Man entdeckte z. B. eine ummauerte Villa mit Heizeinrichtung, Säulengang, Steintreppen
und gemalten Wänden, auch allerlei Gefässscherben, worunter eine mit Stempel (Victorinus).
Dass sie den Wein nicht verachteten, wird durch manche Fragmente unzweifelhafter Wein-
krüge ausser Frage gestellt (Schriften des württ. Alterthumsvereins 1866 S. 25. Jahrb.
der Alterthumsfr. im Rheinl. XXXIX S. 213—215. Zeitschr. des Vereins für Württemberg.
Franken 1866 S. 357. Die Amphoren sind in der Stuttgarter Sammlung vaterländischer
Alterthümer).
Auf der Höhe zwischen Jagst und Kocher, ziemlich zwischen Neuenstadt, Jagsthausen
und Oehringen in der Mitte, beim Rückertshof, einst Ruggarteshusen genannt, ist der
Wald Kreuzholz. Hier hat man schon vor langer Zeit römische Sachen gefunden, aber erst
in neuerer Zeit ist, unter Oberleitung von Director Albrecht systematisch ausgegraben wor-
den. Da entdeckte man nun die brandgeschwärzten Ruinen einer römischen Meierei nebst
Hypocaustum und Backsteinbrennerei. Es kamen auch verzierte und un verzierte Ziegel-
platten, Glas, Terra sigillata, Nägel, Bänder von Metall, ein Schreibgriffel, anderthalb
Töpferstempel (ATTIAXVS, N nicht ausgeprägt, und ////NHOF = . . . ii officina, Samm-
lung des Vereins für württembergisch Franken ; Attianus noch bekannt aus Castel, Rhein-
zabem, Fröhner inscr. terrae coctae 201 und Rutesheim ^) bei Leonberg, Sammlung des
Württemberg. Alterthumsver. nr. 9), sowie zwei Bronzemünzen von Antoninus Pius zum
Vorschein, die eine unleserlich, die andere vom J, 160 (vgl. Zeitschr. desVer. für Württem-
berg. Franken 1848 S. 82, deren Angaben ich hier nach genommenem Augenschein theil-
weise verbessert habe). Gleich unterhalb der Niederlassung ist eine steingefasste Quelle mit
reichlichem Wasser (Zeitschrift des Vereins für württemb. Franken 1865 S. 116). Ausser
dem Hirschgeweih und den Auerochsenwirbeln, den Wolfs- und Fuchsknochen, die man ge-
funden haben will (Zeitschrift des Vereins für Württemberg. Franken 1848 S. 82), fand man
auf Ziegelplatten die tief eingedrückten Spuren darüber gewandelter Schafe (Zeitschrift des
Vereins für Württemberg. Franken 1848 S. 78; die Ziegel in der Vereinssammlung). Zu-
sammengenommen mit den übereinstimmenden Spuren auf Ziegeln von Oedheim (Jahrb. der
Alterthumsfr. im Rheinl. XXXIX S. 215) und mit den Webergewichten, 0 welche man im
benachbarten Neckarsulm ausgegraben hat, dürften sie beweisen, was freilich zum voraus
angenommen werden muss, dass auch in dieser Ecke des römischen Reichs Schafzucht be-
trieben ward und die Frauen des Webstuhls pflogen.
Der directe Heimweg nach Oehringen führt uns zunächst zur Flur «Wachholder« und
1) Vgl. auch das seltsame Zusammentreffen von Rückertshausen und Rutesheim bei der nächsten
Anmerkung betr. die Schafzucht.
1) In der Stuttgarter Sammlung vaterländischer Alterthümer. Vgl. Ritschi, antike Gewichtsteine,
in den Jahrbüchern der Alterthumsfr. im Rbeinlande XLI S. 9 ff. Sehr interessante Beweise römischer
Schäferei im Decumatland hat man zu Rutesheim bei Leonberg gefunden, Schafscheere, Schafglooke u. s. w.
(Samml. des württ. Alterthumsver.).
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' ■^^i'AiiA, £äfö*Ä«&^S?i
49
nach der »Wächlinger Steige« und den »Wächlingsgärten«^) am Kocher, dann hinüber über
den Fluss nach Ohrnberg (einst Ornburc) mit Römerresten in der Nähe, von da ohrnauf-
wärts zum abgegangenen Weiler Stackenhofen, dann über die »Strassenäcker« an »Mörig«
vorbei zur Unteren Bürg. Die Vermuthung liegt nahe, dass der besagte Weg schon von
den Römern gegründet worden ist, um die kleinen Niederlassungen bei Ohrnburg und
Rückertshausen mit Oehringen in directe Verbindung zu bringen und in seiner nördlichen
Verlängerung zu den Castellen Olnhausen und Jagsthausen weiter zu führen. Zwischen
Neuenstadt-Oedheim und Oehringen bestand schwerlich eine directe Chaussee; vielmehr
scheinen die Aurelianeuses, wenn sie nordwestlich marschieren wollten, bis in die Gegend
von Verrenberg-Bitzfeld(V4 Stunden von Oehringen) die grosse Landstrasse nach Beckingen be-
nützt zu haben. Von hier aber gieng vielleicht eine Nebenstrasse längs der Brettach hinab.
Auf den Burgwiesen bei Weislensburg, das an dieser Strasse gelegen haben müsste, hat man
schon manchesmal römische Münzen, Scherben und Bautrümmer gefunden. Auch V^erren-
berg ist nicht ohne römische Münzen.
Ueber den Limes hinaus, ins freie Germanien, scheint keine Römerstrasse geführt zu
haben. Der politische Gegensatz zwischen der Bevölkerung diesseits und jenseits war doch
zu stark und schroff, um trotz der mannigfachen üebereinstimmung in Sitten und Interes-
sen solches Hinausgreifen der Römer über die gesteckten Grenzen zu dulden. Von diesen
Deutscheu im nichtrömischen Lande wissen wir leider gar wenig. Zwar ist ganz Hohenlohe
namentlich längs den Flüssen Jagst und Kocher noch heute mit einer grossen Zahl Grab-
hügel, wohl bei 500, bedeckt und davon hat man 300 geöffnet, aber die Ausbeute war
verhältnismässig klein. Man findet die Hügel vom Limes bei Oehringen und Jagsthausen
bis ins Riess, in die Gegend von Nördlingen und Donauwörth (Haarburg), und ebenso nord-
wärts bis Mergentheim und jenseits der württembergischen Grenze. Am zahlreichsten trifft
man sie in der Nähe der Salzquellen von Niedernhall am Kocher und Kirchberg an der
Jagst. Auf isolierten Höhen entdeckt man sie selten; gewöhnlich erheben sie sich gruppen-
weise (bis zu 40 Stück) auf flachen Waldhöhen und an Stellen, wo früher Wälder — Eich-
wälder — standen, wie theils aus den Flurnamen, theils aus der mündlichen und schrift-
lichen Ueberlieferung erwiesen werden kann. »Heimatswälder« nennt schon die ältere Edda
diese Hügelgräber. »Wo lerntest du diese spitzigen Worte, dass ich nirgends spitzigere
hörte?« fragt Thor, und Harbard erwiedert: »Ich lernte sie bei den Männern, den alten,
welche wohnen in den Heiraatswäldern« [d. i. nach Lüning Edda S. 223 und Liliencron
in Haupts Zeitschrift für deutsches Alterthum X 1856 S. 188 in den Wäldern als ihrer
Heimat]. Thor : »Da gibst du guten Namen den Gräbern, dass du sie nennst Heimatswälder
(heimis skoga)« Harbardslied Str. 43—45. Und noch aus dem 12. Jahrhundert lesen wir
das Verbot, dass die Christen ihre Todten nicht zwischen den heidnischen in Wäldern
und Feldern begraben sollten (Abbas Ursperg. ad annum 1124 von Pommern).
Untersucht wurden die meisten Hügel durch Hofrath Hammer in Kirchberg, dessen
1) Vom abgegangenen Ort Wachalinga, Wachaliucheim ; Garten = durch eine Mauer oder sonstwio
eingefasster Platz.
50
Papiere die Hauptgrundlage meiner Ausführungen bilden ^ — übrigens geschah diess in
einer Zeit, wo die Gräberforschung noch sehr in den Anfängen lag, und Hammers Verfahren
war meistens sehr summarisch, sofern er einfach in westöstlicher Richtung einen schmalen
Einschnitt in den Hügel machte, um das in der Mitte von Süd nach Nord liegende Gerippe
zu treffen; darauf untersuchte er den Platz bei diesem und schüttete dann den Grabhügel
wieder zu. Nur ausnahmsweise gieng er sorgfältiger zu Werk. So viel demnach seine Me-
thode zu wünschen übrig Hess: wir verdanken Hammer doch einen üeberblick über die
Natur und den hauptsächlichsten Inhalt der Grabhügel unserer Landschaft.
Man unterscheidet gegenwärtig drei Hauptklassen von Grabhügeln. Solche der älte-
sten Gattung d. i. grosse Hügel mit gewaltigen Steinringen umkränzt, im Innern mit Kammern
aus gespaltenen mächtigen Steinplatten, mit unverbrannten Leichen, SteinwaflFen und Bem-
steinschmuck, solche hat man im Hohenlohischen nicht gefunden.
Die Mehrzahl gehört vielmehr zur dritten spätesten Klasse, die einer Zeit entstammt,
in welcher der Gebrauch des Eisens für alle schneidenden Werkzeuge schon herrschend
geworden, ungefähr den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt. Ihren allgemeinen Cha-
rakter bestimmt Lindenschmit (vaterländ. Alterth. zu Sigmaringen S. 107) dahin : sie seien
zumeist ganz aus Erde gebaut oder nur mit einer geringen Verwendung von Steinen,
theils für innere Umgrenzung, meist aber für das Lager der Todten, welche oft in
grösserer Zahl, »nach verschiedenen Richtungen oder von Süden nach Norden,« mit
ihren Waffen und Schmucksachen bestattet seien. Hügel dieser Art, mit unverbrannten Lei-
chen, finden sich in grosser Anzahl im Hohenlohischen, so namentlich auf dem Hermersberg
bei Niedernhall und im Streitwald bei Kirchberg an der Jagst. Ihre Gestalt mag sich ur-
sprünglich einem Kegel genähert haben. Die anfängliche Höhe hat natürlich bei allen mehr
oder weniger abgenommen. Viele sind durch die Witterung oder die Cultur verflacht wor-
den und dadurch für immer verschwunden. Jetzt erreicht ihre Höhe bisweilen noch 2,85 m.,
auch noch mehr; doch sind 3 m. das Maximum, bei einem auch sehr umfangreichen (31,35 m.)
Hügel im Triensbacher »Eichwald« eine halbe Stunde von Crailsheim. Der Umfang ist
stets ziemlich kreisrund; das Maximum des Durchmessers beträgt beim grössten Hügel des
Streitwalds 42,75 m. (150 ')• Sehr viele sind 1,7 bis 2 m. hoch und 20 bis 22 m. im Durch-
messer. Der Hügel besteht in der Regel aus aufgeworfener Erde mit Steinen im Centrum
der Halbkugel. Gerade unter dem Höhepunct, ursprünglich 1,4 bis 1,7 m., jetzt noch da
und dort 1,14 m. tief im Boden lag der Todte (so im Streitwald und bei Hermersberg),
gebettet auf eine 2,28 m. lange und ungefähr 1 m. breite Steinlage und zugedeckt mit
1) Ausserdem habe ich schriftliche und mündliche Notizen der HH. Obermedicinalrath Dr. Holder
in Stuttgart, Forstmeister Gantz in Oehringen, Schulmeister Kneile in Niedernhall und Stadtpfarrer
Braun in Grossheppach, früher in Niedernhall, benützt, wofür ich diesen HH. hiermit bestens danke.
Gedruckte Aufsätze Hammers über einen Theil seiner Ausgrabungen, beziehungsweise Auszüge Pauly's
aus Hammers schriftlichen Mittheilungen stehen in Memmingers württembergischen Jahrbüchern 1838
S. 221 £F. 1840 S. 414 ff. Dabei sind auch einige, aber sehr dürftige Abbildungen ohne Angabe des
Massstabs.
51
einer gleich grossen Schichte meist grösserer Steine. Fast immer waren Kalksteine benutzt,
je und je auch Sandsteine; selbst Feuersteine in einer Schwere von 22 Pfund, *) ja sogar
Versteinerungen*) waren mühsam zusammengesucht und herbeigeschleppt worden, in Ge-
genden, wo in einer Entfernung von einer halben Stunde keine solchen Steine gefunden
werden. Auch die Bauart war nicht überall gleich: bei dem einen war eine Schicht fest-
gestampfter Erde über dem Todten, bei einem andern, dem sogenannten Fuchsbörzel ') im'
Streitwald, erhob sich über dem Begrabenen, der genau im Mittelpunkt des Hügels auf
kleine Feldsteine gebettet ruhte, ein mächtiger Steinkegel 2,28 m. hoch und 5,7 bis 7 m.
im Durchmesser, aus vielen grossen und theilweise seltenen Steinen (Feuersteinen und Ver-
steinerungen) gethürmt; den Steinhügel selbst umgab wieder ein bis zu 18,5 m. breiter
Ring von Erde, so dass der Durchmesser des ganzen 42,75 m. (150 ') erreichte. DerTodte,
sicher ein Fürst oder König, dessen Knochengerüste gegen 2 m. lang war, hatte Schwert
und andere Waffen mit ins Grab genommen und die grosse Zahl von Eisenstücken rings
um ihn muss von seinem Wagen herrühren. Der Leichnam lag nach der Volkssitte nord-
wärts gerichtet*) und auch sein Riesenhügel lag nördlicher als alle andern Grabhügel und
Grabhügelgruppen der Gegend. Urnentrümmer, Knochen — von mindestens sechs weiteren
Menschen — und Bronzegeräthe ^) fanden sich genug im Umkreise des Grabes; von Gold,
1) Unter den im Innern des sogenannten Fuchsbörzels 2,28 m. buch und ungefähr 6 m. im Durch-
meseer aufgethürmten Steinen fand Hammer 7—8 Feuersteine von 6. 8. 9. 15 bis 22 Pfund schwer.
2) Auch diese fanden sich im Fuchsbörzel; vgl. S. 22 die Notiz über die Verwendung von Ver-
steinerungen im Decnmatland. Auch in einem Hügel bei Wiesbaden fand man in einer Steinkiste reine
Asche und eine versteinerte Venusmuschel, Dorow, Opferstätton und Grabhügel I 23.
8) Dieser Fuchsbörzel d. i. Fuchshügel ist leider längst durch die vielen Füchse und Dachse, die
darin bauten, und durch die Jäger, die nach ihnen gruben, soweit der Steinkegel nicht reichte, g^ründ-
lich zerwühlt und zerstört worden. Hammer untersuchte ihn zwar ausnahmsweise sorgfaltig; dennoch
fanden hier noch in neuester Zeit die Jäger beim Fuchsgraben metallene Gegenstände.
4) Auch sonst in Württemberg zeigen die alten Begräbnishügel — wahrscheinlich der Marko-
mannen — regelmässig die Richtung der Leiche von Süd nach Nord. z. B. bei Messstetten 0/A. Balin-
gen, Schriften des württ. Alterthumsver. Bd. II Heft 1, 1869 S. 43 S. Die andern da und dort inner-
halb des Limes sich findenden Richtungen, worunter besonders die von Ost noch West bemerklich ist
(Schriften des württ. Alterthumsver. Bd. I Heft VII 1866 S. 78), dürften theilweise von der Einwirkung
der Römer, beziehungsweise ihrer ins Decumatland eingewanderten Provinzialen und ihrer barbarischen
Auxiliarsoldaten herrühren. Wie geneigt schon die alten Deutschen waren, fremde Sitte zu adoptieren,
zeigt die östliche Richtung selbst noch heidnischer Reihengräber. — In Betreff der Nordendorfer ist es
ein Irrthum Weinholds in seiner Abhandlung über die heidnische Todtenbestattung in Deutschland.
Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der Wiener Akademie der Wissenschaften XXX 2,
182, dass die Köpfe gen Süden sehen. Siehe Jahresbericht des historischen Vereins für Schwaben und
Neuburg 1842/43 S. 22. 24. Auch die Reihengräber in unsrer Nähe, bei Gundelsheim unfern der Mün-
dung der Jagst in den Neckar und bei Crailsheim am Oberlauf der Jagst, zeigen die Leichen in Öst-
licher Richtung.
5) Hammer erwähnt u. a. eine Kleiderhafte, zwei wahrscheinliche Ohrgehänge und ein Enöpfchen
mit einem kurzen Stiel.
52
»
Silber, Bernstein oder auch nur Glas keine Spur. Auch sonst lagen öfters mehrere Todt«
in Einem Hügel beisammen : so im grössten auf dem weiten Eichwaldgottesacker des Herr-
gottsberger *) Waldes (Distriet Hermersberg): da lagen unter einer Steindecke von 2,85 bis
3,42 m. Durchmesser zwei Menschen: der ältere und grössere, vielleicht der Mann, in der
Richtung von Süd nach Nord, der kleinere und jüngere, wohl die Gattin, zu seinen Füssen
in der Richtung von Ost nach West. Unwillkürlich denkt man dabei an die schauerliche
Sitte, nach der einst manche deutsche Frau sich ihrem Herni und Gemahl freiwillig an-
schloss, wenn er die Reise ins Jenseits antrat. 2) Ein andermal fand man eine Frau und
ein 10— 12jähriges Kind, vielleicht Mutter und Tochter, im gleichen Grab. Das war im
Streitwald in dem von Hrn. Obermedicinalrath Holder geöffneten Hügel, von dem wir Taf.
VI 9. 10 zwei Skizzen gegeben haben. Er hielt gegen 15 m. (52 ') im Durchmesser und erhob sich
2 m. über die Bodenfläche; sein Umfang war kreisförmig. Oben auf der Spitze des Hügels ragten
etliche moosbewachsene Steine über die Fläche hervor. Die Sohle des natürlichen Bodens
bedeckte ein etwa 0,5 m. hohes festgestampftes Lager von reinem Lehm, ein sehr feiner
gleichförmiger Boden (a a a Taf. VI 10). Auf dieser Lehmschichte war ein 2,28 m. langes
und 1 m. breites Steinlager, dessen Boden aus rohen, etwa 6—8 cm. dicken Steinplatten
bestand, die genau ineinander gefügt waren. Die Seiten des Lagers waren dadurch gebildet,
dass man theils je einen theils zwei aufeinanderliegende Steinblöcke von 22 — 28 cm. Dicke
und 56 — 85,5 cm. Länge aneinander gefügt hatte. Durch diese Umfriedung des Platten-
bodens entstand eine etwa 28 cm. über den Boden ragende Umfassung von ungefähr sechs-
eckiger Gestalt (Taf. VI 9). Innerhalb des Lagers waren die Steine auf ihrer dem Leich-
nam zugewendeten Seite alle bis in ihre Fugen hinein 1 — 1,5 cm. tief roth gebrannt.')
Das Dach des Lagers war aus grösseren, jetzt zum Theil zersprungenen Platten gebildet.
Verwendet hatte man meist sehr sandigen hellgelben Kalkstein mit braunen Punkten von
Eisenoxyd, sowie Sandstein der Lettenkohle, auf deren Gebiet der Hügel errichtet ist. Die
Längenachse des Steingrabs lief gerade von Süd nach Nord und so lag auch der Leichnam
der Frau. Im Süden war der Kopf, an der Stelle des Halses fand sich der schöne grosse
Bronzering, den wir auf Taf. V 2 wiedergegeben haben, mit 3 gerieften Knöpfen und über
6 an ihn angehängten Bommeln (in der Sammlung vaterländischer Alterthümer zu Stutt-
gart). Links davon in nächster Nähe stand eine einfache kleine irdene Schale, ganz wie
1) Gottesacker ist schwäbisch = Friedhof; Gottesbacköfen heissen die Grabhügel in Niedersach-
sen, "Weinhold, heidnische Todtenbestattung, Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften
XXIX S. 137.
2) Vergl. das ürtheil Brynhilds über Gudrun, Sigurdharkwidha JII 59:
»Schicklicher würde Gudrun, unsre Schwester,
Ihrem trefflichen todten Manne folgen,
Wenn ihr gegeben wäre der Guten Rath, oder
"Wenn sie besässe unseren Sinn.c
So gieng auch Sigrun zu ihrem Gatten Helgi in den Hügel ein, der über diesem aufgeworfen ward,
ühland, prosaische Schriften VIII 151.
3) "Wohl vom Leichenschmaus und Anzünden der Wohlgerüche. Kohle fand sich nur innerhalb
des Steinlagers, ausserhalb nicht.
53
man sie sonst in den Hügelgräbern anzutreffen pflegt. Unten am Ende der Füsse stand
gleichfalls links eine schwarz gebrannte ziemlich dünne Urne von 28 cm. Durchmesser: sie
war auf eine Steinplatte gestellt und wieder mit einer Steinplatte zugedeckt gewesen : wess-
halb nur noch Scherben gefunden wurden. Ausserdem erhob man in der Gegend der Kniee
4 unverzierte, auf der Innenseite vom Gebrauch plattgeschliflFene Bronzeringe, die etwa
10 cm. im Durchmesser und 1 cm. dick waren. Die Knochen des Kindes müssen sich theil-
weise verschoben haben : denn eine Partie derselben fand sich zwischen den beiden Beinen
der Frau, welch letztere autfallend weit auseinander gestreckt waren, ^j Zugedeckt war
die ganze Grabstätte mit unordentlich aufeinander gehäuften Steinen.
Auch die zweite Klasse von Grabhügeln, die man im Allgemeinen für älter als diese
Leichenhügel hält, die sogenannten Brandhügel, finden sich in grosser Anzahl in unsrer
Landschaft. Sie treten gleich den Leichenhügeln am liebsten in selbständigen Gruppen auf
und fast regelmässig triflft man nur die eine oder die andere Gattung im gleichen Walde an.
Es sind Erdhügel von geringerem Umfang und manchmal mit kleineren Steinringen, im
Innern mit niedrigen, aus lockeren Steinen zusammengesetzten Kisten oder Behältern für
Aschenurnen oder einer blossen Steinschichtung über denselben, mit Erzgeräthe und Erz-
wafi'en. Die interessantesten derartigen Hügel sind zu Anfang des vorigen Jahrhunderts
und wieder im Jahre 1815 im »Rippers- oder Ruprechtsholz« d. i. im Teufelswald bei Hoh-
bach an der Jagst abgegraben worden. Die Hügel erhoben sich auf festgestampftem Erd-
reich (nach Hansseimann, Beweiss etc. I 95. 96) bis zu 3,85 m. Höhe mit einem Durchmesser
von 10,9 m. Es fehlten weder die aus Steinen zusammengesetzten Behälter für Aschenurnen,
noch die Erzgeräthe und Erzwafi"en (Hansseimann, Beweiss etc. I 94 — 96, Vorzeit und Gegen-
wart 1844 S. 153 ff. Zeitschrift für württ. Franken 1848 S. 82—84)- von Eisen soll nichts
gefunden worden sein. 2) Die zwei bronzenen Gelte (Taf. VII 14. Zeitschrift für württemb.
Franken 1848 S. 84) als Erzwaffen ein Merkmal hohen Alterthums, femer die bronzenen
Schmuckgeräthe, Knöpfe oder Zierscheibchen, Haarnadeln, Ringe, die rohen hellbraunen
Urnen, die Verwendung einer Art Feuersteine, ») die Anlegung der Hügel theils im Eich-
wald, theils an der Stätte einstigen Eichwalds (Hansseimann I S. 97. Papiere Pf. Schencks,
in Kirchberg), das alles zusammen scheint dafür zu sprechen, dass diese Hügel so zu sagen
1) Kreuzweise lagen die Beine eines Skeletts auf dem Beerberg. Das gleiche bemerkte man auch
diesseits des Limes in einem Grabhügel bei Mcssstetten 0/A. Balingen und in 3 römischen Backstein-
gräbern am »Heerweg« von Reutlingen nach PfuUingen, v. Gok, röm. Alterthümer und Heerstrassen 85.
»Diese Lage ist hier heutzutage noch Sitte,« bemerkt Pfarrer Oetinger in dem Aufsatz über die Mess-
stetter Hügel, Schriften des württembergischen Alterthumsvereins Band II Heft 1, 1869 S. 48.
2) Weder bei Hansseimann, noch in den Papieren des Pfarrers Schenck, der die neuere Ausgra-
bung leitete, ist irgend eines eisernen Fundes gedacht. Es ist daher wohl ein Irrthura, wenn das
eiserne Messerchen mit bronzenem Heft (vgl. das aus den Pfahlbauten von Estavayer am Neuenburger
See, F, Keller, lake dwellings transl. by Lee pL XCVI 3) in der Kirchberger Sammlung nr. XIX als »aus
einem Begräbnisshügel bei Hohbach« stammend aufgeführt wird.
3) Hansseimanns Gewährsmann spricht S. 96 von einem halb cirkelranden Monumentum von ganz
andern Steinen [als Sandsteinen], unsern Feuersteinen gleich, rauh und uneben.
kK-j,t
54
die Reihenfolge sämmtlicher erhaltenen Gräber unserer Landschaft eröffnen, dass sie der
frühesten historischen Periode oder wohl gar der Zeit vor Christi Geburt angehören. Wir
haben es daher auch der Mühe werth geachtet, auf Taf. VII sämmtliche in denHohbacher
Hügeln gefundene Bronzegegenstände trotz ihrer grossen Einfachheit zu klarem üeberblick
zusammenzustellen. ^) 1,2—1,4 m. unter der Spitze des zuletzt geöffneten Hügels lagen in
Einem Grabe: ein schwerer Streitmeissel Taf. VII 14; zwei Dolche oder Speerspitzen nr.
13; zwei Haarnadeln nr. 10. 11 — die eine, nr. 11, 26 cm. lang; und zwei offene Ringe
nr. 16. Die kleinere Radhaarnadel nr. 12 und die Zierscheiben nr. 15 und 17 stammen
von den Ausgrabungen des vorigen Jahrhunderts her. Sämmtliche Gegenstände sind in der
Fürstlich Hohenlohischen Sammlung zu Kirchberg.
Viel weniger merkwürdiges boten zwei von H. Obermedicinalrath Holder im Espig,
ganz in der Nähe des Streitwalds geöffnete Brandhügel. Sahen wir im Streitwald bloss
Leichenhügel, so enthält der Espig dagegen bloss Brandhügel. Als niedere Kugelabschnitte
von nur 55—85,5 cm. Höhe ragen sie in beträchtlicher Zahl über den Boden; noch heute
sind 29 sichtbar; der Durchmesser pflegt zwischen 8 und 9 m. zu schwanken. In dem
einen fand sich im Mittelpunkt auf dem gewachsenen Boden die Brandplatte mit Eichen-
kohlenstücken und einer Menge Asche. Die Platte war 6 — 9 cm. dick und 85,5 cm. im
Durchmesser. Ostsüdöstlich von der Platte standen zwei grosse Urnen, die eine aussen
rothgebrannt, innen grau, die andere schwarz; letztere hatte wohl 42,5 cm. im Durchmesser
und innerhalb derselben war eine kleinere dunkle Urne. Neben den grossen standen noch
kleinere Töpfe frei herum. Knochenreste waren auf der Brandplatte nicht zu erkennen;
ebenso wenig in dem zweiten geöffneten Grabhügel, doch bemerkte man hier noch poröse
hellgraue Asche auf der Brandplatte. Ostsüdöstlich stand eine Urne und eine Schüssel.
Von Steinsetzung fand sich in beiden Hügeln keine Spur. Wir sehen, dass auch in den
ärmsten dieser Gräber, mögen die Tortten verbrannt oder beerdigt worden sein, Töpfe und
Schüsseln nicht fehlen durften, eine Sitte, die viele Jahrhunderte lang in ganz Süddeutsch-
land und noch weit darüber hinaus geherrscht hat.
In den hohenlohischen Grabhügeln sind die Thongeräthe roh, unglasiert und meist
ohne Verzierung; Urnen, Schüsseln oder Tassen, nicht selten mehrere ineinander gesteckt,^)
oft von riesigen Verhältnissen, bis zu 60 cm. hoch und 75 cm. im Durchmesser; sie haben
theils weite Oeffnungen, theils enge Hälse und Mündungen; ihre Farbe ist entweder (bei
den grossen Schüsseln gewöhnlich) schwarz, oder graubraunroth ; von Ornamentik entdeckt
man kaum die ersten Anfänge; von den oft geschmackvollen Strich- und Punktverzierungen
der Vasen aus den Grabhügeln diesseits des Limes ist nichts zu sehen; vielmehr rechtfer-
1) Ganz gleichartige« haben wir natürlich nur Einmal abgebildet. Die Zeichnungen Hansseimanns,
Beweiss I tab. XV, sind ungenau und schlecht. So ist z. B. der fig. A angebrachte Knopf auf der Spitze
des Grabhügels eine Erfindung des Zeichners.
2) Zwei ineinander aus dem Katzenbusch haben wir abgebildet Taf. VI 4 ; fünf ineinander fand
H. Forstmeister Gantz in einem grösseren Grabhügel des Beerbergs bei Weissbach. Die gleichen Er-
scheinungen hat man in Grabhügeln bei Münsingen auf der schwäbischen Alb (Schriften des württ. Alter-
thumsvereins Bd. I Heft HI S. 21) und bei Sinsheim wahrgenommen.
:\
55
tigen die Erzeugnisse der Keramik, wie sie — den roliesten Pfahlbautöpfen leider über-
raschend ähnlich (vgl. z. B. die Scherben von Wangen, F. Keller, lake dwellings translat.
by Lee pl. XV) — in den hohenlohischen Grabhügeln gefunden werden, nur zu sehr die
römische Bezeichnung «Barbaren« für ihre Verfertiger. Die grösste Schüssel, deren Frag-
mente ihre Reconstruction erlaubten, haben wir auf Taf. VI 1 in dem ziemlich grossen
Massstab von 1 : 5 wiedergegeben, damit jeder Leser durch die leichteste Manipulation rasch
die Vergrösserung vornehmen und sich das Riesengefäss in natura vorstellen könne. Es ist
ein einfarbig schwarzer Topf von ziemlich rohem Thon, 60 cm. hoch, unten 14, oben 54,
mitten 75 cm. im Durchmesser; ausgegraben wurde er aus einem Begräbnishügei des »un-
teren Weilersholzes« bei Kirchberg; ein Fragment davon befindet sich im Stuttgarter Anti-
quarium nr. 144. Die rohen verticalen Striche am Hals des Topfes sind — vielleicht mit
einem Stecken — unregelmässig an Länge, Richtung und Distanz eingeritzt. Sonst ent-
deckte ich von Verzierungen bloss noch 1) kleine kugelförmige Knöpf chen von der Erde
und Farbe des übrigen Topfes, aussen am Gefässe — wo es die grösste Peripherie hat —
hangend, wie die Knöpfe an einem Kleidungsstück, skizzirt auf Taf. VI 14, aus dem oberen
Weilersholz (Stuttgarter Antiquarium nr. 142; ähnliche aus der Terramara von Parma bei
Keller a. a. 0. pl. LX. LXI); 2) einen etwas erhabenen, ungefähr rechtwinkligen, aber nicht
besonders regelmässigen Zickzackstreifen am Hals eines Gefässes, skizzirt auf Taf. VI 12
(aus dem Erlich, Stuttgarter Antiquarium nr. 139); 3) gleichartig, aber noch roher und
sehr dem Teiggebilde eines Bäckers zu vergleichen ist die Tafel VI 13 abgebildete Ver-
zierung auf dem Scherben eines unglasierten, grauen Topfes, gefunden bei Aufgrabung der
salzigen Mergentheimer Mineralquelle unter einem Haufen von Kohlen und Geschirrfragmen-
ten ungefähr 3 m. unter der jetzigen Bodenfläche (Zeitschrift des Vereins für württ. Fran-
ken 1852 S. 67 ; das Stück ist in der Sammlung dieses Vereins). Sehr ähnlich ist übrigens
auch die zopfartige Verzierung auf der unglasierten grauen Gesichtsurne aus Römisch-Oeh-
ringen Tafel VII 2. Zur Schilderung der äusseren Formen unserer Grabhügelgefässe,
welche indessen eine gar geringe Mannigfaltigkeit aufzuweisen haben, sind noch 3—4 weitere
auf Taf. VI 2—4 abgebildet worden : nr. 2 der zweitgrösste der erhaltenen oder restituier-
baren Töpfe — ohne Verzierung — aus dem »Erlich« oder »Ehrle« beiErkenbrechtshausen,
einem Walde mit Brandhügeln, 57 cm. hoch und 57 cm. im Durchmesser; nr. 3 eine breite
niedrige Schüssel, ebenfalls aus dem Erlich, 11,75 cm. hoch, 26 cm. Durchmesser, und nr. 4
zwei Schüsseln in einander, ähnlich wie unsre Kaifeetassen, aus dem Walde »Katzenbusch«
d. i. Wildkatzengebüsch '3 bei Kirchberg.
Eine Vergleichung der Töpferwerke aus den Grabhügeln diesseits des Limes, nament-
lich wenn man die oft sehr reiche und sinnige Ornamentierung der Gefässe eis limitem be-
trachtet (vgl. die Abbildungen bei Lindenschmit, Sigmaringer Alterthümersammlg. S. 143-*-^
145 Taf. XXIII), zeigt auf den ersten Blick den gewaltigen Abstand zwischen der niedri-
gen, kindischen Häfnerei des freien Germaniens und der gebildeten Töpferkunst des roma-
1) Hammer leitet den Namen falschlich von den Chatten her.
fiA i «■ ' .-_
56
nisierten Decumatlands. Was die Masse der Production anlangt, war allerdings die Töpfer-
industrie bei den Männern unserer Grabhügel sehr schwunghaft: denn mau hat eine ausser-
ordentlich grosse Zahl von Scherben ausgegraben, lieber ihre Bestimmung ist man nicht
einig. Sie enthielten theils Asche und verbrannte Knochen, theils auch eine harzige, sehr
wohlriechende Räucherungsmasse, dergleichen man auch in manchen Grabhügeln innerhalb
des Limes beobachtet hat. Der Umstand, dass sie in den Leichenhügeln regelmässig um
den Todten herum, niemals über seinem Haupte stehen, legt die Vermuthung nahe, dass sie
dem Begrabenen zu seinem Gebrauche mitgegeben wurden, nachdem sie vielleicht vorher
beim Todtenopfer verwendet worden waren.
Ausser von Schüsseln und Urnen waren die Todten der Leichenhügel gewöhnlich um-
geben von WaflFenstücken. Zur rechten Seite lag, in metallener Scheide, das grosse Eisen-
schwert, breit und lang — ganz gleichartig den Grabhügelschwertern diesseits des Limes
und jenen aus den Pfahlbauten;*) über und bei dem Haupte 1 — 3 kurze, spitzige, eiserne
oder bronzene Watfen, in einer Lage, dass Hammer vermuthet, sie seien dem Todten einst
in den Arm gelegt gewesen, fand man z. B. in dem 2,28 m. langen und 1,4 m. breiten
Steingrab eines Hügels im «Buch« bei Ilshofen. Das Knochengerüste des Kriegers war 3 m,
lang und sein steinernes Lager war selbst wieder auf eine Menge Menschenknochen gebet-
tet, wahrscheinlich von Feinden herrührend oder von Knechten, welche den Herrn in die
Todtenwelt begleiten mussten (Weinhold, heidnische Todtenbestattung, Sitzungsberichte der
Wiener Akademie XXIX S. 164). Von Schmucksachen entdeckte man bloss zwei wirtel-
artige Bronzeringe verschiedener Grösse in der Gegend der Brust, dergleichen auch zu Hall-
stadt und sonst als Verzierung der Brust gewöhnlich sind.
Ueberhaupt aber fanden sich in unsern Grabhügeln verhältnismässig nicht wenige
Schmucksachen aus Bronze: Ohrgehänge, Haarnadeln, Kleiderhaften, Zierschnallen, zum
Theil wohl römischer Arbeit — eine hübsche Fibula aus einem Grabhügel bei Oehringen,
jenseits, aber in nächster Nähe des Limes (Sigmaring. Samml.) haben wir Tafel V 10 ab-
gebildet; eine nicht ohne Geschmack verzierte Schnalle aus starkem Bronzeblech von einem
correspondirenden Paare, auch aus einem hohenlohischen Grabhügel (Stuttg. Antiquarium)
stellt Taf. V 14 dar ; unter den Haarnadeln kehren jene fusslangen mit radförmigem Knopfe
wieder (Stuttg. Antiquarium), wie wir sie in den Hohbacher Brandhügeln trafen (Taf. VH
10. 12)2); zwei andere noch einfachere Formen zeigen die Taf. V 11—13 lithographierten
1) Ein solches breites Langschwert in metallener Scheide, die unten in einen breiten Knopf en-
digt [? Ergänzung?], ist abgebildet nach Hammers Zeichnung in Memmingers Württemberg. Jahrbüchern
Jahrg. 1838 fig. 6; vgl. die ähnlichen Schwerter aus andern Grabhügeln bei Lindenschmit, heidn. Vorzeit
Bd. I Heftl. 5, 4. II, VII Taf. 6. Sigmaring. Alterth. S. 121 und das Schwert mit Scheide aus den Tene-
Pfahlbauten des Neuenburger Sees, Desor, die Pfahlbauten des Neuenburger Sees übersetzt VOn F. Mayer
S. 99 fig. 72. 73. F. Keller, the lake dwellings of Switzerland etc. trauslated by J. E. Lee
pl. LXXIU.
2) 3 ganz gleichartige aus der Umgegend von Mainz abgebildet bei Lindenschmit, heidn. Vorzeit
I, IV 4, 1. 3. 5.
' yjj
57
Nadeln, erstere, nr. 11, aus einem hohenlohischen Grabhügel in das Stuttgarter Antiqua-
rium gebracht, letztere, nr. 12. 13 — wegen ihrer Kürze vielleicht eher eine Gewandnadel
— mit einem zierlichen Knopfe, gefunden in einem Grabhügel bei Niedemhall, jetzt in der
Sammlung des historischen Vereins für württembergisch Franken. Ferner fand man Ringe
aller Art, zum Schmuck für Hals, Arme und Beine: runde und vierkantige, grössere und
kleinere, geschlossene und offene, massive und hohle, dickere und schmälere, etliche nach
Art von Steinbockshörnern gekerbt, andere flach, aber mit Linien und Punkten verziert;
manche staken noch an Fuss- oder Armknochen. Vierkantige Bronzeringe entdeckte Ham-
mer nur Einmal und zwar zu drei in einem Grabe des Streitwalds; sie scheinen auf einer
grossen mit Asche gefüllten Urne gelegen zu haben; häufiger zeigten sich solche Ringe in
den nach Hammers Zeit geöffneten Grabhügeln bei Niedernhall; aus einem von diesen
stammt der Taf. V 5 abgebildete Ring (Sammlung des Vereins für württemb. Franken).
Einen der stark gekerbten Ringe haben wir Taf. V 3 wiedergegeben. Er gehört zu einem
Paar ganz gleicher Ringe, aus einem Leichenhügel des Herrgottsbergs, ist massiv und wiegt
13,125 Loth; beide Ringe lagen auf 4—5 kleinen Steinplättchen neben äusserst plumpen
Gefässstücken (Stuttg. Antiquarium nr. 154). Sehr ähnliche finden sich namentlich wieder
in den Pfahlbauten ^es Neuenburger Sees (Desor, Pfahlbauten des Neuenburger Sees über-
setzt von F. Mayer fig. 87 S. 113). Schmale gekerbte Armringe mit schwachem Einschnitt
und nicht geschlossen lieferte u. a. ein Grabhügel bei Hürden an der Jagst, abgebildet Taf.
V 6. Ferner bietet Tafel V 8 (Stuttgarter Antiquarium nr. 152) den einen von einem
Paar gleicher geschmackvoller Armringe, die im «untern oder grossen Weilersholz«, einem
Leichenhügelwald, bei Kirchberg u. a. neben den Fragmenten des Taf. VI 1 dargestellten
riesigen Hafens ausgegraben wurden. Er ist vier Loth schwer, somit nicht massiv. Beach-
tenswerth ist die Andeutung der Schlussknöpfe, vgl. Lindenschmit, heidn. Vorz.Bd.I HeftVITaf.
4, 7.8. Wirkliche Schlussknöpfe zeigt der 6,2 Loth schwere, massive Arm- oderFussringTaf. V4
aus der sogenannten Kanzel auf dem Herrgottsberg bei Niedernhall, woher auch die Beschläg-
fragmente von dünnem Bronzeblech stammen, die wir Taf. VI 7 abgebildet haben (beides
in der Sammlung des Vereins für württemb. Franken). Diese »Kanzel«, ohne Zweifel um-
gebildet aus jenem Kunzele oder Kunzelech, Conciolegum, dem wir oben bei Augsburg S. 38
begegneten, war — nach Angabe des H. Schullehrers Kneile — der grösste der Niedernhaller
Grabhügel und wahrscheinlich identisch mit dem schon von Hammer geöflfDeten grössten
Grabhügel des Herrgottsbergs. ') Das alamannische Volk sah in ihm das Denkmal eines
Herzogs oder Königs Kunzo — wie ein solcher (»dux«) z. B. für das Jahr 613 bezeugt ist,
1) Der Grabhügel wurde somit zweimal — beidemal ziemlich tumultuarisch — geöffnet und es fan-
den sich darin die Reste mehrerer Skelette; das grösste 1,71 m. lang, gebettet auf ein Steinlager, wel-
ches die Richtung von Süd nach Nord einhielt. Unter den vielen Gegenständen aus Bronze und Eisen
— welche meist unterschlagen und verschleudert wurden — sind Ringe aller Art constatiert: Halsring,
Fuss- und Armringe, wirtelartige Zierscheiben, Bronzebeschläg, Fibula [»Heftnadel« sagt Hammer], Speer-
spitzen aus Bronze (abgebildet Taf. VI 8), Pferdegeschirr, und wahrscheinlich entstammt auch die bron-
zene Nadel nr. 12 diesem Grabhügel.
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58
vita S. Galli bei Pertz monum. Germ. II 8 — ; von ihm hat wohl auch das nahe Künzels-
au, d. i. die Au oder Flussinsel beim Denkmal Kunzes, seinen Namen bekommen; und ein
Waldtheil bei Pfedelbach, wo ein auffallender Fels als Denkstein Kunzos gelten mochte,
führt den Namen Kanzlei, zum Beweis, dass das Wort nicht ursprünglich mit dem Buch"
Stäben L abschloss.
Der kleinere Armring, Taf. V 9, den ich im Stuttgarter Antiquarium vergebens ge-
sucht habe, stammt gleichfalls aus einem Grabhügel des Hermersbergs ; die Zeichnung wurde
aus Lindenschmit, heidn. Vorzeit Bd. I Heft XII Taf. 6, 4, wo er neben ähnlichen abgebil-
det ist, entlehnt. Er bildet mit seinen feinen Punkt- und Strichverzierungen eine schöne
Ergänzung des Armrings nr. 7 (aus einem ho henlohischen Grabhügel, im Stuttg. Antiqua-
rium), der mit seinem Wechsel von Zickzack- und geraden Parallellinien sich ebenfalls recht
geschmackvoll ausnimmt. Ein anderer bronzener Ring, zum Schmuck des Halses, aus dem
Weilersholz (Stuttgarter Antiquarium nr. 123), hatte an der Stelle des Schlusses die beliebte
Form der Schlange, die sich in den Schwanz beisst: das mit einem kleinen Löchlein ver-
sehene spitzige Schwänzchen konnte in den offenen, übrigens sehr kleinen Rachen gesteckt
und mittelst eines Stifts beide Theile ineinander befestigt werden. Dieser Ring ist abgebil-
det in Memmingers württemb. Jahrbüchern Jahrg. 1838 fig. 3. Solche Schlangenzierathen,
dergleichen auch in den Grabhügeln von Sinsheim (Ringschluss in Gestalt einer Schlange)
und unter den Römerresten Oehringens (Schlangenarmband aus Erz) entdeckt worden sind,
hatten vielfach religiöse Bedeutung und wurden daher von der christlichen Kirche als eine
Ueberlieferung des Antichrist mit allem Nachdruck verfolgt und ausgerottet (vgl. Jahrb. d.
Alterthumsfr. im Rheinl. XLIV S. 152). Noch an den schwäbischen Todtenbäumen aus der
Bracteatenzeit begegnen wir geschnitzten Schlangenköpfen als der beliebtesten Verzierung
(vgl. Dürrich und Menzel, die Heidengräber am Lupfen S. 8. 9. 11. 12. 14. 17). Ein ande-
rer grosser Bronzehalsring, aus dem grössten Hügel des Herrgottsberges, hatte noch ein
kleines Ringlein so eingehängt, dass es sich frei an der ganzen Peripherie herumbewegen
konnte, eine Sitte, die sich auch in den Grabhügeln bei Mergelstetten unfern Heidenheim
(Samml. des Württemberg. Alterthumsvereins), in den Gräbern von Hallstadt (nr. 2319 der
Zeichnungen auf der Berner Bibliothek) und sonst nicht selten gezeigt hat. ,Es ist ein Merk-
mal für die kindliche Stufe des Geschmacks unsrer Vorfahren, dass sie auf die Grösse von
Thongeschirren und Halsringen so viel Gewicht legten. So hören wir von Beowulf (Simrocks
Uebersetz. S. 167), dass er von der Königin ausser zwei Armzierden noch die grösste aller
Halsspangen erhielt, von der man je bei den Völkern der Erde vernommen hatte. Jene
Halsspange schenkte Beowulf später der Hygd, der Gemahlin Hygelaks, seines Herrn. Einen
dritten, jetzt schmucklosen Halsring, an dessen sehr ausgespieltem Oehr aber einst eine
Zierath gehangen haben mag, sieht man Taf. V 1 abgebildet. Er ist aus Bronze, 3,75
Loth schwer, und stammt aus einem Hügel des Wallhäuser Holzes bei Kirchberg (Stuttg.
Antiquarium nr. 117). Die zwei Theile, aus welchen er besteht, waren einst durch eiserne
Stiftchen zusammengehalten, die verrosteten Oeffnungen sind noch zu sehen. Am interes-
santesten ist übrigens der vierte grosse und schwere Halsring mit Bommeln Taf. V 2, des-
sen wir schon bei der Schilderung des Frauengrabhügels im Streitwald gedacht haben. Die
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Schwere der Ringe, deren oft zwei an jedem Arme waren, steigt bis nahe an 1 Pfund, so-
fern im gleichen Hügel mit dem zweitgenannten Halsring, auf dem HeiTgottsberg, ein 31
Loth schwerer Erzring, noch am Armknochen steckend, ausgegraben wurde; er hatte 1,5 cm.
Durchmesser, seine Form war gleichmässig rund ohne alle Verzierungen.
Wagentrümmer, vielleicht vom Streitwagen des begrabenen Helden, haben sich wie in
manchen andern Grabhügeln markomannisch-alamannischer Länder — von Thüringen und
Birkenfeld bis ins Bemische und nach Steiermark (Lindenschmit, vaterländ. Alterthüm. der
Sigmaringer Samml. S. 137. 138) — so auch im sogenannten Fuchsbörzel, dem Königsgrab
des Streitwalds, vorgefunden (vgl. Wilhelmi, Sinsheimer Jahresbericht VII S. 57. Linden-
schmit a. a. 0. S. 138). Es waren Eisenstücke im Gewicht von 10—12 Pfund, darunter
zwei runde Stossscheiben der Naben und 4,2 cm. breite runde Reife vom Radbeschläg.
Wahrscheinlich enthielten noch manche der 300 Hügel ähnliche Wagentrümmer; da aber
die Ausgrabenden selbst nicht entfernt an eine solche Bestimmung dieser Eisenreste dachten,
so blieben sie unbeachtet. Auf dem Wagen, glaubte man, könne der Todte ins Jenseits fah-
ren, eine Anschauung, welche sogar noch für das J. 720 ausdrücklich bezeugt ist, natür-
lich nicht aus unsern Gegenden, die damals bereits zum Christenthum bekehrt waren, son-
dern aus dem noch heidnischen Norden. Als in der grossen Brawallaschlacht König Harald
gefallen war, liess I^önig Hring des Gegners Leiche waschen, schmücken und auf dessen
Wagen setzen, dann einen grossen Hügel weihen, die Leiche sammt Wagen und Pferd in
den Hügel fahren und das Pferd tödten. Darauf nahm er seinen eigenen Sattel und über-
gab ihn Haralds Leiche, nun zu thun was er wolle, nach Walhöll reiten oder fahren. Alle
Helden, bevor der Hügel geschlossen wurde, warfen Ringe und Waffen hinein. Sögubrot
in Fornald. sog. I 387. J. Grimm, »über das Verbrennen der Leichen,« kleinere Schriften
S. 271. Merkwürdiger Weise findet man auch bei uns den Namen Hell oder Hölle, d. i.
Todtenreich, mehrfach als Bezeichnung von Wäldern, wo Grabhügel sind: so heisst bei Heil-
bronn der Wald, der die meisten Grabhügel enthält, und ebenso ein Wald mit Grabhügeln
bei Brettheim 0. A. Gerabronn.
Aehnlich wie den Wagentrümmern ergieng es auch den Steinwerkzeugen; denn es ist
mehr als wahrscheinlich, dass, wie diesseits unsres Limes Steinmeissel in den Grabhügeln
gefunden wurden (oben S. 2. 3), so auch jenseits manche Hügel eine Steinwaffe in sich
schlössen. Wir haben daher auch den Lupfersberger Meissel auf der gleichen Tafel mit den
Grabhügelfunden abgebildet, Tafel VI 5. Bei dem hohen Werth, den diese Donnerkeile in
den Augen abergläubischer Landleute haben — man bestreicht die Euter der Kühe damit
und wähnt das Haus gesichert vor dem Blitz (H. Bauer in der Zeitschrift für württemb.
Franken 1859, 125) — mögen auch manche von den Arbeitern unterschlagen worden sein.
Der eigenthümlich geformte Kalkstein, den wir Tafel VI 11 ebenfalls abgebildet haben, ist
53 cm. lang, 22 cm. breit und 6 cm. dick und gegen 14 Pfund schwer ; gefunden wurde er
im gleichen Grabhügel mit der Fibula Taf. V 10 und zwar lag er mitten im Grabe. Sollte
es eine rohe Keule gewesen sein? Zu seiner Grösse und Schwere ist der Stein auffallend
handlich; ein Schleuderstein aber wird es nicht gewesen sein, da diese rund zu sein pflegten
60
und auch oft Wassersteine heissen, weil solche runde abgespülte Steine eben in den Fluss-
betten gemein sind.
Auch die thierischen Beigaben wurden nicht genügend untersucht. Doch bemerkte
man Pferdeknochen und Hufeisen *) — jene im Streitwald, diese bei Niedenihall ; ein Huf-
eisen 6,75 Loth schwer ist abgebildet Taf. VI 6 (Samml. des Vereins für württemb. Franken) ;
es ist viel leichter und kleiner als das in der Hahnengasse ausgegrabene römische. Bei den
Opfermahlen war Pferdefleisch die beliebteste Kost und gewöhnlich ward das Schlachtross
geopfert, wenn sein Reiter die Reise ins Jenseits antrat (Simrock, deutsche Mythologie '
S. 195. 575. Vgl. Lindenschmit, Sigmaring. Alterthüm. S. 35 ff. Pfahler, Handbuch deut-
scher Alterthümer S. 587). Was die Reste von Jagdthieren anbelangt, so lag ein Bären-
zahn in einem Grabhügel bei Erkenbrechtshausen (Sammlung des Vereins für württemb.
Franken) 2); ja auch einen grossen Auerochsenzahn will man (Hammer) im Triensbacher
»Eichwald« bei Crailsheim gefunden haben: der Leichenhügel, der ihn barg, war 3 m. hoch
und hatte 31,35 m. (110') im Durchmesser: es muss ein fürstlicher Mann gewesen sein,
dem dieses höchste aller unserer Gräber errichtet war.
Aber wer waren denn überhaupt die Männer, die in den hohenlohischen Grabhügeln
schlafen ? Leider gibt uns keine einzige Münze noch Inschrift eine sichere Auskunft. Aelter
sind die Hügel gewiss, als die im vierten Jahrhundert beginnenden (Dietrich, sieben deutsche
Runeninschriften in Haupts Zeitschrift für deutsches Alterthüm XIV 1867 S. 83. Vergl.
Lindenschmit, heidnische Vorzeit Bd. II Heft 2 Tafel 6 Textbeilage 2) Reihengräber unsres
Landes mit ihrer vorgeschrittenen Metalltechnik, ihrer Runenschrift und ihren ostwärts ge-
richteten Leichen, ä) Auch jener Vorwurf der Geld- und Goldgier, der schon um die Mitte
des dritten Jahrhunderts*) und von da an immer wieder den Germanen gemacht wird,
passt schlecht auf unsre Todten, wo selbst in den Hügeln der Könige^) kein Gold noch
Silber, Bernstein oder auch nur Glas gefunden wurde, sondern ausser der mächtigen Grösse
des Hügels nur die Eisentrümmer des Streitwagens oder ein Zahn vom Wisent auf den
begrabenen Fürsten deutet. Es waren noch Deutsche vom alten Schlag, wie ihn Cäsar und
1) Pferdegeschirr fand man auch in der »Kanzel« nach Angabe des Herrn Stadtpfarrers
Braun.
2) Ein Bärenzahn lag auch in einem Grabhügel bei Hauzenstein in Bayern. Correspondenzbl. des
Gesammtvereins der Geschichts- und Alterthumsvereine 1870 nr. 1 S. 7.
3) »Die Knochen [der Grabhügel] sind überhaupt ihres höheren Alters wegen viel mürber, als die
der Reihengräber, und oft zu einem braunen Staub zerfallen« Holder in den Schriften des württ. Alter-
thumsv. Bd. I Heft VII 1866 S. 78.
4) Herodian VI 7, 9 beschreibt, nicht lange vor dem Untergang römisch Oehringens, die Deutscheu,
gegen welche Alexander Severus rüstete und Maximinus zu Felde zog, als (fitkäoyvQoC tc ovns xal TT/r
eiQ^vrjV atl ttqos 'Poifialovg ^QvaCov xa7ir]Xivovtti.
5) Künige im eigentlichen Sinn d. i. Abkömmlinge eines edelu Geschlechts, kuni, sind gewiss im
Fuchsbörzel, in der Kanzel und in jenem höchsten Hügel des »Eichwaldst begraben. Reguli und reges
sagen die lateinischen Schriftsteller.
61
Tacitus schildern : Männer des Kriegs, von riesigem Wüchse, ') arin und einfach in ihrer
Lebensweise. Mit den Einwohnern des Vicus Aurelii haben sie vieles gemein. Auch bei
ihnen fanden wir Begraben und Verbrennen nebeneinander, auch sie legten die Leichname
in der Richtung nach Norden, auch sie schmückten sich mit den gleichen bronzenen Fibeln,
Schlangenbändern, Haarnadeln und andern Erzzierathen ; auch im Gebrauch der Hufeisen
haben wir Uebereinstimmung gefunden. Mögen die roheren Schmucksachen aus Erz und
Eisen germanische Nachahmung römischer Fabrikate sein : die feineren sind doch wohl durch
römischen Handel ins Grermanenland gekommen ; wären es Beutestücke, so müssten sich bes-
sere Sachen und namentUch aus edleren Metallen finden. Otfenbar bestand, wie jetzt noch
zwischen manchen civilisirten und barbarischen Völkern, ein römisch-germanischer Tausch-
handel, wobei die römischen reisenden Kaufleute, institores, den Germanen gegen möglichst
werthlose nnd gleissende Gegenstände werthvolle Waaren, wie Felle, Sklaven, Salz, abzu-
schwatzen bestrebt waren. Von der grössten Wichtigkeit war sicher das Salz, das beim
Mangel Germaniens an guten Strassen womöglich auf den Flüssen wird transportiert worden »
sein. Auch auf Kocher und Jagst wird zur Römerzeit, wie diess für Neckar (C. I. Rhen.
nr. 1601) und Murg (C. L Rhen. nr. 1668) inschriftlich bezeugt ist, Schifffahrt und Blösserei
geblüht haben: noch bis in die neue Zeit waren bei der Haller Saline merkwürdige uralte
» Wachsbücher c( römischer Art zum Verzeichnen des Flossholzes im Gebrauch. Jedes be-
stand aus sechs mit Wachs ausgegossenen Rahmen oder Blättern, auf die mit einem Stahl-
griffel geschrieben ward, dessen stumpfes Ende zum Auslöschen durch Glätten diente,
Prescher, Geschichte von Limpurg I 46.
Der Name, welchen unser Volkstamm führte, ist äusserst schwer zu ermitteln ; man
schwankt zwischen den Bezeichnungen Markomannen, Hermunduren, Alamannen und Ju-
thuugen. Wahrscheinlich hiessen unsere Germanen um Christi Geburt Hermunduren und
gehörten zum grossen Grenzmänner- oder Markomannenbunde; in der ersten Hälfte des drit-
ten Jahrhunderts schlössen sie sich den Alamannen an, bildeten einen Thei! derselben und
nannten sich Juthungen. Unter diesem Namen mögen sie mit den Alamannen verbunden
die Städte des Decumatlands erobert und verbrannt haben und auf der Splügenstrasse nach
Italien eingebrochen sein. 2)
1) Hammer mass die Länge der Knochengerüste auf 1,7 bis 2,23 m., sicher zu hohe Ziffern, die
davon herrühren, weil die Knochen sich aus ihren Fugen gelöst hatten. Noch Julian traf am Odenwald
drei riesige (immanissimi) Könige der Aiaraannen. und im allgemeinen gelten dem Ammianus Marcelli-
nus XVI 12, 47 die Alamanni als robusti, grandissimis corporibus freti. Ein Riesenalamauue aus dem
Thurgau, Aenother d. i. Unthier genannt, diente unter Karl d. Grr. Die Alamanaengerippe in den Reihen-
gräbern von Ulm und Schieitheim werden z. Th. auf 1,825 bis 1.89 m. Länge berechnet, vgl. Jahrb. der
Alterthumsfr. im Rheinl. XLIV 109.
2) Vgl. V. Wietersheim, Gesch. der Völkerwand. II 212: »Die Sueven bildeten später unter dem
Namen Jathangen einen besondern Haupttheil der Alamannen; diese müssen vorzugsweise den Hermaa»
doren angehört haben; vielleicht auch einige markomannische Gefolgschaften darunter.« Derselbe gibt
a. a. 0. III 10. 11 an, dass die Alamannen nebst den Jnthangen, welche letztere grösstentheils aas
Karkomannen bestanden, gegen Ende d. J. 270 auf ihrem gewöhnlichen Weg über Chur in Italien ein-
62
Dass Hermunduren und Chatten (Hessen), später Alamannen und Burgunden, in uns-
rem Gräbergau am salzreichen Kocherthal sich bekriegten, ist ausser Zweifel. Oben schon
haben wir die Stellen aus Tacitus und Ammianus Marcellinus angeführt, wornach Hermun-
duren und Chatten zur Zeit Domitians um den Besitz heiliger Salzquellen sich tödtlich be-
fehdeten und drei Jahrhunderte später Alamannen und Burgunden in der Gegend des Pfahls
oder Gepfähles wiederum wegen der Salzquellen Krieg mit einander führten. •) Ich berück-
sichtige die Behauptung anderer, als ob Tacitus die Salzquellen bei Kissingen oder bei
Salzungen an der Werra meine 2), nicht weiter, sondern will nur auseinandersetzen, inwiefern
gerade unsere Gegend als Schauplatz der -eiJwähnten Kämpfe sich rechtfertigt. Der Name
Streitwald (Stritwalt im Kirchberger Gültbuch a. 1399) für die Fundstätte der grössten
und meisten Grabhügel, dann die an den Streitwald stossende — durch das salzhaltige
Brettachthälchen getrennte — Flur Kriegshöhe, dann in der Nähe die Streithöhe, ferner der
Name Hermersberg für den zweiten Riesenfriedhof von Grabhügeln d. i. Berg des heer-
berühmten, Herimäri^), entweder auf einen Fürsten oder den Gott des Kriegs zu beziehen
— diese Namen haben uns die Kunde erhalten, dass Krieg und Schlachten einst daselbst
gewüthet und dass die dort Begrabenen den Tod auf der Walstatt gefunden haben.
Man darf solche Traditionen nicht allzu gering schätzen. Allerdings sind sie oft eitel und
fielen. Vgl. denselben II 306. Ueber den Splügen führte seit Augustus eine treffliche Strasse (histor.
Verein von S. Gallen, die Schweiz unter den Römern S. 6—8). Markomannen und Alamannen waren
nicht Stamm-, sondern appellative Bundesnamen. Asiuins Quadratus ums J. 250 sagt, dass die Ala-
mannen zusammengelaufene und gemischte Menschen seien und diess auch ihr Xame bedeute, bei Aga-
thias I 6.
1) Tacit. ann. XIII 57: Eadem aestate inter Hermunduros Chattosque certatum magno proelio,
dum flumen gignendo sale fecundum et conterminum vi trahunt, super libidinem cuncta armis agendi
religione insita, eos maxime locos propinquare caelo precesque mortalium a deis nusquam propius au-
diri. inde indulgentia numinum illo in amne illisque silvis salem provenire . . . bellum Hermunduris
prosperum, Chattis exitiosius fuit, quia victores diversam aciem Marti ac Mercurio sacravere, quo voto
equi viri, cuncta victa occidioni dantur. Ammian. Marcellin. XVIII 2, 15 (von Julian a. 359): Postque
saepimenta fragilium penatium inflammata et obtruncatam hominum multitudinem visosque cadentes mul-
tos aliosque supplicantes, cum ventum fuisset ad regionem cui Capellatii vel Palas nomen est, ubi ter-
minales lapides Alamannorum (cod. Romanorum) et Burgundiorum confinia distingaebant, castra sunt
posita. XXVIII 5, 11: quod [sc. Burgundii] salinarum finiumque causa Alamannis saepe iur-
gabant.
2) Es ist gewiss viel wahrscheinlicher, dass den Römern zu Ohren kam, was an dem weit näher
liegenden Kocherthal, wenige Stunden vom Limes, sich zutragen mochte, als die Fehden und Fehden-
objecte der germanischen Stämme bei Kissingen oder an der Werra (wie Nipperdey ad Tac. 1. c. be-
hauptet), inmitten des sprichwörtlich »unzugänglichen« hercynischen Waldes. Auch Mannert German.
S. 293. Haas, Urzustände Alemanniens S. 26. v. Wietersheim . Gesch. der Völkerwander. III 321. vgl.
Stalin, württemb. Gesch. I 122 entscheiden sich für Schwäbisch-Hall und den hohenlohischen Pfabl-
graben.
3) Vgl. Kausler, württemb. ürkundenbuch I S. 50 : secua casam Herimari a. 797 zu Tuttlingen.
Im badischen Schwarzwald an der Kinzig findet sich noch ein zweiter Hermersberg.
63
leer — namentlich ist die Sage von einer untergegangenen Stadt gewöhnlich werthlos —
ein Beispiel aber, dass sie Wahrheit aus grauer Vorzeit enthalten, bietet die Anekdote vom
Gallscheider Hügel bei S. Goar auf dem Hunsrück, in welchem der Sage nach ein goldener
Wagen stecken sollte, und in Wirklichkeit unzweideutige Reste eines Wagens vorgefunden
worden sind (Jahrb. des Vereins von Alterthumsfr. im Rheinl. XVIII). In der Nähe des
Streitwalds und überhaupt der Grabhügelmasse bei Kirchberg sind mehrere kleinere, aber
seit den ältesten Zeiten betriebene Salzwerke, so bei Beiinbach im Brettachthal auf der einen
Seite des Streitwalds (0. A. Beschr. von Gerabronn, Stuttg. 1847 S. 13) und bei Sulz mit
den Suhlwiesen auf der andern Seite des Bergs (ebendas. S. 12. 13); von ganz ausseror-
dentlicher Bedeutung aber waren die nur 2 Meilen von Kirchberg entfernten Salzquellen
des Kocherthals bei Hall, das fast ein Jahrtausend lang Namen und Wohlstand dieser Got-
tesgabe verdankte. Gehen wir 3 Meilen weiter kocherabwärts — die direkte Entfernung ist
viel geringer, da der Fluss einen ungeheuren Bogen macht — so kommen wir an die Grab-
hügelgruppe des Herraersberges und Beerberges und wiederum an Salzquellen, die einst sich
hohen Ruhms erfreuten. Es sind die Quellen zu Weissbach und Niedernhall am Kocher,
nur V* Meilen vom Limes, mit diesem und den Oehringer Bürgen durch eine Verlängerung
der römischen Hochstrasse verbunden. Gerade dem salzhaltigen Halberg gegenüber, durch
den Kocherfluss — d. i. den zum Sieden, Kochen des Salzes verwendeten Fluss — von ihm
geschieden, erheben sich im Halbkreis die Hermersberger Waldhöhen, und ihre uralten Eichen
und noch älteren Todtenbühle schauen seltsam hernieder auf die Stätte unterirdischen Se-
gens, die schon in grauer Vorzeit den Begrabenen dieser Hügel als theuerstes Gut, als
Heiligthum») gegolten, wohl werth eines Kampfes auf Leben und Tod.
1) Bei Hallein, Hallstadt und Salzburg in Noricum wohnte nach Ptolemaeus H 13, 2 eine Völker-
Bchaft Alauni oder Hallauni, von denen deae oder matres Alounae, also wahrscheinlich förmliche Salz-
göttinnen verehrt wurden, Hefner, röm. Bayern ' S. 12. Vgl. oben die Stelle aus Tacitus.
INHALT DER TAFELN.
(Gezeichnet wurden die Abbildungen Tafel III— VII von A. Leipheimer und E. Keller).
Tafel I : Plan von Römisch-Oehringen.
Plan von Römisch-Jagsthausen.
Karte der Umgebung von Oehringen.
Tafel II : Minervenstatuen aus Sandstein (Oehringen) S. 23. 24.
Tafel III: 1. Eponarelief (Oehringen) S. 26. 26.
2. Nymphenrelief (ünterheimbach) S. 26—28.
Tafel IV : 1. Kaiserinkopf aus Sandstein (Oehringen) S. 32.
2. Minervenkopf aus Erz (Oehringen) 8. 24. 25.
3. Carneol mit dem Genius des Todes (Oehringen) S. 21. 22.
4. Silen aus Erz (Jagsthausen) S. 46
5. Amazone aus Erz (Jagsthausen) S. 46.
Tafel V: 1. Halsring aus Erz (Gegend von Kirchberg) S. 58.
2. Halsring mit Bommeln aus Erz (Gegend von Kirchberg) S. 58.
3. Arm- oder Fussring aus Erz (Gegend von Niedernhall) S. 57.
4. Arm- oder Fussrinn^ aus Erz (Gegend von Niedernhall) S. 57.
5. Armring aus Erz (Gegend von Niedernhall) S. 57.
6. Armring aus Erz (Hürden an der Jagst) S. 57.
7. Armring aus Erz (Hohenlohe) S. 58.
8. Armring aus Erz (Gegend von Kirchberg) S. 57.
9. Armring aus Erz (Gegend von Niedernhall) S. 58.
10. Fibula aus Erz (jenseits des Oehringer Limes) S. 56. 59.
11. Haarnadel aus Erz (Hohenlohe) S. 56. 57.
12. Haarnadel aus Erz (Gegend von Niedernhall) S. 56. 67.
13. Knopf der Haarnadel nr. 12.
14. Zierschnalle aus Erz (Hohenlohe) S. 56.
Tafeln VI: 1. Irdener Topf (Gegend von Kirchberg) S. 55.
2. Irdener Topf, (Gegend von Kirchberg) S. 55.
3. Irdene Schüssel (Gegend von Kirchberg) S. 55.
4. Zwei irdene Töpfe ineinander (Gegend von Kirchberg) S. 55.
5. Meissel aus Diorit fjenseits des Oehringer Limes) S. 2. 59.
6. Hufeisen (Gegend von Niedernhall) S. 60.
7. Beschlag aus Erz (Gegend von Niedernhall) S. 57.
8. Speerspitze aus Erz (Gegend von Niedernhall) S. 57.
9. Grabhügel (Gegend von Kirchberg) S. 52. 53.
: .> d-
65
10. Durchschnitt des Grabhügels nr. 9.
11. Seltsamer grosser Stein aus einem Grabhügel (jenseits des Oeiir innrer Limes) S. 5^>.
12. Fragment eines irdenen Topfes (Gegend von Kirchberg) S. .').5.
13. Fragment eines irdenen Topfes (Mergentheimj S. 55.
14. Fragment eines irdenen Topfes (Gegend von Kirchberg) S. 55.
Tafel VII: 1. Todtenlampe (Oehringen) S. 30.
2. Fragment einer irdenen Gesichtsurne (Oehringen) S. 21.
3. Emäilbrosche aus Erz (Jagsthausen) S. 46.
4. Fibula aus Erz (Oehringen) := Lindenschmit. Alterth. uns. heidn. Vorzeit II xi Taf. 2. 4.
5. Seitenansicht der Emailbrosche nr. 3.
6. Haarnadel aus Erz (Jagsthausen) S. 46.
7. Knopf einer Haarnadel aus Erz (Jagsthausen) S. 46.
8. Anhänger aus Erz mit Goldblecheinfassiing (Oehringen) S. 22.
9- Fibula aus Erz (Jagsthausen) S. 46.
10. 11. 12. Haarnadeln aus Erz (Hohbach au der Jagst) S. 54.
18. Dolch [oder Speerspitze] aus Erz (Hohbach) S. 54.
14. Streitmeissel aus Erz (Hohbach) S. 53. 54.
15. Zierscheibe aus Erz (Hohbach) S. 54.
16. Ring »US Erz (Hohbach) S. 54.
17. Zieracheibe aus Erz (Hohbach) S. 54.
Beriehtigangt^n und Nachträge :
S. 2 Z. 4 setze statt nr. 8 nr. 5.
S. 42 ZU der eigenthümlichen Ligatur von MV vergl. die ganz ähnliche in den beiden Inschriften l)«i
Ritschi, priscae Latin, monum. LXIII B. C.
S. 43 Z. 1. 2 von unten streiche Haug bis herausgebracht.
S. 44 füge den neulichst gefundenen, sonst unbekannten Töpferstempel RIISTVTVS • ff = Restntus
fecit ein.
Bonn. Druck von Carl Georsi
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Taf. I
Umie^end de
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SituaüoiisplandesVICiJS ATJBELI.
Romiscli Jaqsf hausen.
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Photogniphle-Dmck Ton Uartin Eommel. Stuttgart.
Photographie-Druck von Martin Rommcl. Stuttgart.
Oeliringen und Unterrieimbach,
Taf in.
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Epona-und Nymphenrelief.
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Oelirln^en und Jagsthausen.
Taf.iT.
2.
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Kaiserin.
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Minerva.
3.
Silen.
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Genius.
Amazone.
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Hohenloke
Taf y
U4.Äiut T V ß Baiscfi fiiuu^art
Qermarasche GrabMAel jenseits des Pfahlprabens. (Bronzezierathen ) .
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Hohenlohe
Taf. VI.
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üA. AB»t.v. W a. Baisch , Stuttjaxt
Germanisclie GratM^el jenseits des PfaU^rabens.C Töpfe, Waffen, etc.)
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Oehiin^en und Jagsthaiisen
Taf. VII.
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Brandkü^el von Hohbach ^/J
15.
LüKAnstv We BaiBci», Stuttgart
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