(< —
*511. Jtonaps
£>ie beuffd>e
r 5rauenbetücgung
®te Sammlung
„ftus 'Ratur uni» ©eiffestoelf
nunmehr |d,on über 700 Bänbeben umfaffenb, fud>t feit Ihrem <Entftcf)en bem
©ebanten ?u Menen, bei beule in bas Wort: ,|teie Bahn bem Sü<b*
tiaen!” geprägt ift. Sie will Me «Errungenfebaften oon 'Jüiffenfdjaft, Kunft
unb Secbnif einem jeben?ugänglicb machen, ibn babei ?ugielcb unmittel*
bar im Beruf förbetn, ben ©efiebtsfreis erweiternd Me«£infiebt
in bie Bebingungen ber Berufsarbeit »erliefenb.
Sie bietet wirtliebe „«Einführungen" in bie frniptwiffensgebiete für
ben Unterricht ober Selbff unterricht bes fiaien, wie fie ben heutigen
metbobifrben .Hnfotberungen entfpeerben. So erfüllt fie ein Bebürfnis, bem
@firren, bie ben (Ebaratter »on „Mus?ügen' aus großen fiebtbü^etn tragen,
nie entfpreeben tonnen, beim foleb« ietjen oielmebr eine Bertrautbeit mit bem
Stoffe ftbon ooraus.
Sie bietet aber auch bem Sacbmann eine taf ele juoetläffige Uber«
liebt übet bie ficb beute oon Sag ?u Sag weitenben ©ebiete bes geiftigen
ßebens in weiterem Umfang unb oermag fo oor allem auch bem immer
ftärfer werbenben Bebürfnis bes ^orfebets ?u bienen, firb auf ben
Tlacbbargebieten auf bem laufenben ?u etbalten.
3n ben ©ienft biefer Aufgabe haben ficb barum auch in bantenswertcr
Weife oon Anfang an bie beften "Barnen geftellt, gern bie ©elegenbeit
benußenb, fid> an roeitefte Kteife ?u toenben, an ihrem Seil beftrebt, bet
©efabt ber „Spe?ialifietung" unfetet Kultur «ntgegenjuarbeiten.
So tonnte bet Sammlung aueb bet «Erfolg niebt fehlen. Mehr als bie
ftälfte ber Bänbeben liegen, bei jeber Auflage burebaus neu bearbeitet,
bereits in 12. bis 7. Auflage oor, insgefamt bat bie Sammlung bis jef?t eine
Berbreitung oon weit übet 4 "Millionen «Epemptaren gefunben.
3Ules in allem finb bie febmueten, gebaltoollen Bänbe befonbers geeignet,
bie Sreube am Buche ?u weiten unb batan ?u gewöhnen, einen tleinen Betrag,
ben man für «Erfüllung törperlieber Bebütfniffe nicht anjufeben pflegt, auch
für bie Beftiebigung geiftigeranpuwenben. Durch ben billigen Preis ermög*
lieben fie es tatfäd>licb febem, auch bem wenig Begüterten, ficb «ine Bücbetei
febaffen, bie bas für ihn Wertoollfte .Mus Batur unb ©eifteswelt' oereinigt.
Oebes bet meift reich tlluftrierten Bänbeben
ift in ficb abacfcbloffen unb einzeln täufltcb
Oebes Bänbeben tattoniert TR. 1.60, gebunben TU. 1.90
2cu«un0S?ufdflÖ0e öes löcrfagcs unb ber UudjbanMunflttt
ßeipjig, im Cfuli 19 » 9.
33 . ©. Seubncr
öänfcdjctt föttomeri TO. ge&un&eti TO. 1.90
£icr?u £eumm83?ufd)Iafie ta* "Qerlafig u«*’ bet ffwcbfranblunflcn
gtttn Staat wttb
finb bis!)« erfefrietten:
©runbjügc bet Berfa ffung bes Deutzen Reiches Bon ©e*
beimrat Profeffor Dr. «E. fioening. 5. Auflage. (Bb. 34.)
©eutfehes Beefaffungßreeßt in gefd)»d»tU4>et Sntwttflung.
Bon Profeffot Dr. <Eb, Öubticb. 2. Muflage. (Bb.SO.)
Berfaffung unb Betwaltung bei beutfdien Sfäbte. Bon
Dr. TR. S|ntib. (8b. 466.)
Umtiffe bet BJeltpolitit. Bon Prof. Dr. 3. Öasbagen. 3 Bbe
1. )87l bis 1907. 2. Mufl. II. 1908 bis 1914. 2. Mufl. III. Die p ro bi tmc
politifeben (Ereigniffe wäbrenb bes Krieges. (Bb. 5S3/5S.)
Politifcße pauptftrömungert in «Europa im >9.^ on
prof. Dr. K. Sb- o. 0 ei g e 1.4.Mufi. oon Dr.Sr. <E n b r es. (Bb. 129.)
Bom beutfeßen Bott ?um beutföen Staat. «Eine ©ef<b«b>«
bes beutfeben Bationalbetoußtfeins. Bon Profeffor Dr. O.
goaebimfen. (Bb. SM.)
*$>tc (Entwitfltms 5es mo&ertum €>taat6ge&ttnrctts. uon
Dr. ft. fiebert, 031». 648.) n
möbertte ©ofral prof. iir.
Robert Piloti). 03b. 594.) _ , . f .. K ~
gfaat unb ftittye ln intern öcaenfeitiöen ttaMtti» M ber^e.
formation. ‘Son Pfarrer Dr. phil. ft. pfann£ucf)e. 03b. 485.)
Die Ofttnatf. <£ine dtnfübrung tn Me Probleme ^retTOfrtf^flftö*
gefcbkbte. 13on Profeffor Dr. *83. TOitfcf)erMcf). 03b. 35?.)
Soziale Kämpfe »nt alten Oiom. Bon Prioatbojent Dr. e«Me
£. Bi och. 3. Mufl. (Bb. 22.) «nOSojial.
Sonate Bewegungen unb Sbeorien bis pit mobernen -Arbeiter* potitif
bewegung. Bon©. "Mai er. 7. Mufloge. (Bö. 2.)
Bouffeou. Bon Profeffor Dr.p.Oenfel. 3. Muflage. Mit
I Bilbnis. (Bb. 130.) « e n«, «Wh.
©ic großen ®o?ioliften. BonPtioatboj.Dr.Sr.'Mud e. 2 Böe.
g.Mtifl. Bb.I: Owen,joutier,ptoubbon. Bb.II :
gueut, Buche?, Blanc, Mobbertus,Weitling,MarjE,eaffalic.( 269 / 7 v.)
Kail Blatp. Berfucb einer Würbigung. 3. Mufl. Bon Prof. Dr.
% Wilbtanbl. (Bb.62t.)
.«« riegsbefcbäbigtenfüeforge. 3n Berbinbting mit l'iebijinaltc.t
Oberftabsar?t unb (Ebefar?t Dr. Bebentifcb, Direttor bes setabt.
Mrbeitsamts Dr. p. Schlotter, ©ewetbefcbulbite tot b. Bacf
betausg. oon ptof. Dr. S. Kraus £e«er bes ®täbt. Sutforge*
amtes für Kriegshinterbliebene in Srantfurt a. TU. (Bb. 523.)
Mcbeitetfcbub unb Mrbeiteroecficbeiung. Bcn Seb.
Prof. Dr. O. o. 3rolebinects6üben!)orft. 2. 3)ufl. (ö0.7^.)
8: Staat u. VI!. )$.
0edes 33önddf)cn kartoniert Dl. J.6o, gebunden *311.1,90
£to?u Xeueruttgsjufäföge be« TJetfogs unb bet Öucbfxmblungm
<$rund?üge des Derftdfserungstoefens. (Prioatoerficberung).
ii«’®o?fat-" öon Pwfeffor Dr. Ift. Dianes. 3., oeränb. ftufl. (33b. >05.)
poH«e *^snderfürforge. Don Prof. Dr.tEßr. 0. i^lumter. (335.620.)
$>le moderne Dltttelftandsbemegung. Don Dr. £. *7Hu ff eis
mann. (33b. 417.)
$>fe totrtfdßaftftdsen Organisationen, Don Profeffor Dr.
(£. ßeberer. (335.428.)
3>le ft*onfumgenoffenfdsaft.D. Prof. Dr. £.6 t a u 5 i n g e r. (222.)
innere üolomfatton. Don ft. 35renning. (335. 26 ).)
§)ie ®artenftadtbett>egung. Don £anbeswo(mungsinfpettor Dr.
Ö. Kampffmeper. 2.ftufl. QHlt 43 ftbbilbungen. (335.259.)
$tautnfta$e 5)je moderne Frauenbewegung. DonDr.Dlarie33ernaft$.
(335. 723.)
«fnfu^rmig Moderne ftedßtsprobleme. Don ®e\>. 0ufti?rat Profeffor Dr.
Xt$MuntA Ä*Uef. 2 . Auflage. (53b. iss.)
©trafre^t Strafe u. Derbredßen. <£>efct)i<j>te u. Organifatlon des (öefängniSi
roefens. Don Strafanftaltsdir. Dr. med. p. p o l li p. (335.323.)
S)le Pftsdsologte des Derbredsero (Kriminalpfp^ologie). Don
Strafanftaltsdir. Dr.med.p.Pollib. 2.ftufl.Dlit5'Diagr. (248.)
Dloderne ilrtmmaltftit. Don ftmtsridster Dr. ft. 0ellwlg.
Dlit 18 ftbbfldungen. (33d. 476.)
Ößrger* $>se ftedßtsfragen des tägigen ßebens In Samtlle und
9<* m *M** "8™ 0ufti?rat Dr. DI. Strauß. (33b. 2J 9.)
3>as deutfdse 3iuüpro?cßrcrf)t. Don 0ufti?ratDr.Dl. Strauß.
(335. 315.)
Xeftamoniserridjstung mtd $rbred)t. Don Profeffor Dr. $.
Heonbarb. (355.429.)
3)le Dlseie nadß dem 333533. <£in Danbbüdslein für 0uriften,
Dlieter u. Dermieter. Don 0ufti?rat Dr. Dl. S t r a u ß. (335.) 94.)
5)er getoerbltdfse ftedßtsfdßub in 'Deutfcfslanb. Don Patent
antoalt 33. Xoltsborf. (355.138.)
$>as ftedßt anSdßrtft* und^unftwerfen. Don Decbtsanwalt
Dr. ft. Dlotßes. (355.435.)
3>as fted&t des Kaufmanns. (Litt ßeitfaben für Kaufleute,
Stubierenbe u. fünften. Don 0ufti?rat Dr. DI. S t ra u ß. (335.409.)
3>as ftedfst der faufmännifd^en ftngeftettten. Don 0uft«rot
Dr. Dl. Strauß. (335.36J.)
*t)andets*DJdrterbud(>. Don 0ufti?raf Dr. Dl. Strauß unb
Dr.D.Sittel. (Xeubnerskl.Sacjnoörterbüctjer. G5eb. ca.Dl. 4.~.)
*Dförterbudfs der DJarenfunde. Don Prof. Dr.DI. Pietfcj).
(Xeubners Heine §oö) Wörterbücher. <5eb. ca. DI. 4.-.)
Die mit * be?eicf)neten und weitere 35ände befinden
ficj) in Dorbereitung.
Wttö unb ©dftestpett
Sotnmluna toiffcnf^aftH^^emeinocrffätiMicber 'Datfiellutigcn
Die deutfebe
Irauenbetoegung
Dr.Dlarte 35emaps
meinfjeit unb SJerfemeiung un^vco jpetfum
Jerten E>at die beutle grauenbetoeguug feit i
eti Ijinjufü^rett gefudjt. Sie ift eine ^ufturbe
ig über trsirtf^aftlic^e unb fokale fragen Ijir
tt berufen ift. ant
Verlag oon 35. ©. Xeufmet itt £etp?ig unb Berlin ) 920
Dem Hnöenfcen
meiner lieben tlTutter
xjt. ui. @ttauß. (b,
sie&t bet faufmänmfdKn iÄngeftelften. T3on C
m. etrouf?. (»b.361.)
^ndete^örterfcud). 'XJon 0uftf?rat Dr. Itt. 6 t ta
CoÜ6itteI. (Xeubner$!I.5a4)Wörterbüd)er. ®eb. ca.7
v, tjfof. Dr.QflL ¥
ftlle'ftec&te, einfcbUepli^ bes n&erfebtmösxecbte, oorbcjalten.
Srucf Don S3. QJ. £eu$nex, S)re§ben.
Sflotto;
Uttb bettt streben, fei’$ in Siebe,
Uttb bein Sebett fei bie %atl
Sorhmrt.
Sie norliegenbeSdjrift tritt bie beutfdje grauenbetaegung in ihren
mirtfdjafilichenUrfachen uttb geistigen ©ntnbtaqen, in itjrer ©efhidjte
unb in i^ren tt>id£)tigften Simonen barfteßen. ©ut fotc£)er Berfudj paft
in unfere geit, itt ber bie mirtfdjafttidjen Berljättniffe, bie potitifdjen
©inriditungen unb bie geiftigen SBerlntafjftäbe in llmmanblung be=
griffen finb.
ift eine befonbereSragif im QSefdjicf ber beutfdjen grauen, bafj
fie nach ben jahrelangen öeiben beS Krieges erft in einem mirtfd)aft=
lieh, politifcf) «nb ntoralifd) aufs tieffte erffütterten Baterlanbe bie
batten Bürgerrechte erhielten; um fo inniger aber totrb ihr Beftreben
fein, biefe neuen fßec^te gum Beften ihres am Boben tiegenben Bottes
auSguüben.
2Bie ftart bie ©eljnfudjt, ber Stttgemeinheit gu bienen, feit gaijrs
geljnten fchon in ben grauen bet grauenberoegung mar, mie fehr bie
großen Probleme beS eigenen 93otfeS fie feffeiten, babon fott in ben
folgenben Blättern bie Siebe fein. Sie follen aber auch bartun, bafj
bie grauenbemegung fidj ftetS ber hohen ©ebeutnng beS grauenmirfenS
in ber gamitie aott betauet tnar, baff fie in ber |>ebung ber iperfon-
lidjteitsfultur ber bentfehen grau eines ihrer bornehmften giele öon
jeher gefehen hat.
SEBitt Sentfftanb fich lieber erheben, fo muh bie beutfdje grau
ber ihr beaorfteljenben ferneren Stufgabe getroffen fein. SJieEjr als
ju irgenbeinem gettpunlt brauchen mir heute bie gütige, berftehenbe
unb bergeiljenbe Siebe bon SKeitif gu Söiettfch; mir brauchen aber
auch Bflihtbetoufjtfein unb StrheitSernft, StufopferungSfähigfeit für
bie SlUgemeinhcit unb Berfeinerung unfereS ißerföntif feitSlebenS. gu
biefen SBerten hat bie beutfetje grauenbemegung feit ihrem ©ntfteljen
bie grauen tjinguführen gefugt, ©ie ift eine ftulturbemegung, beten
Bebeutung über mirtfchafttiche unb fojiale gragen IjtnauSreidjt, unb
bie barura berufen ift, am mirtfdjaftlichen, fogiaten, potitiff en unb
fittlifen Sßieberaufbau unfereS BatertanbeS mitgumirfen.
35er Umfang ber Schrift legte mir naf manchen Stiftungen hitt
Beffränfungen auf. gur SarfteQung gelangen Seiftungen unb 2peo=
l*
4
SBortoott. gnljattgaetaeiifotig
rieit bet organifierten grauenbewegung. Sie Strbeit ber auSfdjticf? 5
lieb faritatiüen grauenöerbänbe wirb bafjer nur gelegentlich ermähnt,
giucb bie 91rbeiterimtenbewegung, foweit fte nicht mit potitifdjen S3e*
Wegungen gufamntenfättt, foinmt nicht gu gefonberter SarftetCung. Stuf
Wenigen ©eiten ift eine jo wichtige unb tiefgefjenbe Bewegung nicht
ohne OberfIäc^üd)teit ab^utjanbetn. Sine einge^enbe ©rfaffung ber
fpegietten Probleme be§ ttcbeiterinnenlebenä hätte wich aber gu Weit
öon meinem Sbetna entfernt.
giir freunbticbe Unterftü^ung bei meiner Slrbeit §aU irf) grau
Stlice $8en§fieimer unb grau Dr. ©tifaheth 9lltmann*©ott=
feiner meinen beften Sanf auSgufprecben.
Sie grauenbewegung War gu allen Seiten getragen öon einem ftarfen
©tauben an bie gutunft. SJiödjte bodjbiefer ©taube unfer gange« Sott
burcbbringen, bamit bie SBorte ihre ©eltung bemalten: Seutfcf)lanb,
bir blieb bie gulunft, weil bu an fie geglaubt.
Siefen SSunjcb mödEite ich meiner ©djrift mit auf ben SBeg geben.
äKannbeim, im gebruar 1920. Dr. SMatie
SttljaltömjeidjttU. ©eite
SSorWort.... 3
I. 3ut Sojiologie btt gtauenbeweguitB .... 5
1. ®te wirtfdjaftltdjen ttrfacben ber grauenbetoegung ...... 5
2. Sie geiftigen ©xunotagen ber grauenbewegung.
II. gut ©cf^ic^te bet graucn6cwegung .... 19
1 . ©rünbung unb erfte Stnfänge be« Sttlgemeinen Seutjdjen grauem
» ♦ . .... * * A *^
2. ®ie grcmenbetregtmg in ben 80 et unb 90 et galten, (^tünbung
be§ SButtbeS 2)eutjd)et gtauenbetetne..
3. $te fottfeftionelle gtanenbewegung. “J
4. ©ie gtauenbetuegung bon 1894—1914 . . ..
5. S)ie gtauenbetüegung tüöi)tenb be§ 2BeIt!riege3 • ♦.
6. S)ie gtauenbemegung feit bet Oteöotution. öü
III. gut bet gtauenbettegung .... 54
1 . S)ie Stellung bet gtauenbetüegung §ut unb gamilte ... 54
2. Uttterti^tS* unb 33ilbung^ftagen. -57
3. gtauenbetuf^atbeit unb gtauenbetoegung . ..• * ■
4. 2>te TOtatbeit bet gtau in QJemeinbe unb Staat.**
StuSMtd..
Sitetatutöet§ei(^ni§ .. AAi
I. &HV ©öjiötogic Uv Stattettfietoegnttg.
1. 2>ie mitifc^ oftli^c« ttrfa^en ber grßuenfietoegttng.
Scitbem ittis bie materiatiftifcbe ©efd^icfitäauffaffung bie grunb=
legenbeS eben tun g bet Wirtfcbaftlicben Satfac^en für bie ©niwtcllung«*
gefchiä»te be§ 3Kenfct)engefcl)i^t§ erfennen lehrte, haben alle Sam
ftetlungSüerfuclie einer Seiletfdjeinung im ©efamtleben ber äJcenfcfjen
oon gWei fünften ihren StuSgang gu nehmen:
Sie Sunfalität ber wirtfcbaftticben gaftoren muff etenfotooljt ot-
achtet Werben Wie bie ber geiftigen SDiäcbte, unb e§ fjängt lebten Gnbe«
öon ber ßebenlauffaffuug be§ Sarfie(Ier2 ab, welche tiefer beiben
Saufatitäten als bie beftimntenbe, für bie GniwicKung ric^tunggebenbe
traft angefeljen wirb. . *
5Iuch für bie grauenbewegung fptelt bie grage, ob tgre Urfacben
in wirtfcbaftticben Serpitniffen ober geiftigen ©ntwicflungen hegen,
eine große nnb füt ihre ^Beurteilung entfcheibenbe 9loKe. SBabrenb
ihre toirtfcbaftücben Urfacben Har §utage treten unb baS Urteil ber
breiten Waffe über ihre 9lotWenbig!eit unb gwedmäfeigtett befitmtnen,
bängt e§ öon ber ©tärle unb Straft ber in ihr Wiilfamen geiftigen
SJiäcbte unb überperfönticben gbeale ab, ob unb inwieweit Wir fie ben
®utturbeWegungen juredincn bürfen, bie immer wieber bem ©efamt«
leben ber SSölter neue Siele geWiefen haben.
SBerfteben Wir unter grauenbewegung bie Üiefamtbeit ber Jjeftre«
bnngen unb SSerfu^e, eine beffere äußere unb innere «npaffung ber
grau an öeränberteßebenSüerbättniffe berbeigufübren, fo ift unmitteh
bar einleuibtenb, baf; bie wirtfcbaftliiben Urfacben biefer Bewegung
in ber Seit größter mirtfcbaftlicber Umwälgungen im lebten Srittel
be§ 18. 3abrt)unbert« Wir ff am gu werben anfangen. SB ob! hotte and)
ba§ aJUttelalter eine grauenfrage gelannt. gnfolge ber hoben @terb=
liebfeit ber männlichen Seoötterung War bie S a hl ber im £eben«fampf
auf ficb allein angewiefenen grauen im Sütittelalter febr hoch; tra
15. gabrbunbert g. 33. lebten in Sftürnberg burcbfcbnittücb ein @ed)fiel
mehr grauen al§ SJiänner, nnb ber ißrogentfah ber lebtgen grauen im
SBergletcfj gu ben lebigen SWännern mufj noch weit größer gewefen fein
6
I. 8ur ©Ontotogie bet grauenbeWegung
al§ ber be« tociblidjen Überfchuffe«, nicht nur Wegen be« gölibat« ber
©eiftlidjen, fonbent auch wegen ber ©rfhwerung ber ^»eiratSmögtich*
feilen burdf) bie Organisation bet günfte. $ie Arbeitsgelegenheiten,
bie fich ber tebigen grau boten, Waren gering unb fdjwanben immer
me^r, je erfolgreicher {ich bie Ständer ber grauen fonfurrenj in ben
künftigen $anbwerfen ju erwehren Oermochten. SBä^renb bie üer£)et=
ratet e grau, fei eS als Säuerin, Steifterin, Kleinunternehmerin, 33ür*
gcrä* ober ißatrijierSfrau ihren ooH ausgefüllten SBirfung«freiS hatte,
war bie Slot ber Unoerheirateten in ben festen gahrljunberten be«
SRittelalter« größer aB in irgenbeiner anberen ©poche. Diefe Wirt*
fchaftüche Notlage aber rief feineSWeg« ©rfdfeinungen IjerOor, bie mit
ber mobernen grauenbeWegung in ißaranele ju {teilen wären, fonbern
führte nur jn Serfudjen, im @in$elfa(I bie 9tot ju iinbern. SSegüterte
grauen, bie nicht ben Seruf ju oöttiger SBettentfagung in fich fühlten,
fchloffen fich öfter jü gemeinfamen Haushalten jufammen. gahllofe
unbemittelte, atteinftehenbe grauen juchten feit bem 13. gahrbunbert
Unterfchlupf in ben Seginen ober ©otte«häufern, weltlichen Serfor*
gnngSanftatten, in benen bie SebenSfüljrung einer feften ^auSorbnung
unterworfen war. Diefe Slnftalten blieben fo lange beftehen, bi« bie
neue ©poche be« gnbuftrialiSmu« unb Kapitalismus alle feiernben
$änbe, unb oor allem bie ber grauen, in ben Dienft ber ©ütererjeugung
jWang.
Die neuen fßrobultionSformen, bie feit ber jweiten tpälfte be« 18.
gahrhunbertS fich erft langfam, bann immer rafdjer über alle jioili*
fierten Sänber oerbreiteten, finb burdh brei |muptmerfmale cf)aral=
terifiert:
1. burdh Me fonfequente Durchführung be« {RentabilitätSprinsipS in
ber wirtfchafilidhen Unternehmung;
2. burch bie junehmenbe Serwenbung Oon SZafchinenfraft in ber
Srobuftion unb
3. burch bie ©ntmidflung ber Unternehmungen oon Kleinbetrieben
ju ©rofjbetrieben.
SEBa« biefer@ieg be« Kapitalismus unb gnbuftrialiSmu« aB Wirt«
fchaftüche Urfache ber grauenbeWegung bebeutet, Wirb oerftänblicher
im §inblicf auf bie Seränberungen in ber fojialen Klaffenbilöung,
bie aB feine golgeerfdheinungen auftraten.
Die SBirlung ber mobernen SESirtfchaftSformen auf bie überlieferte
Klaffenbtlbung fcfiiett oorwiegenb jetfegenb unb gerftörenb ju fein.
gganb lungett ber grauenarbeit im 19. galjtbttnbett 7
Über bem glücllichen SEBeberborf, ba§ ®oethe in SESilljelm SBteifier fcfjil*
bert, siehe« fchon bie oernidhtenben Sturmwolfen ber neuen geit herauf,
ber ba« §anbwerf aB mafgebenbe gorm ber ©üterprobuftion jum
Dpfer fiel. Dag SerlagSftjfiem ber #auSinbuftrie unb bie maf^inelle
©üterherftetlung in ber gabrif rauben bem fjanbwerf immer mehr
üon feinem SebenSfpielraum. 2IB pofitioe golge ber wirtfchaftlichen
Umwanblungen entfteht ein neuer oierter Stanb, ber Slrbeiterftanb
mit feinem eignen Dogma, feiner eignen gbeologie, feinem eignen
Sebensftil. Der alte SRittelftanb fpaltet fich in jahlretche ©ruppen,
unter benen ba« Kteinunternehmertum im ©eWetbe, ^anbel unb Sanb*
Wirtfdhaft einerfeit«, bie breite «Schicht ber mittleren Staate unb ®e=
meinbebeamten, ber hßh«cn techuifdhen unb lauf männif eben 9üige)Mten
anberfeiB oft aB oberer SQüttelftanb gegenüber bem unteren SRittel*
fianb ber fleinhanbtoerfer unb Säuern sufammengefaht werben. Die
Ktaffenfeilbung würbe ungleich oeräftetter, fpejialifierter aB in früheren
geiten, unb bocf> begann eine einheitliche ©runbftimmung bie SBut*
fchaftsführung bi« hin5« feen Kopfarbeitern ju burdtgiehen: biefRen*
tabilitätSberecbnung, ba« ©etoinnftreben, bie Iwdjfchähung be« ©elbe«
aB Ooüfommenftes «Büttel jur Streichung aller gwede.
Diefe tiefgehenben Umwälsungen, bie jur Schaffung neuer Sehen«*
formen beitrugen, muhten auch ba§ grauenleben in gans befonberer
ggeife beeinfluffen. Da« £anbWerf hatte ber grau aB «Dietfterin im
allgemeinen eine SebenSfotm geboten, ber fie fich förperlich, geiftig
unb feelifh leicht anpafjen fonnte. 911« ba« fjanbwerf oerfiel, muhte
bie grau notgebrungen in ben neuen Sßrobuttion«arteu Aufnahme
finben. Sßurbe althergebrachte grauentätigfeit au« bem £aufe in bie
gabüf oerlegt — ba« befanntefte Seifpiel ift bie Dejtilmbuftrie —
fo Wanberten bie grauen ihrer Arbeit nah in fe' e gabrif. Konnten
ober wollten fie fich au« ber häuslichen ©emeinfdhaft nicht Bfen, fo
Würben fie aB Heimarbeiterinnen gänslich Oon bem Verleger, bem
faufmannif^en Seiter be« 91tbei!«prrjeffe« abhängig.
©« ift eine befannte Datfadje, ba| bie SSefchäfttgung bet grau tn
ber ©rofjinbuftrie burch bie 91nwenbung unb fteigenbe SBerooüfomm*
nung ber SBiafhinen ebenfofehr erleichtert würbe, Wie burch bie 9tuS=
behnung ber Setriebe ju ©rofebelrteben, beren fortfdhreitenbe ülrbeit«*
teitung bie ©iufteüung oerfchiebenartigfier «rbeüsfräfte forbert. IBian
hat gerabeju oon einer wechfelfeitigen Sebingtheit swifchen grauen*
arfeeit, SRafchiuenanwenbung unb ©rohbetrieb gefprodjen, bie Währenb
8 L Bnr Soziologie bei Frauenbewegung _
beS friegeS nod) üiet bcutticEjer in ©rfheinung getreten ift. Aber fcEtott
in ben bem Stiege öorauSgehenben gahrgetinten hat bie Frauenarbeit
auf allen ©ebieten in fefjr rafcijem ®empo gugenommen. 9492881
grauen Waren nacf) ber SBerufSjaEilung bon 1907 hauptberuflich er=
werbstätig, in ben galjren 1895 unb 1882 bagegen nur 6578350
unb 5 541577. — Spegiett in ber gnbuftrie ftieg in ben genannten
Seiträunten bie 3at)t ber erwerbstätigen grauen bon 1126976 auf
2103924; nah ben Berichten ber ©ewerbe^AuffichtSbeamten WuhS
bie Saf)i ber in gabrtfen tätigen grauen bon 1902—1912 bon
964 715 auf 1565 643. ®ie3al)t ber Selbftänbigen ging babei fiän=
big gurücf bon 19,5 % aßet erwerbstätigen grauen int gat)re 1882
auf 12,6% im Satire 1907; bie 3«*)l bw Arbeiterinnen, einfhtiejj;
tidj ber mithetfenben Angehörigen ftieg im gleichen 3 e itraum bon
56,9 % aüer erwerbstätigen grauen auf 72,2%- ®ie AtterSgliebe*
rung ber erwerbstätigen grau geigt, baff bie Arbeit «m beS ©elb*
berbienfteS Witten immer fettener nur ©poche im Sehen ber grau,
immer häufiger eine fie burchS Seben begteitenbe ©efätjrtin würbe,
greilicf) liegt ber $öt)epun!t ber weiblichen ©rWerbSarbeit auch nach
ber 3ähtung bon 1907 gwifhen bem 18. unb 25. SebenSjahr, aber
ber Anteil ber grauen bon 30—40 gahten ftieg bon 1882—1907
bon 11,8 % auf 15,4 %> tter ber 40—50 jährigen bon 10,9 % auf
12,9% unb ber ber 50—60 jährigen bon 9,2% auf 9,7%’
®iefe AlterSgtieberung geigt beuttidj, ba| eS für bie grauenarbeit
„nid)t nur ein fpeute, fonbern auch ein SRorgen unb übermorgen"
gibt, Spegiett in ber gnbuftrie malten im gaffte 1907 bie 18—
20 jährigen 11 %- bie 20—25 jährigen 20%, bie 25—30 jährigen
11,6%. bie 30—40 jährigen 15,7%unb bie 40—50jährigenll,2%
aus. SGSiebiet bebeutungSbotter baS 3entratprobtem beS mobernen
grauentebeuS, bie Bereinigung bon Beruf unb ©he geworben ift, fotten
noch fotgenbe 3 a ht e « bartun:
Bon fämttichen hauptberuflich erwerbstätigen grauen Waren ber;
heiratet: g a £)re 1882 7H000 ober 12 , 9 %,
= * 1895 1057000 = 16,1 %,
J » 1907 2 817000 = 29,7%.
Spegiett für bie gnbuftrie betragen bie betreffenben Bafften
148000 ober 13,2 %,
250000 = 16,5%,
447000 * 21,2%.
Frauenarbeit in gnbuftrie unb Sanbiuirtfciiaft _®
gm^Saftre 1882 war bie gefamte Weibliche Berufsarbeit gu faft %«
Arbeit bon lebigen grauen (87,1 %), im Satire 1907 waren nur
etwas mehr als bie&älfte (59,4 %) ber hauptberuflich erwerbstätigen
grauen tebig. ,
ge gröjjet bie 3at)t ber grauen wirb, bie gwifhen bem Begtrt
fiauSWirtfdjaft unb bent Begirf ©rWerbSarbeit hm= unb hergehen, um
fo wichtiger Wirb ber Schuh ber weiblichen ©efunbfieit in alten
SebenSattern, um fo bringenber bie richtige AuSbitbung ber grau für
ben auf ihr taftenben ©oppetberuf. An ber Söfung biefer Aufgabe
arbeiten alte fogialpolitifcf) intereffierten grauentreife, nicht gum
minbeften bie orgattifiertert Arbeiterinnen fetbft. ®ie wirtfhafttihen
friegSfotgen haben biefe gragen nur nod) beuttidjer ins allgemeine
Bewufstfein gehoben. ®ie aujjerorbentlicfie 3«nahme ber grauen;
erwerbSarbeit auf allen ©ebieten, auch auf folcfjen, bie aus phhfip 5
togifhen unb technifcfjen ©rünben bem SRanue oorbehatten gu fein
fhienen, wie SQtetalb unb ÜRafhineninbuftrie unb Baugewerbe, mähten
einen befonberen @d)u| ber grauengefunbheit notWenbig. ®te Uber;
geuguug, baf 3 bie inbwftriette grauenarbeit aus prioab unb botfS«
Wirtfhaftlihen ©rünben and) nah bem Stiege beftimmenber gaftor
unferes SebenS bleiben wirb, oerteiht ben SSünfhen nah befferer ge«
werblicher AuSbitbung ber grauen befonberen Racpbrucf.
gatfh unb einfeitig Wäre es aber, bie wirtfhaftticfeen Urfahen ber
grauenbewegung nur auf bem ©ebiete ber gewerbtihen Arbeit, in
ber äußeren unb inneren Unangepajfttieit ber grau an bie neuen
BrobuttionSformen gu fnhen. ®ie großen wirtfhafttihen Um=
Wätgungen finb auh in ber Sanbwirtfhaft nicht fpurtoS üorben
gegangen unb hotten für fie ebenfalls eine grauenfrage gefhaffen.
gür bie 4 l / 2 SRittionen in ber Sanbwirtfhaft hauptberuflich erwerbs*
tätigen grauen war baS Problem Beruf unb ©he wegen ber räum*
tihen Bereinigung bon Arbeitsplan unb §auSf)att leidEiter lösbar als
für bie gewerblihe Arbeiterin. ®ie grofje 3 n ttt ber „mithetfeuben
Angehörigen", 2,8 SRittionen, barunter 1,6 SRittionen ©hefranen,
fpridjt bafür. ®agegen haben bie Unterfuhnngen über ben ©eburten«
rüdgang auf bem Sanbe bie erfhrecfenbe törpertihe Belüftung ber
Bäuerin unb Sanbarbeiterin unb bie SRänget ber §hgiene in tänb;
tihen ©ebieten bargetan. ®er alte bequeme ©taube, bah ßanbteben
gefunb fei, würbe üerhängnisoott, ats bie gnnehmenbe gnbuftru
atifierung ®eutfhfetbS bie üRänner oont Sanbe nach ber Stabt
10
I. 3 ut {Soziologie bei grauenftewegimg
jog unb bie Sanbtoirtfcf>aft immer mehr gum grauenberuf würbe.
Zugleich wud)S aber aud) bie «Roiwenbigfeit, bie grau für it)re länb«
lieben Aufgaben beffer gu faulen, fo baß auch bei bet graueufrage
auf bem Sanbe baS StuSbitbungSproblem gu einem ber toidjtcgften
würbe.
SSenn Wir autb benen nicht guftimmen lernten, bie — Wte etwa
Sili Braun — bürgerliche unb fjrotetarifd^e grauenbewegung als
jtoei ihren Urfachen nach gänglid) oerfcEjiebenc ©rfcheinungeu betrauten,
fo ift bod) gweifetloS, bafjbie grauenfrage beS bürgerlichen SRittelftanbeS
jum Seil aus anberen ©chwierigleiten entftanb als bie beS Ir beiter«
unb BauernftanbeS. $anbelt eS fief) bei ber leiteten um bie im
gntereffe oon grauengefunbbeit unb gamilie notwenbige ©inbämmung
weit oerbreiteter grauentätigleiten, benen lein pringipieEeS HinberniS
entgegenftebt, fo nimmt bie ©rwerbsfrage ber bürgerlichen grauen«
bewegung ihren SluSgang Pon ber Elotwenbigleit neuer ©rwerbS«
möglicbleiten für bie ©ächtet beS SRittelftanbeS. ©emeinfam ift aber
beiben Bewegungen eine lefcte Urfache: baS ©ur^bringen unb ber
Sieg ber ©elbwirtfdiaft, bie ben baren ©elbPerbienft möglidjft bieler
gamilienmitglieber forbert, bie bie gamilie ihrer probulüoen Stuf«
gaben beraubt unb bamit ben EBirlungSlreiS ber Haustochter Per«
nietet, ben ber Hausfrau oertleinert. gu faft aEen Schichten beS
SRitielftanbeS, bie burebweg gelbwirtfcbaftlicb fuubiert finb, ift bie @r«
WerhSarbeit ber ©odjter.gur Etotwenbigleit geworben; in faft aEen
Berufen aber, bie für biefe Stäbchen in Betracht lomrneu, ift bie StuS«
bilbungSfrage noch nidjt gut gufriebenheit getöft. SSährenb bie Sir«
beiterin als biüige unb wiEige SlrbeitSlraft ben nad) «Rentabilität
lüfternen mobernen Unternehmungen befonberS wiElommcn war,
haben bie grauen beS SRittelftanbeS lange erfolglos um gutaffung
gu ben bürgerlichen Berufen gerungen. gu biefem Sarnpf ift bie
grauenbewegung guerft als organifierte SRadjt auf bem tßlan er:
febienen. Sin biefe gonflilte benlt ber ßaie, Wenn oon „grauem
bewegung" bie fRebe ift. gür bie «Stäbchen beS mobernen SRittel«
ftanbeS fpielt auch bie im aflgemeinen in ihrer Bebeutung ftarl über«
fdfähte „anthropologifche" Urfadje ber grauenbewegung, wie griebrich
«Raumann eS nennt, eine Slofle. ©emeint ift bamit ber oielgenannte
grauenüberfdmfj, b. h bie ©atfadie, baß in ben meiften Sülturlänbern
bie 3ahl ber erwachfenen grauen bie ber ermadjfenen «Dtänner über«
trifft. llberaE ba, wo bie grauenfrage aEein aus biejer ©atfadie er«
®te grauenfrage im äKtttelftonb
11
llärt unb als gungfernfrage ober gungweibernot bejeidjuet wirb,
überfielt man, bah auch Sänber mit SSRämterüberfchuß, Wie Slmerila,
eine grauenbewegung fehr ausgeprägter SIrt hob* 11 - Uft b bah ferner
in ben Säubern mit grauenüberfebujj tiefer Oor bem Kriege im wefent«
liehen auf bie höheren «Mterstlaffen entfiel nnb weit eher eine SSitWen«
frage als eine gungfernfrage fchuf. ©er burch ben Stieg heroot«
gerufene grauenübcrfchui in ben jüngeren SllterSllaffen fteEt felbfb
oerftänblich eine ber ßhwierigften Slufgaben wirtfcbaftticher unb
feelifcher Slnpaffung bar. — ©ie Erfaßen ber grauenbewegung finb
nur gum Keinen Seil in ber $ufammenfehung ber Beoöllerung gu
fuchen; bie ©ntleemng ber gamilie Oon ihren «ßrobultionSaufgaben
burd) bie tedütifefje unb roirtfc£)crftlicf)e Umwälpng, bie «Rotwenbig«
leit beS ©elbertoerbS ber nnoerfieirateten ©odjter, ber $wang gut
Bereinigung oott Beruf unb ©he, hat grauenfrage als grauen«
erwerbsfrage gefebaffen. ©iefe ©rttroidlung hatte bereits öot bem
Kriege jo grobe gortfdjritte gemacht, baß nach ber BerufSgählung
oon 1907 bie ©ätigleit im Haufe Won nicht mehr als ber eigen!«
liehe Beruf ber grau bezeichnet werben tonnte, greilich fanb noch
bie überwiegenbe SRehrgaht ber grauen (90%) für eine beftimmte
geitfpaune ihren SebenSmhatt in ber ©he, «ob nur ein Heiner ©eit,
girla 10%, blieb bauernb lebig unb baljer auf einen anberen SebenS«
inhalt angewiefen ©ie Sinie aber, bie «erheiratete nnb aEeinftehenbe
grauen trennt, begeiebnete nic£)t gitgleid) auch bie ©rengen gwifdien
©r werbstätigen unbSRidjterweibStättgen. ©ineSIngabl atteinftehenber,
erwa^fener grauen war nicht erwerbstätig, ein großer Seil ber oer«
heirateten grauen leiftete noch einen beftimmten Beitrag gut «fkobnltion.
Bon ben 9,49 SRiEiouen hauptberuflich erwerbstätigen grauen in
©eutfdjlanb waren 1907 2,82 SRiEiouen oerheiratet unb 6,67«DMionen
aEeinftehenb. Bon ben 10,82 SRiEionen üerfjeirateter grauen bleiben
als «Rur-HauSfrauen 8 ERiflionen übrig; rechnet man ihnen bie be=
rnfSloS lebigen grauen über 16 gah« unb bie nicht erwerbstätigen
SSitwen unb gefchiebenen grauen gu, fo ftchen 9,7 SRiEionen haupt«
beruflich itt ipuuS unb gamilie tätige grauen ben 9,4 SRittionen
hauptberuflich auf bem SlrbeitSmarft tätigen grauen gegenüber, ©ie
graft ber erwachfenen grau in ©eutfchlanb War alfo 1907 noch an«
nähernb gleichmäßig über £auS utl b Beruf «erteilt ©ie Weitere 8u«
nähme ber ©rwerbSiätigleit ift aber unbermetblide golge berfelben
Kräfte, bie bie ©ntwidlung bis gu biefem «ßunlte Wieben. Siidjt auS
12 l gut ©oüo loate bet gtauenberaecpiig ___.
bem fapitätiftifchen (Seift allein, ntd)7nur aus ben SSanbtungen ber
ntobernen XecEjnit, fonbern aus ber gefamten grunbjturäenbett Um-
malpng unfereS SBirtfcfjaftStebenS mit ihren 3fUidimrtungen auf bte
Slaffenbitbung ermaßen bte mirtfdmftlichen Wen ber grauem
betoequng. Sie grauenbemegung J»at bie grauenermerbSfrage ntdjt
geicbaffen; teuere gehört im ©egenteil, mie p pigen berfudit würbe,
p ihren Urfachen. Aufgabe ber grauenbewegung über tft eS, neue
wirtfcbaftliche Satfacljen nicht mit einem leichten *sa ober ment am
pnebmen ober abpmeifen, fonbern baS fchmerere Stet p berfoigett,
au§ mirtfdjaftüchen Satfacfjen futtureße gorberungen abptetten @te
ift biefer Stufgabe gemachten, weil fie nicht nur auS mtrtfdjaftticfjen
ttrfachen ^eroorgetjt, fonbern in ihr <wd) raäcfjttge, getfttge Peale
tüirljam finb.
2. Sie geiftigen ©ntnblagen ber grauenBctoegttng.
SßirtfAafttidie Urfadpn, unb mären fie and) noch f° mäthttg,
hätten feineSmegS genügt, um bie moberne S^^rbemeginig tnS
Seben p rufen. @rft bie ®urd)leud)tung mirtfchaftüdjer Satfacf)en mit
beftimmten gbeaten hat ben Seftrebungen ber grauen ben Schwung
einer tuttnrbemegung gegeben, gn ber grauenbemegung $at baS
©eiftiqe feine eigene taufalität, unb ihre geiftigen ©runblagen liegen
hiftorifch weiter prücf als ihre mirtfct>afttichen Sriebfebern. »«Inh
ift ftetS fdftoer feftpftetten, mo bie eigentlichen SBurjetn etner getfttgen
Bewegung ruhen. „SBir finb nicht neu", h«&* e* in Dttue ©chretnerS
fthönem Sud): Sie grau unb bie Strbeit. „SBtr, bte heute £ ie ® e '
megung anführen, gehören p jenem uralten getmanifchen grauen*
gefchtecht, baS oor jmei gahrtaufenben gemetnfam mit ben Scannern
feinen Sßeg burch bie SBätber unb Sümpfe ©uropaS fuchte. SStr ftnb
^gtTber ©efchichte ber SBetttiteratur tonnte man bielleicht in ben
, ©fflefiapufen" beS ÜlriftophaneS unb in ben berühmten SluS*
führungen iBtatoS im fünften Such feineg „Staates" bte erfte Steifung*
nähme führenber ©enter p grauenfragen ihrer £ett finben. ^mmer
ift baS lehrt auch bie Sittengefdjidjte beS faiferti^en 3tomS, etne Sett
hoher gefeUfthaftticher Kultur pgleidj bie ©poche, in ber bie grauen
aus ber ©infamteit beS $aufeS heraustreten unb Set! haben foUen
am geiftigen unb öffentlichen Seben ber ©emeinfdmft. Sropem aber
biefe Stnjeichen einer antiten grauenbemegung beS hiftorifchen ^snter*
13
3)ie grauenfietoeöMtg in ber 9ftenatffance
effeS burdjauS nid)t entbehren, führt hoch non ihnen pr mobernen
grauenbemegung fein biretter geiftigen 2Beg. Siefet beginnt erft in
ber SRenaiffance, ber Seit ber „©ntbedung beS Sienfdjen". Sunt elften*
ntat in ber ©efchidjte nehmen bie grauen, fotneit fie ben begüterten
«BolfSflaffen angehörten, fampftos an ben geiftigen Schäden teil, bie
in faft uuetfchöpf©eher güße gehoben mürben. 'JUd)t einjelne anS*
ermählte grauen, mie im SOtittelalter, fonbern eine gange grauen*
gruppe fteigt p höherer 93ilbung auf. Sie llniöerfitäten mürben ben
grauen geöffnet; fie ftubierten Sfjeotogie, ißhilofopbie unb SKebtjiu.
S'ioöetta b’Stnbrea, bie bjolbfetige Sehrerin beS fanonifchen Utechts,
unb SRagbalena Suonfignori, bie gepriefeue Setfafferin ton „de
legibus conubialibus“, galten als SRecfjtSgelehrte oon männlichem
©charffinn. Siftoria ©olonna, bie gefeierte Sichterin, bie grennbin
SKihetangetoS, fteßt tootjl ben boflenbetften Spp biefer grauen ber
ißenatffance bar. Sebeutfamer aber als biefe geiftigen ©injelleiftungen
mar eS, bah in ber Stenaiffance jum erftenmal baS aus ber S e *t
erWachfene gbeal ber Sßerfönlichfeit auch für bie grau ©eltumg
erhielt, im fd)roffen ©egenfafc pr Slntife, bie ihre SebenSibeale, baS
ftoifhe fornoht mie baS epituräifc^e, nur auf ben SDlann anmanbte.
$)er ©ebanfe, auch bie grau pr ootlentmidelten felbftfihöpferifchen
ißerfönlihfeit gu erheben, mirb feit biefer Seit eine ber geiftigen
Suiebftäfle, bie bie grauenbemegung fchufen.
greilich fohlte bie iRenaiffance mit ihrem leudftenben ©lang unb
ißruuf batb berfinfen, unb für bie grauen fchien fein baueruber @e*
minn errungen ju fein. SSielleicht märe auch ber äfihetifc£)*intetteftueC(e
ifJerfönlihfeitSgebanfe ber 9tenaiffance mieber »erblichen, menn nicht
im 17. gahrhunbert in ben nörbtidjen Sänbern ©ttropaS ber ©e*
banfe ber feelif<h=fittltcf)en ©leichmertigfeit »on 3üanu unb grau als
bleibenbe ©rrungenfefjaft erftanben märe. SBenn auch SntherS Stellung
ben grauen gegenüber bnrchauS patriarchal mar, fo hot bod) bie fKe*
formation, bor allem in ben angelfäc£)fifd)en Sänbern, nnb mehr noch
bie in ihrer golge entftehenben Setten bie gegenfeitige Stellung »on
SDtann unb grau mefentlieh beeinfluit. Surüdgreifenb auf baS Sibet*
mort: „§ier ift fein gube nod) ©rieche, h<« ift lein fned)t noch
greier, hier ift fein SRann noch Söeib", erfannten bor allem bie
täuferifhen Seften bie grau als bottmertige religiöfe ißerfonlichfeit
neben bem SRanne an. SllS fonfeguente Sräger-beS ©ebanfenS, bah
bie religiöfe greifet beS ©emiffenS ein 3ted)t beS einjelnen gegen
14 I. gut (So sdoToaie bet ftrattenBetoeflutig _
bie ©efamtl)eit, gegen jebe, wie immer geortete itbifhe Autorität
fei, galt ihnen auch für bie grau baS ©ebot: „baB man ©ott metjr
qeborcben muB als ben SDtenjcben''. Sie ©etotffenSfreif)ett tft bte
SJtutter aller onbern SRenfcfjenrecfjte gemefen, fie fte^t au^ an bet
SBiege bet grauenrechte. 2Bie ftar! bie 6d)ä|ung beS fttttt^feelifcBen
SßerteS ber grau unter ben Seftierern fein tonnte, bewetft ber be*
rühmte Slbfcf)iebebrief SBittiatn VennS an feine ©attin, als er ©ng=
taub oertieB, um jenfeitS beS SÖteereS einen neuen ferne rettgtofen
gbeen üerrairttidjenben Staat ju gtünben: „SSergtB nicht, m »“
bie Siebe meiner gugenb unb bie £auptjreube meines Sebenä warft
bie qeliebtefte unb Würbigfle meiner trbtfcEtett ©roftutigen. $er ©runb
jener Siebe beftanb metjr in ©einen inneren als in ©etnen auBeren
Vorzügen, obwohl ber tefeteren biete finb ©ott »etftS eS,
e», unb auch ic£) !ann es fagen, baB unfere Verbtnbung ein SBerl
ber Vorfehung War, unb ©otteS ©benbilb in unS War es, baS uns
* 2Bie weit'bie zahlreichen „gelehrten" grauen beS 17. unb 18 goh 1 *
fjunbertS, fowof)t bie' granjöfinnen, bie SWotiere in ? e, " en
savantes“ oerfpottete, wie bie beutfcben grauen, benen ©ottfdjeb Sob-
tieber fang, unb unter benen ®ot oiI)ea Sdjlözer unb ®aroltne föerrfchel
als bebeutenbe Wiffenfcbaftticbe ^Begabungen berborragten bie SluS*
bilbunq beS aäerfönlic£)t*it§ibeal§ ber grau geförbert haben, muß
babinqefteüt bleiben. Sticht aus eigener gnitiatibe ftrebten bantalS bte
grauen nach ©elehrfamteit, fonbern um einem gbeal nahezu*
tommen, baS bie Männer für fie aufgejteüt Ratten.
auch baS „gelehrte grauenzimmer" gegen ©nbe beS I8.^abrbunbert8
bem nacb VouffeauS „Steuer fieloife" fid) geftaltenben „empftnbfamen
grauenzimmer" böltig baS gelb räumen. StouffeauS grauentbeal ge*
wann bie §errfchaft. B'oar batte er bie Veftimmung ber grau tn bte
SBorte ntfammengefafät: „la femme est faite pour plaire a 1 homme ;
aber er batte bocb auch anberfeitS ber berfünftetten, unnatürlichen
SSelt in ber bie gebilbeten grauen feiner Beit lebten, ettt remereS,
freieres, unb bor allen ©ingen mütterlicheres gbeal ber grau ent=
qegengeftettt, baS feine SSirlung nicht berfeblte. SSaren au^ ferne
neuen ©runbgebanfen, bie eine SESelt zertrümmern halfen, nach ber
SReinung StouffeauS felbft nur für ben SDtamt, ben alleinigen Staats*
1 ) angeführt Bet @chutae*@ä»erui&: Vritifcher Imperialismus unb
ettglif&er ^reitjanbet ©. 48.
®te grcmen&ewegmtg ber lufflimtngSäeit 15
bürgerTbefthttmt, fo baatTeTbö^äü^in benutzen ber grauen
miber: „©er menfdj ift frei geboren... Starte gewährt lein «Recht.. •
9 t«f feine grei^eit bereiten, beiBt auf feine »tenfchhrtt, feine 50tenfcben*
rechte, ja felbft auf feine Pflichten beerten... ©er ©runbbertrag
ber ©efeUfdiaft mnB an Steüe ber got)t)fifd)en Ungleichheit eine fittlidie
unb gefehlte ©leichheit feien." 1 ) 3Ran bat mit Siecht bie ßntficl)ung
ber grauenbewegung auf Sftoufjeau gurücfgeführt, weit feit feinen
Schriften bie Stellung ber grau in ber SSolfSgemeinfdjaft
»um Problem würbe unb nid£)t mehr nur wie bisher bie ©ntfaltung
ber intelleftuellen unb fittlicfjen Ißerfßnli^feit ber grau. Sieben ben
ißerföniicbteitSgebanten, unb mit ihm bie mannigfa#eu 93er*
fiblingungen eingehenb, tritt nunmehr bie gbee ber ©efellfdjaft
als eine ber geiftigen ©runblagen ber grauenbewegung. ©er ®ampf
um erweiterte granenpflidjten unb bergrögerte grauenred)te begleitet
baS Stingen ber grauen nach einem geiftigen, innerlichen Sein, baS
immer reicher unb immer persönlicher Werben will.
Oft wirb behauptet, baB bie grauenbewegung aus bet Stufflärung
herborgegangen fei, aus bem SiationaliSmuS mit feiner Sttomifiecung
bon Staat unb ©efettldhaft, feinet Se|re bon ber ©leichheit aller ben
Staat bitbenben gnbibibuen. ^iftorifcf) benlenbe Beiten unb «üiänner
haben bie SSeftrebimgen ber grauen burch biefen Hinweis wirlungS*
los ju machen berfudjt. StoeifelloS ift bie Slufllärung, nach ßautS
berühmtem SBort „©er SluSganq beS 9Jienfd)en aus felbftberfchulöeter
Unmünbigleit" ©runblage unb SSorauSfe|ung aller mobernen geiftigen
Strömungen, unb bamit natürlich auch ber grauenbewegung. ©aS
Suchen nach ben natürlichen Stowten uub Siegeln für alle ^Beziehungen
ber ffltenfchen tonnte bor ber trabitionellen Stellnng ber grau zum
SOianne, zu ©efeüfchaft unb Staat nicht haltmadjen. gaft ade Statur*
red)tSlef)rer betonen auSbrüdlid) bie „oernünftige ©leidjEjeit" ber ©e*
fdhledhter. unb bie SSerlünbigung ber „unbeftochenen, bon SSorurteileu
freien Siebe" als ©riebfraft ber menfchlidjet 1 ©ntwidlung muB in ben
Kerzen ber unter zahlten Vorurteilen leibenben grauen ihren SBiber*
haß gefunben hohen. ©aS fcfjötte Vudj bon SRarp SBollftonecraft:
„©ine Verteibigung ber Sterte ber grauen" ift ebenfo wie bie Schrift
Nippels über ,,©ie bürgerliche Verbefferung ber SBeiber" aus bem @e*
banlenfreis ber Slufllärung herborgegangen. gn beiben SBerlen werten
bereits bie ©runblagen ber grauenbewegung: ®ie @rzieh«ng ber
1 ) 3 . 3 . $ouf(eau, Du Contract Social, Li7rQ I.
16 I. gut Soziologie bet Frauenbewegung _
Stau zur geiftig unb fitttic^ fetbftänbigen ^erföntic^feit unb bie ©r=
Weiterung ihrer bürgerlichen 1Rec^t§^t)äre, wenn auch mit öerfhteben
ftarfem Nacf)brucf, behanbelt. .
SSare aber bie Frauenbewegung auf bte Sbeale unb bte iöewetS*
führunq beS Nationalismus befchränlt geblieben, fo hätte fte niemals
bie iiberjeugungSma<f)t unb ShaffenSfraft gewinnen fönnen, bte aus
ihr eine ftarfe Kulturbewegung machen. Sie großen Ntänner, bte bie
Ütuftlärung innerlich überwanben, bie leuchtenbe Neihe ber dichter unb
Nhilofobhen, bie Seutfhlanb in ben 50 Fahren bon 1780-1830
gefchenit waren, finb geiftige SOiitfc^öpfer ber beulten Frauenbewe*
ouna geworben. Sie ift ein Kinb beS beutfchen gbealtSmuS, ber Bett
ber qroßen Einheit bon ^^ilofopf)ie, Siteratur unb Kunft. äBährenb
in Franlreich bie franjöfifhe Neoolution bie SBiinfdje ber Frauen nach
bürgerlicher ©leidjberechttguitg nicht erfüllte, unb in bem Kampfe um
bie «Stellung ber Frau im Staate eine faft ein halbes Sahrhunbert
wahrenbe ißaufe eintrat, erwuchs in Seutfhlanb aus ber ibealtfttfhen
Nhilofophte ein neues ißerfönlid)feitsibeal, bon bem auch bie #rau
nicht unberührt bleiben tonnte. S n biefem Sbeal tlingen ber ^umant»
tätsgebanfe £>erberS unb SchiüerS, b. h. bie bolle barntontfhe ©nt*
Wictlung aller im ffltetfhen angelegten Fähigteiten unb Kräfte jufatmnen
mit bem Sbeal ber fittli^en Freiheit unb Selbftbeftimmung, baS Staut
aufqefteEt hatte. Stuf biefeS Sbeal ber fittlich freien, feelifch reichen unb
burchgeiftigten $erfßnticf)feit, baS urbeutfch ift, wirb man 5 urüc!gel)en
müffen, wenn man bie Siefen erforfchen miß, in benen bie beutfche
Frauenbewegung feft berantert ift. Nod) heute meffen ihre Fuhrermnen
bie gefeßfchaftlichen Buftünbe an ben fittlichen unb geiftigen SNaßftäben,
bie ber beutfche SbealiSmuS bietet. Für bie gegenteiligen ^Beziehungen
ber Sjlenfdjen gelten ihnen auch l) eut e noch als Sbeal bie SB orte 3 m*
manuet Kants: „Ser Nienfh ift jWat untjeitiß genug, aber bie Sttenfh*
heit in feiner $erfon fott ihm heilig fein;" unb gleichmäßig ergeht an
SNann unb Frau baS mächtige, innerlich befreienbe ©ebot: „Senn betn
felbftänbigeS ©ewiffen fei Sonne beinern Sittentag."
Sn ben SBerten ber Nomantiter tritt ber ©tbanfe ber geiftigen
©manjipation ber Frau tlar unb rein ßerbor. Sie auSgetaffene Reiters
feit bie SchiüerS „SBürbe ber Frauen", bon Schlegel meifterbaft pa*
robiert, bei ben Nomantifern auSlöfte, bewies, baß bie Beit über
ba$ völlig pafjtöe grauenibeal fyinauSgegattgen föar. „Uberlabette
ÜBeibtichfeit gilt als ebenfo gefhmadloS wie „übertriebene" Nlännltcb*
^)er (Sutiflufi be$ beutjtfjtn $becli£mu3 _ 1?
feit. „Srennen wir baS SBefentli^e bont Beifälligen", fagt Friebrich
©chlegel, „fo ift ber ©runbfa| unnnberlegtih: Sie SBeiblichfeit fofi
Wie bie SKännlihfeit jur höheren Nlenfhtihfeit gereinigt werben."
Siefelbe Ablehnung ber unbebingten Polarität ber (53cfcE)terf)ter finbet
fich in noch fchönerer F°ntt in ShleienttacherS „Katechismus ber SScr=
nunft für eble Frauen" in bie SBorte gefaßt:
Sh glaube an bie lmertblic^e Sßenfhheit, bie ba war, «he fie bie
§üße ber üötännlihleit unb ber SBeibtiddeit annahm.
„Sh glaube, baß ich nicht lebe, um gu gehorchen ober mich 3 * 5 et*
ftreuen, fonbern um gu fein unb ju Werben; unb ich glaube an bie
SJiaht beS SCSidenS unb ber Söilbung, ntih bem 3fflenfhlih en lieber
ju nähern, mih aus ben Feffeln ber SKißbitbung gu erlöfen unb mih
oon ben Schrauben beS ©efhlehteS unabhängig 3 U niahen.
Sh glaube an «egeifterung unb Sugenb, an bie SBürbe ber Kunft
unb ben Neij ber SBiffenfhaft, an bergangene ©röße nnb füuftige
SSerebelung."
Sie großen Frauen ber Nomantif, Karoltne Schlegel *Sheßing,
Sorothea Seit=3Jtenbeifot)n, Henriette fjerj unb anbere haben baS
Frauenibeal berNomantif gelebt, „©eiftigfte ©eiftigfeit" oerbanb fih
barin mit „auSgelaffenfter Sinnlihfeit", unb üiele Sh^rien, bie heute
unter bem Namen ber „neuen @hif" einhergehen, finb bereits in ber
neuen SKoral ber Nomantifec ju finben, nur freilich in betfeinerter
unb »ergeiftigter Form.
Sie potitifhe Neoolution am ©nbe beS 18. SahrßunbertS hatte bie
Frau jurücfgewiefen, ihre Sage unberührt unb unöeränbert gelaffen;
bie geiftige Neoolution, bie bie Slufflärung ton innen heraus über*
wanb, hat tief unb entfdjeibenb in baS Frauenleben eingegriffen unb
bem Sbeal ber Sßerfönlihfeit fefte ©eftalt gegeben. 916er auh bie Sbee
ber ©efettfhaft, bie in ihren SBanblungen bie ©ntwicftung ber Frauen*
Bewegung grunblegenb beftimmte, hat burdj bie Sßhilofophie beS beut*
fhen SbealiSmuS eine bebeutfameSBanblnng erfahren. Schon gerbet
hatte in ber SSolfSgemeinfhaft niht mehr Wie bie Slufflärung ein
NehtSOerhältniS, fonbern ein SSerffällitiS tebenbiger Kräfte gefeiert,
beffen SSeftimmung eS ift, fulturfhöpferifh 3« Wirten; ©oettje hatte
bie Seiftung für bie ©efamtheit als @nbe unb B«l ber perföntihen
Silbung gepriefen, für F»hte enblih ift baS niht ber ©attung ge*
weihte Sehen fdt>lecf)t^in unfittlih, unb ba; Segriff ber ©attung oer*
förperte fih il)nt im Sbeal be§ Kultur* iffib Nation alfiaateS. Siefe
fHSßu® 761 : föetnatys, Sie beutle ^mieitfetoeöimg 2
18
I. flut SoatolQflte bet gtauenBemegnng _
übeneuguna oom feeltfch«f ulturetlen SBerte ber ftaatti(|en ©etnein^aft
unb ber Berpflidjtung beS einzelnen tfjr gegenüber tft ein
©lieb beutjchet SebenSauffaffung geworben unb hat auch ben poltü-'
icben Sorberungen bet grauen bie geiftige BaftS gegeben, beten f
beburften, um etwas ganz anbereS ju fein, alä „fRec^telet" unb „ et<h«
W °«Steg* foate e§ nod) lange bauern, biä bie tebenbigc 3Kitarb«t
am BotfSganzen einer größeren Anzahl beutlet grauen a
unb Siecht er Wien. Sn ben mehr als 30 Satten, bte non Jen Be-
freiungsiriegen bi» jitm Sah« 1848 öerftrtcßen, trat innerhalb ber
allgemeinen Sleaftion auch bie grauenfrage tu ben §mtergrunb, ber
neiitiae unb qeieüicbaStt'cbe SebenslretS ber grauen Berengerte ftdj
wUber. ffirft bie fatale Sfot, bie im fünften ga^nt be8 19-3^
hunbertS atS gotqe ber grofjinbuftrietlen ©ntwidlung entftanb, ner-
Lt mit bem Leuten Auffchwung beS bemofratifchen ®etatfert, ber
a ta Betwitllichung ber ^umanitätSibeate erfüllen, rief grauen auf e
fBlan als Stampfer für bie greift beS ®enfenS unbbeS©emijenS
fegen »efäräntung auf ftrd)Ud)em, Politikern, fatalem ©ebret. Bettina
Bon ArnimS „®ieS Buch gebörtbemSönige"unb SRalWibaBon
bugS „Sütemoiren einer Sbealtftin" fptegeltr bte Kampfe J 8
miber. 33or aüem bie Aufzeichnungen bet »lepfenbug wb «i W -
BotteS ®otument für bie unmittelbare Überzeugungskraft, mit ber bte
Sbeen Bon ber fitttich«geiftigen Selbftänbigfeit ber grau, tbrem Sin-
recht auf qeiftige©ntwicflung unb ihrerBerpflidjtung jurSetlnaJme
am öffentlichen Seben wirten tonnten. SBie SKatWiba oon SJtehfen ug,
fo oertie&en bamalS zahlreiche grauen ihr S3aterlanb, umiMI «J»»
ber breifachen Sprannei bes®ogtnaS, ber SonBention unb ber gamtlte
tu befreie? um nach ihren Überzeugungen unb bur<h t ^ e . £ % ne, J
ftrengungett z« leben". Auf manche Bon ihnen hatten Jte ©orte g *
St bie gerbinanb greiligrath m ©ebächtniS Sohanna fttnfelS
fi^rieb:
«mir Cettfcn in bie ©ruft btcfi ein wie einen tampfgenoffen,
®u liegft auf tiefem fretqben SRain wie jäh Born getnb etf(hoffen,
©in ©d)lact)tfetb auch ift baS ©jil, auf be m bqt bu flefaüen,
3m feften Slug’ bas eine 8iel, baS eine ratt unS allen.
füllt bem Sahre 1848 nimmt bie organifierte beutle ^auen*
bewegunq ihren Anfang, ihre ©efchühte wtrb uns tm nachften Slbf^nttt
befchüftigen, Währenb ber brüte Abfchmtt bte grauenbewegung tu ihren
®ie grauenBewegung big zur TOtte beS 19.3ahrhunbettg 19
einzelnen Arbeitsgebieten barfteüen foH. 8iel unb Stiftung berfelben
wirb nur tlar unb nollftänbig ertannt tuen beit, wenn neben ben Wirt«
fdjaftlichen Urfachen auch ben geiftigen Süiebfräften ber gcauenbewe«
gung Beachtung gefdjenft Wirb.
II. Sur ®ef$id)te ber ^raitenGetoegiiug.
Slur in furzen Bügen fann hier, bent Umfang beS Buches entfprechenb,
bie beutfehe grauenbewegung in ihrer c 4 efd)icti11 1 cfceix ßnüoid ung bar«
geftellt weiben. ©faelne ©podjen taffen ftd) leicht babei unterfcheiben:
Bon ben Anfängen ber Drganifationsbeftrebungen im S a hre 1848
entwicfelt fich bie grauenbewegung im langfamen ®entpo bis zur ©rittt»
bung beS Allgemeinen Seutjdjen grauenOeretnS im S a hre 1865 unb
fdjreitet bann ftetig fort, immer neue Arbeitszweige aufnehmenb, bis
bte bebeutenbften Drgantfationen fiel) im Sahre 1894 gum Bunb ®eut«
fcfjer grauenBereine gufantmenfchliefjen. S n immer breiterem Bette ba«
hinfliefjenb fdjwillt ber Strem ber grauenbewegung mächtig an. 1912
bringt bie Berliner SluSfteßttng: ®ie grau im IpauS unb Beruf, bie
zufammen mit bem fSeutfchen grauen« Ä'ongreg einen Überblict über
baS SSoHen unb Schaffen ber bciufdjcit grau auf allen ©ebieten ge«
währte. ®er SluSbruch beS SBeltfriegeS 1914 gab auch natürlich ber
grauenbewegung eine anbere Stichüutg, bie 9loBember«9teeolution beS
SahreS 1918 brachte ben grauen bie ©rfüEung ihrer Politiken gor«
berungen.
1. ©rünbung unb erfie Anfänge
beS fflllflemcinrn 2>eutf^en graucitbereins.
Suife Otto IßttrrS. 2I1S im Sahre 1915 ba§ 50 jährige Sefteljen
beS Allgemeinen ®eutfihen grauenoereinS gefeiert würbe, gebadete
$elene Sange in ihrer geftrebe 1 ) Bor allem ber ©rünberin beS Ber«
eins, Suife Dtto ißeterS. @ine Begeiflerte greiheitSfchwärmerin ber
1848 er Sahre, eine greunbin Sichert SSluntS nnb ein Sülttglieb ber
©efeüfchaft ber BaterlanbSfreunbe, hatte fie in ihrer Sugenb in ©e«
bichten unb Slomanen bie gragen unb Kämpfe ber Seit beliatibelt. Sm
Sahre 1847 entwicfelt fie in Stöbert BlumS Bolfstafchenbuch .,_Bor*
wärtS" ein Programm ber grauenbewegung, auSgetjenb üon ber Über*
Zeugung, baff „bie fEeilnahme am ©efchid beS Staates" nicht nur ein
1) „günfjig Sahre beutfd« grauenbewegung". ®ie grau. Dftober«
Ijeft 1916.
2*
20
II. gut ®eid)td)te be i gtanenBemegung ____
r 01thmt eine iflicM bet "grauen fei. Sie grauenfrage ift i$t
ÄÄX erlang «nb »UbnjS **
in tiffwem limie national werben, fte muff ba§ beutle juaocgen
'ÄÄ« »«■ rt.fertrt« b.» Saferrt«» rt
gen". 1 «national, unb fcglafe 3J»Ce ™ te ” f'i“'f ,*
“CtÄffiiS bÄÄMKe &
“;«sfÄirtm »«äs Ä n "“”<r
inJ IugSte^Scbmibt ben allgemeinen Seutfjen S ra uenöemn, te
ältefte Drganifation ber grauenbewegung, bte beute noch bejlebt- ®*
SRortraa in bem ülugufte Schmibt unter bem SKotto: „Seben tft Streben
SS bSÄn« enlWicfelte, ift in boppeXter ftbtfuftt bebeut*
® S eiften“ bafj bie grauenbewegung nicht mehr Wte tu
5“v ®to£® Wü e"'nben 48 er fahren unter bent Schafte einer
Stimmten toolitifdien Partei |td) entfaltete unb baftimeitenÄbiegratten^
« TÄfiSa*en Beben tung, ber ibeetten unb ber praftifdjen,
u 9 lbfen SfS Ä» Wpien ift bie beutf Je
wie fie um bie SRitte beS notigen gohrftunbert« a^taitcbten.
Vn bie ©orte beS alten «beraten Semofraten Subwtg ttfttanb
taffen ficb bie elften gorberungen ber grauenbewegung gufammenf affen.
laffett.net) oteeriieno^ ^ b » WenW im Seibe eben,
©o brauchet ei fein täglich ©rotl
Unb miü er ftd» gum ©etft erheben,
t5tci6.it * && »SÄStSÄ ta
Äil Sii. bi« Brau. St. „».«« b« W.it" 0« rt
für fie eröffnet werben.
©er OTg emeine ©eutjebe graneiiOerein
21
(Stiinbung be8 «Wgemciittn 2)ttitfd)cn ftrauenberein«. Sie
erfte Berfammtung beS allgemeinen Seutfcheix grauenoereinS, botn
16.-18. Dttober 1865 uaef) Seipgtg einberufen, legte bas (Ergebnis
ibrer Beratungen in fotgenben Siefotulionen nieber:
’ I. ®ie etfte beutfdje grauenfonferens erttärt bie Strbett, wel^ebie ömnb«
taae ber neuen ©efeüfdjaft fein fotl, für eine fßfhcht unb ®h« b 0 f .^ el& ‘
liehen ©efcblechtS; fie nimmt bagegen ba£ Aed)t bei Stilett nt ^nlbrn^
unD tjalt e£ für notroenbig, ba| alte ber weiblichen Slibett im Stege ftefjenben
§inbermf|e entjer^ ^ e itt unabWeiS&areSBebürfniS, bie meiblidieltbeit
Bon ben geffeln beS SBonuteitt bie M boit ben Beifchiebenftetii ©eiten
aeaen fie getienb machen, gu befreien. 38ir hatten tu bteler ©«'ftiht neben
ber StgitaHon bureb grauenbiltungSBereine unb bie treffe bie Segtunbung
«an Sßrobuttinaffociationen, welche ben grauen ooigu 9 eirei e embjol)ten
werben, bie Errichtung Bon Snbufineausftetlungcn für tBetbltcbe «iSet«-
meugntffe, bie ©rüubung Bon Snbuftrief^uten für SKab^en, bie Errich¬
tung »on 'Diäbdjenherbergen, enblid) aber auch bte pflege höhetet^Wifjen-
ichaftticher Silbung für geeignete SKittel, bem Siele nähetgutommeu.
gn biefen Stefolutionen ift gugteid) bas arbeitsprogramm. für bte
tommenbenSahre gegeben. Weht ein freier unb ftarter aStnb au«
biefenSinbheitStagen ber grauenbewegung gu un§ Eter, bte Wir heute
öor ber tSrfüttung unferer gorberungen, aber in einem wtrtfchafiltch
unb moratifch faft gerrütteten SSatertanb fteXjen- Slieh» tut uns heute
mehr not, atä ber ©eift ber ©chlichtbeit unb Sreue, ber Strbeitfam-
feit unb Aufopferung, ber ben erften giihrerinnen ber grauenbewegung
iUttt ©ieae ticr^alf. ,
®ie tatfdchtichen Seiftungen freilich hteiben borerft noch in befchet*
benem fRahmen. ®ie grauenoereine, bie burdf bie in Seipgig gegebene
Stnregung hier unb ba entftanben, fonnten gunächft ni^tg anberes tun,
atg unter oft recht fdfwierigen tofaten SSertjätiniffen praftifche SSer-
fuhe gur (Srweiterung ber (5rtt»erbsfä«igfeit gu machen, gnbuftneturfe,
ülrbeitgbafare, ©tetlenöermitttungen fpietten babei eine grofee 9iotte.
®ie Begebungen unter ben URitgtiebern unb Sweigoereinen unterhiett
ba§ 1866 begrünbete SSereingorgan „fJleue Bahnen", bag, guerft non
Suife Otto fßeterg ^erausgegeben, bis gum heutigen Sage fortbefteht
atS ättefteg Blatt ber beutf^en grauenbewegung.
®aS Siecht ber grau auf Arbeit fte^t im Sflittetpmnft beS guter»
effeS: f^on Bor einem hatheu gahrtiunbert haben bie erften Borfämpfe*
rinnen ber grauenbewegung flargutegen ßexfucEjt, ba§ nur eine beffere
BernfSergiehung berSKüb^en unb nicht etwa eineförnfehranfung ber
grauenarbeit gugunften ber SJtänner bie ©cfahren einer minberwer»
22
II. 8“ r ©e ffttibte btt gtontnbemegung __
tigert Sonfurreng oerfdjeudjen tonne. Die grauenbilbungSbeftrebungen
Würben felbftoerftänblich auch auf bie getingen 93erufg^^ärcn aus*
gebe^nt. Die Errichtung Ijötierer UnterrichtSanftatlen für baS weib*
liehe ©efchtedit, oermehrte Stnfteltung oon Sehrerinnen warb geforbert.
Stad) baS grauenftubium würbe fdjon oon ber ©eneratoerfammlung
im Sahre 1867 erörtert. ©3 würbe bamatS einem Vorfdjlag oon grau
Henriette ©otbfcEjrnibt gugeftimmt, eine Petition an bie norbbeutfchen
fpochfchuten eingugeben um gulaffung ber grauen gu afabemifchen,
inSbefonbere gu ärgtlichen ©tubien; ba aber bie «Petition für ben Slugen*
blid nod) feinen Erfolg oerfprach, oerfdjob man bie Angelegenheit bis
auf weiteres.
£eute ift bie fommunat*fogiale Dätigfeit ber grau fpauptfdiaffenS*
gebiet beS 2tügemeinen Deutfchen grauenoeretnS. Diefe wichtige grage
ift junt erftenmat auf ber ©eneratoerfammlung beS SahreS 1868 in
einem Vortrag oon §enriette ©olbfchmibt öffentlich oerf)anbeIt worben.
®ie «Propaganba bafür Würbe auf febem ber fotgenben grauentage
nad)brüdlich betrieben unb hat im Saufe ber Sahrgehnte bie befannten
großen gortfdjritte auf biefem ©ebiet gebraut.
Da ber Allgemeine Deutfdie grauenoerein oon Anfang feines 2Sir=
fenS an nicht blofe prattifcfje gorberungen bermirflichen, fonbern and)
ibeette fßrinjipien burdjfegen wollte, fonnte ber Stampf um biefefPrin*
gipien nid)t auSbteiben.
Um bie neuen gorberungen ber grauen entfpinnt ficE) eine DiSfuffion,
bie oor altem an baS Verlangen ber grauen anfnüpft, gum ntebiginifchen
©tubium gugelaffen ju werben. Viele Argumente, bie Ueute bei ber
Vehanblnng beS grauenftubiumS auftaudjcn, Würben fdjon bamatS
taut, fpebmtg Dot)m§ geiftreidje Streitfdjriften auS tiefer Seit taffen
fid) aud) Beute nod) gegen manche ©egner ber grauenbeftrebungen öer*
Werten. SB* AuSfprud): „'Die grau foö ftubieren, weit fie ftubieren
Witt, Weit bie uneingefdjränfte SSal)l beS Berufes ein fjauptfaftor
beS inbioibueßen ©lüdes ift", beweift Wieberum beuttid) bie geiftige
Vegrünbung ber grauenbewegung in ben ©ebanfen ber greiBeit ber
perfönlicBen ©ntmidtung.
2. Die ^rtttttttBewcguttg in ben 80cr nnb 90et 3“Ü** n *
graucnbitbunggfragen. ©leichgeitig neben ber Dätigfeit beS AH*
gemeinen ^eutfdjen grauenoereinS gingen eine Seihe Oon Singet*
beftrebungen einBer. Die wieBtigften unter ihnen finb: bie grauen*
grauertbejlreburtgen in ben 80 er gatjrett
23
bitbungsbewegung, bie ©itttichfeitSbemegung unb bie 33 e*
wegung gur SReform ber SBohtfatutSpflege. Die grauen*
bitbungsbewegung ber 80er Sahre fe$t ein mit einer fcharfen
fritif an ber höheren SJtäbchenfcBute ber baroaügen $eit. Diefe S'ritif
wenbet ficE) nach gWei Sichtungen ; ©egen baS Sef)rgiel unb gegen bie
Sehkräfte, ©ine «Petition, bie im§erbft 1887 bem preit&ifcf)en Unter*
richtSminifter unb bem «preufsifctfen Abgeorbnetenhaus oorgetegt Würbe,
führt bie §auptjd)rt>äche ber bamaligen äKäbdjenbUbung aufbaStprin*
tip beS „AbfdjtlefjenS unb gertigmacbenS'' gurüd. 2Kan gibt bem 9Uäb*
chen nur ttberfid)ten, fertige Urteile, bamit eS bis 3 uni 16. SebenS*
fahre altes „gehabt hat", Wag ben ©ehatt ber fogenannten Allgemein*
bilbung auSmacht. Demgegenüber toünfcben bie Verfafferinnen ber
«Petition, bah audj bie grau um ihrer felbft Witten gebitbet, gu einer
geiftig unb fittlid) fetbftänbigen «perfönlidjfeit ergogen Werbe, um ihre
grofee ©utturaufgabe — bie @rgief)ung — wirtlich erfüllen gu fönnen.
DiefeS Siet aber fann nur erreicht Werben, Wenn bie grau als Set)*
rerin bie erfte ©teile in ber SRäbchenfdjüle erhält, wenn ein ©tat oon
Wiffenfchaftlich gebilbeten Dbertehrerinnen gefdjaffen Wirb. Die «peti*
tion forbert barunt:
1. eine gröbere ©eieitigung ber grau an bem wiffenfchafttiden Un*
terri^t in ben «Kittet* unb Dberftufen ber höheren 3Kab^eu=
fdjule unb
2. bie ftaattiche StuSbitbung wiffenfdiaftticher Sehminnen.
«Bon einem unmittelbaren ©rfotg ber «Petition fonnte trofe beS Snter*
effeS, bas bie bamatige gronpringeffin, fpätere SMferin griebrid), ber
Angelegenheit wibmete nidjt bie Kebe fein. Drohbem aber bebeutete
bie ©ingabe hoch eine görberung beS ©ebanfenS, bie Sehrerinnen ant
Vertretung ber ibeetten unb praftifchen Snteteffen ihres ©tanbeS ju
erziehen, ©o war e§ mögticE), im Sah* 6 1890 auf SSerantaffung ooit
SKarie Söper*^»ouffet unb ©etene Sange ben «allgemeinen beutfdien
Sehrerinnenoerein gu grünben, heute bie größte weltliche '-Berufe*
organifation in Deutfihtanb. @t fteltte bie Sefornt ber Sehrerinnen*
bitbung in ben «Kittelpunft feiner 'Beftrebungen, ließ — nachbeut im
Sahre 1894 baS preuhifctje SultuSminifterium eine wiffenfchafttiche
«Prüfung oon Sehrerinnen eingeführt hatte — feinerfeitS füchttinien
für biefe «Prüfung ausarbeiten, in benen eine reatghmnafiate Vor*
bitbung, unb im 2lnfd)tuh baran ber Vefuch ber Uniocrfität geforbert
wirb. Der oon ber «PrüfungSorbnung Oorgefchriebette VilbungSgang:
24 II. B ur ®ejd;t(f)te bet graucnberoegung _
Seminar, SImtitätigleit unb öberlebrerimtenfurS Warb als unorganifd)
bejeicbnet. Sn einzelnen UnioerfüätSftäbten entftanben auf bie Snitiaübe
öon Sebrerinnenbereinen t)iti ft'urfe pr SluSbilbung bon Ober?
lefjrerinnen. gmmer gebieterifdjer mürbe baS Verlangen ber gebilbeten
beutfdjen grauen nach Sulaffung p ben Uniöerfitäten. 9Mbem ber
Sldgemeine $eutfd)e grauenberein bereits SSorftöfee in biefer §infxd)t
gemalt batte, nahm im Sabre 1888 ber eigens p biefem 3ü>ed bon
grau fetteier gegrünbete grauenberein „Veform'' bie ^ropaganba
für baS grauenftubium auf, um ben grauen pm ©tubium ader
2 Biffenfdjaften Sutritt p berfdjaffen.
®aS Vorgehen beS Vereins bemirfte, baß bie grage beS grauen?
ftubiumS am 11. 9Mrj 1891 pro erfienmal im $eutfcben 3tei<b§tag
berbanbett mürbe. Sroßbetn eine 3teibe bon Sftebnern bie Verecbttgung
ber grauenforberungeu anerfannten, mürbe bocb über bie borliegenbe
Petition pr SageSorbnung übergegangen. SitjnlicE) erging eS ben Ve=
titionen beS granenbereinS „Vefornt" tn ben Sanbtagen; nur bie $e?
titionSfommiffion beS Vabifdjen SanbtageS nahm im Sab« 1892 eine
etmaS freunbti^ere, tooblmodenbere Stellung p ben gragen beS
grauenftubinmS ein.
2Bid)tiger als bie Petition aber mar bie eniftfjtoffene ^ratttfdje *sn?
angriffnabme beS Problems. Sm §erbft 1893 eröffnete ber Verein
grauenbitbung?grauenftubium (biefen tarnen batte ber Verein grauen?
herein Reform jefet angenommen) in tarlSrube baS erfte Sttäbcben?
gümnafium; um biefetbe Seit bermaubelte $elene Sange bie bon ibr
geleiteten Vealturfe in Berlin in ©btnnafialfurfe mit bem Siel ber
Vorbereitung auf baS beutfcbe Slbiluriunt. ©in halbes Saßr fPäter
eröffnete ber Sldgemeine Seutfcbe granenberein p Seidig ebenfalls
©pmnafiallurfe unter ber Seitung bon Dr. Säte SBinbfcbeib. S«
lebten Sabrett beS 19. SabrlpnbertS folgten äbnlicbe ©tünbungen in
Stuttgart, ©annooer unb granffurt, fo baß — banl ber unabläffigen
Slrbeit ber grauenbemegung — eine ftattlidje Slnpbl gut bor=
gebilbeter SJläbcben borbanben toaren, als enblicb bie Alma mater p?
erft in ©eibelberg unb greiburg 1901 bie grauen als bollmertige
alabemif^e Vürger aufnabm. $ie grauenbilbungSbemegung tommt
fo um bie Sabrb«nl> er ttbenbe P einem gemiffen Slbfdjluß. ©in großes
Siel ift erreicht: $ie Sulaffung ber grauen p ben reinften Quellen
geifitgen SebenS, bie Süiöglicbleit befriebigenber VerufSauSübung in
höheren Vernfen.
grnue nbitbung, Soptlpplitil, äBol)tfab ltg PP c 8e _ 23
Sojialpolitifdje ©cjlrcbungen. 3)erSlnfang ber 90 er Sabre be?
beutet auch auf fosialpoliiifcbem ©ebiet für bie grauenbemegung
eine 3eit träftiger neuer Smpulfe. Sie grau mirb fid} ihrer Ver?
Pachtungen im öffentlichen Seben mehr unb mehr betrugt. Sie magt
ficb hinaus in eine 3teibe neuer ©ebiete: in bie 2B ol) 1 fafc)rt§^fle g e ,
in bieSittticbteitS? unbSJtäßigfeitSbemegung, in bie 3ted)tS=
fdbuhbeftrebungen unb in bie VetufSorganifationen.
Sn ber Sütlid)fcii$licn>cflung fjatte freilich f<^ori ©nbe ber 70 er
Sabre grau ©ertrub ©uiüaume, geb.®räfin ©dbad, einen energifcben
Vorftoß gemacht unb unter größten Scbmierigleiten unb SInfeinbungen
im Sabre 1880 einen Seutfdjen Stoeigberein ber S«ternationalen
Ibolitioniftif^en göberation pm Bmede beS fampfeS gegen bie
ißroftüution gegrünbet. ®od) mar ihren Veftrebungen toenig ©rfolg
befcbteben. ©in 3al)rjebnt fpäter nahm grau §anua ®ief>er?Völmt bie
Sittli^feitSbemegung mieber auf unb grünbete im gabre l® 89 ben
Verein Sagmbfcbub in Verlin.
SBot|(fa^rt§f)f{cgc. Unmittelbar erfolgreicher als bie Slrbeit in ber
SittlicbfeitSbemegung maren bie Veftrebungen pr Reform ber
SBoblfabrtSbflege, bie im Veginn ber 90er Sabre bon ber Ser*
liner ©efedfdfaft für etbifcbe Kultur unb bon bent im Sab« 1888 ge?
grüubeten Verein grauenmobl auSgingen. Siefer Verein, ber feit
feiner ©rünbung unter ber Seitung bon grau SOiinna ©auer ftanb, be?
grünbete im Sab« 1893 bie„3Käbcben? unb grauengruppen für fogiale
£ilflarbeit" mit bem SH grauen unb SDtäbdjen ber gebilbeten Staube
p pflichttreuer Slrbeit auf fojialem ©ebiet p ergieben. Sn baS Komitee
biefer©ruppen tratgraugeanetteScbmerin int$erbftl893 ein, unb ihr
ift bor adern bie meitere günfiige ©ntmidlung biefer ©inri^tnng p
berbanfen. @S gelang ihr, bie ©efabr beS SilettanliSmuS in ber
fojialen Slrbeit ber ©ruppen p übetminben nnb biefen ben ©b fl rafter
einer Sdjule für eine fpätere berufsmäßige Slrbeit ber grau im offene
lieben Seben p geben. SluS ben Verliner 3ßäbdjen= unb grauen?
gruppen ift fpäter bie erfte beutfcbe fogiate grauenfdjule, unter ber
Seitung bon Dr. Slltce Salonton, beroorgegangen.
SBäßigfcitSbcftrcBungcn. SRcrfjtSft^uß. ©benfads in baS S«b ts
jebnt 1880—1890 fädt bie Slufnabme ber dftäßigleitäfceftrebnngen
bureb bie grauenbemegung, betborgerufen bureb bie Snttialibe Don
Dttilie ^toffmann unb Vertba Sungftraß, fomte bie erfte ©rün?
bung eines SRecbtSfcbußbereinS in®reSben bureb Slbele ©atnper unb
26
II. gut <$ejd)td)te ber gtanettfretoeptt fl _
TOaric ©tritt. Seibefflufgakntrcife babenficb ä u Wichtigen Arbeit««
gebieten ber Frauenbewegung erweitert unb ber ©rmebrtgung unb
Unterbrüdung ber Frauen entgegen gearbeitet.
Oriinbuna bc# ©unbc# $cutjd)er Frauenbcrcine. B« beginn
ber 90er Safre war bie B a bl ber Frauenoereine jo rafd) gewachsen,
bafe ber ©ebanle eine# Bufammenfcbluffe# gut gemetnfamen ©er«
folgung ber gemeinfamen Sntereffen nabetag. So würbe^im Sabre
1893 unter ber Seitung mm Augufte ©cbmibt ber Sorfi|enben be«
Allgemeinen Seutfcben Frauenoerein#, ein prootfonfche« Somit« ge*
bitbet ein ©abung#entwurf aulgearbettet unb in einem Slutrui aUe
aemeinnä^igen beutln Frauenoeretne jum «tetrltt anfgeforbert.
34 beutle Frauenoereine, bie io giemlich alle Stuhlungen unb Suter«
efi'engruppen ber beutfcben bürgerlichen Frauenbewegung oertraten,
folgten ber Aufforberung, unb fo fanb am 28. unb 29 SKarj 189
bie ©rünbung be# ©unbe# $eutf<her Frauenoeretne ftati Seme Bwie
fommen in § 2 ber ©agungen in fotgenben ©Sorten jum lu#bruc£:
®urd) oraanifierte# Bufammenmirten fotlen bie genieitinüliflen Frauem
»ereine erftarfen, um it)re Arbeit erfolgreich tn ben ®ienft be« Familien,
unb S8olt#root)le« *u fteHen, um ber Unrotffenbeit unb Ungerechttgteit ent-
oeaetuutoitfen unb eine fittlidje ©runblage ber Seben§fuhtuu0 für bie
ßieinmtbeit su erfitebeu. ®er ©unb bietet ©elegenheit jum ©ebanfetiau#-
MÜr/fc«« neuer fegenStetcher Schöpfungen. -
®r fiept ab »on jebet ©imiujcputtg in bie inneren Angelegenheiten ber jn
ihm gehörenben ©ereine." . ....
Tev erfte ©orftanb be# ©unbe# Seutfcber Frauenberetne beftanb
au# Auaufte ©c^mibt at# erfter, Anna @$egeler «Bette al#
»Weiter ©orfigenben, Anna ©imfon, fmnna Sieber «Sobm, Augufte
Förfter, tpelene Oon Förfter, Dttitie §offmamt, §etene Sange un
^ e ®ie^®rünbung be#©nnbe§ war für bie ßntwidlung bet beut^en
Frauenbewegung oon au#fcf)laggebenber ©ebeutung. St)re OtelgcflaU
tigen ©eftrebungen fanben hier eine B« 1 2 träte, bie fte, geflu|t auf japl*
reiche Organisationen, Iraftooü oertreten tonnte, unb ein gorum> Opr
bem bie oerfhiebenen Anficbten in gemetnfamer $t#luffton auSgeglt^en
werben lonnten. ®ie ©eneralberfammlungen be# ©unbe# geftalteten
ficb su intereiianten Debatten über fogiale, poltitfcbe, htltureüeFragen
unb trugen formt oiet gut geiftigen ©rgiebung ber Frau bet.
bebeutfam oor aüem war e§, baff e# ben Frauen gelang, au# ieigener
traft eine groge Drganifation gu Raffen, einen ©eretdj fittlid) tut*
©unb ®eutfipet Frauenoereine- — $ ott fefftpnelte Frauenbew egung_27
turcHer ©eftrebungen abgugrengen, in bem bie ber Frau eigentfim*
tidEjen ©mpfinbung#« unb ©emütstoerte üott gur ©eltung tarnen, ©eit
ber ©rünbung be# ©unbe# ift bie Frauenbetoegung niefjt fliegt eine
©ie%it einzelner p^ilanttjropifcEier ©eftrebungen, fonbern eine ftraffe
Drganifation, getragen oon einem einheitlichen Sulturtoiflen.
3. 2>ie fmtfcfftonellc ^rottcnbcttegunfi.
Sieben bem ©unb t&eutfdfjer Frauenoereine, ber interfonfeffionett
unb parteipolitifcb neutrat blieb, entwicfelten ftef) bereit# im legten
Satjrjefjnt be# 20. Safirbunbert# anbere Drganifationen, bie auf Ion«
feffioneüer ©afi# enoathfen waren. —- ©out ©oben ber cEjriftlic^en
SBeltanfcbauung bat man eine Stellung gu ben Sbeen ber Frauen«
bewegung gu gewinnen oerfuegt. Stiegt War e§ nicht, biefe Aufgabe
gebanHiig ju löfen; bjahen bocg bie legten ©runbgebanten be# Shriften«
tunt# rein religiöfe, b. b- feetifc^e, ber äufjeren Sßelt ab gelehrte ©e=
beutung. ©ie befjanbefn bie ©ejiefjung ber menfc£)ftcE)ett ©eele ju ©ott
unb laffert alle irbif^en .^errfdiaft#« unb finecbifdbaft#oerbältniffe
fjringigiell unangetaftet. ©eit beffer al§ ba# einer augenblidli^en ')tot=
Wenbigfeit entffjrungene „taceat mulier in ecclesia“ beweift bie# ba#
©aulu#wort: „3b r 2Seiber, feib untertan euren SÜänitern". SBenn
e§ aber auch nicht angebt, im Urcbriftentum eine bewußte ©ertünbi«
gung freibeitücber Sbeale ju feben, fo mu| bodb immer wieber be«
tont werben, bafj bie erft bureb ba# ©briftentum gebrachte feelifebe
©teihfteüung ber ©efdjlecbter Ooc ©ott abfolut unurogängltdbe ©or«
au#fegung jeber fojialen, rechtlichen, politifebenfpäteren ©lei^ftettung
ift. Auf biefe innere ©leicbbnt beriefen ficb auch bie SRanner unb
Frauen, bie, wie S L 1 b aiine § SSeiF 1 ), ©uftao ©erot*) unb ©lifabetb
3Walo 3 ) innerbalb ber eöangelifcben Birdie ein ©intreten für bie Frauen«
beWegung bi# in ihre legten JJonfequenäen foeberten.
ß# war felbftoerftänbticb, baß oor aüem bie eüangeIifdj«[ogiale Se«
Wegnng unb ihre Führer bie ©ebanfeu ber Frauenbewegung in eoan«
gelifhen Steifen beiwifh ju machen oerfucbieit. Auf bem «oangelifcb«
fogialen Songrefj, ber in ©ifurt imSmü 1895 fiattfanb, Würbe gunt
erften ÜJiate bie Franenfrage im Anfcglng an ein 'liefetat oon Frau
1) Frauenberuf, ffioangelifdh«fojiale Beüfragen. 2. Steige. 7. Sjefi.
Setpstg 1892.
2 ) Frauenabenbe. Sedj# Sßortrflge utr grauenfrage. SüiUgort 1896.
3) ®a§ SRectjt ber Frau in ber dgriftlictieit Sircge. ®effau unb Setfjjig.
28
II. 3ur ®efd)id)te be i grauenbeWegung _
©Ufabeth ®naud»ftübne eingebenb erörtert $ie Stellungnahme ber
^»ÄÄtSSÄ SSÄ»i s
8<»«t tan * n ^; ,l “"J«:”,“ , i »'Ä« FJWyff&ä-
gl»lta£? 5 £
^SSSfesesm
SbSS kIS s sssv: =s
SWfSaWSSM.3=- CIS ~- -
^XZO/Ztbic »(fiauenfrage, ot,ne ben emanjipattonSgelüften
ÄfllSHSiHSä
® e ®ic ebenfalls 5 oon grau ©naucf^üfpie bereits tm gab« 1894 tn
SSerlin gegrünbete eoangetifä »fokale grauengruppe^at m: aüm
ft* ber Erfüllung fojialer Aufgaben jugewanbt. Sie uat)m ©mflufe
3 bie Sebanblung ber grauenfrage in bem fßrogramnt bet: „«tmaU
{minien ^Bartet t)om Zscifyxt 1896, ba$ folgenbc @a|e enthalt.
^ 3Str ftfb für SReaelutta ber grauetifrage tm ©imte etner größeren
Erweiterung ber grauenrec^te fietS eingetreten unb haften bte» «w|
fortgefe^t, als bie Rationalfojialen fid? bem gefaulten StberaltSmuS
” «IRünbete fo bie freiheitliche ebangelifdje grauenbeWegung im toefent-
Men gebanflich unb organifatorifcb in bie allgemeine grauenbewe»
aung ein fo hielt fich bie eoangelifcfee grauenbeWegung ber ftrdfltcf)*
lonferoatioen Greife gefchtoffener in ihren eigenen Sahnen. $ter er»
1 ) SBgl. §itfe, 1896 9h. 48 u. 49.
®eutftf)»ebangelifcbec grauenbunb
29
fannte man bie grauenfrage juerft burdj bie mirtfchaftlicbe «Rot unb
bie ©efährbung ber gamitie unb gtanhte, bafe eine {tariere $erau=
»iehung ber grauen gut SiebeSarbeit erfolgen rnüffe. gn ben Streifen
ber „gmteren aRiffion" ift bor aßen Gingen bie SittlicbleitSfrage
mit Ernft unb Eingebung bebanbelt Worben, aber auch bie Mitarbeit
ber grau in ber ©etneinbe würbe bereits in ben 90er Satiren bort
geforbert.
Sm Sahre 1899 fam es im Rerfolg biefer Seftrebungen gut ©tun»
bung beS„®eutf#@oangetif^engranenbunbeS" als eines Snfammen»
fchluffeS bon „grauen, gitngftauett unb grauenöetetnen, bie int Sinne
beS in ©otteS ffiort geoffenbarten EoangeliumS an ber Söfnng ber
grauenfrage nnb an ber religiös »litt liehen Erneuerung be§ Solls»
lebenS arbeiten Wollen“. Sn bie Spifce beS SBunbeS trat gtaulem
©ertrub Stunden aus ftaffd, bie aber nach einem Sahre ben Sorfijs
an graulein Raula «Kueüet in §annot>et abgab. Ser fßerbanb faub
eine rafebe Entwitflung unb behnte feine Sdtigfeit bot allem auf baS
fojiate ©ebiet aus. gm gahre 1908 trat er bem Sunbe Seutfcher
grauenbereine bei, fich nur in ben gragen ber polüifcben Rechte ber
grauen oon ben fielen ber interlonfeffionellengrauenbewegnng unter»
fAeibenb. Ser $eutfcb*©öangelifcbe grauenbunb fianb bon Rnfaug
an ber Agitation für bie pülittfcbcn Rechte ber grauen ablehtteno
gegenüber. Siefe grage führte auch jur Trennung beibet Drgani»
fationen im gahre 1918 anläßlich ber „Senlfdhrift“ beS SBunbeS über
baS grauenwahlretht. - gm gahre 1918 waren bem Seutfcb’Eoan»
gelifchen grauenbunb 138 Ortsgruppen angefd)!offett; et jäh« mit
feinen 40 700 Riitgliebern ju ben größten granenorganifationen. ©ein
Rerbienft ift eS, baS RerftönbniS für bie Sebeutung ber grauenfrage
in Greife getragen ju h fl ben, beren politifcb foitferüaltoer Sinn fie
eine ablehnenbe Haltung gegen alle grauenforberungen annehmen liefe
unb auf biefem SBege ben ©ebanfen ber grauenbeWegung biele Sin»
hängerinnen gewonnen ju haben. —
Sie fatholif^e ftirefee nahm ber grauenbeWegung gegenüber bon
ginfang an eine einheitliche Stellung ein. Sie begrünbet biefe, wie bor
allem baS befannte Such oon Eathreiu über bie„grauenfrage“ 1 ) geigt,
bureb bie auf bie Stellung ber grau bezüglichen SSibelworte, befon»
berS aus bem ©alaterhrief unb bem erften fforintberbrief, unb auf
einfehfügige pap ft liehe Snsbllilen. SaranS ergibt fich ©runbauf»
l) aßietor S. 3., (Satt)rein, Sie graaenftage. gxeibucg t »t. 1909.
30
II. gut ®ejd)id)te bet granenbewegung
faffung fiter bte Stellung ooit SDtann unb grau, bafj, tote s ßapft
Öeo XIII. in feiner ©njoUita arcanum divinae sapientae faßt:
ber Warnt ber Seiter bet gamilie unb baS $nupt ber grau ift; bteje
'aber foll, weil fie gleifd) oon feinem gleifd) unb «etn oott ie'nemjöetn
ift, ibra untertan jein unb geborgen ntdjt rote eine Wagb, fimbern rote
eine ©efäbrtin, bamit ber ®et)otfam S'emenb unb rourbtg feu _
greilicb ift bie Unterorbnung ber grau unter ben SDxaun tu bet
(Sbe eine freiwillige. „Sie grau fann auf ben irbifeben aRpttenfrani
oeniditen unb fid) at! reine S3raut mit bent ^immlifcijen Jörauttgam
in teufdjer Siebe oermäblen . . . Siefer SÜBeg enthebt fie oon bet Uw
terorbnung unter ben SRann in ber gamilie". 1 ) Stofe ber feterartbt»
feben ©tieberung ber gamilie, bie bie fat^olifc^e mtefee oertetbigt, tft
fie aber weit baoon entfernt, ben mobernen grauenbeftrebungen 0er=
ftänbnillo! gegenübersuftefeen. Sie grau bot «Änrecfet auf ooflwertige
S3ilbung, auf Betätigung in ber DffentlicfeJeit, ooraulgefefet, baff bte!
atte§ in cfyriftlicfyem (Seifte gefc^ie^t. ?luch bie (Stellungnahme $ur S^oge
be§ grauenftimmrecfetS feat fefeon io ben gaferen öor ber ffteoolutton
SBanblungen erfahren (f. unten ©. 36). Sie fRotroenbigteit ber Dr*
ganifation ber grauenmaffen mürbe Har ertannt. gm gab« 1903
Würbe in ®öln ber gatfeolifcfee grauenbunb Seutfcfetanbl gegrunbet:
SRacfe § 2 feiner ©afeungen eiftrebt et: rH(1 .
1 wirflante Ssertretung ber allgemeinen grauentntereffen auf Jttutdjem,
fojtalem, beruflidjem, roittid)aftlid)emunb rect)ttid)em ©ebtete;;
2 . Rufammenfaffung ber fattjolijctjen grauen alter «etattgungSIreije
unb fojialen ©cfeicUten jur gegenfeitigen ©nroirlung unb gtStbenrng;
3 Auflistung ber tatl)olijd)en grauen übet gragen unb «Probleme,
roeldje bie ©ntroicflung ber ©egenwart mit ficb bringt, tnSbejonfiete fowett
fie bie grauenroelt betreffen; ,
4. roiffenfröaftlkbe, fojiale unb faritattbe ©emetnfdjaftSarbett; _
5. Sufammenfcblufs tatfeolijefeer grauenorganifationen, wofür jwet gor=
^a) ber ^forporatwe älttfdjlufj an ben $atfeolifdf)en grauenbunb SeutfajtanbS,
fei e§ an ben ©efamtbunb, an bie SanbeSoerbänbe ober Qroetgoeretne,
b) bet Beitritt gum gentialrat, SanbeSrat ober OrtSrat.
SSorfifeenbe bei «-öunbe! ift gräulein $ebroig SranSfelbj ber föunb
jäblte am l.guü 1918 4053weigoereine mitl 12 496äRitgliebern unb
638 angefdjloffenen SSereinen. Slufjer bem roiffenfcfeaftltcfeen Organ
,grauentanb“ gibt berft'alfeolifcfeegrauenbunb noeb einfRacfericfetenblatt
mit Stnweifungen für bie prattifefee Arbeit ber Sroeigoereine feeraul unb
oerfenbeteinegrauentorrefponbenäan700 fatfeolifcfee BeitfTriften unb
1) a. a. D. ©. 79.
^flthotiftf)ex grauenbunb %>eutfchlnnbg
31
Seitungen. Set ßai^oüfdje grauenbunb Seutfcfelanb! fe“t ficb bent
SButtbe Seutfdfer grauenoereine nicht angefcbloffen, aber oftmals jw
fammen mit ihm unb bem Seutfcfe*®oangeltfcfeen grauenbunb bie ge-
meinfamen gntereffen ber grauen oertreten. SEas bie interf onfeffionefle
grauenberoegung mit ber fonfeffioneüen oerfnüpft, feat#ebroig Sranl*
felb auf bem beutfdjen grauenfongrefe 1912 inaBortenaulgefptocfeen,
bie beute mehr als Je gelten: „ .
„@S banbeit fid) um bie gletdjett blutenben SBoUSrotmben, an bereit
gotgen namentlid» uniet ©efdjlecfet gu leiben bat. ©S banbeit [tdj um bte
nleicbe öonnung, bieje SSoltSrounben jurn »erbeilen S u bringen unb unferem
©efcbteWte neue, beffere gulunftSmdgtidjteiten ju etfd>Ue&en. ©untert
©emeinfamleiten nerbinben uns, nid)t julept bie uns aKett betltge ©eraetn*
faraleit ber «Ration .... Wöge fid) in ber Siebe ju btefetn San fie nnb
biejem SSoIte Jeine Düifitung »on ber anoeten flbertreffen lajfen.'
4. 2>tt grouenbetoegung bott 1894—1914.
©eit ber ©rfinbnng bei Sunbel ift bie ©efdficbte ber beutfdben
grauenberoegung im toefentticben bie ®efcbid)te bei ® tut bei Seutjd;er
grauenoereine. SBobt ftebt bie fo ä talbemo£ratifcE)e grauenberoegung,
ber StatboÜfcbe grauenbunb aufeerbalb beSfelben, unb auch ber ©eutfd)*
©oangelifcbe grauenbunb gehörte ihm nur roäf)renb eine! gabrjebittl,
Oon 1908—1918, an; boeb jäblte ber Sunb imgabre 1901 bereit! 137
Stoeigoereine, bie eine Saht öon über 70 000 SRitgüeber oertroten; im
gabrel919 70S8erbänbe mit 4191 Vereinen unb etwa 833900SJtit»
gltebern (eS fei jebod) bemerlt, bajj Soppeljäblungen bei ber Slrt ber
Drganifation bei S3unbel unoermeibli^ finb). aßerjcfjiebene SJiale bat
bet Suitb feine @o|ungen geanbert. Sum erftenmal bei ber Hamburger
©eneraloerfammlung im gab« 1898 unb jutn tefctenmal ooc bem
Kriege auf ber £>eibelberger ©eneraloerfammlung im gabre 1910.
©a^ungen
bc§ Sa^reg 1898.
2)er 33atib 2)cuticbct
grauenberetne begmeeft bte
Bereinigung aller ber^
jenigen beutjdjen gtauert«
bereine, bjiD. SSerbänbe
faldjer SSeretne, toeldje bie
görberung be» ©emein*
unb bie §ebung
be§ tüeiblidjett Q5efc^tedfc)t^
auf geifiigem unb nurt*
jchaftUchem, eräiehüc^em
©Ölungen be§ 1910.
2)er 53unb 2)eut|cber grauenbereitte beredt
bie SSeteinigung aller Organifationen beut^chet
grauen, welche bie görberung be^ weiblichen
©e(d)le^t§ in wirtfehaftlicher, red)tlicher,
geijUger unb !örberlid)er §in(id)t unb bie
bung be3 Siagemeintrüh^ anftreben, gu ge=
meiniamer Verfolgung biejer Siele imb
gemeinsamer ©röxterung ber 3^ e ^n ber grauem
bemegung.
@r will bie (Sin^eitlic^feit aller mobernen
grauenbeftrebungen gum 3iu§brud bringen,
inbem er
32
II. gut ®e(d)id)te b et grauen Be wegung
unb jogialem Gebiet an*
ftreben, au gemeinfatnet
©etfolgung Dielet Stete.
®t will ®etegen^eit
jtint ®ebanlenau3taujd),
ju©ergleict)en,äur Kennt«
m3nai)me muftergülttger
©inxidjtungen, i«* 5 n ’
teguttg neuer, fetbftan»
biget ©djöpfungenbte*
ten Ser ©unb fu'ljt ab
öon jeber ©imnifdjung tn
bie inneren Ungelegen«
beiten bet ju il)nt ge«
bBtenben ©eieine unb be«
fcforänft fetue Xattciiett
auf biejentoen ^Irbeit^
aebiete unb Söefttebungett,
benen bie 33 etuf§betetue
jufiinunen.
a) einen fteten ©erlebt unb ©ebanienauetaujd)
* »roiicben ben oerfdjiebenarttäen Drganijat«
* nen «ermittelt unb leinen SKitgtiebera ©e«
legentjeit bietet, ißren ©eftd)tsfres| ju et’
weitern unb ii)t ©erftänbmS aii<b für äuget«
batb i()ret befonberen SCätigteit Itegenben
Aufgaben ber gtauenbewegung gw wecten
unb gu «ettiefen;
b) ben gorbetungen ber gtauenbewegung burd)
ihre gemeiniatne ©ertretung tnber öff ent’
Udjfeit unb bei ben geiebgebenbett Körper¬
haften 9tad)bruiJ »erteilt;
c) auf feinen regelmäßigen Sagungett grunb’
legenbe unb geitgemäße Stagen bet grauen«
Bewegung jur Sikrfyanblung ftetlt.
®er ©unb bat leinen parteipolitifcben nod)
tonfeifionellen S^arafter. ©t fiebt oon jeher
®inmifd)ung in bie inneren Angelegenheiten
bet tf)m augefdjtoflenen Drgamfaitonen ab.
®ie bewußtereSietfefeung. bteftraffereDrgamfatton fommett b i
SIbänberuna ber Statuten beutüd) gum SluSbrud.
ftmi Aeu ber ©rünbung beS ©uube« unb bem ©uSbtudj beS SBeft-
Swtfdjen De 4m Saufe berfetben ßat bie grauenberoegung
* im««®«“»»'“'
in ifyren 83eretd)
S: bl* te
bewegung fomtnt not sum.r u *„ n %, r ® tünbuna beS fOTgemeinen
wadjfen bet®eruf§organtfattow ®er ©runbung^oe B ^
3 "^
Organifationen ber gtauenbewegung _33
u»b preußtfdjet tecßnifdjer Seherinnen folgte 1894 unb 1895; bie
bet beutfdjett IKufilleljrertttneit 1896; bie §au§beamtinneit Ratten fiel)
bereit? 1894 eine Drganifation gefcbaffett. gm Saßre 1903 eutftan«
beit bie Drgaitifotionen ber afabemifdj gebilbeiett Seßminnen tmb ber
firanfenpflegerinnen, 1906 ber ©erbanb ber @tubentinnen--2?ereine
SeutfdhtatbS, 1912 ber 83erbanb ber iReicliSpoft* unb Xelegtaphen«
beamtittnen.
Sieben biefen größten ©erufä« uttb Stanbel’Drganifationen, bie fidfj
fämtlidj bem ©unb £)eutfdjer grauenbereine anfdfjloffen, traten große
©erbänbe jur görberung beftimmter SBirtfcfjaftS« unb SulturgtDecfe.
gmterßalb beS 83unbe£ müffeit als bie toidjtigften genannt Werben:
ber ©erbanb gut görberung ljauäroirifcbaft(id)er grauenbitbung (1902); ber
9lei4t3f(t)u£»erbanb für grauen (1904);
ber Seutfdje Sweig ber Qulernationalen StBoHtibnijHfdjeit göberatioit
(W"4);
bet ©erbanb ber §au?pf(ege (1909);
ber ©erbanb für b a nbwerf3mäßtge unb fad)gemer6tid)e Slnäbilbung ber
grau (1909);
ber Seutfdje ©erbanb ber gugenbgruppeit unb ©rappen für fogtale fjtlf£«
arbeit (1912).
Sie tt>id)tigften, bisher ttodj ttidjt genannten, außerhalb bcS 93unbe8
fte^enben fogiatpolitifdjen grauenorganifaiionen finb:
bie fojialbemofratifdje gtauenbewegung;
bet Seulfcbe ©ationaloerein ber grennbinnen junget ©läbcfjen (1877);
bet Seulfcbe ©etein für ©rmenpflege unb ©Sofyltätigfeit (1881);
bet Seutßbe ©unb für ©hitterfcpulj (1903);
bet ©tänbige WuSfcbuß gut görberung ber 2lrbeiteiinnen=3ntereßen (1908);
bie 2Iu3lunftSfte(Ie für §etmarbeit«9le}orm (1913) u. a. m.
3Rit bem Imuaclifen ber Organifationen, bie and) in mititeren uttb
fleinen Siübten guß ju faffen begannen, erwarte baS ©eftrebeu, bie
Organifationen ber einzelnen Snnbeeftaaten unb SunbeSteile in geo«
gtapßifdje Serbänbe jufammenäufaffen. Ser erfie unter biefeit
War ber ©erbanb ©fäijifdjet granenintereffewSßereine (1900), ber
te^te ber ©erbanb $effifcßer grauenoereine (1912).
Sie geograpfjifdjen ©erbänbe betrauten eS üor allem als if)re Slitf«
gäbe, Stellung gn uebmen ju ben bie grau betreffenben Singelegen«
ßeiten, bie ausf^ließlicp ber 8anbeSgefe|gebung unterliegen, wie etwa
bie Sdjulfragen ober beftimmte ©ebiete ber 2Bot)lfat)rt«pflege. —
Sieben ben geograpfjifdjen ©erbänben, ben fogialpolitifcfyen unb beritf«
lid^ett Drganifationen beftepen über gang Seutfcplanb üerbreitet eine
761: SBcrita^g, ®te beutle grauettBettJeguug S
34
II. gut ®efcf)icf)te btt gtauettberoegung
t„n brfbo ^£ÄÄ“ Sr«u.»flm»«6>' (1916).
hört f)tert)et oot attember Hetcb J b J nb be utfcher §auSfrauew
W «gJJJ
ti erbänbeunterbltek,btebte|vaue« beftanben in 21 Stabten
jamem ipanbettt üemntöett. «v$ ^ ) üott timen ift ber SMannfjetmet
U< 5«» 9 «w«<n r>«b.
SSemnSOetbanb. tn bem 9 1 mob 3 enie grauenbewegung e§
5£)tefer furge Uberbltd jetgt, ba^ ^ bocb a r0 K e Qtganr-
oerftanben bot ft<h eine öic i^ lt ) 9 - • h 9 1 / t j. ur to i e oft öon ©egnern
3Ä ®—4 »«■»“ s " k, “" 9 ' B 9 “
S£ *iSÄ
».reine ift ,» $t«»«n t»9e‘) , «» b««n «a. 9 e« ^
beb „»..in*' (toKrt, O.«.» bet
fälifchen SerbanbeS unb „Set %taw J _ s^Ugemeine
»ÄSssrÄ
ebenfo wie bte „Staatsburgenn . (gerufäintereffen bienen
«• *. »*"“ «*“
Äattöru$e, ^örauti).
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85
___ gettidjtlften bet gtcmetiBetoeg ung
®eutfd)en ßef)terinnenoereitt3; „Unterm SagatuäEreug", Mitteilungen
ber Serufsotganifation ber Uranfenpflegerinnen 5Deutfc£)Catibg; „Sie
SÖlätter für fogtale Arbeit",Organ beSöentraloereinS für'ich etter innen*
intereffen; „grauentuirtfd)aft", Organ beS SerbanbeS gut ^ebung
bauätDirtfcfjaftticber grauenbilbmtg; bie „Mitteilungen ber fauf=
ntämtifcben Vereine Weiblicher ülngefteKter"; „Dftbeutfcße grauen*
arbeit", ßeitfcßrift fiir bie Sntereffen ber lanbwirtfcbafitidjcn grauen*
bereine. — turgum, faft jebe gorm ber granenarbeit ift burtf) ein
eigene^ größeres ober tleinereS Statt oertreten.
Sine befonbere Hotte fpielt bie Oon §elene Sange unb ©ertrub
Sauntet feit 1893 berauSgegebene MonatSgeiifdjrift „Sie grau" 1 ),
bie feit gabrjebnten ben geiftigen Sfnbalt ber granenbewegung fotttie
iljreprahtfcben tßrobleme in getjattooCten TOßanblmtgen toiberfpiegelt.
— Saß bie grauenbetoegung ba§ Heißt, fi'nlturbetoegung jn fein, für
ficß in Slnfprud) neunten fann, toirb befonberb ftar butcß bie geiftige
Ü>öbe biefer Monatgfcbrift ertoiefen.
©eit bem gaßre 1897 gehört ber Sunb Seutfcher'grauenbereine
bent internationalen grauettbunb an, ber alle fünf gabre eine
©eneratoerfammtung abßätt unb bamit einen grauenfongreß üer=
binbet. Ser erfte offtgieße Kongreß feit bem Seitritt Seutfdjlattbä
fanb 1899 in Sonbon ftatt, ber teßte, oor Stuäbrudj beS SBeltCriegeS,
int Mai 1914 in 3tom.
Unb nun bie tatfädßlid^en ©rfolge biefer großgügigen Drganifation
unb ißropaganba in ben 20 Sauren bon 1894 bis 1914?
Sei Seanltoortung biefer grage muß unterfcfjieben Werben gwifcßen
bem Sinftuß, ben bie ©ebanfen ber granenbewegung auf bie ©e*
ftattung beS grauentebenS, ber grauenbilbung, grauenarbeit, beS grauen*
berufs anSübten, unb ben greif baren ©rfolgen, bie ficß in gefeßgebetifcfje
Maßnahmen umfeßten. Ser erfte ©rfolg ift groß, ber gtoeite weit ge=
ringer. Son beiben fott ßier nocß fitrj bie Hebe fein.
fRed)tf))rccljung. Sie Stgitation ber grauen gegen ba§ gamilien=
recßt bes S©S. muß als in ben wefentlußften ißunltett erfolglos be^
jeicßnet werben. SBeber bie ©tnfüßrung ber ©iitertrennnng als eße=
licßeS ©üterrecht, nodß bie Ootte Sutaffnng ber gca« gut elterlichen ©e=
Watt, noch e ' ne Ülbünberung ber rec^ttidßett Stellung ber unehelichen
®inber Würbe troß lebhaften ijSrotefteS bon feiten ber grauen erreicht.
©rfolgretcher bagegen War bie Agitation ber grauen um 2tbanberung
l) SBetliit, SB. SDtoelet.
3 *
36 XI 8»* ®«f*id)te bet gtauenbewe gung---
lungen. ®t(* » a8 & ° beutle grau ins po(iti(<(ie 2e9* n
jtimmungen «»(, ”» b b «“7“*“rt.» «fbi« Mtl.» »»»««'
ein. ®tn S a ^ r ä e ^J l ^ nfrfttHcfoer ©tunblage getüä^tt.
rechte auf btet te ftet crn grauenfttmmrecht, 1902
foUtif. fßun crftlonnte bet verein iu o ^ ^ potiti ^e
gcgxünbet, ftdj tn allen be ^.. .? n ^ n ^ ang . greilich ging bte
33etätigung ber grau n “J m ba , J «arteten juerft in langfamem
©Utarbeit bet grau tn ben B JjJSJ tio f n uttb greitonferöatWen war
Setupo not ftch- 33« ben *®“Jl AU t polütfchen Arbeit oorerft nicht
Don einet §eranjtehung e S ä gg er etnigung fonfetuattoet
bie Siebe. Srft im S^re 1913 ent b “ t ’ eüt f, a t, in gamilie, ©efell»
grauen‘4n33etUn_ bte ft^bte« fg be gj ae J fln ^ auja8 JU widert.
fdjaft unb SßottSleben für bte fonf , . iten au j p a § tommenbe
Sie ß entr um 3 p at t et bagegett h f ^u^orfet gatholifentag im
grauenftimmrecht geruftet. 31 f • Wntraa auf Dolle SJitt*
§*. isos fl.lU. n.» “ä„5 »«»* «I»
glitiMaft bet Stau ‘ e, J?ÄÄ t , t Brtio*Wli*e 9«“
aelefynt. «Iber auf bem SSertretertibrfAloffett unb im hinter
M« bie ™i! 9 n'‘ff wSJSSm«^ SKitgliebern bet
SÄSKÄ*-^
für baS poütifche Sehen üe ™£f*lfi at bereits in ihren 1907 »ec*
Sie SHattoitatltbetaleJßattet 9 t raue nfteunbücf)e gotbe»
sßefolution für ftätteteöetan^ungbg egor berungen auf:
(teilte bie ®«mi ««(K@<l»bel Mt«0«»9 »»"
«ßotitil
37
grauenauäfdjufi unter bem S3otfifc oon grauS« 1 « 93a Hermann,
bet am l.Dftober 1912 eine Sfonferen* in 9Seimar abhielt, bie }a f)U
reich aus aßen Seilen beS Reiches befehlt War. Ser am 13. Sprit
1913 inßötn abgehobene rt)einifc£>c grauentag ber «rtationalliberalen
«Partei mar tton 132 weiblichen Selegierten befugt, unb bie in einer
Sßefolution jufawmengefafjtengorberungen ber grauen fanben bienahe*
ju einftimmige Quftimmung beS 93ertretertageS für bie 3ü)cinproöinj.
Sie am 6. üßärj 1911 gegriinbete Sortfd^xittlid^e 33olfSpartei
nahm im § 8 ihres «Programms ju ben grauenforberungen in folgen»
ben SEBorten Stellung:
©rweitrung ber SRecpte ber grau uttb ihres ©rwerBSgebieteS, <Srleic*ile=
runa ber grauenbilbung unb ^Reformen tm ftaatlidien 93ere<httguttg3tteien.
SHtweS unb paifiöeS S8al)lred)t ber grauen für bie StaufmannS» unb <5>e=
werbe eriepte. @letd)bered)ttgimg in ben ©inrichtungen ber Diei<t)§»erficbe=
runaS>@eiepgebung, öerftarfte «öHtWidung ber grau auf bem (Sebtete ber
fojialen gürforge unb beS SBilbungSwefenS, ^eraugiehunfl ber grau jur
Sommunalberwaltung.
Sie «Partei nahm jtoei grauen als 93orftanbSmitgtieber auf unb
trat fofort in bie SEerbetätigfeit für weibliche äßitglieber ein. 3m
Sahre 1913 gehörten etma 3000 weibliche Sßttglieber ber gortfdjritt»
liefen SSolfSpartei an.
SieSoäialbemofratifdhe Partei hat feit ihrer 93egränbungeitte
ganj anbere Stellung ju ben grauenfragen eingenommen als bie bürget»
liehen «Parteien, ©(hon im tommuniftifdhen «ölanifeft 1847 gebachten
«Jßarj unb ©ngelS ber Sohnarbeiterin, bie fernerer noch als ber ©tarnt
unter ber Ausbeutung beS Kapitals leibet. 33ebelS helamtieS 93udh*.
„Sie grau unb ber ©ojialiSmuS“, 1879 in erfter Auflage erföhieucn,
bemieS bie «ßotmenbigteit ber fojialen unb politifchen ©leid)berechtig
gung ber grau unb erhob biefe gorberung ju einem 93eftanbteil beS
fojiatiftifchen «Parteiprogramms. 3h« Stellung im gutunftSfiaat
jtiijiert er mit folgenben SBorten:
ffiie grau ift in ber neuen ©efetlfihaft fogial unb ßfonomtfaj toou»
lomtnen unabhängifl, fie ift leinem Schein Don $errfdjaft_ unb Ausbeutung
mehr unterworfen, fte fiept nunmehr bem ©tanne als gteie, @le:d.je gegen»
über —, fte ift Öerrin ihrer ©cfdiicfe/'
SBährenb ber Sifenadjer «Parteitag 1869 bie gorberung beS au»
gemeinen, birelten, gleiten unb geheimen SBohlredjtS auf bie ©tänner
bom 20. 3ahr an befchränlte, mirb in bem «Programm beS ©otbiaer
«Parteitags oon 1875 bereits bie 93efeitigung alter fojialen uttb po»
litifchen Ungleichheit geforbert.
II. gur (Sfefdfidfte ber gtnuenbewegung
38_ _ _
allaemetneS, oleic&e«, biretteS 2Sal}(= unb Stimmrecht mit geheimer unb
obtigatotiid)« ©timmabflabe alter Staatsangehörigen Dom
lab re an für alle 28at)ien unb Slbfhmmungen tn ©taat unb ©emetnbe.
gnt Erfurter Programm bon 1891 heißt es auSbrficfltch:
,,®te ©ostalbemotratiidje Partei SeutfdflanbS lämpft alfo nicht für neue
Älaffenpriüilegien unb SBorredjte, fonbern für: bte Abfdiaffung ber ttaffen»
berr cbaft unb ber Stoffen fetbft unb für gletdie Rechte unb gleich* W'**««
aüer Düne Unterfchieb beS ©efdjlecfjteS nnb ber Abftammung. Von bteten
Atijdjauimgen auSgehenb, betämpft fie in ber heutigen ©efeüf^ait nicht
Bloß bie Ausbeutung unb Unterbrüdung ber £ot)narbetter, fonbern jebe
Strt ber Ausbeutung unb Unterbrüdung, rtdjte fte fid) gegen etne Stoffe,
eine Partei, ein ® e f d) l e d) t ober eine Stoffe."
AuSgehenb bon biefen Grunbfä|en forbert bie ©oztalbemolrattfdje
Partei SeutfdjlanbS junäciift:
I AHaemeineS gleiches, birefteS 28af)l= unb @timmtrd)t nut geheimer
Stimmabgabe aller über 20 Satire alten 3Reid)Sanget)örigen ohne Unter»
'^ö 6 Slbühapng^üe^Sefehe, welche bie grau in öffentlicher unb prioat«
rechtlicher ^Beziehung gegenüber bem ©lanne benachteiligen. _
grauen tonnten bähet in ber ©ozialbemofrattfcljen fßartet ttt bet-
fetben ©Seife arbeiten Wie bie äRänner. Schon auf bem Gothaer gartet»
taa mürbe eine grau in ben Parteioorftanb gemähtt; auf bem Per*
liner Parteitag bon 1892 mürbe an bie ©teile beS ©Sorte?: „93er*
trauenSmämter"„Vertraueneperfonen" gefegt,um bie ©Saht bongrauen
für biefe fBoften z« ermöglichen. gn ben Parlamenten tft bte ©pätal«
bemolratifche Partei bei jeber Gelegenheit für bie Gleichberechtigung
ber grau eingetreten. Pebel hat am 13. gebruat 1895 tn ber S3e«
qrünbung eines Antrags jutn erftenmal im Peutfchen Reichstag bte
grage bcS politifchen ©SahtrechtS ber grau jut ©brache gebracht. ©o«
meit bie fotialbemotratifche grauenbemegung praltifche Reformen er»
ftrebt, fällt fie natürlich im mefentti^en mit ber Arbettermnenbeme«
gung jufammen. Soch maren fchon bor bem Kriege tn ben Streifen
ber gebilbeten organifierten grauen 83eftrebungen lebenbtg, auth bte
Philofobhie beS Sozialismus meiteren greifen, oor allem ben getfttgen
Arbeiterinnen nahezubringen. 3m Sah™ 1911 maren ber ©oztalbemo»
Iratifchen Partei 107 693 grauen angefchloffen, beren Saht tm ^ahri
1914 auf 174 754 ftieg. 775grauen maren alsPorftanbSmitglteber
in ber Partei tätig. Sie fojialbemotratif^e grauenbemegung „mtu
— nach ihren eigenen ©Borten —
bte Sb een beS Sozialismus ben pvotetarifdien grauenmaffen nahebringen,
fie 'ihrem SSerftänbniS anpaffen, ihnen bie mirtfcf-ajtttchen unb polttt|d)ett
f)5oliti! uub ©oziatpotitil
39
JageSfragen in fozialtftifcher Beleuchtung zeigen, fie für bie potttifdje
Otganifatton ber Sozi albemolrattf eben Partei getmnnen utib fie zur be=
touhten Alttatbeit bitben unb erziehen. Sie 'Ojialbemotratiidie grauen*
betuegung ift fomit ein integriereuber Seit bet allgemeinen iojtalbentotta«
ttjcfjeh Sktoegmtg, mit ber fie fid) einig weih in ber ©euneitung bet
gro|en fokalen grage. @te fie^t in ber grauenfrage einen Seil ber f o--
Ziaten grage, bie nur mit biefer gufantmen getöft werben tann burd) bie
überroinbung beS SiapitaliemnS mit feinen Stlaffengegenjägen unb bie ©r=
Achtung ber foatultflifdjen ©efeüfchaftSorbnung burdj bie geeinte Arbeiter»
Haffe." t t , , . „
Aus biefen ©Sorten geht Kar ber Unterfchieb herbor, ber bte fojial»
bemotratifdj organifierlen grauen oon ber übrigen grauenhemegung
trennte unb auch bor bem Kriege ein £ufammenarbeiten nur in feltenen
gälten ermöglichte. ©Bälfrenb beS Krieges £>at ficfi in biefer £inficf)t
fchon oteleS geänbert unb bie Aeoolutton mirb zweifellos ein SDlit«
einanber«Arbeiten ber „bürgerlichen" unb ber „proletarifdjen' 1 grauen«
betoegung in nieten gälten zur gotge hoben.
SaS ftarfe Ariroactifen ber politifchen grauenhemegung auch iuuer«
halb ber bürgerlichen Greife hat im galfre 1912 bie Grünbung beS
„©ZmtbeS zur Vetämpfung ber grauen»@manzipation" heroorgerufen,
eine Satfache, bie Weit meniger Den praftifdfer als bon fpmptomati«
fcherVebeutungift. Senn auf alle berartigen Gegeubemegungen paffen
bie ©Sorte:
„Unb feines VeHenS lauter ©daß bemeift nur, ba| wir reiten."
©ozialpolitif. Sie fojialpolttifche Arbeit innerhalb ber beut«
fdjen grauenbemegung manbte fiel) im erften gahrzehnt beS 20. gafft«
hunbertS oor allem breif£ätigfeitSgehieten zu: ®em Arbeiterinnen«
fchtt|, ber ^anbmerferinnenfrage uub ber ^Berufsberatung,
©er im gahre 1906 oon gränletn SJlargaretegrtebenthal hegrünbete
„©tänbige AuSfch uljur görberung ber Ar beiierintterngniereffen' 1 machte
eS fid) zur Aufgabe, bie fogiale Sage beS ArbeitertnnenftanbeS zu heben.
Gr hot eine Aeihe mistiger Veröffentlichungen herausgehen taffen unb
regelmäßig Konferenzen über bie bebeutfamen gragen ber grauenarbeit
abgehalten, ghm gebührt bas Perbienft, auf ein tieferes PerftänbniS
ber Sage ber Arbeiterin unb ber befonberen Probleme beS Ar bei«
terinnenlebenS hingemirlt z« h a bcn unb für umfaffenbe ©dfufebeftim«
mungeneingetreten zu fein. Sie Verfügung ber Arbeitszeit bet meib«
lidfen Arbeiter auf 10 ©tunben täglich, bie am 1. ganuar 1911 in
Kraft trat, ift zum Seil auch ber Agitation biefeS AuSfdfuffeS zuzu*
f^teiben. ©er $anbmerferinnenfrage manbte ber Petbanb für
40 II. gur <Sejd)ict)te bet gtnuenberaegung _
banbmerfSmäfjige unb fadjgewerblidje AuSbilbung ber grau fein »otleS
gntereffe ju. (©egrünbet 1909, ©orfifcenbe Dr. Sftarie ©lifabetb
Silbers.) Seitbetn bnrdj bie ©ewerbeorbnungSnooeöe twm 30. SDZai
1908, bem fogenannten Eieinen ©efäbigungSnacbweiS, bie SRöglidj 5
Jett gegeben war, ber grau im $anbmet! bie gleichen ©ilbungSmög»
liebfeiten wie bem SDZanne ju erfcbliejjen, fefcte ber Verbanb feine
graft jur VerwirElidjung biefer gorberungen ein. Unterftüfet burd)
ben ©rlafj beS preujjifcben ^anbelSminifterS ttorn 18. Suni 1911 Ratten
biefe ©emübungen großen ©rfolg. Sw Sab re l 9 * 3 Ratten üon 72
§anbwet!Sfammern bereits 64 baS weibliche SebrlingSWefen geregelt.
$ie fortfdjreitenbe ©inglieberung ber grau in bie fefigefügten Sehr«
gänge beS §anbwerES jeigt eine StatifliE beS genannten VerbanbeS
aus bemfelben Sai)r. Sie gatfE ber weibltdjen Sebrtinge war feit 1909
bon 1070 auf 18700 geftiegen; bie ber weiblichen ©efeHen bon 349
auf 5970, bie ber SOZeifterinnen bon 20 auf 2120.
©ine ebenfo erfreuliche ©ntwidlung naljm bie SätigEeit ber AuS«
EunftSfteUen für grauenberufe, grau Sofefine lieb^SRatEienau
hatte burcb jabtreidje Veröffentlichungen bie allgemeine Aufmerlfam«
Eeit biefem Arbeitsgebiet jugelenEt. 6cb°n ju ©nbe beS erften Sa£)r=
jebntS beS 20. SaljrlfunbertS riefen bie grauenbemegungSbereine in
einer IReihe bon Stabten AuSEunftSfteHen für grauenberufe ins Sehen.
Siefe Würben im Sab« 1911 im Kartell ber AuSEunftSfteßen für
grauenberufe (©erlin NW, ©rüden=Aüee 33) jufammengefafjt. 1913
gehörten bereits 80 AuSEunftSfteßen bem Kartell an. Sienen biefe
im wefentlidfen ber Verbreitung brattifcber genntniffe über bie Weib»
liehen Verufe, fo ift eS bie Aufgabe beS 1912 gegrünbeten grauen»
berufSamteSbeS ©unbeS Seutfdjer grauenbereine (Seiterin grau
Sofefine Set>b«9Zatbenau), bie „mit ben ©erufS« unb ©rwerbSberplt»
niffen beS weiblichen ©efd)led)tS jufammenbängenben fittlidhen, hhS teni*
fdien unb wirtfdjaftlidjen ©ebingungen burd) eingebenbe ©rbebungen
ju ermitteln, baS SOiaterial jur ©erjügung ju fteflen, fowie gutaebt«
liehe ©eriebte ju ©erufS« unb ©ilbungSfragen ju erftatten".
SJUtarbcit in ber ©emeinbe. ©ineS ber älteften Arbeitsgebiete
beS Allgemeinen beutfdjen grauenbereinS, bie ©Zitarbeit ber grau
in ber ©emeinbe, erfuhr im erften Sab*S e b n t beS 20. SabrbunbertS
einen neuen Auffcbwung. Ser Verein felbft nahm im Sab re 1910
ben Untertitel: „Verbanb für grauenarbeit unb grauenreebte in ber
©emeinbe" an unb feine im S^b« 1906 neu auSgeftalteie ßeniral«
©ojtalboliti! unb fojlale giirforge _ 41
fteHe für ©emeinbeämter ber grau (Si| granEfurt a. 3R., Seiterin
grau Sen nt) Afiolant) bat biefe ©ewegung nah graften gefßrbert.
Sefannte gübrerinnen bergrauenbewegung, fo in Sübbeutfcblaitb bor
aöem grau Alice ©enSbeimer, Waren unermüblicb tätig auf biefem
©ebiet. ehrenamtliche foWobl Wie befolbete fommunaje Arbeit haben
bebeutenb jugenommen unb bie grauen haben burdj ihre treue ©Zit«
arbeit ben ©efäbigungSnacbweiS für ©emeinbearbeit lauge oor ber
©emäbrung beS ©emeinbeWahlrechts erbracht.
Sm Sabre 1915 Oeröffentlidjie bie Sentralfteße für ©emeinbeämter
ber grau eine StatiftiE über bie ©Zitarbeit ber grau in ber ©emeinbe.
Sie gablen jeigten, Wie ftarE bie grauenarbeit in ben ©rojjftäbten
jugenommen bat. __
1910
$al}l ber
grauen
1913
3«bl ber
grauen
gunatjme
1910—13
0/
/o
1915
ßd&l ber
grauen
3una^me
1910—15
%
A. (£t)renanitlicfye Arbeit (45 ($roj 3
täbte)
tateupfTege . . .
1697
2086
23
2623
55
SSaiJenpflege . . .
4645
6594
42
7224
56
Deputationen,
®ommtifionen .
58
205
254
253
336
(scfyulöerroaltung .
104
238
129
334
221
6d)utpflege....
—
46
—
62
35
SBopnungSpflege .
16
47
194
64
3<>0
6520
9^16
41
10560
62
B. ©efolbete Arbeit (45 ©rojjftäbte)
Firmen*, SSatfen*,
(Säuglingspflege
325
478
47
609
87
SlrbeitSnacproeiS .
80
130
63
153
91
^otigeipflege . . .
15
23
53
36
140
$G3of)nung§pflege .
—
7
—
17
143
Sdjulpfiege....
9
44
389
82
811
429
682
59
897
103
greilidj mähte fi<h in ber ©emeinbearbeit bie mangelnbe ©Zitwir«
Eung ber grau bei ber ©efe|gebung febr fühlbar unb nicht anberS
war eS bei ben gragen ber grauenbilbung.
gtaucnbilbnng. SiefeS erfte ©ebiet, baS bie beutfd)e grauen«
bewegung in Angriff nahm, blieb b ei B umftritten. Ser teils gefiibtS«
mäßige, teils auf UnlenntniS unb ©efdjled)tSegpiSmu§ beruhenbe ©Biber*
ftanb ber ©länner in Weiblichen ©ilbungSfragen ift befonberS fd)Wer ju
42
II. gut ©efd)tibte ber gtauenbemeguug
Bremen. greiltcb festen im erftett Sabrgebnt beS 20. gabrbunbertS
in allen beutfeben ©unbeSftaaten ^Reformen besSJläbcbenbilbungSroefenS
ein, aber fie blieben gumeift auf falbem SBege fielen. Tie preu§ifc£>e
äRäbcbenf^uIreform mit ihrem *ßlan ber 14jährigen ©efamtfcbulgeit
für äRäbdjen, ihre 33eoorgugung ber grauenfcbule oor ber ©tubien-
anftalt unb ihre Ablehnung ber Soebufation oeranlaßte im Sabre i 907
ben Verein grauenbtlbung — grauenftubium, einen Songrefc nach Gaffel
über bie „höhere 3Jläbcf)enbtlbung'' einguberufen. ©runbforberuug beS
SpngreffeS ttmren bie ©rünblidhfeit unb SBablfreibeit ber SKäbcben*
bilbung, fotoie gefieberter Einfluß ber grau auf bie SJtäbcbenbilbung.
93eibe gorbernngen bat baS bi^b er ^9 e grauenbilbungsmefen, tro&
mancher gortfebritte, noch nicht in oollem Umfang erfüllt.
Ten am meiften in bie Singen faüenben Erfolg bat bie beuifebe
grauenbemegung gmeifelloS mit bem UnioerfitätSftubium ber
grauen erlebt.
gm aßinterfemefter 1900 mürben in Vaben gum erftenmal ©tubentinnen
immatrifuliert ES folgten Vapern im hinter 1903/- 4, aöürttemberg im
©ommer 1904, Königreich ©aebfen 1906 unb ©robhergogtum ©achfen 1907;
fPreufeen, baS fReid^^lanb unb Reffen im hinter 1908/09, Sftecflenbürg im
aöinter 1909/10. Vom $erbft 1908 bis ©ommer 1913 ftieg bie gahl ber
©mbentinnen an allen beutjehen Unioerfitäten oon 1172 auf 3436, alfo
um giifa 192%. Geringer freilich als bie abfolute gunahme ber ©tubentin*
nen ift ihre relatioe. ©ie machten im hinter 1908 2,48%/ im ©ommer
1913 5,69 ®/ 0 in ber ©elamtgabl ber ©tubierenben aus. Ter unbeilooße
Einflug ber Eröffnung beS „4. aBegeS" fommt in ber unoerhältniSmägig
hohen gahl meiblicher ©tubierenber in ber pbüofophifchen gafultät gum
SluSbrucf. Tiefe beträgt über brei Viertel ber ©efamtgahl; SRebiginerinnen
bagegen gab eS im ©ommerfemefter 1913 nur 790. Tie geringe gabt
ber guriftinnen unb Theologinnen 4 9 refpeftioe 12 ift auf bie praftifdje
SluSficptSlofigfeit biefeS ©tubiumS gurüdguführen. Stimmt man bie preugi=
f<ben Unioerfitäten allein, fo betrug ber Anteil ber pbtlofopbt)cben gafultät
am grauenftubium fogar 81,6%, „eine§hpertropbie", toie ©ertrub Väumer
fagt, „bie mit Vegug auf bie 58elaftung eines einzigen Berufes beS höheren
SehramtS burdj meit über brei Viertel beS grauenlontingentS für bie
höheren ^Berufe ernfte fokale Vebenfen ermeefen mug'. Tie gulaffung
gur Togentur an ben Unioerfitäten blieb ben grauen Oerfagt, ohne bag
bie gatultäten eine beutüche Vegrünbung ihrer Slblehnung geben fonnten.
Stur bie ^anbelehocbfcbute SRannheim lieg tm Sagte 1908 grau Dr. Elt*
fabeth ailtmanm©otthetner als Togentin für ©ogialpolitif gu.
Trofc ber ftarfen Betonung ber mirtfcbaftlicben, rechtlichen unb fo-
jialen ©runblagen beS grauenlebenS bat bodj bie beutfege grauen*
bemegung ihre ibeeHen unb geiftigen giele niemals aus ben Singen
oerloren. Tie auf ben ©eneraloerfammlungen beS VunbeS Teutfcber
grauenftubium
43
grauenoereine unb ber übrigen großen Verbanbe gehaltenen Vorträge
legen bafür geugniS ab. Tie gange ibeale ©cbmungfraft ber grauen*
betoegung, ihr fittlicher Ernft nnb ihr mirtfcpaftltcbeS unb fogialeS
VerftänbniS famen auf bem beutfdben grauenfongreg gur ©eltung,
ber in Berlin bont 27. gebruar bis 2. SJiärg 1912 ftattfanb. Sluf
Slnregung beS beutfeben £t)geum*SlubS unb im Slnfcblug an beffeu
SluefieHung „Tie grau in <paus unb ®eruf", batte er gemiffermaßen
baS ga^it beffeu guRieben, mas bie Slusftellung ihren Vefucbern oier
SBochen lang lebenbig uor Singen führte, ben ftarfen unb fitf) immer
mehr oerftärfenben foetblicben ©infchlag im nnrtfchaftlidien, fojialen,
öffentlichen, geiftigen Seben beS SolfeS.
Tie Söefuchertmteu ber SLuSfteüuug, bie Teilnehmeritmen am $ongreffe
fontiten nicht ahnen, bafe biefe glan§s unb geiftooüen SSeranftaltungen in
ihrer Erinnerung fefttouraeln mürben mie ein SlbfchtebSfeft. geigten bodh
föongrefj unb SluSfteüung, maS bie beutfdje grau in bem \t%\ baljin*
gefunfenen Teutfchlanb Ä'aifer SSilhelmS II. geraffen unb errungen, maS
fie noch gu erreichen unb noch § u forberu hatte. — ©ein charaftertftif<be3
©epräge erhielt ber ^ongrefj babuich, baß audh bie lonfeifionellen unb
faritatioen granenoereine unD bie fRote^reug^ SSeretne ber oerfepiebenen
SSitnöeSftaaten burd) eigene Telegierte, Referenten unb TtSlufftonSrebner
babei oertreten maren. SSähreno an ben Vormittagen ber fünf ®ongre) 3 ;
tage „§auSmirtjchaft unb grauenfrage", „ErgiehungSfragen", „VerufSs
fragen'' unb „Tie grau im öffentlichen £eben" VerhanblungSthemen marett,
gaben bie Slbenboerjammlungen bie großen, allgemeinen, geiftigen unb fitt*
ltdhen ©eficht^punfte, unter benen bie SBanblungen im mobernen grauen^
leben fid) ooHgiehen. Ter Slbenb, an bem bie Vertreterinnen ber ter*
fchiebenenreligiöfenS3elenntniffeüber bie grau im !ird)lidhett unb reltgtöfen
geben fprachen, mirb allen Teilnehmerinnen unoergefitich bleiben. — Slnna
S?appri^ fanb erfchütternbe SBotte über bie Vebeutnng ber grauenbemegung
für bie öffentliche ©ittlidjfeit; ©ertrub S3äumer geichnete ben neuen $ultur*
tpp ber grau, bie ©pnthefe oon altem S3eft§ nnb neuen Errungenfcbaften,
bie bie grauenbemegung fdjaffen miH: „SBir haben nicht nur um ben neuen
SSoben gu fämpfen — ben mirb man unS bod) fchlieglich geben muffen —
fonbern mir haben in biefen neuen Voben etmaS gu pflangeu, maS uufer
eigentlidpfteS geiftigeS Eigentum ift. liniere Vemegung muh fo oiel ®raft
haben, fich in bem SRafee, als fie fich oerbreitet, auch P oertiefen."
Tiefe ©ä|e faffen gufammen, tnaS bie bentfdje grauenbemegung
bis gnm SluSbru^ beS SBeltfriegeS erftrebt unb erreicht hat.
5« Tie grauenBetnegung tnäbtenb beS SBeltfricgeS.
Tie grauenbemegung als ©attgeS genommen ift ein griebenSmerf
toie SBiffenfchaft, ©ojtalreform, SSolfSbilbung unb ®unft. Tie neuen
Slufgaben, bie fich M* oortoörts ftrebenben grauen in aßen Säubern
44
IL 8 ur @e(4)tcf)te ber grauenBemegmtg
ftcttten, trugen tu fi<h leinen ©egenfag, fonbern nur etwas @emein=
jameS. Stile grauen, bie an biefem Slufftieg beS ©efdjtedjtS arbeiteten,
füllten fid) einanber berbnnben. ®iefe ©emeinfamEett nach aufjen bin
gerrifj in ber ernften ©tunbe beS 1. Sluguft 1914, bie ein ganges
SSoll nach innen ftä£)lern einte. — SJlit StuSbrud) beS Krieges würbe
bie grauenbewegung, wie alte anberen großen beatmen Kulturbewe*
gungen, oor bie einzige grage gefteüt:
„SBaS bebeutet ihr int ©efamtaufgebot berbeutfcljen
Kraft? $aben ©rgtehung unbSlrbeit ber grauenbewegung biegrau
fähiger gemalt gu ber riefigen Kraftprobe, bie unfer SSol! int Singen*
bticf befielen fotl?"
gn bier fdjwerften Kriegsfällen bat bie beutfdje grauenbewegung
auf biefe grage Slntwort gegeben. $aS ^utunftsibeal, an baS fie glaubt
unb für baS fie eintritt, bat ficb als eine tebenbige, ergieherifdhe SRacht
auf jeber ©tappe unfereS SSegeS erWiefen. SBenn and) im 20. gab 15
bunbert noch baS alte SBort beS &eraElit bon ©phefuS gilt, bafj ber
Krieg bie einen gu ©Haben, bie anberen gu greien ntacbt, bie Sin*
bängerinnen ber grauenbewegung bat er als „greie" erwiefen, unb
gWar in einem hoppelten ©inn: Sie waren innerlich frei genug, um
bie grofje gefcbicbtlidje Rotwenbigteit biefeS Kampfes gu berfteben, um
„mit jeber Siebe unb jebemtpafj, mit jebern ©djmerg unb jeber greube
ein Xeit unfereS SanbeS gu fein". Slber fie Waren auch innerlich
frei genug, um ihre eigene SRiffion in ber SSelt, ben ©lauben an bie
^eiligfeit unb ben SBert beS SebenS nicht Hein unb gering Werben
gu taffen, im SSergleicE» mit ben SBaffentaten ber Scanner: „SSenn
fchon bas Seben bon Saufenben hingegeben werben tnufj, um fo fchöner
unb größer bie Slufgabe, Seben ju fdjütjen, gu erhalten, gu pflegen.
SBemt fchon über taufenb ©olbatengräbern ber $afj ber SBötter auf*
flammt, um fo mehr ift not, alle SSrunnen ber Siebe gu erfchliefjen."
®ie Seiftung ber grauenbewegung im großen Kriege ift organi*
fatorif<h*fogial einerfeitS, geiftignbeell anberfeitS. gn beiben War fie
eine SRactit beS ©rtragenS, beS $ur<hhattenS, beS Schaffens, beS ©tau*
benS. ®urd) beibeS hat fie gewirft bom erften bis gurn legten Kriegs*
tage. 2>te Stuguftnummer 1914 ber „grauenfrage" brachte einen „SBir
grauen" übertriebenen Slufruf aus ber geber ber bamaligen S5unbeS*
borfigenben Dr. ©ertrub Säumer, ber bie lünftige Slrbeit beS Sun*
beS mit folgenben SBorten umfchreibt:
ift nicht gang leicht, bieje Slrbeit im richtigen Siugenblid richtig
_ Kationalet graueubienft _4 c*
unb fchnell gu otganifieretc. ‘Die aSateriänbijcheti grauenaereine »om Diolen
Kreug treten mit ihrer gangen für ben Krieg geidjaffenen Organifation
für ihre Slufg ben ein. Sie werben ^itfsfräfte brauchen unb fie joden
ihnen auch auS unferen 9ieif)en gefaßt »erben, joroeit folche ber»enbet
Werben tönnen- Slufjetbem aber bleibt ein gang gropeS ©ebiet ber fogia*
len gürforge, baS ohne Seitoerluft, optte gerfblttterung oon Kräften unb
SJictteln plantnäfüg in Eingriff genommen werben raufe. 38ir haben beS*
halb fofort eine Organifation gejcpaffen, beren Ißlatt wir unferen SBunbeS*
Oereinen mitteilen.
SGßir haben uns in Ißreufeen mit betn SKinifartum beS gnnertt in «Ser*
binbung gefegt unb unfer tßlan hat bort guftimmung unb görberung ge*
funben. m
Unfer 93unbeSorgan wirb bon je|t ab gang ttt ben Suettft ber «Ser*
mittlung oon Stad)richten über biefe Slrbeit treten, bie Wir als (Srgängung
gu ber beS Koten KteugeS »irf|am bnrchführen gu lönnen hoffen."
Matioitaltr f$raucnöicitji. $ie in biefem Slufruf geforberte öc*
ganifation erhielt ben Rauten „Rationaler graueubienft". ©eine Sluf*
gäbe fottte tjor allem in fogiater Kriegshilfe (garoilienfurforge, Sir*
beitSbermitttung, SluSfunftserteilung) beftehen.
®er Rationale graueubienft bemühte fid» oon Slnfang an um ein
gufammenmirfen mit ben ftabtifcpen SBepörben. ©r ging bon bem
©ebanfen auS, bah et fich tnöglichft gang unb gar in ben 3)ienft ber
©emeinbe ftellen muffe unb als Organ ber Rommunalbermaltung
gelten fotte. StefeS Siel ift nicht überall erreicht worben, trogbem aber
ift bie burch ben Rationalen graueubienft ins Seben gerufene Kriegs*
fürforge ber beutfdjen grauen ein gewaltiges SBert, baS $unbert*
iaufenbe bon grauen befchäftigte unb bie fojiale KriegSnot bieler
äRtttionen linberte. 25aS gabrbudj beS SunbeS Süeutfdjet grauen*
bereine für 1916 gibt unter bem Sütel „^eimatbienft im erften Kriegs*
fahr" eine eingeljenbe ©cpilberung biefet Slrbeit auf allen ©ebieten:
in ber ©rnährungS*. SBopttungS* unb SefieibungSfürforge, im Kampf
gegen bie SlrbeitSlofigEeit, in berSBöchuerhtnen*, Säuglings* unb Kin*
berfürforge, in ber gürforge für Kriegerwilwen, SBaifen unb glückt*
linge. — ISaS SRaterial biefeS ®udjeS ift burch ti ne iRunbfrage bet ben
SSertrauenSperfonen beS Rationalen grauenbienfteS in allen ©täbten
mit über 20000 ßintoohnern unb in einigen Heineren ©täbten unb
Sanbgemeinben gewonnen, traten auch im Saufe ber langen Kriegs*
jahre balb bie einen, halb bie anberen SlrbeitSgebiete ftärfer in ben
SSorbergrunb, fo blieb hoch im gangen ber S3au unerfdjiittert flehen
als ein SeweiS ber fogialen SüchtigEeit unb .^ingebungsfähigEeit ber
grauen.
46
II. gut ßteTffidjte ber gr cmenBetoegnttfl
®aä ungeheuer rafclje Slnwachfen ber grauenberufgarbeit in allen
Schichten riicfte immer fdjärfer bie grage in ben Sorbergrunb, ob burdj
bie ©eilnahme ber grau an ber ©üterprobultion nicht ihre gaupt*
aufgabe alg SRenfchenprobugentin gefdhabigt werbe. ©er SBunb ©eut*
fdE»er grauenbereine hat au biefengragen in einer S'riegltagung Stet*
lung genommen, bie oom 26.big 29.gunil916 in SBeimar ftattfanb
unb in einer Stoffe oon SSortragen bie ©fernen: „grauenherufgfragen
unb SBeoolferunggpolitit" 1 ) bebanbette.
©urch bag §ilfgbienftgefefc oom 5. ©ejember 1916, beffen Stoecf
eg fein foßte, alle beutfdjen Kräfte bem SSaterlanbe bienftbar au machen,
tourbe auclj ber ©ebanfe ber Sibtlbienftpflidft ber grau aufgeroflt
unb in weiten Greifen bigfutiert. SBefanntlidf hat bag ©efefc baoon
ahgefelfen, bie ©ienftpflidft auch auf bie grauen auggubebnen. gn ber
©infiihrung wirb biefer SSerji^t mit folgenben SSorten begrünbet:
,,©en gleichen Strang für bie grauen auggufprechen erfdieint entbehrlich
tn ber Erwägung, bajj bie int Kriege bisher fo bewährte Sirbeitgfraft ber
beutfcften grau auch ohne befonberen 2lntrieb in reichem SJtafje wirb bereit*
gefteüt werben fönnen."
Helene Sange nennt biefe Segrünbung für bie grauen ehrenboH
unb fdfmerglich gugleich. Um bie ©mpfinbung weiter graucnfreife 3 um
Slugbrucf gu bringen, richtete ber 33 unb ©eutfcher grauenoereine am
24. StoPemher 1916 eine ©ingabe an ben Stochghaughaltgaugfcffujs,
in ber bie 93ereitmiHigfeit gur {ßtitarheit erllärt würbe.
SRitarbcii bei ben Äriegsämtern. ©er SBunfch ber grau nadf
©iitarbeit bei ben trieggämtern würbe halb nach gnfrafttreten beg
§ilfgbienftgefe|eg erfüllt burdf bie (Schaffung ber grauenreferate an
ben Srieggamtgfteßen, beren Stufgabe bie Iterangiehung unb grei*
machung weiblicher Slrbeitgfräfte gurn @rfa| ber äRänner unb gu öer=
ftärfter fölunitiongergeugung War. gm Sfofchlufj an bag Srieggamt
Würbe eine grauenarheitggentrate gefchaffen unb beren Seitung in bie
§änbe omt Dr. ÜJiarie ©lifabeth Süberg gelegt, ©en Srieggamtgftetten
bei ben einzelnen ©eneratfommanbog würben grauewSlrbeitglfaupt*
ftetten angegliebert, mit beren Seitung rneift grauen betraut Würben.
®ie erften Paragraphen beg Slrbeitgptaneg für bie ©ätigfeit ber grauen*
arbeitggentrale unb ihre Unterorgane tauten:
1. ®ie grauenarbeitggentraie hat bie Aufgabe, mit bem Siele fiöchfter
Probuftiongfteigerung aKe bie ffltafjnahmen in bie SBege ju leiten, bie bie
1) galfrbud) beg Vttnbeg ©eutfcher grauenoereine 1917.
__ ffilfgbienft unb ftieggämter _ 47
Strbeitgfähigteit unb Shrbeitgroifligfeit ber weiblichen 9lrbeit$fräfte jeber Slrt
fbrbern.
2 ©>ie grauenarbeitggentraie h at besbalb barauf hinjuwirfen, bah alle
Slrbeitglfemmniffe für bie grauen nach äJlögUdffett befeitigt werben.
®ag bebingt:
a) Wiafwaljmen gum 6d)ufce ber ©efunbtfeit;
b) Vereitfieltung geeigneter Gcclfolunggräume, SBolfw unb ©d)tafgelegen-
heiten;
e) Vefdjaffutig angenteffener Verufgtleibung;
d) Verbefferung ber SSeförberunggoerhültniffe unb VerlehrSmittel;
e) Verbefferung ber Organifation ber •Jiahrunggmittelbefchaffung nnb
=Verteilung für bie grauen.
Sieben bag {Rote Sreug, ben Vaterlänbifcfjen grauenöeretn unb ben
{Rationalen grauenbienft trat fomit eine Oon ber §eeregoerwaltung
auggehenbe grauenorganifatiou mit einem ausfdjlie^itic^enSric'gggwecf:
bie greifet}uttg möglichft Dieter grauenfcäfte für bie fötunitiong*
herftetlung. Siiidfchauenb fann man fidE) bem ©inbrud nicht oerfchltefjen,
baff biefe Drganifationen überall bort ©uteg leifieten, wo ihre Sei*
tung in ben Rauben praftifh erfahrener, fogial gefchulter grauen lag.
SBenn aber, wie in mancher {Refibeng, ber ©hrgetg ungefchulte
VereinSbamen trieb, ftdf an biefer ^öcEjft fdjroierigen fo^ialpolitifcljen
Slufgabe git Oerfudjen, bann würbe nur gu leicht SBernunft llnfinn
unb SBoljltat plage, ©er ©eift beg SBinterg 1916/17, ber in bie
Srieggamtlftetten eingog, war nicht mehr berfelbe Wie ber beg galfreg
1914, ber ben {Rationalen grauenbienft fcffuf. ®te innere Seifig machte
fidj Bereits in einer fteigenbenörregung breiterer S3eoöfferunggfchi<hten
fühlbar.
©eg Saiferg Dftererlafj oomgahre 1917, ber biefe ©rregung bannen
foßte, liefe auch in ben grauen ben SEBunfdf nach potitifdjer Gleich¬
berechtigung wieber aufg neue erwachen unb fteßte auch für fie bie
inneren Probleme beg Staatgleheng wieber mehr in ben SSorbergrunb.
Qn bet ajJanSlummer 1917 ber grau febtieb §elene Sange: „®g ift eine
alte politifche Wahrheit, baß Vatcrlanbgliebe unb 33ereitfd)aft gum Opfer
für bag Vaterlanb erft ba ihre höchfte unb reinfte gorm erreicht, wo ihr
eigene Verantwortungen auferlegt Werben, Wo fie gu freier Mitarbeit am
©chidfal beg (Danken berufen wirb. SSSir woüen bie Hoffnung noch nicht
aufgeben, baff, wenn ber Dfiererlafj 'in pofitioe Sorfchlage, in praltifche
SReforraen umgefegt wirb, bie politifche ©runbmeighett, ju ber er {ich be»
lenut, bah bie eoelften Äräfte beg SSolfeg nur burd) Vertrauen unb Ver*
antwortung ergogen werben, auch auf bie grau angewenbet witb."
IHeuorientierung. gn ber beutlidhen ©rtenntnig, ba| bag ©rlahmen
ber Seele unter ber furchtbaren Saft beg nid)t=enben=tt)olIenben Sriegeg
48
II. gur ©efcßicßte ber granenbemegmtg
nur aufgeßalten Serben f onnte burcß ein geiftigeS giel unb eine macßfenbe
SSergeiftigung beS Sehens, hat bie beutfcße grauenbemegung ißre
Anfängerinnen int brüten unb bierten ®riegSjaßre zur ffltitarbeit an
ber inneren Reugeftaltung SeutfdjlanbS aufgerufen. Ser SunbSeut*
fdfer grauenrereine trat im £>erbft 1917 in einer an alle bunbeS*
ftaatlicßen Regierungen überfanbten Senlfdjrift für bie ©emäßruttg
ber ftaatsbürgerlicßen Rechte an biegrau, befonberä aber für bas ®e*
nteinbemaßlrecßt ber grau, ein. Sie ftaatsbürgerlicße Schulung ber grau
tnirb 3 unt SJtittefyunft ber 33ereinSarbeit ber grauenbemegung unb
fließt als neu belebenber Strom neben ber alltäglichen fo^ialen unb
SßoßlfaßrtSarbeit einher. Reben biefer geiftigen Übergangsaufgabe,
bei ber bie grauen ficß über ben Anteil ißreS ©efcßlecßts an ber Rem
Orientierung !Iar merben fottten, ftanb eine anbere, prahifcß organü
fatorifdje Aufgabe, bie Semobilmacßung ber zahlreichen grauenhafte
bei SriegSenbe. gm guni 1918 öeranftaltete ber Sunb Seutfdßer
grauenbereinejufammen mit bemftänbtgen Ausfluß für Arbeiterinnen*
intereffen eine Sagung in Sertin mit bem Sfema: „Probleme ber
grauenarbeit in berÜbergangSmirtfcßaft". SenSerfanbtungen tag eine
33eröffentlicßung*) beiber Drganifationen jugrunbe, in ber biefe fßro*
bleme nach ben öerfcß iebenften Seiten f in beleuchtet unb ißre Säfung oer*
fucßt mürbe.
# ®te ©inberuferinnen ber Sagung tonnten nicht aßnen, baß faum
ein SSterteljaßr fpäter baS beutfcße Sol! bor ber graufigen 33ernicß*
tung feiner SBünfcße unb Hoffnungen fteßen, baß bie Semobilmacßung
in einem zerrütteten unb gelnecßteten Seutfcßlanb fidE) boK^tetjen mußte.
Sie beutfcße grauenbemegung aber ift fich felbft treu geblieben. SiS
Zur lebten bitteren Stunbe fat fie auSgefalten in ber Arbeit, über
Rieberlage unb gufammenbrudj hinaus hat fie feftgeßalten an ißren
gbealen. gn ben berfängniSbotten Ditobertagen beS gaßreS 1918
erließ ber Sunb Seutfcßer grauenbereine folgeube ©rflärung:
„Sie beutfcßen grauen, bertreten burcß biete Saufenbe bon Vereinen
alter Selenutniffe, Parteien unb Arbeitsgebiete, treten in biefer Seit
fernerer Erprobung nuferer nationalen ®raft zufammen unb erfläreu ein¬
mütig:
ASirßaben hier fernere SEriegSjaßre ßinburdj nufere graueimflid)ten im
Haufe, im Seruf unb atS SteUoertreterinnen ber im gelbe fteßenben SRänner
erfüllt tu bem nie erfcßütterten Vertrauen, baß biefe Sftämter, unfer Solls*
.. *) Dppenßetmer u. RabomSli, Probleme ber grauenarbeit in ber
Ubergangsmirtfcßaft, Mannheim 1918.
49
_ _ Am @nbe beS AJeltfrtegS
feer, unfere (grenzen fdjüßen als unbezwingbarer SSatt. RSenn etrnaS btefeS
rußige unb ftolze Sertrauen itocß erßößen lann, fo ift eS bie gegenwärtige
©tunbe beS @ntfcßeibnng$fantpfe§. Rßir miffen, baß bie beutfcßen Gärtner
bie entfdjeibenbe Sebeutung biefer ©tunöe fennen unb in mterjcßütterltcßer
AuSbauer ben geieben erfämpfen, ben ber SemicftungSnnÜe unfexer geinbe
bem beutfeßett Angebot immer mieber öerfagt ßat.
Unb mnn eüoaS nod) größer fein fönnte als nufer Sertranen, fo märe
eS unfere Sanlbarfeit. Sie Aianner ^DeutfcßlanbS, non feiner ßoeßgemuten
gugenb bis zur äufeerften (grenze ber AtanneSfraft, ßaöen uns oor bem
furchtbaren Scßkfjal bemaßrt, bie Hetmfiätten, bie mir für fie ßüten, z^ s
ftört, §abe unb Arbeit üemießtet, unfere ^tnber bem ©lenb preisgegeben
Zu feßen. ©ie ßaben mit ißremSlut, mit ißrem tobeSmntigen AnSßatren
baS SSatexlanb zum zweitenmal erbaut als eine Stätte, bie nun ißrer
frieblicßen Arbeit fefnfncftig farrt, bie nadß bem lebten fureftbaren Ringen,
Zu bem'fte jegt bereit fießen, eine Stätte freißeitlic^er ©ntmicflung unter
eigener SSerantmortung merben foK. Aucß biefeu Aufftieg banfen mir ber
immer mieber bem £obe tro|enben Sapferleit, bie unS bie ®runblagen
ftaatlitßen Sehens unb gefcßid)tlid)er ©ntmidlung aucß mitten im Kriege
erßielt.
gn biefer Stunbe, oom S(ßid|al fo ferner gezeidfnet mie !eine je zubor
in nnferer ©efefießte, wiffen aucß mir grauen, baß mir neben ben Gönnern
auSznfarreu h fl ben, mie in ber Urgejcßicßte mtiereS SßolfeS bie grauen
ßiuter ber ASagenburg. AuSzußarren in nie ermübenber STreue ber Arbeit,
in bem SSemußtfein, baß rußige fpfli(ßterfüüung, tapfere ©efinnung unb
liebetoüe Hüf^bereitfifaft aucß bie H e Mtatfront uuüberminblicß madfen.
Unfere ®inber fotlen einmal ebenfo ftolj fein auf ißre Aiütter, mie fte
ftolz ftnb auf ihre SSäter.
Unb fo geloben mir eud), wir beutfifen grauen, ben Rerteibigern beut=
f(ßer greißeit, baß Wir bie H e imat mit bem gleicßen ©eift umfaffen unb
erfüllen motten, ber eud) bem gurcßtbaxften tägltdj unb ftünblicß inS Auge
flauen läßt, bamit wir ©d)ulter an Scßulter mit eueß fämpfen unb mit
eu(h auSh^rren Wollen, bis ißr zmRdfeluen bürft in itnfer fdßöneS Sanb,
bon bem ißr unter eurem großen güßrer bie Hubgier ber geinbe ab
geweßxt, baS ißr euren Sintern unb ^inbeSlinbern, ber blüßenben beut?
feßen gulunft, bewaßrt ßabt."
©inb biefe Säfee nt^t nur ein anberer AuSbrud für bie Überzeu*
gung, aus ber feierte Sange im fiegeSfomtigen Herbft 1914 fcßrieB:
„©ewiß, bie grauen leiben tiefer unb fdßmerzlicßer unter ben Opfern,
bie geforbert meröen. Aber Wenn bie Srage ßeißt: ^rieg ober Stißftanb
beutfetjer ßntmictlung, Sob ober Knebelung beutjepen Gebens, fo lautet bie
Antmort ber bentfeßen grau oßne 93efimten: „^rieg unb STobl"
Sie lefeten SBertibeen bleiben mterfcßüüert in allem SBeltgef^eßen.
Sie befeelen aucß ßeute, ttad) ber Unterzeichnung beS SißmaihfrtebenS,
bie beutfeßen grauen imb erßalten in ißnen bie Hoffnung auf eine
beffere gulunft.
TOu© 761: ©erna^s, 2)ie beutle graucn6en?eöung
4
50
II. Sur (Sejdiidjte bet ffrauenSetoegunfl
6. $>tc graucnücWcBung feit her 9tctJoluiion.
2>tc ©ctoäjjrung bc£ 2ßai)hctfjt§. S£ fattn mit 9tect)t gejagt
Herbert, baß bie SriegSarbeit ber beutftfjen grau fie als reif ermiefen
^at für bie Mitarbeit am Staate, bie ißr burd) baS aftioe unb paffioe
2Sa^lred)t gemährt mürbe. ghren ©runbfäßen getreu, berlieh bie
fo^iaüftifdje Regierung ber beutfe^en fRepublif burd) einen Srlaß born
15. -Jtooember 1918 allen über 20 gat)re alten grauen baS alt ibe
unb paffioe 3Bat)lrecf)t für 9teicf), Staat unb ©emeinbe. Unmittelbar
barauf fetzte eine lebhafte 9tgitalion^tätigfeit ein. Sämtliche Parteien
mußten fid) ber SJittarbeit ber grauen §u berfichern. ®ie grauen*
bemegung felbft verhielt fief), ihrem Programm gemäß, parteipolüifdj
burdjaus neutral, unb Der ©unb ®eutfd$er grauenueretne richtete im
November 1918 folgenben 9Xuiruf an feine 99htglieber:
„Qn fd)tt)erfter Stunbe tuerben bie beutfd)an grauen vorauSficßtlid) jum
erften SJtale bie ©eid)ide ihres 2$aterlanbeS mit zu beftimmen in ber ilage
fein. (£S ift tvof)l ficher, baß fie baS Wablredit §ut Wationalveciammlung
befommen merben. 3)te Vereine ber grauenbervegung tragen für bie von
it)nen vertretenen graueufreije bie jebroere 2krannvortun.], burd) an*
geftrengtefle Arbeit bafiir zu forgen, baß feine grau biefer 2lbftimmung
fcrnbleibt unb baß jebe grau fie tm vollen ^etvußtfein ber Gerant*
tvortung, bie fie t>ägt, unb beS SinflufjeS, ben fie baben fatin, ausübt.
Wenn aud) vorauefid)tlid) bie gauen innerbalb ihrer Parteien mäßien
tverben unb müffen, ba fie fonfi nur gerjplitterung feßoffen Würbtn, jo ift
e£ bod) Aufgabe ber Vereine ber vrgamfierten grauenbetvegung, ihre
fämtltd)en TOtglieber unb alle ihnen *ugänglid)en grauenfreife barauf
hin^urveijen, bau fie im Nahmen ber Parteien biefe ihre Pflicht Durd)*
führen. Xa insbefonbere innerbalb ber bürgerlid) n Parteien bie Orga*
nijation ber grauen nod) fehr lüdenbaft ift, fo merben unjere SSereine in
ber üoge fein, vielfad) bie guhrung überneßnten zu müffen unb ihre 'JJiit*
glteber im bahnten ber eigenen s Parteiüberzeugung z ur Mitarbeit an^u*
regen unb gu jdjulen.
$);e ^eieine ber grauenbemegung als fold)e müffen natürlich bermeiben,
politijd) ^aTtei z u ergreifen. gl)re $flid)t befteat ni^r in einer s 2luf«
fläruug unb 2ln*egung §ur parteipoliitfd)en örganifaiion je nach ben
eigenen Überzeugungen ihrer s JL)titglieOer.
gür biefe Arbeit ift abfolut feine geit zu verlieren, fie muß fofort, mo
eS nod) nid)t gefebeben ift, in Angriff genommen merben.
(£3 braucht unferen S3unbe»Vetetnen nid)t auSbrüdlid) gefagt zn merben,
tvelcße s 43ebeutung ihre Arbeit in biefem lilugenblid gewinnen fann. (£s
braudit ihnen nid)t gefagt zu merben, baß ber 3)rud eme$ unbefdireibtich
fd)meren SdjidfalS unS fernen ^Uigenblid hemmen barf, ade Kräfte in
ben 2)ienft ber großen SSerantmortung z u ftetten, bie mir im Slugenbüef
mit auf unfere Sdjultern nehmen müffen/'
SSaßfrecßt
51
®te erften SSaßlen fanbert am 5. Sattuar 1919 für btc Sabifcße
9Monaloerfammluttg ft alt; ihnen folgten am 12. Sanuar bie
baßerticheit unb toürttembergtfcßen, atn 19. Sanuar bie 33hl)len §nr
$eutfcßen ^ationalperfantmlung, am 26. Januar bie hejfifdjen unb
preu^ifcheu SBalfot. ©ei {amtlichen SBaßlen mar bie ^Beteiligung ber
grau außerorbentlidh rege.
Sitte große berliner geituttg fd)mbt über bie beutfdjen Sftationctü
zahlen:
„2)ie SBaßlert hatten bieSmal eine Befonbere 9lpte burd) btc grauen
erhalten, gaft überall madjte man bie 58eobad)Utng, baß bie grauen bie
erften tvaren, b e fiep am Waßlttjd) eiitfanben, um ihrer neuen floate
bürgerlichen Pflicht zu genügen. Dtfocß etma^ unfteber ztvar, aber bafür
befto ftolzer, traten fie au oie Urne Ijerart. Unb nid)t nur bie jnnqen
SIKöbchen famen, fonbern auch bie $iuöfranen, bie ott fd)on vor 9 Ußr
morgend erfd)tenen, um über bie poiitijchen Pflichten nicht bie beS
haltö zu vernachlöjfigen. Rk grauen mären aud), bie in ben legten
iagen am eifrigften SBerBearbett geleiftet haBen. Unermübtid) |ud)ten bie
Helferinnen aller ^arteten bie fäuntigen TOtfchmeftern auf uns brachten
fie an bie Sßaljlurne heran. SBei betn 2Bat)laft felbft benahmen fict) bie
grauen im allgemeinen burd)cm3 fteßer unb felbftanbig. 2)ie Voraufs
gegangene ^ropaganbaarBeit rvar unVerfennbar. 2)a moüte e3 meuig
jagen, baß ßier unb ba ein altes graudjen ben SBaßlVorfießer um 9iat
fragte, ob fie aße ipr in bie Hanb gebrüdtett Stimmzettel abgeben joüte,
ober um s 2luSfunjt erfueßte, men fie iväßlen müffe . . .
$t)pi)cß tvaren geftern bie garnilienmaßlen. Unter ber güßrung beS
DberhaupteS erfepienert in ber SRegel alle gamilienmitglieber, um, meiftenS
rnoßl zunt erftenmal, ißr polittfdjeS SlaubemSbefenntniS abzu egen."
kuS granlfurt tnurbe berichtet, ba§ bie ©ebulb ber SBäßler unb
SBähleiinnen auf eine nicht geringe Sßrobe gefteßt mürbe.
„Sßcancpe Stunbe ging verloren, aber gerabe bie grauen, bie je|t zttm
erften 3)tale mitberufen finb, an ben ©efeßiden beS s J^eid)eS unb ber ein*
gelnen Staaten mitzumirfen, mürben nid^t unmilltg. Sie hüben in ber
iMi’gSzeit baS Söarten gelernt. —
S)ie Wahlbeteiligung mar fet)r ftarl."
Sroß ber großen metblict)en 2Bäl)lerf^aft ift bie Qat)l ber meib*
ließen s ilbgeorbueten freilich nicht groß geworben unb tnele grauen
Ijaben erfahren, baß ber Sampf unt bie grauenrechte auch inner*
l)alb ber Partei weiter geführt merben muß. — ®er ®eutfd)en
^atioualoerfammlung gehören 28 grauen an, unb zwar Pon
ber £eutfd)nationalen SSolf^partei 3; bon ber Seutjcßen liberalen
SSolfSpartei 1, Pont Sutrum 5; bon ber ^eutfdjert Semotratifdjen
Partei 4, bon ber SKehrheitSfozialbemolratie 12, bon ber Unafc
gängigen Sozialbemotratie 3. §n bie ^ßreußif ö)i 5lationaloerfairtm^
4*
52
II. gut ®efd)icfrte ber granenbemegung
Imtg tourben 22 grauen getüäfjlt, unb gtoar 1 bon ber ®eutfdj*
nationalen SSoIf^^artei, 2 bon ber Seutfcheu VoltS^artei, 5 bont
Sentrum, 2 bon ber $eutfchen $emofratifchen Partei, 10 bon ber
9CTie£)rJ)ett^fo^talbemofratie unb 2 bon ber Unabhängigen ©ojial*
bemofratie. Sn ber ^effifd^en -Katioualderfammlung finb 5 grauen,
unb gmar 2 bon ber äJtehrheit^fo^ialbemofratie unb je eine bon ben
übrigen Parteien, gn ber Sächfifcheu Sßationalberfammlung finb
3 grauen, 1 9JtehrheitSfogialtftin, 1 Semofratin, 1 Unabhängige.
3tt ber SSürttembergifchen SKationatberfammlung fi^en 13 grauen,
unb gmar bon ben Unabhängigen Sogiatbemofraten 1, oon ber 3Jleh^
heitsfogialbemofratie 4, bont gentrunt 3, bon ber Seutfdhen Semo*
Iratif(f)en Partei 5. gn bie Vabifdje SJlationalberfammlung finb
9 grauen gemählt toorben, unb gmar 4 Sogialbemotratinnen, 4 grauen
ber gentrum&partei unb eine ber 2)eutfd)en 2)emofratifd)en Sßartei.
S)ie Vertretung ber grau (in ben ^Parlamenten) entbricht fomit ntc^t
ber Vebeutmtg ber leiblichen SBählerfdjaft. Srofcbem ift es bon aus*
fdhtaggebenber SBichtigteit, baf$ bie Slnfichten ber grauen in einer
gefe^gebenben Sörperfchaft gehört toerben.
gm grühfahr 1919 fanben überall bie ©emeinbemahten ftatt.
Sind) hier ift bie Vertretung ber grau noch nicht enttyrechenb ihrer
jahlenmäfugen Vebeutung. Seiber mar bie Veteiligung ber grauen
bei ben SBahlen gur ©emeinbe geringer als bei ben SBaljlen gur
SanbeSöerfammlung. ©ine getoiffe SBahtmübigfeit machte fid) bei
ihnen ebenfo mie bei ben ÜDiännern gettenb unb erftredte fid) burd) 3
aus nicht nur auf bürgerliche Greife.
2BaS bie grauen ber granenbemegung bon ber neuen Seit auf
fogiatem unb politifchem ©ebiete erhoffen, fott gum Schluffe h^ mieber*
gegeben toerben mit ben SSorten beS neuen SProgranimS, baS ber Vunb
®eutfd)er grauenbereine fid) auf feiner Tagung bom 15. bis 18. Sep 5
tember 1919 gegeben hat:
$)er Vunb ^)eutfct)er grauenbereine bereinigt bie beutfdjen grauen jeher
Partei unb 2öeltanfd)auung, um ihre nationale gujammengehörigfeit gum
ÄuSDrud gu bringen unb bie allen gemeinsame gbee bon ber ®ulturäuf*
gäbe ber grau gu öermitflid)ett.
2Bir erfaßen bie ^ulturaufgabe ber grau auS bem ©rwtbfafc ber freien
^erjönlichteit, bie fid) in felbftänbig geroählter Verantwortung an bie
©emeinfehaft gebunben fühlt, auS biefem Vemu&tjein h erau ^ tljre $raft
entmidelt unb in felbftlofer Eingabe für baS ©ange einfefct.
liefern ©runbfa^ getreu moüen mir an gorm unb gnhalt beS ©emeln*
fdjaftSlebenS arbeiten.
$)aS neue fptogratnnt be§ VurtbeS
53
S)ie gamilie.
®ie gamilie ift beftimmt, als h^^fte unb innig? e gorm tneni<hltd)er
SebenSgemeinfcbaft bie toid)tigfte ^PjXegeftcitte aller Kräfte beS ^nuenlebeitg
gu fein. 53ie Feinheit beS gaittilienlebenS ift baber bie (Srunbbebtngung
fogialer ©efunbheit unb nationaler 2>le gatmlte als ftttltje
Seben^gemeinfchaft fefct bie Anerfemtung ber grau als bem SWanne gletchj
berechtigte unb gleid^oeraixttnortlidhe $erfönlid)!eit oorau§. @te erforbert
als ©runblage bie IXnterftellung beS feguetlen SebenS bon SJtaun unb grau
unter baS gleiche ©ittengefefc. Um Ü)te Aufgabe tu ber @l)e unb bannt
bie fittlidje unb [ogtale Veftimnumg ber gamtlte erfüllen gu fönnen, etc
^^"«djtHt&en ^ gajniKe; ©leic^ftetlimg bet ©jefrau unb
SRuttet mit bem SRann utib SSoter; ■
in ber ©tellunq beS Staates gum aufceretjeh d)en @ef d)Iei3)t$»
Beliebt: SBefettigung bet bopfeften SR oral gegenüber ber
tidjen URutter, »nerfennung ber gleichen 3ied)te be« nne^elt^en tinbeä
auf <5 d)u^, ©rjie^ung unb fogiale entmidtunglmögti^tetien, sauf«
fiebunq ber SReglemeniierung bet ‘ßroftitutiort;
in ber ©ogialfjoUti!: nnbgötbetung betgatntltebnt«<St«er=
fteUung Bon SOtutter unb fiinb, burd) eine fogtale SSofiuung^o ttit,
©rnährung^' unb ©efunbljcit^fürfürge, burd) Vetampfung bep Slllos
holiSmuS, burd) ergängenbe ©xgiehung^fürforge unb meitf^aneube
fi'utturfjftege. ® ie Arbeit.
®ie grau mu§ in ber Sage fein, ihre Kräfte frei gu entmidelti unb
nach 5lrt nnb ^afs ihrer Anlagen int Organismus beS VerufSlebenS etm
gufefeen. $>ie ^onturreng ber Gefchle^ter mu^ bei Solcher freien Vetattgung
ber Kräfte bnreh eine gtuedoolle fogiale Arbeitsteilung übermunben merben,
innerhalb beten SlJtann unb grau bie ihrer Statur gemäßen Aufgaben
a™l^®orau§fefeuttg für fotd)e toefenägemäfie Entfaltung ber »eiblic^en
S3eruf§tätig!eit im 3iaf)men ber nationaien Sßrobuftion fmb ju erfiteben:
®leid>e äRögüdjfeiten ber Stu^bilbung unb gortbubung für
Knaben unb SKRcibdjen; «Pflege unb Sertiefung ber SJlulbtlbung tn
alten berufen, einidjUefetid) ber fpesififc^en grauenbemfe
Botte SBerufäfrei^eit für bie grauen in bejug auf gutaffung jn. ben
berufen nnb aiuffiicgSmögticbletten in i^nen,
tBega^Iung unb SSefotbung bet grauen nad) bem ©tunbfa$ m
gleiten Sot)nä für gleid)e üeiftung,
Stäriung ber SBeruf^organifationen unb Bolle fflnietlna^me bet
grauen an ben gefehltchen Vernf^toertretungen (inSbejonbere am Unfs
bau beS mirtfc^aftlicfcjen 9täteft)ftemS), .
Anerleunung ber probuftioen Arbeit ber §auSfrait burd) g^
berung ih^ SluSbilbung, Drganifation unb mirtS^aftSpolittfchen
SSertretung. unb @enteinie .
Stuf ®mnb ber in ber beutftfjen SSerfaffung gewa^rleifteten Bouen
-.potitifdjen GHeidjberectittgung ift eine lebenbige Stliltoirtung ber yranen
54 III. gut £I)eotte bet gtauettfreroecmng _
bei ber ©eftaltuna ber polttijdjen £ebett3formen §u erfireben. 5113 übet*
raqenbeS giel unb etntgenbe Ö^tc^tlinic gilt babei bte Entfaltung aller
©iiter geiftiger unb fittlidjer Kultur auf bent 33obeit fosialet ©eredbtigfeit
unb im ©eilte eines Itebeooüen (SemeinfdjaftSbeitm^tieinS. 2 )ie befonberen
ftaatSbiirgerlidjen Aufgaben ber grauen liegen
in ber pflege beS 9ftenjd)entum$ gegenüber bem bloßen ©treben
nad) ©ütemtmefyrung;
in ber ©rljaltung ber beutfdjen ©tnljeit, in ber görberuttg
beS inneren grtebenS unb bet Überminbung jovialer, fonfeifionetter
unb boiitifdjer ©egenjä^e burd) Opferbereitfc^aft, ©emettifinn unb
ein ftarfeS einheitlich Voltebettmjätjein;
in ber Vertretung ber befunberen gnterejien unb Söebürfniffe
ber grauen unb . ftinbet.
Um bieje Aufgaben 5 u erfüllen, ergebt ber Vunb ®eutfd)er grauen*
ber eine:
ben Eintritt möglidt)ft bieter fadjberftänbiger grauen in bie
gefc^gebenben unb berroaltenben ^örperjc^aften bon ©emeinbe, Kirche
unb ©taat;
bie ©inftellung bon grauen in bie Regierung, inSbefonbere
für bie $urd)füf)rung joaialpolitijdjer unb fulturpolitijdjer Aufgaben;
bie ftaatSbürgerlicbe ©d)uluog aller grauen burd) bie ©djule, bie
VolfSbilbungSpflege, bie bolitifd)en Organijationen.
gur Vermirflidjung aller biejer Siele will ber Vunb ®eutfd)er grauen*
bereine bie giauen iammeln im Eeifte einheitlicher aujbauenber Arbeit,
im (glauben an bie $raft unfexeS Volles ^u neuem ^lufftieg unb im auf*
richtigen heiligen Villen jur gemiffenhaften, tatfräftigen ©rfüHung ber
$flid)ten, bie auf bem Voben neuer 3ieÄ)te erma^fen.
III. ,3«r ^Jjctme bn* ^raucubcmcgnttg.
1. 2>ic «Stellung bet $raucn6ttoegung
ju @ljc unb gamilie.
®te granenbetuegnng ift ein ®eil beS großen SnbibtbnalifierungS^
pro^effeS, ben bie StJienfcß^eit feit gajjrtaufenben burcßläuft. ga feinem
©efolge treten notmenbig ffonflifte ein 5 lt>ifd)en ben überfommenen
SBiUenSgemeinfchaften, in benen baS gnbiüibuum fid) oorfinbet, unb
bem ©tn^elmenfchen felbft, ber nach immer ftärferer ©ntmidiung feiner
gähtgfeiten ftrebt. ®ie eigentümliche ©oppelfteUnng ber gamilie
— gugteicE) Seim^eüe oller Sutturentttncfiung gu fein nnb hoch, tuenn
fie mit rüdfidtSlofer Autorität ihre Siebte geltenb mad)t, ftörffteS
|)inberniS alles freien ©IrtbenS — h ö * ^n allen Seiten ihre SSe^iehung
51 t nen auftauchenben getftigen unb fokalen ©trömungen befonberS
^roblematifch gemacht, gür bie grauenbetoegung toarb biefe ^roble*
55
®he unb gamilie
mätit noch oer^ärft, toeit bie grau trabitionett in weit höherem Bafje
@Mieb unb Sigentnm ber gamilie war at? ber Wann, öbre „®mcw*
gipation', bieSöfttng ber gcffeln, bie bie grau an bie gamilie fnüpften,
Wien beren gange? ©efüge gu locfern. $ie «egiehung oon Bann
unb grau, oon @ltern unb f inbertt, ber ®eftanb Ui fpeimS als Kultur;
orunbtage be? «olle«, bie öffentliche Sittlichfeit unb felbft ba?
wadj?tum fchienen in ljo£)eitt ÜJla&e gefährbet, wenn bie grau ©leid)'-
fteüung mit bem ©tonne forbttte, neben ihrem Schaffen für ben
eigenen £>au?halt tnittoirfen wollte im großen ^au?halt be? Staate?,
aufjtr ber Sorge für bie eigenen Üfinber 93olf?eTgiehuttg?(irbeit leiftete,
unb au? bem Schule be§ fjaufe? herauetrat in bie DffentlidiEeit. 2 >ie
^ulturbebeutnng ber (frauenbetoegung ift immer mieber mit bem §in=
Wei? auf ihre familieuäer[e|enbcit (Sinflüffe angegriffen rootben, unb
auct) burdjau? ernft ju uehtttenbe, ehr(i«h e ®egner haben bie Steu¬
erungen im grauenleben nur auf bie unverheirateten grauen am
Wenben wollen; bie Stellung ber ^auefrau unb üRntter bagegen fülle
unberänbrrt bleiben. — Bo ber fcljmerfte Sampf tobt, wetoen bie
größten Siege errungen. ®erabe in ihrer 2 lu?einanberiebuug mit ben
überfommenen gormen ber gamiltengemeinfchaft hat bie graueu-
bemegung bemiefen, ba^ bie oon ihr erftrebte Freiheit leine leere unb
blinbe BiHfür ift, fonbern eine fitttiche Selbftgefe^gebnng.
Slufgeräumt freilich h « 1 bie grauenbetoegung mit bem alten 9 $ot;
urteil, ba§ bie unoerheiratete grau gejeüjchaftltcb, fojial unb be;
Wufjt ober unbemugt — oft auch bem inneren Berte nach hinter bie
berheiratete grau jurüdftellte. Üluclj bie grau empfangt Bert unb
Biitbe ihre? 2eben? bnr^ fiel) felbft, nicht burd) ben SJiann. Sluch bie
aüeinftehenbe grau braucht fein oerfümtnerte?. um ba? Sefte be?
Seben? betrogene?, in ber ©ntmieftung gehemmte? ©efchöpf äu fein.
Sfann fie ihre fßerfönlichfeit in bem »on ihr erwählten Birfunglfrei?
boü jur ©ntfalmug bringen, fo Wirb ihr Seben an 340e unb 2iefe
reicher fein al? ba? mancher &f)efrau, bie wertbotle Schaffen?fräfte
um be?£ienfte? in ber gamilie triOen in fiel) ertöten mug: „'S« Statur
ift nicf)t fo nnbernünftig unb graufam," fagt SDtarianne Beber, „baff
fie bie Streichung perfönticher «oOenbung eine? Befen? bebingung?;
Io? abhängig gemacht hat oon feinem, nur burd) ein anbere? Befen
erreichbaren ©lüd." t ,
$iefe oon ber grauenbcWegung erftrebte fouale unb gefeuWaftUqe
Schälung ber grau nad) ihrem eigenen Befen?iuhatt bringt jugleich
56
III. gut £i)eotie bei grauetibemegung _
gum Slugbruif, baß fie nicht nur bag dienen bon SDienfcfj gu SHenfch,
fonbern jebe Eingabe an über^erfönltcfje gmecfe unb 3iele, beren ein
toeiblidfjeg SBefen fähig ift, alg gleichwertig erachtet. Boraugfefcung ift
nur, baß eg fich um Wirkliche Eingabe, nicht nm Sitettantigmug ober
geiftigeg @dmtaro|ertum fjanbelt.
^rnben nun auch biefe beiben ©runbübergeugungen ber grauen»
betoegung ber neuen grauengeneration ein ©efüEß innerer Sicherheit
unb ber Berechtigung iEireS außerhalb ber gantilie ficE) obf^ielenben
SBtrleng gegeben, fo ift bie grauenbemegung hoch Weit baooit entfernt,
ettoa in bag anbere ©£trem gu berfaßen unb bag ou^erEjäuSticEje SBir»
len bem häugtiöfjen borangufieflen, bie SätigEeit ber Saugfrau gering
gu achten. Sehen mir felbft im SlugenblicE nach ab bon ber Vertiefung
unb Verfeinerung, bie fie für bie feeltf<h»fulturefle ©eite beg Saug»
mutterbernfeg erftrebt, unb betrachten mir nur ihre Slnfdjauung bon
ber materiellen Unterlage besfetben, ber fpauätätigfeit, fo ergibt fich
bem borurteifglofen Beobachter eine hohe 2Bertf<hä|ung begfelben. gür
bie große Sftehrgahl ber grauen ift fein Beruf fo geeignet mie biefer
natürliche Beruf im Saufe; er ift aßen mechanifchen Sätigteiten bor«
jugieheu, benn er gemährt große ©ntwirflunggmöglichfeiten für Sörper
unb (Seift unb ift bem SBefen ber grauen befonberg gut angepaßt. Sie
Bemühungen um Verbefferung ber haugwirtfchafttichen Slugbilbung
haben feit ber ©rünbung beg Setteoereing in ben gugenbjahren ber
grauenbemegung ftetig an Umfang gemonnen. Sie Übergeugung, baß
jebeg junge Btäbcßen, einerlei aug Welchem ©tanbe, grünbliche haug»
mirtfchaftliche Senntniffe ermerben müffe, ift bießeidjt in ben Greifen
ber grauenbemegung meiter berbreitet alg in manchen anberen, bie
mahnen, befonbere Süter ber gamilientrabitionen gu fein. Sie grage
ber hnngmirtfchaftlichen unb ^ou§mütterlidhen Slugbilbung ber
üßtäbchen ift maßrenb beg Sriegeg unter bem ©cßtagmort: „SBeiblidjeg
Stenfijal)r" neu belebt morben, unb auch bie grauenbemegung hat
baju in Beröffentlidhungen unb Vorträgen ©teßung genommen.
Ser Bunb Seutfcher grauenbereine hat eine Sbtnmiffibn gum ©tubium
ber grage eingefeßt. Schon im leisten Scieggjahr berfchmanb biefer
©ebante aug ber öffentlichen Sigfuffion; feiner BerwirElicfmng außer»
halb beg Kaljmeng ber obligatorifdjen gortbilbunggfchule fielen je|t
größere ©chmierigfeiten entgegen alg früher. Bebeutfam bleibt aber,
baß gerabe biefer bon ber grauenbemegung fo lebhaft aufgenommene
©ebarike bie fjaugfrauentätigfeit in engfte Begießung gur Bolfg»
___ Xte .gctugftou _ 57
motflfahrt fteßt, fie afö S)ienft an ber Slßgemeinfieit gewertet miffen
miß.
Siefe SBertfcEjähung ber häuslichen Arbeit bringt au<fj eine 6e=
fonbere ©teßung ber grauenbemegung bem SienftBoienbetuf gegen»
über mit fich- ©g ift pure Oberflächlichst, wenn man bie ftänbig ab»
neßmenbe 8 0 ßl ber „Sienenben im Saufe'' etma auf ben ©inftuß ber
grauenbemegung gurücffüßrt. Unfere 3eit, bie gar gu leicßt bie Sin»
neßmlicßfeit eineg Verufeg nadß bem SKaße feiner ©chentatifierbarfcit
beftimmt, ift ber ÜluSBreitmtg beg häuslichen Berufeg nicht günftig.
Kur Keformen ber äußeren Slrbeitgbebingungen unb ber inneren Be»
jießungen beiber Parteien jueinanber lönnen ßier helfen, güßterinneu
ber grauenbemegung, mie ©flt) §euß Snapp, |aben biefe Reformen in
ber Öffentlichkeit bertreten. Sie gorberung, bie unjettgemäße Be»
jeicßnung „Sienftbote" mit bem beffer Elingenbett Kamen „Saug»
angefteßte" gu öertcmfcßen, ßat in ben Greifen ber grauenbemegung
lebhaften Slnflang gefnnben. Sie Saugfrauentoeretne, jeßt gum Ber»
banb Seutfcher Saugfrauenbereine unter ßeitung bon grau SDtarttja
Voß»8ie| jufammengefthloffett unb gitEa 100000 Kiitglieber gäßlcnb,
menben ber grage ber Kusbilbung unb Hebung begSienftbotenftanbeg
ihr lebhafteg gntereffe gu.
©in befonberg beutlic^er Bemeig für bie Sochfchätjuug ber Saul»
mutterleiftung in ben Steifen ber grauenbemegung ift ber Borfcßlag
einer bößtgen ßteubeWertung ber Saugfrauenarbeit, gum erftenmat
eingehenb in einer 1905 erfchienenen Slbhanbluug bon Dr. Säte Schirr»
machet, „Sie grauenarbeit im Saufe, ihre öfonomifehe, rechtliche unb
fogiale SBertung" bargefteßt, ift er nicht ntefjr gang aug ber Sigfuffion
berfdhmunben. ©r bebeutet, furg gefagt, baß auch bie SätigEeit ber
Saugmutter, fo gut mie bie außerE)äugtiche SätigEeit beg ÜKanneg, bie
ohne fie gar nicht möglich märe, alg Berufgleiftung gemertet metben
müffe, alg beren felbftoerftänblicheg Siquioalent ber Unterhaltgan»
fprudh an ben ©atten gu gelten hat. !gbeeß betrachtet mirb hier bie
Slnfdjauung oertreten, baß bag .gufamtnenroirfen ber (Satten alg ar»
beitgteilige Seiftung unb ©egenleiftung gmeier gleichgeorbneter ifSerfön»
lichEeiten aufgnfaffen unb entfpredjenb auch rechtlich gu orbnen fei.
gng ßltaterieße gemeubet erfcheint aber biefer burcfjaul einmaubfreie
©ebanEe in bie gorberung oergröbert: ber pofitioe mirtf^aftltdhe
SBert ber Saugfrauenleiftung foße abgefchäfjt unb öom Spanne in
gorm eineg ©ehaltg begahlt merben. äKartanne VSeber hat fich i®
58
III. gut Sfoorie bei gtauenbetoequng _
ihrem ©ortrag über: „'Die ©ewertung ber ^musfrauenarbeit" 1 ) mit
biefem ©ebanfen eingeljenb auSeinanbergefegt. Sie ©ntlofjnung ber
^auSfrauenarbeit wiberfpricht ber Sluffaffung ber ©ffe als etneS auf
Samerabfchaftlicbfeit gegrünbeten ©unbeS jroeier gleidjgeorbneter Se«
benSgefäbrten. Sie |>auSfrau fann nicht „ooüberecf)tigte Seilhaberin
ber ehelichen ©emeinfchaft unb jugleidj befolbete2lngeftellte beS SKanneS
fein". Sie Seiftungen ber Hausmutter finb feine „fDiarftroare", fon»
bern jum großen Seit gmponberabilien im eigentlichen SBortfinn. Unb
fdjliefftich ift biefe gorberung nid^t nur et^ifdf) unb logifcf) miberfinnig,
fonbern techmfch unmöglich. SESer mit! einen geregten ©cunbgetjatt
auffteüen für bie „fhtberlofe SUhttionärSgattin", bte ihren £>auSt)alt
mit einer beliebigen 3a£)t perfefter Sienftboten organifiert, unb für bie
©attin eines ©ifenbahnichaffnerS, bie ihren ©lann unb ihre finber offne
jebe |>ilfe perforgt. Sie ©efolbung ber legteren Ware für ben ftttann
uner dringlich; ber für bie ttJtittionärSgattin in ©etradft fommenbe
©ehatt aber, etwa ber ©ehatt einer ,,|>auSbame", würbe noch nidjt
einmal bie Sofien ihrer ©efettfchaftSfteiber bedeut
3Bir müffen baran fefthatten, bafj bie SebenSanfprüdfe ber grauen
in jeber Schicht fid) nicht nach ihren Seiftungen, fonbern nach bent
gamilieneinfommen ju richten haben. SaS berechtigte aber, ber
grau bie für bie gührung beS tpauSfialtS unb für ihre perfönlichen
SBebürfniffe notwenbigen unb oerfügbaren ©elbmittet in einer gorm
ju fichern, bie ihr ben gampf gegen bie SEßittfür beS ©atten Wenig»
ftenS prinzipiell erfpart, fann nur auf bem ©oben beS ©hered)tS
unb nur burdf Umbitbung ber ©fjefitten erreicht werben.
Sen ®ampf gegen piete33eftimmungen beS ©herechtS, *> en dauern
Bewegung fdjon bei ber Sefung beS ©©©. aufnahm, hat fie feit
beffcn gnfrafttreten fortgefe^t. Sin Stelle beS patriarchalen ©heibealS
Witt fie baS inbioibualiftifche gefegt wiffen: auch bie grau ift ,,©er»
fönüchfeit", befigt bie gähigfeit jur Setbftgefeggebung, jur Autonomie,
unb barf beSbalb beanfpruchen, als Selbftjwed ju gelten. Siefem, auf
bie etfjifdfe greiheitstepre beSbeutf chen gbealiSmuS gegrünbeten grauen»
ibeat fteßt baS 18©©. ben ©bepatriarchaliSmuS gegenüber, ber bie
grau in ihren eigenften SSirfungSfreifen einer fteten ©eoormunbung
unterwirft. $war erfennt baS ©@©. bie juriftifcfje fjanbtungS»
fähigfeit ber grau Pott an unb macht fie in $anbel unb SBanbel wie
bie ÜDiänner oerantwortlich; aber ber eheweiblichen §anblungSfähig s
1) Seutfdfer gcanenlongrejj, Dieben unb ©ortteige. 1912.
SaS ©herecpt
59
feit wirb überall ba eine Sd)raufe gefegt, wo fie bie ©auSherrfdjaft
beS SftanneS bebrohen fönnte. Set Söiberfpruch ber grauenbewegung
richtet fid) befonberS gegen bte perfönliche Untetorbnung ber ©hefrau
als §auefran unb SDlutter unb gegen ihre pefnniäre Slbgängigfeit im
e^eltc^en ^üterftanb. SetnSntfcheibungSrecht beS ©hentanneS in atten
baS gememfameSeben betreffendenSlngelegetthbiten Werben gwei anbere
SDJöglichfeiten jur Schlichtung ber fDleinungSöiffereitgen jwijchen ben
©begatten gegenübergeftrtlt; entweber ©erjicht auf bie jur ©rörterung
gestellte Slia®el ober Slnrufung einer britten gnftanj, beS ©ot=
munbfchaftSrichterS, bie ja auch fonft bei ffiifjbrauth ber ehemännlichen
©eWalt porgcfeheu ift. Sn ber ©erteil uitg ber elterlichen ©eroalt ift
infofern eine ©eff er urig gu berjeichuen, als baS ©efegbucfj ftatt ber
„Päterlichen ©etoalt" früher fobififationen eine „elterliche ©ewalt"
anerfennt. Slbcr biefe elterliche ©etoalt ber füiutter ift neben ber beS
SßateriS nur ein gragment. Sie tritt in boClem Umfang erft nach bem
Sobe beS ©aterS ober wenn er an ihrer StuSübung oerhiubert ift, in
graft. ©ei allen ©leinungSPerfchietenhetlen über bie ßinber entfchei»
bet ber ©ater; nur feiner ©inwittigung bebürfen bie minberjährigen
ginber jur ©hefchliefcung. Siegrauenbewegung fordertbemgegennber
eine Slbänberung alter ©eftimmuitgen, bie bie elterliche ©eroalt ber
grau oerfümmern. Saneben flehen attSgefprodfene gorbcrungen jurn
ehelichen ©üterredft. ®S Wat ber SBunfd) ber grauenbewegung, bie
©ütertrennung jurn gefegltchen ©üterftanb erhoben ju Wiffen; ber
©efeggebet hat aber bie ©erwaltungSgemeinfchaft junt ehelichen ©üter»
ftanb gemacht unb bamit bie fttlaffe »ermögenSlofec grauen, bie um
ihrer ^»auSmutterpflichten Witten feinem ©noerbSgWeig nachgehen fön»
nen, tn pollftänbige Slbhängigfeit Dom ÜDlanne gebracht. Set fetb»
ftänbige SlrbeitSoerbienft ber ©hefrau bleibt ihr ©orbcljaltSgut, bie
permögenbe grau fann fich burd) befonberen ©heDertrag fichern. Sie
unocrmögenben 3lur Hausfrauen befigen atterbingS ftanbeSqentäjje
UnterhattSanfprüdie an ben SDtann, aber baburd) noch feinen Pfennig
ju eigen, feine noch fo befcheibene Unabhängigfeit für bie©efriebigung
ihrer perfönli(hen©ebütfniffe. gm Dlamen ber ,,©erfönlid)feitSrechte''
im tiefften Sinn, ber ©erantroorttichfeit unb Selbftänbigfeit ihres @e=
f«f)lecf)tg proteftieren bie mobernen grauen gegen biefe Sefte eines pa=
triarchalifchen SpftewS unb ftetlen bem ©rinjip ber ehemännlichen
Autorität bie gbee ber ^amerabfchaftlichfeit ber ©atten gegenüber.
Glicht um bie©anbe ber@hejn lodern, fonbern um ben etljif heu Bert
60 _ III. gut £t)eotie bet grnuenbetoegmtg
biefer toi(f)ttgftcn ©emeinfcfjaftSbeäie'Eiung gu erhöhen. ®ie beften unter
ben grauen toiffen, baß bag ^eilige geuer garten unb tiefen ©mpftn«
benS nur bann immer wieber eine 9tat)rung finben fann, Wenn bei
üßtann unb grau ber ÜReidjtum beg inneren SSefeng in ftänbigem Sßadjg«
tum bleibt. Sag ift aber für bie Sßtehrgahl ber grauen in einem $u«
ftanb ergwungener Unterorbnung axicbjt möglich- SBohl haben bie freien
Siebegopfer an bie Sebengjiele eineg ©rößeren and; für bie grau ihre
Schönheit unb äBürbe. SSo fie aber gegen ihre innere Stimme einfad)
aug üBequemtichleit ober gurdjt fid) bem Übtanne unterwirft, ba be=
ge£>t fie einen greoel an ihrer Sötenfcljenwürbe, ber fiel» an beiben ©at=
ten rädjt.
„@o erleben mir benn oft," fdjreibt SOZariantte SBeber, „baß bie biet«
geprtefene beut^dje 2Rufter«9Zur«$ausfrau it|Tem (Satten gtoar als SKutter
feiner ®tnber unb als Queü feineg 33el)ageti£> bauernb fcf)äfjen§tt)ert Bleibt,
baß er aber wenig baran ben!t, fein pöbereS geiftigeä Seben mit tl)t gu teilen,
©elbft bie gewöhnliche ©rpolung fud^t er fid) oft lieber attetn, benn ber
biente SWtagSftanb ber Sangeweile becEt fid) über bie S3egiet)ung gu i^r
unb maept grau, tbag einft farbig unb leucfjtenb toar. Unb wenn bann
mit junebmenbem Sfcguemlidjleitäbebütfnig bei Sötanneg bie edjte üftitter«
lidjleit au§ bem ültttag ber ©f)e fdjwinbet, bann tritt and) in Schichten,
too bie§ ber Sebengtage unb SSegabung ber ®atten nach burebaug ntdjt
nötig märe, oft jener ijuftanb ein, über ben ein mobemer $idjterpt)ilofopb
bag SBort gebrochen bat: „Sieb, btefe Slrmut ber ©eele gu gweten, ad),
biefer ©d)mup ber ©eele gu gweien, ad), bieg erbärmliche Schagen gu
gweienl ©be nennen fie bieg aüeg unb fie fagen, iljre ©ben feien im
§immel gejiploffenl"
©in Seil beg gantilienredjtg, bem bie grauenbetoegung Weiterhin
Jritifdj gegenübertritt, ift bag ÜRedjt beg unehelichen ®inbeg. Unb gwar
ftef)t ipr babei nidjt bie Sorge um bie üßtutter, fonbern bie für bag
kinb im SDiittelpunlt ihrer Überlegungen. ®em geltenben ÜRedjte fehlt
bie S'raft, bie unehelichen üinber oor phhfifdjer unb moratifdjer ©nt«
artung gu frühen unb ihnen auch nur annähernb biefelben äußeren
©ntmidlunggmöglichleiten p bieten toie ben ehelichen fiinbern. ®te
SDtenfdjenüerlufie beg SBeltlriegeg hoben bem üEßunfche nad; Rettung
ber Sage ber unehelichen Sinber erneute Schwunghaft gegeben. ®ie
SSorfihläge nun, bie pr ©rreidjung biefeg Bieteg bienen foHeu, taffen
fich unter gwei prtngipiefle ©efid)tgpun!te orbneu: auf ber einen Seite
ftetien bie, welche bie beffere gürforge für bag uneheliche Sinb im
üftaljmen beg geltenben 9ted)tg anfireben; auf ber anberen Seite bie,
Welche eine böllige üßeuorbnung beg gangen ©ebietg für unumgäng«
lieh nötig hatten, gm erften gälte bleibt bie einfeitige üßerWanbtfchaftg«
- —-
Sag Stecpt ber Unehelichen __ _ 6t
guerlennung beg unehelidhen Sfiitbeg beftehen; aber ntan oerlangt bie
SBemeffung ber fümentc nad) Stanb unb ©infommen beg üßaterg,
ihre Söegahlung über bag 16. Sebengjahr beg Sfinbeg h' nau ^-
SHnb foß eine ©rgietjung mit üftugbitbung gefiebert werben, bie ihm
bag Sluffteigen auf ber fogialenSeiter ermöglicht unb eg babnreb oen
ber SSerufgfeite h er bon ber ©ropfinbung erlöft, ein üßaria ber ©efeß«
fc^aft gu fein. (Sine Slbftnfnng ber Sllimentationgpflidht nach bem ber«
fteuerten ©infommen begSßaterg märe fachlich burd)aug bur<hfüf)rbar.
Sie hatte, bem gangen ©ebanfengang biefer 8teformborfd)<ctge ent«
fprethenb, ihre obere ©rettge bet einer Summe, bie bie gute ©rgiefjung
begS’inbeg in guten Sebengöerljältniffen ftchert, alfo etwa bet 500 üD l.
big 600 ÜUi. monatlich- ®enn nicht abftrafte ©erechtigfeit bem üßater
gegenüber, burch unbebingte 2lnpaffung feiner Zahlung an feine Sei«
fiunggfäljigfeit, fonbern bie Schaffung non ßntioidiunggmßglidjfeiten
für bag ®inb ift bag üötotib ber gorbetung. Sasfelbe Slrgnment gilt
auch für bie ©rtje&ung ber Sllimente mit fteigenbem SlUet beg Stnbeg
unb ihrer SBeitergahtung über bag 16. Sebengfahr hiaaug, fowie für
bie Aufhebung ber exceptio plurium. [fügen mir noch bie gorberung
hinju, baff biedlimentationgpflicht jugenblicher, nnfelbftänbigerSSäter
nidjt, wie bigljer, im geltenben 9ted)t ruht, fonbern auf bie ©ftertt beg
unehelichen SSaterg übergeht, fo ift ein üteig oon ^Reformen umfehrieben,
ber öom 18oben beg geltenben üRedjteg aug bem unehelichen Sinbeauch
nur mäßig begüterter SSäter gweifellog beffere Sebengmögli^feiten ge«
Wahrt, alg bieg heute ber galt ift.
$u ber gtoeiten ©rnppe bon Slnfchauungen über bag üßroblem ber
Unehelichen fleht bewußter ober unbewußter neben bem SBunfdj ber
befferen gürforge für bag $inb bag tßerlangen nad) gerechter SSer«
teilung ber Saft gtoifdjen ben beiben ©Iteru. ®arum foE bie Stellung
beg unehelichen S'inbeg foweit alg möglich ber ber eljelidheu Stnber
angegtichen Werben. ®amit wirb bie Aufhebung ber einfeitigen Ser«
Wanbtfchaftgjurechnung beg Unehelidien gut ©runbforberung; eg foß
auch mit feinem SSater „oertoanbt" fein, b. h- Äinbegredite unb ffiu«
begpflidjten ihm gegenüber hoben. SSon ber 93afid ber gtoeifeitigen
S3erroanbtfchaftgguredhnung auggeljenb, wirb oereingelt für aße pef)e«
liöhen Sinber bag ooße ©tbredß bem SSater gegenüber unb baS üßedjt
gur gührung feineg üftameng geforbert. häufiger, unb tion namhaften
gührerinnen ber grauenbetoegung oertreten ift ber Sßunfcfj, baß bag un=
ehelicßetinb auch bemSater gut ©rgiehung gegeben toerbenfönne, toenu
62_ III, 3ut Sbeorie bet Stouenberoegnng __
ber IBormunbfcßaftgriißter bieg für gut befinbet. 3fn biefem Satt fotf eg
ganj im Staube beg SSaterä erjagen Werben, ©rbredjt gegen ißn ßaben
unb feinen kanten führen, Sür biefe Sorberung fpricßt bie Überlegung,
baß bag Sßrinjip ber einfeitigen SJtuttergewalt mit einer ©rjießung
auf bem ©utturnioeau beg Sßaterg ferner bereinbar erfcßeint. Sie
proletarifcße SDtutter Wirb nid^t buriß bloße Sutoenbung ftnanjietter
SOtittel befähigt ju einer Stugbilbung unb ©rjiebung beg ®inbeg, bie
ibr einmal gegebeneg eigeneg Sitbunggnioeau überragt, ©egen bag
©rjießunggrecßt beg uneßelicßen Sßaterg fpricßt bie Sdßmierigt'eit ber
Srage, welcße Kriterien für bie S3eüorjugung beg unehelichen SSaterg
an Stelle ber SDtutter ntaßgebenb fein fetten. Sein Steußtum ober
feine Stellung? Seine größereptettigenj ober .guoerläffigfeit? Sitte
biefe ©rünbe lönnen mitfpreeßen, unb boeß ift feiner befriebigenb. Sie
©ntfcßeibung naeß Steicßtum unb Stettung erfcßeint grob materialiftifih;
bie nadj ben ©ßaraftereigenfcßaften beg SJtanneg unb ber pau laffen
ber SBiflfür unb bem prtum ber Sßicßter einen meiten Spielraum. —
gtoeifelfog finb Satte ftattbegungleicßer 93ejießungen jloifdjen älfann
unb grau benfbar, in benen ber ÜDtann geiftig unb moralifcß fo weit
überlegen ift, baß ißm im gntereffe beg Sinbeg bie Sorge für bag«
felbe jufatten foüte. Sie Srage mag aber auftaueßen, ob biefe Satte
ßäufig genug finb, um für eine bebenfließe Unficßerßeit in ber Stecßt«
fpreeßung über bag uneßelicße Sinb ju entfcßäbigen.
Sie Sragen beg ©ßeredjtg toerben jtoeifellog bie ©efeßgebung
balb oon neuem befcßäftigen. Sie Srauen ber Srauenberoegung
merben fieß bemußt bleiben, baß eg fieß babei nicßit um tecßnifdfe
Smecfmäßigfeitgfragen, fonbern um ßöcßfte SBerte im Bufammen«
leben ber SJienfdßen ßanbelt, um bie oft um fo ßeißer gefämpft mirb,
je unfießerer ißre ©eltung in breiten Scßicßten beg ißolfeg gemorben
ift. Seßte, uugelöfte unb bietteießt unlögbare Probleme beg förper*
ließen unb feelifeßen Sebeng finb eng mit ber prinjipietten Srage ber
93eßanb!ung ber Uneßelicßen berfnüpft. Ser Snßatt beg ®egrtffg ber
©erecßtigfeit ift ebenforoenig einbeutig loie ber ber Sltoral ober ber
SDtenfcßenliebe, unb auch im Problem ber Uneßefiißen fpielt bie ©egen«
überftettung non Stäcßftenliebe unb Sernftenliebe ißre große Stoße.
Sticßtg liegt aber ber Srauenbetoegung ferner, alg bureß Sorberungen
jum Stedjt ber Uneßelicßen ben fittlicßen SSBert ber © neße fißmälern
unb illegitime ©efcßfccßtgbejießungen ißr gleicßfeßen ju motten.
SEie jur Seit ber ttfomantifer ift aueß um bie SEenbe beg 19. pßr«
Smiienbettpqtrnct unb „ffieue (Stfyi!" _^
ßunbertg ber@ebaufe ber „freien Siebe" mit neuer SDtacßt auigeiaueßt
unb ßat maucßeSöpfe unb $erjen betört. Sie Srauenbetoegung ßat ftetg
SEert barauf gelegt, beutlicß barjutun, baß ißre Biele mit ^enen ber
SSerfünbigerber fogenannten,,9leuen©tßif ,, uicßtg gemeinßaben. ©egen«
über Sarpenter unb ©lltn $ep, bie ißolßgamie unb ©ruppeiteße
alg SDitttel jur SSerebelung be« ©efcßlecßtgoeifeßrg unb jur £ößer«
Wertung berSrau bigfntieren, ßat bie Srauenbewegung ftetg bag Sbeal
ber mit «bfießt auf Sauer unb ?lugfd)ließticßfeit gefcßloffcnen tnono=
gamen ®ße alg bag fitilicß=ßöd)fte anerfannt. Sreilicß fann Weber bie
fireßtieße Srauung uoeß bie ftanbegamtltcße SBefcßeinigung eine ©e«
fcßlecßtggemeinfdjaft an unb für fieß fittlicß abein. Sieg iftnurmög«
lid) bureß ©inßeit ber Sinne unb Seele ßeiber ©alten; unb biefe
©efiißlgmomente unbÜEißengmomente, bie ben ©cfcßfecßtgbejießungen
31bel oerleißen, fönnen aueß bei formal außereßelicßen S3etbinbungen
öorßanben feilt- Sroßbem aber ift gefeflfcßaftlicße Sluerfertnung ober
gefeßließe ©leicßmertung ber außereßelicßen ©efcßlecßtgbejießungen
etßifcß äußerft beben fließ unb teeßnifd) juriftifcß mit ber Eerantroortlidß«
feit ber ©Item für bie Stüber urioereinbar, ^meifello^ mürbe bie
feelifeße Surdtfcßnittefultur nießt fteigen, fonbern erßebücß finfen, Wenn
Slujlöfung beg befteßenben unb Slbfcßltß eineg neuen USerßaltniffeg
Slngelegenßeiten Würben, bie fieß jtoifeßen Sonnenauf« unb Untergang
erledigen ließen: ,,?riuf)t bie große Siebe mürbe frei, fonbern bie fleine
fgaffion, ber Siunenraufcß, bie Suft am 'ffiecßfel, bie oergänglicße Seiben«
feßaft, ber treuloieSgoigmug.“ (S.SB. Sörfter, 93ebenfcn über ©den
®epg ülnficßteu über Siebe unb @ße.) Scßließlicß ift eg faft unmög«
ließ, für jette „freien ©ßen", bereu anerfennung geforbert wirb, ein
ftußerltcß erfennbareg SJterfmal ju ßnben. Senn unter ben Skgnff beg
„freien tBerßältniffeg" faßt ja nießt nur jebe Serbinbung, bie ben fitt«
ließen ©eßalt ber SBolleße ßefißt, fonbern aud) ber ©efcßlecßtlgenuß
weniger flüchtiger Stunben, bte für einen Serienaufentßalt ober bie
Sauer einer Steife ßeftimmte Sßerbinbung, unb enblicß aueß jebeg
fittlicß ber ißroftitution gleicßjuacßtenbe monogame StttaitreffemSer«
ßältuig.
Sie Sßötfergefdjicßte leßrt ung, baß bie ©ineße fieß juguuften ber
Srau unb ber Sinber bur^fefete. Stehen ißr ift eine „freie ©ße“ alg
SRecßtginftitut »öaig entbeßrli^. 2Sirb bie ©ßefcßließuug ben jurgen
SOtännern in früßeren Sebengjaßren ermöglicht unb bie Sögbarteit ber
©ße bei gegenfeitiger unüberminblicßer Slbneigung beiber ©ßegatlen
64 _III. gut Jfjeotte bet grauenbewegung
Zugeftanben, toirb baS ©herecht in einer ben berechtigten 2lnfprücE)en
moberner SDtenfchen entfpredjenben 2trt geregelt, fo bitrfen mir eine
ipebung ber öffentlichen ©ittlic^feit, eine Verfeinerung ber ©hefittett,
einen SRücEgang beS ißroftitutionSöerfehrS erhoffen.
@2 ift eine ber größten Verbienfte ber grauenbewegung, fdjon in
ber erften geit i£>re@ 93efte^en8 benSampf mit ber Vrofiitution, jenem
buntelften Gebiete weiblichen ©lenbS, aufgenommen ju haben. Sticht
nur 3D?itgefüht unb foziateS ©mpfinben trieb fie baju, ben unglücfticEp
ften unter ben grauen ihre £>ilje jugumenben, fonbern bie um ihre
Stnertennung als fitttidje fßerfönticijteit ringenbe grau fat) fidf bor
einem Stbgrnnb, ber ihren Veftrebungen ein jäljeS fjatt entgegenrief.
„®ie mobentegrau fühlt fiel) fotibarifd) mit ber tiefqefutifenert Scproefter,
fie ft?ht in ihr weniger bie Sdjulbige als baS Opfer unb fie Weih, baß
bie fejueüe Verfltammg unb Gntmüib'igung eine! Weites beä weiblichen &e-
jfbledjt!? feinen Schatten auf bie gefaulte grauentoelt wirft."')
J)ie fßroftitution ift Weber ein notroenbigeS Übel, noch ein unber*
weibliches Korrelat ber ©inehe, fonbern ein Überbleibfet aus ber Seit
einer rohen Unfultur, aus ber Seit ber Barbarei, beS SflaoentumS,
ber unbebingten öerrfcfjaftSgeWalt beS SJtanneS über bas 2Beib. £>ier
feiert bie „hoppelte SDtorat" ihre höchften Triumphe. $er Staat aber
fanftioniert biefe hoppelte SDtoral, inbem er bie ftaattidhe Siegtemen*
tierung ber fjßroftitution eingeführt hat, bie bem Stäbchen einen greis
brief für baS Saftet auSfteßt unb in bem Stanne ben ©Hauben er*
Wectt, ba§ für ihn eine gefaljrtofe, öerantmortungSlofe Vefriebigmtg
feiner SBegierben möglich ift. ©egen bie hoppelte Storat unb gegen
bie Reglementierung richtet fidj her Kampf her grauenbewegung. $ie
fortfchreitenbe ©rtenntnis, bah bie Reglementierung auch in hh9' en ^
jeher £>inficf)t wertlos ift, erleichtert btefen Kampf. StiematS werben
biegrauen jich auf ben Stanbpuntt ftetlen, in ber Sanftionierung ber
fßroftitution baSSiet ihres StrebenS zu fehen; felbft wenn eS gelänge,
ade gefunbheitfichen Stachteite auSjufchaiten, bliebe bie fßroftitution
hoch baS gröfjte fojiateübet, benn fie ift gleicfjbebeutenb mit ber f^timm*
ften ßntwürbigung beS weiblichen ©efdjtechtS. $arunt forbert bie
grauenbewegnng öorbeugenbe Reformen berufSpotitifcher unb fojiat*
potitifcher 2lrt jur ©inbämntung ber Sßroftitution unb baneben Re*
preffiomahregetn, bie bie gugenb beiberlei ©efcfjlecljtS oor ber öffent*
l) 3tnna ffSapprip. Sie Vebeutung ber grauenbewegnng für bie
öffentliche Sittlichfeit. ®eutjcf)er grauenfongreh 1912.
Sie Sßroftitution
65
liehen Verführung fehlen. SBichtiger aber als bieS alles ift bie @r*
jieljung ber Sugenb ju einer berfeinerten luffaffung ber gefc^tecfjttic^en
©ejie^ungen. SEuclj auf biefent ©ebiete bermag baS Stecht nur baS
„etfjifchr ÜORitütnum" zu gewährleiften. ®ie grau muh ihre eigenen
©efühte, ihre eigenen SBertroafjftäbe jur ©ettung bringen. ®ie
weiblichen ^Parlamentarier werben, wenn biefe grage bie gefefc*
gebenben Serfammlnngen befefjäftigen wirb, bei ihrer Veheubluitg pon
ber Überzeugung auSgehen, bah wir nufer öffentlidh*fittlicäjeS Sehen
auf eilte §öhe müffen, wie eS bem retigiöSsetfjifchen ©mpfinben
eines KülturüolteS entspricht. Siefe Aufgabe ift nach ben moralifchen
Serftörungen beS Krieges fcfjwerer unb wichtiger als je gupor.
®ie Veftrebungen ber grauen nach freier ©elbftbeftimmung, bie
Sunaljme berVerufStätigteit bergrau finb feit etwa einemgahrjehnt
pon namhaften ©eiehrten als ^aupturfaeijen beS andh in ®eutj(f)tanb
um fich greifenben ©eburtenrücfgangeS angefehen worben, unb mau
hat ber graueubeWegung eine Schwächung ber auf ber SSolEsjahl bc-
rnfienben Staatsmacht jur Saft gelegt. Sn einet Veröffentlichung ber
preuhtfcfjtti aWebijinalberWaltung aus bem Satire 1913 über ben ®e=
burtenrüefgang in SDeuifcfjIanb tonnte man allen ©rnfteS lefen: StCb*
fah IV. SonftigeStafmahmen zur Hebung ber ©eburtenjatil: Sifferl:
©inbammung ber grauenemanzipation. Sßenn auch zweifellos bie
beutfehe Repubtil bem ©eburtenproblem anberS gegenüberftet,en wirb,
als baS KaifexreicE) eS tat, fo Wirb fie boefj an einer Wachfenben 23e*
bölferungsziffer intereffiert fein, nnb eine fachliche SluSetnanberfehung
mit ben oben cfjaratterifierten ©ebantengängen ift auch heute noch wütig.
®ieS ift um fo mehr, als allein baS Sinfen ber ©eburtenziffer im Krieg
®eutf<htanb einen ajRenfdEjenberluft Pon etwa 3,5 ÜDRidionen gebracht
hat. Sie grauenbewegnng fann oor aßem barauf hinweifen, bah ber
©eburtenrüefgang überaß in ben 70er unb 80er Sa£jtett einjefct, atfo
ZU einer Seit, in ber ber grauenbewegung fd)Werlief) ein Weittragen:
ber ©influfj auf baS Senfen unb gühlen gröberer üDienfefienmetigen
zugefchrieben werben tann- genier ift eS burdtiauS unmöglich, einen
Sufamraenhong zWifchen ber ^cope ber ©eburtenziffer unb ber ©man«
Zipation ber grau bei ben betriebenen Stationen nachzuweifen. Von
ben beiben europäifdjen Sänbern mit ben niebrigften ©ebucienziffern
— grantreih unb Srlanb — hot baS lejjtere überhaupt teine, baS
erfiete nur eine feht unbebentenbe grauenbewegnng in nnferem Sinn.
Unb wenn ©nglanb unb bie Schweiz Por bem Kriege biefelben 23e*
5(91..© 761: JöemaQä, 3)ic beittfdje SriUtenBenj-gimfl 5
G6
III. gut Sheotie ber gtauenBetoegung
DölferungSgiffern Ratten, wirb matt frfjmertidf) eilte auch nur teittneife
©rflärung bafür in einer ähnlichen Stellung ihrer weiblichen Beoöl=
ferung futfjen bürfen.
daneben aber muß fidj bie grauenfeewegung bagegen Wehren, für
alle neuzeitlichen Senbenjen berantwortlich gemacht ju Werben, Don
benen einige, toie bie „ßleue ©thif" unb beftimmte gönnen Weiblichen
$ftbetentumS, in ihren SSirf ungen bie ©ebärmilligfeit bergrau fdj wäcben.
Sie beutfche grauenbemegung ftedt bem ®ult ber tatenlofen unb eben
barum „fchönen" SBeiblichfeit bie gorberung gegenüber: „Seht flehen
fei bie Sat"; fie begegnet ber auf rein fejueüe ©igenfdjaften begrün*
beten ,,SEBeiberherrfd>aft" burch bie Betonung beS MgemeiwSKenfd)*
liehen, an bem auch bie grau ihren Stnteil bat, burch ben ©lauben
an bie unenbliche Btenfcbbeit, bie ba war, ehe fie bie £>üKe ber Biänn*
licbfeit unb äBeiblichfeit annahm.
91m fchwierigfien ift es, über bie fRicfjfigfeit ber Behauptung, bie
junehmenbe grauenberufSarbeit Oeranlaffe mit ben ©eburtenrücEgang,
Klarheit ju fchaffen. gmeifeltoS ift bie ßhäblidje ©inmirfung mancher
gormen ber granenerroerbSarbeit auf bie ©ebärfähigfeit ber grau,
mit ziemlicher Sicherheit lägt fief) für Heinere ©emeinben eine ge=
burtenminbernbe ffiirfung ber grauenfabrifarbeit feftftetlen, fehr wahr«
fcheinlich ift bie Beeinfluffung ber ©ebärfähigfeit ber grau burdi Qua*
lität unb Quantität ber gewerblichen Ülrbeit. fllber bie grauenbewe*
gung ift für bie gunabme ber grauenfabtifarbeit ebenfomenig oer*
antwortlich 3“ machen, wie für bie tafele 9lbnaf)me ber ©eburtenjaf)!
in ben gamilien bocbgelernter Slrbeiter, beren grauen außerhäuSlicher
Slrbeit fernbleiben.
Sie gewollte Reinhaltung ber gamilie entfpringt im wefentlichen i>fo*,
nomifch fojiologifchen SUtotioen; fie macht fief) im SRittelftanb am meiften
bemerfbar unb wirb bort als SSirfung ber Berarmung SeutfchlanbS be*
fonberS Ijeroorlreten. gur ©chöhutlg beS ©infommenS biefer Schicht wirb
neben fteuer* unb tobnpotitefeben Btaßregeln bie Aufhebung beS göli*
batS ber Sehrerinnen unb Beamtinnen mitwirfen. ge oergeiftigter bie
BerufSleiftung wirb, befto mehr Wanbelt fi<h baS Blaffenproblem
„grauenarbeit nnb9Jtutterfchaft"^um gnbioibualproblem, baS leßilicb
jfebe baoon betroffene grau im Sichte ihres felbftänbigen ©emiffenS
ju löfen hat. gn allen geilen hat eS grauen gegeben, bie ben Sienft
an überperfönlidjen Sffierten bem in fidj ebenfo wertootlen Sienen Don
ÜJlenfd) ju Bienfeh, wie eS ©he unb gamilie mit fich bringen, Dorjogen.
67
2>er ©eburteroücfgang
ghneo bringt heute, tute zu allen Seiten, bie SBaljl jWifchen Beruf unb
©he ßhwere Iffonflifte. ©S hieße ober bie Sflirfung ber BerufSibee
gewaltig überfragen, wollte man glauben, baß fie jemals in einer
größeren gatf! Don grauen bie Seljttfucht nach SJlutterfchaft unb SinbeS*
liebe erftiefen fönne:
0h meine ©eiSfeeit gab’ ich hin Wie Stroh,
Unb meinen Slang unb Stolj unb ©lüdeSgaben,
SBat’ ich ein SBetieltneiB, ein finb im Schofel (31. $ucfe.)
Statiftifh belanglofer noch als bie gaf)l ber Stäbchen, bie fich Q uS :
fdjließlich on fünftlerifche, wiffenf^aftlicfee ober äfthetifdje gbeale bin*
geben, ift bie gafel ber ©hefrauen, bei benen Steigung unb gäljtgfeit,
mitjuarbeiten an ber objeftioen Kultur beS BolfeS, Wirtlich mit ihren
©attungSanfgaben in 2Btberfpru<h tritt. SBir Wiffen auch, baff nicht
bie Befdjränfung ber grau auf ihre häuslichen Aufgaben allein bie
BolfSfraft unfereS SanbeS heben Wirb, fonbern ihre oerftänbnisoolle
unb gefaulte SQtitarbeit in alten gragen beS ©emeinfcljaftSlebenS, feien
fie praftifcher ober geiftiger 9lrt.
Sie grauenbewegmtg fteht ber BeoölferungSfrage ebenfo gegenüber
Wie allen anberen Problemen ber ©he unb gamilie. Sie Will bie grau
Dom bumpfen, inftinftmäßigen Sriebleben befreien, fie lehren, ihr flehen
bewußt zu beherrfchen unb ju formen. Siefe Slufgabe ift heute midf*
tiger als jemals juDor. Saju aber bebarf fie ibealiftifcher Kräfte, einer
Slbwenbung Don egojentrifcf)en flebenSibealen, ber Überzeugung, baß
baS eigene Seben an überperfönlichen SBerten gemeffen Werben muß,
baß nicht®enuß, fonbernPflichterfüllung baS geilen unferer SKenfchen*
Würbe ift. gn ben perfönlichften Beziehungen ber grau prebigt fie
feine leere SSiClfür, fein jügellofeS greifjeitsleben, fonbern will Senfen
unb fpanbeln ber gorberung unterteilt wiffen: „Sein felbftänbigeS
©ewiffen fei Sonne Seinem Sittentag".
2. Sie Stellung ber Frauenbewegung
ju Unterrichts« nnb BilbungSfragen.
Sem ©harafter beS beutfehen BolfeS, „beS metapfjtjfifdhcn BolfeS",
baS fich aus bem bloßen geiftigen BolfSbegriff ein Serritoiium fdjuf,
fich aus bem Senfen ein Sein erzeugte, cnlfpricht es, baß im ©egen®
jag ju anbeten flänbern bie bcutidic grauenfrage immer int wefent*
liehen BilbungSfrage war unb geblieben ift. Sie grauenbewegmtg
beginnt mit ber ©rünbung Don grauenbilbungSDeteinen, unb heute
68_III. gut Sljeotte bet gtauenbetoegung
nodfj finben fid^ auf biefetn ©ebiete bie größten äujjeren Hetnmniffe,
bie tiefften inneren Probleme. Sie grage ber äRäbcpenbilbung ift Ejeute
fomptigierter als bie ber Knabenbilbung; benn in einer S3oIlSmirt*
fd^aft, bie über ein Sriitet ihrer fdjaffenben Arbeit bon grauen auS*
führen tafft, in ber bereits Oor bem Kriege 9,5 SRtßtonen grauen
hauptberuflich ertoerbstättg maren, !ann baS junge Stäbchen nidjt mehr
auSfdhtiehlich für bie Sätigteit ber Hausfrau unb äRutter, fonbern fie
muh auch für ben ©rmerbsberuf borbereitet toerben, einerlei, ob fie
einen fotdjen fürgere ober längere $eit ober btelteidit niemals aus*
füllen tnirb.
©o „abgebrofdjen" bieten Sefern biefe AuSeinanberfepung erfcheineu
mag, fo finb mir bocf) noch meit babon entfernt, ber Satfadhe beS mög*
litten SoppetberufeS ber beutfcpen grau in unferen Anschauungen,
S3UbungSeinrid)tungen, gefe|geberifdjen 3Jia^nat)men bott fRecpnung
SU tragen; mir fdjeuen uns noch immer, bie holten Konfequengen aus
biefer aßgemein anerfannten Sachlage su giehen. Ser fdfjmanfenben
Haltung bon ©efeüfdtjaft unb Staat in ben gragen ber fÜtäbchenbit*
bung tritt bie grauenbetoegung mit ber nadjbrüdtidjen gorberung
gegenüber, baf? jeber SitettantiSmnS in ber AuSbilbung ber äJiäbdhen
ebenfo ftreng bermieben merben müffe als in ber AuSbilbung ber
Knaben. SEßetdjen Sieden unb Sieten auch bie SBilbungSgänge ber
ÜDläbdjen unterfteßt fein mögen, fie müffen fomotjt ber ^erföntidjfeitSs
entfattung ber grau bienen, mie ihren fpäteren häuslichen, berufnen
unb bürgerlichen Pflichten ^Rechnung tragen.
SaS ©inrüden ber grauenfdjaren in gnbuftrie unb § anbei hatte
SmeifettoS nicht bor fiep gehen tonnen, menn nicht bie SBotfSfchute feit
ihrem Söeftehen jeben mefenttidjen Unterfcpieb in ber ©rgiepung ber
Knaben unb Sßtäbcpen bermieben hatte; beiben ©efcptecptern mirb eine
AuSbilbung suteit, bie, tro§ mancher Stängel im eingetnen, boch auch
für baS üßtäbcpen eine genügenbe ©runblage su festerer gacplehre ift
unb ber unquatifisierten Arbeiterin im aßgemeinen baS SDtajj bon
Können bermittett, um fiep mit ben Anforberungen beS mobernen gabrif*
betriebS absufinben. Ser SitettantiSmuS, biefer ^auf)tfeinb ber grauem
bitbung, ift in ber 83oltSfdjute am menigften su |»aufe, unb bie ge*
plante @inheitsfc^ute mirb bagu beitragen, gerabe biefe ©cpulgatiung
nodfj bebeutenb su heben.
Sie grauenbemegung ats fotdEje hot S u ber grage ber ©inheitsfcpute
noch nicht programmatifd) ©teßung genommen, ebenfomenig mie su
_ Sie gorttilbunflSfchute _ 60
ben gragen ber 0<hulgeinetnben,9Refortnfchulen unb ähnlichen, menn auch
auf ben ©eneraloetfauuntungen beS SSereinS grauenbilbung=gtauen=
ftubinm biefe gragen bereits bon fadjfunbiger ©eite befjanbelt morben
finb. Sagegen legt ber oielbefprocpene „Aufftieg ber begabten" bie
gorberung nahe, für bie geiftige gorberung begabter Stäbchen biefetben
SAittet bereitsuftetten mie für ben Knaben, greitidh fteßt fich °ud)
biefem anfheinenb felbflberftänblicpen SSBunfcpe mieber ba§ grofje 8eu=
tralprobtem: „bie Bereinigung oon SSeruf unb ©h e " entgegen.
ßtirgenbs aber fpiett bieS eine größere fRoße, als bei benSebatten
überben Ausbau ber SORäbdhenfortbilbungSfdhute. SEßenn auch bie A ob
menbigteit beS meibtidhen gortbilbungSfchutunterrichtS aßgemein an*
erfannt mürbe, fo freuten bodh eine fReipe oon S3unbeSftaaten bor
feiner Einführung surüd; anbere mieber fteflten ben hauSmirtfchaft*
liehen Unterricht fo ftart in ben SSorbergrunb, bah bie gortbitbungS*
fchulegnr „Kochfcfjule'' mürbe. ßtadjbem bereits auf mehreren grauen*
tagungen eine ftärfere Serüdfichtigung ber SBerufSauSbitbung in ber
gortbitbungSfhute geforbert morben War, ö er öffentliche im ©ommer
1916 baS „39erufSamt beS SSunbeS Seutfcljet grauenbereine" „SSot*
fdßäge gur AuSgefiattung ber fpflidptfortbilbungSfcpule für Stäbchen".
Sie grage beS houSmirtfdEjafttichett Unterrichts mirb barin in ber SBeife
getöft, bah tt in einer gefonberten HatbjährSflaffe gu SBeginn ber
Schulpflicht erteilt merben foß. gm übrigen bteibt er auS ben gaep*
Haffen für bie fpanbmerferinnen, bie gelernten gemerbtiepen Arbeite*
rinnen unb bie fmnbtungSgehitf innen auSgefcpattel, währenber in ben
Klaffen ber ungelernten Arbeiterinnen auch meiterptn einen trächtigen
SBeftanbteit beS Unterrichts bitbet. Sabei gitt ats ©runbfotnt für bie
Angehörigen aßer gelernten unb ungelernten Berufe bie ©dhute mit
brei auffteigenben gahteSflaffen unb einer HalbjahreSfiaffe für ben
hauSmirtfchaftlichen Unterricht. Sie @cfjutpftic£)t erftredt fiep niept auf
bie in ber Sanbmirtfpaft unb in häuslichen berufen befinblichen 9Räb*
chen fomie auf beruftofe Haustöchter. Sie Sapl ber möchentlicpen
UnterrichtSftunben fott in ber fReget fedhS betragen unb ber Unterricht
auf jeben gaß mährenb ber SageSftunben ftattfinben. Ausgearbeitete
Seprptäne, bie für ungelernte Arbeiterinnen, gelernte Arbeiterinnen,
SSertäuferinnen unb Kontoriftinnen faepgemähe SBerfcptebenheiten beS
SehrptanS aufmeifen, öerooflftänbigen bie Schrift, ber meite Serbrei*
tung im HütMüt auf fpätere gefefegeberifepe 9Rahnahmen s» münfepen
ijt. _ gmSommer 1918 brachte bie babif^e ^Regierung einen Ent*
70
III» %freorte ber grauetifreftegttnfl
Wurf jut Stulgeftaltung ber «Pflidptfortbitbungöfchule ein, ber auch
©efe^ Würbe. @r entfpricpt in bieten fünften burcpauS ben gorbe=
rungen ber grauenbewegung, bor allem in ber Setonung ber beruf:
ticken unb ftaatSbürgerlicpen Silbung ber «Käbcpen, bocp behüt er
teiber bie obligatorifdje gortbilbungSjcbutpflicbt ber «Käbd)en nur auf
jtoei gabre, ftatt, wie bei ben tnaben, auf brci Sabre auä. Eer Sa:
bifcbe Serbanb für grauenbeftrebungen, ber babifcbe Sebrerinnenberein
u. a. haben ficb mit «Petitionen an bie Regierung getuanbt, bodb bticben
biefe bisher erfolglos. »ielteicbt lä&t fiep auf biefem ©ebiet bom ©eifte
ber neuen Seit etwas SeffereS erwarten.
SBir Perfcpieben bie gragen ber eigentlichen SerufSauShitbung bis
Zum itäcpften St apitel unb wenbenmtS hierher höperenläJiäbchenfdhule, bem
langjährigen ScpnterzenSfinb ber grauenbewegung, ju. EaS aus bem
Eoppelbetuf ber grau entftehenbe Silbungsproblem tritt hier loeit
fcbärfer herbor als in ber Solfsfcpule, teil« toeil bie Schute ben
jungen SKenfcpen noch in reiferen Satiren fefibätt, teils toeit bie Sit:
bunglgrunbtagen ber „höheren Serufe" tiefer funbiert toerben als in
ben ©rWcrbSberufen im engeren Sinne. Eie höhere «Käbdpenfcfiute,
urfprünglicpeStanbeSfchule für bie fetbftberfiänblich berufSlofenEöhter
ber höheren Stänbe, hatte in ber zweiten £älfte beS 19. Saprpunberts
ein ©wziepmtgSibeal auSgebilbet, Welches ftatt ber ©rfüüung nüchtern
prattifdjer Stufgaben bon ber höheren «Käbchenfdiute eine harmonifche
SluSbilbung beS »erftanbeS, ©emüteS unb «SJiltenS forberte, bamit „ber
beutfche «Kann nicht burch bie geiftige furzficptigfeit feiner grau am
häultichen §erbe gelangtoeitt unb in feiner Eingabe an höhere gnter*
effen gelähmt werbe'' (Weimarer Eenffdjrift 1872). ©ine bem beut=
fchen ©emütlicpfeitsfinn jufagenbe praftifcpe Sufpifcung beö «Rouffeau*
fchen SapeS: La femme est faite pour plaire a 1’homnie.
EiefeS SilbungSibeal ber beutfdien grau ftanb in auSgefprocheneut
©egenfajj ju ben treibenben Kräften beutfcher Swilifation unb Kultur
in berfetben Seit, bie eine tnachfenbe Snteüeftuatifierung beS Sehens
herborbradhten. 'Eie grau ftanb in biefer inteHcftualifiifchen «-Belt mit
einer Weichlichen ©igentuttur, einem häufig auf Soften beS Serftan:
be§ entwidetten ©emütSüberflufj, ber fid) mit ber inteHettueHen Sphäre
nicht auSeinanberfepen tonnte. Stber bie gorberungen ber grauen oer:
haßten lange Seit tjinburch faft ungehört. ©rft um bie Sabrpunbert:
Wenbe gewannen bie wirtfchafttichen unb ibeaten «Mächte, bie gemein:
fam auf eine Slbänberuttg ber weiblichen Silbung hinbrängten, eine
71
®te höhere TO nbcpenfcbnie
Wehe Überjeugungätraft, bofc ^ttlaTaft^üfche unb nur an bem
©attunggberuf bergrau orientierteSilbungSibeal burd) eine tnteQe!:
tuet! realiftifchegrauenbitbung zuerfepen begann, bie in oielengäueu
*ur fpeiieüen Serufsbilbung fi<h jutyifet.
»ei ber jt)ftematifc£)en «Reform ber grauenbilbung, bie juerft m
«Breuhen, bann in Sadjfen, Sapern, $eff™ ufw. bot ftep ging, ift ben
Päbchen prinzipiell bie Snabenbitbung zugänglich gemacht worben,
fowoht - in einigen SunbeSftaaten — butd) prin ä ipieüe ©roffnung
ber Snabenfdjulen 'für bte «Käbchen, wie in aüen SunbeSftaaten burch
fnberung beS ©parafterS ber höheren «Mäbcpenfcbule. ©uie ® e rftar:
tunq ber realiftifcpen SitbungSmomente gegenüber ben afthetrf#fentt:
mentalen Warb cbenfo geforbert Wie eine ftärfere Setonung ber for:
maten «GerftanbeSbilbung unb grö&ere Sachlichfett. So Würbe bte
lehnttaffige höhere «Käbcpenfchule, in «Pteufjen Spieum genannt baS
Weibliche Sorretat ber «Realfchute, aüerbingS mit ber @tnfd)ianEung ba&
bie Sngleicpung jwifd)en beiben nicht ftart genug war, um ber poperen
«Dtäbchenfchute bie beruflichen «Berechtigungen ber «Reatfcputen einfach z«
berleipen. Sie tann niept als Unterbau einer Dberreatfcpute bienen unb
hitbet barum nicht in bem «Dtafee bie breite ©runblage einer «ßgramtbe,
wie bie ^Realfchute mit ihrem Oberbau, ber Cberrcalfdptie. Etefe Eat=
faepe Wirb um fo bebentlicher, je mehr bie Scrarmung Eeutfd)lanbS
bie Serufsbilbung ber«Käbcpen zur zwingenben «Rotwenbigfett macht.
greitih barf nicht überleben werben, bafs bte öffentliche höhere
«Käbchenfthute heute im grofjen unb ganzen noch immer ein ,,©rop=
ftabtprioileg" ift. Sn Sreu&en gibt eS noch aunäherub fo tuet Pribate
als öffentliche höhere «Käfd)cnfd)uten, in ben Elemeren «öunbesftanten
ift ba§ Serpältni§ noep uugünftiger. ®a bie jetjntlaffige höpere
cpenfchule heute Sorauöfepung für alle mittleren unb poperen Serufe
ift, tönnen bieEöcpter beö gebilbeten «Kittelftanbeä, btetnSfem= unb
«Kittelftäbteu aufmaepfen, bie jutn fpatereu gorttommen notwenbige
Schulbtlbung nur burch frühe Trennung Uom ©ItetnpauS erwerben.
So bleibt atfo bieKeform ber Siabhenbilbung nad) ber foztalcn Sette
unzulänglich. Eie grauenheweguna hatftetS ben Stanbpunltuerlrelen,
bah Staat unb Stabte für bas «Käbcbenbilhtngsmefen höhere 2luf:
Wenbuugen machen müffeu — befonbers einbrudsoolle «plafate »er:
traten auf ber »erlincr 2 lu 3 fteDung „Eie grau iuöou# unb'Seruj
1912 biefe gorbratng. Eie Siebte muffen höhere «Käbcbenfcbuten er:
richten, Porhanbene ausgefallen, «prioatfeputenübernehmen. Eicgrauen
72
III, gur SEfyeorie ber grauenBetpegitna
öl§ Spanierinnen inerben gerabe in btefer ,'pinfic^t einen erheblichen
©tnflufj auf Stabt unb Staat au«üben lönnen.
Sin anberer SPeg, ber gerabe bei bern Stanb unferer ginangen inieber
auf ba« SringlicBfte empfohlen »erben muß, »enn ben «SRäbdjen bie
nottoenbige ScBuIbilbung guteil »erben foß, ift ber genteinfame Untere
rid^t bon Knaben unb äRäb<hen, bie Sulaffung ber SRäbcBen gn ben
nöneren Shtabenfcfiulen. ®ie grauenbe»egnng ^at bie« fiet« geforbert,
Weniger an« ftnangießen, al« au« ibealen äRoüben heran«, gur gör*
bernng ber ^amerabfc^aftlicfjfeit ber ©efdßechter, anfnüpfenb an gichte«
©ebanfen in feinen „«Reben an bie beutfdje «Ration". ®ie größten
S3unbe«ftaaten, «ßreujjen, Satjern, Sadjfen, naben bie Soebufatiou
bi«ber abgelehnt, toänrenb eine fReüje mittlerer unb fleinerer Staaten,
fo Sabett unb Reffen, fie eingefünrt Baben. ®ie geringen «RacBteile,
bie au« ber gemeinfatnen ©rgiehung BeroorgeBen fönnten, laffen fiel)
bur^ eine fdjarfe 2lu«lefe ber »irllicB befähigten «[Räbchen leicht oer*
meiben. greilid) Bat bie grauenbewegung niemal« augfcBliejjlicB ben
gemeinfatnen Unterricht al« einzige ScBulform geforbert, aber fie will
iBn neben ben nach ©efchlechtern getrennten S3ilbung«anftalten ein*
geführt Wiffen. 33orau8fe|sung für bie boße ©ntfalfnng feiner günftigen
SPirfungen ift e« aflerbing«, bafj ber gemeinfame Unterricht bon Knaben
unb äRäbcBen bon SeBrern unb Seherinnen erteilt Wirb, bamit bie
SRäbdBen ben ergiehertfchen ©influfj ber grau nidtjt entbeBren. Siefer
»eiblicBe ©tnflufj in ber äRäbcBenbilbung gehört gu ben ftürmifch*
ften Kapiteln au« ber ©efdjtchte ber grauenbewegung. ©« ift gtoeifel*
lo«, baff bie «JRäbcBenfcBulreform eineguriicfbrängung be« Weiblichen
©tnfluffe« bon Dberftufe unb Seitung ber BöBeren «IRäbcBenfcBute be*
beutet. Sn ber preufiifcBen «Reuorbnung bon 1908, ber bie «Beftim*
mungen ber übrigen 23unbe«fiaaten weiften« nachgebilbet finb, ift bie
gorberung gefteHt, bafj an ben BöBeren SRäbd)enfd)ulen jeber 31rt
minbeften« ein ^Drittel ber Stunben bon männlichen Sehkräften er*
teilt werben mufj. ®aburcB üwrbe bie Seiterin unter alten Umftänben
| ur 35orgefe|ten bon SRännern, ein Suftanb, ber bem männlichen Selb jh
betoufjtfein unerträglich fchten, unb gu einem Kampf gegen bie Weib*
liehe Seitung geführt Bat, beffen Argumente weift alte „«RitterticBfeit".
bte fonft bon biefer Seite fo hoch gefügt Wirb, bermiffen läjjt. S«
SacBfen unb Reffen Bat bie Agitation ber SeBrer ben Stuefdßufj ber
grauettfOom ®ireftorat erreicht; in «ßreufjen gibt e« bi« jefet fechgehn
®treftorinnen öffentlicher BöBerer SRäbcBenfcBulen. S« SSaben ift bie
73
®er toeibltdie Qmtftufj tn ber 3ftäbc|enfc|uü
©acBe überhäuft niemal« gur Sprache gebracht worben, ber weibliche
ginftufj an ben höheren ScBulen, bor allem am 2MbcBengBmnafiujn
in Sarl«ruBe, ift aufjerorbentlich gering.
6 « fcBeint eine befonbere ©igentümtichfeit bet ®eutf<hen gu fein,
immer- tBeoretifh erft über bie grauenangelegenBeiten gu bertianbeln,
ehe ntan bie Satfacben fp reden täjjt. So ift auch in ber grage ber
SSorbilbnng ber SRäbdjen gur Unioerfität ber Kampf jwifchen £>unta*
niften unb iRealiften bon neuem entbrannt. S n ©adhfett würbe bie Ober*
realfchnle für ÜRabcBen überhaupt abgelehnt, in fteffen al« eingigeSSor*
bilbuttg gur Unioerfität jugelaffett. gn ben übrigen ©unbeSftaateit finb
alle brei Schnuppen, (©ptnnafium, fRealgtjmuafiittn, Dberrealfdjule ben
3 RäbdBen gugänglidj; bo<h überwiegt ba« Siealgtjmnafium, mit bem
man „gwei gltegen mit einer klappe" fchlagen gu tonnen meint. S«
ben Staaten mit gemeinfamer ©rgiehung ift ber SÖefuch einer höheren
KnabenfcBule nur geftaitet, wennteineentfprechenbe SRäbdjenfchulanftalt
in ber Stabt borBanbtn ift. ®ie grauenbewegung hat fidB ftet« auf
ben Stanbpunlt gefteßt, baß ben «öläbcljen alle brei SBege gur Uni*
oerfität offen ftehen mühten, weil eS fdjlechtetbing« nicht möglich fei,
mit fRütfficht auf bte befonbere ffuliuraufgabe ber grau, biefe nber
jene ®ilbung«mögli(hteitan§fhlief!tid) für fie gu oerlangen. Segabung
unb«Reigung bet SRäbchen finb ebenfo oerfchieben wie bie ber Knaben.
®arunr Bat auch i5er herein grauenbilbung*grauenftnbium im SaBre
1916 bie Sßerorbnung belämpft, wonadh in heibelberg unb «Kamt*
Beim ber SSefudh be« Änabengbntnafium« für bie «IRäbcBen »erboten
Werben foUte im ^»inblid auf bie in beibenStäbten befteBenbenüDläbcBen*
realgBmnafien. ®a« SSorgehen war für PlannBeim erfolgreih, für Reibet*
berg nicht. Sebeutfawer freilich al« biefe immer wieber auftauchenben
SSerfuchc, ba« S3ilbung«recht ber grauen gu fchmälern, ift bie bereit«
in ber ©efchichie ber grauenbewegung, ©eite 42 erWäBnte, 1909 er*
folgte Sulaffung ber Slbfoloentinnen be« BöBeren SeBrerinnenfeminar«
in ißreuhen gur Unioerfität. §ier Banbelt e« fich nicht um eine 3ned*
mä|igleit«frage, fonbern um eine «ßringipienfrage, bie babutch nocB
toeittragenber würbe, al«ben„Dberlt)gifttnnen"burcB®rlaB oom 11.D1*
tober 1913 ba« fRecht gegeben Würbe, auf ©runb einer «Raäjprüfung
audB in anberen gafultäten gu ftubieren unb bie ®oltorprüfnng gu
mähen. ®ie grauenbewegung Bat mit aßen ihr gu ©ebote fteßenben
«[Rittein ben ,vierten SPeg" belämpft unb babei an ben Uniberfitdten
felbft ooße Unterftü^ung gefunben. (Siitem auf Ißeranlaffung be« S5er*
__ III. 8 ur geeite bet grauetibemegung
ein? grauenbilbung * grauenftubium erfolgten fßroteft non über 300
orbentlidjen fßrofefforen preufjifcher Uninerfitäten folgte ein eingebenbeS
©utacfjten ber pbil°fophtfd)en gafuttät non ©öttingen. @S betjit bort:
„2Bir finb burdjaoS überjeugt Don bem entfdjeibenben SBerte ber fo*
genannten ett}ifd)en gädier, SHeligion, ©eidjidjte, opüÜd)er unb litera*
tifdjer SBilbung, wie fte im beutjdjen Unterricht angeftrebt Werben; wir
betmögen banad) nid)t nur bie anertannte ®Ietdiber'ed)tiguna ber Oberen
©cbulcn ju mürbigen, jonbettt auch bie ©ebanfen ber greunbe beS Ober*
IgjcumS ju Derftetjen. Stiebt Don biefer allgemein mcnid)Iid)en SUlPung,
bet unter gejamteS UntevridjtSwefen juftrebt, foll im folgenben bie Siebe
fein, fonbern Don ber bejonberen inteDettueflen unb tedjni djen SSorbilbung
für bnS gelehrte, fpe^rfifd) wiffenidjaftltdie etubium, baS SBefen, Stätte
unb ©bre unterer Uninerfitäten auSmadjt"
gut biefeS Wiffenfcbaftlidje ©tubiunt reicht bie SSorbcreitung beS
Dbed%eunt§ nicht auS, benn es J>at feinen Unterricht in alten Sprachen
unb erreicht in ÜJiathematif unb Staturwiffenfdjaftcn nicht ganj baS
fßenfum be§ bumanifitfeben ©pmnafiumS. Sro$bem läbt bie S 8 erfü=
gung bon 1913 junt SBefuch beS Dberlt^eumS gerabeju ein, „wälj*
renb bei ben ft naben ein trabitioneHeS Übergewicht ber ghmnafiafen unb
realgpmnafialen Slnftalten befielt unb bie Qberrealfd)ulbilbung in fehr
hohem SKafje atS SBorbereitung auf ba§ ©tubium an ben tedhmifc^ett
|)ochfchulen unb für ben DffijicrSfianb in grage fommt, worauf boch
toieber bie Oberl^een nidjt refteftieren". Satfädjlicb t»at ber „öieite
Sffieg" 3 U einer Überfüllung beS Sehrerinnenberufes geführt unb bie
Sof)t ber ©tubentinnen in ungefunb*einfeitiger SBeife gefteige»t. Sen
fttagen über Überfüllung ber höheren grauenberufe fann bie beutfehe
grauenbetoegung nur bie gorberung ber Stufhebung ber Segünftigung
ber Qberlpjeen gegenüberfteflen.
Sieben bem Cberl^eum hatte bie preufjifcbe aKäbcbenfdmlrcform
noch einen attberen Siebling: bie grauenfdjule. Sie mottle ben SKäb*
dhen, bie nicht unmittelbar nach Sertoffen ber Schule fich einer ®e*
rufSauSbitbung sumenben Wollten, eine Sßorbereitung jum 33erufe ber
Hausfrau unb SKütter gewähren, ©ie foflte prnfiifd)*bouSmirtfcbaft*
liehe unb alIgemein*Wiffenfcbaftlicbe Sfnftatt jwgTeicb fein, unb ^war
beibeS ohne fefteS ©hfiern, ohne ftare 3’ete. Sto^bem nur bie ©täbte
eine ©tubtenanftalt errichten burften, bie bereits eine grauenfdiufe be*
fafeen unb für letztere bie ©tabtfäcfel befonberS gern aufgeton mur*
ben, war bie grauenfchule boch ein Döttiger SSRi^rrfolg. Ser Sug ber
Seit jum 93eruf fteÜie fich bem ©ebanfen ber betufSlofen ©<±»ule bem*
menb entgegen, ©o haben bie meifien grauenfdjulen fehr batb ihrem
75
Qfrerltjfteum unb grauenfc hule
iweiten gabreSfutS irgenbein praftifcheS Sief gegeben, was freilich
bie grobe ©efahr bilettantifcber SSerufSoorbitbung in greifbare Stäbe
rücfte. Srofcbem aber jeigte bie Schule fo wenig StnsiehungSfraft, fo
bah intgrübiahr 1918 neue «eftimmungen über bie preufitfeben grauen*
fchuten erlaffen Würben. Srei Sebrjiefe werben angegeben: ©inficht
inbie 33 ebürfniffebeS|>auShaltSunbSenntniffe jur SSefriebigung feiner
SJtittet; ©inficht in bie ©orge für bie ftinber unb enblich allgemeine
SSSeiterbtlbung afS ©taatSbürgerin.SiefeSietefoUenentmeberin einem
ober in jroeigabren erreicht Werben; im festeren gaüe ftebt ber Unter*
ri*t in SBobtfahrtSpflege unb ftinberfürforge im «öiittef^unft beS St'b * 5
ganges beS ^weiten gabreS. gür fich beftetjenbe grauenfhulen müffen
eine weibliche Seitung hoben; Slnftalten, bie einer größeren Sehranftalt
augegliebert finb, müffen eine „Oberin" hoben, bie bie grauenfchule
oerantwortlich leitet. Siefe S3eftimmungen bebeuten einen gortfehntt,
ber oorauSfichtlih burch graueneinftub in ben Staats* unb ©tabt*
Parlamenten noch öergröfjert werben fann.
greüich ift baS grauenbilbungSprobtem, Wie jebeS SBilbungSproblem,
erft in jweiter Sinie eine grage ber ©efebgebung. in erfter Sinie eine
folhe ber fßerfönlichfeiten. Ser ©eift in unferen 9Dtäbchenfd)uten muh
ein anberer werben; immer noch mangelt gar ju oft ber rechte ©ruft,
bie rechte Sifeiplin, bie rechte Bielfichertjeit. Unumgänglich nötig ift
baju ein ftarfer ©influb ber grauen auf bie höheren SSilbungSan*
Walten; nur auf biefem SBege wirb fich eine wirfliche Hebung beS gei*
ftigen ffiiöeauS ber grauen erzielen laffen. Siefern ällanget an Weib*
lichem ©influh finb aud) eine fßeihe oon SRißftänben ^ujufchreiben,
bie fich neuerbingS im grauenftubium bemerfbar machen. SaS grauen*
ftubium, biefer grofje ©rfolg ber grauenbewegung, enthüllt immer mehr
eine gan^ befonberefßroblematif. SieSliegteinmafinberrafchwachfen*
ben Sahf ber ©tubentinnen auf beulten Uniüerfitäten begrünbet: fie
ftieg oon 2727 im SSinterfemefter 1911/12 auf 6205 im Sommer*
femefter 1917. gm erftgenanuten ©emefter mochten bie grauen 4,3 / 0 ,
im Ungenannten 9,7 % ber gefamten ©tubentenfehaft aus. Ptt ber
fteigenben Quantität fanf natürlich bie Qualität, unb bie SluSlefe würbe,
Wie oben ermähnt, butch bie Slbfolöentinnen be§ „Dienten SEBegeS" Diel*
fach noch oerfchfechtert. Sem „heroifchen“ unb bem „flaffifchen" Shh
ber ©tubentinnen ift ber „romantifd;e" gefolgt. 1 ) ©in Heil ber jungen
1 ) Marianne SBeber, SBom JDbenWanbet ber ftubierenben grau.
Berlin, SS. SJiofer.
^ _ in, 8»t Sfteoite ber gmuettBemeflung _
©tubentinnen, bie fetbftberftänbtich, EampftoS itnb normal borgebilbet
bte Untberfität besiegen, fühlt fidj tropem bort unheünifch unb lann
bem 3teidj ber ©adEjIidfjfeiten, in ba3 fie ftcfj gefteHt fief)t, nur ntit
SKü^e SBerte für if)r eigenes lßerfönlicf)fettsleben abgewinnen. Sie
ttnficfierbeit unb ©elbftfritif ber jungen SRäbcfjen wädjft, fie empfin*
ben bie Stuft jWifchen ihrem SBeibtum unb ber SBelt ber objettioen
Suttur bor altem beStjatb fo ftarf, Weit fie nicht ober ju toenig reife
grauen ats gütjrerinnen Ratten, bie biefe Sßrobtematil in fidj fetbft
erlebten unb überwanben. Sind) unter biefem ©efidpspunlt ift biefju*
taffung ber grauen gur Sogentur, bie fit^ tangfam burdjfefet, eine Slot*
toenbigfeit.
SBefonberS bebauertidEj ift eS aber, ba| in Greifen ber Uniberfität
fetbft in ben testen ga^ren toieber ein ftärfereS äKifjtrauen gegen baS
grauenftubium ermaßt, baS burd) bie Sonfurrengfurdjt ber SRänner
itlabrung finbet. Sie babifcfje bortäufige SBotlSregierung erliefe imSBinter
1918/19 eine SSerorbnung, bie als SluSnatjmebeftimmung gegen baS
grauenftubium begeidmet tnerben mu§. Sanadj fottten an ber Uniüer*
fität ^eibetberg für 5 loci ©emefter grauen nicht immatrilutiert wer*
ben, um für bie gurüdgefehrten Kriegsteilnehmer genügenben 5 ßla|
in Hör jäten unb toiffenfcfeafttid^en gnftituten gu fidjern. Sie S3ebor*
jugung ber Kriegsteilnehmer ift berechtigt, unberechtigt bagegen bte
©feichfteltung aller männlichen Stubierenben, auch fotc^cr, bie nicht
im gelb Waren, mit ben tjeimgefehrten Kriegern. Stuf eine Petition
bei ber Regierung um Stufhebung 6310 . SJtilberung biefer SSorfchrift
tief eine abtehnenbe Stntioort ein, in ber ber SBunfdj nach einer befferen
StuStefe ber ©tubentinnen auSgefprodjen tourbe. Siefer SBunfch ift be=
red^tigt — bei ben SKännern übrigens nicht toeniger ats bei ben grauen
- aber fetjr fifjtoer burcljguführen. ©etbftoerftänbtich toirb unfere ber*
armte SBollSWirtfdjaft eine ijSrotetarifierung ber geiftigen SBerufe ber*
hüten müffen, anberfeits aber ift bie ©rwerbSnotWenbigleit bei grauen
unb SKäbchen aüer ©tänbe geftiegen. @S befiehlt bie grage, ob baS
grauenftubium an iedjnifdjen Hochfcfjülen gur ©nttaftung ber ttnioer*
fitäten gu förbern fei. S5om ©ommerfemefter 1915 bis gum Sommer*
femefter 1917 ift bie Saht ber Weiblichen ©tubierenben an technijdjen
Hochfluten bon 54 auf 108 geftiegen, hat fich atfo genau berboppett
(ohne bie Hörerinnen ber allgemein bilbenben gädber). Son ben 108
ftubierten 40 Strchiteftur, 44 ©hemie unb tßharmajie. Sie Bähten finb
aufjerorbenttich Hein, eigentliche grauenberufe taffen fich auf ben tecfj*
grauenftubium
77
nifchen ©tubien bisher nur in geringem 3Kafce aufbauen. SaS ©tu*
bium ber grauen an benKunftalabemien ift noch bietfach eingefchränft
unb fie finb auf bie oft unzulänglichen ^rioatanftatten angewiefen.
Sie gorberung ber grauenbetoegung nach bem Siechte gleicher Hus*
bitbung für Sölann unb grau gilt auf allen Gebieten unb Wirb frei)
hoffentlich im neuen Seutfdjtanb burchfe^ett.
bteibt eitte bet großen Slufgabeu ber grauettbelüegmtg, bte ©etiug?
feit ber grauen gu erweden unb gu entfalten, ihnen immer wieber bon
neuem ttt §erj uttb Sinn gu fcfyreibeu, ba§ ba£ menfdjtictie Sebett nur
bann reid) ift, tnenn e 3 in SBe^ieEjung fte£)t gu geiftigen SSBerten, üvtt*
perföntidjen gbeaten. Hier fliehen bie Duetten immer neuer Gsrqutdung
nnb greube, bie auch ber fdfemähtic^c griebe nuferem Sofle nicht rauben
lann. Sßenn bte beutfctien grauen gang babon butchbrungen ftnb, bah
baS „Sehen Siebe ift" unb beS „SebenS Seben ©eift", werben fxe ihre
Kulturaufgaben erfüllen, in bet gamilie, im Söeruf unb im öffentlichen
Seben.
3. Frauenberufsärheit unb Frttuettbeweguttß.
Sie grauenbetoegung wuchs gufammen mit ben großen Problemen,
bie bießerrfchaft beS Kapitalismus ber europäifchen SBelt aufbrängte.
Sie ift ftets bereit gewefen, an ber Söfung biefer Probleme mitguar*
beiten; getreu ihren ©runbfähen bon ber Überzeugung geleitet, baff
bie grau nicht berftänbniStoS unb willenlos in ber neuen SSirtfhaftS*
wett ftehen folte, fonbern barin ben ihr angemeffenen Sßlafe ftnben
unb fo behaupten müffe, bah bie SBerte ihres perföntidjen ©tgenlebenS
babei leinen Schaben leiben. „ . „
Siefe ©iettungnahme, bie auf ein bequem*rabtlaleS ,,^ja ober,, Jtexn
ber neu auffieigenben SBirtfchaftSwett gegenüber beruhtet, fe^t bte
grauenbeWegung bet ^Inangriffnahme tuirtfdjaftlicEjer Probleme einer
hoppelten ©egnerfchaft aus. grühece «nt)änger wenben fich enttaufcht
bon ihr ab, weit fie glauben, bah bie grauenbeWegung als SnIbungS*
unb tutturbewegung berfchwinbe unb nur eine ölonomifche Bewegung
jur SSefferung ber Sage ber erwerbstätigen grauen übrigbteibe. ©egner
ber grauenbeWegung aber haben biefe häufig mit ber ^Behauptung an*
gegriffen, bie gorberung ber (Srfctjliehung neuer gtauenberufe fanl*
tioniere fojufagen atteS ©lenb ber grauenerWerbSarbeit.
gm ©egenfafe ju erftem SSorWutf lann bie grauenbeWegung
barauf hmweifen, bah bie Sebeutung ber wirtfehaftlichen Satfa^en
78
III. gut Sfjeorte ber g rcmenftetoeflnflg
für bie ©efamtfultur etne§ 33olfe$ immer t)ort neuem betont toetben
mu§. Sitte ecgte ©ogialpolitif »urgelt legtlicg in ber Übergeugung
be§ untrennbaren BufammengangS gmifcgen «üöirtfd^aft unb Kultur,
in ber ©emiggeit, bag mir berechtigt finb, aus »irtfcgaftlicgen £at=
fad^en fulturette gorberungen abguleiten, baS moberne SöirtfdgaftS*
leben, beffen brutale SBucgt uns gu erbriicfen brogt, mit fittlicgen Sbealen
gu burcgbringen. @S gehört gu ben gauptfäcgtibhfien Slufgaben ber grauem
bemegung, immer tnieber eine foltfje Steuorbnung igrer Kulturgiele gu
bottgiegen, entfprecgenb ben neuen »irifcgafilicgen SInforberungen, bie
an bie grauen geftettt »erben. Bgre Stellung gnr grauenberufgarbeit
lägt ficg bnljcr furg mit folgenben SBorten (garalterifieten: Xie mirb
fjgaftlicge ©ntwidlung gat SRiflionen bon grauen bie öfonomifcge unb
fittlidtie Stotmenbigleit ber ^Berufsarbeit gebracht. ®ie grauenbewe*
gung »itt ignen helfen, äugerlidg unb innerlich mit igrem neuen »irt*
fcgaftlicgen Scgicffal fertig gu »erben, tugerlibg, bamit bie grau auf
aßen SlrbeitSgebieten als gleichberechtigter SRitarbeiter neben bem
SRanne ftege; innerlich, bamit mehr ©elegenheitcn gefchaffen »erben,
»eibliche Kulturarbeit gn entmitteln unb eingufegen, bamit nicht nur
ber einzelnen grau SebenSuntergalt unb mirtfchaftlicge Unabhängige
feit gefiebert »erbe, fonbern bamit bureg bie grauenarbeit in ihrer
©efamtgeit ein Stücf neuer Kultur entftehe. Serfiegen »ir unter ©r»
»erb bie lebiglich gum Smecfe beS ©elbberbienenS auSgeübte Slrbeit,
unter Seruf bagegen eine Sätigfeit, bie als fotege ben SRenfcgen in
ber ©efamtgeit feines SBefenS erfüllt unb förbert, fo ift es Biel ber
grauenbe»egung, bag bie grauenarbeit immer mehr aus einem ®r=
»erb gu einem Berufe »erben, eine ©nttoicElung, bie auch bei ben
SRännern noch niegt abgefegtoffen, aber hoch »etter fortgefdjritien ift
als bei ben grauen, ©ine Serinnerlicgung ber SerufSauffaffung für
bie grau hat als erfte SBorbebingung eine möglichft gute unb grünb*
liehe SerufSborbereitung ber SRäbcgen aller Solfsfcgicgten.
gür bie berufstätigen grauen ftegt heute biegroge ber SluSbilbung
im SSoibergrunb beS SntereffeS, fie regelt ben SlrbeitSlogn, alfo bie
Stellung unb SBicgtigfeit ber »eiblichen SlrbeitSfraft im „betriebe''
hanbelt eS ficg um gabrif, Kontor, ftäbtifcheS Slmt ober »iffenfcgaft=
lii^eS Snftitut; fie gibt bager bie äugeren SRöglicgfeiten, ben Kampf
ums Xafein fiegreieg gu begehen. SRocg bebeutungSootter ift, bag nur
auf ber ©runblage einer SerufSauSbilbung bas ©efügt ber SBerufS;
gugegörigfeit entgegen unb feinerfeits baS Slufmacgfen eines S3erufS=
_ (Srgtcgmtg gur Qualitätsarbeit _ ^
gebanfenS erntöglicgen fann, ber auch für bie grau fittlicgen Sßert
gaben mug.
©eiten biefe ©rwägungen borwiegenb für bie grauenarbett in get«
ftigen berufen, fo bebarf bie grauenarbeit in ben befiglofen Solls*
fehlten cor allem ber ttoglüberfegten Seitung. 2 >em oben ermähnten
©treben ttad) innerer Slnpaffuttg ber Sran an if>re Slrbeit enttyridd
e$, toenn bie SKittet ertoogen toerben, ben SSSertjebet, felbft ber 6 ro B 5
inbuftrteÜen Srauettarbeit tecfjnifcf) nnb für bie SIrbeiterin felbft 5 U
erlern 3 n ben Sauren nor bem Kriege ift immer toieber bie got*
berung erhoben toorben, bie Seiftung ber grau jum Slang ber Oua*
lität^arbeit ju ergeben burefj ©röffnuttg fad^Iidber Silbung^anftatten,
beffereSlegelungbe^ toeibli^enSeWin^mefen§,Sibtegung bonSJietfter^
Prüfungen unb äf>nlic^c§ me^r. §infic$ittd) ber Slrbeit in ber @rofc
inbuftrie fcfyieneit bie ted)ntfd)en Sortfd^ritte eine foldje ©nitpicflung
ju unterftü^en. ®cr SSegfatt rollig ungelernter SKu^telarbeit burd)
gefteigerte Slnnjenbnng ron 9Kafdeinen ^at einen großen Seil btxtyx*
betterinnen au§ ungelernten §n angelernten Slrbeit§!räften gemaept.
©ine beffereSSorbilbung biefer SKäbd)en, namentli^ in ted)nifct)er
fid^t, tonnte bebeutung^oott für bie Snbuftrien merben, bon bereu te^
nijdjen ^ßrobuftion^bebingungen ber Slu^fprn($ galt:
m mirb eine Stobitbnug in ber Sufunft mertboner fein al3 irgenb^
eine Äranlen^ ober SUtet^berftd)erung; b^nn ber ungelernte Slrbeiter tötrb
fo »entg gu brauchen fein mie ber ungeinnbe " ‘)
liefen gorberuugeit, beren §auptträger ber „SSerbanb für gaub=
»erfsmägige unb facggemerlticge SluSbilbung bet grau" fotoie ber
Bentraloerein für 9 lrbeiterinnen=Sntereffen waren, »urbe freilich ent=
gegengegaltcn, bag es unmöglid) fei, bureg UnterWeifung ober 2egre alle
ungelernte gabrtlarbeit gu berebeln, bag 9Rafchinenarbeit {einerlei
Segre, {einerlei SluSbilbung erforbere, bag eS immer ungelernte Slt=
beit geben müffe, bie ni^t gu einer geiftigen, anregenben unb go#
»ertigen geftaltet »erben lönne. Xurcg bie KriegSerfagrungen finb
biefe Überlegungen in ein neues Stabiunt getreten. ^Beobachtung ber
grauenarbeit in ber KriegSinbuftrie geigte, bog überall ba, wo mit
SSerfgeugmafdjineu, mit feft einftettbaren Slrbeitsoorgängcn gearbeitet
»irb, bie SRögticgteit borgauben tfi, im Setrieb, au ber äRafcgiue
1) D. Kämmerer, ®er Sinftug beS tecgnifc&en. gorttcbtittS aui bie
frobuttioitöt. ©cgtijten beS ICeieinS für ©ogialpol.til. 58b. 132.
Seidig. 1909.
80
III. gur &f)eorte ber ^rau enfietoeguttg
in faum nennenswerter Seit ben Weiter boßwerfig anguternen
unb tpn gum fpejiatarbeitcr gu breffieren. Unb gerabe für biefe Sreffur
eigneten ftdfj bie grauen befonberS. 1 ) Siefer ©inbrucf mar fo ftarl
ba§ non etnern tiolfsmirtfbfjaftlicf) unölonomif^en SSorurte« gugunften
ber gelernten Arbeit unb ber gelernten Arbeiter in ben greifen ber
Frauenbewegung gebrochen »erben tonnte. Sie ungelernte Weit
ersten meniger atS je als ber „Sßor^of" ber gelernten. Sam tarn
ber «uctgang ber eigentlichen FacljauSbitbung währenb beS grieqeS
unb bte ftarte Zunahme alter gönnen ber „angelernten" Weit. SBenn
quc| bte fhftematifdje SBerfftattauSbitbung ber grauen mäbrenb beS
ftrtege§ eine gewiffe Zunahme erfahren hat, fo muß hoch im großen
unb gangen fetn@inftu& auf bie inbuftriefle Dualitätlarbeit ber grau
berf)ängntSbott begegnet »erben. @r »irb berftärft burdb bie
etnfu^rmtg beS „SahtorfhftemS", baS auch bei uns nach gtiebenS 5
fcblug tn berfiärttem SDlafje Stnwenbung finben »irb. 2Bir berftehen
i°^ nt m 6elEan t ntti ^ eine örgonifotion ber »irtfdfjaftfidEjen Arbeit, burdb
»eldbe SSergeubung bon graft bermieben unb bie hödjfte (Steigerung
ber ßetftungSfahtgfeit be§ Betriebes erreicht »irb. gebe WeitSIeiftunq
^ trbtn ty* Hemften Seite gertegt unb bie raf^efte unb fi<herfte S3e*
ÜwioTm na $ bJiffenfdbafttidben Sßringifnen
feftgefteüt. Stuf ©runb forgfättiger Stnteitung tonnen bann audb in
angelernter Slrbeit t)otje Söhne Oerbient »erben unb fo »erben »eher bie
gnbuftne nocb grau fetbft in ftärterem SKajfe nach Weiblicher Oua=
IttatSarbett bertangen. Sie erftere nicht, »eit bie nach ben SRetfioben
be§ SahtorfhftemS breffierte WeitSfraft ihren Stnforberungen mim
beftenäebenfofehr genügt »ie bie QuatitätSarbeiterin; bie gmeite nidbt,
wett tjr bteSorbttbung mehr all je nur als unrentabler Umweg gum
Stete be§ ©elbberbiettenS erfc^eint, baS ihr bei Weitswißigfeit unb
Stnhaffungöfahigteit gefiebert ift. Um fo mehr mu& bafür geforgt »er=
: en ',, b f^* ertie fung ^eS Sortbitbungöfdbut»efen§ unb SluSbau ber
»etbltchen ^ugenbpftege ergieherifdbeu ©inftufj in baS Beben beriunqen
»cabdben gu bringen, greitidb tonnen toir heute nicht borauSfageu,
»etchegormen unb SluSbehnung biegewerbtidhegrauenarbettin Seutfdh 5
lanb tunfttg annehmen »irb; fie fann bon ben grunbtegenben Snbe=
rungen tn unf erem SSirtfctjaftSleben nidht unbeeinflußt bleiben. SBoßen
Sor 1 L^rf ! 2R “ r 1 e ® 1 { ? a6e tb Söb erä, ©ie bolt^mirtfcfjafttidje »ebeutuna
ta SÄ fcr«e«iie fü \ 9 b iv 0ewer6licbenS8erafe - ^ r6ud> beä
©atjlorfljftetti. — SRitttere Frauenberufe_ 81
wir aber Wieber foufurrengfähig auf bettt SSeUmacft werben, fo muß
auch ber Weiblichen gnbuftriearbeiterfhaft eine gute tectmifcbe SSitbung
gewährt Werben. — SBäifrenb bie ^anbwertStehre in ihren ©runb=
gügen eine befriebigettbe ^Regelung erfahren hat, unb nur bot altem
Unterftühung beS ßehrtingSmefenS unb ber unbemittelten Weiblichen
Sehrtinge gu forbern ift, finb begügtidj ber i(äu§ticE)ert unb ber tauf 5
mannifdhen ßlngefteßien bie Forderungen ber Frauenbewegung noch
fo gut »ie unerfüllt geblieben. SBefenttidje Schaben beiber SBerufe
hangen eng mit ber mangelhaften StuSbitbung ber in ihnen tätigen
Stäbchen gnfantmen. Sott auch ber häusliche Sienft ben (S^araEter
einer im Qntereffe ber Stilgemeinheit gu regetnbeu SSerufstätigEeit er=
hatten, fo ntüffen Schuten nnb Sehrftetlen in biel gasreicherem Sßafge
gur Verfügung fiehen. Verträge gWifchen Strbeitgeber unb Strbeitnehmer
genügen nicht. Surcf) SBerufSfcfjutung tnufj ber Sienftbotenftanb ge=
hoben unb barnit gugteict) ber heute mehr als je berechtigte SSunfch
erfüßt werben, bafj gerabe bte beften ©temente fich biefer Sätigfeit
guwenben möchten. Ser SSermtnberung ber Qaty bet häuslichen 2tn=
gefteßten währenb beS griegeS fteht bie betannte ftarte SSertnehrung
bertaufmännifchenSlngeftetttengegenüber, bieteiber »efetttüchin fct)(ect)t
borgebitbeten graften beftanb, bie feit griegSenbe als Slrbeiislofe bon
ber Slßgcnteinheit erhalten Werben muffen. Sie 33erfitcf)e gur 9teg« 5
tung beS bethängniSboßen pribaten ^anbetSf^ulWefenS, bie währenb
beS griegeS gemacht wurbeu, muffen jet^tum fo energifher aufgenom-
men »erben, at§ es gilt, bie Sätigteit im tontor auch »ieber für bie
Sö^ter beS SJtittelftanbeS angieheub gu mähen, ©erabe für biete bon
biefen »erben bie triegSfotgen bie ©rwerbSnotwenbigfeit bringen unb
barunt mu| bie Steitje ber mittleren Frauenberufe, b. h- fotefte, beren
SßorauSfehung ber Sefud) ber höheren 9J£äbc£)enfc£jutc unb einer Fach 5
fdhute ift, mögtichft erweitert werben. Sieben ber feminariftifdj gebit=
beten Sehrerin, gehören in biefe ©ruhhe bor aßem bte Saborantiuneu,
©hemitantinnen, Stöntnotoginnen, ber mittlere SSibtiotheESbienft. bie
ginbergärtnerinnen nnb Sogiatbeamtinnen. gontoriftinnen unb gram
tenpflegerinnen müßten burdh entfhrectienbe StuSbitbung ben mittteren
SSerufen gugewiefen werben, währenb Stpotheterin unb ifatjnärgtin
fogufagenÜbergangSftufen gu ben berufen mit boßer ,'poct)tcf)utbitbung
barfteßen. Sen genannten mittteren berufen ift eines gemeinfam: fie
finb ihrem 93erufSmhatt nach „höhere SSerufe“, bie ben ©infah beS
gangen fßlenfdhen erforbern, barunt brauchen fie eine georbnete 5Be=
TOu© 761: SBetnaU?, S)ie beutfdje grauenöetoeßung 6
82
HL gut £t)eorie bei grauettbewegunfl
rufsbilbung. Sei Laborantinnen unb Sbenuferinnen liegt biefe noch
rec^t im Slrgen; äße Stängel ber fßriöatfurfe ober gacljpreffe machen fiel)
Breit; bagegen gibt eS für ben mittleren SBibliotfjefsbienft Bereits an*
ertannt gute SluSbilbungSWege unb bie SluSbilbung ber Sinbergärt*
nerinnenift ftaatlich geregelt. Sie ©ojialbeamtinnen haben noch immer
gegen unjulängliche BilbungSanfialten mit bilettantifcBen Sielen $u
Jämpfen. Um bem SilettantiSmuS unb bem ©rwerbstrieb, ber gerabe
auf biefem ©ebiet fidj befonberS jeigte, einen fRiegel uorjufdjieben,
haben bie größten fojialen grauenfdjulen fiel) ju einer „konferenj fo*
jialer grauenfehuten" jufammengefcfßoffen, gemeinfame Sehrpläne auS*
gearbeitet unb nehmen nur bie ©djulen in iEjren Berbanb auf, beren
SluSbilbung ben Slnforberungen entfpridft. x ) ©trabe auf bem ©ebict
ber „mittleren" grauenberufe bleibt ber grauenbewegung ein Weites
gelb ber Sätigleit. Dieben ber Siegelung ber fefjon beftebenben S3e*
rufe mufi burd) (Sröffnung bon techmfcfjen unb gewerblichen gadjidjulen
bie SReitje btefer Berufe öergrößert werben, bamit bie arbeitfudjenben
grauen barin Unterhalt unb befriebigenbe Sätigfeit finben. gür biefe
Berufe ganj ebenfo wie für bie alabemifdjen braucht bie grau auch
heute noch alle ÜDlöglichfeiten ber freien konlurrenj, ben SBegfafl
aller ©chranfen, bie ihrer geiftigen ©ntwidlung hemmenb entgegen*
ftehen.
©riinblidlje BerufSauSbilbmtg, bie nicht nur SSiffen unb können
bermittelt, fonbern auch BerufSernft unb Berufstreue entwicEelt, ift
unerläßliche BorauSfeßutig jur ©rfüttmtg ber gorberung nach „gleichem
Sohn für gleiche Seiftung''. Sluch in ben Sohnfragen hat baS Berufs*
fchidfal aller grauen biel gleichartiges, ©elbft bie Siebolution Wirb an
ber fchtedfjteren Bejahung ber grau, Weil fie grau ift, nichts änbern,
Wenn biegrauen felber nicht energifcf) biefe'Angelegenheit in bie|mnb
nehmen. Ign ber Sphäre ber ©rwerhSarbeit im engeren ©inn mögen
bielleicht bie neu geraffenen Betriebsräte bie Sohnfragen ber grauen
in befriebigenber SSeife löfen, befto mehr gilt eS bafür ju forgen, baß
nicht an öffentlichen Ämtern ber{d)iebenfter Art ©tabt ober ©emeinbe
bie grau gu bidigften ©ehältern anfteüen. ©chrieb bod) noch im Sehern*
ber 1918 ein füöbeutfdjeS BejirlSamt bie ©teile einer fßoliäeipflegeriu
1 ) ®er Stouferenjfinb bisher angefdjtoffen: bie interfonfeffionetlen fojialen
grauenfd)ulen in Berlin, Hamburg, Seipgig, SKunnheim, ©nutgurt, Stöln,
gcantjurt, ®üffelDorf; bie eoangetijd)en Schulen in §annooec, Berlin,
©tberfetb; bie tatholijehen ©djulen in Berlin unb Stachen.
gohrfragen. — Berufsberatung
mit bem gahreegeljalt bon 1125 3JI. aus, ju einer 3eit, ba bie
monatliche Unterftüfcung weiblicher ArbeitSIofer in ©roßftäbten runb
200 3Jt. betrug.
Sie üerfchiebene Befolbung gleichwertig öorgebilbeter SPlanuer unb
grauen wäre nach i )ent Stiege befonberS üerhängniSüotl, weil fie leicht
eine Betwrjugung ber grauen aus ©rarfamteitigrünben herborrufen
nnb bamit eine ftarfe öppofition ber SJtänner gegen jebe grauenarbeit
weefen mürbe, Wie fie fid) je^t fdjonin ben SejnobilntachungSauSfcf)üffen
geltenb mach*- Außerbent aber ift nur bei gleichem Sohn für gleiche
Seiftung su erwarten, baß ber ©ebanfe einer finngemäßen ArbeitS*
leiftung jwifchen ben ©efchlechtern an ©fette ber bisher beftehenben
konturrenj gorrn nnb Seben gewinnt. Siefe ©eeignetheit müßte auf
©runb empirtfth*pfhchologifcher Unterfuchungen unb Erfahrungen fo*
weit als möglich fcftgefteflt werben, körperliche Sifferenjterungen unb
pfpdjifche ©efhlechtSunterfchiebe muffen iu Betradjt gezogen werben,
bamit an ©teile beS finnlofen 3ugreifenS bie Auswahl beS ©ecig*
neten tritt.
Siefe Auswahl fantt burd) äweclmäßige Berufsberatung unb ArbeitS*
oermittlung ungemein gefördert Werben. Sarutn muß bem Berufs*
beratungS* unb ArbeitSnachweiSwefen für grauen unb SJiäöcfjen er*
hößte Beachtung gefdjenft werben. Ser weibliche Arbeitsnachweis muß
ausgebaut unb mit jacfjfunbigen Beamtinnen befeßt, bie Berufsbera*
tung muß ftärfer als bisher pfpchologifd) funbiert werben.
Snbem ich biefe SBünfcEje unb Hoffnungen nieberfchrei6e, fontmt eS
mir fo recht jum Bewußtfein, Wie wenig wir heute noch üon ber fünf*
tigen ©eftaltung unfereS in Srümntern liegenben SEirtfcfiaftSlebenS
Wiffen, wie leicht uns feber Berufserfotg burdj ben bitteren ©ebanfeu
bergättt Werben fann, baß Wir mit einem Seil unferer Arbeit nicht
unferem Baterlanbe, fonbern unferen mtberf ähnlichen getnben bienen!
Aber mag bie ©egenwart noch fo trübe fein: eS gibt für baS beutfehe
Bolf eine ßulunft unb um biefer Sulunft mitten müffen alte kräfte
beS BolleS gef^üht unb geftärft werben. Sarum muß auch iw t>er=
armten Seutfchlanb ber©chu| ber arbeitenben grau eine große fHotte
fpielen. Sie Slufhehung ber Slrbeiterinnenfchuhgefehe, bie H u,I 9 ets
blocfabe, bie übermäßige Slrheit haben unfere BolJSgefunbheit ftart ge*
fd)Wä<ht, eS gilt umfaffenbe ©chuhbeftimmungcn ju treffen, bie nicht
nur bie ignbuftriearbeit, fonbern auch bie Hf'warbeit unb bieSanb*
Wirtf^aft in ihr Bereich sichen, ©benfo muß bie fokale gürforge mit
84
III. Q ur ffieoiie ber grauenbewegung
befonberer Serücffichtigmtg ber ertoerb^tättgen grauen unb ihrer ft'inber
auggeftattet werben.
SSon beu 9,49 SJliltionen hauptberuflich erwerbstätigen beutfdhen
grauen (1907) waren 2,8 üüfittionen Verheiratet; biefe Saf)I hat fidj.
Wie wir aus ©injelsähtungen wiffen, noch gans erheblich Vermehrt.
Sie fiarfe ßunahute ber ©hefrauenarbeit in bem testen a3iertetjahr?
hunbert ift ein bebeutfameS ©pmptom ber SSeränberung, bie in ber
Votfswirtfcljaftlichen SSerwertung ber grauenfräfte ftattgefunben hat.
greilich aber bürfen wir nicht vergeffen, baß fich ber Sonftift „93e?
ruf unb ©he" in ben Vertriebenen 93erufSf(^ichten verhieben geftaltet.
@S gibt Schichten, bie jenfeitS baVon liegen. ®aS finb bie alten gor?
men famitienhaften S3erufSbetriebeS, bei benen bie grau einen $ßta|
in ber ©rWerbSarbeit beSäKanneS einnimmt: bie Sanbwirtfcfjaft, baS
|>anbwerf, ber ®leinhanbel. £>ier gehen §au$wirtfchaft unb 93eruf in?
einanber über ober fielen bodj fo bicht beieinanber, baß eine tüchtige
grau beibeS überfieht. Schon aus biefent ©runbe Ware eS bebauerlich,
Wenn bie neue Entwicklung biefen alten ^robuftionSformen nicht einen
genügenben SebenSfpielraum taffen wollte. $eigt fid£) bodf) fctwn bei
ber Bäuerin als gotge ber Sanbflucht ber Softer bie Überarbeitung
mit alten ihren (Gefahren.
Siegen aber §auS unb 9trbeitSpta| getrennt voneinanber, bitben
fie „verriebene SebenS^entren, bie fojufagen in sßerfonalmtion mit?
einanber treten", fo entftehen bie eigentlichen ®onfliÜte, bie um fo
fernerer Werben, je „ftarrer" ber 93eruf ift.
gm gahre 1907 war bie ßraft ber erWachfenen grauen in $eutfch=
latib annähernb gteid^mäfeig Überbaus unbSeruf Verteilt. 9,5 9Kil?
tionen Waren hauptberuflich in^auswirtfchaft unbgamitie, 9,4 3Kit=
tionen auf bem StrbeitSmarft tätig. ©in fteineS 5ßtuS tag noch auf feiten
ber §auSWirtfchaft, ift aber ficher fdjon vor bem Stiege Verfchwmtben.
®aS. Problem SSeruf unb ©he betrifft nicht etwa nur bie 2,8 $DZi U
tionen hauptberuflich erwerbstätiger ©hefrauen, fonbern umfaßt auch
bie tebigen Erwerbstätigem bie noch bieSfeitS ber ©he ftehen unb bie
SSitwen unb ©efcpiebenen, bie fojufagen jenfeitS ber ©he Wieber einem
©rwerbsberuf nachgehen müffen. Sticht nur baS gufamntenfallen, fou?
bern auch bie Stufeinanberfotge Von SSeruf unb ©he nnb baS seit?
Weitige ober bauernbe SSerlaffen beS 93erufS ift ein Sonflift im grauen?
leben, ber bem SJtamt erfpart bleibt. -Kur wenige ®öcf)ter ber arbeiten?
ben Slaffen unb beS SJtittelftanbeS fönnen unb wollen in ben burcti?
§auS uttb 33 ernf
85
Scfmilttid) 8—10 Sauren, bie ätoif^en ©djulentlaffung uttb
liegen, j« £aufe „Reifen"; bie gtünbüc£)e Serufsbilbung aber fdjeiien
oft an ber ©rwägung, baß bag barin angelegte gapitat bet bet »et»
fieiratung fic£) nidjt rentieren werbe, baß eg bielleidfjt jwedmäßiger
für bie Slugfteuer erfpart würbe. Sie mangelhafte SBfaSbilbuitg-Wieberum
brüdt bie Seiftung in ben betrefferben SBerufen, bem gtfäbdjen mangelt
ber SSerufgernft, fie fietjt in ifjrem töeruf nur eine (Spifobe, eine „58er*
forgung" big zur §eirat. Ser Sentf Wirb i£)t nid)t gum greunb, ber
einen burcßg Seben begleiten foll, fonbern jur pc^tigen ©etanntf^aft,
ber man nicht bon ganzem fierjen näßerfommt. ©g biä« e * n üer:
Mngniäooüer grrtum, Wollte man eine folcfje 58erufgauffaffung nur
ben in medjamfcßer Arbeit tätigen grauen gufcpeiben; fie fiubet ftd)
oucf, in ben qualifizierten, fetbft in ben geiftigen berufen mtt t>oD»
wertiger Sluebilbrmg bor. Sie enge Sßerlnüftfung be§ einzelnen tmt
bem ©efamtnibeau feines SSerufeg übt aber and) eine öerljängmgtwlle
SBirfung auf bie SJtäbchen unb grauen au§, benen eS unt ihren 93e?
ruf ernft ift. Sßeit bie SJtebrzal)! ber erWerbgtätigen grauen nur cor=
übergebienb bem S3eruf angebört, fo nehmen biegrauenberufe alg fope
ebifobifdjen ©h“ta»er an. Sie SKöglicbteit beg Slufftetgenä fehlt tm
allgemeinen unb batnit eutfäüt ein großer Slnreiz im weiblichen 93e=
rufSteben. 5Rur Wenige 93erufe finb fo perfönlidh'feettfd)er Statur
unb bei gleichbteibenber gorm ihrem gnljalt ua^ immer ueu - Wie
etwa tebe Sehrtatigleit —, baf$ fie in ftd) fetbft ©enüge Mieten. U^b
bo& mufc audh im Sehrberuf bie TOglichfeit, ju leiten ben ©teßungen
m gelangen, ben grauen offenftehen; einerfeit§ um beS StufeheuS beS
ganzen ©taubes Wilteu, auberfeit^ um ben 93efähigtfteu ben
§u einflußreicherem SSirleu ju ermögti(hen. SSefouberS Wichtig ift eS,
SlufftiegSmöglichteiten für alle Weiblichen Beamten ju f^affen, für
bie im «ßoft* unb Selegrapheubieuft ebenfo wie für bie ueu ft<h
beube ©c^idhi ^ er ©WSommunal? unb ©taatSbeamtinnen. ©S muß
eubgüttig vorbei fein mit ber SJtögtic^feit, baß bie feit gahreit mit
Sreue unb Eingebung auf bemfelben Soften arbeiteube grau immer
wieber in ihrer 93erufSlaufbahu von jungen Scannern eiitget)olt unb
überholt wirb. t ^ ,
9Son gans befouberer Sebeutung ift biefe grage beS StufrudenS m
ber ©roßinbuftrie. SBeibtidje SReifter unb »orarbeiter Werben non
vielen jur Hebung ber Stellung bet grau in ber ^nbuftrie geforbert,
von anbern aber abgeleitet, ba fie vermutlich fi<h m gtößerer W'
86
iH. 8ur S^eotie ber grauenbemeguttg
^ängigfeit Bom Arbeitgeber befinben Würben. ©g bleibt ab^uWarten,
ob bie 2)emofratifterung beg SÖirtfchaftgtebeng gerabe in biefer £>in-
fi<|t Sßanbel fdjaffett toirb.
SBietoeit ficf) biefer SBtcnfd) beg SSorWärtgfommeng in ben grauen»
berufen — trojj beg Stimmjettelg in ber tpanb ber grau — erfüllen
toitb_ lägt ficfi surjeit fcfjtuer Boraugfe^en. Sheoretifdj fielen ben grauen
alle Ämter unb Stellungen offen; toerben fie Kraft unb Schwung genug
befijjen, um bie SSiberftänbe ju brechen?
Selbfiberftänblidh ift eg enblidj, baff aud) bag SoljnntBeau bergrauen
burd) ben epifobifdfen ©haralter i^reg Serufeg höchft ungünfiig be=
einfluBt toirb. S)te geringen Seiftungen beg Srnrchfcfmittg beftimmen
bie Sofinljöfje. ®ie grofje Scf)ar ber gugenblidhen brüllt auf bie Söhne
ber alteren Arbeiterinnen unb erfdjwert oor allem bag Buftanbefommen
ber Organifationen, bie meift Bon reiferen Kräften getragen werben,
©in befonberg dharafteriftifcheg Beiden ber BöHig ungeflärten S 8 ert)ält=
niffe im grauenberufgleben ift eg enblidj, bafj eine grofie Anjalil grauen
burch bie fpeirat ihrem einmal erlernten 93eruf fo BöHig entjogen Wer»
ben, bafj fie iljn alg Berforgunggbebürftige SBitroen nicht Wieber auf»
nehmen lönnen. ©g bleibt ab^umarten, ob bie Aufhebung beg Bölibatg
ber ^Beamtinnen hier Sßanbel fdjaffen Wirb. 35ie aufjcrorbentlid)e,J)ärtc
beg Sebenglampfeg ber berheirateten gabrifarbeiterin, bie unfelige
SSerfettung äWifdjen grauenfabrifarbeit, Kinberbermahrtofnng, Allo»
holigmug, ©ängtinggfterblichfeit ift befannt. Auch ber feelifdtie Konflilt,
in bem bie hanbarbeitenbe grau fid) befinbet, barf nicht unterfcfiäht
Werben, ©ilt eg hoch oft, bie SSSa^t ju treffen jwifdjen ber augreidien»
ben er^ieherifdhen gürforge für bie Kinber unb ber augreidienben @r»
nährung für fie. Sefonberg währenb beg Kriegeg finb bie fchtimmen
hhgienifdjen golgen ber grauenfabrifarbeit beutlidh in bie ©rfdjeinung
getreten. SBerftänblidf) ift eg barum, bag jefct nadf bem Kriege ber
Sßunfdh nach Augfdilufj ber grauen aug ber gabrif noch lauter er»
tönt alg juoor. @g wäre nicht unbenlbar, baff eg einem aug»
gefprodjenen fojialiftifcben Staate gelänge, SAinbeftlöhne für Arbeiter
ju fchaffen, bie bem äßanne möglich machen, bag Sehen ber Seinen
ju fichern. Solange bieg nicht ber gafi ift — unb eg Würbe eine
Umgeftaltung unfereg Sßirtfdfjaftglebeng bebeuten, gegen bie jebe So»
jialifierung geringfügig wäre — Würbe bag gefefcliche Verbot ber ©he»
frauenarbeit in ber gnbuftrie eine fdjWere ^Benachteiligung ber Arbeiter»
famitien bebeuten. gn ihren furj bor bem Kriege gemachten Unter»
87
gaBrlfarBeit ber Gliefratt
fudhungen über „Arbeit«; unb ßo^nBertjättrciffe ber berliner ätfafdjtnen*
inbuftrie" 1 ) lam Dr.Stcra Sanbe ju bem Aefuttat, bah n «htg fehler»
haftet fein fönne, als bei ber heutigen großen 35 ifferenjierung innerhalb
beg ißroletariatg aug ber abfoluten Sohnhöhe auf bie Aotmenbigfeit
ober ©ntbehrlichfeit ber gewerblichen «Mitarbeit ber grau ju fchtiefjen.
. ®iefe wirb oft buth bieSAöglidhfeit unb Unmöglichfeit beftimmt, mit
bem SSerbienft beg SAamteg aHein bie Sebenghaliung ju bewahren,
bie in bet betreffenben Arbeiterlategorie üblich ift- Auch bie ©hefrauen
gelernter Arbeiter wenbeit ficf) aufjerhäuglidjer ©rwerbgarbeit ju, benn
gerabe für biefe bleibt bie Aotwenbigfeit eineg Aebenoerbienfteg big
ju einer höheren Sebeniftufe herauf begehen, wenn fie ihren Kultur»
ftanbpunft behaupten, ihre Kinber auf ber gleichen fojialen Stufe er»
halten ober $u einem höheren Seruf emporfteigen taffen wollen.
Sehen Wir felbft ab Bon ber banernben öfonomifchen Bwangllage
ber BerwitWeten, gejchiebenen unb ehebertaffenen grauen unb SJtütter,
Bon ber Borübergehenben Aotlage ber Stau eineg arbeitslosen, franlen
ober mit ©efängnig beftraften HJlanneg, fo wirb hoch bag -8 et bet ehe*
Weiblicher gabrilarbeit bag Auffteigen ber beliefen Aolfsfchihlen
tu befferer Sebenghaltung fcfjwer hewmen. ®en in bie ©rwerbgwict»
fAaft eng berflodhtenen Arbeiterhaughaltungen tut — oon materiellen
©efidhtgpunften aug gefehen — uichtg fo not alg eine Steigerung ber
©eibeinnahmen, gn ben unteren SSolfgfdjid&ten werben biejenigen Sa»
milien am leichteften 5 U einer gewiffen befcheibeneu Sebengfultur ge»
langen, in bene« ber gelbwirtfchaftliche Sßert ber Arbeitgleiftung ber
einzelnen Samilienglieber am größten ift. Saran wirb ficf) auch tn
ber bemolratifchen Aepublif nidhtg änbern. gm ©egenteil Wirb bag
©efühl fosialer ©teichftellung, bie SAöglichteit beg ©rreicheng höherer
Aoften noch ftärler bie Sehnfucht erweefen, burdh angeftrengte Arbeit
unb guten SSerbienft biefen Bieten näherjnlommen. 25er auherhäng»
liehe ©rwerb ber ©hefrau, fann namentlich bei finfenbem SSerbienft
eineg alternben Sölanneg sum entfeheibenben gaftor beg Sßohlftanbeg
ber gamilie werben, wenn eg ber grau — Wie glücflicherweife in jat)t*
lofen ©inselfäüen - gelingt, trofe aufjer häng lieber ©rwerbgarbeit ihre
SBohnung inftanbsuhalten unb ihrer gamilie ein wirflicbeg $>eim ju
bieten greilich Wirb bie ölonomifche Hebung ber Arbeiterfamilie bann
meift nur erlauft burch ©efunbljeit unb Kraft ber erWerb«tätigen grau,
bie swet Sagewerfe an einem Sag leiftet.
1) Schriften beS IBereing für SojialBotitiL S 8 b. 134.
88 __ IIL gut Sheorie ber grauenbem egmtg
aSerfd)Xie^t man aber bett großfiäbtifdEjen Arbeiterinnen bie gabrif,
fo bleibt betten, bie itt it)rer gugenb nidjts gelernt pben, nur bie
SluSfpt -pifd)en^afd)?unb $uplä|en in Sßribatfjöufern unb Heim*
arbeit. Sie medifelnbe Soljnarbeit jjat freilich bor ber gabrifarbeit ben
SSor^ug borauS, baß fie — natürlich mit entfpred^enb berminbertent
SSerbienft — nebenberuflp betrieben tnerben fann, nnb bann beffer
mit ben Attforbermtgen ber gamilie an bie grau bereinbar ift als
bie gabrifarbeit, bie mir bis fefet, irofc allen SßadibenfenS über bie
30töglid)feit bau ,,HafbtagSfd)id)ten'', nur in ber gorm bon (Ganztags?
arbeit tennen. SSSirb aber SBafdfjen nnb fßupn tägticf) auSgeübter Haupt?
beruf ber grau, fo ift eine geregelte Arbeitszeit in einem gut ein*
gerichteten (Großbetrieb toorjttjteljen. Sie Heimarbeit enbtid) ift bisher
bau fo biel materiellem nnb fittlicßem gantmer begleitet, baß £)ier erft
eine energifcf)e Siegelung einfe^en tnuß, bebor fie in itjrer (Gefamtljeit
ber gabrifarbeit borgejogen tnerben fann. Sie Sanierung ber Heim*
arbeit, ber Ausbau beS Arbeiterinnenfdju&eS gehören zu ben midßtig*
ften gufunftSaufgaben beS beutfdjen 33olfeS. greifid) tnirb burdj aKe
biefe3Jiapat)menbaS $robIemnurabgef(^tnäc&t, nictjtbefeitigt. Senn
über bie berpängniSbolIe Soppetfeitigfeit alles grauenlebenS, bie barin
befteljt, baß SKutterfdjaft für bie grau pßpfifd), feelifcp nnb geiftig etmaS
anbereS bebeutet als SSaterfd^aft für ben SJiann, tnirb feine ArbeitS?
organifation tnegfjelfen.
Unfer mirtfdmfttidjeS Seben fteßt jnrjeit ein fo nngeorbneteS
©fictoS bar nnb feine ßntmidlung tnirb bon ben fetnblidßen griebenS?
bebingnngen fo ftarf beftimmt, baß mir Heute nodj nid)t tniffen, mie
meit ber Sebarf ber gnbuftrie nad) meiblid&en Arbeitskräften
gelten mirb. ßs ift nidjt unmöglich, baß mir nadp bem gufammen?
brud^ nuferes SBirtpaftsIebenS, bem Siuin nuferer (Sifeninbuftrie,
mit einem Siücfgang ber inbuftrieKen Sefcßäftigung bei uns rechnen
müffen. SBirtfcpafttidje nnb fojiale Probleme mürben baburdf) eine er?
HeblicHe SBerfcßiebung erfahren. Sropem fann ein Sanb mie baS
beutfcfje ben Stritt bom Agrar? %um gnbnftrieftaat nid^t mieber
Zurüdmadjen; biedeicpt mirb nur bas Sentpo ber mirtfdfjaftlpen ©nt?
midlung gehemmt nnb aufgepalten. Saß ein moberner Staat ent?
tneber SRenfdjen ober SBaren anSfüpen muß, mirb and) für bie junge
bentfd^e Stepubtif feine fRicptigfeit bepalten. Sie grage ber eßemeib?
ließen gabrifarbeit mirb barnm nicßt aus ber SiSfnffion berfdßminben,
nnb eine Seit, bie ju rabifalen Söfungen in allen Singen neigt, mirb
Aufhebung beS fßribatßausßalteS ?_____
fid) oielleicßt aucß befonberS mit ber bem SSerbot ber grauenarbeit
gerabe entgegengefeßteu Anficßt befaffen, ber grau nämlicß prinzipiell
bie Sßflicßt jnr Bereinigung bort Beruf unb SKntterfdf)aft gu^nfpre^en.
Saß bie grau burcß eigene ßrioerftStätigfeit prinzipiell nuabßängig
bom Spanne fein fott, mirb einer (Generation befonberS eintencpten,
bie ber grau bie bolfen ftaatSbürgerficßen greißeiten berlte^en ßat.
ÜDlan bergißt freittd) nur zu leidet, baß fid) ber Bermirflicßimg fotdEter
*ßläne gemicßtige ©inmänbe entgegenfteften. (Gelingen föunen fie nur
in einem burcßauS fozialiftifdßen (Gernetnmefen, boS bie gürforge
für bie fontmenbe (Generation in meiteftem SJlaße auf fid^ naljme unb
bie grau bnrc^ eine SRntterfd^aftsrente maf)tenb ber Seit pbWc^er
93erufSnnfäl)igfeit erhielte, alfo burdtjpnitttid) etmc 5 bis 8 gape
lang. HuuSpltfüpung nnb SBartung ber alteren ©inber ntnfjte ge^
noffenfcfjaftlid^ bon gepulten gadjfraften beforgt nnb fomit baS
gamilienleben im jepgen Sinne anfgelöft merben.
©S erfrfteittt mep als jmeifelljaft, ob gerabe in einem Staate mit
einer politifdH mastigen Slrbeiterflaffe biefe Senben^en ^nr Huf?
ljebuttg beS fßribatbauSplteS um ber öfonontifdjen ©elbftäubigfeit
ber grau mißen Unterftüpng finben merben. 2lnS ja^lreichen
Siuprungen miffen mir, ba^ ber aufftrebenbe Arbeiter bie inneren
ibeeöen 33anbe beS gamilienlebenS fefter fnüpfen fnd^t.
„ßr bexju(f)t bie gamitie auf ein teineS, bon aüeit materiellen S[)lo=
menten unbeeinflußtes l)o^eS Stibeau gegenfeitiger Siebe unb guneigutig
§n erbeben.'' „gür bie grobe 3D?affe bleibt gnm inbioibneUen ^luSleben
immer me^r nur noch bie gamtlie, too ber (ErmerbStätige allein nad^
feinen inbiribuellen Neigungen leben !ann nnb mo er für bie SBitterntfie
beS beruflichen SebenS ßntjc^äbignng ftubet. §ßom mirtfdjaftltcfien, fagialen,
^gienifdbeu unb etl)ifd)en ©tanbpunft ift ber SSeftanb um bie SSerfcpnerung
beS gamilienlebenS, äliann, grau umringt bon finbern in eigener §auS=
mirtfdjaft, §u begrüßen nnb §u erftreben."
Ser S'ntturmert ber gamilte, ber in biefen SBorten beS Sogial?
bemofraten ß. gifdjer beutlid^ pm SlnSbrudf fotumt, mirb. bnrdh
feinen anbern erfe^t, meun alle grauen in bie ßrmerbSarbeit ein?
ftrömen. Sen meiften bon ipen merben SSerrptungen ptfallen, bereu
lebenerpßenbe S33irfung gering ift, berglidjen mit ber ffultnrleiftung
beS H a uSmutterbernfS. Sen Sinbern mirb bie fdhlecpljin nnerfeppe
gamiliener^iepng fehlen. SBemt in nuferen heutigen großftabtifdlten
33erf)ältniffen bielfad^ feine gamilienfnltnr entfielen fann, fo muß ber
fojiale (Seift ber neuen Seit SBanbel fd&affen bur^) Reformen üer?
fd^iebenfter Slrt. Siefe aber müffen ber gamitie mtb ipen Aufgaben
90 in . gut £t)eotie bet grauenbettiegung _
lieber mefjr Kaum gewähren, ftatt fic pgunften einer fteriten Softrin
ju bernichten. Ser fonflift steigert Beruf unb ©he läfet }idj reicht
einfad) burdj gefetgeberifdje Klaßnahmen befeitigen, er muß fid) auf
inbioibueße SSBeife für jebe einzelne grau löfen, benn bei feiner Be*
urteilung fpielt ber Sulturwert ber Beruf«Ieiftung ber grau eine große
Stoße.
Siefer ShilturWert fieigt, wenn ioir bon ben Slrbeit«fdjidjten im
engeren Sinne in ba« ©ebiet ber eigentlichen lieberen grauenberufe
binübergeben. $ier banbeit e« fidb, Wie immer toieber betont toerben
muß, nicht um ßJiaffenfragen, fonbern um ©inselprobleme. Sie finb
äußerlich anfdjeinenb leichter, innerlich oft bon befonberer Sragif.
Sflußerlidj leichter, benn bie Berufsarbeit ber SDiulter toirb bie fiinber
nur äußerft feiten um bie unbebingt notmenbige pflege unb Überwachung
bringen, unb ba« gehlen ihre« Berbienfte« wirb nur in 3lu«naljme*
faßen eine bemerfengwerte Senfung ber Seben§ha(tung ber gamilie
im ©efolge haben, innerlich aber faßt baS Slufgeben be« Berufe« oft
befonber« fdjwer, Weil hier eine Sßafjt nicht jwifdjen Kotwenbigfeiten,
fonbern jwifdjen Sehenswerten getroffen »erben muß. Sie bualiftifch
öeranlagte grau leibet unter bem burdj bie ©he gebrauten Bericht
auf eigene« Schaffen ganj ebenfofehr, toie bie einheitlich üeranlagte
burdj ben Berjid)t auf bie ©he, unb e« toäre eine fehr oberflächliche
Sßfhdjologie, nur bei ber fehleren unb nicht auch bei ber erfteren tton
einer Berfümmerung toefentlidjer Seben«(räfte ju fpredien. greilid)
ift bie äußere SDtöglidifeit ber Bereinigung bon Beruf unb ©he jefct
in aßen freien Berufen gegeben. Sie größte Beruf«gruppe ber Be*
amtinnen, bie Sehrerinnen, haben bereit« feit fahren in ber Öffentlichleit
bie Aufhebung be« Bölibate« geforbert unb für bie Sehrtätigfeit ber
bertjeirateten grau berjdjiebene Borteile in« gelb geführt: SDtan er*
hofft eine Bereicherung ber Sehrtätigfeit ber grau burdj ihre eigenen
©rfaljrungen al« Sßtutter; man ertoartet eine Steigerung ber $eirat«*
jiffem burdj ben finanjießen Bufdjuß jurn gamilieneinfommen, ben
bie grau bringt, unb man betont bie Bertnenbung ber nicht boß be*
festen 2lrbeit«fraft ber grau in bem einmal erlernten Beruf al« bolf«*
toirtfdjaftlidhe Sparfamfeit. 6« ift intereffant unb tnicJjtig, baß biefe
Borteile nidjt bon aßen Sehrerinnen al« fotdje anerfannt unb ihre
Stellung jur 2Jiöglid)feit ber Bereinigung bon Beruf unb ©he eine
fehr berfebiebene ift. Unb gtoar ift e« burchau« nicht fo, baß, toie eine
große Sageäjeitung bei ©rörterung biefer grage halb fdjerjljaft
■I
...., c T ?
91
Sie octfjeiMtete Seljtetin
nieinte, bie jungen Sehrerinnen für, bie alten gegen bie Bereinigung
bon Beruf unb ©he finb. ©erabe unter ben jungen Seherinnen — Wie
übrigen« audh unter ben jungen Stubentinnen — finben fief» jafjlreidje
ßMbdjen, bie Beruf unb ©he oon oornherein al« „über ihre graft"
anfehen. Bon anberen, al« ben rein fubjeftioen ©efid)tspunften au«=
gehenb, ift häufig im gntereffe ber Schule bie Sehrtätigfeit ber ber*
heirateten grau al« unmöglich begeidjnet Worben. So hat ©hriftine
Kiewalbt* bon SSebel in Kummer 10 ber Beitfd)tift „grauettbilbung"
bom Sahre 1916 au«gefprodhen, baß bie Slnfteßung berheirateler
Sehrerinnen an öffentlichen Schulen au« bienfilidien ©rünben fein
©ewinn fein fönne. Ser Bufammenhang im toflegium, ber für eine
große Schule äußerft wichtig ift, Wirb ber berfieirateten Sehretin faft
unmöglich fein, unb Weber ihre ©enntniffe noch ihre ©igenf^aft al«
Beamtin werben burdj ihre häu«licfje Sätigfeit görberung erfahren.
2tn eine öffentliche Slnftalt paßt ihrer Slnficfjt nach feine 2lrbeit«fraft,
bie nid)t §err über fich unb ihre Beit ift. 2ludj bie biel erörterte
„halbe Sdhulftefle", bie bon tnandjen au« fd)nttechniftf)en ©rünben
überhaupt al« unburdjführbar bejeidjnet wirb, fönne nicht« änbetn.
Ser nerheirateten grau, bie ihre Sehrtätigfeit Weiter fortfe|eit Wofle,
bleibe aßein bie Ißribatfdjule offen.
Kein formal fann man fagen, baß bie genereße 9Iu«fdjließung ber
Oerheirateten grau au« ber Beamtentätigfeit ein ungerechtfertigter ©in*
griff be« Staate« in bie pribate Sphäre War unb barum mit Kedjt
befeitigt würbe. Slber auch nadj bent gaü be« ßwangSjölibat« werben
nur wenige grauen förperüch unb geiftig*feelcfch in ber Sage fein, ben
gamilienberuf mit bem Sehrerinnen beruf ju oerbinben. Db bon ihnen
im aßgemeinen bie Schule eine wefentlicfw Bereicherung erfahren wirb,
muß abgewartet werben. Ser Berfudf) aber muß gemacht werben, fei
e« auch nur um ber nicht unerheblichen Buhl gebilbeter grauen wißen,
bie ben notwenbigen Kebenberbieuft jefet in einem anbern al« ihrem
eigenen gelernten Beruf ju fudjen gezwungen finb.
Sie Bahlen ber berheirateten grauen in ben fünfllertfdhen unb
Wiffenfdjaftltdjen Berufen finb ju gering, al« baß ihr ©djidfal eine
Sppif beranfhaulichen fönnte. ©« finb inbibibueß fehr oerfebtebene
©injelfäße. Ser Beruf be« Kianne«, bie Bahl ber ginbet, ©efunb*
heit«* unb Bermögen«berf)ältniffe finb entfdjeibenb. ©erebe über bie
berheiratete Slrjiin werben bie berfdjiebenften Ut teile laut. SJBit Wiffen
über bie Bufunft ber höheren grauenberufe ebenfowenig Wie über
92
III. gut %freorte ber j^roucnbem e gurt g
bie ber meiblichen gnbuftriearbeit. @ing ttu* ift fieser, baf$ ein t>er=
armle§ £anb eine geringere 9Ingöt)I geiftiger Arbeiter erhalten fann
afö ein reicheg. SBoHen mir ben Segabten ben Zutritt ju ollen $often
fiebern, fo forbert bie STlot ber geil gebieterifcher alg je oon ung, bafs
mir bie Unbegabten t>on ben berantmortunggboUen ©teilen fernhalten.
Sen bielen jungen äßäbc^en gegenüber aber, bereu jufünftigeg ßebeng*
fd^idfal eine Stcfyterin mit ben Sßorten gezeichnet J)at:
Socb berblutet liegen, bie eud) einft foüten umfangen,
Befruchten*) euren Schoft,
Säb gefällt in ber ®raft, bodj fraftlofeg Bedangen,
SBirb fein euer Sog —.
ihnen gegenüber haben mir bie heilige Pflicht, 3Bert nnb SBürbe beg
treu geübten 93erufeg ju betonen, ber SebengerfüHnng nnb nicht Surro*
9 a t ift. g 0 ru j t q läubtg forbernb nad) neuer Sonnen
§eü leudjtenbem $ag,
4)ab eureg BSerbeng Bßurzel aug ©trabtenbronnen
®etränft merben mag.
Unfer ferner ge^rüfteg Batedanb enblidj bedangt bon ung, baft mir
jebe firaft, förderliche nnb geiftige, in feinen Sienft fteüen, bamit treue
SSerufgarbeit ung mieber anfmärtg führe.
4. Sie 3Kitar6ctt ber $rau in ©etneinbe nnb Staat.
. SSor einem Sahre noch hätte ein fo überfd^riebeneg Saditel
nidbtg anbereg enthalten fönnen alg SBünfche, Argumente unb 93e-
meife für ifire 3iichtigfeit, teilg ber %^oxk, teilg bem ^raftifdjen
Seben entnommen. |>eute, mo bie beutfehen grauen mit einem Schlage
böüig gleichberechtigte Staatgbürgerinnen gemorben finb, hanbett eg
fich um anbereg. Slufge^eigt mufj bor allem merben berUmfang ber
neu ermorbenen Rechte unb ihre Sragmeite, bie großen Seiftungg*
mögtid)feiten, bie barin enthalten finb unb bie Schmierigfeiten, "bie
fie bergen.
Sßenig mirb in meiten Greifen beachtet, bah bag SBahlrecht ju ben
beruflichen Sntereffenbertretungen (Sanbmirtfchaftg^, £>an*
belg^, ^anbmerfgfammern u. ä.) in feiner 2lrt nicht minber mich-
tig ift alg bag SBahlrecht ju ben dalitifchen Sörderfchaften. ©g bleibt
eine befonberg mistige Slnfgabe ber SSerufgberbänbe, bie grauen über
bie gan§e Xragmeite biefer Rechte aufpflören unb ju bedangen, baf$
ihnen biefclben im boüen Umfang gemährt merben. groeiedei öor
allem fann burch bie äRitmirfung ber grau in ber gefeilteren Berufg?
mmm*
Berufltdje g utereffeuoertretung
93
bertretung erreicht merben: Sag erfte ift eitt lebhaftereg 3>niereffe ber
grauen felbft für ihren Seruf unb beffen Angelegenheiten. 2Btr fteüen
auch tiente noch immer totebet bebauernb bor ber Satfadje, baf? bie
grau ihren SebenSberuf biel fiärfer alg „fßribatfadje" emhfinbet als
ber SKann. 2Bo eS — geswungen ober nicht gezwungen - am SBp
rufSernft nidht fehlt, ba mangelt hoch baS @olibarität§gefül)l. Seiner
©tärfung fann nichts beffer bienen, als bie „»oübürgctfcfjaft" im
«Beruf, bie ©rfenntnis, bah man nunmehr für bie ©ntmidluitg beS
«Berufs mit oerantmorttidj ift. gerner aber ift bei ber Aeitocbttung
unfereS A3irtf<haftSlebenS bieSWittoirfung bergrau bei ber gefehlten
gntereffenbertretung f^le^thiu unentbehrlich- ©ine ber fchwierigfien
Aufgaben toitb bie SSerhinberung eines rücffichtSlofeften tonfurrens*
fampfeS stoifdjen «Könnern unb grauen in ben fomutenben Satiren
fein, ©emeinfame Arbeit bon fKattn unb grau in ben gntereffen*
oertretungen fann manches baju beitragen, bie ijftrte biefeS tampfeS
ju milbern. Sinb toir bodh aller Sßahrfcheinlichfeit nach hod) auf bem
SBege ju einer berufsftänbifchen Drganifation, bereu Umriffe toir frei-
lieh erft bunfel erfennen, bie aber bas befte berwirfltchett foDt, toaS
bie bemofratifhe Aepublif bem SSolfe letften fann: ieben einjelnen, in
toefcher Arbeit er auch ftehe, mittieranttoorttich 5« ma^en, gum @uh=
jeft ftatt jum Dbjeft ber Arbeit. Sache ber grauen ift e§, bafiir ju
forgen, ba| biefe SBattblung auch fie mitbetrifft.
Sehr rief häufiger al§ baS 2Bal)lre<ht ber grau jur gefefelicheti S8e=
rufSbertretung ift baS „allgemeine" ober „potrtcfche" grauenirahlrecht
fhon feit gahren ©egenftanb ber Debatte, beS heifjen SBunfcheS auf
ber einen, ber erbitterten geinbfebaft auf ber anbern Seite getoefen.
Ser bie ftisfuffionen oerfolgte, fonnte leicht ju bem ©inbtuef lammen,
als ob für manche grauen baS ©rlangett beS Stimmrechts le|teS unb
höchftes (Snbjiel ber SBetoegung fei, unb als ob auf feiten ber Ai ärmer
jebe anbere SSeränberung im grauenleben bisfutabel erfchiene, nur
nicht ihre Teilnahme an ben potitifchen Rechten. Sroifdien beiben
©jtremen fanben fich bann freilich zahlreiche ©rubpe«, bie, in ben
berfdiiebenften Sdjattiermtgen, bem grauenmahtrecht feine fo ftarfe
traft junt ©Uten toie junt SBöfert beilegten, toie eS bei rabifalen An»
hängern unb ©egnern beSfelben gefcfjahi-
greilic^, ba§ bie grauenftoge ihrem tiefften SBefett ttadj Sitltoftctge
unb nicht toirtfcfjaftlicheStoecfmähigfeitSfrage ift, tritt faft nirgenbs fo
beutlidh in bie ©ifdieinung wie bei ber gragebeS grauenftimmred)^- ®ie
94
III. gut Theorie ber grauenBemegimq
4?oIitifc^e Anfdhaumtg beS eingeltiett mug notmenbigermeife fein Urteil
ftarf Beeinftuffen unb menn auch fonferbatibegrauenfreifeBereitS bor bent
Kriege für ein meibticheS ßloffennwhtrecht eintraten, fo gefchah baS
bod^ natürlid^ertoeife mit biet geringerer ©togfraft, als fie bie SBerbe*
arbeit ber bemofratifcben nnb foaiatbemofratifchen grauen aufbradhte.
SSon ben brei großen ©taatSauffaffungen, ber fonferbatiben, ber tibe^
raten unb ber bemofratifcgen — bon ber bie foaiatbemofratifcbe bodj
nur eine Abart ift — tjat nur bie teuere gana fonfequent bie gorbe^
rung beS grauenmabtrechtS jur gotge. gft baS „Sol!" fouberän, bilbet
ft d) — nach StouffeauS SSorbilb — bie „volonte generale“ ans ber
„volonte de tous“, fo ift jeher, ber fid) nicht an biefer ©taatSmißenS*
bitbung beteiligen miß, ungleich benachteiligter, atS eS in einem Dbrig*
feitsftaate ber galt märe.
©3 !ann nur immer bon neuem tounberneljmen, bag bie franaöfi*
fd)en ^heoretifer ber 3)emofratie biefeßonfequena nicht aogen unb eS
ber ©oaialbemofratie übertaffen blieb, aus etmaS anberen gbeen herauf
lange Seit allein bie gorberung beS grauenmabtrechtS a u vertreten.
©otneit bie fonferbatibe ©taatSauffaffung jebe ^»lö^Iid^e SBanblung
im ©taatSteben ablehnt, führt bon ihr aurn grauenmahlrecht feine
93rücfe; anberS fteht eS beim SiberatiSmuS. SSenn audh bie liberale
©taatSauffaffung bie gorberung ber freien *ßerföntichfeit in ben SKitteb
bunft fteltt unb bem SJlajoritätSgebanfen eine geringere SRadpfphäre
aumeift atS bie &emofratie, fo gehört eS hoch auch a u nt3Befen biefer
greiheit, nicht nur Cbjeft, fonbern auch ©ubjeft beS ©taateS a u fein,
an ber ©taatSmißenSbitbung teitauhaben. $)aher taffen ficf) auch
bom SiberaliSmuS aus bie potitifchen grauenforberungen bertreten.
greitich fann man fagen, bag biefe theoretifchengotgerungen bieSRämter
alter ^arteirichtungen nicht abgehalten h&ben, bem SBunfche ber grauen
nach bem SBahtrecht anm minbefien red^t gleichgültig gegenüberam
flehen, ffam eS a u einer beuttidben Abtebnung beSfelben, fo mürben
meift fotgenbe Argumente angeführt: ^JSotitif fei SCRännerfadE)e unb ent-
fpredfje nicht bem SBefen ber grau; meber fie felbft noch baS öffent=
tid£>e SBogt fömte burch ihre ^Beteiligung baran geminnen; bagegen
merbe Unfriebe in bie @he hineingetragen, bie grau ber |>äuSIicbfeit
entfrembet. ®ie Sßolitif fetbft aber merbe oermeichtid^t merben. S)ie
naturgemotlte Arbeitsteilung gmifegen ben ©efdbledbtern meife bem
30?anne ben Staat, ber grau baS |>auS gu. Unb fchliegtich fonnte nodh
triumphierenb bargetan merben, bag bie groge SKaffe ber grauen
95
©toatSauffaffung unb gmuenmahlrecht
gmeifetloS nicht nach bem ©timmredht bertange, bag nur menige „Un^
aufriebene", „Djfijiere ohne Armee", biefe gorberung erhoben gälten.
5)iefe Xefjtere ^Behauptung ift jmeifeitoS richtig; noch am 9. Slo*
bember mürbe bie grögte SJlehrjaht ber grauen gegen bie 35er*
teigung beS SBahtre^tS geftimmt höben. Aber — fo bürfen mir fragen
— höben benn jemals bie „grogen SDR affen", ber ®urcgfchnitt nnb baS,
maS unter bem ®urcgfchnitt ift — für bie (Semahrung eines SRedhteS
fich eingefe^t? ©inbe3 nicht immer bie toenigen, bie einaelnen gemefen,
bie bie gorberungen erhoben? Verlangte benn etma bie groge äJtaffe
ber Arbeiter unb Imnbmerfer nach bem SBa^tredht, als Saffatle fein
„Arbeiterprogramm" oeröffenttichte? SBie füllten meite Greife ange*
fchulter nnb unanfgeftärter grauen im beutfehen SSotfe — bem nn-
potitifchen — nach bem SBaptrecbt verlangen?
SBeniger befannt ift es, bag auch innerhalb ber granenbemegnng
fetbft lange feine gana einheitliche Anfctjauung über baS grauenftimm-
recht herrschte, greitich/ öS mar mehr eine Sifferena in taftifdhen atS
in faßlichen gragen, bie babei aumStnSbrnct fam. Umftritten mar tmr
allem, miemeit bie Sßropaganba für baS grauenftimmreebt gehen foße,
ob eS überhaupt ein ©egenftanb fortlaufenber ißropaganba fei. 33ei
ber AusfichtSlofigfeit, politifche Rechte für bie grauen au erreichen,
mochte eS int laiferlichen 3Deutfcf)lanb rieten atS nnfrndhibar erfdhei^
neu, immer mieber ben 9iuf nadh biefen ^Rechten ju erheben, mähienb
anbere gerabe in bem unabiäffigengorbetn einen einbrndSootlen nnb
fcbtiegtich hoch einmal erfotgreidhen fJ5roteft gegen bie ©leichgültigfeit
ber Sttenge erbtieften. ®o<^ audh bei benen, bie entziehen für gleiche
öffentliche Siechte für Sftann unb grau eintraten, herrjihten ÜMnungS*
berfchiebenheiten über baSSJlag, bis a u bem bie gorberungen erhoben
merben foßten. Siner nicht unerheblichen Anjaht oon Anbcingerinnen
ber grauenbemegnng fchien eS münfchenSmerter, bie grauen langfam
in baS öffentliche Seben einaufübren unb ihnen nicht atleSürgerrechte
auf einmal au gemöhren; fie motlten bie praftifche Agitation im mejent«
tidhen auf baS®emeinbemaf)lrecht bergrau befchränfen unb baS „polt*
tifche SBahlre^t" im engeren ©inn als ein ferner ItegenbeS Qid be^
trautet miffen. Siefer Anfchannng mürbe bon ber ©egenfeite ermibert,
bag audh baS ©emeinbemahlredht fyeuk ein politifdheS SBahlrecht fei
unb bag bie ßette ber öffentlichen 3Rec£)te an eng jufammenbönge, atS
bag eines babon gefonbert einer befonberen ©tuppe bon ©taatSan^
gehörigen gemährt merben fönne. ®ie bielfach verbreitete Anficht ba^
96
III. Qnr ©b e eile ber gr aitenbetoegung
gegen, nur ben unverheirateten grauen bag Stimmrecht ju gewähren,
bie Verheirateten bagegen alg burcfj ben ©bemann Vertreten anjufeljen,
toeidjt fo ftarf von ben ©runbgebanfen ber grauenbemegung ab, baff
fie in ihren Steifen ntemalg bertreten tburbe. ©agegen ttmrbe bjter
unb ba in ben lebten galjreit bet SSorfc^fag gemalt, ben grauen nur
ba§ paffive, nid)t aber bag attibe 2BaI)trcct)t ju gewähren. Jüan glaubte
baburd), bie 2Baf)t geeigneter grauen in bie gefefcgebenben Sörpern
fdjaften fic^erjuftellen unb bocfj biegranenntaffen bon ben unerWünfdüen
©infltiffen beg politifdjen Sampfeg fernjubatten. ©ie SSertreterinnen
biefer gorberungen überfa^en, baff bie nur bon SKännern gewählten
grauen — faßg fie überhaupt gewählt würben — ihre gorberungen
nur mit geringem Stachbrud würben bertreten tonnen, bafj nur Wenige
grauen fich jur Teilnahme am politifcben öeben unter biefer SSoraugs
fe|ung würben bereit ftnben taffen, unb bah bag Hauptziel: bie po=
titifche Erziehung ber großen SKehrjaht ber grauen bei nur paffibem
grauenwaptrecht überhaupt nictjt erregt werben tönne.
Um biefeg giet aber: bie ©urchbringung unb Erfüllung ber grauen
mit ber Summe ber ©emeinfchaftgintereffen, bie man feit gahrhun*
berten unter betn SBort ißolitif pfammenfaht, ftanbelt eg fich für
bie gührerinnen ber grauenbewegung. Bur aüfeitigen ©ntmidlung
botlen ÜKenfchentumg gehört bie ^Betätigung im ©ienfte ber Slügemeim
heit unb biefe ^Betätigung ift bei uttferen heutigen Sebengformen nicht
boüfommen ju benten ohne bie Ütugübung ftaatg&ürgerlidjer Rechte,
ge enger ber Steig wirb, in ben ber einzelne fich geftettt fieht, je
bitter bie berfchiebenen fojiaten Schiften fich ineinanber verfdjlingen,
je tomptijierter bie ©efamtheit unfereg Sebeng ift, um fo mehr muh
feber einzelne auch in ^Beziehung pr Slügemeinheit treten, ©g ift nicht
erfdjöpfenb, Wenn man bie Stotmenbigfeit beg grauenftimmrechtg mit
ber wadjfenben Anteilnahme ber grau am ©rwerbgteben einerfeitg,
mit ber fteigenben gtut beg fogiaten ©tenbg anberfeitg begrünbet.
greilicfj, bie berufstätige grau erfennt bie Stotwenbigfeit bürgerlicher
©teichftetlung mit bem Spanne befonberg fcparf; freilich, bag feiten
berSBunben unfereg fojiaten Sebeng bertangt immer gebieterifcher nach
ber helfenben §anb ber grau. Aber auch Wenn eg ung gelänge, bag
SWah VonSiot unbgammer ju berminbern, Wenn in fommenben gapren
bie grauenerwerbgarbeit für unfere IBoIfgwirtfchaft bebeutungglofer
Würbe — pei recht unwahrfcheinliche ©atfachen überbieg — fo mühte
hoch ber grau ber Anteil am ©efamtleben ber Station in benfelben
®a§ grauen Wahlrecht al? IßtoHem beg St aates _ ^ 97
gönnen unb in bemjelbett SUta^e gewährt Werben wie bem Stimme,
um ber grau Willen unb um beg ©taatglebeng willen.
greiticf) ift bag Problem beg grauenwahlred)tg in feinen beiben
gormen: ©et grage ber ÜBirfung beg grauentoahlrecfjtg auf ben Staat,
unb ber grage ber SBirlmtg beg graitetxwal)lred)tä auf bie grauen
felbft nur je ein ©eil eineg Diel gröberen politififjen tßroblemg. §ltg
Problem beg ©taateg ift bag grauenwahlreiht ein ©eil beS ®e=
famtproblemg ber ©emolratie; alg Sßroblem Weiblicher Snltur
ein ©eil ber gütige nadf) ber Sebeututtg ber ißolitifierung eineg SSolteg
überhaupt, ign beiben gälten Wirb bon berfchiebenen SBeltauffaffnngen
unb Staatganfdjaumtgen aug eine fehl üerfcEjiebene Antwort auf biefe
gragen gegeben werben.
®ag fhwierigfte Problem bet ©entolratte liegt in ber SKitwirfung
ber für bie Staatggefdjäfte ungeeigneten SJcenfchen; in ber ©efapr ber
äJiajorifierung ber „geeigneten" burdf bie „ungeeigneten", mag man
bie Eignung auch w verfdüebenen ©efdiichtepertoben ganz terjdjieben
befinieren. ©ie ftaatgjerftörenben SOiädEjte bürfen nicht größer werben
alg bie ftaatgerhaltenben, wobei wieberum unter le^terem Augbrucl
inhaltlich feljr SBerfdjiebeneg gemeint fein tann. ©ag zweite Problem,
bag noch feine ©entolratte gelöft h a h wenn eg auch bebeutenben bemo=
Iratifdjen Staatgmännern ftetg voll gum SBeWufitfein lam, ift bie 33e=
brotjung ber „ariftofratifcfien" Sebengwerte innerhalb ber ©emolratie.
ÜDtögen auch betnolratifd) ober revolutionär gefinute Beiten biefe Sßerte
gering analogen — bie Stnlturgefchidjte ber SSölEer lehrt ung, bah
ohne fie bag SSoIfgleben beröbet. Solche Überlegungen waren eg, bie
in ©arttjle etwa bie Überzeugung Weiten, bie „Hauptaufgabe ber Beit
fei eg, bie burdjaug notwenbige ©emolratie mit ber burchaug not*
Wenbigen Ariftofratie ju verbinbett", ober. Wie Wir heute fügen
Würben, aug ber ©emolratie ein Prinzip ber „Auglefe ber SBeften" zu
machen, ein gbeal, bem bie ©belften unter ben ©emotraten ftetg nach 5
ftrebten. ©ie grage Wäre nun, inwieweit baggrauenftimmrecht ftaatg*
erhaltenb unb ftaatgberebelnb Wirten tann, benn unter biefen beiben
©efichtgpunften muh jebe politifdie Sienerung im bemotratif^en
Staatgwefen betrachtet Werben.
©ie erfte grage, nach ben ftaatgerhaltenben Kräften beg grauem
ftimmrechtg, tann le|ten ©nbeg nur aug ber ©rfahrung beantwortet
Werben, bie ung bigljer feine Slnhaltgpnnfte bagu gibt, ©enn ber Hirn
weig barauf, bah *>ie grauen bei ben ffiahlen z« ben berfchiebenen
TOu©76l: S9ettta^8, ®ie beutf^e t5raucnbetüeöimfi 7
98
III. gur gfoorle ber gtauenberaegmtg __
SJlationalöerfammlungen eine ftärfere Neigung n ad) „redete" geigten
aU bie Männer, mürbe ben Segriff ftaat§erf)altenb zu einfeitig Partei
politifch faffen. $Iuch ber wahre gortfchritt ift ftaatäerhalienb, nnb ba$*
jenige bemofratifcfje ©taatsmefen £)at bie beften 3lu§fidhten auf Sc¬
heiben, beffen S3olf fic§ ein flare£ 33erftänbni£ für ben nötigen nnb
möglichen gortfchritt erworben fyat ©nglanb3 ÜDiacfü liegt nicht gnnt
geringften in biefem politifcben, feit Satjrfjnnberten anerzogenen Sn*
ftinlte begrünbet. Sn Seutfchlanb bagegen fämpfen nur allzuoft bie
gur<f)t bor feber -Steuerung nnb ein boftrinärer 9labifali§tnu3 um
äRadjt unb ©tnfluf 3 , unb auch bie beutfcfjen grauen fc^einen ebenfo Wie
bie beutfc^e Sugenb biäfjer geneigt, fidh ben extremen 9te$t§= unb
Sinf3parteien gugutnenben. ®£ ift eine befonbere Aufgabe ber grauen*
beWegung, ba$ SSerftänbnfe für bie ÜRotWenbigfeiten be£ 6taat£leben3
in ben SRaffen ber bürgerlichen grauen §u Wecfen unb baburd) zu er*
reifen, bafs ba§ grauenmat)IredE)t im beflen ©inne ftaatSerhaltenb
Wirft. @3 ift felbftoerftänblich, baft hiermit nicht eine Sßropaganba für
eine beftimmte Partei non feiten ber grauenbemegung gemeint ift.
Sie richtige ©inficbt in bie rationalen unb irrationalen Sriebfräfte
ber gefc^idjtü^en ©ntwidlung zu erwerben, ift für bie Slufgabe ber
grau bem ©taatgganzen gegenüber befonbere mistig, weil bie grau
ihrer SBefengart zufolge leicht bie einen auf Soften ber anbern zu E)od^
bemertet. 3ft bie inteHeftueü ungef^ulte grau im allgemeinen fiätfer
al§ ber SKamt geneigt, im ^rationalen ba§ Sßefentlidhe zu erblidfen,
fo broht anberfeitö bei ber geiftig entmidelten grau bie ©efahr, baf$ fie
ber SSernunft einen ju großen Einfluß im SBeltgefdjefjen gnfd^reibt.
©erabe bie lebten gabre haben un§ gelehrt, tnie DerbängniSooII eine
Unterbewertung ber irrationalen Kräfte eine§ SSolfeS Werben fann,
aber biefem ©ingeftänbntö barf un§ nicht in ber Überzeugung Wanfenb
machen, ba§ un§ — um ba§ 33ilb eines engtifdE)en fß^ilofoptien zu ge*
braunen — in ber SSernunft ein Sicht gegeben ift, baS bie ftürmifchen
SBogen be§ menfd)lidben Seelenleben^ erhellen fann.
Ser derebelnbe ©influft beä grauenwahlredbtä auf ba§ Staate leben
hat in ben Siäfuffionen non jeher eine grofte SRoHe gefpielt unb ift
manchmal Don grauenfeite l)er ftärfer betont Worben, afe e3 fein
empfinbenben grauen fpmpathifdb War. Senn bie ^Behauptung, bafc
bie grauen al3 fold^e „ebler" feien aI3 bie SUiänner, bie hin unb wieber
einmal laut wirb, gehört hoch gänzlich in ba3 ©ebiet be§ Unbeweia*
baren. Sluch ber Inhalt be§ S3egriff§ „ebel" änbert fich im gluffe ber
grauen Wahlrecht uttb Staatlichen
99
feiten; matt benle nur att feine DoÜfommett oetfcbiebene Prägung in
ber griedjifcf)en unb in ber d^riftlidben @if)iE. ©elbft bie ber uorigen
gegenüber febr eiugefdjränfte Behauptung, baf$ bie grau non SKatur
ein gröf$ere§ öott 50lenfc^enliebe ober — mobent au§gebrücft —
ein ftärfere^ fo^iale^ (Sm^finbert befi|t, ift nidE)t o^ue Weiterem anju*
erfennen. ©inb bod^ bie größten SBo^ltäter ber 2Jienfcf)^eit bi^bjer
Scanner getnefen, bereu Seiftungen bie grauen unter günfiigen Um^
ftanben bieHeid^t erregen, aber faum übertreffen Werben. Sie Diel
gerühmte Slufo^ferung^fä^igfeit ber grau ift in Dielen gälten ni<£)t3
anbere§ al§ „Stjmbat^ie, äSo^lwotten unb Siebe für inbioibueüe ^er*
fonen" unb al§ foldje ber „SSorbof be^ f>öderen Sebent ba^ ©infe^en
be§ Sebent für bieSbeeu (/ , Wie gid>te e$ au^brüdft. ©erabe feine gor*
berung, bem fiebeu fittlidben gn^alt zu geben burdfj Slufo^ferung für
bie Sbee ift ^eute ber großen 9J^e£)r^at)l ber grauen nod^ wefen^fremb,
unb fc^on au^ biefem @runbe fanu feine allgemeine fittli^e Überlegen*
l)eit ber grau über ben STOann, bie aud^ in ben SBirfungen be§ grauen*
Wablred)t§ $um ^lu^brud fomnten mürbe, behauptet Werben.
©an$ anbern aber fteHt bie grage be^ ftaat^uerebelnben SinfluffeS
be3 grauenftimmred^t^ fid^ bar, Wenn Wir un§ überlegen, ob nid)tetwa
bei einer einfeitigen Seitung be^ ©taat^Wefen§ bnrdt} ben Kann be*
ftimmte Sterte im ©emeinf^aftglebeu zu furj fomnten, an beren @r*
Ijaltung unb Sermel)rung ber grau befonbere gelegen ift, Wöljrenb ein
Weiblicbe§SRegimentzweifello§SSerfümmerung nad) anberen SRidjtungen
l)in braute. Ser SSergleicf) mit ber gamilie liegt nalje. ffinbern, bie
frül) ben SSater ober bie SJcutter Derloren, fällt fd^Werer, fi^ im
Seben §nrecf)t zu finbeu, al3 folgen, bie unter ber SbEjut beiber ©Ilern
beranmud^fen. ©iufeitig wäre e3, benSerluft ber Butter ganz generell'
aU bag größere Hnglücf anzufeben. SSeiben, ben SSater* fowof)l Wie
ben SSKutterwaifen, fehlen beftimmte ©inflüffe in ber ©tjicbung, bie
burdb bie üerfdbiebene ©teKnng t>on SKann unb grau ju SBelt unb Seben
befümmt finb, Siefe ©inflüffe auf eine furze gormcl zu bringen, wie etwa
©eredbtigfeit unb ©üte, ober gar Dbjeftimtät unb ©ubjeftioität, Wäre
Derfeblt. Seutlidbcr bringen biefen grnnblegenben Unterfcbieb in ber
StBeitauffaffung non JSJiann unb grau bie ©oetbe SBorte zum Sln^brud:
„Sie Männer benfen mehr auf ba£ Einzelne, auf ba^ ©egenwärttge,
unb ba3 mit fRecbt, meil fie zu tun, zu wirfen berufen finb; bie SBeiber
hingegen mehr auf ba3, tna^ im Seben zuiammenbängt, unb ba§ mit
gleichem Siecht, weil ihr Scfyicffal, ba^ ©chicfjal ihrer gamilien, an biefen
gufammenhang gefnüpft ift."
7*
100 III. gut Xffeorie ber grauenfietoegung
2ßeifen wir barouf bin, bafe ber bisherige „SJtännerftaat" Die
fifcfeen ©emütg* unb ©efiiEjISruerte ber grau tticfjt genügenb gur (Geltung
lomrnen tiefe, fo tönuen wir ofene Zweifel befeaupten, bafe burcfe bie
politifcfee SJtitarbeit ber grau eine Vereiterung beg Staatgtebeng ttacfe
beftimmten Sticfetungen fein eintreten unb eine Vereblung unseres
nationalen Sebeng gur gotge feafeen tarnt.
©erabe bei biefer Vefeauptung aber fefet nun ber gmeifet ein, ob
nicfet bie SJtitarbeit int politifcfeen Sehen ber grau bor allem bie
fpegififcfeen ©emütg= unb ©efüfelgtoerte raube, burcfe bie fie eine Ver=
ebtung be§ nationalen Sebeng feerbeifüferen fönne. liefet bie y<f»tecf)teftett
unb engfeergigften unter ben ©egnern ber grauenbetoegung finb eg,
bie eine Vertümtnermtg ber befien weiblidfeen ©igenfefeaften burcfe bie
politifcfee Betätigung ber grau fürdfeten. ©in foldjeg Urteil Jfeängt
natüriiefe eng gufammen mit ber Ve Wertung poiitifdfeen Sebeng unb
Scfeaffeng überfeaupt. 23ir atte fennen Stiefefcfeeg negatioeg Urteil über
btefen fßuntt, feine Überzeugung, bafe bei ftarter fßolitifiermtg eineg
Volteg alle anberen ©eiftes* unb Seelenfräfte begfeiben bertömntern
müfeten. Slug fotefeeu ©ebantengängen feeraug toirb ntan bie Sßotitit
nicfet alg Sulturaufgabe, fonbern faft alg geinbin toaferer Kultur an=
fefeen unb natüriiefe bag allgemeine Stimmredfet unb bamit auefe bag
grauenftimmreefet oertoerfen. Siefet man bagegen im politifcfeen 23irten
feöifefteg unb befteg ©rgiefeunggmittel eineg Volteg, fo toirb ntan lein
©lieb begfelben babon fernfealten wollen. Spegiett bei ber grau toirb
bie Vebeutung politifefeer SJtitarbeit für ifer 23eibtum fefer oerfefeieben
eingefefeäfet Werben, je uaefebent, ob man bon ber unbebingten fßolarität
beiber ©efc^led^ter überzeugt ift ober nicfet. Stellt man — tute ettoa
Simmel eg tut — ben SJtann unter bie Kategorie beg 2Serbeng, bie
grau unter bie Sategorie beg Seing, ober ftimmt man ben SBorten
griebriefe $ebbelg in feinem Sonett: „SJtann unb grau" gu:
S)em SBeibe ift ein fcfeöneg Sog bejdfeteben,
SBag fie auefe feat, fie feat eg gang unb immer,
©ie freut fiefe an beg fernften ©terneg ©efeimmer,
SKfleUt fie fcfeliefet fiefe ab im Haren grieben,
fo toirb man gerabe biefeg SBeibtum alg burcfe politifcfee grauenreefete
befonberg bebrofet empfhtben. greiliefe barf aber babei nicfet oergeffen
toerben, bafe ber gefamte 2ßeg oon bei: „Statur" in bie „Kultur" unb
nidfet nur bag tleine Stüdf, bag burcfe politifdfeeg ©ebiet füfert, bie grau
biefem unbetoufeten, inftinttraäfeigen Sein entfrembet. 2ßer aber auf
bie grauen bag fcfeöne 2ßort SJtarie Suife ©ncfenbotffg begiefet: „Sie
tßolitil unb meiblicfeeg ©tfitfefeteben
101
leben aug bent Snnerften feeraug, aug ber Siefe empor, fie wollen
alle feinaug über bag enge Seben, in bie 23eite, in bie ©röfee, tu bie
28aferfeaftigfeit, gu fiefe felbft," ber toirb nicfet einfefeen, warum gu
biefen ben SJtenfcben über fiefe felbft feinauätoeifenben Stelen nicfet auefe
beg ©tnfefeen ber ^erfönlicfeteit für bag ©emeinfdfeaftgleben gäfelett fott-
®ie güfererinuen ber grauenbetoegung finb fiefe ftetg belaufet ge*
toefen, bafe jeber gortfeferitt nur mit Opfern erlauft toirb, bafe febe
fReformbewegung alte 23erte jerftört unb gu biefer gerftörung nur
bann fittlicfe bereefetigt ift, Wenn eg ifer gelingt, neue SSerte an Stelle
ber gerbroefeenen gu fefeen. Slucfe bei ber Sßolitifierung ber grauen tat»
bieg nicfet anberg fein, ©erabe in ®eutf(felanb toerben bie djarafter*
fcfewäifeenben ©inflüffe ber Sßolitit— „politifefe Sieb, ein garfttg Sie
immer bon neuem betont, ein Veweig, Wie fefer unfere poltttfcfee
jiefeung notfe in ben Slnfängen fteeft. Stcfeerlicfe fpielt tu ber Sßolittt
bagfcfewacfelicfeegompromifenacfe beibenSeiten fein eine grofee Sioüe unb
fein ©influfe ift eg, ber ftärler gu fürdfeten ift, alg etwa ber ffampf.
®ie oerrofeenben SBirlungen beg politifefeen Stampf eg werben oft ftart
überfefeäfet, er wirb nur bie öerrofeen, beren feelifefee Kultur tttbfet oer*
feinert ift. ®er Slugblid auf unb bag Verftänbnig für ber „SJienfcfe-
feeit grofee ©egenftänbe" lann auf bie grau - Wenn man ifer bie
Vefäfeigung gur SJtitarbeit an fulturaufgaben überfeaupt gugeftefet —
ebenfogut erfeebenb wirten Wie auf ben SJtamt.
greiliefe barf babei, Oor allem bon fetten ber grauen, nufet über
fefeen Werben, bafe eg Wertbolle SJtenfcfefeeitgaufgaben auefe aufeerfealb
ber Voliti! gibt; fie müffen im Sluge befealten, bafe nicfet aue Ver
wicllungen unb Sdfewierigleiten im ©emeinfcfeaftgleben ber SJtenfcfeen
fiefe auf bem 23ege politifefeer Steuerung allein lijfen laffen — oor
allem gilt bieg oon ben fogialen ^Problemen. Sie grauen Werben immer
beffen eingebenl fein müffen, bafe oon ifenen ber „®ienft am Sebew
bigen" in erfier Sinie geforbert werben Wirb, wie oom SJtanue oor
allem ber „®ienft am Dbfettioen". Sie werben aber mit Stecfet für
fiefe in Slnfprucfe nefemen bürfen, naefe eigenem freien ©rtneffen btefen
®ienft am Sebenbigen an ber Stelle gu leiften, gu ber fie Scetgung
unb Vegabung feingiefeen.
©in oon griebriefe Staumann eniWotfeiteg glugblatt gibt auf bte
grage: „23ag woüen bie grauen in ber Volitif?" bie SIntWort: ,^ben
SRännerganf oetminbern!" 28irb biefe Hoffnung fidfe erfüüen? Von
manefeer Seite ift bie Übergeugung auggefproefeen worben, bafe bag
102 m. Qnx Xbeorte ber granen ftemeamtg
Parteileben burd) £)ingiigiebung ber grauen nur getmnnen fann. 9Kit
folgen generellen Urteilen beißt e£ öorficfyttg fein. Vielem öon bent,
maS oben über bie ÜKitarbeit ber grau im Staate gejagt mürbe, gilt
audj l)ier. Vor allem mirb e$ barauf anfomnten, inmiemeit e3 ben
grauen gelingt, einen eigenen SMturmißen gu entmideln unb burd)*
gufe^en, um bamit bie fpe§iftfcb meibücben Sßerte im ©emeinfc^aft^
leben ber -Kation gur ©eltung gu bringen. $)aß bisher oon einem
folgen metblicben Sulturmißen nodj nidjtö in ben Parlamenten gu
fpüren ift, barf unä nicht in bem ©lauben an feine 3Jtöglid)feit irre
machen. $tt ben furchtbar bemegten $eiten, bie S)eutfc^Ianb feit ber
Keoolution burdjlebte, mar bafür fein Kaum. SKanche grauenfreife
glauben, biefen meiblichen Sultnrmiüen am reinften unb ftärfjten jum
2lu£brud bringen gu fönnen, menn biegrauen fid) gueiner befonberen
Partei gufammenfchließen unb nicht ftd£) in bie Keinen ber bereite be*
ftebenben ,,3Jlännerparteien" einorbnen. tiefer ©ebanfe bat auf ben
erften 33Iicf oiel ©innebmenbe3 unb e§ mag fd)einen, aU fönnten auf
biefem SBege bie grauenforberungen beutlicber gum 9Ku§brud fommen,
ber grauenmille fidh 'fixerer burdjfe|en. £ro§bem aber ftef)t gerabe
bie grauenbemegung biefem Vorfcfjlag ablebnenb gegenüber. @3 fann
feinem Steife! unterliegen, baß nur ein Heiner Seif ber mabfbered)*
tigten grauen fid) auf bie Sifte einer folcfjen grauenpartei oereinigen
mürben. SSeber bie grauen ber Sogiafbemofratie noch bie be£ gen*
triimä mürben fid) bagu bereit finben. 2)agu fommt, baß bie größte
gabt ber ©ntfcbeibungen im politifd^en Seben nid)t nad) ber berfd)ie*
benen Senfmeife beiber ®efd)Ied)ter, fonbern nad) berfdjiebenen SBelt-
anfdbauungen unb Staat^auffaffungen gefaßt mirb. S)iefe trennen aber
bie grauen gang ebenfo mie bie SJtänner; e£ märe ein Oerfjängnig*
tmßer grrtum, moüte man anneljmen, baß bie grauen au§ ihrer ©e*
fdhled)t3eigenfcbaft beraub gu einheitlicher Steßungnahme in politifcben
gragen fommen müßten. $ie§ fönnte bödjftenS bann gefdhehen, menn
bermirtfcbaftlidbeS'onfurrengfampf, beffen OolleBrutalität biegrauen
je§t fd)on gu fpüren befommen, bie mirtfcbaftlidbe ©gifteng ber grauen
bebrobt, unb bie 3Känner ihnen gugleid) eine mirffarne unb au3reichenbe
Vertretung in ben Parlamenten oerfagen. dagegen ift e£ unmabr-
fcheinlid), baß in gragen ber Sittlichfeit, ber Volfsmohlfahrt unb ber
äußeren Politif eine gefd)loffene grauenfront ficb herfteßen läßt, trofcs
bem biefem Oon mandien Seiten behauptet mirb. greilicb bürfen mir
annebmen, baß e£ ben politijdf) tätigen grauen gelingen mirb, ben
103
^rauettraYtei - — grau ntti) ^ tieg
©dVufeber bie^eftrotuiiQ ber ®ittli^eit8=
üerbredien mirfiamer ju machen als bisher; gtoetfel^after fd)o n tft ,
ob fid) alle oon ihnen für bie Sibfcbaffung ber fRefllementterwig er
fßroftitution einfefcen merben. Be^iejenet M toerbm b«
in ben gragen ber ®ohlfahrt*»>Ä*B« f««. ® erabe bte grau tft oft
ni*t geneigt, ben fßatriarct)ali«ittuS in ber SESo^tfa^rt?bfIege enbgu tg
aufjugeben. Die ©egenfäfee jtoifchen „rechts" unb „ItnfS ‘ iüerben hier
ebenfo groß fein als bei ben fÖlännern. -- SRii^arb ®e^md fiat fein
fcf)öneS ®ebi<f)t „Die frühen ©rüber“ mit ben ffiorten befchloffen.
graurnt)änbe Sftote’Ä
W Vi°e Hoffnung! Mitarbeit ber Stauen Kriege «nb
ihre ©drecfniffe ju Oernteiben, ba« internationale Seben Weniger haj'
erfüllt m geftalten, ift immer ttüeber oon SSorlampfertnnen beS grauen*
ftimmredjtS betont worben. 2lm fünften oietteidjt oon Dlioe @eh«tner
in ihrem Such: „'Sie grau unb bie üMiett , tn bent fre et 9 ä
Kapitel bemSinftuf; bergrau auf bietämbfe ättttf^en ben *“ ttonc ”
toibmet ghre Argumentation iibertrifft bte Serttja oon ©nttnerS, bte
m febr mv baä perfönlidje Seib ber grau burch ben Srieg betont,
ganj erheblich an Xiefe unb f)f 9 d)ologifchem aSerftänbntS.
fSftifche Semeguug hot jweifello» unter ben grauen otele tbeal gefinttte
Anhängerinnen gefunben, oonbenen auch einige, tote grau fffiarteStntt,
lugübrerinnen ber grauenbemegung j&^len. Srogbem aber «are eS
oerfehlt, bie grau als folche ihrer inneren SßdenSart nach jar ©eg*
nerin beS triegeS in jebemgatt ju machen. ®te Stellung ber orga-
nifierten grauenbemegung mährenb beS SBellfrtegeS (f. oben S. 43)
jeiat bie§ ebenfo beutlich, wie eine fRertje bon Darlegungen aus ber
gebet bon grauen. SKan brauet nur bie Abhonbluttgert oon Wartanne
A5eber „Der Stieg als et£,ifd,e§ Problem-), bon ©ertrub Säumer
Rroifchen gmei ©efe|en ' 2 3 ), bon ©antilla Seütne! „Die grau unb ber
©taalsgebante“ 8 ) p lefert, um ga oerfteheu, ba& bie grauen ftch ber
großen Voblematif beSSriegeS 5« beutlich bemüht ftnb, »«Mh« etn*
fad) als „fötorb“ beifeite ju fd)ieben. 6te mtffen, ba| ein fofcheS ©tm
fefeen ber lefeten unb höchften Sräfte eines Solle« bte „emen äu Sttaoen,
bie anbern ju greien" machen fann. Sn ben gragen ber aujjeren fßo.
1) Die grau". ©eOtcmbertjeft 1916. 2) a. a. D. Cltobeitjeft 1815.
3) a. a. D. 9^oöember^eft 1916.
104
III. gut Kpeorie ber grauen te wegung _
litif, gang ebenfo wie in ben ber inneren, wirb bie SE3ett= unb Staats«
anfdjauung bie Stellungnahme jeher einzelnen grau mafjgebenb be«
einfluffen; genteinfant bleibt ihnen nur eines: bie ftärfere 31nteilnat)ine
an affen Aufgaben beS ©dm|eS unb ber Erhaltung, bie feftere Über«
geugung tion bem unöergleidjtic&en SBerte jebeS Sehens* ©oetheS SEBorte: |
9Jland)e§ .fterrltcfje ber SB eit
3ff in Krieg unb Streit getroniten;
28er befd)ü|et unb erhält,
§at baS jdfönfie 2o3 gewonnen.
fd^einen uni in biefen Seiten, too wir bie alte beutfdje Hertlidjteit bor
uns verrinnen fefjert, einen befonberS tiefen Sinn gu haben. SBaS mtS
bleibt, ift baS ©efd)fi|en unb Erhalten beffen, was toir aus ben Krüm¬
mern gerettet hohen. Rieht mit müber Refignation tu offen Wir tro| ber
furchtbaren @nttäufc£)ungen unb feetifdjen Dualen, bie bie le|ten Saht«
uns brachten, an biefe Rufgabe gehen, fonbern mit einem SebenSmute,
ber bor bem KobeSmute ber gelben ber Sdjlachtfelber nicht gurücf«
guweidjen brauet. ©teileicht tuirb eS bie befonbere ÜRiffion ber grauen
fein, biefen SebenSmut immer bon neuem toieber angufadjen. Stur er
berfeiht uns bie Kraft, bah Wir, nach ben alten SB orten ber ©ibel,
tro| nuferer beif^ieflofen SUieberfage „Ruffaljren mit glügeln toie Rbter,
bah toir laufen unb nicht matt werben, bah mir toanbefn unb nicht
mübe werben". SQSietoeit man in ben nädjften fahren öon einer äuheren
©otitit beS ©eutfdjen Reiches überhaupt Wirb fpredjen tonnen, läfjt fidj
heute noch nicht fagen. gn ben ffeineren Kreifen beS EingelftaateS unb
ber ©emetnbe wirb bie Hauptarbeit getan werben muffen, um lang«
fam, fehr fangfam unfer Soff wieber gur fpöfje emporgufüljren. Dft
wirb ber ©ebanfe laut, bah in ben fommenben Sohren uor aftem bie
©emeinben berufen fein Werben, bie Rrbeit beS ReuaufbaueS gu leiften.
Hier rnüffeu burch Kinberfürforge unb SBohnungSauffidit, burch richtige
Sdjulpolitif unb OerbefferteS RrbettSnad)WeiSwefen, burch vernünftige
©reiSpolitit unb gerechte ©efieuerung bie ©runbfteine gum Reubau
beS ©eutfcheu SfietcEjeS gefegt Werben, ©ei biefen unb öielen ähnlichen
©emeinbeaufgaben aber ift bie Rtithilfe ber grau unentbehrlich unb
eS ift ein befonbereS ©lücf, bah fiele fon ihnen fchon bor bem Kriege
burch SRitarbeit in ben ffäbtifdien Kommiffionen, eine weit gröbere
Rngaljl aber burch bie Rufgaben ber KriegSWohffahrtSpffege in enge
güplung mit bem ©flichtentreiS ber ©emeinben gekommen finb. gn
ben ©ertretungen ber eingefnen ©fiebftaaten beS Reimes wirb bie
Hauptaufgabe ber grauen fein, bafür gu forgen, bah bie burch bie ©e=
ÄuftutaufgaBett be r gra u_ _ £05
fehgeboug uub SSerfaffung ermöglichte Erweiterung be» SöirfenS bet
grau aud) gur Satfadje werbe. ©erfaffungSgemäfi finb ben grauen
alle troter ebenfogut gugäuglich als bem Spanne; fehr fraglich bleibt
es aber, ob biefe ©erfaffungsbeftimmung nur auf bem ©apiete flehen
bleibt, fonbern Sehen gewinnt. Seit grauen in ben Parlamenten er«
Wäcfjft bie Pflicht, bafür eingutrete«, bah M bie höheren ©offen in
ber Staatsverwaltung mit grauen befejgt werben; bah etwa in ben
Kultus«, SlrbeitS«unbS53ohtfahrtöminifterien ein weiblicher ©egernent
neben bem männlichen Wirft; aud) an einen weiblichen ©ürgerroeifter
ober S3eigeorbneten in ber ©ertoaltuug gröberer Stabte läfjt fid) benleu.
Ruf bem ©ebiet ber Rechtspflege muh fernerhin noch manches erreicht
werben; ber Weibliche Schöffe unb ©efdjworene muh ebenfo felbftoer«
ftänblich Werben Wie ber Weibliche RedEjtSanWolt, Staatsanwalt uub
«Richter. KaS Argument, ber Waffentragenbe SRann habe allein baS
91nrecht auf RuSübung ber Staatsgewalt, wirb im republitanifdjen
®eutfchlanb feine 9Kacf)t öerloren h«ben; mit befonberer SBudü aber
wirb tn nnferero Verarmten Sanbe bie Konturreng gtoifd)en SRamt unb
grau fid) geltenb machen. Natürlich barf eS nicht baS ©eftrehen ber
grauen fein, biefe Konfurreng ohne Rot gu tterf dürfen; tropbem aber
müffen fie an bem ©erlangen fcftfjalten, bah im neuert bemofratifdien
StaatSWefen ben befähigten unb twrgebilbeten grauen ber Rufftieg in
fämtliche Staatsämter offen fteht.
©>ie grage beS weiblidhen KuItureinfluffeS ift ebenfofeljr eine grage
weiblicher Kätigfeit inSerWaltung unb Rechtfprechung, alS eine grage
weiblich« Rtitarbeit in ben ©oltSüertretungen. ©ie grauenbewegung
hat baher oor allem bie Rufgabe, bie ©arlamentarierinnen bei ihren
gorberungen ju fließen unb in immer weiteren grauenheifen baS je|t
noch fehlenbe ©erftänbniS für biefe gorberungen gu Weden, ©leibt eS
oor allem ben grauen in ben ©arteien überlaffen, ihre männlichen
©arteimitglieber bon ber Rotwenbigteit unb Sringtidjfeit ber grauen«
Wünfche gu übergeugen, fo ift eS Sache ber parteipolitifcl) neutralen
grauenbewegung, an ben grauenmaffen eine ©rgiehungSarbeitguleiflen,
bereu baS ©Bot)l unfereS fdjWer geprüften ©olleS bringenb bebarf.
SBenn Wir nun fdjliehlich bie grage aufwerfen: Sn Welchem Sinne
fotl baS ©Birten ber grau in ©efefcgebung, ©erWattung unb Rechts«
pflege, furg auf allen ©ebieten beS ©emeinfdjaftSlebenS fidj entfalten,
fo Hingen unS unwiKfürlidj bie ©Borte im £>h re ’ bie ein , beutfeher
Sinter bem beutfhen ©ölte in feinen trühften Kagen gurief:
106
III. 8 U * %heotte ber granenftemegnng
$ag unbefeelte fReid) gerbrach;
SBir fteßn oor aller SBelt tn ©djmacß,
Stun gilt eg aufgubaun aug Siebt,
©in Seelenreicß, bag nid^t gerbricßt.
Sei bielern äußeren ©lange mangelte unteren öffenttid^en ©inrieß*
langen nur gu oft ber redete (Seift, bie Sefeeltßeit. galfcß märe eg
freilich, gu beulen, baß biefe S3efeeXit)eit nun in ber üftot unfereg Sater*
tanbeg fiel) fogufagen bon felbft einfleHen merbe. $ier liegt eine bon
ben bielen großen Slufgaben, bie nnfer Sott löfen muß, menn eg lang'
fam mieber gur §öße emporfteigen miß. Ser SBeg mirb lang nnb pari
fein, gür bie beutfeßen grauen aber mag eg in allem tiefen garnmer
um bag Scßidfat ißreg beutfeßen Solleg boeß ein Keiner Sroft fein,
baß fie auch, jebe an ihrem 5ß(a^, äJhtftreiterinnen finb nnb nid^t ßu*
feßauerinnen, baß manche bon ihnen ihrem Solle merben borangehen
bürfen auf bem SBege gu neuer innerer nnb äußerer ®raft gn Seutfcß*
tanbg bnnlelfteit Sagen finb Seutfcßlanbg grauen mitberantmortiid)
gemorben für bie ©efeßiefe ihreg Sanbeg. Sie toerben ftdE) ber ©röße
ber Siufgabe getoadhfen geigen.
SlttSfiliÄ.
SBtr bemeffen bie Stärle nnb S'raft einer Semegung mehr nodß nadß
ihren ßulunftgaugfichten a {§ naeß bem, mag fie in ber Sergangenßeit
leiftete nnb in ber ©egenmart bebeutet. Sritiler ber grauenbemegung
haben oft berfueßt, auf bie geringen Slugfichten ber grauenbemegung
in ber ßulunft ßingumeifen, unb befonberg in ben lebten gaßren finb
biefe Stimmen mieber laut ertlnngen. Sltg ber ffrieg aügbradß,
glaubten mandße, baß bie grauenbemegung fogufagen ,,mit bem erften
®anonenfcßuß mürbe ßinmeggefegt merben", baß im Iriegerifcßen
Seutfcßlanb für bie gbeale nnb Aufgaben, bie bie grauenbemegung
fieß fteßt, lein $la£ fei. ©g märe traurig gemefen, ßätte biefe Ser*
mutung ber SBaßrßeit entfproeßen; bie ©efeßießte ber grauenbemegung
geigt, baß bie fieß grünblicß irrten, bie ißr eine gu geringe SBiberftanbg-
traft gutrauten, um in ber Sluflöfungggeit beg ®riegeg gu befteßen.
Sag ©egenteil trat ein; in ber ungeheuren Kraftprobe beg bierjäßrigen
SBeltringeng brauste bag beutfeße Soll feine grauen, unb bie organi*
fierten gefcßulten grauen naßmen faft überall bie Seitung in bie £mnb.
Sftun, ba bureß ßufammenbrueß, IReoolution unb ©emaltfrieben bie
©efamtlage beg beutfeßen Solleg eine ungeheuer fernere gemorben ift,
merben abermalg Stimmen laut, bie bie -Jlotmenöigleit ber Se*
8ulunft?au§fidhten ber grattenbewegintß 107
ftrebungen, bie mir unter bem tarnen „gtauenbemegmtg"gufammens
foffen, in biefer Seit leugnen. Sie berufen fieß babei teilg auf bie un*
enblicß feßmere Sage beg beutfeßen Solleg, bie unbebingt ©inbeit ber=
lange unb alle Sonberbeftrebungen einer ©ruppe als fcßäblidß er^
feßeinen laffe, teilg auf bie Satfacße, baß mit ber ©emäßrung beg
graaenftintmrecßtg bie grauenbemegung fieß „erfüllt" habe, überflüffig
gemorben fei. SDtit beiben Slnfcßauungen gilt eg, fieß augeinanber*
gufe^en, menn bie Sebeutung ber grauenbemegung für bie lomntenbett
gaßre boö erfaßt merben foH. —
©g ift bon größerer Sragmeite, alg genteinßitt angenommen mirb,
baß in unferer fißreib^ nnb rebefeligen Seit 9 ute fruchtbare ©ebanlen
fo oft in ber Sigfuffion ßiu unb her gemorfett merben, baß fie ung
nur gu halb alg abgegriffene „Scßlagmorie" erfeßeinett. Ser ,,«taf*
flieg ber Segabten" ift ein guteg Seifpiel für biefe Seßauptung. Slßn*
ließ fteßt eg mit bem feßon Diel gu oft gebrauchten SBorte bon her „Ser*
innerltcßung beg Seutfdßen in feinem UngtiicE". Slucß ßier liegt ein
feßöner ©ebanle gugrunbe: bie Übergeugmtg, baß bie beften ©üter
eineg Solfeg unb eineg eingelnen äJlenfc&en uon ben SBecßfelfäHen
politifcßen Sebeng unabhängig finb, baß mir Sßerte befreit, bie ung
ttiemanb rauben lann, baß gerabe ungS.eutfcßen unbesiegbare geiftige
Duellen feit gaßrßunberten fließen, ang benen mir feßöpfen müffeti,
um ung in trübfter ßeit aufrecßtguerßalten. Siefe Serinnerlicßung
famt aber immer nur Sacße ber ©tngelnen, ntemalg Slufgabe bon
Drganifationen ober fouftigen ©emeinfeßaften fein; baßer lommt eg,
baß bon manchen Seiten ßer heute ber ©ebanle ber Drganifcltoti alg
folcßer belämpft, biefe alg etmag angefeßen mirb, mag im neuen „ber*
tnnerlidßten" Seutfcßlanb feine Sebeutnng berloren ßabe. SSir braudßen
meßr „@eele M unb nicht meßr Sereiue, heißt eg; unfer „itberorgani*
fierteg, übergentralifierteg" Sanb ift bieüeidßt mit begßalb fo tief ge-
fnnlen, meil mir ben eingelnen nur alg „Scßnittpnnlt bon Seteinen"
lannten, unb meil in biefett Seretnen burcaulratif^e Scßablone an
©teile enger güßlungnaßme mit bem pulfierenben Beben trat, ©g finb
Junge Staatgbürger nnb Bürgerinnen bor aKeut, bie biefen ©ebanlen^
gängen guftimmen, unb ßäußg nid^t bie fcßlecßteften nnb oberpäcßlicßften
Söpfe unter ißnen. ©emiß, bag geben auch bie Slnß ärger innen ber
grauenbemegung gu: mit organifatorifeßen SRaßnaßmen allem lann
je^t noCß meniger erreidßt merben alg in ben glüdlicßen S^ten unfereg
Solleg. SKeßr alg Je müffen mir ung an ben eingelnen menben unb
108 _ HI. 8ut Sßeotie bet Frauenbewegung _
oerfueßen, Slrbeitstuft unb Eingabe, ©ruft unb Sreue in i’Ejnt ju
Weden. SaS ift eine Aufgabe, bie oon SOlenfcß ju SKenfcß geleiftet
Werben muß nnb ber ficf) feiner entzießen borf. Sanebeu aber muß
gerabe ber Sugenb gegenüber immer mieber betont werben, baß be«
flimmte große ®utturaufgaben beS ©efeßfcßaftS« unb ©taatSlebenS
fttß nur oon ©emeinfcßaften löfen taffen. Fft bie IßerfönlidßteitSJuItur
mit aß bem, toa§ fie an ettiifcbjen SBerien umfaßt, Siel unb Aufgabe
beS einzelnen, fo ift VotfStultur nur burd) bewußte ^ufammenarbeit
oieter ju erreidßen. Veibe ergänzen unb förbern fieß gegenfeitig, aber
bie Aufgaben ber VolfStultur forbern atS ißte Sräger nidßt ben ein«
jetnen, fonbern bie ©efamtßett. VertiängniSöoßer. als je Wäre eS,
Wenn gerabe in unferer Seit eine gewiffe ©teibßgültigleit für bie Stuf«
gaben ber VotfSfuttur bei benen um fic£) griffe, bie burcß ißre ißerfön«
licßfeitstultut befonberS befähigt finb, fie ju förbern. SBoßen Wir uns
wieber ergeben, fo müffen Wir alle gemeinfam arbeiten, ebenfo wie im
finfenben ©cßiffe jeber feine §anb jur Rettung bietet. SBie feßr bie
Siele ber Frauenbewegung mit ben Sieten ectiier VotfStultur überein«
ftimmen, fucßte ber teilte Slbfcßnitt ju zeigen. Saturn ift ißre Vereins«
arbeit ßeute Wichtiger als fie jemals geWefen ift. Sin fernerer grrtum
ift eS ferner, in ber Frauenbewegung nur eine einfeitige ®amf)f«
organifation gegen ben ®tann z« feßen, ober gar, Wie mandjeS junge
Sßtäbcßen ßeutjutage tut, oon ißr eine Verfümmerung beS tßerfönticß«
teitStebenS ju füreßten. gn ißrem testen Sinne erftrebt bie Frauen«
bewegung bie Verfößnung ber fieß jeßt nocß oft entgegenfießenben Snter«
effen oon ßJtann unb Fra« — gleichberechtigte ©emeinfcßaftSarbeit
beiber ©efdßtecßter jum §eite unb SBoßte beS ©anjen, baS ift ißr Siet-
©cßwieriger ift eS, baS ßeranwacßfenbe Sftäbcßengefdjtecßt oon bem
SBert ber Frauenbewegung für bie perfönließe Kultur ju überzeugen;
benn ber junge SJtenfcß unferer Sage ßat eine — man möcßte fagen —
inftinftioe Slbneigung oor ber „Swecforganifation". Slucß bie ©teßung
ber „freibeutfcßen Sugenb" zur Frauenfrage ift zum minbeften nicßt
einßeitticß. SRan ßat bort freiließ mit aßen alten Vorurteilen ber Frau
gegenüber grünbltdß aufgeräumt, erftrebt aueß bie oerftänbniSooße
Sßitarbeit ber Frau im Staateleben, fießt aber boeß in ber organi«
fierten Frauenbewegung eine ber ©rrungenfcßaften beS 19. Saßrßun*
bertS mit feinem SKaterialiSrauS unb feiner Swecfbeftimmtßeit, bie man
bem ißrinzif) nad) oerwirft. Stucß bie ©tubentinnen, bie ißr ©iubiunt
überßaupt unter anberen ©efießtspunften als benen beS reinen ©rWerbS
Sttfltiib un b gtaneitberaegung __ __ 109
ober beS btoßen Seitoertreibä anfeßen, finb fi(ß bielfacß über F«ßalt unb
Siete ber Frauenbewegung nicßt ttar. So braute bie „Stubenttn' oom
20. SJtai 1919 einen Stufrnf, ber zur ©efinnungSgemeinfcßaft unter
ben ©tubentinuen anfforberte unb babei bie SBorte eutßiett :
„SBit motten Xrägetümeit ber neuen Frauenbewegung famwetn- wajt
me()t Wotten wir, röte bie alte Frauenbewegung, bie Forberuitg gtetdjer
äBirtungSrnögticbfeiten aus ber ©leitettgteit Bon StttannFwu fob
gern . . ©erabe wegen ber ®erid)teöeitt)ett bet ©cjdjledjter bebarf bte
TOenfcbßeit gleicßer SBirEungSmögticßteiten für beibe."
®aß in biefen ©äßen ©runbüberseugungen gerabe ber Frauen«
bewegung feßon feit Faßrzeßnten entßalten finb, ift jebem tlar, ber bte
©ntwieftung ber Frauenbewegung berfotgt ßat. Stoßbein feßeinen
biefe jungen SUlettfeßen einen ©egenfaß z w ^ en ißrem Streben unb
bem ber Frauenbewegung zu empftnben. —
über eins müffen Wir unS tlar fein: SBir werben bte ^ugenb nur
gewinnen, Wenn wir ißr zeigen, baß amß für uttS bie ijkrfönltcßfett
.ßöcßfteS ©lüd ber ©rbentinber“ ift; wenn wir tßr naßebrtngen,
baß bie Frauenbewegung aus ißren geiftigett gbealen ßerauS einen
neuen Verfönticßtei«wert für bie Frau feßaffen wiß. ßheßt um totrt«
fcßafttidie Vorteile, nid)t um fo§iate ©rrungenfcßaften tft es uns teßten
SnbeS zu tun, fonbern um bieStuSbttbung eines neuen SßßnS „Frau ,
bes geiftig entwictelten, moratifcß felbftänbigen unb Itcbeooß oßfer«
bereiten SSeibeS. Unfere Seit oerlangt nad) tßr unb tft retf fürJte.
SSeit aber biefe große Stufgabe noeß oor unS fteßt, tft ber zweite ©tu«
wanb: bie Frauenbewegung ßabe ißre Qkh erreießt uub fteß bannt
fetbft überftüffig gemadßt, ooflfommen ßinfäßig. Faft tonnte man baS
©egenteit beßaußten unb fagen: ©tft feit ber Verletzung ber ßolt«
tiftßen Sftecßte ßat bie Frauenbewegung bte äKogücßfett, tßre Stele
wirttieß buteßzufeßen. Freiticß erßebt fieß ßier bie Frage, ob «tjt bte
SOtitarbeit ber Frauen in ben einzelnen ^arteten baS btSßertge SBtrlen
ber Frauenbewegung erfeßen tonne. SDSeineS ©racßtenS muß bte
Fraqe entfeßieben oerneint werben, ©o wertooü unb unentbeßtheß bte
Sötitarbeit bet Frauen in ben Parteien aueß ift, fo Ware es boeß ein
feßwerwiegenber Seßter, Wenn aße tulturbeftrebuugen fteß fortan bem
gtaßmeu ber V“rteien einfügen müßten, ©bßon bei Fragen ber SBoßl«
faßrt unb foziaten Fürforge ift bieS bebenfließ, bei eigentlichen Sultur«
orobtemen erft re#. Vor aßem in Seuifcßlattb, wo bte btS jeßt erft
gering eutwidelte ßotitifeße ßuttur baS ^arteiteben oft unerfreutt^
matßt, foßtett bie beittfcßen Frauen fieß ber ©inßettltcßfett befttmmter
110 Hl. gut ©Ijeotte bei gtauenSetuegung _
ihnen allen gemeinfamer 3' e ^ e bewußt bleiben, ©aneben aber bat bie
grauenbewegung beute eine ©rgiehungSaufgabe ju erfüllen, bie bie
einzelnen Parteien nicht teilten fönnen. Sie mufj bie beutfcfie grau
jut Staatsbürgerin beranbilben, bie Anteilnahme unb VerftänbniS für
bie Aufgaben beS öffentlichen SebenS geigt, unb fie rnufj mit ju ben
geiftig-jitttidjen SRächten geboren, bie an bem inneren SBieberaufbau
unfereS VolfSlebenS arbeiten, ®ie innere ©emeinfamfcit ber grauen
bei ber Erfüllung biefer Stufgaben barf nicht ^erbrochen werben. SB«
fteben atn Enbe beS furcbtbarfien Krieges ber 2BeItgefc£|i(±»te, ber ben
unerhörteren ©ewaltfrieben aller 3 e itm über ein Volt gebracht h°^>
unfer Staatsleben ift umgeftattet unb erfcbüttert worben burdj eine
fReöoIution, beren ganje ©ragweite wir h eu t e tt0< ^ ermeffen
lönnen. Sabretange Entbehrungen unb Opfer feben wir öor unS. Von
neuem gilt eS, burcbsuhalten, bis Wir unfer Vaterlanb auS ber ttefften
Slot jum Sicht gebracht haben. ©aS Wirb baS SBerf oon fahren unb
Sabrjebnten fein. SBir lönnen eS nur tioEbrutgen, wenn Wir treue
Staatsbürger unb echte ©eutfcbe finb. ©reue Staatsbürger, oon bem
©ebanten erfüllt: ©er Staat, baSfinb Wir alte, für ihn ift jeher oon unS
oerantwortticb; echte ©eutfcbe nicht nur im ®totje auf unfere glorreiche
Vergangenheit unb in ber Hoffnung auf eine beffere ßutunft, fonbern im
SDliterleben ber beutfdjen geiftigen ©Berte ber Vergangenheit unb ®e*
genwart, ©ie geiftigen ©üter, bie niemanb uns rauben fann, müffen in
ganj anberem üRafje als bisher jn ©runblagen unfereS SebenS werben;
allen müffen fie jugängtich fein. ©aS „VorwärtSlommen'' tm alten
materiatiftifchen Sinne wirb in bem ©eutfd)tanb ber nächftengahräehnte
fdjwer fein; um fo mebrfott fürunS baSSBort gelten, bafj „nur ber im
Seben borwärtS fommt, bet oerftänbnisooßer, mitfüblenber, Warnt-
bergiger geworben ift, beffen Seele bengrieben beS SebenS gefunben bat'.
©iefe Überjeugungen finb uefprünglidjer Vefib ber grauen*
bewegung; auf ihnen beruht ihre ©ettuug unb ihr ©influfj. SSie biefe
Vtätter geigten, ift fie feit ihren erfien Slnfängen beftrebt gewefen,
ftaatsbürgerlicben Sinn unb VerftänbniS für geiftige ©Berte in ben
grauen ju Weden, ©ie gortfehung biefer ihrer Strbeit ift heute not*
Wenbiger als je; fie gehört als unentbehrliches ©lieb in bie SRethe ber
geiftig'-fittlidsen SRächte jur Hebung unfereS Volles, baS bod) noch ein*
mal oor ber ©efcfjichte bie alten Sernworte Wahr machen wirb:
„Staaten unb Slamen tann man ermorben, ein Voll, baS
leben will, erbroffett mau nicht".
8tterahtröersei<3)ttt£
111
SitemfttrherjeidjttiS.
gut ^trauettfrage uttb grauen*etoeguitg.
935unter, GJertrub, $ie grau in SSolf$nnrtjchaft unb (Staatlieben ber
(SJegentoart.
$ebel, Sluguft, 3)ie grau unb bet Soatalilmul.
$8 rann, 2i% 2)te grauenfrage. Seidig 1901.
23ucfc)er, farl, 5)ie grauenfrage im Mittelalter. Xüfcingen.
Satire in, Victor, <5. g. $)ie grauenfrage. greiburg 1909.
Sange, Selene, S)te grauenbetoegung in ihren mobernen Problemen.
Quelle u. Metjer 1914.
@d)irrmacbet, State, $)ie moberne grauenfcetoegung. Seidig 1909.
SSeb er, Marianne, (^efrau unb Butter in ber föecfytlentttHtflung.
Tübingen 19o7.
SSeb er, Marianne, 3)ie grau nnb bie objeftioe Kultur. ßogol 33b. IY, §eft 3.
SSeb er, Marianne, grauenfragen nnb grauen gebanien. Tübingen 1919.
0ammeltnet!e.
$anbbucf) ber grauenbetoegung, heraulgeg. non gelene Sange unb ©ertrub
S3aumer.
Qaljrbud) ber grauenbetnegung, Sa^rgattg 1912—1919, Ijerau^geg. oon
Dr. (£. 2lltmanm©ott!jeiner.
©Triften bei «Staubigen 9luljd)uffel für $lrbeiterimten=3ntereffett. Sena,
(Suftat) gtfdjer.
Schriften bei grauenberuflamtl bei Söunbel SJentfd^er grauentteteine.
grauenbetoegung nnb Segualetbi!, Beiträge §ur mobernen ßl)e!ritif. Stutt*
gart 1909.
$er beutfcfye graueniongref}. Jöeip^ig nnb Berlin 1912.
3)al lueiblirfje SHenftjahr, l)eraulgeg. nom gnftitut für fokale Slrbett in
München.
Probleme ber grauenarbeit in ber ixbergangltmrtfd)aft, bearb. toon Dr.
£)£:}) enheimer u. Dr. St'. Sftabomlfi. Mannheim 1918.
Seitf^riften.
3)te grau. Berlin, SS. Moefer.
2)ie grauenfrage. Seidig unb SSerlin, S3. Seubner.
S)ie grauenbetoegung.
„grauenbtlbung^. üetpgtg unb Berlin, S3. (3. ^eubner.
„$ie grau in ber ©emeinbe". granffuxt a. M., SSrönner (früher „Sfteue
SSatjnen''. ^arllruhe, ©. S3rann).
S)eutfch-eüangeUf^e grauengeitung. SäerlimSiditerfetbe, ©bmin 9fiunge.
3 aljrbud) beg 33 uttbeg ©eutfdjer ^raueuöereme 1920
w S)ie ^rau im neuen ©eutfdjlanb“
§era«§g. i>on Dr. (Eitfabeth $ütmattn*©ottheitier. $arf. Sßt 6 —
f=:iaslÄ»ÄSS«S!i
ffr u £- Sa^tgange 3 u ermäßigten greifen: g a fjrq. 1913 m — 50* 1914 <bt 7 ^. ioi ?A ßf s
®ic beutfefje ^rau u. ifjre Stuf»
gaben int neuen '23oIf§ftaat.
51on Dr. «U. © a Io man. ©efj. . . gjl. i._
©ie ©dEjrift toi ü, mag bengrauen aller q3ar*
teien gemeinfam ift,ttuß6armacßen 3um«8eften
beg gan 3 ett ‘Solfeg, mie 3.93. bie fefte «Heran«
rerung im fosialen ©ebanfen 3 um Aufbau beg
Holfgftaateg, unb min bie 93ebeutunq beg
^raueneinfiuffeg in ber für bie (Snt-
ttutflmtg b.fultureHen 93erljältniffe auf3eigen.
Stellung unb <3ititarbett ber
Si r . a, f Aj 1 £ er ®enteinbe. «ad&bem
JRaterial ber BentraifteHe für Oemeinbeümter
ber t?rau in granffurt a. «BI. bearbeitet *>on
Sennt) 9lpolant. 2. Hufl. Steif SB. 2.40
©ruttbfä^e u. ^forberungcn ber
f,mh5i W ^Wenbeg
93imbeg ©eutfdjer B-raueuoereiue. öeft l. Ho n
<3 V?J^ t)cn6er9 ^- i?an 9 c »^-^«Pbriß
n. ®.9Utm ann» © 0 ttb ein er. ©eb.9B—.50
©ie Jrauenfraqc
iebaTtion- t ^ C ^fw( t t be Yy?r e «^ er | r „ a « en » cr6in «. Mg. Dom «Borftonb.
«S A8?i JSiStSÄ » X L 3a&r0 . 1920> 4 ^gaben. 3ä&rlid& 12 gefte. !
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»ie «Äti^ÄS ^ f ? c6er fÜF a “ e > Me «** b « *0 »eben
SS:«“'*
0 r 9 att öeg SWgemeinen
©eutfeßen ßebrerinnenbereing. Hegrünb .1884
OonHlarießoeper-öonffelie. öeraug-
gegeben Oom Horftqnb. «KebaMon: Hlarq.
vvvuV 9 * unb 5ran3igfa Oßneforge.
XXXVI. «jaßrg. 1919/20. Bäßrl. 24 stummem.
*?A l r a M e I : r A: S eiM - ber eeftion für m- n.
mittl.ßdßulett, B: 93eibi. beg Herb. btfcft.HoIfg«
f^uilebrer., C: Heibl. ber ©eftion für teebn.
J 8 ! 3 ” 9 ^* ötertelj.: für bie Hugg.I
(mit famtl. Hetbl.) m. 4.-, für bie 9iugq. II—IV
(mit 2 Heibl.) «Bl. 3.50, für bie «Hugg. V—VIII
(mit 1Heibl.) «Bl. 3.—, (Sin3ehtummer 9ZI. 1.—
SDie 0o3talbeamttn. Organ beg
?Ä e ?^ erbanö ^ ber©03ialbeamtittnen.
^ r l fUc i tun9; öon «Helfen. I. Sabrq.
1919/20. Säbri.8@efte9B.5.- J gin3eif).«m.-.75
^Pr eit {3.*$ 0l f 8 f d) u ll e fj r er t nn ett«
§ ei tu n Q ., Organbegßanbegbereing^reuf).
l iVJ& U P v J nnnen - ^ eiItt 9c: «Beiblatt für
^ ei?tt w^9egebett 00m «Borftanb.
©dbriftiatenn: «Bl a r g a r e t e S e I f cß 0 m.
XIII. gaprg. 1919/20. gäbriieb 24 Hummern.
93e3ug§preig : bierteiläßrlicb «BI. 2.50, für bag
9luglanb «BI. 3.—, @in3elnummer «BI. —.50
Verlag ron «8. ©.Scubner in £,eip 3 ig unb Berlin
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Xeti^ners
fleine ^ac^i»öttctbä^<e
brlnaen fachUcbe unb ©otterläuietnbe (£tU«tungen aUct
tigeten ©egenftänbe unb Sac^au^tucee ber einzelnen «cUett
Watux* unb ©eifte^uoiffenfdjaftcn. 0 ie tnenben fid) an t^efie Kte fe
unb tnollen not allem auc?> bem ^icf?tiacf?mann ^ e e ^ cr P anbn ' 5 t> o 0 J \*>
befriebigenbe Scetüre ©iHen|*aftH*«f M'*** | cU !
f 4 >riffen ermößücben unb ben 3 u 0 ang ?u biefen W« &>'*
bat^usmabl unb bet ernten mätmen be|limm :: »■etö^
fichtigung alles ^efentUcben, allöemelnuerftänbHcbe Sof*
(ung bet (Etläufetungen, auöteicf>enbe fptad>licbe ©teiatung
ber Sacbausbrücfe, t»ie fie namentlich bie Immer mef)t ?utucftrelenbe
bumaniftifebe 13 otbilbunß erfotberlidb macht
mt fliojjeten «in triffenfcfjaftü^cn 0lad)f<f>Ifl6eti>ctfcn tonnen bie «einen SüdjtDoitetbucbec
nomcntlid) binfi<btfi<b bet 'Boilftanbigteit natütUd) ni<i)t in 9Bettbeoetb ueten, fie oerfolgen ja
obet audrflan? anbete 3tnerfe, butcb bi« frei* «nb Umfang bebingl maren. ©en «ngemdnen
KonoetfationJeiie« gegenüber bieten fie bei den W ebnebta mebt unb
aud) außetfad)Hcben 3n(ereffen bes (Simelnen Vorteile infofem, als bie Seatbeitong >«»
befonbeten öebutfniffen be« einieinen $ad)gebletes beffet ««Ö«Pef)*
unb leichter auf bem neueften «Stanb bes Kiffens gehalten ©erben fann, ala insbefonbet«
aud) bif Ticunb Qlacbbefdjoffuna bet einjelnen abgefcplofjene ©ebiete behanbeln-
ben Ö5nbe bebeutenb leichter Ift als bie einer ©efamt*(£n?h«opabie, beren erfter »anb ge-
wohnlich fchon ©lebet oeraltet ift, wenn ber feßte.crfcheint.
preis gebunben je ca. TW. 4.“ bis TH. 5.—
Qieriu Seuerungs?ufd)lage bes 93 eriags unb bet öuchhunMungen
♦ flnb etfehienen b?©. »erben bcmnac&fl crf<f>einen 5 bie anbeten Sanbe finb in 'Uotbereilung.
*Ph^ o l o P?>*^ c0 ‘Htöctcrbuch* 2 * Äufl.. Uon Dr. p. Sbotmeher«
*Pf 9 chciogifd)es WötUtbufy non Dr. SriMöicfe.
£itctatucgcfcht<ht«^ 0 ^öttcrbuch non Dr. p- ^ohl.
^unftgcfd)idftU<h^ Wörterbuch wn Dr * ( a
♦Wufifalif^es Wörterbuch Prioatbo?ent Dr. Q. 1 ).
Wörterbuch naffijdhrn Ältertum* non Dr. 33. 34. Wullet.
*Ph9f^ flt *f^ e0 Wörterbuch oon Prof. Dr. ©.
*<5eologif<h*miiteralogif^hcs Wörterbuch oon D *- 6cbmit>t.
^Ocographifth^ Wörterbuch uon prof. Dr. D. Kenbe.
*3ooU>gifd>rs Wörterbuch oon Dr. Sb. Knottnerus?Wehei.
* 35 otanifches Wörterbuch D£> n Dr. O. © erte.
♦Wörterbuch ber WarenCunbe oon prof. Dr. W. pietfeb.
♦§anbclswöcterbuch oon Dr.T3.6lttel u.CJuftijrat Dr.'W.^traup*
'Bctlag oon 35.©.£eubim in £dp?tg unb ^etütt
G. il. 20
»omftltertum zur©egentoatf
©tc i$uUuc?ufammcnI)6nge in ben ^owP^P^d&cn ttnö ouf den
$)auptgcbtoiett. ©ef>. 1H. 9.-, ocb. 7R. io.so
Stilen oon £. »oll • ft. Euttius • ft. Dopfcb • E. ^raentel • E. OoJbbecf • 70. ©oeb
P. ßenfcl • K. f}oll • 113.Oaeget • 0* 3lberg • H» fiiehmann • E. o. ßippmann • ft.o. 7Rartm
Eb.'TRcbet • fi.TRitteis • E. TRüller • E. Horben • 0. Partfc^ßeipzig • a.Partfch.Sreibutg i.Sr.
ft. ftefjnr • ©. Hoetbe • Tüilh. Schulze • E. Spranger • Q. Stabler • TR. TOunbt • 0.3ichcn
3nbalt: I. Einleitung. Der Humanismus als Xrabition unb Erlebnis. II. Die 3«*
fammenbänge im allgemeinen. I. Der Übergang oon ber ftntife zum TRiftclalter. 2. Die
ftntife im TRittelaltcr unb in bet ftcnaiffancc. 3. Dct Reubumanismus. 4. Das 1$. 0abrb.
III. Die3ufcmmenbänae auf ben einzelnen ©fbieten. J. Staat u.Tüiitfcbaft. 2. Recht.
3. Erziehung. 4. Sprachwiffenfdzoft. 5. (Öcfdriebte. 6. fiiteratur. 7. Kunff. 8. Religion. 9. Philo*
fopbte unb Tüeltanfcbauung. lö. 'JHatbematif. JJ. TOeltbilb unb Phhfif. ) 2 . ©cographie.
J 3 . Sfologie. 14 . ftftronomie. J s. Clljemie. ) 6 . Hiebtjin. J 7 . Xecbntf. IV. Urform unb
Übergebung in i^rer Sebeutung für ben Humanismus.
Das ©pmnafium unb bte neue 3eit
Sürfpracfren unb Sorberungen für feine dtf)aUung unb feine
©ej). Oft. 4.50, geb. QH. 9.-
Das Su<b ftellt in längeren Darlegungen unb fürzeren Äußerungen berufener §ürfpred)cc
aus allen Kreifen unb fttbeitsgebieten, oor allem aueb oon TRännetr. bes prattifeben fiebens,
zufammen, toas fid> über Sebeutung ber bumaniftifeben Silbung unb bes ©ümnafiums für
bie tunftige ©eftaftung unfercs »olfslcbens fagen läßt.
3ur Einführung in bie Pb*loföpbio ber ©egenwart
T3on ©cb.Olat Prof. Dr.3l.')U«bl. 5. Sufi. ©eb.'m.'J.SO, gcb.TM. 5.80
„...So fteigt ein Stücf geiftiqer TRcnfcbbeitsgcfcbicbfe in feinen roefentlteben Umrißen
mit herauf, unb inbem wir uns um bie Sadbe bemühen, lern.cn mir große TRenfdzcn fennen,
bie für uns gelebt haben unb uns einlaben, mit ihnen )u leben.“ (Xägl. ftunbfdjau.t
Perfönlid)Hett unb Tßelf anf cßauung
PfpdjoI.Unterfud). *u Religion, ICunff u.Pbilofopbie. 13on Dr.XTHüller*
Stdenfds. Iftüftbb. im £c?t u. auf 5 £af. ©cb. Ttt- 9.-, geb. QH. 9.-
Heibelberg unb bie beutfd>e Dichtung
Q3on Prof. Dr. p b.38 i 1 1 o p. 5 Xafefa, I färb. Beilage, 33ud)fc()mu<£ u.
6Uj)ouettcn. ©el). ^It. 3.90, in Pappbani) Itt. 4.90, in ©albleincn
mit ©olbfcbnüt 1H. 8.40.
„Es fprlebt unb fprüht t>ie( oon bem Duft unb Schimmer aus bem Suche, ber um
bie geweihten Stätten Heibclbctgs meht unb leuchtet, jenes H«belberg, bas uns Deutfchen
bas Spmbol bei Poefie feit alten lagen iß.“ (ßdpjfgrr 3citmig.)
Das Erlebnis unb bte Dichtung
£efflng. ©oet()e. Tlooaliö. ßölberlin. 'Son ©eb. CHeg.^CKot Prof. Dr.
< XÖ.'DU?()e$. 9.$ufl. Tlttl) £itclbif&. ©ebeftctlH. 9.-, geb. TH. )2.~
„ft us ben tiefften Slicfen in bie pfhebe ber Dichter, bem tlaren Derftänbnis für bie
biftorifeben Seftimmungcn, in benen fie leben unb febaffen mußten, tommt Diltbeß ?u einer
löürbigung poetischen Schaffens, bte eine felbftanbigfreie Stellung einnimmt.“ (Die Hilf**)
Kapitalismus unb Sozialismus
35etracbtungen über bie ©runblagen ber gegemoärligen ^Dirtf(j)oftöorbnung
fomie bie 'XJorausfebttpgen unb 6ojialismus. Von ©eb.
^egierungsrat Prof. Dr. £. p o b l e. 2. ÄufL ©eb. ca.QK. 4.-, geb. ca. VI. 5.-
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3. TUo brüeft ber Schub? 4. ScbmeicbelfalKben. 5. Püppcben, aufgepaßt! 6. ©toße IDäfcbe.
3n Umfchlag TR. I.—. *Sd)öttcnrißti 3 , (e i on ©e ba ßutfe ^odunibt: l.fteibe: Spiel unb
Xam, 5eft im ©arten,35lumenotatel, Di.’ ticireSchäferin, SelaufcbterDichter, Tlattenfänger oon
Hameln. 2. ftelbc: Die^reunbe, DerSefucb, 3m ©tiinen, Tleifenfptd, Ein^riibüngsftrauß,
Der fiiebesbrief. 3.fteibe: Der Srtef an .Shh", ftnnäf)«ungstwfud), ft m gpjneft, Seim
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