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Full text of "Beiträge zur Geschichte des Niederrheins 15"

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Beiträge 

zur 

Geschichte 
des Niederrheins 



Jahrbuch 



des 



Düsseldorfer Geschichts -Vereins 



Fünfzehnter Band 



Nebst 6 Lichtdruck -Tafeln. 




Düsseldorf 1900. 

Druck und Verlag Ed. Lintz. 



Beiträge 



zur 




Jahrbuch 

des 

Düsseldorfer Geschichts -Vereins 



Fünfzehnter Band 



Nebst sechs Lichtdrucktafeln 



Düsseldorf 1900 

Druck und Vertag der Buchdruckerel Ed. Lintz. 



Redaktions-Ausschuss : 



Archivar Dr. O. R. Redlich. 
S.-Rat Dr. Hucklenbroich. E. Pauls. 



Inhalt. 



I Die Entwicklung des bergischen Wappens. (Mit FM I >öppel- 

trfein in Lichtdruck). Von Archivar Dr. F. Küch .... l"3S 
S. Zur Geschichte der Censur am Niederrhein bis zum Früh- 
jahr 1816. Von Emil Pauls .?"—"< 

, Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am 

' Niederrhein. Von Archivar Dr. Otto R Redlich . . ri8 164 

4 Eine politisch-ökonomische Beschreibung des Herzogtums 

Berg aus dem jähre 1740. Von !>,. Victor Loewe . lOf-M 
- Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeindc. 
mit besonderer Rücksicht auf das alte Herzogtum Berg 
Von Dl. Hermann Schütze ,h2 

6. Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 

Von Dr. P. Eschbach ' ' ' •* ' 

7 . Ein karolingischer Laienkelch. (Mit Abbild. Taf. VI). Von ^ 
Dr. Heinrich Kelletcr 3 3 

S Bartholomäus von Alten aus Neuss, ein niederrheinischcr 
Arzt und Astronom des ,5. Jahrhunderts. Von Dr. med. 

„ ... V»4 — S»5 
K. Sudhoff .■>■*•■>■ 

„.Ein Heiratsprojekt im pfalzneuburgischcn Hause. Von 

Professor Th. Levin 3 3/3 

_ - . ... 374-37^ 

10. Miscelle: ^ 

Eine Eingabe Samson Heines aus dem Jahre i8oJ Von 
Archivrai Dr. W. Sauer. 

11 Litterarisches: , ^ 

Dr. Fr. Cramer, Rheinische Ortsnamen aus voiröttuscher 
und römische Zeit Besprochen vom Archivar Dr. Otto 
R. Redlich 



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Landesbibliolhek Düsseldorf 



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Die Entwicklung des bergischen Wappens. 




Von F. Küch. 

(Mit 5 Doppeliafeln in Lichtdruck.) 

j[ie Frage nach Form und Farben des bergischen 
Wappens, oder, was dasselbe heisst, des Wappens 
der verschiedenen bergischen Regentenhäuser, 
ist in der letzten Zeit wiederholt aufgetaucht. 
Nachdem v. Ledebur 1 ) und zuletzt noch Seyler 2 ) darüber 
geschrieben haben, waren es hauptsächlich Gründe prakti- 
scher Natur, die bildende Künstler und Heraldiker ver- 
anlasst haben, sich damit zu beschäftigen. Zwar das Wappen 
des Fürstentums Berg, wie es nach 1348 im Gebrauche war 
und schliesslich auch in das preussische Landeswappen 
übergegangen ist, bedarf keiner eingehenden Nachforschung: 
der rothe blaugekrönte blaubewehrte Löwe im silbernen 
Felde hat sich in einer ununterbrochenen Kette der Ueber- 
heferung bis in die Gegenwart erhalten. 

Dagegen sind die Ansichten bezüglich des ältesten und 
ursprünglichen bergischen Wappens geteilt, und noch un- 
gelöst ist die Frage, wie der Löwe in seiner eben an- 
gegebenen Tingierung zum bergischen Wappenbilde ge- 
worden ist. 



') Das Etosenbild bei mehreren Edlen Geschlechtern des Niederrheins. 
Archiv für deutsche Adelsgeschichte Bd. I S. 233 fl". — StreUcttge durch die 
Felder des Kgl. Preussischen Wappens S. 105. 

3 ) Geschichte der Heraldik, Nürnberg i8ijo (Bd. A des Denen Siebmacher- 
sdien VVappenbuchs) S. 241 f. 

1 



K. Küch 



Die Lösung ist für die Geschichte des Wappenwesens 
überhaupt nicht ohne Bedeutung- und rechtfertigt deshalb 
eine besondere Untersuchung. 

Das Material zu einer solchen liefern beinahe aus- 
schliesslich die Siegel der bergischen Grafen, die sich an 
Urkunden verschiedener Provenienz im Düsseldorfer Staats- 
archive erhalten haben. Einzelne von ihnen, und gerade 
die ältesten und interessantesten, sind so hinfällig, dass es 
fraglich ist, ob sie noch auf lange hinaus erhalten werden 
können. 1 Meser Umstand licss es wünschenswert erscheinen, 
sie im Lichtdruck zu veröffentlichen und mit der vor- 
liegenden Untersuchung im Anhange eine Beschreibung der 
bergischen Fürstensicgel bis zum Ausgange der Grafen aus 
dem Limburger Mause zu vereinigen, letzteres um so eher, 
als die Publikation eines Siegelwerkes nach dem Beispiele 
des westfälischen für die niederrheinischen Territorien noch 
in weiter Ferne zu liegen scheint. Man wird es dem Düssel- 
dorfer Geschichtsvereine Dank wissen, dass er die Kosten der 
Reproduktion nicht gescheut und die Publikation der Siegel 
in authentischen Abbildungen bewirkt hat 1 ). 

Die Anordnung der Siegel ist durch das Format des 
Jahrbuchs nicht unwesentlich erschwert worden, es konnte 
indessen die chronologische Reihenfolge in der Hauptsache 
gewahrt und Zusammengehöriges, wie Vorder- und Rück- 
seite desselben Siegels, an korrespondierender Stelle an- 
gebracht werden. 



I. Das älteste bergische Wappen bis zum Anfall der 
Grafschaft Berg an das Haus Limburg. 

Heute gilt wehl ziemlieh allgemein die Rose als das 
älteste und ursprüngliche Wappenbild des bergischen Grafen- 
hauses. 



l ) Hera Archivar Dr. Redlich halte- die Freundlichkeit, die photo- 
giaphische Aufnahme der Siegel zu leiten. Die Tafeln sind in der Lichtdruck- 
anstali des Herrn W. Ott» in Düsseldorf (Fürsten wall 22S) hergestellt. 



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Die Entwicklung des belgischen Wappens. 



3 



Der Urheber dieser Hypothese ist v. Ledebur, der den 
Nachweis zu führen versucht hat '), „die vielblättiig? Rose 
in der Einzahl" sei das gemeinsame Stammwappen der 
Grafen von Berg, Altena, Isenberg, Limburg (a. d. Lenne) und 
von der Mark. Er behauptet, dass „der tragische Konflikt, 
in welchen die Mitglieder dieses Stammes gerieten, bezeich- 
net durch die Tötung des zum Heiligen erhobenen Erz- 
bischofs von Köln Engelberts I. Grafen von Berg (f 7. Nov. 

1225) , durch die Vierteilung seines Totschlägers und Neffen, 
des unglücklichen Grafen Friedrich von Isenberg (t 13. Nov. 

1226) , durch die Absetzung der Brüder des Letzteren . . . und 
durch eine Reihe blutiger Vehden auf Veränderungen von 
Namen und Wappen, einerseits von Altena in Mark, anderer- 
seits von Isenberg in Limburg" von Einrluss gewesen sei. 

Ob die Aenderung des Wappens unter den Nach- 
kommen des Grafen Eberhard von Altena (1160 — 11 So) 
wirklich durch die von v. Ledebur angedeuteten Ereignisse 
bewirkt worden ist, oder ob sie, wie Seyler 8 ) annimmt, auf 
ein Eimilienübereinkommen zurückzuführen ist, mag einst- 
weilen dahingestellt sein. Wie kommt es aber, dass auch 
die Grafen von Berg das ursprüngliche Geschlechtswappen 
abgelegt haben ? 

Dass nämlich Adolf III. (11 So- 1218), der Letzte welt- 
lichen Standes aus dem bergischen Gräfenhausen, „zwei 
nach oben und unten mit Zinnen versehene Querbalken" 
im Schilde führt, ist Ledebur zwar nicht unbekannt, er er- 
klärt es aber damit, „dass dies das für den Stammsitz Burg 
und die dazu gehörige Landschaft, in der dieses Wappenbild 
bei einer grossen Zahl von Familien des Ritterstandes sich 
wiederholt, .... angenommene Wappen ist, nicht aber 
das Stammwappen der Dynastie." 

In seiner Annahme, die Rose sei das bergische Stamm- 
wappen, wird v. Ledebur, dessen Beweisführung ich liier 
wörtlich wiedergeben will, durch den Umstand bestärkt, 

') A. a. O. 

*) Geschichte der Heraldik S. 242. 

*) Bekanntlich hat sein Bruder Engelbert, Erzbischof von Köln, nach ibm 
bis zu seiner Ermordung (1225) die Grafschaft verwaltet 

1* 



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4 



F. Kiu-h 



„dass der Begründer der /weiten bergischen Dynastie, der 
Herzog Heinrich von Limburg", welcher durch des Grafen 
Adolf Tochter Irmengard Erbe der Grafschaft Berg wurde, 
auf seinem Reitersiegel von 1244, welches die Umschrift 
führt: f Henric. dux de Leinborg et comes de Monte, einen 
Reiter zeigt bloss mit Schwerdt, nicht mit Schild versehen 
aber mit einem Helme, worauf, als einziges in dem Siegel 
sich bemerkbar machendes heraldisches Emblem, sich eine 
Rose zeigt. Das der Rückseite beigefügte Secretsiegel da- 
gegen bietet den bergischen Schild mit der Zeichnung von 
5 balkenweise gezogenen Zinnenschnitten. Wir wissen für 
jene Rose keine andere Erklärung zu finden, als die, dass 
damit der Stamm hat ausgedrückt werden sollen, dem Irmen- 
gard entsprossen war, während das Secret das Erbe, näm- 
lich die Grafschaft Berg bezeichnet. Das in diesem Siegel 
trotz der Umschrift gänzlich verläugnete angestammte 
Wappen Heinrichs, nämlich der Limburgische Löwe, kam 
indessen bald darauf, schon in den Siegeln von Heinrichs 
Sohn Adolf zu ganz alleiniger Geltung, und seitdem ist 
bis auf den heutigen Tag der Löwe das Wappen der Graf- 
schaft, wie des Herzogtums Berg geblieben, wenn auch 
in anderen Tinkturen, als der Limburger Löwe zeigt." 

Man sieht, auch für v. Ledebur sind es hauptsächlich 
die Siegel, auf welche er seine Behauptungen stützt, aber 
er hat nicht die Originale gesehen, sondern die gänzlich 
unzulänglichen Holzschnitte, welche Kremers „Akademische 
Beiträge zur Gülch- und Bergischen Geschichte" 1 ) bieten, sind 
seine Quelle. 

Um seine Beweisführung nachzuprüfen, ist es zunächst 
nötig, sich das genealogische Verhältnis der verschiedenen 
hier in Betracht kommenden Dynastien an folgender Stamm- 
tafel zu vergegenwärtigen. 



l ) III. Band Mannheim 1781 S. 196, 204, 205 und 20;. 



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Die Entwicklung des belgischen Wappens. 



5 



Adolf]!, Graf von Berg 1133 -1160 



Altena Berg 

Eberhard 1160 — 11 80 Engelbert 1 160 — 11 89 



Arnold Friedrich Adolf III. Engelbert d. 1 1. 

1173— 1204 1173—1199 1 1 89 — 121S 1218— 1225 



Isenberg Mark Irmgard 

Friedrich Adolf Gem.: 1 1 einrieb Hzg. v. Limburg 

1204—1226 1199— 1249 (1226 — 124;) 

Graf von Berg 1225 — 1247 

Limburg (a.d. Lenne) 



Dietrich Engelbert Adolf 1 V. Walram 
12.12 — 1297 1249—1277 1247— 1259 Hzg. V.Limburg 



Adolf V. Wilhelm 

1259— 1296 1296--1308 



Heinrich v. Windeck 
t l2 99 



Adolf VI. 1308— 1348 Margarete 

Gem.: Graf Otto von Ravensberg 

t «329 



Margarete 
(rem.: Gerhard von Jülich 
Graf von Berg 1348—1360. 



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6 



F. Küch 



Ein Siege! Adolfs II. (i 133— 1 160), des Stammvaters der 
beiden Linien Berg- und Altena, können wir nicht, und da- 
mit entbehren wir jedes sicheren Anhalts, ob er überhaupt 
schon ein Wappen oder ein wappenmassiges Zeichen ge- 
führt hat. 

Nach den Zeugnissen aus der Litteratur wie der Sphra- 
gistik ist dies aber an sich höchst unwahrscheinlich. Während 
nämlich von der Mitte des 1 2. Jahrhunderts an in Deutschland 
wohl wappenmässige Zeichen auf verschiedenen Teilen der 
Rüstung erscheinen, können wir von eigentlichen Wappen 
doch erst vom letzten Drittel oder Viertel des Jahrhunderts 
an reden 1 )- In dieser Zeit wird der Schild zum bevorzugten 
Träger des den Kämpfer kennzeichnenden Bildes, des 
„Zeichens", und — vielleicht noch etwas später — wird 
das Schildzeichen „wäpen" oder „wäfen" (in der Einzahl) 
genannt. 

Adolf II. hinterliess — ■ abgesehen von dem vor Da- 
mascus gefallenen Adolf — zwei Söhne weltlichen Standes, 
Eberhard und Engelbert, von denen der ältere (1 160 -1 180) 
die westfälischen Besitzungen des Vaters erbte und sich 
Graf von Altena nannte, während Engelbert als Graf von 
Berg oder Neuenberg das fränkische Gebiet erhielt. Beide 
B rüder haben, ebenso wie der Vater, kein nachweisliches 
Wappen geführt. Zwar fällt ihr Leben eben in die Zeit, 
wo sich die Anfänge des Wappen wesens im eigentlichen 
Sinne entwickeln, in der uns bei Porträtsiegeln wappen- 
mässige Zeichen auf den Schilden begegnen und zugleich 
die ersten Siegel in Schildform auftauchen. Aber während 
ein Siegel Eberhards von Altena überhaupt nicht bekannt 
ist, zeigt das Reitersiegel Engelberts (Taf. I) 2 ), das älteste 
unserer bergischen Siegel, auf dem .Schilde kein erkennbares 
Bild, der Schild ist vielmehr glatt. 

Erst in der folgenden Generation treten uns in beiden 
Zweigen des Geschlechtes Wappen entgegen: Das Reiter- 
siegel Arnolds von Altena, des ersten Sohnes Eberhards I. 



») Vgl. Seylera. a. O. S. 65 ff., S. 70 ff. 

*) Der Lichtdruck ist insofern weniger gut, als <lic Beleuchtung es nicht 
deutlich erkennen lässt, dass der Schild ohne Wappenbild ist. 



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Die Entwicklung tles beigischen Wappens. 



7 



(, [73 — j 904), enthält im Schilde die Rose, ') während Adolf III. 
von Berg (1189-121S) ;mf Schild, Pferdedecke und Helm 
die doppeltgezinnten Balken führt (Tai. 1 2. u. 3). 

Es muss also als feststehend angenommen werden, dass 
in der Zeit, wo die K<>se zuerst als Wappenbild eines Gliedes 
des Grafengeschlechtes Berg-Altena auftritt, die Besitzungen 
schon in der zweiten Generation geteilt waren. Und ferner 
muss folgender Erwägung Raum gegeben werden. 1 lätte 
auch Arnolds Vater. Kberhard von Altena, was immerhin 
möglich aber nicht erwiesen ist, bereits die Kose als Schild- 
zeichen geführt, so wäre damit noch keineswegs ausgemacht, 
dass auch sein und Engelberts Vater Adolf 11. dasselbe 
Zeichen gebraucht hat. Denn vorausgesetzt auch, dass zu 
dessen Zeit sich das Wappenwesen bereits konsolidiert hätte, 
so hätten nicht beide Sohne das väterliche Wappen geerbt, 
sondern nur der Eine, und zwar derjenige, der den Stamm- 
besitz erhalten hat; das war aber nicht der ältere, Eberhard, 
sondern der jüngere, Engelbert. Will man also von den 
späteren Siegeln rückwärts schliessen, so müssten die Zinnen- 
balken, nicht die Rose das Wappen Engelberts und Adolfs! 1., 
mithin das bergische Wappen überhaupt, gebildet haben. 

Hält man dem entgegen, dass Eberhard als der ältere 
Sohn auch das väterliche Wappen habe erben müssen, so 
ist darauf hinzuweisen, dass der dingliche Charakter des 
Wappens, seine Eigenschaft als Besitzzeichen sich in der 
ältesten Zeit besonders geltend macht, ein Umstand, fin- 
den gerade die bergische Heraldik noch ein später zu be- 
sprechendes interessantes Beispiel aufweist. Hier mag, was 
die Verschiedenheit der Wappen bei Besitzteilungen betrifft, 
darauf hingewiesen werden, dass von den beiden von Eber- 
hard von Altena abstammenden Linien Isenberg und Mark 
die eine Linie mit Arnold, dem Stammvater des Isenbergcr 
Zweiges, die Rose führte, während sein Neffe Adolf von 
der Mark — von dessen Vater Friedrich besitzen wir kein 
Siegel — den Schachbalken mit wachsendem Löwen als 
Wappenzeichen hat. An anderen Beispielen für die An- 



') Philipp!, Die westfälischen Siegel des Mittelalters, 1. Tnf. XIX 7. 



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8 



F. Küch 



nähme ganz neuer Wappen bei Erbteilungen ist besonders 
die älteste Geschichte der Heraldik nicht arm, während in 
der späteren Zeit, wie auch die bergischen Grafensiegel 
zeigen werden, nur eine Änderung des Wappens unter 
Beibehaltung der Grundform Brauch wird. Wenn in dem 
Hohenlohischen Brüdervertrag von 1230 ausdrücklich be- 
stimmt wird: „quod uterque fratrum ducere debcat in 
perpetuum clipeum patris sui et baneriam novam," so ist 
damit eben mit Bewusstsein eine Ausnahme geschaffen 
worden, welche die Regel beweist 1 ;. 

Nun hat aber v. Ledebur zur Stütze seiner Ansicht 
noch den Umstand ins Feld geführt, dass der Gemahl der 
bergischen Erbtochter Irmgiird in seinem Reitersiegel als 
einziges heraldisches Emblem eine Rose auf dem Helme 
trägt. 

Es kann hier ganz davon abgesehen werden, dass das 
Helmkleinod, denn um ein solches handelt es sich, in der 
ältesten Zeit ohne erkennbare Regel auftritt und einen 
durchaus persönlichen Charakter trägt. Es genügt vielmehr 
ein Blick auf das Siegel Heinrichs von Limburg (Taf. 1 4), 
um zu zeigen, dass es sich hier gar nicht um eine Rose 
handelt, sondern um ein kugelartiges Kleinod, das auf 
einer in der Mitte der flachen Oberseite des Topfhelms 
angebrachten Tülle befestigt ist 2 \ Ausserdem ist Heinrich 
keineswegs ohne Schild und mit Verleugnung seines 
Stammwappens dargestellt, sondern der Schild ist vor- 
handen und überragt den Körper auf 3 Seiten. Wenn er 
auch nur von der Innenseite sichtbar ist, so hat dies doch 
den Siegelschneider nicht abgehalten, den Limburger Löwen 
darauf anzubringen, 1 linterpranken und Schweif sind deutlich 
erkennbar. 



') Vgl. Kürst Hohenlohe im Archiv für Hohenlohische Geschichte I 275 
und die Bemerkungen Scylcrs da/u in seiner Geschichte der Heraldik S. 240. 
Dass hier ein Recht des jüngeren Bruders geschafTen wird, wie Fürst Hohen- 
lohe annimmt, nicht aber von einer Pflicht durch Familienvcrtrag, wie Seyler 
will, die Rede sein kann, scheint mir ausser Zweifel. 

s ) Sein Bruder Walram, der Erbe von Limburg, hat an Stelle dieser 
Kugel ein haspelartiges Kleinod. Urkunde von 1249 im Düsseldorfer Staats- 
archiv, Kurköln 121. 



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Die Entwicklung des herrischen Wappens. 



Die Rose ist demnach als Wappen der Grafen von 
Berg- weder direkt noch indirekt nachzuweisen. Man sieht 
aber, wie gefährlich es ist, unzulängliche Abbildungen für 
heraldische Hypothesen zu benutzen. 

Und somit müssen wir in dem Zeichen, welches auf 
dem Siegel des Grafen Adolf III. erscheint, das älteste und 
eigentliche Wappenbild von Berg erkennen. Es begegnet 
uns dann noch einmal in dem Rücksiegel des Erben der 
Grafschaft, des Herzogs Heinrich von Limburg (Taf. I 5), 
der sich eben dadurch als den Erben und Herrn von Berg 
bezeichnete, dass er das Wappen des erheirateten Besitzes 
in sein Siegel aufnahm. Auch seine Gemahlin Irmgard, 
die Tochter Adolfs IV., die ihm diesen Besitz zubrachte, 
führt in ihrem Rücksiegel den Zinnenschild (Taf. II 7). 

Ausser den eben angeführten Gründen lassen noch 
zwei besondere Umstände den Schild mit dem Zinnen- 
schnitt als speeifisch bergisches Landeswappen erscheinen. 

Die gezinnten Balken im Wappen gehören zu den so- 
genannten Heroldsstücken. Wie nun eine ganze Reihe 
von solchen Figuren als redende Wappenbildcr aufzufassen 
sind, die den Namen des Wappenführers durch die sche- 
matische Darstellung eines Bildes übersetzen, wie z. B. auch 
die Schachirung in vielen Fällen die Darstellung von 
Mauerwerk bedeutet 1 ), so nehme ich keinen Anstand, in 
dem Zinnenschnitt des bergischen Wappens die symbolische 
Darstellung einer Burg zu erblicken. Und wie die Graf- 
schaft Berg ihren Namen von dem Stammsitze des Ge- 
schlechts, früher bei Altenberg an der Dhün, dann in Burg 
an der Wupper 2 ), entlehnt hat, so suchte man eben durch 
die sinnbildliche Darstellung jener Stammburg den Namen 
des Wappenträgers auszudrücken. 

In derselben Weise wird auch das Aufkommen des 
Schachbalkens im märkischen Wappen zu erklären sein. 

*) Vgl. Seyler, Geschichte der Heraldik S. 166 ff. 

s ) Bekanntlich hat Graf Adolf I. die Stammburg Berg im Dhünthale dein 
Cistercienserorden geschenkt und eine neue Burg im Wupperthale gebaut, die 
die Burg auf dem Neuenberge hiess, wie sich denn auch Engelbert zuweilen 
Graf von Neuenberg nennt. Dem gegenüber wurde die Burg und das dort 
gegründete Kloster Allenberg genannt, ein Name, den das Kloster beibehielt, 
als es vom Berge in das Thal verlegt wurde. 



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10 



F. Küch 



Um die Burg Mark bei I lamm, nach welcher sich Friedrich 
und sein Solm Adolf nannten, symbolisch in ihrem Wappen 
zum Ausdruck zu bringen, wählten sie den geschachten 
Balken. 

Die bildliche Darstellung einer Burg entweder lediglich 
als Siegelbild oder als wirkliches Wappenbild ist gerade in 
der ältesten Zeit bei solchen Geschlechtern, deren Namen 
mit Berg, Burg, Stein oder dergl. zusammengesetzt sind, 
sehr häufig. Ich erinnere nur an das Siegel bild des Grafen 
Chuno von Lenzburg aus dem Jahre 1107 1 ), (das ich aber 
nicht als wappenmässig bezeichnen möchte) und verweise 
auf die Beispiele, die Seyler 2 ) und neuerdings Eigen 3 ) an- 
geführt haben. 

Auch die bergische Sphragistik entbehrt nicht derart- 
iger Namenssiegel, die zugleich Besitzzeichen sind. Gräfin 
Margarete von Berg, die Wittwe Adolfs tV., sowohl als 
Elisabeth, die Gemahlin A.dolfsV. haben in den Rüeksiegeln 
ihrer Reitersiegel 1 )arstelhmgen einer auf einem Berge 
liegenden Burg. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, 
dass wir hierin Abbildungen der Stammburg Burg a, d. W. 
und zugleich rebusartige Illustrationen des Namens zu er- 
blicken haben. 

Es muss schliesslich noch auf eine andere Thatsache 
hingewiesen werden, die geeignet ist, die Bedeutung des 
Zinnenschnittwappens für das Fürstentum Berg in das rechte 
Licht zu setzen, die nämlich, dass eine grosse Reihe ber- 
gischer Ministerialengeschlechter die Zinnenbalken in der 
Kinzahl oder in der Mehrzahl, in dieser oder in jener Tin- 
girung im Schilde führt 4 ). Bereits Ledebur hat hierauf hin- 

') Seyler, Heraldik S. 71. Ganz, Herald. Kunst in der Schweiz S. 10. 
2 ) A. a. O. S. 175. 

'') Die westfälischen Siegel des M. A. Heft 4 Kinl. Sp. 14*. 

*) Zu nennen sind die v. Bensberg, v. Bottenberg, v. Hittorf, v. Lülsdorf, 
v. Nessclrode, v. Opladen, v. Overheide, Quad, Rusilpafl'e, Schöller, v. Stein- 
büchel, v. Vöwt, Yarnsbcrg (Mitteilung des Kgl. Staatsarchivs in Düsseldorf!. 
Ferner kommen in Betracht die v. Schönrode und v. Huphoven, lohannes de 
Schoynrodc und EngelbertUS de H. besiegeln neben Graf Adolf und dem 
Severinstift eine Urkunde (Staatsarch. Düsseldorf, St. Severin ZU Köln 77). Der 
Erstere hat zwei Zinnenbalken, der Letztcrc einen mit einem Stern all Bei- 
zeieben. bahne, Gesch. der jülisch- bergischen etc. Geschlechter führt noch 



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Die Entwicklung des belgischen Wappens. 



1 I 



gewiesen '), ohne indessen den ziemlich naheliegenden Schluss 
zu ziehen, dass dieser Umstand ganz besonders für das Alter 
des Wappens spricht. 

Die Änderung in der Heeres Verfassung, wie sie seit 
Heinrich V. allmählich eingetreten war, der Uebergang 
des alten Heeresaufgeböts in eine aus Reitern bestehende 
Feudalmiliz unter einer gewissen Anzahl von Kontingent- 
hefren und die gleichzeitige Umbildung der Stände sind ja 
für das Wappenwesen überhaupt von grosser Bedeutung 
gewesen, sie erklären insbesondere die hier zu Tage 
tretende Erscheinung, dass eine relativ so grosse Anzahl 
von Ministerialengeschlechtern das Wappen ihrer Lehens- 
und Kriegsherren führt. Und zwar befinden sich unter 
diesen Geschlechtern nicht nur solche, die von den soge- 
nannten Einschildrittern abzuleiten sind, sondern auch solche, 
die ursprünglich nicht zu dem siebenten lleerschild gehör- 
ten*), vielmehr eben gräfliche Lehensleute und Ministerialen 
waren, wie die Quad, Nesselrod, Schöller. Bottlenberg u. A. 3 ) 
Wenn auch später viele Ministerialen Sonderwappen ange- 
nommen haben, so zeigt doch (Ten die verhältnissmässig grosse 
Anzahl derer, die den Schild, mit dem sie belehnt worden 
sind 4 ), beibehalten haben, welche Bedeutung derselbe als 
I .andeswappen hatte. 

Die Annahme der lehensherrlichen Wappen seitens der 
Ministerialen muss aber auch in einer- sehr frühen Zeit ge- 
schehen sein, ziemlich gleichzeitig mit der Festigung des 
Wappenwesens überhaupt Hätte also ein Graf von Berg 
zu irgend einer Zeit vor Adolf TL eine Rose geführt, so 
müsste dieses Zeichen ebenso oft auf den Schilden der ber- 
gischen Adelsgeschlechter erscheinen, als es jetzt mit dem 
Zinnenschnitt der Fall ist. So aber lebt das alte Landes- 
wappen in den Wappen jener Geschlechter fort, wenigstens 
hinsichtlich der äusseren Form. 

eine ganze Reihe von Trägern des Zinnenschnitlwappcns auf. — Weniger zahl- 
reich, aber doch häufig genug sind die märkischen Familien, die den Schach- 
balkeil führen. Vgl. Ilgen a. a. O. 
•) S. o. S. 4 - 

J ) Vgl. Seyler, Heraldik S. 5 fl". 

*) Vgl. S. 10 Anm. 4. 

4 \ Seyler a. a. O. S. 321. 



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19 



F. Küch 



Was die Farben dieses ältesten bergischen Landeswappens 
betrifft, so lässt sich darüber nichts bestimmtes feststellen. 
Die Farben in den Wappen der Ministerialenfamilien mit 
dem Zinnenbalken können hier nicht massgebend sein, denn 
abgesehen davon, dass auch diese untereinander hinsichtlich 
der Tingierung verschieden sind, so wissen wir, dass das 
Gefolge eines Herrn zwar dessen Wappenbild, aber in 
anderer Tingierung führte, oder dass wenigstens dieser Fall 
vorkam, wie z. B. von Eskilabon in Pleiers Gärel von dem 
blühenden Thal V. 3467 gesagt wird: 1 ) 

Sin schilt was von lazüre blä, 

von arabischem golde da 

was drüfe erhaben ein richer ar. 

Dagegen ritt sein Gefolge 

undr vier banieren liehtgevar, 

die wären wiz snevar, 

darinnen swebete ein zobelin ar. 2 ) 

Das Siegel Adolfs III., des ersten nachweisbaren Wappen- 
tragenden unter den bergischen Grafen, bietet noch Anlass 
zu einigen heraldischen Erwägungen allgemeiner Art. 

Adolf, den wir von 11 8g — [2 18 im Besitze des väter- 
lichen Erbes finden, hat uns nur aus der späteren Zeit seines 
Lebens Siegel hinterlassen, nämlich aus den Jahren 1211 
und 12 16. Es sind drei Exemplare desselben Stempels, von 
denen zwei auf Tafel I 2 u. abgebildet sind. < )b Adolf 
überhaupt nur diese eine Siegelform benutzt hat, oder ob 
er in den ersten Jahren seiner Herrscherthätigkeit einen 
anderen Stempel besessen hat, wissen wir nicht. Jedenfalls aber 
/eigen die vorhandenen Exemplare bemerkenswerte Unter- 
schiede von dem — übrigens nur in einem Exemplare er- 
haltenen — seines Vaters (Taf. I I). 

Zunächst der Helm. Anstatt des Glockenhelms, wie 
ihn noch Eberhard trug, finden wir bei Adolf die gegen 

') Vgl. Seyler a. a. O. S. 236. 

'-') Die Mehrzahl der erwähnten bergischen Ministerialenwappen hat die 
Farben schwarz und weiss, die Quad weiss in roth. Vielleicht darf man für 
das Landeswappen roth (als die der natürlichen Farbe der Zinnen am nächsten 
kommende Tingierung) in weiss annehmen. Aber dies ist eine sehr unsichere 
Vermutung. 



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Die Entwicklung des bergischen Wappens. 



IS 



Ende des XII. Jahrhunderts Mode werdende neue Helmform, 
den Topfhelm. Aber dieser Topfhclm ist nicht glatt und 
schmucklos wie die sonst auf Siegeln dieser Zeit vor- 
kommenden, sondern wir bemerken (deutlich nur auf dem 
Exemplar 2), dass sich das Schildzeichen oben an dem Helme 
wiederholt. 

Es fragt sich nun, in welcher Weise wir uns die An- 
bringung des Zinnenbalkens auf dem Helm zu denken haben. 

Unter den gleichzeitigen sphragistischen Beispielen steht 
das .Siegel Adolfs wohl einzig in seiner Art da. Wohl aber 
zeigen die Miniaturen aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, 
namentlich in dem Carmen de bello Siculo des Petrus de 
Ebuloi), einen farbigen Schmuck der Helme, der der Ver- 
zierung des Helms auf unserem Siegel vollkommen ent- 
spricht. 

Man hat diesen Helmschmuck ohne weiteres für eine 
Bemalung 2 ) erklärt, und es würde diese Erklärung zu- 
gegeben — zu folgern sein, dass es sich auch bei der Dar- 
stellung in unserem Siegel um eine Bemalung handele. Ich 
hege indessen starken Zweifel, dass die Bemalung der Helme 
überhaupt so allgemein im Gebrauch gewesen ist und glaube, 
dass schon die technische Schwierigkeit, einen haltbaren 
Farbenüberzug anzubringen, gegen diese Ansicht spricht. 
Man mag wohl einfache Kennzeichen wie das Kreuzes- 
zeichen durch Aufmalen hergestellt haben, aber man hatte 
doch zum Anbringen heraldischer Bilder zweckmässigere 
Mittel, wenn es sich überhaupt hierbei lediglich um einen 
Schmuck handelt und nicht vielmehr ein praktischer Zweck 
den Anlass gegeben hat. Ich meinerseits kann in den 
meisten der hier in Betracht kommenden Helmverzicrungen 
und im speciellen auch in der des Siegels Graf Adolfs III. 
nichts anders erblicken, als die erste Form der Hclmdecke. 

Seyler, der sich überhaupt durch eine planmässige 
Durcharbeitung der litterarischen Quellen für die Geschichte 
der Heraldik ein grosses Verdienst erworben hat, hat dar- 

i) In der Züricher Stadtbibliothek. Vgl. hierüber Ganz, Geschichte der 
heraldischen Kunst in der Schweiz. S. 22 BF. 
») Ganz a. a. O. S. 23, 24, 08. 



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14 



F. Küch 



auf hingewiesen '), dass bereits in dem Wigalois des Wirnt 
von Gravenberch an zwei Stellen Helmdecken vorkommen. 
Der Helm des Truchsess von Roymunt wird V. 3877 
folgendermassen beschrieben : 

Sin heim der was riche 

Vil harte hoveschliche 

Mit ruten kein bedechet. 

Dar umbe was gestrechet 

Ein Strieme wiz hermin. 
Und von Wigalois heisst es V. 5562: 

Ein richer zobel zierte 

Den lichten heim über al. 
Diese Stellen beweisen m. E. mit absoluter Sicherheit, 
dass um die Wende des 12. Jahrhunderts - der Wigalois 
ist bald nach 1204 vollendet — die Helmdecken im Ge- 
brauch waren, und zwar unabhängig von dem Kleinod. Es 
ist dabei gleichgiltig, ob wir es bei dieser ältesten Eorm 
mehr mit einem Ilelmüberzug zu thun haben, wie Ganz 2 ) 
meint, oder ob man die Bezeichnung Helmdecke anwendet. 
Es sind ja aus der späteren Zeit, namentlich aus der Zeit 
der Heimsiege], mehrere Formen der Helmdecke nachweis- 
bar. Sie tritt teilweise in der Form auf, dass sie nicht nur 
den oberen, sondern auch den hinteren Teil des Helmes 
bedeckt und, rechtwinklig absetzend, nur den vorderen Teil 
von den Augen abwärts freilässt. Der nach hinten ur- 
sprünglich in geraden Linien niederfallende Teil wird später 
grösser, mit dem Kleinod vereinigt, in Falten gelegt und 
in der bildlichen Darstellung stylistisch ausgestaltet. In 
anderen Fällen aber umgiebt die llelmdeckc nur den oberen 
Teil des Helmes und die Enden fallen von hinten, gleich- 
sam als ob der Uebcrzug dort zusammengebunden worden 
sei, herab. Besonders instruktiv ist in dieser Beziehung 
das Helmsiegel des Johannes von Bentheim (1317) 3 ). 

Das letztere Beispiel ist für uns hier noch besonders 
dadurch interessant, dass die Helmdecke mit dem Schild- 
bilde gemustert ist, ebenso wie in unserem Falk.'. 

') Geschichte der Heraldik S. 20;. 
*j A. a. 0. S. 8;. 

»J Tumlnih, Wcstf. Sicj-el Tat XXI 5. 



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Die Entwicklung des bergischen Wappens. iß 

Hierfür lassen sich auch sonst zahlreiche Beispiele an- 
führen, allerdings nur, wie das eben erwähnte, aus der 
späteren Zeit. 

Dass die Sphragistik fast durchweg erst in späterer 
Zeit das Vorkommen der Helmdecken beglaubigt, liegt zum 
grossen Teil wohl in der ursprünglichen Einfachheit der 
sich dicht an den Helm anschliessenden Form und in der 
Schwierigkeit, auf den Reitersiegeln Helmdecken mit heral- 
dischem Schmuck zur Darstellung zu bringen. Der Gegen- 
stand bot eine zu geringe Fläche dar, und aus diesem 
Grunde wird auch in der Wirklichkeit allmählich das ur- 
sprünglich auf der Helmdecke dargestellte Bild in erhabener 
Form über dem Helm angebracht worden sein»), während 
die Decke selbst einfarbig herabhing. Zuweilen auch ver- 
einigte man Beides. So zeigt z. B. in einem Siegel des 
Grafen Johann von Cleve von 1 34s 2 ) der Helm neben dem mit 
Pfauenfedern besteckten Schirmbrett mit den sogenannten 
Lilienstäben auf der ganz glatten Decke ebenfalls die 
I Jlienstäbe (Schildbcschlag). 

Wie man sich, um auch diesen Punkt noch zu be- 
rühren, die Entstehung der Helmdecke zu denken hat, 
darüber herrschen verschiedene Meinungen. Während 
Seyler :J ) lediglich das Bedürfnis nach schönem Aussehen 
als Motiv gelten lassen will, hält es neuerdings Ganz*) 
für wahrscheinlich, dass während der Kreuzzüge dieselben 
Gründe massgebend für das Aufkommen der Ilelmtücher 
gewesen seien, welche heutzutage die Anbringung von 
Schutztüchern an den Tropenhelmen veranlasst haben. Das 
letztere erscheint ausgeschlossen wegen der ursprünglich 
eng anliegenden Form der Helmdecken. Es dürfte im 
Grunde lediglich das Bedürfnis gewaltet haben, das Helm- 
dach gegen Schwertschläge zu verstärken. Die Stellen aus 
dem Wigalois zeigten, dass man Tierfelle verwandte; um 

') Da, wo das Wappenbild seiner Form wegen dies versagte, grill' man 
zu dem Aushüfenrittei der Hilfskleinode, oder man schuf völlig neue, mit ilem 
Wappen in keinem Zusammenhang stehende Zierrate. 

*) Staatsarchiv Düsseldorf, Jülich-Berg 509 (lose beiliegend). 

a ) A. a. 0. S. 206. 

■«) A. a. 0. S. 87. 



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Iii 



F. Küch 



heraldische Bilder auf der Decke anzubringen, wird man 
dann Tuchstoffe in der Farbe des Schildes gewählt haben, 
auf der das Wappenbild mit andersfarbigem Tuche aufge- 
näht, oder wohl auch aufgestickt wurde. 

Das Aufnähen der Wappenfigur auf ein andersfarbiges 
Tuch wird in den Ritterepen oft erwähnt und es ist dies 
ja auch die einfachste Art, das Wappen anzubringen, jeden- 
falls einfacher als das Bemalen. Dass man auch mit dem 
Schilde ähnlich verfuhr, zeigt die .Stelle des Parzival (101, 7) 
Dez pantel, daz sin vater truoc 
von zobcle üf sinen schilt man sluoc. 

Eine ähnliche Stellung wie der Helm nimmt in der 
Geschichte der deutschen und wohl auch der ausserdeutschen 
Sphragistik und Heraldik ein anderes Ausrüstungsstück auf 
dem Siegel des Grafen Adolf III. ein: die kovertiure, die 
Pferdedecke. 

Dieses aus einem Vorder- und Hinterteil bestehende 
Ausrüstungs- und Schmuckstück, welches ursprünglich über 
ein eisernes Pferderüstkleid gelegt, später ohne dasselbe 
gebraucht wurde 1 ), kommt bereits in den Miniaturen des 
Carmen de bello Siculo als Auszeichnung der Anführer vor, 
und zwar mit heraldischem Schmuck, der auf der vorderen 
und hinteren Hälfte gleichmässig auftritt. Die Wiederholung 
des Schildbildes auf Helm, Schild und Decke ist indessen, 
wie Ganz in seiner „Geschichte der heraldischen Kunst in 
der Schweiz" berichtet 2 ), nur bei dem Kaiser und seinem 
Heerführer Diopoldus durchgeführt. 

Auch in der Litteratur begegnet uns die Pferdedecke 
von Anfang an mit dem Schmucke des Wappens oder besser 
des Wappenbildes. So heisst es im Lanzelot des Ulrich von 
Zatzikoven (um 1200 entstanden) V. 4414: 

Sin ros mit einer tsern kovertiure 

Was bedaht üf den strit. 

Darobe lac ein samit 

(iewohrt grüene als ein gTas. 

Sin wäfen ouch dar an was 

Rote lewen von golde. 

') Ganz a. a. 0. S. 88. 
s ) S. 25. 



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Die Entwicklung des bergischen Wappens. 



17 



Und ebenso in Wolframs von Eschenbach Parzival 14,22: 
Der herre pflac mit gernden siten 
üf sine kovertiure gesniten 
anker lieht hermin: 
dä nach muos ouch daz ander sin 
ufme schilt und an der wät. 
Während also sowohl in Miniaturen, wie in der poetischen 
Litteratür die Kovertiure bereits um die Wende des 12. Jahr- 
hunderts nachweisbar ist 1 ), tritt sie in den Reitersiegeln erst 
verhältnismässig spät auf, und das Siegel Adolfs von Berg 
stellt, wenn ich nicht irre, bei weitem das älteste Beispiel 
eines Reitersiegels mit diesem Pferdeschmuck in der deutschen 
Sphragistik dar. Wenn Demay, le costume au moyen-age 
d'apres les sceaux 2 ), recht hat, der sie zuerst auf Siegeln der 
Jahre 12 17, 1223 und 1224 nachweisen kann 3 ), so würde 
sogar in dieser Hinsicht die Priorität Frankreichs, auf dessen 
Vorgang und Beispiel man ja die Moden auch dieser Zeit 
zurückzuführen pflegt, übertroffen worden sein. 

Die Pferdedecke in unserem Siegel trägt das Wappen- 
bild, den Zinnenbalken, und zwar ist dieser auf der vorderen 
Hälfte dreimal, auf der hinteren zweimal dargestellt, ein 
Beweis mehr, dass die ältere Heraldik bei Schildteilungen 
dieser Art keinen Wert darauf gelegt hat, wie oft das 
betreffende Zeichen sich wiederholte. Die RücksiegeJ des 
Herzogs Heinrich von Limburg und seiner Gemahlin Irmgard 
(Taf. T 5, II 7) geben weitere Belege dafür. 



II. Die Entstehung des bergischen Löwenwappens. 

Es ist neuerdings von Ilgen 4 ) nachdrücklich darauf 
hingewiesen worden, dass die Siegel- und bis zu einem ge- 
wissen Grade auch die Wappenbilder in viel ausgedehnterem 
Masse Besitzzeichen gewesen und vom Besitze hergenommen 
sind, als man gemeinhin anzunehmen pflegt; und wir sahen, 

') Vgl A. Schultz, Höfisches Lehen zur Zeit der Minnesinger II S. 87. 

3 ) Paris 1880 S. 1X0. 
a ) Ganz a. a. O. S. 88. 

4 ) Westf. Siegel des M. A. Heft 4 Kinl. Sp. 11* fi". 

Jahrbuch XV. 2 



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1 8 



F. Küch 



wie auch boi der Entstehung- der Wappen der Linien Berg 
und Mark des bergischen Grafenhauses dieser Gesichtspunkt 
eine Rolle gespielt hat. 

Noch deutlicher tritt die Eigenschaft als Besitzzeichen 
dann in die Erscheinung, wenn es sich darum handelt, Erb- 
ansprüche, erheiratetes Erbe oder sonst erworbenen Besitz 
auf den Siegeln und Wappen zum Ausdruck zu bringen, 
und man wird in den meisten Fällen Wappenänderungen 
auf solchen Besitzwechsel oder Besitzzuwachs durch Erb- 
schaft zurückführen müssen 1 ), denn die Annahme ganz neuer 
Wappen bei Erbteilungen dürfte nur der ältesten Heraldik 
eigentümlich sein. 

Die Stetigkeit in dem Wappen wesen, die Wappenerb- 
lichkeit unabhängig vom Besitz, die Eigenschaft der Wappen 
als Familienzeichen begann nämlich bereits früh sich auszu- 
bilden, verhinderte den häufigen Wappen Wechsel jüngerer 
Sühne und fand andere Mittel, um Nebenlinien als solche 
kenntlich zu machen, ohne aber das Wappen in seiner 
Hauptform zu verändern. 

Beide Eigenschaften des Wappens, die als Besitz- und 
die als Familienzeichcn, bringen in der weiteren Ent- 
wicklungsgeschichte des bergischen Wappens eigentüm- 
liche Wandlungen hervor. 

Nach dem Tode Engelberts des Heiligen, der als 
Bruder des (Trafen Adolf die Verwaltung der Grafschaft 
an sich genommen hatte, trat Adolfs Schwiegersohn 
Heinrich, Sohn des Herzogs Walram von Limburg, sein 
Erbe an. Er brachte diese Erbschaft später, nachdem er 
seinem Vater als Herzog von Limburg gefolgt war 2 ), 
äusserlich dadurch zum Ausdruck, dass er den bergischen 
Schild mit dem Zinnenschnitt 8 ) im Rücksiegel führte (Taf. 

') Vgl. die Beispiele hei Seyler S. 274. 

*) Ein Siegel von ihm aus der kurzen Zeit seiner Regicrungslhätigkeit in 
Berg zwischen dem Tode Engelherts d. H. und dem seines Vaters habe ich 
nicht ausfindig machen können. 

• 1 ) Adolf hatte im Schild nur zwei Zinncnbalken, auf dem Helm nur einen, 
auf dem vorderen Teil der Pferdedecke dagegen drei. Heinrichs und Irmgards 
Schild beginnt oben mit einem halben Zinnenschnitt. Es ist oben schon erwähnt 
worden, dass dies heraldisch ohne Belang ist. 



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Die Entwicklung des bergischen Wappens. 



I 5) 1 ). Auch seine Gemahlin Trmg-ard benutzte denselben 
Schild für ihr Rücksiegel (Taf. TT 7). 

Heinrich von Limburg- und Berg hinterhess zwei Söhne, 
Adolf, den erstgebt >renen , und den jüngeren Walram. Er 
hat anscheinend schon bei seinen Lebzeiten Bestimmungen 
über die Erbteilung getroffen, und zwar erhielt eigentüm- 
licherweise nicht Adolf als der Älteste das Herzogtum Lim- 
burg, sondern Walram der Jüngere, wahrend Adolf die 
Grafschaft Berg zu teil wurde, welche er schon als Mitregent 
des Vaters verwaltet zu haben scheint. Er nannte sich in 
dieser Eigenschaft Adolfus primogenitus ducis de Lymburg 
comitis de Monte, und führte ein dem väterlichen ähnliches 
Reitersiegel ohne Helmzier und im Schilde den Löwen, 
aber belegt mit einem Turnierkragen (Taf. II 8). Auch 
das Rücksiegel, dessen er sich bediente, zeigt den mit 
einem Turnierkragen belegten Löwenschild 2 ). Und dieses 
Wappen behielt er späterhin als Graf von Berg bei, während 
der jüngere VValram als Herzog von Limburg den un- 
gebrochenen väterlichen Schild weiterführte. 

Zunächst ist hier noch festzustellen, dass der Zinnen- 
schnitt als Wappen der Grafschaft Berg in Wegfall ge- 
kommen ist. Die Ursache ist wohl darin zu suchen, dass 
Graf Adolf das Siegel und Wappen, welches er als Primo- 
genitus des Herzogs von Limburg führte, als Graf von 
Berg beibehalten hat. 

Wie kommt er aber zu dem Turnierkragen? Diese 
Art der Brisuren ist ein schon im Beginne des 13. Jahr- 
hunderts im nordwestlichen Deutschland vielfach gebräuch- 
liches Mittel, um jüngere Söhne oder besser gesagt Neben- 
linien zu bezeichnen 3 ). Wir besitzen ein urkundliches 



') Diese Art, das erheiratete Erbe darzustellen, kommt auch sonst vor. 
Arnold Graf von Los hat 1265 auf seinem Reitersiege] einen Schild mit Balken- 
teilung, als Rücksiegel den Schild mit dem Wappen von Chini, das er durch 
seine Gemahlin erbte. 

"') Ich habe dieses Rücksiegel ZU Taf. 11 8 nicht abbilden lassen, weil es 
dem Rücksiegel Taf. 11 10 aus der Zeit als selbständiger Graf völlig ähnlich 
ist, nur dass das erstere drei, das letztere dagegen fünf Lätze hat. 

*) Ueber den Turnierkragen vgl. v. Ledebur, Der Turnierkragen in der 
deutschen Heraldik (Archiv für die Adelsgeschichte etc. I S. I ff.). Ilgen, 

2* 



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F. Küch 



Zeugnis für diesen Brauch in einem Vergleich zwischen 
dem Grafen Adolf von Cleve-Mark und seinem Bruder 
Gerhard aus dem Jahre 1414 1 ) ..van oirre twier wapen van 
den landen, dair sie toe gebaeren syn". Es wird darin 
bestimmt, dass der jüngere Gerhard „vueren sal in enen 
Schilde half die wapen van Cleve mit den bokelen ind half 
die wapen van der Marke, in den heim van der Marke, 
den greve Engelbert toe vueren plach , ind sal die wapen 
ind heim breken mit blauwen paristelen 2 ) also schienbar- 
lick, als dat gewontlick is van enen jongsten 
broider." 

Aber schon in ganz früher Zeit ist man in der Praxis 
nach diesem Grundsatz verfahren, und zwar Jtand in Hand 
mit der Titulatur, die ebenfalls streng geregelt ist, alles 
Zeichen dafür, dass der Besitz oder die Erbfolge in engster 
Beziehung zu dem Wappenwesen standen und dasselbe be- 
einflusst haben. 

Die Grafen von Cleve führten bekanntlich im Schilde 
ein kleines Schildchen :i ) mit darüber gelegtem Schildbe- 
schlag, den „Buckeln", wie es in der eben erwähnten Ur- 
kunde heisst. Bei den jüngeren Brüdern der regierenden 
Grafen von Cleve fällt der Beschlag fort, sie haben demnach 
nur das Schildchen im Wappen, erhalten aber als Beizeichen 
den Turnierkragen 4 ). 

WestOll. Siegel IV Sp. 18*, Bernd, Handbuch der Wappen Wissenschaft S. 98. 
Seyler, Heraldik S. 239, 743. 

l ) Staatsarchiv Düsseldorf Cleve -Mark 712, 1414 op den manendach na 
den heiigen dert/.en daige. Die dazu gehörige Urkunde von 1413 Juli 6 ist 
abgedruckt bei Lacomblct, Urkundenbuch f. d. Gesch. d. Niederrheins IV S. 86. 

s ) liierunter ist, wie die dem Vertrage entsprechend gestalteten Siegel 
beweisen, eben der „Turnierkragen", oder sind vielmehr die Lätze desselben 
ZU verstehen. Eine ausreichende sprachliche Erklärung dieses noch in einem 
ähnlichen Vertrag VOD 14 >9 Okt. 23 (Lacomblel a. a. O IV S. 127) vorkommen- 
den Wortes habe ich nicht Kaden können. Sie würde möglicherweise den 
Ursprung und die Bedeutung dieses interessanten heraldischen Hei/eichens auf- 
klären können. 

3 ) Dieses Schildchen ist höchst wahrscheinlich ursprünglich auch nichts 
anderes, als der Umbo, der verstärkte Mittelpunkt des Schildes, von dem sieh 
der radienartige Beschlag abzweigt. 

4 ) Vgl. Seyler, Heraldik S. 239. Als Ausnahme ist indessen bemerkens- 
wert das runde Siegel des „Theodericus dictus I.uef de Cleve, dominus de 



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Die Entwicklung des belgischen Wappens. 



21 



Tn dem Limburger Grafenhaus war ebenfalls der 
Turnierkragen schon vor Adolf IV. von Berg im Gebrauch. 
So hatte der Bruder des Herzogs und Grafen Heinrich 
von Limburg und Berg, Walram von Limburg, Herr von 
Falkenberg, im Schilde den (Limburger) Löwen mit fünf- 
latzigem Turnierkragen '), und sein gleichnamiger Sohn, 
Herr von Montjoie und Sittard, führte dasselbe Wappen 2 ). 

Das Auffällige ist nun, dass Adolf, obwohl Erstge- 
borener des Herzogs Heinrich, das Abzeichen der jüngeren 
Söhne führt. Ks erklärt sich dies aber einfach aus der 
Thatsache, dass nicht er das Stammland erbte, sondern der 
jüngere Lruder. Die Auffassung, dass das W;ippen am 
Lositz hing, wird dadurch ebenso illustriert, wie durch den 
Oben erwähnten urkundlichen Ausdruck der „wapen van 
den landen, dair sie toe gebaeren syn". Und, um ein Bei- 
spiel aus der gleichzeitigen Litteratur anzuführen, als Gah- 
muret in Wolframs von Eschenbach Parzival den Tod seines 
Bruders erfuhr, legte er das bis dahin getragene symbolische 
Wappen, den Anker, ab. und trat mit dem Besitz des Landes 
auch den des von Vater und Brüder getragenen Wappens 
an. Er sagt zu den Gefährten (99, 12): 

Kert üf den schilt nach smer (des Bruders) art. 

gehabet uich an der vröuden vart: 

ich sol mins vater wapen tragen. 

sin lant min anker hat beslagen. 

der anker ist ein recken zil, 

den trage und neme nu swer der wil. 

To nebuig" von 1285. (St.-A. Düsseldorf, Cleve- Mark 56), welches nur einen 
mit Sternen besäeten, mit einem Schildehen belegten Schild enthält. — Die 
Städtesiegel enthalten vielfach nur den Schild im Schilde, ohne den Beschlag. 

') Urk. von 1237, Staatsarch. Düsseldorf, Jülich-Rerg 16 und 17. 

') Die jüngeren Söhne der Grafen von Jülich benutzten dagegen in der 
Wtcren Zeit eine andere Art der Beizeichen, um ihr Wappen von denen der 
"auptlinie zu unterscheiden, nämlich den Schrägbalken. So Walram von Jülich, 
Herr von Bergheim und sein gleichnamiger Sohn (1239, St.-A. Düsseldorf 
Aposteln in Köln 19, 1249, Kurköln 118, u. ö., 1287, Kurköln 313, Domstift 
2 47)- Den Schrägfaden dagegen linde ich in unserer Gegend ausschliesslich für 
Bastardswappen verwandt, wofür mir allerdings erst aus dem 1 5 • Jahrhunderl 
Beispiele bekannt sind. Am Ende des XIV. Jahrhunderts kam auch bei den 
Grafen von Jülich der Turnierkragen in Gebrauch. 



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22 



F. Küch 



Offenbar ist das Wappen Adolfs ebenso wie die Landes- 
teilung auf eine Bestimmung des Vaters Heinrich zurück- 
zuführen, wobei an die Stelle des Parzival zu erinnern ist, 
wo es (14, 12) heisst: 

Nu erloubt im daz er müeze hän 
ander wäpen denne im Gandhi 
dä vor gap, der vater sin. 
Der Löwe mit dem Turnierkragen ist auf diese Weise 
zum Wappen der bergischen Grafen geworden und ist es 
auch einige Zeit geblieben. 

Von den Söhnen Adolfs IV. folgte ihm zunächst sein 
gleichnamiger ältester Sohn. Wegen der Jugend Adolfs V. 
führte indessen seine Mutter Margarete die Regierung und 
später die Mitregierung. Diese Thatsache spricht sich sphra- 
gistisch darin aus, dass Adolf zuerst ein kleineres schild- 
förmiges Siegel mit dem väterlichen Wappen, dem Löwen mit 
fünflatzigem Turnierkragen , und der Umschrift Sigillum 
Adolphi de Monte führte, das er später, anseheinend nachdem 
er zur Mitregierung herangezogen war, mit einem grösserem 
runden Siegel vertauschte, welches in dem mit Lilien ge- 
musterten Felde ebenfalls den Löwenschild mit Turnierkragen 
und der gleichen Umschrift zeigt. Auch nach selbständiger 
Übernahme der Regierung hat er das letztgenannte Siegel 
noch eine Zeit lang weiter geführt, wozu dann allerdings ein 
auch als Rücksiegcl benutztes Sekret kam, welches eben- 
falls den Löwenschild mit dem Turnierkragen enthält, Adolf 
aber in der Umschrift als „comes de Monte" bezeichnet 
(Taf. III 16). Dasselbe Wappenbild erscheint dann auch 
auf seinem Reitersiegel (Taf. III 17), das sich zwar noch 
an das Siegel des Vaters und (Trossvaters anlehnt, aber 
den Schild von der Aussenseite zeigt; auch erseheint hier 
zum ersten Male wieder seit dem Urgrossvater Adolf III. 
die mit dem Wappenbild geschmückte Pferdedecke. Der 
Helm dagegen ist der glatte Topfhehn ohne erkennbare 
Verzierung, wie ihn auch die Siegel des Vaters zeigten. 

Bemerkenswert ist, dass das bergische Wappen in der 
Form, wie es unter Adolf IV. und Adolf V. im Gebrauch 
war, in die Siegel der Städte übergegangen ist, die unter 
diesen beiden Grafen Stadtrechte erhielten, oder doch ein 



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Die Entwicklung des belgischen Wappens. 



28 



Stadtsiegel annahmen. So ist der mit dem Turnierkragen 
belegte Löwenschild in dem Siegelfelde der im übrigen das 
Bild der Pfarrkirche tragenden Siegel von Wipperfürth 
und Ratingen angebracht, während Düsseldorf den Wappen- 
schild im Rücksiegel führte 1 ). 

Der Erbe des ohne männliche Leibeserben 1296 ver- 
storbenen Grafen Adolf V. war sein Bruder Williolm. Von 
ihm hat sich aus der Zeit vor Antritt der Regierung kein 
Siegel erhalten. Er mag aber geführt haben, welches er 
will, jedenfalls übernahm er nach dem Tode des Bruders 
mit der Erbschaft auch dessen Wappen 2 ), wie die Siegel 
dies zu erkennen geben. 

Wie der Bruder führte Wilhelm 1. zunächst ein rundes 
Siegel mit dem Wappenschild (Taf. V 20). dann aber ein 
Reitersiegel mit entsprechendem Rücksiegel (Taf. IV 20, 22). 
Das Reitersiegel, welches sich dem seines Vorgängers in der 
Hauptanlage wiederum anschliesst, aber Koss und Reiter in 
lebhafterer Bewegung zeigt, ist für die bergischo Heraldik 
insofern von Interesse, als es, wenn wir vom Herzog Heinrich 
von Limburg, Grafen von Berg absehen, zum ersten male 
ein- Helmkleinod der bergischen Grafen zeigt. Auf der 
Spitze des Helmes, der bereits die Form dos Kübelhelms 
zeigt, befindet sich ein schalenartiges Kleinod, aus dessen 
Mitte ein garbenartig zusammengebundenes Büschel Pfauen- 
federn emporsteht. Da wo das Kleinod mit dem Holm in 
Verbindung steht, sind nach beiden Seiten flatternde Bänder 
angebracht. 

Man kann diesen bandartigen Zierat nicht eigentlich 
als Helmdecke bezeichnen, er hat sich auch offenbar nicht 
aus der ursprünglich glatt anliegenden Holmdecke 3 ) ent- 
wickelt, sondern es sollten jedenfalls die Bänder dargestellt 
worden, mit denen das Zimier, der Helmschmuck befestigt 
wurde 4 ). Diese Bänder waren einfarbig und ohne jedweden 



') Endrulat, Niederrheinische Städtesiegel Taf. I und II. 

2 ) Vgl. die oben angeführte Stelle aus Parzival (99, 12). 

3 ) Vgl. o. S. 13. 

4 ) Vgl. Kourads v. Würzburg Trojanerkrieg 29686: 

Diu zimier üf gebunden 
dö wären algemeine. 



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F. Küch 



heraldischen Schmuck; sie hatten höchstens auf beiden Seiten 
eine Einfassung, wie dies zum Beispiel das Siegel Adolfs VI. 
(Taf. V 27) erkennen lässt. Sie treten allerdings in sofern 
an die Stelle der Helmdecke, als beide nicht nebeneinander 
vorkommen. Die Letztere findet mit Vorliebe da Verwen- 
dung, wo der Ilelmschmuck so beschaffen ist, dass er mit 
seinem unteren 'feile über den Helm übergezogen werden 
kann und so in die I lelmdecke übergeht. 

Die Pferdedecke auf dem Siegel Wilhelms I. zeigt keinen 
heraldischen Schmuck. Dies liegt aber natürlich nur an dem 
Siegelschneider, für den ja auch die Aufgabe nicht leicht 
war, das durch den Turnierkragen noch komplizierter ge- 
wordene Bild auf der in tiefen halten flatternden Decke 
darzustellen. Ebenso dürfen wir annehmen, dass die Waffen- 
röcke der bergischen Grafen nur deswegen sämtlich keine 
Wappen Verzierung zeigen, weil es für den Siegelschneider 
schwierig war, sie kenntlich zu machen. 

Dagegen scheint der hintere Teil des Sattels verziert 
zu sein, und zwar ebenfalls mit dem Löwen. In dieser 
Beziehung steht das Siegel Wilhelms unter denen der 
übrigen bergischen (irafen einzig in seiner Art da. 

Das Siegel der Gemahlin Wilhelms, der Irmgard von 
Cleve, verdient deswegen hier besonders hervorgehoben zu 
werden, weil es zum ersten male unter den bergischen 
Frauensiegeln heraldische Bilder enthält. Während nämlich 
anderwärts schon ziemlich früh wappenmässige Zeichen in 
Frauensiegeln vorkommen 1 ), ist dies in der bergischen 
Heraldik mit einer gewissen Absichtlichkeit vermieden 
worden. Allerdings hat Irmgard, die Erbin von Berg, sich 
in dieser Eigenschaft durch Anbringung des väterlichen 
Schildes auf dem Rücksiegel kenntlich gemacht, aber so- 
wohl Margarete, die Gemahlin Adolfs IV., wie Elisabeth, 
die Gemahlin Adolfs VI., haben heraldische Zeichen von 
ihren Siegeln ferngehalten und sogar auf den Rücksiegeln, 
wie oben bereits erwähnt wurde, anstatt dos Wappens von 
Berg als redendes Siegelbild eine Darstellung des Stamm- 
schlosses Burg a. d. Wupper anbringen lassen (Taf. III [3, 
IV '9)- 

') Vgl. darüber die ausführlichen Angaben Seylers. Heraldik S. 292 ff. 



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25 



Nun sehen wir auf dorn Reitersiege] der clevischen 
Irmgard ihr zu beiden Seiten das Wappen des Gemahls 
und dos Stammlandes Cleve, während im Rücksiegel sich 
beide Wappen, das von Cleve halbiert, in dem geteilten 
Schild befinden. Auch Agnes von Cleve-, die Gemahlin 
Adolfs VI. hat, um dies schon hier anzuschliessen, in ihrem 
kleinen runden Siegel (Taf. IV $ö)' im Achtpass den ge- 
spaltenen Schild mit dem Wappen des Mannes und dem 
halben Clevischen. 

Nachdem auch Wilhelm [. im Jahre 1308 ohne Leibes- 
erben gestorben war, kam die Grafschaft Berg an Adolf, 
den Sohn seines Bruders Heinrich. Der Letztere, der schon 
1299 gestorben war, hatte Windeck erhalten und nannte 
sich Heinrich von Berg, Herr zu Windeck. Als solcher 
führte er ein Reitersiegel mit Rücksiegel (Taf. V 25, 26), 
auf dem plötzlich der Löwe wieder ohne Turnierkragen 
erscheint. Wie ist dies zu erklären? 

Als jüngerer Sohn Adolfs IV. konnte Heinrich nicht 
wie der Bruder, das unveränderte v äterliche Wappen führen. 
Da nun dieses bereits ein Beizeichen, den Turnierkragen, hatte, 
die Hinzufügung eines zweiten Beizeichens aber dem Brauche 
nicht entsprach, so wurde die Unterscheidung auf eine andere 
Weise bewerkstelligt, nämlich durch Farbenwechsel. Der 
Turnierkragen war nun natürlich überflüssig geworden und 
fiel weg. 

Die Fälle, in denen Linienabzweigungen durch Farben- 
wechsel mit Beibehaltung des Wappenbildes zum Ausdruck 
gebracht werden, kommen in der deutschen Heraldik so oft 
vor, dass ich auf die Anführung von Beispielen verzichten 
und auf die Auseinandersetzungen Seylers *) verweisen 
kann. Es ist wohl eine naheliegende Kombination, diesen 
Fall auch hier anzunehmen, denn auf diese Weise wird die 
heutige Tingierung des bergischen Wappens auf die einfachste 
und natürlichste Weise erklärt. 

Seyler sagt: 2 ) „Das Wappen (von Berg) ist ein roter 
Löwe, blaugekrönt in Silber. Herzog Heinrich von Lim- 
burg hat also nicht den Löwen von Limburg, welcher 

') Heraldik S. 2.^ ff. 
-i t Heraldik S 242. 



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26 



F. Küch 



blau in Gold ist, nach Berg - gebracht. Vielmehr trägt 
der Berg'sche Löwenschild dieselben Tincturen, wie der 
Löwe des Grafen von Limburg aus dem Hause Altena." 
Er nimmt an, dass die Gleichheit auf einem „Ueberein- 
kommen der Familie" beruhe. 

Dass thatsächlich durch Herzog Heinrich von Limburg, 
den Gemahl der Irmgard, der Limburger Löwe in das 
bergische Wappen gekommen, oder besser zum bergischen 
Wappen bilde geworden ist, kann nach dem Vorstehenden 
wohl kaum geleugnet werden, und dass die Farbenver- 
schiedenheit kein Beweis für das Gegenteil ist, sondern 
gerade eine Notwendigkeit war, ist eben gezeigt worden. 

Der Löwe der Grafen Adolf IV., V. und Wilhelm [. 
war der blaue Löwe in Gold mit einem andersfarbigen, 
wahrscheinlich roten Turnierkragen, der Löwe Heinrichs 
von Windeck und des Grafen Adolf VI. war rot in Silber 
und hat von dem blauen Limburger Löwen nur die blaue 
Bewehrung und Krönung erhalten. 

Wie es kommt, dass auch die beiden Isellberg -Lim- 
burgischen Linien den Löwen mit gleicher Tingierung 
führen, dies bedarf einer besonderen Untersuchung. Der 
Löwe ist ein am Niederrhein so häufig vorkommendes 
Wappenbild, dass eine gleiche Tingierung in verschiedenen 
Familien nichts Auffallendes hat, sondern bei der geringen 
Auswahl der Farben und Möglichkeiten der Tingierung 
nur natürlich ist. Jedenfalls erscheint es mir unthunlich, 
bei einer vorkommenden Wappenänderung da eine „Fa- 
milienübereinkunft" anzunehmen, wo andere LTmstände den 
Vorgang in natürlicher Weise erklären. 

Solche Familienübereinkünfte werden doch auch nicht 
ohne Ziel und Zweck Bestimmungen über Wappen- 
änderungen getroffen haben, und im vorliegenden Falle ist 
ein Grund nicht nur nicht ersichtlich, sondern das Be- 
streben hätte auch vielmehr dahin gehen müssen, die Ver- 
schiedenheit der beiden seit 1160 getrennten und dazu nur 
durch die Heirat des Limburgers Heinrich mit der bergi- 
schen Irmgard zusammenhängenden Linien festzuhalten. 

Dass Adolf VI. nicht etwa das Wappen seiner Oheime 
Adolfs V. und Wilhelms I. angenommen hat, ist dadurch 



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Die Entwicklung des bergischen Wappens. 



27 



zu erklären, dass sein Vater Heinrich von Windeck bereits 
vor Wilhelm gestorben war und er selbst das väterliche 
Wappen schon geführt haben muss, als er zur Herrschaft 
über ganz Berg berufen wurde 

Nur in der Helmzier, die uns in seinem Reitersieg. 1 
(Tai'. V 27) und in dem Sekret, auf dem Schild und Helm 
vereinigt sind (Taf. IV 2g), begegnet, unterscheidet er sich 
etwas von seinem Vater, sehr wesentlich dagegen von seinem 
Oheim Wilhelm. Während nämlich der väterliche Helm 
ein einfaches fächerartiges Schirmbrett zeigt, ist Adolfs 
Schirmbrett mit dem Wappenbild, dem Löwen, versehen 
und mit Pfauenfedern besteckt 1 ). 

Das Reitersiegel Adolfs VI. zeigt den letzten bergischen 
Grälen aus dem Limburger Stamme im vollen heraldischen 
Sehmucke des damals auf dem höchsten Gipfel äusserer 
Pracht angelangten Rittertums. Zwar Waffenrock und 
Sattel, die sonst ebenfalls heraldischer Abzeichen nicht ent- 
behren, lassen dergleichen nicht erkennen 2 ), aber zu dem 
in der Sphragistik des bergischen Grafen bisher bekannten 
Schmuck der Rüstung, einschliesslich des breiten, auf beiden 
Seiten eingefassten Helmbandes :i ) kommen noch der der 
Helmzier vollständig gleiche Kopfputz des Pferdes und 
die ebenfalls mit dem Wappenbild versehenen rechteckigen 
Achselstücke (ailettes), die seit dem Ende des 13. Jähr- 
hunderts aufkamen 4 ). 

Durch Adolfs Nichte, die Tochter seiner Schwester 
Margarete und des Grafen Otto von Ravensberg, die 
Gerhard von Jülich heiratete, ist der Limburger Löwe in 
der veränderten Tingierung in das Wappen von Jülich-Berg 
gekommen, und hat nun, infolge des Aufkommens der 
kombinierten Wappen die weiteren dynastischen Wandlungen 
der Grafschaft Berg unverändert überstanden. 



') Ob diese Zutliat etwa durch die Hclm/.ier Wilhelm« veranlasst worden 
ist, wird schwer zu entscheiden sein. 

s ) Vgl. die oben angegebenen Ursachen. 

») Man vergleiche damit das Sekret (Taf. IV 29), mit dem unten ge- 
säumten Helmtuch. 

*) Ganz a. a. O. S. 91. 



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F. Küch 



Die vorstehende Studie ist von der Absicht ausgegangen, 
die Frage nach der Beschaffenheit des bergischen Wappens 
in den verschiedenen Stadien der Entwicklung für die 
ältere Zeit festzustellen. 

-Sie wird gezeigt haben, dass es sich wohl lohnen dürfte, 
die älteste Geschichte der Wappen führnng und Wappen- 
bildung einzelner Gebiete im Zusammenhange zu betrachten. 
Die Behandlung dieser Fragen ist zweifelsohne geeignet, 
das kulturgeschichtliche Bild des Mittelalters in einem nicht 
unwesentlichen Punkte zu vervollständigen, und ganz be- 
sonders dürfte das Gebiet des Niederrheins, welches der 
Heimat der Heraldik am nächsten liegt und das Wort 
„Wappen" geschaffen hat, sich zu derartigen Untersuchungen 
eignen. 

Für die Geschichte der Territorienbildung wird die Be- 
schäftigung mit dem Wappenwesen insofern von Wichtigkeit 
sein, als sie dazu dient, manche Fragen der genealogischen 
Beziehungen und der Erbfolge der Dynastenfamilien in die 
richtige Beleuchtung zu setzen oder aufzuhellen. 



Anhang. 

Die Siegel der Grafen von Berg bis 1348. 

Die liier verzeichneten, in natürlicher Grösse wiedergegebenen 
Siegel befinden sieh sämtlich an Urkunden des Düsseldorfer Staats- 
archivs. Ks sind deshalb im Folgenden am Ende einer jeden Siegel- 
beschreibung neben «lern Datierungsjahr nur die betreffende Abteilung 
des Orkundenarchivs und die Nummer der Urkunde angemerkt Die 
Abkürzungen der Siegelumschriften sind aufgelöst und die aufgelösten 
Buchstaben in Klammern gesetzt. Ergänzte Muchstaben der Um- 
schrift sind durch Kursivdruck kenntlich gemacht. Bei den älteren 
Siegeln ist noch auf etwaige weitere Exemplare desselben Stempels 
verwiesen, bei den späteren ist nur die betreffende Urkunde selbst 
angegeben. Auf Anführung der Stellen, an denen die eine oder 
andere Urkunde etwa im Druck erschienen ist, glaubte ich verzichten 
ZU dürfen; auch hielt ich es für genügend, nicht das volle Datum, 
sondern nur das Jahr anzugeben. 



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Die Entwicklung des bergischen Wappens. 



29 



Graf Engelbert von Berg 1160— 1189. 

Tafel I 1. Der Graf nach links galoppierend, in gegürtetem 
langem Panzerhemd mit Kapuze und Panzerhosen, auf 
dem Kopfe den Glockenhelm, in der Rechten das ge- 
zückte Schwert. Der Schild ohne Abzeichen hängt an 
dem Riemen über dor Schulter und bedeckt den linken 
Arm, der die Zügel führt D;is Pferd ist ungerüstet. 
Umschrift: f ENGJL6«rftw come» Di MONTE 

1189. _ Jülich-Berg 7. 

Graf Adolf III. von Berg 1 189— 12 18. 

Tafel I 2. Der Graf nach rechts galoppierend. Er trägt über 
dem Panzerhemd den ärmellosen langen Waffenrock, 
auf dem Kopfe den Topf heim, an dem oben ein doppelt- 
gezinnter Balken sichtbar ist; mit der Rechten zum 
Schwerthiebe ausholend. Der linke Arm wird von «Inn 
dreieckigen Schilde bedeckt, auf dum sich zwei doppelt- 
gezinnte Palken befinden. Die zweiteilige Pferde- 
decke ist vorn und hinten mit doppeltgezinnten Balken 
verziert. 12 16. Domstift Köln No. 32. 

Tafel I 3. Derselbe Stempel wie 2. -Umschrift :fSIGl PL VM • 
AD — OLPH« conntis de. «tONTE _ 1216 . Abtei 

Altenberg 2~. 

Ein dritter Abdruck desselben Stempels befindet sich 
an einer Urkunde des Jahres 12x1. Ai.tci Siegburg 02. 

Herzog Heinrich von Limburg Graf von Berg 
1225 — 1247. 

Tafel I 4. Der Herzog nach links galoppierend. Er trägt ein 
Panzerhemd mit ärmellosem gegürtetem Waffenrock, 
in der Rechten hält er das gezogene Schwert. Auf 
dem Kopfe hat er den Topfhelm mit kugelartiger in 
die Schriftzeile ragender Helmzier auf einer Stange. 
Der Schild hängt an dem Riemen über der Schulter; 
er ist von der Innenseite sichtbar und zeigt den (Lim- 
burger) Löwen. Die linke I Land fasst den Schildriemen 
vor der Brust und führt zugleich die Zügel. - Um- 



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30 



F. Kiicli 



schrift: f — HENRTC(us) • dux de. Lemborc et cO — 
MES • DE MONTE _ .242. — Kurköln 86. (Andere 
Exemplare Abtei Allenberg 53, 1238 und Jülich-Berg 23, 1244). 

Tafel I 5. Rückseite von 4. Im runden Siegel fei de Schild 
mit oben abgerundeten Ecken, darauf 2 1 /., Zinncnbalken, 
am oberen Rande mit dem halben beginnend. Um- 
schrift: f SECREV(m) • SKil 1.1.1 • 

Irmgard, Gemahlin des Herzogs Heinrich von Limburg 
Grafen von Berg. 

Tafel II 6. Die Herzogin stehend in ungegürtetem faltigem 
Kleide 1 mit pelzgefüttertem Schultermantel, der über 
den rechten Unterarm zurückgeschlagen ist. Auf dem 
Kopfe eine Haube mit herabhängenden Spitzen. Die 
Linke fasst den Steg, welcher den Mantel über der Brust 
zusammenhält, die Rechte hält eine Lilie. Zu Füssen 
rechts ein nach der Herrin zurückschauender Hund. 
Umschrift: f ERME(n)G ARD(is) DVCISSA • DE 
LEMB(orc) • ET • COMITISSA • DE • MOfn)TE_ 

1238. _ Abtei Altenberg 53 (anderes Exemplar Kurköln 86). 

Tafel II 7. Rücksiegel, wie das Rücksiegel ihres Gemahls 
(5) . _ Umschrift: f CLAV1S • SKCCRETI _ 1242. 

_ Kurköln 86.*) 

Graf Adolf IV. von Berg 1247 — 1259. 

Tafel II 8. Als Erstgeborener des Herzogs Heinrich von 
Limburg, Grafen von Berg. Dem Reitersiegel seines 
Vaters (4) ähnlich, aber ohne 1 lelmzier. Der Brust- 
riemen des Pferdes mit Eranzen verziert. Auf der 
Innenseite des Schildes ist der mit einem Turnierkragen 
belegte Löwe sichtbar. _ Umschrift: f S(igillum) 
ADOLpW • PRIMOGENIT] - HENRIC] • DVCIS 
• DE LYMBV RCH ET COMITIS DE MONTE 

. — 1242. — Kurküln 80. (Anderes Exemplar Stift Severin, Köln, 
23. 1246). 



*) Bei diesem Exemplar war das Rücksiegel besser ausgeprägt als bei 
Altenberg 53. 



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Die Entwicklung des herrischen Wappens. 



31 



Das (nicht abgebildete) Rücksiegel zu diesem Siegel 
enthält im runden Siegelfelde einen dreieckigen Schild 
mit einem gekrönten Löwen, der mit einem dreilatzigen 
Turnierkragen belegt ist. _ Umschrift: f SECRETVM 
SIGILLT 

Tafel II 9. Als Graf von Berg. Dem vorigen Siegel und 
dem Reitersiegel seines Vaters sehr ähnlich, jedoch 
ebenfalls ohne Helmkleinod. Der Turnierkragen über 
dem Löwen ist nicht erkennbar. _ Umschrift: f S1G1LL 
— VM ft A-DOLPHI # COMI - TIS * DE * 

MONTE _ 1249. _ Domstift Köln 113. 

Tafel II 10. Rückseite des vorigen. Im runden Siegelfeld 
der Schild mit gekröntem Löwen, belegt mit fünf- 
latzigem Turnierkragen. _ Umschrift: f SECRETVM 
SIGILLI 

Margarete, Gemahlin des Grafen Adolf IV. von Berg. 

Tafel II 11. Die Gräfin stehend. Darstellung wie auf dem 
Siegel der Herzogin-Gräfin Irmgard (6), ohne Hund. 
Das Siegelfeld mit Lilien gemustert. - Umschrift: 
tS(igillum) MARGARETE • VXORis . A — DOLFI 
• FIL(ii) • DVC(is) DE • LY(m)B(ur)C _ 1249. 

Abtei Altenheru 70. 

Tafel III 12. Die Gräfin auf einem Zelter im Schritt nach 
rechts reitend, in ungegürtetem Kleide, auf der Linken 
den Falken, die Rechte führt den Trensenzügel. Von 
der Kopfbedeckung weht der Schleier. Lange mit 
Fransen verzierte Satteldecke. Zwischen Vorder- und 
Hinterbeinen des Pferdes der Hund. Vor dem Pferde 
der auffliegende Reiher. Umschrift: | S(igillum) 
MARGARETE - COMITI - *SE • DE • MONTE: 

_ 1267. Apostelslift Köln 48. 

Tafel III 13. Rückseite des vorigen. Im runden Siegel- 
felde die Darstellung einer Burg (Mauer mit zinnenge- 
schmücktem Turm) auf einem Berg. — Umschrift: 
f SECRETVM • MEVM 



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F. Knill 



Graf Adolf V. von Berg 1259 -1296. 

Tafel III 14. Im schildförmigen Siegelfclde gekrönter mit 
fünflatzigem Turnierkragen belegter Löwe. Um- 
schrift: fS^LLVM : ADO LP HI • DE • MONTE • . 

1263. _ Kurköhl 202. 

Tafel III 15. Im runden mit Lilien gemusterten Siegelfelde 
dreieckiger Schild mit gekröntem, mit fünflatzigem 
Turnierkragen belegtem Löwen. Umschrift: (f) 

SIGILLVM : ADOLEEI : DE : MONT^ _ 1267. 
Aposiolstift Köln 48. Kommt auch an Urkunden von 1264 und 1268 
vor. St. Severin zu Köln 27.28 bis , Altenberg 111. 

Tafel III 16. Rückseite des vorigen. Dieselbe Darstellung 
verkleinert. Umschrift: f SECREfwm • COMITIS 
• De • MONTE 

Tafel III 17. Der Graf nach links galoppierend, im Ketten- 
panzer mit gegürtetem Waffenrock, in der Rechten 
das gezückte Schwert, auf dem Kopfe den 'Lopfhelm 
ohne Kleinod, am linken Arm den Schild, dessen 
Aussenseite den gekrönten mit Turnierkragen belegten 
Löwen zeigt. Das Schildbild wiederholt sich vorn 
und hinten auf der zweiteiligen Pferdedecke. Um- 
schrift: f Slgillum ad— OLPHI « COMIT— IS $ 
DE * MONTE * _ 1289. _ Kurköln 326. 
Das Rücksiegel hierzu ist identisch mit 16. 

Elisabeth, Gemahlin des Grafen Adolf V. 

Tafel IV 18. Die Gräfin auf dem Zelter im Schritt nach 
rechts reitend, in gürtellosem Kleide, Schullermantel 
und Haube mit Kinnband, auf der Linken den Falken, 
in der Rechten den Zügel. Zwischen den Beinen des 
Pferdes zwei Hunde. Die Darstellung ist ahnlich der 
der Margarete, 12. _ Umschrift: f SIGI LLVM • ELY— 
S — ABETH • COM1TISSE • DE • MONTE • 
1267. _ Apostelstin zu Köln 48. 

Tafel IV 19. Rückseite des vorigen. Im runden Siegelfelde 
Darstellung einer Burg mit Zinnen, Ummauerung und 
Türmen auf einem Berge. _ Umschrift: f SIG1LLVM 
SECRETI • M EI • 



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Die Entwicklung des bergischen Wappens. 



Graf Wilhelm von Berg 1296 — 1308. 

Tafel V 20. Im runden Siegelfelde dreieckiger Schild mit 
gekröntem, mit fünflatzigem Turnierkragen belegtem 
Löwen. _ Umschrift: f SIGILLVM • WILHEZwi co 
MI TIS ■ DE MONTE _ 1297. _ Severinstift zu Köln 40. 

Tafel IV 21. Der Graf im Panzerhemd und gegürteten 
WafFenrock nach links galoppierend, etwas nach vorn 
gebeugt und mit der Rechten weit zum Hiebe aus- 
holend. I >as Srhwert ist mit einer Kette, welche durch 
das Aermelloch des Waffenrocks geht, am Fanzerhemd 
befestigt. Auf dem Kopfe trägt er den Kübelhelm. Das 
Helmkleinod bestellt aus einer Art Seheibe .»der Schale; 
in deren Mitte befindet sich ein Knopf, von dem ein 
Büschel Pfauenfedern emporsteht. Die linke Hand 
führt den Zügel, den Arm bedeckt der mit fünflatzigem 
Turnierkragen belegte Löwenschild. Der hintere Teil 
des Sattels ist verziert, anscheinend ebenfalls mit dem 
1 ,öwen. Die zweiteilige Pferdedecke ist ohne Bild. _ 
Umschrift: j - t ~ SIGILLVM • - WILHELMI • 
COMITIS • - DE MONTE _ 1299. _ Kn.io.in 3*7. 

Tafel IV 22. Rückseite des vorigen. Im runden Siegel- 
feld dreieckiger Schild mit Löwe und Turnierkragen. _ 
Umschrift: fSECRETV(m) • \VILH(elm)I CO(m)ITIS 
DE MX )(n )TE Dieser Stempel wird auch selbständig 
als Secret gebraucht (Attenberg 225). 

Irmgard, Gemahlin des Grafen Wilhelm I. von Berg. 

Tafel IV 23. Die Gräfin auf einem Maultier in Tracht und 
Haltung wie die Gräfin Elisabeth (18). Rechts von 
ihr der clevische Schild (Schildbeschlag, aber ohne 
Mittelschild), links der Schild ihres Gemahls. Um- 
schrift: f SIGILLwn yRME(n) — GA.RDIS CO 

MITISSE • DE • MONTE _ 1303. _ Abtei Allenberg 225. 

Tafel IV 24. Rückseite von 23. Em runden Siegelfeld Schild, 
gespalten, rechts der bergische Löwe, links der halbe 
clevische Schildbeschlag. _ Umschrift: f S(ecretum) 
YRMENGARDiis) COMITISSE • D(e) MO(n)TE • 

Jahrbuch XV. 3 



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34 



F.'Küch 



Heinrich von Berg, Herr von Windeck | 1299. 

Tafel V 25. Heinrich im Kettenpanzer und Waffenrock 
mit geschwungenem Schwert nach links galoppierend. 
Auf dem Kübelhelm fächerförmiges Schirmbrett. Am 
linken Arm Schild mit gekröntem Löwen. Pferd ohne 
Decke. _ Umschrift: f S(igillum): HENRICI : DE : 
MO - NTE : DomlN - - 1 : DE : WINDECHE _ 
1289. _ Kurköln 3 2( i- 

Tafel V 26. Rückseite von 25. Schild mit gekröntem 
l.öwen. _ Umschrift: t SECRET(um) : HE(n)RTCI : 
D(omi)NI : DE Wl(n)DECHE 

Graf Adolf VI. von Berg 1308 — 1348. 
Tafel V 27. Im Vielpass und mit Kreuzchen gemusterten 
Sicgelfelde der Graf im Kettenpanzer und Waffenrock 
nach links galoppierend und /um I liebe ausholend. 
Am linken Arm der Schild mit gekröntem Löwen. 
Auf dem Kübelhelm ist ein halbrundes mit Pfauenfedern 
bestecktes Schirmbrett befestigt, auf dem der gekrönte 
Löwe sichtbar ist. Von der Spitze des Helms flattert 
ein breites, auf beiden Seiten eingefasstes Band. Der 
Graf trägt rechteckige Achselschildchen, die ebenfalls 
mit dem Löwen verziert sind. Das Schwert ist durch 
eine Kette, welche durch eine Oeffnung des Waffen- 
rocks geht, mit dem Panzerhemde verbunden. Die 
Pferdedecke trägt vorn und hinten das Schildbild. Der 
Kopf des Pferdes ist mit dem gleichen Schirmbrett 
wie der Helm gekrönt. — Umschrift: *** SIGIL — 
LVM % AD - OLFI * COMITIS V — V DE * 
MONTE _ 1322. . . Abtei Attenberg 272 

Tafel V 28. Rückseite von 27. Im runden, mit Arabesken 
verzierten Siegelfelde dreieckiger Schild mit gekröntem 
Löwen. — Umschrift: f : S(igillum) • SECRETY(m) • 
ADOLPHI • COMITIS : DE : MONTE 

Tafel IV 29. Im gemusterten Siegelfelde der geneigte, über 
die Schriftzeile bis an den unteren Rand reichende 
Löwenschild mit darauf gesetztem Kübelhelm, der das- 



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Die Entwicklung des bergischen Wappens. 1 



35 



selbe Kleinod wie in 27 trägt. Das Helmtuch ist nach 

links aufgenommen. Umschrift: f SECRETV(m) • 

ADOL — FI — # CO(m)ITIS ■ DE • MONTE _ 
' 133 1 — Julich-Berg 35<>- 

Agnes, Gemahlin des Grafen Adolf V. von Berg. 

Tafel IV 30. Im Achtpass dreieckiger Schild, gespalten, 
rechts gekrönter Löwe, links halb Cleve. Zwischen 
den Passbogen eingestreute Rosetten. Umschrift: 
| S(igillum) • AGNETIS • COMITISSE • De 

MON(t)E _ 1361. _ Jülich-Berg 704. 




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3* 





Zur Geschichte der Censur am Niederrhein 
bis zum Frühjahr 1816 '). 

Von Emil Pauls. 
Einleitung. 

Seitliche und kirchliche Behörden suchten seit 
jeher es zu verhindern, dass Schmähschriften, 
die gegen Personen und rechtmässig bestehende 
Hinrichtungen sich richteten, oder Werke, 
weicne die kirchliche Lehre gefährdeten, weite Ver- 
breitung erlangten. Bereits zur Römerzeit waren anonyme 
Schmähschriften mit schwerer Strafe bedroht 5 ), und 
während des Mittelalters übten verschiedene Organe der 
Kirche gelegentlich ein Censoramt aus: Päpste, Bischöfe, 
Universitäten und Inquisitoren 8 ). Am Niederrhein hatten 
bald nach der durch die Erfindung Gutenbergs bedingten 

') In Betracht kommen liier vornehmlich das Er/stift Köln und die 
Herzogtümer Jülich-Klevc-Bcrg. Oeber die Censurverhaltnisse in der Reichs- 
stadt Köln hat L. Eimen einige Mitteilungen gebracht. Aachen findet sich 
im 15. und 21. Bande der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins eingehend 
behandelt. Die westfälischen Teile des Erzstifls Köln und des Klevischen 
Gebietes konnten nicht ganz unberücksichtigt bleiben, werden aber nur an- 
deutungsweise berührt. Als Zeitgrenze ist das Frühjahr 18 16 deshalb gewählt, 
weil damals die Wirksamkeil der preussischen Bezirksregierungen am Rhein 
ihren Anfang nahm. 

a ) Ucber die Bestrafung der Verfasser und Verbreiter von Schmähschriften 
nach römischem Recht und nach der peinlichen Gerichtsordnung Karls V. vgl. 
F. v. Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts. Berlin 1892, S. 347. 

s ) J. Hansen in Westdeutsche Zeitschrift. Trier i8()8, Jahrgang XVII, 
Heft II, S. 137 (V. 



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Zur Geschichte der Ccnsur am Niederrhein, 



37 



Eröffnung einer neuen Kulturepoche zwei päpstliche Erlasse 
in den Jahren 1463 und 1479 der Kölner Universität in 
Censuranaeleirenheiten ganz besondere Aufsichtsrechte ein- 
geräumt. Die Universität besass das örtlich wie zeitlich 
unbeschränkte Recht, mit kirchlichen Censuren und anderen 
geeigneten Mitteln die Drucker, Käufer und Leser verwerf- 
licher Schriften zu hindern und auch dann noch gegen die 
Drucker einzuschreiten, wenn sie etwa, um den Gensuren zu 
entgehen, aus ihrem Wohnort verziehen wollten. In diesem 
Falle sollte sich die Universität mit den Bischöfen und 
Magistraten der Orte, wohin die Drucker sich wendeten, 
unter Berufung auf das päpstliche Breve ins Vernehmen 
setzen. Die Kölner Universität vermochte indes ihr Censur- 
recht nur in geringem Umfang geltend zu machen. Sogar 
in der Stadt Köln wurde es nur von einem Teil der 
Drucker beachtet, und überdies versuchten an verschiedenen 
Orten die Bischöfe, selbständig Censureinrichtungen zu 
treffen. Die Beseitigung der auf die Censur bezüglichen 
Vorrechte der Kölner Universität erfolgte bereits im Jahre 
1487. Durch die Bulle „Inter multiplices" vom 17. No- 
vember 14S7 befahl Innocenz VIII allen Druckern in der 
Christenheit bei Strafe der Excommunication, ohne die 
ausdrückliche Prüfung und Erlaubnis seitens der Bischöfe, 
der Ordinarii loci, fernerhin nichts mehr zu drucken, über- 
dies auch ein Verzeichnis der älteren Drucke den Bischöfen 
einzureichen, damit sie zur Frage der Zulässigkeit eines 
weitern Verkaufs Stellung nehmen könnten '). Damit er- 
klärte der Papst die Censur für ein Hoheitsrecht der Kirche, 
und gar bald nahm bei uns der Erzbischof von Köln dieses 
Recht für sich und die Kölner Kurie in Anspruch. Erz- 
bischof Hermann IV., Landgraf von Hessen, veröffentlichte 2 ) 
die Bulle „Inter multiplices 1 ' nicht lange nach ihrem Erlass. 
Auch Hess er im jähre 1499 durch seinen Offizial Heinrich 
von Irrlem den Befehl ergehen, kein Buch irgendwelcher 
Art zu drucken, ohne dass eine Prüfung seines Inhalts 
durch den Erzbischof oder einen von ihm beauftragten 

') J. Hansen a. a. O. S. 138 f. 

*) Statut, seu decreta provincialium et dioccesanarum synod. eceles. Colo- 
niens. Coloniae, J: Quentel 1544, pag. 280. 



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38 



Emil Pauls 



Censor vorhergegangen sei >). Am Schluss des Mittelalters 
und vielfach noch lange nachher erstreckte sich also die 
kirchliche Censor auf Schriften aller Art, gleichviel ob es 
um Fibeln und dergleichen Schulbücher, oder um wissen- 
schaftliche Werke ersten Ranges sich handelte. Im Laufe 
der letzten drei Jahrhunderte vor der Fremdherrschaft erlitt 
aber in der Erzdiöcese Köln, und damit am ganzen Nieder- 
rhein, das kirchliche Oberaufsichtsrecht über den Bücher- 
vertrieb mancherlei Einschränkungen, und zwar teils durch 
die Zeitverhältnisse oder die weltliche Gesetzgebung, teils 
durch den Uebergang des klevischen Gebietes an ein 
evangelisches Herrscherhaus. 

Im Nachstehenden gebe ich eine Uebersicht über die 
im Erzstift Köln und in den Herzogtümern Jülich- Kleve- 
Berg veröffentlichten Censurbestimmungen ; dann die ge- 
schichtliche Entwicklung des Censurwesens und einen Aus- 
zug aus dem im Düsseldorfer Staatsarchiv beruhenden 
einschlägigen urkundlichen Material. 



Erzstift Köln. 

A. Veröffentlichte Censur-Erlasse und Übersicht über 
die Entwicklung des Censurwesens. 

Im ersten Jahrzehnt nach der Krönung Karls V. in 
Aachen mag auch am Rhein eine scharfe Aufsicht über 
die Presserzeugnisse besonders noth gethan haben. Ziem- 
lich unbehindert konnten damals, an der Wende einer 
neuen Zeit voller gewaltiger geistiger Aufregung, in den 
meisten deutschen Gebieten gehässige Angriffsschriften 
aller Art, meist gegen die alte Kirche und staatliche Ein- 
richtungen geschrieben, verbreitet werden. Die Press- 
freiheit trieb seltsame Blüten. Wie es am Niederrhein 
aussah, erhellt aus einer Klage der Kölner Universität vom 
Jahre 1525. „Bei uns", so heisst es darin, „druckt und 
verkauft man, oder führt aus fremden Gegenden ein: 
• Schmäh- und ketzerische Schriften, Spottgedichte und 

') Materialien zur gcist- und weltlichen Statistik des niederrheiniseh-west- 
fälischen Kreises. Erlangen 1891, Jahrg. 1, [, Stück S. 163. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein.. 



;;<.) 



Spottwerke und Bücher, die sich wenden gegen die heilige 
Schrift und die Kirche. Dies alles trotz päpstlicher, erz- 
bischöflicher oder kaiserlicher Verbote. Jung und Alt 
gerät durch das Lesen solcher Werke auf Abwege" 1 ). Elf 
Jahre später beschäftigte sich ein Kölner Provinzialkonzil 
mit dem Bücherwesen Indem das Konzil die früheren 
Aufsichts- Bestimmungen über die durch den Druck zu 
vervielfältigenden Schriften erneuerte, bestimmte es gleich- 
zeitig, dass auf jeder Druckschrift der Vor- und Zuname 
des Druckers, sowie der Druckort zu verzeichnen seien. 
Der Wortlaut einer zwei Jahre später vom Erzbischof Her- 
mann von Wied erlassenen Polizeiverordnung 2 ) versetzt 
uns mitten in die Zeit der Wiedertäufer und der Kirchen- 
spaltung. Da werden mit Strafe bedroht die Drucker, 
Verkäufer und Führer von Büchern, die der alten katho- 
lischen Kirchenlehre feindlich gegenüber stehen, aber den 
Wiedertäufern, Sacramentierern, Gotteslästerern und anderen 
verführerischen oder aufrührerischen Lehren günstig ge- 
stimmt sind. Ferner wird verboten, Schand- oder Schmäh- 
Bücher, Schriften oder Gemälde zu kaufen, zu verkaufen, 
zu empfangen oder zu behalten. Deutlich weisen solche 
Verfügungen auf den Umlauf von Hunderten von Flug- 
schriften und Satiren, deren Verlust wir heute im Inter- 
esse der Kulturgeschichte bedauern. 

Weit überholt, sowohl was ausführliche, als was genaue 
Erläuterungen betrifft, wurden die Censurbestimmungen 
des später zum Protestantismus übergetretenen Erzbischofs 
Hermann von Wied durch die Erlasse seines Nachfolgers 
Adolfs III., Grafen von Schauenburg (IS^-LSS 6 )- Ganz 
besonders richtete Adolf III. sein Augenmerk auf die in den 
Schulen für Anfänger (triviales ludi) gebrauchten Schul- 
bücher. Es sollten nur züchtige 11 ), fromme und katholische 

') Vgl. Annalen des historischen Vereins für den Niedcrrhein. Hclt XVI, 
S. 223. 

-') Scotti, Kurfürstentum Köln, Abteilung I, Teil I, No. 18, S. 60, zum 
Jahre 1538; die Erneuerung dieser Polizeiverordnung zum Jahre 1595 a. .1. O. 
Xu - S. 173. Strafandrohung: „Ucbertreter sollen an Leib und Gut nach 
Gelegenheit gestraft werden". 

3 ) Statut. 1. c. p. 489 wird vor Werken unzüchtiger Art (libri obscoeni) 
ausdrücklich gewarnt. 



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40 



Emil Pauls 



Bücher beim Unterricht gebraucht werden, die entweder 
der Dekan einer katholischen Universität (Köln), oder ein 
gelehrter Prälat, oder ein bischöflicher Bevollmächtigter, 
der der Kölner Diöcese nicht anzugehören brauchte, appro- 
biert hatte. Unter Androhung des Anathems verbietet der 
Erzbischof den Gebrauch von Schulbüchern, die eigens 
dazu geschrieben zu sein schienen, der Jugend Hass gegen 
die kirchlichen Gebräuche und Ceremonien und gegen das 
Mönchsleben einzuflössen. Die Beispiele, so heisst es, seien 
in derartigen Büchern aus den Schriften der Gegner der 
Kirche gewählt, damit beim Studium der Grammatik der 
Geist der Irrlehre der Jugend bekannt werde. Namentlich 
gelte dies für manche Beispiele, die in gewissen „vertrau- 
lichen Gesprächen" vorkämen, — unzweifelhaft meint hier- 
bei der Kirchenfürst unter andern auch die berühmten 
Familiaria colloquia des Erasmus von Rotterdam 1 ). Schliess- 
lich stellt der Erzbischof in Aussicht, durch gelehrte und 
fromme Männer die Schulbücher-Frage prüfen und nach 
näheren Verhandlungen mit den Diöcesan-Bisehöfen eine 
einheitliche Regelung für das Gebiet der Kirchenprovinz 
eintreten zu lassen. Weitere eingehende Vorschriften über 
die in den Schulen zulässigen Bücher erliess die Kölner 
Diöcesan-Synode vom 26. Februar 1550 2 ). Demnach durften 
auch Grammatiken u. dergl., die Melanchthon, Spangen- 
berg und ähnliche Lutheraner zu Verfassern hatten, nicht 
geduldet werden. Die Schulrevisoren sollten die Bücher- 
eien der Lehrer einsehen und hierbei die katholischen 
Bücher von den akatholischen, sowie die deutschen von 
den fremdsprachlichen sondern. Ein längeres Verzeichnis 
nennt ausser den zulässigen Grammatiken diejenigen rö- 
mischen und griechischen Klassiker, welche gelesen werden 
durften. Unter den Grammatiken, aus denen die Schüler 
Frömmigkeit und Wissenschaft sich aneignen sollten 
(e quibus pietatem cum litteris hauriant) ragt die Syntaxis 
Erasmi hervor. Von den bekannteren römischen Klassikern 
waren zulässig: Ciceros sämmtliche Schriften, Casars 
Kommentare, Titus Livius, Sueton, Vergil, Horaz und Ovid, 

') Statul. 1. c. pag. 428 und 490. 

9 ) Statut. 1. c. pag. 463 — 505 an verschiedenen Stellen. 



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Zur Geschichte der Ccnsur am Niederrhein. 



u 



doch blieben Ovids Ars amandi und die Epistolae heroi- 
dum ausgeschlossen. Im Griechischen galten als erlaubt: 
Homer, der Froschmäusekrieg, Xenophon, die Fabeln von 
Aesop, die Reden von Demosthenes, Aristophanes, Hesiod 
und Plutarch. Im allgemeinen lag eine gewisse Einschrän- 
kung in der Andeutung, dass die Klassiker 1 ) der Vervoll- 
kommnung des Stils halber gestattet seien 

Selbstredend begnügte sich die Synode nicht damit, 
nur die Schulbücher ihrer Censur zu unterwerfen, sie stellte 
überdies noch ein Verzeichnis von Schriftstellern auf, 
deren Werke weder von Geistlichen noch von Laien ge- 
lesen werden durften. Von den Kanzeln herab musste vor 
dem Lesen solcher Werke gewarnt werden; es hiess, sie 
seien zu meiden wie die Pest. Hierbei standen die Schriften 
Luthers, Calvins, Zwingiis und Melanchthons obenan. Alle 
Bibliotheken, Buchhandlungen und Buchdruckereien sollten 
revidiert, und vorgefundene haeretisehe Schriften beschlag- 
nahmt und verbrannt werden. Die Buchhändler erhielten 
ein Verzeichnis der verbotenen Bücher 2 ), um den Bestim- 
mungen des Provinzial-Konzils nachkommen zu können. 
Ein besonderes Augenmerk richtete die Synode auf deutsche 
Uebersetzungcn von Psalmen und auf sogenannte Postillen, 
die vielfach lutherisches Gepräge zeigten; sie machte auf 
mehrere Kirchenväter und neuere katholische Schrittsteller 
aufmerksam, deren Schriften die Pfarrer beim christlichen 
Unterricht oder bei der Predigt benutzen könnten. Wer 
sich weigerte, verbotene oder verdächtige Bücher abzu- 
schaffen und abzuliefern, kam beim Krzbischof oder dessen 
Censurbeamten zur Anzeige. 

Die vom Konzil zu Trient in betreff der Büchercensur er- 
lassenen Bestimmungen kamen im wesentlichen mit der Bulle 
Innocenz' VIII. ,,Inter multipliees" überein, bestätigten also 
durchgehends die im Kölnischen bestehende Ordnung und 
das dort längst eingeführte Verzeichnis verbotener Schriften. 
Nach dem Tridentinum bis zur Auflösung des Kurfürsten- 

') Das Fehlen mancher Klassiker (Eutrop, Nepos, Sallust u. s. w.) braucht 
nicht aufzufallen. Viele Schriftsteller des Altertums waren vor 350 Jahren nur 
sehr wenig bekannt. 

'-') Hier also ein Index librorum prohibitorum für das Gebiet einer Diöcesc. 



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1.-2 



Emil Pauls 



tums Köln lag für die Kölner Erzbischöfe weder ein Anlass 
noch eine Berechtigung zur Schaffung neuer Rechtsver- 
hältnisse vor. Oft aber wurde das bestehende Censurrecht 
teils aufs neue eingeschärft, teils unter Berufung auf die 
durch das Tridentinum den Bischöfen verliehene Vollmacht 
in nebensächlichen Punkten erweitert und ergänzt. So 
wiederholte Ernst v Bayern in einer im Jahre 1595 er- 
lassenen Polizeiverordnung für den Geschäftsbetrieb in den 
Buchhandlungen und Druckereien die Bestimmungen seines 
Vorgängers, des Krzbischofs Hermann von Wied, vom J. 
1538'). Einiges Neue brachte dagegen die Kölner 
Diöeesan-Synode unter Erzbischof Ferdinand von Bayern 
i. J. 161 2. Da wird allen Pfarrern der Besitz eines Breviers, 
einer deutschen und einer lateinischen Bibel, sowie eines 
Index der verbotenen Bücher a ) zur Pflicht gemacht. Bücher 
von haeretischen Verfassern durften die Pfarrherrn nicht 
besitzen, aber nach eingeholter Genehmigung lesen. Fanden 
sich derartige Bücher bei Laien vor, so sollte der Pfarrer 
sie beschlagnahmen und verbrennen, oder dem Dechanten 
einsenden. Die Schullehrer hatten eidlich zu geloben, 
Bücher von haeretischen Verfassern weder beim Unterricht 
zu benutzen, noch in den Schulen zu dulden 3 ). Sie mussten 
sich des Römischen Katechismus bedienen, oder eines 
andern, dessen Gebrauch die Dechanten oder Pfarrer ge- 
nehmigt hatten. Als Katechismen für den Schul- und 
Volksunterricht empfahl die im Jahre 1614 erschienene 
Agende der Kölner Kirche den kleinen Katechismus von 
Canisius und einige andere heute fast vergessene Schriften 
dieser Art 4 ). Mehr noch als bei den Büchern für die 
Schule wurde bei den von der Kölner Kurie für den 
Klerus herausgegebenen Brevieren, Directorien, Agenden 
u. dergl. auf eine einheitlich geregelte Ordnung Wert ge- 
legt. Wiederholt setzte man ältere Auflagen derartiger 
Schriften ausser Kraft, oder verbot sogar deren Gebrauch 5 ). 



') Scott i, Kurküln, Abteilung 1 Teil I No. 18 und 37. 

*) Schannat- Hartz heim, Concil. German, tom. IX, pag. 160. 

a ) Schan nat- H arl /.hei m 1. c. pag* 163. 

') Agenda s. Coloniens. ccclcs. 1614 p. 218 et 233. 

*) Schannat- Hartz heim l. c. pag. 410. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. . 43 

Eine recht passende, aber in späterer Zeit nur sehr wenig 
beachtete Bestimmung der Kölner Diöcesan-Synode des 
Jahres 1651 setzte fest, dass die Texte zu den Schauspielen, 
die an sehr vielen höheren Lehranstalten von den Schülern 
alljährlich mindestens einmal zur Aufführung gelangten, 
der Censur des Erzbischofs oder des erzbischöflichen 
Büehercensors unterlägen 1 ). 

An Bedeutung und erschöpfender Behandlung kirchen- 
rechtlicher Vorschriften steht die Kölner Diöcesan-Synode 
von 1662 hinter keiner ihrer Vorgängerinnen zurück. Auch 
auf dem Gebiete der Büchercensur wiederholte und ergänzte 
sie die früheren Bestimmungen. Ausdrücklich hielt die 
Synode den kirchlichen Anspruch auf das Censurrecht über 
Schriften jeder Gattung aufrecht. Das den erzbischöflichen 
Büchercensoren zustehende Recht der Revision der Buch- 
handlungen wurde scharf hervorgehoben und den Censoren 
gleichzeitig die Oberaufsicht über Theater- Aufführungen 
übertragen 2 ). 

Weiter veranlasste die Synode, dass den klösterlichen 
Genossenschaften auf das bestimmteste untersagt wurde, 
die von Mitgliedern des Ordens herausgegebenen Schriften 
durch einen dem Orden zugehörigen Censor anstatt durch 
den erzbischöflichen Censor approbieren zu lassen Und 
endlich schärfte noch eine Bestimmung den kirchlichen 
Behörden ein, auf sog. Zauberbücher acht zu geben und 
sie nicht zu dulden. Bücher, in denen der Astrologie, der 
Wahrsagekunst und dem Zauberwesen (magicae artes) 
Vorschub geleistet wurde, mussten beseitigt werden 4 ): so — 
nachdem die Zeit der Hexenprozesse vorbei war. Vierzig 
Jahre früher wäre diese Verfügung mehr am Platze ge- 
wesen, doch darf nicht übersehen werden, dass auch 
während der Blütezeit der Hexenverfolgungen die Geistlich- 



') Schannat-Hartzheim I. c. pag. 740- Ueber derartige Aufführungen 
v «l- J. Kühl, Jülich Bd. HI, S. 21X ff. 

a ) Schannat-Hartzheim, 1. c. pag. 929. 
3 ) Schannat-Hartzheim 1. c. pag. 930. 
*) Schannat-Hartzheim 1. C pag. 928. 



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44 Emil Pauls 

keit und namentlich die Jesuiten auf die Vernichtuno: von 
„Zauberbüchern" eifrig bedacht gewesen waren 1 ). 

Nach 1662 dauerte es Jahrzehnte, ehe die Kölner Kurie 
nochmals dazu kam, wesentlichere Bestimmungen über die 
Btichercensur zu veröffentlichen. Einen Censur - Erlass 
Karls VI. vom 18. Juli 171 5 Hess der Krzbischof Josef 
Clemens noch im selben Jahre zur Nachachtung bekannt 
machen 2 ). Der Erlass bestätigte im wesentlichen das be- 
stehende Recht und stellte die Buchdruckereien unter 
Censoren. Auch sollten in Zukunft Buchdruckereien nur 
in grösseren Städten zulässig sein, „Winkel- Druckereien" 
aber auf dem Lande und in kleineren Städten nicht ge- 
duldet werden. Im Jahre 1729 wies der Kölner Kurfürst 
nochmals in einer vom 4. März datierten Verfügung 3 ) auf 
die längst bestehenden Censurgesetze hin, nach denen 
ausnahmslos jede Druckschrift der Censur unterliege 4 ); 
dem Censor, so heisst es am Schluss, gebühre von jeder 
begutachteten Druckschrift ein Exemplar zur „Constatierung 
der Uebereinstimmung mit dem approbierten Original". 

Wahrscheinlich wurden in Köln die Buchhändler und 
Buchdrucker — anderwärts gab es im grossen Gebiete 
des Erzstifts nur sehr vereinzelte Mitglieder dieser Stände 
— bei der Ernennung eines Büchercensors jedesmal auf 
die bestehenden Censurbestimmungen hingewiesen. So 
noch im Jahre 1782 bei der Ernennung des Professors 
Hedderich, des letzten erzbischöflichen Büchercensors vor 
der Auflösung: des Kurfürstentums. Damals legten die 
Verhältnisse an der jüngst entstandenen Hochschule in 

') Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvcrcins Bd. XIII, S. 188, und 
zahlreiche Stellen in den Litterae annuae der Jesuiten. 

*J Scotti, Kurköln, Abteilung 1 Teil I. N T <>- $X$, S <>c>7. 
;1 ) Scotti, a. a. o. No. 391, S. 706. 

<) Nach einem den Akten beiliegenden Schriftstück wind.' diese Ver- 
tagung an 4- April 1729 den Kölner Buchhändlern, Buchbindern und Buch- 
druckern (bibliopolis, bibliapagis et typographis) amtlich zugestellt. Genannt 
werden (Vornamen fehlen): Frohmar, Pütz, Kctleler. Rommers- 
kirchen, Noethen, fratres Metternich, Uhlebusch, Steinhausen, 
fratres Huisch, vidua Müchers, vidua Prompers, domicella 
Metternichs, Hilden, Aldenkirchen, Müller, Randerath. Langen- 
berg, Triniborn, Güssen et vidua Simonis. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 



46 



Bonn eine Neuregelung der Censurbestimmungen recht 
nahe, doch blieb es schliesslich in der Hauptsache beim 
Alten i). 

So hartnäckig auch die Kölner Kurie bis zuletzt an 
dem Grundsatze festhielt, dass jede Schrift ihrer Censur 
unterliege, thatsächlich war das beanspruchte Hoheitsrecht 
vielfach teils nicht beachtet, teils auf das kirchliche Gebiet 
zurückgedrängt worden. Dazu trugen viele Umstände bei. 
Schon aus praktischen Gründen ging es nicht an, dass 
der Gensor die Mehrzahl der kleineren meist harmlosen 
Erzeugnisse der Buchdruckerkunst vor ihrer Verbreitung 
einer nähern Durchsicht unterzog. Manches zirkulierte 
uncensiert und unbeanstandet, sofern nur nicht Glaubens- 
oder Sittenlehren, oder eine Verwendung der Druckschrift 
in Kirche oder Schule in Betracht kamen. Dann wahrte 
die erzbischörliche Behörde streng ihr Hausrecht. Ferner 
hatte auf dem politischen Gebiete die weltliche Gesetz- 
gebung schon lange vor dem Tridentinum ein Gegen- 
gewicht gegen die Anforderungen der Kurie geschaffen. 
Die Reichstage zu Speyer und Augsburg (1529 und 1530) 
kannten neben den geistlichen auch weltliche Censur- 
behörden, so namentlich wenn es sich um die Unter- 
drückung von Schmähschriften handelte. Schriften dieser 
Art stellte auch die peinliche Gerichtsordnung Karls V. 
unter Strafe, ohne dabei eine Censur durch kirchliche 
Organe zu erwähnen. Um politische Schriften und Zeitungs- 
referate kümmerte sich, den vorhandenen Akten nach zu 
schliessen v der Erzbischof von Köln im 17. und 18. Jahr- 
hundert in der Regel nur dann, wenn theologische Fragen 
oder die Gerechtsame des erzbischöflichen Stuhls berührt 
wurden. Nicht wenig störend für die Handhabung einer 
strengen Censur fiel endlich im Kutkölnischen die Haltung 
des Kölner Magistrats ins Gewicht. In Köln behauptete 
der Rat bereits zu Ende des 17. Jahrhunderts 2 ), von „un- 
denklichen Jahren her" das Recht zu haben, die Zeitungen 
zu privilegieren und zu censieren. Und im 18. Jahrhundert 

') Näheres im nächsten Abschnitte. 

~) L. En neu in den Annalen des historischen Vereins für den Nieder- 
rhein Heft 36, S. 25 f. 



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46 



Emil Pauls 



gehörte dort die Censur zu den Amtsgebieten, bei denen 
die Grenzen zwischen der kirchlichen und weltlichen Macht 
recht verschwommene waren. 

Die seltsamen nachbarlichen Zustände, wie F. Walter 
das Verhältnis zwischen der Stadt Köln und dem Krzbischofe 
nennt 1 ), veranlassten nämlich auch bei der Beaufsichtigung 
der Presse merkwürdige Reibungen. Als im Jahre 1732 
der Erzbischof den Verkauf eines Werkes verbot, dessen 
Privilegierung in Wien erschlichen worden war, erkannte 
der Rat das Verbot nicht an. Der General vikar konnte 
seinem Herrn nicht anders berichten, als dass dagegen in 
der Stadt Köln nichts zu machen sei. Der Wunsch nach 
Vereinbarungen mit dem Rat in Bezug auf die Pressfrage 
kommt in den Akten wiederholt vor, scheint aber unerfüllt 
geblieben zu sein. Denn, als im Jahre 1787 der kurfürstliche 
Hoffiskal die Kölner Buchhändler vorladen liess, erklärte 
der Rat, „die Sache schlage ins Politicum", der Erzbischof 
habe ein Vorladungsrecht nur in Ehe- oder Matrimonial- 
fragen. Darauf bedeutete der Erzbischof seinem Fiskal, 
dass er besser gethan haben würde, die Buchhändler einzeln 
zu benachrichtigen. Wolle aber der Rat seinen Bogen 
noch höher spannen und gar das Recht der erzbischötlichen 
Censur ganz in Abrede stellen, dann werde man die ein- 
gehenden Bücherpackete an der Grenze des Erzstifts unter- 
suchen lassen und den Buchhandel im Kölnischen unter- 
sagen. 

Bereits aber ging es mit dem Kurfürstentum zur Neige. 
Das Umsichgreifen der von Westen her unaufhaltsam vor- 
dringenden republikanischen Ideen konnten Censurbe- 
stimmungen irgend welcher Art nicht verhindern. Ein 
auffälliges Geschick wollte es, dass im Jahre 1797 am 
Niederrhein zuerst in der kurfürstlichen Residenzstadt Bonn 
unter Trommelschlag und dem Beifall der Bevölkerung die 
von der Mittelkommission 2 ), der höchsten republikanischen 
Behörde zwischen Rhein und Maas, dekretierte Pressfreiheit 



') F. Walter, Erz.stift und Reichsstadt Köln. Bonn 1866, S. 297. 
-') Sic hiess amtlich Commission interinediaire, was man vor 100 Jahren 
mit ..Mitteleommission" übersetzte. 



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Zur Geschichte der Ccnsur am Niederrhein. 



verkündigt wurde 1 ). Freilich lag hei dem schönen Worte 
mehr Dichtung als Wahrheit vor. Die Republikaner 
kannten keine Pressfreiheit im Sinne der Duldung einer 
offenen gemässigten Besprechung von bestehenden Uebel- 
Ständen oder den Missgriffen der Behörden. Schon 1798 
stellten sie, wenigstens für die Geistlichkeit, nicht nur die 
Schrift, sondern selbst die Rede unter die schärfste Auf- 
sicht und bedrohten die Aufreizung zum Aufruhr gegen 
die Regierung mit Einzeleinsperrung auf Lebenszeit. Unter 
dem Kaiserreich kam es so weit, dass seit dem Ende des 
Jahres 1807 die Zeitungen keine anderen politischen 
Artikel als aus dem Moniteur entnommene bringen durften. 
Vom Januar 181 1 ab durfte sogar im grossen Bezirk des 
Roerdepartements nur ein einziges politisches Journal zur 
Ausgabe gelangen 2 ). 

t 

Etwas anders wurde es nach der Besitzergreifung der 
Rheinlande durch die verbündeten Mächte und die Krone 
Preussen. An eine Pressfreiheit im heutigen Sinne war 
allerdings damals nicht zu denken, sie hätte zu dem ab- 
solutistischen Staatssystem in Russland, Oesterreich und 
Preussen in schroffem Gegensatz gestanden. Aber im 
Vergleich zur Knebelung der Presse in den beiden letzten 
Jahrzehnten vor 1814 war die nach den Befreiungskriegen 
in Wirksamkeit tretende deutsch-preussische Censur eine 
milde. Die höchsten Beamten am Niederrhein, die General- 
Gouverneure Sack und Gruner veröffentlichten nur wenige 
Censurbestimmungen. Der von Napoleon I. eingeführte, 
in katholischen Kreisen sehr missliebige sogenannte 
Katechismus-Napoleon wurde unterdrückt, auch wurde vor 
der Lamezan'schen Flugschrift gewarnt. Lamezan hatte 
die Rheinländer aufgefordert, sich selbst eine Verfassung 
durch zahlreiche aus den Rheinlanden gewählte Senatoren 
und Abgeordnete zu geben. Anscheinend sind damals am 
Niederrhein nur diese beiden Censurbestimmungen ver- 
öffentlicht worden. Aus den Akten im Düsseldorfer Staats- 



') V. Hesse, Geschichte der Stadt Bonn während der französischen 
Herrschaft. Bonn 1879, S. 151. 

'-') Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. XV. S. 118 — 1*1. 



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48 



Kmil Pauls 



archiv geht ausserdem hervor, dass die der Oeffentlichkeit 
entzogene Handhabung der Censur von kleinlicher Auf- 
fassung sich frei hielt 1 ). 



Erzstift Köln. 
B. Urkundliches zur Geschichte der Censur. 

I. Beurteilte Schriften. 

In den Bruchstücken des Kurkölnischen Geheimen 
Geistlichen Archivs 2 ) im Düsseldorfer Staatsarchiv befinden 
sich acht Aktenbündel, die auf den Büchervertrieb und die 
Büchercensur im Erzstift Köln während des 18. 3 ) Jahr- 
hunderts Bezug haben. In den nachstehenden, einer 
kurzen Einleitung angeschlossenen Auszügen bedeutet ein 
dem Büchertitel beigesetztes Sternchen, dass die censierte 
Schrift den Akten beiliegt. 

Sieht man von einigen Ausnahmen ab, wobei es sich um 
Empfehlungen oder Anfragen handelt, so treten in den AUten 
nur solche Schriften entgegen, deren Beurteilung ausser- 
gewöhnliche Verhandlungen notwendig machte. Ziemlich 
unzweifelhaft führten ehemals die erzbischöflichen Cen- 
soren über die von ihnen geprüften Werke Buch 4 ). Nähere 
Verhandlungen zwischen dem Censor und der erzbischöf- 
lichen Behörde entspannen sicli in der Regel nur dann, 
wenn besondere Verhältnisse dazu drängten. Wenn ein 
ohne Gensur erschienenes Buch Aufsehen erregte, wenn 
einflussreiche Kreise die Entscheidung des Censors be- 
mängelten, oder wenn gar im Kampf der Meinungen die 
Person des Erzbischofs selbst in Mitleidenschaft gezogen 
wurde, dann blieben gegenseitige Auseinandersetzungen 
unvermeidlich. Erörterungen dieser Art bieten die vor- 

') Zeitschrift des Aachener Geschichtsveretns Bd. XXI, S. 2\(> IT. 

,J ) Unzweifelhaft befanden sich auch in ih n Akten der theologischen 
Fakultät in Köln viele Schriftstücke zur Geschichte der Censur im Kurkölnischen. 
Diese Akten sind spurlos verschwunden. J. Hansen a, a. < ). S. l vi- 

:l ) Einzige Ausnahmen: Einige Aktenstücke aus den Jahren [698 und 
1699 über die Flugschrift Theatrum solenne, und ein Schriftstück aus dem J- 1801. 

4 ) Bücher dieser Art fehlen im Düsseldorfer Staatsarchiv und sind wohl 
auch anderweitig nicht mehr vorhanden. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 



49 



liegenden Akten. Sie entrollen ein ziemlich reiches Bild 
von der Wirksamkeit der Censur im Kurkölnischen vor 
100-200 Jahren. Die Erzbischöfe machten von ihrer 
Machtbefugnis der Censurbehörde gegenüber ausgiebigen 
Gebrauch. Ganz wie es ihnen passte, wandten sie sich 
direkt an den Censor, oder Hessen ihm durch den General- 
vikar ihre Anweisungen zugehen. Zuweilen wurde der 
Censor ganz umgangen und statt seiner der Generalvikar 
befragt, oder es censierten neben ihm noch andere Theo- 
logen, so namentlich Mitglieder der theologischen Fakultät 
in Köln. 

Unter den in den Akten vorkommenden Schriften sind 
die Medizin, die Natur- und die Sprachwissenschaften 
nicht vertreten. Sicher wurden solche profanwissenschaft- 
liche Werke häufig dem Censor vorgelegt und wohl meist 
kurzer Hand genehmigt. Mitunter mögen sie dadurch, 
dass der Verfasser sie auswärts drucken liess. der Censur 
sich entzogen haben, oder aber trotz der fehlenden Censur 
ihres streng sachlichen Inhalts wegen völlig unbeanstandet 
im Umlauf geblieben sein. Das Fehlen von Frörterungen 
über Schriften und Zeitungsartikel politischer Art braucht 
nicht aufzufallen. Vor der Fremdherrschaft, im Zeitalter 
der Kindheit des Zeitungswesens, waren politische Referate 
oder Schriften ziemlich selten. Grundsätzlich sollte der 
Abschnitt „Politik" in den Zeitungen hauptsächlich nur 
eine einfache Darstellung der Thatsachen bieten. Wagte 
es ein Zeitungsschreiber, eingehendere politische Referate 
zu liefern, so gab es in der Regel von nah und fern, meist 
von sehr hoher Stelle aus, scharfe Beschwerden i). In 
Hinsicht der in Köln erscheinenden Zeitungen hatte die 
erzbischöfliche Kurie mit solchen Beschwerden nichts 
zu schaffen; denn dort censierte, wie bereits erwähnt, 
der Rat die Zeitungen. Ausserhalb Kölns erschienen im 
Erzstift nur sehr wenige Zeitungen, und auch bei ihnen 
mag die Kurie über den Abschnitt „Politik" hinweggesehen 
haben. Politische Schriften, darunter viele mit den ge- 
hässigsten Ausfällen gegen den Katholizismus, erschienen 



') L. Ermen a. a. 0. S. 47 IV; Vgl- auch unten bei Jülich-Kleve 
Jahrbuch XV. * 



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60 



Knill I'auls 



in Hülle und Fülle am Niederrhein erst in den letzten Jahren 
des 18. Jahrhunderts, nachdem der Erzbisehof vor den 
Republikanern geflohen war. Dass aber auch damals die 
erzbischöfliche Behörde auf die Zeitungen, die in dem von 
den Franzosen nicht besetzten Teile des Erzstifts erschienen, 
ihr Augenmerk richtete, folgt aus ihrer Beschwerde 
gegen das Magazin für Westfalen (47) i). Bei der Prüfung- 
juristischer Werke, in denen die Gerechtsame des erz- 
bischöflichen Stuhls zur Sprache kamen, ging die Kölner 
Kurie sorgtältig- zu Werke, um einer Schmälerung ihrer 
Rechte durch die Rüge gewagter Behauptungen vor- 
zubeugen (6, 14, 25). Die Jesuiten nahm der Erzbischof 
kräftig gegen Spottschriften in Schutz (1 und 10), auch 
duldete er keine Schmähschriften gegen den Protestantis- 
mus (31) und unterzog die Manuskripte der sogenannten 
Contro verspredigten einer genauen Prüfung (33 und 37). 
In arge Ungelegenheiten kam die Kölner Kurie, als in 
zwei Fällen der erzbischöfliche Censor seine Genehmi- 
gung zum Druck einer die evangelische Religion ver- 
letzenden Schrift erteilt hatte. Die preussische Staats- 
regierung beschwerte sich und fand in der Wiener Hof- 
burg geneigtes Gehör (11 und 20). Anderseits gelang es 
dem Kölner Erzbischofe, die Amtsentsetzung des Professors 
der evangelischen Theologie Raab in Duisburg herbeizu- 
führen, der nicht nur mehrere Fürsten, sondern auch den 
Katholizismus auf das heftigste angegriffen hatte (13). 
Der Schwerpunkt der erzbischöflichen Censur lag natur- 
gemäss in der Aufsicht über theologische Schriften. Da 
galt es dem Kampfe gegen den Aberglauben und die vom 
Katholizismus abweichenden Lehren. Wir stossen auf eine 
Reihe von Werken, die ihrer Zeit über Deutschlands Grenzen 
hinaus Aufsehen machten: Richer (5), Heyendal (4), Isen- 
biehl (28 und 34), Brinkmann (29), Trenk (36), Schenkl (38), 
Schneider (40 und 41). Daneben fehlen nicht seltsame 
Schriften kleinerer Art: Eine abergläubische Inschrift auf 
einem Bruderschafts-Skapulier und ein aus 34000 „Vater 
unser" bes tehendes Gebet (2 und 19). In Schannat-Hartz- 

') Im Nachstehenden verweisen die eingeklammerten Zahlen auf die 
Mummern der unten folgenden Auszüge. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 



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heims Concil. German, hatte ein früherer Jesuit eine an- 
stössige Biographie Clemens XIV. hineinzubringen ver- 
sucht (26); den Thomas von Kempen beabsichtigte ein 
kurkölnischer Hauptmann in Verse zu übertragen (49; 
vgl. über Thomas von Kempen auch No. 16). Zur Ge- 
schichte des Büchercensors und Bonner Professors 
Hedderichi), eines Vertreters der Josephinischen Richtung, 
bieten die Akten manche interessante Anhaltspunkte. Mit 
richtigem Blick erkannte das Kölner Domkapitel, dass 
Hedderich und sein Kollege an der Bonner Universität, 
der berüchtigte Ex-Franziskaner Eulogius Schneider durch 
ihre Anschauungen und ihr Auftreten dem Ansehen der 
katholischen Universität Bonn in hohem Grade schadeten. 
Noch aber nahm der Erzbischof beide in Schutz! (41). 
Schneiders Gedichte (40) sind ganz im Stile Friedrich von 
derTrencks 2 ) gehalten. Recht bemerkenswert ist schliesslich, 
dass der Erzbischof theologische Artikel in Zeitungen nicht 
duldete (24), und dass noch im Jahre 1735 ein Dominikaner 
als apostolischer Inquisitor und Büchercensor in der 
Kölner Diöeese aufzutreten versuchte' 5 ). 



1. 1(»«)S und 1699. Theatrum solenne. 

Anonyme Flugschrift, als deren Verfasser der Pfarrer Johann 
»Orsbach an Maria Lyskirohen in Köln ermittelt wurde. Forsbach 
hatte «las Thoatrmn solenne, das Auslalle gegen die Kölner Jesuiten 
enthält, gelegentlieh seines Doktorschmauses (convivium doctoralfl) 
unter die Gäste verteilen lassen. Die Jesuiten klagten beim Erz- 
bischof wegen Beleidigung und wegen missbräuchlicher Anwendung 
von W orten der hl. Schrift 4 ). Kersbach behauptete, dass die Streit- 
hage vor das „apostolische Tribunal" des Rektorats der Qniversital 
Köln gehöre, da er Doktor und Professor der Theologie sei. I ttter 



') Start, in. J. 1808 zu Düsseldorf. Vgl. ftU seiner Biographie auch die 
Angaben im folgenden Abschnitt. 

*) Beide, Schneider nnd TrenV, wurden imj. .704 während der Schreckens- 
herrschaft zu Paris hingerichtet. 

s ) VgJ. Beilage II. 

4 ) Forsbach behauptete, dass die Jesuiten ihm gemachte Zusagen nicht 
gehalten hätten und schrieb daher: Dicuut et nön laciunt. (Math. cap. 23 V. 3). 
Christus hat diese Worte auf die Pharisäer angewendet. 

. 4* 



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Emil Pauls 



Hinweis auf das Tridentinum wies der Erzbischof diesen Einspruch 
zurück und beantragte Anerkennung- seiner Jurisdiktion. Dem Rektor 
magnificus wurde bedeutet, sieh jedes Eingriffs in die erzbisehöflichen 
RechtjB zu enthalten; Forsbaeh wurde mit „Hemmung der Renten" 
bedroht. Der Erzbischof verlangte eine billige „ Reparation L zu 
Gunsten der Kläger. Wahrscheinlich endigte das Ganze mit einem 
Vergleich; der Ausgang der Sache geht aus den Akten nicht hervor. 

2. 1706. Inschrift auf einem Bruderschafts-Skapulier und zwei Schriftchen M : 
Wohl approbirter heyliger Segen zu Wasser und zu Land; klein Seelen-Schatz. 

Ein Skapulier der Bruderschaft der hl. Maria vom Berge Karmel 
trag die Inschrift : In <|iio moriens acternum non patielur incendium 
( Welcher da Stirbt in diesem Kleid, das Feuer nicht schmeckt in 
Ewigkeit;. Die Akten bieten hauptsächlich das Gutachten der Kölner 
theologischen Fakultät vom 3. August 1706, dass diese Inschrift ihres 
Erachtens durchaus unzulässig sei, und dass die beiden Schrift chen 
. . . „Segen . . und Seelen-Schatz . . . u unterdrückt werden möchten. 

3. 1712. Biographie des verstorbenen Herzogs von Burgund. 

Erzb. Erlass an den Generalvikar in Köln d. d. Valenciennes 2 ), 
1712 August 28. Aufforderung, sich nach einem geeigneten Über- 
setzer umzusehen, der auf Kosten des Erzbischofs ein in französischer 
Sprache erschienenes Werk über das Leben des verstorbenen Herzogs 
von Burgund und Dauphins, eines Vetters des Erzbischofs, ins 
Deutsche über! rage. 

4. 1713—1715. Defensio scriptorum theologicorum de gratia Christi 
von N. Heyendal. 

Erzb. Erlasse und Berichte des Generalvikars in Köln an den 
Erzbischof in Sachen der Defensio ... de gratia Christi, die der 
des Jansenismus verdächtige berühmte Abt Heyendal zu Klosterrath 
bei Aachen herausgegeben hatte. (Vgl. Annalen des bist. Vereins 
für den Niederrhein Heft 51, S. 1G6 ff.). Der Generalvikar stand 
auf Seiten der Kölner theologischen Fakultät, die mehrere Thesen 
Heyendais für verwerflich erklärt hatte. Der Erzbischof stimmte 
zwar seinem Generalvikar zu, verwies indes doch auf die noch aus- 
stehende Entscheidung des hl. Stuhles 3 ). In den (unvollständigen) 
Akten ist die Rede von einer nach der Defensio von Heyendal ver- 
fassten Verteidigungsschrift. Beiliegen zwei gedruckte Flugblätter: 
Erzb. Erlasse aus dem Anfang des Jahres 1715, worin, ohne dass 



') Es wird nicht ausgesprochen, ist aber ziemlich unzweifelhaft, dass diese 
Schriften mit der Frage der Zulässigkeit der Inschrift in Verbindung stehen. 
J ) Der Erzbischof weilte damals und noch lange nachher im Auslände. 
3 ) Diese fiel später ganz zu Gunsten des Abtes aus. 



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Zur Geschichte <lcr Ccnsur am Niederrhein.. 53 

Verfasser oder Titel genannt werden'), vor Schriften gewarnt wird, 
die die Entscheidung (eonstitutio) Clemens XI. über die Quesnellia- 
nisclien Lehrmeinungen (super Qucsnellianis propositionibus) be- 
kämpfen. 

5. 171». Nicht näher bezeichnetes Buch-) Edmund Richers. 

Schreiben des Bischofs J. Max von Thun-Hohenstein von Gurk 
im Erzbistum Salzburg (1719 März 17.) an den Brzbisohof von Köln, 
dass in Köln ein längst, für ketzerisch erklärtes und widerlegtes, vom 
Verfasser selbsl widerrufenes Werk E. Riebers in einer neuen Auf- 
lage erschienen sei. Hierzu berichtet der Kölner Generalvikar am 
18. April L719, dass Richers Werk nicht in Köln, sondern in Holland 
auf den Namen eines Kölner Buchhändlers verlegt worden sei. Der 
Verkauf sei in Köln nicht eher zu hindern, als bis mit dem Magistrai 
hinsichtlich der Revision der Buchläden und Druckereien bestimmte 
Vereinbarungen getroffen würden. Manche „liederliche und gar aber- 
gläubische Karben" kämen in Stadt und Land zum Verkauf, ohne 
dass man einige Nachricht darüber habe. 

6. 1729. De cardinalitia praeeminentia Coloniensis electoris 

von Kanonikus M. L. Noel. 

Nach dem eingeholten Gutachten waren einige der in diesei 
Schrift hervorgehobenen Vorrechte nicht genugsam erwiesen. Man 
fürchtete, dass bei den Erörterungen über zweifelhafte Vorrechte 
auch unzweifelhafte Rerecht i-ungen in Mitleidenschalt gezogen 
werden könnten. Ein kurf. Erlass (Renn, 1729 Dezember 19.) be- 
fahl daher die Unterdrückung des Werkchens in möglichst wenig 
auffälliger Weise. 

7- 1734. Gebet- und Gesangbüchlein nebst Regeln der in der Kirche der 
Jesuiten unter dem Namen der Todesangst Chnst. zur E rha |,ung 

eines seligen Sterbestündleins bestehenden Bruderschaft. 

Erzbisch. Approbation dieses Schriftchens vom 15. Dezember 
1734. Beiliegen ein Memorial und ein Bericht über die Geschichte 
dieser Bruderschaft, auch eine ältere erzb. Approbation vom 2b. 
•bini 1G80. 

') Jedenfalls gegen ileyendal gerichtet. Ein ebenfalls der, Akten bei- 
liegender "gedruckt« Erlass Karls VI. an den Kölner Erzb.schof von ^ e- 
bruar , 72 | verweist eine Heyendal nicht berührende Strc.l rage, in d kr 
Partei sich auf die Bulle Unigenitus bezogen hatte vor das erz Who bc e 
Forum. Dieser kaiserliche Erlass liegt wohl nur deshalb bei, weil die Bulle 
Unigenitus zu den jansenistischen Streitfragen in Beziehungen stein. 

*) Jedenfalls E. Richer, de eccl. et politic. potestate. Paris .611. 



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8. 1735. Christianus inferior von E. J. de Berineres, deutsch von 
F. Brandenberg, Einsiedeln 1713; Vita seu via Spiritus von A. de Roxas, 
Köln 1695; Deus solus von H Boudon, Köln 1723; Vita aeterna von 
P. Joannes Evangelista (Capucina), Köln 1719; Thalamus sponsi von Pet. 
Godefrido ord. sct. Francisci .... Köln 1723. 

Längere Belichte und theologische Gutachten über fliese des 
Molinosismus ') verdächtigen meist Pseudonymen Schriften, die 
namentlich in Nonnenklöstern beliebt waren. Der Erzbischof verbot 
diese Schriften im April und Juh" 173;"). Ein längeres Gutachten 
versucht ferner Molinistische Irrlehren nachzuweisen in einer Hand- 
schrift: Oopey von etlichen Briefen, welche von einem 
mit Ruhm der Heiligkeit lebenden Ordenspriestern her- 
kommen. Es handelte sieh hierbei um einen Briefwechsel zwischen 
einem angeblich noch lebenden Mönche und einem Priester im 
Himmel. Kirchenrechtlich bemerkenswert ist ein im Conoept hei- 
liegender Erlass des Kölner Erzhischofs vom !). Februar 1735, in 
dem er gegen die von einem Dominikaner beanspruchte Berechtigung 
zur Ausübung des Amtes eines apostolischen Inquisitors und Bücher- 
censors in der Erzdiöeese Köln Einspruch erhebt-). 

!). 173«. Mai. N. Cochems Werke (opuscula). 

Aufforderung an den Büohercensor, die Werke N. Cochems 
oiil. s. Finne. Capucin. durchzusehen (revidere). 

10. 173«. * Canis non mutus a saneto Thoma ad latrandum incitatus. 

Erzb. Verbot dieser Schrift vom 28. Juni 1 73G. Gregor XIII. 
halte im Jahre 1E>82 den Verkauf des St. Achatms-Nonnenklosters 
in Köln an die Jesuiten gestattet Eine auf diesen Verkauf bezüg- 
liche im Jahre 1732 erschienene Schrift: Depositiones extra- 
ordinariae duarum velatarum virginum conv. s. Achatii 
Colon, enthielt viele AnkJagepunkte gegen die Jesuiten. Diese 
antworteten mit der Gegenschrift: Justa et extorta defensio 

patrum collegii societat. Jesu. Coioniae Coloniao 

1734 (8 V0 104 S.). Hierauf erschien der Canis non mutus .... 
Coioniae sub signo canis 173G (8 V0 150 S.). Sowold dem „Canis" 
als der „Justa defensio- sind einige Urkunden zur Ge- 
schichte des Klosters beigefügt. 

11. 1738 und 1730. a) Discours zweier reformirter Bürger Hiob und 
Simson über den Heidelberger Katechismus; b) Vier verschiedene Ge- 
spräche zwischen .... Grobianus Tölpel und einem Jüngling Gottlieb. 

Der in Köln erschienene, vom orzbischöflichen Censor Neu- 
mann und zwei Geistlichen approbierte „Discours" enthielt Ausfälle 
gegen den Protestantismus. Zu Ende November 1738 klagte der 



') Vielfach visionäre Verirrungen. 
-') Vgl. Beilage LI. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. ■ 



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König! preusaische Anwalt v. Grave in Wien beim Reichshofral 
(Fiscal. caesar.) gegen diese „schand und lasterhafte Schrift''. Im 
Februar 1738 leitete der Ueiehshofrat gegen die Verkäufer und 
Censoren das Strafverfahren ein, indem er gleichzeitig die beim 
Bacher-Kommissar in Frankfurt, vorhandenen Exemplare! des „Dis- 
Oours« beschlagnahmen Hess und den Kölner Magistrat ersuchte, 
den Verfasser ZU ermitteln. Der Frzbischof von Köln forderte zu- 
nächst den Censor Neumann zum Bericht auf. Neumann verteidigte 
seine Approbation in bogenlangen Auszügen aus dem 8 Dis<»urs fc 
und dem Heidelberger Katechismus. Em August 1738 wandte sich 
der Kölner Erzbischof an den Kaiser. Er berief sich' auf das 
Tridentimim und erklärte die Censur des ,, Discours" für eine 
theologische; gleichzeitig beantragte er die Aufhebung des ein- 
geleiteten Verfahrens und die Zurückverweisung der Sache an die 
erzb. Kurie. Der Kaiser entschied im November 1738 zu Un- 
gunsten der Auffassung des Erzbisehofs. Sc. .Majestät, so hiess es, 
wolle keine Eingriffe in die .Iura ordinaria episc. machen, diese 
vielmehr kräftig "schützen. Im vorliegenden Falle handle es sich 
alter nicht um Lehrsätze des katholischen Glaubens, sondern um 
eine Verletzung der Bestimmungen des Religionsfriedens, nach denen 
jeder der Religionsverwandten in Rade und Schrift in den ge- 
bührenden Sehranken der Bescheidenheit sich halten müsse. Se. 
Majestät halte daher beschlossen, dem eingeleiteten fiskalischen 
Brozess seinen Lauf zu lassen. Kämen ebenso anstössige Schriften 
gegen die katholische Religion zum Druck und zur Kenntnis des 
Kaisers, so würde Se. Majestät gegen derartige Schriften ebenfalls 
vorgehen. — Daraufhin übersandte im August 1730 der Kölner 
Erzbischof das Buch „Vier verschiedene Gespräch . . .", als dessen 
Verfasser er einen im Klevischen wohnenden Prediger Daniel 
Manu bezeichnete, an den Kaiser. Der Erzbischof erklärte, dass 
hierin die Schranken zu Ungunsten des Katholizismus überschritten 
«eien; er bitte, da Se. Majestät im vorigen Jahre sich gegen der- 
artige Schriften ausgesprochen habe, gegen den Verfasser und Ver- 
leger vorzugehen. Damit schliessen die Akten. Anscheinend hat 
der „Discours« nach Aendcrung des Titels und Beseitigung einiger 
Stellen später verschiedene Auflagen erlebt. 

12. 17311. Director. univers. theolog. moral Thom. Tilly. Anderer Titel: 
Dictionarium theolog. Omnes quaest. tot. theol. mora!. 

Günstige Beurteilung dieses Werkes durch den Büchercensor 
Neumann in einem Bericht an den Erzbischof vom 27. August 173.). 
Beiliegen mehrere ähnlich günstige Gutachten von anderen Theologen. 

«3. 1740. Ein Artikel des Duisburger Intelligenzblattes vom 2. Februar 'J40. 
(Verfasser Raab, Professor der evangelischen Theologie in Duisburg.) 

Raab hatte die katholische Religion und verschiedene Fürsten, 
so namentlich den verstorbenen König August den Starken auf das 



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56 Emil Pauls 

heftigste angegriffen. Er nannte die Messe die abscheulichste Ab- 
götterei nml sprach von den Oeremonien und Reliquien dos Anti- 
christs. August der Starke habe seine Erbländer ruiniert, seine 
Unter! hauen ausgesogen, die Blutschande aufs höchste getrieben 
Unzucht und Doppel-Ehebruch häufig begangen, seine Seele brenne 
ewig trotz der elenden Seelenmessen .... Beschwerdeführend 
wandte sich der Kurfürst von Köln an den Kaiser, teilte auch den 
Sachverhalt den Königen von Polen und von Frankreich, sowie den 
Kurfürsten zu Bayern und zur Pfalz mit. Von mehreren dieser 
Fürsten liegen Antwortschreiben den Akten hei. Kaabs Artikel war 
ohne Wissen des Duisburger Univorsitätscensors erschienen. Der 
Sachverhalt wurde von der Universität nach Berlin gemeldet, worauf 
der König sofort die Beschlagnahme und Vernichtung des Intelligenz- 
blattes vom 2. Februar 1 740 anordnete. Auch entsetzte er durch 
einen Befehl an die Klevische Regierung schon am 20. Februar 1740 
Raab seines Amtes'). 

Ii. 1745. Conat. chronolog. ad catalog. episcop. archiepisc. . Coloniens 
Sumptibus Joann. Willi. Krakamp et haered. Christ. Simonis. Coloniae 1745. 

Bekannte Schrift des Karthäusers Michael Mörkens in Köln. 
Mörkens, der bei der Herausgabe des „Conatus" bereits 55 Jahre 
Ordensmitglied war, hatte etwa 30 Jahre auf dieses Werk verwandt. 
Erzb. Erlass vom 21. März 1745 an den Censor Neumann, ' das 
Buch durch „zwei oder mehrere der Sache gewachsene brave Leut" 
flcissigst nachsehen zu lassen, damit nichts gedruckt werde, was den 
erzbischöflichen oder kurfürstlichen Kochten nachteilig sein könnte. 
Beiliegen ein paar Outachten, darunter das des Censors Neumann. 

15. 174«. Esprit de Jesus Christ et de son eglise sur la frequente 
communion, par le P. Jean Pighon S. J. 

In den Akten nur eine günstige Censur und Empfehlung dieses 
Buches. 

16. 1748. F Dyonis. Genger ord. Cisterc: Thomas von Kempen von der 
Nachfolgung Chiisti zu dem innerlichen Gebet eingerichtet und 

durch einen Anhang zu einem täglichen Gebetbuch. 

In den Akten das zustimmende Gutachten des erzb. General- 
vikars, sowie die Gutachten des Censors Neumann vom 14. Mai 1741 
und zweier Doktoren und Professoren der Theologie an der Kölner 
Universität aus dem Mai 1748. 

17. 1749—1751. Nova demonstratio de falsitate revelationum Agreda- 

narum von P. Amort. 

Die „Nova" . . waren in Bayern verboten worden, obschon 
«1er Bischof von Augsburg sie approbiert hatte. In den Akten ein 

') Vgl. Beilage III. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 



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Auszug aus einem Breve Benedikts XIV. vom 19. Juli 1749 und 
ein paar Schreiben des Bischofs von Augsburg an die Kurfürsten 
von Köln und von Bayern. 

18. 1749 Jakob Heinr. Schlömer, Trierischer Kreuzweg. 

War auswärts approbiert; der Kölner erzb. Censor und ein 
anderer Geistlicher censierten dagegen ungünstig und suchten die 
Unterdrückung des Schriftchens herbeizuführen. Der Verfasser wird 
»famosuB autor" genannt. Ein beiliegender Brief von ihm ist reich 
an heftigen Ausfällen gegen die ungünstige Censur und die „Mönche". 

19. 1751. I. Principia iuris publici ecclesiastici Catholicorum ad statutn 
Germaniae accomodata in usum tyronum. Francofuriae et Lipsiae 1746. 

2. Dissertatio iuris publici de monarchia S. R. J. limitata, asserta a Dam. 

Ferd. Haas. Jiessae 1750. 

3. Hinindischer Hof oder ein Gebet, welches bestehet entweder in 34000 
Vaterunser, soviel Ave Maria Gloria Patri oder 34 Messen, oder soviel 

Fasttägen . . Köln bei Wittib Schorns. 
4. Geistlicher Krippenbau, das ist gottselige Uebungen auf die 
Adventszeit. Köln 1721. 

Gedrucktes Flugblatt vom 13. Dezember 1761, auf dem das 
Verbot dieser vier Bücher mit dein Vorbehalt der Entscheidung 
Roms ausgesprochen wird. (Donec S. sedcs de illis . . . plenius 
iudicaverit). Beiliegt, ein Outachten der Kölner theologischen Fakultät. 

20- 1751 und 1752. I. Evangelium reformatum, das ist abermal lustiges 
Gespräch zwischen dem Teufel und dreien Ketzern, lutherischen, 
kalvinischen und Wiedertäufern. 

2. Aelii Laelii . . . Epistol. Galateae . . . Franc. Sedorfs s. J. Leipzig 1750. 

3. Der geplünderte Jesuiten-Bote von Professor G. Fabricius in Herborn 1751. 

4. Freundschaftliches Schreiben an Sr.Hochw. Gnaden von Franken Sierstorpf 
Vicarium generalem in Köln, von Professor G. Fabricius in Herborn. 

Das „Evangel. ref.* nannte Franz L (Wien 1751, Septbr. 3.) 
in einem Erlass an den Kölner Kurfürsten eine Schmähschrift ; der 
Hoffisc-i] sei mit der Einleitung des Sti-af verfall rens beauftragt, der 
KurfürBt möge in Zukunft seine Bücherccnsoren scharf beaufsichtigen. 
Der erzb. Censor Kauftmanns berichtete hierauf dem Erzbischof, 
dass er das Buch wegen des Auftreten des Teufels 1 ) anfänglich 
Oieht habe approbieren wollen. Schliesslich habe er nachgegeben, 
weil es sich nur um eine neue Auflage einer i. J. 1017 approbierten 
Schrift handele. Der Hoffiskal beschlagnahmte beim Buchbinder 
Balth. Nei iwirth in Köln 3G5 Exemplare und nahm den Büchorcensor 
Kauffmanns in eine Strafe von 10 Mark Gold.' Kauffmanns ver- 
weigerte unter Berufung auf seinen geistlichen Stand die Annahme 

') Quia non placebat diabolum seenam agcre, quäle scribendi genus uiique 
a d infimi ordinis polcmicos pertinet. 



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Emil Pauls 



des Strafmandats und suchte beim Erzbischof Schutz. Darauf wandte 
sich Clemens August im Dezember 1751 an Kaiser Franz [. Er 
lnili die Bestimmungen des Tridentinums und namentlich auch den 
Umstand hervor, dass auf der Frankfurter Messe zahlreiche Schrillen 
feilgehalten würden, die auf den katholischen Glauben schmähten. 
Kranz [. wies «Ion Wunsch des Erzhischofs am 10. März 1752 
zurück »), worauf Clemens August, i. J. 1752 wiederholt, zuletzt am 
LI. Dezember, versuchte, durch eingehenden Bericht an den Kaiser 
die Entscheidimg vom 10. März 1752 rückgängig zu machen. Dabei 
führte er die Schlitten .. Aelii Laelii etc." (vgl. unter 2, 3 und 4) 
als Beweise dafür an, dass viele dem Katholizismus feindliche 
Schmähschriften im Umlauf seien. Der Ausgang der Sache geht 
aus den Akten nicht hervor. 

21. 1754. Zwölf-freitägiges Fasten. Augustusburg 1754. 

Erzb. Erlass (1754 Mai), der Nachforschungen nach dem Ver- 
fasser anordnet. Das „zwöll'-freitügige Kasten oder die kurze Nach- 
richt" enthalte „frevelmüthige Ausstreuungen" über die Wirkungen 
des Fastens. 

22. 175S. Lustgarten wahrer Andacht. 

Erzb. Erlass vom 4. November 1758, dass der Hofbucbdriu kei 
die vom Censor Kauffmanns bei diesem Gebetbuch gemachten Aus- 
stellungen zu berücksichtigen habe. 

23. 17K8 und 17(>{). Ungenannte Schrift. Verfasser v. Emmerich 
in Regensburg. 

Der Verfasser hatte im September 17G9 dem Kölner Kurfürsten 
ein Exemplar seines „gegen den Freigeist gericht et en christlichen Büch- 
leins" mit der An frage zugesandt, wie viele Exemplare zum Nutzen and 
Dienst des Erzslifts gewünscht würden. Nach eingeholtem Gut- 
achten Hess der Kurfürst dem Verfasser im März 1709 bedeuten, 
dass er zur Zeit nicht gesinnt sei, einige Exemplare zu bestellen: 
„Im Erzstift wisse man vom Freigeist nichts" 2 ). 

24. 1773. Zeitungsartikel Uber die berühmte Bulle Unigenitus von Kanonikus 
Joh. Martin Dahmen am St. Andreasstift. 

Der Artikel war im Kölner Staatsboten vom 30. April und 
7. Mai erschienen. Ein erzb. Erlass vom 15. Juni 1773 erklärte 

') Siehe Hei läge V. 

*) Es folgt in den Akten ein erzb. Krlass vom 12. Juni 1770, der es 
rügt, dass der Geistliche Schneider in der dritten Klasse des Laurenüanischcn 
Gymnasiums in Köln seinen Schülern ein Pensum diktiert habe, das unpassende 
persönliche Anspielungen enthielt. Das Pensum sprach von Krösus-Reichtum 
und einem Vorfalle, bei dem der Vater (Kommerzicnrat) eines der Schüler 
beteiligt gewesen war. 



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Zur Geschichte der Censur am Xiederrhein. 



:>'.> 



die Behandlung von theologischen Fragen in der Zeitnngsprcsso für 
unstatthaft, weil dadurch schädliches Nachgrübeln oder uberflüssiger 
Vorwitz erregt werde. Heiliegt ein langer Bericht des Censors 
Kauffmanns tiber die Frage, ob die Bulle „Unigenitus" absrisse et 
simpliciter pro regula fidei zu halten sei. 

25. 1773. I. De ecclesia episcoporumque et Romani pontif icis lejitima 

potestate contra Febronium; 
2. Zu Düsseldorf 1771 — 1772 erschienene Synopsis von dem zu Augsburg 
1769 gedruckten, in Frankreich verbotenen und zu Paris verbrannten Buche: 

Veritas consilii Burgofontain. 

Anscheinend nicht ganz vollständige Akten mit bemerkens- 
werten Angaben zur Geschichte der Censur. Brzb. Erlass vom 
19. Februar 1773: Häufiger sind Bücher, Dissertationen und andere 
Werklein ohne Censur zum Drin k befördert worden. So auch „De 
ecclesia .... contra Febronium" 1 ), worin Sätze stehen, in denen 
die bischöfliche Macht geschmälert, unterdrückt und ungebührlich 
misshandelt wird. Die bestehenden Consurbestimmungen sind besser 
zu beachten und den geistlichen Oberen einzuschärfen. Geber die 
Schrift „De ecclesia . . . . " wird Bericht erwartet. — Kauff- 
manns berichtet (11. März 1773), dass er geglaubt habe, die Jesuiten 
hätten bezüglich der Censur ihrer Schriften ein erzb. Privilegium, 
daher seien die Concilia Gormaniao von Schannat ohne Censur er- 
schienen. Nunmehr habe er 27 Bogen des Werkes des Jesuiten 
Garrieh durchgesehen, und habe der Provinzial gegen die Censur 
sieh nicht gesträubt- — Erzb. Erlass vom 16. März 1773. Jede 
von den .lesuiten ausgehende Schrift unterliegt der erzbischöflichen 
Censur. Alles, was die .lesuiten von der Schrift contra Febronium 
unter der Presse haben, ist unverzüglich an uns einzusenden. Folgt 
Hinweis auf die „Synopsis . . . veritas . . und eine Empfehlung 
der Duldsamkeit, „denn die Wahrheit selbst werde durch einen 
leidenschaftlichen Vortrag verdunkelt 8 — Kauffmanns an den Erz- 
bischof (Köln 4. April 1773) empfiehlt in einem längeren Gutachten 
das Carrich'sche Werk zur Approbation. Die „Synopsis" . . . habe 
er durchgesehen und nichts gefunden, „was ihm Beschwernis machen 
würde, solches zu approbieren." — Gereizte Antwort hierauf im erzb. 
Erlass vom 10. April 1773. Tadel, dass Kauffmanns den Erlass 
vom 16. März nur unvollständig befolgt habe. Der Erzbischof 
approbierl das Werk von Carrich in der bestimmten Annahme, dass 
es nichts gegen die erzbischöflichen Gerechtsame und die christliche 
Liebe enthalte. Er wolle in dieser Sache nicht weiter belästigt 
werden. Die Synopsis sei ein dem Publice ärgerliches und der 
akademischen .lugend schädliches Werk, selbst wenn der Inhalt un- 
widerruflich in der Wahrheit bestehen sollte: deshalb sei die Synopsis 
Schärfest zu verbieten. Der Erzbischof wolle den der öffentlichen Hube 



'1 In einem Programm aus der McUernich'schen Druckerei. 



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Emil Pauls 



nachteiligen Folgen, die die Jansenistischen und andere theologischen 
Streitigkeiten in anderen Ländern angerichtet hätten, thunlichst vor- 
beugen. Diesen EntschlilSS habe er bei seinein Regierungsantritt 
gefasst. 

26. 1775 Schannat-Hartzheim, Concil. German, tom. X. Biographie 
Clemens XIV. vom Exjesuiten Neissen. 

Bericht des Censors Kauffmanns vom 26. März 1775. Der 
Exjesuit Neissen hat in „Schannat- Hartzheims conc." eine höchst 
„schändliche, ärgerliche Lebensbeschreibung Clemens XIV. er- 
scheinen lassen." Die Verlagshandlung (Wittwe Krakamp) schützte 
ein zu Gunsten der Jesuiten in Censursaehen vorhanilen gewesenes 
erzb. Privileg vor. Kauffmanns hat entgegnet, dass ein derartiges 
Privileg nicht bestehe. — Erib. Erlass vom 29. März 1775, dass 
die schändlichen Ausdrücke in der Biographie Clemens' XIV. zu 
beseitigen seien, worauf die Approbation sofort nachgesucht werden 
müsset). 

27. 1?7(>. Compendium theolog. dogmatic. 

Zur Censur vorgelegt vom Provinzial der Minoriten. Der erzb. 
Censor lobt das Werk sehr und fragt an, ob der Erzbischof geneigt 
sei, zur Empfehlung des trefflichen Buches die Nennung seines 
Namens zu gestatten. Einige Beispiele, wonach eine solche Em- 
pfehlung früher vorgekommen ist. Zwei Aktenstücke, in denen die 
theologische Fakultät in Köln einen im Compendium enthaltenen 
Satz angreift. 

28. 1778. Isenbiehl Joh. Laurenz, Neuer Versuch über die Weissagung 

von Emanuel. 

Ziemlich umfangreiche Akten: Biographische Angaben über den 
Verfasser und ein längeres Pro Memoria über das später durch ver- 
schiedene deutsche bischöfliche Censoren, darunter auch den kölnischen, 
für ketzerisch erklärte Werk. (Vgl. den Artikel Isenbiehl im Kirchen- 
Lexikon von Wetzer- Welte.) 

29. 1781. Philosophische Betrachtungen eines Christen Uber Toleranz in 
Religion, zur Grundlage der Vereinigung sämtlicher christlicher Religionen. 

Anonym erschienen; Verfasser dieser durch erzb. Erlass ver- 
botenen Schrift, war der llofrath und Arzt Dr. Brinckmann in 
Düsseldorf. Vergl. unten bei Jülieh-Kleve-Berg. 

') Im Exemplar des io. Bandes von Schannat-Hartzheim (Jone. Genn., das 
sich in der Kölner Stadtbibliothek befindet, steht nur der auffällig erregt ge- 
haltene Schluss der Kiri^raphic Clemens XIV., die Übrigen Seiten sind beseitigt. 
Das Exemplar desselben Werkes in der Kftnigl. Landesbibliothek in Düssel- 
dorf enthält eine passende Lebensbeschreibung des Papstes, die der erzb. Censor 
Kauffmanns am 6. April 1775 genehmigt hatte. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 61 

30. 1783. De iure patronatus. Dissertation von Dollenschall, cand. iur. 

Erzb. Erlass vom 18. Mai 1783: <lie Dissertation enthält für 
unsere Stativ- und Indultar-Gerechtsame höchst „anzäplliche" Sätze . . . 
Folgt Hinweis auf ein paar Stullen ... Die Dissertation ist zu 
unterdrücken, oder die anstössigen Stelleu sind zu beseitigen. 

31. 1783. Ungenanntes Ms. von Hubert Reifler, das der Drucker 
G. Lümscher in Köln verlegen sollte. 

War Schmähschrift gegen den Protestantismus. Stilproben: 
«Die Stifter des Protestantismus sind heilige Teufel, die Prädi- 
kanten sind Betrüger, die Lehre ist teuflisch, der erste Protestant 
ist Lucifer." Der Censor Hedderich hatte die Approbation 
verweigert; dies billigte ein erzb. Erlass vom 28. Febr. 1783. 

32. 1785. Ungenannte Schrift des Professors Thelen vom 
Laurentianischen Gymnasium in Köln 

Bericht des erzb. Generalvikars an den Erzbischof vom 5. Ja- 
nuar 1785. Schreibart für die Hoheit des Gegenstandes zu platt, 
stellenweise geschichtswidrig, einige Anregungen unpassend: Coadjutor- 
wahl, Fivigeiste.vi, päpstliches Dispensat ionsrecht. Darf Buchdrucker 
Langen weiterdrucken? 

Entscheidung des Erzbischofs vom 7. Januar 1785 Das 
Büchlein lohnt nicht, davon Aufhebens zu machen. Solche Schritten 
überschreiten kaum jemals die Grenzen des „Bischofswegs« 2). Ver- 
nünftig denkende Leser könnten auf die Gelehrsamkeit und schone 
bündige Schreibweise des Verfassers schliessen. 

33. 1785. Ms. der Controverspredigt, die Pater Haan am Fronleichnams- 
feste in Mülheim zu halten beabsichtigte. 

Erzb. Generalvikar an Erzbischof (Köln, 1785 Mai 19.). Das 
Ms. wurde bereits vom Examinator synodalis Carrich durchgesehen 
Falls der erzb Büchercensor noch Bemerkungen machen will, wird 
«... Eile gebeten, da das Ms. auch der Düsseldorfer Regierung zur 
ESnsichl "„gelegt werden muss. P. Haan entschuldigt einige Satze 
der früheren Predigt damit, dass er sie dem Kurtrierischen Hirten- 
brief von 1780 entnommen habe. - Ereb. Entscheidung vom 
20. Mai. Nichts zu erinnern, das Ms. kann nach Düsseldori be- 
fördert werden. P. Haan ist aber zur Mässigung zu ennahnen, er 
darf die Kanzel nicht zum Schimpfplate herabwürdigen Nur Irr- 
tümer mussten durch „Wildgeschrei, Schimpfen und Gährung die 

Akten liegt hier bei eine Korrespondenz 
»'Hl dem Kölner Erzbischofe : ein paar Briefe aus dem Jub >7»5 ; Der Nur 



warnt vor den Lehren eines nicht genannten, jedenfalls damals sehr bekannten 
katholischen Theologen. Der Erzbischof dankt; es handele sich um einen 
Mainzer Theologen. , „. , D „ ; j 

'-•) Gemein! ist vielleicht das Weichbild bischöflicher Residenzen. 



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Emil Pauls 



Gemüther betäuben." Wenn P. Haan sich auf den Kurtrierischen 
Hirtenbrief beruft, so möge er zu dessen Auslegung das gleich- 
zeitige Kurtrierische Toleranzedikt nachsehen. 

34. 1787. Isenbiehl, Joh. Laur. De rebus divinis tractatus. Tom I. 
Francf. et Mogunt. 1787. 4 U 230 pag. 

Gutachten des Dekans und der Professoren der theologischen 
Fakultät in Köln. Unterzeichnet : P. Hedderich pro tempore decanus. 
Fleiss und Geduld sind zu bewundern, aber das ganze Werk ist 
unnütz und in vieler Hinsieht schädlich. Der Verfasser kann der 
Theologie nützlichere Dienste leisten, als durch eine Fortsetzung 
dieses Werkes. 

35. 1787. (?) Undatiert. Gesangbuch. 

Hedderich findet gegen ein zur Censur vorgelegtes Gesang- 
buch nichts zu erinnern, wünscht aber auf dem Titelblatte das 
Römisch-katholisch in katholisch geändert zu sehen, da der West- 
fälische Friedenstraktat nur Katholiken kenne. Ferner wünscht 
Hedderich, dass in Zukunft auch Kataloge über Bücherverkäufe zur 
Censur eingereicht w ürden. Das sei zwar bis jetzt nicht üblich 
gewesen, aber in den Katalogen ständen häufig nicht censierte 
Hüeher : auch würden mitunter ausser den angezeigten Schriften 
nebenbei andere Bücher verkauft, was verdächtig erscheine. Erzb. 
Erlass vom 15. Februar 1787: Die Kölner Buchhändler haben in 
Zukunft ihre Kataloge dem Bücherrevisor zur Hinsicht vorzulegen ; 
sie haben überhaupt hei den Ankündigungen von Büchern, deren 
Inhalt in das theologische oder christliche Fach einschlägt, vorerst 
beim Censor anzufragen. 

3G. 1788. Gespräche zwischen dem letzt verstorbenen König von 
Preussen und dem Pater Pavian. 

Erzb. Erlasse vom 20. Februar und 7. März 1788, die die 
Unterdrückung der „Gespräche" und ähnlicher Schriften anordnen. 
Behutsam verfahren, öffentliches Verbot des Lesens nicht erlassen, 
um nicht die Neugierde zu reizen; die erzb. Rechte sind zu 
wahren, falls der Stadtrat Einspruch erhebt! — Bericht, des erzb. 
Offizials vom 4. März 1788: Den „Gesprächen" ähnlich ist die 
Broschüre „Voltaire und Trenck", worin die Trinität, die Un- 
sterblichkeit der Seele und die Ewigkeit geleugnet wird. Es 
empfiehlt sich „ein dorn Himmel gefälliges Brandopfer". 

37. 1789. Manuskript der Contro verspredigt ') in Mülheim vom Exjesuiten 
Dr. Carrich, Rektor der Universität Köln. 

Oarrich wollte am Fronleichnamsfeste in Mülheim predigen 
über tlas Verbot des Bibellesens, den prieslerliehen Gottesdienst in 

') Die Conlroverspredigten wurden im Bergischen erst zur Zeit der Fremd* 
lierr&ehaft beseitigt. Vgl.R. Goeckc, Das Grossherzogtum Berg. Köln 1877,8.42. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 



<;:; 



lateinischer Sprache und das Cölibat. Der Censor Hedderich erklärte 
diese Themata für ungeeignet. Ihre Behandlung würde nicht zur 
Einigung mit den Protestanten beitragen, die Wahl eines Dogmas 
sei vorzuziehen. — Erzb. Erlass vom 29. Mai 1789: Carrion habe 
ein Dogma, nicht einen Disziplinarpunkt, zum Thema der Controvors- 
predigt zu wählen. 

38. 1789. Quis est Petrus? 

Angeblich zu Ingolstadt approbiertes Werk; wahrscheinlich eine 
Kampfschrift im Nuntiaturstrcit. Antrag des Büchercensors Hedderich, 
die Zeitungs-Comptoire und Buchhändler anzuweisen, ohne Ordinariats- 
Oensur keine Schriften durch die Zeitungen zum Verkauf ausbieten 
ZU lassen. Der Buchhändler Haas in Köln habe in den Zeitungen 
das „Quis est Petrus" zur Subskription angezeigt. Erzb. Erlass 
vom 10. März 1789, der dem Buchdrucker Haas den Verkauf dieser 
Schrift untersagt. 

39. 1791). Schenkel, Syntagma. (Näherer Titel fehlt.) ') 

Reehttertigungsschreiben des Censors Hedderich an den Krz- 
bischof vom 31. Dezember 1790 des Inhalts, dass nicht er (Hedderich), 
sondern Dr. Weimar in Köln an der Verfälschung des dort gedruckten 
Syntagma von Schenkel beteiligt sei. Weimar habe sich üides durch 
Druckschriften um die erzh. Gerechtsame (wider die Nuntien und 
die Kölner Universität.) verdient gemacht, 

40. 1790. Eulogius Schneider, Ex-Franziskaner, Gedichte. 

Erzb. Befehl an den Kölner Gencralvikar vom 30. März 1790, 
gegen die Verbreitung der ohne Censur dos Büchercensors öder der 
Universität erschienenen Gedichte selbst oder durch den Offizial vor- 
zugehen. — Antwort des Generalvikars vom 2. April 1790. Das 
Kölner Stadtsyndikai ist sofort ersucht worden, den Nachdruck der 
Schneider'schen Gedichte streng zu verbieten, ausserdem nach 
Exemplaren der Gedichte zu forschen und Vorgefundenes zu beschlag- 
nahmen. Das Stadtsyndikat entsprach bereitwillig dem Wunsche, 
„da jeder vor dem mit Gilt wider die Religion und die guten Sitten 
angefüllten Buche Abscheu hat". Eulogius Schneider hat die Frech- 
h''it gehabt, in anderswo gedruckten Exemplaren den Namen Ew. 
Durchlaucht (des Erabischofs von Köln) an die Spitze der Süb- 
scribenten zu setzen. Schneider möchte wohl sofort aus dem Erz- 
s, dt zu entfernen sein, auch dürfte sich die Beschlagnahme der in 
Bonn bei Wwe. Kochs auf dem Markte vorhandenen Gedichte 

') Wohl die Schrift: Juris ccclcsiastiri . . . syntagma; vielleicht auch die 
Broschüre: „Nachricht an das Publikum, den Nachdruck vom Syntagma mr. 
eeclesiast. betreffend 1788". (Vgl. den Artikel Schenkl im Kirchenlexikon von 
Wetzer-Welte). 



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64 



Emil Pauls 



empfehlen. Bericht des Censors P. Hedderich an den Erzhisehof 
vom 12. April 17 ( JU. Die Gedichte sind weder ccusiert noch 
approbiert und der wahre Druckort wird verschwiegen. Das ist 
gesetzwidrig. Der Verfasser missbraucht seine Talente; das ganze 
ist den Sitten nachteilig und der Jugend gefährlich. Stilproben: 
Franz von Assisi war ein Schwärmer, der Tiger Hildebrand brachte 
das Coelibat, die Gebeine der Heiligen sind „Aeser*. Gewisse 
Priester fressen fürs Brevier an der Krippe ihrer Kirche, es giebt 
gepurpurte Spione und hochgeweihte Strassenräiibor. „Schneider' 4 , 
sagt Hedderich, „singt das Recht für die Empörung der französischen 
Revolution". Schliesslich bemerkt Hedderich, dass er den Verkauf 
der Gedichte untersagt habe und einen scharfen Verweis gegen 
Schneider beantrage. 

41. 171)0—1791. Eulogius Schneider, Professor, katechetischer Unterricht. 

Erzb. Aufforderung (1790 November 1 7.) an den Censor Hedderich, 
sich wegen der Approbation des kafechetischen Unterrichts von Schneider 
zu rechtfertigen. — Gleichzeitiger scharfer erzb. Erlassanden Kurator 
der Universität Bonn. Der Kurator war schon im Mai angewiesen 
worden, dem Professor Schneider zu befehlen, den von der Kurfürst I. 
Schulkommission eingesetzten ffelbigerischen Katechismus bei seinen 
Schülern nicht in Misskredit zu bringen und sich desselben beim 
Unterricht zu bedienen. Trotzdem gab Schneider für seine Schüler 
einen katechetischen ünterrichl heraus, der vielleicht Sozianistische 

Irrlehren enthält Es folgen lange Auszüge theologischer 

Art . . . Schneider, so heisst es schliesslich, hat sich in Zukunft 
beim Unterricht der Erörterungen über Religion ganz zu enthalten 
und ist in den unteren Schulen durch eine andere Lehrkraft zu 
ersetzen. — Reddelichs weitläufige Rechtfertigung datiert vom 
29. November 1790 und stützt sieh vornehmlich auf eine Verord- 
nung Benedikts XIV. für die Büchercensoren. — Wie aus einer 
Eingabe des Domkapitels in Köln vom 2. Mai 1791 hervorgeht, hatte 
der Erzbisehof den katechetischen Unterricht durch verschiedene 
Gelehrte prüfen lassen und selbst gelesen. Das Buch winde nicht 
als ketzerisch, aber als höchst unschicklich, unvollständig und 
gefährlich befunden und deshalb im Erzbistum verboten. Zwei 
theologische Gutachten aus Würzburg und Salzburg nahmen den 
katechetisehen Unterricht in Schutz, die lleidclltorgcr theologische 
Fakultät sprach sich dagegen aus. Indem das Kölner Domkapitel 
scharf missbilligend über Hedderich und Schneider sieh ausspricht, 
beantragt es, beide als gefährliche und verdächtige „dafür im ganzen 
Erzbistum angesehen werdende Leide" von ihren Lehrstühlen und 
dem Censoramte gänzlich zu entfernen 1 ). — In seiner ablehnenden 
Antwort vom IG. Mai 1791 bemerkt der Erzbischof, dass Hedderich 



') Vgl. S. 51. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 



65 



wiederholt scharfe Verweise erhalten habe; eine Aenderung der 
Vorschriften über die Hüchercensur stehe in Aussieht. Es gehe 
nicht au, den Professor Schneider abzusetzen, da mehrere katholisch- 
theologische Fakultäten ihn in Schutz nehmen würden. Eine theo- 
logische Fehde hierbei würde in diesen gefahrlichen Zeiten der 
allgemeinen Neuerungssucht der Religion mehr Schaden als Nutzen 
bringen. — Der Erzbischof veröffentlichte indes am 1(5. .Mai 1791 
nochmals sein früheres Verbot der Verbreitung des Schneider'schen 
Unterrichts. -- 

Die aus dem Ende des .1. 1790 stammende Antwort des Kurators 
der Universität Bonn und eine ausführliche Erklärung Schneiders 
liegen bei. 

42. 1790 Brief des Papstes Pius nebst Widerlegung der Bemerkungen. 
Verlag von Weidmann zu Düsseldorf. 

Die Broschüre missfiel am kurfürstlichen Hofe in Köln. Man 
beschränkte sich auf ein Verhol ffir Köln; gegen Weidmann sah 
man, um Erörterungen mit dem bayerischen Kurfürsten zu vermeiden, 
von weiteren Schritten ab. 

43. 1790. Klage des Domkapitels zu Köln wider die kurkölnische 
Universität zu Bonn. 

Anonym erschienen; als Verfasser wurde der Domherr de 
MastiauN in Augsburg ermittelt. Der erzb. Offizial nennt am 
5. November 1790 diese Broschüre eine Schmähschrift, die den 
Geist der Verleumdung und Empörung gegen den Papst, die 
Bischöfe und die Domkapitel athme. Bei den Nachforschungen 
nach dem Verfasser wurde der Buchhändler Göhra in Neuwied mit 
Pranger und Gefängnis bedroht. Der Ausgang der Sache geht aus 
den Akten nicht hervor. 

**. 17!>0 und 175)1. Colloquium inter sacerdotem catholicum et laicum. 
Verfasser: Pfarrer Hoff mann. 

Geschrieben, wie ein erzb. Erlass sich ausdrückt, im Stil der 
fOli dem Exjesuiten Schönenbusch herausgegebenen Druckschriften. 
Eichtete sich gegen die Universität in Uonn (wohl indirekt gegen 
Hedderich und Schneider), beleidigte auch das Andenken Josephs IL 
Der Verfasser entschuldigte das Fehlen der Gensur damit, dass 
Hedderich den katechetischen Unterricht vun Schneider genehmigt habe. 
Er erhielt einen Verweis, während die Verlagshandlung (Wwe. 
Metternich) vom erzb. Offizial in eine Goldstrafe genommen wurde. 

45. 1791. Druck der am Fronleichnamstage 1791 in Mülheim vom 
Pfarrer Rieker von Derendorf gehaltenen Controverspredigt. 

Auf dem Titel der in Düsseldorf gedruckten Predigt stand: 
Mit Genehmigung Sr. K. D. zu Pfalzbaiern vorgetragen. Da von 
Jahrbuch XV. & 



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66 



Emil Paul: 



der erzb. Censur nicht die Rede war, wollte der Offizial Einwen- 
dungen erheben. Der Erzbischof antwortete ablehnend and hemmte 
den Verkauf der Predigt in Köln nicht, Hess aber dem Kölner Ver- 
käufer bedeuten, in Zukunft in solchen Fallen bei der erzbischof 1. 
Censurbehörde anzufragen. 

46. 1791. * Der bellende Hirtenhund zum Glück der Welt und zum 
Triumph der Religion. l2mo 20 S.; *Sanftmüthiges Lämmchen zur Stärke 
im Glauben und zum Triumph der Religion. l2mo 24 S.; »Neunter Toleranz- 
zettel zum Glück der Welt und zum Triumph der Religion. 12 mo 24 S. 

Anonyme Tendenzschriften, als deren Verfasser der Exjesuit 
Schünenbusch ermittelt wurde. Schünenbusch kam in die Korrektions- 
anstalt „Die Weidenbach" in Köln und erklärte bei seiner Ver- 
nehmung, auch die (approbierten) Schriften „Der Weg des Lebens" 
und „Das unüberwindliche katholische Christenthum" geschrieben 
ZU halien. Die vorliegenden Tendenzschriften habe er verfasst, weil 
der von Hedderich genehmigte katechetische Unterricht des Prof. 
Schneider den Landmann in Glaubens- und Seelengefahr gesetzt habe. 
Bemerkenswert sind Schünenbuschs Ausfälle gegen den Einser Kongress, 
den er eine Badestubc nennt. Durch die Emser Bademänner (die 
bischöflichen Deputierten) werde die Morde täglich dümmer, es sei 
deshalb die Pflicht des Hirtenhundes, zu bellen. Ein erzb. Erlass 
vom 20, Juni 1791 sagte von den Tendenzschriften, dass der 
Verfasser die gefährliche Absicht habe, unter dem Vorwand der 
Religion das Volk zu täuschen. Schünenbusch erklärte sich schuldig 
und unterwarf sich willig der in den Akten nicht angegebenen 
Strafe. 

47. 1800. lieber den Ursprung des Aberglaubens und die Mittel solchen 

zu vertilgen. 

Ist ein Aufsatz in Bd. I No. 99 des Magazins für Westfalen. 
Das Kölner erzb. Generalvikariat erklärte, dass der Aufsatz jedem 
christlichen Bekenntnisse zuwiderlaufe und jeden Begriff von Moralität 
zerstöre. Von Wien aus kam der Kölner Erzbischof am 1. Mai 1800 
auf diesen Aufsatz in einem Erlass an den General-Vikariats- Ver- 
walter zurück, worauf bald nachher der Magistrat zu Dortmund den 
Verleger der Zeitschrift in eine Geldstrafe nahm und das „Magazin" 
unter (Jensur stellte. 

48. 1800. Manuskript eines Gebetbuchs für alle katholische Christen, 

von Ferd. Arndts, Vicedechant. 

Anfrage des Verfassers, ob der Erzbischof das Ms. durchsehen 
wolle. Die Antwort (Wien, 1800 Juli 4.) verweist den Fragesteller 
an den erzb. Censor librorum. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 



G7 



49. 1801. Thomas von Kempen .... Aus dem Italienischen Ubersetzt 
in gebundener Rede vom kurkölnischen Hauptmann Zelt. 1801. 

Umfangreiche Handschrift; auf dem letzten Blatte eine Widmung 
des Verfassers an den Kurfürst und Erzbisohof. Hier folgende Stil- 
probe (Imitat. Christi lib. I cap. I): 

„Wer mir nachfolgen wird, wandelt im Ginstern nicht, 
Dies sind die eigne Wort, die Christus spricht. 
Nachfolgen müssen wir sein Leben und Geberden 
Wann wir wollen erleucht von Herzens Blindheit werden." 
Auf dem Ms. der Vermerk: Praes. Wien, 31. Juli 18011). Ad acta. 



Erzstift Köln. 
B. Urkundliches zur Geschichte der Censur. 

II. Ernennung von Büchercensoren, Plan einer Neuregelung 
der Censureinrichtung, Censurverhältnisse an der Universität 
Bonn, von Rom aus ergangene Bücherverbote, Privilegien, 
Errichtung einer Hof buchdruckerei in Bonn. 

Das Amt eines erzbischöflichen Büchercensors war ein 
einflussreiches und angesehenes, dessen Inhaber bei seiner 
amtlichen Thätigkeit nur dem Erzbischof unterstand 2 ). Der 
häufige direkte Verkehr mit dem Generalvikar oder gar 
mit dem Erzbischof selbst, die geistige Anregung, welche 
die Durchsicht von Schriften aller Art bot, und endlich 
der Umstand, dass im grossen Erzstift jeder Schriftsteller, 
Ohne Unterschied seines Ranges, auf ein Gutachten des 
Censors angewiesen war, dies Alles machte das Amt 
gesucht und seinen Träger zu einer in hervorragenden 
Kreisen geachteten Persönlichkeit. Freilich hatte das ver- 
antwortungsvolle Amt ganz bedeutende Schattenseiten. Das 
Freiexemplar, welches der Censor von jedem begutachteten 
Werke erhielt), bot oft auch nicht einmal annähernd Ersatz 
fiir die auf die genaue Durchsicht verwandte Mühe und 
das mit der Begutachtung verbundene Schreibwerk. Dies 
namentlich dann, wenn durch ein Versehen oder eine 
anfechtbare Behauptung die Censur an einflussreicher Stelle 

') Vier Tage vorher (27. Juli 1801) war der Erzbischof in Wien gestorben. 
2 ) Der Erzbischof erteilte seine Befehle dem Censor mitunter direkt, meist 
durch den Gencralvikar. 

a > Ein anderes Einkommen findet sich nicht verzeichnet. 

5* 



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68 



Kmil Pauls 



Bedenken erregte und der Frz.bischof eingehende Begrün- 
dungen forderte. Dann ging es für den Censor ohne 
tagelange Arbeit und grosse Berichte selten ab. 

Ob es heute noch möglich sein würde, eine vollständige 
Series der erzbischöflichen Büchercensoren zusammenzu- 
stellen, braucht nicht untersucht zu werden. In sehr vielen 
Druckwerken, die im Kurkölnischen während des 16. Jahr- 
hunderts entstanden, wird ein Censor nicht genannt; an- 
scheinend hat damals die theologische Fakultät in Köln 
häufig die Censur gehandhabt '). Für das 17. Jahrhundert 2 ) 
fand ich in Druckwerken verzeichnet: 
1609 Vinckius Petrus, ss. theol. licentiatus, censor. 
1614 Francken-Sierstorpfius Henricus, ss. theol. doct, 

regens gymnas. Laurent., lib. cens. 
1656 Walenburch de Adrian., metropol-eccles. Colon. 

presb. canon., cens. lib. ordin. 
1665 Francken-Sierstorff Joannes, metrop. eccles. Colon. 

canon. capit, lib. cens. ordin. 
1687 Newendal Christ. Elsius, ss. theol. doct., insign. colleg. 

eccl. s. Andreae canon. capit. et decanus, gymnas. 

Montani regens, lib. cens. ord. 
Für das 18. Jahrhundert ergeben sich aus den vor- 
liegenden Akten: 

1702 Breuer Corn. ss. theol. doct. eiusdem ord. publ. 

profess., colleg. eccl. ad s. Severin, canon. et paroch. 

ibidem pastor, libr. cens. 
Hierzu ein erzbischöflicher Erlass (Liittich 1700 April 2.) 
an den Kölner Generalvikar mit der Aufforderung, sich 
gutachtlich zu äussern, ob der Dekan der Kölner theo- 
logischen Fakultät Dr. Breuer in der „jetzigen gefährlichen 
Zeit" für das freigewordene Amt eines Büchercensors sich 
eigne. 

1727 vor September. Molitoris, ss. theolog. doct. et 
canonic. ad St. Gereonem. 



') Vergl. J. Hansen, Rheinische Akten zur Geschichte des Jesuitenordens. 
Bonn 1896, S. 354 und 501. 

2 ) Die Jahreszahlen in der vielleicht nicht ganz lückenlosen Reihe ent- 
sprechen den Jahreszahlen des Erscheinens der durchgesehenen Druckwerke. 



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Zur Geschichte dei Ccnsur am Kiederrhein. 



69 



1727 Dezember. Neumann Joannes, doct iur. perinsign. 
colleg. s. Severin, canonic., rect. magnif. et libr. cens. 
Eingabe an den Erzbiscbof (1727 September), worin 
sich J. Neumann, Doktor beider Rechte, Scholastikus an 
St. Severin und Rektor der Kölner Universität um die 
durch den Tod Molitors frei gewordene Stelle eines Bücher- 
censors (per archidioec. et civit. Colon.) bewirbt. Neumann 
erklärt, dass er in Rom seine Studien absolviert habe; der 
Büchercensor pflege aus Universitätskreisen (ex gremio 
almae universit.) gewählt zu werden, er (Neumann) sei jetzt im 
vierten fahre Rektor magnificus. Dabei sei er im Kölner 
Klerus ein treuer Anhänger S. K. Durchlaucht. — Auf der 
Rückseite der Eingabe der Vermerk: „Venedig, 19. Sep- 
tember 1727. An den Generalvikar zum Bericht." Das 
Gutachten des Generalvikars de Reux vom 29. October 1727 
erklärt, dass bei der Censur der Schwerpunkt (die meisten 
Beschwernisse) auf dem Gebiete der Ascese und Theologie 
liege, weshalb ein Doktor der Theologie einem Doktor der 
Rechte vorzuziehen sei. Er empfehle zum Amte eines 
Censors den Domherrn Godesberg oder den Pfarrer Sütgen 
zu St. Aposteln. - Erzb. Erlass (Rom 1727, Dezember 20.), 
der Neumann zum Nachfolger Molitors ernennt. „Der 
orthodoxe Glaube und die Ehrbarkeit der Sitten seien in 
der Presse sorgfältig zu wahren." 

1751 vor Dezember. Kauffmans Joh. Gottfr., Doktor und 
Professor der Theologie in Köln, dort auch Vize- 
präses des erzbischöflichen Clementinischen Seminars. 
In den Akten Kauffmans ungenau datierte Bewerbung: 
Gestern, am 26. April ist der Büchercensor Neumann ge- 
storben . . . folgt Bewerbung. . • . 

J 78a Hedderich Philipp, Doktor der Theologie, wirklicher 
geistlicher Rat, öffentlicher hehrer des Kirchenrechts 
in Bonn 1 ). 

Erzb. Erlass vom 12. Dezember 1782, der Hedderich 
» a uf Widerruf" zum Büchercensor ernennt. - Amtliches 
Schriftstück über die allen Buchdruckern in Köln gemachte 

') Die Titel hier nach «lern Artikel „Hedderich" in der Allgemeinen 
deutschen Biographie. Hedderich wurde im J. lft» Hr. iur. ntriusque. 



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70 



Emil Pauls 



Anzeige von der Ernennung Hedderiehs '). — Das „auf 
Widerruf" (usque ad revocationem) in der Bestallungs- 
urkunde deutet an, dass der Erzbisehof, wohl infolge der 
Bedenken des Domkapitels, gegen Hedderich sich freie 
Hand vorbehalten wollte. — Eingabe des Kölner Dom- 
kapitels vom 3. September 1783 an den Erzbischof mit 
der Bitte, Hedderich seiner Professur und des Censoramtes 
zu entsetzen. Hedderiehs Entlassung aus dem Lehramte 
habe das Kapitel bereits im November und im Dezember 1779 
erbeten. Trotz der damals zur Abwendung der Gefahr in 
Aussicht gestellten Massregeln sei es seitdem schlimmer 
geworden. Hedderich habe sich auch in Druckschriften 
als eine der Religion und dem Staate gefährliche Persön- 
lichkeit erwiesen. — Der Erzbischof ging auf den Wunsch 
des Domkapitels nicht ein 2 ) und Hedderich behielt das 
Amt des Büchercensors. Indes regte Maximilian Franz 
bald nachdem er die Würde eines Coadjutors mit der eines 
Erzbischofs vertauscht hatte 3 ), eine Neuregelung der Censur 
an. In einem Schreiben vom 17. Juni 1784 an den Kölner 
Generalvikar gab er die Absicht kund, das Amt des Bücher- 
censors, soweit das theologische Fach in Betracht komme, 
dem Generalvikariate unterzuordnen. Der Generalvikar 
möge sowohl für Bonn als für Köln einige geeignete 
Personen in Vorschlag bringen, damit an jedem Universi- 
tätsorte ein Censor vorhanden sei. In zweifelhaften Fällen 
würde die Entscheidung über theologische Streitfragen 
dem Generalvikar zustehen. In seiner Antwort vom 19. Juni 
stimmt der Generalvikar freudig zu, da die bisherige Freiheit 



') Die Anzeige erfolgte durch Goclefr. Kessel, cur. archiepisc. Colon. I.ato- 
ruro Magister, omnibus et singulis librorum impressoribus civitatis, videlicet 
viduae Menn, viduae Metternich, Bourcll, Stockhausen, Rütgers, Holtzapfell, 
Wilms, Langen, Simonis, Odcndahl, Evcracrtz et Unglaub. Mit der Anzeige 
war der Befehl verbunden, nc absque praevia approbatione domini — — — 
Hedderich quidquam prelo conimittant. 

2 ) Der l'apst hatte schon im J. 1777 die Entfernung Hedderiehs von der 
Akademie in Bonn vergebens angeordnet. Hierüber und über den mächtigen 
Schutz, den Hcddcrk-h bei den beiden letzten Kölner Kurfürsten fand, vgl. 
K. A. Ley, Kölnische Kirchengeschichte, S. 611 ff, 

:l ) Maximilian Franz war seit 1 780 Coadjutor; er trat nach dem im April 
1784 erfolgten Ableben des Erzbischofs Max Friedrich die Regierung sofort an. 



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Zur Geschichte <lcr Censur am Niederrhein. 71 

den Freigeist stark befördert und die wahren Religions- 
gründe geschwächt habe. Er empfiehlt als Censoren für 
Bonn den Kanonikus Schaaff und für Köln den Rektor 
Daniels in der Weidenbach. Täuscht nicht alles, so blieb 
es bei dieser Anregung. Erst die Zustimmung Hedderichs 
zu dem von Eulogius Schneider im Jahre 1790 heraus- 
gegebenen, überaus bedenklich gehaltenen katechetischen 
Unterricht brachte ihn um das Vertrauen des Erzbischofs. 
Gleichzeitig mit der an Hedderich gerichteten Aufforderung 
sich zu rechtfertigen, erging damals an zwei Gelehrte 1 ) die 
Anfrage, ob sie zur Uebernahme des Amtes eines Gon- 
censors geneigt seien. Beide lehnten ab und im Mai 1791 
konnte man fast Hedderichs Stellung trotz der dringenden 
Vorstellungen des Domkapitel) für unerschüttert halten. 
Wenige Wochen später aber schien es mit der Neuregelung 
der Censur Ernst zu werden. Hedderich, so heisst es in 
einem vom kurfürstlichen Hofe aus an den Dechant Dumont 
•n Köln gerichteten Schreiben vom 21. Mai 179I, habe 
unhedachtsam die Erlaubnis zum Druck des Schneiderschen 
katechetischen Unterrichts erteilt. Der Kurfürst wolle eine 
aus Bonner und Kölner Gelehrten bestehende Censur- 
Kommission ins Leben rufen, und dem Adressaten (Dechant 
Dumont) hierin den Vorsitz übertragen. - Dumont ant- 
wortete zustimmend, legte auch den Entwurf zu einem 
Regulativ für die Bücher-Censur vor. Zu Mitgliedern der 
Kommission empfahl er die beiden Synodal-Examinatoren 
Henrici bei den Minoriten und den Regens des ehemaligen 
Jesuiten-Kollegiums Carrich; ausserdem den Scholastikus 
''••euer aus dem Seminar. Die Akten schliessen mit einem 
Schreiben des kurfürstlichen Ministers Grafen v. Waldenfels 
an v. Cramer-») vom 1. Juli ifal. v - Waldenfels hatte an 
dem von Dumont ausgearbeiteten Regulativ nur wenig 

') Es wan n dies der Regens des Laurentianischcn Gymnasiums Krosch 
»"'I Ludwig Brouhon. (Näherer Titel fehlt!. Krosch entschuldige sich mit 
f.BefcntstulU, BgHcher Lektion. Ghorgesang und Erstehung der Jugend". Brouhon 
»Chützte Angeschürte und nicht genügende Ausbildung vor; er empfahl den 
^echanicn Dumont und den Kanonikus Breuer. 

*) Vgl. oben S. 63 No. 40. 

: ') Wahrscheinlich .1er geistliche Staatsreferendar und Domherr zu Köln, 
Gramer von Clauspruch. 



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Iimil Pauls 



auszusetzen, hielt aber von den vorgeschlagenen Personen 
Henrici und Carrich für ungeeignet. Kr' gab dem Prior 
der Discalceaten und dem Doktor Weimar den Vorzug. 
Hedderich werde wohl das Censoramt nicht beibehalten, 
sondern durch Scheben und einen anderen Bonner Pro- 
fessor ersetzt werden. Bei der gegenwärtigen Neuerungs- 
sucht sei eine aus mehreren Personen bestehende Gensur- 
behörde dringend notwendig. Bereits habe der Erzbischof 
zur Prüfung des Breviers eine eigene Kommission festge- 
setzt, die vielleicht fortbestehen könne. 

Ob und wie die Dumont-Waldenfels'schen Vorschläge 
sieh verwirklicht haben, ist nicht ermittelt und ziemlich 
nebensächlich. Wahrscheinlich hat man Hedderichs Thätig- 
keit scharf beobachtet, ihm aber unter wenig geänderten 
Bedingungen das Amt eines Censors belassen In zwei 
amtlichen Schriftstücken aus dem April 1794, also kurz 
vor Thoresschluss, wird Hedderich als librorum censor 
bezeichnet. In einem i. J. 1797 in Bonn gedruckten Gebet- 
buch findet sich angegeben, dass es kraft besonderer erz- 
bischöflicher Vollmacht vom Synodal - Examinator und 
Kanonikus an St. Gereon Dr. Joh. Math. Carrich approbiert 
sei. Der Kurfürst weilte damals schon seit Jahren ausser- 
halb der Rheinlande. Er erlebte es nicht, dass zu Beginn 
des 18. Jahrhunderts ein grosser Teil des Erzstifts Köln 
dem neu errichteten Bistum Aachen einverleibt wurde. In 
der Aachener Diöcese mag die Censur nur bei Gebet- 
büchern oder einigen theologischen Schriften in Betracht 
gekommen sein ; stand doch während der kriegerischen 
Zeit von 1801 — 1814 in den Rheinlanden der Buchhandel 
fast auf dem Nullpunkte 1 ). 

Ueber die Censur von Schriften, die von Professoren 
der kurfürstlichen Universität in Bonn ausgingen, bieten 
die Akten einige Anhaltspunkte. Anfang Februar 1790 
erging an den Staatsminister Freiherrn v. Waidenfels die 
Anfrage, wer derartige Schriften zu censieren habe; hier- 

') Im einer vom mir durchgesehenen grossen Sammlung gedruckter Erlasse 
(Einzelblätter) dir Aachener bischöflichen Verwaltung fehlen Büchercensur- 
Bcstimmungen gänzlich. Bin der Sammlung beiliegendes Gebetbuch ist vom 
Bischof Berdolet (t 1X08) approbiert, ohne dass von einem Censor die Rede ist. 



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Zur Geschichte der Ccnsur am Niederrhein. 



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über schienen Bestimmungen zu fehlen. Ein Jurist könne 
doch ebensowenig medizinische Werke beurteilen, wie ein 
Mediziner Bücher juristischer Art. Einige Professoren 
wünschten freilich Censoren zu werden, um selbst frei zu 
stehen, aber im Verborgenen unumschränkt die Geistes- 
arbeiten ihrer Kollegen censieren zu können. Hierauf 
ersuchte bereits am 5. Februar 1790 der Kurfürst den 
Kurator der Universität, Freiherrn v. Spiegel zum I Osen- 
berg, um ein Gutachten. v. Spiegel wies auf die Be- 
stimmung 1 ) des bei der Errichtung der Universität ausge- 
stellten kaiserlichen Diploms hin, wonach die Gensur über 
Schriften der genannten Art dem Rektor magniricus zustehe, 
der nach seinem Ermessen der Beihülfe von Professoren 
sich bedienen könne. Hieran knüpfte v. Spiegel einige 
Vorschläge zu einer Regelung der Censur an der Bonner 
Universität. Es seien Fachmänner für die einzelnen Wissen- 
schaften unter den Professoren zu wählen; „Privatautors- 
Neid" müsse thunlichst ferngehalten werden. Nicht der 
innere wissenschaftliche Wert einer Schrift sei zu be- 
urteilen, sondern hauptsächlich darauf zu sehen, dass ein 
Werk nichts enthalte, was den guten Sitten, der deutschen 
Reichs- und Staatsverfassung und der katholischen Religion 
zuwider laufe. — Ein erzbisch. Krlass vom 26. Febr. 1790 
pflichtet den Anschauungen des Kurators bei, bemerkt 
aber, dass in betreff akademischer Abhandlungen, Lehr- 
bücher und anderer von Professoren herausgegebenen 
Schriften nicht genug Vorsicht angewandt werden könne, 
um jedes Misstrauen gegen die Universität zu beseitigen 2 ). 
- Von Schriften theologischer Art ist keine Rede; hierbei 
sollte unzweifelhaft nach wie vor die Censur in der Hand 
der vom Erzbischof beauftragten Theologen bleiben. Wohl 
nur sehr selten sind die Fachgelehrten der Bonner Uni- 
versität in die Lage gekommen, im eigenen Hause zu 

') Wortlaut: eensüratn pröcancel&rfe m*tro et rectori perpetuö concedimus, 
qtf am per M aut per alios facultatutn doctorcs sibi l>ene visos manusenpta 
examini subiieiet, atque si pracln digna comperta fuerint, htiprimendi facultatem 
concedat. 

2 > fo den Akte, nur die mit einerschwer lesbaren Unterschrift versehene 
Beurteilung einer Dissertation: De archidiaconis. (Verfasser: Spitz. ?) 



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74 



Emil Pauls 



censieren. Ihr Reich war in sich uneins, und wenige Jahre 
nach 1790 kamen die Franzosen. 

Ein paar Stücke in den Akten tragen die Bezeichnung 
„Römische Bücherverbote". Eins hiervon, eine Broschüre 
über ein vom Papste verworfenes italienisches Werk, 
braucht hier nicht in Betracht zu kommen. Interessanter 
ist ein gedruckter Erlass der Index-Congregation (Rom, 
1790- August 3.), der mehrere auf den Index gekommene 
Schriften namentlich anführt. Aus dem Kölner Erzstift 
befindet sich darunter eine in der Bonner akademischen 
Aula am 7. September 1789 von Adrian aus Wipperfürth 
gehaltene Dissertation über die bekannte Bibelstelle „Du 
bist Petrus". Und noch bemerkenswerter, weil hier ein 
Beweis für die antipäpstliche Stimmung vorliegt, die am 
Kurkölnischen Hofe zur Zeit des Nuntiaturstreits herrschte, 
ist ein in den Akten vorhandener Brief Antonios de 
Augustini 1 ) (Rom, 1794 September 3.) an den Minister des 
letzten Kölner Kurfürsten. Indem Augustini ein päpst- 
liches Breve in Gensursachen übermittelt, sagt er offen 
heraus, dass Pius VI. gut thun würde, alle in Rom erschei- 
nenden kirchlichen Zeitungen eingehen zu lassen. Er 
(Augustini) habe vier Jahre lang scholastische Theologie 
studiert, aber gefunden, dass der beste Theologe derjenige 
sei, welcher gar keine Theologie studiere, sondern sich 
nach dem Evangelium richte. Ihn werde niemals jemand 
überzeugen können, dass dem Papste eine monarchische 
oder Herrschergewalt zustehe 2 ). 

Weiter werden in den Akten in einem ziemlich umfang- 
reichen Hefte die Privilegien angeführt, die manche Ver- 
leger im Erzstift während des Zeitraums von 1724 -1 781 



') Augustinus Stellung in Rom crgiebt sich aus einem Alctenhefte des 
Kurkölnischen Geheimen Geistlichen Archivs im Düsseldorfer Staatsarchiv: 
diplomatische Berichte des Kölnischen Minister-Residenten Marchese d'Antici 
und des Agenten Antonio de Augustini zu Rom, 1789 — 170,6. 

2 ) Wörtlich: Quoique j'ai consume quatre annees en suivant la theologie 
scolastique, je suis d'avis que le meilleur ihcologicn est celui qui ne l'a pas 
etudie et qui sc regle selon l'c-vangile. Docuisti mc, disoit St. Augustin. lumen 
tuum, domine. J'ai toute la veneration ä ces decisions, mais je ne serai jamais 
d'avis: Romano pontitlci competcre potestatem monarchicam seu dominativam. 



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Zur Geschichte der Censur ain Nieileirhein. 



75 



erhielten. Vereinzelt kommen hierbei kaiserliche Schutz- 
briefe vor, meist aber handelt es sich um erzbischöfliche 
Privilegierungen. Diese wurden fast ausschliesslich für 
theologische Schriften nachgesucht und nach einer Prüfung 
der vorliegenden Rechtsverhältnisse auf mehrere oder gar 
viele Jahre erteilt. Eine solche Prüfung war namentlich 
in den häufig vorkommenden Fällen unumgänglich not- 
wendig, wo bei der Ernennung eines Privilegs die Erben 
oder Geschäftsnachfolger des früher privilegiert gewesenen 
Buchhändlers als Antragsteller auftraten. In der Regel 
ging der Erteilung des Schutzbriefs die Einholung eines 
Gutachtens des Büchercensors oder des Generalvikars 
vorher. Billig war die Privilegierung, bei deren Wortlaut 
althergebrachte feststehende Formeln entgegentreten, jeden- 
falls nicht, doch fehlt der Kostenpunkt in den Akten voll- 
ständig. Hauptzweck der Privilegierung war die Gewährung 
eines staatlichen Schutzes gegen Nachdruck, zuweilen 
wurden nebenbei von den Antragstellern kleinere Gunst- 
bezeugungen, Empfehlungen und dergleichen erbeten. In 
der nachstehenden Uebersicht schliesst sich an die Jahres- 
zahl der Erteilung des Privilegs der Titel des privilegierten 
Werkes, die Zeitdauer und der Name der Verlagshandlung 
an. Vereinzelt sind Notizen rechts- oder kulturgeschicht- 
licher Art beigefügt. 

1724. Directorium Romanum recitandi horas. 

ErabischöflicUe Privilegien-Erneuerung für Erben Kinckius in 
Köln auf 20 Jahre. Der Generalvikar hatte empfohlen, im Wort- 
laute des Schutzbriefa eine Preiserhöhung des Direktoriums zu 
verbieten. Dies hing zusammen mit einem erzb. Erlass (Valen- 
ciennes, 1712 Oktober 19) der hervorhob, dass die Witwe Kinckius 
unter Missbrauchung ihres Privilegs das Direktorium zu teuer ver- 
kaufe. Der Erlass setzte den Preis auf sechs kölnische Albus oder 
auf 2i/ 4 Groschen fest. 

Der Hofbuchdrucker Leonard Rommerskirchen in Bonn erhielt 
in den Jahren 1728 und 1729 ein kaiserliches und ein erzbisohöf- 
Hches Privilegium für den Druck des Direct. Roman. Wohl irrig 
lüelt man das Kinckius s. hr Privileg für erloschen, auch steifte sich 
Rommerskirchen auf seine Eraennuhgs-Urkunde zum Eofbuchdrucker. 
Der Rechtsstreit zwischen Rommerskirchen und den Erben Kinckius 



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Emil Pauls 



war im Jahre 1733 noch nicht beendigt, der Kurfürst drängte auf 
einen Vergleich. 1 ) 

1721) und 1730. Directorium recitandi horas canonicas iuxta breviar. 

Coloniense. 

Kaiserliches Privileg auf zehn Jahre (Wien 1730) für den 
Buchhändler Heinrieh Rommerskirchen in Köln. Rommerskirchen 
halte zu Ende 1729 das Direktorium gedruckt und verkauft. Bin 
erzb. Erltes vom 10. Januar 1730 erklärte den Druck für unzu- 
lässig, da hierbei eine Schädigung der I {.echte des Succentors beim 
Domkapitel in Köln vorliege. Der Succentor habe seit jeher ein 
solches Direktorium drucken und im Klerus verteilen lassen. 
Rommerskirchen werde deshalb autgefordert, die vorhandenen 
Exemplare an das Generalvikariat abzuliefern, kein Kleriker dürfe 
ihm ein Exemplar abkaufen. — Hierauf hatte Rommerskirchen ein 
kaiserliches Privileg in Wien nachgesucht, gegen welches der Erz- 
bischof am kaiserlichen Hofe Einspruch erhob, indem er sich auf 
das Tridentinum, die Bestimmungen der Provinzial-Synoden und auf 
die gesunde Vernunft berief. Das kaiserliche Privilegium sei er- 
schlichen, um den erzbischöflichen Erlass vom 10. Januar wirkungslos 
zu machen. Der Erzbischoi beantragte die Aufhebung des er- 
schlichenen Privilegs und bemerkte, man möge es ihm nicht un- 
gnädig vermerken, dass er seinen Befehl vom 10. Januar aufrecht 
halte 2 ). 

17:50. Geistliches Psalterlein oder Gesangbüchlein deren P. P. Societ. Jesu. 

Erzb. Entscheidung (1730 Januar 20) betreffend Schutz des 
Privilegiums, das der Buchhändler Franz Metternich in Köln hatte. 
„Niemand dürfe ohne F. Metternichs Wissen und Willen, weder 
mit kleineren noch mit grösseren Buchstaben, ganz oder teilweise, 
untei diesem oder einem andern Titel, aus dem Psalterlein etwas 
nehmen oder ihm etwas zusetzen, es verbessern, vermindern oder 
vergrössern, bei Strafe von sechs Mark lötigen Goldes, halb an 
die Kurfürstliche Eofkammer, halb an F. Metternich zu zahlen. Auch 
verfalle jeder Nachdruck der Beschlagnahm ung" . Privilegien- 
Erneuerungen erfolgten in den Jahren 1741, 1752 und 1702. 



') In den Akten liegt ein Schreiben des Krzbischofs (Bonn, 1 729 Juli 13.) 
an das Domkapitel zu Speyer bei. In Speyer wohne der geschickte Kupfer- 
plattendruckcr Wilhelm Hammer. Das Domkapitel möge Hammer beurlauben, 
damit er ein im Kurkölnischen vom Kammerrat Kauckel herausgegebenes Gebet- 
buch illustrieren könne. 

*) Der Ausgang geht aus den Akten nicht hervor. Wahrscheinlich gab 
der Kaiser nach, doch liegt hierin vielleicht eine Erklärung für die Thatsachc, 
■ lass er wenige Jahre später (vgl. oben S. 501 dem Eizbischof gegenüber die 
Staatlichen Censurrechte in einer fast schroff zu nennenden Weise aufrecht erhielt. 



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unü 

Sei 



Zur Geschichte der Ccnsur am Niederrhein. 77 

1731. Hieron. Embser, nov. testament et evang. P. Canisii. 

Kaiserliches Privileg für die Gebrüder Simonis in Köln. Erzb. 
Erlass vom 10. Mai 1732, der dem Buchhändler und Drucker 
Joh. Anton Steinbüchel in Köln hinsichtlich des von Kaspar Ulenl.cn 
herausgegebenen Testaments und der Evangelien, Episteln 
Lektionen des P. Canisius privilegiert. Die Eiubscrsche Ausgabe 
ohne geistliche Approbation erschienen, während der Censor die 
ülenbergsche Ausgabe für felderfrei befunden habe. In dem zwischen 
den beiden Verlagsbuchhandlungen entstehenden Rechtsstreite stand 
der Kölner Stadtrai auf Seiten der Gebrüder Simonis. 

173«. a) Compendium Responsoriorum et Antiphonarum «Ml(l8iJi»iJJ 
quae per totum anni circulum domin.es et fest.v.s die bus cantaj ur. 
b) Vigiliae seu officium defunetorum secundum ordinem et ntum maior. 
eccles. Coloniens. 

Erzb Privileg auf zehn Jahre für den Buchhändler Joh. Werner 
von der Poll in Köln, welcher die der Uargar. Metternich zugehörige 
Buchhandlung mit deren Privilegien und Kupferplatten im August 1733 
erworben hatte. Privilegien-Erneuerung im J. 1748 und 1750. 

173« Fest, archidioeces. Colon, et nova Roman, und Edit. 
Missal. Coloniens. 

Gesuche der Buchhandlungen von Job. Wilhelm Huisöh und 
Simonis in Köln um Privilegierung. 

Missal. Coloniens. und Davidis Psalterium cum festis Coloniens. 

Undatierte Gesuche des Hofbuchd ruckers L. Rommerskirchen in 
Bonn um Privilegierung. Antwort auf die Gesuche fehlt. Wach 
einem beiliegenden kleinen Zettel erhielt Christian Simonis das 1 nvüeg 
für die Missae et festa nova Romana. J. W. lluisch dagegen das 
für Missar. et Breviariorum offic. propr. . . . archld. üolon. 

1738. Vier unterschiedene zwischen zweien .reformierter ^KmiM 
Simson angestellte Discours Uber den reformierten Heidelberger Katechismus. 

Privileg auf zehn Jahre für den Drucker und Buehhändler 
0. J. Steinhauss in Köln. Dies die Schrift, che zu Be schwerde „ dei 
preussisehen Regierung in Wien Anlass gal.i). In dem U^*™ 
beiliegenden Privileg wird der Vorbehalt gemacht, dass . Stein toUSS 
bei jeder neuen Sage die Genehmigung des Gcnon.lv.kars mm fr 
holen habe2). Privüegiums -Verletzung «od mit einer SimU 
1000 Dukaten bedroht, wovon wie gebräuchlich ein Drittel dem 

3 lbSSf£ ^nhauss-Uicü W ^Ä'^ 
Prae S „ ma t si „e expresso praevio proescitu nostr, v.canat. «euer. Coloniens. 



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78 



Emil Pauls 



erzbischöflichen Fiskus, ein Drittel der Verlagshandlung und ein 
Drittel dem Angeber zu gute kommen sollte. Privilegien-Erneuerung 
fand bereits im Juni 1740 für Steinhauss, dann im J. 1742 für den 
Paderborner Drucker Joh. Konr. Dahmer statt. Jedenfalls war die 
Schrift unigearbeitet und von anstössigen Stellen gereinigt worden: der 
Titel lautete später: Neu angestellte Gespräch der zweien katholischen 
Convertiten Hieb und Sinison. 

Vor 1740. Samuelis Strickij opera omnia iuridica . . . 

Undatiertes kaiserliches Privileg (Karl VI.) für den Buchhändler 
Otto J. Steinhauss in Köln (Fragment). 

1743. I) Nakatenus Wilh. S. J., Kurzer Begriff . . . Himmlisches Palmgärtleins; 
2) Hülff in der Noth, das ist S. Franciscus Xaverius; 3) Bruderschafts- 
büchlein unter dem Schutz Francisci Xaverii. 

Verschiedene kaiserliehe Privilegien; erzb. Privileg auf fünf 
Jahre durch den Generalvikar empfohlen für die Erben des Buch- 
händlers Servat. Noethen. 

1745. Davidis psalterium cum invitatoriis . . . 

Erzb. Privileg für den Kölner Buchhändler Joh. Wilh. Buisch 
auf zehn Jahre. Hofbuchdrucker Rommerskirchen halte sich um die 
Privilegierung dieser Schrift vergebens beworben. 

1753. Kalender (wohl der Niederrheinisch-westfälische Kreis-Kalender). 

Herausgeber: Franz Balthasar Neuwirth in Köln. Erzb. Erlass 
vom 27. Oktober 1753, der die Verbreitung und den Verkauf dieses 
Kalenders verbietet und die Beschlagnahme vorgefundener Exemplare 
anordnet. Neuwirth war um Privilegierung eingekommen, worauf 
der Präsident sowie die Ilofrats-Direktoren und Räte in längeren 
Ausführungen zu begründen versuchten, dass im Kalender die zwischen 
dem Erzbischof und der Stadt Köln schwebenden Jurisdiktionsfragen 
zu Gunsten der Stadt einseitig „verrückt" seien. 

1754. Bet- und Tugendbuch von P. Alex. Wille S. J. 

Privileg auf zehn Jahre für Buchhändler Kranz Wilhelm .Metter- 
nich in Köln. 

17(i5. Catechismus Romanus in lateinischer und deutscher Sprache. 

Privilegiert für den Buchdrucker Franz Balthasar Neuwirth 
in Köln. 

17(»7. Missar. et breviar. offic. propria civit. et archid Colon. 

Privilegiert für die Buchhandlung der Witwe Krakamp in Köln. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 79 

1770. Erzb. Verordnung betr. Verminderung der Festtage in deutscher 
und lateinischer Sprache. 

Privileg- für den Buchdrucker Franz Balthasar Neuwiith in Köln. 
Anscheinend der einzige Fall, hei dem der Druck einer Verfügung 
privilegiert wird. Erklärt sich durch die ganz besondere Wichtig- 
keit des Erlasses. 

1772 Bernard von Espen, doct. iur. und Professor des kanonischen Rechts 
in Lieven: Sämmtliche kanonische Werke. 

Genehmigung einer neuen Auflage durch den Erzhischof. Eine 
weitere Privilegierung fehlt in den Akten, die unvollständig sind. 

1777. Calendarium Breviarii Colon. 

Erzh. Genehmigung zur Herausgahe einer neuen Auflagp. Un- 
vollständige Akten. 

1780. Breviarium Coloniense . . uti et diurnale. 

Privileg auf (40!) Jahre für die Buchhandlung der Witwe 
Franz Metternich in Köln. 

1780. Katholischer Katechismus. 

Privilegien-Erneuerung zu Gunsten Franz Balthasar Neuwirths 
in Köln. 

1781. Theatrum music. Choral. 

Erzh. Genehmigung, dass zur Empfehlung der Name des Erz- 
bisehofs im Titel genannt werden dürfe. 

Schliesslich noch einige Worte über die im Jahre 1725 
in Bonn errichtete Hofbnchdruckerei. Man hatte sie, wie 
es in einem erzbisch öftichen Erlasse heisst, eigens errichtet, 
um nicht immer von der kurfürstlichen Residenzstadt Bonn 
aus auf die Kölner Buchdruckereien angewiesen zu sein. 
In dem vom I. September 1725 datierten Patente für den 
Hofbuchdrucker Leonard Rommerskirchen wird ihm ein 
jährliches Gehalt von 150 Reichsthalern nebst acht Maltern 
Roggen und acht Maltern Gerste angewiesen. Er erhält 
das Recht zur Errichtung eines Buchladens, „zum Druck 
der im Erzstift ausgehenden Bücher vermög desfalls er- 
lassenen edicti" l), ferner besonders zum Druck der Pramien- 

~) Diese sehr dehnbare, ungenaue Bestimmung hat «päter wiederholt *u 
Beschwerden Rommerskirchens Anlass gegeben. Das hier angcdeute-c Ed.kt 
fehlt in den Akten und schein* niemals erlassen worden zu sein. 



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Emil Paula 



oder sogenannten goldenen Bücher für die Gymnasien 
und eines Kalenders zum neuen Jahre. Die Lieferung von 
Papier, Siegellack, Federn und Schreibmaterialien aller Art 
für die kurfürstliche Kanzlei war dem Hofbuchdrucker zu 
angemessenem Preise übertragen, und dabei sollte er „von 
allen Bürgerlasten, wie immer sie Namen haben mögen", 
frei sein. So bedeutenden Vorrechten gegenüber bestand 
für ihn die Verpflichtung, von jeder gedruckten Schrift 
ein Freiexemplar an die Hofkanzlei zu liefern, und bis 
zum Umfang von zehn Bogen jeden von der Hofkanzlei 
erhaltenen Auftrag auf Drucksachen unentgeltlich zur Aus- 
führung zu bringen. 

Wahrscheinlich haben diese Bestimmungen im 1 8. Jahr- 
hundert manche Änderungen und Ergänzungen erfahren. 
Die Akten geben hierüber keine Auskunft; jedenfalls hatten 
die erzbischölhchen Censoren über die kurfürstliche Hof- 
buchdruckerei in Bonn kaum jemals Beschwerde zu führen. 



Jülich-Kleve-Berg. 

A. Veröffentlichte Censurerlasse und Uebersicht über 
die Entwicklung des Censurwesens. 

Die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg waren im 16. Jahr- 
hundert unter katholischen Herzögen vereinigt. Im 17. 
Jahrhundert kam Kleve an das evangelische kurbranden- 
burgisehe (preussische) Herrscherhaus, Jülich und Berg 
blieben bis zur Fremdherrschaft unter Pfalz - Neuburg. 
Während der französischen Zeit fiel schon bald nach dem 
Einrücken der republikanischen Heere der grösste Teil des 
jülicher Gebiets an Frankreich, während Berg und Kleve 
erst im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts an das unter 
Napoleons Überhoheit stehende, ziemlich bunt zusammen- 
gesetzte Grossherzogtum Berg kamen. Die Völkerschlacht 
bei Leipzig bedingte den Zusammensturz der Fremdherr- 
schaft am Niederrhein, dann gingen bald nach dem Rück- 
züge der Franzosen Jülich -Kleve und Berg nach einer 
kurzen Übergangszeit unter den Generalgouverneuren Sack 
und Gruner, an die Krone Preussen über. 



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Zur Geschichte der Ccnsur am Niederrhein. 



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Im 16. Jahrhundert lag für die Herzöge von Jülich- 
Kleve-Berg nur selten ein Anlass vor, sich mit der Ober- 
aufsicht über den Büchermarkt näher zu befassen. Tages- 
zeitungen gab es nicht, und Werke profan wissenschaft- 
licher Art Hessen oft die staatlichen und kirchlichen 
grossen Streitfragen unberührt. Gegen unbequeme Flug- 
blätter und Schmähschriften bot die Peinliche Gerichts- 
ordnung Karls V. ausreichenden Schutz ») , sonst fanden 
damals die weltlichen Behörden auf dem Gebiete der Censur 
im allgemeinen wenig zu thun. Bei uns diente ja bis tief 
'ns 17. Jahrhundert hinein die Presse hauptsächlich dem 
Ringen zwischen Katholizismus und Protestantismus, wobei 
die Büchercensur in dem vorwiegend katholischen Lande 
in der Regel bei der Kurie in Köln beruhte. 2 ) Herzog- 
Johann III. (152 1 1539) versuchte ohne durchgreifenden 
Erfolg, das kirchliche Amtsfeld zu betreten ' 1 ). In der von 
ihm im Dezember 1534 erlassenen Polizeiordnung finden 
s ich Bestimmungen gegen die Verbreitung aufrührerischer 
Schriften und solcher Bücher „die angehörig sind den 
Wiedertäufern, Sacramentierern und Gotteslästerern." Das 
hiermit den weltlichen Behörden eingeräumte Recht einer 
Prüfung religiöser Bücher bezieht sich jedenfalls nur auf 
solche Schriften, deren aufrührerische oder dem alten 
Glauben feindliche Richtung in allzu grellen Farben zu 
Tage trat. An eine Beurteilung wissenschaftlicher Streit- 
fragen in Sachen des Glaubens und der Sitten, und damit 
an eine Gensur über die wichtigsten Werke seiner Zeit 
durch weltliche Behörden, hat Johann III. hierbei sicher 
nicht gedacht. Unter seinem Nachfolger, dem Herzoge 
Wilhelm III. (V.), fand das kirchliche Gensurrecht in der 

') In § 1 10 gegen die „zu Latein libell. famos, genannten Schmähschriften". 

2 ) H&tten sich die Akten der theologischen Fakultät in Köln erhalten 
(vgl- oben S. 48 Anm. 2), so würde sich das Dunkel, welches über dem 
Geschick mancher Schrift aus dem 16. und 1 7. Jahrhundett lagert, nennens- 
wert lichten lassen. So scheint — ich beschränke mich auf ein Beispiel — 
das Gutachten dieser Fakultät in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts für 
die Schriften des Rektors Johannes Monheim, und damit für den Plan der 
Errichtung einer Hochschule in Duisburg, verhängnissvoll gewesen zu sein, 
f^gl Lftco'mblet, Archiv Bd. V. S. 72). 

a > Lacomblet, Archiv Bd. V S. 7 
Jahrbuch XV. ^ 



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Emil Pauls 



Polizeiordnung des Jahres 1554 eine ganz entschiedene 
Anerkennung 1 ). Da heisst es: „Die Pastöre und Schult- 
heissen, Vögt und Richter jedes Orts sollen gesamter 
(samender) Hand fleissig acht geben, dass keine Bücher 
verkauft werden, die nicht vorher durch die Pastor und 
Diener der Kirchen besichtigt und zugelassen sind." Dabei 
blieb es in Jülich-Berg bis zur Fremdherrschaft; jülich- 
hergische Censuredikte finden sich für die Zeit vor 1794 
nicht eben häufig. Dass der Kufürst Johann Wilhelm das 
im Jahre 171 5 erlassene kaiserliche Reichs-Censuredikt ver- 
öffentlichte, verdient kaum Erwähnung'. Wichtiger ist das 
Verbot mehrerer ausländischen Zeitungen: Im Jahre 1720 
der im Haag und zu Leyden erscheinenden französischen 
Zeitungen wegen der Verbreitung vieler Unwahrheiten über 
kurpfälzische Religionsangelegenheiten; im Jahre 1790 des zu 
Lüttich erscheinenden Journal general de l'Europe wegen der 
in ihm enthaltenen groben Unwahrheiten, sträflichen Glossen 
und schwärmerischen Irrsätze. Dann im Jahre 1792 das 
Verbot der Strassburger Zeitung, des Wochenblatts 
Monitor und der Mainzer Zeitung wegen Verbreitung der 
neu aufgestellten verderblichen Grundsätze, endlich im 
Juli 1794 der Zeitschrift „Allgemeine deutsche Biblio- 
thek" 2 ). So versuchte 3 ) man in letzter Stunde , kurz 
vor dem Zusammensturz des alten Systems, die Grund- 
sätze der Revolution dem Niederrhein fern zu halten. 
Vereinzelt kamen auch Büch er verböte vor. Eine ganz 
allgemein gehaltene Verfügung untersagte im Jahre 1760 
den Verlag und Verkauf von Büchern, die über Religions- 
streitigkeiten handelten, und im Jahre 1786 vermochte der 
kurfürstliche Hofrat und Arzt Dr. Brinckmann in Düsseldorf 
trotz aller Einwendungen es nicht zu hindern, dass die 
Verbreitung seiner Schrift „Philosophische Betrachtungen 

') Bemerkenswert ist, dass ein dem Herzoge von seinem Leibarzte Weyer 
gewidmetes Werk auf den Index der verbotenen Bücher kam. Wilhelm III. (V.) 
erhob keinen Einspruch, beförderte aber auch nicht die Unterdrückung des 
Werkes. (Vgl. C. Binz, Doktor Johann Weyer. Berlin 1896, S. 78 f.). 

a ) Scotti, Jülich-Berg No. 1206, 2318, 2342, 2396. 

■) Zu solchen Versuchen gehört auch die vom Minister Grafen Ncsselrode 
im Juli 1792 verfügte Schliessung aller sogenannten Lesegesellschalten. (Vgl. 
J. J. Scotti, Jülich-Berg No. 2349). 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 



83 



eines Christen über Toleranz in Religion zur Grundlage 
der Vereinigung sämtlicher christlichen Religionen" streng 
verboten wurde 1 ). Kaum zwei Monate nach dem Bom- 
bardement Düsseldorfs im Jahre 1794 erliess Kurfürst Karl 
Theodor die Bestimmung, dass Bücher, die der Religion, 
den Sitten oder dem Staate gefährlich seien, unterdrückt 
werden müssten. Der Geheimrat von Buininck wurde 
zum Censor ernannt und die Einreichung statistischer 
Notizen über die Zahl der vorhandenen Buchhandlungen 
und „Lese-Bibliotheken" zur Pflicht gemacht 2 ). Das Jahr 
1799 brachte dem Bergischen — das Jülichsche stand 
damals schon seit mehreren Jahren unter französischer 
Herrschaft — die durch den Kurfürsten Maximilian Joseph 
vorgeschriebene Zeitungscensur, die dieser Regent im 
März 1806, wenige Tage vor seinem endgiltigen Verzicht 
auf das Herzogtum Berg, nochmals ausdrücklich bestätigte 3 ). 
Das Verbot (Mai 1804) der Druckschrift „Betrachtungen 
über die Virilstimmen im Reichsfürstenrat" war wohl das 
letzte seiner Art, das vor der Fremdherrschaft bei uns 
erging *). Übrigens war Maximilian Joseph einer gemässigten 
Pressfreiheit nichts weniger als abgeneigt. Seine lange, 
freilich allzu umständlich gehaltene „kurfürstliche Ver- 
ordnung 5 ) über die Press- und Buchhandels-Freiheit" vom 
5. Juli 1803 ist in durchaus liberalem Sinn geschrieben. Sie 
unterstellt zwar die Buch- und Antiquariats-Handlungen, 
sowie die Leihbibliotheken und Buchdruckereien der Auf- 
sicht der Ortspolizeibehörden, überweist aber ganz richtiger 
Weise im allgemeinen die Bestrafung von Pressvergehen 
den zuständigen Gerichten. 

Im Frühjahr 1806 begannen für das Bergische die 
Tage Napoleons und der Napoleoniden. Eine Beseitigung 
der Zeitungscensur, welche die Franzosen bei uns vor- 
fanden, lag nicht im Geiste der Zeit. Nach Goecke 6 ) soll 

~h Scotti, Jülich-Berg No. 1885 und No. 217g. Vgl. S. 9' '"• 
*) Scotti, Jülich-Berg No. 2425. 

3 ) Scotti, Jülich-Berg No. 2532 und No. 2857. 

4 ) Scotti, Jülich-Berg No. 2762. 

") Scotti, Jülich-Berg No. 2702. Die Zeitungscensur wurde dabei nicht 
aufgehoben. 

°) K. (ioecke, Das Glossherzogtum Berg. Köln 1877, S. 69. 

ü* 



84 



Emil huils 



die Gensur der Zeitungen in dem ,. freiheitbeglückten 
Staate" von vornherein bei Strafe derConcessionsentziehung 
energisch gehandhabt worden, ja es soll sogar im April 
1809, bei Gelegenheit eines Bauernaufstandes, daran erinnert 
worden sein, dass die Zeitungen über Politik und Kriegs- 
begebenheiten nichts als die offiziellen Bulletins bekannt 
machen und ihre Nachrichten nur aus den in Frankreich 
oder in Düsseldorf herauskommenden Blättern entnehmen 
dürften. 

So sehr aber auch das französische Centralisations- 
System eine einheitliche Behandlung der Presse erheischte, 
so scheint doch die Bücher- und Zeitungseensur während 
der Jahre 1806 -1813 bei uns eine mildere gewesen zu 
sein '), als im benachbarten Roerdepartement. Hierzu 
mögen mancherlei Umstände beigetragen haben. Das 
Grossherzogtum Berg war niemals dem Kaiserreich Frank- 
reich einverleibt. Nach den Verwaltungsgrundsätzen sollte 
möglichst langsam geändert (reformiert) und das erhalten 
werden, was den Einwohnern schmeichelte, ohne der 
Ordnung und den Geschäften zu schaden Das Gross- 
herzogtum wurde eben als ein Luginsland, als ein Stimmungs- 
messer des noch freien Teils Germaniens wacker aus- 
gebeutet-). Da lag eine vollständige Knechtung der Presse 
nicht recht im Interesse der Sache, die Wahrung eines 
gewissen Scheins von Freiheit erschien hier mehr als auf 
dem linken Rheinufer angezeigt. Dazu kam die Kürze 
der Zeit. Als die Fremdherrschaft über das bergische 
Land hereinbrach, hatte sie in anderen Gebieten des Nieder- 
rheins, so namentlich im Roerdepartement, mehr als ein 
Jahrzehnt hinter sich. Deshalb gab es im Bergischen, 
allein schon zum Zwecke einer thunlichst einheitlichen 
Gestaltung des Verwaltungssystems in allen ehemals 
deutschen niederrheinischen Gebieten, eine fast erdrückende 
Fülle von Organisationsarbeiten ; die Verhältnisse der Presse 



') Vgl. die im Jahre 18 10 erfolgte Erneuerung der liberalen Verordnung 
des Jahres 1803. Entgegen den Verhältnissen im Roerdcparlement sind Klagen 
über zu strenge Censur im Bergischen für die Zeit von 1806— 1813 anscheinend 
nicht Dachsuweisen. 

a ) R. Goeckc a. a. Ü. S. 36 und 37. 



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Zur Geschieht« der Censur am Niederrhein. 85 

standen hierbei nicht an erster Stelle. So erklärt es sich, 
dass im Juli 1810 der Präfekt des Rheindepartements die 
vor sieben Jahren ergangene liberale Verfügung des Kur- 
fürsten Maximilian Joseph") über die Press- und Buch- 
handelsfreiheit erneuern konnte, ohne an höherer Stelle 
auf Widerstand zu stossen. Die Zeitungscensur, die auch 
Maximilian Joseph hatte bestehen lassen, wurde damit 
nicht aufgehoben. Eine Ministerial - Verfügung vom 
28. Dezember 181 1, die den Heidelberger Katechismus der 
Censur unterwarf 2 ), war wohl die letzte bedeutendere ihrer 
Art während der Fremdherrschaft. Nach 1813 bis zum 
Frühjahr 18 16 kamen unter deutsch-preussischer Herrschaft 
in Jülich-Kleve Berg und im Kurkölnischen bei der Über- 
wachung der Presse allenthalben die gleichen Censur- 
grundsätze zur Anwendung' 1 ). 

Es erübrigt noch, auf die Ausnahmestellung Kleves 
Iva 17. und 18. Jahrhundert 4 ) etwas näher einzugehen. Der 
Übergang des Herzogtums Kleve an Kurbrandenburg im 
17- Jahrhundert hatte einen evangelischen Fürsten zum 
Nachbar des Frzbischofs von Köln gemacht. Die Nach- 
barschaft gestaltete sich nicht eben freundlich, doch scheint 
die Censur in den beiderseitigen Beschwerden zu fehlen. 
Hierbei mag Kurbrandenburg ebenso wenig wie Köln ver- 
sucht haben, auf dem theologischen Gebiete des Anders- 
gläubigen ein Gensurrecht zu beanspruchen. Beiderseitig 
wäre ein solcher Versuch nach dem Abschluss des West- 
fälischen Friedens, der in Deutschland drei Konfessionen 
als gleichberechtigt anerkannte, aussichtslos gewesen 5 ). 

') Scoiti, Uilich-Bcrg No. 3208. 

3 ) K. (ioecke a. a. O. S. 42 und Scotti, Jülich-Berg No. 3299. 
•) Vgl. oben S. 47. 

«) Im ifi. Jahrhundert, als Kleve mit Jülich-Berg vereinigt war, erg.ng 
1,11 J «Ii 1566 an die Amtmänner in Kleve und Mark der Befehl, die Ver- 
breitung von Büchern und Druckschriften, die religiöse Irrlehren enthielten, 
möglichst ZU verhindern. (Vgl. Lacomblet Archiv Bd. V, S. 80). Der Kern 
dieses Befehls stimmt mit der Polizeiordnung Wilhelms III. (V.) vom Jahre 1554 
«herein. Vgl. oben S. 82. 

6 ^ Bei den Zwistigkeiten zwischen Kurköln und Kleve traten nur zuweüen 
Geologische Streitschriften in die Erscheinung. Schriften dieser Art waren nach 
d *n im 16. Jahrhundert gemachten Erfahrungen bei beiden Konfessionen .m all- 
gemeinen wenig beliebt und entsprachen nicht dem Geiste des westfälischen 1« nedens. 



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86 



Emil Pauls 



Die Praxis bei der Handhabung der Gensur im Klevischen 
unterschied sich dadurch von der Praxis in den anderen 
grossen Gebieten am Niederrhein, dass dort der Grundsatz, 
wonach die Beurteilung verschiedener Wissenschaften ver- 
schiedene Fachleute erfordert, durch Kurbrandenburg von 
vornherein streng gewahrt wurde. Es gab im Klevischen keine 
theologische Behörde, die für sich das Recht beanspruchte, 
jede Schrift ihrer Censur zu unterziehen Kurbranden- 
burg stand nicht auf dem Standpunkte des Tridentinums, 
es überwies die Censur der um die Mitte des 17. Jahr- 
hunderts gegründeten Universität Duisburg. Im Privilegium 
vom 22. September 1655 erhielt die Universität das Recht 
und die Pflicht, jedes im Klevischen und in der Grafschaft 
Mark erscheinende Druckwerk zu censieren. Je nach der 
Art des Werkes sollte einer der vier Universitäts-Fakul- 
täten die Censur zustehen 1 ). Im allgemeinen liess es die 
klevische Staatsregierung von 1655 ab bis zur Entstehung 
des Grossherzogtums Berg an einer sorgfältigen Aufsicht 
über den Büchermarkt nicht fehlen. Ein besonderes Augen- > 
merk richtete sie auf die Fernhaltung religiöser Schmäh- 
schriften und darauf, dass auf politischem Gebiete weder 
die Verhältnisse des Herrscherhauses noch die Beziehungen 
Brandenburg-Preussens zu anderen Mächten in der Presse 
irgendwie unvorsichtig berührt wurden. Hierzu lag aller 
Grund vor. Klagten im Kölnischen die Evangelischen 
über Unterdrückung, so gingen nicht minder laute Klagen 
solcher Art im Klevischen von den Katholiken aus. Kon- 
fessioneller Presshader hätte die gegenseitige Verbitterung 
nur erhöht. Und dass der Abschnitt „Politik" in der 
damaligen so dünn gesäten Tagespresse von nah und fern 
mit scharfem Auge misstrauisch verfolgt wurde, davon 
gaben zahlreiche Beschwerden Zeugnis, die am Berliner 
Hofe aus halb Europa einliefen 2 ). 

In den Jahren 1693 und 171 2 verbot die klevische 
Regierung unter Hinweis auf ähnliche in den Jahren 1656 

') Wortlaut: Prclo in toto ducatu Cliviae et comitatu Marcano nulli trac- 
tatus nisi a facultatc, ad quam materia pcrtincre iudicabitur, approbaü Bubüduntor. 
(Teschenmacher, Annales Cliviae pag. 12 Hier citiert nach urkundlichem 
Material im Düsseldorfer Staatsarchiv^. 

*) Vgl unten S. 98 ff. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 87 

und 1664 ergangene Bestimmungen die Einführung von 
Büchern, die Socianische, Wigelianische und andere Lehren 
gegen eine der im westfälischen Frieden anerkannten drei 
Glaubensbekenntnisse enthielten. Jede Streitschrift religiöser 
Art, so heisst es, bedürfe der Approbation der theologischen 
Fakultät zu Duisburgs. Am 31. Januar 1727 bestimmte 
König Friedrich Wilhelm I., dass in seinen Staaten atheist- 
ische Bücher weder veröffentlicht noch verbreitet werden 
dürften. Ein seltsames, im Klevischen bald wieder auf- 
gehobenes Privileg erteilte Friedrich II. im November 1747 
der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Demnach 
durfte in ganz Preussen kein Buch, kein Hochzeits-, 
Trauer- oder sonstiges Gedicht, auch keine Leichenpredigt 
gedruckt werden, ohne dass die Akademie ihre Geneh- 
migung erteilt hatte. Als Honorar zu Gunsten der Akademie 
waren^für jedes Gedicht u. dergl. sechs gute Groschen, 
und bei Büchern für jeden Druckbogen zwei gute Groschen 
ausgeworfen' 2 ). Unterm 29. Juli 1749 wurde in Preussen 
„die früher bestandene, seither in Nichtbeachtung geratene 
Censur über alle im Tnlande erscheinende oder von In- 
ländern verfasste Bücher und Schriften wieder hergestellt 
und zugleich auch wegen des Debits der im Auslande 
verlegten Bücher ärgerlichen Inhalts verbietend verfügt." 
Aus der langen Verfügung sei hier nur folgendes hervor- 
gehoben. 

Gedichte, die nicht auf Universitäten entstanden waren, 
jedenfalls auch Leichenpredigten, unterlagen der Censur 
der Landesregierung oder der Ortsbehörden. Veröffent- 
lichungen der Akademie der Wissenschaften in Berlin 
blieben von der Censur befreit. Veröffentlichungen, die 
von preussischen Universitäten ausgingen, wurden, je nach 

') Scotti, Kleve No. 441 und No. 644. 

*) Mylius, Ediktcnsammlung, der auch die Mehrzahl der anderen hier 
mitgeteilten klevischen Censurbestimmungen ciUnommen ist. Die im November 
'747 ergangene Ccnsurvcrfügung wurde hauptsächlich deshalb bald aufgehoben, 
weil bei der Entfernung Berlins von manchen Provinzialortcn bei den 
damaligen mangelhaften Verbindungen oft Tage und Wochen vergehen mussten, 
ehe eine Leichenpredigt, ein Hochzeitsgedicht, oder dergleichen Erzeugnisse, die 
für einen im voraus schwer bestimmbaren Augenblick passten. censiert sein 
konnten. 




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SS 



Emil Paula 



ihrer Art, von einer der vier Fakultäten der Universitäten 
censiert. Alle Schriften aber, auch die von Universitäten 
ausgehenden, über den „statum publicum des deutseben 
Reichs und des Königl. preussischen Hauses, und über 
die Gerechtsame der preussischen Länder", ferner solche 
Schriften, wobei „auswärtige Puissancen und Reichsstände 
interessiert sind" mussten vor dem Druck an das „Departement 
der auswärtigen Sachen" in Berlin eingesandt werden. 
Abgesehen von diesen Ausnahmen, war die Censur über 
alle sonstigen Erzeugnisse des Buchdrucks einer in Berlin 
gebildeten Censur-Kommission anvertraut, die aus vier 
Mitgliedern 1 ) sich zusammensetzte. Das Honorar für den 
Censor bestand in einem Exemplar des begutachteten 
Werkes. Das Jahr 1772 brachte dem Klevischen eine 
Verfügung, in der die Censurvorschriften aus dem Jahre 
1 749 wiederholt eingeschärft wurden. Es heisst zum Sehluss, 
dass Se. Majestät nicht gewillt sei, eine anständige und 
ernsthafte Untersuchung der Wahrheit zu hindern, sondern 
nur vornehmlich dem steuern wolle, was den allgemeinen 
Grundsätzen der Religion sowohl, als der moralischen und 
bürgerlichen Ordnung entgegen sei 2 ). Das erneuerte 
Censur-Edikt für die preussischen Staaten vom 19. Dezember 
1788 hebt in der Einleitung hervor, dass eine mässige 
und wohlgeordnete Pressfreiheit für die Wissenschaft 
Vorteile habe und deshalb möglichst zu begünstigen sei. 
Schädliche Folgen machten sich aber bei einer gänzlichen 
Ungebundenheit der Presse bemerkbar. Da träten zum 
Verderben der Sitten schlüpferige Bilder und lockende Dar- 
stellungen des Lasters, oder hämischer Spott und boshafter 
Tadel öffentlicher Einrichtungen in die Erscheinung, 
die Censur werde deshalb beibehalten. 

Im wesentlichen bestätigt das Edikt von 1788 den 
Erlass von 1 749. Es überträgt die Zeitungscensur in Berlin 
einem eigenen Censor, dagegen in den Provinzer für die 



') Es heisst: Für Juridica, Historien, Philosophien and Theologien. 
Medizin fehlt, tm Jahre 1772 wurde die Censur über medizinische Schriften 
dem Ober-Kollegium medicum übertragen. 

2 ) Scotti, Kleve No. 2064. 



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Zur Geschichte der Ccnsur am Niederrhein. 



89 



dort erscheinenden Zeitungen den Landeskollegien 1 ). Die 
gesetzlichen Bestimmungen vom 19. Mai 1791 über den 
Betrieb des Buchhändler-Gewerbes ergingen ziemlich gleich- 
zeitig mit einem Erlasse vom 5. März 1792, der das Censur- 
edikt von 1788 wiederholte. Amtliche Bücherempfehlungen 
sind für das Klevische nur sehr vereinzelt nachzuweisen 2 ). 
Häufig dagegen begegnen Verbote von Büchern oder 
Zeitschriften, wobei in der Strafandrohung meist von einer 
Geldstrafe und von der Beschlagnahme vorgefundener 
Exemplare die Rede ist. In der nachfolgenden Übersicht 
der Schriften, die im Klevischen vor der Zeit der Fremd- 
herrschaft öffentlich verboten wurden-' 1 ), schliesst sich an 
die Jahreszahl des Verbots der gekürzte Titel des Werkes 
nebst dem Namen des Verfassers oder die Angabe an, 
dass ein anonymes Presserzeugnis vorliegt. Die bei- 
gegebenen Bemerkungen entsprechen der in der amtlichen 
Veröffentlichung vorliegenden Begründung. 

1699. Juni 10 a) Index repetitus quorundam indiciorum ex ictis, b) Monita 
secreta, ubi tot errores ex tractatu A. Stryckii de actionibus noantur. 

Begründung: 

Zwei Schmähschriften gegen die Werke des 
Dr. Brünneinann und des Professors zu Halle Dr. Samuel Stryck. 

1700, April 19. Wahrheit, Unschuld und Ehrenrettung. 

Verfasser: die „beiden, unruhigen" Prediger Schlösser und Debus in Kurpfalz. 

Begründung: Skandalöse Traktätlein. 

1707, August 26 Himmel auf Erden. 

Verlasser: Friedrich von Loenhoff, Prediger zu Zwoll. 
Begründung: Der Kirche und der Polizei schädliche Schrift. 

1730, Mai 6. Des evangelisch-rutherischen Zions erfreuliche Vorbereitung. 

Anonym. Begründung: Den Frieden zwischen evangelisch- 
lutherischen und reformierten Glaubensgenossen störende Schrift. 



') Ergänzende und erläuternde, ziemlich unwesentliche Bestimmungen zun, 
Ccnsur-Edikt vom 19. Dezember 1788 erschienen bereits am 25. Dezember 1788 
und (in Kleve) am 3. Februar 1789. 

*) Ein Beispiel in Scotti, Kleve No. I .56: Licht und Recht. Nützliche 
Erklärung der hl. Schrift von Professor Lange in Halle. 

3 > Der Wortlaut des Verbots findet sich in Scotti, Kleve und in Myl.us, 
Edikten Sammlung. 



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!)() Emil Pauls 

1731, Oktober 6. Juliae Montiumque comitum, marchionum et ducum 
annalium tom. I '). 

Begründung: Schmäht <lie evangelisch - reformierten Glaubons- 
genossen und bedient sich anehrerbietiger Ausdrücke gegen Sc. Maj. 
den König. 

17:{ß, Juni 19. Die göttlichen Schriften vor denen Zeiten des Messiae Jesus. 
Wertheim, gedruckt bei J. Z. Vehr. 

Anonym. Ist in evangelischen Kirchen nicht zu dulden. 

1750, September 15. Apologie und Deduktion wider die Gemeinde zu Frens- 
dorf und den Agenten Eller zu Arnheim. Verfasser: Prediger Schleiermacher. 

17(>3, Januar 28. a) Supplement aux oeuvres et poesies diverses du 
philosophe de Sans-Souci; b) Vierter Teil vermischter Werke des Welt- 
weisen zu Sans-Souci; c) Geheimnisse zur Erläuterung der Geschichte 

unserer Zeit. 

Anonym. Begründung: „Schlagen in Publica ein oder betreffen 
das königliche Haus". 

177S, Dezember 7. Französische Zeitungen, die in Köln und Brüssel er- 
scheinen; ferner die in Köln, Frankfurt am Main und anderwärts heraus- 
gegebenen Reichs-Ober-Postamts-Zeitungen. 

Begründung: Ungebührlich parteiische Aeusserungen gegen den 
preussischen Staat während dos gegenwärtigen Krieges. (Am 
8. Februar 1779 liess ein Erlass die Kölnische französische Zeitung 
wieder zu.) 

1792, Januar II. Trencks Monatsschrift; ferner (1793, Februar 5) die 
Trenckische Schrift „Proserpina". 

Begründung: Gefährliche Grundsätze gegen den Staat. 

1793, April 9. Niedersächsischer Merkur. 

Begründung: Ist angefüllt mit schädlichen ansteckenden Em- 
pörungsgrundsätzen. — Am IG. April 1793 wurde das Schleswigsche 
Journal verboten. 

1794, Mai 9. Allgemeine deutsche Bibliothek. 

Begründung: Der Inhalt ist gegen die christliche Religion ge- 
richtet. Ein königlicher Erlass [Berlin 7. April 1795| hob dieses 
Verbot im wesentlichen wieder auf. Vgl. oben S. 82. 

1795, November 27. Europa in seinen politischen und Finanzverhältnissen. 

Anonym erschienen. Begründung fehlt. 

') Verfasser nicht genannt Vielleicht handelt es sich um das bekannte 
üeschichtswcrk von Werner Teschcnniacher. . 



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Zur Geschichte der Censür am Niederrhein. 91 

Jülich-Kleve-Berg. 

B. Urkundliches zur Geschichte der Censur in 
Jülich-Kleve-Berg. 

Zur Thatsache, däss im Jülich -Bergischen bis zum 
Schluss des 18. Jahrhunderts die weltliche Behörde nur 
wenig mit der Aufsicht über die Erzeugnisse des Buch- 
drucks sich bemühte, steht die Dürftigkeit des im Düssel- 
dorfer Staatsarchivs vorhandenen einschlägigen urkund- 
lichen Materials im Einklang. Archivalische Nachrichten 
über die Handhabung der Censur bei uns scheinen für die 
Zeit vor 1700 vollständig zu fehlen, auch das 18. Jahr- 
hundert ist nur sehr spärlich vertreten. Ein umfangreiches 
Aktenheft 1 ) enthält zahlreiche, kulturgeschichtlich be- 
merkenswerte Aktenstücke über Brinckmanns oben bereits 
erwähnte Schrift: „Philosophische Betrachtungen eines 
Christen über Toleranz in Religion zur Grandlage der 
Vereinigung sämmtlicher christlichen Religionen" Johann 
Peter Brinckmann war praktischer Arzt in Düsseldorf, 
jülich - bergischer Hofrat und Direktor des Medizinal- 
Kollegiums2). Nachdem der vielseitig gebildete Mann eine 
Reihe medizinischer Abhandlungen veröffentlicht hatte, 
wagte er sich im Jahre 1781, nicht eben mit Erfolg, in 
den „Philosophischen Betrachtungen" auf das theologisch- 
philosophische Gebiet. Einer Stelle in den Akten nach 
zu schliessen, veranlassten ihn hierzu der Tod seines besten 
Freundes und einige gleichzeitig vorgekommene Fälle einer 
auffälligen Intoleranz. Das Werk rief im katholischen Lager 
einen Sturm des Unwillens hervor. Das Kölner General- 
Vikariat sprach in seinem unter dem 12. November 1781 
veröffentlichten Verbote von einer staatsgefährlichen, skan- 
dalösen Schrift, welche die hl. Schrift nach weltlichen 
Grundsätzen auszulegen versuche ■>). Und Brinckmann 

') Düsseldorf. Staatsarchiv. jülich-Bergischc Geistliche Sachen. Generalia 

No. 81. „ . 

*) Vgl. K. Sudhoff in der historischen Festschrift zur 7 0. Versammlung 
deutscher Naturforscher und Är/.le. Düsseldorf 1898 Teil II, S. 50 f. 

3 ) Interprctatio verhorum Christi et apostolorum secundum pnnCipia .»und,, 
üt corrumpatur veritas cvangelii . . . ad scandahun et ruinam plurimorum . . . cum 
manifeste venu religionis oontemptn et non sine summo ipsius roipubheae pcr.culo. 



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92 



Emil Pauls 



selbst konnte über die bei Hofe empfangenen Rindrücke 
im Juni 1 781 seinem Landesherrn, dem Kurfürsten Karl 
Theodor, schreiben: „Ich musste mit Schrecken vernehmen, 
dass Ew. K. Durchlaucht dieses Buch mit den allerentsetz- 
lichsten Ausdrücken, die nur je ein Mensch ersinnen kann, 
als das allerabscheulichste Buch in Höchstdero Landen . . . 
verboten haben." Es half dem Verfasser wenig-, dass er 
wiederholt in bodenlangen Ausführungen seine Behaup- 
tungen zu verteidigen suchte, und dass er die von ihm 
erbetenen Gutachten der Universitäten Duisburg- und 
Göttingen, sowie der Synode evangelischer Pfarrer zu 
Solingen, zur Stütze seiner Erörterungen an höchster 
Stelle vorlegte. So günstig auch diese von nichtkatholischer 
Seite aus ergangenen Gutachten im grossen Ganzen lauteten, 
auch sie leugneten nicht den stellenweise hervortretenden 
Mangel an theologischer Schulung. Das Werk blieb ver- 
boten und der Aufenthalt in Düsseldorf war für Brinck- 
mann unmöglich geworden 1 ). 

Zwei Censurerlasse des Kurfürsten Karl Theodor von 
der Pfalz scheinen niemals veröffentlicht worden zu sein' 2 ). 
Der eine (Mannheim 1774, Mai 7) schreibt ausdrücklich vor, 
bei der Veröffentlichung von katholischen Religionsbüchern 
den katholischen Stadtpfarrer zu Rate zu ziehen, bei 
protestantischen dagegen einen Gelehrten oder Geistlichen 
der evangelischen Konfession. Sechs Jahre später (Mann- 
heim 1780, Oktober 11) erklärte der Kurfürst in einem 
Erlasse an den jülich-bergischen Geheimrath, dass in Büchern 
oder Zeitungen Aufsätze über die Haus- und Staatsverfassung 
nur mit allerhöchster Genehmigung erscheinen dürften. Eine 
spätere Verfügung (Mannheim 1788, Mai 14) wollte die 
Censur auf alle Schriften ausgedehnt wissen und Censur- 
kommissionen eingesetzt sehen. In Düsseldorf lag die Censur 
in den Händen der Geheimräte von Buininek und von Hauer; 
vergebens fragte man von dort aus wiederholt in Mannheim 
um nähere Auslegung einiger Bestimmungen in Censur- 

') Brinckmann wurde Leibarzt der Kaiserin von Russland und starb als 
solcher, kaum 46 Jahre alt, im Jahre 1786. 

2 ) Düsseldorfer Staatsarchiv. Jülich-Bcrgische Gesetzgebung und Landes- 
verwaltung 53. Ebenda die folgenden Angaben bis zum Jahre 1811. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 93 

Sachen an. Im Jahre 1791 aber tritt deutlich die am kur- 
fürstlichen Hofe herrschende Angst vor dem Umsichgreifen 
der französischen Revolution in die Erscheinung. So schreibt 
am 25. März 1791 der Kurfürst, dass es nötig sei, in der 
gegenwärtigen Zeit mehr als gewöhnlich auf die Druckereien 
und den Buchhandel acht zu haben. Und in den im selben 
Jahre von Mannheim aus erlassenen „Punktierlichen Vor- 
schriften" wird versucht, dem Buchhandel und den Druckereien 
drückende Fesseln anzulegen. Namentlich fällt es auf, dass 
hierbei die früher fast schutzlos gelassenen christlichen 
Glaubenssätze einem besondern Schutze empfohlen werden . 
Auch heisst es, dass nichts ohne Censur gedruckt werden 
dürfe, und dass die Buchhandlungen zur Anlage von 
Handlungsbüchern verpflichtet Wären, in welche die ein- 
gehenden Bücher einzutragen seien. Über religiöse Schriften 
sagen die Vorschriften: „Zu Büchern, die als anstössig gegen 
die Religion zu erachten sind, gehören alle diejenigen, welche 
die göttliche Offenbarung mit Ernst bestreiten, oder sich 
auch nur damit abgeben, sie ins Lächerliche zu setzen. 
Nicht weniger solche Bücher, die mit Lästerungen oder 
sonst ungeziemenden Ausdrücken über eine der drei im 
Römischen Reich üblichen Religionen, über die Geistlichkeit 
oder über gottesdienstliche Gebräuche angefüllt sind. Druck- 
schriften, die sich in den Schranken einer bescheidenen 
Verteidigung dieser oder jener Religion und Widerlegung 
einer andern halten, sind erlaubt und unverboten." Augen- 
scheinlich glaubte man am kurfürstlichen Hofe, an der Wende 
einer neuen Zeit und in letzter Stunde noch, gegen den 
von Westen drohenden Sturm durch Polizeimassregeln und 
besonderen staatlichen Schutz des Christentums eine aus- 
reichende Abhülfe schaffen zu können. 

Zur Geschichte der Censur im Bergischen ») im Laufe 
der ersten Jahre des 19. Jahrhunderts, vor 1806, bieten die 
Akten ebenfalls nur eine unbedeutende Ausbeute. Der 

»> Ich übergehe als unwesentlich ein paar in den Akten befindliche Vor- 
Handlungen aus den Jahren .770, 179^ ™d .804 ^treffend die Privüeg.eru«g 
der Stahl'schen Buchdruckerei in Düsseldorf und deren Klage wegen I rrnlegxen- 
Verletzung gegen die Druckerei der Wittwe Beyers. Die Akten Innd nicht 
vollständig; Stahls Privileg scheint aus den, Jahre l 7 I9 gestammt zu haben. 



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91. 



Emil Pauls 



Censor Gchoimrat Bevver beschwerte sich über ein von ihm 
für unpassend gehaltenes Flugblatt übor aufgehängte Ver- 
brecher. Die vom Hofkammerrat Lentzen herausgegebenen 
Beiträge zur Statistik wurden zwar günstig beurteilt, später 
aber wird in einem andern Falle darauf hingewiesen, dass 
auch statistische Schriften der Censur unterlägen. Der 
König Friedrich Wilhelm III. von Preussen nahm im Jahre 
1806 den Herausgeber des Westfälischen Anzeigers, Re- 
gierungsrat Mallinkrodt, gegen Vorwürfe in Schutz, die er 
von der Regierung erhalten hatte 1 ). Eine strengere Hand- 
habung der Censur wird von München aus wiederholt an- 
geregt, und im Mai 1804 erfolgte das Verbot der Schmäh- 
schrift: „Napoleon Bonaparte und das französische Volk 
unter seinem Konsulat". 

Als sich im Frühjahr 1803 der General v. Kinkel über 
die Veröffentlichung des österreichischen „("irnoralpardons" 
beschwerte, weil hierdurch das landesherrliche Militär ge- 
fährdet werde, wies man darauf hin, dass nach den be- 
stehenden Bestimmungen alle amtlich bekannt gemachten 
Erlasse gedruckt werden dürften. I )ie Verfügung über den 
Generalpardon habe auch in mehreren anderen Zeitungen 
gestanden. Bei der der Ortspolizeibehörde obliegenden 
Censur der Zeitungen, so bestimmte eine Verfügung im 
April 1804, solle darauf gehalten werden, dass die Zeitungen 
sich auf eine blosse Erwähnung wirklicher Vorfälle be- 
schränkten. Streng seien Referate oder aus anderen 
Zeitungen übernommene Bemerkungen, die irgendwie die 
gebührende Aufmerksamkeit und Schonung zwischen Staaten 
verletzen könnten, zu unterdrücken. 

Wie aus einer erfolglosen Beschwerde des Stadtsyndikus 
Schöler zu Elberfeld hervorgeht, erhielten die Zeitungs- 
censoren für ihre verantwortliche Thätigkeit kein Honorar; 
die Censur war somit eigentlich ein unbesoldetes Nebenamt 
im Polizeidienst. 

Der Kurfürst hatte noch im Jahre 1804 die Absicht, 
ein allgemeines Regierungsblatt für seine gesamten Staaten 

') Liegt unter den bergischen Censurakten, gehört aber richtiger in das 
Aktenbündel über die Censur im Klevischen. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 95 

herauszugeben. Nach langen Verhandlungen »), auf die hier 
nicht eingegangen zu werden braucht, scheint zu Ende 1805 
der Buchhändler und Drucker Stahl in Düsseldorf die Er- 
laubnis zur Herausgabe eines amtlichen Blattes im Bergischen 
erhalten zu haben. Anfangs 1806 suchte die Hofrätin 
Dorothea von Eicken ein Privilegium nach zur Herausgabe 
einer französischen Zeitung und eines deutschen Blattes: 
„Magazin für Politik, Geistesbildung und Humanität". Das 
Gesuch wurde der Regierung in Düsseldorf zur Prüfung 
vorgelegt, ist aber anscheinend unerledigt geblieben. Eine 
interesselose Eingabe an den Präfekten des Rheindeparte- 
ments aus dem März 1 8 1 1 in Sachen der Censur des West- 
fälischen Anzeigers ist in den Akten so ziemlich die einzige 
Erinnerung aus den Tagen des Grossherzogtums Berg. 

Während der Übergangszeit von Ende 1813 bis zum 
Frühjahr 18 16 herrschten allenthalben in den Rheinlanden 
bezüglich der Handhabung der Censur im wesentlichen die 
gleichen Grundsätze. Der damaligen Verhältnisse im Gebiete 
des ehemaligen Roerdepartements, und damit im grössern 
Teile des Jülichschen und Kurkölnischen, wurde bereits oben 
gedacht 2 ). Aus den im Düsseldorfer Staatsarchiv beruhenden 
Akten des General-Gouvernements Berg zur Geschichte der 
Censur im Bergisch-Klevischen vor 84-86 Jahren hier nur 
folgendes^). Viele Berichte aus den Jahren 18 14 und 18 15 
betreffen das bei Stahl in Düsseldorf gedruckte Intelligenz- 
blatt. Ursprünglich nannte sich dieses Blatt „Wochenblatt". 
Auf höhere Anordnung hin nahm es im Jahre 1807 den 
Titel „Wöchentliche Nachrichten" an, dem unter dem General- 
Gouverneur v. Gruner die Bezeichnungen „Intelligenzblatt" 
und „Bergisches wöchentliches Intelligenzblatt" folgten. Die 
Stahl'sche Druckerei in Düsseldorf scheint zu Ende 1815 
zu den ersten der Monarchie gehört zu haben. Stahl wies 
damals darauf hin, dass er mit vier Pressen und „1800 
Zentnern" in den besten und neuesten Schriften arberfe. 

"T^VUten sind ziemlich umfangreich, aber für das vorliegend,: Thema 
belangte*. Um die Erlaubnis zur Herausgabe eines amthehen Journals m 
Beruhen bemühten sich der Geheimrat Bewer und der Hofkammerrat Stahl 
in Düsseldorf gemeinschaftlich. 

•) Gelerai-Gouvcr.^e.nent Berg. Verwaltung. No. 16 und No. 17. 



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Manche seiner den Akten beiliegenden zahlreichen Druck- 
proberi stellen unzweifelhaft die Leistungen der meisten 
früheren Druckereien in den Schatten. Ausserdem Intelligcnz- 
blatt kommen in den Akten noch einige andere Zeitungen 
des bergischen Landes, wenn auch mehr nebensächlich, vor. 
So für Solingen der „Verkündiger", der seinen Namen in 
„Stadt .Solinger Intelligenzblatt" zu ändern wünschte; ferner 
der Westfälische Anzeiger, der während der Fremdherrschaft 
eingegangen war und 1S1 | wieder auflebte; endlich auch 
die Allgemeine Zeitung in Elberfeld und der dortige Nieder- 
rheinische Anzeiger. Bei diesem Blatte scheinen seltsame 
Ausnahmeverhältnisse vorgelegen zu haben, denn der Heraus- 
geber Mannes fragte im Januar 1816 an massgebender Stelle 
in Düsseldorf an, ob er sich der Hülfe des Kanonikus 
Krämer bei der Redaktion bedienen könne. Die Behörde 
antwortete ablehnend. Ausserdem tritt die Zeitungscensur 
in den Akten nennenswert nur noch in zwei Fällen, und 
zwar gegenüber dem Düsseldorfer Intelligenzblatt zu Tage. 
I >em General-Gouverneur Sack in Aachen war im Januar 1 <s 1 0 
vom Könige ausdrücklich anbefohlen worden, die Zeitungen 
und Journale mehr als bisher im Zaume zu halten 1 ). Als 
nun das Düsseldorfer Intelligenzblatt über die preussischc 
Politik sich ungünstig aussprach, erhob Sack Einspruch. 
Ziemlich gleichzeitig hatte das Intelligenzblatt vorzeitig 
Sacks Abberufung aus der Rheinprovinz und seine Er- 
nennung zum Oberpräsidenten von Schwedisch - Pommern 
angezeigt. Entrüstet schrieb Sack, dass ihm selbst von 
seiner Abberufung nichts bekannt sei. Auch bei den ober- 
flächlichsten Begriffen von Anstand und Schicklichkeit müsse 
doch einem Zeitungsschreiber die Voraussetzung nahe liegen, 
dass derartige Nachrichten, wenn sie wahr wären, nur durch 
amtliche Bekanntmachungen den Weg in die Öffentlichkeit 
finden dürften. Der Herausgeber sowohl als der Censor des 
Intelligenzblattes seien zur Verantwortung zu ziehen, und 
überhaupt müsse die Censur strenger gehandhabt werden 2 ). 

') Vgl. Zeitschrift des Aachener Gescbichtsvereins Bd. XXI, S. 231. 

a ) Näheres fehlt in den Akten. Wahrscheinlich hatte das Intelligenzblatl 
ein infolge eines Missbrauchs des Amtsgeheimnisses verbreitetes Gerücht un- 
vorsichtigerweise als ThatsaChc hingestellt. 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrheio. 



97 



In mehrfacher Hinsicht interessant sind einige Gesuche, 
die Zeitschriften und Bücher betreffen. .So petitioniert 
Aschenberg- in Hagen im Dezember 1 8 1 3 um die Genehmigung 
der Herausgabe einer Zeitschrift „Hermann"; Jos. Ferd. 
Wilhelmi in Solingen in ähnlichem Sinne im Januar 18 14 
in Sachen eines Blattes, das unter dem Titel „Patriotische 
Blätter" erscheinen sollte. Der Papierfabrikant Joh. Ad. 
Engels in Werden bewarb sich im März 18 15 um den 
Verlag des Amtsblattes, das demnächst in Düsseldorf 
erscheinen würde, erhielt aber unter Hinweis auf den 
bestehenden Vertrag mit Stahl eine ablehnende Antwort. 
Joh. Wilh. Blind in Gerresheim suchte im Oktober 18 15 ein 
Privilegium gegen Nachdruck für ein von ihm herauszu- 
gebendes Rechenbuch nach. Der Bescheid lautete, dass nach 
der zur Zeit bestehenden Gesetzgebung ein solches Privileg 
nicht erteilt werden könne. Die Bestrafung widerrechtlichen 
Nachdrucks sei Sache der Gerichte. Johann Hülsemann in 
Elberfeld trat im Sommer 18 15 mit zwei seltsamen Gesuchen 
an die Behörde heran. Im ersten bat er um eine amtliche 
Empfehlung des von ihm herausgegebenen „Neuen Kunst- 
buchs, einer Sammlung der neuesten Erfindungen". Er 
legte ein Exemplar seines Werkes bei, erhielt es aber mit 
dem höflichen Bescheide zurück, dass unzweifelhaft das 
Buch sich selbst empfehlen werde. Auffälliger noch war 
die andere von Hülsemann im August 18 15 eingereichte 
Eingabe. Da bat er um eine kleine Geldprämie, nach deren 
Erhalt er ein Manuskript seines verstorbenen Bruders, des 
Hamburger Arztes Dr. Rembert Florenz Hülsemann, über 
die Heilung der Tollwut der Regierung zur Verfügung 
stellen wolle. Sein Bruder, so deutete er bei dieser Gelegen- 
heit an, habe ausserdem eine Reihe von Rezepten gegen 
Gelbsucht, fallende Sucht, Schwindsucht u. s. w. hinterlassen. 
In Düsseldorf war man aber um das medizinische Manuskript 
und die vielen Rezepte ebenso wenig verlegen, wie um 
das Exemplar des Hülsemannschen Neuen Kunstbuchs. 
Der Bescheid lautete ablehnend. Eine von höchster Stelle 
in Berlin aus empfohlene Schrift „Preussen und Sachsen" 
kam im Februar 18 15 durch amtliche Vermittlung in 50 
Exemplaren in den Buchhandel; ausserdem nennen die Akten 

Jahrbuch XV. 7 



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98 



Emil Pauls 



in cmpfohlonderWoi.se noch das Taschenbuch für die Strassen- 

und Bergbaubeamten zwischen dem Rhein und 

der Weser. Düsseldorf itti 

Eine zu Ende 1^15 zusammengestellte sehr interessante 
Statistik über die im Gebiete des ehemaligen Roerdeparte- 
ments und in der Provinz Berg erscheinenden Zeitungen und 
Kalender findet sich in der sechsten Beilage dieses Aufsatzes. 

Das zur altern Geschichte der Censur im Klevischen 
im Düsseldorfer Staatsarchiv vorhandene urkundliche Material 
besteht aus nicht weniger als 21 Aktenbündeln, deren grosse 
Mehrzahl indes von geringem Belang ist. Die Akten 
stammen aus den Jahren 1 7 2 1 - 1 S03 ; auf die Zeit von 1 800 
bis 1803 fallen hierbei nur wenige Notizen. Weitaus das 
wertvollste Aktenbündel, Verhandlungen über eine Zeitung, 
gehört den letzten 17 Jahren der Regierung Friedrichs des 
Grossen an. Hier tritt die Stellung des grossen Königs 
zum Zeitungswesen an verschiedenen Stellen klar zu Tage. 
Bekannt ist Friedrichs IL. Wort von den „Gazetten, die man 
nicht genieren solle", und von den „Pasquillen, die man niedriger 
hängen müsse" 1 ). Im grossen Ganzen bestätigen die vor- 
liegenden Akten diese Auffassung des Königs. Es handelte 
sich um die in Lvlevc in französischer Sprache unter der 
Redaktion eines gewissen Manzon erscheinende Klevische 
Zeitung, bekannter unter dem Namen lc Courier du Bas 
Rhin. Manzons Zeitung erfreute sicli eines gewissen staat- 
liclicn Schutzes 2 ); augenscheinlich gehörte Friedrich IL. selbst 
zu ihren eifrigen Lesern. Und da das Blatt bei Ifofe in 
Berlin in Ansehen stand, fand es selbstverständlich in 
Berliner Diplomatenkreisen reichen Absatz, dort aber teils 
Anklang, teils Widerspruch. ( )ft beschwerten sich Gesandte 
verschiedener europäischer Höfe über die Haltung der 
Redaktion. Dann griff der König selbst vermittelnd und 
drohend gegen den Herausgeber ein, vereinzelt wurden 

'l Anderseits kannte der König auch Ausnahmen. So warf er einst lür 
die körperliche Züchtigung eines ihm unbequemen Kölner Redakteurs hundert 
Dukaten aus. V^l. Annalen des histor. Vereins lür den Xiederrhein. Bd. X.XX.VI, 
S. 60 f. 

*j Ks lieisst an einer Stelle, dass der Courier ein Unternehmen der Haupt- 
stempel-Kaitenkammer sei, und nach verschiedenllichen Andeutungen sollte die 
Zeitung dem Staate einen kleinen finanziellen Ertrag liefern. 



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Zur ( I, Sl liicluc der Censur am Niederrhein. 



99 



sogar Strafen diktiert, aber erlassen. Manche der in Sachen 
des Courier du Bas Rhin ergangene Ministerial -Entschei- 
dungen sind im Stile Friedrichs IT. gehalten und auf den 
König zurückzuführen. Nachstehend einige besonders be- 
zeichnende Einzelheiten in betreff der von Herlin aus 
geführten Oberaufsicht über die Klevische Zeitung. 

Ein im November 1769 ergangener Ordnungsruf erfolgte 
wegen einer aus London gebrachten Korrespondenz, welche 
„die gröbsten Anzüglichkeiten wider die mit uns genau 
verbundene (englische) Macht" enthielt. Im Januar 1770 
reichte der englische Gesandte in Berlin eine Beschwerde 
gegen den Courier ein. Auf das heftigste, so schrieb man 
von Berlin aus an die klevische Regierung, hat England 
gegen die Behauptung remonstriert, dass der englische 
Gesandte Lord Harcourt in Paris den jüngst zu Brest ent- 
haupteten Kapitän Gordon zu seinem Verbrechen verleitet 
habe. Manzon habe mehrere ähnliche unpassende Artikel 
gegen Regenten gebracht, namentlich gegen den dem 
preussischen Königshause nahe verwandten Landgrafen von 
Hessen -Darmstadt und den Kurfürsten von Sachsen, dem 
der Königstitel fälschlich beigelegt worden sei. So im 
Januar 1770. Wenige Wochen später erhielt Manzon eine 
Ordnungsstrafe von 20 Reichsthalern, wobei das Ministerium 
auf allerhöchsten Befehl der klevischen Regierung folgendes 
eröffnete. „Wenn aber der p. Manzon darüber etwa auf- 
setzig werden und die Zeitung gar abandonnieren wollte, 
so müsst Ihr davon berichten und ihn ausserdem aufzuhalten 
suchen. Übrigens habt Ihr dem censori zu rekommandieren, 
dass er diese Zeitung, die im Grunde ihren vorzüglichen 
Wert hat und die wir gern erhalten wissen wollen, jederzeit 
mit möglichster Aufmerksamkeit und Sorgfalt durchsehe und 
weder zu gelinde, noch auch in Ansehung indifferenter Sachen 
zu scharf sei . . ., wir wollen ihm Censor gern ein monat- 
liches Douceur, wenn wir den Effekt spüren, aussetzen." Zu 
Ende März 1770 wurde dem Redakteur Manzon die Zahlung 
der Geldstrafe erlassen, und gleichzeitig setzte Friedrich II. dem 
Censor des Couriers ein jährliches „Douceur" von 50 Reichs- 
thalern aus. Vier volle Jahre hindurch scheint hierauf der 
Courier zu wesentlicheren Beschwerden keinen Anlass ge- 

7* 



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100 



Emil Pauls 



boten zu haben, dann aber nahm eine Reihe von Protesten 
gegen die Haltung des Blattes aus fast allen bedeutenderen 
Staaten Europas ihren Anfang. Im Dezember 1774 klagte 
man aus Warschau wiederholt, dass der Courier den Marschall 
der polnischen Konfoederation, Fürsten Poninsky, durch 
Verbreitung ihm ungünstiger Nachrichten angreife; das 
Ministerium in Berlin Hess dem Censor und dem Heraus- 
geber streng bedeuten, dass es sich nicht schicke, den Chef 
einer so hohen Versammlung in solcher Weise zu behandeln. 
Ein Jahr später musste Manzon einen in einer französischen, 
anscheinend politischen Sache gebrachten Artikel wider- 
rufen, der die Verurteilung des Ingenieur-Kapitäns de Morival 
und die Schrift „Le cri du sang innocent" betraf. 1781 führte 
der Prinz-Statthalter im Haag laut Beschwerde über mehrere 
für die Sache der Generalstaaten unbequeme Artikel, und 
im Februar 1782 wagte sogar der Courier zu schreiben, 
„dass die Höfe zu Wien und St. Petersburg einen Vertrag 
geschlossen hätten, der auf die Teilung des türkischen 
Reichs hinauslaufe. Beide Staaten hätten grosse Magazine 
angelegt und 20000 Rekruten geworben; auch schmachte 
bereits der österreichische Gesandte in Konstantinopel in 
den sieben Türmen als Gefangener." Dieser Artikel rief 
am Berliner Hof unwilliges Befremden hervor. Das 
preussische Kabinett entschuldigte sich in Petersburg, doch 
bewies ein in der St. Petersburger Zeitung erschienener 
Gegenartikel, dass man an der Newa einer solchen Alarm- 
nachricht gegenüber nichts weniger als gleichgültig war. 
1 )ie durch die klevische Regierung auf höhern Befehl dem 
Courier und dessen Censor erteilten Verwarnungen ver- 
hinderten nicht, dass noch im November 1782 die Krone 
Frankreich Grund fand, sich über einen Aufsatz des Blattes 
zu beschweren. In Berlin war man äusserst ungehalten. 
„Alle Höfe", so schrieb das Ministerium nach Kleve, „haben 
bereits über den Courier geklagt, wir haben vielen Vcrdruss 
gehabt und sowohl den Herausgeber als den Censor oft 
verwarnen lassen. Wenn alles nicht hilft, müssen wir die 
Zeitung ganzlich verbieten. Der Censor ist nochmals ernst- 
lich zu verwarnen", trotzdem gab es im Jahre 1783 neue 
Proteste. Der sächsische Gesandte beschwerte sich über 



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Zur Geschichte der Gensur am Nicilerrhein. 



101 



einen Aufsatz, der unrichtige Nachrichten über die Händel 
zwischen dem Grafen v. Gersdorff und dem Legations- 
sekretär Faire enthielt. Und zu gleicher Zeit brachte der 
Courier einen in Berlin unangenehm berührenden Artikel 
über das Ableben der Kaiserin von Russland. Alles dies 
scheint Friedrich II. am Spätabend seines Lebens nochmals 
veranlasst zu haben, sich mit der Haltung des Couriers 
etwas eingehender zu befassen. Auf seinen Befehl eröffnete 
im März 1784 das Ministerium der klevischen Regierung ( 
dass im Courier häufiger übertriebene oder unanständige 
Ausfälle gegen den Königlichen französischen Hof und die 
Vereinigten Staaten von Nordamerika sich fänden, sowie 
dass der Herausgeber in Sachen des Prinzen-Erbstatthalters 
und der Holländer oft zu weit gehe. 

Doch die schärfsten Warnungen brachten keine voll- 
ständige Abhilfe. Im letzten Jahre seines Lebens kam 
Friedrich II. wiederholt auf die alten Klagen gegen die 
Haltung des Couriers zurück. „Bei unserm Kabinett", so 
schrieb der König im Oktober 1785 an den Präsidenten 
der klever Regierung, „laufen ohne Unterlass Beschwerden 
gegen den Courier ein. Er greift (zapft) besonders den 
französischen Hof mit teils unrichtigen, teils unerlaubten 
Censuren an und treibt seine Animosität gegen die Holländer 
zu weit. ... Es wäre uns lieb, wenn Ihr selbst etwas der 
Censur Euch annähmet und dem Censor befählet, in be- 
denklichen Fällen sich an Euch zu wenden." So im Oktober 
17S5. Aber einen Monat später meldete das Ministerium 
in Berlin nach Kleve, dass sich nochmals der französische 
Hof durch seinen Gesandten über den Courier beschwert 
habe. Da alle Warnungen nichts genutzt hätten, sei Manzon 
in eine Geldstrafe von 100 Reichsthalern zu nehmen, und 
ihm zu bedeuten, dass er sein Privilegium verlieren würde, 
falls seine Zeitung weiter noch zu Beschwerden Anlass gebe. 
Die Verhängung dieser Strafe erfolgte auf ausdrücklichen 
Befehl Friedrichs II. Es liegt hier eine jener Marginal- 
Entscheidungen ') vor, deren knapper, fesselnder Stil den 

') Wortlaut: Rcponsc marginale du roi. Infligeons lui une amende, mais 
Ü ne la payera pas; eependant s'il ne veut pas mettre plus de circonspcction 
dans ses feuillcs, on lui ötera son privilegc. 



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102 



Emil Pauls 



König - auch auf diesem Gebiete berühmt gemacht hat. Im 
vorliegenden Falle wird die Geldstrafe nur zum Schein 
verhängt; mit der Drohung der Entziehung des Privilegs 
ist es dagegen ernst gemeint. Thatsäehlich hat Manzon die 
ihm zuerkannte Geldstrafe nie zu bezahlen gebraucht. Im 
März 1786 beschwerte sich aufs neue Frankreich in Berlin 
über den Courier. Da hiess es — die Milde des Ministeriums 
oder des Königs grenzt fast an Schwäche — dass Manzons 
Benehmen unbegreiflich erscheine. Man habe ihm die ver- 
wirkte Geldstrafe nachgelassen, nun bereite er trotzdem der 
Regierung nur Verlegenheiten. Er sei mit scharfer Strafe 
zu bedrohen, auch der Ccnsor des Couriers sei ernstlich zu 
verwarnen. 

Ähnlich verfügte Friedrich Wilhelm II. im Dezember 
1786, ging aber etwas energischer vor. „Der dummdreiste 
Zeitungsschreiber", so sagt der Erlass, „über den der fran- 
zösische und der holländische Gesandte geklagt haben, muss 
widerrufen, und der Censor hat in Zukunft besser acht- 
zugeben. Überdies hat die klever Regierung selbst den 
Courier etwas besser zu beaufsichtigen, ähnlich wie es in 
Berlin von unserm Kabinetts-Ministerium geschieht." Das 
Jahr 1787 brachte für den Courier nicht weniger als vier 
Verwarnungen von höchster Stelle aus. Zunächst hatten 
satirische Äusserungen hierzu Anlass gegeben. „Satirische 
Anspielungen in Zeitungen", so erklärt ein Königlicher Er- 
lass vom 13. März, „verursachen nur Widerwärtigkeiten. 
Man kann sehr wohl eine gute und interessante Zeitung 
schreiben, ohne sie mit Anzüglichkeiten und Sarkasmen 
auszufüllen" 1 ). Im August 1787 zog dem Courier die von 
ihm gebrachte irrige Angabe, dass der Kurfürst von Pfalz- 
Bayern gestorben sei, eine amtliche Rüge zu. Und im 
Oktober desselben Jahres beschwerte sich wiederum die 
französische Regierung über die Haltung des Blattes. Damit 
schliessen die Akten; einige noch beiliegende Abrechnungen 
aus den Jnhren 1 801 — 1803 über Zeitungsstempel und der- 
gleichen verdienen keine Berücksichtigung. Wahrscheinlich 
war bald nach 1787 ein Wechsel in der Redaktion des Couriers 



M So in einem Erlasse vom 20. März 1787. 



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Zur beschichte der Censur am Niederrhein. 



103 



eingetreten, und blieben durch die ruhige Haltung der neu 
gewonnenen Kräfte der Zeitung in den letzten Jahren vor der 
Fremdherrschaft Auseinandersetzungen mit der Staats- 
regierung erspart. Erwähnung verdient noch, dass unter 
Friedrich dem Grossen dem Courier zuweilen amtlich be- 
einfiusste Artikel zum Abdruck zugeschickt wurden. Aus- 
drücklich wurde aber in solchen Fällen befohlen, die Quelle 
des Aufsatzes nicht zu verraten. 

Der Inhalt der übrigen zwanzig Aktenbündel aus der 
klevischen Kanzlei betrifft vorwiegend Anfragen über die 
Censur von Büchern und Zeitschriften oder Verbote littcra- 
rischer Erzeugnisse. Hier folgender Auszug 1 )- 

1741 Summaria recensio praetensionum S. R. M. Prussiae . . in quosdam 
Silesiae et Lusatiae tractus. 

Verfasser Rudolf August Nblten; verbotene Schrift. 

1742. Leonidas. 

Zwei Quartbogen grosso verbotene Druckschrift. 

1743. Gespräche im Reiche der Todten zwischen dem Herzog Don Juan 
de Quistons . . und dem gewesenen Grossadmiral in Russland Graf 
Andreas von Ostermarow. 

Erschien im Jahre 1742 in Frankfurt und Leipzig; verboten 
wegen Beleidigung der russischen Nation. 

1772 und 1773. Sammlung gelehrter Nachrichten am Niederrhein. 

In den Akten ein Exemplar dieser bald eingegangenen in 
Kleve erschienenen Zeitung nebst einigen Nachrichten über «leren 
Censur. 

1774 und 1775. Encyklopädisches Journal. Theaterzeitung. 

Einige Nachrichten über die Censur dieser beiden anscheinend 
in Kleve erschienenen Zeitschriften. 2 ) 

1) Manche der im Jülich-Berthen oder Kurknhu^hen T"*?^ 
Schritten, deren in diesem Aufsätze bereits Erwähnung geschah « nach 
Ausweis der AUten auch im Klevischen verboten. T-.ne Wiederholung der 

Titel solcher Schriften ist Wer verminen- bandschriftlich den, 

• J ) Friedrich II. entschied im Jahre i / 74- aass z ^ el , R • d 
Censor des Kncyklopädischen Journals eingereichte Oden auf den Kais, 
die Kaiserin nicht gedruckt weiden dürften. 



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101- 



Kmil Pauls 



177!). Schreiben eines preussischen Bürgers über D. C. F. Wahrdt und 
seine sogenannte Philantropie. 

Censur und Verbot der Drucklegung dieses Manuskripts. 

17JI2. Drei nicht näher bezeichnete Predigten 

Ein Verleger reichte, da ein Censor nicht vorhanden war, dem 
König (!) durch Vermittlung der klevischen Regierung drei Predigten 
zur Gensur ein. Die Regierung genehmigte die Drucklegung, ohne 
die Eingabe nach Berlin zu befördern. 

1793. Bulletins aus Paris über die Sitzungen des Nationalkonvents, die 
Verurteilung Ludwigs XVI. und dergl. 

In Kleve liefen unter der Adresse „Aux representans provi- 
soired du peuple ä Cleves 8 häufig gedruckte Bulletins aus Paris 
über die dortigen Zustände ein. Die klevische Regierung befahl, 
derartige Berichte nicht anzunehmen, sondern zurückzusenden. 

1793. Proklamation des Grafen von der Provence. 

Der Graf von der Provence hatte in einer Proklamation (Hamm 
in Westfalen, 2.S. Januar 1793) sich zum Regenten Frankreichs 
erklärt. Die Proklamation trug den Titel „Louis Stanislas Xavier 
de France fils de France, oncle du Roi, regen! du royaume ä tous 
ceux . . ." Sowohl die klevische Regierung als der Hofrat Censor 
Engels in Hamm trugen Bedenken, den Druck der Proklamation zu 
gestatten. Engels schrieb dem Könige u. a.: „Ich halte mich nicht 
für befugt, den Druck zu genehmigen. Selbst wenn die Proklamation 
gedruckt würde, möchte vieles zu mildern sein. Sonst könnte sie, 
wenn die schwärmerischen Neufranken bei einein Kriegszuge etwa 
Iiis hierher vordrängen, ein allgemeines Unglück über den ganzen 
Ort bringen." Schon am 1 1 . Februar 1793 billigte ein Erlass Friedrich 
Wilhelms II. die Versagnng der Druckerlaubnis und gebot, in Zukunft 
„keine derartigen Schrillen der französischen Prinzen oder Emi- 
granten zum Druck und zur öffentlichen Bekanntmachung zu ver- 
stauen." 

17114. Warschauer Zeitung. 

Verboten wegen ihrer anstössigen Schreibart. 

17!I4. Pansalvin, Fürst der Finsternis und seine Geliebte. 

Ein Exemplar dieser mit Kupfern „gezierten, in Germanien 1794" 
erschienenen Schrift lieg! den Akten bei. Die Schrift wurde ver- 
boten als beleidigend für den russischen Hof. Sie war gewidmet 
allen Gtinstlinginnen der Fürsten und allen Günstlingen der Fürst- 
innen als eine Unterhaltung in leeren Stunden". 



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Zur Geschichte der Censur am Niederrhein. 



105 



1794-1799. Verschiedene kleinere Schriften. 

Kurze Verhandlungen über folgende Schriften: Kleiner Katechis- 
mus Lutheri, ReUgionsunterricht. Schulprogramme, Westfälisch.' 
Monatsschrift, Neuester Handels-, Kunst- und Modeanzeiger (hiervon 
liegl ein Exemplar den Akten bei). Verfasser bezw. Verleger waren: 
Prediger Htilsmahn in Lüdenscheid, Rektor Johann Priedr. Schindler 
in Hamm, Justizkommissar Gantesweiler in Wesel, Buchdrucker 
Becker in Wesel, Prediger Schliepstein in Lippstadt, Peldprediger 
Krause in Wesel. (Fascikel 17 der Akten). 

171)4-1802. Westfälische Provinzialzeitung. 

Ans den durchgehende ziemlich bedeutungslosen Akten sei hier 
nur hervorgehoben, dass durch einen königlichen Erlass im Juni 1795 
der Censor und der Herausgebor in eine Strafe von jo 25 ßcichs- 
thalern wegen eines gegen Hussland gerichteten Artikels genommen 
wurden. 

17i>5. Allgemeine deutsche Zeitung für Politik, Litteratur, Künste, Handlung, 
Luxus und Moden. 

Der französische Prediger Marechaux in Wesel beabsichtigte, 
unter diesem Titel eine Zeitung herauszugeben. Marechaux wird 
ausserdem in den Akten als Herausgeber oder Mitarbeiter zweier 
anderer Zeitungen erwähnt NÄmlich im September 1795 wegen 
seiner Beziehungen zu der in Amsterdam erscheinenden Hochdeutschen 
Zeitung, und 179G als Herausgeber der in Anholt erscheinenden, 
bald unterdrückten »Neuen allgemeinen westfälischen Zeitung". 

17!)f). Kriminal-Justizanzeigen. 

KönigL Erlass vom 14. Dezember 1795, dass es nicht ange- 
bracht sei, die zu Calmbach erscheinenden Kriminal-.! ustizanzeigcn 
durch Beiträge zu unterstützen. In friedlicheren Zeiten wäre es 
vielleicht gut, derartige Anzeigen für die Gegenden zwischen Rhein, 
Maas und Weser erscheinen zu lassen. 

1797. Verbot gewisser Inserate. 

KönigL Erlass vom 7. Dezember 1 797, wonach Präbenden oder 
geistliche Stiftsstellen im Wege des Inserats in Zeitungen oder 
Intelligenzblättern nicht angeboten werden dürfen. Beüiegen aus 
den Jahren 1802 und 1805 Zeitungsanzeigen, in denen eine ühanoi- 
nessen-Stelle im Stift Paradies bei Soest, sowie eine gleiche Stelle 
im freiweltlichen Fräuleinstift zu Nottoln im Münsterischen käuflich 
angeboten werden. Das Jahreseinkommen der Stelle in Notteln wird 
hierbei auf 225 bis 230 Reichsthaler beziffert 1 ). 

') Nach einer in den Akten beiliegenden SubhastaÜonsanzeige verfielen 
Oftmals in Volmarstein der Subhastation : ein Kirchens.U nahe dem Altar, 
ein Kirchensitz auf der Gallerle und drei Totengruben. 



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106 



Emü Pauls 



17!>8. Westfälischer Anzeiger zu Dortmund. 

Beschwerden wegen Beanitenbeleidigung. 

1798. Journal de ce qui s'est passe ä la tour du Temple pendant la 
captivite de Louis XVI. roi de France par M. Clery. 

Begründung des Verbots: Die Regierung suelit sorgfältig alles 
zu vermeiden, was in diesem Zeitpunkt die Leidenschaften erregen 
könnte. 

1798. Holländische Zeitung. Rhynlandse Courant. 

Der holländische Zeitungsschreiber Johann Olivier zu Alphen 
suchte die Erlaubnis Dach, in Preussen unter dem Titel Rhynlandse 
Counint eine holländische Zeitung erscheinen zu lassen. Die klevische 
Regierung hatte nichts einzuwenden, in Herlin dagegen wurde das 
Gesuch ohne Angabe eines Grundes abgelehnt. Bemerkenswert ist 
die oicht unbeträchtliche Gebührenrechnung zu Lasten des Antrag- 
stellers, der alter anscheinend der Zahlung durch Auswanderung sich 
entzog. 

17!»!). Unterhaltende Briefe über das Justizwesen im Monde 

Wird als eine Schandschrift bezeichnet, in der alle, ( 'ivilhehörden 
auf eine höchst beleidigende Art „angetastet" seien. 

17!)!). Die Franzosen in Köln. 

Kleine Schrift, die über das Auftreten der Republikaner auf 
dem linken Rheinufer bittere Wahrheiten enthielt Die klevische 
Regierung liess durch den Ccnsor einige zu leidenschaftlich gehaltene 
Stellen entfernen und gestattete den Druck unter der Bedingung, 
dass bei der Herausgabe weder der Verfasse!- noch der Druckort 
genannt würden. Zwei bald nach 1799 erschienene Fortsetzungen 
wurden ebenfalls genehmigt. Eine dritte Kort Setzung fand im August 
DSU1 infolge der durch den Duncviller Frieden anders gewordenen 
Verhältnisse nicht mehr tlie Genehmigung der preussischon Regierung. 

17!)!). Das Mineralwasser zu Cleve. 

Verfasser: Dr. Linden. 

Verhandlungen mit dem Buchändler Math. Becker in Wesel. 

1800. Anzeigen, die von französischen Behörden ausgingen. 

Ein Erlass Friedrich Wilhelms III. untersagte die Aufnahme 
solcher Anzeigen den auf preiissischem Gebiete in den Ixheinlanden 
erscheinenden Zeitungen. 1802 wurde dieser Erlass aufgehoben. 



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Zur Geschichte der Censur am Nieilerrhcin. 107 . 

I MM. Der Niederrheinische Staalshote und die Monatsschrift Nieder- 
rheinische Annalen. 

In den Akten eine kleine Denkschrift &ber einen Rechtsstreit 
des Kaufmanns J. A. Mannes gegen den ffofeal EL W. von Eicken 
in Düsseldorf betreffend die v. Eickensche politische Zeitung „Nieder- 
rheinischer Staatsbote". Ferner einiges Uber die angekündigte 
gemeinnützige Monatsschrift „Niederrheinische Aanalen". 

1800. Heuberger, Geschichte des 18. Jahrhunderts. 

Verhandlungen mit dem Buchhändler Röder in Wesel. 

L800. Karl und Emilie. 

Anonym im Verlage von Becker im Wesel erschienenes Lustspiel. 

1803. Unauflösbarkeit des hl. Ehebundes 

rmisterialreskripi (Berlin 1802 Juli 28), das die Verbreitung 
dieser im Verlag dos Buchdruckers Romen in Emmerich er- 
schienenen Schrift gestattet. 

1802. Aufsatz über die religiöse Richtung der vier letzten 
preussischen Könige. 

Scharfer in den zu Essen erscheinenden Allgemeinen politische n 
Nachrichten (No. 20 vom l. April 1802) gedruckter Artikel. Dabo, 
folgende Charakteristik Friedrichs des Crossen: „Geärgert von dem 
frömmelnden Machwerk seines königlichen Vaters und seiner ©rui- 
nierten Ueberfrommen, erwachsen ohne allen vernünftigen I fernem 
im Ohristenthum, verführt im Umgang mit jungen französischen 
Gottesleugnern, wm auch er ein solcher Spötter. Er duldete alle 
Beligionsparteien, denn er hielt sie, was diesen Punkt betrifft, alle 
für Thoren. Unter ihm gehörte es unter den Aufgeklarten der 
Berliner zum guten Tone, die Gottheit m leugnen, threr Verehrung 
zu spotten. Khehruch zu begehen und Unzucto zu treiben. Mut 
so tnätig der Monarch für das Glück seiner Staaten bis an das 
Ende seiner Tage blieb, ein so grosses Glück schien es gleichwohl 
auch für die Sittlichkeit seines Volkes zu sein, dass er starb. 

Die wegen Beleidigung «los Königlichen Hauses angestell e 
l-ntersuchung führt e nicht zu einer Bostralung der Zeitung, da 
diese den Beweis erbrachte, dass ein durch ein \ ersehen in die 
Allgemeinen Politischen Nachrichten gelangter Nachdruck aus einem 
auswärtigen Blatte vorlag. 

1803. Der Sammler, oder Blüte der deutschen, französischen und 
holländischen Journale. 

Zeitschrift; Verhandlungen mit dem Herausgebe? .1. W. Heu- 
borger in Wesel. 



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108 



Emil Pauls 



1803. Wiener Bankzettelfrage. 

Verbot, über diese Frage in den Zeitungen etwas zu schreiben. 

Mehrere Aktenstücke aus den Jahren 172 1 bis 1 7 65 
betreffen das Censurrecht der Universität Duisburg 1 ). 1721 
tadelte es der König, dass die Universität eine Schmähschrift 
unbeanstandet habe durchgehen lassen. Die Entschuldigung - , 
dass nicht die Universität, sondern nur ein einzelner Pro- 
fessor der Censor gewesen sei, missfiel dem Monarchen; er 
empfahl, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Die Schriften der 
Professoren selbst waren nicht frei von der Censur. In jeder 
Fakultät war der Dekan Censor, Schriften des Dekans unter- 
lagen der Censur des Prodekans 2 ). Der Scholarch des 
Soester Gymnasiums nahm für sein Amtsgebiet ein Recht 
auf die Censur theologischer Schriften in Anspruch; später 
hatte neben Duisburg auch das Consilium ecclesiasticum in 
Kleve, wohl für kleinere theologische Schriften, Leichen- 
predigten u. dergl., Censurrechte. Ein königlicher Erlass 
vom 13. Februar 1789 machte ihm die Anlage von Ccnsur- 
akten zur Vorschrift. Auf das strengste hielt die preussische 
Regierung schon lange vor der Verschärfung der Censur 
im Jahre 1749 darauf, dass nichts in den Buchhandel kam, 
was das Interesse des preussischen Königshauses oder das 
Gebiet der hohen Politik in störender Weise berührte. Bei 
Schriften einschlägiger Art war das Ministerium in Perlin 
die einzige Ccnsurbehördo-'). Zuweilen linden sich Be- 
schwerden gegen Ccnsoren verzeichnet; so namentlich für 
Kleve, wo in den Jahren 1770—71 eine Druckereibesitzerin 
wiederholt in bogenlangcn Ausführungen bei Friedrich dem 
Grossen den für Kleve angestellten Censor angriff. Das 
Ganze lief auf eine Ordnungsstrafe von 10 Reichsthalern 
für die Beschwerdeführerin hinaus. Der König war zur 
Aufhebung der Strafe nicht zu bewegen. Von der Privi- 
legierung einer Zeitung ist die Rede in vielen Akten- 

') Vgl oben unter Jülich-Kleve-Berg A. 

a ) Kgl. Erlass vom i. Juli 1765. Ich übergehe als unwesentlich ein 
paar Personalnotizen und einige Beschwerden der Universität über Schmälcrung 
ihres Privilegs. 

:l ) Vgl. hierüber die Beilagen No. 1 und 4. l n den Akten ausser den 
in der vierten Beilage gebrachten Erlasse Friedrichs II. ein ähnlicher Erlass 
desselben Königs vom März 1 74 1 . 



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Zur Geschichte der Ccnsur am Niederrhein. 100 

stücken aus den Jahren 1781—94. Damals beabsichtigte 
der Buchhändler Röder in Wesel, dort eine deutsche Pro- 
vinzial-Zeitung herauszugeben, weshalb er ein Privileg auf 
30 Jahre sich erbat. Erst lange nach dem Tode Friedrichs IL, 
der von der neuen Zeitung eine Schädigung des ihm trotz 
seiner Mängel angenehmen Courier du Bas Rhin (Klevische 
Zeitung) fürchtete, erhielt Röder auf 24 Jahre das Privileg 
am 16. November 1793. Röder hatte die Honorierung des 
Censors mit 60 Rcichsthalem zu bezahlen. Er sollte der 
Staatsregierung nachteilige Nachrichten nicht aufnehmen 
und sich „besonders aller Raisonnements über gegenwärtige 
politische Gegenstände enthalten". 

Privilegien-Schutz fand im Jahre 1800 ein Buchhändler, 
der ein Privilegium auf die Herausgabe des Allgemeinen 
Landrechts besass. Als ein viel gelobter Auszug aus dieser 
Gesetzsammlung grossen Absatz fand, wies ein königlicher 
Erlass die klevische Regierung an, den Verkauf des Aus- 
zugs zu untersagen und vorhandene Exemplare zu beschlag- 
nahmen. Bemerkenswert sind noch aus den Jahren 1791—93 
diejenigen Aktenstücke, in welchen die Anzeichen der 
französischen Revolution zu Tage treten. Ein Erlass Kaiser 
Leopolds wies im Dezember 1791 auf die Notwendigkeit 
der Unterdrükung aufrührerischer Schriften oder Grundsätze, 
und damit auf einen Schutz des Friedens im deutschen 
Reiche hin. Deutlicher noch befahl ein Erlass Friedrich 
Wilhelms II. vom 31. Januar 1792 an die klevische Regierung 
die Beschlagnahme aller „auf Empörung abzielenden, die 
französische Revolution betreffenden Schriften". Aber noch 
im fuli 1793 konnten die Behörden in Kleve nach Berlin 
melden, dass „Schwärmereien, Anschein zum Aufruhr oder 
Störungen der bisherigen Ruhe in den hiesigen Provinzen 
nicht bekannt geworden seien". 

Ein Jahr später brachten die Siege der republikanischen 
Armeen in Belgien einen grossen Teil des Niederrheins auf 
fast zwei Jahrzehnte unter französische Oberhoheit. Die 
Censur überdauerte die Republik und das Kaiserreich, dann, 
dank dem Europa beherrschenden System Metternich, mehr 
als drei Jahrzehnte der preussischen Herrschaft am Rheni. 
In den Märztagen des Jahres 1848 fand sie ihr Ende. 



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llü 



Emil Pauls 



Beilagen. 

i. 

Friedrich Wilhelm I., König von Preussen, weist die Professoren der Uni- 
versität Duisburg an, von ihnen verfasste Schriften staatsrechtlicher Art 
vor dem Druck in Berlin zur Censur einzureichen. 
Berlin 1732, Dezember 6. 

Friderich Wilhelm König Wir haben in Gnaden gut 

gefanden, anaer vor einiger Zeit emanirtea höchstes Verbot wegen 
Drnckung einiger unser und unserer Allijrten Interesse betreffenden 
Schriften dahin zu dßolariren, dass es zwar in Ansehung unserer 
Universitaeten bey der bisherigen Verfassung und hergebrachten Censur 
gelassen werden, hiergegen aber in der Keichs - Stände publiquen 
Recht s-Sachon und Processen, welche bey ilem Kayserl. Rcichs- 
Bfofrath würklich in motu sind, und Reicha-Lehne, oder sonst unsere 
und unserer hohen Allijrten Gerechtsame angehen, die Professors 
des Schreibens und Disputirens sich enthalten, oder wenigstens 
vorher das Scriptum zur Censur anhero einsenden sollen, ininassen 
es geschehen kau. dass zwar der scopus, welchen dergleichen Privat- 
Scribenten Bich vorsetzen, unseres Hofes habenden vues völlig conform 
ist, die prineipia aber, so zu dessen Erreichung hervor gesuchet oder 
fest, besetzet werden, in anderer Absicht selbiger Intention zuwieder 
Bind und hiernechsl einmal unseren Juribus als ein Praeiudiciuin 

in öffentlichen Sclniften entgegengesetzel werden Herlin, 

den 0. Decemb'ris 1732. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Kleve- Mark; Polizeisachen, Censur 
und Zeitungswesen. Abschrift. 

II. 

Erzbischof und Kurfürst Klemens August von Köln legt in einem an seinen 
Generalvikar in Köln gerichteten Schreiben Einspruch ein gegen die von 
dem Dominikaner und Licentiaten der Theologie Ludwig Fliegen beanspruchte 
Berechtigung zur Ausübung des Amtes eines apostolischen Inquisitors und 
BUchercensors in der Kölner Erzdiöcese ')• 
Köln, 1735 Februar 9. 

Coloniae, 9. Februar. 173.^ 

Clemens (titulus). Ilonorabilis dileote nobis devote! 

Uilectus noster archiepisco[ialis librorum censor Joannes Noiimann 
haece BUa nobis relationc intimavit, quod (piidam e familia P. P. 
Dominicanorum in ss. theologia licentiatas venerabilis doctus Fr. 
Ludovicus Fliegen allcgatis apud ipsum litteris patentibus octo ec. 
et rr. cardinalium subscriptione firmatis apostolicum inqnisitoreni 

') Zahlreiche Korrekturen, die in diesem nur im Entwurf vorhandenen 
Schreiben sich finden, lasse ich hier unberücksichtigt Dem Schreiben lag ein 
Bericht des erzbischöflichen BUchercensors vom 4. Februar bei, wie folgender 
Vermerk beweist: Vicario generali Coloniensi cum aoclusa relatione librorum 
censoris Coloniae de 4. huius. 



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Zur Geschichte dei Censur am Niederrhein. 



111 



generalem per Oolonicnsem archidiooeesin nostram, ceterasque partes 
adnexaa constitutum se dixerit, facultatem ad approbandos libros qri 
propediem ederentur, cumulativam saltem cum ipso censore nostro 
ordinario praetendens eo quidem Buccesau, ut paulo ante ad censuram, 
quam ipso dederat ouidam recenti opusoulo Joannia Baptistae \-.\n 
der Vehlen et Buam typis publicis snperaddere ex liuiusce muneria 
relatione non dubitaverit 

Hoc antem cum odiosam prout nemo neu videbit adversus 
ordinariam nostram iurisdictionem sapiat novitatem, quam, vel ex 
hoc solo quod nihil uspiam In hisee partibua auditum hactemis 
Euerit ei simile, adduoi non possumus, ut ah apostolica sede pro- 
fectam eredamufl. Devotioni tuae, quae nostras viees gerere dignos- 
citur praesentium tenore mandamus, quatenus dictum nostrum Ubrorum 
censorem in tuum eonsiliitm advoces, ut facti Seriem penitus intclligas, 
mox superiores Dorrinicanae Eamiliae et ipsura licentiatum ss. theo- 
logiae Kr. Ludovieum Fliegen ad tri congressum invitatöa ßerio et 
in virtuto ohodientiac, quam ipsi dehent ecclesiae, nostro nomine 
borteris, ul dictum Eratrem Ludovieum desistere Eaciant ab exercitio 
muneria, quod in archidioecesi nostra habere se dieit apostolici in- 
«piisitoris generalis, nisi nos transire malint ad alia media, quae ad 
impediendam huiusmodi novitatem essemus iniallibilitcr adhibituri. 
Quando vero dictus licentiatus Ludovious eensori nostro asseruit, se 
Suarum litterarum palentium exemplar apud nostram aulam exhihuisse, 
diligenter volumua devotionem tuam ex ipso audire, cuinam ipsas 
aliquando exhibuerit, de qribua nohis adhuc nihil oonstet? Sed et 
patrem guardianum istic de atrictiore observantia authoritate nostra 
adduces, ut. quisquia ille est opuscrii Ulms autln .r e suo eonventu 
eundem debite eompescere non omittat, quod ipsi inseio censore 
nostro ordinario, approhat ionem ignoti generalis inquisitoris adiungere 
mesuinpsorit, Exemplaria deinde opusculi ipiaccumiue residua ad 
te perferri ctirabia ad nos indilate tranamittenda, ex qribua quam 
primum tua devotio reseiverit, qris ille fuerit typographus, qui 
praeterito noslro oeUSörO ordinario peregrinam approbatiönem typis 
suis exeudore ausus fuerit, eundem sedido interrogabis, qua ipso hoc 
authoritate atlentaverit, et pro raiione delicti congruis in eum 
niuletis animadvertere debebis. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Kurkölnisches Geheimes Geistliches 
Archiv. Bd. XIX, Fase. I. Entwurf. 

III. 

Friedrich Wilhelm I., König von Preussen, befiehlt der klevischen Regierung, 
den Universitätsprofessor Raab in Duisburg eines begangenen Pressyer- 
gehens wegen seines Amtes zu entsetzen. Gleichzeitig genehmigt der Konig 
eine über die Censur der Intelligenz-Nachrichten getroffene Anordnung. 
Berlin, 1740 Februar 20. 
Fridcrich Wilhelm, König . . . Wir haben erhalten was ihr 
wegen einer schändlichen Passage, so der Prolessor zu Duyssburg 



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112 



Emil Pauls 



Raab dem dortigen bitelligenz-'Werk einverleiben lassen, unterm 4ten 
dieses allerunterthänigst berichtet, und weil die darin enthaltene 
oh n vorsichtige, dem denen gekrönten BEäubteren schuldigen Respekt 
und ausserdem denen Reichs -Constitutionen schnurstracks entgegen 
laufente Sehreil) -Art eine scharfe Andung verdienet, also habt 
ihr gedachten Raab ab officio zu suspendieren und dem Fisco auf- 
zugeben, sein Ambt wider ihne vorzunehmen, auch sodan ferner 
gehorsambsl davon ZU berichten. Im übrigen wird eure Verordnung 
wegen künftiger Censur der Intelligenz-Nachrichten hierdurch appro- 
birt. Berlin, 20. Februar 1740. 

Düsseldorf, Staatsarehiv. Kurkülnisches Geheimes geistl. Archiv 
B. XIX. Fase. L Abschrift. 

IV. 

Friedrich II., König von Preussen, befiehlt der klevischen Regierung und der 
Universität Duisburg Censoren anzustellen, die den Bücher-Druck und 
-Verkauf überwachen sollen. 
Berlin, 1742 Dezember 17. 

Büderich König in Prerissen Es ist bishero ver- 
schiedentlich wahrgenommen worden, ilass seit einiger Zeit hin und 
wieder in unsern Landen ein und andere Pieces dobitiret werden, 
welche unserer höchsten Person, dem Etat und Interesse nachtheilig 
seyn und auswärtigen Puissancen verkleinerlich gefallen. Da wir min 
denen daraus erwachsenden Ineonvenientzien zuvorzukommen billig 
und nöthig erachten, als befehlen wir Euch hiedurch gnädigst sofort 
zu verfügen, dass auf unserer Universitaet zu Duisburg sowohl, als 
auf denen übrigen unter Eurer Aufsieht stehenden Gymnasiis gewisse 
Censores gesetzet werden, welche darauf acht haben, dass dergleichen 
Schriften wie vorberichtet nicht weiter gedruckt, ediret und ver- 
kaufet werden. Zu dein Ende habt Ihr sie zu instruiren, dass sie 
die Buchdruckereyen und Buchläden fleissig visitireu und auch sonst 
diejenigen Praecautiones nehmen, welche noch ferner darunter zu 

I lachten 'Ii'' N T othwendigkeit erheischen möchte . . (Schluss: Der 

König erwartet Bericht über die Ausführung dieses Be- 
fehls) Gegeben Herlin den 17. Decembris 1742. Auf 

Sr. Köhigl. Majestät allergn. Special-Befehl: 1 läppe. Arnim. Boden. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Kleve-Mark: Polizei-Aachen, Censur 
und Zeitungswesen. 

V. 

Kaiser Franz I. weist den Einspruch des Erzbischofs und Kurfürsten Clemens 
August von Köln gegen eine vom Reichs-Hoffiscal Uber den erzbischöflichen 
Büchercensor verhängte Strafe zurück. 
Wien 1752, März 10. 

Wir haben zwarn aus Huer Liebden Bericht sub dato 

eilften Decembris anni praeteriti et praesentato sechsten currentis 
den Anstand ersehen, welchen dieselbe bey unserer unterin dritten 



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Zur Geschichte der Ccnsur am Niederrhein. 



113 



Septembri8 vorigen Jahrs wegen des unter dem Titel Evangelium 
reformatom au das Lieht getretenen ärgerlichen Bachs ergangenen 
höchsten Kayserl. Verordnung zu haben vermeinen. Nachdem es 
alier hierhey nicht anf einige .Iura episcopalia aut territorial ia, sondern 
auf unser kayserliches ohrist-richterliches Amt und in unserer Wahl- 
Capitulation theuerst versprochene reichsväterliche Vorsorge, ilass 
dergleichen sehmähsichtige und ungebührliche Schriften im heiligen 
römischen Reich nicht zum Vorschein kommen mögen, ankommet. 
So würde uns zwar zu besonderem Gefallen gereichet haben, wenn 
E. L. gleich anfangs wegen Unterdrückung obgenannten Buchs besorgl 
sein, und den Censorcin mit gebührender Aniinadversion ansehen 
Wullen. Da aber solches ehemalen vorbey gelassen worden, so haben 
EL L. nunmehro nicht nur auf keinerley Art zu gestatten, dass 
unserem kaysorlichen Reichs-I loffiscal bey Ausübung seines Amts 
gegen den Censorem obgenannten Buchs etwas im Weg geleget werde, 
sondern auch im übrigen unsenn letzten kaysorlichen Rescripl die 

geziemen le Folge zu leisten Wien, den 1U. Marth' 1752. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Kurkölnisches Geheimes Geistliches 
Archiv Bd. XIX Fase. 1. Original. Eigenhändige Unterschrift des 
Kaisers; gegengezeichnet : Graf Colloredo. 

VI. 

Statistik über die im Gebiete des ehemaligen Roerdepartements und in der 
Provinz Berg zu Enda des Jahres 1815 erscheinenden Zeitungen, periodischen 
Blätter und Kalender. Druckort, Titel, Verfasser oder Herausgeber, Drucker 
und Verleger, wie oft die Zeitung oder das periodische Blatt erscheint, 
wesentliche Tendenz, ungefähre Quantität des Debits, wohin der Debit 
hauptsächlich geht, jährlicher Preis. Bemerkungen 1 ). 
Dezember 1815. 

I. Roer -Departement. Zeitungen und Zeitschriften. 

Aachen. Aachener Zeitung und [ntelligenzblatt. .Mathias Weiss. 
Mathias Weiss. Wöchentlich dreimal. Politisch. 800 Exemplare. 
Grossherzogtum Niedenhein; 20 Exemplare nach Belgien und Frank- 
reich. 15 Franks. 

Aachen. Der Nouvellisto. Jon. Jak. ßovard. Joh. Jak. ßovard. 
Wöchentlich viermal. Politisch. 300 Exemplare. G rossherzogt um 
Niederrhein. IG Franks. 

Aachen. Aachener Wahrheitsfreund. Thom. Vliockx. Thom. 
Vliockx. Wöchentlich viermal. Politisch. 300 Exemplare. Gross- 
herzogtum Niederrhein. 15 Franks. 

Aachen. Journal des Nieder- und Mittelrheins. Dr. Stein. 
Joh. Jak. ßovard. (Rest fehlt, weil es sich hier um das unter 

') So lauten übereinstimmend die einzelnen Titel der auf Anweisung 
des General-Gouverneurs Sack für das Roerdepartement und die Provinz Berjj 
angefertigten Statistik. Die Rubrik „Bemerkungen" ist in der Provinz Jierj; 

t^ar nicht, im Roer-Departement mir vereinzelt ausgefüllt, doch finden sich einige 
Kritiken der gen. Zeitungen in den der Statistik beigegebenen amtlichen Berichten. 

Jahrbuch XV. 3 



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114 



Emil Pauls 



Aufsicht dos General-Gouverneurs herausgegebene amtliche Journal 
handelt.) 

Köln. Kölnische Zeitung. Du Munt. Dnmont- Schauberg. 
WOchenlich viermal. Politisch, 1500—2000 Exemplare. Gross- 
herzogtum Niederrhein, ö Reichsthaler 20 Stülior hiesigen Geldes. 
Erschien ehemals unter dem Titel Ober -Postamts- Zeitung, wurde 
unter den Franzosen unterdrück! und ist erst bei deren Abzug 
wieder verlegt ! ). 

Köln. Welt- und Staatsbote. (Zeitung.) Geriehtsselireiber 
Weber, .loh. G. Schmitz. Wöchentlich viermal. Politische Nach- 
richten. 1400 Exemplare. Grossherzogtum Niederrhein. "> Reichs- 
thaler 20 Stüber. 

Knin. Verkündiger. (Wochenblatt, Intelligenzblatt) Heberle 
in Verbindung mit mehreren Litteraten. Jlebcrle. Wöchentlich 
zweimal. Rekapitulation politischer Ereignisse, übrigens litterarisch. 
400 Exemplare. Grossherzogtum Niederrhein. 9 Franks. 

Köln. Der Wächter. (Periodische Schrift.) Professor Arndt. 
Rommerskirchen. In zwanglosen Heften. Politisch und historisch. 
000 Exemplare; als Schrift für den Buchhandel lässt sich der Absatz 
noch nicht bestimmen. Leipzig, Berlin, Hamburg, Krankfurt-Main. 
Jeder Band von 4 Heften. 2 Franks. 

Kiefeld. Krefeldcr Wochenblatt. Witwe Schüller. Witwe 
Schüller. Wöchentlich einmal. Verfügungen der Behörden und 
Bekanntmachungen. 220 Exemplare. Kreis Krefeld. 2 Reichsthaler. 

Kleve. Kourier des Niederrheins. Geriehtsselireiber Koch. 
Koch. Wöchentlich zweimal. Politisch. 150 Exemplare. Im 
Elevischen. 12 Franks. 

Aus den der Statistik beiliegenden amtlichen Berichten hier 
nur folgendes : 

Malmedy. Im Umfange des Kreises Malmedy werden weder 
Zeitungen Doch periodische Blätter herausgegeben. 

Aachen 2 ). Gegen die Aachener Zeitung nichts zu erinnern, 
höchstens nur, dass ihre Nachrichten selten neu sind. Heim 
Nouvelliste ist die gute Auswahl zu loben. Der Aachener Wahr- 
heitsfreund ist die mittelinässigste der hier erscheinenden Zeitungen. 
Die Auswahl ist nicht die beste, die Artikel werden spät geliefert. 
Der Verfasser ist der französischen Sprache nicht mächtig, was 
inkorrekte Qebersetzungei) zur Folge hat. Auch der Druck ist 
nicht der korrekteste. 

Düsseldorfer Staatsarchiv. Roer-Departement. Gouvernements- 
Kommissariat Division No. 13. 



') Im beigegebenen amtlichen Berichte heisst es: Mehr als die Hälfte 
geht in die Städte und Orte des Grossher/Ogtums Niederrhein, 100 Exemplare 
auf das rechte Ufer, der Rest bleibt in Köln. 

'-') Ober die Aachener Zeitungen und Kalender vgl. auch die Angaben 
im 2 1. Bande der Zeitschrift des Aachener ( ieschichtsvereins. 



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115 



II. General-Gouvernement Berg. Zeitungen und Zeitschriften. 

Düsseldorf. Intclligenzblatt, verbunden mit dem Gouver- 
nementsblatt. Hofkammerrat Stahl, Gouvernements - Buchdrucker. 
Stahl. Wöchentlich einmal. Bekanntmachungen behördlicher Ver- 
ordnungen und Verfügungen, amtliche und Privatanzeigen. 12Ü0 
Exemplare. Innerhalb der Provinz Berg. 1 Reichsthaler 30 Stüber 
für Düsseldorf, 2 Reichsthaler 10 Stüber postfrei im Lande. 

Düsseldorf. Abendblatt. Stahl. Stahl. Wöchentlich drei- 
mal. Politiseh. G00 Exemplare. Grösstenteils innerhalb der 
Provinz Berg. 4 Reichsthaler für Düsseldorf, 5 Reichsthaler 20 
Stüber postfrei im Lande. 

Düsseldorf. Düsseldorfer Zeitung. Rauscheid. Boyemann. Täglich. 
Politische Nachrichten, amtliche und Privatanzeigen. 840 Exemplare. 
Grösstenteils innerhalb der Provinz Berg. 5 Reichsthaler bergisch. 

Düsseldorf. Niederrheinische Blätter oder Chronik des 
Niederrheins. Freiherr v. Kerz, in dessen Abwesenheit seine Frau. 
Stahl, Hoftuchdrucker. Täglich. Politische Nachrichten, amtliche 
und Privatanzeigen. 300 Exemplare. Inland und nördliches Aus- 
land, (i Reichsthaler bergisch. 

Elberfeld. Allgemeine Zeitung. Dr. Eichholz. Buchhändler 
Büsehler. Täglich. Merkaiitilisoh-politische Nachrichten. 1UUÜ bis 
1000 Exemplare. Hauptsächlich Provinz Berg und Mark. 5 Reichs- 
thaler bergisch. 

Elberfeld. Elberle hier Intelligenzblatt. Büschler. Büschler. 
Wöchentlich zweimal als Beilage zur Allgemeinen Zeitung. Amt- 
liche und private, insbesondere merkantilische und litterarisoho An- 
zeigen. 1000 bis 1G0Ü Exemplare. Hauptsächlich Provinz Berg 
und Mark. Gratis für die Abonnenten der Allgemeinen Zeitung. 

Elberfeld. Provinzial-Zeitung nebst wöchentlicher Beilage 
unter dem Titel: Niederrheinischer Anzeiger. .Mannes, Buchhändler 
und Buchdrucker. Mannes. Täglich. Politische Nachrichten, amt- 
liche, private und litterarischo Anzeigen. 500 Exemplare. Haupt- 
sächlich in und um die Stadt Elberfeld und Remscheid, sonst ins 
Inland, wonig ins Ausland. 5 Reichsthaler bergisch. 

Solingen. Der Verkündiger, ein gemeinnütziges Volksblatt. 
Siebel, Buchdrucker. Sichel. Wöchentlich zweimal. Amtliche 
und Privatanzeigen. 250 Exemplare. Solingen und Umgegend. 
1 Reichsthaler. Aus den beigegebenen amtlichen Berichten hier 
folgendes: Dio bedeutendste Druckerei in der Provinz Borg ist die 
des Gouvernements-Buchdruckers, Hofkammerrats Stahl in Düsseldorf. 
Von den politischen Zeitungen wird die Allgemeine Zeitung in 
Elberfeld am sorgfältigsten redigiert. Die übrigen Blätter, auch die 
Niederrheinischen nach der Abwesenheit des Verfassers Herrn 
v. Kerz, sind jetzt unbedeutend. Alle empfehlen sich dein Schutze 
der liberalen Regierung. 

Düsseldorf. Staatsarchiv. Genend-Gouvernement Berg. Ver- 
waltung No. 17. 

8* 



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in; 



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A. Roer-Departement. Kalender. 

Statistik über die im Gebiet des ehemaligen Roer-Departements für das 

Jahr 1816 verlegten Kalender. Verlagsort. Name des Verlegers. 
Benennung des Kalenders. Preis. Absatz von Exemplaren. Bemerkungen. 

(Die in der Vorlage nicht ausgefüllten Colonnen sind nachstehend mit einem 
Fragezeichen bezeichnet). 

Aachen. Weiss. Historischer Comptoir-Ealender. 20 Centimes. 
Absatz? Grösstenteils als Neujahrsgeschenk an die Abonnenten einer 
vom Verleget herausgegebenen Zeitung verschenkt. Zur Zeit, als 
Aachen freie Reichsstadt war, gab es dort kaiserliehe Privilegien für 
Kalender. Später fielen diese Privilegien fort. 

Krefeld. Witwe Schüller. Comptoir- Kalender. 15 Centimes. 
500 Exemplare. 

Kleve. Koch. Schreibkalender. Preis? Absatz? Der Ver- 
kauf beschränkt sich auf Kleve und seine Umgebung. Für den 
Kniender gibt es weder ein Privilegium noch eine Konzession. 

Geldern. Schaffrath. Almanach vor het Jaar 1816. Preis? 
Absatz? Der Verkauf beschränkt sich auf Geldern und seine Um- 
gebung. Privilegium oder Konzession fehlt. 

Geldern. Schaffrath. Den oprechten brabantsehen Almanach. 
Das Uebrige, -wie beim vorstehenden Almanach vor het Jaar 1810. 

Köln. Rommerskirchen. Kalender für den Kreis und die 
Stadt Köln. 30 Centimes. 760 Exemplare. Dieser Kalender hatte 
früher ein römisch - katserL Privilegium und erschien unter dem 
Titel „Des heil. Kömischen Weichs freier Stadt -Kölnisoher Sack- 
kalender.'' Er wurde im .fahre 1724 von dem Urgrossvater des 
jetzigen Verlegers zuerst herausgegeben. Im Jahre 1794 boliof sich 
die Auflage auf 3201) Exemplare. 

Köln. Rommerskirchen. Der grosse hinkende Bote. 25 Cen- 
times. 3000 Exemplare. 

Köln. Rommerskirchen. Der hinkende Bote am Rhein. 15 
Centimes. 11 000 Exemplare. Während der französischen Occupation 
war der Absatz dieses Kalenders durch das Verbot der Einfuhr 
fremder Kalender auf 24 01)0 Exemplare gestiegen. . 

Köln. Rommerskirchen. Der kleine hinkende Bote. 5 Cen- 
times. 4 500 Exemplare. 

Köln. Rommerskirchen. Comptoir- Kalender. 15 Centimes. 
1000 Exemplare. 

Köln. Georg Lnnscher. Stadt-Kölnischer Bauptkalender. 15 
Centimes. 30U0 Exemplare. Der Kalender ist seit 28 Jahren im 
Eigentum des Verlegers. 

Köln. Jos. Mathieux. Der kleine hinkende Bote. 7 l f i Cen- 
times. 8000 Exemplare. 

Köln. Jos. Mathieux. Allgemeiner Taschen - Kalender. 30. 
Centimes. 1000 Exemplare. 

Köln. Job. M. Feiiner. Der allbeliebte Taschen -Kalender, 
10 Centimes. 500 Exemplare. 



Universiläls- und 
Landesbibliolhek Düsseldorf 



Zur Geschichte der Censur am Niotlerrhcin. 



117 



K B 1 11. .Toh. M. Feüner. Grosser Kompt<>ir-K;ilen<lcr. 7'/j| Cen- 
times. 400 Exemplare. Ausländische Kalender, welche eingeführt 
und in den Nürnberger Warenladen und bei den Buchbindern in 
Köln verkauft werden : 

Europäischer Geschiehts- und Staats-Kalender 10 Centimes. 
Der ächte lustige und kurzweilige Hauer 10 „ 
Jährl. Tag- und Wochenbuch 10'/ 2 * 

Der hinkende und stolpernde rheinische Bote 15 „ 
Andere Angaben über die ausländischen Kalender fehlen. 
Düsseldorf, Staatsarchiv. Gouvernements -Kommissariat Roer- 
departement. Akten über das Kalenderwesen 1816 No. 2G4. 

B. General Gouvernement Berg. Kalender. 

Mülheim an der Ruhr. Bericht vom 29. Februar 1816: 
Im hiesigen Verwaltungsbezirk werden keine Kalender herausgegeben. 
Die hier käuflichen Kalender stammen aus Düssoldorf, Elberfeld, 
Essen und Dortmund. (Ks liegen aber im Aktenbündel Berichte 
aus Elberfeld, Essen, Dortmund und anderen Städten nicht vor; 
sondern einzig aus Düsseldorf. Es heisst. dass im Düsseldorfer Kreise 
nur in Düsseldorf Kalender erscheinen.) 

Düsseldorf. L Ilofbuchd rucker Franz Friedr. Stahl 1. Wand- 
Kalender mit Bildnis des Landesherrn und dem Titel „Staats- 
Kalender. 2. Haus- und Sack-Kalender". Beide Kalender sind seit 
den ältesten Zeiten von der Regierung privilegiert Als Fr. Friedr. 
Stahl von Beinem verstorbenen Oheim Karl Philipp Ludwig Stahl 
die Hofbuchdruckerei durch Rescript d. d. München, 29. November 
1782 übernahm, erhielt er auch das Hecht zur Herausgabe des 
Kalenders. Das Privilegium schützte gegen Nachdruck in den Herzog- 
tümern Jülich-Berg. Besondere Abgabe wird von diesen Kalendern 
nicht entrichtet. 

II. Johann (iottfr. Boegemann. 1. Wand- Kalender, genannt 
Grossherzoglich Bergischer .... privilegierter Komptoir-Kalendcr. 

2. Grossherzoglich Bergischer privilegirtcr oekonomischer 

Taschen-Kalender. Der Herausgeber ist im Besitze von Privilegien 
aus den Jahren 1777, 1794 und 1806. Abgaben für das Privi- 
legium zahlt er nicht. 

III. Hofkammerrat Karl Stahl giebt seit 7 Jahren einen Volks- 
Kalender heraus. Der Kalender ist nicht privilegiert und bedarf 
keines Privilegs, weil er nur als litterarisches Produkt betrachtet 
werden kann. 

Einem beiliegenden Aktenstücke nach ist für 1816 auch noch 
ein Wand-Kalender bei der Wwe. Daenzer herausgekommen. 
Näheres fehlt. Die Akten sind überhaupt unvollständig. Preis 
und Absatz des Kalenders ist nicht angegeben. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. General-Gouvernement Berg. Landes- 
direktion No. 8. 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des 
Bergbaus am Niederrhein. 

Von Otto R. Redlich. 




er eine Geschichte des Bergbaus am Niederrhein 
schreiben wollte, würde sehr bald die ebenso 
überraschende wie missliche Entdeckung" machen, 
■£> dass im Düsseldorfer Staatsarchiv, das doch in 
erster Linie das Material für eine solche Geschichte liefern 
müsste, Bergwerksakten zudengrössten Seltenheiten gehören. 
I >iese auffallende Thatsache, doppelt befremdlich am Mittel- 
punkt der gesamten westdeutschen Industrie, ist begründet 
und hervorgerufen teils durch die äussern Schicksale der 
niederrheinischen Territorialarchive — man denke vor allem 
an die Flüchtung dieser Schätze vor den Heeren der fran- 
zösischen Republik in den Jahren [794 und 1795 - teils 
durch eine unverständige und kaum verzeihliche Kassa- 
tionswut hoher und niederer Beamten, Welche dem aufge- 
klärten neunzehnten Jahrhundert angehört haben. Nament- 
lich das Archiv des ehemaligen I lerzogtums Berg ist durch 
solche gründliche Ordnung und Aufräumimg um Schatze 
gebracht worden, die nun eben unwiederbringlich verloren 
sind. 

Während z. B. für das Herzogtum Jülich die Rech- 
nungen der einzelnen Amter (Vogtei- und Kellnerei-Rech- 
nungen) mit geringen Lücken bis zum Jahre 1500, manche 
auch noch weiter zurück sich erhalten haben, sind die 
Rechnungen der bergischen Amter erst vom Jahre 1749 
ab vorhanden, alle älteren — und es waren gewiss nicht 
Viel weniger, als die jülichschen — sind im Jahre 1803 
ausnahmslos kassiert worden. Ein paar dürftige Reste aus 



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Urkundliche Beitrage zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 11!) 



d< ni i,v Jahrhundort hat eine mitleidige Hand noch ge 
rettet; sie können aber nur als fragmentarische Kuriositäten 
betrachtet worden und bilden in ihrer Vereinsamung eine 
laute Klage gegen modernen Vandalismus. Nicht besser 
als diesen Amtsrechnungen ist es anderen Rechnungen 
ergangen, die zweifellos in grosser Zahl existiert haben. 
So ist z. B. von den Landrcntmeistcrei - Rechnungen der 
grösste Teil noch unter Lacomblet dem Papierfabrikanten 
ausgeliefert worden. Die höheren Bergbeamten im Ber- 
gischen hatten bereits im 16. Jahrhundert jährlich Rechnung 
über den Betrieb der einzelnen Werke abzulegen. Niemand 
kann zweifeln, dass diese Rechnungen einst im Landes- 
archiv existiert haben, denn von dem jülichschen Kohlen- 
bergwerk zu Eschweilcr ist die ganze Fülle dieser Rech- 
nungen seit dem Jahre 1500 erhalten. Aber kein einziges 
Blatt jener bergischen Bergmeister- oder Schichtmeister- 
Rechnungen ist auf uns gekommen. Und gerade sie 
würden, da formierte Bergwerksakten im jülich-bergischen 
Landesarchiv nicht überliefert worden sind, diesen Mangel 
weniger fühlbar werden lassen. 

Auf den ersten Augenblick möchte es also scheinen, 
als ob von dieser Seite her jede Möglichkeit abgeschnitten 
wäre, sich einigermassen über die Vergangenheit des berg- 
baulichen Betriebs im Herzogtum Berg zu unterrichten, — 
dass für das Jülichsche die Verhältnisse günstiger liegen, 
wurde vorhin schon angedeutet. Wirklich ist denn auch 
in den wenigen Darstellungen, welche die Geschichte des 
Bergbaus im Bergischen berührt haben, kaum eine greif- 
bare und sichere Nachricht darüber angeführt worden. 

Indessen ist es ganz so schlimm damit doch noch nicht 
bestellt. Durch eingehende, freilich nicht ganz mühelose 
Nachforschungen in den verschiedensten Teilen des ber- 
gischen Landesarchivs ist es mir gelungen, eine Reihe von 
urkundlichen Nachrichten über das ältere niederrheinische 
Bergwesen, speziell aus dem Gebiete des Herzogtums Berg 
aufzufinden, die ich im folgenden chronologisch geordnet, 
teils wörtlich, teils im Auszug als Grundlage weiterer 
Forschungen darbiete. Das vorhin Gesagte wird die Edition 
dieser Urkunden rechtfertigen. Denn jedes historische 



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120 



Otto R. Redlich 



Dokument wird naturgemäss an Bedeutung gewinnen, 
wenn es in seiner Art vereinzelt dasteht und hierdurch 
sozusagen in jeder Zeile dem Forscher Anhaltspunkte zu 
gewissen Sehlussfolgerungen zu geben berufen ist. 



Noch vor zwei Jahren gelegentlieh der 70. Versamm- 
lung der deutschen Naturforscher und Arzte ist in einer 
Festschrift der hiesigen wissenschaftlichen Vereine auch der 
„Bergbau und Hüttenbetrieb im Bergischen" behandelt 
worden. 1 ) Der Verfasser hat sich naturgemäss auf das 
gedruckt vorliegende Material beschränken müssen. Seine 
sorgfältige Darstellung liefert den Beweis, dass für eine 
Geschichte des ältern Bergbaus am Niederrhein eigentlich 
alles erst noch zu thun ist. Was hier über Bergbau in 
älterer Zeit vorgebracht wird, wiederholt zwar manches, 
was auch schon von Hocker 2 ) u. A. angeführt worden ist, 
ergänzt die älteren Darstellungen aber doch um einige 
wesentliche Züge, die dem gedruckt vorliegenden Urkunden- 
material, vor allem also Lacomblets Urkundenbuch ent- 
nommen worden sind. Nur weniges ist hierbei übersehen 
worden. Alles in allem ergiebt sich bei einer Durchsicht 
des genannten Urkundcnbuchs die erstaunliche Thatsache, 
dass unter diesem gewaltigen, mehrere tausend Nummern 
umfassenden Urkundenmaterial nur etwa ein Dutzend 
Dokumente auf Bergwerke Bezug nimmt. Halten wir damit 
die weitere Thatsache zusammen, dass die im folgenden 
publizierten Urkunden erst mit dem Jahre 1439 einsetzen, 
ältere ungedruckte aber soviel ich zu übersehen vermag, 
für das Bergischc überhaupt nicht, für Jülich nur in geringer 
Zahl vorhanden sind, so können wir uns kaum der Schluss- 
folgerung entziehen, dass während des Mittelalters der 
Bergbau hier am Niederrhein nur eine sehr bescheidene 
Rolle gespielt haben und erst gegen Ende des 15., haupt- 
sächlich aber im 16. Jahrhundert zu grösserer Bedeutung 
gelangt sein muss. 

') Von M. Klees, S. 72 ff. der Festschrift. 

*) N. Hocker, Die Cirossindustiic Rheinlands u. Westfalens. Leipzig 1867. 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte dos Bergbaus am Niederrhein. 121 



Es kann hier darauf verzichtet worden, festzustellen, 
ob die von den obengenannten Autoren vertretene Ansicht, 
dass bereits zur Römerzeit im Bergischen Bergbau getrieben 
worden sei, zutrifft oder nicht. Nur das urkundlich Beweis- 
bare gilt es hier zu berücksichtigen und so mag auch die 
Erzählung von den Harzer Bergleuten des (Trafen Adolf V. 
von Berg vorerst in das Bereich der Sage verwiesen werden. ') 

Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass gelegentlich aus 
Privatbesitz und aus den Registraturen von Berggenossen- 
schaften einiges urkundliche .Material noch zu Tage kommt 2 ). 
Immerhin wird sich aus der nachstehenden Urkundensamm- 
lung und aus dem, was schon früher publiziert worden ist, 
ein Ueberblick über den Umfang des Betriebs, die Formen 
der Belehnung und die Grundzuge der Organisation des 
Bergwesens im Herzogtum Berg vor dem Jahre I609 ge- 
winnen lassen. Das genannte Jahr ist bekanntlich für die 
niederrheinischen Territorien von einschneidender Bedeutung 
gewesen. Das hat sich auch in dem, was uns über die 
innere Verwaltung in Jülich und Berg überliefert worden 
ist, ausgeprägt. Die sogenannten Causae Montenses, eine 
Sammlung von Bestallungen u. dergl., die für unsere Edition 
die meisten Stücke geliefert hat, endigen ebenso wie die 
entsprechenden Causae Juliacenses mit dem Jahre 1609. So 
ergab sich damit auch für uns ein geeigneter Abschluss, 
zumal da durch die 1609 anhebenden politischen Wirren 

») Klees a. a. O. S. 73 und 80. Hocker a. a. O. S. 168. Diese Nach- 
richt stammt übrigens aus den Vaterländischen Blättern Bd. I, S. 101 (Düssel- 
dorf 1814). — Was Hocker bei dieser Gelegenheit über die 1301 entdeckte 
Blei- und Silbermine bei Wülfrath und die übe. sch wengliche Belehnungsurkundc 
berichtet, scheint ebenfalls auf sagenhafter Unterlage zu beruhen. 

5 ) Seitens des Historischen Archivs der Stadt Köln sind mir in 
zuvorkommendster Weise die wenigen für meine Zwecke etwa in Betracht 
kommenden Aktenstücke zur Verfügung gestellt worden. Leider konnten sie 
für den vorliegenden Zweck keine Verwendung linden, da sie nur den Bezug 
von Steinen zum Dombau aus den Steinbrüchen des Siebengebirgs und die Hin- 
fuhr von bergischen Holzkohlen betrafen. — Die Aktien-Gesellschaft des Alten- 
bergs (Vieille Montagne) zu Immekeppel besitzt, wie mir freundlichst mitgeteilt 
wurde, keine älteren auf den Bergbau bezüglichen Dokumente. Auch die Durch- 
sicht der reichhaltigen Sammlungen des Herrn Wilhelm Grevel in Düsseldorf, 
die mir durch die bekannte und oft bewährte Liebenswürdigkeit des Genannten 
ermöglicht und erleichtert wurde, hatte kein nennenswertes Ergebnis. 



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122 



Otto R. Redlich 



und die Wirkungen dos dreissigjährigen Krieges der Berg- 
betrieb die grössten Störungen erlitten hat. 

Nachdem durch die Goldne Bulle vom Jahre 1356 das 
königliche Bergregal zunächst den Kurfürsten eingeräumt 
worden war, gelang es allmählich auch den anderen Reichs- 
ständen, dies s Regal sich zu erwerben '). In Berg hat es der 
Landesherr erst 1437 durch königliche Verleihung erhalten 2 ) 
und zwar, wie sich bei näherer Untersuchung ergeben hat, 
dank der seit 1423 vollzogenen Vereinigung mit Jülich. 
Iiier hatte wiederum die Union mit Geldern die Ver- 
leihung der Kegalien veranlasst. Als Wilhelm von Jülich und 
Geldern am 2Q.November 1377 vnn Kaiser Karl IV. belehnt 
wurde, ist von Kegalien dabei noch nicht die Rede gewesen 3 ). 
Aber einige Jahre später ist derselbe Herzog mit den Re- 
galien belehnt worden. Am 0. Oktober 1 3S4 stellte König 
Wenzel, dessen Schwester die Mutter des Herzogs Wilhelm 
war, diesem (aber nur als Herzog von Geldern) die Be- 
lehnungsurkunde aus. die das entscheidende Wort „Regalien', 
(Mithält 4 ). 

( >hne weiter auf die politischen Gründe hier einzugehen, 
die König Wenzel etwa zu dieser Verleihung der Regalien 
bewogen haben mögen, stellen wir weiter noch fest, dass 
Herzog Reinald von Jülich und Geldern gleichfalls mit den 
Kegalien belehnt wurde und zwar 1407 November 1. durch 
Ruprecht von der Pfalz 5 / und 14 14 November 8. durch 
König Sigmund*). Allerdings werden in allen diesen Ur- 
kunden die einzelnen Kegalien nicht namhaft gemacht. 
Dieser Umstand ist jedoch belanglos, da z. B. auch die 



') Seh rüder, Rechtsgeschichte S. 524. — Die für den Erzbischof 
Wilhelm von Köln ausgefertigte Urkunde K. Kurls IV. datiert vom 25. Januar 
1356. (Kurköln No. 779). 

a ) Lacomblet, Urkundenbueh IV No. 226. 

:l ) Nijhoff, Gedenkwaardigheden uit de geschiedenis van Gelderland III 
No. 36. 

4 ) Jülich-Berg, Urkunden No. 1072. Sie ist weder von Lacomblet noch 
von NijhofT veröffentlicht worden. Lacomblet erwähnt sie zwar in der Note 
zu No. 875 des Bandes III, ohne jedoch auf die oben berührten Thatsachen 
hinzuweisen. 

Ä ) Jülich-Berg, Landeshoheitssachen No. 6. 

8 ) Jülich-Berg, Urkunden No. 1(175. 



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Urkundliche Beitrage zur Geschichte de* Bergbaus am Niederrhein. 123 

Verleihungen der Regalien an den Kölner Kurfürsten ganz 
allgemein gehalten sind 1 ). Jedenfalls dürfen wir annehmen, 
dass jeder mit Regalien Beliehene ohne weiteres auch das 
Bergregal auszuüben vermochte. 

Wenn nun in der dem Herzog Gerhard von Jülich-Berg 
ausgestellten Belchmmgsurkunde vom 13. September 1437 
bei der Aufzählung der Appertinentien des herzoglichen 
Machtbereichs Bergwerke ausdrücklich genannt werden, 
wird jedenfalls ein tatsächliches Vorhandensein von Berg- 
werken angenommen werden können. En der That besassen 
die bergischen Landesherren schon seit langer Zeit in dem 
Eigen von Eckenhagen, also hart an der Grenze ihres 
Gebiets, ein Bergwerk, über dessen Umfang und Bedeutung 
wir allerdings nicht unterrichtet sind. Der Reichshof Ecken- 
hagen war mit seinen Silbergruben im Jahre 1167 von 
Kaiser Eriedrich 1. zunächst dem Kölner Erzbischof Reinald 
von Dassel überwiesen worden. 8 ) Dieses wertvolle Gebiet 
gelangte im folgenden Jahrhundert bereits in den Besitz des 
Grafen von Berg und bildete einen Teil lies Amtes Wm- 
deck. Wann Eckenhagen Kurköln verloren ging, ist genau 
nicht festzustellen, doch muss es zwischen 1204 und 1257 
geschehen sein. Denn 1204 wurde dem Erzbischof Adolf der 
Besitz des Reichshofs noch bestätigt,«) während 1257 
Grafen von Sponheim und Sayn auf di.- Gerichtsbarkeit zu 
Eckenhagen zu Gunsten des Grafen Adolf von Berg ver- 
zichten, nachdem es darüber zu einem längeren Zwist ge- 
kommen war. 4 ) 

In Eckehhagen und den benachbarten Bergwerken 
Wildberg und Poilbroich hat denn auch schon frühzeitig 
ein anscheinend ergiebiger Bergbau stattgefunden. Wild- 
berg (Weleberch, später Wilberg) war bergische Münzstätte-, 
allerdings nur bis 1275; dann wurde Wipperfürth Münzstätte. 
Inwieweit daraus Rückschlüsse auf den bergischen Silberbau 
/u ziehen sind, vermögen wir hier nur anzudeuten. Aus 
unsern unten veröffentlichten Urkunden erhellt, dass in der 

') Vgl. z. B. Lacomblct Ü.-Bi III No. 840. 
2 ) Ebenda I Ko. 420. 
*) Ebenda II No. 11. 
4 ) Ebenda JI No. 440. 



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124 



Otto K. Redlich 



ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hier im „Eigen von 
Eckenhain" ein geregelter Bergbetrieb bestand. 1535 bereits 
wird hier ein „Bergmeister" erwähnt und damit das Vor- 
handensein eines organisierten Bergbetriebes, analog dem 
jülichschen in Eschweiler, bewiesen. So bildete Eckenhagen, 
obwohl an der Peripherie des Landesgebiets gelegen, doch 
das Centrum des gesamten bergischen Bergwesens. 1 ) 

Wir haben damit schon einen wichtigen Punkt der 
Organisation des Bergwesens berührt und wollen nunmehr 
versuchen, auf Grund unserer „Urkunden" deren wesentlichste 
Ergebnisse kurz zu skizzieren. Der Abdruck dieser Do- 
kumente würde überflüssig sein, wenn wir den Anspruch 
machten, ihren Inhalt voll erschöpfen zu wollen. Es kann 
uns vielmehr nur auf einzelne Hinweise ankommen, die 
einen raschen Ueberblick über die Organisation des Berg- 
wesens und die Ausdehnung des Betriebs ermöglichen sollen. 



I. Die Organisation des Bergwesens im Herzogtum Berg. 

In der Erteilung von Bergbelehnungen, dem Erlass von 
Bergordnungen und der Anstellung der höheren Bergbeamten 
haben wir die wesentlichsten Äusserungen des landesherr- 
lichen Bergrechts zu erblicken. 

Bergbelehnungen sind für unser Gebiet bisher noch 
nicht veröffentlicht worden und leider auch nur in sehr ge- 
ringer Anzahl überliefert. Unsere Sammlung enthält deren 
acht (No. J, III, IV, VI, VIII, IX, XXIX, XXXVI), von 
denen sechs der Zeit vor Erlass der Bergordnung vom 
Jahre 1542 2 ) angehören. Unter diesen Belehnungsurkunden 
befindet sieh nur ein einziges Original (No. III), das noch 
dem 15. Jahrhundert angehört. Diese geringe Zahl der 
Belehnungsurkunden würde kaum verständlich sein, wüssten 
wir nicht, dass nach Art. 8 der genannten Bergordnung der 
Bergmeister die Belehnung zu erteilen und in besondere 
Bücher einzutragen hatte. Diese Berglehnbücher sind 
aber leider wie viele andere Bergwerksakten der Vcr- 

') Vgl. Urk. No. XVII. 

a ) Scotti, Cleve-Mftrkische Provinzialgesetze No. 43. 



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Urkundliche Beitrüge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 125 



nichtung preisgegeben worden und wahrscheinlich niemals 
in das herzogliche Archiv gelangt. Nur in Ausnahmefällen 
sind von der Regierung selbst noch Belehnungen ausge- 
fertigt worden; das /eigen die Urkunden Na XXIX und 
XXXVI, die beide die bis dahin noch nicht praktisch ge- 
wordene und ausserhalb des herkömmlichen Betriebs liegende 
Förderung von Alaun betreffen. 

Unter jenen wenigen uns glücklicherweise erhaltenen 
Belehnungsurkunden ist No. III von grösster Bedeutung 
und zwar nicht so sehr als einzig erhaltene ( )riginalurkunde, 
als vielmehr durch ihren Hinweis auf das sächsische Vor- 
bild. Wenn Brassert ') bereits die Abhängigkeit der er- 
wähnten Bergordnung vom Jahre 1542 von der sächsischen 
Bergordnung vom Jahre 1,509 evident nachgewiesen hat, so 
liefert unsere Urkunde den vollgültigsten Beweis, dass dieses 
Abhängigkeitsverhältnis der niederrheinischen von der 
sächsischen Bergorganisation schon im fünfzehnten Jahr- 
hundert bestanden hat. 2 ) 

Die Form der Belehnung steht in den wesentlichsten 
Zügen bereits im 1,5. Jahrhundert fest. Immer ist es eine 
Genossenschaft, welcher der Herzog die Belehnung erteilt. 
Vielfach wird allerdings nur ein Name, gewissermassen der 
Vorsitzende der Gewerkschaft, genannt. An die je nach 
dem Objekt etwas verschiedene Beleihungsformel knüpft 
sich sofort die Forderung des Zehnten mit dem ausdrück- 
lichen Hinweis auf die allgemein gültigen bergrechtlichen 
Bestimmungen. Die Erlaubnis, mit dem erbeuteten Metall 
etc. Handel zu treiben, wird besonders ausgedrückt unter 
gleichzeitiger Zusage des Geleits für die Gewerken. Im 
16. Jahrhundert oder besser gesagt mit dem Beginn der 
Regierung des clevischen Hauses in Jülich- Berg ist eine 
gewisse Erweiterung der Form zu bemerken. Die Be- 
lehnungsurkunden des Herzogs Johann zeigen schärfer um- 
rissene Züge, als die von seinem Schwiegervater, dem 

M Brassert, Bergordnungen der preuss. Lande S. 299 fr. 

*) Die Einwirkung des sächsischen Bergwesens beschränkte sich nicht nur 
auf die Organisation ; auch Bergleute wurden zuweilen aus dem Osten an den 
Niederrhein berufen. Vgl. /. B. v. Below, Jülich-ßergische Landtagsakten l 
S. 506 f. 



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126 



( Itto K. Redlich 



Herzog- Wilhelm IV. ausgestellten hergbelehnungen. Ein- 
mal ist das Objekt der Beleihung schärfer umgrenzt Während 
der Gewerkschaft, deren Haupt der Kölner Bürger Thoenis 
von Merle war, im Jahre 1480 alle Berge im Herzogtum, 
die bisher noch „unbelehnt" waren, zugewiesen wurden (zwei 
wurden allerdings ausdrücklich genannt), können wir aus 
der späteren Zeit keine Urkunde nachweisen, die eine so 
verallgemeinernde Erlaubnis zum Ausdruck brächte. Hin- 
sichtlich des an den Bandesherrn zu entrichtenden Zehnten 
findet sich im Jahre 15 12 die Bestimmung eingefügt, dass 
von dem „bereiten Werk", also von dem reinen Metall etc. 
der zwanzigste Teil abgegeben werden solle, oder aber von 
dem Koherz der zehnte Teil — je nach Wunsch des Landes- 
herrn. Wichtig ist ferner, dass die Regierung jetzt ihr 
Aufsichtsrecht auch bei der Belehnung zum Ausdruck bringt. 
Bei nachlässigem Betrieb mussten die Belehnten gewärtigen, 
anderen weichen zu müssen, die dem Staate bessere Graran- 
tieen gewähren konnten. Das Geleite wurde überdies auf 
alle die ausgedehnt, die auf dem Bergwerk verkehrten, 
ausgenommen die Feinde des Herzogs. Auch genossen die 
Gewerken für alle ihre Güter Zollfreiheit. Ausnahmsweise 
wurde für die ersten Betriebsjahre nur der halbe Zehnte 
gefordert. Wie man sieht konnte der Bergbau für den 
Landesherrn unter Umständen eine sehr bedeutende Finanz- 
quelle werden. Im Interesse der herzoglichen Regierung 
lag es also, den Betrieb nach Möglichkeit zu heben und 
den Gewerkschaften entgegenzukommen. Andrerseits musste 
die Steigerung - des Betriebs eine erhöhte Inanspruchnahme 
der staatlichen Verwaltungsorgane zur Eolge haben und 
schliesslich dazu führen, eigne Beamte für das Bergwesen 
zu ernennen und besondere Bergordnungen zu erlassen. 

Der Erlass einer allgemeinen Bergordnung für unser 
Gebiet erfolgte, soviel wir wissen, erst, als Jülich, Berg- und 
Ravensberg mit Cleve und Mark unter einem Herrscher 
vereinigt waren, und zwar erst zur Zeit 1 1 erzog Wilhelms V., 
des sogenannten „Reichen". Diese Ordnung wurde zu Cleve 
am 27. April 1542 erlassen und beruhte, wie wir schon 
erwähnten, ganz auf einer sächsischen Bergordnung vom 
Jahre 1509. 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 127 



Da sie bereits gedruckt vorliegt und überdies kein eigen- 
artiges Produkt niederrheinischer Gesetzgebung darstellt, 
haben wir hier keine Veranlassung, näher auf diese Ordnung 
einzugehen. Doch wird sich noch die Gelegenheit bieten, auf 
den einen und anderen Artikel zu sprechen zu kommen. 
Wichtiger erscheint es, hier zu erörtern, ob eine allgemeine 
Ordnung des Bergbaues im Bergischen schon vor 1542 
existiert hat oder nicht. Aus mancher Wendung der von 
uns veröffentlichten Urkunden möchte es scheinen, als ob 
thatsächlich eine solche ältere Ordnung vorgelegen hätte. 
So z. ß. heisst es in No. IX vom Jahre 1,535 „vermog unser 
bergordenong inen derhalver gegeven", in No. XII vom 
Jahre 1538 „vermog unser belehenong und ordnong, so wir 
hiebevor daruf gegeven und noch vorder geven werden" 
und in No. XV „nach bergwerksrecht und unser ordnong, 
die wir ime zugestelt und ferner zustellen werden". Andrer- 
seits wird aber in den meisten Urkunden vor 1542 nur auf 
die allgemeinen bergrcchtlichcn Bestimmungen hingewiesen 
mit Wendungen wie „as solichs berchwerks recht und ge- 
woende is" (No. I), „alles nae berchwerks recht ind gewon- 
heit", (No. VI) „nach berchwerksrecht", (No IX, XII, XIII, 
XIV), „wie gewonlich und berchwerks recht ist" (No. X). 
Ausserdem weisen No. III und IV ausdrücklich auf berg- 
rechtliche Bestimmungen anderer Länder hin. 

Am meisten scheint freilich die Einleitung der Berg- 
ordnimg vom Jahre 1542 selbst dafür zu sprechen, dass eine 
ältere Ordnung vorhanden gewesen ist, denn hier ist mehr- 
fach von der vorigen Ordnung die Rede. Dabei dürfen wir 
aber nicht vergessen, dass diese Ordnung keineswegs für 
Berg allein, sondern ebenso gut für Mark erlassen worden 
ist. Bei der grossen Bedeutung, die der Bergbau im 
Märkischen von jeher gehabt hat, ist wohl anzunehmen, dass 
dort schon eine ältere Bergordnung vorgelegen hat. Ist doch 
aus clevischen Akten bereits ums Jahr 1460 ein Bergmeister 
nachgewiesen, während in unserem Gebiet ein solcher Beamter 
erst bedeutend später genannt wird. 

So möchte ich bei der Annahme bleiben, dass eine all- 
gemeine Bergordnung für Berg vor 1542 nicht erlassen 



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IIS 



Otto R. Redlich 



worden ist 1 ). Abgesehen davon, dass es auffällig wäre, 
wenn kein Exemplar dieser älteren Ordnung sich erhalten 
hätte, würde doch auch schwer zu erklären sein, weshalb 
die Urkunden so häufig auf die allgemeinen Berggewohn- 
heiten und nicht vielmehr auf die herzogliche Ordnung 
hinweisen sollten. Man wird also unter den „vor uffgeriehton 
Ordnungen und Satzungen" entweder eine Bergordnung für 
die (Trafschaft Mark oder die einzelnen Bestimmungen zu 
verstehen haben, die in den Bergbelehnungen enthalten sind, 
und überdies vielleicht noch an Instruktionen denken können, 
dii- den einzelnen Beamten zugestellt wurden und gerade 
dadurch am leichtesten der Vernichtung anheimfielen. 
Daneben wird noch zu berücksichtigen sein, dass in No. IX, 
wo zuerst von einer Bergordnung die Rede ist, der Erlass 
einer allgemeinen ( )rdnung des Bergwesens verheissen wird 
mit den Worten „wie wir dan derhalver noch wider billiche 
und gude ordnongen nach berchwerksrecht und gclegenheit 
herna geven und ufrichten lassen werden". 

So würde denn unser Gebiet später zu einer umfassenden 
Regelung seines Bergwesens gekommen sein, als z. B. die 
benachbarten geistlichen Kurfürstentümer Köln und Trier. 
In Köln wurde im Jahre 1533 eine Bergordnung erlassen-'), 
in 'Frier aber bereits im Jahre i5io 3 J. Beide Ordnungen 



') Anco H. Achenbach, Geschichte der Cleve -Märkischen Berggesetz- 
gebung und Bcrgvenvaltung (Berlin 1869) S. 3 deutet die „vorige Ordnung" auf 
Gewohnheitsrecht. 

'-') Scott i, Churkölnische Provinzialgesetze No. 9. — Der Meinung Scottis, 
diese Ordnung gehe auf eine viel frühere, etwa aus dein Anlang des 15. Jahrb. 
stammende Bergordnung zurück, vermag icli mich nicht anzuschliessen. Wenn 
in Kurköln z. B. das Amt des Bergmeisters mit seiner Funktion, die Berg- 
belehnungen vorzunehmen, schon älter wäre, so würden wir keine landesherr- 
lichen Belehnungen haben, die sich jedoch thalsächlich noch bis ins 16. Jahrh. 
hinein nachweisen lassen. Dass aber unter den Artikeln dieser Bergordnung 
Bestimmungen sich linden, die bereits vor 1 533 Gellung hatten, ist nicht ver- 
wunderlich. Sic waren eben in den einzelnen Bergbelehnungen schon enthalten 
Iz. I'.. das Geleit für die Gewerken u. a.). Scottis Ansicht ist insofern allerdings 
erklärlich, als diese Ordnung in der That einen etwas ruckständigen Eindruck 
macht im Vergleich zu der nur neun Jahre Später liegenden clevischen Berg- 
otdnung. Man hatte es in Kurköin eben versäumt, sich die Berggesetzgebung 
anderer Stallten zu nutze zu machen. 

*) Scotti, Churtriersche Provinzialgesetze No. 45. 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 129 



haben jedoch auffälligerweise keinen erkennbaren Einfluss 
auf die jülieh-clevische vom Jahre 1542 ausgeübt. Di<> 
kurtriersche Ordnung kann man allerdings vielleicht nicht 
ganz in eine Linie mit den andern stellen, da sie speziell 
für ein Bergwerk (bei Berncastel) erlassen worden ist. In- 
dessen enthält sie in mancher Hinsicht wiederum mehr all- 
gemeine Bestimmungen, als die clevische, so z. B. indem 
sie die Verpflichtung der Unterthanen betont, überall das 
Bohren zu gestatten, abgesehen von dem Raum unter Tisch, 
Bett und Ofen 1 ). 

Die jülieh-clevische Ordnung ist ausschliesslich Betriebs- 
ordnung und giebt als solche vor allem den einzelnen Berg- 
beamten: Bergvogt, Bergmeister, Bergschreiber, Gegen- 
schreiber, Markscheider, Zehntner, Schichtmeister und Steigern 
genaue Vorschriften. Mehr als ein Viertel der unten publi- 
zierten Urkunden bezieht sich auf die Anstellung solcher 
Bergbeamten. Die Form der Bestallung richtete sich 
naturgemäss danach, ob der Beamte als herzoglicher Auf- 
sichtsbeamter auf Privatbergwerken oder auf den im herzog- 
lichen Interesse betriebenen Gruben und Hüttenwerken 
angestellt wurde. Die unter No. XIII, XIV, XVI, XVIII, 
XXXIII und XXXVIII mitgeteilten Bestallungen dürfen 
wir wohl zur letzteren Kategorie rechnen, während die andern 
(No. XII XV, XIX, XX, XXII, XXV und XXVIII) sich 
auf herzogliche Aufsichtsbeamte beziehen werden. Hierzu 
würde ja auch in gewisser Weise das Patent für den Bruder 
Johann up dem Strych (No. VII) zu zählen sein, obwohl 
dabei der Form nach nicht von einer Bestallung im eigent- 
lichen Sinne die Rede sein kann. 

/T)\e Ernennung des Bernhard Riegel zum Bergmeister 
über alle Bergwerke im Herzogtum vom 20. August 1538 
(No. XII) eröffnet die Reihe der eigentlichen Bestallungen. 

l 1 lieber die clevische Ordnung urteilt Brassert a. a. O. S. 763 Anm. 
folgendermassen : „Das in der Bergordnung enthaltene bergrechtliche Material 
ist ungleich dürftiger, als in den meisten andern Bergordnungen dieser Samm- 
lung; es fehlen z. B Vorschriften über das Schürfrecht, das Recht des ersten 
Finders, die Anzahl der zu verleihenden Maassen, das Erbstollenrecht, die Ent- 
schädigung des Grundeigentümers etc.". Diese Unvollständigkeit erkläre sich 
durch die Zeit der Entstehung, da damals erst begonnen wurde, die bestehenden 
Bergrechtsnormen zu .samme|n und fortzubilden. 
Jahrbuch XV. 



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130 



Otto R. Redlich 



Es war der ersto Schritt zur Einführung jener Organisation, 
die in vollem Umfange einige Jahre später durch die Bei- 
ordnung durchgeführt wurde. Sämtliche Gevverken, Schicht- 
meister, Steiger, Hüttenleute und Arbeiter hatten sich fortan 
den Anordnungen des Bergmeisters zu fügen. Stand hier- 
nach dieser Beamte an der Spitze des gesamten Berg- 
wesens, so wurde er doch schon wenige Jahre später aus 
seiner dominierenden Stellung verdrängt durch die Ein- 
setzung eines Bergvogts. 7(No. XV). Schon die Persönlich- 
keit, welche dazu ausersehen wurde, zeigt, dass dieses Amt 
mehr aus Rücksicht auf die äussere Verwaltung und die 
Justiz geschaffen worden war. Hans Udenheimer, in der 
Bestallung als Sccretär bezeichnet, begleitete im Jahre 1542, 
also kurz nach seiner Anstellung, die Truppen des Nieder- 
ländischen Kreises als Pfennigmeister (Gegenschreiber) nach 
Ungarn 1 ), scheint im Bergwesen also wohl entbehrlich ge- 
wesen zu sein. Die Leitung des eigentlich technischen Betriebs 
blieb in den Händen des Bergmeisters. Das ergiebt sich 
aus verschiedenen Artikeln der Bergordnung, wenn es auch 
in manchen Punkten unklar bleibt, wie die Kompetenz der 
beiden Beamten gegen einander abgegrenzt war. Inwieweit 
etwa dieser Mangel zu Konflikten geführt hat, entzieht sich 
unserer Kenntnis. Immerhin ist es auffallend, dass bereits 
1553 und zwar an ein- und demselben Tage ein neuer 
Bergvogt, Reinhard Stappcnhover (No. XIX) und ein neuer 
Bergmeister, Jakob Flamme (No. XX) angestellt werden 
musste. Nach Klammes Tod wurde 1,571 März 23. dessen 
Bruder Valentin zum Bergmeister ernannt (No. XXV), der 
jedoch das Amt ungern übernahm und auch nur kurz behielt. 
Ihm folgte bereits 1573 Christoph Theuffel als Bergmeister 
(No. XXVIII) und diesem am 1. Mai 1597 Peter Rabe 2 ). 

Verschieden von dem Amt eines Bergmeisters für das 
gesamte Herzogtum war das des Bergmeisters auf den 
landesherrlichen Bergwerken im Eigen von Eckenhagen. 
Hier finden wir schon im Jahre 1535 einen Johann von 
Elveren als Bergmeister bezeichnet (No. X), dem am Neu- 

') Düsseldorf, Staatsarchiv. Xiederrheinisch - Westfälisches Kreisarchiv 
Abt. IX No. 2. 

*\ Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B. 34 VI fol. Ol. 



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Urkundliche Beilrä{>e zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 131 

jahrstäg 1541 Wolf Bekeim folgte (No. XIV). Unter Jakob 
und Valentin Flamme scheint dann allerdings der Bergmeistcr 
für das Territorium zugleich auch Bergmeister in Ecken- 
hagen gewesen zu sein, wofür besonders ein Passus in der 
Bestallung Valentin Flammes (No.XXV) spricht 1 ). Während 
der Amtstätigkeit des Bergmeisters Rabe oder vielmehr 
kurz nach dessen Anstellung wurde dann aber noch ein 
besonderer Aufseher der landesherrlichen Bergwerke im 
1 [erzogtum Berg in der Person des Hauptmanns v. Neuenhof 
gen. Ley creirt 2 ). 

Wiederholt können wir die Beobachtung machen, dass 
in einer Hand mehrere Ämter vereint waren. So war der 
Büchsenmeister Gessner zugleich llüttenschreibcr und 
Probierer (No. XV 1), Jakob Flamme sowohl Schichtmeister 
als auch Bergmeister und Probierer (No. XX), der Berg- 
meister Theuffel ebenfalls Probierer (No. XXVIII). Wir 
finden hierdurch die Wahrnehmung bestätigt, dass der Berg- 
meister in allen Fällen technischer Beamter war, während 
der Bergvogt Stappenhover z. B. nebenher noch Rentmeister 
des Amts Windeck sein konnte (No. XIX \, 

Ausser Bergvogt und Bergmeister ist als Centralbeamtcr 
nur noch der Bergzehntheber zu nennen, dessen Funktionen 
aus der Instruktion vom Jahre 1565 (No. XXII) klar zu 
ersehen sind. ( >b auch das Amt des Probierers als Centrai- 
amt zu gelten hat, ist mir fraglich, wenn auch No. XXVIII 
dafür sprechen könnte. Sicherlich sind Bergschreiber, Schicht- 
meister und Hüttcnschreiber immer nur für einzelne Werke 
ernannt worden. 



2. Ausdehnung des Berg- und Hüttenbetriebs. 

Nach diesem Überblick über die Organisation versuchen 
wir zum Schluss noch eine Übersicht über die Ausdehnung 
des Betriebes zu geben, soweit sich darüber aus den nach- 
folgenden Dokumenten und einigen schon bekannten Nach- 
richten ein Bild gewinnen lässt. 

•) „so ein zeit her nit so ordentlich uf i. f. * bergwerk gebauet". 
') 1597 Juli 12. (Ms. B. 34 VI fol. 65 v.). 



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132 



Otto R. Redlich 



Unsere Urkunden und Aktenstücke beginnen aüf- 
falienderweise mit einem Privileg zur Steinkohlen- 
förderung, Das ist insofern merkwürdig, als es das 
einzige uns bekannte Dokument (vor 1609) ist, das sich auf 
Steinkohlenbergbau in unserm Gebiet bezieht. Freilich kann 
mit diesem einen Stück noch nicht einmal bewiesen werden, 
dass wirklich irgend ein Steinkohlenlager im Bergischen 
in jener älteren Zeit aufgefunden worden ist. Der gänzliche 
Mangel an weiteren Nachrichten scheint eher darzuthun, 
dass der vom Herzog Gerhard Privilegierte vergeblich nach 
Kohlen gesucht habe. Während des ganzen sechszehnten 
Jahrhunderts wird kein einziges Mal. Steinkohlenförderung 
im Bergischen erwähnt. Auch bestätigt ein Aktenstück 
vom Jahre 1589 (No. XXXI, Zusatz) indirekt unsere Ver- 
mutung, dass bis dahin unser Gebiet noch keine Steinkohlen 
produzierte. 

Unsere Urkunde scheint aber doch zum mindesten zu 
beweisen, dass die Steinkohlen hier mit unter das Bergregal 
fielen? — Auch diese Frage muss offen bleiben, da uns 
nicht ein Original, sondern nur ein Concept vorliegt. Wir 
wissen somit noch nicht bestimmt, ob die Urkunde wirklich 
ausgefertigt worden ist. Da jedoch im achtzehnten Jahr- 
hundert Steinkohlenfelder Gegenstand landesherrlicher Be- 
lehnung waren 1 ), darf man annehmen, dass die Steinkohlen 
hier auch vorher mit unter das Bergregal fielen, was be- 
kanntlich durchaus nicht überall geschah 2 ). 

Die Steinkohlenarmut des bergischen Landes wurde 
glücklicherweise ausgeglichen durch den Reichtum an Holz 
und die infolgedessen sehr umfangreiche Produktion von 

') Nach dem Verzeichnis flcs Beirats Chr. L. Dörring wurde 1766 
Jan. 29 der Freih. v. Nessclrodc zu Hugenpoet mit dem Steinkohlenbergwerk 
in den Aemtcrn Angermund und Landsberg sowie in der Herrlichkeit Oeftc 
belehnt. (In der oben citierten Festschrift S. 89). 

a ) Vgl. O. Vogel, Aeltercr Steinkohlenbergbau (in der gleichen Fest- 
schrift S. 61 f.). In diesem vortrefflichen Aufsatz wird allerdings darauf hin- 
gewiesen, das die Jülich-Clevische Bergordnung von 1542 ebensowenig wie die 
Jülich-Bergische Ordnung von 1719 die Steinkohlen zu den vörbehaUenerj 
Mineralien zähle. Dies mag aber einerseits aus der Abhängigkeit der genannten 
Bergordnung von der sächsischen Ordnung herrühren und andrerseits dadurch 
zu erklären sein, dass kein praktischer Fall vorlag. 



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Urkundliche Beitrage zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 133 

Holzkohlen. Sie war bedeutend genug, um den Export 
z. B. nach Köln zu gestatten. Für die im sechszehnten 
Jahrhundert in grosser Zahl emporwachsenden Schmelz- 
hütten war sie zudem von unschätzbarer Bedeutung. Aus 
diesem Grunde habe ich die bisher noch unbekannte aus- 
führliche „Kohlordnung" des Jahres 1572 mit in die Samm- 
lung (No. XXVII) aufgenommen, da ihre Bestimmungen 
im engsten Zusammenhang stehen mit der landesherrliehen 
Fürsorge für das Bergwesen. Wir finden hier z. B. einen 
Abschnitt über die Regelung der Bergjustiz, die nach dem 
Grundsatz, dass Berg- und Landsachen nicht vermengt 
werden dürften, ganz in die Hände des Bergvogts und 
Bergmeisters gelegt wurde. 

In Rücksicht auf die inländischen Werke wurde durch 
diese Ordnung die Kohlenausfuhr verboten, gleichzeitig aber 
auch der Import von Eisenstein untersagt. 

Diese Massregel bestätigt vollauf das, was vorhin über 
den Mangel an Steinkohlen angeführt wurde. Gleichzeitig 
ist sie aber auch ein Beweis dafür, dass die bergische 
Eisenindustrie damals einen schweren Kampf um ihr Fort- 
bestehen durchzumachen hatte. 

Die bergische Eisenindustrie concentrierte sich vor- 
nehmlich auf die dem märkischen Amte Neustadt benach- 
barten Aemter Steinbach und Windeck. Dort, im Gebiet 
der Agger soll sie schon früh, schon zur Zeit des Grafen 
Adolf V. von Berg begonnen haben'). Hier befand sich 
denn auch das einzige bergische Eisensteinbergwerk, von 
dem unsere Urkunden (No. XXIII und XXIV) Kenntnis 
geben: das Bergwerk zu Obcrkaltenbach im K.rchspicl 
Engelskirchen. Es bestand noch im achtzehnten Jahrhundert, 
wie wir aus dem Dörringschen Verzeichnis wissen, das 
überdies noch zwei weitere Eisensteinbergwerke in nächster 
Nachbarschaft namhaft macht. 

Gewiss können wir annehmen, dass auch in andern 
Distrikten des bergischen Landes, die später Eisenstem- 
bergbau aufweisen, auch früher schon auf Eisen geschürft 
Worden ist, so z. B. im Kirchspiel Remscheid. Hut lässt 

') Klees a. a. Q. S. 80. 



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131 



Otto R. Redlich 



sich für das achtzehnte Jahrhundert ein Eisensteinbergwerk 
(bei Rheinshagen), für 1580 aber bereits Eisenhüttenbetrieb 1 ) 
nachweisen. Ferner darf man auch vermuten, dass nicht 
selten sogenanntes „Moltererz" 5 ) verhüttet wurden sein mag, 
das also keinen eigentlichen Bergbau veranlasste. Trotz- 
dem wird man nicht beweisen können, dass die ganze 
Menge des im Bergischen verarbeiteten Eisens und Stahls 
notwendig aus bergischem Eisenstein hergestellt worden 
sein müsse. So werden ohne Zweifel die märkischen Eisen- 
gruben des Amtes Neustadt sowie bei Breckerfeld das 
Material für bergische Hütten und Hämmer geliefert haben. 

Archivalische Zeugnisse für den bergischen Eisen- und 
Stahlexport besitzen wir bereits aus dem Ende des fünf- 
zehnten Jahrhunderts. Sie beweisen, dass Kölner Bürger 
hier Eisen und Stahl kauften und dann weiter rheinabwärts 
sowie nach England transportierten. Ausser dem unten 
mitgeteilten Aktenstück (No. V) habe ich eine Korrespondenz 
der Stadt Köln mit dem Herzog Wilhelm von Jülich-Berg 
aus dem Jahre 1 49 1 aufgefunden über den Stahlexport der 
Kölner Bürger Johann van Stralen und Arnt van Wester- 
burg, die ihren Stahl von den Stahlschmieden Hermann 
llarbecker, Johann Muster und Sybel in den Hoven aus 
Radevormwald bezogen 3 ). In jener Zeit hatte die Solinger 
Klingenfabrikation bereits einen Weltruf und wird gewiss 
nicht wenig Stahl konsumiert haben. Mithin muss die Eisen- 
industrie schon damals bedeutend gewesen sein. 

Das hatte nun freilich auch seine Nachteile, wurde doch 
der Waldbestand durch den starken Kohlen verbrauch ernstlich 
gefährdet. So hatte sich die herzogliche Regierung schon 
vor Erlass der Kohlenordnung zum Einschreiten gegen die 
Hütten- und Hammerwerke veranlasst gefunden*). Ereilich 
liess sie sich durch die auf sie einstürmenden Klagen und 

') Klees :i. a. U. S. 83. 

*) „Moltererz" genannt nach den „Molls" (Maulwurfshügclnl, welche durch 
Schurfgriiben entstanden. So leicht konnte das Erz nur dort gewonnen werden, 
wo Erzlager zu Tage ausstrichen. (Klees S. 80). 

a ) Jülich-Berg. Litteralien No. I vol. II. 

*) Klagen di r Landstände über die verderbliche Verkohlung der Wälder 
wurden schon im Jahre 1544 laut. Vgl. v. HHow a.a.O. S. 523. 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 135 

Bittschriften bewegen, doch wieder solche Werke zu 
konzessionieren (No. XXI), suchte dann aber, indem Sie 
die Einfuhr von Eisenstein verbot, den Hüttenbetrieb wieder 
einzuschränken. Wenn gegen diese Wirtschaftspolitik gerade 
die Einwohner des Kirchspiels Engelskirchcn heftigen Ein- 
spruch erhoben (No. XXX Anm.), so beweist das zur Genüge, 
dass dort nicht nur bergisches, sondern auch märkisches 
Eisenerz verhüttet wurde. Von einer Aufhebung jenes 
Einfuhrverbots durch die Regierung hört man nichts; doch 
suchte sie durch einen Vergleich (No. XXX) die Schwierig- 
keit zu lösen und hat in der Folge auch verschiedene neue 
Hütten und Hämmer konzessioniert (No. XXXII, XXXV 
und XXXIX). 

Unsere Urkunden, durch die wir somit nicht un- 
wesentliche Aufschlüsse über die bergische Eisenindustrie 
erhalten haben, bieten leider nur sehr unvollständige 
Nachrichten über die Förderung von Edelmetallen, Kupfer 
und Bl ei Inwieweit Gold und Silber hier gefördert worden 
sind lässt sich kaum feststellen. Von den Silbergruben 
bei Eckenhagen, wo ja auch Wildberg, die alte bergische 
Münzstätte lag, ist bereits oben die Rede gewesen. Ausser- 
dem deuten manche Ortsnamen*) auf früheres Vorkommen 
von Edelmetallen. Dass durch einige Belehnungen (No ll 
VI und VIII) auch das Recht verliehen wurde, auf Gold 
und Silber zu schürfen, beweist natürlich nichts für das 
tatsächliche Vorkommen dieser Metalle. 

Im Kirchspiel Bensberg wurde schon im Anfang des 
16. Jahrhunderts ein Erzbergwerk auf dem „Hahn" in Betneb 
genommen (No. VI). Möglicherweise haben w.r hierin den 
Beginn der Quecksilbergrube „Das hoffende Glück ZU er- 
blicken, die im ,8. Jahrhundert unweit Bensberg ,m Betneb 
war») - Das benachbarte Amt Steinbach ist ausser durch 
seine Eisenindustrie besonders durch die Erzgruben auf dem 
Lüderieh (Loederich) bedeutungsvoll geworden. Funde die 
neuerdings hier gemacht worden sind, haben die Vermutung 

Klees a. a. O. S. ; 3 und Hocker a. a. O. S. 169. 
», Bericht des Hergrats Daring v. J. I 7 ö6 Umschrift der Naturforscher- 
Versammlung 181)8 S. 89). 



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Otto R. Redlich 



angeregt, dass vielleicht schon zur Zeit der Römerherrschaft 
hier geschürft worden ist 1 ). Auch deuten die Lüderich- 
Sagen auf hohes Alter dieser Gruben hin. Die urkundlich 
beglaubigten Thatsachen verweisen uns jedoch auf den 
Anfang des 1 6. Jahrhunderts. Der Wortlaut der im Jahre 
1 5 1 8 ausgestellten Belehnung zum Betrieb eines Erzberg- 
werks auf dem Lüderich (Xo. VIII) kann jedenfalls darüber 
keinen Zweifel lassen, dass damals von dem Vorhandensein 
älterer Stollen u. s. w. nichts mehr bekannt war. Ks heisst 
da nur, dass dort bereits vor etlichen Jahren ein Bergbetrieb 
begonnen worden, dann aber ins Stocken geraten sei. Man 
darf wohl annehmen, dass von »518 ab der Betrieb auf 
dem Lüderich zunächst ein lebhafter gewesen ist, ohne 
jedoch auszudauern. Der Dürringsche Bericht schweigt 
wenigstens davon, während allerdings in diesem Jahrhundert 
der Lüderich im Bergwesen wieder eine Rolle spielt. In 
unsern Urkunden wird nur noch einmal (1538) des Berg- 
baus auf dem Lüderich gedacht. 

Das Kupferbergwerk zu Böcklingen war längere Zeit 
zwischen Berg und Sayn streitig, bis im Jahre 13 18 der 
Zehnte von diesem Bergwerk durch Schiedsrichter dem 
(i raten von Berg zugesprochen wurde 2). Im 15. Jahrhundert 
wurde in der Nähe von Wipperfürth ein Kupferbergwerk 
betrieben und zwar von dem Wipperfürther Bürger Johann 
Grayss. Er besass auch Schmelzhütten in den Aemtern 
Steinbach und Mettmann (No. II). Kupfer- und Bleierz 
wurde auf dem Mittelacher Bergwerk gefördert, von dessen 
-Betrieb schon im 16. Jahrhundert vorübergehend die Rede 
ist (No. XII). Es bestand auch noch zu Dörrings Zeit und 
gehörte zu jenem östlichsten Teile des bergischen Landes, 
der an Bergwerken reich gesegnet war. Die hier beim 
Eigen von Eckenhagen gelegenen Gruben zu Wildberg und 
Poilbroich, dem Mittelpunkt des landesherrlichen Bergwesens, 
wurden zwar anfangs von einer Gewerkschaft betrieben 
(No. IX, X, XI, XII, XVI), scheinen aber später in landes- 
herrliche Verwaltung gekommen zu sein (No. XXXIII. 



M Zeitschr. dos Beimischen Geschichtsvereins 14, 201. 
*) Lacomhlet, Urkundenbucfa III Mo. 100. 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 137 

XXXVIII). Alaunborgwerke gab es in den Aemtern 
Angermund und Klborfeld (So. XXIX, XXXI. XXXVI). 
Eine Urkunde über Salpetergewi tinung (No. XXXI\ i 
dürfte in diesem Zusammenhang nicht fehlen. 

* * 



Herzog Gerhard von Jülich-Borg giebt dem Johann Schürgen von Bingen 
die Erlaubniss, im Herzogtum Berg nach Steinkohlen zu suchen und damit 

zu handeln. 
1439 Juni 29 Bensberg. 

Wir (lerhart etc. . . äoin kunt und bekennen, dal wir Johan 
Schlugen van Byncge georloft und gegunl haven orloffen und gönnen 
oevorniitz desen' unsen brief, so dat he steinkoelen in nnsein lande 
van dem Berge i) soeken, arbeiden und graven und die zo sime 
nutze, urber und besten keron, breiigen und gemessen maeh mit 
siner geselschaf, die eine dazo helpent an soJiöhen enden und Steden, 
he die in dem sclven vurschreven unsem lande meint zo vinden 
und des ouch zur stont in besiain und dat haven und damit Haiden 
soll, ;is solichs bereh werks reelit und gewoende is. Und an wilchem 
berchwerke der vurschreven steinkoelen wir in ouch getruwelich 
schirmen laissen und halden willen und ho davan ouch doitj sali, 
as van solichs berclnverks weigen rocht und gewoende is. . . . 

Gegeven zo Bacnsbur in den jaren uns lierren, do man schreif 
dusent vierhundert nuin und drissich jaer Up sent Peters und Pauwels 
dage der heilger aposteln. . . 

Per commissionem domiui Bernardi domini de Burscheit, dommi 
Je. de Lontzberge, domini Benrici de Bonmielberge militis et Johannis 
Quad etc. 

Roricus de Beldekusen. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Jülich- Berg. Ork.-SuppL No. 05. 
Concept Papier. 

II. 

Der WipperfUrther Bürger Johann Grayss bittet den Herzog (Gerhard) von 
Jülich-Berg um ein Privileg für seinen Kupferbergbau und um Schutz seines 
Hüttenbetriebes gegen allerhand Störungen. 
— Undatiert. — 

Dom-luftige ind hogeborn feinste, herzöge zo Gulche ind zom 
Berge, greve zo Kavonsbmvh, herie zo Heymabureh etc., genedige 
leive her. So als urer genaden wol kundich is ind u. g. reiden, dat ich 

') „kirspel van Gladbach" durchstrichen und „lande van dem Berge« 
darüber geschrieben; das an den Rand geschriebene „geleigen in unsem lande 
van dem Berge" ist dann durchstrichen worden. 




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i:;s 



Ou«, R. Redlich 



Johan Orayss, burger zo Wypporfurde, mit u. g. orloff angehaven hain, 
einen kofferberch mit me andern bergen, der Loh dan ganz kosüigen 
angelacbl hain, dardurch dan o.g. ind wise reiden mir zo mogenl gesacht 
haven ezlige vriheit zo geven in den selven bergen öfl wei doi 
berge geleigen einl bff liir naroaels geleigen mogenl werden, so is 
mino fruntliche begerde, u. g. mir einen breit willen geven, so mannich 
rei ht ich off mino erven up dei selven beiden off wei dei borge 
hirnamaels gcleigen mogent werden, anslaende werden, dat mir 
ichlich recht zwölf gelachtem ummeher ueimans in entaste, et si 
dan mit ininom willen off minen erven, angescin, dat ioh den berch 
ind ander vurgerorte berge kourtlichen ind in vnrleden jaren ufge- 
bracht hain ind noch mit Götz genaden denke vortan furder zo 
breiigen. Begeren ich van u. g. in viirschrcvcn maessen zo vursigelen, 
dat ich doss gewiss si etc. 

Item genedige leivo her, ich geven n. g. ouoh fruntlichen zo 
erkennen, dat ich in bcliouf dorsclver berge gegnlden ind gebomvet 
bain zwa hutten van nuwens uff ind dar euch jaers grousssn swer- 
liöhen pacht affgeven mouss ind van dissom jare zo vorens bezalt 
hain. Ind darlioven tastet mir einer darin genanl Ilanss Kotman 
wonhaftioh in dem kirspel van Rade ind en wil mir dal wasser 
nicht folgen lassen, wei wul dat ich cm dit jaer den pacht zo vorens 
wol bezalt hain, als wir des onch eines geworden sint ind unso 
breive vurmogent, so dat mine hatte seder pinxten nmnie solches 
overmoudes hait stille gestanden, des ich in groussen vnrdeirfligen 
schaden komen bin. 

Item genedige leive her, derselve Kotman hait mir mit wor- 
haftiger haut wego ind steige bespeirt, dat ein gemein wech ind 
straesse iss US8 dem lande van der .Marko biss uff den Ryn, ind 
ni'iiss ider manne dar hein driven ind varen laessen, wem is aoel 
geburt. 

Item der selve Kotman hait mir in u. g. lande uf der selvor 
vrier straessen bussen Scheffenordel ind lantrecht mine perde usser 
minen gezamven gospannen ind dei genomen ind in siner gewaelt 
bebt ailden, so lange en gud dachte, ind hait den pacht vurschreven 
zu vui'rens van mir unt fangen. 

Item genediger her, der selve Kotman hait mir ouch bussen 
scheffenordel ind lantrecht uf mino hutte getastet ind eine brant- 
ronde genomen, dei ich u. g. lantdrosten hatte doin geissen ind 
hait gesprochen, dei wille hei darvur haven, dat ich langes dei vrie 
straesse vurschreven gevaren bin, ind houffen ind getruwen, hei van 
mir noch van neimanse van der straessen toel heven sulle. 

Item genedige leive her, wanne ich mine kollen hain doin 
bernen ind in vnrleden zidon wul bezalt hain, so partient sich 
etzlige zu samen, nmme erer selves schalkheit willen ind be- 
kummerent mir min gud, dess ich houffen, sich nicht en gebore, 
wand' si ich eimanse wat schnldich, dem wil ich binnen der stad 
Wipperfnrde zu gewonnenen rechte stain ind houffen zu Gade, ich 



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Urkundliche Beitrage zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 139 

aoäh wo! so veU gute have, dat loh anleher knmraer nicht liden 
endurfo. 

[terti geaedige leive her, einer genanl Herman mit der einer 
haut geit oueb uf mine borge, wanne ich ind mine knechte dar 
nicht en sint, ind nöimpl mir dar mine reitschof '); wanne ich <>f min 
gesinde wetlor konwnt ind wühlen gerne arbeiden, alsdann iss dm 
reiteohouf einweoh. 

Item genedige leive her, ich bin oucli gruntlichen van nrer 
forstliger gelinden begerende, irdoch u. g. amptluden, als mit namen wen 
aiuptman "der vesten van Steynbich ind den vagz van Meydem *), dar 
mine Hutten ind vurschreven mtickel ander ligende sint, sei mir 
van nrer genaden weigen zo dissen vurschreven artickelen, dar ich 
reoht hain, willen behulp ind bistand dein, ind bidde hir umme ur 
forstliche genade, disse vurschreven punten in dem besten willen 
vurstaen ind umme Götz willen vurfougen, Bulche vurschreven 
punte ind artiekcl ind gcwaelt afgestaelt werde. Ich arme man 
mouss anders miner naringe allerdinge vurbistert werden, wante 
mine hutte ind werk ind alle mine naringe hain ich durch disse 
vurschreven punten seder pinxte monssen stille staen laessen, dat 
mich genedige herre Over fnnfzich gülden geschat hait, dat Qod er- 
barmen mousse, dei uro fourstlige genade wille gesparren lanklivich 
stark ind gesunl in sinem gütlichen deinste ind Vreden, amen. 

DOsseldorf, Staatsarchiv. Jülich-Berg. Litt. 1). I 2. (Original? 
allerd. ohne Adresse und Siegel.) 



Herzoq Wilhelm IV. von Jülich-Berg giebt Thoenis van Merll, Werner van 
Herten und Hans Unger Erlaubnis, im Herzogtum Berg nach Gold und 
Silber zu graben. 
1484 Mai 6. 

W ir Wilhem etc. dein kiint ind bekennen öffentlich mit desem 
brieve, dat wir Thoenis van Merll»), Werner van Herten ind Hanss 
Unger erlouft ind gegont haven, erlouven ind gönnen vestheh in 
craft diss briefs. dat si mit iren knechten ind geselschaften van 
stunt an in unsem lande van dein Berge, wa in dat getieft, even- 
kompt ind gelegen ist, inslain, graven ind soechen moigen goult 
ind silverwerk zo moigen rinden ind krigen. Wert (wäre es, dass) 
si des tuschen dit ind sent Johans dach mitzsoemer neistkompt er- 
oevern ind erlangen moigen. alsdan sullen ind willen wir in zo 
irem gesinnen unse brieve ind siegele oever sulge vurschreven 
berchwerk dein geven, si darinne na alre noitturfticheil zo besorgen. 

') Gerätschaften. 

*) Mettmann. . _ . .. . 

:l ) Iir war Bürger zu Köln; vgl. No. IV. Wie aus einem Schreiben der 
Stadt Köln an den Herzog vom 28. Mai 1402 hervorgeht* war er damals nicht 
mehr am Leben. (Jülich-Berg, Litteralien X. 1. vol. U). 



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110 



Otto R. Redlich 



gelicli ind in alre maisscn, as de boigoborno l'ursren unse Hove 
oehcinen ind swaiger herzougen zo Sassen, lantgraven in Doeryngen 
ind markgraven zo Myssen etc. oever ire liefden berchwerk gold 
ind silvor zo winnen gegeven liaint. Sonder argelist etc. 

Gegeven in den jaeren nnss horren duiserit vierhondert vier- 
indechtzioh up donrcstacli liefet na dem sondaige misericOKÜa doniini. 

Diisstddorf, Staatsarchiv. .Jülioh-Berg, llrk. No. 3147. Orig, 
Pergament, Mit anhangendem gelben Waclissiegel des Herzogs. 

IV. 

Herzog Wilhelm IV. von Jülich-Berg belehnt den Kölner Bürger Thoenis 
van Merle und Gewerken mit allen unbelehnten Bergen des Herzogtums 
Berg, insbesondere Buchholz und Horverer. 
1485 November 29. 

Wir Wilhelm etc. etc. doin kunt ind bekennen oevermitz desen 
unsern offenen besiegelten breve vur uns. unse crven ind nakome- 
linge, dat wir lielehenen ind belehent bain in eraii't dis breifs 
Tlioenis van Merle burger zo Colne ind sine mithulpere ind gewirker 
berchwerk zo soeken, zo driven ind arbeiden in ansem land van 
dem Berge alle unbelchende berge, die niet belehent en sint vur 
datum tlis breifs, as nemelicken dat Boichoultz, den Eorverern berch 1 ) 
ind vort der geliehen berge, die Thoeiüs Vuröchr. ind sine mit 
hulperen oder gewirker nu of liernamails buwen Lnd buwenden 
werden, ind so wes in den vurschr. bergen befunden wurde van 
alreleie nietall, dae van niet uissgeseheiden, Stollen zo driven an 
allen, enden oder Steden, in des noit ind gelegen werde, lud stillen 
uns daevan alle ziden unsern zicnden gevcn, as sich dat na berchs 
reichte geburt. Ind dann vertan Bullen Thoenis ind sine mitwerken 
mit iren erze ader gude, wes des dan were, van allerleie mitaill, 
niet davan nissgescheiden, irren hoegesten nutz ind arber darmede 
doin ind vollenbrengen, id (sc. si) mit heimsehen oder uiswendigen 
koufluden, uiss wat landen si wem. Vorder belenen wir Thonis vur- 
geschreven ind sine mitgewirke oeder hulperen mit Balgen geleide, 
vriheit ind velieheit oever wech af ind an zo koinen, as id dann 
eine gewoinheit in andern berren lande, berohsrecht ind gewoneheit 
ist; sonder argelist. Dis zo urkondo der wairheit ind ganzer vaster 
stedicheit hain wir lierzoueh etc. vurschr. unse siegele vur uns. 
linse ervon ind nakomelinge an desen breif doin hangen. 

Gregeven in den jairen uns horren duisent vierhondert vunf 
ind eichtzich up senl Anders avent des billigen apostels. 

Van bevele mins gnedigen berren etc. ind oevermitz Gotschalek 
van Sarve landdrost, Kein Bertram van Nesselroide erfmarschalk ind 
Bertolt van Plettenberg hofmeister Diderich Lunynck. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Jülieh-Bei- Litt. D. II 1. Cpt. Pap. 

') tXe Lage dieser Bergwerke näher anzugeben, bin ich leider nicht 
imstande. 



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Urkundliche Beiträge Z n r Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 141 



V. 

Die Kölner Bürger Gyse Truyen, Jakob Krop und ihre Gesellschaft, bitten 
den Kölner Magistrat um Intercession beim Herzog von Berg, in dessen 
Land sie Eisen kaufen. 
Undatiert, (c. !490). 

.... „Wir haven eine aal vanjaern isser imme lande van den 
Berghe gegolden, dat wilcht wir zo Collen durch plegen zo laessen 
foern die karre umb dri Coelsch hallor. So werden wir nu gedrongen, 
dat wir dri dage aldäe möissen Stapel lialden ind nochtant waego 
ind zissgell van uns haven willen. So sint wir dardnreh eine zil 
lank durch unsere g. h. laut van Gnyfich umbgefaren, so wir! uns 
zo üdendorp 1 ) unso guot van dorn vurschrevon unsere g. h. kollenor 
zo Benssberch euch verboiden ind gehalden, [sc. das] uns sere befrempt, 
nae dein wir lange zit fri ind los der weige gebruicht haven. Wart 
uns doch van dem gemelten keilener gesacht, so verre wir eine 
zedel of sehrift van unserm g; h. broichten, wir der umbweige 
oae unser alder gewoenden gebruchen sullen, will he uns gerne 
ungehilliget unse gnet laessen faren.« Sie bitten, an den Herzog 
zu schreiben, damit er ihnen ihr Gut ausfolgen lasse, da sie doch 
stets Zoll und Weggeld gerne gegeben haben. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Jülich-Berg. Litt. N. 2a. Conie. 

VI. 

Herzog Johann von Jülich-Cleve erneuert und verbrieft Hans Unger und 
Riitger Osthoff die Erlaubniss, auf dem Hahn im Kirchspiel Bensberg aut 

Erz zu schürfen. 
1512 August 23. Düsseldorf. 

Von Herzog Wilhelm ist Hans Unger 2 ) und Rutger OeslhoH 
die Erlaubniss gegeben worden, „in unsem berge genant der Haen 
in unsem ampt van Portz ind in unsem kirspel van Bensbur gelegen 
inzuslain ind zo soechen alreleie erzs." Sie haben den Betrieb 
eröffnet, aber bisher kein Dokument über jene Erlaubnis erhalten. 
Dies wird ihnen hiermit ausgestellt. Sic dürfen daraufhin „in dem 
vu.genantcn berge, soc in berge ind dael inslain, umb alrelei 
erze van goulde, silver, mittael, kuffer ind bli zu soeehen md damit 
handele, ind vurkeren, as men mit alsiüchem gewonliger wise zu 
doin pleget." Der Ertrag soll den Gewerkcn zulallen „beheltlieh 
uns, unsen erven ind nakomlingen, herzeigen zu dem Berge as dem 
lantfursten daran uns zienden ind anders unsere gerechticheit. 1 - 
„As nemlich sullen wir, unsere erven ind nakomlingen vurschreven 
haven an dem gefonden ind gewonnen erz vurgenant noch unbereit 
den zienden der! ind van dem bereiten werk . . . den zweifachsten 
deil. Ind solches mit dem zienden ind dem zwenzichsten ded sali 



l ) Odendorf (Kr. Rheinbach). 
») Vgl. auch No. HI. 



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14:2 



Oito K. Redlich 



zo unser, unser erven ind nakomlingen koer stain, wo sich sulchs 
alles vurgenanf nae berclvwerks rechl ind gewonheil gebuert. Oueh 
on willen wir, unso erven ind nakomlingen nit geheugen noch 
gestaiden, dal iemante anders, dan die vurg. Hanss ind Rutger ind 
degene mit in zo Ionen wurden, wie vursohroven in ind binnen 
dem vurgenanten berge inslaen ind einich erz vurschreven soechen, 
indem ind so verrc, dat si mit allem moegligen ernsten vliss den 
inslach ind soeuhonge doin. So si aver de dinge lidderlich ind 
verechtlich ansloegen, nit dainnen beherden noch sulchs nit flisslicb 
hanthaven wurden, so moigen wir unse erven ind nakomligen alzit 
andern gönnen ind zulaissen inslaeh ind soeohonge in ind binnen 
dein vurg. berge zu doin. So oueh der almeehtige Got verfoogde 
de obgenanten Hans ind Rutger ind de gene mit in zo leiten 
wurden als vurgerurt durch iren inslach, soechonge ind arbeit in 
ind binnen dem vurg. beige einich erz vurgenant befunden ind die 
saiche zo redligen wegen ind goluck sieh ergeven wurde, asdan 
willen ind Bullen wir, unse erven ind nakomelingen de vurg. Ihms> 
ind Hutger ind de gene mit in zu leigen alzit zo ircm gesinnen 
mit vorder noitturftigon verschrivongen daran langende, in dem in 
des van noiden were, dein versorgen, allct na berchwerks recht, 
herkomen ind gewonheit." 

Allen, die auf dem Bergwerk verkohlen werden, wird freies 
Geleite zugesichert, ausgenommen den Feinden des Herzogs. Die 
Waren und Güter, welche die Gewerken nötig haben, sollen Zoll- 
freihoit geniesson, sind aber zollpflichtig, sobald sie von den Gewerken 
etwa verkauft werden. 

„Gegeven zu Dnysseldorp in den jaren uns hern duisent vunf- 
hondert ind zwelf uf sent Bartliolomeus avenf des hilligen apostels." 

Düsseldorf, Staatsarehiv. Ms. B. 34. L fol. 21—24. Copie. — 
Nach Angabe des Kanzlers YV. Luyninck am Schluss der Abschritt 
war die Ausfertigung („der rechte brif") unterzeichnet vom Hofmeister 
Rabot v. Plettenberg und dem Marschall Bertram v. huytzenraide. 

vn. 

Patent für Instrumente zur Aufbereitung der Erze. 
1515 Oktober 18 Düsseldorf. 

Herzog Johann von Jülich gestattet dem Bruder Johann Up dem 
StryCh beim Königsforst überall in seinen Landen, „an den bergen 
dainno na erz gesoicht ind gearbeit wirdet etliger instrumenten, we 
de dan ein gcstalt haven, de he hinder sicli hait, gebrachen mach, 
damit de erz de bas, lichtliger ind geringer van einander ind reine 
gemacht werden moige, want sulches nit anders van eine, dann zo 
der eren Götz geschuit". Alle Amtleute werden angewiesen, eine 
Benutzung jener Instrumente Niemand anderem als Bruder Johann 
und dessen Erben zu gestatten bezw. ohne dessen Einwilligung. 
Auch soll ihm das nötige Holz geliefert, werden. 



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Urkundliche Beitrag' zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 14S 

„Gegeven zu Duysseldorp in «Ion jarn uns hern duisent vunf- 
hondert ind vunfziehen uf sent Lucas dach des billigen cwange]isten u . 
Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 L toL 128 f. Copie. _j 

YIU. 

Consens des Herzogs Johann von Jülich für Bruder Johann up dem Strych 
und dessen Mitgewerken, auf dem Luederich im Amt Steinbach ein Erz- 
bergwerk zu betreiben. 
1518 Juli 5. Düsseldorf. 

. . „Na dem der almechtige Got, as nion in getreuwer hoff- 
nonge ist, durch sine gotlige raüdicheit berchwerk in unsem berge 
der Loederich genant, in unsem furstendom van dem Borge ind 
ampt van Steinbaeh gelegen, bait laissen ersebinen. alda onoh viir 
otügen jairen an gearbeit ind gebouwet, aver durch versuinmiss 
ind villioht gebreoh verstendiger Luide ind anlaigen do verbieten Ind 
tat vnrt gearbeit noch gebouwet worden ist. So dan etligen, as 
nomlich broder Joban up dem Strich, Jacop Kouffliebt), Johann van 
Korpen, Herman Boemgart, Beter van Tytliohuysen, Jeronimus 
Vedorbenne, Frederich van Echt, Melchior Benenberg, Beter Here- 
man, Severyn Vederbcime, Evert van Gymmenicb, schoultiss, Goedert 
\an Roede ind .Tobann Sehopkynn uns demoitlich angesoicht in<l 
nnderdenich gebeden baven, in zo gönnen, up dem genanten unsem 
berge der Loederich inzoslain, zu soechen ind zu arbeiden allerleic 
erze durch verhenkniss des almechtigen Gote alda gefonden^ moecht 
werden u . Diesem Ansucben entspricht der Herzog durch Erteilung 
der Erlaubnis, nach allerlei Erz (Gold, Silber, Metall, Kupfer, Blei 
zu suchen und es zu bearbeiten unter denselben Bedingungen, wie 
den in No. VI gestellten. 

„Gegevon zu Duysseldorp in den jairn uns hern duisent vunf- 
hondert ind achtzein uf den neisten maindach na unser üeven 
frauwen dach Visitationen". 

„Van bevelb m. g. alreliofsten hern herzouch etc. vurgenant 
ind overmilz Daem van Harvo lantdn.st, Rabutb van Plettenberg, 
hofmeister, Bertram van Luytzerade, marscbalk, Wilhem Luyninck. 

Düsseldorf, Staatsarohiv. Ms. B 34 I. foL 171-173. Copie. 

IX. 

Herzog Johann von Jülich-Cleve belehnt Andreas Duyden, Rentmeister zu 
Hoerde und den Münzmeister Dietrich Groenwalt nebst ihren Mitgewerken 
mit dem Bergwerk auf dem Wildberg und Poilbroich. 
1535 Juli 17. Düsseldorf. 

Der Hz. belehnt die Genannten „also das si und ire erven in 
demselvigen bergwerk ein fundgruben OUCh den soech und erfstollen 

') fakob Koufflieb, Bürger zu Köln, ist in den Jahren 15 12 bis 1515 
als herzoglicher Rentmeister im Gebiet der acht alten bergischen Aemter 
nachweisbar. ( fülich-Berg. Litt. B. III, 3. ) 



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144 



Otto R. Redlich 



unden und oven mit wasser, weg, steg, smelzhütten. so vil inon 
der van noeden und buissen ideres Bchaden glich als ire eigen erf 
vermog unser bergordenong inen derhalver gegeven und na borg- 
werksrecht buwen und bearbeiden lassen, und wes si darbinnen für 
goult, silver, erz, metail, koffer oder bli finden oder uberkomen 
werden, nach irem besten nutz und profit gebruichen, verkonffen 
und verhantieren mögen, uns und unseren nachkomlingen hierin 
al wegen furbehalden. den furkouf ouch den zeltenden nach berch- 
werksrecht zu boeren". Ks ist ihnen dabei ausnahmsweise zuge- 
standen winden, innerhalb der eisten drei Jahre nur den halben 
Zehnten zu geben. »Und wir willen noch sullen si ouch boven 
gebur und bergwerksrecht mit dem zehenden nit besweren lassen". 
Zur Vermeidung von Betriebsstörungen sollen die „berggenossen, 
ire rastender und mitno werken" ihre Zubussen innerhalb Monats- 
frist nach dem an sie gelangten Ersuchen des Bergmeisters bezahlen, 
bei Verlust ihres Anteils. Den Gewerken u. s. w. wird freies 
(ieleiie zugesagt, „wie beigwerks recht ist, (loch das sie sich ge- 
burlich und gleidlich halden, wie wir dan derhalver noch wider 
büliche und gude ordnongen nach berch werksrecht und gelegenheit 
herna geven und uf riehton lassen worden" etc. 

Gegeven zu Duysseldorff in den jaren unsere hören duisent 
vunfhondert und vunfunddrissich uf den sevenzehenden dach des 
monatz julii. 

Uss bevelh m. g. h. herzogen etc. mrschr. Johann Ghogreff 
subscripsit. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 II. fbL 127/129 Copie. 

X. 

Befehl des Herzogs Johann von Jülich - Cleve an Johann van Elveren, 
Sc h ii 1 1 he i ss und Bergmeister im Eigen von Eckenhain, für pünktliche 
Zahlung der Zubussen und den Schutz der Bergwerke zu sorgen. 
1535 August 16. Hamm. 

Liever diener. Nachdem wir unsere diener und underdanen 
Andriessen Duyden, unseren rentmeister zu Euerd, und Diedorichen 
Groenwalt') mit iren zustendem und mitgewerken mit dem bergwerk 
uf dem Wilberg und Poilbroich genediglich belehent, und wir van 
inen bericht werden, das etlichen van den Verlegern und mitgewirken 
mit iren inlagen verzollen, also das dieselvige berge nit mit fliss 
bearbeit oder bebuwet werden sollen, so haven wir verordent und 
für noedich angesehen, das die berggenossen und mitgewerken 
ersocht und darzu gehalden werden, mit irer gebuerender anlagen 
oder zuboessen nit zu verzollen, sonder dieselvige zu rechter zit 
darzustrecken und zu bezalen biverlüiss ires andeils und gerechticheit. 



'j In einem Befehl vom gleichen Tage betr. dasselbe Bergwerk wird Groen- 
walt wie oben in Np. IX als Münzmeisler bezeichnet. 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 115 



Ofnd ist darmtil» unser bevelh und meinong, wanne zuboessens 
oder inlogens van noeden, d;is du alsdann die berggonoss«>n, ire 
zustendere und mitge werken vurschreven und sonderlich diegene, 
daran der inangel der bezalong befonden wurd, ersuchest und van 
unsertwegen anhaldcst, «las si inwendich einen monat darna, das si 
ersucht werden, ire gcordenle und geburlicho anläge und zuboess doin, 
damit die berg vurschreven derhalver nit ungebuwet verbliven dürfen. 
Indem aver imant van innen dainnen naehliessieh, versuimlich oder 
bruchlich befonden wurd, den oder dieselvigen wellest ires andeils 
an dem bergwerk entsetzen und anderen berggenossen, wie gewonlich 
und berchwerks recht ist, zustaden komen lassen. 

Derglichen berichten uns gedachte unsere diener und under- 
danen, wie inen an Iren knechten uf den beiden vurschreven and 
in den liutlen ouob sunst etlich gewalt beschehen sin soll. Ist dem- 
nach unser bevelh, das du Bissich ufsehens havest, das inen van 
unseren underdanen an Lren knechten, Kutten, blaesbelchen, iseren- 
werken und anders darzu gehoerend gein schaed geschehe oder 
ichtwas entsunden 1 ) wurd. ünd indem imant/. darboven dasselbich 
understoende, hettestu unserem marschalk und amptman zu Wyndeck, 
rait und Heven getruwon Wilhelmen van Nesselrod anzuzeigen, damit 
dieselvige darfur angesehen und gestraft werden, wie wir uns des 
ouch genzlich zu dir versehen. 

Gegeven zum Hamme am sesszehenden dageaugnsti anno etc. 35. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 EL fei. 125/126 Copie. 

XL 

Befehl des Herzogs Johann von Jülich-Cleve an den Marschall und Rent- 
meister zu Windeck, das Bergwerk auf dem Wildberg und Poilbroich mit 
Holz zu versorgen. 

1535 August 16. Hamm. 

Die Gewerken (Duyden u. a. vgl. Nb. X) haben „gebeden, inen 
zu .lern bou der vursehr. berg notturftiob holz zu vergönnen". Ks 
soll ihnen da angewiesen werden, wo es am unschädlichsten ist; 
der Ertrag Eftr dieses verkaufte Heiz seil an den Rentmeister ab- 
geführt und von «liesein dem Hz. verrechnet werden. 

Die Gewerken haben ferner gebeten, „das si das houlzgowass 
uf unserem Poilbroich selfs zu geburlichen und noodigen ziden 
hauwen und kaelen lassen mögen, so si doch willieh sin, den ge- 
burlichen houlzzins davan zu bezalen, wie andere zu döin plegen 
und noch doin un«i sunst die koelen usswendich, da wir geinen 
zehenden beeren, gefort und gebruichl werden*. Sie sollen dem- 
gemäss nach näherer Anweisung durch die Beamten das Holz da, 
wo es am unschädlichsten ist, gegen gebührliche Bezahlung hauen 
und verkohlen, „wie andern den unseren vergont und zugelassen 



') absondern, ausscbliessen. 
Jahrbuch XV. 



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( uto R. Redlich 

wirdct" „In «lein aver uns oder den unseren oder ouch dem 
Poüberch dasielbich scbedlioh oder sonst in ander wege notzhcher 
sin word, sulchs betten ir uns klarlich zu overschnven, unser ferner 
meinong daruf zu gewarten" etc. 

„Gegovcn zum Hamme am sesszehenden dage augusti anno 

etc. vonfonddrissich." 

Düsseldorf, Staatsarehiv. Ms. B. 34 II. fol. 126/127 Copie. 

xn. 

Herzog Johann von Jülich-Cleve ernennt Bernhard Riegel zum Bergmeister. 
1538 August 20. Cleve. 

„Wir lassen nett, die gewerken, Schichtmeister, Steiger, hutman 
und arbeiteren uf unseren bergwerken zu Wilberg, Polbruch, Loederich, 
Aldenhoo, Middelen-Aeher und anderer, so itzt in unserem fursten- 
domb van dem Berg vorhanden Bind und in zukomender zit sich 
noch vorder erzeigen werden, hiermit wissen, das wir unseren under- 
thanen Bernhai-ten Riegeil van Wipperfurdt zu unserem gemeinen 
berkmeister in gedachtem unserem fnrstendomb Borg angenomen und 
bestellen haven lassen, die gerorte unser berkwerker nach Inhalt 
und vermog unser belehenong und ordnong, so wir hiebevor daruf 
gegeven und noch vorder geven werden, helfen zu underhalten und 
sunst alles dasjenig zu Ihun und zu vollenbrengen, was einem 
frommen ufrichtigen berkmeister nach berkwerksrecht wol anstact 
und sieh geburt. 11 Die Gewerken etc. sollen dem Bergmeister „in 
allem dem jenen, er vermog unser belehenongen, ordnongen und 
sunst. nach berkwerksrecht und unserem bevelh uf den berkwerken 
bevelhen, verordenen und ussrichten wurt", gehorsam sein, „bi ver- 
midong «1er penen, in den vurschr. belehenongen, ordnongen und 
bork werksrechten begriffen. " 

„Gegeven zu Cleeff am 20.ten dage augusti anno etc. 38 . 

Düsseldorf, Staatsarchiv.) Ms. B 34 IL fol. 147/148. Copie. 

XIII. 

Herzog Wilhelm von Jülich -Cleve ernennt Gelis den Mey zum Gegen- 
schreiber und Bergschreiber auf dem Eckenhagen. 
1540 September 29. Düsseldorf. 

„Wir thun kond, das wir Gelis den Mey van Donrode zu 
unserem gegenschriver und berkschriver unser berkwerker in und 
umb das eigen van Eckenhain gelegen overmitz sine holde und eido 
angenomen und verordent haven, annemen und verordenen inen 
ouch hiemit wissentlich in craft diss unsers offen placaitz, das 
gerort unser gegen- und bergschriverampt getruwelich und erbarlich, 
wie sich nach bergwerksrecht geburt, zu bedienen und zu verwaren. 
Und des sollen und wollen wir ime uss unser camer jars für sine 
underhaldong und besoldong geven und lieveren lassen vunfzig golt- 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 147 



gülden und ein kleid van hoeve." Befehl an Amtleute etc. dea 
Amts Windeck, den Genannten in dieser Eigenschaft zu respektieren. 

„Ctegeven zu Duysseldorff uf sinet Michaelis dach anno etc. 
vierzig." 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B ;u III. hl. 20. Cöpie. 
XIV. 

Herzog Wilhelm von Jülich- Ceve stellt Wolf Beheim als Bergmeister auf 
dem Eckenhagen an. 
1541 Januar I. Düsseldorf. 

Wir thun kond, das wir Wolff Beheim zu unserem l>ergmeistcr 
unser berkwerker in und umli das eigen van Eckenhain gelegen 
overmitz sine, hulde und eide angeaomen .und verordent haven, an- 
nemen tind verordenen inen ouch hiemit wissentlich in craft diss 
unsers offen placaitz das gerorl unser bergmeisterampt getniwelich 
und erberlich, wie sich nach berchwerksrecht gehurt, zu bedienen 
und zu verwaren. Und des sollen und willen wir ime USB unser 
camer jars für sin underhaltung und besoldung gevon und lieveren 
lassen hondert fünfzig golden vunfzehen batzen sess und zwenzieh 
rader albus oder einundzwenzich sneherger für den gülden gerechent 
und ein kleid van bot Bevelhen demnach ach unseren amptluiden, 
bevelhaveren, gesworen und anderen unseren undertlianen unsers 
amptz Windeck, das ir obgerorten Wolff Beheim für unsern herg- 
meister lialdet und uch gegen ime erzeiget, als sich gegen einen 
unseren berkmeister zu thun gehurt und eigt etc. 

Gegeven zu Duysseldorff am ersten dage januarii anno etc. 41. 

Düsseldorf. Staatsarchiv. Ms. B 34 III. fol. 19/20. Copie. 

XV. 

Herzogliche Bestallung für Hans Udenheimer als Bergvogt im Herzogtum Berg. 
1541 September 30 Düsseldorf. 

..Wir lassen uch allen und ideren unseren amptluiden herggnossen 
und underdanen unsers furstendombs van dem Berg wissen, das 
wir unserem diencr und secretarien Hans Udenheimer bcvelh gegeven, 
unser bergvagtampt der bergwerker in gemeltem unserem furstendomb 
Berg so lange uns gefallen wirdet, nach bergwerksrecht und unser 
nrdnong, die wir ime zugestalt und ferner zustellen werden, erharlich 
zu bedienen und zu bewaien." Befehl, Udenheimer als Bergvogt 
anzuerkennen und Gehorsam zu leisten. 

„Gegeven zu Duysseldorff am lotsten dage septembris anno etc. 41." 
Johann Ghogreff subscripsit. J. Wassenberg. 

Düsseldorf, Staatsarehiv. Ms. B 34 III fol. 30. Copie. 

10* 



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J4S Otto R- Redlich 

XVI. 

Bestallung des Büchsenmeisters Barthel Gessner als Probierer auf sämtlichen 
herzoglichen Bergwerken und als Hüttenschreiber zu Wildberg und Pollbroich. 
1544 Juni 23. Düsseldorf. 

Wilhelm herzooh eto. Wir doin kond und bekennen himit 
öffentlich, das wir Barthelen Gessner zu einem probierer uf unseren 
bergwerken ins gemein angenomen und ime bevelhen haven lassen. 
Bolich unser probicrampt treulich ufrochtig und flisslich zu bedienen, 
oueh unsere bergwerk neben und mit unseren bergmeister regieren, 
bereiten, besichtigen und verordnen zu helfen und derglichen ouch 
uf unser bergwerk zu Plettenberg zu riden und alda mit tlissigem 
ufsicht forderen zu helfen, das dasselbich unser bergwerk in guden 
vortgank und ordnong gebracht und gehalden werd. Derhalver dan 
wir ime jarlichs ZU siner underhaldong vierundzwenzich overL gülden, 
zwenzich malder liaveren und zween wagen heuwes durch unseren 
rentmeister zu Blankenberg und darzu unsere klcidong oder sess 
overlensche gülden darfur durch unseren Schichtmeister jarlichs zu 
lieveren verordonen und stellen doin. Und haven darneben ouch 
mit ime afreden und verdragen lassen, das er das huttonschriverampt 
Vif unseren bergwerken Wilberg und Poilbroich van wegen aller 
gemeiner gewerken glichsfals bedienen und davan jarlichs haven 
und gemessen soll zwenzich daler bezoldong, wie die gewerken 
solichs mit ime uberkomen, also das wir derhalver mit bezoldong 
ferner nit beswert, sondern damit glichs anderen gewerken gehalden 
werden Bullen. Und sali dazu gerorter Barthell die vunfundzwenzich 
rider gülden, so er jarlichs van unserem bussonmeisterampt hait, 
glichewol behalden und gebruichen alles so lang als uns gelieft" 
Anweisung an den Rentmeister zu Blankenberg, die 24 Gulden, 
20 Malter Hafer und 2 Wagen Heu zu liefern. 

..Ge-even zu Dusseldorf, den driundzwenzigsten dach junu 
anno etc. 44." Rutger van Schoeler marschall. 

11. van Essen. 

Düsseldorf, Staatsarehiv. Ms. B 34 III. fol. 100. Copic. 

Ebenda fol. 107/108 herzogl. Befehl dd. 1544 Dezember 10. 
Düsseldorf an den Rentmeister zu Blankenberg, Gessner Geld und 
Hafer zu liefern, während der Rentmeister zu Windeck zur HOU- 
lieferung angewiesen wird. Am 10. Januar 1545 (Düsseldorf) wird 
die Anweisung an den Rentmeister zu Blankenberg wiederholt. 

(Ebenda fol. 110). 

XVII. 

Privileg des Herzogs Wilhelm von Jülich-Cleve für die gesamten Gewerken 
im Herzogtum Berg. 
1544 Oktober 7. 

Wir doin kund. Nachdem der almechtig in unserem fursten- 
domb Berg etlich berkwerk hat ersehinen lassen, daselbst wir dan 



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Urkundliche Beitrüge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 149 

unser berkordnungen hiebevor haben lassen ufrichton und zu fur- 
derung und underbaltung dersolbigcr notturftige bevelhaber verordent 
und wir Letz van den sementlichen gewerken umb ein gemein 
freiheit, wie uf anderen bergsteden gehalden wurd, zu verleihen 
und zu vergunnen fleisslich angesocht worden seint. Demnach und 
zu noch witer furderung gerurter unserer berkwerk so willen wir 
dicselbige hiemit und in eraft diss unsers offenen breifs van hüte 
dato an zu rechenen acht jar lank die neistfolgcnde gef reihet haben, 
und geben und verleihen allen den genen, die solichs van nodcn 
haben und unser berkwerk mit zu bauwcn begeren, solichs zeit uss 
unser frei Sicherheit und geleit, das sie vur alle sclnüd und ander 
ungemach oder ungeluck, so sie buissen unser landen gemacht oder 
inen hegegent ist, unbekümmert und sonder ansprach aldae verpliben, 
handelen und wandelen mögen, mit dem undersclieid und verklerung, 
das sie sulchc scholt buissen unseren landen gemacht ganz ader 
zom theil zu bezalen unvermogent weren und derhalben erleiden 
mochten, das durch unsern berkvagten, berkmeisteren, gcswornen 
ader verordente mit innen nach gelegenheit vergleichen und uf 
termine, darin sie van iren ausbeuten, Werbung, gewins oder sonst 
bezalung doin mochten, gehandelt wurde. Aber dieb, verreder, 
morder, mordbrenner, gewaltthetter und andere missdedor, die in 
andern berkwerken in Deutschen landen ussgcseheiden sind, dcr- 
glichen so iemantz für ader nach in unseren landen schult gemacht 
ader missdat begangen hotten, den oder dieSelbige soll noch mag 
disse unser freiheit nit schützen noch schirmen. Wir willen uns 
ouch hiemit vurbehalden haben, ob wir iemantz Enden wurden ut 
unseren berkwerken, der des geleits gebruchte und zu liden nit 
gebueren noch gelegen sin wolde, das wir densclbigen unser geloil 
zu jeder zit ufkundigen lassen mögen. Weiter so haben wir ouch 
den gewerken, so itzonder uf gerorten unsern berkwerken im Eigen 
van Eckenhagen seint ader hernamals körnen werden, veigunt und 
zugelassen, üf der bergstadt Eckenhan und SUnSt nirgend anders 
mit rat und verordenung unsers bergvogts, bergmeisters und gcswornen 
nach irer notturft und gelegenheit husser und Wonstede zu bauwen, 
doch uns vurbehalden eins geburlichen gruntzins jaerlich darvan zu 
leveren. Bevelhen demnach uch unsern amptleuten, bergvogton, 
bergmeisteren und gcswornen uf gerurten unsern berkwerken, so 
ietzund dae seind of hernachmals sin werden, hiemit ernstlich 
und willen, das ir diese unser gegeben freiheit vestiehlich haldet 
und halten lasset, wie sich geburt. Des versehen wir uns 
gensslich. 

Gegeben under unserem ufgedruckten Beeret Siegel am 7. octobris 
anno M . D. und 44. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Qnellverk A No. 38. Druck. Notiert 
bei Scott i 1, ;iS. 



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150 



Otto R. Redlich 



xvm. 

Herzog Wilhelm von Jülich-Cleve ernennt Jacob Flamme zum Schichtmeister 
auf den Bergwerken des Amts Windeck. 
1549 September 22. 

Es ist dem Jacob Flammt"! beföhlen worden, das Schiehtinoister- 
amt „erbarlich und getreuwelich zu verwaren, und ufsicht, das die 
arbeider zu rechter und geburlicher zil uml stunden zu werk gestalt 
und Baust gehalden werd, wie irae macss und ordenong daruf ge- 
geven ist und ferner nach befinden der gelegenheit und QOtturft 
zugestalt werden soll. Und soll ouoh gerortcr unser Schicht meister 
in afsin unsere bergmeisters verordenen schaffen und handelen alles, 
wes die notturft erfordert und unseren bergmeister zu dein und 
usszuriehten gehurt" . 

Befehl, dem Flamme zu gehorchen etc. 

„Gegeven under unserem secrctsiegel den 22ten dach septembiis 
anno etc. 49. H. van Essen." 

Düssoldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 III. fol. 22G/227. Copie. 

XIX. 

Herzog Wilhelm von Jülich-Cleve bestallt den Rentmeister des Amts Windeck 
Reinhard Stappenhover zum Bergvogt Uber alle Bergwerke im Herzogtum, 
Berg. Er soll dies Amt verwalten „nach bergwerksrecht und unser Ordnung 
die wir ime zugestalt und ferner zustellen werden". 
1553 August I. Cleve. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 IV fol. 35. 

XX. 

Herzog Wilhelm von Jülich-Cleve bestallt Jacob Flamme als Bergmeister. 
1553 August I. Cleve. 

Jacob Flamme, bisher als Schichtmeister und dann als Probierer, 
nun aber als Beigmeister des ganzen Herzogtums Berg angestellt, 
soll als Schichtmeister Gü Thaler, als Bergmeister und Probierer 
40 Thaler und dazu aus besondrer Gnade die halbe Wiese ZU Ecken- 
hagen und G Malter Roggen haben und zum Unterhalt eines Pferds 
20 Malter Hafer aus dem Eigen: ausserdem Höfkleidung „oder vunf 
ridcr darfur". Die Bentmeister von Blankenberg und Windeck, 
Johann von Brambach und Reinhard Stappenhover, werden angewiesen, 
Roggen bezw. Hafer zu liefern. 

„Gegeven zu Cleve am eisten dage augusti anno etc. 53 uss 
bevelh in. g. h. herzogen etc. hochgemelt 

Johann Ghogref subscripsit. 
11. van Essen." 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 II. fol. 34. Copie. 

Ebenda Befelü vom gleichen Tage an Amtleute u. s. w. des 
Herzogtums Berg betr. die Anstellung Flamm 68. 



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Urkundliche Beitrüge zur GescbidHe iles Kernhaus W N'ieilcrrhcin. 151 

XXI. 

Herzog Wilhelm von Jülich-Cleve gestattet die Errichtung neuer Eisenhütten 
im Amt Windeck, nachdem dort vorher verschiedene Hütten wegen 
Schädigung des Waldes abgeschafft worden waren. 
1563 Oktober 7. Düsseldorf. 

. . . „Als wir hiebevor aus erheblichen Ursachen die vüffiltige 
eisenhütten, so für und nach in unserem ambt Windeggen zu merk- 
lichem schaden unser underthonen, verderbung der l.us.-h und mangel 
des holz Ufeerioht gewest, widerumb thuen abschaffen und n.der- 
legen, und aber unsere underthonen bemeltes unsers ambts uns zum 
oftermalen mit supplieationen ersucht und underfheniglich gebeten, 
gnediglich zt. gestatten, das ztt irer tegüchen notturit und narung, 
auc h damit sie auswendig ir notturftig iser mt holen dörften, etliche 
hütten an die orter, dohin die am unschedUchsten zu setzen und 
unsere bergwerken ahm weitsten gelegen weren, Wider aufgenem 
werden möchten«. Er gestattet deshalb seinen „underthonen und 
reidt.neistern Hörstgen von Alnenkuscn, Johann M.ttelaeher und 
Hennann Zimmerssyffen, als den erben üi der M.ttelaeher daselbst 
uf irem erb und gn.nd im Mittelaeher in unsenn Eigen TOnEcken- 
hain gelegen eine isenhut zu irem und der se.nentl.cher re.dtme.ster 
in bemeltem eigen von Eckenhain gebrauch zu orbouwen und aui- 
zurichten". Sie sollen davon jährlieh auf Remigll „für e.nc erkanl- 
nus des wassergangs und jahraus« dem Rentme.ster zu Wjndecfc 
1 Radergulden zahlen. „Doch damit bei unsern schmelzhutten an 
kolen kein mangel sei, sollen sie mit einkouffung der kolen d-n- 
selbigen keinen abbrach oder Verhinderung thuen, wie Wir inen 
derwegen ferner Ordnung werden geben lassen." 

Anweisung an den Amtmann von Windeck Job. von Lützenrodt 
sowie an den Bergvogt und Rcnlmeistor daselbst Reinhard Stappen ho vor. 
Geben zu Düsseldorff am 7. octobns anno etc. od . 

Aus bevelch etc. J. Wassenberg. Werlinger subscr.ps.t. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 V. fol 55/5G. Oopte. - 
Bereits vom 29. September L563 Bensberg datiert e.nc Verfügung 
an Amtmann und Rentmeister zt. Windeck, die Erru hlung von drei 
Eisenhütten — im Eigen von Eckenhagen, zu Morsbach und Ils- 
bach — zu gestatten. (Ebenda fol. 5G/;;<)- 

XXT1. 

Herzoa Wilhelm von Jülich-Cleve bestallt Ludwig Berthram von Nordhausen 
Herzog Wilhelm »«« J ^ ßergwerken im Herzogtum Berg. 

1565 September 5. Düsseldorf. 
Instruktion für den Bergzehntheber Ludwig Berthram von Nordhausen. 
1565 Oktober 17. Düsseldorf. 

Berthram soll „auf allen bergwerken in irer f. g. furstenthnmb 
Berg da erz und eisenstein gewonnen, den zehent vennög irer 
f regalien und der bergordnung treulich einfordern, bei c.nandem 



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154 



Otto R. Redlich 



samblen, in guter gewaraara halten und das erz uf die schmelzhnl 
an den Wiltperg dem Schichtmeister Sigmundten Seitz liefern, 
welcher dasjenig, was ime also gelief fert vort schmelzen zu i. f. g. 
profit vereusseren und mit seiner des bergzehenthebers handsehrift 
einbringen und berechnen soll". 

Den Eisenstein soll er, um Frachtkosten zu sparen, den Reidt- 
tneistern n. a. vorteilhaft verkaufen, genau darüber Buch führen und 
das Gold dem Schichtmeister abliefern, der es mit zu verrechnen hat. 

Sein Bericht über Einnahme und Ablieferung von Erz und 
Eisenstein soll immer am 1. Mai vorliegen. Es soll darin bemerkt 
sein, ,,uf welchen bergwerker der zehend gestürzt, in wie kurzer 
oder langer zeit, wabin es wiederumb gelieffert oder verlassen, wann, 
warfur und wannhe". Dem Schichtmeister soll davon noch im 
Lauf des April Mitteilung gemacht werden, damit er in seiner 
Rechnung Rücksicht darauf nehmen könne. „Und als ein Zeitlang 
des zehondes und erbsteins halber wie der genant worden, in iss- 
verstand gewesen und derwegen bei etlichen, uf welcher erb und 
grund ingeschlagen, irthumh furgefallen, damit aber kunftiglich der- 
halben kein ferner missverstand erwachse, und pillig, das denjenigen, 
so durch das einschlagen, bouen und anders schad beschicht, das 
denselbigen auch darfür gebürliche erstattnng gethon werde". Der 
Bergzehnter soll nun darauf halten, dass Schadenersatz geleistet 
werde. Ist ein Vergleich der Parteien nicht zu erzielen, so soll 
der Zehntheber die Amtleute sowie Bergvogt und Bergmeister er- 
suchen, mit Zuziehung von Schöffen und Nachbarn den Schaden 
taxieren zu lassen. Er soll ferner berichten, wo am besten Berg- 
werke aufgerichtet werden könnten, sowie über Gebrechen bei den 
bereits betriebenen, und zwar zunächst an Bergvogt und Bergmeister, 
dann aber an den Herzog. Als Gehalt werden ihm SO Gulden, 
5 Ryder (für die Kleidung) und 15 Malter Hafer angewiesen. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 V. foL 49—50. Ebenda 
Verfügungen an Bergvogt, Bergmeister und Schichtmeister (vom 
20, Oktober 1505) und (fol. 51) an den Schultheiss von Steinbach 
(vom 5. September 1505) sowie an den Schichtmeistei Sigmund Seitz 
(vom 15. September 1505). 

XXIII. 

Vertrag der heizogl. Regierung mit Michael Feige und Consorten betr. 
Bewilligung eines Wassergangs zur Errichtung eines Eisenwerks an der 
Agger, Ablösung des Zehnten vom Eisensteinbergwerk Kaldenbach u. a. 
1566 Mai 3. Düsseldorf. 

„Auf underthenigs supplicieren Michaeln Feigen und vielfältig 
anhalten seiner consorten Johans Sieffan von Grevenbroich und 
Reinhardten Summen von Königshoven, beider der rechten doctorn, 
ist bedacht und dieser bescheid gefallen, 

1. „das der durchlauchtig fürst m. g. h. herzog zu Oulich, Cleve 
und Berg etc. gnodiglich willig, bemelten supplicanten den begerten 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 153 

wassergang zu auMchtung einer Mitten, hammers und andern not- 
turftigen renwerke sau. hl irem zubehör uf der Acher zu verleihen, 
wie inen davon ein piarat gegeben werden soll; 

2. .dergleichen wollen i t g. inen mit einem andern placat 
i. f. g. zehenden allein von dem eisenstein, was dessen auf dem 
bergwerfcj die Kaldentaeh gnant, gewonnen und gestürzt, wirdt, fünf 
jar lang nachlassen, davon die jaren heut dato underschricben an- 
gon u etc. 

3. Dafür sollen die Genannten jährlich an den Rentnieister 
zu Windeci Reinhard Stappenhover 200 Thlr. abführen. 

4. Unä dieweil itzo uf ernantem bergwert ein eisenstein un- 
geverlioh" an die zweihonderl foder für zehenden gestürzt vorhanden, 
damit dan die gewerken solchen irer f. g. gestürzten zehenden auch 
behalten mögen und in ein schmelzen komme, so ist abgeredt, das 
sie dafür itzo "der binnen monatzfrist von dato dieses zu henden 
bemeltz rentmeisters zu Windeck zwei hondert thaler bar erlegen 
sollen doch das die zweiundachtzig foder steins, so irer f. g. durch 
gemelten Michaeln Feigen abgestürzt und aus bewegenden ursachrn 
in verbot gelagt, in die vursc blieben zweihondert foder nngcverhch 
nit mit ingezogen, sonder irer f. g. nnbenomen seien". 

5. „Die gewerken sollen vermog der bergordnung und uf ire 
gethane muttung fundgruben und massen, wie sie die ins bergbuch 
geantwurt, zu sich nemen, damit andern, so des orte auch zu bauwen 
bist haben mochten, das fehl unversperret pleib. 

G. „Der bergvogt und bergmeister sollen die gewerken für 
gewalt und vermog der bergordnnng schützen und sie von wegen 
hochgedachtes m. g. h bei dem zehenden handhaben. 

7 „Da auch den von der Leien oder jemand/, anders mit dem 
inschlagen schaden geschehen were oder noch zugefuegt, das sobehs 
gerurte gewerken nach bergwerksrecht erstatten und ergenzen, wie 
hiebevor für gut angesehen und bevolhen". 

„Gezeichent zu Düsseldorff am 3. man anno etc. 60 . 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 V. fol. G5/GG. 

XXIV. 

Vertrag in Bergwerksangelegenheiten zwischen Johann von der Leyen und 
Michael Feige, durch herzogliche Räte aufgenchtet. 
1566 Juli 29. Düsseldorf. 

Am 27 Juni 1665 ist bereits zu Bensberg durch die herzog- 
liehen Rate ein Vertrag zwischen den streitenden Parteien zustande 
gekommen. Die Klagen haben jedoch nicht aulgehört und zu er- 
neuter Verhandlung Anlass gegeben. Der Herzog will nun dem 
Johann von der Leven als Kntschädigung für Hinschlüge und Auf- 
richtung neuer Gebäude die Hälfte des Eisensteinzehnten vom Bens- 
borger Abschied an bis zum Mai, nämlich 9G 1 /, Fuder bewilligen, 
ferner 900 Thaler haar. Falls „sieh zutragen würde, .las einiche 



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154 



Otto R. Redlich 



ferner geben oder inschlege, als itzo aufgericht und zu bouwen an- 
gefangen, gedachter Feig oder seine gewerksehaft binnen oder baussen 
iren itzthabenden belebnungen und gerechtigkeiten aufrichten wurden, 
das solichs nach bergwerksordnung und rechten einem jedem, auf 
welches grund und erbschaft eingeschlagen und gebowet, soll er- 
staltet und ergenzot werden." Die Partei v. d. Leyen soll Feige 
und Consorten in keiner Weise beim Bau hindern, ,. sein ler sie mit 
ruhen und frieden bowen und keine woge, Stege, wassergenge (dem 
Feig und seine mitgewerken zu dem berkwerk auf der Kaldenbach 
nit ent raten können) auf dem iren versperren lassen". 

Geben . . . zu Düsseldorff am 29. julii anno etc. GG. 

Mit Unterschrift Johanns von der Leyen und Verzicht Hermanns 
v. d. Leyen. 

Wegen der Neubauten auf dem Revier Feiges ist noch die Er- 
klärung der Parteien angefügt, dass nur von den oberhalb der Erde 
ausgeführten Bauten dem v. d. Leyen .Ersatz gegeben werden soll 
„jedoch in diesem Feigen und seinen gewerken furbehaltcn die aus- 
gesuchte huttenstatt der furhabender blcihütten und bewilligten 
Schoppens". 

Mit den Unterschriften des Johann von der Leyen und des 
Johann Steffann von Grevenbroich. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 V. fol. 59/61. Copie. 

XXV. 

Bestallung des Valentin Flamme als Bergmeister. 
1571 März 23. Cleve. 

r Anno etc. 71 am 23. martii ist durch den herrn canzlern in 
beisein des marsehalks Bernsau und amhtmans Horsten mit Veitin 
Flammen daliin gesprochen, dieweil sein broder seliger Jacob Flamme 
meinem g. h. herzogen etc. treulich und wo] gedienet und man sich 
dergleichen alles guten zu ime versege, das er sich vor einen berg- 
meister (ungeachtet andere vast vil darumb angesucht) gebrauchen 
lassen wolte. 

Ober sich nu wol etlichcrmassen darinnen beschwert vornemblieh 
B0 ein zeither nit so ordentlich uf i. f. g. bergwerk gebauet, soiulern 
zwischen den gengen in ein unfletig und unartig ort gefaren sein 
solt, so hat er sich doch i. f. g. in underthenigkeit zu dienen gut- 
willig erbotton, so vil er der bergsachen verstand hab. 

Darauf ime hinwider vermeldet, was vor ime verordent und 
nnriehtigs gemacht, Boichs wurde man ime auch nit zumessen, da 
er sonst seinen treuen vleis beweisen thete, wurde i. f. g. mit 
gnaden erkennen". 

Fl. soll jährlich 50 Thlr. und Kleidung bezw. 5 Ryder dafür 
erhalten. — Er ist vereidigt worden. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 V. fol. 145. Ebenda auch 
das Plakat der Bestallung vom selben Tage. 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 15?) 



XXVI. 

Herzogliche Concession zur Erbauung einer Schmelzhütte an der Agger. 
1572 März 9. Düsseldorf. 

Franz von der Heiden, Schichtmeister, und seine Mitgewerken 
auf dem Heidberg- haben den Herzog gebeten, ihnen „ein ander 
hatten plat z auf die Acher in dei töasternich gnant, welche wassere 
und kolen halber wie ire itzige hütte kein mangel hab noch unge- 
legen sei u , auch den herzogliehen Hütten keinen Abbruch thun 
könne, zu verleihen. Sie haben sich auch zur Abtretung der Hütte 
erboten, falls der Herzog dadurch geschädigt würde oder ihrer be- 
dürfte. Daraufhin erlaubt der Herzog die Anlegung einer Schmelz- 
hütto zum Nutzen dos Bergwerks am Heidberg, unter der Bedingung, 
dass mit dem Einkauf der Kohlen den herzoglichen Schmelzhütten 
kein Abbruch geschehe. 

Der Amtmann zu Windeck, Johann v. Lützenrodt, und der 
Bergvogt, und Rentmeister Reinhard Stappenhovor werden demgemäss 
angewiesen. 

„Geben zu Düsseldorf am O.ten martii anno etc. 72". 

Aus bcvelh etc. Orssbeek. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Bis, B 34 V. G6L 150/151. Copie 
XXVII. 

Kohlen-Ordnung des Herzogs Wilhelm von Jülich-Cleve für die Ämter 
Steinbach, Porz und Windeck. 
1572 Dezember 10. Hambach. 

.... Als wir hiebevor in unser publicirter polieeiordnung 
auch sonst andern unsern edicten gemeinen unsere landen und 
underthanen zu gutem nutz und wolfart, wie die busch und gemarken 
in unsern furstenthumben und landen zu underhalten und das hoch- 
Bchedlich verwüsten derselben zu furkommen, ernstlich bevelheji 
lassen. Und aber dessen alles ungeacht durch nacltlessigkeit etlicher 
unserer amUleut und bevelhaber mit dem verhauen gleichwol dor- 
massen furgefarn, das zu besorgen, wo dem nit auf andere wege 
geweret, nit allein unserer landschaft die bereit sehr geschwechte 
mass, sonder auch unsern land- und bergleuten uotturftig brandroest 
und treibholz in kurzem entlich hetto aufgehen und in ein abnemen 
geraten müssen. 

Dieweil dan auch der almechtiger gutiger Gott aus sondern 
seinen göttlichen und milten gnaden unser furstenthumb Berg mit 
etlichen bergwerken gnodigst begäbet und gezieret, sein wir wie 
solchem besorgten ubcl zeitlich zu begegnen weiter nachzudenken 
verursacht, haben aber auf vorgehende vleissige erkuudigung nach 
befinden der Sachen gelegonheit nachfolgende richtige und nötige 
kolordnung bis zu weiter unser Verbesserung jedoch unsern hievor 
ausgangnen polieeiordnung, edicten und bevelhen unabbruchlich 
stellen und atifrichten lassen. 



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156 



Otto R. Redlich 



Anfenglich als vi] unser ambt Steinbach belangt, damit daselbst 
sonderlich mit dem kolonkauf und anders der notturft nach billige 
Ordnung und riehtigkeit gehalten werde, haben wir zu unserm und 
der geineinen gewerken kolmeister durch unsern Belgischen berg- 
vogt und bergmeister, solang uns gefallen wirdet, bemeltes unsers 
ambts Steinbach angebornen underthanen Johan Schoenssgens zur 
Hardt in gehurliohe pflicht und cid anneinen und bestellen lassen, 
dergestalt, das er aus bevelh unserer ainbtleute oder unsere berg- 
vogts in den kirchen unsere ambts Steinbacli durch die botten jedes 
orts öffentlich ausgereiften und verkündiget auch von meniglich 
dafür geacht und gehalten werden soll. 

Demnach ordnen und setzen wir, das alle und jede kolen, so 
kunftiglich in gemeltem unserm ambt Steinbach zum erzschmelzen, 
eiserblasen oder hammerschmitten gebraut werden, itztgnantem unserm 
kolmeister an unser slal umb die gebuer verkauft und also folgentz 
den bauwenden gewerken, zuvorderst aber unsern Bergischen, so 
sich auf unsere bergordnung von unsern bergvogt und bergmeister 
haben belehnen und bestettigen lassen, zu irer notturft auf iren ge- 
urlaubten wasscrleuffen zu verbrauchen gefolgt werden. Was aber 
dan von kolen uberlauft, sol angel egter unser kolmeister auch andern, 
SO Dil bergwerk in unserm luistenthuinb Berg bauen und doch 
Belgischen eisenslein in gemeltem furstentliunib vorblasen, zukommen 
lassen. 

Der kolmeister soll auch neben unsern ambtleuten und bevel- 
habem bei seinem gethanen eide schuldig und verpflicht sein, unsers 
und imser underthanen gehölz sovil möglich helfen verschonen, das 
schädlich verhauen abwenden, das aüch anstat der abgehauener 
eichen und boichen vermog unser ausgangner polieeiordnung und 
edicten jonge possen oder stein wider gepflanzt und gesetzt werden. 

Das auch vermog unsers vorigen ausgangnen bevelhs kein 
frembder auslendischer eisenstein (dan der in unserm furstentliunib 
Berg, da wir allein gebot, und verbot haben, gewonnen) in bestimbtem 
unserm ambt Steinbach zuverblasen eingefurt, noch sonst kein kolen 
über die Bergische greinzen auf frembde hütten und hemmer zu 
verbrauchen, unter was Scheins das auch geschehen mücht, mit 
lachten ausgefurt werde. 

Er soll auch gleichsfals mit und ohn hilf unserer anibtleut, 
diener und bevelhaber nit gestatten dan mit sondern: vleiss daran 
sein, das das Bergisch holz und kolen (welches doch zu wenig) 
inlendig bleiben, nirgend wohin zu andern gebeuen, schmelz-, blais- 
oder haramerwerken ausserhalb dieses unsers furstenthumbs und 
ambts Steinbach gefurt, auch kein erz noch stein darvon der Bergische 
zehendnei nit den vollen zohenden empfengt herin gebracht, werde. 

Nachdem auch bis daher in unserm furstenthurab Berg sonderlich 
in unsenn ambt Steinbacli zu merklichem nachteil und schaden 
unserer armer underthanen in der kohnassen grosse Unrichtigkeit 
und Ungleichheit befunden, sollen unsere bergvogt und bergmeister 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 157 



mit rat und hilf unserer ambtleut dienet- und bcvelhaber des orte 
alle itzige kolkorb forderlich auf ein gelegene platz zusamen fiteren 
lassen und aus denen allen, sie seien gross oder klein, einen be- 
stendigen kolkorb mit seinen imterinassen verordenen, eichen und 
mit einem brandzeichen notieren, welche massen auch also von 
raeniglioh nnverfelseht gebraucht und gefnrt werden und in gemeltes 
kolmeisters verwarung Bein und bleiben, dessgleichen eine die auch 
also geeicht, gebraut und bestätiget, jederzeit auf einer jeden schmelz- 
oder blashütten und hammer beihanden sein und für die rechte 
niass gehalten und gebraucht werden soll. 

Die koeler sollen gute koelen und kaufraansgut brennen, anstaf 
der kolen kein hol/, oder brend liebern, den korb unbedroehlich und 
voti laden, auch über die gebner mit benden, ketten und sonst nit 
in und zusamen zwingen oder verengen, dessgleichen im laden auf 
der kolgruben oder im uinbsturzen auf den hätten oder bei dem 
Schoppen kein pferd über oder durch die kolen dreiben oder jagen, 
damit sie zertretten oder zu schänden gemacht werden mochten. 

Es sollen auch die koeler oder kolfuerer zwischen den kol- 
grueben, bütten oder schoppen kein kolen oder ichtwes aus den 
kolkorben zu betrug oder schaden der gewerken oder hüttenbläser 
weder verschenken, vergeben oder abwerfen sonder die rechte billige 
mass allerding aufrichtig und redlich uberliebern und was sie also 
fiteren und liebern davon geburliohe kerfholzer mit jederman auf- 
richten, auf das sich der kolmeister mit der bezalung zur verhuotung 
alles missverstands darnach wisse zu verhalten. 

Damit auch denjenigen, so holz oder kolen zu verkauften, an 
billigem und geburlichem preiss oder Werth nichts abgehe, sonder 
beiden den keutTern und verkeuffern ein billich and leidlich kaul'gclt 
gegeben werde, sollen die kolen nach golegenheit des jars und der 
zeit, auch nach grosse des kolkorbs mit rat unser bergvogts und 
bergmeisters (so dessen dan hin und widder von unsorn und gemeinen 
iand und bergleut wegen mehr zu thuen haben und derhalben die 
gelegenheit am besten wissen) durch unsern veieidten kolmeister 
eingekauft und bezalt werden. 

Es soll der kolmeister den dritten pfenning des kaufgelts, wan 
er der lieberung halber nach notturft mit burgschaft oder sonst ver- 
sichert, auf begern der koler zu bereitung des holz und kolen zuvor 
herauszugeben sich nit weigern. 

Wa die verkeuffere in der lieberung her zusage zu widder 
Uber vier wochen seumig verblieben, soll der kolmeister sie davor 
und für allen schaden, den keuffern daher entstanden, zu pfenden 
macht haben. 

Wie hinwider da nach beschehener lieberung die gewerken 
binnen mouatzfrist den volligen kautpfenning nit erlägen wurden, soll 
mit dem pfenden wie oben gcmelt gleicherweiss gegen sie auf begern 
der verkeuffere furgefaren werden. 



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158 



i >tto K. Redlich 



Es sollen Unserm kolmeister anstat seiner bosoldung von einein 
jeden Eueder kolen, so in unserm ambl Steinbach fallen wird, hin- 
furter von den gewerken, hüttenblescrn oder reidmeistern, wavern 
die Engelskireher mass bleiben wurde, zwein alb. Colniseh gegeben 
werden; wo aber die inaiss grosser angoriclit, soll i nie nach advenant 
mehr gegeben werden. 

Dieweil auch nötig und allenthalben, da bergwerk gebauet 
werden, breuchlich, das zwischen den bind- und bergsaehen auch 
dersell)en ambtleuten, dienern und bevelbabern undersebeid gehalten, 
also das kein • landsachen ander die bergsaehen und hinwidor kein 
bergsaehen under die landsachen vermischt oder gezogen werden 
Böllen, als behalten wir herzog etc. vorgnant uns zu Vorbildung 
alles niissverstands unser gericht zum bergwerk gehörig hiemit fiir. 
dergestalt das unser bergvogt, und bergmeister alle Sachen von 
unserntwegen zu straffen und zu buessen macht haben sollen, was 
furmals nach herkommen und ausweisung der bergrecht andere herg- 
vogt und bergmeister zu straffen macht gehabt und noch haben. Was 
aber davon feit, «las soll unser bergmeister innemen und uns jarlichs 
berechnen und entrichten. 

Ob sich auch Sachen und zweidracht begeben, die dem berg- 
vogt. und bergmeister zu strafen wie oben vermelt zusehen, und ob 
die that gleich an den enden geschehen, da allein dem bergvogt 
und bergmeister von unserntwegen die gerichte und der angriff 
gehurt, dannoch sollen unsere ambtleut und bevelhaber der ort, da 
der bergvogt und bergmeister in unsern amhtern eigner personen 
mit der wonung bei den bergworken nit gesessen umb mehr fridens 
und gehorsambs willen macht haben, an denselben enden die frevelcr 
oder nbeltheter anzugreiffen und in ire verwarung zu bringen. Wan 
alter dieselben s«achen sollen abgetragen werden, sollen unser berg- 
vogt und bergmeister, wie vorberurt, denselben abtragt von unsert- 
wegen annemen. 

Als dan auch der kolmeister unser und unser berglent und 
gewerken bestelter und vereidter diener ist und ohn bevelh und 
gehorsam in diesem seinem dienst unter land- und bergleuten uns 
oder inen wenig nutz schaffen vielweniger alzeit unsere ambtleut 
und hotten nachfueren oder zur band haben kan, so soll er hiemit 
macht halieii. hinnen und buissen den kirchen auf dem land berg- 
werken, hütten und hemmern in Sachen seines bevolhonen kolmoistor- 
ambts zu gebieten, zu verbieten und zu pfenden, darin ime auch 
unsere ambtleut und hotten jederzeit in allen billichen Sachen 
beiretig, Eurderlich und verholten sein, darneben auch ime und sonst 
menniglich geburlichen schütz und schirm Ihnen und beweisen sollen, 
das er sich dessen mit billigkeit nicht hab zu beklagen. 

Demnach bovelhen wir euch allen und jeden obgemelt, das ir 
solcher unserer kolordnung in allen iren puneten wirklich nachsetzet, 
darwider nit handl-t im -h andern zu thuen gestattet. In dem allem 



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Urkundliche Beitrüge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 169 



beschicht unser genzlicher will und meinnng. Urkund unsere herauf- 
getruckten seoretsiegels. 

Geben auf unserm seldoss Hambach am 10 ton tage des monats 
decembris anno etc. 72. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 V. foL 169— 173. Copie. 



xxvm. 

Herzog Wilhelm von Jülich-Cleve bestallt Christoffer Theuffel zum Berg- 
meister und Probierer im Herzogtum Berg mit einem Gehalt von 75 Thaler. 
1573 Juni 27. Düsseldorf. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. B 34 V. foL 189 v. Copie. — 
Ebenda foL 200/201 Hofeld an den Schichtmeister Sigmund Soidtz 
dd. 1574 März IS Cleve, obiges Gehalt in zwei Terminen aus- 
zuzahlen. 

XXIX. 

Privileg des Herzogs Wilhelm V. von Jülich Cleve-Berg für die Gewerken 
des Alaunbergwerks im Kirchspiel Homberg. 
1580 März 12. Cleve. 

„Als sich hiebevor durch genad des almechtigen in unserem 
fnrstendumh Berg BlQpt Angermondt und kirspel Humberg ein allaun- 
bergwerk ereucht, damit wir etzliche als erfinder und gewerken auf 
ihre underthonigo pitt, dasselbig z\i bewerten und zu erbauwen gegen 
erstattnng drei stein uf ihre kosten ohne unser zuthuen zu unserem 
nutz Eur den geburliehen zehenden zu erbauwen, welche uutzung 
zue befurderung gerurten allaunworks wir his ahher aus sonderen 
genaden ingestelt, und aber nohistkunftigon maio erstlich seine 
Wirklichkeit erreichen soll, verüben, welche erfunden gab die zuvor 
nit des endz gespuert, sondern von anderen auswendigen frembden 
hat müssen geholt und erwarl worden, weil man merkt, das die- 
selbige etwas frucht und nutz vollbringt, auch an andern orten 
von etlichen in den benachbarten umbliegcnden landen, graf- und her- 
schaften, dergleichen von unsorn landsassen selbst durch anbewerte 
berggesellen, so sie desfals umb ires eigen nutzen willen an sich 
ziehen, undorstanden wird in grosser anzal aufzubringen, wclchs 
nit allein zu undergang solches erfundenen bergworks gorcichen- 
sondor auch ein entliehe Verwüstung des goholz und andere nachn 
teilige beschwernns mit sich bringen, wie auch den gewerkeh 
schndon und nachteil, daran sb zu iivni anstatten ein merkhci. 
numehr angelegt, geboren wolte" — erhalten jetzt die Freiheit fü 
Berg und Ravensberg ausschliesslich Alaun- und Siedewerk zu he 
treiben. 

„Geben zu Cleve am 12. monatstag martü im 1580. jar." 
Düsseldorf, Staatsarchiv Ms. 13. 34 V foL 282/283 Copie. 



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160 



Otto R. Kidlich 



XXX. 

Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Ritter- und Landschaft des Amts 
Steinbach und des Kirchspiels Engelskirchen ') einerseits und der Rechts- 
gelehrten Dr. Joh. Steffan und Reinh. Himmen andererseits wegen der 
niedergelegten Eisenhütten und Selbhämmer, sowie wegen der Kohlen- 
Ordnung. 
1582 November 13. Hambach. 

Ms. B. 35 fei. 220 v. bis 228. Abschrift 
XXXI. 

Supplikation der Gewerken des Homberger Alaunbergwerks an den Herzog 
betr Handhabung bei dem ihnen verliehenen Privileg. 
1589 August 21. 

Der Gogreve zu Schwelm, Christoph Sc1k.11 und dessen Eidam 
Telmati Hack haben „roil in ihrer des allannbergwerks zum Humbergh 
consorten namen" wegen des im Amt Porz auf einem Grundstück 
der Gebrüder v. Zweifel aufgefundnen Alaunbergwerks an den Herzog 
Slipplicirt. Sie erinnern nun daran, dass sie auf das herzogliche 
Privileg hin mit schweren Kosten ihre „in geroertem Humbergischem 
allaunberg habende stemme" erkauft und dies Werk betrieben haben. 
„Und als gescheen, dass sich die ausbeute weder hoffnung verzogen 
je longer dargeen je mer verheuffet denselben verpachtet, damit 
sowol u. f. g. ihren geburlichen zehenden erlangen, als wir der 
beswerlichen zubussen gefreiet und unsera kaufschillings und ange- 
wandter grosser Unkosten und muhe ergetzf werden mochten. Als 
aber u. f. g. hoichweise rothe alsolchc Verpachtung dorn berge 
vereehtlieher und nachtheiliger, als befurderiieher zu sein erachtet, 
sein wir mit willen lies pechters davon abgestanden und nach bevelh 
und guitachten ermelter herren rethe bei der continuation des 
bauwens verhieben, dardureh aber der voriger beswerung und Schadens 
nit allein nit entladen oder erlichtet, vilweniger einige Eurtheils 
erfreuwet, sonder weder ermelter herren rethe und unsere guite 
verhoftnung in verheuffnng des Schadens je lenger je mer geiaden, 
derhalb uns dan die unvermeidliche noth geilrungen, das bergwerk 
nochmals zu verpachten. Und ob wir uns wol daher zur ablegung 
voriger beswer was behulfs und weiteren Verlaufs absneitung genzlich 
vermuttet, so haben wir doch aller unser hoffnung zuwidder deren 
geins (wail uns der peohter vieler inleggerung der Ko. Mt. zu 
llispanien kriegsleude und anderen vorgewandten boswerungen die 
pechte verhallen) erlangt, sonder über das den borg bei werenden 
paehtjaeren verwuestet und etlicher vil hundert [oeder holz (so wir 



') Durch Urkunde vom io. September 1572 hatten die Einwohner von 
Engelskirchen gegen das vom Herzog ausgegangene Verbot des Betriebs der 
Eisenhütten und -hämmer protestiert. (Abschrift besitzt das kath. Pfarramt 
Engelskirchen; Vfd- Tille, Uebersicht über den Inhalt der kleineren Archive 
der Rheinprovinz L S. 273.) 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Niederrhein. 1(51 



n vorrath gehat) gebloesset und uns also aus einer beswerung in 
die ander gestürzt befunden. Sölten wir nu unsere vast zehenjarige 
muhe und vieler tausent gülden anläge nicht verloren haben, so 
haben wir die erbauwung des bergs selbs weder ufnehmen, etliche 
tauseut gülden abermals in namen Gottes daruf wenden und wagen 
und desselben genaden unser gluck und ungluek (ungewiss, ob 
unsere furnehmen gelingen oder nicht werde) genzlich heimstellen 
muessen." 

Im Vertrauen auf das ihnen verliehene Privileg bitten sie, „die 
aufführung und erbauwung gerorten Portisehen, Zweibelschcn oder 
anderer allaunbergwerk" zu verhindern. „Solt aber darfur geachtet 
und gehalten werden, das gemeltz Portische borgwerk ohne besserling 
der underthanen mit furtheil erbau wet weiden konnete, alsdau 
unserem bedenken dessen erbauwung genediglkh heimstellen, dan 
auf solchen fall u. f. g. sowol von uns darzu privilegierten und 
hoichheschedigten als von anderen ihres gelmrlichen zehentz gnodiglich 
erfreuwet und gebessert sein können, damit wir obermelte unsere 
kaufphennige beswerlicher unkoste und anlagt« verhoffentlicho er- 
Btattung und ergetzung sovil moeglich suchen und erfinden moegen". . . 
Datum den 21. augusti anno etc. 89. 

E. F. G. underthenige phlichtwillige und gehorsame Hermann 
Pentlinck zu Hilbeck, Gert Pentlings zeliger nagelassenen unmündigen 
suins Eurmundere 

Georg Scheie zu Rechen 
Christoffel Scheie tho Benninghoven 
Detmar van Dinsingh tho Borentorfl 
und andere ge werken mer." 



Düsseldorf, Staatsarchiv. Cleve-Mark. Handel und Gewerbe 
No 23. Or. Pap. Ebenda die offenbar gleichzeitige undatirte Ein- 
gabe des Rentmeisters zu Wetter Cl.ristoffer Scholl, ,1er zwanzig 
.fahre früher das Schwelmer Alaun-, Vitriol- und Schwefelsiedwerk 
in erfolgreichen Betrieb gebracht hatte und sieh nun beklagt über 
Hans de Viller, der im Amt Porz auf Grund der Gebr. v. Zweifel 
ein solches Siedwerk anlegen wolle. Sch. erwähnt u. a., dass 
derartige Werke noch zu Elsa bei Limburg, ferner hei Werden und 
in Hardenberg im Betrieb gewesen sind, und meint, dass „solches 
siedwerk, da nit in den landen steinkolen vorhanden, ein endlich 
verwuestung und verderben des holz" herbeiführen müsse. — Auf 
diese Supplikation hin wies der Jungherzog Johann Wilhelm dd. 
Hoorde 1589 September 1 die Düsseldorfer Räte an, den Bitten 
Schölls und der andern Gewerken stattzugeben. 

Jahrbuch XV. 1 1 



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Otto R. Redlich 



XXXII. 

Concession des Herzogs Johann Wilhelm für die Einwohner der Freiheit 
Gräfrath Heinrich Mulleman und Heinrich Paelich zur Errichtung eines 
Eisenhammers und Hüttenwerks auf einem Grundstück im Dunnenbroch 
bei Gräfrath, an der Wupper gelegen, das sie vom Kloster Gräfrath in 
Erbpacht haben gegen eine jährliche Abgabe von 3 Goldgulden an die 
Kellnerei Burg. 

1600 August 25. Düsseldorf. 

Düsseldorf, Staatsarchiv. Ms. P> 35 fol. IG— 17. Abschrift. 
XXXIII. 

Herzogliches Patent für den Bergmeister Peter Raab, der sich ohne 
Schädigung anderer Bergwerke Hauer, Beiggesellen und Arbeitleute für 
die Bergwerke Heid- und Weilberg im Herzogtum Berg engagieren soll. 
Die Beamten werden angewiesen, ihn dabei zu unterstützen, und etwa vor- 
handene starke Bettler und Müssiggänger anzuhalten, diese Arbeit anzu- 
nehmen, oder aber sie des Landes zu verweisen. 

1601 Februar 13. Düsseldorf. 

Wie vor fol. 24 b -25. Abschrift. 

XXXIV. 

Herzog Johann Wilhelm von Jülich Cleve ernennt Heinrich Putzweiler zum 
Salpetermacher und -gräber. 
1601 September 8. Düsseldorf. 

„Von Gottes gnaden wir Johans Wilhelm .... lassen euch 
unseren bevelchaberen und underthanen unser empter Monheim und 
Portz hiemit -wissen, das wir zeigeren dieses Henrichen Putzweiler 
zu unserem salpetermaoher und -graber 1 ) auf gepuerlicho huld und 
eid gnediglich auf- und angenommen und ime zugelassen haben, 
das Salpeter in bcmelten unseren empteren zu unserem besten vor- 
theil zu suechen und zu graben, doch dergestalt, das solchs der- 
massen geschehe, damit der grund davon verpleibe und das Salpeter 
widerwachsen und zunehmen möge. Und was er dessen graben 
und bekommen wirt, soll er unserem zeitlichen burggraven alhie zu 
DüBseldorff zu unserem behuef rein und aufrichtig ohn schalk und 
salz uberlieberen und nirgents anders vereusseren; und da er da- 
wider thun und darüber betretten oder dessen uberzeugt wurde, 
alsdan nit allein an gut, sonder auch am leib nach gelegenheit ge- 
straft und darfur angesehen werden." Befiehlt ihnen, Putzweiler 
alle Förderung angedeihen zu lassen mit folgendem Vorbehalt: „Im 
fall er jemaudton mit graben in den scheuren, Stallungen, gebeuen 

: ) Die erste derartige Bestallung ist für das Herzogtum Berg aus dem 
Jahre 1524 nachweisbar. Damals ernannte Herzog Johann cid. Hambach 
Dezember 20 Kyrstgcn van Kassell zum Salpctermacher (Ms. B. 29 III fol. 95). 
— Die oben mitgeteilte Urkunde ist in diese Sammlung mit aufgenommen 
worden, da sie die Thätigkeit eines Salpetergräbers näher beleuchtet. Vgl. 
dazu Katzfey, Geschichte der Stadt Münstereifel 1, S. 334. 



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Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am Xiederrhein. 163 

und anderen gemacheren einiehen beweislichen schallen zufliegen 
wurde, das er denselben der gebuer und pilligkeit nach erstatten 
oder sich mit einem jeden deswegen also vergleichen solle, damit 
sich niemand darüber mit fugen zu beclagen hab. Und soll ge- 
dachter unser zeitlicher bmggraf imo wie auch anderen unseren 
salpetergraberen so lang uns gefellig und er unser salpetermacher 
sein wirt, von jederem centner Salpeters bezalen zwölf goltgulden 
oder sonst die rechte werde darlur. Wan auch ermelter unser 
Balpetermacher von einem ort zum anderen mit seiner gereidtschafl 
zu verrücken und das Salpeter zu suechen vorbabens, soll er solclies 
unserem vogten oder andei-en unsern bevelchaberen jedes orts in 
der nebe dabei zu erkennen geben und zu beifiierung derselben 
not t urftige diensten bei innen gesinnen und gebrauchen, jedoch von 
keinem ort zum anderen verrücken, er habe dail zuvor allen auf 
jedem end gemachten Salpeter mit dem gewicht angeben, davon 
waren sehein und urkund von dem gericht daselbst oder anderen 
glaubwürdigen personen vorbracht, sonsten aber von unseren bcvelch- 
haberen und dieneren genommen, welche er neben dem Salpeter 
zu mohrer Sicherheit und seiner entschuldigung jedesmals zu über- 
geben" .... 

„Geben zu Düsseldorff am achten tag des septembris anno etc. 
ein tausent sechshondert und ein". 

Dflsseidorf, Staatsarchiv. Ms. B 35 fol. 79/80. Copio. 



XXXV. 

Herzogl. Concession für Albert Lixfeldt. Eingesessenen des Amts Windeck 
zur Anlage eines Eisenhammers und Hüttenwerks im Amt Miselohe beim 
Dorf Volberg an der Sultzen auf einem von Tilmann dem Wirt daselbst 
erkauften Grundstück. Recognition 6 Goldgulden. 

1602 Februar 4. Düsseldorf. 

Wie vor. fol. 55 v bis 56. Dabei Begleitschreiben an den Dinger 
zu Miselohe vom 5. Febr. 1G02. 



XXXVI. 

Herzogl. Concession für den Düsseldorfer Bürger Henrich Heimes zum 
Graben auf „Alaunerz" im Amt Elberfeld am Romersbaum. 

1604 Januar 10. Düsseldorf. 

Wie vor. toi. 1US — 110. Ebenda fol. 111 Revers der Ehe- 
leute Heinrich Heimes, Färber und Bürger zu Düsseldorf, und Agata 
Lanssberg vom 30. Jan. 1G04. 

Ii* 



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J6i Otto K. Redlich 

XXXVII. 

Herzogl. Befehl an den Marschall Ley, Amtmann zu Steinbach, betr. den 
Rechtsstreit Michael Feigh als ersten Muther, sodann Joh. Steffan bezw. 
dessen Söhnen und Dr. jur. Reinh. Hymmen c/a. Hans v. Neuenhove gen. 
Ley. Hauptmann, u. Cons , Bergmeister Peter Raab wegen des im A. Stein- 
bach gelegnen Kollenbachschen Eisenbergwerks hinsichtl. der Belehnung 

und Grenzen. 
1605 Juni 18. Cleve. 

Wie vor. fol 228 v bis 240. 

XXX VIII. 

Herzogl. Ordnung für den Aufseher des herzogl. Hüttenwerks u. Hammers, 
Kohl- und Reidwerks im Poilbroich (A. Windeck) 
Melchior Gevertzhagen. 
1605 Dezember 15. Hambach. 

Wie vor. fol. 2ölv bis 256. Vorher (fol. 249 v bis 251) das 
Ä.nstellungspatent für Gevertzhagen. 

Ebenda fol. 339 341 Ajifeehere-Patent dd. 1606 Dez. 14. 

XXX IX. 

Herzogl. Concession für Thonis Adam zu Morsbach u. Cons. zur Verlegung 
des Stahlhammers daselbst. (A. Windeck). 
1606 März I. Düsseldorf. 

Wie vor. fol. 264 v bis 265. 



Eine politisch-ökonomische Beschreibung des 
Herzogtums Berg aus dem Jahre 1740. 

Mitgeteilt von Victor Loewe. 

ie im Folgenden mitgeteilte Beschreibung des 
Herzogtums Berg, die im Berliner Geheimen 
Staatsarchiv beruht, stammt aus der Feder des 
preussischen Kriegs- und Domänenrats Müntz 1 ). 
Die Schilderung ist nach einer Angabe des Autors im Text 
im Jahre 1740 verfasst, also zu der Zeit, da durch den 
Vertrag Friedrich Wilhelms [. mit Frankreich vom Jahre 
1739 die Erwerbung wenigstens eines Teiles des Herzogtums 
für Preussen ins Auge gefasst war, bis dann der ausbrechende 
schlrsische Krieg diese Frage in den Hintergrund drängte. 
Der erste Teil der Ausführungen, der vornehmlich die Topo- 
graphie und die politische Einteilung und Statistik des Landes 
behandelt, berührt sich vielfach mit der in Bd. ig der Zeitschrift 
des bergischen Geschichtsvereins veröffentlichten Topographia 
Ducatus Montani des E. Ph. Ploennies vom Jahre 17 15. Im 
zweiten Teile schildert der in der strengen Schule Friedrich 
Wilhelms I. grossgewordene preussische Beamte die Ver- 
waltung des Herzogtums, über die er ein nichts weniger 
als günstiges Urteil fällt; inwieweit dieses zutrifft, ist hier 
nicht näher zu untersuchen. 

') Müntz (auch Müntz geschrieben), der bis 1732 Richter in Xanten 
gewesen war, wurde in diesem Jahre zum Kriegs- und Domänenrat bei der 
Kammer in Cleve, aber mit Beibehaltung seines bisherigen Amtes und Wohn- 
sitzes ernannt. 




166 



Victor Loewe 



Bis auf wenige Kürzungen wird im Folgenden die 
Beschreibung wörtlich, auch mit Beibehaltung der zum Teil 
von der heutigen Schreibweise abweichenden Bezeichnung 
der Ortsnamen wiedergegeben 2 ). 



Beschreibung des Herzogtums Berg. 
Erster Teil. 

. . . Das Land ernähret sieb ans Ackerbau, Viehozucht, Merg- 
werken, Fabriken und Bandelung. Die Bergämter haben ausgenommen 
Mott mann wenig Land zn Eloggen und wird selten irgend* Weizen 
oder Rübsaat gesaet, weswegen der gemeine .Mann auch meisten- 
(hoils lauter Haberbrod (»der zuweilen mit etwas Buchweizen oder 
Roggen meliret zum Brodkorn nimmt. Die Bemittelte abei müssen 
ihre Fluchten aus anderen Örtern holen. Die Rheinämter können 
aber mit ihre Früchten genugsam auskommen und findet man 
daselbsten guten Acker. 

Die Viehezucht ist en general ziemlieh und pflügen die Unter- 
thanen in ilencn Rergäratern mit Ochsen, es sind aber seihige 
durchgehends klein, die Pferde sind auch nicht gross aber stark 
von Natur und werden meist Hengsten gebrauchet Schafe gieht 
es sehr wenig, aber wegen der vielen Büschen und Masten desto 
mehr Schweinen. 

Der Hauer am Rhein lebet ziemlich gut, der Bauer in denen 
Bergämtern aber schlecht. Sein Brod wird von I laber, zuweilen 
mit etwas Buchweizen gebacken, anstatt Butter haben sie den 
zweiten Saft von Obst und demneehst kochen sie aus denen Obst- 
kn'.sen ihren Trank anstatt Bier, wobei er nur Gemüse, Käse und 
Milch genieset, das übrige aber alles zum Markte bringet. Der 
Acker in denen Bergen muss öfters zwei, drei und mehr Jahren 
ruhen und wird das Land auf dreierlei Art gedünget 

Das Holz ist durchgehends ziemlich teuer, massen selbiges zu 
Bonn, Cöln, Mülheim und Düsseldorf der Klafter ad 4 Kubikfuss 
vor 3 Rthlr. und noch höher zuweilen verkaufet werden kann. Die 
viele Eisenhämmer und Schmelzhütten verbrauchen auch eine grosse 
(Quantität Holzkohlen und wüchset dasselbe auf denen Bergen nicht 
am besten, wie dan Überhaupts auch damit nicht gut gewirt schaffet 
wird. Ks wird fast in allen Amb in Kalk gebrannt, in allen 
Ämtern giebl es Steinbrüche, die beste aber sind im Amte Ratingen 
und Lewenberg, welche auch allein an auswärtige verhandeln 
können. 



") Die Interpunktion ist selbständig gestaltet; ferner sind folgende Wörter 
der Deutlichkeit wegen der heutigen Schreibweise angepasst worden: Raabsaht 
(Kübsaat), Schallen (Schafe). 



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Eine politisch-ökonomische Beschreibung des Herzogtums Berg. 167 



Im Wildcnborgschen, Windeck Blankenberg- und Steinbaehschen 
Ämtern giebt es Eisen, Blei, Kupfer und etwas Silber, doch wird 
von letzterem wenig 'Vortheil bis hiezu genossen. 

Die considerablesto Fabriqncs sind die Lennopsche Tueh- 
fabri.jues, Elberfeldschc Garnbleichcrei, Solingscbe Kungmachung 
und Schleiferei, die Borgsche Flinten und MülheimBche Floretten- 
bandmachung .... 

Das Hcrzogthumb Beigen wird cigcntlicli in 2 Tlioilcn ge- 
theilet, nämlich in dem Unterbergschen, welches nordwiirts der 
Wupper gelegen und dem Oberbergschen, welches südwärts selbigen 
Flusses lieget, man kann es aber besser und accurater beschreiben 
wenn man es in Rhein- und Bergämtern betrachtet 

Es bestehet das ganze Herzogthuin aus 17 Ämtern, weiien 
aber ter Borg unter Solingen gezogen und Bornefeld mit HenkeS- 
wagen combiniret, so sind es itzo nur 15 Ämter und vier Herr- 
schaften, welcbe unter keine Ämter geboren, wovon 8 Rheinämter 
und 7 Bergämter sein. Zwei Herrschaften liegen im Unterbergschen 
und 2 im Oberbergschen. Die Rheinämter heissen folgendergestalt: 
1) Angermond oder Ratingen 2) Düsseldorfer Kreis 3) Monheim 
4) Misenloe 5) Portz G) Lülsdorf 7) Blankenberg 8) Lewcnberg. 

Bergämter heissen: 9) Windeck 10) Stettbach 11) Hcukes- 
wagen und Bornfeld 12) Bienborg 13) Elverfeld 14) Mettmann 
15) Solingen und ter Borg (Burg a. d. Wupper). 

Die Herrschaften, welche in denen Ämtern nicht besebrieben 
werden, sind folgende: 

1) die Herrschaft Bruck 

2) die Herrschaft Hardenberg 

3) die Herrschaft Syborg 

4) die Herrschaft Wildenborg. 

Die erste ist dem Graf v. Löningen (Leiningen), die zweite dem 
v. Wendt zu Krantzcnstein (Crassonstein), die dritte der Abtei Syborg 
und die vierte dem Grafen v. Hatzfeld zuständig und geben nur 
ein certum zur Contribution. 

§ 1. Amt Angermond oder Ratingen. 

Dieses Amt ist nach Proportion t ler Grösse eins mit von denen 
besten, es hat Überfluss an Getreide, Holz, Wiesen, Eischen, Wild- 
bret und andere Victnalien. Es sind liieselbsten seclis Kalkoien 
und ist zu Wittclar eine Kalkzunft, wesbalben die Unterthanen ein 
Vieles mit Fabren verdienen. Nach der Bergseite giebt es einen 
schönen Steinbruch, welcher wann er poliret dunkelblau wird und 
wie Marmel mit weissen Aderen durch leget ist. 

Die Stadt Ratingen ist schlecht, hat ungefähr 1 00 Häuser. 
Der Magistrat ist 2 / 3 röm. katholisch und l / 9 evangel. reformirt ; 
die Minoriten haben liieselbsten ein Kloster, worinnen 12 München 
sein. Wie dan auch wenig Handel und Babriques vorhanden. Die 
Unterthanen können ihre Victualien theuer gnug anbringen. 



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168 



Victor Loewe 



§ 2. Stadtkreis und Stadt Düsseldorf. 

Düsseldorf führet den Namen, weilen es vorhin ein Dorf an 
dein Düsselfluss, welcher Doch durch die Stadt fliosset, gelegen ge- 
wesen. Itzo ist es eine ziemlich grosse Stadt und hat üher 2000 
Häuser. Selbige ist ziemlich befestigt und wird daran noch täglich 
gearbeitet Es ist hieselbsten der vorigen Herzogen Residenz ge- 
wesen. Hieselbsten lieget ein grosses, aber auf der alten Manier 
gebautes Schloss und wird also noch unterhalten. Die Stadt hat 
meist alte Häuser, jedoch sind auch einige schöne neue Palais vor- 
handen, welche aber abgelegen sind. 

Es liegen in der Festung ungefähr 0000 Mann, welche meist 
in denen neu erbauten Kasernen iogiren und hat der Bürger keine 
Einquartierung. Die Stadt und der Stadtkreis muss jährlich 12000 
Rthlr. aufbringen, es gehören aber dazu 4 Kirchspiele: Derendorf, 
Billig, Wölmerswerth, Hamm . . . 

In der Stadt sind die Collegia des Landes, die Justizsachen 
werden durch einen Schult heissen und Schoflen und die Stadts- 
ökonomiesachen durch Burgomeister und Rath respiciret. In diesem 
District giebt es recht gut Land und Wiesen, die Bürger loben meist 
von denen Collegiis, der Garnison und denen von Adel, welche sich 
in der Stadt aufhalten. Hieselbsten sind einige Fabriques, auch 
einige Handlungen. 

In Düsseldorf bestehet die reformirte Gemeine etwa aus G00 
Comraunikanten, es sind daselbsten 2 Prediger: Jäger, Wulffing, die 
Lutherische Gemeine etwa aus 500 Communikanten, wobei der 
Prediger Overkamp stehet. 

Die grosse Gallerie mit Schildereien ist noch völlig im Stande, 
das Caliinet mit .Miniaturstücken aber sowohl als der künstliche 
metallene Aufsatz auf der Hoffontaine vor 2 Jahren nach Mannheim 
gebracht, und wird gesaget, dass die metalnerne Statue des vorigen 
Kurfürsten zu Pferde, welche auf dem Markt stehet, gleichfalls nach 
Mannheim soll transportiret werden. 

Jährlich versammeln sich die Landesstanden und hernacher die 
Unterherren zu Düsseldorf. Keine Protostanten werden in denen 
Obercollogiis oder in der Residenz ad officia und Überhaupts nur 
2 evangelische Advokaten admittiret. 

Die Victualien sind allhier Überhaupts sehr theuer, dennoch 
findet man in der Stadt keine ledige Häuser, in der Vorstadt werden 
aber die grosse Palais nur von geringen Leuten bewohnt. 

§ 3. Amt Monheim. 

. . . Das Amt hat guten und mittclmässigen Acker, Pborfluss 
von Wiesen und Holz, sonsten giebt es hier keine Fabrique noch 
Commercium. Monheim ist vor diesen eine mit Thoren und Mauren 
versehene Stadt gewesen, wie solches annoch die vorhandene alte 



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Eine politisch-ökonomische Beschreibung des Herzogtums Berg. |69 



Rndera bezeugen. Allhier ist auch der itzo zu Düsseldorf liegende 
RheinzoU gewesen. Bei Monheim wild eine grosse Quantität Fischen 
im Rhein gefangen, welche dem Landesherren 375 Rthlr. jährlich 
an Pacht einbringen . . . 

§ 4. Amt Misenloe. 

Dieses Ami liegt auch am Rhein und ist nach Proportion seiner 
Grösse mit von denen besten . . . Dieses Amt hat durohgehends 
Selbsten an denen Bergen recht guten Acker, überflüssige Wies«' 
und Holzgewachs. Die üuterthanen bringen ihre Victualien, welche 
sie nicht nöthig, nach Bonn, Oöln und Düsseldorf. Fabriques sind 
hier nicht, ausser dass ein Kaufmann Hark ans Cöln zu Leichnigen 
(Leichlingen) 8 Kupferhämmer auf der Wupper geleget. Zu Westorf 
ist der stärkste Kornhandel im Bergschen, sonsten giebt es hier kein 
Commercium. . . . Durch diesem Amte gehet die Landstrasse vom 
Rhein über Haen und Hilde nach Elberfeld, wie auch eine Land- 
strasse von Düsseldorf auf Oöln und kann letztere mit Wagens mit 
4 Räder gebrauchet werden. 

§ 5. Amt Portz. 

Dieses Amt führet den Namen von der Stadtfreiheit Portz, welche 
durch den Rhein und sonsten dergestalt ruiniret worden, dass selbige 
der schlechtsten Bauerschaft ähnlich geworden . . . Das Terrain 
ist nach der Rheinseite gut, das meiste ist aber Mittelland. Es 
giebt wenig Wiesen, dagegen nach der Beigseite viel Holz und wüste 
Beiden. Die Ohterthanen haben ausser Mülheim, allwo viel Floret- 
band gemacht wird, keine Fabriques, sie können aber alles commode 
nach Cöln zum Markt bringen und halten derohalben eine grosse 
Menge Vieh. 

§ 6. Amt Lülsdorf. 

Dieses Amt ist zwaren nicht gross, dennoch sehr gut und 
können die Unterthanen allhier sehr wohl bestellen, massen das 
Terrain gut und von allem, was dem Landmann nöthig, versehen 
und was derselbe übrig kann er sehr tbeuer zu Bonn oder zu Cöln 
verkaufen. 

§ 7. Amt Blankenborg. 

Dieses ist das allergrösste und beste Amt im Bergschen . . . 
Der Ackerbau ist westscits Syborg recht gut, von Syborg bis Blanken- 
borg mittelmässig, von Blankenborg nach der Grafschaft Bömberg 
meist Haberland, und fangen die l jiterthanen allhier schon viel 
schlechter zu leben an als in vorbenannten Rheinämtern. In der 
Gegend von Blankenborg giebt es viele Weingartens, wovon einige 
recht gut sein. Die zu Boedingen sind am besten und ist durch- 



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17(1 



Victor Loewe 



gehende der rote Wein medioere, der weisse Wein nutzet aber in 
denen besten Jahren nichts und wird ordinär vor 4 ad 5 Rthlr. 
verkaufet. Der Landesherr hat hier auch ein Gewächs, welches un- 
gefähr 70 — 80 Olim jährlich einbringet . . . 

§ 8. Amt Lewenberg. 

. . . Dieses Amt führet den Namen Lewenberg von einem 
Berge, welcher einem liegenden Löwen nicht ohngleich, allwo auch 
ein Scbloss gestanden . . . Die Uhterthanen haben wenig Acker, 
Wiese und Holz, dagegen gute Weingartens und ist der lothe der 
beste. Die Leute müssen schwere Contribution davon bezahlen, 
weswegen die Ünterthanen meist aus geringe Leute bestehen. Zu 
Königswinter ist ein guter Steinbruch, welcher weit und breit zu 
Fenster und Thürrahmen gebrauchet wird . . . 

§ 9. Amt Windeck. 

. . . Die Ünterthanen geben nicht viel onera und obschon es 
lauter Haberland ist, so leben dieselbe doch besser als im Blankcn- 
borgschen, massen sie viel Holz, Viehzucht, Gras, Eisen, Blei und 
Kupfer haben. 

§ 10. Amt Steinbach. 

Dieses Amt grenzet an das preussische Amt Altena. . . . Die 
Ünterthanen haben schlechten Acker, leben aber gutentheils von 
denen Eisengruben und Eisenhandel. Hieselbst wohnet ein Bauer 
Kauert, welcher eine alte verlassene Eisengrube wieder aufgemachet 
und verfolget, wobei er so glücklich gewesen, dass er in Zeit von 
zehn Jahren über 50000 Rthlr. profitiret. Es wird ihme ein 
Proccss gemachet, dass er dem Landesherrn den Zehnten nicht richtig 
abgeführet. 

§11. Combinirte Ämter Heukeswagen und Bornenfeld. 

. . . Lennep ist ein schlechter Ort von etwa 300 Häuser, aber 
voll von Tuchfabrikanten und giebt es daselbsten viel bemittelte 
Leute. Wipperfcurde ist fast gleich gross, zwaron etwas besser 
gebauet aber weniger Nahrung. Remscheid ist ein schön Dorf voll 
von Reckhämmer und Eisenhändeier . . . Der Acker ist ganz 
schlecht und sind meist wüste Heide. Die Eisenhammer, Wüllen- 
tuchfabriquen und Commercium geben denen Ünterthanen gnugsam 
Unterhalt 

§ 12. Amt Bienborg. 

. . . Dieses Amt ist sonsten wohl das kleinste und schlechtste 
von allen Ämtern im ganzen lierzogthumb Borg ... Die Tlmb- 
stände des Terrains sind wie im vorigen Amte, der Eisenhandel . 
aber die principalste Fabrique. 



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Eine politisch-ökonomische Beschreibung des Herzogtums Berg. 171 



§ 13. Amt Solingen und Borg. 
. . Die Dogen- Messer- und SchocTenklingonfabri^uo ist hier 
sehr considerabel. Es sind Uber 300 ' Schleifmühlen vorhanden. 
Die Meistere stehen wie zu Elverfeld bei der Garnbleicherei in 
Zunft und die Knechte in Kid, dass sie die Wissenschaft nicht ausser 
der Zunft bringen wollen. Die Stadt Solingen und ter Borg bestehen 
aus gemeine, schlechte, auf alte Manier gebaute Häuser, deren ungefähr 
450 zu Solingen und etwa 200 zu ter Borg sein. In ter Borg 
werden recht gute Flintenläufe gemachet. Die Unterthanon leben 
wegen Überfluss der Fabriquen rocht gut. 

§ 14. Amt Elverfeld. 
... Die Stadt Elverfeld ist sehr florissant von Fabriquen und 
Commercium. Selbige ist ziemlich gul bebauet und hat über 1200 
Häuser. Die Strassen sind aber nicht regulär und sind keine 
Mauren umb der Stadt . . . Das Terrain ist schlecht und lebet 
alles vom Commercio und Fabriqucs. Z waren giebt es einige gute 
Wiese an der Wupper, selbige werden aber zu der Garnbleicherei, 
welche hier so stark als irgends in Europa im Gange, emploiiret. 
Das Garn kommt meistenteils aus Hessen und Schlesien, das 
grobesto wird zu Hand und Bettzeuge verarbeitet, das feine aber zu 
Nähegarn und zu Spitzen aptiret und nach Brabant und Flanderen 
gesandt. ... In dieser Gemeine hat sich ohnlängst eine Separation 
hervor gethan, welche sich Sionskinder nennen. Sie halten sich bei 
der reformirten Kirche, lassen ihre Kinder daselbsten taufen und 
communiciren mit ihnen. Sie haben & la .tete eine Kaufmannsfrau 
weiche sie Sionsmuttei nennen. Dieselbe fangen an, sich aus der 
Stadt zu retiriren und auf dem platten Lande Häuser zu bauen; 
ihr llauptfundament ist, sich hier die ewige Soeligkeit gewiss zu 
machen. Die evangelische Prediger Sehleyermachcr zu Elverfeld, 
WtUffing zu Düsseldorf, Rodenhaus zu Düsse! und Jansen zu Hom- 
berg gehören mit dazu. Die Sionsmulter giebt und schickt denen 
Predigern ordinär den Text zu; wan sie in der Woche zusammen- 
kommen, so wird gebetet, gesungen und ein Stück aus Gottes Wort 
ausgeleget, hernachcr aber wird gegessen und getrunken und darf 
keiner von ihre Wirthschaft etwas offenbaren. End obschon man 
von dieser Gesellschaft bis hiezu nichts als lauter Lob und Ehre 
sprechen kann, so ist dennoch so wenig die Generalsynode als die 
weltliche Obrigkeit damit zufrieden, und sollen in specie die Predigers 
dem Verlaut nach über einige Punkten examinirel werden. Diese 
Gesellschaft nimmt von Tag zu Tage zu, und niuss der Prediger 
Aussage nach man sich über die Geschicklichkeit und Erfahrenheit 
in der heiligen Schrift der Sionsrautter verwundern. 

§ 1 5. Amt Mettmann. 
Mettmann hat alte zerfallene Stadtsmauern, darinnen sind 
ungefähr 200 ganz alte zerfallene Häuser. Der Ackerbau, obschon 



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172 



Victor Loewe 



es lauter Berg und Thal, ist gut und wachsen daselbsten allerhand 
Früchten. In Gersheim und Mettraann haben die Lenne psche Kauf- 
loutc auch Fabriques, weshaiben daselbst Bflrger und Bauer wohl 
ans Brod kommen kann. 

sj IG. Beschreibung der vier zum Herzogthun) Berg 
go h ("i r i gen Her rscha f t e n. 

1) Herrschaft Bruck. 
Diese Herrschaft gehöret dem Graf von Lüllingen. . . . Städte 
sind nicht vorhanden, nur allein eine Stadtfreiheit Mülheim. . . . 

2) Herrschaft Hardenberg. 
Diese Herrschaft ist mit von denen grossesten dem von Wendt 
zu Kratzenstein zuständig. Derselbe profitirel aber nicht viel davon. 

;?) Herrschaft Wildenborg. 
Diese Herrschaft gehöret dem Grafen Hatzfeld. . . Es kann 
diese Herrschaft unter denen vier henannten vor die allerschlechtste 
gehalten werden. 

4) Herrschaft Syborg. 
Diese Herrschaft liegt mitten im Amte Blankenberg und ge- 
höret der Abtei Syborg, Das Terrain ist recht gut und hat alles 
im Oberfluss, wovon die geistliche, aber nicht die gemeine Leute 
profitiren. 

Zweiter Teil. 

I. GapiteL 

Von der Religion im Lande. 

Dieselbe ist l. evangelisch-reformirt, 

2. evangelisch-lutherisch, 

3. römisch-katholisch, 

und wann man einen ungefährlichen Oberschlag machen sollte, 
welche von denen dreien am stärksten wäre, so könnte man sagen, 
dass von 9 Theilen sämmtlicher Unterthanen 4 evangelisch-reformirt, 
3 evangelisch- lutherisch und 2 römisch-katholisch sind; und obgleich 
selbige in allen Städten und Amteren vermischet, so kann man 
davor halten, dass die Bergämter und Städte meist protestantisch, 
die Rheinämter aber meist römisch-katholisch sein, darbei, dass die 
Roformirte in dem Dnter-Bergschen Iiis an der Wupper, die Lutheraner 
aber im Ober-Bergschen jenseit der Wupper wohnen. 

Di- K. Ini milte weiden sonsten in drei Klassen getheilet, als in der 

1. EUberfeldsche, worunter 15 Prediger gehören, 

2. Solingsche, welche Dl, 

3. Düsseldorfsche, welche 13 Prediger hat. 



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Eine politisch-ökonomische Beschreibung des Herzogtums Berg. 17:1 

Die [nsteririeh der Reforoürten in geistlichen und Kirchen- 
sachen sind : 

1) bei denen Consistoriis, 

2) bei der Klasse und 

3) bei der Generalsynode, welche aus Jülich-, Clev-, Berg* 
und Märksehen depntirten Predigern bestehet 

Die lutherische Gemeinen werden in zwei Theilen, als 

1. in denen Ünter-Bergschen, worüber itzo der Prediger Emming- 
haus von Dabriehhauson als Inspector auf vier Jahren, sodann 

2. in denen Ober-Bergschcn, worüber der Prediger Schiebelar 
(Scheibler) von Volberg ad vitam bestellet, getheilet. 

Es sind sonsten der Lutherischen Prediger 38, welche cum 
consistoriis primam, die inspeetöres cum deputetia aus denen Predigern 
secundam und das zu Manheim etablirte Oher-Oonsistorium tertiam 

instant iam haben. 

Ks ist unter denen Lutheranern in dies,. in Lande eine gmsse 
Uneinigkeit und Missverständniss in Ansehung der Ohrenbeicht, 
[ichteranzündung auf denen Altären und Tragung der leinen Kochels 1 ) ; 
die Sache ist gar zum Process gediehen und soll über 20 000 Rthlr. 
gekostet haben. Ein Theil hat selbige abschaffen, der ander aber 
beibehalten wollen; letzterer Theil hat aber triumphiret 

Bei denen Römisch-Katholischen wird der Knrfürst von C81n 
als Bischof in spiritualibns erkannt, doch hat derselbe in K. elesiast.ques 
und Matiimonialsachen nach Inhalt des unterm 28. Juhl 1621 
zwischen dem Kurfürsten und Erzbischofen von Cöln Ferdinand und 
dem Herzogen von Jülich und Berg Wolfgang Wilhelm erachteten 
provisionalen Vergleichs eine limitirtc Jurisdiction . . . 

Es giebt noch viele Separatisten, selbige halten sich aber zu 

denen Protestanten. . ... 

Im Lande, in speeie zu Düsseldorf, giebt es viel Juden: selbige 
sind in Ansehen und haben die Hände mit im Finanzwesen. 

Kern Protestant kann im Ober-Collegio sitzen, noch ein Beamter 
sein; in Elberfeld und Solingen aber machen sie den Magistrat ganz 
und zu Batingen und Mettman ein dritten Theil aus. Der gemeine 
Mann ist von denen Protestanten in Heligionssachen sehr wohl 
fundiret Die katholische Geistliche prätendiren, dass, wann Bie 
contribuable Güter kaufen, sie nur Geistliehensteuer zahlen dürfen 
und von der vorigen Last des Guts frei sein. 

2. CapiteL 

Von der Contribution, welche das Land aufbringen muss. 

Das Contributionswesen ist in suis prinCipiis regulativis sehr 
gnl und proportionirlich, massen selbige gencraliter auf gut, mittel 

ij Wohl leinene Chorröcke. Vgl. im übrigen Zeitschr. des Bergisc b e n 
G. V. 12, t— 745 13. 207-22;; 14, 1-72. 



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174 



Victor Loewe 



lind sclilccht Laad, ;iiif Wiese, Solz, und das übrige auf Gewinn 
und Gewerb hmdiret ist. 

Das ordinäre Contributionseontingent, welches zu des Landes- 
lierron Kasse fliessen soll, ist 200 000 Kthlr., woraus aber die 
Landesstände prätendiren, dass alle Extraordinaria müssen bezahlt 
und abgeführet werden. Weilen aber der Kurfürst solches nicht 
gestehet, so werden vor Salarien, Enteressen, Landtagsdiäten, zu 
Verhütung des Abbruchs am Rhein, Festungsarbeit und andere Sachen 
zuweilen 50 ad 00 000 Rthlr. beigeschlagen. 

Die Ökonomie der Contributionsgelder in denen Äinteren aber 
ist durchgehende schlecht. Die Amin' haben viel Schulden, öfters 
wird in zwei oder drei Jahren keine Rechnung abgelegot; die 
Receptores haben öfters mehr umgeschlagen, als sie berechnet, wes- 
halben der Vogt von Steinhaeh, welcher über 50 000 zu viel cm- 
pfangen, noch sub inquisitione stehet. Die Receptores haben G ad 7 
per Cent vor ihren Empfang gehabt, welches aber in diesem Jahr 
geändert worden. Die Einnehmer« schalten und walten mit dem 
gemeinen Mann wie sie wollen, und .wann geklaget wird, so finden 
sie kein Gehör. Die Collogia kennen die Provinziell, welche sie 
legieren sollen, Selbsten nicht, reisen auch niemalen dahin, weshalben 
die Vogte mit denen Baurensehüffen in denen abgelegenen Berg- 
ämteren maitre spielen und allezeit bei dem Commissariat jemand 
haben, welcher ihnen souteniret. 

Unter allen Ämteren lamentiret das Amt Löwenberg am aller- 
meisten, massen sie von jedem Pinxl, deren 16 einen Cölnischen 
und 4.ö einen Holländischen .Morgen ausmachen, 12 gute Groschen, 
also 22 Kthlr. 12 gl. per holl. Morgen von dem Weingewachs be- 
zahlen müssen. Da sie nun wenig Ackerbau, Holz und gar keine 
Wiese haben, bei Hagolsehlag, Missgewachs oder andere Unglücke 
keine Remission bekommen, so giebt es in schlechten Jahren allliier 
die blutärmste Leute, welche man sich vorstellen kann. 

Die Städte bezahlen ihr Contributionseontingent nicht an denen 
Ämteren, sondern an den Oberem pfänger, welcher Pfennigmeister 
genannt wird und sich Heister nennet. 

Über die ordinäre Contribution, welche Steuer genannt, wird 
eine Art von Schätzung, welche fast ein '/ G theil des Contributions- 
eontingent, ausgeschlagen, wozu selbige aber employiret wird, hab' 
bis biezu nicht erfahren können. 

In denen RheinSmteren, wo der beste Grund, ist das Con- 
Ixibutionsquantum vom Holländischen Morgen ungefähr: 
von gut Land . G Kthlr. 
von Mittelland . . 4 Rthlr. 12 gl. 
von schlecht Land . 1 Kthlr. 12 gl, 
in denen Bergämteren : 

von gut Land . . 4 Rthlr. 12 gl. 
von mittel Uand . 3 Kthlr. 
von schlecht Land . 1 Kthlr., 



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Eine politisch-ökonomische Beschreibung des Herzogtums Berg. 175 

jedoch ist in denen Bergämteren alles so genau nicht angeschlagen, 
sondern die Morgenzahl sehr räum genommen. 

Die Menge geistliche, adeliche und Prester, ^ 
des Landes besitzet, geben keine Contribution. Di .Städte st 
ziemlich hoch in der Contribution angesehen, m^sen die Stadt 
Mettman, ohngefähr 200 Häuser gross, inclusive vor den Feldmark 
jährlich 2200 Rthlr. Contribution bezahlen muss. 



3. Capitel. 
Von denen Accisen. 



Es sind von 1715 bis 1718 gewisse Art von Consnmptions- 
accisen in denen Städten eingeführet gewesen; weilen aber die 
Ei in, n zu Bestreitung des Contributionscontingonts und der Kosten 
nk SS gl Ih gewesen, so sind selbige damalen wieder aufge- 
12,; anitzo aber ist wieder itt Vorschlag, dte Acctsen an. 



"m- und Stadtswage-Acci. vor denen 
Wirthen irdenen Städten und auf dem Lande ist allezei gebneben, 
unfmU 1 ST*2 Bier 12 Groschen und der Branntwem 
iL Groschen per Kanne bezahlen. Der Tobak muss %on Oei 
Maietef^ue genommen werden. Sothane Achsen werden 
in denen Städten jährlich und auf dem Lande a J « 
pachtet, und aecordiret der Pächter ordinär mit denen Aceisanten 
vor seine Pachtzeit auf ein gewisses. 

4. Capitel. 

Von denen Domänen. 

Die Domänen sind in schlechtem Zustande, dann 
selben niemalen viel gewesen, anderenteils viele bei ^onge ^rr- 
schaften aggraviret und alieniret, die noch übrige aber iteo elendig 

admi ' F f sind ^'considerable Stücken, worunter die Mtdcliumsche 
Wiescmdi^principalste sein, zu W^^^Jfi* 
ä uroDOition was sie rendiren, ausgethan, und ist mein atit einen 
X vör^winnspfonning als auf den rechten Canon refloHuv, wur e,,. 
S In diesem 1740 Stent Jahre hat die llofkammer viele Erbpachts- 
eontra'ten welche mit geringen Leuten geschlossen J-Jj^ta. 
ihretwas von Vorgewinnsgelderen zu restttutren, casstret ml au^oben^ 
Wiesen, welche dem Landesherren angehören. Sind wenig, die 
tneiste Hegen bei Neuss, Sons und Monheim, welche jährlich zum 

«'^^^t^ vorhanden, die Wiesen bleiben^ 
in gutem Stande, weilen des Winters das Rheinwasser darüber gehet. 



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Der Holländische Morgen wird ordinär zum Heuschlag vor 
25 bis 30 Etthlr. verpachtet, in diesem Jahr hat er aber 40 Rthlr. 
an Pacht gethan. 

Die besten Revenues könnten die Kornmühlen beibringen, massen 
das Land ziemlich popniiret und ich keinen einzigen ledigen Hof 
oder Kathen angetroffen. Auf der Bannali tat und Mühlenregal wird 
kein Achtung gegeben und jedem, wer nur will, gegen Bezahlung 
eines geringen Canonis eine Mühlen- und Mahlgerechtigkeit verstattet. 

Die beide Herzogthümern Jülich und Berg bringen zusammen 
ungefähr 10 000 Malter Haber und 8000 [Malter] Roggen ein, 
welche zur Domänen f Hessen ; was aber jedes Herzogthum besondere 
aufbringet, solches hab' bis hiezu nicht erfahren können. Diese 
Kornrevenuen hat der Hofjude Lazarus von Geldren gepachtet, von 
weine auch die Nachriehl erhalten. 

Es giebt viel Fischereien, die principalste sind zu Mulchum 
und Monheim, letztere aber die rendabolste, weilen sie so nahe bei 
Cöln liegt, thut 375 Rthlr. an Rächt. 

Die Fährgerechtigkeiten sind ä proportion einträglich, die Zölle 
rendiren unter allen Domänen das meiste, und unter diesen ist der 
Düsseldorfsche Rheinzoll der principalste, massen Churpfalz im 
Bergschen aufm Rhein keine Zölle mehr hat. Nach des Zoil- 
directoris Hofraths Phulen Aussage so bringen die Landzölle ungefähr 
G0Ö0 Rthlr., der Rheinzoll aber 21)000 Speeies Rthlr. dem Landes- 
herren ein. massen das Holz auf Rhein 10 per Cent zufolge der 
Liste bezahlen muss, welche aber bei weitem nicht gefordert werden. 

Die Domänenrechnung hab' noch nicht zur Einsicht bekommen 
können, jedoch hab' aus obigen Phuls und des Commerzienraths 
Kalmers Munde, dass die Bergsche Domänen ungefähr, ein Jahr 
mehr, das andere weniger, inclusive Zöllen, Accisen, Forsten und 
andern Regalien, SO 000 Rthlr. eintragen werden. 

Es wird Oberhaupts sowohl bei denen Ober-Collegiis als denen 
subalternen das ganze Finanzwesen nur von ersteren vor eben viel 
und von letztern ganz negligent tractiret und so wenig auf die Con- 
servation des Landes und Aufnehmung der ünterthanen als auf die 
Verbesserung des Landesherren Revenuen raffiniret; weshalben alles 
von Tag zu Tag zerfällt. 

5. Capitel. 

Von dem Forstwesen. 

Die Forsten und Jagden könnten gut sein, rendiren aber deduetis 
deducendis nichts. Werden darüber gar nicht ökonomisch tractiret. 
Die Situationes und Occasion, selbige zu nutzen sind sehr avantageux, 
massen Holz und Wildpret wegen die sehr nahe gelegene Städte 
Bonn, Cöln, Neuss, Düsseldorf allezeit zum theuersten kann verkaufet 
werden, und ist der ordinäre Treis von 4 Kubikfuss Brenn-Holz 
3 oder 3*/ 2 Rthlr. 



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Eine politisch-ökonomische Beschreibung des Herzogtum* Berg. 177 

Unter allen Büschen ist der sogenannte Bensbergsehe oder 
Grossen Erbenbusch, welcher auch die Gemarke genannt wird, der 
principalste ; das Unterholz wird aber zur Conservation der Parforce- 
jagd und Hütung des Viehes der Interessirten beständig ruiniret 
und keine Districto in Zuschlag geleget. Die junge wachsbare Bäume 
Werden zum Nutzholz angewiesen, die alte abgängige und meist halb 
verstorbene Eichen bleiben stehen, und hab' Selbsten über tausend 
Stück ganz verstorbene in zwei Tagen in gedachtem Busch gefunden. 

Die Haushaltung mit dem Pflanzen ist auch gar nicht zu 
approbiren, massen selbige mit grossen Kosten geschiehet und darüber 
keine Aufsicht ist,"dann die Förstern sich meistentheils auf der 
Jagd legen; derohalben selbige Pflanzen meist durch dem Viche 
wieder ruiniret werden. 

Die adeliche Häuser haben alle die kleine Jagden, ausgenommen 
um Düsseldorf, BenrathTund ein District bei Bensberg; einige Güter 
haben auch auf gewisse Distance grobe Jagd. 

Diese letztere ist'sonsten recht gut und competiret dem I^ndes- 
herren Selbiger aber hat weder Plaisir noch Nutzen davon. Sie 
kostet demselben jährlich über 1000 Rthlr. und causiret denen 
Unterthanen grossen Schaden. 

Im Amte Ratingen und Duisburgschen Busch werden wdde I ferde 
erzogen und alle drei oder vier Jahre eine Pferdsjagd gehalten, woran 
der Landesherr mit einigen Herum wohnenden von Adel berechtiget 

En general giebt es im Bergschen einen Überfluss von klein. 

Wüdpret . _ , . 

Die Holz- oder Waldschneppen haben sammt denen Wachholder- 
oder Kramsvögeln hier vor anderen im Geschmack die Preference, 
und werden letztere iu grösstcr Menge von denen Bauren in denen 
Bergen mit Sehlagnetzen gefangen, vor welche Erlaubnis d.eselbe 
denen zur Jagd Berechtigten in dessen ^District von jedem Herde 
1 ad 2 Rthlr. Pacht bezahlen müssen. 

G. Capitel. 
Vom Postregal. 

Das Postwesen ist von allen Kegalibus im Bergsehen im aller- 
schlechtsten Zustande, und geniesset der Landesherr davon gar 
nichts, massen durch denen Reichsämteren von Cöln über Mühlheim, 
Obladen, Düsseldorf nach Kaiserswerth und Oerdingen nur eine 
leitende Post vorhanden, welche vor einigen Jahren an Fürst Taxis 
als Reichserbpostmeistern, weilen kein Vortheil darbei sollte gewesen 
sein, abgetreten worden. Zu Düssehlorf sind sonsten vier Postwagens: 
Der erste auf Cöln gehet alle Tage, 
der zweite auf Aachen zweimal in der Woche, 
der dritte auf Wesel zweimal in der Woche, 
der vierte auf Münster zweimal iu der Woche, 
welche aber an Privaten geschenkt worden. 

!•' 

Jahrbuch XV. 



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I7S 



Victor Loewe 



Hierüber hat die Familie Augsems, wovon der Clevische Kriegs- 
rath Aussein mit interessiret, das Privilegium vom vorigem Kurfürsten 
erhalten, einen Tost wagen von Mühlheim nach Francfort am Main 
durchs Bergsche anzulegen. Dessen Vortheil aber ist gering. 

Durch welche schlechte Verfassung der Kaufmann im Bergschen 
viel leidet, die Kaufleute von Elberfeld necessitiret worden, Selbsten 
eine reitende Post anzulegen, die Städte Wipperfürth, Lennep, 
Solingen, Mettman und Ralingen zu Conservining ihrer aus- und 
nöthigen inländischen Correspondance Postboten zu halten, nach 
denen Ämtern aber alles durch Expressen bestellet werden muss. 
So stehet zu schliessen, dass der Ausfall dieser Postrovenue eigentlich 
nicht der Situation des Landes oder Mangel der Correspondance 
sonderen der Negligonee deren, welche über das Finanz- und Polizei- 
wesen bestellet, beizumessen, und das Postwesen allhier gar gut 
zu des Landesherren und der Unterthanon Vortheil und bessere 
Commodität einzurichten wäre. 

7. Capitel. 

Von denen Bergregalien. 

Das Herzogthum bestehet aus 3 / 4 ungefähr Berg und Thälern. 
Man findet fast überall Kisen, an vielen Ortern Blei und Kupfer 
und im Windeekschon etwas Silber. 

Dem Landesherren competiret von allem der Zehnte, ausgenommen 
in der Herrschaft Bruck, wo der Graf von Loiningen den Zehnten hat. 

Die Berge haben sonsten : 

1. schöne Steinkohlen, 

2. gute Porzelainerde, welche nach Holland geführet wird, 

3. Alaunberge, 

4. blau, grau, grün und melirte Hartsteine, 

5. Kisen, Blei, Kupfer und etwas Silber. 

Es wird aber wenig in denen Bergen, ausgenommen in denen 
Kohlen- und Eisengruben, gearbeitet, weswegen des Landesherren 
Zehnten ihme auch nicht viel einträger, keiner auch sonderliche 
Lust, darinnen was zu risquiren, um, wann es gut einschlaget, keine 
Verfolgung oder Handel zu haben, hat. 

8. Capitel. 
Von der Polizei. 

Die Polizei ist eben gar nicht die beste in diesem Herzogthum. 
massen sich so wenig dieCollegia als Subalternen darum bekümmeren, 
zum Theil Selbsten nicht verstehen und noch weniger sich auf die 
Connaissance davon legen. 

1. Die Städte und Ämter stehen unter Magisträte und Beamten, 
werden aber niemalen von Commissariis aus denen Obercollegiis 
visitiret, wodurch jeder last in seinem District Ihuet, was er will. 



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Eine politisch-ökonomische Beschreibung des Herzogtums Berg. 17!) 



2. Die Städte ausserhalb Düsseldorf, wo die Hofstatt, und 
Elberfeld, allwq die Kaufleuto von Selbsten alles in gutem Stande 
halten, verlallen von Tag zu Tag, und wann einer bauen will, kann 
er es regulär oder irregulär, von Steinen, Holz aufinauern, mit 
Pfannen oder Strohe decken, wie er will, ohne dass deshalb einige 
Verordnung oder Aufsieht vorhanden. 

3. Die Strassen in denen Städten, ausgenommen Düsseldorf 
und Elberfeld, und die Wege in denen in speeie Bergämteren, WO 
die ineiste Passage ist, sind also, dass sowohl dio Unterthanen als 
Passagiers darüber doliren, in elendigem Zustande. 

4. Die Dächer in denen Städten werden meist mit Strohe oder 
Spänen bedecket und die Häuser mit Holz beschlagen, ohngeachtel 
Kalk und Stein in Überfluss und um einen geringen Preis vorhanden; 
weshalben man fast jährlieh von unglücklichem Brand hören muss. 
Darüber so ist nicht die geringste Anstalt, um bei Entstehung einer 
Feuersbrunst selbigen löschen zu können, vorhanden. 

5. Die publique Gebäude werden fast gar nicht unterhalten, 
weshalben selbige auch von Tag zu Tag verfallen. 

6. Auf Säuberung des Landes von Diebsgesindel, Vagabunden 
und Betteler wird nicht gedacht, weshalben dieses Land an der 
Rheinseite dergleichen Leuten ihr Asylum ist. 

7. Von denen Exportandis müssen die Unterthanen geben, da- 
gegen sind die eingehende Sachen meist frei, welches denen Kauf- 
leuten und Fabricanten grossen Tort thuet 

8. Das Justizwesen ist corrutnpiret und dauren die Processen 
fast inense.henlebenslang, sind sehr kostbar, und Werden Präsenten 
ohne Scheu präsent iret und aecepliret, und wann die Parteien 69 
von Selbsten nicht thun, so wird es ihnen nicht undeutlich zu ver- 
stehen gegeben. 

9. Die Juden werden in Finanz- und besonders Pachtsachen 
nicht allein zugelassen, sonderen bekommen ordinär die Pröförence. 
Dieselbe werden in allen Stücken favorisiret, und hat der Jude 
Lazarus von (leideren bis ultimo Septembris die Livrance des 
Commissbrods zu Düsseldorf gehabt. 

1U. Obschon Düsseldorf eine ziemliehe grosse Stadt voll Ein- 
wohner ist, und darbei eine Garnison von über 5000 Mann hat, so 
ist dennoch dasei bston kein Kornmagazin und öfters vor keine acht 
Tilgen Brod vorhanden. Die Garnison verbacket täglich 25 Malt. 
Berlinisch. 

11. Das Münzregal ist an Juden und andere verpachtet, und 
wird darauf wenig Achtung gegeben, gleichwie dann seithero drei 
Jahren eine grosse Menge im Reich ungültige Stüver geschlagen 
worden, welche im Jülich-, Berg- und Göldschen Lande rolliren. 
Die Unterthanen haben ein gross Capital an denen vor (i Rthlr. 
12 gr. geschlagen, hernaoher aber auf 6 Rthlr. I 1 /., gr. reduciricn 
Carolin, als auch auf die zu 13 Stüver ausgegebenen, hernachor 
aul 12 Stüver gesetzten C verloren. 



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180 



Victor Loewe 



12. Auf den Abbruch des Rheins und Bepflanzung des Ufers 
wird nicht genugsam vigiliret, wodurch öfters dem Lande grosser 
Schaden causiret wird. 

9. Gapitel. 

Von der Regierungsform. 

Weilen der Kurfürst sich zu Mannheim aufhält, so wird die 
Regierung dieses Herzogthums auch von dannen aus in Hauptsachen 
versehen. Das übrige Avird von denen über Jülich und Berg zu 
Düsseldorf bestellten Provincialcollegiis rospiciret; welche dann ge- 
nannt werden: 

1. Der Geheime Rath, welcher alle Hoheits-, Matrimonial-, 
Criminal-, Polizei-, einige Justiz- und alle zur Provinzialregierung 
gehörige Sachen beobachtet. 

2. Die Finanzcommission bestehet aus Mömbris von der Re- 
gierung und andern Collegiis und hat die Obercognition über das 
Commissariat uud der Hofkammer. 

3. Das Commissariat respiciret alle Steuer-, Contributions- und 
Schatzungssachen. 

4. Die Ilofkammer respiciret die Domänen, Zölle, Accisen, 
Fersten und des Herren übrige Tafelgüter. 

5. Der Hofrath ist das Justizcollegium, und hat selbiges secundam 
instantiam über alle Untergerichtern und primam insüintiam über 
vornehmen Bedienten aus Collegiis, Standespersonen und Edellcuton; 
gleichwie dann auch von denen vier herrschaftlichen Geriehtern 
Bruck, Hardenberg, Syborg und Wildenborg dahin appelliret wird. 

Die Collegia kommen täglich von 9 bis 12 zusammen. 

Der Städte ihre Ökonomie wird durch Burgemeistern, Schöffen 
und Rathsverwandten, und das Justizwesen in denen Städten durch 
Richtern mit Zuziehung der Schöffen wahrgenommen. 

Die Ämtern werden durch Vögte, welche auch wohl Richtern 
genannt werden, und welche den Coutributionsompfang haben, sammt 
dem Amtmann, welcher aber öfters lebenslang in seinem Amte 
nicht kommt, dem Amtsschreiber und Baurenschöffen verwaltet. 

Die Rentmeistern werden Kollnern genannt, und sind deren 
nur einige, haben aber nur mit dem Domänenempfang zu thun. 

Es wird jährlich ein Landtag vom l. Octobris bis zum halben 
Novembris gehalten. Dieser Landtag bestehet aus denen Städten 
und dem platten Lande. Namens des Landes erscheinet die Ritter- 
schaft, und werden dazu alle Edelleute, welche 16 Ahnen und ein 
adeliches Gut von C000 Rthlr. wenigstens werth haben und 21 Jahren 
passiret sein, admittiret; diejenige Güter aber, welche adelich frei 
und keinen mit 10 Ahnen versehenen Besitzern haben, bekommen 
zwaren zu Conservation ihres Rechts einen Landtagsbrief, dürfen 
aber in der Versammlung nicht compariren. 



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Kinc pulii.isch-cikonomi.schu Beschreibung des Herzogtums Bery. [81 



Es .sind im Bergschen ungefähr 3G Ritterbürtige, welche zum 
Landtag erscheinen können, worunter aber nur G Protestanten sein. 

Bin jeder von Adel, welcher zum Landtag kommt, hal täglich 
4 ßthlr. Diäten. 

Namens der Städte und Stadtsfreiheiten erscheinen zwei Depu- 
taten aus folgender jeder Stadt : 

1. Düsseldorf, 

2. Lennep, 
.'!. Kätingen. 

4. Wipperfürth, 
und sind die von Lennep nur protestantisch. 

Wann die Ritterschaft mit denen Städten uneinig. SO hat der 
Landesherr aliein allezeit die Decision. 

Ferner wird ein Unterlierrentag gehalten, allwo diejenige, welche 
Herrschaften besitzen, per deputatos zusammentreten und deliberiren. 

Die mehrere Nachrichten hiervon sowohl als von dem Lehn- 
wesen. Brüchtensachen, Schatullrevenuen und Gnadensaehen hab' bis 
hiehin nicht recht erfahren können, und weiln das meiste aus dem 
Munde glaubhafter Leute in Locis hab' erfahren müssen, so kann es 
wohl sein, dass ein oder ander Umstand sich anders verhielte. 




Bezirk und Organisation der niederrheinischen 
Ortsgemeinde, mit besonderer Rücksicht auf das 
alte Herzogtum Berg. 

Von Hermann Schutze, 
t 

Der Bezirk: Honnschaft. 

cnii wir es als unsere Aufgabe ansehen, den 
I it zirk der niederrheinischen Ortsgemeinde seinem 
älteren Begriffe nach zu untersuchen, so hat diese 
Frage für unser Gebiet ein ganz besonderes 
Interesse. Grosse Verbreitung hat gerade in dem Territorium 
des Herzogtums Berg das in den nieder- und teils auch 
noch mittel rheinischen Landschaften allein auftauchende, viel 
erörterte Wort „Honnschaft" 1 ), welchem man die Bedeutung 
einer ländlichen Ortsgemeinde zugeschrieben hat. 

Erklärung der Citate. Annalen: Annalen des historischen Vereins 
für den Niederrhein. — Archiv: Lacomhlet, Archiv für die Geschichte des 
Niederrheins. — Archivregister: Armin Tille, Obersicht über den [nhaltder 
kleineren Archive der Rhcinprovinz, Bd. I, Bonn 180Q. — Beiträge: Beiträge 
zur Geschichte des Niederrheins. — Dörfverfassung: L V. Maurer, Geschichte 
der Dorfverfassung in Deutschland, Erlangen 1865 - 66. — linnen: Quellen 
zur Geschichte der Stadt Köln, hrsgegeb. von Ennen und Kckertz, Köln 1800 
i>is 1871). — Grimm: Jakob (Trimm, Wcistümer, Göttingen 1840—42. — Guden: 
Guden, Codex diplomaticus, Göttingen 1743. — Ldstd. Verf.: G. v. Below, 
Ltndständische Verfassung von Jülich-Berg, Inisseidorf 1 89 1 . — Materialien: 
Bonn, Kumpel und Fischbach, Sammlung von Materialien zur Geschichte Dürens, 
Düren 1835. - M. Rh. Urkh.: Beyer, Mittelrheinisches Urkundenbuch. — 
Mitteilungen. Mitteilungen aus den Akten-Resten der Bergischen Ohergerichte, 
Düsseldorf 1897. — Scotti: Scotti, Gesetze und Verordnungen für Jülich- 
Berg, Düsseldorf 1821 — 22. — Urkundenbuch: Lacomblct, Urkundenbuch 
für die Geschichte des Niederrheins. — Wirtschaftsleben: Lamprecht, 
Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Leipzig 1886. — Zeitschr.: Zeit- 
schrift des Bergischen Geschichtsvereins. 

') Über die Verbreitung der Honnschaften s. Archiv T S. 210 ff. 




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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 183 

A. Das Wort „Honnschaft" in den ältesten und 
jüngsten Quellen. 

Die, soweit mir bekannt, älteste Quelle, in welcher dieses 
Wort vorkommt, ist eine Urkunde vom Jahre i 178 l ). Danach 
bestand das Kirchspiel Neunkirchen aus fünf Honnschaften. 
Die Zweitälteste Quelle, welche der Honnschaften gedenkt, 
gehört einer bedeutend späteren Zeit an, sie stammt aus dem 
Jahre 1303 8 ). Im Jahre 1322 bescheidet der Erzbischof von 
Köln die Bürgermeister und zwei Bürger der Stadt Kempen 8 ) 
„et de qualibet congregatione hominum dicta hunschaft terre 
nostre in Kempene sex, unum scabinum et adhuc unum alium 
probum virum de qualibet congregatione hominum", zu einer 
Beratung nach Neuss. Dieselben „VI hunschaf van Kem- 
penreheiden" finden sich 1407 wieder erwähnt in einem 
Weistum über ihre von Zülpich unabhängige Strafgerichts- 
barkeit 4 ); ebendort werden „die XII hunschaf, die up den 
Schivelbcrg . . . hoirent . . " erwähnt. Ein Weistum aus 
dem Jahre 1368 spricht von „vier huntschappen", welche auf 
das Hochgeding von Schuld entboten waren 5 ). Im Jahre 
1369 werden in dem Weistum der Herrlichkeit des Schlosses 
Liedberg 0 ) „die huntschaf von Cleinenbroich ind die hunt- 
schaf von Rothusen" genannt; heute sind beide Dorfschaften. 

Weit reichlicher sind unsere Quellen für das 15. Jahrh. 
In der Grafschaft Hülchrath sollen die „hunnen" nach dem 
Weistum von 1404 7 ) „in qualibet hunsschaf preeipere et 

') Die „parrochiani" des Kirchspiels Neunkirchen sollen zum Zweck der 
Erhellung einer Jahresrente acht Männer erwählen und zwar „de quattuor scilicet 
hunncschephen binos et hinos, nonum vero de quinta hunneschephen". Urkunden- 
buch IV No. 634. 

J ) Dieser Mangel an Quellenmatcrial für die Zeit vor dem 14. Jahrh. 
erklärt sich wohl zum grössten Teil aus der lateinischen Sprache der Urkunden, 
die es nur zu oft verschuldet hat, dass die Begriffe mancher deutschen Worte 
durch die Wiedergabe in lateinischer Form verdunkelt worden sind. In der 
Urkunde von 1303 werden die Honnschaften „Vruozheyin", „Breytscheydc" und 
„Meyntert" genannt; Urkundenbuch III No. 18, Note. Heute bezeichnen diese 
Xamen Dörfer. 

3 ) Archiv I S. 276. 

*) Archiv VII S. 60. 

*) Archiv VI S. 267. 

°) Archiv I S. 282. 

7 ) Grimm VI S. 698 § 5. 



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184 



Hermann Schütze 



inhibere . . ." Im Jahre 1424 macht der Herzog- von Berg 
„unsse dorp Medcmen, als dat mit der hontschaft gelegen 
is," zu einer Freiheit 1 ) ; er hat „allen den gueden und erven 
binnen Medemen und dairenbaussen in derselver hontschaft 
gelegen" eine Freiheit gegeben. Hier scheint ein Unter- 
schied zwischen „dorp" und „hontschaft" gemacht zu sein, 
und zwar wird man unter „dorp" die geschlossene Ortschaft 
Mettmann zu verstehen haben und unter Honnschaft den 
Ort mit allem dazugehörigen, auch ausserhalb der Ortschaft 
Mettmann gelegenen Lande. Vielleicht werden wir den 
Ausdruck „Dorf und Honnschaft", dem wir später noch 
öfter begegnen werden, meistens so zu verstehen haben. 
In der Grafschaft Neuenahr 2 ) werden im Jahre 1437 „nuyn 
(9) honschaft" erwähnt, welche bei einer Hinrichtung zu- 
gegen waren. Ferner werden in einem Verzeichnis der 
Pfarrländereien des Kirchspiels Ruppichteroth vom Jahre 
1481 genannt: „Velkynger hunschof, Kammerschyder hun- 
schof, Hoytgencr hunschof, Kuchemer hunschof und Mynner- 
schijdcr hunschof . ." 3 ). Alle eben genannten Namen be- 
zeichnen heute Dörfer. In einem Privileg der Herrschaft 
Gimborn-Neustadt vom Jahre 1490 4 ) findet sich auch das 
Wort „honschaften". Im Jahre 1492 richten „gemeine nach- 
baren der honnschaft Eller 6 )" ein Gesuch an den Herzog. 
Der Hof, genannt „der Dali, gelegen in dem kirspel ind 
hunschaft zu Erckraid*)", wird im Jahre 1494 namhaft ge- 
macht. Im Jahre 1501 spricht eine Urkunde von „hon- 
schafslude beider honschaften Iloessel ind Haeselbeck 7 );" 
beide sind heute Dorfschaften. Das Kirchspiel Viersen um- 
fasste 7 Honnschaften oder, wie sie auch noch genannt 
wurden, Vroghen 8 ). Die bedeutendste Quelle für die vor- 
liegende Untersuchung für das 16. Jahrh. bildet die Bergische 

') Zeitsdtr. IV S. 254. 
*) Gudcn II S. 1282. 
3 ) Archivrc^islcr S. 326. 

') v. Sybel: Chronik und Urkundcnbuch von Gimborn-Neustadt S. 103, 
•) I.dstd. Verf. I S. 234 No. 00. 
•) Archivregister S. 112 No. 10. 
') Ldstd. Verf. I S. 232. 

•) Norrenbcrg: Aus dem Vierscncr Bannbuch S. 72. 



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Bezirk und Organisation der nicdcrrhcinischcn Ortagemeinde. 185 



Gerichtserkundigung vom Jahre 1555 Darin finden wir, 
dass das ganze Territorium Berg fast durchgängig in J Ionn- 
schaften eingeteilt war; und zwar coincidieren die damaligen 
I [onnschaften in den weitaus meisten Fällen mit den heutigen 
Dorfschaften in dieser Gegend. Um nur noch von den 
namhaftesten unter den bisher veröffentlichten Quellen zu 
reden, so kämen für die Folgezeit insbesondere in Betracht 
das Rentbuch der Kellnerei Angermund 2 ) vom Jahre 1634 
und endlich eine Rentmeistereirechnung vom Jahre 1732 
für das Amt Löwenberg 3 ). Vorbehaltlich eines unten fol- 
genden näheren Vergleichs dieser drei Hauptquellen kon- 
statieren wir für jetzt nur, dass nach den beiden Quellen 
von 1634 und 1732 die in ihnen namhaft gemachten Honn- 
schaften fast sämtlich mit den heutigen Dorfschaften identisch 
sind. Wir können aus allen bisherigen Quellenangaben, 
soweit sie die Namen von Honnschaften bringen, zu dem 
Schlüsse kommen, dass die Namen von einstigen Honn- 
schaften heute Dorfschaften bezeichnen. Wir werden uns 
schon hiernach kaum der Ansicht verschliessen können, 
dass die Honnschaft mit einer Ortsgemeinde identisch ist, 
dass also „Honnschaft" dasselbe für das niederrheinische 
Gebiet bedeutet, was etwa „Bauerschaft" in Westfalen. 
Wenn wir ferner dem Worte Honnschaft in den Verord- 
nungen des 18. und sogar noch 1 9. Jahrhunderts begegnen, 
so finden wir, dass es auch hier in demselben Sinne ge- 
braucht wird 1 ). 

Amtlich habe ich die Bezeichnung „Honnschaft" für die 
Ortsgemeinde nach 1807 nicht mehr gefunden, es traten ja 
auch in diesem Jahre die Bürgermeistereien an Stelle der 



') Zcitschr. 20 S. 117 fl". 
*) Beiträge V S. 1 1 3 ff. 
• 1 ) Annalcn 25 S. 272. 

*) Im Jahre 1797 wird geboten, es sollen zur Verhütung von Diebstählen 
in den Ortschaften oder Honnschaften Nachtwächter angestellt werden; Scotti II 
No. 2479. Im Jahre 1805 sollen die Grenzen der Gerichts- und Honnschafts- 
bezirke durch Beamte festgestellt werden; a. a. 0. No. 2810. 1807 nennt ein 
landesherrliches Edikt die Honnschaft ebenso wie die Bauerschaft einen in 
administrativer Hinsicht abgesonderten kleineren Bezirk der Landgerichts- oder 
Magistratsbezirke; a. a. 0 No, 2953 § 4. 



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18(1 



Heriiiann Schütze 



alten Ortsgemeinden; im Volksmunde Lebt das Wort aber 
noch heute. 

B. Das Wesen der Honnschaft. 

i. Honnschaft und Dorf. 
Die Honnschaft fiel in den weitaus meisten Fällen 
räumlich mit der Dorfschaft zusammen, wie die oben an- 
geführten urkundlichen Belege zur Evidenz erwiesen haben. 
Schon dieser Umstand veranlasste uns, die Honnschaft mit 
der Ortsgemeinde zu identifizieren. Hierfür giebt es auch 
noch andere Beweise. Wir sahen bereits oben (S. 183), dass 
das Kirchspiel Neunkirchen aus 5 Honnschaften bestand. 
Da nun ein Kirchspiel sich fast regelmässig aus mehreren 
Ortsgemeinden zusammensetzt, so liegt der Schluss sehr 
nahe, dass diese Honnschaften Ortsgemeinden waren. Wird 
ferner in der Urkunde von 1322 (s. oben S. 183) die Honn- 
schaft eine „congregatio hominum" genannt, so kann auch 
das kaum etwas anderes in dem ganzen Zusammenhange 
bedeuten, als eine Ortsgemeinde. Die Honnschaften des 
Kirchspiels Viersen bildeten nach der Angabe Norrenbergs 
je eine gemeinsame Feld-, Wald- und Weidegenossenschaft. 
Auch wissen wir von einer dieser Honnschaften, dass sie schon 
im Jahre 1269 ihr eigenes Gemeindehaus hatte. Jede Honn- 
schaft hatte ferner einen Gemeindevorsteher, der neben 
anderen Aufgaben insbesondere die Feld- und Waldpolizei 
auszuüben hatte i). Diese Honnschaften waren demnach 
zweifellos Ortsgemeinden. Wenn im Jahre 1492 „gemeine 
nachbaren der honnschaft Eller" ein Gesuch an den Herzog 
richten 2 ), so lässt der Ausdruck „gemeine nachbaren" uns 
deutlich erkennen, dass es sich um eine Ortsgemeinde handelt. 
Denselben Schluss werden wir ziehen können, wenn wir 
lesen: es haben „die nachbaren der honschaft Ingeren ihr 
nachbarrecht" von 1654 und 1701 im Jahre 1753 wieder 
hergestellt 3). Ebenso hatte die „honschaft Halber'"*) ein 

') NorrenberR: Aus dem Vicrsener Bannbuch S. 39, leider ohne Quellen- 
angabe. 

*) Ldstd. Verf. 1 S. 234. 

s ) Archivregister S. 309 No. 1 und 2. 

4 ) A. a. O. S. 309 No. 3. 



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He/.irk und Organisation der niederrheinischeri Ortsgemeinde. 



1S7 



„nachbarrocht". In dem Holzlarer Weistum heisst es: „in 
unser nachbarschaft oder honnschaft . . ." ') Hier wird also 
die Honnschaft ausdrücklich eine Nachbarschaft genannt, 
und das ist gleichbedeutend mit Ortsgemeinde. Ferner lesen 
wir im Weistum von Bürvenich 2 ) in § 2: „Wicsz man Bür- 
venich und Eppenich eine hundschaft, eine hirtschaft und 
eine gemeinde". Wir werden die Worte „eine hirtschaft 
und eine gemeinde" als erläuternde Apposition zu „hund- 
schaft" aufzufassen haben, und damit wäre dann das Wesen 
der Honnschaft als einer Ortsgemeinde kurz und treffend 
gezeichnet. Nach dem Müggenhausener Weistum bildeten 
„die nachpauren" aus drei Dörfern „eine huynschaft, und 
putzen (Brunnen), wegen und stegen, wie das in der gemein 
nodich", sollen „alle gelich" gemacht werden 3 ). Die Mit- 
glieder der Honnschaft heissen also auch Nachbaren, und 
dazu wird die Honnschaft noch geradezu eine „gemein" 
genannt. 

Wir sind bereits oben (S. 184) der, wie es auf den 
ersten Blick scheint, pleonastischen Ausdrucksweise „dorp 
Modernen, als dat mit der hontschaft gelegen is", begegnet, 
und haben auch dort bereits einen Versuch zur Erklärung 
gemacht. In dem Rentbuch der Kellnerei Angermund von 
1634 4 ) kehrt der Ausdruck „dorper und hondtschaften" un- 
ausgesetzt wieder (S. 113, 119, 123, 128). Ebenso heisst es 
in der Rcntmeistereirechnung des Amtes Löwenberg von 
1732 recht oft „ein dorf undt honnschaft" 5 ). In dem Wel- 
dorfer Weistum heisst es gar in § 7 : Die Honnen und Geifen 
(Gabmänner) sollen sein „binnen dieser hondtschaft und die 
forster binnen diesem dorf" 6 ). Aus allem diesem geht doch 
hervor, dass Honnschaft und Dorf nicht als identische Be- 
griffe galten, sondern, dass sie sich in irgend einem Punkte 
unterschieden. Eine Erklärung hierfür fanden wir bereits 
(S. 184) nach dem etwas deutlicheren Hinweis der Urkunde 



l ) Annalen 25 S. 240. 
») Grimm VI S. 677. 
8) Grimm IV S. 766 § 14. 
4 ) Beiträge V S. 113. 
») Annalen 25 S. 272. 
•) Grimm IV S. 781. 



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II ermann Schütze 



von Mettmann. Diese Erklärung genügt aber nicht für 
alle Fälle; denn wir sind in der Lage, geradezu nachweisen 
zu können, dass Dorf und Honnschaft nicht immer identische 
Begriffe waren. So existiert der Begriff des „Dorfes und 
Kirchspiels" Viersen, welches in 9 Honnschaften zerfiel 1 )- 
Wir werden also wohl die Erklärung einfach darin zu sehen 
haben, dass das Dorf nicht immer der Ortsgemeinde ent- 
sprach, und dass man es daher für nötig hielt, beide Worte 
nebeneinander zu stellen, wenn sie in dem jeweiligen Falle 
dasselbe bedeuteten. Dorf und Honnschaft fielen nicht 
immer zusammen, wenn es auch für die weitaus grösstc 
Zahl der Fälle zugegeben werden muss. Wie wir soeben 
an dem Beispiel von Viersen sahen, gab es einmal Dörfer 
oder Ortschaften, die sich aus mehreren Honnschaften zu- 
sammensetzten. Im Amt Bornefeld gab es nach der Ge- 
richtserkundigung von 1555 in Wermelskirchen 2 ) drei Honn- 
schaften, die Ober-, Dorf- und Niederhonnschaft' 5 ). Dabring- 
hausen 4 ) zerfiel in eine Ober- und Niedcrhnnnschaft. Die 
,, Dorfschaft Hain im Amt Solingen bestand aus einer Mittel- 
und Untersten Honnschaft und aus einer dritten, die 
wie das ganze Dorf Hain hiess 5 ). Im Amt Mettmann 
ist ferner die Dorfschaft Wülfrath in die beiden Honn- 
schaften Putbeck und Erbeck geteilt 6 ). Von den in den 
Kirchspielen Wermelskirchen und Dabringhausen gelegenen 
Honnschaften wissen wir, dass „jede hondschaft seinen eignen 
honnen" hatte 7 ). Wir werden daher wohl als sicher annehmen 
können, dass jede dieser Honnschaften ihre eigene dörfliche 
Verwaltung hatte. Ebenso besass jede der 9 Viersener 
Honnschaften ihre eigene Verwaltung 8 ). Auffällig ist es, 

') N orrenberg : Aus dem Viersener Bannbuch, S. 39, ohne Quellenangabe. 
*) Zeitschr. 20 S. 153. 

*) Es lassen sich heute Ortschaften mit den Namen Ober- oder Nieder- 
honnschaft nirgends in der Rheinprovinz nachweisen, obwohl wir derartige 
Benennungen des öfteren in der rierichtserkundigung antreffen. Das scheint 
mir darauf hinzudeuten, dass solche Honnschaften überall, wo sie vorkamen, 
Teile einer grösseren Dorfschaft bildeten. 

4 ) Zeitschr. 20 S. 153. 

5 ) A. a. O. S. 168. 
") A. a. O. S. 172. 
*i A. a. O. S. 153. 

•) Norrcnberg: Aus dem Viersener Bannbuch S. 39. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 189 

dass alle die aufgezählten Ortschaften in dem Gebiet des 
Einzelhofsystems liegen n . 

Umgekehrt erstreckt sich aber auch oft der Bezirk 
einer Honnschaft über mehrere Dorfschaften. Beispiele 
hierfür bietet auch vor allem die Gerichtserkundigung im 
Herzogtum Berg von 1535, Im Amt Löwenberg wird 
Kriegsdorf und Spich als eine Honnschaft gezählt, ebenso 
Uckendorf und Stockums). Beide Dorfpaare sind nahe 
beieinander gelegen. Im Amt Blankenberg (S. 130) werden 
sogar einmal drei Dörfer. Hennef, Weingartsgass und Kurt- 
scheid als eine Honnschaft gezählt. In demselben Amt 
werden 5 weitere Honnschaften zu je 2 Dörfern aufgezählt. 
Im Amte Angermund werden die heutigen Dorfschaften 
Mintard und Laupendahl „2 halbe hondschaft" genannt»), 
sie bildeten demnach zusammen eine Honnschaft*). Die 
beiden Dörfer Bürvenich und Eppenich bildeten ebenfalls 
eine Honnschaft*); desgleichen die 3 Dörfer Müggenhausen, 
Schwartz und Xeuenkirchen*). Die Honnschaft Holzlar?) 
setzte sich aus den Dörfern Holzlar, Becblinghofen 8) und 
Kohlkaul zusammen. Diese drei Ortschaften liegen nahe 

«) Nach Meiizen (Siedelung und Agrarwcsen S. 5 1 7) schneidet die Scheide- 
linie zwischen dem Gebiet des geschlossenen Dorf- und Einzclhofsystcms die 
Rheinprovinz etwa in der Richtung: Rheindalen, Odenkirchen, Neuss, Düsseldorf, 
Benrath, Opladen, Siegburg bis zum Siebengebirge. Alles Gebiet nördlich und 
östlich dieser Linie gehört dem Einzclhofsystcm an, und in ihm finden wir fast 
ausnahmslos die Fälle, wo ein Dorf mehrere Honnschaften umfasst. Mir ist 
dagegen kein Fall bekannt, nach welchem ich in einem geschlossenen Dorf mehr 
als eine Honnschaft gefunden hätte. Der Umstand wird wohl bei einem Er- 
klärungsversuch dieser Erscheinung in Betracht gezogen werden müssen. 

*) Zeitschr. 20 S. 123. 

:l ) A. a. O. S. 175- . ... 

«) Der Fall dass mehrere Dörfer eine Ortsge.neinde repräsentierten, lasst 
sich auch sonst nachweisen. So bildeten und bilden noch heute die in dem 
Oberamt Heübronn gelegenen 3 Dörfer Untergruppenbach, Obergruppenbach 
und Donnborn eine einzige Gemeinde mit einheitlicher Markung. Vgl. W«* 
Jahrb. I.Statistik u. Landeskunde, Jahrgang 1899, Heft 1 S. 34- 

») Grimm VI S. 6>7 § 2, 

•j Grimm IV S. 766 $ 14. 

') Annahm 25 S. 240. • 
8) Eine besondere Bewandtnis hat es mit der Dorfschaft Bechhnghofcn, 
die in diese Honnschaft gehört. In einer Rcntmeistereirechnung von 1 73* wird 
Becblinghofen in das Kirchspiel Küdinglmfen und zum Amte Löwenberg „zur 



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190 



Hermann Schütze 



aneinander, so dass ihre Verbindung zu einer HonnsChaft 
oder Ortsgemeinde erklärlich gefunden werden kann. 

Viel auffallender erscheint dasselbe Verhältnis zwischen 
den beiden Dörfern Rheidt und Rodenkirchen. Die Rcnt- 
meistereirechnung sagt ausdrücklich: „Rodenkirchen gehöret 
unter die honnschaft Rheidt" 1 ). Beide Orte liegen aber 
mehrere Kilometer voneinander entfernt, so dass zwischen 
beiden eine ganze Reihe anderer Dörfer sich einschiebt, 
dazu noch auf verschiedenen Ufern des Rheins. Beides 
sind Landgerichte und zugleich Kirchspiele, schon I555 2 J. 
Mir scheint hier, wie auch in den anderen aufgezählten 
Fällen, wo eine Honnschaft mehrere Dörfer umfasste, allein 
die Erklärung am Platze, dass wir es mit Mutter- und 
Tochterdorf resp. Tochterdörfern zu thun haben. Den 
Tochterdörfern mag es teils nicht gelungen sein, sich in der 
Verwaltung vom Mutterdorf zu emaneipieren, teils mögen 
irgendwelche wirtschaftliche Interessen, die mehreren Dörfern 
gemeinsam waren, hierbei mitgewirkt haben. Das Verhältnis 
der beiden Dörfer Rheidt und Rodenkirchen wird jedoch 

halbscheidt" gerechnet, vgl. Annalen 25 S. 272. Daraus schliesst Richard Pick 
in seiner Einleitung /um Holzlarer Weistum, Rechlinghofen habe auch nur zur 
Hälfte in die Honnschaft Holzlar gehört, da man Holzlar zum Amt Blankenburg 
rechnete, vgl. Zeitschr. 20 S. 130. Die Gerichlserkundigung von 1555 erwähnt 
Bechlinghofen nicht, weil man es wohl unter der Honnschaft Holzlar begriff. 
Indessen bestand es damals schon längst; bereits in einer Urkunde von 11 17 
wird es erwähnt, vgl. Urkundenbuch I S. 283. Nun sagt aber das Holzlarer 
Weistum in § 45: Die „nachbaren, so in dem ambt Lewenberg gehörig, haben 
macht mit pfert und viehe auf den Riedterbroch zu heuten . . ." vgl. Annalen 25 
S. 240. Unter den „nachbaren, so in dem ambt Lewenberg gehörig", werden 
wir jedenfalls den Teil des Dorfes Bechlinghofen zu verstehen haben, welcher 
„zur halbscheidt" in das Amt Löwenberg gehörte. Aus dem Worte „nachbaren" 
jedoch dürfen wir schliessen, dass man auch diesen Teil des Dorfes zu der 
Honnschaft Holzlar rechnete. Der Gemeindeverwaltung nach gehörte Bechling- 
hofen nach Holzlar, kirchlich „zur halbscheidt" nach Küdinghofen und in der 
landesherrlichen Verwaltung „zur halbscheidt" in das Amt Löwenberg. Die 
Entstehung solch komplicierter Verhältnisse lässl sich wohl nur aus einer späteren 
Vergrösserung des Dorfes über die schon festgelegten Kirchspiels- und Amts- 
grenzen hinaus erklären. Ähnlich mag es sich mit der linksrheinischen Dorf- 
schaft Longerich verhalten haben, welche auch nur zur Hälfte unter die Erb- 
vogtei Köln gehörte; vgl. Archiv VI S. 241. 
') Annalen 25 S. 272. 
Zeitschr. 20 S. 123. 



Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 191 



immer sehr auffällig- bleiben, wenn ihnen schliesslich auch 
durch ihre unmittelbare Lage am Rhein eine bequeme Ver- 
kehrsstrasse gegeben war, welche die Möglichkeit ihrer 
nahen Verbindung unterstützt haben mag. Die Honnschaft 
konnte auch hier nichts anderes als Ortsgemeinde bedeuten; 
ein Gerichtsbezirk war sie ebensowenig wie ein Kirchen- 
bezirk, da beide Dörfer Landgerichte und Kirchen hatten. 
Mochte also die Honnschaft sich über mehrere Dörfer er- 
strocken , mochten andererseits mehrere Honnschaften in 
einer Ortschaft vorkommen, was beides, wie immer betont 
werden muss, nur Ausnahme war, sie änderte darum ihr 
Wesen keineswegs und repräsentierte eine zu dem Zweck 
gemeinsamer Verwaltung bestehende Ortsgemeinde. 

2. Honnschaft und Kirchspiel. 

Ein Kirchspiel umfasste bis auf wenige Ausnahmen 
mehrere Honnschaften. In der schon so oft citierten Ge- 
richtserkundigung von 15,55 finden wir hierfür Beispiele in 
Menge; ebenso in dem Rentbuch der Kellnere! Angermund 
von 1634 1 ) und in der Rentmeistereirechnung des Amtes 
Löwenberg von 1 732 2 ); ich erspare mir ein näheres Ein- 
gehen auf diese Frage. Die Kirchspiele Oberdollendorf, 
Niederdollendorf und Oberkassel werden 1555 zugleich 
Honnschaften genannt 3 ), unter ihnen finden sich keine 
weiteren Honnschaften. Ebenso heisst es in dem Rentbuch 
von 1634: „ist ein kirspelskirch, nemlich Lintorf, darin auch 
allein die von Lintorf gehören" 4 ). Lintorf wird aber (S. 123) 
als „hondtschaft" aufgezählt. Derartige Fälle sind aber 
Seltenheiten, denn meistens haben wir eine ganze Anzahl 
Honnschaften in einem Kirchspiel; im Amt Blankenberg 
z. B. (S. 130) variierend zwischen 3— n. Hierbei findet sich 
die interessante Erscheinung, dass die Dörfer, in denen die 
Kirchen stehen, also die Kirchdörfer, sehr oft „kirspele" benannt 
werden und ausdrücklich nicht Honnschaften. Beispiele für das 
Gegenteil dieser Behauptung haben wir oben kennen gelernt, 

') Beiträge V S. 117 fl'. 
a ) Annalen 25 S. 272. 
") Zeiischr. 20 S. 1 23. 
4 ) Beiträge V S. 124. 



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192 



Hennann .Schütze 



und ich füge ihnen noch einige aus dem Amt Blankenberg 
hinzu: es werden die Dörfer Niederpleis. Lohmar, Eitorf und 
Uckerath 1 ) als „kirspele" und „hondschaften" aufgeführt. Aus 
demselben Amt giebt es aber auch Beispiele, die meine 
obige Behauptung stützen. Es werden unter anderen die 
Dörfer Geistingen, Stieldorf, Oberpleis, Winterscheid, Neun- 
kirchen und Ruppichteroth als „kirspele", aber nicht unter den 
Honnschaften aufgezählt. Im Amt Miselohe werden 10 
Kirchdörfer genannt und ausdrücklich hinzugesetzt: „item 
seint geine hondschaften dan allein 10 kirspelskirchen" 2 ). 
Wie es heute noch ist, waren auch damals die Kirchdörfer 
zweifellos ansehnlicher und grösser als die gewöhnlichen 
] Dörfer, die im niederrheinischen Gebiet Honnschaften hiessen. 
Um dieses nun schon in der Benennung zu kennzeichnen, 
nannten sie sich „kirspele" und verzichteten grossenteils auf 
die Bezeichnung Honnschaft, die sie mit allen andern Dörfern 
in gleiche Linie gestellt hätte. Ich glaube, dass diese 
Äusserlichkeit der Hauptgrund ist; eine Verschiedenheit in 
den Verfassungen beider Dorfarten, die als Grund hierfür 
geltend gemacht werden könnte, habe ich bisher nirgends 
finden können. Den Fall, dass auch zwei Kirchdörfer eine 
Honnschaft bilden können, haben wir oben bei der Be- 
sprechung der Verhältnisse Rodenkirchens und Rheidts 
kennen gelernt. Auch kann eine Honnschaft zu verschie- 
denen Kirchspielen gehören; das lehrte uns Bechlinghofen, 
welches halb zum Kirchspiel Küdinghofen und zur anderen 
Hälfte wohl mit Holzlar zusammen in das Kirchspiel Menden 
gehörte. 

3. Honnschaft und Markgenossenschaft. 

Wie überall in Deutschland, so umfassten auch die 
Markgenossenschaften im Herzogtum Berg in der Regel 
eine ganze Reihe von Dörfern oder Honnschaften. Leider 
zählen die Markenweistümcr unseres Gebietes bis auf wenige 
Ausnahmen die in den Marken berechtigten Dörfer nicht 
auf. Zu diesen Ausnahmen gehört das Weistum der Buch- 

') Zeilsdir. 20 S. 130/31. 
J) A. a. 0. S. 149. 



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Bc/.irk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 



holzer Mark*). Hier werden 6 Bergische Honnschaften 
namhaft gemacht, in denen mehr oder weniger viel Be- 
erbte dieser Mark wohnhaft sind. Die Honnschaften*) Ober- 
und Niederdollendorf bildeten mit Römlinghofen und dem 
Kloster Heisterbach eine Markgenossenschaft 3 ). Nach 
einem Weistun) der Holzbank von Büttgen 4 ) aus dem 
Jahre 1408 waren in der Büttgener Mark neben anderen eine 
Anzahl von Höfen aus „der hunschaf van Kleynenbroieh" 
und aus der „Rothuser hunschaf" berechtigt. Femer werden 
in dem Weistum des Altenforstes zwischen Lind und Loh- 
mar vom Jahre i486 die Honnschaften Sieglar, Troistorf 
und Spich genannt*); sie erschöpften aber nicht die Zahl 
aller zu dem Altenforst berechtigten Dörfer, denn es heisst 
S. 330 in dem Weistum: „Item, wat dorper umb den walt 
ligen und ir vehe darup dryven . . ." Das weist doch gewiss 
auf eine ganze Reihe nicht namhaft gemachter Honnschaften 
hin. Nach dem Beyenburger Weistum durfte die Walbrecker 
Honnschaft neben den Beyenburgern ihre Schweine zur 
Mast in den sog. „Sonderen" treiben.« 5 ) In der 11 erchinger 
Mark sollten 6 Waldknechte sein, von denen zwei in der 
Honnschaft Merchingen, einer in der Honnschaft Eitorf 
zwei in Birnbach und einer in Leuscheid wohnen soll.?) 
Das scheint mir darauf hinzuweisen, dass diese Honnschaften 
in der Herchinger Mark berechtigt waren. Die Honnschaft 
Stromberg durfte ihre Schweine zur Mast in diese Mark 
senden. Alle die angeführten Stellen erweisen wohl zur 
Genüge, dass die Honnschaft mit der Markgenossenschaft 
im allgemeinen nicht identisch gewesen ist. 

Es wäre sehr wohl denkbar, dass manchmal eine Honn- 
schaft zugleich Markgenossenschaft war; die Voraussetzung 
müsste dann stets sein, dass sie eine Allmende für sich allein 
hatte. In dem Weistum der Weldorfer Honnschaft heisst 

') Archiv Vll S. 245, 

*) Dass Ober- und Niederdollendorf Honnschaften waren, sagt uns die 
Gerichtserkundigung; Zeitschr. 20 S. 130. 
:l ) Beiträge IX S. 122. 
') Archiv VI S. 437. 
») Archiv VII S. 329. 
a ) Archiv Vll S. 269. 
7 ) A. a. 0. S. 344. 

Jahrbuch XV. 13 



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Hermann Schütze 



es: „Item befehlet man, hier liegt eine hckle, genannt Wel- 
dorfer beide, darumb dasz niemand derselben mehr gebrauchen 
solle, dan diejenige, die binnen dieser honschaft wonhaftig 
seindt ...">; Der in demselben Weistum genannte „busch" 
jedoch wurde ausser von den Weldorfern noch von anderen 
Erben benutzt. 2 ) Es scheint danach, als hätte die Honn- 
schaft sich einen Teil der Allinende, die „heide", zur alleinigen 
Nutzung reserviert und wäre damit in den Besitz einer 
besonderen eigenen Allmende gelangt. Wir werden diese 
Honnschaft wohl eine Markgenossenschaft nennen können. 
Auch in Holzlar war die Honnschaft im alleinigen Besitz 
einer „gemeinde" oder Allmende 3 ). Wenn dieselbe auch 
nur klein gewesen sein wird, so werden wir doch kaum 
umhin können, die Honnschaft Holzlar zugleich eine Mark- 
genossenschaft zu nennen. 

Das Weistum derselben Honnschaft besagt ferner: „die 
nachbaren, so in dem ambt Lewenberg gehörig, haben macht 
mit pfert und viehe auf den Riedterbruch zu heuten 4 )"; die 
übrigen Nachbaren haben dieses Recht augenscheinlich nic ht, 
sie werden jedenfalls in einer anderen Allmende Weide- 
berechtigung haben. Wir sind damit zu einem neuen Punkte 
gekommen; es war also möglich, dass die Nachbaren einer 
Honnschaft in mehreren Allmenden berechtigt waren. Die 
Honnschaft Rath war in nicht weniger als 3 Allmenden 
oder Marken berechtigt 5 ). „Die von Calchum haben ire viehe- 
drift in den Vorst und über Angern. Die von Zeppenheim 
ins l'ckt und Lichtenbroch . . . ," G ) Diese Beispiele erweisen 
wohl zur Genüge, dass unter Honnschaften nicht die bekannten, 
grossen Markgenossenschaften zu verstehen sind. 

Über die Beziehungen der Honnschaft zum Gerichts- 
bezirk verweise ich auf die Untersuchung G. v. Below's in 
der „Historischen Zeitschrift" Bd. 5g S. 213. 

'l Grimm IV S. 781 § 3. 

'-') In § 8 desselben Weislums werden „erven, (die) hinnen dieser hondt- 
schafi wohnhaft^ seint, und die auswendige (sc. erben)'' unterschieden. 
:1 ) Annalen 25 S. 245 tj 46. 
*) A. .1. O. § 45. 
'') Reilr-i^e V S. i i <j . 
a ) A. a. O. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 19"> 



An dieser Stelle mag ein Vergleich angestellt werden 
über die Zahl und Benennung der Dörfer, welche die Gerichts- 
erkundigung von 1555 einerseits^), und das Rentbuch der 
Kellnerei Angermund vom Jahre 1634*), sowie die Rent- 
meistereirechnung für das Amt Löwenberg im Jahre 173^ :1 ) 
andererseits angeben. Die Berichte von 1555 und 1634 decken 
sich in der Zahl der Dörfer vollständig und in ihrer Benennung 
bis auf eine kleine Abweichung; während nämlich der Bericht 
von 1555 in dem Landgericht Mintard die Dörfer Mintard 
und Laupendahl „2 halbe hondschaft" nennt, sagt das Rent- 
buch von 1634 4 ): „das kirchdorf Mintert" und nennt Laupen- 
dahl eine „hondtschaft". Wir werden diese Abweichung 
ganz einfach einer Verfassungsänderung zuschreiben können; 
die beiden Dörfer sind in der Zeit von 1555 —1634 zu zwci 
Ortsgemeinden geworden, wo sie früher nur eine bildeten. 
Man beachte auch, dass das „kirchdorf' Mintard nicht mehr 
„Honnschaft" genannt wird. Bei dem Vergleich der Berichte 
von 1555 und 1732 für das Amt Löwenberg ergeben sich 
grössere Abweichungen. Es fällt vor allem auf, dass die 
1555 aufgezählten Honnschaften Ober- und Niederdollendorf, 
Eschmar, Uckendorf und Stockum, Kriegsdorf und Spich im 
fahre 1732 nicht mehr Honnschaften, sondern, je nachdem 
es Kirchdörfer sind oder nicht, „kirspel" und „dörfer" genannt 
werden. Umgekehrt werden 1 555 die beiden Dörfer Aegidien- 
berg und Heisterbacherott nicht Honnschaften genannt, 
während der Rentmeister ihnen 1732 die Bezeichnung I fönn- 
schaft giebt. Mir scheint dieser Umstand nur darauf hinzu- 
deuten, dass man um diese Zeit die Begriffe Dorf und 
Honnschaft identifizierte und sich darunter eine Ortsge- 
meinde dachte. 

4. Andere Namen für die Ortsgemeinde am 
Niederrhein. 

Zum Schluss dieses Abschnittes sei noch eine Stelle 
in der Gerichtserkundigung erwähnt, an welcher 3 Burschaften 

') Zeitschr. 20 S. 173 ff. u. 122 ff. 
*) Beitrage V S. 1 13 ff. 
;l ) Annalen 25 S. 272. 
*\ Beitrage V S. 127. 

13* 



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196 



Hermann Schütze 



namhaft gemacht werden 1 ), und zwar im Amt Beyenburg. 
Wir befinden uns hier an der Grenze von Westfalen, wo 
die Ortsgemeinden allgemein Bauerschaften hiessen. Das 
legt uns den Schluss nahe, es könnte sich diese Bezeichnung 
aus westfälischem Einfluss herleiten. Diese Erklärung 
würde aber kaum überall hinreichen, finden wir doch 
sogar noch links vom Rheine Bauerschaften. Eine Urkunde 
vom Jahre 1380 nennt Kriel eine „communitas, teutonice 
dicta die gebuyrschaft" 2 ). Auch die Dorfschaft Eischenich 
wird in ihrem Weistum eine Bauerschaft genannt 3 ). Eine 
eigene Bewandtnis hat es mit den Kölner Bauerschaften. 
Über ihr Wesen hat Hermann Lau Klarheit verschafft 4 ). 
Sie repräsentieren keine Ortsgemeinden und fallen damit 
aus dem Rahmen unserer Untersuchung. 



LI. 

Die Organisation der Ortsgemeinde. 
A. Die Beamten. 

Die Ortsgemeinde des westlichen Deutschlands war im 
Besitze einer grossen Reihe verschiedenartigster Kompe- 
tenzen. Es war natürlich unmöglich, dass die Gemeinde in 
concreto zu jeder Zeit ihre Kompetenzen ausüben konnte, 
sie bedurfte vielmehr zu diesem Zweck einer gewissen 
Organisation. Ein Hauptzweig dieser Organisation waren die 
von der Gemeinde bestellten Beamten: Vorsteher, Schützen 
und Hirten, deren Kompetenzen im folgenden einzeln unter- 
sucht werden sollen. 

1. Der Gemeindevorsteher. 
Der Gemeindevorsteher hat in den verschiedenen 
Gegenden unseres Vaterlandes sehr verschiedene Benen- 
nungen 6 ) gehabt. Wir haben bereits nachgew iesen, dass das 
am Niederrhein vorkommende Wort „Honnschaft" der Bezirk 

') Zeitschr. 9 S. 49. 

'*) Urkuiulcnlnieh von St. Gereon S, 478. 

:l ) Annalen 11 S. 1 22. 

') Preisschriften der Mewissenstiftung J S. 177 ff. 

R ) Dorfverfassun^ II S. 22 fl. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 



11)7 



der Ortsgemeinde war. In den Urkunden derselben Gregend 
begegnen wir nun ferner sehr häufig dem Worte „Honne". 
Von den bisherigen Forschorn, die sich mit der Erläuterung 
dieses Wortes befasst haben, sagt Maurer 1 ): „Als Vorsteher 
einer Monnschaft heissen sie (sc. die Dorfvorstcher) an der 
Saar und an der Mosel, zumal aber am Niederrhein Honncn". 
Maurer sieht also die Honnen für Vorsteher der nieder- 
rheinischen Ortsgemeinde an. Thudichum führt in seiner 
„Gau- und Markvorfassung" 2 ) eine Anzahl urkundlicher 
Belege für die Bedeutung der Honnschaften und des Honnen 
an, ohne, wie er selbst sagt, „zu einer bestimmten Ansicht 
gelangt zu sein". Schröder 3 ) nennt die Dorfgerichte Unter- 
gerichte der niederen Landgerichte, an deren Spitze ein 
Honne, Heimburge oder Bauermeister gestanden habe, und 
die in den Mosellanden als Zendereien oder Honnschaften 
bezeichnet wurden. Wenn Schröder somit den Honnen dem 
Bauermeister oder Heimburgen gleichstellt, so hält er ihn 
auch für einen Gemeindevorsteher, was er aber meines 
Wissens nirgends ausdrücklich sagt. Lamprechts Anschau- 
ungen*) von dem Wesen der Honnscha<t und des Honnen 
hat G. v. Below 5 ) bereits widerlegt. Da Lamprecht unter 
anderem den Vorsitzenden der sog. „hunria" oder auch dos 
Honnendingcs Honne nennt, so dürfte an dieser Stelle eine 
eingehendere Erörterung dieses Honnendings und damit 
zugleich der Stellung, welche der Honne in demselben ein- 
nahm, nicht zu vermeiden sein. 



') A a. o. s. 25 

J ) S. 22 

3 ) Schröder, Rechtsgeschichte S. 500. 
*) Wirtschaftsleben I. 

•') Iiistorische Zcitsehr. 59 und Ldstd Verf. III, 1 S. 45- Wie wenig 
klar l.amprccht sich über das Wesen des Honnen ausspricht, lassen zwei nur 
wenige Seiten von einander entfernte Stellen in Bd. I seines „Wirtschaftslebens" 
erkennen. S. 184 a. 4 sagt er einmal, „dass Hunne und Zendcr be/.w. Heim- 
burge an der Mosel keineswegs identisch sind". S. 198/99 dagegen findet sich 
der Passus, der Vorstand der Zendereien habe an der Mosel „neben der weit- 
verbreiteten Benennung Heimburge doch überwiegend den Namen Zendcr, lat. 
„centenarius" oder „cc.uurio", und südlich wie nördlich unseres Gebietes sei 
für den durchaus analogen Beamten der Ausdruck Hunne, lat.hunno, gebräuchlich". 
Der Widerspruch dieser beiden Bemerkungen liegt auf der Hand. 



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198 



Hermann Schütze 



a) Das Honnending und die Beziehungen des 
Honnen zu demselben. 

An den wenigen Stellen, an welchen überhaupt ein 
Honnending erwähnt wird, variiert die Form des Namens 
recht stark. Der Ausdruck „honnending" findet sich in 
dieser Form nur in Neumünster 1 ). „Honneigedinge" heisst 
es in Füren 2 ) und Bruch 8 ); „hondelgcdynge" oder „hundel- 
ding" in Kenne 4 ) und Wadrill 5 ); „huntdinck" in Ravengiers- 
burg 15 ), „hunnindinck" in Weiten 7 ) und endlich in der ab- 
weichendsten Form „hummelgeding" in Reinsfeld 8 ) und 
„humelgericht" in Bernkastel 9 ). Unter dieselbe Kategorie 
werden wir auch das „hungericht" vom Ormersheimer Berge 
im Blieskasteler Amt 10 ) zu rechnen haben. In den beiden 
Weistümern von Kenne aus dem Jahre 1.409") und aus dem 
14. Jahrhundert 18 ) finden sich zusammen 4 verschiedene Aus- 
drücke für dasselbe Ding: „hondelgedinge, hundelgedynge, 
hondedingen und hoindingen". Ol) das Wort „hunrige" 13 ) 
oder „hunrie"' 4 ) und seine lateinische Form „hunria" ir> ) dem- 
selben Begriffe entspricht, soll aus dem folgenden klar 
werden. Es sei hier darauf hingewiesen, dass es nur zu 
Irrtümern führt und auch gar nicht berechtigt ist, wenn 
Beyer in seinem Mittelrhein. Urkb. das Wort „hunria" resp. 
„hunrige" in der Überschrift einer Reihe von Urkunden mit 
„I Tunschaft" wiedergiebt 16 ). Die „hunria" wird in den eben 
citierten Urkunden immer eine „iurisdictio" genannt, wäh- 
rend das Wort „Ilunschaft" nie in dieser Bedeutung auf- 
tritt. Die richtige deutsche Form dieses Wortes dürfte wohl 
„hunrige" oder „hunrie" sein, wie sie zuweilen auch vor- 
kommt 17 ). Wenn wir zunächst von der „hunria" absehen, 
so gehören alle Urkunden und Weistümer, die das Honnen- 
ding erwähnen, einer verhältnissmässig späten Zeit an. Mit 

') (nimm II S. 33. *) Grimm II S. 279. s ) Grimm II S. 331. •) Grimm 
II S. 313. 6 ) Grimm VI S. 51O. °) Grimm II S 175. T ) Wirtschaftsleben J 
S. 200. 8 ) Grimm II S. 134. °) Grimm II S. 350. '") Grimm I S. 706. 
") Grimm II S. 3'3- ") Grimm VI S. 545. 13 ) M.Rh. Urkb. III No. 615. 

14 ) Wirtschaftsleben I S. 1272 a. 3. 

15 ) M. Rh. Urkb. II Xn. 209, 210, 232, 275 u. III No. 14b u. 26.1, 
,c ) M. Rh. Urkb. II Xo. 209, 210, 232, 275 u. III No. 615. 

17 ) A. a. o. 111 No. 615 u, Wirtschaftsleben 1 S. 1272 a. 3. 



Bezirfc und Organisation der niedei rheinischen Ortsgemeinde, 199 

Ausnahme des „hunnindincks" von Weiten'), welches aus 
dem Jahre 1254 bezeugt ist, gehören alle Weistümer, die 
dieses Ding nennen, dem 15, und 16. Jahrhundert an. 2 ) Einer 
älteren Zeit gehören diejenigen Urkunden an, welehe von 
der „hunria" sprechen und zwar dem Anfang des 13. Jahr- 
hunderts 3 ), mit Ausnahme einer einzigen, die aus dem Jahre 
1337 datiert ist 4 ). 

Von hohem Interesse muss der Umstand sein, dass diese 
„honnendinge, honnelgedinge" und wie sie noch sonst heissen 
mögen, sowie die „hunrien" oder „hunrigen" auf einem recht 
eng begrenzten Räume heimisch zu sein scheinen. Während 
es Honnen (wie wir bald sehen werden) und Honnschaften 
in dem ganzen ausgedehnten Gebiet des Niederrheins und 
des Mittelrheins bis zur Mosel hin giebt, lassen sich die 
„honnendinge" und „hunrien" auf die Gegend zwischen Saar, 
Mosel und Rhein, also das 1 lunsrückgebiet, lokalisieren. 
Alle bereits namhaft gemachten Orte, an denen sich das 
„honnending" und die „hunrie" nachweisen lassen, liegen 
in der eben angedeuteten Gegend. Schon die zeitliehe 
Aufeinanderfolge beider immerhin recht ähnlichen Wort- 
formen, „honnending" und „hunrie", sowie ihr Vorkommen 
auf einem relativ kleinen Gebiete legt den Gedanken nahe, 
dass beide Worte denselben Begriff nur zu verschiedenen 
Zeiten darstellen. Eine nähere Untersuchung der Natur 
dieser Begriffe soll uns zeigen, ob diese Annahme gerecht- 
fertigt werden kann. 

Wir untersuch n zunächst die Bedeutung des Wortes 
„hunrie", als des anscheinend älteren Wortes. Die älteste 
Urkunde, welche meines Wissens die „hunnaria" erwähnt, 
stammt aus dem Jahre 1.163*1. Danach schlicsst der Erz- 
bischof von Trier Frieden mit Friedrich von Merzig und 

') Wirtschaftsleben I S. 200. 

'-') Kenne 1409, Neumünstcr 1429, Ravengiersburg 1442, Bernkastel 1490, 
Bruch 1506, Reinsfeld 1546, Blieskastel 1551. 

;l ) „hunrien" in der Umgegend von Trier aus den Jahren: 1202 (M. Rh. 
Urkb. II No 209 u. 210!, 1207 (M. Rh. Urkh. II No 232), 121 1 (M. Rh. 
Urkb. II No 275). 1220^1 Rh ürkb.III No. 146), 1 238/39 (M. Rh, Urkh. III 
No. 615). 

4 ) Wirtschaftsleben I S. 1272 a. 3. 

6 ) M, Rh. Urkb. I No. 641. 



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200 



Hermann Schatze 



bedingt aus, dass Friedrieh seine „iudiciaria potestas, quam 
habet super homines habitantes in sua hunnaria", nicht, miss- 
brauchen soll; vor allem soll er „nullas exaetiones" vor- 
nehmen; und wenn er sich bei ihnen aufhält, sich „ita 
modeste" verhalten, dass die Einwohner der „hunnaria" 
keinen Grund zur Klage vor dem Erzbischof erhalten. Es 
sprechen gewiss manche Anzeichen dafür, dass die „hunnaria" 
hiereinen Gerichtsbezirk bedeutet; zwingende Gründe liegen 
jedoch einstweilen zu dieser Annahme nicht vor; gehen wir 
also weiter. 

Aus dem Jahre 1202 ist uns eine Urkunde über einen 
Schiedsspruch erhalten 1 ), welcher entscheiden soll über die 
Anrechte an der „iurisdictio, quo vulgariter dicuntur hunria", 
in den beiden Dörfern „Hemptre" und „Lampaiden". Die 
„hunria" ist also eine „iurisdictio", nur fragt es sich, welcher 
Art; ob hohe oder niedere Gerichtsbarkeit gemeint ist. 
Hierüber geben uns die folgenden Urkunden aus derselben 
Gegend Aufschluss. Im Jahre 1202 verpfändet Peter von 
Merzig die „hunria, quam habuit in villis s. Eucharii" dem 
Abt Gottfried*). Der „nuntius" des Abtes soll nunmehr 
„secundum sententiam centurionum" richten, was zu richten 
ist. Wird ein Dieb gefangen, dann soll der „nuntius" des 
Abtes ihn „per sententiam centurionum et populi suspendi 
faciet". Es handelt sich hier also ganz zweifellos um die 
hohe Gerichtsbarkeit, und die „hunria" war ein öffentliches 
Gericht, in dessen Bezirk eine gewisse Anzahl von Dörfern 
lag. Der Inhaber der „hunrie" hatte nach derselben Ur- 
kunde auch die Gerichtsbussen zu bekommen. Wir werden 
hiernach die „hunrie" als einen Hochgerichtsbezirk definieren 
können, welcher eine grössere Anzahl Dörfer umfasst; aus 
diesem Hochgerichtsbezirk können pfandweise manche Dörfer 
eximiert w e rden. Um jedoch den Zusammenhang der exi- 
mierten Dorfschaften mit den nichteximierten auch weiter- 
hin festzuhalten, sollten die eximierten Dörfer alle 3 Jahr 
an dem Ding der nichteximierten teilnehmen. 

Im Jahre 1 207 verpfändet derselbe Peter v. Merzig die 
„hunria" über Zerf, Greimerath und Hcdert an das Stift 

') M. Rh. Urkl). II Mo 209. 
-') A. a. O. II No 210. 



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Bezirk und < »rganisation der niederrheinisehen Ortsgemeinde. 



201 



St. Paulin bei Trier 1 ). Er darf hinfort die Einwohner dieser 
Dörfer zu keinem „placitum quocunque in loco celebrandum 
eompellere", bis er die Pfandsumme zurückgiebt. 

121 1 verpfändet Friedr. v. d. Brücke seine „hunria in 
curti de Pluvei" (Pluwig) und verliert damit die Gerichts- 
barkeit dieses Ortes 2 ), jedoch mit der Beschränkung wie in 
dem oben besprochenen Fall von 1202 bei P. v. Merzig - . 

1220 verpfänden P. v. Merzig und Friedr. v. d. Brücke 
die „hunria" über die Dörfer Olmuth und Casel und verlieren 
damit die Gerichtsbarkeit in diesen Dörfern 8 ). Hierbei 
erfahren wir wieder, dass auch Diebstahl unter diese Gerichts- 
barkeit gehörte, dass es also hohe Gerichtsbarkeit war. 
( rerichtet wurde „secundum sententiam centurionum et populi" ! 
es war demnach ein öffentliches Hochgericht. 

Nach einem undatierten Vertrage verpfänden P. v. Merzig 
und Frdr. v. d. Brücke die „hunria" in den 4 Dörfern Walträch. 
Osburg, Thomm und Riveris an den Erzbischof v. Trier 4 ). 
Sie verlieren damit das Recht, in diesen Dörfern „albergarias, 
nee pabulum, nec gallinas" zu beanspruchen noch sonst irgend 
eine „exaetio" vorzunehmen. Diese Befugnisse des Gerichts- 
inhabers kommen ja auch bei Grafschaftsbesitzern vor. 

In der jüngsten mir bekannten Urkunde, welche die 
„hunrie" erwähnt, vom Jahre 1337, wird die „hunrie" aus- 
drücklich ein Hochgericht genannt 5 ); und wir sind wohl 
berechtigt, ihr in allen den aufgezählten Fällen denselben 
Charakter zuzusprechen. Wo, wie in den Urkunden von 
1207 und tau, nichts Näheres über die Kompetenzen dieses 
Gerichtes mitgeteilt wird, liegt kein Anlass vor, der „hunrie" 
die Natur eines öffentlichen Hochgerichtes abzusprechen. 

Untersuchen wir jetzt die Natur des Honnendingcs. 
Die älteste mir bekannte Urkunde über das „honnending" 



') M. Rh. Urkl). II No. 232. 

• J ) A. a. O. II No. 275. 

'•') A. a. O. III No. 140. 

4 ) A. a. O. III No. 26 1 . 

6 ) Wirtschaftsleben I S. 1272 a. 3. 



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ist aus dem Jahre i-'.vi ')• '^ as „hunindinck" ist hier zweifellos 
ein öffentliches Hochgericht. 

Alle weiteren Urkunden über „honnendinge" gehören 
einer viel späteren Zeit an, ich gehe sie ihrem Alter nach 
einzeln durch. Da sind zunächst zwei Weistümer von Könne, 
das eine aus dem Jahre 1409, das andere ohne Datum; 
Grimm setzt es aber ins 14. Jahrhundert. Wir werden in 
dem ersteren Weistum über die Kompetenz des Honnendinges 
fast ganz im Unklaren gelassen 2 ). Auch nach dem zweiten 
Weistum lässt sich kein entscheidendes Urteil über das Wesen 
dieses „hondedingens" aussprechen 3 ). Man könnte es vielleicht 
für einen Rest der früheren ungebotenen Hochgerichte 
ansehen. Nur so viel lässt sich mit Bestimmtheit sagen, 
dass es ein öffentliches Gericht war, auf welchem augen- 
scheinlich die ganze Hochgerichtsgemeinde anwesend sein 
sollte. 

Ahnlich liegen die Verhältnisse jedenfalls in Neumünster 
nach dem Weistum von 1429 4 ). Das „honnending" wird 
hier zu den landesherrlichen Kompetenzen zu zählen sein, 

l ) Der Erzbischof von Trier verleiht Rudolph v. d Brücke „iura omniai 
• . . que vulgariter hunnindinck appcllantur, apud villam et parrochiain de Vitien . . . 
ita videlieet, quod dictus Rudolphus more consueto iudicia sanguinis et alia per 
centurionem aceusanda . . exereebif; vgl. Wirtschaftsleben IS. 200. „Viden" 
ist das heutige Weiten b. Freudenburg, 

'') Das Weistum von 1409 erklärt, „das die herren von der Veltz ryeht- 
liche vöyde sint und haent des dritten jairs ein hondelgedynge zu Kenne"; 
zwischen St. Martini und Weihnachten soll es gehalten werden, „unde wo es 
der voyt nit ussenrychtc daentuschent, so enbekente man ymc daran nust nie" . 
vgl. Grimm II S. 313. 

*) Das zweite Weistum von Kenne besagt in $ 6: Der Abt von Maxlrain 
hat ein „hocgeriehl", und die „gesworen von Kenne und Longuich und gemeine 
beide . . sollent helfen wisen alle recht . . . und abe si da boiszfeldich wurden, 
so sollent si mit hin heimdragen und der van recht entragen sin . . . und umb 
dasz si der boiszen enttragen sint, darumb bekennen! si den voigden des dritten 
jares ein hondedingen, des maendages na sent Merlins dage . . .", nur in der 
Zeit zwischen Martini und Weihnachten darf es besessen werden; vgl. Grimm 
VI S. 545. 

•*) „Item halt der scheffen gewiset, daz die lüde in dem Sinderdale sint 
schuldig zu kömen zu der herrschafl lantgeschreye, hohegerichte und honnendinge 
als ander lehenlude"; vgl. Grimm II S. 33. Landgeschrei d, h. Landesaufgebot 
und Hochgericht waren öffentliche Institutionen und gehörten zur Kompetenz 
des Landesherren. 



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Bezirk und Organisation der niedcrrhcinischcn Ortsgemeinde. 203 

da es dem Landesauf gebot und dorn Hochgericht nebenge- 
ordnet ist Zugegen ist auf dem „honnending" die ganze 
Volksmenge, welche auch dem Landgeschrei und Hoch- 
gericht folgen liuiss. Wenn wir den Ausdruck „h< »hegerichte 
und honnendinge" nicht einfach als Pleonasmus auffassen 
wollen, können wir den Unterschied zwischen beiden dahin 
präcisieren, dass das „honnending" von Xeumünster ebenso 
wie das „hondedingen" von Kenne das ungebotene Hoch- 
gericht im Gegensatz zu dem gebotenen bezeichnet. 

Recht ausführlich sprechen zwei Ravengiersburger 
Weistümer von den Kompetenzen des dortigen „hunt- 
dincks" 1 ). Es kann fraglich sein, ob diese Weistümer 
eine erschöpfende Aufzählung der Kompetenzen des 
Honnendinges geben sollen, ob wir es hier nicht vielmehr 
mit einer Aufzählung von Angelegenheiten zu thun haben, 
die ständig auf jedem ungebotenen Honnending erledigt 
werden sollten, während es doch immer nur vom Zufall 
abhängig- war, ob schwere Vergehen, wie Mord und Dieb- 
stahl, auf dem ungebotenen Hochgericht zur Verhandlung 
kamen. Darum liegt auch in diesem Falle kein Zwingender 
Grund vor, dem Honnending die Natur eines Hochgerichtes 
abzusprechen. 

Einen unzweifelhaften Charakter zeigt das „humelgericht" 
von Bernkastel nach dem Weistum von 1490 2 ). Wir haben 
es hier mit einem landesherrlichen Hochgericht zu thun. 



') Vgl. Grimm II S. 175 U. VIS 5°3- Nach dem Weistum von 1442 
hatte der Probst resp. sein Schul theiss den Vorsitz im „huntdinck". In dem 
„huntdinck" hatte „user iglichcm huse der man adir ein ander vernünftig lx.de 
von allen dortern in des closters und Stifts lande, gerichten und gebieten" ZU 
erscheinen, mit Ausnahme von 5 freien Dörfern. Dieses „huntdinck" sollte 
nur alle 7 Jahre berufen werden, aber mit dem Zusatz, dass der Probst das 
„huntdinck . magk . . begehen und besitzen, als dicke als er wil und ime noit 
ist". Gegenstand der Verhandlung war die Richtigkeit der Masse für Mehl 
und Wein und der Längenmasse für die Breite der Wage. 

*) 18 „zender" besitzen das „frihe hoegericht", welches weiterhin „ein 
wissiches humelgedinge" genannt ist. Zugegen ist das so-;, „humelvolk", also wohl 
die Hochgerichtsgemeinde. Vor dieses „humelgeding" soll alles gebracht werden, 
„is si von mort, von nachtbrande, von /.übe. eigen, von deupercigen, von 
verredereigen, von wingart und von wechlaechc"; vgl. Grimm IV S. 750. 



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Sodann erwähnt das Weisturjl von Bruch ein „honnelge- 
dinge'* -). In demselben Weistum wird von dem „hoegericht" 
der Herrschaft Bruch gesprochen, welches von <; Zendern 
besessen wurde. Ich wage nicht zu entscheiden, ob das 
Wort „honnelgedinge" in diesem Weistum an der einen 
Stelle, wo es nur vorkommt, etwas anderes bedeutet als 
„hoegericht". Mir scheint vielmehr seine Indentität mit 
dem „hoegericht" insofern plausibel, als die „hocgerichts- 
herren" das „honnelgedinge" besitzen. 

In Reinsfeld linden wir ähnliche Verhältnisse, man 
könnte auch hier geneigt sein, „hommelding" und „hoch- 
gericht" zu identiheieren 2 ). Zweifellos war ferner das 1 1 un- 
gcricht vom Ormershcimer Berg ein öffentliches Hochgericht 3 )' 

Sodann sprechen noch zwei undatierte Weistümer von 
dem Honncnding, die jedenfalls auch noch dem 15. oder 
16. Jahrb. angehören. In dem Eurener „honnclgeding" 
wurde über Diebstahl verhandelt 4 ), es war demnach ein 
öffentliches Hochgericht. 

Das zweite der undatierten Weistümer ist das von 
Wadrill 5 ). Wir stehen hier vor der Frage, ob über „dubde, 

') VgL Grimm II S. 331: „abe sach weie, das die hoegerichtsherren 
honnelgedinge Helten und der Bender und die eynichslude gemaent wurden ufT 
ir eyde, das sy alles dasghene nieten, was dae raebar were" . . . 

'-') En dem Weistum von 1540 heisst es: „hat der amptmann die /.ender 
und richler befraget, ob nit die 1 1 hoibzender u. gn. Ii. von Trier ein frey 
bommelgedinge alles zum zweiten jar und am zweiten montag nach s. Lauxtag 
zu Reinsfeklt . . zuerkennen"? In dem folgenden wird min immer von dem 
„gemerck und betzirk dieses freien Hochgerichts" gesprochen, dessen Blutbann 
dem Erzbischof von Trier zusteht. Vgl. Grimm II S. 124. 

8 ) Vgl. Grimm I S. 796: Im Blieskasteler Amt hat es „ein gericht gebapt, 
genannt das hungericht, stehet auf dem Ormershcimer berg, und ist 1551 
ungefehr die letzte person da gericht worden". In diesem Gericht sassen 21 
Schöffen und unter ihnen der „hun"; er „gebeut den 21 Schöpfen, wenn man 
einen hinrichten will, zuesam". 

*) Grimm II S. 279. Vgl. dortselbsl auch die genauen Angaben über die 
1 legungsformcn des Honnendingcs. 

B ) Grimm VI S. 516. Dieses Weistum besagt, „daz ein probst zu s. Pauline 
si zu Wadreil ein lehenhene und void, und daz sin sin alle werentlichc gerichtc, 
ane daz an hals und an heubt trifiet, daz ist dubde, mort, noilzoieht und nacht« 
brand, die mime herren von Triere zugehorent". In § 2 heisst es ferner: „wasz 
busze in dem hundcldingc gevallcnl, die sint s /:i des probstes und '/ 3 dcr 
centener". 



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mort" u. s. w. (d. h. über Hochgerichtsangelegenheiten) auch 
auf dem „hundeldingc" abgeurteilt werden konnte. Auf 
den ersten Blick könnte es scheinen, als ob das nicht möglich 
war; denn wenn der Propst, dem doch ausdrücklich die 
Kompetenz der hohen Gerichtsbarkeit abgesprochen wird, 
2/ 8 der 1 hissen erhält, die im „hundeldingc" fällig werden, 
so könnte man daraus schliessen, dass auf diesem Honnen- 
ding nur Angelegenheiten verhandelt wurden, die nichts 
mit der Hochgerichtsbarkeit zu thun hatten. Die Möglich- 
keit bleibt aber dabei nicht ausgeschlossen, dass auf dem 
Honnending auch Hochgerichtsangelegenheiten abgeurteilt 
wurden, nur bekam der Propst dann nicht die bei solchen 
Gelegenheiten fälligen Bussen. Auch hier ist demnach 
kein zwingender Grund vorhanden, dem Honnending den 
Charakter eines Hochgerichtes unbedingt abzusprechen. 

Die Einzeluntersuchungen der Urkunden, welche von 
einem Honnending sprechen, führen uns somit zu demselben 
Resultat, welches wir bei der Untersuchung über das Wesen 
der Hunrie gefunden haben: das Honnending ist ein Hoch- 
gericht. Wenn sich auch in einzelnen Fällen nicht ein 
entschiedenes Urteil fällen lässt, so liegen doch nirgends 
unbedingte Gründe vor, die auch nur die Wahrscheinlichkeit 
unseres Resultates in Abrede gestellt hätten. 

Unrichtig ist Maurers Auffassung, wenn er das Honnen- 
ding ein Dorfmarkgericht nennt, in welchem ursprünglich 
ein Honne den Vorsitz führte 1 ); denn ein Dorfmarkgericht 
hat nie die Kompetenzen eines Hochgerichtes besessen ; das 
Honnending ist aber ein Hochgericht. 

Das Verhältnis von Honnending und Hunrie kann 
hiernach nicht mehr zweifelhaft sein: beide Worte ent- 
sprechen demselben Begriff in demselben Gebiete, sie ge- 
hören nur verschiedenen Zeiten an. An Stelle des im 
13. Jahrh. gebräuchlicheren Wortes „hunrie" ist eben im 
kaufe der Zeit das Wort „honnending" mit seinen ver- 
schiedenen Variationen getreten, und zwar besonders im 
15. und 16. Jahrh. 

Wir stehen jetzt vor der uns am meisten interessierenden 
Frage, um derentwillen die ganze vorstehende Untersuchung 

') Dorfverfassung II S. 120. 



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°20C) Hermann Schütze 

unternommen wurde, nämlich: Welches war die Stellung 
des Honnen zum Honnending resp. zur „hunrie"? Hier ist 
vor allem auffallend, dass mit einer einzigen Ausnahme 1 ) 
in keinem aller im obigen von mir durchgesprochenen 
fälle, weder in der „hunrie" noch im „honnending" das 
Wort „honne" oder „hunno" auch nur erwähnt wird, ob- 
gleich man infolge der grossen Ähnlichkeit der Worte 
„honne" und „honnending" beide in nahen Zusammenhang 
bringen möchte. Lamprecht 2 ) nimmt es als ganz selbst- 
verständlich an, dass der Honne in der „hunrie" und dorn 
„honnending" den Vorsitz geführt hat. Er beruft sich dabei 
vor allem auf die bereits oben S. 202 citierte Urkunde vom 
Jahre 1254, nach welcher dem Ritter Rudolf v. d. Brücke 
das Hochgericht, das „vulgariter hunnindinck appellatur", 
übertragen wird. Auf diesem Hochgericht sollen „iudicia 
sang-uinis et alia per centurionem accusanda" gerichtet 
werden. Lamprecht schliesst aus dieser Urkunde, „dass 
der Gerichtsvorsitz im Blut- d. h. dem späteren Hochgericht 
um die Mitte des 13. Jahrh. allgemein als Pertinenz des 
„centurio" oder „honnen" anerkannt war". Das sagt die 
Urkunde aber gar nicht, sie spricht nur davon, dass der 
„centurio" auf diesem „hunnindinck accusare" d. h. doch 
Strafanzeigen zu machen hat oder, wie „accusare" damals 
gewöhnlich übersetzt wurde, „rügen" soll. Darum hat er 
aber doch längst nicht den Vorsitz in diesem Gericht, der 
Vorsitz kam vielmehr dem Ritter v. d. Brücke resp. wohl 
dessen Stellvertreter zu. Was bedeutet denn nun das Wort 
.centurio" oder, wie es in anderen Urkunden auch heisst. 
'„centenarius"? Nach Brunner 8 ) heisst es „Hunne" oder 
„Honne". Die gewöhnliche lateinische Form des Wortes 
Nonne ist, wie Lamprecht selber bemerkt 4 ), „hunno" resp. 
.,huno", er übersetzte aber selbst „centurio" mit „hunne". 
Die in den bereits oben citierten Urkunden über die „hunrie" 
genannten „centuriones" übersetzt Lamprecht mit „zender" 5 ) 

') Vgl Grimm I S. 796. 

3 ) Wirtschaftsleben I S. 200 ff". 

•'') Deutsche Rechtsgeschichte II S. 174 ff. 

4 ) Wirtschaftsleben 1 S. 199. 
'•) A. a. ( ). 1 S. 200 ff. 



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Hc/.irk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 207 

und nennt zudem in der Wiedergabe der Urkunden von 
1202 1 ), 121 1 2 ) und i22o :J ) die Inhaber der „hunrie" 4 ) ohne 
weiteres „hunnones", während sich in diesen Urkunden 
keine Spur von dem Worte „hunno" nachweisen lässt. Auf 
diese Weise gelingt es ihm denn, den Zender zu einem 
Unterbeamten des den Vorsitz in der „hunrie" führenden 
„hunno" zu machen, während man in der That zwischen 
Zender und Honne gar keinen Unterschied machen kann, 
wie schon das für beide gemeinsame Wort „centurio" oder 
„centenarius" erkennen lässt. So viel aber ist vollkommen 
klar, dass die „centuriones" oder „centenarii", wo sie auch 
in den Urkunden über die „hunrie" oder das Honnending 
vorkommen, in keinem Fall den Vorsitz in diesem Gericht 
geführt haben, sondern nur Strafanzeigen zu machen hatten. 
Das Wort „huno" oder „hunno" kommt in allen Urkunden 
über die „hunrie" überhaupt nicht vor; und ebensowenig 
lässt es sich in irgend einer anderen Form in 9 von den 10 
angeführten Stellen über das Honnending nachweisen. Statt 
dessen begegnen wir im Honnending häufig dem Zender, 
er führt aber nie den Vorsitz in demselben. Eine einzige 
Ausnahme bildet das Weistum über das Hungericht vom 
Ormersheimer Berge im Blieskasteler Amt. Dieses Hun- 
gericht war ein Hochgericht*). Es ist ausgeschlossen, dass 
der „hun" in diesem Hungericht den Vorsitz geführt hat; er 
„gebeut den 21. schöpfen . . . zuesam", heisst einfach, er ruft 
sie zusammen. Die Stellung des „hun" ist hier vielmehr die 
eines Fronboten. Es ist aber gewiss ganz unwahrscheinlich, 
dass ein Hochgericht nach der Benennung des dazugehörigen 
Fronboten bezeichnet worden sei; wir sind daher genötigt, 
nach einer anderen Erklärung für die Stellung das I tonnen zu 

') M. Rh. Urkb. II No. 209 u. 210. 
-) A. a. O. II No. 275. 
'') A. a. O III No. 146. 

4 ) Wirtschaftsleben I S. 202/3. 

5 ) Der „hun gebeut den 21 schöpfen, wenn man einen hinrichten will, 
zuesam. Solcher hun, wenn man den übclthäter hinrichten will, muess drei- 
mal wie ein hundt auss der Ussweiler heckchen bellen, wenn man den armen 
zum galgen führt"; vgl. Criinm I S. 796. Dieser sonderbare Brauch erklärt 
sich wohl am einfachsten aus der «rossen Ähnlichkeit der Würter „hun" und 
„hundt". 



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208 



Hermann Schütze 



suchen. Wie uns sogleich eine lange Reihe von Urkunden 
belehren wird, ist der Honne am Niederrhein Vorsteher der 
Ortsgemeinde gewesen. Als solcher hatte er mit seiner 
Dorfgemeinde bei der Hegung des öffentlichen Gerichtes, wie 
die Zender in der „hünrie" und dem „honnending", zu 
erscheinen, aber nicht den Vorsitz darin zu führen. Danach 
kann weder die „hunrie" noch das „honnending" seinen Namen 
davon haben, dass ein Bonne in ihnen den Vorsitz führte, 
vielleicht aber daher, dass er auf ihnen Strafanzeigen zu 
machen hatte. Vielleicht müssen wir die Erklärung hierfür 
in Verhältnissen einer weit früheren Zeit suchen. 

Es sei bei dieser Gelegenheit einiges über das Wort 
„hunzwin" gesagt, welches man seiner Zusammensetzung 
nach anfangs in Beziehung zu dem Worte „honne" bringen 
wollte. In einer Abhandlung in den Annalen für die 
Geschichte des Niederrheins erklärte Pfarrer Giersberg, der 
Hundswein habe seinen Namen daher, dass er von den 
Hunnen als öffentliche Abgabe erhoben wurde 1 ). Maurer 
giebt diese Erklärung wieder 2 ), ohne jedoch für sie einzu- 
treten. Abgesehen von vielen anderen Abhandlungen, die 
sich mit dieser Frage beschäftigt haben, hat Wilhelmj 
neuerdings in einem wohl erschöpfenden Aufsätze die richtige 
Deutung gefunden 3 ). .Seiner Meinung schliesst sich auch 
Lamprecht an 4 ). Giersbergs Ansicht widerlegt Wilhelmj 
vollkommen 5 ). Der Hunnenwein wird sehr oft im Gegen- 
satz zum fränkischen Wein genannt, „vinum hunicum" und 
„vinum francicum". Wilhelmj meint, dass der Gegensatz 
keineswegs auf eine technische Spezialität (rot —weiss), sondern 
vielmehr auf den blossen Gedanken einer „qualite superieure 
et inferieure" hinauslief. Der Hunnen wein erscheint durch- 
weg als der minderwertigere von beiden Sorten. So fasstc 
schon das 16. Jahrhundert die Ausdrücke auf, und noch 
heute wird in Süddeutschland und Osterreich ordinärer 
Wein von besonders schlechten Reben als 1 Ieunischwein 



') Annalen 17 S. 61 . 

a ) Uorfverfassun^ II S. 55/56. 

3 ) Nassauer Annalen 14 S. 182 IT. 
*) Wirtschaftsleben I S. 571. 

b ) Nassauer Annalen 14 S. 221. 



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20!» 



bezeichnet. Woher die Ausdrücke im Mittelalter kamen, 
ist schwer zu sagen ; kann man für „francicus" sich schwerlich 
enthalten, an fränkisch im ethnographischen Sinne zu denken, 
so bleibt der Ausdruck „hunnisch" einstweilen dunkel. 

b. Die Geschichte des Hon neu vom 12. Jahrh. an. 

Wie wir bereits gezeigt haben, ist die Honnschaft eine 
Ortsgemeinde. Finden wir nun in derselben Gegend unseres 
Vaterlandes, in der die Honnschaften vorkommen, das Wort 
„Honne" urkundlich belegt, so liegt gewiss der Schluss sehr 
nahe, der Honne sei Vorsteher einer Honnschaft gewesen; 
und das entspricht auch vollkommen den Thatsachen. 

Die ältesten mir bekannten Urkunden, in denen das 
Wort „Honne" in der lateinischen Form „hunno" vorkommt, 
sind die der Abtei St. Maximin in Trier aus dem Anfang 
des 1 2. Jahrhunderts 1 ). Es handelt sich in diesen Urkunden 
um das ungebotene Hochgericht, welches alle drei Jahre 
abgehalten werden sollte. Der Hochgerichtsherr ist der 
Abt von St. Maximin ; denn an ihn fällt der Hauptteil der 
Bussen, und er allein darf gebotene Hochgerichte berufen. 
Das Kloster mit dem dazugehörigen Personal ist eine 
Immunität, nur der Abt hat hier die Gerichtsgewalt ; das 
Landgericht, in welchem die Honnen zu Gericht sitzen, hat 
dort nichts zu schaffen. Erinnern wir uns, dass die Zender 
in dem Honnending, welches wir für ein Hochgericht 

') Grimm IV S. 739 und 742. Die älteste dieser Urkunden trägt die 
Jahreszahl 1056. Bresslau hat aber in der Westdeutschen Zeilschr. V S. 50 11. 
nachgewiesen, dass wir es hier mit einer Fälschung zu thun haben, die aus 
dem Anfang des 12. Jahrhdts. stammt (S. 54). Jedoch verliert die Urkunde 
damit nur den Wert als Zeugnis der Verfassungsgeschichte des 11. Jahrhdts. 
Für den Anfang des 1 2. Jahrhdts. dagegen dürfen wir ihre Angaben verwerten. 
In Jj 1 dieser Urkunde heisst es: „Confirmatum est . . ., quia advocati abbaüe 
. . . non nisi ter in anno, et illi, qui hunp.ones dicuntur, tertio tantum anno, 
nisi recens furtum fuerit, aut ex parte abbatis vocati fuerint, placitarc in abbatia 
non debeant". § 2: Was aber in diesen Gerichten, auf welchen die Vögte 
oder Honnen zu erscheinen haben, „arbitrio abbaüs vel prepositorum aut 
villicorum et meliorum, qui in curtibus sunt", an Bussen einkommt, fällt zu 
*/a an den Abt und zu % an die Vögte. § 7 ■ Diejenigen, welche den Kloster- 
brüdern im Kloster dienen, sind der Vogt- oder Honnengcrichtsbarkeit nicht 
unterworfen. Die spätere Urkunde derselben Abtei von «35 bringt in diesem 
Sinne genau dieselben Vorschriften; vgl. Grimm IV S. 742. 

Ii 



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210 



Hermann Schütze 



erkannten, dingten 1 ); die Zender waren aber zweifellos Vor- 
steher der Ortsgemeinden. Gewiss haben wir es hier mit 
ähnlichen Verhältnissen zu thun; die Honnen sind wie die 
Zender als Vorsteher ihrer Ortsgemeinden zum Erscheinen 
auf den Hochgerichten verpflichtet. 

Die Aufgaben des Honnen, die uns in dem Flerzheimer 
Weistum vom Jahre 1 247 *) entgegentreten, sind durchaus 
die eines Ortsvorstehers; das zeigt uns ein Vergleich mit 
dem Weistum von Oberdollendorf, wo dem Bürgermeister mit 
den Geschworenen fast genau dieselbe Thätigkeit vorge- 
schrieben ist ;J ). Wenn der Honne „officiatus curie" genannt 
wird, so weist das sicherlich nur auf eine Mitwirkung des 
Grundherren bei der Einsetzung des Honnen hin, wie wir 
sie in dem eben citierten Oberdollendorfer Weistum bei dem 
dortigen Bürgermeister ebenfalls finden 4 ). 

In einer Urkunde 5 ) vom Jahre 1256 werden in der 
Grafschaft Neuenahr die Honnen zweier Dörfer „villarum 
rectores" genannt; wir haben hiermit also einen unzweifel- 
haften Beweis für unsere Behauptung, der Honne sei 
Gemeindevorsteher gewesen; „villarum rectores, qui vulgo 
hunnen solent apellari" . . sagt die Urkunde. 

Aus derselben Zeit, vielleicht noch etwas früher, ist uns 
ein Weistum erhalten 11 ), welches uns die Honnen weit ent- 
fernt von dem eben genannten Gebiet in der Nähe von 
Zülpich im Herzogtum Jülich in der Eigenschaft eines Ge- 
meindevorstehers zeigt. Sie werden hier in einer Form 
erwähnt, die darauf schliessen lässt, dass sie damals allge- 
mein als Dorfvorstehcr galten. Der Gerichtsbote des hohen 
Gerichts von Zülpich oder Geich hatte nämlich bei einer 
schweren That „dyc hunnen ind dat laut" aufzubieten, soweit 



') S. oben S. 203 und 204. 

*) Darin heisst es: „si <[uesiio orirclur de terminis ogrorum vel pascuaruni 
vel silvarum, officiatus curie, qui dieitur hunnc, iuratos deberet duecre per 
omnia bona ville preterquam per bona curie, ubi scultetus (lebet duecre gcabinos 
ad terminos signandos"; vgl, Archiv VI S. 337. 

n ) Beiträge IX S. 121. 

«) A.a. O. S. 125 S 9- 

! ') M. Rh. Urkb. III Xo. 13;«. 

•) Archiv 1 S. 249. 



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211 



sie zum Gerichtsbezirk (byfangk) von Zülpich gehörten 1 ). 
Dann sollte der Vogt von Hengbach mit den Honnen und 
dem Lande (ohne die Gerichtsschöffen) Gericht halten und 
das Urteil finden. Das „laut" bedeutet natürlich die in den 
Gerichtsbezirk gehörigen Honnschaften und die „hunnen" 
deren Vorsteher. Eine andere Erklärung dürfte sich kaum 
finden lassen. 

Aus dem Jahre 1272 ist uns eine Urkunde 2 ) erhalten, 
nach welcher Theoderich v. Millendonk das Kigentum der 
Mühle zu Bovert der Abtei Meer überträgt und die Be- 
wohner aus dem Gerichtsverbande von Willich löst. Neben 
anderen Zeugen erscheinen hierbei „parrochiani omnes de 
Usterode cum Theodorico dicto de Keuerloe, hunnone suo, 
viderunt et non contradixerunt". Es steht nichts im Wege 
den „hunno" für den Gemeindevorsteher von Usterode an- 
zusprechen, als solcher wird er unter den „parrochiani" 
namentlich hervorgehoben. 

Aus dem Jahre 131 1 haben wir eine Urkunde über 
einen Streit der Herren von Kempenich und der von Lands- 
kron 8 ) über die Berechtigung ihrer Untersassen zur Vieh- 
trift in dem Wald „Vuchere 1 ', welcher „in parrochia de 
Kunicsfeld" gelegen ist. Der Schiedsrichter, ein Ritter von 
Brühl, Hess es darauf ankommen, was der „huno" nebst 2 
Männern aus jedem von drei benachbarten Kirchspielen, 
oder was der „huno" und zwei ehrenhafte Leute aus dem 
Kirchspiel Königsfeld wegen der seit mindestens 30 Jahren 
stattgehabten Observanz eidlich aussagen würden. Was 
liegt näher, als die Annahme, dass der „huno" der Vorsteher 
der einzelnen Gemeinden gewesen ist? Gewiss Hess die 
Gemeinde sich nicht durch irgend einen untergeordneten 
Gemeindebeamten, sondern durch ihren Vorsteher vertreten. 
Ferner lässt die Ausdrucksweise der Urkunde, wenn sie so 
schlechthin von den „parrochiani de Kunicsfeld cum suo 
hunone" spricht, darauf schliessen, dass man damals den 
„huno" allgemein in der Eigenschaft eines Dorfvorstehers 
kannte. 

(') 23 Honnschaften gehörtet) auf dieses Gericht; s. Archiv I S. 213. 
2 ) Urkundenbuch II No. 631. 
') (luden II S. I002. 

Ii* 



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219 



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Aus dem Jahre 1368 ist uns ein Weistum über das 
„hochgedinge" der „vier huntschappen zo Schuldt" erhalten '). 
Wenn die Schultheisscn der drei Hochgerichtsherren das 
Hochding halten wollen, „so bevelhen sy dem overhonnen 
zu Schuld, dat gedinge zo roiffen vor der kirchen .... 
uf denselven dincklichen dag so luet der honne die clock 
drywerf, van icliches heren weigen eins". Die 4 Honnschaf- 
ten hatten gewiss je einen Honnen. Da nun aber Schuld 
der Mittelpunkt des ganzen Gerichtssprengeis war und der 
dortige Honne offenbar vor den anderen rangierte, so führte 
er die Benennung Oberhonnc. Seine Aufgabe, die Hoch- 
gerichtsgedinge vor der Kirche auszurufen, verträgt sich 
im übrigen mit seiner Stellung als Dorfvorsteher sehr wohl. 
Wir werden ihm später noch öfter mit seiner Honnschaft 
auf den Hochgerichten begegnen, es war darum ganz 
natürlich, dass er verpflichtet war, seiner Gemeinde von 
dem Stattfinden solcher Gerichte Anzeige zu machen. 

In dem Weistum der Herrlichkeit des Schlosses Lied- 
berg in den Dörfern Kleinenbroch und Büttgen vom Jahre 
1369 2 ) heisst es: die beiden Honnschaften Kleinenbroch und 
Ruthusen „gevent twey honnen aen dye greefliche banck, 
dye sullen wroegen, soe wat wroechberich ys'. Welcher 
Art jedoch die Rügen waren, die der Honne an die gräf- 
liche Bank zu bringen hatte, wird leider nicht näher erklärt 3 ). 
Die gräfliche Bank war das gewöhnliche Landgericht, und 
an diesem sollten die Honnen ihre Anzeige machen; das 
vertrug sich mit ihrer Stellung als Vorsteher der Honn- 
schaft sehr wohl. Denn wie Thudichum nachgewiesen hat 4 ), 

') Archiv VI S. 2<>7. 
») Archiv I S. 282. 

*) Wenn Lacomblet ans diesem Weis tum schliesst, dass der Honne „eine 
Gerichtsbarkeit in Sachen der Mark- und Dorfpolizei" hatte, so liegt dafür 
kein zwingender Grund vor; Vgl. Archiv 1 S. 230. Es heisst in $ g dieses 
Weistums: „wat in der gemarkden geschuet ind in der gemeynden, as wvel 
Butger kyrspel is . . . dat haet toc richten dat huys toe Leedberch, want yt 
ys cyn holtgreve over ilie gemarkden ind over die gemeynde". Ks handelt 
sich hier also um eine mit dem Kirchspie! Bültgen zusammenfallende Mark- 
genossenschaft. Lacomblet begeht den Fehler, dass er die giiilliche Bank, an 
welcher die Honnen zu rügen haben, mit dem Markengeding gleichstellt und 
so die Honnen zu markgenossenschaftlichen Beamten macht. 

*) Gau- und Markverfassung S. 54. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinUchen Ortsgemeinde. 213 

wurden vor dem Centding alle schwereren Vergehen und 
Verbrechen abgeurteilt, wegen deren vom Verletzten Klage 
erhoben war, oder die durch die Dorf Vorsteher zur An- 
zeige (Rüge) kamen 1 ). 

Aus dem Jahre 1383 haben wir ein Weistum von 
Vettweiss, in welchem § 6 bestimmt 2 ): „Ind haint (sc. dye 
heren van sant Merten in Colne) uns eynen zu eyme oever- 
hoyfde in eren hof gesät, also dat der hunne den neyt 
penden inmach . . ." Bei Besprechung der Kompetenzen 
des Gemeindevorstehers werden wir die Frage des näheren 
zu erörtern haben, ob die Ortsgemeinde das Recht besass, 
mit ihrem Vorsteher Pfändungen vorzunehmen. 1 [ier genüge 
einstweilen die Bemerkung, dass die Ortsgemeinde in der 
That zu Pfändungen berechtigt war. Wenn der „hunne" 
in Vettweiss also auch „penden" konnte, so werden wir ihn 
gewiss als Gemeindevorsteher anzusprechen haben. Diese 
Stelle ist uns zugleich ein Beweis für die Privilegierung 
mancher Grundherrschaften im Dorfe; der Inhaber des grund- 
herrlichen Hofes durfte nicht von dem Honnen gepfändet 
werden, er stand also ausserhalb der dörflichen Gerichts- 
barkeit. 

Im fahre 1384 wurden die Honnschaften Golzheim, 
Derendorf und P>ilk in die städtische Freiheit von Düssel- 
dorf aufgenommen 3 ). Der Herzog von Berg bestimmt bei 
dieser Gelegenheit, dass sie fortan frei sein sollen von 
„dienst, schetzongen, beden, scheffenamt, honampt"; dass 
ferner die Amtleute, Richter, Fronen und Honnen kein 
„gebot, gerichte of pendonge da up doin" sollen, „dan mit 
dem gerichte der stat Duisseldorp uisgedragen wurde". 
Wie wir später noch sehen werden, hatte der Honne in 
einem grossen Teil des Bergischen Gebietes neben seiner 
Stellung als Gemeindevorsteher noch die eines Amtsknechtes. 



') In Hannover und Braunschweig war es noch im 18. Jahrh. Brauch, 
dass die Gemeindebcanitcn neben den Amtsv.'.gten die kleineren Vergehen dem 
Amtmann anzuzeigen hatten; auf dem jährlich einmal abgehaltenen Landgericht 
wurde dann das Urteil gefällt. Vgl. Werner Wittig: Die Grundherrschaft in 
Nordwestdeutschland S 161. 

*) Grimm IV S 771. 

»J Urkundenbuch III No. «7«. 



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2H 



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Als solcher hatte er dann besonders Steuererhebungen und 
Exekutionen auszuführen. Wir werden die eben citierte 
Stelle jedenfalls auch unter diesem Gesichtspunkt erklären 
müssen. Die öffentlichen Funktionen des Honnen sowie 
die der Amtleute und Richter mussten in Wegfall kommen, 
wenn die obigen 1 lonnschaften aufhörten, ländliche ( )rts- 
gemeinden zu sein und in die Verwaltung der Stadt Düssel- 
dorf übergingen. 

Im Jahre 1392 1 ) befreit der Herzog Wilhelm von Berg 
den „hof Eckamp" von „dienst, schetzongen of ungelt", 
sowie vom „huntampt" und „schefFenampt". Danach scheint 
das Amt eines Honnen oder Dorfvorstehers um diese Zeit 
nicht mehr als erstrebenswertes Ziel zu gelten, sondern als 
Last empfunden worden zu sein. Dass das Amt eines 
Dorfvorstehers auch anderweitig zu einer Gemeindelast ge- 
worden war, und dass wir es hier also nicht mit einer 
lokalen Anomalie zu thun haben, hat Maurer nachgewiesen 2 ). 
Dieser Befreiung vom Honnenamt als einer (Temeindelast 
begegnen wir öfters 8 ). 

In dem undatierten Weistum von Gymnich, welches 
Lacomblet jedoch noch ins ij. Jahrb. setzt, wird gesagt 4 ): 
„die gebuyrsehäf gehöht half" dem Erzbisehof von Köln 
und „half" Job. v. Gymnich; „ind myns heren (des Erz- 
bischofs) hunne sali boyven sitzen ind backen ind bruwen 
ind wyntzappen ind wat der gebuyrsehäf zugehoirt, wat 
daruf gevellet, dat is half myns heren ind half Johans". 
Wenn es heisst, der llonne soll „boyven sitzen", so ist 
dabei natürlich zu ergänzen (boyven) „der gebuyrsehäf", er 
sollte also bei den Gerichtsverhandlungen an der Spitze der 

') Archiv I S. 286. 

-) Dorfverfassung II S. 44 II. 

*) In einer Urkunde des Jahres 1302 heisst es: „ab omnibus servitutibus 
. . . ac officio huncatos, <|uod vulgariter hunampt dicitur, sie quod nulluni inde 
hunnonem teuere debebunt, absolvimus". Vgl. Urkundcnbuch III No, 972. 
Ebenso erklärt Herzog Wilhelm von Berg im Jahre 1387 neun benannte Güter, 
die Ratinger Bürgern gehören, für frei „van allen herendienste, schet/.ungen, 
voiren, hunnenampts" . . . Vgl. v. Below: Territorium u. Stadt, S. 129 a. 2. 
S. dort auch weitere Belege dafür, dass das Gemeindevorsteheramt als Last 
empfunden wurde. 

<) Archiv VI S. 36t. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 215 



Bauerschaft sitzen, und das war doch nur möglich, wenn 
er der Vorsteher der Bauerschaft war. 

Aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts, aus dem Jahre 
1404, haben wir ein Weistum über die Rechte der Graf- 
schaft Hülchrath, in welchem wir wieder den Honnen be- 
gegnen 1 ). Es handelt sich hier im wesentlichen um den- 
selben Fall wie in Kleinenbroch 2 ). Der Honne hat am 
öffentlichen Gericht Strafanzeigen zu machen; auch hier 
werden wir ihn als Gemeindevorsteher anzusehen haben. 
Er ist offenbar nach dorn Inhalt der Urkunde Vorsteher 
der „hunschaf". Dass der Honne nach $ 6 den Inhabern 
der Gerichtshohoit vereidigt war, kann man seiner Stellung 
nach wohl begreiflich finden; denn er fungiert hier gleich- 
zeitig als „preco" d. h. als Fronbote. Auch dass die Ge- 
richtsinhaber resp. ihre Stellvertreter nach demselben Para- 
graphen die Honnen „instituere et destituere" sollen, spricht 
nicht gegen seine Eigenschaft als Gemeindevorsteher; denn 
nach Maurer kam es oft vor, dass Schirmvögte oder Grund- 
herron die Gemeindevorsteher ernannten-' 1 ). Ferner heisst 
es in § g : Wird einer „super debitis" verklagt, dann soll er 
„in domo preconis iurati vulgariter des hunnen per noctem" 
festgehalten werden, um am nächsten Tage aufs Schloss 
Dyck gebracht zu werden. Das Festhalten von Verbrechern 
durch Gemeindevorsteher lässt sich auch noch anderweitig 
nachweisen. So sollten die 5 Zender der 5 Dörfer Liers- 
berg, Igel, Langsur, Mesenich und Grevenich nach einem 
Weistum aus dem Anfang des 14. Jahrh.*) den gefangenen 
Verbrecher 5 Nächte lang der Reihe nach bei sich behalten 
und ihn dann richten. Auch der Heimburge hatte oft die 
Pflicht, für die Ergreifung des Verbrechers zu sorgen 5 ). 
Wir haben also in diesem Weistum nichts nachweisen 



') Grimm VI S. 698. In $ 15 dieses Weistums lieisst es: Hat jemand 
eine Klage vorzubringen, dann soll er sie „iurato preconi diclo hunnen in eadem 
hunschaf, in quam huiusmodi causa seu defectus pertinent" . . . übergeben, und 
der Honne soll sie den „officiatis" der Gerichtsinhaber zur Aburteilung vorbringen. 

*) S. oben S. 212. 

3 ) Dorfverfassung II S. 40 ff. 

4 ) Archiv I S. 255. 

5 ) Dorfverfassung II S. 50. 



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2'6 



Hermann Schütze 



können, was sich nicht sehr wohl mit dem Gemeinde- 
vorsteheramt des Hon neu vertrüge. 

Ebenso lernen wir in dem Weistum von Erfweiler den 
Nonnen in seiner öffentlichen Thätigkeit kennen Er war 
auch hier zugleich Fronbote, wie wir es soeben in der 
( irafsehaft Hülchrath nachgewiesen haben; das beweist jedoch 
gar nichts gegen seine Eigenschaft als Gemeindevorsteher. 
Von Interesse ist ferner, dass in diesem Weistum neben 
dem „hund" noch der „zender" und „der heimburger" genannt 
werden. Lamprecht meint 2 ), dass hier „hund", „zender" und 
„heimburger" identisch seien. Gegen diese Annahme lässt 
sich nichts einwenden; wir lernen den Honnen danach sogar 
besser in seiner Eigenschaft als Gemeindevorsteher kennen. 
Er sollte Feldfrevel rügen, besonders Grenzberichtigungen 
vornehmen und auch dafür sorgen, dass die Gerichtsherren 
ihrer Verpflichtung gemäss „den follen (Zuchthengst) stellen" 
sollten. 

Im Jahre i426 :i ) werden „us iklichen honschafen dri of 
veir (sc. Männer) . . . zur Burch" vor den Herzog von Berg 
beschieden, damit sie über die mit dem Honnenamt ver- 
knüpfte Obliegenheit, die „zommen" d. h. den Schatz zu 
erheben, Auskunft geben sollen. Diese Frage soll weiter 
unten eingehender besprochen werden; einstweilen genüge 
die Erklärung, dass die Ortsvorsteher im Herzogtum Berg 
sehr oft die Steuern zu erheben hatten. Der Honne tritt 
uns hier in seinem Steuererhcberamt wiederum als Gemeinde- 
vorsteher entgegen. 

Aus den zwanziger Jahren 4 ) des 15, Jahrhunderts ist 
uns ein interessantes Weistum des heute nicht mehr vor- 
handenen'') Kirchspiels Geyseren an der Niers im Amte 
Kempen erhalten. Der Amtmann von Kempen hält, abge- 

') Grimm II S. 30. Der Honne hatte hier die von den Gerichtsherren 
bestimmten Masse (geseig) seiner Gemeinde bekannt zu gehen und für das 
Festhalten der Verbrecher zu sorgen. 

-') Wirtschalteleben I s. 199 a, 1. 

:! ) Zcitschr. 25 S. 265. 

4 ) Archiv I S. 277 IV. giebt Lacomblet dieses Weistum ohne Datuni wieder. 
Iveussen, der dasselbe Weistum Annahm 24 S. 227 herausgegeben hat, ver- 
mutet, es sei zu der oben angedeuteten Zeit niedergeschrieben worden. 

*) Annalen 15 S. 59. 



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sehen von den jährlichen 3 Vogtgedingen, alle 14 „nachten" 
vor der Kirche von Geyseren mit den Laten *) ein Ding ab. 
Zu diesem Ding hat der Honne seine Anzeigen zu bringen 2 ). 
Der Honne wird in dem „velde van Geyseren gekuyst"; 
von wem, wird zwar nicht gesagt, aber doch wohl von der 
Gemeinde. Wenn er gewählt ist, hat er dem Erzbischof 
von Köln oder dessen Amtmann zu „hulden ind zu sweren" 
und ebenso dem Herren von Wachtendunk, „mallich syn 
recht to behalden". Der Herr von Wachtendunk war mit 
der Landesherrlichkeit in diesem Gebiet von dem Erzbischof 
von Köln belehnt und bezog '/ 3 aller Gerichtsbussen, der 
Amtmann '/s- Die Verhältnisse liegen hier ähnlich wie in 
den bereits besprochenen Fällen von Hülchrath und Erf- 
weiler. Der Honne war auch hier offenbar zugleich Gerichts- 
bote; und da war es ganz natürlich, dass die Inhaber der 
Gerichtsbarkeit ihn bei seiner Einsetzung schwören Hessen, 
die Rechte jedes Gerichtsherrn streng inachtzunehmen. 
Wenn der Honne an der Datenbank, als einem grundherrlichen 
Gericht, seine Anzeige zu machen hatte, so darf uns das 
nicht befremden. Es kam oft vor, dass ein grundherrliches 
Gericht die Kompetenzen eines öffentlichen Gerichtes besass. 

Im Jahre 1437 waren auf der Malstatt Wolf gruben 
(„berg, den man noempt Wolfgrove") 3 ) in der Grafschaft 
Neuenahr zwei Verbrecher hingerichtet worden *). Zugegen 
waren der Amtmann, der Schultheiss, der Gerichtsbote sowie 
die in diesen Gerichtsbezirk gehörigen 9 Honnschaftcn mit 
ihren Honnen. Als die beiden Leichname auf das Rad 
gebunden werden sollten, forderte der Amtmann alle An- 
wesenden auf, dabei mit Hand anzulegen. Das war aber 
wohl dem alten Herkommen zuwider 5 ); darum erlaubte sich 

i\ über die Latbänke im Herzogtum Jülich s Archiv III S. 300 11. 
-') Annalen 24 S. 22<). 
:1 ) Grimm VI S. 656 $ 2. 
*) Guden II S. 1282. 

*) Wenigstens spricht das Weistum von Hönningen (Grimm VI S. 656 
§ 4 u. 31), welches auch in diesen Gerichtsbezirk gehörte, wohl davon, dass 
die 9 Honnschaften auf die Malstätte vom Amtmann entboten werden sollen, 
um den Missethäter „helpen zu beschirmen nae unser moegden, bis hie gericht 
is", aber von einer weiteren Thätigkcit der Gemeinde bei der Hinrichtung resp. 
nach derselben linde ich nichts erwähnt. 



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Hermann Schütze 



der Nonne von Ahr dieser Aufforderung des Amtmanns 
vor allem Volk zu widersprechen und zu erklären, dass das 
die Pflicht des Amtmannes, des Schultheissen und des 
Gerichtsboten sei. Der Honne musste für diese Worte 
Öffentlich in einer Urkunde um Verzeihung bitten. Der 
Refehl des Amtmanns galt ja für jedermann und nicht nur 
für den Honnen; der Bonne widersprach daher nicht nur 
in seinem eigenen Interesse, sondern in dem der anwesenden 
I [onnschaften. Als Vertreter der Gemeinde nach aussen 
hin konnte er nur ihr Vorsteher sein. 

In derselben Stellung finden wir den Honnen 1438 in 
den Kirchspielen Ersdorf und Grossaldendorf in der Graf 
schuft Neuenahr 1 ). Der Landesherr, der Erzbischof von 
Köln, lässt Kraft von Saffenberg aus diesen beiden Kirch- 
spielen eine lebenslängliche Rente von 30 Gulden jährlich 
von den „schultissen , honnen, gesworen ind gemeinden" 
dieser Kirchspiele auszahlen. Was der Schultheiss hier für 
eine Stellung einnahm, lässt sich bei der sehr grossen Viel- 
deutigkeit dieses Wortes nicht bestimmt sagen, vielleicht war 
es der Schultheiss des öffentlichen Gerichts. Die 1 fonnen 
waren hier fraglos die Gemeindevorsteher, und die „gesworen" 
jedenfalls ein Gemeindeausschuss. 

Nach dem Weistum von Uerdingen von 1 4 5 4 2 ) liegen 
hier die Verhältnisse genau so wie in Hülchrath und Erf- 
\veiler ;l ). Der Ilonne war auch hier Gemeindevorsteher und 
Fronbote zugleich und hatte als solcher für das Einbringen, 
Verwahren und Abliefern der Verbrecher zu sorgen. 

Nach dem Weistum von Leichlingen 4 ) von 1457 hatte 
der Abt von Deutz einen Fronhof mit 14 dazugehörigen 
Holen in Leichlingen. Der Vorsteher des Fronhofs war 
der Ilofsdinger; er durfte natürlich nur aus den Hofleuten 
gewählt werden. Neben diesen Hofleuten gab es nun aber 
noch „gemeine erben" und „kotter" in Leichlingen; für sie 
konnten die Beschlüsse des Hofdinges nicht bindend sein. 
Es wird daher gewiss eine allgemeine Gemeindeversamm- 

') Guden II S. 1284. 

a ) Grimm VI S. 694 $ 10 und 11. 

s ) S. oben S. 215 und 2if> 

') Archiv VII S. 286 A. 1. 



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Bezirk and Organisation de* niederrheinischen Ortsgemeinde. 210 

lung neben dem Hofding bestanden haben, wenn sie auch 
nicht ausdrücklich bezeugt ist. Nun hatte der Abt von 
Deutz die Verpflichtung, alle Jahr zu Martini die 7 Hof- 
schöffen, den Dinger, den Honnen und den Förster zu einem 
Essen einzuladen. Der Honne wird in dem ganzen Hofes- 
weistum nur an dieser, aber immerhin recht bedeutungsvollen, 
Stelle genannt. Die ganze Gemeinde Leichlingen muss doch 
rjncii Vorsteher gehabt haben, und dieser Vorsteher war 
offenbar eben der Honne. Alle anderen geladenen Gäste 
des Abtes waren, wie ausdrücklich gesagt wird, Hofleute; 
nur der Honne war es nicht. Es lag aber sehr nahe, ihn 
als den Vorsteher des Dorfes bei solch einem Festessen 
einzuladen. 

Nach der Mossblecher Hofesrolle 1 ), welche Lacomblet in 
das [5. Jahrb. setzt, sollte man in dem llofgericht einen 
„geschworenen hofsmann zu einem hunnen" haben. Es 
durfte also nur ein Hofeshöriger Honne, d. h. Gemeinde- 
vorsteher werden. 

Nach dem Weistum von Koslarbusch von 1 4 S 3 2 ) liatl(> 
der Honne die Aufsicht über die Nutzung des Gemeinde- 
waldes, seine Unterbeamten waren die Förster. Wir finden 
derartige Verhältnisse in unserem Gebiete nicht oft; denn 
in den weitaus meisten. Fällen bestimmten markgenossen- 
schaftliche Beamte in Sachen der Waldnutzung. Jedoch 
kam es auch anderweitig vor, dass die Gemeindevorsteher 
an solchen Aufgaben beteiligt waren, Maurer hat das mehr- 
fach nachgewiesen ••»)• Es liegt also kein Grund vor, dem 
Honnen nach dem vorliegenden Weistum die Eigenschaft 
eines Gemeindevorstehers abzusprechen. 

Ich führe an dieser Stelle gleich noch ein anderes 
Weistum ähnlichen Inhaltes an; es ist leider undatiert, aber 
seiner ganzen Fassung nach gehört es gewiss einer älteren 
Zeit an, als wie es uns in einer Übersetzung von 1704 er- 

') Archiv VII S. 268 und Zcitschr. IX S. 43. 

-') Grimm III S. 856. Das Weistum bestimmt, dass kein „geerft man" 
von seiner Waldnutsmng etwas verkaufen dürfe, ausgenommen „der honne and 
der vorster". Ferner: „So wanne eyniche vorster pendt in dem vurss. husche, 
asvort sali hey de pende leveren cyme honne . . . ind alsdan soll der honne 
deine vorster geven van yecklichcni pandc 4 haller". 

») Dorfverfassung II S. 47, 50 und 51. 



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halten ist. Es ist das Wcistum des Weldorfer Busches 1 ). 
Nach dem unten Citierten worden wir die Stellung des 
Honnef) hier genau so zu erklären haben wie in dem vor- 
hergehenden Weistum. Nun sagt aber £ 7: „Item befehlet 
111,111, dasz der hönno und die geifen sollen sein binnen 
dieser hondtschaft und die rorster hinnen diesem d<>rf". 
Wenn der Honne Gemeindevorsteher war, so klingt diese 
Bestimmung etwas seltsam; es seheint vielmehr, als habe 
hier der den Wald beaufsichtigende Beamte die Bezeich- 
nung Honne gehabt. Die Weldorfer waren auch nicht die 
einzigen auf diesen Wald Berechtigten; nach ^ 8 worden 
„('inwendige erven", die in dieser „hondtschaft wolmhaftig 
scint", und „auswendige erven" unterschieden. Aber es hat 
augenscheinlich nur immer ein limine die Beaufsichtigung 
der Waldnutzungen gehabt. Vielleicht will das Weistum 
auch nur sagen, dass immer nur der Weldorfer Honne diese 
Aufsicht haben soll, und dass die ( iemcinde Vorsteher der 
andern, noch auf den Wald berechtigten Dörfer diesen 
Anspruch nicht erhoben haben. Damit wäre dann das 
Gemeindevorstehcramt des Honnen auch hier gewahrt. 

Nach dem Weistum von Ingbert vom Jahre 1 5 3 5 2 ) 
hatte der Honne erbloses Gut zu verwahren und die Kom- 
petenz in .Schuldensachen. Almlich war es auch- in Hülch- 
rath, wo der Honne den „super debitis" Beklagton in seinem 
1 lause verwahren sollte 3 ). Diese Thätigkeit des Honnen 
vertrug sich, wie wir sahen, mit seiner Stellung als Ge- 
meindevorsteher sehr gut. Auch dass der Honne von Ing- 
bert erbloses Gut verwahren sollte, spricht nicht dagegen. 

In dem Hochgcrichtsweistum von Blieskastel aus dem 
Jahre 1540 4 ) wird gesagt, „schultheiss und hundt und der 
gericht" haben das Hochgericht „zu verbennen". Ferner 
hoisst es: wenn sich zwei Parteien vor dem Gericht des 

') Grimm IV S. ;8i. Nach $ I und 2 darf man Holz zum Bau der 
Kirche sowie „von wegen, stegen, grindelen oder putzen" hauen „mit rat des 
honnen, der geifen und der förster, und änderst so solle man keinem holte 
geben sonder eisen, wan das eisen vom busch isf. In £ 10 und II wird die 
Nutzung des Honnen festgesetzt. 

*) Grimm II S. 55. 

s ) Grimm VI S. 698. 

') Grimm II S. 28/29. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgeivicinde. 221 

Zenders nicht gütlich vertragen wollen, „so mach der zender 
einen richlichen tag ansetzen, darzu berufen schultheiss und 
hünde von wegen der heim". Es fällt schwer, sich aus 
dieser kurzen Angabe ein Bild von der Stellung des Honnen 
zu machen; einfach läge die Sache, wenn wir „hundt" und 
„zender" als identische Begriffe betrachten dürften. Dieser 
Annahme scheint jedoch der Wortlaut zu widersprechen, 
wenn der Zender Schultheiss und „hünde" berufen soll. 
Halten wir dagegen den „hundt" für den Hochgerichtsboten, 
so widerspricht dem wiederum die Angabe, dass er mit dem 
Schultheiss das Hochgericht zu bannen hat. Auf eine 
jedes Zweifels bare Deutung dieser Stelle werden wir ver- 
zichten müssen. 

Ferner haben wir aus dem [6. Jahrh. besonders zwei 
hochwichtige Quellen für die Geschichte des Honnen; nämlich 
das Jülicher Landrecht von 1537 und die Gerichtserkundigung 
im Herzogtum Berg von 155$. 

Im Jülicher Landrecht heisst es unter Artikel VI 1 in § 1 '): 
„Item eyne kyrehe, aider die diener der kyrehe, als kyreh- 
honnen und broidermeister sullen heefen und bueren (sc 
geistliche renten)". Maurer erklärt „kyrehhonnen" mit Kirch- 
spielshonnenS); er meint damit wohl, der Honne sei Vor- 
steher einer Ortsgemeinde gewesen, die sich „kirspel" nannte; 
der damalige Begriff „kirspel" entspricht aber meist unserem 
heutigen „Kirchdorf" und nicht „Kirchspiel". Mir scheint 
jedoch diese Erklärung nicht zutreffend zu sein. Der Kirch- 
honne wird Diener der Kirche genannt und hat offenbar 
etwas mit der Verwaltung des Kirchenvermögens zu thun. 
Eine derartige Kompetenz habe ich aber noch nie bei einem 
Gemeindevorsteher nachweisen können; die Kirchengemeindc 
setzte vielmehr zu diesem Zweck besondere Beamte ein, 
nämlich die sog. Kirchenmeister oder Kirehenknechte 8 ). Es 
muss aber fraglich erscheinen, ob gerade das Erheben der 
Kirchenrenten eine Obliegenheit des Kirchmeisters war; 
denn die Jülich -Bergische Polizeiordnung von 1696 unter- 
scheidet ausdrücklich die Kirchmeister von den „aufböhrern 

') Archiv I S. Ii 8. 

2 ) Dorlverfassung II S. 25. 

•') Richter, Dove und Kahl: Kirchcnrcclu S. 1361 A. 



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Hermann Schütze 



der rentcn" 1 ). Sodann bestimmt eine landesherrliche Ver- 
ordnung von 17 Ii, os sollen die Kirchenrevenüen durch die 
Küster unter üblicher Vorzeigung- der Kirchenschlüssel 
beig-etrieben werden 2 ). Somit hatte also der Küster die 
Kirchenrenten einzutreiben, und wenn wir den Kirchhonnen 
dasselbe thun sehen, so hat er vielleicht die Stellung eines 
Küsters inne gehabt. Wenn l.amprecht gelegentlich des 
Wortes „kirchhonne" auf eine Urkunde von 1178 verweist 3 ), 
in welcher zwar der Kirchhonne nicht genannt wird, aber 
immerhin von einzelnen Honnschaften gewählte Beamte zum 
Zwecke der Erhebung einer kirchlichen Jahresrente vor- 
kommen, so hat diese Zusammenstellung viel für sich. Der 
Kirchhonne war danach nicht Gemeindevorsteher, er war 
vielmehr ein eigens zum Zwecke der Erhebung kirchlicher 
Renten gewählter Gemeindebeamter. Dass der Ilonno in 
Jülich auch in einer anderen Stellung als der eines Gemeinde- 
vorstehers im 16. Jahrh. vorgekommen ist, lässt sich wahr- 
scheinlich machen. Das Fischenicher Weistum von 1597 
besagt 4 ): „es soll auch ein jeder nachpar in der creutz- 
wochen aus seinem haus einen in die kirch stellen, darauf 
der hoinn sehen soll . . ." Der Honne war in Fischenich 
aber nicht Vorsteher, sondern derselbe wird durchgehends 
Uauermeister genannt. Offenbar war der Fischenischer 
„hoinn" ein kirchlicher Beamter, wie die Stelle andeutet, an 
der er erwähnt wird. 

Die Kirchhonnen werden in dem Landrecht neben den 
„broidermeister(n)" genannt; was sind die Brüdermeister? 
Die vielartigen mittelalterlichen Brüderschaften hatten wohl 
alle ihre Brüdermeister, so z. B. die Schützenbruderschaften 5 ). 
Hier kann es sich offenbar nur um geistliche Bruderschaften 



') S. 39 heisst es dort: „Da .auch von einigen kirchen in vielen jähren 
keine rechnung besehenen, sollen die kirchmeistcr und aufböhrer der renten zu 
den rechensehaften gehalten . . werden". 

a ) Scotti 1 No. 1085. 

:) ) Wirtschaftsleben I S. 245 A. t. Die Urkunde steht Urkundenbuch IV 
No. 634. 

*) Annalen 1 1 S. 124. 

! ') Norrenberg: Die Geschichte der Stadt Süchteln S. 118; von demselben 
Verfasser: Chronik der Stadt Dülken S. 53 und 113 A. 1. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemcindc. 223 

handeln '). Mir ist das Wort „brudermeister" nur selten in 
den Urkunden begegnet 2 ). Es scheint als ob die Bruder- 
schaften oft das einer Kirche oder Kapelle gehörige Ver- 
mögen in Besitz und eigener Verwaltung gehabt haben. 
Die Brüdermeister mögen wohl oft die Kirchmeister über- 
flüssig gemacht haben, aber sie kamen auch neben den 
Kirchmeistern vor, wie das Beispiel von Erkrath beweist. 
Ob sie regelmässig Erhebcr der kirchlichen Renten waren, 
muss man nach dem soeben bei den Kirchhon nen Gesagten 
bezweifeln. Auch die Nebeneinanderstellung von Kirch - 
honne und Brüdermeistern bringt uns zu keinem zweifel- 
losen Resultat. Jedenfalls ist der sog. Kirchhonne etwas 
anderes gewesen als Gemeindevorsteher, schon sein N; um- 
deutet darauf hin. Es ist sehr wohl denkbar, dass es neben 
dem Kirchhonnen noch die gewöhnlichen 1 rönnen, welche 
Gemeindevorsteher waren, gegeben hat; wir werden solchen 
noch späterhin im Gebiet von Jülich begegnen. 

Die weitaus reichhaltigste Quelle für die vorliegende 
Untersuchung bildet für das 16. Jahrh. die schon genannte 
Bergische Gerichtserkundigung von 1555?). In drei Amtern 
des Herzogtums Berg werden Honnen genannt: Blanken- 
berg, Hückeswagen und Bornefeld. Daraus darf man aber 
nicht den Schluss ziehen wollen, es habe nur noch in diesen 
Ämtern Honnen gegeben. Dem widerspricht schon die 
Thatsache, dass im 17. Jahrh. im Amt Angermund Honnen 



') Über geistliche Brüderschaften s Kirchenreclu von Richter, Dove und 
Kahl S. 1245, 1348 und 1356. Ks wird hier nur gesagt, dass sich manchmal 
Brüderschaften zum Bau von Kirchen verpflichteten; dass sie aber bei .1er Ver- 
waltung des Kirchenvermögens mitwirkten, linde ich nirgends angedeutet. 

2) In einer Urkunde von 1669 heisst es: „Capel und hospital zu Groven 
gehören under Berendorl . . . Wirt durch brudermeister Antonisen Gelt ver- 
waltet" . . . vgl. Ldstd. Verf. I S. 312. Ferner nennt eine Urkunde die zu 
Roesrath gelegene „capel" eine „bruderschaff. Vgl. Mitteilungen S. 159. In 
Erkrath erkennen i.J. . 4 <)7 Pastor, Kirch- und Brudermeister das Präsentations- 
recht der „erfgifters" auch für die neu zu gründende Vikarie an ; vgl. Archiv- 
register S. 112. In dem Sendweistum von Mellendorf wird gesagt, dass „senher, 
brudermeister, centener und samtliche pfarkinder des kirspels von M." zugegen 
sind; vgl. Wirtschaftsleben I S. 245. Endlich werden die Brüdermeister in 
dem Wetatum von Brombach in 5j 8 und 9 „lehnherre.r' des der Brombacher 
Kirche gehörigen Hubhofes genannt; vgl. Grimm Jl S. 4 40. 

8 ) Zeitschr. 20 S. 119 ff. und 9 S. 48 ff.. 



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224 



Hermann Schätze 



erwähnt werden '), während sie in der Gerichtserkundigung 
bei der Beschreibung dieses Amtes mit .Stillschweigen über- 
gangen sind. Dieses Stillschweigen findet seinen Grund 
darin, dass die Honncn in den übrigen Amtern nicht in 
demselben Verhältnis zu der landesherrlichen Regierung 
standen wie in den obigen dreien. Wir sind also zu der 
Annahme berechtigt, dass es im Jahre 1555 auch noch in 
anderen Bergischen Ämtern, als gerade in den obigen 
dreien, I Ionnen gegeben hat. Nur von dem Amt Burg 
wird bezeugt, dass es dort keine Honnen gab 2 ;; dieses Amt 
bestand aber augenscheinlich nur aus der Ortschaft Burg. 
W ie hier der Umstand der Ortsgemeinde an Stelle der 
Landschöffen zu Gericht sass, so wird vielleicht umgekehrt 
der Schulthciss dieses Landgerichts an Stelle des Honnen 
der Gemeindevorsteher gewesen sein. Weshalb die Honnen 
gerade in den drei genannten Amtern erwähnt werden, hat 
seine bestimmten Gründe. Im Amte Blankenberg heisst es 
von ihnen 3 ): „jedoch seint etliche kirspel, da die amptknecht 
die haver nit, sonder die honnen (Mitfangen, welche auch 
den uberlauf 4 ) haben". Die Amtsknechte oder Gerichts- 
boten hatten den landesherrlichen Schatz und sonstige öffent- 
liche Gefälle zu erheben 5 ). In manchen Kirchspielen wird 
ihnen ein Teil dieser Last von den Honnen abgenommen, 
wie wir soeben sahen. Der Honne bezieht dafür auch einen 
Gehalt, der indem „uberlauf" des Hafers besteht. Im Amte 
Bornefeld werden überhaupt keine Amtsboten genannt, 
sondern es heisst dort: „clartzu hat auch jede[r] hondschaft 
seinen eigenen honnen, der das gelt hevet und gebott 
thuet" 6 ). Dafür bezieht der Honne einen bestimmten Lohn 
in Geld. Endlich im Amt Hückeswagen „hat jede [r] hond- 
schaft in stat des boten einen honnen" 7 ) . . . Der Grund 
also, aus welchem in diesen drei Ämtern allein die Honnen 

') Ldstd. Verf. III 1 S. 45 A. 9. 
'-') Zcitschr. 20 S. 136. 
:l ) A. .1. O. S. 134. 

„Überlauf" wird ebendort erklärt als das, was an des Herzogs „summen 
uberleult, welchs uf- und abgehet nach versterben und ankörnen der leute . . ." 
Ä ) Ldstd. Verl. III 1 S. 44. 
u ) Zcitschr. 20 S. 153. 
7 ) Zcitschr. 20 S. 157. 



Bezirk und Organisation der niederrheinischen Qrtsgemeinde, 225 

genannt werden, leuchtet hiernach deutlich ein: der Honne 
erhob in den Ämtern Hückeswagen und Bornefeld alle 
öffentlichen Gefälle, im Amt Blankenberg' einen Teil der- 
selben. Er ersetzte also in den beiden ersten Ämtern den 
Amtsboten vollständig-, in dem letzten erleichterte er nur 
dessen Amt. Diese Thätigkeit des Honnen, den Schatz^zu 
erheben, finden wir auch noch anderweitig bezeugt. Nach 
einer Urkunde von 1504 erhebt der Honne in der im Amte 
Solingen gelegenen Honnschaft Düssel den Schatz 1 ). In 
derselben Stellung finden wir den Honnen etwa ein Jahr- 
hundert: später im Amte Angermund; 1634 wird er in dem 
Lagerbuch der Kellnerei Angermund erwähnt 2 ). Wir dürfen 
gewiss annehmen, dass die Honnen auch in manchen 
jülichschen Gemeinden den Schatz erhoben, da wir ihnen 
in dieser Funktion in anderen linksrheinischen, Jülich nicht 
fern gelegenen Territorien begegnen 3 ). Wie bei der Steuer- 
erhebung so waren die Honnen auch bei der Steuerverteilung 
im Herzogtum Jülich manchmal beteiligt 4 ). 

') Zeitschr. V S. 252. 

*) Es handelt sich liier um die Erhebung gewisser öffentlicher Gefälle, 
so das „furgeld . . so von jedes orts zeitlichen honnen empfangen wirt". Die 
Honnschaft Velbert soll an Pfennigsgeld „22 den. brab." an den Kellner liefern, 
„welche von den zeitlichen honnen erlagt werden". Ferner sagt das Schatzbuch 
des, Amtes Angermund - Landsberg von 1672: „die sonimen nimbl jedes jars 
der hon . . . ein und lieferet sie dem hern richter". Vgl. I.dstd. Verf. III 
1 S. 45. 

3 ) Hierher gehört einmal die eingangs erwähnte Urkunde voll 1256, nach 
welcher „villarum rectorcs, qui vulgo hunnen solcnt appellari, prescriptam pecunic 
summam . . . colligcnt . . ." vgl. M. Rh. Urkb. III No. 1378. Alsdann besagt 
das Weis tum von Müggenhausen von 1555 in ij 15, dass der „huyn" den 
„j arschatz" erheben und abliefern soll; vgl. Grimm IV S. 768. Nach den 
Kostümen des Kirchspiels Viersen hatten die Honnen auch den „schätz" zu 
„bueren"; vgl. Archiv I S. 217. 

4 ) Eine Verordnung von 1560 besagt hierüber: Die Amtleute und Befehls- 
haber sollen „einen oder zwen vom adcl, auch etliche scheffen, honnen oder 
andere hausleut ... zu sich forderen, umb desto besser zu erkundigen, wie 
eines jederen gelegenheit ist und auch danach die aussetzung zu tun". Vgl. 
Ldstd. Verf. III, 2, S. 09. Die Mitwirkung der Gemeindevorsteher bei der 
Steuerverteilung ist uns auch aus anderen deutschen Territorien bezeugt. In 
einigen Dörfern des Oberamtes Heilbronn hatten Schultheiss und Gericht das 
..tu» subcollectandi". Vgl. Württ Jahrbb. f. Statistik und Landeskunde, Jahrg. 
1899, Heft 1 S. 15, Der Schultheiss war hier aber Gemeindevorstand, das 
Gericht jedenfalls das Dorfgericht; vgl. a. a. O. S. 39. 

l.ilirl.ndi XV. 16 



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226 



Hermann Schütze 



Wenn der Norme die Schatzerhebung" besorgt, könnte 
sie am ehesten als Gcmeindeangelegenheit bezeichnet werden, 
da er unzweifelhaft Gemeindebeamter ist, da es nicht etwa 
einen Honnen giebt, der für einen mehrere Gemeinden um- 
fassenden Bezirk bestellt ist. Indessen der Honne ist als 
Schatzeinnehmer nicht Gemeindebeamter, sondern Staats- 
beamter, landesherrlicher Beamter. Die Beschreibung der 
Bergischen Gerichtsorganisation meldet über das Amt Hückes- 
wagen 1 ), jede Honschaft habe daselbst „in stat des boten 
einen honnen". Ebenso heisst es über das Amt Bornefeld, 
jede Honnschaft habe ihren „eigenen honnen, der das gelt 
hevet und gebot thuet" 2 ) (wie der Fronbote). Sie sind etwa 
nicht als solche Fronboten; denn in den meisten Amtern 
kommen neben den Honnen besondere Beamten als Fron- 
boten vor 3 ). Ausserdem haben die Bezirke der Fronboten 
keinen Zusammenhang' mit Gemeindegrenzen: mitunter ist 
ein Fronbote für zwei Gerichte, meistens für ein Gericht, 
öfters für ein Kirchspiel, zufälligerweise auch für eine Ge- 
meinde vorhanden 4 ). Die Steuererhebung war nicht notwendig, 
eine Kompetenz des Nonnen als Gemeindevorstehers, denn 
es gab sehr viele Honnen, die nichts damit zu thun hatten 5 ). 
Es mochte sich bei der ersten Einführung der Bede in den 
verschiedenen Ämtern auch ein verschiedener Erhebungs- 
modus herausgebildet haben. Dass die landesherrliche Re- 
gierung die Gemeindevorsteher (wenigstens in späterer Zeit) 
nicht gern in der Eigenschaft eines Amtsboten sah, lassen 
ihre Verordnungen hiergegen deutlich erkennen 6 ). 

Wir sind des inhaltlichen Zusammenhanges der eben 
besprochenen Stellen wegen der Zeit nach in unserer Unter- 
suchung vorausgeeilt und holen jetzt einiges nach. Nach der 
I »ürener Feldordnung von 1578 hatte der Dürener Honne die 
Aufsicht über die Feldmark und den Weidegang 7 ). Düren war 
eine Stadt und hatte seine Bürgermeister. Wenn die Feld- 

') Zeitschr. 20 S. 157. 
-') A a. O. S. 153. 

3 ) S. z. B. Zeitschr. 20 S. 134. Vgl. das Ann Angermund. 
*) Zeitschr. 20 S. 122 HF. 
5 ) A. a. O. S. 134. 

") Scott! I No. 424 U. 9O9. 

7 ) Materialien S. I 13 § I 11. 20, S. I 15 § 1 , 2, I 1 U. 12. 



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Bezirk und Organisation der niederrneinischen Örtsgemeinde. 2 C 27 



Ordnung sich nur auf das der Stadt gehörige Feld bezieht, 
so können die Honnen hier nicht Gemeindevorsteher ge- 
wesen sein, sondern, wie die Bürgermeister die rein städtischen 
Angelegenheiten unter sich hatten, so die Honnen die rein 
ländlichen. Nach § 1 der Feldordnung von 1600 hatten die 
Honnen „einem erb. raet" von den Feldfreveln Anzeige zu 
machen, die Strafgewalt lag also beim Stadtrat. Wir werden 
danach wohl die Dürener Honnen als städtische Beamte 
anzusehen haben, welche dafür zu sorgen hatten, dass die 
Vorschriften der Feldordnung richtig eingehalten wurden. 
Solche Verhältnisse gab es in Jülich nachweislich mehrfach. 
So wird im Jahre 1 54g ein Honne in Dülken erwähnt 1 ): 
„dem honne gegeven vur syne bezoldung 2 gülden". Dass 
städtische Beamte mit den oben angedeuteten Obliegen- 
heiten die Benennung „honne" führten, erlaubt uns wohl die 
Annahme, dass wir es hier mit einer Nachahmung länd- 
licher Verhältnisse zu thun haben. Man kannte den Honnen 
aus der ländlichen Gemeinde her in der Eigenschaft eines 
Aufsehers über den landwirtschaftlichen Betrieb und nannte 
daher seine zu demselben Zweck angestellten Beamten ebenso. 

Eine der spätesten Quellen, welche den Honnen ausdrück- 
lich erwähnt, ist die von dem Kurfürsten von Köln noch 
1772 bestätigte Schützenordnung der Stadt Bonn, die der 
Magistrat 1710 nach älteren Vorlagen hatte abfassen lassen 2 ). 
Die Schützen hatten die Aufsieht über die Weinberge und 
die Feldmark im Bannbezirk der Stadt, wen sie rügen, der 
soll „den honnen 1 marck . . zu kühren geben". Wir haben es 
hier gewiss mit denselben Verhältnissen zu thun, wie wir sie 
soeben in Düren und Dülken kennen lernten; denn Vorsteher 
der Örtsgemeinde kann der Honne hier nicht gewesen sein. 

• Das letzte Weist um endlich, oder vielmehr nur eine 
( opie desselben, welches der Honnen gedenkt, ist das von 
Nürburg 3 ), von 1793. Die Stelle lautet: „Ihr scheffen seyd ge- 
mahnt, wer der dreyer herrn gelder zu erheben schuldig seye? 
Antw. die zwey honnen". Wir begegnen also hier den Honnen 
in derselben Eigenschaft wie in Berg im 16. und 17. Jahrb. 

') Norrcnbcrg: Chronik der Stadt Dülken S. 57. 
*) Archiv I S. 232/33. 
:1 ) Grimm II S. 613. 

15* 



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228 



I {ermann Schütze 



In Deutschland scheint sich die Bezeichnung' Honne 
als Dorfvorsteher im ig. Jahrh. nirgends mehr erhalten zu 
haben. Dagegen ist es bezeugt, dass der bäuerliche Ge- 
meindevorsteher bei den aus Xiederfranken stammenden 
vSachsen in Siebenbürgen noch heute „han" genannt w ird 1 ), 
welches Wort ganz entschieden eine Korrumpierung des 
älteren „hon" oder „honne" ist. 

Die bisherige Untersuchung hat uns demnach gezeigt, 
dass der Honne vom 12. Jahrh. an bis auf den heutigen 
Tag, wo und unter welchen Umständen er immer genannt 
wurde, bis auf verschwindende Ausnahmen als Gemeinde- 
vorsteher auftritt. 

c) Andere Bezeichnungen des Gemeindevorstehers. 

Im 18. Jahrh. war der Gebrauch des Wortes Honne 
in der Centraiinstanz sehr zurückgegangen; die landesherr- 
lichen Verordnungen sprechen nur von Gemeindevorstehern 
schlechthin 2 ). Aus welchem Grunde die Benennung des 
Gemeindevorstehers mit Honne so ausser Brauch kam, ver- 
mag ich nicht zu sagen. Wie wir gleich sehen werden, 
gab es seit dem 1 6. Jahrh., vielleicht auch früher, nachweislich 
noch andere Bezeichnungen für den Dorfvorsteher am 
Niederrhein. Wurden nun allgemein geltende landesherr- 
liche Edikte erlassen, so war man auf das allgemeinere Wort 
angewiesen, wenn Missverständnisse vermieden werden 
sollten. Umgekehrt hat dann vielleicht der Gemeindevor- 
steher in den landesherrlichen Verordnungen den Honnen, 
Bürgermeister und Bauermeister, oder wie das Volk ihn 
sonst noch nennen mochte, verdrängt. 

Wie soeben angedeutet wurde, hat es nachweislich seit 
dem 16. Jahrh., vielleicht auch noch früher, andere Benen- 



') Brunner: Deutsche Rechtsgeschichte S. i7<>, und Thud ich um : Korre- 
spondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertums- 
kunde, Jahrgang 42 S. 132. 

2 ) So heisst es in einem Edikt von 1764: „jeden orts bürgermeister, 
schellen, Vorsteher und übrige den gemeinden vorgesetzte, wie solche namen 
haben" . . . (Scotd I No. 1944.I Vielleicht dachte man hierbei noch an die 
Bezeichnung Honne, nannte sie aber nicht, weil sie zu wenig gebräuchlich war. 



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Bezirk und Organisation der nicderrhcinisehcn Ortsgemeinde. 



229 



nungen für den Gemeindevorsteher am Niederrhein gegeben 1 ). 
Die älteste Quelle, welche den Bürgermeister als Gemeinde- 
vorsteher kennt, ist das Oberdollendorfer Weistum von 15 [0% 
Aus dem Jahre 1550 meldet uns ein Weistum von der Wahl 
eines Bürgermeisters zu Breisig 3 ). Sodann begegnen wir 
den Bürgermeistern als Gemeindevorstehern in einem landes- 
herrlichen Erlass von 15.57, bei Gelegenheit einer Teuerung 
im Amte Born 4 ). Ferner spricht das Weistum von May- 
schoss 5 ) aus dem Jahre 1586 von einem „burgermeister". 
1597 nennt das Fischenicher Weistum den Gemeindevor- 
steher „baurmeister" 6 ;. Das Weistum der Honnschaft Holzlar 7 ) 
von 1646 nennt den Vorsteher der Honnschaft Bürgermeister, 
und ebenso hiess er 1696 in Niederdollendorf 8 ). Endlich 
linden wir in der undatierten Fahrgerechtigkeit zu Ober- 
kassel und Beuel den Vorsteher von Oberkassel sowie den 
von Römlinghofen und von Beuel ebenfalls als Bürger- 
meister bezeichnet 9 ). Wenn somit gerade die Bezeichnung 
Bürgermeister für den dörflichen Gemeindevorsteher so 
häufig geworden ist, so liegt der Grund hierfür wohl ein- 
fach in der allgemeinen Nachahmung städtischer termini. 

d) Die Kompetenzen des Gemeindevorstehers. 
Leider ist mir nicht ein einziges Weistum bekannt 
geworden, vielleicht ist uns auch keins erhalten, welches 
uns den Honnen in seinem Amte als Gemeindevorsteher in 
eingehender Weise schildert; wir sind hierbei auf die ein- 
zelnen Stellen in den Urkunden angewiesen, an denen der 
Honne genannt wird, und die wir bereits zum grössten Teil 
in dem Überblick über die Stellung des Honnen kennen 



') Ich sehe hierbei von den Benennungen „Zender M und „Heimburge" 
ab, welche ungefähr von der Aar l)is zur Mosel schon in den «hcren Zeiten 
den Namen „Honnc" last ganz ersetzt haben. 

*) Beiträge IX S. 114, 117 u. 124. 

:1 ) Zeitschr. 12 S. 189. 

*) Zeitschr. f. Social- u. Wirtschaftsgeschichte III S. 470. 
*) Annalen ib S. 76. 
°) Annalen I I S. 124. 

7 ) Annalen 25 S. 240. 

8 ) Annalen 16 S. 81. 

9 ) Grimm V S. 336. 



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230 



Hermann Schutze 



gelernt haben. Etwas eingehender sind die Weistümer, in 
denen von Bürgermeistern oder Bauermeistern als Dorf Vor- 
stehern gesprochen wird. nun aber der Honne unzweifel- 
haft Dorfvorsteher war, so dürften sich seine Kompetenzen 
mit denen seiner Amtsgenossen, des Bürgermeisters oder 
Bauermeisters, in den meisten Punkten decken, und ich 
scheue mich daher nicht, beide ZU kombinieren. 

Das Amt eines Gemeindevorstehers lässt sich insbe- 
sondere nach zwei Seiten hin betrachten. Der Gemeinde- 
vorsteher vertritt einmal die Gemeinde nach aussen, in den 
staatlichen und privaten Angelegenheiten, die an die Ge- 
meinde gestellt werden können. Sodann richtet sich seine 
Thätigkeit auf die innere Verwaltung der Gemeinde selbst. 

Wenn wir nun die Thätigkeit des Gemeindevorstehers 
untersuchen, soweit sie einen staatlichen Charakter zeigt, so 
berühren wir damit zugleich die Frage nach dem Verhältnis 
der Ortsgemeinde zu dem mittelalterlichen Staat; denn wir 
werden annehmen müssen, dass die Ortsgemeinde als ein 
Glied des Staates anzusehen ist, wenn ihr Vorsteher die 
Kompetenzen eines öffentlichen Beamten besitzt. 

Der Honne tritt uns in einer ganzen Reihe von Ur- 
kunden als öffentlicher lieamter entgegen, und zwar als 
Amtsknecht oder als Gerichtsbote. Als Amtsknecht hatte 
er das Einbringen öffentlicher Gefälle zu besorgen. In dieser 
Thätigkeit lernten wir ihn in einer der ersten und der letzten 
der oben behandelten Urkunden, von 1256 und 1793, kennen. 
Ganz besonders scharf aber tritt dieser Zweig seiner Thätig- 
keit in der Gerichtserkundigung des Herzogtums Berg von 
1555 hervor. Diese Frage ist dort eingehend besprochen 
worden. Wir kamen zu dem Resultat, dass der Honne nur 
in einzelnen Fällen die < )bliegenheiten eines Amtsknechtes 
zu versehen hatte, dass diese < Obliegenheiten nicht etwa 
ein integrierender Bestandteil seines Vorsteheramtes waren. 

Recht oft Huden wir ferner den 1 lonnen in der Stellung 
eines Gerichtsboten; wir haben die bezüglichen Fälle auch 
bereits erörtert. So wird der Honne in der Grafschaft 
Hülchrath ausdrücklich „iuratus preco" genannt 1 ). In Schuld 
hatte der Oberhonne die Hochgerichtsdinge vor der Kirche 

') S. oben S. 215. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsycmeindc. 231 

auszurufen und am Tage des Gerichtes die Kirchenglocke 
zu läuten 1 ); wir worden ihm daher auch hier die Amts- 
bofugnisse eines Gerichtsboten zuschreiben müssen. Dieselbe 
Stellung hatte der Nonne auch in Kleinenbroich und Bütt- 
chen, wo er vor der gräflichen Bank Strafanzeigen zu 
machen hatte«). In Erfweiler hatte der Honne für das Fest- 
halten und Abliefern der Verbrecher Sorge zu tragen 3 ), was 
doch sonst Aufgabe des Gerichtsboten zu sein pflegte. In 
Geyseren sollte der Honne andern Latengericht Strafanzeigen 
machen, auch wurde er daselbst dem Erzbischof von Köln oder 
dessen Amtmann vereidigt «). Zweifellos war er auch hier 
zugleich Gerichtsbote. Auch in Uerdingen war es Aufgabe 
des Honnen, bei dem Gerichtsherrn Strafanzeigen zu 
machen 5 ). In dem Hungericht vom Ormersheimer Berg 
endlich finden wir den Honnen bei der Hinrichtung von 
Verbrechern thätig 6 ). Gewiss hatte er auch hier die Stellung 
eines Fronboten. Dass der Honne so oft das Amt eines 
Fronboten bekleidete, ist aber noch kein Beweis gegen 
seine Eigenschaft als Vorsteher der Ortsgemeinde, fanden 
wir doch den Zender und Heim bürgen oft in ähnlichen 
Verhältnissen 

Nach einer so reichlichen Anzahl von Urkunden, die 
uns ein sicheres Zeugnis für die Stellung des Honnen als 
eines Fronboten abgeben, könnte es fast scheinen, als sei 
das Amt eines Vorstehers der niederrheinischen Orts- 
gemeinde stets mit dem eines Fronboten verbunden ge- 
wesen. Wäre das thatsächlich der Fall, so hätten wir 
damit ein Argument für die Behauptung, dass die Orts- 
gemeinde ein Glied des mittelalterlichen Staates war. Dem 
ist jedoch nicht so. Wir haben nämlich einmal eine Reihe 
von Urkunden, in welchen auch nicht die leiseste An- 
deutung für die Stellung des Honnen als eines Fronboten 
gemacht wird, und zwar in dem Weistum von Koslarbusch «), 
im Landrecht von Jülich»), in der Feldordnung von Düren'«), 
in der Bonner Schützenordnung") und in dem Weistum 
des Weldorfer Busches Sodann Huden wir in einigen 

*) S. Oben S. 2,2. *) S. oben S. 2.2. ") Grimm II S 30. «j oben 
S. 2X6 f. »I Grimm 6 S. 694 § «o. •) Grimm I. S. 796. V* oben S. 2g. 
8 ) S. oben S. 219. •) S. oben S. 22! f. >") S. oben S. 226 f. > S. oben 
S. 227. ") S. oben S. 220. 



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Hermann Schütze 



Urkunden neben dem Honnen noch ausdrücklich den Fron- 
boten oder „preco" genannt, so dass von einer Identili- 
cierung beider nicht die Rede sein kann. In dem Zülpicher 
Gerichtsbezirk soll der Schultheiss „deme boden bevelen, 
dat hey beboede dye hunnen ind dat lant . ."' ). In einer 
Urkunde vom Jahre 131 1 werden mehrere Gemeinden mit 
ihren Honnen erwähnt und neben ihnen wird der „preco" 
des Herren von Kempenich genannt 2 ). In einer Urkunde 
von 1437 erklärt ferner der Honne von Ahr auf der Mal- 
statt zu Wolfgruben, das Aufheben der gerichteten Ver- 
brecher „sollen der droysses, schulteis und der böte dun" :! ). 

Danach kommen wir zu dem Schluss, dass der Honne 
als Gemeindevorsteher ebensowenig durchweg Amtsknecht 
wie Geriehtsbote war. Finden wir ihn trotzdem öfter in 
solchen Stellungen, so haben wir die Vereinigung des 
Gemeindevorsteheramtes mit dem Amte eines Amtsknechtes 
oder Gerichtsboten als eine zufällige anzusehen. 

Wir haben bisher in der uns hier interessierenden 
frage nur von dem Honnen als Gemeindevorsteher 
gesprochen; wir sahen jedoch bereits oben, dass der 
Gemeindevorsteher am Niederrhein auch oft die Bezeichnung 
Bürger- oder Bauermeister führte. In den Weistümern 
und Urkunden nun, in welchen die letzteren Benennungen 
für den Gemeindevorsteher vorkommen, habe ich nur eine 
leise Andeutung von einer öffentlichen Stellung des Bürger- 
oder Bauermeisters nachweisen können. 4 ) Wir werden 
somit aus den Kompetenzen des niederrheinischen Gemeinde- 
vorstehers nicht sehliessen dürfen, dass der Vorsteher 
prinzipiell öffentlicher Beamter ist. Damit fällt zugleich 
das Argument für die Annahme, dass die Ortsgemeinde 
ein Glied des Staates ist. 



') Archiv I S. 249. 
*) Gilden II S. 1002. 
*) Graden II S. 1282. 

4 ) In Mayschoss sollte der neu angesetzte „ Bürgermeister aufheben, was 
zu Martini im verflossenen jähr fellig ist worden"; vgl. Annalen 16 S. 83 § 46. 
Vielleicht handelt es sich hier um die Erhebung des Herbstschal/cs ; jedoch 
kann man auch an fällige Gememdebassen oder Gemeindeabgaben denken; eine 
sichere Entscheidung lässt sich schwerlich trefl'en. 



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Bezirk und Organisation ilcr niederrheinischen Ortsgemeinde. 233 



Es wird ferner schon an dieser Stelle die Frage 
erörtert werden müssen, von wem der Gemeindevorsteher 
seine Amtsgewalt erhielt; denn auch in diesem Punkte 
werden wir ein Kriterium für die Zugehörigkeit der Gemeinde 
zum Staatsverbande vermuten dürfen. 

Nach dem oben Gesagten liegt wohl von vornherein 
die Annahme sehr nahe, dass die Einsetzung des Gemeinde- 
vorstehers überall dort vom Landesherrn oder dessen 
Beamten beeinflusst wurde, wo der Vorsteher zugleich 
Amtsknecht oder Gerichtsbote war. Hierfür bieten die 
Urkunden in der That manchen Anhalt. 1 ) Mir ist kein 
Fall bekannt geworden, nach welchem ein Gemeindevor- 
steher, der zugleich Amtsknecht oder Gerichtsbote war, 
nur durch die Wahl der Gemeinde eingesetzt wurde; 
vielleicht dürfen wir daraus schliessen, dass dieses \ er- 
fahren die Regel war. Andererseits werden wir später 
noch finden, dass der Gemeindevorsteher meistens dort, 
wo er nicht zugleich Amtsknecht oder Fronbote war, aus 
der freien Wahl der Gemeindegenossen hervorging. Erst 
im 18. Jahrhundert beansprucht der Landesherr öfter einen 
Einfluss auf die Wahlen. 

Es lässt sich demnach auch in der Einsetzungsform 
der niederrheinischen Gemeindevorsteher kein Argument 
für die Annahme nachweisen, dass die Ortsgemeinde ein 
Glied des Staates war. 

Der Gemeindevorsteher hatte die Gemeinde auch in 
privaten Angelegenheiten nach aussen hin zu vertreten 
So sollte der Honne nach dem Schiedsspruch des Ritters 
von Brühl in dem Streit der Herren von Kempenich und 
von Landskron, eine Waldnutzung betreffend, mit zwei 



') Der „ofticiatus Coloniensis" soll in der Grafschaft Hülchrath die Honnen 
„instituere et destituere"; die Honnen waren hier zugleich „precones" : vgl. 
Grimm VI S. 699 § 6. In Geyseren, wo die Honnen vor dem Latengerieht 
ihre Anzeigen zu machen hatten, wurden sie „gekuysf, und zwar jedenfalls 
von der Gemeinde, sie hatten dann aber dem Krzb. v. Köln resp. dessen 
Amtmann zu „hulden ind sweren"; vgl. Archiv 1 S. 278. Nach der Bergischen 
Gerichtserkundigung endlich sollte in dem Amt Hückeswagen das Honnenanu 
in der Gemeinde umgehen, „und dar es uffelt, muss man denselbigen willigen, 
sovern er dem amptmann gefellig". Vgl. Zeitschr. 20 S. 158. Der H<mm 
war hier zugleich Amtsknecht. 



234 



Hermann Schütze 



ehrenhaften Männern des Kirchspiels Königsfeld die Rechte 
seiner Gemeinde vertreten 1 ). Gemäss der zu Oberkassel 
und Beuel hergebrachten Eahrgerechtigkeit hatte der Bürger- 
meister von Oberkassel alle Jahre die Fahrmeister im 
Interesse der Gemeinde zu einem Essen einzuladen. Ebenso 
hatte der Bürgermeister von Römlintrhofen mit den Fahr- 

CD O 

meistern im Auftrage seiner Gemeinde Abrechnung zu 
halten 2 ). Dass die Gemeindevorsteher auch bei etwaigen 
Verkäufen von Gemeingut lebhaft mitwirkten, bezeugen 
landesherrliche Verordnungen 3 ). 

Betrachten wir jetzt die Thätigkeit des Gemeindevor- 
stehers in der inneren Verwaltung der Dorfgemeinde. Als 
Vorsteher des Dorfes führte er den Vorsitz im Dorfgericht, 
dem Nachbarding oder überhaupt in jeder Gemeindever- 
sammlung; hierüber soll jedoch an anderer Stelle gesprochen 
werden. 

Eine weitere Aufgabe des Gemeindevorstehers war es, 
Schadenbesichtigungen vorzunehmen 4 ). Derartige Besich- 
tigungen konnte der Vorsteher natürlich nur namens der 
Gemeinde anstellen, welche im Besitz der Strafgewalt über 
die Gemeindegenossen war. 

Nur wenn der Gemeindevorsteher gleichzeitig Vor- 
sitzender des Dorfgerichtes war, können wir es ferner ver- 
stehen, dass er auch Pfändungen im Namen der Gemeinde 
vornehmen durfte. So zahlten die Mayschosser Bürger- 
meister für ihr Pfändungsrecht an den Vogt eine jährliche 
Abgabe. Sie besassen aber das Pfändungsrecht nur so 
lange, als die Gemeinde es ihnen erlaubte. Wer sich ihrer 

') Gilden II S. 1002. 
*) Grimm V S. 336. 

:l ) So besagt eine solche vom Jahre 1728: „dass keinem Scheden, vor- 
steheren und übrigen benachbarten zustehe, ohe dero landesfUrstlichen consens 
das allermindeste von denen gemeinden, selbige bestehen in gras, holz und 
sonstigen waehstumbs, zu versetzen, vertauschen, verkaufen oder sonstwie zu 
alienieren". Vgl. Scott! No. 474 u. 1276. 

') Vgl. die Feldordnung von Düren in $ 2, Materialien S. 115. In 
Oberdollendorf sollen die Geschworenen „uf erforderen" des Bürgermeisters 
„gclciter und besichtigung leisten" . . . vgl. Beiträge IX S. 121. In Fischenich 
„mögen die nachparn beleit halten, wannehc einer dem anderen schaden gelhan" . , . 
vgl. Annalcn 11 S. 122. Wie der Bauermeister hier die Gemeindeversammlung 
geh-itet hat, so auch gewiss die Schadenbesichliguiigen der Nachbarn. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinisehen ( htsgemeindc 235 

Pfändung widersetzte, hatte dem Gerichtsherrn und den 
Nachbaren hohe Strafe zu zahlen >). Andere Bürgermeister, 
wie die der Dörfer Rech und Dernau durften in Mayschoss 
selbst keine Pfändungen vornehmen, wenn etwa ein May- 
schosser sich auf der Gemarkung jener Dörfer vergangen 
hatte. Ihnen mussten die Pfandobjekte vor das Dorf ge- 
liefert werden, wenn sie es verlangten 2 ). Ahnlich war es 
in Holzlar») und in Oberdollendorf 4 ). Von dem Honnen 
wissen wir ebenfalls, dass er Pfändungen vornahm 6 ). Der- 
artige Pfändungen hatte der Gemeindevorsteher vorzu- 
nehmen, wenn ihm die fälligen Bussen verweigert wurden 
oder wenn es sich um die Erhebung einer Abgabe zu 
Gemeindezwecken handelte «). Diese Amtsbefugnis der 
Gemeindevorsteher, für Gemeindebedürfnisse Abgaben von 
den Gemeindemitgliedern einzuziehen, hat sich bis über 
die Mitte des 18. Jahrhunderts erhalten 7 ). 

Ferner führte der Gemeindevorsteher auch die Ober- 
aufsicht über den gemeinsamen Weidegang. Der Weide- 
gang der Ortsgemeinde beruhte auf dem Prinzip der 
Gemeinsamkeit; es war streng verpönt, sog. Winkelweiden 



') Anoden 16 S. 7b § 2 <> 2 '- 

«) Annalen' 25 & HS § S 1 : K * solllc diu -nachl.arschaft mit dem bnrge- 
meister kommen und vor die pfendt stehen . . .« wenn jemand „Strafwürdig 
soll gefunden werden". 

*) Beiträge IX S. 221: Die Geschworenen durften „ulermitz den rechter 
<= bürgermeister) und ihrer zween von den geschworenen pfänden . . .•• 

<•) S oben S. 213. Friedrich Woeste schliesst daraus, dass der Honne 
auch Pfändungen 'vornahm, er sei ..zum Bauernfrohn herabgesunken». Vgl. 
ZeitSCbr IX S. 46 No. 5. Diese Schlussfolgerung ist nach dem eben Gesagten 
unrichtig; die Bürgermeister nahmen sehr oft Pfändungen vor, deshalb Wirf 
man sie dennoch nicht zu Bauerfronen machen. 

•) Zeitaebr. IX S. 4«' Nö. 5: „ock mögen unse vorges. böigere . . er 
heirdenlohn (Hirtenlohn) «Upende,, mit erem hundc". Über die bezügliche 
Stelle im Weistum von Mayschoss ist soeben (S. 232 a. 4) gesprochen worden. 
Weitere Belegstellen finden sich in den Weistümem von Breisig, Ze.tschr. 12 
S. ,90, Fischenich, Annalen II, S. .24, Holzlar, Annalen 25 S. 245 § 49. Ober- 
dollendorf, Beiträge IX £,,117, * ^ 0ri,nun * ''^ Weihers.rasse. hnnen 

U S. 216 $ 57. . , 

') Im Jahre 175. bestimmt ein Edikt, Geldumlagen im Interesse ,1er 
Gemeinden sollen nur noch mit landesherrlichem Konsens gestattet se,n; vgl. 
Scotti I No. 1701. 



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23(i 



Hermann Schütze 



zu machen. Ober die Einhaltuno- dieser Ordnung hatte 
der Vorsteher zu wachen, nur er durfte unter gewissen 
Umständen dem Einzelnen erlauben, sein Vieh besonders 
zu hüten'). An ihn hatten ferner Schützen und Hirten 
ihre Anzeigen über Übertriften zu bringen 2 ), auch besichtigte 
er manchmal erst das zum Weidegang bestimmte Vieh, 
damit nicht kranke Tiere mit auf die Weide gingen 3 ). 

Dass der Honne auch zuweilen die Aufsieht über das 
im Gemeinwalde zu schlagende Holz haben konnte, haben 
wir oben bei Besprechung der Weistümer von Koslarbusch 4 ) 
und Weldorf 5 ) gesehen. Ebenso wurde in Breisig der in 
der Mark angerichtete Schaden durch „den bürgerlichen 
maister und merckmaister" gestraft"). 

e) Die Einsetzung des Gemeindevorstehers. 

Für die Art der Einsetzung des Gemeindevorstehers 
lässt sich für unsere Zeit ein durchaus gleichartiges Ver- 
fahren nicht nachweisen. Ursprünglich wird, wie überall 
in freien Dorfgemeinden, der Honne aus der freien Wahl 
der Dorfgenossen hervorgegangen sein. Einen urkundlichen 
Beleg kann ich freilich für die frühere Zeit nicht anführen, 
aber mit Rücksicht auf den späteren Brauch kann man 
wohl diesen Rückschluss wagen. Von einer Wahl des 
Honnen spricht das Weistun) des Kirchspiels Geyseren 
aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts'). Wer hier wählt, 
wird nicht gesagt, jedenfalls doch die Gemeinde. Nach 
den Kostümen des Kirchspiels Viersen wurden die Honnen 
von Schöffen gewählt 8 ). Eine weitere Art der Einsetzung 
des Honnen lernen wir in dem Bergischen Amt Hückes- 
wagen im Jahre 1555 kennen»); hier hatte die Einsetzung 

') Annalcn iG S. Si § 

*) Materialien S, 113 § 1 und Ermen IJ s. 211 5? 7. 

8 ) Materialien S. 115 $ 11 und f2. 

*) S. oben S. 219. 

*) S. oben S. 220. 

•) Zeilschr. 12 S. kjo. 

7 ) Archiv 1 S. 278. 

8 ) Archiv J S. 217. 

°) Zeilschr. 20 S. 158. 



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Bezirk »nid Organisation der niederrheinischen Ortsgemcindc. 237 

die Form des gewiss sehr alten Reihedienstes angenommen, 
jedoch mit einer vielsagenden Klansei: der Amtmann muss 
sich mit dem Betreffenden einverstanden erklären. Dieses 
Mitbestimmungsrecht des Amtmannes bei der Einsetzung 
des Gemeindevorstehers rindet in gewissem Sinne sein 
Gegenstück in dem Anspruch des Landesherren, den 
Gemeindevorsteher absetzen zu dürfen, wie er in den 
landesherrlichen Verordnungen des 18. Jahrb. auftaucht 
Nach dem Weistum der Grafschaft Hülchrath von 1404 
sollten sogar die Hunnen von den Amtleuten des Kölner 
Krzbischofs ein- und abgesetzt werden *). Diesem Einsetzungs- 
modus stellt sich der von Oberdollendorf an die Seite. 
Hier hatte die Nachbarschaft nur eine beratende Stimme 
bei der Einsetzung ihres Vorstehers, die der Abt von 
Heisterbach vornahm a ). In dem Mayschosser 4 ) Weistum 
wird bei seinen sonst recht eingehenden Bestimmungen, 
die uns von dem auch damals wohl bei Vorstandswahlen 
sehr verbreiteten Cliquenwesen ein anschauliches Bild 
entwerfen, nichts darüber gesagt, wer die Wahl vornimmt; 
wenn aber der Bürgermeister nach der Vorschrift dieses 
Weistums der Gemeinde einen Amtseid zu leisten hat, so 
ist wohl anzunehmen, dass die Gemeinde ihn wählte. Von 
einem „angesetzt werden", d. h. einer Wahl, des neuen 
Bauermeisters spricht auch das Kischenieher Weistum 0 ) 
von 1597. In Niederdollendorf wird der neue Bürger- 
meister „erwählt* 10 ) und ebenso in Oberkassel und Beuel 7 ). 
Einen eingehenden Bericht über die Einsetzung des Bürger- 
meisters bietet endlich das Weistum von Breisig«). 

Dass der Wahlmodus im 18. Jahrh. im Herzogtum 
Berg allgemein gebräuchlich war, beweist die Thatsache, 



') Scotti II No. 2237. 

'-') Grimm VI S. O98 § (>. Ich verweise hierbei aul unsere obige 
orterung anlässlich der Einsct/.ungsformen des Gemeindevorstehers, S. 233. 



«) Annale« 16 S. 76 § 2. ») Annale 11 S. .24. •) Annale,, .9 S, 287. 



3 ) Beiträge IX S. 125 t? 9. Im Oberamt neuDronn siauu u« * 
des Gemeindevorstehers wie überhaupt last aller Gemeindebeamten 1 
Kinfluss der Grund- «.der Gerichlsherrschaft ; vgl. Württ. Jahrbb. f. 
und Landeskunde, ]ahrg. «899 Heft . S. 3«-4* A '» Niederrhein 



Im Oberamt Heilbronn stand die Einsetzung 




uns solche Verhältnisse nur ausnahmsweise. 



7 ) Grimm V S. 33t). 8 ) Zeitschr. 12 S, 189. 



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838 



Hermann Schütze 



dass die landesherrlichen Edikte von einer Wahl der Ge- 
meinheitsvorsteher sprechen 1 ). In dieser Zeit hat der Ein- 
rluss des Landesherrn schon tief in die früher autonome 
Einsetzung der Dorfvorsteher durch die Gemeinde ein- 
gegriffen. Die eben citierte Verordnung verbietet nämlich 
die Wahl solcher Gemeinheitsvorsteher, welche den bis- 
herigen bis zum dritten Grade verwandt sind, bei Strafe 
der Kassation. 

Es war wohl meistens Sitte, dass der Gemeindevor- 
steher bei Gelegenheit seiner Einsetzung von der Gemeinde 
vereidigt wurde 2 ). 

Über Ort und Zeit der Einsetzung lässt sich nicht 
viel sagen. Die Bürgermeister von Oberdollendorf, Nieder- 
dollendorf und Oberkasse] wurden bei Gelegenheit des 
Nachbargedinges eingesetzt' 1 ); in Breisig wurde er auf 
dem „merckergeding" gewählt, welches jedenfalls dem 
Nachbarding entsprach 4 ); eine Sitte, die gewiss all- 
gemeine Gültigkeit hatte, wenn sie mir auch nur in diesen 
wenigen Fällen bekannt geworden ist. Bei solch einem 
Nachbargeding war die ganze Gemeinde zugegen, da lag 
es also sehr nahe, hierbei die Einsetzung des neuen Ge- 
meindevorstehers vorzunehmen. 1 

Von den 6 Fällen, die ich über die Zeit der Einsetzung 
zusammengestellt habe, fallen fünf in den November 6 ; und 
einer in den Februar 0 ). Man darf hieraus nicht den unbe- 
dingten Schluss ziehen, dass die Einsetzung des Gemeinde- 

') Scotti It No. 2237. 

-) So hatte in Mayschoss der Bürgermeister zu „geloben, der gemeinden 
holt und treu zu sein"; vgl. Annalen 16 S. 71) 14. Ebenso schwört der 
neu eingesetzte Bürgermeister in Breisig, „treu und holt zu sein and alles das 
zu thun, was ein burgermeistcr zugehoert"; vgl. Zeitschr, 12 S. 189, Wenn 
der Gemeindevorsteher zugleich Gerichtsbote war, wurde er oft von dem Ge- 
richtsherren vereidigt; s. oben S. 216 f. 

:> ) S. d. Anm. .5, 6 und 7 auf S. 237. 

4 ) Zeitschr. 1 2 S. 189. 

*) In Mayschoss zu Martini = 10. Nov. (Annalen 16 S. 83 § 46), in 
Oberdollendorf zur selben Zeil (Beiträge IX S. 125 § 9), in Niederdollendorf 
am 21. Nov. (Annalen 19 S. 287), in Oberkassel am „allerseelentag" = 1. Nov. 
(Grimm V S. 336) und in Breisig am „mittwoch als nach s. Martini" (Zeitschr. 

12 S. 189). 

ü ) In Viersen „up st. Blasii" = 3. Febr. (Archiv I S. 217). 



Bezirk und Organisation der oiederrheinischen Ortsgemelnde. 239 



Vorstehers immer im Winter vor sich gegangen sei, aber 
in sehr vielen Fällen trifft das gewiss zu. Die Übernahme 
dieses Amtes war doch wohl immer mit einer Reihe von 
Arbeiten verbunden, die der neu eingesetzte Vorsteher im 
Winter besser besorgen konnte als im Sommer bei der 
drängenden Feldarbeit. 

Wir haben oben (S. 214) bereits gesehen,- dass manche 
Höfe nicht zu der Übernahme des Gemeindevorsteheramtes 
verpflichtet waren. Dieses Vorzuges erneuten sich, wie 
G. v. Below nachgewiesen hat 1 ) und wie aus den an obiger 
Stelle angeführten Urkunden leicht ersichtlich ist, nur solche 
Höfe, welche im Besitz bevorrechteter Stände, insbesondere 
der Ritterschaft, waren. Von dieser Regel ist mir nur 
eine Ausnahme bekannt geworden 2 ). 

f) Die Dauer des Gemeindevorsteheramtes. 

Die Dauer des Gemeindevorsteheramtes hat wohl bis 
auf wenige Ausnahmen ein Jahr gewährt. Genau wissen wir 
das von den Dörfern Viersen a ), Niederdollendorf 4 ) und 
Oberkassel "')■ Sehr wahrscheinlich werden wir dieselbe 
Amtsdauer in dem Bergischen Amt Hückeswagen anzu- 
nehmen haben, wo wir bei der Einsetzung der Gemeinde- 
vorsteher die Form des Reihedienstes kennen lernten ,: ). 
Diese Amtsdauer wird sich gewiss der allgemeinsten Ver- 
breitung'' erfreut haben; denn mochte das Vorsteheramt als 
eine Last oder als ein Vorzug empfunden werden: in dem 
ersten Fall suchte jeder es so schnell wie möglich wieder 
los zu werden, in dem zweiten wachten die Gemeinde- 
Genossen darüber, dass der einzelne sich dieses Vorzuges 
nicht gar zu lange erfreue. Manchmal wurde dem Ge- 

') Territorium und Stadt S. 124. 

-) In Niederdollendorf wird i. J. 1 (><)(> der Fronhai f man n des adligen Stifts 
Vilich zum „neuen Bürgermeister . . . erwählt"; vgl. Annalei) 19 S. 288. 
Freilich ist damit nicht gesagt, dass der Halfmann ZU der Übernahme dieses 
Amtes verpflichtet war, es hing vielleicht ganz von seinem freien Willen ab, 
ob er es thun wollte oder nicht. 

») Archiv I S. 217. 

4 ) Annalen 10 S. 287. 

») Grimm V S. 33 6 - 

•j Zeitschr. 20 S. 157. 



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240 



Hermann Schütze 



meindevorsteher aber auch nachweislich eine längere Amts- 
zeit zugestanden. In dem Oberdollendorfer Weistum lesen 
wir, dass der Abt von Heisterbach auf dem Geding zu 
Martini alle Gemeindebeamten und darunter auch den 
Bürgermeister „mit raide der nachbarschaft" absetzen oder 
noch in Dienst lassen darf). Die Amtszeit währte also 
auch hier ein Jahr, es durfte aber derselbe Gemeinde- 
genosse, wie es scheint, beliebig lange das Amt bekleiden, 
wenn er für tauglich befunden wurde. Auch in Mayschoss 2 ) 
war die Amtszeit als solche einjährig, nur sollte ein und 
dieselbe Person nicht länger als 2 Jahre hintereinander 
das Amt versehen. Nach all den eben citierten Stellen 
hat es den Anschein, als habe die einjährige Dauer des 
Gemeindevorsteheramtes allgemeine Gültigkeit in den Terri- 
torien des Niederrheins gehabt. 



g) Die Zahl der Vorsteher in einer Gemeinde. 

Was die Anzahl der Gemeindevorsteher in einer Ge- 
meinde anlangt, so habe ich ausser in zwei Fällen überall 
nur einen Honnen resp. Bürgermeister in einer Gemeinde 
vorgefunden. Ich erspare mir hier das Citieren der oft 
erwähnten Stellen und verweise nur auf die Gerichtser- 
kundigung im Herzogtum Berg und auf die Weistümer 
von Fischenich, Ober- und Niederdollendorf, Holzlar u.a. 
Kine Ausnahme von dieser Regel rinden wir in den Kostümen 
des Kirchspiels Viersen, nach welchen die Schöffen alle 
Jahr „zwey honnen setzen" sollen 'h Leider ist mir ausser 
Lacomblets kurzer Notiz nichts weiter aus diesen Kostümen 
bekannt geworden, und was ich in Norrenbergs Angaben 
über Viersen gefunden habe, ist noch weniger imstande, 
Klarheit über diese Verhältnisse zu verbreiten. Viersen 
zerfiel in 9 Honnschaften, von welchen ursprünglich jede 
ihre gesonderte Verwaltung hatte 4 ). Diese Verwaltung 
scheint sich jedoch nur auf die Ortsverwaltung im engeren 



') Beiträge IX S. 1 25 ^ 9. 

-) Annalen I(> S. ;6 § 24. 

:l ) Archiv I S. 217. 

') Xorrcnbcrg: Aus dem Viersener Bannhuch S. 39. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. ^41 

Sinne bezogen zu haben 1 ); denn die finanzielle Verwaltung 
der ganzen Gemeinde, also aller 9 Honnschaften, ruhte in 
den Händen zweier Bürgermeister, die jährlich aus den 
Schöffen und Geschworenen, für die Laekseite und die 
Kirchseite 2 ) je einer, gewählt wurden, und zwar hatten 
sie es besonders mit Steuererhebung zu thun. Diese 
beiden Bürgermeister dürften danach wohl mit den 
beiden in den Kostümen genannten Honnen identisch sein. 
Danach hätten wir dann 9 Honnschaften mit 2 Honnen. 
Hiermit lässt sich aber weder der Charakter der Honnschaft 
als Ortsgemeinde, noch der des Honnen als Gemeinde- 
vorstehers vereinbaren, was doch beides so vielfach bezeugt 
ist. Mit dem mir vorliegenden Material vermag ich eine 
abschliessende Krörterung dieser Frage nicht vorzunehmen, 
ich kann nur die von Norrenberg gemachten Angaben in 
Zweifel ziehen, da er sich in den wenigsten Fällen bemüht 
hat. die Quellen anzugeben, aus denen er schöpfte. 

Diezweite Ausnahme finde ich in dem Mayschosser Weis- 
tum. Hier „mögen die lehnherren oder ihre befehlhaber die 
theilweingarten und erb . . . mit dem schellen und zwe}'en 
burgermeisteren" besehen lassen-' 1 ). In dem weiteren Wort- 
laut dieses VVeistums heisst es dann aber bald „der burge- 
meister" bald „die burgemeister". Mir will es scheinen, 
als habe es nur einen Bürgermeister als Gemeindevorsteher 
gegeben, und als habe der gewesene Bürgermeister noch 
längere Zeit diesen Titel mit gewissen Vorrechten geführt. 
In demselben Sinne dürfen wir vielleicht auch eine landes- 
herrliche Verordnung vom Jahre 1 741 verstehen. Darin 
wird verlangt, es soll den in den Amtern nötigen 
Gemeindevorstehern mit Abschaffung der überflüssigen 
ihr jährliches Gehalt fortbezahlt werden. Die gewesenen 
Vorsteher haben möglicherweise noch gewisse Gebühren 
beansprucht, und diesem Brauch will die Regierung ein 
Knde machen. Jedoch muss zu der letzten Ausführung 

») A. a. O. s. 39. 

2 ) A. a. O. S. 0: Viersen zerfiel in eine Laekseite und eine Kirchseite; 

•n die Laekseite gehörten fünf, in die Kirchseite vier Honnschaften (ohne 
Quellenangabe!). 

") Annalen 16 S. 77. 
Jahrbuch XV. |fi 



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242 



Hermann Schütze 



bemerkt werden, dass es in anderen deutschen Territorien 
nicht eben selten war, wenn eine Gemeinde mehrere Vor- 
steher hatte, das hat Maurer überzeugend nachgewiesen 1 ). 
Immerhin dürfte es für die niederrheinischen Territorien 
Kegel sein, dass die Ortsgemeinde nur einen Vorsteher 
hatte. 

h) Die Besoldung des Gemeindevorstehers. 

Eine letzte Frage wäre endlich, ob der Gemeindevor- 
steher ein Gehalt für seine Amtsführung erhielt. Für die 
ältere Zeit lässt es sich nicht nachweisen, wir finden viel- 
mehr, dass er bei der Ausübung gewisser Amtshandlungen 
Sportein bezog. So fiel ihm, der die Pfändungen vorzu- 
nehmen hatte, ein Teil der Bussen zu' 2 ). Oft hatten 
die Gemeindevorsteher auch besondere Vorrechte in 
Gemeindenutzungen Von einem festen Gehalt des 
Honnen finde ich die ersten Angaben in der Gerichts- 
erkundigimg von Berg aus dem Jahre 1 555. Hier hatte 
der Honne öffentliche Gefälle zu erheben. Die dafür 
gewährte Belohnung, die hier erwähnt wird 4 ), erhält der 
Honne natürlich nur wegen dieser speciellen Funktion; 
wie es sonst mit seinen Einnahmen stand, darüber darf 
man aus der Erkundigung keinen Schluss ziehen. Eine 
landesherrliche Verordnung von 1696 verbietet den Schöffen 
und Vorstehern auf dem Lande „eine sichere morgenzahl 
steurbarer ländereien in den steuren one unterscheid für 
sich" freizuhalten. Statt solcher Steuerfreiheit sollen sie 

') Dorfverfassung II S. 32 11". 

-) Nach der Urkunde von Maxlrain in Trier bekam der Honne l / 3 der 
Gerichtsbussen (Grimm IV S. 742 ij 3). In Obcrdollendorf sollten „die ge- 
wöhnliche nachbarkühren allzit dem rechter gebühren" (Beiträge IX S. 124). 
In Breisig sollte sich der Bürgermeister mit dem Märkermeister in „die pussen 
theilen". (Zeitschr. 12 S. 190). In Düren sollte der Honne bei jeder Sehaden- 
besichtigung „19 alb." bekommen (Materialien S. 112 $ 201. Vgl. auch die 
Bonner Schützenordnung, Archiv I S. 232. 

:l j In Weidorf bekam der Honne alles vom Winde niedergebrochene Holz 
(„windtschlegc") und dazu noch ein Fixum von „14 heister" (= Buchenstamme); 
vgl. Grimm IV S. 7S1 § 10 und 15. In Koslarbusch sollte mit Ausnahme des 
Försters und des Honnen niemand etwas von seiner Waldnutzung verkaufen; 
vgl. Grimm IIIS. 856. 

4 ) Zeitschr. 20 S. 134. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeimle. 24-3 



eine jährliche Besoldung von 8 Rthlr. erhalten, die gleich 
bei den Steuerumlagen „mit repartiret" werden sollen '). 
Wir kommen also zu dem Resultat, dass der Gemeinde- 
vorsteher am Niederrhein meist kein festes Gehalt von 
seiner Gemeinde bekam, sondern auf gewisse Amtssporteln 
und Vorrechte in Gemeindenutzungen angewiesen war. 

Im Jahre 1807 machte die von Frankreich in die 
niederrheinischen Lande eingeführte Mairieverfassung der 
alten Gemeindeverfassung und damit auch dem Gemeinde- 
vorsteheramt in dem alten Sinne mit einem Schlage ein 
Ende. Der Maire oder, wie er bald deutsch genannt wurde, 
der Bürgermeister repräsentiert in jedem Punkte fast etwas 
anderes als der alte Gemeindevorsteher, der Honne oder 
Bürgermeister. 

2. Feldschützen. 

Ein wichtiger Unterbeamter der Dorfverwaltung ist der 
Feldschütze. Seine Existenz kann ich mit wenigen Aus- 
nahmen nicht früher als für das 16. Jahrh. nachweisen; 
damit will ich aber nicht behaupten, dass es in unserem 
Gebiet nicht auch schon früher Feldschützen gegeben hat. 
Gewiss waren sie da, nur sind mir zu wenig Dorfweistümer 
aus früheren Zeiten bekannt geworden, und Hof- und 
Markenweistümer sprechen natürlich nicht von ihnen. 

Der Schütz war Gemeindebeamter, das erhellt am ein- 
fachsten daraus, dass er der Gemeinde seinen Amtseid 
leisten musste 2 ). 

Was die Obliegenheiten des Schützen anlangt, so war 
es seine Aufgabe, die Dorfmark zu beaufsichtigen und 
etwaige Frevel zur Anzeige zu bringen''). 

'i Scotti I No. 845. 

-i In Niederdollendorf sollte kein Schiit/, atigestellt werden, der nicht 
zuvor „seinen aydt geleistet" hat (Annalen IQ S. 277). In Mayschoss sollten 
die Weingartsschützen auch ..ihre aidte ihun" (Annalen 16 S. 80 § 30). In 
Oberdollendorf vereidigte der Grundherr die Schützen (Beiträge IX S. 215 § 9.) 
und in Breisig der Bürgermeister (Zeitschr. 12 S. 189). 

») Vgl. hierüber die Weistiimer von Mayschoss (Annalen 16 S. 80 $ 3°). 
Fischenich (Annalen 11 S. 123), Holzlar (Annalen 25 S. 241), .Oberdollendorf 
(Beiträge IX S. 127), Heerdt (Annalen 25 S. 230). Breisig (Zeitschr. 12 S. l«)(>) 
und die Bonner Schützenordnung (Archiv 1 S. 232). 

16* 



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244 



Hermann Schütze 



Die Jahreszeit, in welche die Hauptthätigkeit der 
Schützen hol, war natürlich der Sommer. In Oberdollen- 
dorf sollten sie von Mitte März bis Weihnachten ihres 
Amtes walten •). In der Zeit von Weihnachten bis zum. März 
scheinen sie dann von ihrem Amte dispensiert worden zu 
sein. In dieser Zeit war ja auch kaum etwas zu beauf- 
sichtigen, darum werden wir Ähnliches auch anderswo 
vermuten dürfen. Die Dürener Feldordnung«) aber verlangt 
von dem Schützen, er soll „nicht allein den Summer über, 
sunder auch den wynter und das gantze jair des feldts 
und gemeinden acht nehmen". 

Bei besonderen Gelegenheiten, wie etwa bei einem 
Festmahl, welches der Dorfvorsteher in Vertretung der 
ganzen Gemeinde geben musste, hatten die Schützen noch 
Nebenaufgaben. Die Oberkasseler Fahrgerechtigkeit besagt 
anlässlich eines solchen Vorkommnisses, es sollte von den 
zwei „nachbarschützen" der eine die „birnen braten, der 
andere soll die kohlen schütten, dahe es nötig ist" . . Sie 
hatten hier also einen kleinen Teil der Bedienung zu über- 
nehmen 3 ). 

Für seine Thätigkeit im Gemeindeinteresse musste der 
Schütze einen Entgelt haben. Fr bezog dafür ein Gehalt 
der meist aus Naturalien, aber auch oft in Geld bestand. 
In Holzlar bekam er je nach der Grösse des von einem 
Hofe bewirtschafteten Feldes, bald mehr oder weniger 
Garben 4). Es war dann wohl überall Sache des Schützen, 
sich diesen Lohn einzusammeln. Nähere Angaben über 
diesen Punkt finde ich nur in der Ordnung der Weiher- 
strasse 5 ). Die Verteilung des Schützengehaltes auf die 
Gemeinde nach dem Princip der Grösse der bestellten 
Felder musste naturgemäss der grösseren Inanspruchnahme 
des Schützen bei der Beaufsichtigung der grösseren Felder 
entsprechen. I n Niederdollendorf bestand das Gehalt des 
Schützen nur aus Naturalien; und zwar erhielt er neben 



') Beiträge IX S. 128. 

' J ) Materialien S. 112 $ 24. 

*) Grimm V S. 336. 

') Annalcn 25 S. 24 1 § 15, Mi. 17, iS. 

Ennen (I s. 216 ij 41. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinisclien Ortsgemeinde. 



245 



»Jen üblichen Garben noch gedroschenes Korn und Wein. 
Interessant ist hier die Bestimmung, dass der Hof von 
Langenberg von dem untersten Gewann, und der Breders- 
hof von dem Berggasserfeld nur dann dem Schützen Garben 
z u geben haben, wenn diese Felder besät sind 1 ). Hier 
käme also bei der Verteilung der Schützenabgaben neben 
der Grösse der Felder noch die Frage in Betracht, ob die 
Gewanne auch besäet sind. Nach dem herrschenden Drei- 
feldersystem musste ja immer der dritte Teil der Feldmark 
mit Winterung bestellt werden; es war aber hierbei von 
Wichtigkeit, ob die bestellten Gewanne dem Dorfe näher 
oder entfernter resp. von einander weit entfernt lagen; die 
grössere Entfernung bedingte auch eine angestrengtere 
Thätigkeit des Schützen. Im Mayschosser Weistum findet 
sich die Bestimmung, dass der Schütze von jedem Stück 
Vieh, welches er auf Schaden antrifft und pfändet, ein 
halbes Quart Wein haben soll, ohne Unterschied, ob das 
Vieh gross oder klein ist 2 ). Diese Anordnung ist ent- 
schieden sehr dazu angethan, den Eifer der Schützen in 
ihrer Amtstätigkeit anzuspornen. Derselben Bestimmung 
begegnen wir auch in Oberdollendorf ;J ). 

Bei der Einsetzung des Schützen dürfte die Frage mit 
zu berücksichtigen sein, ob das Schützenamt als Haupt- 
oder Nebenberuf aufgefasst wurde. Das Schützenamt wurde 
nämlich nicht immer als Hauptberuf angesehen. In dem 
Dorfe Heerdt sollten gemäss der uns erhaltenen Weide- 
ordnung jährlich 4 Schützmeister ausgelost werden 4 ). Die 
Benennung Schützmeister könnte hierbei auffallen; aber 
das Weistum weist ihnen dieselbe Thätigkeit zu, wie sie 
sonst die Schützen haben. Wenn nun von einer Aus- 
losung die Rede ist, so kann sich dieselbe doch nur auf 
die Nachbaren der Gemeinde beziehen, und es ist nicht 
anzunehmen, dass der so für das Schützenamt bestimmte 



') Annalen [9 S. 2". 

•) Annalen l<> S. So § 32. 

»j Beiträge IX S. 127. Vgl auch dprtselbst das Schützengebalt Weitere 
Ansahen über das Schüteengehalt bietet auch die Dürener Feldordnung, Ma- 
terialien S. 112 § 18. 

') Annalen 25 S. 230 § 10. 



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240 



Hermann Schütze 



Bauer seine ganze Ackerwirtschaft aufgeben rousste und 
nur seinem Amte lebte, sondern dieses Amt konnte für 
ihn nur die Geltung eines Nebenberufes haben. Diese 
Art der Einsetzung und Haltung der Schützen hatte wohl 
die gute Seite, dass man dabei billiger wegkam, als wenn 
man einem Schützen ein Gehalt geben musste, von dem 
er leben sollte. Eine kleine Vergütung bekamen jedoch 
die Heerdter Schützmeister, denn in den späteren Kirchen- 
rechnungen wird eine Ausgabe von 7 Schilling jährlich 
unter dem Titel „Schützenführersgeld'' angegeben, was 
doch wohl als eine Art Gehalt der Schützenmeister anzu- 
sehen ist 1 ). Man wird wohl annehmen können, dass überall, 
wo die Zahl der Schützen ungewöhnlich gross ist, also 
wo sie etwa zahlreicher als ein oder zwei auftreten, das 
Schützenamt als Nebenberuf anzusehen ist. In Mayschoss 
gab es 7 Weingartsschützen 2 ). Wenn nun hier die Gemeinde 
jedem der 7 Schützen dasselbe Gehalt hätte zahlen müssen, 
welches der Schütz von Holzlar oder Niederdollendorf 
bezog, und welches er offenbar zum Lebensunterhalt absolut 
nötig hatte, so würde das für Mayschoss eine grosse und 
kaum erschwingliche Ausgabe gewesen sein. Ks ist daher 
wohl als sicher anzunehmen, dass die 7 Mayschosser Schützen 
ihr Amt ebenso wie die 4 Heerdter Schützenmoistor als 
Nebenberuf ausübten. Leider wird uns nichts über die 
Form ihrer Fansetzung gesagt, es wäre sehr möglich, dass 
hierbei die Auslosung oder der Reihedienst massgebend 
war. In Breisig' 1 ) rinden sich nach dem Weistum von 1550 
„sechs schützen". Der Bürgermeister „kiest" dieselben 
auf dem „merckergeding" jährlich „mit willen der alten 
schützen". Die grosse Zahl der Schützen und ihre jährliche 
Wahl durch den Bürgermeister scheint mir darauf hinzu- 
deuten, dass das Schützenamt auch hier als Nebenberuf 
ausgeübt wurde. In Oberdollendorf wurden im Jahre [566 
neben den 2 „kirspelschützen" in Oberdollendorf noch 
5 sog. „nachschützen" angesetzt, und in Niederdollendorf 



') A. .1. O. s. 230. 

-) AnnalL-n l6 S. So § 30. 
*) Zcitschi-. 12 S. 189. 



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247 



neben einem „kirspelsschützen" 2 „nachschützen" ')• Während 
die Kirchspielsschützen neben ihren Einnahmen aus den 
Busssätzen noch ein festes Gehalt bezogen 2 ), wird bei den 
„nachschützen" nur von dem ersteren gesprochen. Jeden- 
falls versahen diese Nachschützen ihr Amt auch nur im 
Nebenberuf; sie wurden angesetzt, um die Kirchspiels- 
schützen in ihrer Thätigkeit zu unterstützen. Daneben 
hatten aber auch noch die Gemeindemitglieder das Recht 
und die Pflicht Strafanzeigen zu machen"-). Die letztere 
Bestimmung findet sich auch im Wcistum von Rheidt 4 ) 
und in der Ordnung der Weiherstrasse 5 ). 

Wo wir in einem Dorfe nur einen oder zwei Schützen 
antreffen, wird man das Schützenamt wohl als Hauptberuf 
anzusehen haben. Die gewöhnliche Form der Einsetzung 
wird das Mieten des Schützen gewesen sein Ausdrücklich 
sagt das das Fischenicher Weistum 6 ); von einer Wahl des 
Schützen wird nirgends gesprochen, die Schützen werden 
immer „angesetzt", so in Niederdollendorf 7 ), Holzlar 8 ), 
Oberdollendorf ö ) und Düren 10 ). Manchmal hatte auch der 
Grundherr in einem Dorfe den Schützen einzusetzen 11 ). 

Wenn der neue Schütze eingesetzt war, war es oft 
bräuchlich, ihn in seinen Amtsbezirk einzuführen* 2 ). 

Die Amtszeit des Schützen war nicht überall die gleiche. 
In Heerdt sollten jährlich 4 Schützmeister ausgelost werden '•'>). 
In Mayschoss") soll „die gemeindte haben alle Jahrs 



') Beitrage IX S. . 27. *) A. a. o. S. . 14 ff. *) A. a. 0. S. 127. *\ Archiv 
VII S. 318. Ä ) Ermen II S. 212 § 14 II. 15. 

''•) Item die nachbaren haben die erste kener, einen schützen zu mieden- . . 

Vgl Annalen II S. 1 23. 

7) Annalen 10 S. 277. H ) Annalen 25 S. 241. ») Beiträge IX S. 125 § 9. 

I0 ) Materialien S. 1 1 2 § 23. 

") In Vogtsbell hatte die Äbtissin von Meer 3 Ämter zu „besitzen", einen 
Boten, einen Förster, „das dritt ist ein schütze in dem Velde« . . s. Annalen 
11 S. 115. In Obcrdollcndorf vereidigte der Grundherr die Schützen und setzte 
sie „mit raide der nabarschaff an "der ab. Vgl. Beiträge IX S. 125 g 9. In 
Gymnich hatten die Grundhemn das Bestätignngsrecht der gewählten Schützen. 
Vgl. Archiv IV S. 361. 

") Vgl. darüber die Bonner Schützenordnung, Archiv I S. 232. 

rt ) Annalen 25 S. 230. 

**) Annalen 16 S. 80 $ 30. 



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248 



Hermann Schütze 



7 weingartsschützen" . . In der Beschreibung eines Nach- 
bargedings zu Niederdollendorf) heisst es: „Demnächst 
wurden, wie bräuehlich, die gemeindtämbter changirt", 
neu gewählt werden Bürgermeister und Kirehmeister, „der 
offermann und schütz aber continuirt". Die Amtszeit des 
Schützen war hier demnach augenscheinlieh auch einjährig, 
nur war es bräuehlich, den Schützen beizubehalte n, wenn 
er tauglich erschien. Nicht anders war es in Oberdollen- 
dorf 2 ,). In Holzlar 8 ) dagegen sollte man einsn Schützen 
„zu allen 2 jähren ab- und ansetzen", die Amtszeit war 
hier also zweijährig. Ob man nach Ablauf derselben einen 
anderen Schützen ansetzte, bleibt immerhin fraglich, man 
nahm wohl immer wieder denselben, solange er eben 
tauglich erschien. Nach der Bonner Schützenordnung'«) 
dauerte die Amtszeit der Schützen ebenfalls zwei Jahre, 
und wenn dann auch von einer feierlichen Amtseinführung 
gesprochen wird, so hindert das doch nicht an der An- 
nahme, dass die alten Schützen auch weiterhin beibehalten 
werden konnten. Unbestimmt scheint mir die Amtszeit 
des Dürener Schützen gewesen zu sein; die Feldordnun«- 5 ) 
sagt nur, wenn der Schütze sich in seinem Amt untüchtig 
zeigt, so dürfen ihn „die halfleut, jedoch anders nit, dann 
mit consent des burgermeisters, ... zu entsetzen jederzeit 
macht haben '. 

Die Zahl der Schützen in den einzelnen Dörfern ist 
sehr verschieden. Wir haben bereits erwähnt, dass in 
Mayschoss 7 Schützen vorkamen, in Niederdollendorf da- 
gegen gab es nur einen. Einen Schützen finden wir ferner 
noch in Fisehenich, in der Honnsehaft Holzlar und in 
Vogtsbell. Von Mülheim a Rh. ist uns ein Re.o-lement für 
den Feldschützen erhalten, auch hier gab es nur einen 6 ). 
Auch in der Ordnung der Weiherstrasse wird immer nur 
von dem Schützen gesprochen, es gab hier demnach auch 
nur einen 7 ). In Oberkassel werden 2 „nachbarschützen", 
in Heerdt 4 „schützmeister" erwähnt. Oberdollendorf mit 



') Annalen l<) S. 2G7. 9) Beiträge IX S. 125 9. ••*) Annalrn 25 S. 241. 
') Archiv I S. 232. •"■) Materialien S. 112 !; 23. u ) Archivregistcr S. 252, v. 
■) Kimen II S. 21 1 § 3, 3;, 4r u . a. 



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24!) 



Römlinghofen hat 2 Schützen 1 ). Dass die Anzahl der 
Schützen, wenn sie mehr als 2 betrug, nicht etwa der 
Grösse des von ihnen zu beaufsichtigenden Areals entsprach, 
erleuchtet aus einem Vergleich der Grössenverhältnisse 
dieser Dorfschaften. Nach Fabricius 2 ) ist Mayschosss 
567 ha gross; wie wir wissen, hatte es zur Beaufsichtigung 
dieses Areals 7 Schützen. Fischenich dagegen ist 0(»o ha, 
Vogtsbeil bSi ha gross, also bedeutend grösser als Mav- 
schoss, beide Dörfer haben aber nur je einen Schützen. 
Wir sind daher gezwungen, den Grund für die verschiedene 
Anzahl der Schützen in einem Dorf in einer anderen 
Erscheinung zu suchen, und wir haben ihn ja auch in dem 
Begriff des Sch Litzenamtes als Haupt- oder Nebenberuf 
kennen gelernt. 

Wenn wir den Schützen in den landesherrlichen Ver- 
ordnungen begegnen, dürfen wir sie mit den Dorfschützen 
nicht verwechseln, denn dort sind sie landesherrliche 
Beamte, etwa mit den Kompetenzen unserer heutigen 
Gensdarmen. Den Flurschützen in unserem Sinne finde 
ich in einem landesherrlichen Edikt nur noch im Jahre 
18 12 erwähnt' 5 ). Er ist hier aber kaum noch zur Hälfte 
Dorfbeamter geblieben; es hat ja auch inzwischen die Um- 
wandlungderalten Dorfgemeinden in Mairien stattgefunden. 

3. Die Gemeindehirten 

Der Weideo-ang war in einem Dorf für die Tiere der 
Gemeindegenossen ein gemeinsamer, darum musste es 
auch Aufgabe der Ortsgemeinde sein, für die Anstellung 
eines gemeinsamen Hirten zu sorgen. In den Dorfweis- 
tümern wird des Gemeindehirten wenig gedacht, obschon 
seine Stellung bei der Wichtigkeit der Viehwirtschaft fin- 
den damaligen Betrieb der Landwirtschaft wichtig ist. Man 

') Beiträge IX S. 123 §4: Es hcissi hier zwar nur „zween schützen zu 
Oberdollendorf«; wir wissen aber aus einem anderen Wetatum a. a. O. S. 116), 
dass diese Schätzen auch von Römlinghofen aus Einnahmen bergen, sie hatten 
als« auch die dortigen Fluren zu beaufsichtigen. 

*) Publikationen f. Rheinische Htschichtskunde Hd. 12. S. 501 Nu. 21 
S. 2(>i Xo. 35 u. 30. 

•') Scotti III Xo. 3373. 



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250 



Hermann Schütze 



könnte zunächst die Frage aufwerfen, ob die Dorf- oder 
die Markgenossenschaft den Hirten anstellte. Die Mark- 
genossenschaft umfasste in der Regel mehrere Dörfer; da 
ist es an sich schon unwahrscheinlich, dass ein Hirt etwa 
die Kühe mehrerer Dörfer gehütet habe. Ganz abgesehen 
von der Unübersichtlichkeit einer so grossen Herde, hätte 
der Ein- und Austrieb einem solchen System kaum über- 
windliche Schwierigkeiten in den Weg gelegt So heisst 
es /.. B. in dem Weistum des Altenforstes 1 ): „Item uys 
welchem dorp oder geest 50 koe gein up den walt" . . . 
Ks gab demnach eine ganze Reihe von Dörfern, welche 
je 50 Kühe auf den Altenforst trieben, und da ist es doch 
gewiss höchst unwahrscheinlich, dass ein markgenossen- 
schaftlicher Hirt zur Hut dieser grossen Herden angestellt 
gewesen sei. Wo ausserdem der Hirt in den Dorfweis- 
tümern erwähnt wird, geschieht es meist in einer Form, 
dass man über seine Anstellung durch die Ortsgemeinde 
kaum im Zweifel sein kann. In einer Urkunde von 1540 
wird der „kuhehirt von Rheidt" öfters der „dorper kuhe- 
hirt" genannt, er soll mit dem „kuhehirt von Odenkirchen" 
an einer bestimmten Stelle „morgensprach halten" 2 ). Hier 
hatten also die Dörfer Rheidt und Odenkirchen jedes 
seinen besonderen Hirten. In dem Paffrather Weistum 1 ) 
wird auch von „des dorps hyrten" gesprochen. Norren- 
berg spricht ferner von dem Hirten der Kirbervroghe 
(Vroghe = Honnschaft) 4 ;. Wenn es ferner Stoppel- und 
Brachweiden gab, so spricht auch deren Existenz gegen 
die markgenossenschaftliche Anstellung des Hirten. 

In (Ion meisten Dörfern wird es mindestens zwei Hirten 
gegeben haben, einen für die Kühe und einen für die Schweine; 
wm man Schafe züchtete, war natürlich auch ein Schafhirt 
vorhanden. In I T< »lzhtr G ) werden Kuli- und Schweinehirten 
genannt. In Fischenich *) wird von den drei „driften" der 



*) Archiv vir S. 330. 

") Geschichte der Pfarreien tlcr Er/.diöcese Köln XXI S. 340. 

:l ) Archiv VII S. 2<)8. 

*) Aus dem Viersener B.mnhuch S. - 2l>. 

*) Annalen 25 S. 245 4} 3; — 40. 

°) Annalen 1 1 S. 1 23. 



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He/.irk und Organisation der niederrUeinischen örü^emelnde. 251 

Schweine, Kühe und Schafe gesprochen, demgemäss gab es 
hier auch dio drei entsprechenden Kategorien von Hirten. 
In Paffrath l ) sollte der Fronhof den Kuhhirten und Schweine- 
hirten mieten und ablohnen je nach der Menge des zu 
hütenden Viehes; die Nachbaren sollten dieselben beiden 
Hirten haben und ihnen nach demselben Princip ihren Lohn 
verabfolgen. Der Hof durfte einen eigenen Schäfer halten 
und das Dorf den seinen daneben. In Düren 2 ) sollten für 
die Schaftrift zwei „bawrscheffer" angestellt werden. 

Der Hirt wurde gemietet; so heisst es in dem Paffrather 
WVistum 3 ). Auch das Mayschosser Weistum 4 ) spricht von 
einem „gedingten" Hirten. Über die Art des Lohns habe 
ich leider nichts Eingehenderes rinden können, jedenfalls 
wird es sich wie bei dem Schützen meist um Naturalien 
handeln. Eine hierauf deutende Hinweisung liegt in einer 
Bestimmung der Heerdter Weideordnung 5 ); hier wird näm- 
lich als Strafe für gewisse Vergehen bestimmt, der Über- 
treter soll dem Hirten den Lohn geben und ihn „beyfüttern". 
Bei der Verpachtung eines Hofes von 1424 wird auch von 
der „kost", die der Hirt zu beanspruchen hat, neben dem 
Lohn gesprochen 6 ,). So scheint es denn öfter Sitte gewesen 
zu sein, dem Hirten neben einem bestimmten Lohn noch 
die Kost zu geben. Über die Verteilung des Hirtenlohnes 
auf die Gemeindemitglieder giebt uns das Paffrather Weis- 
tum 7) Aufschluss: reder Nachbar hatte nach der Stückzahl 
seines Viehes zu zahlen. Dieses Weistum stammt aus dem 
Jahre 1454. Aus dem Jahre 1805, also 3 7 s Jahrhunderte 
später, hebt eine landesherrliche Verordnung diese Sitte auf»). 
Wer den fälligen Hirtenlohn nicht zahlte, wurde gepfändet« . 
Die Aufgabe des Hirten bestand in dem Hüten des Viehes. 
Das Vieh soll weder Schaden anrichten noch selbst zu 
Schaden kommen. tn Mayschoss«) sollte der Hirt den 
Schaden „kehren und besseren", welchen eine der Kühe 

i) Archiv VE S. 298. ») Materialien S. 120 8 3«. *) Archiv VII S. 2nX. 
*) Annale» 16 S 80 § 3 «- *> Annalcn 2 5 S. 2<> 9 § 7- 6 ) Mitteilungen S. ,, . 

7 ) Archiv VE S. 298. 

8) Scotti H No. 2826: Wer sein Vieh im Stalle füttert, soll fortan nicht 
mehr «ehalten sein, für jedes Stück Vieh den Hüllohn ZU Bahlen. 

<>) Zeitschr. [X S. 4° No - 5- 

"*) Annalen 16 S. 80 § 40 u. 41. 



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252 



Hermann Schütze 



anrichtete, wenn er nicht „in guter hoden were", d. Ii. wenn 
er nicht aufmerksam hütete. Konnte man ihm aber keine 
Nachlässigkeit in seinem Beruf vorwerfen, dann durfte er 
auch nicht bestraft werden, selbst wenn eines der Herden- 
tiere verunglückte. Der Hirt sollte „bcy der söhnen aus- 
und eintreiben"! . In Lohmar 2 ) durfte der Schweinehirt nicht 
eher austreiben, „die bethklock seye erst geläutet . . ." 
Ferner findet sich im Holzlarer 8 ) Weistum die Anordnung: 
Die Jurten, so das vieh heuten, sollen das horn blasen . .", 
jedenfalls, um sich den Dorfgenossen beim Ein- und Aus- 
treiben des Viehes bemerklich zu machen 4 ). Ebenso war 
der Kuhhirt von Rheydt verpflichtet' 5 ), an bestimmten Stellen 
seiner Trift zu „blasen". In Heerdt 6 ) hatte der Hirt „des 
mittags oder abendts die nachbaren zusammen" zu blasen, 
und jeder aus dem Dorf sollte bei Strafe von 2 Quart Bier 
„bey der versamblung an der linden erscheinen". Zu welchem 
Zweck, wird nicht gesagt; vielleicht um sein Vieh hier in 
Empfang zu nehmen und es in die Stallungen zu treiben; 
Vielleicht auch, um die unangenehme Erfahrung zu machen, 
dass sein Vieh auf Schaden befunden und gepfändet worden sei. 

B. Die Geschworenen. 

Wenn wir den Bericht über das Nicderdollendorfer 
Nachbargeding vom Jahre 1696 lesen, finden wir darin 
„ganerben oder geschworene" genannt'). Ihre Anzahl ist 7; 
sie werden von 6 Höfen gestellt und zwar von solchen, die 
meist auswärtigen Grundherren gehören. Der Grundherr 
bestimmt hier selbst oder durch einen Stellvertreter einen 
ihm geeignet scheinenden Mann zum Ganerben. Dieser neue 
Geschworene wird aber nicht ohne Mitwirkung der ganzen 

') Annalen 25 S. 242 § 38. 

*) Archiv VII S. 338. 

:l ) Annalen 25 S. 243 Jj 57. 

*) Dieser Brauch hai sich in manchen Gegenden bis heute erhalten. Ich 
lernte ihn selbst, kürzlich in dem bei Marburg gelegenen Dorf Niederwalgern 
kennen. 

*] Geschichte der Pfarreien der Erzdiöcese Köln XXI S. } 4 o. 
fi ) Annalen 25 S. 230 § (). 
7 ) Annalen 19 S. 287. 



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Berit* und Organisation der niederrheinischen ( )rts { rcmoiiulc. 253 



Gemeinde in den Kreis clor alten Geschworenen aufge- 
nommen 1 ). Der neue Ganerbc hat vor der Gemeinde „den 
gewöhnlichen eydt" abzulegen, und erst dann darf er ach 
„bei den übrigen geschworenen mit zum tisch" setzen. Die 
Geschworenen sitzen also beim Nachbargeding an einem 
Tisch, während die übrige Gemeinde herumsteht. Von 
Interesse muss nun vor allem die Frage sein, wie sich Ge- 
meinde und Geschworene in die Ausübung gewisser Ge- 
meindekompetenzen teilten. Wir lesen in dem Bericht von 
einer Neuwahl der Gemeindebeamten; wirkte die Gemeinde 
bei dieser Wahl mit oder nahmen die Geschworenen sie 
allein vor? Schon wenn die Gemeinde sich berechtigt 
fühlte, gegen die Einsetzung eines ihr nicht geeignet er- 
scheinenden Geschworenen Einspruch zu erheben, Lässt sich 
annehmen, dass sie bei der Wahl der Gemeindebeamten 
mitwirkte. Dazu kommt noch, dass gerade in diesem be- 
ding vom 21. Nov. 1696 derselbe Mann zum Bürgermeister 
gewählt wird, den die Gemeinde sich vorher zu ihrem „für- 
sprecher ersucht" hatte, dem sie also ihr vollstes Vertrauen 
schenkte. Uebcr die Form dieser Anteilnahme der Ge- 
meinde an den Beschlüssen des Nachbargedings wird leider 
nichts gesagt; man wird aber wohl annehmen können, dass 
die Geschworenen die Verhandlungen führten und nach 
Befragung der Gemeinde, welche durch ihren Vorsprecher 
Antwort erteilte, Beschluss fasstc. Die Geschworenen oder 
Ganerben in Niederdollendorf nahmen demnach völlig die 
Stellung eines Gemeinde- Ausschusses ein, die Gemeinde 
bildete den Umstand. 

Wohl genaif dieselben Verhältnisse, aber leider nicht in 
so ausführlicher Darstellung, finden wir in dem Weistum der 
llonnschaft Holzlar von 1646*). Auch hier wird ausdrück- 
lich ein Unterschied gemacht zwischen den „geburen", 
welche sicherlich den Niederdollendorfer Geschworenen oder 
Ganerben entsprechen, und den „anderen nachbaren". Die 



>) So erhebt dortsclbst die Gemeinde gegen den von dem Hofe Longen- 
berg designierten Ganerben „Henrich Pert/." Etaspruch, da er „siel, in tragung 
deren naehbarlasten /.um öfter* widerwillig gezeigt habe"; erst nach CUUgen, 
Wortwechsel wird er „/.um geschworen angenommen". 

a ) Annaion 25 S. 241. 



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254 



Hermann Schütze 



„geburen" worden teils von Grundherren gestellt, welche 
einen Hof in der Honnschaft besitzen, teils von sonstigen 
Inhabern ganz bestimmter Höfe. Diese Einrichtung- er- 
innert an den Brauch, nach welchem das Schöffenamt mit 
gewissen Besitzungen unzertrennlich verknüpft war. Die 
„geburen" bildeten ja auch ähnlich wie die Schöffen einen 
engeren Ausschuss, während die „anderen nachbaren" den 
Umstand abgaben. Die Ansetzung neuer Gemeindebeamtcr 
lag in Holzlar nicht allein in den Händen der „geburen", 
das Weistum sagt ausdrücklich: „Diese.. 14 geburen sambt 
den anderen nachbaren sollen einen schützen . . . ab- und 
ansetzen." Von einem Eide, den der neu angesetzte „gebur" 
der Gemeinde vor seinem Amtsantritt zu leisten hatte, ver- 
lautet nichts; jedoch sollte in Holzlar nach §48 des Weistums 
jeder, der „zu einem gebur angesetzt wird, den nachbaren 
einen gulten Cöllnisch geben". Wir werden das wohl als 
eine Anerkennungsgebühr aufzufassen haben, die übrigens 
zugleich materiellen Wert hatte. Dass auch hier die Eorm 
der Anteilnahme der Gemeinde an den Beschlüssen des 
Nachbargedings dieselbe gewesen ist, wie wir sie in 
Niederdollendorf vermutet halten, erhellt aus der Be- 
stimmung, die „geburen" sollten „mit zuzihung" der anderen 
Nachbaren das „nachbarrecht sprechen". Die Hauptsache 
bei der liegung des Nachbargedings war demnach die An- 
wesenheit der „geburen"; sie führten jedenfalls die Verhand- 
lungen. 

In den Weistümern von Oberdollendorf werden eben- 
falls Geschworene genannt 1 ). Iiier liegen die Verhältnisse 
aber sehr kompliziert, insofern es nämlich zweifelhaft sein 
kann, ob es sich um Marken- oder Dorfweistümer handelt, 
so dass im ersteren Falle die Geschworenen nicht einen 
Ausschuss der Ortsgemeinde, sondern einen solchen der 
Markgemeinde repräsentieren. Schmitz, der uns diese Weis- 
tümer mitteilt, hält das hier genannte „kirspelsgeding, nach- 
bargeding" oder „nachbargericht" für ein Markgericht, 
welches unter dem Vorsitz des Obcrdollendorfer Bürger- 
meisters oder Richters von einem Kollegium von 7 Ge- 



I) Beiträge TX. S. 1x3 (V. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 255 

schworenen im Beisein der ^mzon Markgemeinde abgehalten 
wurde 1 ). Diese Mark umfasste nach dem Wortlaut des Weis- 
tums von 1555 2 ) „beyde Ober- und Niederdollendorferc zu 
sambt dem gotteshaus Heisterbach und Römmelkofen". Nun 
muss es zunächst auffallen, dass der Vorsteher einer Orts- 
gemeinde, denn das ist der Bürgermeister überall, wo er am 
Niederrhein auftaucht, den Vorsitz in einem Markgericht hat. 
Es giebt wohl Schultheissen, die an Stelle des Waldgrafen den 
Vorsitz im Märkerding führen, aber Bürgermeister habe ich 
nie in dieser Stellung angetroffen 3 ). Auch habe ich den 
Namen „kirspels-" oder „nachbargeding" nie in dem Sinne 
eines Märkerdinges vorgefunden. Ferner erklären die Ge- 
schworenen, sie sollten „das kirspcl" bei seinen Rechten 
„handthaben" 4 ). wie überhaupt in den Weistümern nur von 
dem Kirchspiel die Rede ist, obgleich Niederdollendorf genau 
so wie Oberdollendorf damals ein Kirchspiel war 5 ), so dass 
also zwei Kirchspiele in der Mark gelegen waren. Das 
Weistum von 1540 sagt auch ausdrücklich: „die gerechtig- 
keiten unseres kirspels Oberdollendorf" sind „durch die . . 
geschworen . vernewert worden . ." r ". Dass hier also 
„kirspel" = „marck" gesetzt werden soll, erscheint mir wenig 
glaubhaft. In diesem Geding sassen sieben Geschworene, 
vier aus Oberdollendorf, zwei aus Römlinghofen und einer 
aus Niederdollendorf; sie heissen auch „die rechte, freyen, 
principalen anerben des kirspels Oberdollendorf 7 ). Diese 
Herkunft der sieben Geschworenen aus den drei zu der 
Mark gehörigen Dörfern scheint mir am meisten dafür zu 
sprechen, dass wir es hier mit einem Märkerding zu thun 
haben. Hierbei kommt nun aber folgendes sehr in Betracht: , 
Nach dem Weistum von 1555«) soll die „gemeine marck 
von beyden Ober- und Niederdollendorferen von alters ge- 
hoit und verwart" werden, und zwar stellt Oberdollendorf 
im Verein mit Römlinghofen zwei Schützen zu diesem 

') A. a, O. S. 108. 
*) A. a. O. S. 122. 

8) Wenn wir die Weisiümer von Breisig /.um Vergleich heranziehen, so 
finden wir auf den, „merkergeding« von . 5 5" Bürgermeister und Marke* 
meistcr nebeneinander gcnannl; vgl. Zeitschr. 12 S. (89/90. 

«) Heiträge IX S. 121. 6) Zeitschr. 20 S. 123. n ) Beiträge IX S. II 3 , 
7 ) A. a. O. S. 120. 8 ) A. a. 0. S. 129 § 4- 



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256 



Hermann Schätze 



Zweck an und Niederdollendorf einen. Wie wir schon 
hieraus ersehen können, zählte man Römlinghofen damals 
wahrscheinlich unter Oberdollendorf, beide Dörfer haben 
vielleicht eine Ortsgemeinde abgegeben. Für diese An- 
nahme spricht ferner noch der Umstand, dass Römlinghofen 
weder in der Gerichtserkundigung von 1555 1), noch in der 
Rentmeistereirechnung für das Amt Löwenberg von 1732 
erwähnt wird 2 ), man begriff Römlinghofen wohl unter der 
Ortst gemeinde ( Jberdollendorf mit. Unter solchen Umständen 
können wir es dann auch erklärlich finden, dass aus dem 
unbedeutenden Römlinghofen zwei Geschworene für das 
Nachbarding gestellt wurden, während aus Niederdollendorf 
nur ein Geschworener auf dem Nachbarding sass. Mir 
scheint danach das Nachbarding oder Kirchspielsding zu 
Oberdollendorf kein Marken gecling, sondern eine Gemeinde- 
versammlung der ( )rtsgemeinde Oberdollendorf-Römling- 
hofen zu sein, und die sieben Geschworenen, von denen 
einer aus irgend welchen Gründen von auswärts, nämlich 
aus Niederdollendorf, stammt, ein Gcmcindeausschuss, wie 
wir ihn bereits für Holzlar und Niederdollendorf kennen 
lernten. Auf diesem Nachbargeding wurden auch Frevel, 
die in der Mark vorkamen, bestraft. So bestimmt das 
Weistum von 1.S06 3 ): Die Schützen „sollen jährlichs zu 
Martini, wan der bürgermeister gecling hält, ihre kühren 
sowohl in Ober- als Niederdollendorf dem richter und ge- 
schworen schriftlich ubergeben . ." Man könnte hier noch 
zweifelhaft sein, ob es sich um ein gemeinsames Marken- 
geding oder um die Nachbargedi nge in beiden Dörfern 
» handelt, vor welchen die Schützen ihre Anzeigen zu machen 

haben. Da finden wir aber in dem Bericht über das Nieder- 
dollendorfer Nachbarding von 1696*) den Passus, es wurden 
„die kühren über schaden undt verbrechen in den büschen 
abgelesen" ... Es hat demnach jedes der beiden Dörfer 
die Strafgewalt in demjenigen Teil der Mark gehabt, welcher 
unter seiner „hoit" und „Verwahrung" stand, und zwar 
w urden die Strafsachen auf den getrennten Nachbardingen 
beider Dörfer verhandelt. 

M Zeitschr. 20 S. 117 IV. -) Annalen 25 S. 272. ») Beitrüge IX S. 12S. 
Annalen \q S. 288. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 



Wir werden nach den vorstehenden Untersuchungen 
die Geschworenen des Kirchspiels Oberdollendorf nicht als 
Marken-, sondern als Gemeindegesehworene anzusehen haben. 
Wie die Ganerben in Niederdollendorf und die Geburen in 
Holzlar, gehen die Geschworenen in Oberdollcndorf nicht 
aus der Wahl der Dorfgenossen hervor, sondern ganz be- 
stimmte Höfe haben das Recht, sie zu stellen, und zwar 
sind es hier lauter grundherrliche. Diese Geschworenen 
sollen „auf bescheiden und verkündigen des bürgermeisters 
. . . des kirspels- oder nachbargericht zu Oberdollen- 
dorf besitzen . und bekommen „auf oder nabargeding 
zimlich essen und . . . eine halbe quart weins" von dem 
Bürgermeister 2 ). Von der Gemeinde wird bei dieser Ge- 
legenheit gar nicht gesprochen; gewiss wird sie wie in 
Niederdollendorf und Holzlar auf diesem Geding zugegen 
gewesen sein, sie spielte aber jedenfalls nur eine unterge- 
ordnete Rolle. Die Gemeindebeamten wurden von dem 
Abt von Heisterbach :! ) nur „mit raide der iiabarschaff be- 
stellt; es ist aber immerhin bemerkenswert, dass nicht die 
Geschworenen allein, sondern die ganze Nachbarschaft bei 
der Einsetzung der Gemeindebeamten mitwirkte. Ferner 
haben die Geschworenen im Verein mit dem Bürgermeister 
Schadenbesichtigungen vorzunehmen, „rein und stein zu 
setzen", und zwei von ihnen sollen immer den Pfändungen 
durch den Bürgermeister beiwohnen 4 ). Wir finden hier also, 
dass die Geschworenen in einer Reihe von Amtshandlungen, 
die sonst zur alleinigen Kompetenz des Gemeindevorstehers 
gehörten, dem Vorsteher zur Seite getreten sind. 

Aus dem Jahre 1550 ist uns ein Weistum über das 
„merckergeding" erhalten 5 ), welches jährlich „zu Brcysigh 
in der Capellen mitwochs als nach s. Martini gehalten" wurde. 
Auf diesem Märkcrgeding wurden die Gemeindebeamten, 
Bürgermeister und Schützen gewählt 6 ). Die Märker reprä- 

') Beiträge IX S. 121. 2 ) A. a. O. S. 124. »J A. a. O. S. 125 ij 9. 
4 ) A. a. O. S. 121. *) Zeitschr. 12 S. 189. 

6 ) Die Bürgermeisterwahl wurde folgendermassen vorgenommen: es „be- 
sprechen sich die merker mit den nachbauren, ungeverlich 6 oder 8 uss der 
gemein, wen sie bedünck, den sie die merker zum Bürgermeister diss jar sollen 
erkiesen; dann sagen die nachbauren, uns dünckt dieser etc. Dannn treten die 
nachbauren abe, dann sprechen die merker, wir kiesen euch den..." 
Jahrbuch XV. 17 



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258 



Hermann Schütze 



sentieren liier eine den übrigen Naehbaren gegenüber be- 
vorrechtete Klasse, und zwar in durchaus ähnlicher Weise, 
wie wir es sonst bei den Geschworenen kennen lernten. 
Den hier so genau beschriebenen -Wahlakt werden wir als 
eine willkommene Ergänzung zu unseren über denselben 
Punkt in Niederdollendorf und Holzlar gemachten Aus- 
führungen anzusehen haben. 

Die Märker sind die in der Mark berechtigten Gemeinde- 
genossen, während die „nachbaren" es nicht oder nur in 
beschränktem Masse sind. 

Hiermit sind meine ausführlicheren Quellen über den 
behandelten Gegenstand erschöpft; kürzere Andeutungen 
über die Geschworenen finden sich jedoch noch anderweitig. 
In Flerzheim soll der Nonne, also der ( iemeindevorsteher, 
mit den Geschworenen die strittigen Grenzen in Acker, 
Wiesen und Wald bestimmen 1 ). Eine Stelle fast genau 
desselben Inhalts haben wir oben (S. 257) im Weistum von 
( )berdollendorf besprochen. 

Im Jahre 1438 bestimmt der Erzbischof von Köln, dass 
die beiden Kirchspiele Erstorf und Grossaldendorf eine Rente 
von 30 Gulden zahlen sollen; Schultheissen, „honnen, ge- 
sworen ind gemeinden der vorschr. kirspele" haben sie auf- 
zubringen 2 ). Die Geschworenen werden zwischen die ganze 
Gemeinde und den Gemeindevorsteher gestellt, was ihrem 
Wesen, wie wir es bereits kennen lernten, durchaus entspricht. 

Nach einer Urkunde aus dem Jahre 1497 ist im Amt 
Eschweiler „eime jederen näheren na sinre gestalt" durch 
den Amtmann, „die scheffen ind gesworen sin dail gesät" 
worden :J ). Bei der Untersuchung der Kompetenzen des Ge- 
meindevorstehers sahen wir, dass derselbe in sehr vielen 
Fällen bei der Steuerverteilung thätig war; hier scheint 
diese Thätigkeit von ihm auf die Gemeindegeschworenen 
übergegangen zu sein. Denn dass es sich bei den „gesworen" 
um Gemeindegeschworene handelt, wird man wohl an- 
nehmen müssen, da ja die Steuerverteilung in der ( >rtsge- 

') Archiv VI S. 3.?;. 
*) Gruden II S. 1284. 
•'') Ldstd. Verf. III S. 100. 



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Bezirk und Organisation der nicdenheinischen Ortsgemeinde. 



meinde sehr oft derselben überlassen blieb. In der Thätigkeit 
des Stcuerverteilens in der Ortsgemeinde finden wir die 
Geschworenen noch mehrfach 1 ). Es liegt kein Anlass vor, 
den Geschworenen in den unten citierten Fällen nicht die 
Stellung von Gemeindegeschworenen zuzusprechen, es lässt 
vielmehr gerade diese ihnen zufallende Aufgabe es sehr 
möglich erscheinen, dass sie ein Gemeindeorgan gewesen 
sind. Ausserdem erkennen wir aus diesen meist allgemeinen 
Erlassen und Beurkundungen, dass die Einrichtung eines 
Geschworenenkollegiums wohl eine ziemlich allgemeine Ver- 
breitung in unserem Gebiet hatte. Immerhin muss es auf- 
fallen, dass in manchen Weistümern, welche von einem 
Nachbarding sprechen, nichts von Geschworenen verlautet. 
So wird vor allem in dem Weistum von Fischenich: 2 ), welches 
über das dortige Burding recht ausführlich berichtet, kein 
Unterschied zwischen einem engeren Gomoindcausschuss 
und der weiteren Gemeinde» gemacht, es heisst immer nur 
die „nachbaren". Vielleicht können wir daraus schliessen, 
dass es hier keine Geschworenen gab. Das Oberkasselrr 
Nachbargeding wird ebenfalls nur von den „nachbaren" be- 
sessen n ). Auch ladet dort der neue Bürgermeister, wenn 
er im Auftrüge der Gemeinde den Kahnneistern die aus- 
bedingte Mahlzeit giebt, nur einige „nachbarsmänner" mit 
ein, während es doch sehr natürlich gewesen wäre, hierbei 
an die Geschworenen zu denken, wenn überhaupt solche da 
waren. Im Jahre 1550 wird zwar von einem „rad" in Ober- 
kassel gesprochen, der zusammen mit Kirchmeistern und 
Schöffen über die Lehre des dortigen Pastors ein Urteil ab- 
geben soll 4 ). Ob wir aber aus dieser Stelle auf die Existenz 



') L J. 140g legen «lie Geschworenen im Amte Borncfeld die Steuer neu 
auf die Halfen des Klosters Altenbcrg; Ldstd. Verf. fll S. 103. 1583 
Schreibt Wilhelm von Höngen, seine Besitzungen seien von den „scheffen 
und geschworen im ampt Wühelmsteirj zu Lamerstorf" und von den „scheffen 
und geschworen zu Inden und Altorf - ' zur Steuer angeschlagen; a. a. O. S. 103. 
Ferner wird i. j. 15 14 für das ganze Herzogtum Jülich bestimmt, die Salzung 
der Steuer solle durch je zwei Mitglieder der Ritterschaft mit den Boten, 
Schöffen und Geschworenen geschehen; a. a. 0. S. 100. 

*) Annalen 1 1 S. 122. 

a ) Grimm V S. 336. 

*) Zeitschr. 12 S. 250. 

17* 



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260 



Hermann Schütze 



eines ( h\schw(>renenkollegiums schliessen dürfen, muss zweifel- 
haft bleiben, da die Centraibehörde die vorliegende Ver- 
fügung' einfach in dem guten Glauben an das Vorhandensein 
eines Rates in Oberkassel nach Analogie anderer Ortsge- 
meinden erlassen haben kann. Ks mag sonach das Vor- 
kommen eines Geschworenenkollegiums in der Ortsgemeinde 
unseres Gebietes Regel gewesen sein, aber eine Regel, die 
von Ausnahmen durchbrochen wurde. 

Wir haben in dem Vorstehenden gesehen, dass die Ge- 
meindegeschworenen in allen Fällen, wo überhaupt etwas 
Näheres über sie gesagt wird, nicht aus der Wahl der Ge- 
meindegenossen hervorgingen, sondern dass ganz bestimmte 
Höfe das Recht hatten, einen Geschworenen zu stellen. 
Worauf begründete sich nun das Vorrecht dieser Höfe? 
Wir können nachweisen, dass ein Teil solcher Höfe in 
Nieder- und in Oberdollendorf Fronhöfe waren; ein Ver- 
gleich der Weistümer dieser Dörfer 1 ) mit der Erkundigung 
über die Hofgerichte im Herzogtum Berg von 1 555 2 ) zeigt 
das sehr deutlich. Ks muss uns sehr erklärlich sein, dass 
die Fronhofherren, resp. ihre Stellvertreter, in einem Nach- 
bargcding nicht auf derselben Stufe wie ihre Hintersassen 
stehen wollten, und dass sie daher nach einer bevorrechtigten 
Stellung in diesem Geding strebten. Dasselbe Bestreben 
werden gewiss nicht die Fronhofherren allein, sondern alle 
Inhaber grösserer Höfe gegenüber denen von kleineren 
Grundstücken gehabt haben; und so mag sich eine Bevor- 
rechtung weniger, aber grosser Höfe vor den kleineren 
herausgebildet haben. Wir leiten demnach die bevorzugtere 
Stellung der Geschworenen aus der grösseren Menge ihres 
Landbesitzes her. Dass die grösseren Besitzer sich auch 
grösseren Ansehens in der Gemeinde erfreuten, ist nicht 
allein natürlich, es lässt sich auch nachweisen. Wir sahen 
eben, dass die Geschworenen sehr oft bei der Verteilung der 
Steuern mitwirkten. Nach einem landesherrlichen Edikt von 
1701 3 ) nehmen Meistbeerbte die Stellung der Geschworenen 
bei der Steuer Verteilung ein. Ein landesherrlicher Krlass von 

') Annalcn 19 S. 288 u, Beiträge IX S. 120. 
'-') ZeiUcbr. 20 S. 182/83. 
*) Scotti I No. 909. 



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Bezirk und Organisation der niederrheiniachen Ortsgemeinde. 261 



171 i veranlasst, dass die Inhaber adliger Güter einen 
gewissen Eid vor Ortsschöffen, Vorstehern und Meistbe- 
erbten ablegen 1 ). Meistbeerbte und Vorsteher stehen also 
auch hier den übrigen Gemeindegenossen gegenüber. Die 
Meistbeerbten sind jedoch nicht mit den Geschworenen 
identisch; denn eine Bestimmung des Landesherrn nennt 
Schöffen, Vorsteher, Geschworene und Meistbeerbte neben- 
einander. Mir scheinen diese Stellen darauf hinzudeuten, 
dass unsere Annahme, die Geschworenen rekrutierten sich 
aus den Meistbeerbten, sehr nahe liegt. 

Wenn wir aus dem bisher Gesagten das Facit ziehen, 
so bekommen wir im grossen und ganzen etwa folgendes 
Bild von der Stellung der Geschworenen in der Orts- 
gemeinde unseres Gebietes: Die Geschworenen werden in 
verschiedener Anzahl von ganz bestimmten Höfen der Orts- 
gemeinde gestellt. Sie führen im Xachbargeding die Ver- 
handlungen, während die übrige Gemeinde in der Regel 
den Umstand bildete, dessen Einwilligung jedoch bei Ge- 
meindebeschlüssen erst eingeholt werden musste. So ersetzen 
sie bis zu einem gewissen Grade, wie es scheint, manchmal 
auch ganz, die Gemeinde. Andrerseits bilden sie einen 
ständigen Beirat des Ortsvorstehers, den sie in einer Reihe 
wichtiger Amtshandlungen (Schadenbesichtigung, Grenzbe- 
sichtigimg, Pfändung, Steuerverteilung) unterstützen. Wir 
werden danach die Geschworenen als ein Mittelglied zwischen 
dem Gemeindevorsteher und der Gemeinde anzuseilen haben. 

Uebcr die Zeit, in welchen uns die Geschworenenkollegien 
zuerst entgegentreten sagt Maurer 2 ), dass man sie erst im 
Laufe des 14. oder 1 5. Jahrhunderts nachweisen kann. Wir 
lernten sogar einen Fall aus dem 1 3. Jahrhundert kennen' 1 ); 
jedoch ist ein solch frühes Auftreten des Gemeinderates zu 
den grossen Seltenheiten zu zählen. Alle übrigen Stellen, 
die wir oben über die Geschworenen citiert haben, gehen 
nicht vor das 15. Jahrhundert zurück. Wir werden auch 
wohl erst das 15. Jahrhundert für die Zeit der allgemeinen 
Ausbreitung dieser Einrichtung erklären können. 

h Scott! I Nb. 1087. 

-) Dorfverfassung II S. 72. 

3 ) S. oben S. 258. • 



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2(12 



Hermann Schulze 



Man begegnet in vielen niederrheinischen Urkunden, 
besonders in solchen des i ; v Jahrhunderts, häufig- dem Worte 
„hiemanni" oder „hygen". Mir ist jedoch keine Stelle be- 
kannt geworden, nach welcher diese Hieraannen in irgend 
einem Zusammenhange mit der Verfassung der Ortsgemeinde 
gestanden haben, es kann daher auch nicht unsere Aufgabe 
sein, eine nähere Untersuchung - dieses Wortes vorzunehmen. 
Maurer hat meines Wissens am eingehendsten über den 
Begriff dieser Worte gehandelt 1 ); er erklärt die Hiemannen 
für Hofgenossen und meint, Eacomblet hielte sie mit Unrecht 
für Hofesgeschworene. Diese Berichtigung ist jedoch im 
doppelten Sinne irrig; denn Hofgenosse und 1 1< ^geschworene 
sind einmal so gut wie identische Begriffe 2 ). Will aber 
sodann Maurer unter Hofgeschworenen Hofschöffen ver- 
stehen und den Hiemannen diese Eigenschaft absprechen, so 
kann man dieser Behauptung eine Urkunde von 1284 ent- 
gegenstellen 3 ), nach welcher „coram scabinis sive hymannis 
Carpensibus" ein Verkauf stattfindet. Hier werden die Hie- 
mannen doch ausdrücklich Schöffen genannt. Es soll damit 
jedoch nicht in Abrede gestellt werden, dass die Hiemannen 
in sehr vielen Fällen nur Hofgenossen waren. Nach allem, 
was ich nebenbei aus den Quellen über dieses Wort habe 
zusammenstellen können, scheint mir, dass man von dem 
Wort Iliemannen dasselbe sagen kann, was Gothein von 
dem Ausdruck Geschworene schreibt: es bedeutet bald die 
Gesamtheit der pflichtigen Hofgenossen, bald nur die Vor- 
bänder der Höfe, bald die Hofschöffen. Alan muss von 
Fall zu Eall sehen, in welchem Sinne es gebraucht wird. 

C. Die Gemeindeversammlung. 

Das Organ, durch welches die Gemeinde sich selbst in 
den Stand setzte, die Leitung der Verwaltung in ihrer Ge- 
samtheit in der Hand zu behalten, war die Gemeindever- 
sammlung, das Nachbargeding oder Burding. 



•) Geschichte der Fronhöfe IV 5. 4 f. 

-') Gothein: Agrarpolitische Wanderungen im Khcinlande S. 20 u. 2. 
s ) Urkundenbuch II No. 791. 



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263 



Don Namen Burding 1 ) habe ich nur seiton erwähnt 
gefunden: einmal in dem Weistum der Bauerschaft Fische- 
nich 2 ) im Kreise Köln vom Jahre [597; sodann meldet das 
Weistum der freien Höfe der Bürgerschaft Düsseldorf») aus 
dem Jahre 1494 von einem „buyrgedinge". Das „nachbar- 
geding" wird in der Fahrgerechtigkeit zu Oberkassel 4 ), in 
dem Weistum von Oberdollendorf 5 ) und in einem Bericht 
über das Niederdollendorfer Nachbargeding«; genannt. In 
Holzlar spricht das Weistum von einem „gewohnlichen 
geding" 7 ). Aus Altenrath sind uns ferner Protokolle über 
das „ungeboden gedinge" erhalten 8 ), die aber leider noch 
nicht gedruckt sind. 

Das Nachbargeding ist mit dem Burding identisch. In 
den Gedingen von Holzlar und Niederdollendorf, über welche 
uns die ausführlichsten Mitteilungen gemacht werden, finde 
ich, was die in diesen Gedingen behandelten Sachen anlangt, 
eine grosse Übereinstimmung mit dem Fischenicher Burding. 
Es handelt sich im wesentlichen um Strafen für Frevel in 
der Dorfmark und. ausser in Fischenich, um Neuwahlen von 
Gemeindebeamten. Nun könnte es zwar auffallen, dass 
gerade in Fischenich, wo das Wort Burding vorkommt, vor- 
wiegend Strafsachen verhandelt werden. Wir finden jedoch, 
dass auf dem „buyrgedinge" der freien Höfe der Bürger- 
schaft Düsseldorf, welches wir der Ähnlichkeit seines Namens 
wegen mit dem Fischenicher Burding wohl in Parallele 
stellen dürfen, nur von der Weisung althergebrachter Rechte 
und von nichts anderem gesprochen wird. Nehmen wir nun 
dazu, dass auf den Gedingen von Holzlar und Niederdollen- 
dorf dieselben Strafsachen wie in Fischenich zur Verhand- 
lung kamen, und dass auch auf dem Fischenicher Burding 
manche Verwaltungssachen ihre Besprechung fanden, so 
dürfen wir wohl zu dem Schluss kommen, dass das Burding 
mit dem Nachbarding identisch war. 

') Hinsichtlich des sog. Baudings oder Budings stimme ich mit Lamprecht 
(Wirtschaftslehen I S. 764) darin überein. dass es mit dem Burding nichts ZU 
Ünm hat. 

2) Annalen .. S. .2.*. ») Beiträge IV S. 07- *) Gnmm I S. 33G. 
") Beiträge IX S. 120. «) Annalen 10 S. 287. 7 ) Annalen 25 S. 241. 
8 ) Archivregister S. 307. 



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I [ermann Schaue 



Wer durfte an dem Nachbargeding teilnehmen? Wie 
das Wort „Nachbargedi ng" schon andeutet, sollte offenbar 
jeder Nachbar dazu berechtigt und verpflichtet sein 1 1. Es 
findet sich jedoch auch eine Ausnahme von dieser durch 
viele Beispiele bezeugten Regel 2 ). 

Welche Angelegenheiten wurden vor dem Nachbarding 
verhandelt? Wir können hier zwischen Sachen des Dorf- 
gerichts und solchen der Dorfverwaltung unterscheiden. 
Zunächst untersuchen wir die ersteren. Auf den Nachbar- 
gedingen fand vor allem das Rügen in Sachen von Feld- 
lind Waldfreveln statt 3 ). Damit ist natürlich unweigerlich 
die Verhängung von Strafen über solche Übertreter ver- 
knüpft. Wir sind gewiss berechtigt anzunehmen, dass alle 
Übertretungen der Gemeindesatzungen, und nicht etwa nur 
die in Feld und Wald, vor dem Burding zum Austrag 
kamen. So wurden in Fischenich, wo die Ortsgemeinde 
die Kompetenz über Mass und Gewicht hatte, Kontra- 
ventionen hiergegen auf dem Nachbargedi ng bestraft 4 ). 
Wenn wir ferner in dem Holzlarer Weistum lesen 5 ): „so 
jemand aus der nachbarschaft eine sach wider den anderen 
hätte, und also seynenthalben die nachbaren bescheydten 
würden und versammeln lassen..." so werden wir diese 
Versammlung gewiss für ein gebotenes Nachbargeding 

') So bestimmt das Fischenicher Weistum: „Zum andern sollen alle und 
jedes jahrs 3 angebotene burgeding gehalten werden . . ., auf welchen tagen 
jeder nachbar persönlich aldar sein soll . ." vgl. Annalen II S. 122. In Holzlar 
sollten die 14 „geboren . . mit zuzihung der ander sämbtlichen nachbaren . . 
das gewöhnliche geding . . . besitzen" . . vgl. Annalen 25 S. 241. In Ober- 
kasscl „ist ein gebrauch, dasz die nachbaren . . , naehbargeding halten" . . vgl. 
Grimm V. S. 336. 

a ) Zu dem Oberdollendorfer „kirspclsgcding oder nachbargericht" werden 
nur die 7 „geschworen" durch den Bürgermeister entboten, die übrigen Nach- 
baren kommen fast gar nicht in Betracht. Vgl. Beiträge IX S. 120. 

a ) In Holzlar soll der Bürgermeister das „baurrecht anfangen . und den 
schützen bey seinem aydt abfragen und was frugig ist abfordern" . . Vgl. 
Annalen 25 S. 243 § 49. Im Niederdollendorfer Nachbarding wurden „die 
kühren über schaden und verbrechen in den büschen abgelesen" . . vgl. Annalen 
19 S. 288. In Oberdollendorf sollen die Schützen „ubertriften, auch allen 
anderen schaden . . . an den nabargedingen anzubringen schuldig . . sein" . . 
vgl. Beiträge IX S. 1 24 § 7. 

4 ) Annalen 11 S. 123. 

6 ) Annalen 25 S. 241 § 56. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 265 

anzusehen haben und können daraus entnehmen, d.iss 
Streitigkeiten jeder Art zwischen den Gemeindegenossen, 
jedoch natürlich mit Ausnahme schwererer Vergehen, die 
vor das öffentliche Gericht gehörten, auf dem Nachbarding 
zum Austrag kamen. Dass auch zuweilen sogar Eigentums- 
übertragungen Gegenstand der Verhandlungen auf Nachbar- 
gedingen sein konnten, lassen die Protokolle des „ungeboden 
gedinges" zu Altenrath erkennen 1 ). 

Welche Verwaltungsmassregeln wurden ferner gemäss 
der uns erhaltenen Überlieferung auf den Nachbargedingen 
vorgenommen? Insbesondere waren es Wahlen oder Ein- 
setzungen der Gemeindebeamten. So wurde der Gemeinde- 
vorsteher bei Gelegenheit eines Nachbargedinges eingesetzt 2 ). 
Auch die Einsetzung neuer Geschworener scheint nur auf 
den Nachbargedingen zulässig gewesen zu sein 3). 

Auch Vereidigungen der Gemeindebeamten oder der 
Geschworenen wurden auf dem Nachbargeding vor- 
genommen 4 ). 

Zu den Verwaltungsangelegenheiten, welche ihre Er- 
ledigung auf dem Nachbargeding erfuhren, werden wir es 
ferner zu rechnen haben, wenn es in dem Fischenicher Weis- 
tum heisst 8 ): „wannehe das baurgeding angehet, soll man 
fragen, ob auch einig mangel an dem gottesdienst und 
kirchen seye". Offenbar sollten Mängel dieser Art von der 
Gemeinde abgestellt werden. 



M Archivregister S. 307. 

*\ Vgl. die Obcrkasseler Fahrgerechtigkeit, Grimm V S. 336, ferner Nieder- 
dollendorf, Annalen 19 S. 288 u. das Weistum von Oberdollcndorf, Beiträge IX 
S. 125 § 9. 

') Annalen 19 S. 288. 

4 1 Das bezeugt das Obcrdollendorfer Weistum, Beiträge IX S. 125 § <)• 
In Niederdollendorf sollte kein „schütz . . angesetzt werden, ehe er seinen aydt 
geleistet •' . . s. Annalen [9 S. 27;; der Niederdollendorfer Schütz wurde aber 
bei Gelegenheit des Nachbardinges eingesetzt, vgl. Annalen 19 S. 288. Eben- 
dort war auch jeder Geschworene verpflichtet, vor dem Nachbarding seinen Eid 
abzulegen. In Breisig sagt auf dem Märkerding der „altburgcrmcister sampt 
den schützen sein aidt uff«; war der neue gewählt, dann „thuet der clectus 
sein aidt" . . ebenso „schweren die neuwen schützen" auf dem Geding; vgl. 
Zeitschr. 12 S. 189. 

5 ) Annalen 11 S. 122. 



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S66 



Hennatin Schütze 



Wir haben damit die Kompetenzen des Xachbargedi ngs 
in seinen beiden besonders ausgeprägten Richtungen kennen 
gelernt, soweit sie sich urkundlich belegen lassen '). Wenn 
wir uns aber fragen, ob hiermit die Kompetenzen des Xach- 
bargedings erschöpft sind, so können wir darauf keine 
Antwort geben. Die Kompetenzen der Gemeindeverwaltung 
gehen bedeutend weiter, als sie uns hier entgegentreten. Es 
fehlt in jenen Nachrichten vor allem alles, was mit der Aus- 
übung des Flurzwanges zu thun hat. Es fragt sich nun, 
ob wir diesen Mangel der Unzulänglichkeit unserer be- 
nutzten Quellen zuzuschreiben haben, oder ob die Ent- 
scheidungen in allen, mit dem Flurzwang zusammenhängenden 
Sachen in anderen Versammlungen der Gemeinde, als auf 
dem Nachbargeding, vorgenommen wurden. Wir werden 
uns jedenfalls doch der letzteren Annahme zuwenden müssen 
Denn die auf dem Nachbargeding nachgewiesenermassen 
verhandelten Gegenstände der Verwaltung gehören fast aus- 
nahmslos unter die Kategorie der stehenden Geschäfte. Be- 
stimmungen in Sachen des Flurzwangs werden wir jedoch 
mehr zu den laufenden Vcrwaltungsangelegenheiten zu 
zählen haben; ihre Erledigung mag daher auch in unregel- 
mässigen, ad hoc einberufenen Gemeindeversammlungen 
stattgefunden haben. Leider sind wir in diesem Punkte 
fast nur auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen, 
denn die Quellen versagen beinahe jedwede nähere Aus- 
kunft 2 ). Wenn wir es hiernach überhaupt wagen dürfen, 

') Das Dorfgericht in den Dörfern des Oberamtes Heilbronn zeigt ganz 
ähn li ch e gerichtliche Kompetenzen. Vgl. Württ. Jahrbb. f. Statistik U. Landes- 
kunde, Jahrg. 1899, Heft I S. 39 f. Eine Reihe von Verwaltungsgeschäften aber, 
die am Niederrhein im Nachbarding erledigt wurden, kamen in jenen Dörfern 
nicht im Dorf- sondern im Vogtgericht Etir Verhandlung. Vgl. ebendort S. 13. 
Das hängt vielleicht mit dem grösseren lünfluss der Grund- und Gerichtshcrr- 
schaften in diesen Dörfern zusammen. 

2 ) Schwache Anhaltspunkte bieten folgende Stellen: In Heerdt bläst der 
Hirt die Nachbaren mittags oder abends zur „versamblung an der linden" zu- 
sammen. S. Annalen 25 S. 230 § 9. Man wird sich unter dieser Ver- 
sammlung schwerlich ein gebotenes Nachbarding vorstellen können. Achnlich 
heisst es in der Dürener Feldordnung: „wannehr ein abendtzgebot geschege. 
und aber jemand ohn erlaubnuss auspleiben würde.." s. Materialien S. 114 
$ 1;. Auch hier wird man wohl eher an eine zu irgend einem Zweck berufene 
Gemeindeversammlung, als an ein gebotenes Ding denken müssen. 



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Bezirk und Organisation clor niederrheinischen Ortsgemeinde, 207 

einen Unterschied zwischen dem Nachbargeding und der 
gewöhnlichen Gemeindeversammlung zu konstatieren, so be- 
stand er wohl darin, dass auf dem Nachbargeding gericht- 
liche Angelegenheiten und gewisse stehende Verwaltungs- 
geschäfte, wie insbesondere Einsetzung und Vereidigung 
der Gemeindebeamten, auf der gewöhnlichen Gemeindever- 
sammlung dagegen nur laufende Verwaltungssachen erledigt 
wurden. Es darf aber nicht vergessen werden, dass dieses 
Resultat mehr ein Produkt von Vermutungen, als auf Grund 
von Quellenangaben gewonnen ist. 

Bei den Nachbargedingen können wir, wie auch sonst 
bei allen anderen Gedingen, zweierlei Arten unterscheiden, 
das ungebotene und das gebotene Ding. Der Hauptunter- 
schied zwischen beiden besteht darin, dass das ungebotene 
Ding an ganz bestimmten, ein für alle mal festgesetzten 
Tagen des Jahres abgehalten wurde, während das gebotene 
je nach Bedürfnis, aber doch insofern beschränkt statt- 
finden konnte, als ein Mindestzeitraum, meist 14 Tage, 
zwischen zwei gebotenen Dingen liegen musste. In der 
Regel wurden jährlich 3 un gebotene Gedinge abgehalten'). 

Von einem gebotenen Nachbargeding finde ich nur 
wenige Andeutungen; vermuten darf man es wohl als 
Gegensatz überall da, wo, wie in Niederdollendorf, von 
dem „gewöhnlichen nachbargeding" oder, wie in Fischenich, 
von dem „ungebotenen baurgeding" gesprochen wird. Das 
Holzlarer Weistum dagegen sagt deutlicher 2): „so jemandt 
aus der nachbarschaft eine sach wieder den anderen hätte, 
und also seynenthalben die nachbaren bescheydten würden 
und versammeln lassen . . ." Augenscheinlich handelt es 
sich hier doch um ein gebotenes Nachbarding, dafür spricht 
vor allem der zur Verhandlung stehende Gegenstand, eine 

•) VgTdas Weistum von Holzlar, Annalen 25 S. 24!, und von Fischenich, 
Annalen Ii S [23 In Oberkassel dagegen fand das ungebotene Ding nur zwei- 
mal im Jahre statt, s. Beiträge IX S. .2.. In Oberkassel wird das eine auf 
Allerseelentag«, und in Niederdollendorf das an, 2t. Nov. .696 gehaltene 
Nachbarding genannt (vgl. Grimm I S. 336 und Annalen 19 287); es wird 
aber in beiden Fällen nur von diesen speziellen Naehbardingen etwas erzählt, 
•so dass darin kein Beweis gegen die Annahme liegt, es habe auch hier jährheh 
mehrere Gedinge gegeben. 

'*) Annalen 25 S, 241 S. 56. 




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268 



Hermann Schütze 



richterliche Entscheidung soll vorgenommen worden. In 
Oberdollendorf 1 ) sollen die Geschworenen „auf bescheiden 
und verkündigen des bürgermeisters . . . zur zeit oder 
jahrs zweymal . . . das . . . naebbargericht . . . besitzen". 
Der Ausdruck „zur Zeit" besagt doch deutlich, dass die 
Geschworenen zu jeder von dem Bürgermeister angegebenen 
Zeit Nachbarding halten sollten. 

Eine Einberufung der Gemeinde zu den ungebotenen 
Nachbargedingen wird kaum erfolgt sein, da ja die Tage 
für dieses Gericht schon im voraus bestimmt waren. Wie 
wir aber soeben sahen, sollte der Oberdollendorfer Bürger- 
meister die Geschworenen zu beiden Arten von Gedingen 
bescheiden lassen. Jedenfalls wird es auch sonst Aufgabi' 
des Gemeindevorstehers gewesen sein, die Gemeinde zu 
gebotenen Dingen berufen zu lassen. 

Das Nachbargeding wurde immer an ganz bestimmten 
Plätzen abgehalten ; oft bevorzugte man hierbei den an der 
Kirche gelegenen Kirchhof 2 ). Dieser Ort war auch bei 
anderen Gerichtssitzungen sehr beliebt-''). In Breisig wurde 
das Märkerding sogar „in der Capellen" abgehalten 4 ). 
Aber auch andere Orte wurden zu Dingstätten erwählt; 
die Dorflinde versammelte oft die Gemeindegenossen unter 
ihren schützenden Zweigen zum Nachbargeding 5 ). Die freien 
Höfe der Bürgerschaft Düsseldorf 0 ) endlich haben „by 
Goebels hoeve zo daele by der steinkuylen eyn buyrgedinge . ." 

In allen eben genannten Fällen wurde also das Nachbar- 
geding im Freien abgehalten; in manchen Dörfern hatte 

l j Rciträge IX S. 121. 

') So in Niederdollendorf; s. Annalen 19 S. 287. 

8 ) So fand das Latengericht in Geyseren „vor der kirchen" statt, siehe 
Annalen 24 S. 229; ebenso fand in Giesenkirchen das Land- und Holding 
„by der innren des kinhhofs der kirspelskirchen" statt. Vgl. Geschichte der 
Pfarreien der Erzdiöcese Köln XXI S. 288. 

4 ) Zeitschr. 12 S. 189. 

Ä > Die Honnschaften Kehn und Pesch hatten ihre Malstatte anter einer 
Linde; s. Geschichte der I'larrcien der Erzdiöcese Köln XXI S. 12. In Heerdt 
versammelten sich die Nachharen „an der linden", s. Annalen 25 S. 229 § 9. 
In Niederweiler hielten „seltenen und gemeind . . under der linden" ein Land- 
ding ab, vgl. Grimm IV S. 739 $ 10, jedenfalls Tand hier auch das Nachbar- 
ding statt. 

°) Beiträge IV S. 97. 



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He/.irk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde. 269 

man aber auch eigene, zu dorn Zweck erbaute Häuser, 
welche oft „Spielhäuser" oder „Spielhöfe", „theatrum villae" 
Wessen 1 ). Auch zur Abhaltung von Hofdingen bestanden 
manchmal derartige Häuser 2 '. 

Über die Tageszeit, zu welcher das Nachbargeding 
abgehalten werden sollte, habe ich nur eine kurze Angabe 
finden können, obschon für gewöhnlich bei Weistümern 
in diesem Punkte reichhaltigere Angaben gemacht werden 
Von einem Nachbargeding Huden wir hierüber nur in Nieder- 
dollendorf die Angabe, dass es „umbtrint 2 uhren nach- 
mittag" begann 4 ). Wann es aufhörte, erfahren wir leider 
nicht. Die Mossblecher Hofesrolle sagt über den Endpunkt 
des Hofdinges, es soll nicht länger dauern, „aislang der 
richter dann die sonne hat 5 )". 

Den Vorsitz im Nachbarding führte der Gemeindevor- 
steher. Ausdrücklich bestimmt das Holzlarer Weistum*) 
von 1646: „Ttem der burgemeister soll auch das baurrecht 
anfangen" ... In dem Weistum der Bauerschaft Fischenich 
wird verlangt, dass, wenn einer beim Hurgeding zu spät 
kommt, er nicht „in den rath gehen soll, [er] habe dan von 
dem baurmeister zu vorn Urlaub geheischen" . . . 7 ). Diese 
Erlaubnis konnte der Bauermeister aber doch nur geben, 
wenn er Vorsitzender des Burdings war. In dem Ober- 
dollendorfer Weistum von 1540 8 ) heisst es ferner: „hat Lentz 
Mentis das gericht besessen als ein richter und bürgermeister 
des kirspels Oberdollendorf". Auch in dem Bericht über das 
Niederdollendorfer NachbardingO) lässt es sich zwischen den 
Zeilen herauslesen, dass der dortige Bürgermeister den Vor- 
sitz im Nachbargeding geführt habe. Er zählte nicht zu 
den Geschworenen und war auch nicht Vorsprecher des 
Gemeindeumstandes, der er doch seiner ganzen Stellung 
nach hätte sein müssen, wenn er eben nicht den Vorsitz 
geführt hätte. 



') Vgl. Gesch. der Pfarreien der Erzdiöcese Köln XXI S. 288. ferner 
Aus dem Viersencr Bannbuch S. 39 » ,ul Arc,liv 1 S- 28 °' 
») Archiv VII S. 277- 

:l ) Vgl. Archiv VII S. 319 »n<l Zeitschr. IX S. 43. 

«) Annalen ,9 & 287. >) Zeitschr. IX S. 43- 8 > Annalen 25 S. 24,. 
') Annalen 11 S. ,23. «) Beiträge IX S. Ii* ») Annalen .9 S. 287. 



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270 



Hermann Schützt 



Bei der Biegung des Nachbargedinges mussten natürlich 
gewisse althergebrachte Formalitüten eingehalten werden. 
Das («cding wurde feierlichst eröffnet. In Niederdollendorf 1 ) 
wird auf dem Nachbargeding von 1696 „in des landefürsten 
namen das geding beheget, bann und friden geboten . ." es 
herrschte dann der Dingfriede. Diese Eröffnungsformalität 
werden wir gewiss für allgemein gebräuchlich ansehen 
dürfen, wenn sie auch nur hier ausdrücklich bezeugt ist. 
Mit dem Gebieten des Dingfriedens hatte das Nachbargeding 
begonnen, wer dann zu spät kam, durfte nach Angabe 
des Fischenicher Weistums „nit in den rat gehen", wenn 
er sich nicht zuvor die Erlaubnis des Vorsitzenden einge- 
holt hatte. Wo, wie in Niederdollendorf, ein engerer Ge- 
meindeausschuss in Gestalt eines Geschworenenkollegiums 
vorhanden war, da sass derselbe an einem Tisch, während 
die übrige Gemeinde rings herum stand 2 ). Wie es in dieser 
Beziehung an denjenigen Nachbargedingen gehalten wurde, 
an welchen uns keine Geschworenen bezeugt sind, kann 
ich nicht feststellen. Während des Gedinges sollte sich ein 
jeder „still und zeuchtig" verhalten, damit die Verhandlungen 
nicht gestört wurden ; wer sich dagegen verging, zahlte 
Busse 3 ;. In dem Oberkasseler Hofgcding sollte keiner mit 
seinem Stuhl rücken oder sich ohne Krlaubnis von seinem 
Platze erheben 4 ); Vorschriften, die auch gewiss bei Nachbar- 
gedingen eingehalten wurden. 

Für die Formen der Verhandlung ist massgebend, dass 
man sich oft, wie in Holzlar 5 ) und Niederdollendorf 6 ), der 
Vorsprecher bediente. Es trug nicht jeder Nachbar sein 
Anliegen mündlich dem Nachbargeding vor, sondern er 
that das durch die Vermittlung eines Vorsprechers 7 ). Der 
Grund dafür, dass der Nachbar sich eines Vorsprechers 
bediente, mag darin liegen, dass gewisse Fragen nur in 
bestimmten Formeln gestellt werden durften, die nicht 



') Annalcn Ii S. 12.5. *) Annalen 19 S. 288. 3 ) Annalen 11 S. 123. 
') Archiv VD S. 319. 6 | Annalcn 25 S. 241 § 49. 6) Annalen 19 S. 288. 

M Vorsprecher gab es auch in den Dorfgerichten der Dörfer im Oberamt 
Hjeilbronn; vgl. Würtb. Jahrbücher für Statistik und Landeskunde, Jahrg. 181)9, 
Heft I S. 40. 



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271 



jedem geläufig waren 1 ). Ob dieser Brauch aber durchgängig 
herrschend war, scheint mir nicht ganz zweifellos zu sein, 
denn in dem recht eingehenden Weistum über das Fische- 
nicher Rurding wird eines Vorsprechers wenigstens mit 
keiner Silbe gedacht 2 ). 

Das Majoritätsprinzip habe ich nur einmal erwähnt 
gefunden und zwar in dem Weistum von Mayschoss-' 5 ) im 
Jahre 1586. Das Majoritätsprinzip, ohne welches uns heute 
eine Ordnung in Gcmeindeangelegcnlieiten undenkbar er- 
scheint, war also noch im 16. Jahrhundert so wenig allge- 
mein als notwendig anerkannt, dass man seine Gültigkeit 
in einem Paragraphen festzusetzen für nötig erachtete. 

Nach Beendigung des Xachbargcdings fand meist ein 
Gelage statt, auf welchem die Gerichtsbussen vertrunken 
wurden 4 ). Nach den unten citierten Fällen nahmen nur die Ge- 
schworenen an solchen Gelagen teil, doch scheint das allge- 
meiner Brauch gewesen zu sein ; denn eine landesherrliche 
Verordnung von 1743 verbietet das Zechen und Schmausen 
der Gemeindevorstände auf Kosten der Gemeinden bei 
Gelegenheit dm- Gemeindeversammlungen 5 ). Wir ersehen 
aus dem Datum dieser Verordnung zugleich, wie lange sich 
diese Sitte hatte erhalten können. 

Derartige Nachbargedinge haben sich bis weit in das 
1 B.Jahrhundert hinein erhalten ; stammt doch sogar der Bericht 
über das Niederdollendorfer Nachbargeding, der fortwährend 
zur Ergänzung der vorliegenden Darstellung herangezogen 
wurde, aus dem Jahre 1696. Wenn wir annehmen müssen, 
dass mit dem landesherrlichen Erlass von 1773, nach welchem 
die in mehreren Orten noch üblichen Nachbarstrafen 
strengstens verboten werden 6 ), die Dorfgerichtsbarkeit völlig 
erloschen ist, so ist damit das Nachbarding einer seiner 

>) Weitere Gründe hierfür giebt l'lanck in seinem „Gerichtsverfahren" 
S. 194 an. 

*) Annalcn 11 S. 1 23. 

3 ) Annalcn 16 S. 81 <? 37- 

') Vgl. darüber das Weistum von Oberdollendorf (Beitrüge IX S. 124 ij X). 
den Bericht über das Niederdollendorfer Nachbarding von 1696 (Annalen 1 9 S. 28S) 
und die Ordnung der Weiherstrasse (Knncn IT S. 218 § 52). 

») Scotti I No. 1571- 

Gl Scotti II No. 2095. 



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272 



Hermann Schütze 



Hauptkompetenzen entkleidet. Betrachten wir die Dorf- 
gerichtsbarkeit als einen integrierenden Bestandteil des 
Nachbargedings, und das werden wir nach dem oben 1 ) Ge- 
sagten thun dürfen, so werden wir nach 1773 kaum noch 
von einem Nachbargeding sprechen können. Die auf dem 
Xachbarding erledigten stehenden Verwaltungsgeschäfte 
gingen vielleicht in die gewöhnliche Gemeindeversammlung 
über. Aber auch die Ausübung der Verwaltungskompe- 
tenzen durch die Gemeindeversammlung ging einem plötz- 
lichen Ende entgegen; als im Jahre 1807 die französische 
Mairieverfassung in den Rheinlanden eingeführt wurde, horte 
auch die Gemeindeversammlung in dem alten Sinne auf zu 
bestehen. 

D. Die Gemeindemitgliedschaft. 

Moritz Ritter spricht in seinem Aufsatz „Zur Ge- 
schichte deutscher Finanzverwaltung im 16. Jahrb." ge- 
legentlich über die Verteilung des ländlichen Grundbesitzes 
innerhalb der Ortsgemeinde am Niederrhein und kommt 
zu dem Resultat, dass derselbe im Durchschnitt zu sehr 
kleinen Parzellen verteilt war. und dass es nur sehr wenige 
grössere Bauernhöfe in einer Ortsgemeinde gab 2 ). Wenn 
wir uns hierbei der in der Untersuchung über die Ge- 
meindegeschworenen gewonnenen Resultate erinnern, so 
werden wir bei den wenigen grösseren Bauernhöfen in 
der Gemeinde gewiss an die Geschworenen zu denken 
haben. Die Geschworenen lernten wir als eine, jedenfalls 
infolge ihres grösseren Landbesitzes bevorzugte Klasse 
unter allen anderen Dorfgenossen kennen. Wir stehen jetzt 
vor der Frage, ob alle anderen Gemeindegenossen ausser den 
Geschworenen sich gleicher Rechte erfreuten, also ob etwa 
jeder erwachsene, männliche Dorfgenosse im Genuss der 
Gemeinderechte war. Wie Maurer im allgemeinen nach- 
gewiesen hat, gehörte die Klasse der Knechte und Tage- 
löhner in der Ortsgemeinde nicht zu den vollberechtigten 
Dorfgenossen 3 ). Jedenfalls werden wir annehmen können 

') S. oben S. 266 f. 

'-) /.eitschr. 20 S. <) f. 

s ) Dorl'vcrfassuiiR I S. 142 fl". 



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273 



dass es sich im niederrheinischen Gebiet nicht anders ver- 
halten hat; eine leise Andeutung hierfür bietet vielleicht 
das Maysehosser Weistum'). Hier wird gesagt, dass alle 
gedingten, gemeinen Knechte in Straffällen den Nachbaren 
zu büssen haben; vielleicht dürfen wir hieraus entnehmen, 
dass man die Knechte nicht zu den Nachbaren zählte, 
ein Zwang zu diesem Schlüsse liegt jedoch nicht vor. 
Danach hätten wir wohl die Klassen der bevorrechtigten 
Geschworenen und der unberechtigten Knechte in unserer 
Ortsgemeinde zu unterscheiden. Damit ist aber die Zahl 
der Gemeindegenossen nicht erschöpft. Das Weistum von 
Holzlar spricht von den „14 geburen" und den „anderen 
sänibtlichen nachbaren 2 )". Wer gehörte nun ausser den 
Geburen hier noch zu den Nachbaren? $ 47 desselben 
Weistums bestimmt: „wan sich ein einheimischer oder 
auswendiger in der nachbarschaft zu haus setzet, der soll den 
nachbaren vor eine erkentenuss geben 2 gulten Cöllnisch". 
Wenn sich also ein Einheimischer zu „haus setzet", d. h. 
ein selbständiges Hauswesen begründet, wird er nach 
Hinterlegung einer gewissen Gebühr zum Nachbar. Hier 
war die Möglichkeit, Nachbar zu werden, an die Bedingung 
des Besitzes eines eigenen Hauses geknüpft. In Paffrath 3 ) 
berechtigte ebenfalls der Besitz eines eigenen Hauses zur 
Geltendmachung der Nachbarrechte. Wenn wir in den 
niederrheinischen Urkunden und Weistümern dem Worte 
„hausmann" begegnen, welches den Bauer im Gegensatz 
zum Ritter und zum Kötter bezeichnet 4 ), so scheint mir 
dasselbe auf gleichartige Verhältnisse hinzudeuten. Der 
„hausmann", d. h. der Inhaber eines eigenen Hauses, ist 
wohl überall der vollberechtigte Nachbar gewesen. Wie 
klein der Landbesitz solcher Hausleute manchmal war, 
zeigt uns eine Stelle im Weistum von Oberdollendorf 5 ): 
..gibt ein jeder hausmann auch den schützen im ärn eine 
garb, welcher einen morgen zu schneiden hat". Ebenso 
klein konnte der Landbesitz der Hausleute in Oberkassel 
sein«). 

') Annalcn 16 S. 81 § 38.. ') Annalcn 25 S. 241. ") Archiv VII S. 300. 
*) l-dstd. Verf. III, 1 S. 17. '•) [Jeto*ge IX S. 115. fi > Grimm V S. 331.. 
iahrbiidh XV. IS 



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1 t ermann Schützt 



Kndlich werden in manchen Weistümern noch die 
Kötter erwähnt. Unter Kötter versteht man meistens die- 
jenigen Besitzer, die keinen Ackerbesitz auf der Flur, 
sondern nur nahe am Dorfe und zwischen den Gewannen 
oder überhaupt nur Haus- und Feldgärten hatten, und denen 
kein oder ein geringer Anteil an der Allmende zustand; 
man erklärt sie als Ungenossen, Ungemeinder ')• Ein 
zwingender Beweis für die Richtigkeit dieser Definition 
lässt sich jedoch für unser Gebiet nicht erbringen. Wenn 
Weinsberg in seinen Erinnerungen erzählt ' 2 ), es sei in Dor- 
magen Brauch, „wer kein eigen lant hat, der muss die kotters- 
marck zu schätz geben", so seheint er damit die Kötter 
zu den landlosen Personen zu rechnen. Jedoch ist hier das 
Wort „lant" wohl im technischen Sinne zu verstehen, etwa 
im Gegensatz zu Gartenstücken. Überall waren die Kötter 
auch nicht landlos, das zeigt uns eine Urkunde vom Jahre 
1540''), in der es heisst: „Item die kotter lanx den broieh 
wannen zu Benrath und zu Weesten, haven under ziden 
pert und under ziden haven si gein perd". Wenn ein 
Kötter sich sogar zeitweise ein Pferd halten konnte, dann 
muss er auch einen relativ grossen Landbesitz gehabt haben, 
jedenfalls entschieden einen grösseren wie manche Haus- 
leute in Oberdollendorf oder Oberkassel, deren Besitz wir 
ja eben kennen lernten. Auch giebt es nachweislich in 
unserem Gebiet gemeine Nachbaren, die keine Pferde haben 
und doch nicht Kötter sind, und zwar in Müggenhausen ; 
hier werden nämlich neben den gespannlosen Nachbaren 
Kötter genannt, die mit einer Kopfsteuer belegt sind 4 ). Die 
Kopfsteuer deutet nun wiederum auf die Landlosigkeit hin, 
und wir werden wohl annehmen dürfen, dass der kötter 
in der Regel keinen in der Feldflur gelegenen Acker 
hesass, dass er nur im Ausnahmefall soviel Land be- 
wirtschaftete, auf dem er zeitweilig ein Pferd halten 
konnte. 



') Ldsul. Verf. ITI, 1 S. 2 1 ; s. auch dori die ütteraturangaben. 
*) Buch Weinsbern 1 S. 153. 
■'') Ldstd. Verl. III S. a6l. 
*) «irinnn IV S. $ 13 IV. 



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275 



In den sonstigen mir bekannten Weistümern, welche 
die Kötter erwähnen, werden fast ausnahmslos nur deren 
Rechte in der Allmende festgestellt 1 ). 

Wir können aus den citierten Quellen ersehen, dass 
die Kötter im Gegensatz zu den Erben eine sehr be- 
schränkte Allmendenutzung hatten. Immerhin muss es 
fraglich bleiben, ob wir diese Stellung der Kötter in der 
Markgemeinde ohne weiteres für ihre Stellung in der 
Ortsgemeinde verwerten dürfen. In den Weistümern, 
welche von einem Nachbarding sprechen, habe ich die 
Kötter mit keiner Silbe erwähnt gefunden, es handelte 
sich dort nur um die Geschworenen und die Nachbaren. 
Man kann hieraus vielleicht schliessen, dass die Kötter 
ebensowenig etwas auf dem Nachbarding zu schaffen 
hatten wie auf dem Holzding der Markgenossen, wo sie 
ebenfalls fehlen. Da muss es nun auffallen, dass die 
Kötter in Paffrath das Recht haben, einen Schöffen für 
das dortige Hofgeding zu setzen, während die 6 übrigen 
Schöffen von einem Hof oder mehreren Höfen zugleich 
gesetzt werden 2 ). Ferner sind die Kötter hier verpflichtet, 
bei einer Strafe von „ö penningen" auf jedem ungebotenen 
Hofdinjr zu erscheinen; die Lehnleute zahlen eine höhere 
Strafe, wenn sie ausbleiben. Auch sollen die Kötter auf 
dem Oeding „ir wort selver doin und neimantz um loin". 
Ks werden die Kötter liier zwar immer zu ihrem Nachteil 
von den Lehnleuten unterschieden, im wesentlichen jedoch 
haben sie denselben rechtlichen Standpunkt. Aus dem 
ganzen scheint mir eine traditionelle Herabsetzung ihrer 
Stellung gegenüber der der Lehnleute hervorzuleuchten. 
Dasselbe sagt uns eine Stelle aus dem Hofrecht von 
Lüttingen 3 ). Die Hufenbesitzer haben hier das Vorrecht 
der Urteilsfindung im Hofgericht zu Lüttingen den Köttern 
voraus, im übrigen aber stehen sich beide Klassen recht- 
lich gleich. Die Möglichkeit wird wohl kaum bestritten 

') Vgl. die Wcistümer von Bannen (Archiv VII S. 280), von Elberfeld 
(Zt-itsclir. i) s. 59 S ■)), von Flamersheim (Archiv Hl S. 199) un<l von Leich- 
lingen (Archiv VII S. 2871. 

-) Archiv VII S. 298. 

s l Archiv I S. 203 § X 3. 

IS* 



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97li 



Hermann Schütze 



werden, dass die Kütter in der Ortsgemeinde eine ähn- 
liche Stellung einnahmen, wie in den beiden letzten Fällen 
in der Hofgemeinde '). 

Wir könnten demnach vielleicht 4 Klassen von Ge- 
meindegenossen unterscheiden : 1 ) die Geschworenen, 2) die 
I lansleute, 3) die Kütter und 4) die gedingten Knechte = 
Gesinde. Diese 4 Klassen lassen sich wiederum zu 2 Ab- 
teilungen kombinieren: a) die Geschworenen und die Haus- 
leute, zusammen die gemeinen Nachbaren genannt, sind 
die eigentlichen Träger der Kompetenzen der ( )rtsge- 
meinde, sie allein sind im Besitze der vollen Gemeinde- 
mitgliedschaft; b) die Kotier und das Dorfgesinde, sie re- 
präsentieren nur die regierten Klassen, und wir können 
ihnen eigentlich ein Recht an der Gemeindemitgliedschaft 
nicht zusprechen. 

Das Recht der Gemeindemitgliedschaft war nicht gerade 
durchaus ein Annex eines bestimmten Besitzes, etwa eines 
Hauses oder einer Hufe; wenn in Holzlar ein Nachbar 
ein schweres Verbrechen beding, so wurde er „von den 
nachbaren ausgeschlossen", bis er die schwere That ge- 
sühnt und wieder „geleyt erlangt' hatte 2 ). Den Besitz 
konnten die Nachbaren dem Verbrecher nicht nehmen, er 
behielt ihn also, er verlor aber alle mit diesem Besitze 
verknüpften Gemeinschaftsrechte. Dieser Verlust der Ge- 
meindemitgliedschaft konnte auch noch unter anderen Um- 
ständen eintreten, wenn nämlich der Gemeindegenosse 
den Beschlüssen der Bauerschaft andauernd ungehorsam 
war, besonders wenn er die Bussen nicht zahlen wollte 3 ); 
ebenso wenn er sich weigerte, ihm übertragene Gemeinde- 
runter zu übernehmen 4 ). 

Ebensowenig erwarb ein Dorfgenosse eo ipso die 
Mitgliedschaft, wenn er sein eigenes Haus hatte. Wir 

'l In dem benachbarten Gebiet Niedersachsens nahmen die Kütter eine 
ganz andere Stellung ein, hier waren sie vollberechtigte Gemeinderriitglieder. 
Vgl. W. Willig: Die Grundherrsehaft in Nordwesldeulschland S. 98. Die 
Stellung der Kütter in unserem Gebiet wird sich vielleicht mü der der Urink- 
sitzer in Niedersachsen decken, lieber die Brinksitzer s. a. a. ( >. S. [Ol ff. 

'■') Annalen 25 S. 247 § 54. 

B ) Eimen 11 S. 214 § 37. 38, 4S u. a, 

<) A. a. (). S. 2 1 S }6. 



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Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde, 



277 



kinten einen solchen Fall in Holzlar bereits oben 
kennen 1 ). Wenn etwa der Sohn eines Bauern den Hof 
seines Vaters übernahm, so wurde ihm erst nach Erlegung 
einer bestimmten Gebühr die Mitgliedschaft zugestanden. 
Eine noch weit höhere Summe aber musste der Fremde 
bezahlen, der sieh etwa durch Kauf in dem Dorfe an- 
sässig machen wollte ' 2 ). Diese Summe war der sog. Einzug. 
Dieser Brauch bestand aber nicht überall in der älteren 
Zeit, Maurer'') meint, er wäre erst ein Produkt des späteren 
Mittelalters. Für Maurers Ansicht lässt sich ein Beispiel 
aus unserem Gebiet anführen. Im Jahre 1 739 fassen die 
K irchspielsleute zu Oberdollendorf den Beschluss, ein 
Bürgergeld von zuziehenden Fremden zu erheben 4 ). Vor 1739 
bestand demnach diese Einrichtung in Oberdollendorf noch 
nicht. Auch das Paffrather Weistum 5 ) von 1454 kennt sie 
( »Ifenbar nicht ; denn hier war der blosse Erwerb eines eigenen 
Hauses oder Grundstückes identisch mit dem Erwerb der Ge- 
meindemitgliedschaft. Ganz analog liegen die Verhältnisse 
in der städtischen Ortsgemeinde. Auch hier war zuerst der 
Grundbesitz Voraussetzung für die Gemeindemitgliedsehaft. 
erst später wurde das sog. Bürgergeld von zuziehenden 
Fremden erhoben 0 ). Im Jahre 1810 spricht eine landes- 
herrliche Verordnung den Gemeinden die Befugnis ab, ein 
Bürger-, Nachbarschafts- oder Einzugsgeld bei Nieder- 
lassungen in ihrem Bezirke zu erheben 7 ). 

1 ) s. oben S 273. 

2) Annalen 25 S. 240 <j 53. 
a ) Dorfvcrfassung 1 S. 177. 
*) Beiträge IX S. 113. 

a l Archiv VII S. 300. 

«l d. v. Below: Artikel „Bürgerrecht", im Handwörterbach der Staats- 
wissenschaften. Vgl. auch zu dieser Frage die eingehenderen Aufnahinebe- 
stinunungen in den Dörfern des Oberamts rleilbronn; Württ. Jahrbb iüi 
Statistik und Landeskunde. Jahrg. 1899, Hell I S. ff. 

") Seotli III No. 1383V 




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Die Universität Duisburg unter französischer 
Verwaltung (1806—1813). 

Ein Beitrag zur Geschichte des Grossherzogtums Berg 1 ). 

Von Dr. P. Eschbach. 

I 

I 

Die letzten Jahre der preussischen Verwaltung. 

icht ohne schwere Bedenken erfüllte Kurfürst 
Friedrich Wilhelm von Brandenburg den Wunsch 
'^~ilfß< S( ' m( ' r ( '' eve - m ärkischen Landstände, indem er im 

, . . .\&-<i Irilire i s;irli *»n+fir»h1rkec fflr Aie waci-KrAian 



fe^J Jahre 1654 sich entschloss, für die westlichen 
debiete seines Staates eine Universität in Duisburg zu 
gründen 2 ;. Er führte zwar damit einen Plan aus, den ein 
Jahrhundert zuvor bereits Herzog Wilhelm III. (V.) gefasst, 
aber nicht ausgeführt hatte' 1 ); doch die Verhältnisse, unter 
denen die Schöpfung des Grossen Kurfürsten ins Leben 
trat, waren grundverschieden von denjenigen, welche dem 
Plane des clevischen 1 ferzogs zu Grunde lagen. 

Was Herzog Wilhelm HL (V.) bewog, gerade Duisburg 
zum Sitz einer Universität zu bestimmen, war weniger „das 
gesunde Klima und der fruchtbare Boden" dieses Ortes, als 



') Die folgende Darstellung beruht im wesentlichen auf den in der Kgl. 
Bibliothek zu Bonn liegenden Akten der ehemaligen Universität Duisburg; zur 
Krgänzung dient« tl aus den Beständen des Kgl. Slaalsarehives zu Düsseldorf 
einige Akten des Grossherzogtunis Berg, Abteilung Cultus; der Kürze halber 
sind im folgenden die ersteren mit B, die letzteren mit 1) und der betreffenden 
Mummer bezeichnet. 

-'i v. Morner, Zeitschrift für preussische Geschichte 1 1868), Bd. 5, S. 544 BF. 

- 1 ) l.acomhlet, Archiv für die Geschichte des Niederrheins (1866), B.l. 5, 
S. 70 ff. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 279 

die Gunst seiner Lage, die darauf beruhte, dass die Univer- 
sität sich hier im Mittelpunkte seiner Länder befand und 
von anderen Hochschulen w eit genug entfernt war. um nicht 
deren Konkurrenz befürchten zu müssen 1 ). Diesen Vorzug 
hatte Duisburg zur Zeit des Grossen Kurfürsten nicht mehr. 
Seit der Teilung" der jülich-cle vischen Erbländer lag die 
Stadt nicht mehr in der Matte des brandenburgischen Erb- 
teiles, sondern an seiner südlichen Grenze. Andererseits war 
inzwischen in Westfalen und besonders in den Niederlanden 
eine Reihe von Hochschulen entstanden, die den Bezirk, 
aus dem der Duisburger Universität Studierende hätten zu- 
strömen können, bedeutend einengen mussten: in Westfalen 
1614 Paderborn, in den Niederlanden 1575 Leyden, 1585 
Fr aneker, [614 Gröblingen, 1634 Utrecht, 1648 Harderwyk 2 ). 
Überdies war das Gebiet, für das die brandenburgische 
Universität gegründet wurde, an sich viel zu klein, als dass 
es ihr einen ausreichenden Besuch von Studierenden hätte 
sichern können 8 ). Auch der einseitig reformierte Charakter 
derselben konnte der Frequenz nicht günstig sein. Dazu 
kam. dass die schlechte Finanzlage des Staates dem Kur- 
fürsten eine ausreichende Dotation der neuen Hochschule 
nicht ermöglichte. Schon der Mangel an Stipendien und 
Freitischen, für die eben keine Mittel vorhanden waren, 
brachte es mit sich, dass die Zahl der Studierenden in Duis- 
burg nicht gross sein konnte; denn bei der Verarmung 
breiter Volksschichten seit «b in dreißigjährigen Kriege war 
ein sehr bedeutender Teil der Studenten auf eine derartige 
Unterstützung angewiesen*). Ein weiteres Hemmnis lag 

1,1 iiei Rulle vom 10. April 1 y>-\ durch die Papsl Pius IV. die 
Errichtung der Universität genehmigt, betest es, der Herzog wünsche dieselbe 
in Duisburg zu gründen, „quod in meditullio döminiörum suorum consistit et 
salubritate aeris et fertilitate soli plurimum arridet ac locis universitatnin 
studiorum generalium illaruru partiuni nr.n riimis vicinum est. (Lacomblet, 
Urkundenbuch IV Ko. $64). Die einzige Nachbar- Universität, die in Frage 
hätte kommen können, Köln, war damals in argen Verfall geraten. Fr. Paulsen, 
Geschichte des gelehrten Unterrichts (Leipzig 1885) S. 141 f. 

-) Im 18. Jahrhundert traten dann noch Münster (1773) und Honn (1784I 
hinzu. Paulsen, S. 271, 170. 508 f. 

- 1 ) C. Bornhak, Geschichte der preussischen Universitätsverwaltung bis 
1810 (Berlin J900). S. <>. 

*) hornhak, S. 20 und 71. 



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WO i) r . p, ].: s( hl..uh 

in der ungenügenden Ausstattung der Universität mit Lehr- 
mitteln, besonders mit einer ordentlichen Bibliothek, der 
geringen Zahl von Professoren und der Kümmerlichkeit ihrer 
Gehälter. Die schlechte Besoldung, der kleine Zuhörerkreis 
und die Bedeutungslosigkeit der Universität mussten her- 
vorragende Gelehrte abschrecken, einem Rufe nach Duisburg 
zu folgen. Der Mangel an namhaften Lehrern aber hielt 
natürlich wieder die Studierenden fern. 

Aus diesen Gründen blieb die Frequenz der Duisburger 
Universität, selbst zur Zeit ihrer Blüte unter Friedrich dem 
Grossen, notwendigerweise immer sehr gering. Seit dem 
Jahre 1777, wo noch 10,5 Studierende vorhanden waren, ist 
che Zahl von 100 Zuhörern nicht wieder erreicht worden. 
Beim Tode des grossen Königs betrug sie nur noch 71; 
seitdem sank sie, namentlich durch die Folgen der fran- 
zösischen Revolution für die Rheinlande, bis zum Ende des 
Jahrhunderts von Jahr zu Jahr. 

Seit der Besitzergreifung der linksrheinischen Gebiete 
durch die Franzosen und der völligen Umgestaltung ihrer 
kirchlichen und bürgerlichen Verfassung unter der fran- 
zösischen Republik war für Theologen und Juristen die Aus- 
sicht auf Anstellung im Kirchen- und Staatsdienst so gering 
und ungewiss geworden, dass hie,- fast Niemand sich mehr 
diesen Fächern zu widmen wagte und selbst auf der rechten 
Rheinseite viele durch die Unsicherheit aller Verhältnisse 
vom Studium abgeschreckt wurden. Am meisten litt die 
theologische Fakultät unter dieser Ungunst der Zeitum- 
stände; die Zahl ihrer Zuhörer betrug im Jahre .794 noch 21 
im Jahre «79s nur noch fünf. Aber auch in der philosoph- 
ischen Fakultät, die von jeher die schwächste war, brachten 
damals wegen Mangels an Zuhörern zwei der drei Professoren 
kem Kolleg zustande. Dazu kam die anhaltende Teuerung, 
die in Duisburg, wie in den rechtsrheinischen (.egenden 
überhaupt, nicht zum wenigsten durch das starke Zuströmen 
der Emigranten herbeigeführt wurde 1 ). Die Preise für die 
Wohnungen, an denen jetzt grosser Mangel herrschte, und 

') l'ber eins Gedränge ,1er Emigranten in Duisburg klagt schon tf 9a 
Loetne, Campagne in Frankreich (Duisburg, Ende November». 



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ble Uhivcisitlii Duisburg unter französischer Verwaltung. 



für den Mittagstisch stiegen dermassen, dass manche Stu- 
dierende gezwungen waren, die entfernteren, aber wohl- 
feileren Universitäten, wie Halle, vorzuziehen 1 ^. 

Auch das ohnehin so kleine Vermögen der Universität 
erlitt durch die politischen Ereignisse jener Zeit empfindliche 
Einbussert. Durch die Abtretung des preussischen Gebietes 
auf der linken Rheinseite im Separatfrieden zu Basel (1795) 
gingen ihr zunächst mehrere, allerdings recht unsichere 
Einkünfte verloren 2 ); weiterhin aber hatte sie jetzt ansehn- 
liche Kapitalien im Auslände stehen, von denen die Zinsen 
allmählich nicht mehr bezahlt wurden 3 ). Der Senat bemühte 
sich wiederholt, eine Entschädigung zu erlangen. So bat 
er 1802 die Regierung um Zuwendung der Bibliothek der 
an Preussen gefallenen Abtei Werden und des adeligen 
Klosters zu Düssem samt seinen Einkünften, falls dasselbe 
aufgehoben würde. Doch blieben alle Gesuche ohne Erfolg. 

Schlimmer noch waren die Folgen, die den Professoren 
selbst aus der Aufhebung der Rheinzölle im Jahre 1803 zu 
erwachsen drohten. Die Haupteinnahme der Universität 
zur Bestreitung der Gehälter bildete eine Rente von 1200 
Dukaten, die auf dem Rheinzoll von Ruhrort lastete. Seit 
August 1803 verweigerte die Zollkasse die Zahlung; denn 
die Zolldirektion erklärte sieh auf Grund der neuen Be- 
stimmung über die Rheinzoll-Revenüen nicht mehr dazu 
befugt. Die Regierung zu Münster wusste sich auf eine 
Beschwerde des Senats nicht anders zu helfen, als dass sie 
ihn am 29. Oktober zur Aufnahme eines zur Bezahlung der 
rückständigen Gehälter hinreichenden Kapitals ermächtigte 4 ). 



>) Senatsbericbte vom 12. April 179b. 27. Juli 1798 und 8. April 1799 
(B. 252.1. 

'-') Ks wann eine Reine zu Griet (44 Goldgulden) und ein Teil der 
Revenuen von den jenseitigen Kanonikaten, etwa 400 Reichsthaler (B. i<i2>. 

3 ) Auf der Stadt Cleve lasteten 2500, auf der Dflffclschen Schau 1000, 
auf der Wasserbaukasse zu Cleve 1583 Rthlr. 20 Stbr. und ein anderes Kapital 
von 5555 Rthlr. 33 Stbr. 2 Hllr. (B. 192). Über das Ausbleiben der Zinsen 
berichtet ein Schreiben des Senates an Graf von Rorcke vom 5. Februar 1810 
(D. 82a 

*) Die Universität nahm zu diesem Zwecke am 9. November beim Kauf- 
mann Tuckermann ein Kapital von 525 französ Kronthalern gegen einen 
Wechselbrief r.u 6% Zinsen auf. 



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482 



Dr. P. Eschbacli 



Im November erfolgte abermals keine Zahlung aus der Zoll- 
kasse. Auf Ersuchen der Regierung wies aber nunmehr 
das General- Accise- und Zoll -Departement des General- 
Direktoriums die Zollkasse 'zur Entrichtung der ausstehenden 
Summe an die Universität an. so dass von April 1804 an 
die Zahlung wieder regelmässig erfolgte. 

Die Stockungen in der Zahlung der Gehälter waren für 
die Professoren um so empfindlicher, als ihre sonstigen Ein- 
nahmen durch die Abnahme der Zahl der Studierenden sich 
immer mehr verringerten. Dass auch nach dem Eintritt 
friedlicher Zeiten die Frequenz der Universität noch weiter 
sank, hatte vor allem darin seinen Grund, dass seit 1801 
nicht weniger als fünf Lehrstühle unbesetzt blieben. Der 
Jurist Schlegtendahl war am 1. Oktober 1801 gestorben; der 
Professor der Eloquenz und Geschichte Borheck war wegen 
seines skandalösen Lebens am 1. Januar 1802 seines Amtes 
enthoben worden ; der Mathematiker und Physiker Merrem, 
zugleich Professor der Kamerai Wissenschaften, hatte im 
August 1804 einem Kufe nach Marburg Folge geleistet 1 ); 
der Theologe Möller wurde Anfang iNo=, nach Münster be- 
rufen; der Philosoph Plessing endlich starb am 8. Februar 
1806*). Jedesmal machte der Senat Vorschläge zur Be- 
setzung der erledigten Lehrstühle ; aber kein neuer Professor 
wurde ernannt. In der theologischen Fakultät lehrten nur 
noch (Trimm und Krummacher (der letzte, [800 nach Duis- 
burg berufene Professor), in der juristischen K rafft und 
Bierdemann, in der medizinischen Günther und Carstanjen; 
die philosophische Fakultät war mit Plessing ausgestorben. 
Kein Wunder, dass es unter diesen Umständen im Jahre [805 
nur noch -1 Zuhörer. 5 Theologen und t6 Mediziner gab 8 ). 
Manche Vorlesungen mussten wegen Mangels an Zuhörern 



') Goethe besuchte den geschätzten Naturforscher auf seiner Durchreise 
durch Duisburg Ende November 1702 (Goethe, Campagne in Frankreich). 

'-') Plessing, geboren 1753 zu Belleben, ist der jugendliche Selbstquäler 
in Goethes „Harzreise im Winter". Der Dichter hatte ihn 1777 in Wernigerode 
kennen gelernt; er suchte auch diesen Gelehrten bei seiner Anwesenheil in 
Duisburg auf und giebl von ihm in der erwähnten Schrift eine interessante 
Charakteristik. 

:1 ) B. 253. 



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bic Universität Duisburg unter friuiaösischer Verwaltung. 



283 



ausfallen, besonders die juristischen: für manche anderen, 
namentlich für die dorn Anfänger unentbehrlichen philo- 
sophischen, fehlten die Lehrer. Das Bestreben einzelner 
Professoren, ausser ihren eigenen Vorlesungen auch solche 
aus anderen Gebieten zu halten, für die keine Lehrkraft 
mehr vorhanden w ar, konnte nur zu wissenschaftlicher Ver- 
flachung führen. Das geringe Gehalt zwang eben zu dem 
Versuche, möglichst viel Honorar herauszuschlagen 1 ). Da 
so die wenigen Professoren das Lehramt ihrer früheren 
Kollegen zum Teil mit versahen, war es ein gerechter 
Wunsch, wenn sie um Zuwendung der für die erledigten 
Lehrstellen bestimmten Gehälter baten. Die Regierung 
erfüllte« ihn. indem sie am 9. März 1806 verfügte, dass jene 
Gehälter, vom 1. August 1805 an gerechnet, unter den vor- 
handenen Professoren in monatliehen Raten zu gleichen 
Teilen zur Verteilung" gelangen sollten 2 ). 

Die Haltung der preussischen Unterrichtsverwaltung 
aber, die jede Wiederbesetzung der verwaisten Lehrstühle 
ablehnte und damit die Universität geradezu auf den Aus- 
sterbe -Etat setzte, findet ihre Erklärung in den Reform- 
gedanken, welche durch die territorialen Erwerbungen des 
Jahres 1802 für das Hochschulwesen der westlichen Provinzen 
herv« »rgerufen wurden. 

Mit den Entschädigungsländern, die Preussen 1802 für 
den Verlust seiner linksrheinischen Besitzungen erhielt, fielen 
ihm auch die bischöflichen Universitäten Münster und Pader- 
born zu. Der nunmehrige Zustand, dass in dem rheinisch- 
Westfälischen Teile des Staates drei kaum lebensfähige 
Universitäten bestanden, eine protestantische und zwei 
katholische, war unhaltbar. Zu den Aufgaben, die der Frei- 
herr vom Stein als Oberkammerpräsident von Münster und 
Kommissar für die Organisation der neuen Landesteile über- 
nahm, gehörte auch ein.« durchgreifende Reform des offen t- 



') Eine Übersicht der Gehälter und Nebeneinkunfte der Dubburger 
Professoren aus den, Jahr. .806 giebt W\ Hess-. Beitrage «ur Geschichte der 
Früheren Universität in Duisburg (Duisburg i«70). s - 0« f- 

-') B. 1 1)2. Dass diese Art der Gehaltsaufbesserung ein übliches Verfahren 
war, zei^t Horn hak S. \ \.\. 



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284 



Dr. P. Eschbach 



liehen Unterriehtswesens 1 ). Auf seinen Vorschlag fasste der 
Justizministor von Massow als Chef des geistlichen Departe- 
ments die Gründung einer einzigen grossen, paritätischen 
Universität für die westliehen Provinzen ins Auge*). Schon 
wegen seiner ungünstigen Lage an der äussersten Grenze 
dieser Gebiete konnte Duisburg hierbei nicht in Frage 
kommen. Vielmehr erschien .Münster wegen seiner cen- 
tralen Lage und der Bedeutungslosigkeit der benachbarten 
Universitäten am besten zur westfälischen Hochschule 
geeignet 

Während noch die Verhandlungen über diese Frage 
schwebten, war das Gerücht von einer bevorstehenden Aut- 
hebung der Universität Duisburg bereits verbreitet. Es 
stand mit Recht zu befürchten, dass manche Studierende 
sich dadurch abhalten lassen würden, die Duisburger Hoch- 
schule zu besuchen. Rektor und Professoren baten daher 
am 4. November 1803 die Regierung zu Münster um die 
Ermächtigung, das ihrer Universität so nachteilige Gerücht 
in den Zeitungen öffentlich widerlegen zu dürfen. Die 
Regierung schlug indessen das Gesuch ab. Auch Minister 
von Massow versagte die Erlaubnis, da die Verlegung der 
Universität nach Münster noch einer näheren Prüfung be- 
dürfe, versprach jedoch, die vom Senat hiergegen geäusserten 
Hedenken in Erwägung zu ziehen. Der Magistrat der Stadt 
Duisburg, der in Sorge um den Verlust der Hochschule 
eine Bittschrift an den König gerichtet hatte, erhielt am 
9. März 1804 eine ähnliche Antwort 3 ). 

P.ald darauf fiel die Entscheidung, indem eine Kabinetts- 
ordre vom 12. April 1.804 bestimmte, dass Münster als grosse 
Universität paritätischen Charakters organisiert und die 
Universität Duisburg aufgehoben werden solle 4 ). 

Wiederum wandte sieh jetzt die Duisburger Bürgerschaft 
an den König mit einer Bittschrift um Beibehaltung ihrer 

) K. Wilmans, Zur Geschichte der Universität Münster in den fahren 
1803 1S1S (Zeitschr. für deutsche Kulturgeschichte, neue Folge, IV. fahrgang 
(1875) s - 2( » * 

2 ) Bornhuk S. 193, 

;l ) B. 154a, i<)2. Vyl. Hess.' S. y<>. 
Bornhak S. 193. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. $85 



Universität. Aber am 30. Juni wurde ihr bedeutet, „dass 
die Vereinigung der dortigen Uniyersität mit der zu Münster 
höchst nötig und nützlich befunden worden, und dass, weil 
dagegen der Nebenvorteil, den die Stadt Duisburg davon 
gehabt, der überdem bei der jetzigen verfallenen Verfassung 
dieser Universität nicht von Bedeutung - gewesen, gar nicht 
in Betracht kommen kann, dem Gesuche der Supplikanten 
um Beibehaltung dieses Lehrinstituts nicht zu willfahren 
sei" »). 

Freiherr vom Stein war bereits am 15. Juni mit dem 
Entwurf eines Organisations- und Studienplanes für die neue 
Hochschule beauftragt worden. In seiner Denkschrift vom 
22. Oktober empfahl er unter den nach Münster zu be- 
rufenden Professoren auch vier Lehrer der Duisburger Uni- 
versität: Plessing für Geschichte der Philosophie, Möller für 
Ästhetik und Beredsamkeit, Krummacher für klassische 
Litteratur und Grimm für orientalische Sprachen 2 ). 

Die Arbeiten der Kömmission für die Organisation 
der westfälischen Hochschule zogen sich durch das ganze 
Jahr 1805 hin, ohne zum Abschluss zu gelangen. Am 
5. Juli besichtigten Staatsminister von Angern und Kammer- 
präsident von Vincke die Bibliothek und den botanischen 
Garten zu Duisburg. Sie bezeugten beim Abschied den 
Professoren ihre besondere Zufriedenheit über die Einrichtung 
beider Institute und äusserten ihre Verwunderung, dass mit 
so kleinen Summen doch so viel ausgerichtet worden sei. 
Im September setzte sich ein anderes Mitglied der Kom- 
mission, Kriegsrat Maasen, wegen der Fonds und Kassen- 
verhältnisse der Universität mit dem Senate in Verbindung. 
Am 18. Oktober nahm Minister von Massow sämtliche Uni- 
versitätsgebäude in Augenschein. Er gab den Professoren 
die Zusicherung, er werde für die Verbesserung ihrer Lage 
sorgen 3); zugleich sprach er die Hoffnung aus, dass die neue 
Universität zu Münster mit Ostern ins Leben treten werde. 
Auf seine Anfrage, wer von den Professoren dorthin ver- 

B. 154a. Bitte nochmalige Vorstellung wurde am 2.. Juli in gleicher 
Weise beantwortet 

'-') Wilmans, S. 265 Ii'.. »73 '• 
») B. 192. 



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286 



Di. I'. Ksihkult 



setzt zu werden wünsche, meldeten sich mir Krummacher 
und ( rrimm '). 

Der Plan geriet jedoch infolge der drohenden Ver- 
wicklung mit Frankreich gegen Endo des Jahres 1805 ins 
Stocken und musste nach der Katastrophe von Jena und 
Aucrstädt aufgegeben werden. Aber die [dee einer grossen 
preussischen Universität für die westliehen Provinzen, einmal 
gei'asst, lebte weiter und führte fünfzehn Jahre später, unter 
glücklicheren Verhältnissen, zur Gründung der rheinischen 
1 loch schule 2 ). 

II. 

Unter der Regierung Joachim Murats (1806 1808). 

Inzwischen hatte sich das Schicksal der Universität 
Duisburg in unerwarteter Weise gewendet. Im Verträge 
von Schönbrunn (15. Dezember 1805) trat Preussen auch 
den rechtsrheinischen Teil des Herzogtums Cleve an Frank- 
reich ab. Mit dem von Bayern erhaltenen Herzogtum Berg 
verband ihn Napoleon zu einem Staate, den er am 15. .März 
1806 seinem Schwager Joachim Murat übertrug 8 ). So 
schmerzlich für die Duisburger Hochschule die Losreissung 
vom preussischen Vaterlände auch sein musste, das Schicksal 
der Aufhebung war jetzt von ihr abgewendet; ja sie durfte 
als die einzige Universität in dem neu gebildeten Staate 
auf eine bessere Zukunft hoffen. 

Am 24. März hielt Herzog Joachim unter dem Jubel 
der Bevölkerung seinen feierlichen Einzug in die Residenz- 
Stadt Düsseldorf 4 ). Schon am folgenden Tage begaben sich 
Rektor Grimm und Professor Krummacher als Deputierte 
der Universität dorthin, um dem neuen I .andesherrn ihre 
Ehrfurcht zu bezeugen und ihm zugleich eine Bittschrift 
um Erhaltung und Verbesserung der Hochschule zu über- 

l ) a. W, Möller, Friedrieb Adolph Krummacher und seine Freunds. 
Briefe und Lebensnachrichten, (Bremen « X40) Bdi 1, 66 f. 
-') Hornhak S. 194. 

:1 ) Göcke EL, Das Grossherzogtum Berg (1877) S. Ii. 

4 ) l" T bcr dun begeisterten Empfang Murats in Düsseldorf vgl. jetzt auch 
A. Lumbroso, Correspondancc de Joachim Mural (Turin 1899) 'I RTö. 13') 
und 141. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. &S7 

reichen. Der Herzog nahm die Bittschrift huldvoll entgegen ; 
er vermied jedoch eine bindende Zusage, indem er erklärte, 
„er werde sich nach allem noch näher erkundigen und nach 
den Umständen für die Anstalt alles Mögliche thun; denn 
das (ilück seiner Unterthanen sei auch sein Glück"'). 

Bald darauf hatten die Professoren rlie Ehre, den Herzog 
am Sitze ihrer Universität selbst zu begrüssen. Auf seiner 
Rückreise von Wesel, dessen Bcfestigimgswerke er besichtigt 
hatte, Stieg Joachim am O.April in Duisburg" ab. Die Pro- 
fessoren bewillkommneten ihn in ihrer feierlichen A.mtstracht 
und überreichten ihm die Privilegien und Scepter der Uni- 
versität als Zeichen »1er Treue und des Gehorsams. Der 
I [erzog gab die Insignien mit der huldreichsten Versicherung 
zurück, er werde für die Universität Sorge tragen; denn er 
sei überzeugt, dass von der Bildung und Krziehung der 
Jugend die Blüte und das Heil der Staaten abhänge. Diese 
Worte ihres Landesherrn, dessen - majestätische Erscheinung 
ebenso wie seine ungezwungene Freundlichkeil auch hier 
einen tiefen Eindruck machten, erfüllten alle Zuhörer mit 
den schönsten Hoffnungen 2 ). 

In der That hat Joachim Murat allen Ernstes den Plan 
erwogen, die dem Sterben nahe Universität Duisburg zu 
neuem Leben zu erwecken. 

Unter den Fragen, über die der neue Landesherr noch 
im Laufe des Mai [806 vom Minister des Innern Bericht 
forderte, erscheint auch die Reorganisation der Duisburger 
Hochschule; er verlangte Vorschläge über die Mittel, sie 
w ieder zur Blüte zu bringen, über die dorthin zu berufenden 
Professoren und die ihnen zu bewilligenden Gehälter 

( iraf von Borcke, der neu ernannte Staatsrat für Domänen 
und öffentlichen Unterricht, begab sich zu diesem Zwecke 
am 16. Mai nach Duisburg. In einer Senatssitzung ver- 
eidigte er zunächst sämtliche Professoren auf die neue 
Regierung und forderte sie sodann auf, ihm binnen drei 
l agen einen Plan zur künftigen Gestaltung der Universität 



') B. 192. 

'-') Ii. 192 und besonders 260 (Festrede Krumiiiachers zum 40. März 1807). 
3 ) I) 84.4 a. 



Universität*- und 
Landesbibliothek Düsseldorf 



388 



Dr. P. Eschbach 



einzureichen 1 ). Er stellte die "Errichtung einer Sternwarte, 
eines Gebärhauses, einer Klinik, eines Naturalienkabinetts 
und die Erweiterung des botanischen Gartens in Aussicht. 
Der ihn begleitende Staatsrat von Rappard, der übrigens 
alles ins Lächerliche zog-, rühmte später im vertraulichen 
( respräch mit Krummarher den Finanzminister Agar als einen 
kenntnisreichen und aufrichtigen .Mann, pries auch die Gut- 
mütigkeit des Herzogs, der zu Agar ein unbegrenztes Zu- 
trauen hege, hatte aber trotzdem nicht viel Hoffnung auf 
die Zukunft der Duisburger Hochschule 2 ). 

Die Vorschläge des Senates zur Verbesserung der 
Universität, die dem (Trafen von Borcke am ig. Mai über- 
sandt wurden, dienten einem umfassenden Berichte zur 
Grundlage, den der Minister des Innern über das gesamte 
Unterrichtswesen in Cleve und Berg verfasste 3 ). Wir ge- 
winnen daraus ein Bild des damaligen Zustandes der Duis- 
burger Universität. Vor idlem wird der Mangel an den 
nötigen Lehrmitteln gerügt. Die kleine, kaum 6000 Bände 
zählende Bibliothek enthalte meist veraltete und wenig 
brauchbare Werke, da der geringe Fonds von 53 Rthlr. 
59 Stbr. 3 Hlr. die Anschaffung der notwendigsten Bücher 
nicht gestatte; ein Naturalien- und Modellkabinett fehle, der 
physikalische und chemische Apparat genüge nicht; das 
Laboratorium und anatomische Theater seien zu klein und 
in schlechtem Zustande; der botanische Garten bedürfe der 
Vergrösserung, die sich durch Abbruch einiger zur Uni- 
versität gehöriger, ohnehin baufälliger Gebäude ennoglichen 
lasse; die Sternwarte auf dem Turin der Salvatorkirche sei 
ganz verwahrlost 4 ); die Gebäude, besonders die Auditorien. 

') B. i<)2. Der Eid lautete: „Wir, die Mitglieder des akademischen Senats 
zu Duisburg, schwören Sr. Kaiserlichen Hoheit Prinzen und Grossadmiral von 
Frankreich, regierendem Herzog zu Cleve und Berg als dem gnädigsten Landes- 
farben und Herrn und der Konstitution Treue und Gehorsam", 

s ) Brief Krummachers vom 1. Juni 1806 (bei Möller Bd. 1, S. 85 f.). 

:l ) D. 825 : Rapport sur les moyens de faire flöiirir l'universite de Duis- 
burg et sur les secours, dont les Instituts d'instruction publique existanls Oll 
qu'il conviendrait d'etablir «laus les duches de Cleves et Berg, pourraient avoir 
besoin. 

4 i Ober diese Sternwarte H. Averdunk, Geschichte der Stadl Duis- 
burg (1894) S. 164. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 28!» 



entsprächen nicht der Würde einer Akademie, seien schlecht 
und zum Teil ganz verfallen; es empfehle sich, diese Baracken 
sämtlich niederzureissen und an ihrer Stelle einen einzigen 
grossen Neubau aufzuführen, wozu sich das bisherige, nur 
von der Äbtissin und zwei Schwestern bewohnte Kloster 
zu Düssern eigne 1 ). Statt der früheren Zahl von zwölf 
Professoren gebe es nur noch sechs, so dass manche not- 
wendigen Vorlesungen nicht gehalten werden könnten; ihre 
Gehälter seien unzulänglich. Der Bericht schlägt deshalb 
die Ernennung von 19 ordentlichen Professoren vor: 5 für 
die theologische Fakultät, die' fortan alle christlichen Be- 
kenntnisse umfassen müsse, 4 für die juristische, 4 für die 
medizinische und 6 für die philosophische ; ausserdem solle 
für jede Fakultät ein ausserordentlicher Professor berufen 
werden. Das Einkommen der ordentlichen Professoren solle 
an ( i ehalt 600 Rthlr., an Wbhnungsgeld 100 und an Ge- 
bühren für Anwesenheit bei der Rechnungslegung zu- 
sammen also 70;,. das (iehalt der ausserordentlichen Pro- 
fessoren 100 Rthlr. betragen; daneben sollten sie die bisherigen 
Emolumente weiterbeziehen. Gegenüber den jährlichen Ein- 
künften der Universität von 6,521 Rthlr. 7 Stbr. wurden die 
Kosten auf 13675 Rthlr. 18 Stbr. veranschlagt, so dass ein 
Zuschuss von 7154 Rthlr. \ 1 Stbr. erförderlich wäre. Der 
neuen Universität, für die dem Landesherrn der Name 
„Joachims - Universität" vorgeschlagen wurde, sollten die 
juristische Fakultät zu Düsseldorf und das akademische 
Gymnasium zu Emmerich einverleibt werden. 

In Duisburg sah man begreiflicherweise mit grösster 
Spannung der Entscheidung über die gemachten Vorschläge 
entgegen. Aber man wartete von Monat zu Monat vor 
geblich. Allmählich sanken die allzu stolzen Hoffnungen, 
denen man sich anfangs hingegeben hatte 2 ). Was man 
schon längst befürchtet, traf ein: am 17. August 1806 wurde 

') Das Kloster wurde durch Dekret Joachims vom 5. August 1806 auf- 
gehoben (A verd 11 nk S. 131). 

-1 Krummachcr schrieb schon am I. Juni 1806 an seinen Schwager Möller: 
uDass aus dem hiesigen Wesen wohl nichts werden wird, sehen wir allesammt 
"»'■ zu deutlich ein. Ks fing neulich gewaltig an zu rumoren. Aber das 
Rumoren ist auch hei dem Franzöaenvolk alles". (Möller Bd. 1. S. 85). 
Jnhrbuch XV. 19 



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290 



Dr. P. Eschbach 



dem Senate der ßeschluss der Regierung eröffnet, die Duis- 
burger Hochschule aufzulösen und dafür eine neue, grosse 
Universität in der Residenzstadt Düsseldorf zu gründen 1 ). 

Welche Gründe Joachim bewogen haben, den ursprüng- 
lichen Plan einer Reorganisation der Universität Duisburg 
fallen zu lassen, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Mochte 
auch (Traf von Borcke seinen Einfluss zu ihren Gunsten 
geltend machen, er drang im Staatsrate nicht damit durch. 
In Duisburg glaubte man, einerseits habe die Stadt Düssel- 
dorf aus .Missgunst gegen die im Handel sie überflügelnde 
Nachbarstadt alles aufgeboten, die Universität für sich zu 
erhalten, andererseits hätten die altbergischen Beamten 
in ihrer Abneigung gegen ihre altclevischen Kollegen 
den Antrag von Borckes, die Universität in Duisburg, 
also im clcvischen Teile des (irossherzogtums, zu be- 
lassen, hintertrieben, was ihnen um SO leichter gelingen 
musste, als der an Stelle von Borckes als (ieneraldirektor 
des öffentlichen Unterrichts getretene Administrationsrat 
Hardung für die Verlegung der Universität nach Düsseldorf 
eintrat 2 ). Wir wissen nicht, inwieweit der Landesherr durch 
jene Kreise und Personen sich in seinem Entschlüsse hat 
beeinflussen lassen. Ohne Zweifel aber werden ihn auch Er- 
wägungen anderer Art bestimmt haben, nicht Duisburg 
sondern Düsseldorf zum Sitz der neuen grossherzoglichen 
Universität auszuersehen. Das ungünstige Bild, das ihm 
aus dem Bericht seines Ministeriums von den Zuständen 
der Duisburger Hochschule entgegentrat, musste es ihm 
doch recht fraglich erscheinen lassen, ob hier der geeignete 
Boden für die neue Pflanzung vorhanden sei. Kam nicht 
bei der Dürftigkeit des Vorhandenen die geplante Reor- 
ganisation einer völligen Neuschöpfung gleich? Und musste 
sich nicht, wenn zugleich das gesamte Schulwesen des 
Landeseine neue Gestaltung erhalten sollte, dem französischen 
Grundsatz möglichster Centralisation der Verwaltung die 
Residenzstadt Düsseldorf, der Sitz der höchsten Behörden 
des Landes, ungleich mehr als Mittelpunkt des l'nterrichts- 

') B, 192. 

'-') Vgl die in der Beilage 1 abgedruckte Denkschrift des akademischen 
Senats vom 30. März 1814. 



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Die Uni vcrsiiäi Duisburg uniter französischer Verwaltung. 



291 



Wesens empfehlen? Es ist ferner höchst wahrscheinlich, dass 
in letzter Linie auch in dieser Frage der Wille Napoleons 
entschieden hat, an den der ( irossherzog trotz seiner Sou- 
veränität in allen organisatorischen Angelegenheiten sieh 
Sd ganz gebunden fühlte 1 i. 

Die Organisation des öffentlichen Unterrichts im Gross- 
herzogtum beschäftigte den Staatsrat im Sommer 1806. Ein 
ausführlicher Entwurf beginnt mit der Versicherung, „es 
liege Joachim am Herzen, Ober seine Unterthanen und über 
alle, die daran teilnehmen wollten, die Wohlthaten der Pflege 
der Wissenschaft auszubreiten". Zu diesem Zwecke wird 
die Errichtung einer Universität in Düsseldorf ohne kon- 
fessionellen Charakter hestimmt 2 ). Sie soll nach deutschem 
Vorhilde aus vier Fakultäten bestehen ; die Zahl der »nlent- 
lichen Professoren wird auf neunzehn Festgesetzt Aus ihnen 
ernennt der Landesherr den Rektor; mit diesem bilden die 
vier Dekane den akademischen Senat. An Stelle der bis- 
herigen bergischen Schulkommission führt fortan der dem 
Minister des Innern unterstehende Administrationsrat llar- 
dung als Generaldirektor des öffentlichen Unterrichts die 
oberste Verwaltung des Schulwesens und demnach auch die 
Aufsicht über die Universität. Zu ihrer Dotation wird das 
gesamte Vermögen der Duisburger Hochschule, deren 
Schliessung mit Ende des Sommerhalbjahres erfolgt, ver- 
wendet, und da dies hei weitem nicht ausreicht, einstweilen 
der bergische Schulfonds zu Mühe genommen. Auch die 
Duisburger Bibliothek wird mit der Düsseldorfer zusammen 
der neuen Universität überwiesen, ebenso der physikalische 
Apparat. Um ihr die nötige Frequenz zu sichern, werden 
die gegenwärtig auf fremden Universitäten studierenden 
Unterthanen gezwungen, zur Vollendung ihrer Studien nach 
Düsseldorf zurückzukehren, wird ferner zum Besuch einer 
fremden Universität der vorherige Nachweis eines drei- 
jährigen Studiums in Düsseldorf gefordert und für die An- 



') Wie gross diese Abhängigkeit war. tritt aus dem von Lümbroso ver- 
öffentlichten Briefwechsel Joachim Murats jetzt klar hervor; leider ergiebt sich 
für die vorliegende Kra^c nichts daraus. 

'-') Vgl, ). Asbach, Die Napoleonische Universität in Düsseldorf (Wiss. 
Beilage zum Jahresbericht des Egl. Gymnasiums zu Düsseldorf 189«)) S. 3 f. 

!«)♦ 



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Dr. P. Eschbacli 



Stellung im Civildienst den früheren Studierenden der Düssel- 
dorfer Universität eine Bevorzugung vor den übrigen zu- 
gesichert. Alle Mitglieder der Universität gemessen hin- 
sichtlich ihn-r Rechtsstellung die Privilegien der eximierten 
Klassen; aber die Universität bildet keinen besonderen 
Gerichtshof, vielmehr unterstehen ihre Mitglieder der Ge- 
richtsbarkeit des Hofrates. 

Das Projekt der „Joachims-Universität" ist ein Versuch, 
die alte Verfassung der deutschen I lochschule in französischem 
Geiste umzugestalten. Ein Vergleich mit den Verhältnissen 
der Duisburger Universität lässt den Unterschied klar hervor- 
treten. Die neue Hochschule soll zunächst keinen kon- 
fessionellen Charakter, wie die Duisburger, haben, vielmehr 
für alle Konfessionen bestimmt sein. Die freie Wahl des 
Rektors durch die Professoren hört auf; der Landesherr 
ernennt ihn. Der Senat besteht nicht mehr aus allen 
Professoren, sondern nur noch aus dem Rektor und den 
Dekanen. Die Angehörigen der Universität behalten zwar 
noch das Privilegium des eximierten Gerichtsstandes, aber 
eine akademische Gerichtsbarkeit giebt es nicht mehr. 

Graf von Borcke bewies seine Fürsorge für die Pro- 
fessoren der Duisburger Universität, indem er sie in erster 
Linie für die Besetzung der Lehrstühle an der neuen 1 loch- 
schule vorschlug, für Theologie Grimm und Krummacher, 
für Jurisprudenz Krafft und Bierdemann, Für Medizin Günther 
und Carstanjen. Hierbei werden jene Gelehrten in Folgender 
Weise charakterisiert: (Trimm nehme durch seine philo- 
logischen Kenntnisse, einige theologische Werke und sein 
eindringendes Studium der orientalischen Sprachen einen 
vornehmen Platz unter den Gelehrten Deutschlands ein; 
Krummacher sei ein in Deutschland und auch in Frank- 
reich hochgeachteter Gelehrter, seine „Parabeln" hätten ihm 
einen glänzenden Namen verschafft, und sein Gedicht „Die 
Kinderwelt" gelte für ein hervorragendes Werk 1 ); Krafft 
habe tüchtige Kenntnisse im römischen wie im deutschen 
Recht; Bierdemann sei ein geschätzter Rechtsgelehrter, der 
sich einer ausgedehnten Praxis erfreue; Günther sei durch 

') Krummachers „Parabeln" waren 1803 erschienen; die „Kinderwek 1 *, 
ein Gedient in vier Gesängen, wurde i8o(> veröffentlicht. 



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Die Universität Dtdiburg unter französischer Verwaltung. 



293 



viele Werke bekannt und gelte für den geschicktesten 
Praktiker in Cleve und Berg; sein Ruf habe die Universität 
Duisburg aufrecht erhalten: denn alle dortigen Studenten 
gehörten, bis auf zwei Theologen, der medizinischen Fakultät 
an und seien nur um Günthers Vorlesungen willen nach 
Duisburg gekommen; er werde aber wahrscheinlich die 
Stätte seines Wirkens nicht verlassen wollen; Carstanjen, 
ein geborener Duisburger, sei ein geschickter Pharmakologe 
und Botaniker und geniesse einen gewissen Ruhm; er sei 
taub, aber er besitze einen liebenswürdigen Charakter und 
sei stets der Liebling der Studierenden gewesen 1 '). 

Als Graf von Borcke am 17. August 1806 dem Rektor 
(Trimm die beschlossene Aufhellung der Duisburger Uni- 
versität und die beabsichtigte Berufung der dortigen Pro- 
fessoren nach Düsseldorf mitteilte, fragte er zugleich bei 
ihm an, ob alle dein Rufe folgen oder einige ihre Ent- 
lassung vorziehen würden. Der Senat verhielt sich in dieser 
Sache zunächst sehr zurückhaltend; er erwiderte, der Rektor 
möge die privatim an ihn ergangene Anfrage auch privatim 
beantworten 2 ). 

Die Mehrzahl der Professoren war der Uebersiedelung 
nach Düsseldorf nicht abgeneigt; aber sie wollten sich erst 
dann erklären, wenn sie den Ruf wirklich erhalten und 
liinblick in die neuen Verhältnisse gewonnen hätten; die 
geplante Besoldung von 700 Rhtlr. schien ihnen in dem 
teuern Düsse ldorf, wo die 1 lausmiete allein nicht unter 
2,so bis 300 Rthlr. zu bestreiten sei, viel zu gering; sie 
fürchteten, sie würden sich dabei noch schlechter stehen, 
als jetzt in Duisburg 8 ). 

Allein der Plan einer Düsseldorfer Universität, hastig 
entworfen und finanziell noch keineswegs gesichert, geriet 
bereits im September 1S06 ins Stocken, als der Krieg 
zwischen Frankreich und Preussen auszubrechen drohte. 
Während man in Duisburg angesichts der angekündigten 

1) 834a. Ober Gunther ..ml Carstanjen Näheres bei Sudhoff in der 
Festschrift zur 70. Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte (Öttssel. 
dorf 1808) S. [69 f. 
*) Ö. 1<)2. 

») |). X20: Brief Orinnns an von Borcke, 1806 August 22. 



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294 



Dr. P. Eschbacb 



Aufhebung der Universität bereits von der Neuwahl eines 
Rektors Abstand nahm, verfügte am 21. September der 
Minister, dass auf Befehl des Grossherzogs die Vorlesungen 
an der dortigen 1 fochschulo bis auf weiteres fortzusetzen 
seien 1 ). So blieb die Duisburger Universität wiederum vor 
dem Schicksal der Auflösung bewahrt. 

Seit Murats Abreise zum Kriegsschauplatz ruhte der 
Gedanke einer neu zu gründenden Landesuniversität, um 
nach dem linde des Krieges noch einmal in veränderter 
Gestalt aufzuleben. Durch Vertrag vom 21. Januar 1808 
erweiterte Napoleon das Grossherzogtum Berg um einen 
grossen Teil der Preussen entrissenen Länder zwischen Rhein 
und Weser; es waren ausser den schon 1806 okkupierten 
ehemaligen Abteien Elten, Essen und Werden die Grafschaft 
Mark mit Lippstadt, der preussische Teil des Bistums Münster, 
die Grafschaften Tecklenburg und Lingen sowie Stadt und 
Grafschaft Dortmund 2 ). Nach dieser Ausdehnung seines 
Territoriums über Westfalen hin beschloss Murat, die neue 
Landesuniversität nunmehr in Münster zu errichten. Aus 
mehreren Gründen scheint er dieser Stadt den Vorzug vor 
Düsseldorf gegeben zu haben; Münster sollte zunächst für 
den Verlust der obersten Behörden, die seit seiner Ver- 
einigung mit dem Grossherzogtum sämtlich ihren Sitz in 
Düsseldorf hatten, durch die Universität als Centrum des 
Unterrichts wesens einigermassen entschädigt werden: sodann 
eigneten sich mehrere dort vorhandene öffentliche Gebäude 
für die neue Hochschule; endlich erschien die Stadt wegen 
des billigeren, ruhigeren und sittenreineren Lebens für 
Studierende besser als Düsseldorf. Es ist bemerkenswert, 
dass Murat in schroffem Gegensatz zu dem uniformierenden, 
die deutsche Ligenart nicht beachtenden Prinzip Napoleons 
für die Organisation der neuen Universität die Weisung 
erteilte, dass sie sich nach dem Vorbilde der besten deutschen 
Universitäten richten solle 8 ). Doch auch dieser Plan wurde 



M B. 192. 

-) Göcke S. tS r. 

") Asbach. Der Zustand des bergischen Schulwesens im J. iSpy und 
die Napoleonische Universität in Düsseldorf (Annalen des histor. Voreins für 
den Niederrhein, lieft 69, S. 12S (£). 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 



295 



zunichte, als Murat noch in demselben Jahre die Regierung 
dos Drossherzogtums niederlegte, um den Thron des König- 
reichs Neapel zu besteigen. 

Unter Murats Regierung zweimal, im Anfang und am 
Ende derselben, zur Aufhebung verurteilt, war die Duis- 
burger Universität durch eine unerwartete Wendung in der 
politischen Lage dem schon unabwendbar scheinenden Ver- 
hängnis entronnen. Aber in dieser Zeit war ihr Siechtum 
soweit vorgeschritten, dass ihre Fernere Lebensfähigkeit aufs 
schwerste bedroht war. 

Trotz der Zunahme der Bevölkerung in dem wachsenden 
Grossherzogtum erfuhr die Universität keine Steigerung der 
Frequenz. Denn ein Zwang, sie zu besuchen, wie er bei 
der geplanten Joachims-Universität in Düsseldorf beabsichtigt 
war, wurde von der Regierung auf die studierende Jugend 
des Landes in keinerlei Weise ausgeübt. Man hatte eben 
kein Interesse an ihrem Fortbestande mehr, seitdem einmal 
ihre Aufhebung beschlossene Sache war. Ebensowenig wie 
in den letzten Jahren der preussischen Verwaltung dachte 
man deshalb an eine Wiederbesetzung der längst erledigten 
Lehrstühle. Ja, als Krummacher im Herbst 1807 seine 
Professur niederlegte, um die Predigerstelle in Kettwig zu 
übernehmen, die ihm und seiner zahlreichen Familie ein 
besseres Auskommen sicherte, war die theologische Fakultät 
nur noch durch Professor Grimm vertreten; die philosophische 
war ohne Professoren, die juristische ohne Hörer; nur die 
medizinische zeigte noch einige Lebenskraft. 

Die Regierung versicherte freilich die Universität ihres 
lebhaften Interesses. In einer Festrede zum Geburtstag des 
Drossherzogs und seiner Gemahlin, sowie zur Frinncrung 
an den Tag ihres Regierungsantrittes hatte Krummacher 
am 30. März 1807 mit bitteren Klagen über den unver- 
schuldeten Verfall der Hochschule nicht zurückgehalten, 
zugleich aber die Hoffnung ausgesprochen, dass der Landes- 
herr nach der Wiederkehr des Friedens seinem Versprechen 
gemäss sich ihrer annehmen werde 1 ). Der Minister von 
Nesselrode beteuerte in einem Dankschreiben für die Zu- 



') Ii. 260. 



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Dr. P. Eschbach 



Sendung eines Alidruckes jener Rede, „er werde einen seiner 
angelegentlichsten Wünsche erfüllt sehen, wenn es ihm in 
ruhigen Zeiten gelingen sollte, diese hohe Schule auf eine 
solche Stufe von Höhe und Glanz zu bringen, dass sie den 
ersten Universitäten Deutschlands zur Sehe gesetzt werden 
könnte, müsse sich aber bis zu diesem glücklichen Augen- 
blicke damit begnügen, den Eifer der Professoren aufzu- 
fordern, um durch verdoppelte Anstrengung, soviel an ihnen 
sei, dem vorgesteckten Ziele entgegenzueilen" 1 ). Auch bei 
der Approbation des Vorlesungsv erzeichnisses für das folgende 
Wintersemester erklärte er, „gern mochte er bei dieser Ge- 
legenheit dem Senate die nahe Aufrichtung der durch LJn- 
bilde der Zeit gesunkenen vaterländischen hohen Schule 
schon jetzt bestimmt ankündigen; indes möge man der huld- 
reichen EntSchliessung des Grossherzogs und mit ihr dem 
bessern Tage hoffnungsvoll entgegensehen" 2 ). Ein so wohl- 
gesinnter Mann, wie Xesselrode, einer der besten Diener 
dieser französischen Fremdherrschaft, hat es gewiss aufrichtig 
mit dem Wohle der Duisburger Universität gemeint; aber 
sein Einfiuss vermochte zu wenig gegenüber der Macht des 
Finanzministers Agar, der während der fast beständigen 
Abwesenheit des Grossherzogs als dessen Günstling und 
Vertrauensmann die eigentliche Regierung führte. Auch 
er sprach dem Senat am 3. Juni 1807 sein grosses Bedauern 
über den Rückgang der Universität aus; nur die militärischen 
Aulgaben hätten den Grossherzog gehindert, der Duisburger 
Hochschule einen neuen Glanz zu verleihen; „aber von dem 
Augenblicke an, wo der Friede den Fürsten wieder in die 
Mitte si hier Unterthanen zurückführe, würden sie ihn ohne 
Zweifel mit neuem Eifer an der Verwirklichung aller Pläne, 
die er für ihr Glück gefasst habe, arbeiten sehen" 3 ). 

Wie wenig aufrichtig aber das Wohlwollen Agars war. 
zeigte die allen Grundsätzen des Rechtes und der Billigkeit 
widersprechende Behandlung, welche die Duisburger Uni- 
versität während seiner Regierung erfuhr. 

Bereits im Juli 1806 wurde gegen das alte, der Uni- 
versität seit 1679 gewahrte Privileg der Freiheit von Ein- 

') Ii. 225. *) B. 252. :l ) Ii. 225. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 297 

quartierung ') Professoren und Universitätsbeamte zur Ein- 
quartierungslast herangezogen. Eine Beschwerde dos Senates 
wurde- mit der Erklärung abgewiesen, dass unter den gegen- 
wärtigen Umständen die Einquartierung als eine allgemeine 
Last zu betrachten sei, die von allen ohne Ausnahme mit 
gleichen Schultern getragen werden müsse; mithin könnten 
die Professoren ebensowenig als andere Eximierte davon 
ausgenommen werden; der Zusatz, doch geschehe dies 
unbesehadel ihrer Privilegien, klang fast wie Holm. Ebenso 
wurde ein Gesuch des Senates vom 1 6. Juni 1807, die Söhne 
der Professoren gleich denen der Dikasterialräte von der 
Konskription zu befreien, mit der Begründung abgelehnt, 
man könne dte Klassen der hiervon Eximierten nicht er- 
weitern *); selbst bei diesen sei vorausgesetzt, „dass die unter 
ihnen befindlichen zum Militärdienst Tauglichen von selbst 
dem Kufe der Pflicht und Ehre zu folgen und in die ruhm- 
volle Balm der Väterlandsverteidiger einzutreten bereit sein 
würden-'. Der Senat besehloss nunmehr zur Wahrung (lei- 
den Söhnen von Professoren von jeher gewährten Exemtion 
von der Militärdienstpflicht beim Grossherzog selbst vor- 
stellig zu werden; ob diese Immediateingabe Erfolg gehabt 
hat, lässt sich billig bezweifeln 3 ). 

Auch der stadtische Magistrat glaubte in dieser Zeit auf 
die alte Rechtsstellung der Universität als einer besonderen 
Korporation keine Rücksicht mehr nehmen zu brauchen. 
Es war damals in Duisburg eine Bürgerwache eingerichtet 
worden, die unter Führung eines Bürgerkorporals bei Nacht 
im Kathause wachen und von Zeit zu Zeit die Strassen 
abpatrouillieren musste. Alle Bürger der Stadt waren zu 
diesem Wachtdienst verpflichtet; sie hatten ihn entweder 
persönlich oder durch einen Lohn Wächter auf eigene Kosten 
zu leisten. Sie waren zu diesem Zwecke in Bürgercompag- 



') Hesse S. 65-. 

-) Eximiert von der Konskription waren: 1. der Umdtags«hige Adel und 
die Söhne hoher Beamten, 2. der geistliche Stand, 3. landesherrliche Dienst- 
personal, 4. die öffentlich geprüften und angestellten SchuUehrer. (Instruktion 
zum RekruHerungsgeschaft für das Herzogtum Her« von. 9. Juni .807; D. Akten 
der Stadt Kätingen Xo. 2). 

"> B. 1<)2. 



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Dr. I'. Eschbach 



nien eingeteilt, deren Capitains durch einen Sergeanten die 
nötige .Mannschaft jedesmal zur Wache beorderten. Obwohl 
nun die Professoren und Beamten der Universität von jeher 
eine Korporation für sich bildeten und als solche dem Magistrai 
nicht unterstanden, Freiheit von allen Bürgerlasten genossen 
und daher auch nicht in die Bürgercompagnien eingegliedert 
w aren, sollten trotzdem im Herbst [807 nicht nur die Beamten, 
sondern sogar auch die Professoren zur Nachtwache heran- 
gezogen werden. Sie protestierten daher am 3. Xovember 
beim Ministerium gegen diese „unerhörte Anmassung" des 
Magistrates als eine grobe Verletzung ihrer Privilegien und 
eine schmähliche Kränkung ihrer Würde und Amtsehre; 
man könne doch nicht verlangen, dass sie in der Nacht 
Wachtdienst thäten und am Tage Vorlesungen hielten; die 
Stellung von Lohn Wächtern aber sei bei ihrem kümmer- 
liehen Gehalte eine unbillige Zumutung. Ein ganzes fahr 
lang zogen sieh die Verhandlungen über diese interessante 
Krage hin; denn die behauptete Exemtion der Universität 
als selbständiger Korporation gegenüber der Amtsgewalt 
des Magistrates rief natürlich den Widerspruch der Behörden 
hervor. Der geheime Krieges- und Landrat von Buggen- 
hagen berief sich, indem er das Verfahren des Magistrates 
billigte, auf das preussische Landrecht 1 ), Schliesslich ent- 
schied sich der Minister, ohne die Frage der Rechtsstellung der 
Universität als Korporation gegenüber dem Magistrat zu be- 
rühren, nur aus Gründen der Billigkeit für die Befreiung 
der Universitätsmitglieder vom Wachtdienste 2 ). Auch hier 
also wurde ein weiteres Privileg der Universität als solches 
nicht mehr anerkannt. 

Weit empfindlicher aber, als diese Beeinträchtigung alter 
Rechte, war die Schädigung der Professoren hinsichtlich 
ihres Einkommens. 

Die preussische Verwaltung hatte, wie wir sahen, am 
.März 1S06 den Professoren eine Entschädigung für ihr 

') Nach dem AUg. Landrecht, Tl. II lit. vill {; 128 und 12«) „gebohrt 
.lein Magistrat, als Vorsteher der Bürgerschaft, vermöge seines Amis, die Aus- 
übung der Stadtpolizei. Insoweit sind alle, auch die exiniierten Einwohner der 
Stadt, seiner Direktion und Aulsicht unterworfen' 5 . 

*) D. 829. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 



899 



durch die abnehmende Zahl der Zuhörer vermindertes Ein- 
kommen zugebilligt. Die Auszahlung derselben War jedoch 
infolge der gleich darauf eingetretenen Regierungsverände- 
rung unterblieben. Als die Professoren nun, durch die Not 
gedrängt, die ( ichälter für die vakanten Lehrstellen eigen- 
mächtig aus der l'niversitätskasse erhoben und unter sich 
verteilten, erklärte das Ministerium diese Erhebung für wider- 
rechtlich und zog die Summe von 955 Kthlr. 1.5 Stbr. an 
den Gehältern ab. Es half ihnen nichts, dass die preussische 
Kriegs- und Domänenkammer zu Hamm am 1. Mai 1807 
auf ihre Bitte die Rechtmässigkeit ihrer Entschädigungs- 
ansprüche bestätigte; alle ihre Vorstellungen wurden rund- 
weg abgewiesen. Selbst die Gehälter enthielt man ihnen 
vor. Der Finanzminister Agar hatte am 28. April 1806 die 
Generalkasse angewiesen, keine Gelder ohne seine Ordre 
zu zahlen. So unterblieb während der nächsten Monate die 
Zahlung der Gehälter. Erst am t8, Juli wurde der General- 
empfänger Ilofrat von Bernuth in Wesel beauftragt, sie im 
Betrage von 300 Dukaten (= 9,50 Rthlr.) vierteljährlich im 
voraus auszuzahlen. Seit September stockte aber die Zahlung 
von neuem. Auf die Beschwerde der Professoren schrieb 
Xessclrode nach einer Besprechung mit Agar am 25. Oktober 
dem Senate, man beabsichtige keineswegs, die von der 
clevischen Domänenkasse beanspruchten 1 200 Dukaten jähr- 
licher Rente oder sonst das Mindeste dem Univcrsitätsfonds 
zu (Mitziehen: aber man verlange doch vorher Einsicht in 
die Universitätsrechnung für das Jahr 1X05-0, „um sich zu 
überzeugen, ob die Zahlung jener Geldsumme an die üni- 
versitätskasse für jetzt dringend erforderlich sei: denn man 
vermute, es habe sich infolge der mehrjährigen Vakanz 
etatsmässiger Lehrstühle ein Bestand in der Kasse gebildet, 
woraus das nachgesuchte Gehaltsquartal vorerst bestritten 
werden könne; falls die Vermutung sich aber nicht bestätige, 
sei der Gcneralompfänger angewiesen, die Summe aus der 
Hauptkasse auszuzahlen 1 ). 

Schon hier also tritt, trotz der gegenteiligen Versicherung 
Nesselrodes, die Absicht der französischen Verwaltung deut- 
lich genug hervor, der Universität den besten Teil ihrer 

l ) B. 192. 



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300 



Dr. I'. Eschbach 



Einkünfte, oben jene Konto von 1200 Dukaten, zu nehmen. 
Hei der Bedeutung-, die diese Einnahmequelle für den Bestand 
der Universität hatte, wollen wir einen Blick auf ihren 
U rs pr u n g w er f e n 1 ) . 

Der grosse Kurfürst hatte der Universität bei ihrer 
Gründung eine jährliche Konto von tooo Thlr. verliehen, 
die er am 7. Oktober 1 66 1 verdoppelte*). Beide Summen 
waren auf den Zoll zu Ruhrort angewiesen und wurden 
aus der Landesrenteikasse ausbezahlt. Der unzureichende 
Fonds wurde dadurch vermehrt, dass der clevische Statt- 
halter Prinz Johann Moritz von Nassau und alle höheren 
Landesbeamten die Hälfte eines Jahresgehaltes beischossen. 
Das so zusammengebrachte Kapital von 9445 Thlr., wovon 
die Zinsen 472 Thlr. betrugen, musste indessen bei der 
Finanznot des Kurfürsten schon im Jahre 1657 zur Be- 
streitung der Kosten aufgenommen werden, die Johann 
Moritz von Nassau als brandenburgischer Gesandter bei der 
Kaiserwahl in Frankfurt aufzuwenden hatte. Da der Kur- 
fürst das Kapital nicht sogleich zurückgeben konnte, wies 
er die Zinsen desselben gleichfalls auf den Ruhrorter Zoll 
an. Aus diesem bezog die Universität also fortan eine 
Rente von 2472 Thlr. oder 1200 Dukaten (=3300 Rthlr). 
Unter der Regierung König Friedrich Wilhelms [. fanden 
Unterhandlungen über eine Ablösung dieser Rente statt; 
sie blieben aber ohne Ergebnis. Die Universität bekam die 
Rente unmittelbar aus der Zoll- und Licentkasse zu Ruhr- 
ort bezahlt: erst nach der Aufhebung der Rheinzölle durch 
den Reichsdeputations- IIa uptsehluss vom 2,5. Februar 1803 
übernahm die Domänenkasse des I lorzogtums Cleve die 
Bezahlung 8 ). 

Die geförderte Universitätsrechnung wurde eingesandt; 
aber das Jahr verstrich, ohne dass ein Bescheid in der 



') Die Angaben bei Messe S. 22 11". und v. Monier S. 552 über jene 
Rente geben keine Klarheil. 

-) Die Meinung v. Mörners S. 555 Anni. 21. «1er Kurfürst habe H>(>| den 
Betrag von 1000 Tblr. nur für einmal geschenkt, ist irrig; in den Rechnungs- 
akren der Universität wird die Summe als jährliche Rente aufgeführt, z. B. im 
J, 1770 (B. 71a). 

:i ) Senatebericht vom 30. Mär/ 1808 an den Minister des Innern (I). S21). 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 301 



Gehaltsfrage erfolgte. Dagegen wurde den Professoren 
gleich allen Beamten, die ein höheres Gehalt als 200 Rthlr. 
bezogen, vom t. |anuar 1S07 ab zwei Prozent desselben zur 
Gründung einer Pensionskasse abgezogen Am 5. Februar 
entsandte schliesslich der Senat eine Deputation nach Düssel- 
dorf; sie bestand aus den Professoren Grimm und Krum- 
macher. Auf Verlangen Xesselrodes machten sie noch 
einmal eine schriftliche Hingabe; sie schilderten darin die 
drückende Lage der Professoren, denen nunmehr seit sechs 
Monaten kein Gehalt ausbezahlt sei, wiesen daraufhin, dass 
die monatliche Rente von 100 Dukaten nicht mehr in die 
Universitätskasse abgeliefert werde, und baten um Ent- 
richtung des Rückstandes und künftige Anweisung zur 
Vorausbezahlung ihrer Gehälter. Nesselrode versprach das 
Seinige zu thun; die Auszahlung hange aber vom Finanz- 
minister ab. Als die Deputierten sich hierauf zu Agar be- 
gaben, um auch ihm ihre traurige Lage vorzustellen, wollte 
dieser sie an Xesselrode verweisen. Da sie ihm erwidern 
konnten, der Minister des Innern erkenne die Rechtmässig- 
keit ihrer Bitte an und die Erfüllung hangt 1 nur von ihm 
ab, erklärte Agar mit scheinbarer Hochherzigkeit, er habe 
noch nie eine Anweisung seines Kollegen zurückgewiesen 2 ). 
„Viel schöne Worte und Versprechungen", urteilte Krum- 
macher, „die aber schwerlich in Erfüllung gehen werden" 3 ). 

Am 17. April wurde zwar die Zahlung der nun schon 
neun Monate lang rückständigen Gehälter endlich verfügt, 
aber unter Abzug der den Professoren zustehenden Ent- 
schädigungsgelder, und erst am 2. September wurde der 
Domänenkasse die Auszahlung der von dem Jahresgehalt 
noch ausstehenden drei Quartale befohlen. Gleichzeitig riet 
der wohlwollende Nesselrode, demnächst auch wegen jener 
vorenthaltenen Entschädigungsgelder eine Eingabe zu machen. 
Aber wie wenig sein Wohlwollen vermochte, zeigte sich 
nur zu bald. Schon für Dezember blieb das Gehalt wieder 
aus; erst am 17. Februar 1S0S wurde es angewiesen. 

') Scotti, Gesetze und Verordnungen Httr Jülich- Cleve-Berg No. 2937. 
2 ) B. 192. 

:1 ) Malier Bd. 1 S i<><>. 



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302 



Dr. P. Eschbach 



An demselben Tilge trat die Absicht des Finanzministers, 
der Universität die Hauptquelle ihrer Einnahmen zu ent- 
ziehen, unverhohlen hervor. Der Senat wurde aufgefordert, 
aus der Stiftungsurkunde oder sonstigen Dokumenten den 
Beweis für den rechtmässigen Bezug der jährlichen Rente 
von 1 200 Dukaten zu erbringen, da hiervon die fernere 
Zahlung derselben abhängig gemacht werde 1 ). Diese Mass- 
regel \v;ir angeblich durch eine Verwaltungsreform veran- 
lasst, die darin bestand, dass die elevische Domänenkasse 
zu Wesel aufgehoben und zu Düsseldorf eine General- 
Domänenkasse eingerichtet worden war. Der Senat sandte 
am 30. März 1808 ein 'Schreiben an Nesselrode, in dem er 
seine Entrüstung über die angedrohte Gewaltthat nicht ver- 
barg: die Universität habe weder die Original -Stiftungs- 
urkunde noch sonstige auf die Dotation bezügliche Doku- 
mente in ihrem Besitz; vielmehr hätten sich diese nebst den 
Originalen ihrer Privilegien im Archiv der clevischen 
Regierung befunden und seien infolge der Regierungs- 
veränderung wahrscheinlich nach Düsseldorf gekommen. 
Aber sie befinde sieh nachweislich seit mehr als 150 Jahren 
im ungestörten Besitz jener Rente; man könne sie ihr also 
rechtlicherweise nicht nehmen. Auf diesen Besitz würde 
sie sich in der Rechtsfrage lediglich beziehen. Der Minister 
möge sie im äussersten Falle zur Klage gegen die Domänen- 
kasse ermächtigen, vorab diese aber zur Zahlung der noch 
rückständigen Gehälter für Januar. Februar und März [808 
veranlassen l ). 

Für alle Fälle aber sicherten sich die Professoren, indem 
sie auf Grund der bisher der Universität noch nicht ent- 
zogenen selbständigen Kassenverwaltung dem Rentmeister 
die Zahlung der ihnen zukommenden Besoldung aus der 
Universitätskasse befahlen. Zugleich baten sie Nesselrode 
um Aufhebung der Verordnung, wonach die sog, Ent- 
schädigungsgelder noch immer zurückbehalten wurden 11 ). 

') n. \<)2. 
'-') i). S21. 

') B, 192. — Am 25. Juli wurden endlich dem Prof. Grimm 300, Bierde- 
mann und Krummacher (hereits Pfarrer in Kettwig) je 200 Rihlr., jedoch nur 
als einmalige Gratifikation üugebilligt 



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303 



Eben damals tauchte das Gerücht von einem bevor- 
stehenden Wechsel in der Regierung fies Grossherzogtunis 
auf. Ks hiess, Joachim Murat, der soeben als Sieger in 
Madrid eingezogen war, sei zum König von Spanien aus- 
erkoren. Man vvusste, wie sehnlich der ehrgeizige Mann 
sieh ein grösseres Reich suchte, da sein Grossherzogtum 
ihm viel zu klein war. Die Krone Spaniens verlieh freilich 
Napoleon seinem Bruder Joseph, aber dessen bisheriges 
Königreich Neapel übertrug er am 15. Juli 1808 seinem 
Schwager Murat'). 

Mit der Herrschaft Murats ging auch die Verwaltung 
seines ( iünstlings Agar zu Ende. Unter ihr hatte der Ver- 
fall der Duisburger Universität so zugenommen, dass ihr 
naher Untergang gewiss schien. Alle die schonen Hoff- 
nungen, die man den bedauernswerten Professoren vorge- 
spiegelt, hatten sich schliesslich als eitle Trugbilder erwiesen. 
Das Einzige, was zu Gunsten der Universität geschehen 
war, konnte nur den Spott hervorrufen: im Juli 1806 war 
verordnet worden, dass fortan die zwei Friedrichsdor. die 
von jedem jüdischen Khepaar für den Trauschein herkömm- 
lich zu entrichten waren, dem Universitätsfonds zufallen 
sollten 1 ). Sonst hatte man sie nicht nur in jeder Hinsicht 
vernachlässigt, sondern sogar in ihren Rechten aufs schwerste 
gekränkt: alte Privilegien hatte man nicht mehr geachtet, 
den Professoren die mageren Gehälter monatelang vorent- 
halten, endlich den llauptfonds beschlagnahmt und damit 
der Universität geradezu die Lebensader unterbunden. 

III. 

Unter der Herrschaft Napoleons (1808—1813). 

Am 31. Juli [808 erfolgte die feierliche Übergabe des 
Grossherzogtums Berg an den kaiserlichen Kommissar Graf 



4 ) Göcke S. 20 f. 

') B. 192. — Krummacher meinte: „Wenn die Zeit hald auftritt, wo die 
Kinder Israels sieb wie der Sand an, Meere vermehren, und dieses auf ordent- 
liche Weise geschieht, so können wir doch zu einem ordentlichen Fond, 
kommen-. (Möller. Bd. . S. 7<>; der Brief No. 11 trägt übrigens bei Möllei 
ein falsches Datum und sieht darum auch an falscher Stelle; er stammt vielmehr 
ans dem Juli l.Xo<> und gehört deshalb hinter N<>. 15). 



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804 



Dr. P. Eschbach 



Beugnot. Fortan stand das Land, auch nachdem es Napoleon 
am 3. März 1809 seinem Neffen, dem noch minderjährigen 
Prinzen Napoleon Ludwig übertragen hatte, unter dem 
Scepter dos Kaisers'). Am 2. August fand durch den Pro- 
vinzialrat von Buggenhagen die Vereidigung der Beamten 
seines Bezirkes in Dinslaken statt. Auch der Rektor der 
Duisburger Universität war dorthin beschieden worden, um 
,.Sr. Majestät Napoleon, dein Kaiser der Franzosen. Köllig" 
von Italien und Protektor des rheinischen Bundes Gehorsam 
und Treue zu schwören" 2 . 

Allenthalben erwartete man für das Grossherzogtum 
jetzt, wo Napoleon selbst ihm seine landesväterliche Fürsorge 
widmen wollte, den Anbruch einer glücklichen Zeit. Dass 
man auch im Kreise der Duisburger Professoren sich ähn- 
lichen Hoffnungen hingab, zeigt der Prolog zum Vorlesungs- 
verzeichnis für das Wintersemester 1808 — 180g. Hier wird 
zunächst Napoleon, „der erhabene und siegreiche Kaiser und 
Landesvater', als „Freund der Musen und grösster Mäcen" 
gefeiert, weil er am 17. März 1808 zur Centralisation des ge- 
samten französischen Schulwesens die „Universite Imperiale" 
gegründet hatte; dann heisst es weiter: „Auch wir dürfen 
nunmehr hoffen, dass das Grossherzogtum des schon längst 
ersehnten Glückes teilhaftig wird, sich einer wohl einge- 
richteten und mit allen Lehrstühlen versehenen Akademie 
rühmen zu können, damit uns, des grossen Napoleon getreuen 
und glücklichen Unterthanen, nicht weiterhin eine Anstalt 
fehlt, aus der sowohl für die Pflege der Wissenschaften als 
auch zur Bildung der Jugend dem Staate der grösste Nutzen 
erwachsen würde" :! ). 

Am 23. August waren bereits Rektor Günther und 
Professor Bierdemann nach Düsseldorf gereist, um den kaiser- 
lichen Kommissar im Namen der Universität „zu bekom- 
plimentieren". Ihre Aufwartung wurde „dem Ansehen nach 
wohl aufgenommen"; Beugnot gab ihnen beim Abschiede 

■) (Kicke, S. 22 f. 

:1 ) n. n)2. Kino bemerkenswerte Abweichung von der Form der Ver- 
eidigung am i(>. Mai 1806 (s. <>.) bestand darin, dass jetzt die Professoren durch 
den Rektor vereidigt wurden. 

') B. 2 ? 2. 



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Die Universität Duisburg unter französischer .Verwaltung. 



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die Versicherung, „er wolle alles thun, was in seinem Ver- 
mögen stehe, das Wohl der Universität zu befördern" 1 ). 
Mit diesen trostreichen Worten war den Professoren aber 
wenig gedient. Denn seit dem i . Januar hatte die Domänen- 
kasse die monatliche Zahlung der 100 Dukaten eingestellt. 
Agar hatte eben der Universität den ferneren Bezug jener 
Rente entzogen, wie es scheint, unter dem Vorwande, dass 
durch die Aufhebung der Rheinzölle auch der auf dem Zoll 
zu Ruhrort lastende Fonds der 1 200 Dukaten weggefallen 
sei. Wahrscheinlich war diese Auffassung auch noch im 
Ministerium Beugnots massgebend. Wie unbegründet sie 
aber war, legte der Senat am 4. Februar 1809 dar, nachdem 
jene Einnahme der Universität schon über ein Jahr lang 
vorenthalten war; er wies darauf hin, dass das Zoll- und 
Licentcomptoir zu Ruhrort nicht der Debitor der Universität 
gewesen sei, dass es vielmehr nur als Bevollmächtigter der 
elevischen Domänenkasse die Zahlungen geleistet habe, was 
ein Reskript der preussischen Regierung vom 1. März 1804 
dadurch bestätige, dass es die Entrichtung der 1200 Dukaten 
zu den Provinzial- Ausgaben des Herzogtums Cleve rechne 2 ). 
Aber alle Vorstellungen blieben vergeblich; weder der 
Minister von Nesselrode noch der Präfekt von Borcke ver- 
mochten etwas zu Gunsten der bedrängten Professoren aus- 
zurichten. Auch eine Bitte des Senates um eine einstweilige 
Unterstützung von 500 Rthlr. vierteljährlich zur Bezahlung 
der Gehälter und anderer dringender Ausgaben blieb ohne 
Erfolg; ja das Finanzministerium verlangte noch vorher die 
Begründung der Notwendigkeit der erbetenen Unterstützung! 
So ging das zweite Jahr zu Ende, ohne dass den Professoren, 
deren Zahl durch den am u. Mai 1S09 erfolgten Tod Kraffts 
inzwischen auf vier gesunken war, ihr Recht wurde. Unter 
diesen Umständen blieb ihnen nichts übrig, als sich selbst 
ZU helfen. Noch besass ja die Universität eine selbständige 
Kassenverwaltung. Der Senat beschloss daher am 27. De- 
zember, als ein Teil eines gekündigten Kapitales der Uni- 
versität zurückgegeben war, hieraus die rückständigen Ge- 
hälter der Professoren, die sie nicht länger entbehren könnten, 

') Ji. I<)2. 

*) n. 821. 

Jahrbuch XV. 20 



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Dr. P. Eschbach 



zu bezahlen, indem es hierzu einer Autorisation seitens des 
Ministeriums nicht bedürfe 1 ). Damit war der Not wenigstens 
für den Augenblick abgeholfen. 

Man muss sich wundern, dass den Professoren in ihrer 
jammervollen Lage nicht schon längst aller Mut gesunken 
war. Was sie allein noch aufrecht hielt, war ihr Vertrauen 
auf die Gerechtigkeit des Einzigen, der ihnen helfen konnte, 
Napoleons. „Die huldreichsten und allergnädigsten Ge- 
sinnungen des Kaisers und Königs, unseres allerdurch- 
lauchtigsten Monarchen", schrieb der Senat am 5. Februar 18 10 
an Präfekt von Borcke, „sind allenthalben bekannt. Selbst 
in Feindesland werden sie allgemein gepriesen. Denn auch 
dort haben Allerhöchstdieselbe litterarische Anstalten und 
Institute auf das huldreichste geschützt und ihnen ihr Eigen- 
tum auf das kräftigste erhalten und noch vermehrt. Wir 
sind daher auf das vollkommenste überzeugt und erwarten 
es mit der gewissesten Zuversicht, dass Allerhöchstdieselbe 
nach ihrer allbekannten Gerechtigkeitsliebe auch der hiesigen 
Grossherzoglichen Universität ihr Eigentum, die Zinsen von 
dem Stiftungsfonds und andern Kapitalien, die bei der Ab- 
tretung des Landes auf den neuen Landesherrn überge- 
gangen sind, nicht entziehen werde" 2 ). In der That teilte 
von Nesselrode am 1 1 . März dem Senate mit, dass man wegen 
der Entrichtung der rückständigen Rente von 1 200 Dukaten 
unmittelbar an Napoleon berichtet habe, und versicherte, 
„dass bei den bekannten holden Gesinnungen des grossen 
Kaisers gegen die Pfleger der wissenschaftlichen Kultur 
ein günstiges Resultat zu erwarten sei". Ähnlich äusserte 
sich von Borcke. Auch Beugnot richtete am 22. März ein 
tröstendes Schreiben an den Senat: „Es hange leider nicht 
von ihm ab, die Universität wieder in den Genuss der ehe- 
mals aus der Domänenkasse bezogenen Einkünfte zu setzen. 
Da ihre Ansprüche durch die vorige Regierung, die diesen 
Posten in den Ausgaben der Domänenkasse gestrichen habe, 
nicht als rechtsgültig anerkannt worden seien, könne er 
aus eigener Macht dieser Verfügung nicht entgegenhandeln; 
vielmehr könne die Universität die geforderte Rente nur auf 

') B. 192. 
-) D. 821. 



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Die Universität Duisburg unter französischer ■Verwaltung, :j07 



besonderen Befehl Sr. Majestät des Kaisers wiedererlangen. 
Die Bewilligung von Mitteln für den öffentlichen Unterricht 
sei nicht seine Sache, sondern die des Ministers des Innern. 
Bei dem lebhaften Interesse, das ihm eine Anstalt einflösse, 
die so viele ehrwürdige Erinnerungen den Freunden der 
Wissenschaften empföhlen, dürfe man überzeugt sein, dass 
er mit allem Eifer die Absichten Sr. Majestät in Bezug auf 
die Universität ausführen werde, sobald sie ihm bekannt 
geworden seien" ')■ 

Im Oktober versicherte von Nesselrode, „es lasse sich 
nun mehr als jemals hoffen, dass die Reorganisation der 
höheren Lehranstalten im Grossherzogtum bald erfolgen 
werde; der Senat könne sich dabei der besonderen Fürsorge 
des Ministers versichert halten." Generaldirektor Hardung 
forderte einen sofortigen Bericht über die der Universität 
gehörigen Gebäude, Bibliotheken und Apparate ein. Es 
schien, als ob nun endlich etwas zum Besten der Duisburger 
Hochschule geschehen sollte; aber es geschah nichts. 

Da die Entscheidung über den ferneren Bezug der 
Rente von 1200 Dukaten vergeblich erwartet wurde, sahen 
sich die Professoren wiederholt gezwungen, sich aus dem 
Bestände der Universitätskasse bezahlt zu machen, indem 
sie den Rentmeister zur Auszahlung der ihnen gebührenden 
Gehälter anwiesen. Aber dieses Recht, das der Universität 
bisher nicht bestritten und als letztes Mittel nur im Notfalle 
ausgeübt war, wurde ihr am 26. März 181 1 genommen, indem 
bestimmt wurde, dass fortan „ausser unvermeidlichen, dringen- 
den Ausgaben, z. B. Porto- und Transportkosten, keine 
Zahlungen mehr auf die Universitätskasse angewiesen werden 
dürften." Da man aber doch der Universität nicht alle Unter- 
stützuno- entziehen konnte, wurde ihr am 2. Juli „zur Be- 
streitung der nötigsten Ausgaben" eine einstweilige Bei- 
hülfe von 2000 Francs aus dem Ueberschuss des Dispositions- 
fonds für den öffentlichen Unterricht bewilligt 2 ). 



') H. 225. Dass der Hauptfonds der Universität nicht durch Beugnot, 
wie v. Mörner (S. 559) und Hesse (S. 27) behaupten, sondern schon durch 
Agar entzogen wurde, steht also ausser Frage. 

'■') r$. uj2. 

so* 



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Dr. P, Eschbacb 



Nur noch von einem persönlichen Eingreifen Napoleons 
konnte die der Auflösung so nahe Universität eine Besserung 
ihrer Lage erwarten, und diese Hoffnung regte sich von 
neuem, als es hiess, der Kaiser werde demnächst das Gross- 
herzogtum Berg besuchen. 

Schon im August 1 8 10 wollte man in Duisburg wissen, 
Napoleon werde am 21. oder 22. des Monates in Düsseldorf 
eintreffen, um von dort über Duisburg- nach Amsterdam zu 
reisen. Wie der städtische Magistrat in aller Eile die nötigen 
Anstalten zu einem würdigen Empfang traf, beschloss auch 
der akademische Senat, dem Kaiser seine Ehrfurcht zu be- 
zeugen und ihm bei dieser Gelegenheit die schriftliche lütte 
zu überreichen, „die Universität wieder allergnädigst in Elor 
zu bringen". 

Allein erst im Herbste des folgenden Jahres beehrte 
Napoleon das Grossherzogtum mit seinem Besuche. Schon 
seit Mitte Oktober sah man hier mit grösster Spannung 
seiner Ankunft entgegen. Von den Behörden wurden die 
umfassendsten Massregcln für seinen Empfang angeordnet. 
Endlich schwand die beunruhigende Ungewissheit; Napoleon 
kam am 31. Oktober nach Wesel 1 ). 

Die Einwohner Duisburgs erwarteten den hohen Gast 
schon am 1. November bis zum späten Abend vergeblich 
in den festlich illuminirten Strassen ihrer Stadt-). Erst um 
l / a 6 Uhr morgens erfuhr der Maire, dass der Kaiser dort 
sein Frühstück nehmen werde. Um '/2 10 Uhr traf Napoleon 
ein und liess am Stapelthor halten, wo der Maire und der 
Munizipalrat zum Empfang bereit standen. Der Maire trat 
an den kaiserlichen Wagen und hielt eine kurze Ansprache; 
dem Ausdruck der Huldigung für die „geheiligte" Person 
Seiner Majestät fügte er die Bitte hinzu, die Mairie gnädigst 
zu beschützen und die Universität und den Handel der 
Stadt wieder emporblühen zu lassen, und schloss mit einem 
Hoch auf den Kaiser 2 ). Napoleon hörte zwar die Rede 

1 ) O. R. Redlich, Die Anwesenheit Napoleons I. in Düsseldorf im 
Jahre 1811 (Düsseldorf 1892) S. 14 fr. 

2 ) Ich benutze für den Besuch Napoleons in Duisburg ein im dortigen 
Stadtarchiv vorhandenes Protokoll, dessen Kenntnis ich Herrn Prof. Averdunk 
verdanke. 



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Die Universität Duisburg unter französischer- Verwaltung. 309 

„huldreichst" an, würdigte sie aber keiner Antwort. Unter 
dem Läuten der Glocken und dem Zuruf der Menne, die 
hier, wie überall, teils aus Neugierde, teils aus Bewunderung 
für den Beherrscher Kuropas zusammengeströmt war, hielt 
nun der Kaiser durch den mit der Inschrift: „Napoleoni 
invictissimo imperatori, paeificatori Germaniao sacrum" ver- 
sehenen Triumphbogen seinen Einzug in dir Stadt. Die 
Strassen waren mit zahlreichen Bogen und jungen Tannen, 
die Häuser mit Blumenguirlanden festlich geschmückt. Vor 
dem Hause des Munizipalrates Kaufmann Boninger, wo dem 
Kaiser das Frühstück bereitet war, wurde Halt gemacht. 
Hier wartete seiner ein lieblicher Empfang. Weissgckleidete 
Mädchen, sich Guirlanden zureichend, bildeten an dem mit 
Orangenbäumen geschmückten Eingang eine Doppelreihe; 
andere standen im Vorderzimmer mit Körbchen, aus denen 
sie den Kaiser mit Blumen bestreuten; zwei von ihnen 
boten ihm auf rotsammtnen, gestickten Kissen einen Lorbeer- 
kranz und Palmenzweig dar. Der Kaiser, der eine sehr 
zufriedene Miene machte, nahm beim Eintritt in den Saal 
die Symbole des Ruhmes und des Friedens huldvoll ent- 
gegen. Noch während des Frühstücks licss er den Maire 
hereinrufen und befragte ihn über die Verhältnisse der Stadt 
und ihrer Umgebung, wobei auch auf den „vorigen Flor 
der Stadt und Universität in den früheren Jahrhunderten" 
die Rede kam. Hierauf fand die Audienz der Professoren 
Günther, Grimm und Carstanjen statt 1 ). Diese waren zwar 
zum Empfange des Kaisers am Stapelthor nicht erschienen ; 
sie hatten sich aber, als am Morgen die Ankunft Napoleons 
bekannt wurde, in das Haus des Professors Carstanjen be- 
geben, um dem kaiserlichen Absteigequartier nahe zu sein. 
Als dort der Kaiser vorbeifuhr, waren sie vor die Hausthür 
getreten, „um ihre Devotion zu bezeugen". Gleich darauf 
gingen sie in das Böninger'sche Haus und wurden nach 
einer Weile zur Audienz befohlen 2 ). Sie fanden den Kaiser 



') Professor Bierdemann war abwesend. Die folgende Darstellung beruht 
auf einem Senatsprotokoll vom 2. Nov. 181 1. (B. 192.) 

'-') Die Darstellung dieses Vorganges bei Göckc (S. 79), wonach die Pro- 
fessoren „nicht aus eigenem Antrieb" erschienen, sondern erst, als Napoleon sie 
während des Frühstücks „selber holen licss", ist ebenso schief, wie die von Hesse. 



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Dr. P. Eschbach 



und seinen Marschall Beithier bei Tische sitzen; auch der 
Maire war noch anwesend. Nachdem der Rektor „in wenig 
Worten die Submission bezeigt" hatte, wurde er von Napoleon 
über die Vorhältnisse der Universität „sehr umständlich und 
genau und in sehr gnädigen Ausdrücken befragt". Der 
Kaiser erkundigte sich nach der Zahl der Professoren und 
Studierenden, den Anstalten und Fonds der Universität, den 
Gehältern der Professoren und derVerschiedenheit des jetzigen 
Xustandes und desjenigen vor sechs Jahren ; erfragte, ob auch 
lutherische Professoren dort seien und wo die jungen Leute jetzt 
studierten, die sonst die Universität besucht hätten; die Frage, 
ob Duisburg die einzige Universität des Grossherzogtums 
sei, zeigt, wie wenig Napoleon doch mit diesem Staate be- 
kannt war, der unter seiner eigenen Verwaltung stand. 
Hierauf nahm der Rektor Gelegenheit, „im Namen des 
Senats die Universität der Gnade des Kaisers zu empfehlen 
und zu bitten, dass die unbesetzten Lehrstellen doch wieder 
besetzt werden möchten, damit die Arbeiten wie vormals 
fortgesetzt werden könnten". Die Antwort, die Napoleon 
erteilte, war unbestimmt; er versicherte „in sehr huld- 
reichen Ausdrücken, dass darin eine Veränderung erfolgen 
würde"i). 

Die Audienz hatte fast eine halbe Stunde gedauert. 
Nachdem Napoleon noch die Mitglieder des Munizipalrates 
zu sich beschieden, erhob er sich; im Vorbeigehen gab er 
den noch im Vorzimmer stehenden Mädchen Beweise seiner 
Zufriedenheit und begrüsste zum Schluss die wegen Kürze 
der Zeit zur Audienz nicht mehr vorgelassene Geistlichkeit. 

Von neuem läuteten die (docken, von neuem erschollen 
die Zurufe der jauchzenden Menge, als Napoleon den Wagen 
bestieg, aus dem er ihr huldvoll zuwinkte. Durch den 

tS. !02.) Dass die Vertreter der Universität nicht schon am Slapellhor den 
Kaiser begrüssten, erklärt sich wohl daraus, dass dies von der Behörde nicht 
angeordnet war; auch die Geistlichkeit fehlte, während im August 1810 neben 
dem Munizipalrat Professoren und Geistliche befohlen waren. 

') Diese Antwort Napoleons findet sich in dem Senalsprotokoll. Eine 
längere Rede, die Günther für diese Gelegenheit ausgearbeitet hatte (eine 
Abschrift derselben im Archiv der Stadt Duisburg, im Auszüge mitgeteilt von 
Redlich S. 21), kann in dieser Form nicht gehalten worden sein, da Napoleon 
durch seine Fragestellung sie /.um grossen Teil überflüssig machte. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 



311 



/weiten, im Innern der Stadt stehenden Khrenbogen mit 
der Inschrift: „Aligustissimum, clcmentissimum protectorem 
ardentissimis votis suis prosequitur populus Duisburgensis" 
setzte dann der Kaiser seine Reise nach Düsseldorf fort. 

In der Hauptstadt seines Grossherzogtunis verlebte 
Napoleon Tage festlicher Freude, aber auch ernster Arbeit 1 ). 
In den Sitzungen, die der Staatsrat unter dem Vorsitze des 
Kaisers hielt, wurden auch die Grundzüge einer Organisation 
des herrischen Unterrichtswesens nach französischem Muster 
festgestellt 2 ). Vor allem wurde als Mittelpunkt desselben 
die Gründung einer Landesuniversität in Düsseldorf be- 
schlossen. Napoleon hatte, wie aus seiner Korrespondenz 
hervorgeht, schon am 2. November den Plan gefasst, Düssel- 
dorf zum Sitz der Universität zu machen 8 ). Das also war 
die Aenderung, von deren baldigem Eintreten der Kaiser 
in Duisburg gesprochen hatte! 

Die Kunde von der beabsichtigten Verlegung der 
Universität nach Düsseldorf rief in Duisburg die grösste 
Bestürzung hervor; drohte doch, nachdem durch die Kon- 
tinentalsperre und die Zollpolitik Napoleons bereits Handel 
und Jndustrie gelähmt waren, durch den Verlust ihrer Uni- 
versität der Wohlstand der Stadt noch tiefer zu sinken. 

Die Bürgerschaft richtete daher am 15. November eine 
Bittschrift an Napoleon, in der sie ihre Klagen und Sorgen 
aussprachen: Nach jenen Augenblicken der Begeisterung 
und Erhebung, die die Anwesenheit und hohe Huld des 
Kaisers auf seiner Durchreise in ihnen hervorgerufen, 
habe das Gerücht, dass ihre Universität nach Düssel- 
dorf verlegt werden solle, sie gänzlich bestürzt und 
ihre schmeichelhaftesten Hoffnungen zerstört. Der Glanz 
ihrer Stadt sei seit einigen Jahren verdunkelt. Noch vor 
kurzem hätten die Schiffe Duisburgs, des Stapelplatzes von 



') Redlieb, S. 27 ff. 

? ) Asbach, Die Napolconische Universität in Düsseldorf S. 5 ff 
») Correspondance de Napoleon I. (publiee par ordre de Pempereur 
Napoleon III.) XXII, 642 «■ : Notes sur les affaires du Grand-Duche de Her« 
(datiert Düsseldorf, 2. Nov. 18Ü): 4) Instruction publique doit etre orgardsee 
de maniere, que Düsseldorf soil le centre de Instruction, qu'une universite y 
Mit etablie — . 



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312 



Dr. P. Eschbach 



Holland, Deutschland und der Schweiz, Rhein, WaaJ und 
Ruhr bedeckt, und die Hauptstrassen seien von den Fuhr- 
werken seiner Kaufleute und Fabrikanten belebt gewesen. 
Jene glückliche Zeit sei dahin; aber sie trösteten sich über 
diesen Verlust, weil er die Wirkung „jenes grossen und 
weisen Kontinentalsystems Sr. Majestät sei, das eine sichere 
Bürgschaft sei für den gänzlichen Untergang der grimmigen 
Feinde Europas und für die Befreiung des Handels von 
dem abscheulichen Despotismus dieser stolzen Insulaner". 
Auch hätten sie noch eine zweite Quelle ihres Unterhaltes, 
die Universität; ihr Verlust würde ihnen das letzte Mittel 
der Existenz nehmen; der Kaiser möge sie deshalb der 
Stadt erhalten und sie fördern, im Hinblick auf die ehr- 
würdige Vergangenheit Duisburgs, jenes alten Dispargum, 
wo einst der Frankenkönig Clodio seinen Sitz gehabt habe. 

Gleichzeitig reichten die Eingesessenen der Mairie eine 
Bittschrift ein. Auch sie beklagten, „dass die hohen Pläne 
des Kaisers für das Glück des ganzen Kontinentes den augen- 
blicklichen Rückgang des Handels zwar nicht berücksichtigen 
könnten, aber man hoffe, dass der Tag nahe sei, wo er der 
Welt die Freiheit des Handels werde schenken können". 
Wie der Handel stocke, lägen auch einige Fabriken der 
Stadt still; denn das Hauptabsatzgebiet für ihre Tücher und 
Baumwollstoffe, Holland und die Hansastädte, sei ihnen 
durch deren Vereinigung mit Frankreich verschlossen. Der 
Kaiser möge für die Fabrikate des Grossherzogtums Berg, 
wenn auch gegen massige Zollsätze, freie Einfuhr bewilligen. 
Die Angst und Verzweiflung mehrerer Tausend Arbeiter, 
deren Existenz bedroht sei, werde damit verschwinden. Mic 
Besorgnis hörten sie jetzt, dass er die alte Universität nach 
dem schon blühenden Düsseldorf verlegen wolle. Dies würde 
für die Stadt traurige Folgen haben ; eine Reihe von Häusern 
würden leer werden, Künstler und Handwerker ihr Brot 
verlieren. Gerade Duisburg eigne sich so sehr als Univer- 
sitätstadt. Die Stadt sei zwar klein •), aber Professoren und 
Studenten fänden dort gute Gesellschaft und günstige 
Wohnungen zu massigem Preise, während Wohnungen in 

') Duisburg hatte damals 447O Einwohner. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 



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Düsseldorf sehr teuer seien. Die Ruhe der Stadt begünstige 
die Pflege der Wissensehaften. Die Professoren seien hier 
die ersten Leute, was in der Residenz Düsseldorf nicht der 
Fall sein würde. Die Sitten seien hier noch nicht so ver- 
dorben, wie in grösseren Städten; die Väter brauchten hier 
keine Verführung für ihre Söhne zu fürchten. Es fehle 
(Midlich nicht an den nötigen Gebäuden und Fonds für eine 
Universität. Das Wohlwollen des Kaisers könne die alte 
Hochschule bald zu einem nie dagewesenen Glänze bringen. 

Der Maire Speck, nicht minder der Unterpräfekt v. Sons- 
feld unterstützten diese Immediateingaben. Der Präfekt (Traf 
v. Borcke übersandte am 20. Dezember die „nicht besonders 
gelungenen Piocen" an den Minister von Nesselrode, der, 
wie es hiess, nicht für die Errichtung einer Universität war; 
aber er hatte wenig Hoffnung, dass die in den Bittschriften 
für Beibehaltung der Universität Duisburg angeführten 
Gründe auf den Fntschluss des Kaisers irgendwelchen Fin- 
fluss haben würden, zumal es sich jetzt darum handle, ..eine 
Universität nach französischen Grundsätzen, also eine An- 
stalt zu errichten, in der nicht nur der akademische Unter- 
richt, sondern das gesamte Unterrichts- und Erziehungs- 
wesen des Landes concentriert und von diesem Centrtim 
aus dirigiert werden solle" 1 ). 

Es war schon zu spät. Am 1 7. Dezember hatte bereits 
Napoleon im Schlosse der Tuilorien das Dekret über die 
Organisation des öffentlichen Unterrichts im (Trossherzogtiim 
Berg erlassen 2 ). Hierdurch wurde die Errichtung einer 
Universität in Düsseldorf mit 5 Fakultäten und 14 Professoren 
angeordnet, die am 1. März 18 12 eröffnet werden sollte. 
Zu ihrer Dotation wurden unter anderen Fonds auch Sooo 
Francs aus den Einkünften der Universität Duisburg be- 
stimmt. Damit war das Todesurteil über diese gefällt. Wenn 
es noch nicht sogleich vollstreckt wurde, so lag dies an den 
finanziellen und politischen Schwierigkeiten, welche die Er- 
öffnung der Universität Düsseldorf verzögerten. 

Aber auch so machten sich die Folgen des Napoleonischen 
Dekretes für die fast in den letzten Zügen liegende Universität 

') D. 820. 

-> Asbach S. 19 ff. 



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Dr. I'. Eschbacli 



Duisburg- in harter Weise fühlbar. Der Minister genehmigte 
zwar am io. Mär/, die Fortsetzung der öffentlichen Vor- 
lesungen im Sommersemester 1812, „weil es der höchsten 
Absicht Sr. Majestät nicht entsprechen würde, die höheren 
Lehr- und Bildungsanstalten bis zur Eröffnung der Düssel- 
dorfer Universität stille zu legen"; da jedoch infolge des 
kaiserlichen Dekretes die Universität Duisburg „in einem 
gewissen Sinne als bereits eingegangen zu betrachten sei", 
so könne er die Erlaubnis, das diesjährige Programm im 
Druck erscheinen und das Vorlesungsverzeichnis in öffent- 
lichen Blättern bekannt machen zu lassen, wodurch die 
Universität „sich noch als fortdauernd erkläre", nicht erteilen. 
Jedoch gestattete er, das Vorlesungsverzeichnis auf einzelnen 
Blättern an der Universität anschlagen und unter die Stu- 
dierenden zu verteilen. 

Zwei Rechte, die von jeher Duisburg als deutsche 
Universität besessen hatte, wurden ihr jetzt durch Napoleon 
entrissen, die akademische Gerichtsbarkeit und die eigene 
Verwaltung. Durch die Justizverfassung vom 17. Dezember 
1S11 wurden alle Sondergerichte aufgehoben und der privi- 
legierte Gerichtsstand der Unterthanen beseitigt 1 ). Damit 
hörten auch die Angehörigen der Universität auf, eine exi- 
mierte Klasse innerhalb der Gerichtsverfassung zu bilden 
und wurden den ordentlichen Gerichten unterstellt. Zugleich 
wurden auf Grund des kaiserlichen Dekretes 2 ) durch Ver- 
fügung des Ministers vom 14. April 1812 die zur Dotation 
der Universität Düsseldorf bestimmten Güter und Einkünfte 
der Universität unter die Verwaltung der Domänendirektion 
gestellt 3 ). Demgemäss ging das Amt des bisherigen Uni- 
versitäts-Rentmeisters auf den Domänen-Administrator Du 
Fallois zu Duisburg über 4 ). Die Selbstverwaltung der Uni- 



') Göcke S. 41. 

'-) Art. rj: l.es biens, fonds et revenus seront regis par l'admunstration 
«In domaine, d'aprcs les prineipes 6tabüs pour les domaines et sous l'autorite 
directe du rainistre. (Asbach S. 20.) Scotti Nn. 3335. 

") Der bisherige Sekretär und Rendant Brinkmann übernahm die ihm 
angebotene Verwaltung der Universitäls- Witwenkasse. 

4 ) B. 192. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 



versität hatte ein Ende. Obwohl die Verpachtung aller 
Grundstücke derselben zum Besten des Fonds geplant war, 
sollten doch die zur Abhaltung des akademischen Unterrichts 
notwendigen Gebäude bis zur Einstellung der Öffentlichen 
Vorlesungen ihrem bisherigen Zwecke dienen. Dagegen 
wurde dem Senate auch für die geringsten Reparaturen an 
denselben kein Dispositionsfonds eingeräumt; vielmehr musste 
jede, auch die kleinste notwendige Ausgabe vorher dem 
Verwalter angezeigt werden. Ebenso wurde die Bewilligung 
von Druckkosten für akademische Veröffentlichungen ver- 
sagt, „da diese jetzt nicht mehr vorfallen könnten". Selbst 
das Porto wurde den Professoren nicht mehr vergütet, 
„weil sie dafür ihre Sportein und Gebühren bezögen" Am 
30. Juni 18 12 übergab der Senat auf Befehl des Ministers 
dem Domänen-Empfänger Du Fallois sämtliche zur Ver- 
waltung des Universitätsfonds gehörigen Dokumente und 
Obligationen. Die Folge davon, dass der Universität jede 
Disposition über ihre Kasse entzogen wurde, w aren zunächst 
masslose Schreibereien, selbst wegen der geringfügigsten 
Beträge, tlic als Zeugnisse engherzigster Bureaukratie noch 
heute einen breiten Raum in den Akten einnehmen. Ver- 
hängnisvoller aber war es, dass nunmehr den Professoren, 
wenn ihnen das Gehalt vorenthalten wurde, die Möglichkeit 
der Selbsthülfe, zu der sie im Drange der Not schon mehr- 
mals hatten greifen müssen, genommen war. Zwar sollten 
nach Weisung des Ministers den Professoren und Beamten 
der Universität Duisburg ihre Besoldungen noch für das 
Jahr 1812 und bis zur Eröffnung der neuen Universität zu 
Düsseldorf aus dem Universitätsfonds monatlich durch den 
Domänen -Empfänger ausbezahlt werden. Aber im Juli, 
August und September erhielten die Professoren ihre Ge- 
hälter nicht; jedesmal erklärte ihnen der Domänenverwalter, 
es seien keine Gelder in der Kasse. Am 16. Oktober 
wurde diesem auf die Beschwerde der Professoren hin vom 
Minister befohlen, monatlich Gehälteretats des Universitäts- 
personals einzureichen, damit dieselben, so lange es der 
Universitätskasse an Fonds fehle, auf die Ministerialkasse 
angewiesen werden könnten. Infolge der Nachlässigkeit 
des Verwalters, der jenen Befehl nicht befolgt zu haben 



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Dr. !\ Eschbach 



scheint, waren aber noch im Dezember die Gehälter nicht aus- 
bezahlt worden '). 

Unter diesen Umständen verödete das Leben an der 
Universität immer mehr. Nach Ausweis der Protokolle 
hielt der Senat seit dem t. Oktober 1S12 dreiviertel Jahre 
lang keine» Sitzung mehr. Als am 29. August 1813 Pro- 
fessor Grimm zu Homberg bei Ratingen, wo er sich zur Er- 
holung bei seinem Sohne, dem dortigen Prediger, befand, 
am Schlage starb, hörte die theologische Fakultät zu be- 
stehen auf. und die Zahl der Professoren schrumpfte auf 
drei zusammen: Bierdemann, Günther und Carstanjen. 

Cnd doch wollte es das Schicksal, dass die der Auf- 
lösung nahe Universität die französische Herrschaft im 
( i rossherz ogtum Berg, die sie an den Rand des Unterganges 
gebracht hatte, noch überleben sollte. Anfang November 18 13 
rückten die Verbündeten ins Land; die Fremdherrschaft war 
zu Kndc. 

IV. 

Das Ende der Universität. 

Während der Befreiungskriege gaben die Professoren 
die Hoffnung noch nicht auf, dass nach dem Friedens- 
schlüsse eine bessere Zeit für die Universität anbrechen 
werde. Sie vertrauten auf die teilnehmende Gesinnung 
v. Vinckes, des Präsidenten und Civilgouverneurs von West- 
falen. Dieser erfüllte zwar ihre Bitte um Zurückgabe der 
Dokumente und Obligationen der Universität und um 
Wiederverleihung der Verwaltung der Universitätskasse; 
da jedoch die Duisburger Hochschule von der preussischen 
Regierung nicht mehr als „eine allgemeine, öffentliche Lehr- 
anstalt" betrachtet wurde, so wurde die Frage, ob die für 
die rheinisch-westfälischen Provinzen geplante neue Uni- 
versität in Duisburg oder anderswo errichtet werden solle, 
von der künftigen Organisation dieser Gebiete abhängig 
gemacht 2 ). 

Nachdem durch den Wiener Frieden die Länder der 
Rheinprovinz mit dem preussischen Staate vereinigt waren. 



') rj. 823. 

'-') v. Vincke an ilen Senat 1814 Mai i<S. (B. 192.) 



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verhiess König Friedrich Wilhelm III. sogleich in der Pro- 
klamation vom 5. April 1815 seinen neuen Unterthanen die 
Gründung einer Universität 1 ). Zu der am 15. Mai in Aachen 
stattlindenden Huldigungsfeier wurde zwar noch Professor 
Günther als Rektor der Duisburger Universität eingeladen 
und leistete als solcher den Huldigungseid. Aber die 
Hoffnung*, dass auf den Trümmern der alten Friederieia- 
Guilelmina in Duisburg die neue rheinische Hochschule 
sich erheben werde, schwand nur zu bald. 

Eine Zeitlang schwankte man freilieh im Ministerium, 
welche der rheinischen Städte, die sich um die Universität 
bewarben, als Sitz der Musen zu wählen sei. Die Bürger- 
schaft von Duisburg gab sich die grösste Mühe um 
Beibehaltung ihrer Universität. Sie liess eine Denk- 
schrift drucken, um die Billigkeit ihres Anspruches zu be- 
gründen 2 ): Die Stadt habe im letzten Kriege durch zahl- 
reiche Durchmärsche feindlicher und freundlicher Truppen, 
durch Stockung des Handels und Vernichtung der Fabriken 
und durch Anlegung der Rangschifffahrt schwer gelitten. 
Sie verdiene aber auch die Fürsorge des Staates wegen 
des Patriotismus ihrer Bürger. „Wie oft hat er sich laut 
ausgesprochen, in der treuen Anhänglichkeit an das könig- 
lich preussische Haus, in der tiefen Trauer während der 
Tage der schmerzlichen Trennung, in der Freude bei der 
Wiedervereinigung, in manchen schweren Opfern! Zog 
doch von hier eine verhältnismässig grössere Anzahl frei- 
williger Vaterlandsverteidiger aus: im Jahre 18 14 neunund- 
zwanzig, im Jahre 181 5 vierzig an der Zahl. Drei fanden 
den Heldentod, mehrere zeigen ehrenvolle Wunden fürs 
Vaterland, und keiner verliess seine Fahnen. Man frage 
die Verwundeten, welche in grosser Menge auch hierher 
kamen, mit welchem Eifer, mit welcher Liebe unsere 
Aerzte sie verbunden, unsere Bürger sie gekleidet, genährt 
und gelabt haben!" Freiherr v. Vincke, jetzt Civil- Gouver- 

') v. Sybel, Die Gründung der Universität Bonn (1868) : Kleine historische 
Schriften, Bd. 2 S. 427. 

*) „Darstellung einiger Gründe, welche für die Beibehaltung der Land, s- 
Univcrsitüt in Duisburg zu sprechen scheinen, vpn Seiten der Duisburger 
Bürgerschaft". Crefeld 18.5. (B. 154a.) Vgl. Messe S. 105 f. 



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Dr. P. Eschlbach 



neur der westlichen Provinzen, empfahl aufs wärmste die 
Universität Duisburg dem Schutze des Ministeriums; er 
bezeugte, dass die Einwohner dieser Stadt zu den treuesten 
Unterthanen Sr. Majestät gehörten; in allen Lagen und 
allen sich ihnen darbietenden Verhältnissen hätten sie ihre 
Pflichten gegen das Vaterland musterhaft erfüllt; ihre Gast- 
freiheit gegen die Vaterlandsverteidiger sei in der Armee 
zum Sprüchwort geworden; wenn die Absicht verfolgt 
werde, dass in Westfalen und in den Rheinprovinzen eine 
besondere protestantische Universität bestehen solle, so 
würde sich Duisburg unstreitig am ersten dazu eignen. 
Eine solche Absicht lag jedoch der preussischen Unter- 
richtsverwaltung fern; sie hatte vielmehr den Plan, eine 
grosse, paritätische Universität für die westlichen Provinzen 
zu gründen, wie er bereits im Jahre 1803 gefasst war. Es 
handelte sich nur noch um die Wahl des Ortes. Fürst 
v. Hardenberg gab noch im November 18 15 dem Minister 
v. Schuckmann die von der Duisburger Bürgerschaft zur 
Wiederherstellung ihrer Universität angeführten Gründe 
zur Erwägung 1 ). Aber schon im folgenden Jahre stand 
fest, dass für den Sitz der neuen Hochschule nur Köln 
oder Bonn in Frage kommen könne. Am 26. Oktober 1817 
beantragte v. Schuckmann beim Könige die Gründung einer 
rheinischen Universität in Bonn. Eine Kabinettsordre Fried- 
rich Wilhelms III. vom 26. Mai 18 j 8 entschied in diesem 
Sinne und bestimmte, dass die neue Universität bereits 
mit Herbst ins Leben treten solle* 2 ). 

In Duisburg hatte man die Hoffnung auf den Weiter- 
bestand der alten Universität selbst 1818 noch nicht völlig 
aufgegeben; denn der Senat hatte noch für das Winter- 
semester beim Oberpräsidenten Graf v. Solms-Laubach die 
Genehmigung zum Druck des Vorlesungsverzeichnisses 
nachgesucht. Am 22. September erhielt man jedoch die 
Gewissheit, dass das Schicksal der Universität endgültig 
besiegelt war. Der Oberpräsident meldete an diesem Tage 
dem Senate im Auftrage des Ministers, dass von Michaelis 

') B. 154 a. 

2 ) v. Sybel, Kleine historische Schriften, Bd. 2, S. 415, 427, 429 f. Die 
offizielle Stiftungsurkunde wurde am 18. Oktober 1818 vollzogen. 



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Die Universität Duisburg unter französischer. Verwaltung. 31«) 



ab die Vorlesungen in Duisburg geschlossen werden sollten, 
weil mit der Bekanntmachung der Gründung der Univer- 
sität Bonn die Aufhebung jener zu Duisburg erfolgen 
müsse 1 )- Seine Versicherung, „dass das Kgl. Ministerium 
die Verdienste, welche sich die Universität, ungeachtet 
ihres kleinen Umfanges an Lehrstellen und Mitteln, durch 
bescheidenes, stilles Wirken in mehreren Fächern erworben 
habe, besonders anerkannt und dass des Königs Majestät, 
um solche Verdienste zu ehren, das Schicksal der bei der 
Universität angestellten Professoren nach ihren Krwartutlfiren 
und zu ihrer vollkommenen Zufriedenheit bestimmen werde", 
konnte die drei letzten Lehrer der Duisburger Hochschule, 
Günther, Carstanjen und Bierdemann, die unter den 
schwierigsten Verhältnissen auf ihrem verlorenen Posten 
ausgeharrt hatten, mit dem Gefühle freudiger Genugthuung 
und der tröstlichen Hoffnung auf eine bessere Zukunft 
erfüllen. 




Beilagen, 
i. 

Bericht des Rektors und der Professoren an Freiherrn v. Vincke üher die 
Schicksale der Universität Duisburg während der Fremdherrschaft, 
' 30. März 1814'). 

„Schon lange hatten wir beschlossen, Ew. Hochwürden und 
lloehwohlgeboren über unsere traurige Lage ganz gehorsamst zu 
berichten; allein wir fürchteten, in den ersten Zeiten der auch zu 
unserin Glück wieder eingetretenen Regierung Ilocluieinselben bei 



') B. 1154a. 

»j ß. 1154a. — Präsident und Civilgouveraeur v. Vincke halte am 
8. Mär/. 1814 dem Rektor der Universität, Prof. Günther, befohlen, ihm über 
die Schicksale, welche dieselbe seit dem Jahre 1806 betroffen, ihre jetzige Lage 
und den Verbleib ihrer Fonds und Effekten zu berichten. Diesem Befehle 
kommt der ausführliche Bericht vom 30. Mär/. 1814 nach, von dem wir den 
umfangreichsten Teil, einen historischen Rückblick auf die traurigen Erlebnisse 
während der Fremdherrschaft, wörtlich mitteilen. Hesse (S. I02 ff.) giebl davon 
mir einen sehr dürftigen und lückenhaften Auszug. Die an sich schon wertvolle 
Schilderung von Selbsterlebtem, deren Wahrheit, wie man sieht, durch unsere 
aus den Akten geschöpfte Darstellung durchaus bestätigt wird, verdient um so 
mehr Beachtung, als sie zugleich uns die wahre Stimmung der Professoren 
während jener Jahre erkennen lässt, die unter dem Drucke der Fremdherrschaft 
sich nicht halte äussern dürfen, nun aber unverhohlen sich ausspricht. 



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:i20 



Dr. P. Eschbach 



den so überhäuften Geschäfte« beschwerlich zu fallen, und daher 

verschollen wir unsere ganz gehorsamste Berichterstattung einige Zeit. 

.letzt macht uns der Hefeid, welchen Ew. Hochwürden und 
Bochwöhlgeboren an den unterzeichneten Prof; Günther erlassen 
haben, zur angenehmen Pflicht, die Ereignisse zu schildern, welche 
in den verflossenen sieben unglücklichen Jahren unsere Anstalt be- 
troffen halien, und über deren jetzige Lage und Verhältnisse ganz 
gehorsamst zu berichten. 

Indem wir diesem Befehl die schuldigste Folge zu leisten 
bemüht sind, blicken wir einen Augenblick in jene Zeiten zurück, 
wo Ew. I lochwürden und Hodi wohlgeboren uns das so schmeichel- 
hafte Zeugnis gaben, daSS wir mit unsorm geringen Fonds wirklich 
viel geleistet haben. Damals eröffneten sich unter Ihrer weisen 
Leitung so erfreuliche Aussichten für eine Königliche Westfälische 
Landesuniversität! Alle Anstalten waren getroffen, alle Einrichtungen 
gemacht, um sie auf eine glänzende Weise zu eröffnen. Wie ein 
Donnerschlag traf es uns, dass wir abgerissen sein sollten, mussten 
von einem Staate, dessen Mitbürger zu sein unsere grösste Ehre, 
unser grösstes Glück war. Wir kamen mit dem Herzogtum Berg 
unter eine Regierung. Von «lern damaligen Landesherrn, des jetzigen 
Königs von Neapel Majestät, erhielten wir die huldreiche Versicherung, 
dass unsoie Universität aufrecht erhalten und in den besten Stand 
versetzt werden sollte. Die Pläne hierzu wurden gemacht, Vor- 
schläge verschiedener Art gelhanj die beiden hier in der Stadt be- 
findlichen Nonnenklöster bestimmt, um zu Universitätsgebäuden zu 
dienen, Sachverständige über ihre Umwandlung zu diesem Zweck 
vernommen und sowohl hierzu als auch Überhaupi die nötigen Fonds 
ausgemittelt. Schon sahen wir dem Augenblick freudig entgegen, 
in welchem die geeignetsten Vorschläge zur Ausführung gebracht 
werden sollten. Allein sowie Düsseldorf in mereantiüscher Hinsicht 
mit Duisburg rivalisierte und demselben in dieser Hinsicht seinen 
Vorsprung missgönnte, so konnte es auch diese damalige Haupt- 
und Residenzstadt nicht ertragen, dass hier die Landesuniversität 
sein sollte, und sowie die altbergischen Beamten, zu welchen sich 
aus bekannten Gründen auch die Essen- und Werdenschen gesellten, 
den clevischon überall abgeneigt waren, so konnten auch sie es ohne 
Verdruss nicht geschehen lassen, dass der Vorschlag eines vormaligen 
clevischen Beamten günstiges Gehör finden, dass die Landesuniversität 
im clevischen Teile des damaligen Herzogturas sein sollte. Es ward 
daher von ihrer und von der Seite der Stadt Düsseldorf alles auf- 
geboten, es zu verhindern, dass die Universiät nicht hiergelassen, 
sondern zu bewirken, dass sie in Düsseldorf etabliert würde. Die 
deshalb dem Landesherrn gemachten Vorstellungen fanden Eingang, 
der damalige Director der öffentlichen Erziehung nachherige Staats- 
rat Herr Graf von Borcke ward reinplaciert, und sein Nachfolger, 
der derzeitige Administrationsrat Hardung, jetziger Präsident des 
Tribunals eisler Instanz zu Düsseldorf, war, wie natürlich, ganz 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. .'521 



dafür, dass die hiesige Universität nach Düsseldorf verpflanzt werden 
sollte. Man eilte damit nach allen Kräften, und es ward, selbst 
beim Mangel aller ZU einer so wichtigen Veränderung und Ein- 
richtung nötiger Einrichtungen, sogar schon verordnet, dass der Lehr- 
kursus mit dem L November 180G zu Düsseldorf seinen Anfang 
nehmen sollte. Allein das Schicksal hatte es anders bestimmt. Der 
unglückliche Krieg brach aus, der Landesherr ging zur Armee ab 
und kam nicht wieder nach Düsseldorf. Jetzt blieb Alles, wie es 
war, unsere Anstalt hier, und von einer Verpflanzung war vorerst 
nicht, mehr die Hede. Wir setzten nun zwar unsere Aintsgeschäfte 
hier fort, allein das mehrmalige Schwanken zwischen Hieiben und 
Versetzt .werden, sowie auch, dass man in Düsseldorf die Hoffnung 
nicht, aufgeben wollte, die Universität doit. zu erhalten, hatte die 
üble Folge, dass für unsere Anstalt nichts mehr geschähe, dass die 
erledigten Lehrstühle nicht wieder besetzt wurden, dass die Zahl 
der Studierenden dadurch vermindert, wurde, dass die Einkünfte 
der Universität dadurch litten, und alle noch vorhandenen Lehrer 
selbst in eine sehr prekäre Lage versetzt wurden. Die philosophische 
Fakultät war, da die Professuren der Mathematik und Physik, der 
Geschichte und Beredsamkeit nicht wieder besetzt worden waren, 
durch den indessen erfolgten Tod des Professors Plessing bereits von 
allen Lehrern entblösst. Die theologische Fakultät bestand zwar 
noch aus den Professoren Grimm und Krummacher. Allein dieser, 
einsehend, dass er hieselbst bei der traurigen Lage der Universität 
sein Bestehen für sich und eine zahlreiche Familie nicht haben 
konnte, nahm die ihm angebotene Predigerstelle zu Kettwig an und 
ist demnächst als General-Superintendent nach Bernburg gegangen. 
In der Juristenfakultät waren noch zwei Professoren vorhanden; 
indessen hat der eine derselben, der Prof. Krafft, die unglücklichen 
Jahre nicht überlebt, sondern ist bereits seit dem S. Mai lSn!) 
verstorben. 

Bei so bewandten Umständen und in einer so traurigen Lage 
waren wir in der That äusserst unglücklich, weil wir selbst bei der 
grössten Anstrengung aller Kräfte den unverschuldeten Verfall unserer 
Anstalt aufzuhalten nicht vermochten. Denn die indes eingetretene 
Kaiserlich französische Regierung, gar nicht, darauf bedacht, eine dem 
Lande so unentbehrliche Anstalt wieder zu heben, vorenthielt ihr 
sogar die fundationsmässigen, in Zinsen von den Fundationskapitalien 
bestehenden, aus der Landesdomänenkasse zu bezahlenden Revenüen 
von jährlich 1200 Ducaten oder, nach der der Universitätskasse so 
nachteiligen Reduktion, von 13 800 fs. Alle unsere so gerechten 
als gegründeten Vorstellungen hiergegen waren nicht nur fruchtlos, 
sondern unsere Kasse erlitt auch dadurch einen Verlust über den 
andern, dass ihre Kapitalien auf die verschiedenen Landes wasscr- 
baukassen so bedeutend herabgesetzt wurden, und die Zinsen von 
den Kapitalien auf die Landstände des Herzogtums Cleve, auf die 
sechjj Hauptstädte der Grafschaft Mark u. dgl., weil sie zu Staats- 

.W.rl.H.I, xv. 21 



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322 



Dr. I*. Eschbaeh 



schulden gemacht werden sollten, ganzlich ausblieben. Unsere Kasse 
geriet dadurch sehr oft in die Gedrängteste Lage, und sie wurde die 
allerootwondigsten Ausgaben zu bestreiten gewiss nicht im Stande 
gewesen sein, wenn ihr der Gerechtigkeit liel«ende damalige Minister 
des Innern, Herr Ci raf von Nesselrode, die Ungerechtigkeiten des 
Finanzministeriums einsehend, nicht zuweilen eine Unterstützung aus 
dem allgemeinen Schulfonds hätte zuf Hessen lassen. 

Unsere traurige Lage ward auch dadurch nicht im mindesten 
gebessert, dass das kaisei •liehe Dekret vom 17. Dezember 1811 er- 
schien und die Errichtung einer Universität in Düsseldorf verordnete. 
Demi abgesehen von der wenig gute Hoffnung erregenden vorge- 
sehriebenen Organisation derselben, musste es hei den unaufhörlichen 
Kriegen und bei dem beständigen Mangel an (leid zu nützlichen 
Landeseinricht ungen, wohl nur eine täuschende Perspektive bleiben, 
in der man eine zu errichtende Landesunivorsität erblicken liess. 
Unsere Lage war und blieb mithin gleich traurig. Aller Neben- 
einkünfto, worauf bei dem so äusserst geringen, ja unbedeutenden 
Gehalte, die vorzüglichste Rücksicht genommen werden musste, fast 
gänzlich beraubt, waren wir bloss auf unser Gehalt reduziert, niussten 
aber auch dies oft mehrere Monate lang entbehren. Das Gehalt 
selbst, war dadurch, dass es nicht mehr, wie sonst, in Dukaten aus- 
gezahlt wurde und nachher auf Franks reduziert war, sehr ge- 
schmälert, und diejenige Zulage, welche uns durch das abschriftlich 
anliegende K'escript (d. d. Hamm, den 9. März 1806) von Ew. Hoch- 
würden und 1 lochwohlgeboren zugebilligt worden war, wurde von 
der naohherigon Regierung nicht anerkannt, sondern uns gänzlich 
entzogen, obgleich dieselbe bei weitem nicht im Stande war, uns 
den Verlust zu ersetzen, welchen wir dadurch erlitten, dass die 
Universität ohne unser Verschulden in eine so traurige Lage geraten 
war, weil ihr alles vorenthalten und nichts gethan wurde, die vakanten 
Lehrstühle des ewigen Schwankens zwischen Bleiben und Versetz- 
werden wegen nicht besetzt und die Revenuen nicht ausgezahlt 
wurden. Indessen erfüllten wir nach wie vor unsere Pflichten nach 
allen Kräften, lasen Collegia, und sollte es auch nur einem Zuhörer 
gewesen sein, obgleich man nach der Publikation des vorgedachten 
Kaiserlichen Dekrets vom 17. Dezember 181 1 es in Düsseldorf an- 
stössig finden wollte, wenn wir, wie früherhin, einen ordentlichen 
Klenchus 1 ) drucken Hessen. Wir behalfon uns, so gut es gehen 
wollte, mit den wenigen Einkünften, welche unserer Kasse übrig- 
geblieben waren, schränkten die Ausgaben nach Möglichkeit ein und 
führten eine so strenge Ökonomie, dass manches unterblieb, was wohl 
eigentlich hätte geschehen sollen. Allein auch hierunter wurden 
unsere Kochte geschmälert; der gesamte Universitätsfonds wurde der 
Domänenverwaltung überwiesen, und der bisherige Universitäts-lient- 
meister musste tlie Kasse, und der Senat alle über das Universitäts- 



I Vorlesungsverzeichnis. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 



323 



vermögen sprechende Dokumente und Urkunden an den hiesigen 
Domänen-Empfänger abgeben. So ward uns zum offenbarsten Nachteil 
der Universitätsgobäude und Anlagen, selbst zum Nachteil der Umver- 
sitätskasse auch die geringste Disposition genonnnen. über jede, 
auch die kleinste, dringendste Ausgabe musste bei der Domänen- 
direktion angefragt werden, kleine Reparaturen und Ausgaben wurden 
dadurch unnötiger Weise zu grösseren, und das Schreibwerk unnützer 
Weise verweitiäiifigt. 

Zwar lilieben die Fonds der Universität von den eigentlichen 
Domänen abgesondert: allein die Prinzipien, nach welchen bei der 
Verwaltung der Domänen verfahren werden musste, konnte, sprachen 
der Verwaltung einer Universitätskasse nicht zu, wo dem akademischen 
Senate, zum Besten der Anstalt und ihrer Fonds selbst, eine gewisse 
etatsmässige Disposition darum schlechterdings gelassen werden muss, 
weil er mit der Lokalität und ihren momentanen dringenden Be- 
dürfnissen bekannter ist, als eine entfernte Domänendirektion, ihm 
auch alle Mitwirkung und die nächste Aufsicht auf die Verwaltung 
des Universität8vermögens darum nicht ganz entzogen werden darf, 
weil er dabei nicht nur zunächst interessiert, sondern auch am 
fähigsten zu beurteilen ist, was notwendig geschehen muss oder ohne 
Gefahr unterbleiben kann. Allein solcher Ansichten schien die 
damalige Regierung nicht fähig, sei es weil man das Wesen und 
die Besehaffenheil einer deutschen Universität nicht kannte oder sich 
aller öffentlichen Fonds bemeistern zu müssen glaubte. 

Vorteil hat dies aber der Universität ebensowenig gebracht, als 
der Verlust aller derselben zuständigen Gerichtsbarkeit, eine unver- 
meidliche Folge der französischen .Iiistizorganisation. Mag man 
immerhin des Dafürhaltens sein, dass die privilegierten Gerichts- 
stände manche Inkonvenienzen mit sieh führen, so wird doch nie 
geleugnet werden können, dass einem akademischen Senate, wenigstens 
in Disziplinarsachen seiner Studierenden, eine gewisse Gerichtsbarkeit 
zuständig sein müsse, und dass eine zweckmässige Legislation, die- 
selbe gehörig berücksichtigend, auch hierin alles zum Besten wenden 
könne. Allein es war nun leider einmal die Zeit, des Verliercns, 
und so musste denn auch unsere alte, ehrwürdige Anstalt, diesem 
verkehrten Zeitgeiste unterliegen, musste auch sie verlieren, musste 
in ihren Grundfesten überall erschüttert werden, ohnerachtet man 
doch nicht im Stande war, etwas Besseres an ihre Stelle zu setzen, 
und es ist in der That zu bewundern, dass sie, ihr Dasein fristend, 
diesem Sturm glücklich entgangen ist." 



Dr. I\ Eschbadi 



II. 

Verzeichnis der Vorlesungen an der Universität Duisburg für das 
Wintersemester 1807 1808 1 . 

A. Lectiones publicae. 

1. Theologorum. 
1. Senr. Ad. Grimm, Theol. Doct., eiusdem bJstoriae ecclesiasticae 
ei linguarum orientalium Prof. publ. ord., theologiam dogmaticam 
examinando repetet dieb. Mere. v\ Satur. hora IX. 

II. Juris consuitorum. 

1. J. (1. Pr. Krafft, Jur. Doct. et Prof. publ. ord., historiara iuris 
enarrabil duce Koppin dieb. Mere. et Hat. hör. III. 

2. Car. Bierdemann, Jur. Doet. et Prof. publ ord., praelectionea 
introdnctorias in omnes iurisprudentiae partes ad ductmn Dabe- 
lowü B Einleitung in die positive Etechtswissenschaft" instituet 

HL Medicorum. 

1. Dan. Elirh. Günther, Med. Doct. et Prof. publ. ord., de morbis 
mulierum dieb. Mere. et Satur. hör. VIII. aget. 

2. Conr. Jac. Carstanjen, Med. Doct. et Prof. publ. ord., elabora- 
torium practicum bis per hebdom. horis commodis instituet 

IV. Philosophorum. 
Henr. Ad. Grimm, Thcol. Doct. et Prof. ling. Orient, Jonae et 
Obadiae oracula Syriace a se edita 1805 Ulustrabit 
Car. Bierdemann, Jur. Doct. et Prof. publ. ord., introduetionem 
in universam rem oeconomieo-politico-cameraleni hora commoda 
tradet. 

B. Lectiones privatae. 

[. Theologorum. 
I. Ilistoriam religiouis et ecclesiae Christianae duce Schroeckhii dieb. 
Lun. Mart. Jov. et Ven. bor. IX. onarrare perget II. A. Grimm. 

') Ii. 252. — Das hier mitgeteilte Vorlesungsverzeichnis ergänzt die vorher- 
gehende Darstellung insofern, als es auch in den wissenschaftlichen Betrieb der 
Duisburger Universität einen gewissen Einblick gestattet und zwar zu einer Zeit, 
wo sie nur noch ein Scheinlehen fristete. Die verhältnismässig grosse Zahl der 
angekündigten Vorlesungen verringerte sich in Wirklichkeit dadurch, dass manche 
wegen Mangels an Zuhörern nicht zustande kamen; dies gilt besonders von den 
juristischen und philosophischen. Die Nichlbesetzung erledigter Lehrstühle zwang 
die wenigen Professoren zu Vorlesungen auf ganz verschiedenen Gebieten; so 
zeigt besonders der zur Aushülfe in der philosophischen Fakultät dienende 
Rektor des Duisburger Gymnasiums, Nonne, eine erstaunliche Vielseitigkeit, die 
wissenschaftlicher Gründlichkeit sicherlich nicht förderlich war. Den meisten 
Vorlesungen wurde ein Lehrbuch zugrunde gelegt; die Professoren waren schon 
seit der preussischen Zeit hierzu verpflichtet, um das zeitraubende Diktieren zu 
vermeiden und den Zuhörern einen festen Anhalt zu geben. Unter den freien 
Künsten wurde die Fechtkunst nicht mehr gelehrt. 



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Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 825 

2. Historiara passionis Jesn Christi Beoandum harmoniara evangeli- 
starura dieb. Lun. Muri. Jov. ei Ven. hör X. interpretabitnr idem. 

% Theolögiam biblioara veteris testamenti secuturua Baueri „Dieta 
classica (Lips. 1798)* illustrabit idem diebus Merc. et Satur. 
hör. X. 

II. .1 urisconsultorum. 
L .Ins naturae tradet Bierdemann secundum Stephan! »Grund- 
linien der Rechtswissenschaft" her. IX. 

2. Institutiones iuris Romani secunduna Heinecoii „Elemente" 
Boepfnero edita exponet K rafft dieb. Lnn. Märt. Jov, el Ven. 

hör. Hl. 

3. Digesta explicabil idem ad. Jac. Fr. Ludovici iDootrinam pan- 

dectarum" hör. X el IX. 

4. Successioncm ab intestalo a< I positiones J. II. Boehmeri explieabit 
idem dieb. Merc. et Satur. hör. V. 

5. Jus oriminale ad oompendinm Feuerbachii docebit Bierdemann 
hör. vm 

6. .Ins. feudale idem G. L. Boehmero dnee hör. XI. 

7. Processum iuris communis proponet Krafft. 

III. Medicorum. 
L. Anatoiniam corporis humaui sexies i>er hebd. bor. X. docebit D. 
E. Günther. 

2. Pathologiam generalem praeeunte Sprengel dieb. Lun. Mart. et 
Merc. hora IX. et 

Chemiam experimentalem duce Jacquin dieb. Lun. Mar». Jov, et 
Ven. bor. IV. tradet C. J. Carstanjen. 

4. Cbirargiam medicam ad duotum Riöhteri dieb. Lun. Mart Jov. et 
Ven. bor. Vm tradet et 

5. De morbis' ossium bis per hebdomaden boris poetea indicandis 
aget D. E. Günther. 

b\ I'raclectiones de morbis aciitis ad ordinem v. Hoven »Handbuch 
der praktischen Heilkundig' dieb. Lun. Mart, et Merc. bor. XL 
continuabit et 

7. De morbis infantum ad duetum Jahn „System der Kinderkrank- 
heiten 2. Aufl." dieb. Jov. Ven. et Satur. bor. XL aget G. J. 
Cärsta njen. 

S. Olinicas exercitationes offenint D. B. Günther et C! J. Carstanjen- 

IV. Philosophorum. 
a) Camerales. 

L. Doctrinam de reditibus et expensis publicis dieb. Lun. Mart. .luv- 
et Ven. proponet C. Bierdemann. 



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326 



Dr. P. Eschbach 



b) Phi lo log icao. 



1. iMiiulainenta linguac liobincac ad ducturn Schroederi tradet 
simulque auditores in exponendo iiim> Geneseos et Psalmomm 
exeroebit dieb. Um. Miere, et Satur. hör. XI. II. A. Grimm. 

2. Linguae arabicae elementa cupientibus tradet hora oommoda idem. 

3. G. C. Nonne, Philosoph. Doctor 8t rector Gymnasii, seqaenti 
r|tio(juo setnestri honoratissimis academiae oivibus suas huraanisshne 
offert praelectiones, traditurus vel ljo»i(«s, Mietaphysioes et Philo- 
soplüae moralis praecepta, vel utilissimam humanitatis historiam, 
quam dicunt „Geschichte der Menschheit" coniunctam cum historia 
nniviTsali recentioruin temporum vel studia liiunanitatis', Aestln-tieaiii 

necnon praeoepta Khetnrices et Poetices vel illa stili Latini cum 
interpretatione auctorum classicorano eoniuncta. [Horum quocpic 
Lübens satisfaciet votis, qni Statisticam regnonnn Europae forsan 
sint desideraturi. 

Bibliothecam Academiae publicam diebus Mercurii et Saturn] 
lim-. II. ad III. aperiet H. A. Grimm, liil>liothecae prael'ectus. 

Saltationem dooebit B. Mine. 

Sfusicam Joseph. A lexander. 

Equestrem artein J. II. Krauen fehl er. 




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Ein karolingischer Laienkelch. 

Von Dr. Heinrich Kelleter. 

®|uf dem malten Rittersitz Haus zum Haus bei 
Ratingen befindet sich seit Menschengedenken 
ein doppelhenkliger Messingkessel ') mit Drei- 
fuss, dem man im Volke den Namen „Heiden- 
kcssel" beigelegt hat. Die Sage erzählt, dass die Heinzel- 
männchen die Körperteile eines Unglücklichen, der ihrem 
Treiben auf die Spur zu kommen gesucht hatte, in sieden- 
dem Oel einst in diesem Kessel gebraten hätten. 

Name und Sage, als deren Träger das seltsame Topf- 
gebilde erscheint, verschleiern seine wahre Geschichte und 
seine ehemalige Zweckbestimmung, die aufzudecken wir 
durch die gegenwärtige Darstellung unternommen haben 2 ). 

Dieser & Einzelbesprechung sind jedoch einige allge- 
meine Bemerkungen voraufzuschicken: 

Zwei Kreuze von ungewöhnlicher Gestaltung' 1 ), die 
sich kurz bei den Henkeln auf der Bauchwand des Kessels 
vorfinden, schliessen von vornherein jeden Gedanken daran 
aus, dass etwa in dem Gefäss selbst ein Denkmal der 
germanischen oder römischen Heidenzeit als solches sich 

') Der Besitzer des Hauses zum Haus. Herr Reichsyraf Franz von Spee, 
hat mit «rössler Bereitwilligkeit mir den interessanten „Kessel- zum Zweck 
dieser hier folgenden Beschreibung auf seiuer Rente! zu Düsseldorf aushandln 

i . , i i- et »II» ilcm genannten Herrn meinen besten 

lassen, wofür ich auch an dieser Stelle nun gcwwut 

-i, , , H.K. 

Dank ausspreche. " 

») Es erscheint dies um so mehr geboten, als in der Denkmalerstalislik der 

,,, • , , „n,, ml s 162 ff. bei der Beschreibung des Schlosses 

Khcinlande von (.leinen Bd. III »• »V" 

Haus dies älteste Inventarstück völlig übersehen ist. 

») Vgl. die hier beigegebene Abbildung des Kessels Paf. No.VL N... 1. 



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Dr. Heinrich Kellcter 



habe erhalten können. Der Name „Heidenkessel" besteht 
daher in seiner herkömmlichen Bedeutung zu Unrecht 
ebenso wie auch andere Denkmäler der Vorzeit, wie z. B. 
der „Heiden' : -Turm des Domes zu Wetzlar, solche Be- 
zeichnungen ganz unbegründet führen '). 

( >lmc das Vorhandensein der beiden Kreuze würde 
allerdings auch noch eine andere Eigentümlichkeit des 
Heidenkessels, nämlich die der hierzulande seltenen Gestalt 
des Kraters oder Mischkrugs auf einem Dreifuss, der Ver- 
mutung Raum geben, dass in der Abgelegenheit eines alten 
rechtsrheinischen Burgsitzes die Zerstörungswut der Zeit 
und der Menschen einmal einen jener Riesenkessel ver- 
schont hätten, die im Halbdunkel der Götterhaine beim 
blutigen Opfer oder vielleicht auch in der Runde Wodan- 
begeisterter Methzecher den Mittelpunkt längst vorüber- 
gehuschter Feierlichkeiten und heidnisch-frommer Bräuche 
gebildet haben. 

Jedenfalls aber ist die Vereinigung der christlichen 
Kreuze mit der heidnisch-sakralen Form des Mischkrufires 
ein Zeugnis für das hohe Alter des Heidenkessels wie 
andrerseits die ältere heidnische Form des Kraters durch 
dieselben Kreuze gleichsam christianisiert und jedem pro- 
fanen Gebrauch entrückt erscheint. Aus dieser Erwägung 
ist der Kessel als ein christliches Prunkgefäss zu betrachten. 
So wie es sich vorfindet, ist es jedoch eine so lange Zeit 
hindurch seiner ursprünglichen Bestimmung und seinem 
christlichen Gebrauch entzogen gewesen, dass selbst die 
leiseste Erinnerung an seinen alten feierlichen Gharakter 
verloren gegangen war und seine Bedeutung durch eine 
irrige Benennung in das gerade Gegenteil verkehrt worden 
ist. Wollen wir daher es unternehmen, die Frage: Wozu 
hat dies offenbar christliche Prunkgefäss einst gedient? zu 
beantworten, so ist vor allem sein Material und seine ganze 
äussere Erscheinung einer genauen Prüfung zu unterziehen 
und darauf kann aus den Ergebnissen einer solchen Unter- 
suchung eine Bestimmung der Herkunft und des Zweckes 

') S. ,|en „Heidentum)" hei Giesscn, der ein Teil der Grafenburg ist; die 
„Heidenmauer" hei der Kirche 7.11 Remagen. Bonner Jahrb. LXUJ S. 161, H>2 
und I.X.W II S. 233. 



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sich ermöglichen lassen. Diese ganze Aufgabe ist zu- 
nächst in zeitliche Grenzen zu fassen hinsichtlich des 
Gegenstandes der Untersuchung, nämlich des Kessels seihst. 

Schon ein Blick auf die starren Konturen, in die der 
Kessel einst vor vielen langen Jahren eingeformt worden 
ist, überzeugt, dass er keineswegs einer Zeit angehören 
kann, die an bildnerischer Kraft und technischer Sicherheit 
eine mustergültige Höhe erreicht hätte. Nach heutigen 
landläufigen Begriffen scheint das schwerfällige Gussstück 
mit seinem zwar nicht unschönen aber doch ungemein 
starken Bau der Kuppe, den ungelenken Ohren oder 
Henkeln, den gradlinigen Beinen des Dreifusses jeder 
feinern Stylistik Hohn zu sprechen. Ebensowenig bekundet 
es sich aber auch als Repräsentant der bekannteren mittel- 
alterlichen Stilarten und gewiss darf es keinen Anspruch 
darauf erheben, bei den noch stets unerreichten Leistungen 
antiker Kunst eingeordnet zu werden. Aber dennoch steht 
dieselbe lange Zeit verkannte, unbeholfene Kratergestalt 
nach Zeit und Wesen der Antike am nächsten. Auf der 
hier beigegebenen Kopie eines Gastmahls (?), dargestellt 
im Cimiterio dei SS. Pietro e Marcellino in Rom '), sind 
drei Krater und eine Henkelurne im Vordergrund ersichtlich, 
die mit dem Hauser Mischkrug durchaus verwandt er- 
scheinen. Die offenbaren Ähnlichkeiten, ja die zum Teil 
völlige Übereinstimmung überheben uns daher der Mühe, 
weitere Umschau nach Einzelkriterien zu halten, da sie 
bei diesen Gegenstücken des Hauser Kessels alle vereinigt 
erscheinen und somit auf Grund dieser Thatsache der 
Hauser Krater sich gleichsam von selbst den Erzeugnissen 
der frühchristlichen Kunst anreiht. 

Eine räumliche Begrenzung der gestellten Aufgabe 
ergiebt sich dann vorläufig auch aus der verbürgten Mit- 
teilung, dass das Gefäss von jeher in den Gutslisten von 
Haus als Inventarstück geführt worden ist 2 ) sowie aus der 
Behauptung des Volksmundes, die es als „unveräusserliches 
Zubehör" zu demselben Rittersitz bezeichnet. Diese vor- 
läufige Provenienzbestimmung verweist den Kessel trotz 

') Vgl. die Abbildung No. s-' 

'-') Gefällige Mitteilung des Herrn Reichsgrnlen Franz v. Spee. 



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seiner italischen frühchristlichen Vorbilder auf deutschen 
Boden, sie bezeugt seinen Standort zugleich als seinen 
langjährigen Bewahrort, der immer und unverändert der- 
selbe geblieben ist. Endlich aber schliesst der im Volke 
wurzelnde Name „Heidenkesseb' die Unterstellung aus, 
dass der Krater von einem Sammler oder Italienfahrer 
gelegentlich einmal nach Haus zum Haus verbracht worden 
sei. Denn es ist kein Fall bekannt, dass ausländische 
Kunst- und Liebhabersachen so ausgeprägt volkstümliche 
Bezeichnungen erhalten, die auf ein enges Verschmolzen- 
sein mit der Ortsgeschichte verweisen und in eine Zeit 
hinaufreichen, wo die Sammelwut als solche noch völlig 
unbekannt war. Kurz, der alte Mischkrug muss von jeher 
mit seinem Standort Haus verbunden gewesen sein und 
möglicherweise hat er nicht fern von demselben seine Ent- 
stehung gefunden. 

Die Zeit der Entstehung des Kraters bestimmt sich 
seiner frühchristlichen Form gemäss und in den weitesten 
möglichen Grenzen von c. 200 — 900 nach Christus. Mit 
Rücksicht auf den einheimischen Charakter des Gefässes 
schränkt diese Zeitbestimmung dann ihrerseits wieder das 
Gebiet ein, wo die Herstellung eines solchen christianisierten 
Kraters möglich war. Nach Massgabe seiner frühchrist- 
liehen Kultur kommt das Frankenland hier in erster Linie 
in Betracht. Und da führt das Material, das Messing des 
Kraters, auf eine feste Spur. Der wichtigste Bestandteil 
dieses Messings ist das Zink oder Galmei, welches schon 
seit Römerzeiten in einem weiten Landstrich zwischen Maas 
und Rhein bergmännisch gefördert worden ist. Genannte 
Gegend, genauer das Land zwischen Aachen und Lüttich, 
liefert ein weithin bekanntes vorzügliches Erz, von den 
Römern cadmia, im Mittelalter calamine 1 ) und Galmei, 
später aber Zink genannt, das in Zusammensetzung mit 
Rotkupfer das sogenannte Messing erzeugt oder, wie man 
sich im Mittelalter ausdrückte, dem Kupfer die Farbe des 

') Charles de l'Escalopier, Theophile pretre et moine, Essai sur divers 
ärts p. 220: Invenitur etiam genus lapidis suberoeei coloris et interdum rufus, 
qui calamina dicitur, qui non confractus, sed ita ut effoditur, lignis congestis et 
abundananter succensis imponitur et donec omnino candeat comburitur. 



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Goldes verleiht. Schon in Römerzeit waren, wie die deut- 
lichsten Spuren und Funde beweisen, die Zinkbergwerke 
von Altenberg und Stelberg bei Aachen in Betrieb'). Zahl- 
reiche Funde von „Bronze" (?) bei der Villa Wüstenhof und 
in der Feldmark von S. Joeris und Röhe bei Stolberg'-') 
und Eschweiler sind unzweifelhaft römischen Ursprungs. 
Es ist aber sehr zweifelhaft, ob sie in Italien hergestellt 
worden sind. Bei der Nähe der Stoiberger Erzgruben ist 
die Vermutung mit Recht hier auszusprechen, dass diese 
sämtlichen Gegenstände Erzeugnisse römisch-germanischer 
Kunsthätigkeit sind. Dasselbe nehmen wir an für die 
„römische" Wölfin, richtiger Bärin, und den Pinienapfel 
von „Bronze", welche heute noch den Eingang der karo- 
lingischen Reichskapelle zu Aachen zieren. 

Die in Messing gegossenen karolingischen Gitter und 
Thüren derselben Kapelle sind heutzutage noch vorhandene 
Thatsachen und Beweise für die Leistungsfähigkeit, welche 
germanische Erzkunst, die übrigens schon früh berühmt war 8 ), 
im Gebiet von Nieder-Lothringen bereits unter Karl dem Gr., 
jedenfalls mit Anlehnung an die ererbte römische Tradition, 
erreicht hatte. Dieselben Thatsachen legen es aber auch 
nahe, dass der Hauser Mischkrug auf eben diesem Boden 
entstanden sein kann. Demnach ist es notwendig, hier auf 
die karolingisehe GiesskunSt etwas näher einzugehen, zu- 
mal dieser Gegenstand bisheran etwas stiefmütterlich von 
der Forschung behandelt worden ist 4 ). 

') Ober die Galmeibergwcrkc in Altenberg und Gressenich vgl. Ad. Gurlt, 
Bonner Jahrb. LXXIX S. 255. 

-) Ausser dem jetzt im Bonner Museum befindlichen Leopard sind viele 
kleinere Funde: Pferdegebisse, Messergriffe etc. von Sammlern weggefahrt worden. 

:l ) Die Xordniänner, welche unter Ludwig dem Kr. bekehrt werden sollten, 
wurden crmahnt, ihre Bronzeskulpturen den flammenspeienden ofen zu aber- 
antworten, d. h. dieselben sollten umgeschmolzen werden. Vgl. Mim. Genn. 
Scr. II, Ermoldi Nigelli Carolina üb. IV v. [66 S. 503 u. 504: Christo parerc 
iuvabit sculptaque flammivomis ferre metalla focis. Ferner ist der oft citierte 
Spruch des Thcophilus hier anzuziehen, Charles de l'Escalopier 1. c. S.9: si 
diUgentius perscrutcris .... invenies . . . quiequid in auri, argenti, cupri et 
f erri, lignorum lapidumque subtilitate sollers laudat Germania. 

<) Kin. löbliche Ausnahme macht E. aus'.n Wcerth. S. seinen Aufsatz : 
D »e Reiter- Statuette Karls des Gr., Bonner Jahrb. I.XXVI1I. S. 155. Die 
Existenz einer karolingischen Gicsshütte zu Aachen erscheint ihm völlig sicher. 



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Bisher findet man das Material der Aachener Guss- 
arbeiten stets als Bronze oder, in vorsichtiger Weise, als 
Kr/, bezeichnet. Dem widerspricht aber schon der blosse 
Augenschein, Denn an allen abgenützten Stellen, die in 
grosser Anzahl sich besonders an den Gitterabsehlüsscn 
des sog. I loehnutnders zeigen, tritt jene goldig leuchtende 
Messingkomposition zu Tage, die nun einmal nach dem 
Kanon der mittelalterlichen Legierungskunst stets und nur 
aus Rotkupfer und Galmei geschaffen wurde. 

Damit stimmen auch die einschlägigen geschichtlichen 
Nachrichten über die Herstellung der karolingischen sowohl 
als der verwandten Gussarbeiten durchaus überein. Hier- 
über ist zunächst Einhart, der Verfasser der Lebensge- 
schichte Karls des Gr., zu hören. Allerdings hat er in 
seiner klassischen Gesuchtheit manche Nachrichten hinter- 
lassen, z. B. über das Begräbnis Karls, die uns heute viel 
zu knapp erscheinen. Mit Freude ist es daher zu begrüssen, 
dass er über die Kunstgüsse der Aachener .Marienkirche 
relativ sehr ausführliche Angaben giebt. Wahrscheinlich 
ist dies dem Umstand zu verdanken, dass er ein so erz- 
kundiger Mann") war und dass an der Stelle, wo er über 
die Metallarbeiten der Marienkirche redet, der Techniker 
über den Klassiker in ihm die überhand gewann. Un- 
verkennbar legt er Gewicht darauf, dass die „Zier" der 
Kirche in Gold, Silber, 1 .ichterkronen und in Schranken 
und Thoren ex aere solido bestand. Unmittelbar nachdem 
er dies gesagt hat, fügt er bei, dass Karl zum Bau der 
Kirche die Säulen und .Marmorsachen aus Rom und Ra- 
venna habe kommen lassen 3 ). Krstens sind also die Metall- 
arbeiten im Gegensatz zu den Steinskulpturen als ein- 

') Jedenfalls nach dem Vorgang von Prof. C. I'. Bock « ( ist K. aus'ni 
Wcortli 1. c. darauf bin, dass Einhart wegen seiner Metallkunde nach dem Krz- 
kiinstler der alttestamentlichen Stiftshütte den Namen Heseleel an der Akademie 
Karls führte. — Vgl, ül>cr diesen Beinamen Einhalts: Jaffe, Carolina IV S. 490 
und 495 sowie Alcuiniana VI S. 459. 

-') Mon. Germ. Scr. II S. 45". Einhard i Vita Karoli M.: . . . propter 
hoc plurimae pulchritudinis basilicam Aquisgrani extruxit auroque .et argent« 1 
et luminarilms ätque ex acre solido cancellis et ianuis adomavit. Ad CtHÜS 
siructnram cum columnas et marmorn aHunde habere non posset, Roma atqu« 
Xavenna devehenda curavil. 



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333 



heimische Arbeiten zu betrachten und zweitens sind die 
Schranken und Thore aus aere solido gegossen. Einhart 
redet von den Metall- und Steinarbeiten hier in einem 
Tenor, betont aber nur, dass die Säulen und Marmorarbeiten 
aus Italien sind. Wären die Metallarbeiten also auch aus- 
ländisch, so hätte er dies zweifelsohne beigefügt. Dass 
die Gitterabschlüsse des Oktogons und die Thüren der 
.Unterkirche zu Aachen erst während des Baues entstanden 
sein müssen, geht aber aus der folgenden Erwägung hervor. 

Die von Italien bezogenen Säulen, welche in den 
grossen inneren Bogenoffnungen des obern Oktogons 
stehen, dokumentieren sich als Fremdlinge durch ihr 
•Material und die Art, wie sie sehr locker und unschön als 
rein dekorative, keineswegs aber als tragende und im ur- 
sprünglichen Plan notwendig bedingte Teile in diesen 
Öffnungen zur Aufstellung gelangt sind. Unbeschadet 
der Festigkeit des Baues können sie von da entfernt werden 
und haben bekanntlich dies Schicksal auch in der Franzosen- 
zeit erfahren. Ganz anders verhält es sich mit den Gittern 
und Thüren, die in den gedachten Bogen und an den 
inneren Ausgängen der Unterkirche die Abschlüsse bildeten. 
Die Gitter und die Thüren erscheinen, jedes Teil für sieh, 
organisch mit ihren Umschränkungen eingepasst, sie ent- 
sprechen in ihren Maassen genau der jedesmaligen hellten 
Öffnung, die sie abschliessen. Weiss man, dass die 
sämtlichen Baukünstler des Mittelalters wenig Gewicht auf 
ein genaues Hinhalten der Maasse sowohl des laufenden 
wie des durchbrochenen Mauerwerks zu legen pflegten und 
dass dieselbe Erscheinung auch überall am Oktogon zu 
Tage tritt, so erscheinen auch die Gitter und Thore als 
nachträglich auf die bereits stehenden Bauteile einge- 
messen und angepasst. Sie konnten nicht beliebig in 
bereits fertigem Zustand aliunde [anderswoher] entnommen 
Verden, sondern sie mussten einzeln für jede üeftnung 
erst hergestellt werden, da ein Einpassen, Behauen oder 
beschneiden auf eine feste Dimension bei dem Guss- 
material nicht ratsam erschien, ganz davon abgesehen, 
dass ihre ornamentierten Flächen bei einem solchen Vor- 
gang durchaus angeschnitten werden mussten. Daraus 



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Dr. Heinrich Kcllcter 



ergiebt sich also, dass die Gitter und Thüren nach dem 
Sachbefund erst während des Baues aufgemessen und ge- 
gossen worden sein können. 

Ferner beweist nun die Erzählung des Mönchs von 
St. Gallen über den Aachener Kirchenbau bezw. über den 
Glockenguss für die Kirche Karls, dass während des 
Baues wirklich Gussarbeiten zu Aachen hergestellt worden 
sind. Und zwar nicht bloss Glocken, sondern auch andere 
Gussarbeiten, denn die vielen nach Aachen berufenen 
Glas- und Krzkünstler verstanden sich auch auf etwas 
mehr als auf Herstellung von aes, der einfachen Bronze, 
der gewöhnlichen Glockenspeise. Der betrügerische allen 1 ) 
übrigen zu Aachen befindlichen Krzkünstlern überlegene 
Meister stellte ganz besonders leine Kompositionen her durch 
einen Raffinierungsprozess der Urstoffe, welchen der Mönch 
von S. Gallen mit den technischen Ausdrücken emundare 8 ) 
und excoquere 2 ) - Reinigen und Ausbrennen bezeichnet. 
Also war man zur Karolingerzeit in der Giesskunst auf 
beträchl icher Höhe. Thatsächlich war das ganze Verfahren 
kein Geheimnis, weil der S. Galler Mönch es ja kennt und 
beschreibt. Neben dieser Thatsache erscheint dann die 
Vorschrift des Priesters Theophilus, des grossen mittel- 
alterlichen Technologen, von höchster Bedeutung, die er 
für die Herstellung des cuprum torridum, des ausgeläuterten, 
gedörrten Erzes giebt. Er kennt aber auch nur für diesen 
Prozess das technische excoquere, das Ausbrennen. 
So gewinnt er cuprum torridum, das in Verbindung mit 
Galmei das auriehalcum, wörtlich „Golderz" oder Fein- 
messing ergiebt.'') Also verfuhren der Giesskünstler zu 



') Mon. Germ. Scr. II Monach. Sangall. Gesta fCaroli Iii). I S. 744: 
Eratbidem alius npifex in omni opere aeris et vitri eunetis excellentior. 

*) Mon. Germ. Lt.. tlixit illc praestantisshnus et infclicissimus in aere 
magister: Domne imperatör, iubc mihi cuprum mal tum afferri, ut excoquam 

illud ad purum miser ille . . . aes quidem conflans et eraundans 

. . . . purg&tissirnura stagnum subiciens . . . 

■') Charles de l'Escalopier L c. S. 224 IT. beschreibt Theophilus die 
Herstellung des gewöhnlichen Hessings durch Schmelzen und Mischen von 
Kupfer und Galmei, wo er u. a. sagt: Et mox calaminam ut prius imponc 
cuprunique quod efludisä, quahtum capere possit superpone. Eoque ut prius 



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335 



Aachen und Theophilus bei Herstellung der Urstoffe für 
FeinguSS ganz in derselben Weise. 

Unter Voraussetzung der Kenntnis vorgenannter That- 
sachen kann man daher auch das von Einhart gebrauchte 
aes solidum nur als eine Bezeichnung ansehen, durch die 
das Material der Aachener Thüren und Gitter als ein ganz 
vorzügliches und reines dargestellt werden soll. Denn aes 
allein heisst in der mittellateinischen Periode Bronze oder 
Messing schlechthin. Aes solidum mit „massive" Bronze 
oder Messing zu übersetzen geht nicht, weil die Aachener 
Gitter teilweise in Hohlguss ausgekommen sind. Hat daher 
Einhart einen zu seiner Zeit vielleicht geläufigen Ausdruck 
gewählt, der ihn bei seiner Kenntnis als Erzkünstler der 
allein richtige dünkte? Eine solche spezielle Bedeutung 
hatte solidus (sc. nutnmus) in Karolingerzeit, weil es die 
allgemein übliche Goldmünze der Zeit bezeichnete 1 ). Wirk- 
lich war daher solidus mit aureus synonym. So konnte 
aes solidum die Bedeutung von „Golderz"- „Schillingserz" 
annehmen, ähnlich wie wir heute etwa „Dukatengold" sagen. 
Diese Deutung wird unterstützt durch die Vorliebe Kinhart's 
für klassische Ausdrücke. Vielleicht dachte er an das 
crateres auro solidi des Vergil 2 ). Aes solidum klingt jeden- 
falls klassischer als das barbarisch aus zwei Sprachen zu- 
sammengeschweisste aurichalcum. Nun war aber aurichal- 
cum die schon lang reeipierte Form der niedergehenden, 

liquefacto commove et calaminam repone atque effuso cupro reple et sine li<|uc- 

ßeri Haec cohnruxtiö vocatur aes, unde caldaria (Kessel), lebetes 

(Kumpen) et pelves (Hecken) Funduntur sed non polest deaurari. 

Für die Gewinnung des Feinmcssings oder des auricalcum ist nach 
Theophilus das Kupfer wiederholt auszubrennen . . (S. 226) quod tamdiu 

facies, donec plumbum onuüno excoquendo eicias Hoc cuprurn vocatur 

torridum . . . Ex hoc cupro perfice auricalcum cum adjectionc calaminae, 
eodem modo quo superius aes caldariorura composuisti. Dies Metall ist hämmer- 
bar und nimmt Vergoldung an. Bildwerke, Tiere, Vögel, Weihrauchfässer und 
die verschiedenen Gefässarten, Tafeln, Drähte und Ketten können daraus her- 
gestellt werden. Es folgt die Beschreibung des Vorgangs für die Vergoldung 
eines Weihrauchfasses aus aurichalcum. 

') Forcellini, TothlS latinitalis lexicon, Schneeberg 1831 : Solidus absolute 
cadente latinitale est nummus aureus iusti ponderis et integer ad discrimcn 
dimidiati et tertiarü. — Du Gange, v. solidus. 

-) Aeneis II 765. 



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besser gesagt, der Volkslatinität 1 ). Solche gewöhnliche, 
wenn auch noch so richtige Bezeichnungen vermeidet 
Einhart. So redet er statt von einem solarium von einem 
porticus, statt von einer capella, von einer basilica. Aber 
sogar wenn man auf diese eben gegebene Erklärung von 
aes solidun) verzichten wollte und aes solidum nicht = aes 
aureumd.h. aurichalcum zu setzen beliebte, so ist und bleibt 
aes solidum unweigerlich die Bezeichnung für eine gute 
Qualität, denn ein aes solidum schliesst ein aes insolidum 
aus. Mag man daher die Kinhart'sche Wendung mit Fein- 
oder Golderz, mit Fein- oder Goldmessing übersetzen, man 
wird immer der Realität nahe kommen, da ja die Aachener 
Gitter und Thüren von gutem, reinem Messing sind. Man 
kann dazu noch anführen, dass nach der Beschreibung 
des Frmoldus Ni^ellus auch die Kirche des Ingelheimer 
Palastes ähnlich wie die Aachener Pfalzkapelle ausgestattet 
war: „Der Tempel Gottes steht fest in gewirkter Bronze, 
Thürpfosten von Messing, Thürchen von Gold" 2 ]. Letzteres 
ist dichterisch gesagt für Thüren von Golderz. 

Nun geht ferner ans den toreutischen Regeln des 
Theophilus hervor, dass für den Glockenguss die Bnmze, 
das metallum 8 ), für gewöhnliche Kessel und Becken das 
Messing (aes) 4 ), und für den Kunstguss Goldmessing i auri- 
chalcum) r >) zu wählen ist. Finden sich daher die Aachener 
Gussarbeiten in reichster künstlerischer Darstellung mit 
Tafeln, Leisten, Akanthusblättern, Kannelierungen und 
Löwenköpfen als ein Kunstguss ersten Ranges auch in 
aurichalcum ausgeführt, so ist damit bewiesen, dass die 
romanische Technik noch immer auf der karolingischen 
fusst. 

Kehren wir nach dieser notwendigen Auseinander- 
setzung über Herkunft und Material der Aachener Guss- 

') Anastasius Bibliothecai ins, Vilae Pontificum,giebt schon früh Nach- 
richten über kirchliche Geräte, die in aurochalcum hergestellt sind. Vgl. S. 35. 

*) Mon. Germ. Scr. 11, Ermoldi Nigetlä Carmina üb. IV S. 505 v. 187 
und 188. 

8 ) Charles de 1' Escalopicr, l. c. p. 220: Huic cupro taliter fnso qointa 
pars stagni [additvu] et conlieiiur metallum, epio campanae funduntur. 
*) Ebenda p. 225 s. Note 3 auf S. 334 und 335. 
•'") Ebenda p. 220 s. Note 3 auf S. 334 und 335. 



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Ein karolingischcr Laienkelch. 



337 



arbeiten zur Besprechung des Dreifusskessels von Haus 
zurück, so belehrt uns der Augenschein und das verhältnis- 
mässig geringe Gewicht des Kessels, 13,80 Kilo, dass er 
in feinem hellglänzendem Messing ausgeführt ist, das 
möglichst bleifrei aufbereitet sein muss. Ein Zeugnis für 
die gewählte Messingkomposition des Kraters liegt auch 
darin, dass auf der feinen glattgeschlossenen Gusshaut 
eine ebenso glatte und gleichmässige Patina angeschlagen 
ist. Zwar sitzt an den Beinen des Dreifusses eine weiss- 
liche und rauhere Patinierung, sie ist aber ein durch äussere 
Einwirkungen, Säuern, Brand u. s. w. entstandener Nieder- 
schlag, keineswegs das Ausblühen einer unreinen Legierung. 
Dies zeigt sich an der Kesselkuppe deutlich, da sie einer 
weniger rauhen Behandlung ausgesetzt war und auch in- 
folgedessen einen richtigen Edelrost ohne schwammige, 
poröse oder kavernöse Flächen angesetzt hat, wie er sich 
eben bei allen gut vorgearbeiteten und schlacken freien 
Guss- und Schmiedestücken zu erzeugen pflegt. Daher 
haben auch die aus Feinmessing hergestellten Aquamanile, 
Räucher- und Wärmkugeln, Siegel büchsen u. s. w. der 
romanischen und gothischen Periode dieselbe äusserst 
dünne und glatte Patinierung. Ausser der gut ausge- 
suchten Legierung ist das Galmei als solches Ursache 
dieser Erscheinung. Denn, in richtigen Mengen gemischt, 
geht es mit dem Kupfer eine sehr innige Verbindung ein, 
die sich durch jene merkwürdig glatte Gusshaut im Äussern 
nur durch eine grosse Cohäsion im Innern bekundet. 

Entsprechend der Tradition sowohl der karolingischen 
wie der romanischen Gusstechnik ist der Hauser Kessel 
in guter Legierung aus Feinmessing hergestellt; darin 
stimmt er also ganz besonders mit den karolingischen 
Gittern und Thüren zu Aachen überein. Diese Beobachtung 
wird die hier gleich anschliessende genauere Untersuchung 
der Form und der Maasse, der Ornamente und der Technik 
des Hauser Kraters erweitern und vertiefen. 

Es war bereits oben festgestellt worden, dass der Typus 
des Kessels, als Krater und Dreifuss, ihn unter frühchrist- 
licher Kunsteinwirkung entstanden beweist. Die zart- 
kräftige Gestalt des Kumpen oder der Kuppe, jener freie 

lahrbuch XV. 22 



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338 



Dr. Heinrich Kelleter 



und gefällige Schwung des Dreifusses, wie die antiken 
Krater sie kennen, sind hier nicht vorhanden. Aber schon 
die frühchristlichen römischen Vorbilder des Hauser Kessels, 
wie sie auf dem Bilde des cimiterio dei SS. Pietro e Marcellino 
erscheinen, sind keineswegs besser als er. Um Eines aber 
ist der Krater von Haus von seinen frühchristlichen Gegen- 
stücken durchaus abweichend und selbständig, d. i. seine 
Starre, das Stelzenförmige der Dreifüsse, die eigentümliche 
Gestaltung von Hals und Kuppe. Bei den römischen 
Kraterbildern findet sich eine absterbende Vasenform ; das 
Oberteil des Hauser Kraters ist amphoraartig ausgekragt 
und trägt einen nach einwärts gebogenen Tellerrand, wie 
ihn die grossen einheimischen Steingutbarren als letzte 
Ausläufer der Amphorae bis heute bewahrt haben. Nach 
unten zu schliesst er nicht in der feinen hellenischen 
Ellipse oder in der gröberen römischen Eiform, sondern, 
läuft in einen sogenannten Bomben- oder Kuyeltopf aus. 
Beide Formen, der Tellerrand und der Kugeltopf, stehen 
in direktem Zusammenhang mit den gleichen Vorkomm- 
nissen in der fränkisch-karolingischen Keramik. Der Kugel- 
topf ist ein beliebter Typus der sog. ollae, mittelalterlich 
„Eulen" oder Urnen, die jetzt noch manchmal aus fränkischen 
Bestattungen uns entgegentreten. Litterarisch hat Const. 
Koenen 1 ) wiederholt seine fränkische be/.w. auch karolin- 
gische Provenienz festgelegt. Auch kommen aus der- 
selben fränkischen Zeit dreifüssige Stelzentöpfe vor. 

Es ist begreiflich, dass diese Formen der alten ein- 
heimischen Keramik sich auch auf die Giesskunst oder 
Toreutik damaliger Zeit übertragen konnten, da der Ke- 
ramiker ursprünglich die Giessformen herzustellen hatte 
und es sehr oft sich findet, was allgemein aber auch noch 
wenig bekannt ist, dass Thonbäckerei und Giessstätte in 
mittelalterlicher Zeit zusammen vorkommen. So verräth 
sich im Hauser Mischkrug die Verbindung römischer und 
germanischer Formgebung entsprechend der durch die 
Kreuze und die Mischkruggestalt vertretenen Vereinigung 
von heidnischem und christlichem Ritual. Darin liegt die 

') Consl. Koenen, Gcfässkunde.No. XXI. - Derselbe, Bonner Jahrbücher, 
Die friinkischen be/w. karolingischen Töpfereien zu Pingsdorf, Heft C III S. 1 17 eff. 



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Eih karolinj,'ischcr Laienkelch. 



339 



Charakteristik der sog. Kompositenzeit oder der mero- 
wingisch-karolingischen Kunstperiode. Aus dem Geist der 
damals herrschenden Kunstanschauung entstand jene selt- 
same Dreifussform des germanischen Stelzenbeins mit 
antikem Löwenfuss als Unterstand, deshalb ersetzt die 
antike Vasenform den herkömmlichen Rand oder Überfall 
durch den einwärts gebogenen Tellerrand und die sanft- 
geschwungene Lyraform der hellenistischen Kunst wird in 
der Kesselkuppe zur völligen Kugelgestalt ausgerundet. 
Sämtliche Übergangserscheinungen vereinigen sich zu 
einem überzeugenden Beweis für die merowingische oder 
karolingische Herkunft des Stelzgefässes von Haus. 

Was die Grössen und Umfangsverhältnise des Kraters 
angeht, so beträgt in Millimetern die Höhe des ganzen 
Gefässes 369,3, des Kessels oder der Kuppe bis zum 
Rande 275,7, des Dreifusses im Äussern 150, im Innern 
HO mm. Aussen hat der grösste Durchmesser des Dolium 
oder Bauches 315,8, innen 310,5, der durch die Aussen- 
kanten des Henkels gehende 337,5 mm. Die Durchschnitts- 
linie des äusseren Tellerringes misst 245 bis 247, die des 
Halses 177,2 bis 179.2 mm. Diese Schwankung erklärt 
sich durch eine kleine Verschiebung der Kreisform im 
Oberteil. Die Beine des Dreifusses haben einen gegen- 
seitigen Abstand von 155 mm, die Höhe der Henkel beträgt 
100, ihre Breite 20,1 und ihre Dicke oder Tiefe 26,8 mm. 

Nach der Oberkante ist die Gefässwandung äm 
stärksten und nimmt nach unten hin rasch und bedeutend 
ab. So ergaben die Messungen am Oberrand 6,2 bis 9,8, 
am Halse oder an der Einschnürung 4,75 bis 5 und in der 
Mitte der Kuppe bloss 2,9 mm. Letztere Stärke gleicht den 
Wandstärken der besseren antiken Bronzegefässe, dagegen 
haben die entsprechend grossen romanischen und gotischen 
Gussstücke durchweg dickere Gefässwandungen. 

Es erscheint hier angebracht, noch etwas über die 
Beschaffenheit der äussern Gussfläche zu sagen, da es mit 
zur geschichtlichen Erläuterung gehört. Wenn auch in- 
folge der vorzüglichen Legierung der Kessel sich bis heute 
so schön erhalten hat, so beweisen doch gewisse Stellen, 
dass der treffliche Giessmeister des Hauser Stücks un- 

22* 



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Dr. Heinrich Kcllcter 



möglich über die technischen Errungenschaften seiner Zeit 
hinausgreifen konnte. So sind ca. 50 mm abseits der 
beiden Henkel kleine Horizontalnähte stehen geblieben, 
die als End punkte einer zwischenliegenden Geraden gelten 
können. An diesen Stellen schlössen jedenfalls die Form- 
hälften zusammen. Unterhalb des .Mittelbodens ragt dann 
ausserhalb noch der stehengebliebene Gusszapfen 1 ) mit 
seinem Bruchende hervor, eine Eigentümlichkeit, die sich 
bei vielen grösseren Gusswerken des Mittelalters findet 
und z. B. bei den Glockengüssen an der Krone stetig 
wiederkehrt. Hier war die Einlaufstelle der Giessmasse. 
Von dem Zapfen als Gentrum ziehen sich 7 strahlenförmige 
nach oben allmählich verlaufende Leisten aus. Sie kommen 
ebenfalls als Ornament in der fränkischen Keramik an der- 
selben Stelle, nämlich in der untern Topfhälfte vor, und 
entsprechen dem sog. Löffelornament, das in der Antike 
und bei mittelalterlichen Gefässen die Unterkuppen der 
Kelche und Becher ziert. Der Hauptzweck der hier vor- 
handenen Ausstrahlungsleisten war aber weniger orna- 
mentaler als technischer Natur. Diese Streifen entsprachen 
in der Giessform vertieften Kinnen und sollten das Giessen 
selbst erleichtern. Vermittelst ihrer verteilten sich die 
flüssigen Massen von der Einlaufstelle aus gleichmässig 
und konzentrisch und gelangten so überall an die Wände 
der Form ; zugleich aber war auch den rückströmenden 
Dämpfen auf demselben Wege ein bequemer Ausgang 
geschaffen. Der ganze Vorgang erinnert sehr an die 
hergebrachte Methode des Glockengiessens. 

In einer Höhe von ca. 80 mm haben zwei Beine des 
Dreifusses eine Art Anstauchung, so dass es den Anschein 
hat, als ob die unteren Fussstümpfe hier nachträglich an- 
gesetzt worden seien. Die Gusshaut liegt hier faltig über- 
einander. Da, wie oben gezeigt, das Ganze nach Glocken- 
art in Kopfstellung gegossen worden ist, so kamen die 
Formen für die Dreifussbeine hoch über dem Zapfenloch 
der Kesselform zu stehen. Weil nun in dieser Stellung die 
drei Beinformen von unten her nicht auffüllen konnten, so 
mussten diese einzeln von ihren Endigungen aus beigegossen 

') Vgl. Abbildung Taf. No. VI No. 2. 



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Ein karolingiscber Laienkelch. 



341 



werden, eine Arbeit, welche Eile und Geschick erforderte, 
wenn die bei dem Zapfenloch eingeflossene Masse inzwischen 
nicht erkalten sollte. Diese Absicht ist doch nicht ganz er- 
reicht worden, weil die von oben und unten eingeströmten 
Flüsse bei ihrer Vereinigungsstelle die erwähnte Überstül- 
pung hervorgerufen haben. 

Also auch in den einzelnen noch verbliebenen Merk- 
malen des Giessaktes selbst ist erkennbar, wie hier alte und 
neue Zeiten sich begegnen, wie neue ungewohnte Formen 
einem an sich kundigen Giessmeister schwere Aufgaben 
stellen. Und ganz entsprechend gehören auch sämtliche 
Verzierungen und Zierteile des Kraters einer Periode an, 
die ihren barbarischen Schönheitsapparat mit der Kunst der 
römischen Kulturwelt zu vereinigen sucht. Daher haben die 
Henkel ein kräftiges ca. 2 mm hohes und ca. 5 mm breites 
Haarflechtornament, das bei den Bewohnern Galliens seit je 
beliebt erscheint und sich nicht nur auf dem Haarschmuck 
der Feldgöttinnen bis an den Rhein wiederfindet, sondern 
an den noch erhaltenen Metall- und Schmelzarbeiten jener 
Zeit einzeln und vielfach immer wiederkehrt. Durchaus ein- 
ziges Ziermotiv ist es z. B. an dem in Heft 43 der Bonner 
Jahrbücher abgebildeten merowingischen Goldschmuck 
kommt aber als Kanteneinfassung auch noch an dem sog. 
Lotharkreuz 2 ) des Aachener Schatzes vor. In der Höhe der 
unteren Henkel setzt sich um den hier beginnenden Hals 
eine in Spitzkant reliefierte Zone herum, ähnlich den an 
gleicher Stelle vorkommenden linearen Abgrenzungen auf 
den keramischen Erzeugnissen der Vorzeit. Auf der Bauchung 
der Kuppe verläuft rings eine 25 nun breite Kannelierung 
in Gestalt eines geglätteten Rundstabes mit zwei einfassen- 
den Kehlen. Genau dieselben Kannelierungen finden sich 
auf den marmorneren Grabdeckplatten der Karolingerzeit. 
Dort verlaufen sie dicht am Rande der vier Aussenkanten 
und bilden eine rechtwinklige Einfassung, die in den vier 
Rechtecken gewöhnlich durch ein Viertelkreisornament aus- 
gefüllt ist. Halb als Ornament, halb als Gussrippen sind 
die 5 Saiten oder Nerven aufzufassen, welche vertikal auf 

') L. c. Tafel VI. 

') Fr. Bock, Karls des Gr. Pfalzkapelle, Abbildung aui S- 34- 



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342 



Dr. Heinrich Kelletcr 



die Beine des Drcifusses gespannt sind und den Gedanken 
des kräftig Tragenden sehr gut wiedergeben. Die Beine 
selbst endigen in siebenzehige Löwentatzen, die in wenig 
naturalistischer Auffassung abgetreppt statt artikuliert sind 
und damit wieder einen offenen Gegensatz zu den herkömm- 
lichen Löwenfüssen der Antike bilden. Nach innen sind 
die Beine glattseitig geschlossen, so dass ihr Durchschnitt 
eine Ellipse bildet, deren obere Sehne 50 und deren untere 
40 mm beträgt. 

Unstreitig das interessanteste Ornament des Kraters 
findet sich in den beiden schwachreliefierten Kreuzen vor, 
die beachtenswerther Weise nicht auf der Mitte, sondern 
dicht bei den Henkeln auf der Dolienvvaiulung stehen. 
Über ihre Bedeutung gerade an dieser Stelle ist weiter 
unten noch zu reden. 

Die Kreuze, welche die (Testalt der vielfach soge- 
nannten byzantinischen Kreuze haben, tragen auf den 4 
Balkenenden je einen rechtwinkligen oder schwalbenschwanz- 
förmigen Ansatz von c. 10 mm Länge. Mit ihrem zum 
Innenkreuz ungewöhnlich grossen Maassverhältnis können 
die gedachten Ansätze nun füglich nicht als reines Ornament 
gelten. Sie stellen sich vielmehr wegen ihrer Grösse als 
integrierender Teil, als Fortsätze der Kreuzbalkenenden dar. 
Almliche Kreuzformen tragen bereits Münzen des Mero- 
wingerkönigs Clothars II (616 — 628) M, die in Marseille ge- 
prägt bezw. gegossen sind. Auf dem Revers ist ein Kreuz 
angebracht, welches unten auf einem Querbalken oder einer 
Stiege ruht und an den oberen drei freistehenden Enden 
schwalbenschwanzförmige Einkerbungen zeigt. Solche Ein- 
kerbungen sollen nun auch schon am wirklichen Kreuz Christi 
gewesen sein. Stockbauer 2 ) beschreibt nämlich nach Justinus 
Martyr (f 168) das historische Kreuz so: „Ein Holz, senk- 
recht, oben in ein Horn d. h. Vorsprung auswachsend, wenn 
das andere (Quer-) Holz eingefügt ist, dessen Ende aber 
wachsen auch in Horner aus und das, was in der Mitte 
erscheint, worauf die Gekreuzigten reitend sitzen, springt 

') D. Merowingische Goldschmuck aus Wieuweid von L. J. F.Janssen, 
Bonner Jahrb. XLIII Taf. VI Fig. 26—36. 

-) J. Stockbauer, Kunstgeschichte des Kreuzes,- Schafthausen 1870, S. 36. 



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Ein karolingischer Laicnkelch. 343 

ebenfalls wie ein Horn hervor u. S. W." Ähnlich bemerkt 
Fulda 1 ), dass sich im Hirnholz des Kreuzstammes, der einen 
einfachen Baumstamm vorstellte, eine Einkerbung befunden 
hätte, in die das Patibulum d. h. das Querholz, an welches 
der zu Richtende bereits vor dem Gang zur Richtstätte 
gebunden wurde, von den Schergen hineingehoben werden 
musste. So entstand das Kreuz dann erst durch den 
Kreuzigungsakt. 

Die merovingische Kreuzform, wenn wir nun einmal 
diesem eingekerbten Kreuz der Chlotarmünzen einen Namen 
geben sollen, weicht aber immer noch bedeutend von der 
Hauser Kreuzform ab. Dort Einkerbungen, hier Gabelungen 
an den Balkenenden. Die Gabelungen haben auch wieder 
ihren historischen Grund. Das alte eingekerbte Kreuz ist 
tatsächlich durch das Gabelkreuz, die Furka, seit dem 
4. Jahrhundert abgelöst worden. Konstantin ersetzte die 
Kreuzesstrafe durch die Strafe mit der Furka«). Ursprüng- 
lich war diese Furka eine Gabel, mit der man die frei- 
stehenden Wagendeichseln zu unterfangen pflegte. Die 
Furka verdrängt bald die alte Kreuzform auch in der Kunst. 
Eine Hinrichtung mittelst der Furka ist z. B. bereits in den 
Miniaturen einer Pergamentrolle des 7. Jahrh. dargestellt, 
die sich in der Vatikanischen Bibliothek befindet. Stock- 
bauer sagt darüber »): „An einem starken ca. 10' hohen oben 
in eine Gabel auslaufenden Baumstamm ist der König Hai 
so aufgehängt, dass sein Hals fest in die Gabel eingedrückt 
ist. Ein Querholz darüber drückt denselben so in die Ver- 
engung der Gabel, dass ein Ausgleiten unmöglich ist und 
der Tod durch Erdrosselung erfolgen muss". Nun hat aber 
die einfache Furka diese Gestalt: y denkt man sich daher 
diese Gabel in viermaliger Wieder | holung zu der alther- 
kömmlichen Kreuzform verbunden, so dass die Enden recht- 
winklig gegeneinander gestellt sind, so wird daraus die 

') H Fulda, Das Kreuz und die Kreuzigung, Breslau 1878, S. 120. 

*) Nach Th. Mommsen, Römisches Strafrecht, Leipzig 1899, S. 9*1 
wird in den späteren Jahren Konstantins die Kreuzigung abgeschafft und die Er- 
drosselung am Galgen dafür eingeführt. Stockbauer L C S. 33 setzt die Ab- 
schaffung der Kreuzesstrafe erst in Justinianischer Ze.t an. 

8 ) J. Stockbaucr I. e. S. 34 & 



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344 



Dr. Heinrich Kelletor 



thatsächliche Zeichnung - der Hauser Kreuze sich sofort er- 
geben, nämlich diese Form: 

Hierzu kommt nun Folgendes: Zwei Gitter der karo- 
lingischen Pfalzkapelle zu Aachen haben dies Kreuz eben- 
falls. Auf einer grossen Grundform zweier mit den Spitzen 
aufeinander gestellten Furken, dem sog. Andreaskreuz, sind 
in den Zwischenräumen die einzelnen Furkakreuze w sowie 
diezwpjfachkombi- \ ^ nirten Y Furkenkreuz- | For- 
men so angeordnet, dass ^ ein durchaus gefälliges 
Muster entsteht. 1 ) Die Zwischenräume der Raiken des 
Andreaskreuzes sind durch ineinandergeschobene Furken 
oder das sog. Konstantinische Monogramm vlv ausgefüllt. 
Nebenbei bemerkt, zeigen alle Gitter des /]\ Aachener 
( )ktogons ein Kreuzmuster und charakterisieren dadurch die 
kaiserliche Emporkirche als Kreuzkirche, deren Altar auch 
wirklich auf den Salvator und das Kreuz geweiht war 2 ). 

') Eine gut gelungene Abbildung dieses Gittermusters s. bei Fr. Bock, 
I. c, S. 20 Fig. IX. Betrachtet man diese Zeichnung genau, so wird man finden, 
dass sie durchaus mit Zuhilfenahme des Furkamotivs ausgeführt sein muss d. h. 
dass eine bewusstc Anwendung des Gabelkreuzes diese interessante und streng 
geometrische Figur geschaffen hat. 

-) Im J. 1076 fand die Neuweihe des violierten Altars durch den Lfltticher 
Bischof Heinrich von Tbul statt, a) Der Haupttitel des Altars lautete auf den Sal- 
vator und das allsiegreiche Kreuz. Bei Rekonziliierungen von Kirchen und Altären 
blieben die alten Titel bestehen, also war der Kreuzaltar der Fmporkirche auch schon 
zu Karls Zeiten da. Die Kreuzgitter bestätigen den Charakter der eigentlichen 
Hof kirche Karls als den einer Kreuz- oder Siegeskirche. Das Kreuz, das sieg- 
reiche, finden wir deshalb auch in den Gittern wieder, mit Ximben und Kränzen 
verziert. Ist Einhart ihr Schöpfer? Wir nehmen es als sicher an. Er ist 
auch ein grosser Verehrer des Kreuzes gewesen, wie aus seinem Schriftchen 
De adoranda cruce hervorgeht, b) Zu bemerken ist noch, dass in den Gittern nur 
karolingische und konstantinischc Kreuzformen vorkommen, die Vereinigung 
der abendländischen und morgenlämlischcn Welt vcrsinnbildend, ähnlich wie 
schon die Münzen Justinians ein langes und ein kurzes Kreuz als Verkörperung 
desselben Gedankens tragen. Bekanntlich haben die späteren Franzosenkönige 
das Kreuz beibehalten. Ihr Lilienkreuz hat sich aber nur aus dem Furkenkreuz 
entwickelt. So ist der karolingische Herrschergedanke in dem Kreuz gleichsam 
als nationales Abzeichen, als Reichswappen, noch lange verkörpert und erhalten ge- 
blieben. Möge man sich dieser Thatsachcn bei der bevorstehenden Restauration 
der karolingischen Hof- und Kreu/kirche ebenfalls bewusst werden und besonders 
der crucis victoriosissimae eingedenk sein! a) Vgl. Urk. Nachricht bei Qu ix, 
Codex Diplomatien Aquensis No. 43. Mit unvollständiger Jahreszahl. Hier 




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Kin karolingischer Laienkelch. 



345 



Schon wiederholt haben wir auf die Karolingerzeit bei 
der Besprechung der stofflichen und formalen Merkmale des 
Hauser Kraters zurückgegriffen. Wenn wir aber bisheran 
nur die allgemeinen Vergleichsmomente der technischen und 
künstlerischen Gewohnheiten bezw. Anschauungen angezo- 
gen haben, so ist hier eine absolute Uebereinstimmung nach- 
gewiesen, die kaum eine zufällige in der allgemeinen Zeit- 
anschauung des Zeitalters begründete sein kann. Das so 
seltene Ornament der Furka, und hier speciell der Vierer- 
furka, erscheint demnach als ein hinlänglicher Identitäts- 
beweis für die gleichzeitige und gleichörtliche Entstehung 
sowohl der Aachener wie der Hauser Gussarbeit. Also ist 
mit Recht zu behaupten, dass der Hauser Krater, der in 
Material und Ornament nicht nur allgemein sondern auch 
in ganz ausgeprägten Einzelheiten mit Material und Orna- 
ment der Aachener Gitter sich deckt, aus derselben Giess- 
werkstätte mit letzteren hervorgegangen sein muss. In keiner 
Hinsicht ist sowohl vom historischen wie kunstgeschicht- 
lichen Standpunkt aus ein Anhalt zu gewinnen, dass der 
„Heidenkessel" anderswo entstanden ist. Da nun die Gitter 
erst hergestellt wurden, als die Aachener Kaiserkirche ihrer 
Vollendung entgegen ging, wofür zeitlich das Jahr 800 an- 
zunehmen ist, so setzen wir die Entstehung des Hauser 
Kraters auf dieselbe Zeit, ca. 800, an. 

Die karolingischen Gussarbeiten von Aachen und der 
einfache Hauser Kessel haben eine weitere Gemeinschaft- 
lichkeit darin, dass sie beide zu kirchlichen Zwecken bestimmt 
waren. Das erfahren wir für den „Heidenkessel" durch 
einen Vergleich mit seinen römischen Vorbildern, die des- 
wegen eine Besprechung verlangen. 

Die auf dem beigefügten Cömctarialbilde dargestellten 
Krater 1 ) sind keineswegs profane Mischgefässe, das hier 



nach Garns ergänzt. Bischof Heinrich regierte von 1076.-1091.- h) Ernst 
Dümmler, Neues Archiv, der Gcsellsch. f. ält. d. Geschichtsk. XI S. 233 ff- 5 
Ein Nachtrag zu Einhams Werken. Ebenfalls bei Jaff6. Carolina IV 498. 
Vgl. ferner Jaffe Carolina IV S. 495 übcr Kinharfs Geschick als Schmied: 
Keseleel fabre prinium qui pereipit omne artif.cum praecantus opus. 
') Vgl. auf der beigegebenen Tafel No. VI No. 3. 



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346 



Dr. Heinrich Kclletcr 



wiedergegebene Gastmahl ist kein gewöhnliches Gastmahl 1 ), 
sondern die Krüge sind Kelche, frühchristliche Leienkelche, 
und die sich hier vollziehende Handlung ist das Abendmahl, 
der Genuss des Blutes Christi. Wenn wir diese Deutung 
des Bildes geben und zu begründen vorsuchen, so ist das 
zugleich eine Widerlegung jener Autoren, die hier nur ein 
symbolisierendes Gastmahl, nämlich die Hochzeit von 
Kanaan, sehen wollen. Um gleich auf das Irrige dieser 
Ansicht aufmerksam zu machen, kann man fragen: „Wo 
befinden sich denn auf diesem Bilde Christus und Maria?" 
Wir erblicken nur drei unterschiedslos dargestellte Paare. 
Jedes Paar deutet auf einen der drei Mischkrüge und scheint 
nur diesen oder seinen Inhalt zu beanspruchen. Was sollen 
diese Gesten auf einem Bild der Hochzeit von Kanaan? 
In den Gesten und Mienen will man den Ausdruck der 
Verwunderung, des Erstarrens über die Verwandlung des 
Wassers in Wein sehen. 2 ) Unsrer Ansicht nach drücken 
die lebhaften Gesten aber eher ein Verlangen, ja eine Be- 
gierde aus, von dem Inhalt der drei Krüge zu kosten. 
Ganz unerklärlich bleibt dann auch der Arm, der links in 
die Sccne einen kelchartigen Becher hineinreicht. Wir er- 
klären uns den ganzen Vorgang, gestützt auf den Ordo 
Romanus für die Mess- oder Abendmahlfeier in der alt- 
römischen Kirche, so: Die hier versammelten Gläubigen 
sitzen am Abendmahltisch. Der links auf der Ecke sitzende 
Mann ist der Diakon, der in dem vor ihm stehenden Ilenkel- 

') Vgl. Fr. X. Kraus, Roma Sotterranea, S. 266 (T. Man merkt der 
ganzen vom Verf. gegebenen Darstellung an, wie schwer es ihm wird, hier kein 
eucharistisches Mahl zu erblicken. Der Umstand, dass kein Brot oder Fisch 
auf dem Abendmahltisch liegt, beweist einfach, dass in der alten Kirche auch 
unter einer Gestalt, und zwar hier der des Weines, das Abendmahl gefeiert 
werden konnte. 

*) Vgl. Garucci, Storia della arte cristiana, Dichiarazione dclle Tavole, 
II S. 54 I Bottari CIX. Equi espresso un convito di cinque (!) persone tra 
uomini e donne, altcrnamente distribuite e assise intorno alle mensa e appogiate 

al piumaccio che e di forma cum I gesli dimostrano che tutti sono 

maravigliati e stupiti della bonla di quel vino che e riposto nelle quattro 
idrie nel menlre che uno d'essi ne beve. Sembra inoltre che colui, il quäle 
siede sulla panca allato al piumaccio dimandi al coppicre, come quel vino sia 
cosi squisilo in quelle idrie. Tutte le quali circonstanze persuadono a riconoscer 
qui allegorizzato il miracolo dell' acqua convertita in vino nelle nozze di Cana. 



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Ein karolingischer Laienkelch. 



347 



gefäss, dem scyphus, den Opferwein der Gläubigen ge- 
sammelt und ihn in die 3 Mischkrüge verteilt hat. Zu jedem 
Mischkrug (ama) gehört eine Gemeinde oder eine Rang- 
ordnung 1 ), die gemäss der Vorschrift der alten Kirche, 
dem sex us nach getrennt sitzen. Vom Altare her reicht der 
celebrierende Priester oder der Archidiakon dem an der 
Ecke der Mensa sitzenden Diakon den Messkelch, den 
calix sanetus. 2 ) Aus diesem calix sanetus werden in den 
scyphus einige Tropfen konsekrierten Weines gegossen und 
dadurch wird der Opferwein der Gläubigen konsekriert. 
Dieser Akt heisst die Transfusio. Die Gläubigen empfangen 
dann den Abendmahl wein in ihre eigenen ihnen zustehenden 
Becher, die calices ministeriales oder minores, und gemessen 
das Abendmahl, wie die Figur des aus dem kleinen Kelch 
stehend trinkenden Mannes 3 ) darthut. Die einzelnen Momente 



') M. Hittorpius, De divinis eocL eath. officiis etc., Coloniae 1 (168 S. 14 
und 19: ... descendit pontifex a sede cum primkerio notarionun et primicerio 
defensorum . . . ut conummicet cos, qui in senatorio sunt .... post hatr 
episcopi communicant populum. S. 19 . . . ut communicet principe* populoruni 
et matres f'amilias eorum u. s. w. Auch der auf unserem Bilde rechts befindliche 
Krater mit dem breiten Akanthusornament scheint auf den höhern Rang des 
hinter ihm sitzenden Paares zu verweisen. 

2 ) M. Hittorpius I.e. S. 19 Sg I : Expleta confi actione diaconus minor 
levata de subdiacono patena defert eam ad pontificem, ut communicet corpore 
Dominico. Sed ipse pontifex confirmatur ab archidiacono in calice saneto. 
de quo paruin refundit archidiaconus in maiorem calicem sive in scy- 
phum, quem tenet acolythus, ut ex codem sacro vase confirmetur 
populus, quia vinuni etiam non consecratum sed sanguine Domini commixtum 
sanetificatur per omnem modum . . . Also ist der calix maior oder scyphus 
der eigentliche Abendmahlkelch des Volkes. Irrig ist die Ansicht, Priester und 
Volk hätten damals aus einem Kelch getrunken. Der calix sanetus war den 
Priestern reserviert und wurde nach der Priesterkommunion sofort in die Sakristei 
gebracht . . reeepto calice archidiaconus confirmat omnes tpresbiteros^ sanguine 
Dominico etc. Hoc Officio iuxta altare peracto et pugillari cum quo con- 
firmetur populus per subdiacom.m regionärem iam aeeepto traditur calix ab 
archidiacono eidem subdiacono perferendus acolytho, ut reponatur in para- 
torio. Deinde . . pontifex . . communicet prineipes etc. etc. Der hier er- 
wähnte pugillaris, mittels dessen das Volk den Wein empfing, war eine Röhre, 
die in den grossen Kelch, den Abendmahlkelch, gelegt wurde. Mit dieser sog 
man den Abendmahlwein aus dem Laienkelch ; ein Gebrauch, der aber erst für 
die Karolingerzeit nachweisbar wird. 

:l ) In der ältesten Zeit empfingen die Gläubigen die Eucharistie mit eigener 
Hand. Dieser Gebrauch dauerte in Frankreich, wozu damals auch das Rhein- 



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34-8 



Dr. Fleinrich Kelletei 



der ganzen Handlung sind in Berechnung auf populäre 
Wirkung nebeneinander, nicht nacheinander dargestellt. 

Die eben gegebene Erklärung des Cömeterialbildes, das 
nach Kraus 1 ) sehr alt ist, haben wir gestützt auf den ordo 
Romanus der Karolingerzeit gegeben. Die genannten Ge- 
fässe finden wir zahlreich aufgeführt in den Schatzverzeich- 
nissen der römischen Kirche seit der Zeit Konstantins des 
Grossen. Sie erklären zum Teil die obengezeichnete Abend- 
mahlfeier durch ihr V orkommen und gelegentliche über 
ihren Gebrauch eingestreute Vermerke in derselben Weise. 
Dazu treten aber auch erläuternd und bestätigend alle jene 
anderen Darstellungen hinzu, die in dem verdienstvollen 
Werk Garucci's abgebildet sind und nicht allein die alte 
Form der Laienkommunion 2 ) sondern auch ganze Gruppen 
grosser und kleiner Laienkelche, Sammelkelche sowohl als 
Trinkkelche, veranschaulichen. 

Zum näheren Verständnis können für die Konstantin- 
ische Zeit die von Konstantin selbst gestifteten Altarsaus- 
stattungen in der Constantiniana zu Rom angeführt werden. 



gebiet gerechnet wurde, bis ins 8. Jahrh. So Marlene, De Antiquis ecelesiae 
ritibus libri IV, Rotomagi i"oo, pag. 424: Eucharistiam a conimunieantibus 
manu exceptam fuisse norunt omnes viri eruditi . Id quod sane constat ex 
Dionysio Alexandrino in epistola ad Xistum papam apud Eusebium Iii). 7. cap. 9. 
Cypriano libro de Lapsis, Basilio epistola ad Caesariam Patrieiam u. s. w pag. 
425 . . Hinc colliges hunc ritum in Gallia ad finem saeculi VI. minimum 
perseverasse Immo et longe postea ad usque saeculum VIII, ex actis S. Odiliae 
abbatissae quae morli proxima [cum calicem in quo dominic\im corpus et sanguis 
habebatur, sibi adferri praeeepisset, propriis manibus cum aeeipiendo saneta 
communione partidpata ornnibus cernentibus animam reddidit 

M Fr. X. Kraus, Roma Sotterranca, Freiburg i. Br. 1879 S. 266. 

") Sehr deutlich ist die alle Feier des Laienabendmahls wiedergegeben bei 
Garucci 1. c. Pitture, Tav. 60 No. 2. Hier sind wieder 5 Paare vorhanden 
und ein Jüngling. Auf dem Tisch stehen drei Schüsseln mit dem geheimnis- 
vollen Fisch (piscis assatus = Christus) und 2 Brode liegen dabei. Unterhalb 
stehen 2 Henkelkelche, ein grösserer und ein kleinerer und dazu 7 Trinkbecher 
(cal ices minores). Offenbar ist hier ausschliesslich eine Kommunionfeier, keine 
Hochzeit vorgestellt. Dieselben lebhaften Gebärden der beteiligten Personen, 
die wie auf dem vorher' besprochenen Bilde ebenfalls auf Mund und Speise 
zugleich deuten, drücken die grosse Begierde nach Empfang der Eucharistie 
aus. Zu vergleichen hierzu noch die Abendmahlfeier. Tav. 442, ferner Tav. 7 
No. 4, 9 No. 3, 87 No. 2. 



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Ein karolingischer Laienkelch. 



34!> 



Für die sieben Altäre der genannten Kirche schenkte 
Konstantin u. a. 7 goldene scyphi, Humpenkelche oder Trans- 
fusionskelche, ferner 20 silberne scyphi und 40 goldene und 
,50 silberne kleine Kelche, dazu 1 mit Edelstein und Gold 
besetzten Bronzescyphus, sowie 2 goldene Mischkrüge, amae, 
von je 50 Pfd. und jeder mit einem Inhalt von 6 Scheffel, 
und auch noch 20 silberne Mischkrüge. ') Es ist klar, dass 
dieser ganze Apparat nur für die Laienkommunion bestimmt 
sein konnte. 

Papst Hilarius 2 ) (ca. 461) stiftete für die 2,5 Kirchen 
Roms 25 silberne Scyphi und 50 silberne kleinere oder 
Laienkelche jeder zu 2 Pfd. Also gehörte zu jeder Kirche 
1 scyphus mit je 2 Laienkelchen. Auch Sixtus [IL 8 ) (.ca. 
432) hatte in die Basilika der hl Maria 5 Skyphi und 10 
Laienkelche von Silber geschenkt. Die Laienkelche sind 
paarweise bei jedem scyphus vorhanden, weil für jedes Ge- 
schlecht pro parte virorum et pro parte mulierum je 1 Laien- 
kelch als Trinkkelch bestimmt war. 

Die Einführung der Stationskelche 4 ) und der Communi- 
cales 5 ), der Kommunionkelche, für je eine Kirche, und der 
mehr und mehr aufkommende Gebrauch des Saugröhrchens, 
des pugillaris oder der fistula, schränkte die Zahl der kleinen 
Kelche allmählich ein. Damals kam der Gebrauch auf, die 
Kelche im Chor«) und an den Leuchterbalken 7 ) der Kirchen 
aufzuhängen und aufzustellen. So dienten sie zugleich als 
Schaustücke, besonders an Festtagen.») Langsam bereitet 



') Anastasius Bibliothecarius. De Vitis Romanorum Pontificum, 
Moguntiae 1602 S. 17* »1 Ebenda p. 4 °- ') Ebenda p. 3 5- 

«) Ebenda p. 204 c. qui praecedit per stationes (unter Leo III c. 795), 
») Ebenda p. 214: (Leo III): Fecit vero communicales ex argento pu- 
rissimo per singulas regiones, qui praeccderent per stationes . . numero viginti 
quatuor. 

6) Ebenda p. 104 (Gregorius c. 73 ') : ( fecit in oratorio basilicae b< Pctri) 
. . calicem argenteum qui pendet in abside ipsius oratorii. 

') Ebenda p. i 9 7 (Leo III c. 795)= Fecit vero ubi supra (b. Petr.) cabces 
fundatos ex argento qui pendent inter columnas maiores dexlra laevaque 
basilicae numero sexaginta quatuor pensantes pariter libras quadringentas sexaginta 
et unam. Also 64 Kelche von zusammen 46' ™- ^' lljLr - 

S) Joannes Bona Cardinalis, Opera Omnia, Antverpiae .694. S. 2 9 2 
Sg. 2: Habebant hi (calices) catenulas et ansas, quibu* ante Allare diebus lestis 
appendebantur. 



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35() 



Dr. Heinrich Kelleter 



sich die Zeit vor, wo die Kirche aus wohlerwog-enen Gründen 
den Gebrauch des Laienkelches und damit den Genuss des 
Abendmahls unter beiderlei Gestalt aufhob. 

Vollauf zu Recht bestand aber noch die Laienkommunion 
in karolingischer Zeit. Karl selbst stiftete bei seiner Anwesen- 
heit in Rom 1 800) für die Konfessio des h. Petrus nebst anderen 
Geschenken einen Grosskelch(Abendmahlkelch)mit Edelsteinen 
und 2 Henkeln im Gewicht von 58 Pfd., einen gegossenen 
Grosskelch mit dem Saugröhrchen (scypho-onis) von 37 Pfd., 
ferner einen anderen gegossenen Grosskelch von 36 Pfd. 1 ) 
Diese kurze Notiz ist der thatsächliche Beweis dafür, dass 
Karl, auf die Erfolge seiner Giessmeister stolz, in seiner 
grossen Vorliebe für die edle Giesskunst selbst in Rom 
nichts Besseres und Edleres zu schenken wusste als gegossene 
Laienkelche seiner Heimath. 

Als einst Karl und seine Söhne den berühmten Aknin 
in seiner Abtei S. Martin zu Tours besuchten, empfingen 
sie das Abendmahl in Weinesgestalt 2 ). Nachdem Alcuin 



') Anast. Bibliothccarius l. c. S. 184: Sed et in confessione eiusdem 
dei apostoli obtulit unacum prccellentissimo filio suo rege et filiabus diversa vasa 
ex auro purissimo . . . seil et eoronam auream cum gemmis maioril)us, quae 
pendet super altare pensantem lihras quinquaginta quinque. Et patenam auream 
majorem cum gemmis diversis pensantem libms triginta. Et calicera maiorem 
cum gemmis et ansis duabus pensantem lihras quinquaginta octo. Item cali- 
cem maiorem fundatum cum scyphone pensantem lihras triginta et Septem. 
Jmmo et alium calicem maiorem fundatum pensantem lihras triginta et sex. 
Zu dem Ausdruck fundare ist das fundere 13 Conj.) in Parallele zu stellen. 
Schon Forcellini 1. c. v. fundare sagt, dass fundare und fundere in den Hand- 
schriften wechseln. Es liegt der Grund dieser Verwechslung wohl in dem 
Vulgärlateinischcn, das Accenl und Quantitäten verschob. Du Cange (Henschel 
Ausgabe Paris 1844) setzt fundator = fusor, fr. fondeur und fundatio == lique- 
lactio, fr. fönte. Ob die calices fundati und pallia fundata bei Anastasius als 
gemeinsames Ornament sog. Plaquierung zeigten, bleibt vorläufig dahingestellt. 
Jedenfalls ist die von Bulengerus gegebene Erklärung fundatus iss auro textus 
irrig, da sie auf calix nicht anwendbar ist. Eher sind umgekehrt die pallia 
fundata als mit gegossenen Metallstücken (sog. opus Anglicanum) bewirkte Tücher 
anzusehen. 

*) Jaff6, Alcuiniana VI S. 24 (Vita b. Alchuini ahbatis): Nccnon cum 
post COmmunionem corporis Christi et sanguinis manu propria eis misceret. 
isdem Ludovicus humilitate clarissimus prae omnihus patri saneto se inclinaus 
eins osculatus est manuni. Das hier gebrauchte miscerc zur Bezeichnung der 



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Hin karolingischer Laienkelch. 



351 



selbst die Kommunion unter beiderlei Gestalt empfangen, 
bereitete er mit eigener Hand dem Kaiser und seinen Söhnen 
die eucharistische Mischung des Blutes Christi und des Opfer- 
weines. Darob gerührt küsste Ludwig, der spätere Kaiser, 
dem Abt die Hand. Es kann also durchaus keinem Zweifel 
unterliegen, dass der Laienkelch auch in Karls Reich in 
Gebrauch war, da er ihn selbst nahm und zudem die Ein- 
führung des Ordo Romanus ins Frankenreich, die oben citierte 
Abendmahlsordnung, auch eine erwiesene Thatsache ist 

Nun ist aber auch der Mauser Kelch ein solcher aus 
der Karolingerzeit stammender Laienkelch und gehört 
ebenfalls zur Klasse der Grosskelche. Für eine kleine 
Gemeinde bestimmt, steht er nach Gewicht und Umfang 
hinter seinen römischen Vorbildern und Gegenstücken zurück. 
Jedenfalls hat er als Transfusions- und Sammelkelch sowie 
auch als Abendmahlkelch zugleich gedient. Bei der Grund- 
form der ama, des Sammel- oder Massenkelchs, hat er wie 
der scyphus 2 Henkel. *) Diese Henkel dienten zum Tragen 



Transfusio aus dem Priesterkelch kommt schon auf den frühchristlichen Bildern 
Korns in den Coemeterien vor und ist diese Stelle ein neuer Belag für die 
Richtigkeit der von uns vertretenen Ansicht, dass es sich da um das Abend- 
mahl, nicht um die Hoch/eit von Kanaan etc. handelt. (Vgl. Bilder und In- 
schriften Agape misee mihi, nobis. F. X. Kraus 1. c. S. 268). Marlene, der 
sonst sehr wohl zu interpretieren versteht, hat die vorangegebene Stelle irrtüm- 
lich als Belag für das frühe Vorkommen der Purificatio (Abspülung s. darüber 
unten auf S. 358 fT.) angesehen. Er hat das communionem cosporis etc. falsch 
bezogen. Alaün hatte damals die Messe gelesen und also zuerst selbst 
kommuniziert. Das miscere ist die transfusio, nicht die purificatio. Zudem 
war der Handkuss nach der Kommunion üblich. (Vgl. Martine 1. c. S. .,27. 
über den Kuss S. 426 X). 

•) Nicht alle Laienkelche waren calices ansati. Die Standkelche der ama- 
Form, der sog. Mischkrug oder Krater, welche lediglich zur Aufnahme des 
Opferweins aus dem scyphus dienten und aus denen umgekehrt W .eder der 
scyphus beim Abendmahl aufgefüllt wurde, konnten ,1er Henkel entbehre,,. 
Wenigstens lassen das die oftangeführten Darstellungen der altchristlichen Bilder 
erkennen. So kommt sogar eine <li.rcl.aus antike und wirkliche Amphora 
bei einem Abendmahl vor (Garucci 1. C. Tav. 493*>- Auch sind d.e sog. 
thönernen bezw. steinernen Krüge von der Hochzeit zu Kanaan, 
die hier in Deutschland in Köln zu S, Ursula und in Quedlinburg 
zu S Servatius aufbewahrt werden, alte Laienkelche der Amphoraklasse. 
Die Priesterkclche der Frühzeit besassen immer zwei Henkel. Die- 



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Dr. Heinrich Kelletcr 



sowohl bei der oblatio d. h. dem Einsammeln der einzelnen 
Weinspenden aus den amulae, den kleinen Opferbechern 
der Gläubigen, als auch zum Tragen auf den Abendmahl- 
tisch nach der erfolgten Transfusio. Der Dreifussstand 
verhinderte in sehr praktischer Weise eine Verschüttung 
oder gar ein Umfallen des Kelches. Andrerseits gab er dem 
gewaltigen Gefäss ein feierliches Aussehen und damit jenen 
weihevollen Charakter, den es seiner hohen Bestimmung 
gemäss verlangte. 

Die oben ausführlich besprochenen beiden Kreuze des 
karolingischen Grosskelches von Haus bezeichnen, wie das 
jetzt noch Sitte ist, jene Stellen, an welchem aus dem Kelch 
getrunken wurde. Sie sind an zwei entgegengesetzten 
Seiten angebracht, weil die streng durchgeführte Trennung 
beider Geschlechter solches verlangte. Auf der rechten 
Seite der Kirche (Südseite) sassen die Männer und auf der 
linken die Frauen. In derselben Ordnung ging man auch 
zum Abendmahl. Ob zum Ilauser Kelch eine, zwei oder 
mehrere fistulae 1 ) (auch pugillaris und canna genannt) ge- 



sellen waren nötig bei iler elevatio nach dem Opfer. Vgl M. Hittor- 
pius i. c. S. 4. (Odo Ronianus); Cum dixerint: „Per quem haec omnia 
Dom ine" erigit se archidiaeonus Bolus. Et cum dixerit: „Per ipsum 
et cum ipso" levat cum oflertorio calicem per ansas exaltans illam iuxta 
ponlilicem. Die Henkel dienen zum Tragen wie bei der antiken Vase. Die 
Priesterkelche sind die Mischung des alten «vM§ und der Vase. Die Sammel- 
kelche sind aus der Amphora- und Kraterform der Antike entstanden. Wie 
alt ihr Gebrauch ist, mag man auch daraus ersehen, dass man bereits zu Beda's 
Zeiten die grossen Laienkelche als den Typus des ursprünglichen Abendmahl- 
kelches ansah. Beda erzählt, dass in Jerusalem ein silberner Kelch zum 
Berühren und Küssen ausgestellt war, der als der Konsckrationskelch Christi 
galt. Er besass zwei Henkel und hielt ein gallisches Sextcr-Mass. (cfr. Joannis 
Bona 1. c. S. 2(jo Sp. 2.) 

') Für die geschichtliche Dauer und die Form der hier besprochenen 
Laienkommunion ist es interessant, dass der Priester Theophilus, der frühestens 
Ende des 12. Jahrh. schrieb, in einem besondern Kapitel die Anfertigung der 
Kistula eingehend bespricht Auch giebt er noch Anweisungen für die Her- 
Stellung der geschlagenen silbernen ( irosskelche. Ebenso erwähnt er die ge- 
schlagenen kleinen Laien-Trinkkelche (die calices minores). Er bezieht sich 
aber nicht mehr auf gegossene Grosskelche aus unedlem Metall. Diese Galtung 
wurde also bereits nicht mehr in Bestellung gegeben. (Charles de PEscalopicr 
. c. p. 146 fr. p. 149 fr. p. 177 fr.). Dagegen wurden die Henkel, in einer mit 



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Ein karolingischer Laienkclch.. 353 



hört haben, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Hierzu- 
lande, d. h. in der Ratinger Gegend und am Niederrhein 
überhaupt, scheint man 2 Saugröhrchen benutzt zu haben, 
das zeigt sich an zwei feststehenden Kannenröhrchen eines 
Gerresheimer Spülkelches., auf den noch unten zurückzu- 
kommen ist. 

Das Vorhändensein einer Kapelle bei Burg Haus spricht 
nun des Weiteren für die Möglichkeit, dass der auf der 
Burg aufbewahrte Laienkelch auch im Bezirk der Burg 
se-inom ursprünglichen kirchlichen Zweck gedient hat. Aller- 
dings reicht das Alter der gegenwärtigen Kapelle erst in 



Drachen, Bestien und Vögel verzierten Form aus einer Silber- und Keinmcssing- 
Komposition noch immer gegossen. (Ibidem p. 156). Die meisten Liturgikcr 
und Kunsthistoriker (auch der sonst gutunterrichtete Ötte, Handbuch d. K. 
Kunst-Archäologie S. 162) sind der Ansicht, dass die aus unedlen Metallen 
verfertigten Kelche schon früh von der Kirche verboten worden seien, besonders 
aber die Kelche aus Kupfer und Messing. Man bezieht sich dafür auf ein 
Rheimser Konzil von 813 nach dein Vorgan« des Canisius in seinen Monu- 
menta eeel sive Lectiones Antiqua« Q. 3, 399. Dabei verwechselt man aber 
f. das fahr und 2. interpretiert man den Wortlaut zu allgemein. Was den 
ersten Punkt angeht, SO handelt es sich hier nach gütiger Mitteilung des Geh. 
Regierungsrais Herrn Prof. Dr. Schaarschmidt zu Bonn um das Rheimser 
Konzil von 624 — 625, dessen einschlägige Bestimmung in Regino de Eccles. 
Disdplina Iii. 1 cap. 67 und in das Decretum Gratiani III de consecratione 
disl. I c. Xl.V übernommen ist. Laut derselben Mitteilung findet sich die 
Stelle über das Verbot eherner Kelche bei Mansi s. Conc. nova et ampl 
collectio f. X p. 6034 wie folgt: Eü concilio Rhemensi cap. VI: „Ut calix 
Domini cum patena si non ex auro omnino ex argento fiat" et infra: „Si quis 
autem tarn pauper est saltem vel stanneam calicem habeat. De aere aut orichalco 
non tiat calix, quia ob vini virlutem aeruginem pariterque vomitum provocat. 
Nullus autem in ligneo, aul vitreo calice praesumat missam cantare". Der ganze 
Wortlaut dieser Stelle wendet sich an die Priester. Es handelt sich hier nur 
um Priester- oder Mosskelche allein. Der Lpienkelch calix maior oder minor 
ist hier mit keinem Wort erwähnt, nur Rede vom calix Domini = calix sanetus, 
bei dem der Priester die Messe singt. Die Laicnkelche sind vor wie nach aus 
allen möglichen Stoffen, sogar aus Holz und Horn, angefertigt worden. Aber 
auch Priesterkelche sind noch spät aus Rotkupfer erstellt worden, wie der sog. 
Ludgeri-Kelch zu Werden a. d. Ruhr bezeugt. Derselbe ist aber auch zum 
profanen Gebrauch als sog. poculum eingerichtet; der obere Teil ist Messkelch, 
der untere diente ad reficiendum, eine fromme Trinksitte, die schon bei Beda 
Historia Eccl. Gentis Anglorum erwähnt wird. Auf dieselbe Sitte bezieht sich 
auch die untere Kelchinschrift. (Vgl. Beda Ausg. J.Stevenson 1838. S. 340.). 
Nach dem Vorhergesagten sind die Mitteilungen aller derjenigen Kunstschrift- 
steller zu verbessern, die Laienkelch und Priesterkelch verwechseln, 
lahrtmcfa XV. 23 



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354 



Dr. Heinrich Krll.tr, 



den Anfang des 1 8. Jahrhunderts zurück, wo sie durch den 
damaligen Besitzer von Haus erbaut wurde 1 ). Auch ist in 
den Akten des Ilauser Archivs nichts über eine ältere 
Kapelle auf Burg Haus zu ermitteln 2 ). Dagegen enthält 
ein Zinsregister des 14. Jahrh. einen Passus, der die Existenz 
einer Burgkapelle oder doch eines zum Messelesen geeigneten 
Raumes auf Haus notwendig voraussetzt. In diesem Register 
befindet sich ein weistumartiges Einschiebsel, welches darauf 
aufmerksam macht, dass der Ratinger Pfarrer verpflichtet 
war, zweimal wöchentlich, und zwar Mittwochs und Freitags, 
auf der Burg Messe zu lesen, wofür er dann als Gegen- 
leistung den Zehnten der Burgäcker zu beanspruchen habe 3 ). 

Wenn die „Alten" schon vor 1 3 7 2 4 ) versichern, dass 
der Pfarrer von Ratingen des Zehnten wegen auf Burg 
Haus Messe zu lesen verpflichtet sei, so ist diese Nachricht 
nach verschiedenen Seiten sehr merkwürdig. Erstens muss 
es auffallen, dass bei der sehr kurzen Entfernung der Burg 
von Ratingen, vielleicht 5 — 10 Minuten, für Haus ein be- 
sonderer Gottesdienst nötig sein soll und zweitens dass der 
Pastor oder Pleban von Ratingen selbst, nicht etwa sein 
.Stellvertreter, dieser Pflicht nachzukommen hat. Liegt also 
einerseits eine gewisse Abhängigkeit des Ratinger Pfarrers 
von Haus vor, gleichsam in der Stelle eines Burgkaplans 
fungieren zu müssen, so ist andrerseits befremdlich, dass 
das Messt 'lesen in der Woche stattlinden soll, wo doch fin- 
den Laien keine Pflicht eine Messe zu hören besteht. Durch 
das Messelesen in der Woche ist daher offenbar nur die 
seelsorgerliche Handlung als solche festgelegt. Die ganze 
Verpflichtung wird aber nicht etwa von Seiten einer geist- 
lichen Behörde beglaubigt, sondern sie wird gleichsam als 



') Über dem Portal der Kapelle befindet sich ein Alliancewappen der 
Eheleute v. Zcvel. 

2 ) Laut gcf. Mitteilung des Herrn Reichsgrafen Franz v. Spee. 

3 ) Kessel, Urkunden /.. Gesch. Ratingens S. 52: Nota quod relationc 
antiquorum asscritur, quod pastor seu plebanus in Ratingen tenetur qualibet 
septimana bis celebrare missas in Castro Huyss, videlicct quarta et sexta feria, 
pro co habet deeimam de agris ipsius castri. Herrn Landrichter Dr. Eschbach 
verdanke ich die Kenntnis dieser Stelle. 

4 ) Das betr. Register bei Kessel l. c. ist nach Herrn Landrichter Dr. Esch 
bachs Feststellungen vor 1372 geschrieben. 



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Ein karolingischer Laienkelch. 



355 



ein Rechtsverlangen von Laien dargestellt. Es widerspricht 
jedoch den schon seit Papst Nicolaus I. in der Kirche herrschen- 
den Anschauungen, dass Laien über eine Verpflichtung der 
Geistlichen zu wachen oder an Fragen kirchlicher Hinkünfte 
Bedingungen zu knüpfen hätten. Wenn in Weistümcrn sehr 
häufig der Bezirk und die Höhe des kirchlichen Zehnten 
„gewiesen" wird, so ist das lediglich eine zum Formalen 
herabgesunkene Hofgerechtsame und enthält keineswegs 
die hier noch vertretene Forderung, dass der Geistliche sich 
den Zehnten verdienen muss. Eine solche Forderung ist 
der Ausfluss der Staatsaufsicht, jenes Alles beherrschenden 
Staatsgedankens, wie er in Karl d. Gr. vertreten war, dessen 
Wille gleichsam in konzentrischem Ringen von der eigenen 
Person ausging und in gleichmässiger Ausführung durch 
die beauftragten Organe alle Kirchen-') und Staatsange- 
legenheiten regelte. Das nannte Karl das ministerium regni. 
Und von dieser Aufsicht hing nach seiner Anschauung, die 
für seine Zeit gewiss berechtigt war, der Bestand des Reiches, 
der Status regni, ab. Deshalb verfügte er, dass die Zehnten 
da gegeben werden sollten, wo seit Alters Taufkirchen ge- 
wesen seien und Gottesdienst stattgefunden habe 2 ). In einem 
anderen Kapitular bestimmt er wieder, dass die Zehnten- 
verweigerer vor die Staatsbehörde gefordert werden sollen. 
Und als solche „sollen vier oder acht Mann oder so viel als 
nötig aus den einzelnen Pfarren gewählt werden, ein Jeder 
nach seiner Fähigkeit, damit sie als Zeugen zwischen dem 
Priester und der Pfarrgemeinde daständen, wo die Zehnten 
gegeben worden seien und wo nicht" 3 ). Mit diesen Be- 



') Vgl. Albert Hauck, Kirchengesch. Deutschlands, Leipzig 1890 II 
S. 201 : Vor allem hörte Karl nicht auf, Kirchengüter als Lehn zu vergeben, 
bald ganze Klöster, bald einzelne Besitzungen. Es machte wenig Unterschied, 
ob der König selbst das Lehn erteilte oder ob Bischöfe oder Äbte auf seinen 
Befehl die Verleihung vollzogen, in jedem Fall war sein Wille massgebend. 

*) Mon. Germ. Leg. I S. 123 Capitulare de Salz a. 803: De deeimis ubi 
antiquitus fucrunt ecclesiae baptismalcs et devotio facta est .... oninimodis 
Gant douatae. 

:l ) Mon. Genn. Leg I Cap. Langobardicum duplex a. 803 S. 111: De 
deeimis ut dentur, et ilarc nolentes secundum quod anno pruterito denuntiatum 
est, ad mimstri (ministros) reipublice exigantur. Id est eligantur quattuor vel 

23* 



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356 



Dr. Heinrich Kelleter 



Stimmungen ist die Forderung der „Alten" zu Haus eines 
Sinnes. Der Zehnt soll nur da gezahlt worden, wo man 
das ganze Jahr Messe hört, deshalb muss aber auch der 
Zehntberechtigte, der Pfarrer selbst, nach Burg I laus kommen. 
Und die „Alten" wachen über die Entrichtung des Zehnten. 
Hatte doch auch noch Ludwig der Fromme bestimmt, dass 
die .Zehnten an die auf den Meierhöfen n e u errichteten 
(Pfarr)kirchen zu zahlen wären. 1 ) Der Ratinger Pleban muss 
deshalb in die besondere Verpflichtung willigen, den Hauser 
Zehnten im Gutsbezirk durch Pfarrhandlungen zu verdienen. 
Dieses Zehntenrecht, seiner ganzen Natur nach kirchlich, ist 
an den Altar der Pmrg Haus, und nicht an den der Ratinger 
Kirche gebunden. 

Auch andere spätere Nachrichten, leider fehlen frühe 
Urkunden, lassen noch eine gewisse Abhängigkeit der Ra- 
tinger Kirche von Burg Haus erkennen. So besassen die 
Herren von Haus, nämlich die von der Horst und von Zevel 
das Recht, ihr Erbbegräbnis und ihr Wappen im linken 
Chor der Ratinger Kirche zu haben, auch hatten sie das 
Patronat der Küsterei. Ferner lag das sog. Kirchenhaus 
oder der Propsthof nicht in Ratingen selbst, sondern extra 
muros in der Nähe des Burghauses Haus. 2 ) Alle diese Ver- 
hältnisse sind Reste eines ehemaligen Patronates, das mit 
einem grossen Fundus und der in demselben liegenden dos 
zusammenhängt. ;J ) Diese gleichsam absterbenden Reste 
müssen aber noch herleiten aus der Zeit, ehe die Herren 
von Haus, mögen sie nun Freie oder Reichsleute gewesen 
sein, ihre Rechte an die Kölner Dompropstei abgetreten 
oder verkauft hatten. Der Kölner Dompropst muss 
aber schon i 165 seine Einkünfte der Ratinger Kirche 

octo homines vel prout opus fuerit, de singulis plebibus, hixta qualiiatem 
unusquisque, ut ipsi inter sacerdotes et plevem testes existant, hiibi date vel non 
date fuerint etc. 

') Ebenda S. 207: Sancitum est de villis et ecelesiis in eisdem noviter 
construetis, ut deeimae de ipsis villis ad easdem ecclesias conferantur. Die Neu- 
Einrichtung von Gutspfarren dauert also noch fort. (VgL hierzu M. G. 1. c. S. 
88 No. 23). 

2 ) Gef. Mitteilungen des Herrn Landrichter Dr. Eschbach nach bisher 
unedierten Akten des Archives Heitorf. 

s ) Vgl. Hinschi us, Kirchenrecht Bd. II S. 622 u. 624. 



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Kin karoiingischer Laienkelch. 357 

zur Aufbesserung der Präbendenkasse der Kölner Dom- 
herren abliefern 1 ). Vorher hatte er aber noch ganz im Sinne 
des karolingischcn Reichskirchentums die Ratinger Pfarr- 
stelle an Personatare in Lehn ausgethan und die Einkünfte 
für sich allein bezogen. Die Rechte der Herren von Haus 
erscheinen daher schon in der Zeit vor i 100 begründet. Mit 
diesen kirchlichen Vorrechten verbanden die Herren von 
Maus auch in wirtschaftlicher Hinsicht den Anspruch auf 
die Leitung der Ratinger Gemarkung. Sie waren Holz- 
grafen und besassen umfassende Gerechtsame an Weide-, 
Wald- und Wassernutzung 2 ). Derausschliessende Name „Haus", 
den ihre Besitzung führte, ist denn auch die alte angestammte 
Bezeichnung für die hier belegen gewesene domus indomini- 
cata, das Herrenhaus der ehemaligen Gemarkung. 

Das ebenfalls den bezeichnenden Namen Haus führende 
uralte Bürgel bei Monheim hat seine alte Zehnt- oder Tauf- 
kapelle in unsere Zeit hin über gerettet. Hier steht noch in- 
mitten des nach Frankenart gebauten quadratischen Llofes 
eine kloine Kapelle und in ihrem Innern als Zeichen der 
früheren Pfarrherrlichkeit der romanische Taufbrunnen des 
Ii.— 12. Jahrh. Das auf dem jenseitigen linken Rheinufer 
liegende Zons war einst nach Hof Bürgel und der dortigen 
Taufkapelle zehnt- und pfarrpfliehtig. Im Laufe der Zeit 
ist aber die Pfarreigenschaft von Bürgel auf Zons übertragen 
worden 3 ). Derselbe Vorgang findet sich denn auch bei 
der nachweislich karolingischen Zehntkapelle Palenberg bei 
Aachen, wo das benachbarte Uebach die Pfarrrechte von 
Palenberg erhalten hat 4 ). 

Unter diesen Gesichtspunkten wird der auf Haus er- 
halten gebliebene Laienkelch ein hervorragendes Denkmal 
der dortigen Ortsgeschichte. Für die Abendmahlfeier einer 

i) KcsS c| 1. e. S. f> giebt zu der sehr wichtigen Urkunde ein den In- 
halt völlig entstellendes Regest. 
») Ebenda S. 42, No. 32. 

3 ) A Rein, Haus Bürgel das röm. Burungum. Crcfeld 1855 S. 7 ff 
«j Ich habe in, 1. 189. die karolinf-ische Provenienz, der Palenberger 
Kapelle zuerst nachgewiesen. Meinen auf Ersuchen des Pfarrers Hoster von 
Uebach darüber geschriebenen Bericht hat Dr. Fr. Bock mit einer kleinen 
Schlussänderung in de» Aachener Tageblättern veröffentlicht, ohne mc.ne Zu- 
Stimmung. 



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358 



Dr. Heinrich Kelleter 



ganzen Gemeinde, nicht etwa einer einzelnen Person oder 
eines kleinen Wohnbezirkes, hergestellt, ist er der einzige 
noch zu uns redende Zeuge unwiderleglicher Gültigkeit da- 
für, dass mit Haus selbst in Karolingerzeit ein Zehnt- und 
Pfarrbezirk verbunden war. Dasselbe Zeugniss liefert der 
romanische Taufbrunnen zu Bürgel für den dortigen Hof 
und die Zeit des 11. und 12. Jahrhunderts. 

In den Rahmen dieser Darstellung gehört nun noch 
ein kurzer Blick auf ein gleichfalls in der Nähe von 
Haus bewahrtes kirchliches Gefäss der ehemaligen Abtei 
Gerresheim, weil es darthut, wie sich die Gestalt des Laien- 
kelches auch selbst dann noch erhalten und weiterentwickelt 
hat, als die Kommunion unter beiderlei Gestalt längst ab- 
geschafft war. Es ist ein spätgothischer Spülkelch, irrig 
Lavabokessel genannt. 1 ) Dasselbe ist ebenfalls aus Messing 
gegossen und im Oberteile dem Hauser Kelch durchaus 
ähnlich; Der untere Teil der Kuppe ist aber geplattet. Auf 
dem Rande sind zwei Menschenköpfe angebracht, in die ein 
Tragreifen beweglich eingelassen ist. Auch beim Hauser 
Kelch ist nachträglich ein eiserner Reif in die Henkel ein- 
gezwängt worden, der den gleichmässigen Bau der Kuppe 
für das Auge beeinträchtigt. Der Gerresheimer Kelch war 
also von vornherein dazu bestimmt, mittelst eines Reifens 
schwebend aufgehängt zu werden. Bringt man das Gefäss 
in eine solche Lage, so kann man die Kelchkuppe durch 
einen leisen Druck beliebig nach rechts oder links neigen 
und von dem Inhalt des Kelches trinken. 

In Erinnerung an den alten Laienkelch bestand noch 
bis zum 16. Jahrh. in der Kirche die Sitte, dass die Kom- 



') Dr. Fr. Bock, der eine grosse Kcnntniss liturgischer Gefässe und Ge- 
wänder besass, sah in diesen Spülkelchen Behälter, welche das zur priesterlichen 
I landwnschung erforderliche Wasser enthalten haben sollen. Thatsächlich findet 
man einzelne solcher Spülkelche auch heute noch in Sakristeien aufgehängt und 
dem angegebenen Zweck dienend. Der heutige Gebrauch ist aber nicht ent- 
scheidend. Die Spülkelche sind direkt aus den .Schwebekelchen hervorgegangen 
und haben durchgängig zwei Ausllussröhren (s. weiter unten), die für Zwecke 
der Handwaschung unmöglich als ursprünglich gedacht werden können, da doch 
eine Ausflussröhre vollständig genügt hätte. Auch ist es eigentümlich, dass 
diese Spülkelche höchstens noch in Stilarten des 1 6. Jahrh. vorkommen. — Über 
das Vorkommen eines Spülkelchs c. iooo vgl. Martcne I. c. S. 431. 



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Ein karolingischer Laienkelch., 



359 



munikanten nach Empfang des Abendmahls (unter Brods- 
gestalt) einen Trunk Wein 7.ur „Abspülimg" (ablutio) nahmen. 
Für Gerresheim ist dieser Gebrauch durch den allda vor- 
handenen Spülkelch des 1 6. Jahrh. festgelegt Zwei Trink - 
röhrchen zu beiden Seiten des Kelches, die fistulae der 
Laienkelche, bekunden dann ferner, dass die Trennung der 
beiden Geschlechter auch für die ablutio festgehalten worden 
ist. 2 ) Eines dieser Ausflussröhrchcn ist zur Hälfte abgebrochen, 
das andere trägt am Mundstück die Spuren langjährigen 
Gebrauches. Es ist nach innen zugespitzt. Die Maasse 
des Gerresheimer Spülkelchs sind: Höhe 120 mm, Durch- 
schnitt durch Aussenkante der Trinkröhrchen 250 mm, 
Durchmesser des obern Randes 170 mm. 

Nach den vorstehend gegebenen Ermittlungen über 
Herkunft und Zweck des Hauser Abendmahlkelches kommen 
wir nun zu einer kurzen Darstellung und Würdigung der 
Sagen, die im Volk über den Kelch heute noch umgehen. 

In der beim Volk verbreiteten Ansicht, dass der 
„Heidenkessel" von Haus nie veräussert werden dürfe, mag 
ein gut Teil jenes Aberglaubens stecken, der an den Bestand 
und die Unverletzlichkeit derartiger Gcfässe Glück und 
Gedeihen des besitzenden Geschlechtes knüpft. So lautet ja 
schon die Sage von dem bekannten Becher von Edenhall. 
Ähnliches wird auch erzählt von dem noch zu erwähnenden 
„Kessel" des Schlosses Hardenberg. Soweit das Hauser 

>) Mit dankenswerter Bereitwilligkeit hat Herr Pfarrer Schlecht mir die 
pholographischc Abnahme des interessanten Stückes gestattet. S. Abbildung 
Taf. VI. No. 4. 

2 ) Herr Archivrat Dr. Sauer hatte die Güte, mich auf die folgend citierlc 
Urk. aufmerksam zu machen, die den Brauch des Spülwein -Trinkens für die 
Benilu imer Gegend zum J. 1345 sicherstellt. In genannter Urk. betr. Verkauf 
einer Erbrente von drei Schillingen an die Testamentsvollstrecker des Priesters 
Wolter van den liueschove wird u. a. bestimmt, dass der Bentheimer Pfarrer 
für die Beschaffung des Spülweins auf die Feste Ostern, Pfingsten und Weih- 
nachten zwei Schill, erhalten soll: Vortmer so sullen de sulven raetsludc alle 
iare to Paschen gheven twelef penninghe imune wien, tho Pinckesten secs 
pennighe umme wien unn tho Kerstesdaghe sces pennighe umme wien, dar 
men va gheve de spolinghe denghene, de in den vorgenomden hochthiden 
untfact godeslicham. Wat dar wines overblifft, den sal men delen in de appultn 
(Messpollen) der altare to Benthem. (Aus Geschichte der Grafsch. Bentheim 
gedr. i. Bentheimer Zeitung No. 121, 1900). 



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360 



Dr. Heinrich Kelleter 



Gerät hier in Betracht kommt, schon wir aber in dieser 
volkstümlichen Behauptung einen neuen Zug, der die 
Geschichte karolingischer Einrichtungen wiederspiegelt. 
Die Sage von der Unveräusserlichkeit des lleidonkessels 
fusst auf der geschichtlichen fiskalischen Eigenschaft des- 
selben, denn die sämtlichen wirtschaftlichen und kirchlichen 
Inventarstücke 1 ) der Lehn- und Meierhöfe waren Staats- 
eigentum. Als solches figuriert es daher auch in den Be- 
richten der die Höfe und Hofkirchen inspizierenden Herren- 
boten. der missi dominici*). Auf diese Weise ist uns z. B. 
das ganze kirchliche Inventar einer zur Insel Staffelnsee 
gehörigen S. Miehaelskirche, in einem leider nur fragmen- 
tarisch auf uns gekommenen Reichsurbar, erhalten geblieben. 
Die Boten fanden dort unter anderen Kelchen auch einen 
silbernen Laienkelch (Opferkelch), eine kupferne und eine 
zinnerne Ampulla, einen grossen Glaskrug 8 ) (wahrscheinlich 
Spülkelch) u. s. w. 

Aus dem an sich fiskalischen und daher öffentlichen 
Charakter des Hauser Kelches erklären wir dann auch noch 
einen bisher unerwähnt gelassenen Defekt desselben. Ein 
Bein des Dreifusses ist nämlich, ungefähr in der Mitte, mit 
Gewalt verstümmelt; man sieht deutlich die Einschnitte, 
welche durch eine Feile oder .Säge bewirkt worden sind, 
um die Trennung oder das Abschlagen des Unterbeins zu 
erleichtern. Wahrscheinlich ist dies geschehen, als man die 
Abcndmahlfeier sub utraque specie in der Kirche abschaffte 
und durch ein allgemeines Dekret die Unbrauchbarmachung 
der vorhandenen fiskalischen Abendmahlkelche angeordnet 
hat. Ein merkwürdiges Zusammentreffen ist es jedenfalls, 

') Mon. Germ. Leg. I S. 184 (Cap. de Villis): Ut unaquaeque villa . . . 
vasa aerea, plumbca, ferrea, lignea . . . habeant. 

-) Mon. Germ. Legi I S. [49 (Cap. Aquense a. 807): Volumus, ut missi 
nostri per singulos pagos praevidere studeant omnia beneficia . . . primum de 
accclesiis, quomodo stmetae aut destruetae sint in tectis, in niaceriis sive parietibus 
sive in pavimentis neenon in pietnra, etiam in luminaribus sive offieiis (sog. 
Kirchenfabrik und Inventar) . . 

) Mon. Germ. Leg. IS. 176 a. 812: Invenimus in insula quae Staphinseie 
traneupatur ecclesiam in honore saneti Michaelis construetam .... sunt ibi 
calices argentei 2, quorum unus de foris sculptus et deauratus . . . ofTertorium 
argenteum 1 pensantem solidos 6 . . . ampullam cuprinam 1, aliam ampullam 
slagneani 1 . . . ollam vitream magnani etc. 



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Ein karolingischer Laienkelch. 



361 



dass auch der bereits erwähnte Hardenberger Kessel eine 
ähnliche Verstümmelung aufwies. 

Die ans Hauser Schloss sich anknüpfende Heinzel- 
männchensage lautet ungefähr folgendermassen: *) Einst 
hausten die Heinzelmännchen in einem Turm des Schlosses 
I laus und sie erwiesen in ihrem heimlichen Thun den 
katingern vieles Gute. Da kam ein vorwitziger Mensch 
auf den Gedanken, die verborgenen Gänge und Thaten der 
Heinzelmännchen zu erforschen, und streute, um ihnen auf 
die Spur zu kommen, Erbsen in die zum Turm führende 
Treppe. Die Eolge dieses boshaften Streiches war, dass 
ein Heinzelmännchen in der Treppe stürzte und zu Tode 
kam. Da ergriffen die anderen Heinzelmännchen den 
tückischen Anstifter dieses Unglücks und hieben ihn in 
Stücke. Die zerhackten Teile aber brieten sie in dem 
Heidenkessel in siedendem Gel." Offenbar ist diese Sage 
nur ein Torso. Sie stimmt aber in vielen Zügen mit einer 
anderen Sage überein, die von Steinen in zwei Versionen 
vom Schloss Hardenberg erzählt und die sich gleichfalls 
an einen ehemals auf diesem Schloss befindlichen dreibeinigen 
Messingkessel knüpft. von Steinen*) erzählt zuerst die 
kürzere und ältere Sage nach der lateinischen Fassung des 
Meibom und dann die deutsche nach dem Holländer de 
Laer. Aus der lateinischen ist hier hervorzuheben, dass 
der Zwergkönig Volmar einst auf Hardenberg- mit dem 
Grafen Nevelunc de Hardenberg lange Zeit sehr vertraut 
gelebt, ihm manche Geheimnisse erschlossen und ihn sich 
zu bekreuzen gelehrt hatte mit den Worten: Increatus pater, 
increatus filius, increatus spiritus sanetus. Nach der aus- 
führlicheren deutschen Passung war der Zwerg Volmar 
ständiger Gast des Nevelunc und hatte in der sog. Volmar- 
kammer seine Wohnung. Er war aber nur seinem Schatten 
nach sichtbar. Um nun auch die Fussstapfen Volmar's zu 
sehen, streute ein vorwitziger Küchenjunge Erbsen und 

') Nach gel. Mitteilung des Herrn Landrichters Dr. Eschbach. 

-) Wcstphälische Geschichte Teil IV S. 775 fT. Diese Sage findet sich 
zuerst in der Erzählung des Dechanten Gobclinus Persona in Meibom Scr. 
Rer. Germ. T. I p. 286. Herr Archivrat Dr. Sauer hatte die Freundlichkeit, 
mich auf diese interessante Parallele zu verweisen. 



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362 



Dr. Heinrich Kcllctcr 



Asche aus. Da kam der darob ergrimmte Volmar ein<\s 
Morgens in die Küche, brach dem Küchenjungen den Hals, 
hieb ihn zum Entsetzen des Kochs in Stücke, steckte die 
Brust an einen Spiess, röstete einzelne Teile, Haupt und 
Beine aber kochte er. Dann wurden diese so zubereiteten 
Teile auf Volmar's Kammer getragen und dort (von ihm) 
unter Musik und Freudengeschrei verzehrt. Der Spiess und 
Rost, worauf der Unglückliche gebraten wurde, sind 1651 
von den Lothringern geraubt worden. Den Topf aber hat 
von Steinen selbst 1 ) noch auf der Abtei Fröndenberg ge- 
sehen, als ihn die verwittwete Frau de Laer von Harden- 
berg dorthin gebracht hatte, um ihn von da nach Holland 
zu entführen. 

Zunächst unterliegt es nun nach der Beschreibung 
und Abbildung, die von Steinen über das Hardenberger 
Gefäss liefert, keinem Zweifel, dass es eine Ampulla auf 
einem Dreifuss war. Die Zeichnung deutet auch ein 
Akanthusähnliches Blattornament auf der Kuppe an. Als 
Ampulla, Opferkanne, hatte dieses frühchristliche Gefäss nur 
einen Henkel. Es war auch von Messing „gelbem Metall" 
und war unten verstümmelt. Später hat dieses Harden- 
berger Gefäss auch profanen Zwecken gedient und war 
sogar eine Zeitlang auf dem Küchenherd des Hardenberger 
Schlosses eingemauert. 

Der gemeinsame Zug der Häuser und der Harden- 
berger .Sage ist wieder jenes schon wiederholt betonte Gemisch 
von heidnischen und christlichen Anschauungen, das überall 
den Hauser Kelch umgiebt. Das Heidentum hat seinen 
widerwärtigsten Gebrauch, das Zerhacken und Verzehren 
von Menschen, noch nicht vergessen, der alte überall spukende 
Blutritualismus kommt hier in scheusslichster Verzerrung 
wieder aus der Nacht menschlichen Aberglaubens hervor 2 ). 
Die Heinzelmännchen und der Zwerg Volmar sind richtiger 
heidnische Männchen, die noch im Dunkeln der Schlösser 

') Er schrieb c. 1760. 

*) Über die Beziehung des Opferkessels Wotans auf Thörketill und seinen 
Donnerkessel s. J. Grimm, Deutsche Mythologie Güttingen 1835 S. 127. Die 
heidnische Sitte, das Üpferfleisch in einem Kessel zu sieden, bespricht Grimm 
1. c. S. 43. 



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EÜl karolingischcr I.nienkclch. 



363 



und unter dem Schutze ihrer Herren leben; werden sie ent- 
larvt, und das geschieht mittelst der alten christlichen Fasten- 
speise 1 ), mit Erbsen, so verschwinden sie auf immer. Die 
Erbsen verraten überall die Spur elbischer Wesen. Dagegen 
sind wieder ganz christliche Züge, dass die auf Haus 
wohnenden Heinzelmännchen den Ratingern viol Gutes er- 
weisen, nebenbei wieder ein Fingerzeig für die Abhängigkeit 
Ratingens von Haus. In dem christlichen Unterricht, den 
Zwergkönig Volmar seinem Gevatter Nevelinc von I [ardenberg 
orteilt, liegt das Element de.s karolingischon Kreuzsegenunter- 
richts, der sich überall seither wiederfindet. Volmars 2 ) Kammer 
ist die heidnisch aufgefasste Burgkapelle, wo unter Freuden- 
geschrei und Musik die schauerliche Opfer-Mahlzeit stattfindet. 

So regten sich die Geister des im Volk wurzelnden 
Heidentums noch lange hernach in christlicher Zeit. Die 
auf .dem Kessel von Haus ruhende Idee der Transsub- 
stantiation war dem starren germanischen .Sinn noch 
Jahrhunderte lang unfassbar. In der .Sage hat das 
Heidentum den ehrwürdigen karolingischen Laienkelch mit 
den wildphantastischen Überlieferungen heidnischer Bräuche 
so überwuchert, dass selbst der christliche Name desselben 
der Bezeichnung „Heidenkessel" weichen musste. 

') Daher hiess der Sonntag Rcminisccre in alter Zeit Erbsen-Sonntag. 

2 ) An den Namen Volmar erinnert auch jener Ort Volmerstede an der 
i >hre, wo einst der Sachsenherzog Widukind, der heimlich in das Lager Karls 
geschlichen war, unerkannt der Messe beiwohnte und sah, wie Karl und sein 
Gefolge aus der Hand eines purpurn gekleideten Mannes kleine Knäblein in den 
Mund empfingen. Diese Sage findet sich zuerst im Liber de rebus memora- 
bilioribus des Heinrich von Herford, A.USg. Potthast, Güttingen 185«) S. 32. 
Widukind erzählt : Pridie vidi vos turbatos et desolatos et quasi lugemes in- 
cedere et ^audebam. Sed hodie vidi vos onines ornatos et iocundos et ununi 
coram illa parva mensa purpura vestitmn, qui de mensa levans puerum quen- 
dam pulcherrimum vobis ipsum in os inisit et sie sin^ulis. Sed quorundam 
ora protervc respicisen vel respuens quasi declinavit, quorundam gratanter intravit. 




i 



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Bartholomäus von Alten aus Neuss, 

ein niederrheinischer Arzt und Astronom des L 5. Jahrhunderts. 

Von Dr. med. K. Sudhoff. 

[eine Studien über die Iatromathematiker (d. h. 
j 1 über die astrologischen Aerzte) des 15. und 
16. Jahrhunderts haben mich auf die Spür eines 
^Ü. niederrheinischen Arztes und Astronomen ge- 
fülirt, über den bis heute meines Wissens noch keinerlei 
Nachrichten auf uns gekommen sind. Jedenfalls fehlt sein 
Name in den betreffenden Abschnitten der historischen 
Festschrift, welche die wissenschaftliehen Vereine Düssel- 
dorfs der 70. Naturforscher-Versammlung- dargeboten haben, 
in den „Historischen Studien und Skizzen zu Naturwissen- 
schaft, Industrie und Medizin am Xiederrhein", Düssel- 
dorf 1898. 

Im Jahre 1485 erschien zu Venedig bei Erhard Rat- 
dolt aus Augsburg die bekannte astrologische Schrift des 
Arabers Alcabitius, welcher der zur Berechnung der 
Alphonsinischcn Tafeln eingesetzten Commission als Mit- 
glied angehört hat, in der lateinischen Bearbeitung des 
Johannes Hispalensis, samt dem 1331 zu Paris ver- 
fassten Kommentar des Johannes de Saxonia. Das Buch 
betitelt sich: 

„Libellus ysagogicus Abdilazi . id est servi gloriosi 
Dei : qui dicitur Alchabitius ad magisterium astro- 
rum : interpretatur a Johanne Hispalensi. Scriptumque 
in eundem a Johanne Saxonie editum utili serie 
connexum ineipiunt" 
und fasst 98 ßll. 4 0 . 



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Bartholomäus von Alten aus N.euss. 



365 



Die Bearbeitung des Textes und die Überwachung des 
Druckes hatte ein niederrheinischer Gelehrter übernommen, 
wie folgende Drucknotiz am Ende des „Commcntum Johannis 
de Saxonia super textu Alchabitii" besagt: 

„Finitur scriptum super Alchabitium ordinatum per 
Joliannem <le Saxonia in villa parisiensi anno. 1331°. Cor- 
rectura per artinra et medicine doctorem dominum 
Bartholomeum de Alten de nusia Impressum arte 
ac diligentia Erhardi ratdolt de Augusta [mperante Johanne 
Mocenico Uenetiaruin iluco. Anno salntifero incarnationis. 
1485. Venetijs." 
Jedenfalls hatte dieser unser niederrheinischer Lands- 
mann in Italien studiert und sich die akademischen Grade 
des Doktors der freien Künste und der Medizin dort er- 
worben. Bei dem venetianischen Verleger Ratdolt hat 
er Gelegenheit zu gelehrter Arbeit gefunden, ob für längere 
Zeit, Hesse sich vielleicht aus dem Studium der weiteren 
Verlagsthätigkeit Ratdolt's feststellen, wozu mir bis heute 
die Gelegenheit fehlte. Dass Bartholomäus von Alten für 
die astrologische Sparte der Medizin Neigung besass, lässt 
sich vermuten. — 

Ich stelle diesen kleinen Findling unsern Lokalhistorikern 
zur Verfügung ; vielleicht vermag ein anderer seine schemen- 
hafte Gestalt mit Fleisch und Blut zu bekleiden. 




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Ein Heiratsprojekt im pfalzneuburgischen Hause. 

Von Th. Levin. 

er Geschichtsschreiber, dem es vorbehalten bleibt, 
den von der Natur mit Geistesgaben nicht stief- 
mütterlich bedachten Herzog Philipp Wilhelm 
von Neuburg, den ersten Kurfürsten von der 
Pfalz aus diesem Hause, als Regenten, Politiker und Menschen 
in gerechterer Weise zu würdigen, als es bisher geschehen 
ist, wird zwei Hauptperioden in dem bewegten Lebensgange 
des Pfalzgrafen einander gegenüberstellen. Die Zeit des 
unruhigen Ehrgeizes, der schon den Jungherzog bis zur 
Opposition in Waffen gegen den eigenen Vater mit fort- 
reisst, und den regierenden Fürsten, dessen Trachten einer- 
seits immer wieder auf die polnische Krone, dann aber vor 
allem auf die Befreiung von dem brandenburgischen Zwange 
in der Jülichschen Erbfelgesache gerichtet war, nicht eher 
zur Ruhe kommen lässt, bis er in dem Verzicht auf Polens 
Thron die bessere Wahl erkennt, und die alte Streitfrage 
durch Verträge zu befriedigendem Austrage gelangt ist. — 
Und dem gegenüber die Zeit des nahenden Lebensschlusses, 
die der sorgende Fürst und Vater nur einem friedlichen 
Ziele widmet, dem Erstarken seiner Rangstellung. In der 
Verbindung mit den stolzesten Fürstenhäusern Europas er- 
sah er sich dazu das beste Mittel. Pfalz-Neuburg sollte 
seine Wurzeln überallhin schlagen. Besser als die Söhne, 
die, wenn man vom Thronfolger absieht, nicht grosse An- 
sprüche erheben durften, waren die Töchter geeignet, dem 
Vater Ansehen und Glanz zu vermitteln. Der Segen war 
ja nicht ausgeblieben. Bis zum Jahre 1679 wurden Philipp 




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Ein Heiratsprojekt im pfalzncuburgischen Hause. 



367 



Wilhelm acht Töchter geboren. Sechs davon erreichten das 
heiratsfähige Alter, fünf fanden in regierenden Fürsten- 
häusern den Gemahl. 

Kaiser Leopold hatte die älteste, Eleonora Magdalena, 
nach einer glänzenden, heute durch ein im Rathause auf- 
gestelltes Kolossalbild von Ferdinand Wagner verewigten 
Hochzeitsfeier zu Passau, am 14. Dezember 1676 als seine 
dritte Gemahlin nach Wien geführt. Der Thronfolger Johann 
Wilhelm wurde kaum zwei Jahre später (25. Oct. 1678) würdig 
erachtet, die Schwester des Kaisers, Maria Anna Josepha 
in die Ehe zu nehmen. So waren die Häuser Habsburg 
und Neuburg in doppeltem Bunde verkettet; jetzt konnte 
es den Töchtern Philipp Wilhelms an Bewerbern nicht 
fehlen, zumal er im Jahre 1685 in die. Reihe der deutschen 
Kurfürsten eingetreten war. 

Hier haben wir nur ins Auge zu fassen, dass die 
im Jahre 1666 geborene Maria Sophia sich am 2. Juli 1687 
mit Pedro, dem Konig von Portugal, unter dem sich das 
Haus Braganza nach der traurigen Regierung seines Bruders 
Alphons VI. auf dem Throne befestigte, durch Prokuration 
zu Heidelberg vermählt hat. Als ausserordentlicher Bevoll- 
mächtigter des Königs nahm Dom Manuel Teiles da Silva, 
Graf von Villa Mayor die Stelle seines Herrn vor dem 
segnenden Priester ein. 

Bekannt sind die Thatsachen, dass Johann Wilhelm am 
14. April 1689, also noch als Kurprinz, seine erste Gemahlin 
Maria Anna v. Oesterreich, meist die Erzherzogin genannt, 
durch den Tod verlor und am 22. April 1691, nachdem er 
am 2. September 1690 zur Regierung gelangt war, mit 
Maria Anna Luisa, der Tochter Cosimo's HL, des vorletzten 
Mediceers auf dem Throne zu Florenz, eine zweite Ehe einging. 

Vor kurzer Zeit hat der um die Sondergeschichte Düssel- 
dorfs verdiente Forscher und Sammler Philipp Braun in 
einer Kölner Auktion einen Brief Johann Wilhelms erworben, 
aus dem sich die bisher gänzlich unbekannte Thatsache er- 
giebt, dass dieser Fürst nach dem Ableben seiner ersten 
Gemahlin sein Auge zunächst auf eine portugiesische 
Prinzessin richtete, seinen Plan aber aus einem vorerst nicht 
festzustellenden Grunde aufgeben musste. 



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368 



Th. Lcvin 



Wir lassen hier den Wortlaut des Briefes, dessen Ab- 
schrift dem Düsseldorfer Geschichtsverein von dem Besitzer 
freundlichst zur Verfügung- gestellt wurde, unter Anschluss 
an die uns vorliegende Orthographie folgen: 

„Meinen gd. gruss zuvor Hoch : und Wohlgeborner, be- 
sonders lieber Herr Graff. Ew. Excell. alliier erhaltenes 
Schreiben vom iten disses hat mir die in ihrem vorigen 
advisirte Alternierung des Vorgewessenen ' Portugiesischen 
Heuraths Negotij, mit mehreren) contirmiret, und dass sich 
nunmehr selbes gänzlich zerschlagen habe; Ich muss es für 
eine sonderbahre schickhung Gottes erkhennen, und weiss 
mich dahero desto ehender darinn zuefinden, ob Ich zwar 
nicht wenig surprenirt gewesen, dass ein albereits gegebenes 
Konigl. Wohrt ohne meinerseits im geringsten nit darfür 
veranlasste Ursach, so schlechter Dingen zurückgezogen 
worden; Weilen Ich nun mich in Bälde zue einer anderen 
Heuraths AHiance erklären dürfte, dabei ich dan der Ew. 
Excell. für die Infantin zue gestellte Jubelen nöttig haben 
würde, so werden dieselbe sehr wohl thun, wann Sye solche 
iiclx n denen Credentialien des gross Teutschmaisters. meinen 
Hertzliebsten herrn Bruderen (die hier folgende Abkürzung 
unleserlich), einzuhändigen Beliebens tragen wollte mit dem 
ersuchen, mir selbe, sobald er in Italia angelanget sein wirdt, 
durch aigene (das folgende Wort unleserlich) zue überschickhen ; 
Im übrigen verbleibe nichts destoweniger Ew. Excell. höch- 
lich obligirt, dass Sye meinetwegen in diesem Werkh vill- 
fälltig bemühet gewessen, der köstlichen Zuversicht lebendt, 
dieselbe werden, dem ohne mein und ihrem verschulden er- 
folgten schlechten success ohnerachtet, in der Mir: Und 
meinem Hauss Bezeigten affection noch ferner continuiren, 
warumb Ew. Excell. hiemit schönstes bitte, Und nächstdann 
immerfort verbleibe 

Neuburg den 29t Ewer Exellentz 

Juny 1690. gantz guettwilligster obligirtester 

beständigst bis in meine Todt 
Johann Wilhelm Cur Printz 

Mp. 

An Kays. Envoye zu Madritt Schlusscompliment und 

H. Grafen von Manssfeldt. Unterschrift eigenhändig. 



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Ein Heiratsprojekt im pfalzneuliurpischcn Hause. 369 

Uberschrieben der Registraturvermerk: Recept. Madrid d . . . 

Vom Chur PrintZ ZU pfalz. uml beantwortet d . . . 

July 1690 (die punk- 
tierten Stellen Über- 
klebt). 

Der Brief nimmt unser Interesse nach jeder Richtung- 
hin in Anspruch, einmal durch die klar erhellende That- 
sache, dann wegen der beteiligten Personen. 

Die Werbung des Kurprinzen war soweit von Erfolg, 
dass der König, also Pedro von Portugal, seine Zusage 
bereits gegeben hatte. Zunächst beschäftigt uns die Frage: 
Wer war die erkorene Braut? Nicht oft vermag man eine 
so präcise Antwort zu finden, wie in dem vorliegenden 
Falle. Nur eine Persönlichkeit kann in Betracht kommen: 
Isabella Maria, die am 6. Januar 1669 geborene Tochter 
König Pedros aus seiner ersten Ehe mit Maria Francisca 
von Nemours, der geschiedenen Gemahlin seines im Jahre 
1668 abgesetzten Bruders Alphonso VI. Isabella Maria ist 
das einzige Kind aus dieser Ehe. Seitenverwandte, an die 
man etwa noch denken könnte, waren nicht vorhanden. 
Wir erinnerten uns schon oben, dass Johann Wilhelms 
Schwester Maria Sophia seit dem Sommer 1687 als zweite 
Gemahlin des Königs Pedro in Lissabon weilte. Eine Ehe- 
beredung zwischen ihrer Stieftochter und ihrem zur Thron- 
folge berufenen Bruder kann nicht überraschen und musste 
dem noch regierenden Philipp Wilhelm bei seiner nach der 
österreichischen Devise: Tu felix Austria mibe sich richten- 
den Ideen höchst willkommen erscheinen. 

W as den Abbruch der Verhandlungen verschuldete, 
entzieht sich selbstverständlich jeder Vermutung. Nur das 
darf man festhalten, dass, wie sich die Sache dem Urteil 
Johann Wilhelms darstellte, weder ihn noch seinen Ver- 
mittler ein Verschulden trifft. Unser Brief ist vom Juni. 
Im Oktober starb Isabella Maria, gewiss nicht aus Liebes- 
gram. Dazu war Johann Wilhelm denn doch nicht die 
Persönlichkeit. Aber wenn etwa Krankheit der Tochter 
den Vater zur Lösung des Verhältnisses veranlasste, so mag 
die damit verbundene Aufregung und Kränkung das Ende 
der armen Prinzessin beschleunigt haben. 

Jahrbuch XV. 



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370 



Th. Lcvin 



Gewiss nennen wir sie nicht ohne Grund : „Arme Prin- 
zessin". Ihr Schicksal erscheint nach Auffindung- unseres 
Briefes nur um so bedauernswerter. 

Isabella von Braganza zog als präsumtive Erbin des 
Königreichs Portugal schon früh die Aufmerksamkeit der 
maassgebenden Staatenlenker auf sich. Ludwig XIV. hatte 
ihr, der kaum vierzehnjährigen, den jungen Herzog von 
Savoyeti, Victor Amadeus [L, zum Gemahl ausersehen. Ein 
glänzender Fürst, dessen Verdienste um die bildende Kunst 
unvergessen sind. Das Projekt scheiterte an den Bedingungen, 
die man in Turin stellte. Etwa anderthalb Jahre später 
richtete Ludwig seine Blicke auf den Thronfolger Ferdinand 
von Toscana, immerhin noch eine sogenannte glänzende Partie, 
aber auch hier kein Erfolg. Noch ein drittes Mal stand die 
Prinzessin vor der Aussicht auf eine standesgemässe Ehe. 
Und als auch dieses Projekt sich zerschlug, starb sie. 

Der Vermittler ist nicht nur für Österreich eine wichtige 
diplomatische Persönlichkeit, sondern auch, von der neu- 
aufgefundenen Thatsache abgesehen, für die Geschichte der 
Neuburger von Bedeutung. 

Im Herbste 1689 wurde in Neuburg die Vermählung 
der Schwester Johann Wilhelms, Maria Anna, deren Bildnis 
von Eglon v. d. Neer als unbekannt im Museum zu Speyer 
hängt, mit Karl EL von Spanien, dem letzten regierenden 
Spross Carls V., durch Procuration vollzogen. Im Frühling 
1690 erfolgte die feierliche Vermählung in Madrid, am 
4. Mai, nach anderen, wohl richtigeren Angaben am 14. 
In Neuburg stand an Stelle des königlichen Gemahls Graf 
Heinrich Franz von Mannsfeld, der auch die königliche Frau 
nach Spanien begleitete. Im Auftrage Johann Wilhelms 
hat er dann sofort nach seiner Ankunft in Madrid die Ver- 
handlungen mit dem Lissabonner Hof angeknüpft. Für 
seine Sendung nach Neuburg erhielt er das Fürstentum 
Fondi im Königreich Neapel zum Geschenk und seitdem 
erscheint er als Mannsfeld, Fürst von Fondi. Am 1. Okt. 1709 
wurde ihm „für seine von Jugend auf in hochwichtigen 
Gesandtschaften, Friedensgeschäften und eidtlichen Kriegen 
— in die 49 Jahr lang non interrupta Serie — geleisteten 
Dienste" der 1691 verliehene Reichsfürstenstand erneuert 



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Ein Heiratsprojekt im pfalzncuburgischen Hause. 



371 



(Gef. Mitteilung des Herrn Dr. Kretschmayer in Wien nach 
dem im Adelsarchiv, Min. d. Inn., befindlichen Akt). „Er 
hat es dann bis zu des Lebens Gipfelhöhen gebracht, ist 
I lofkriegsratspräsident (bis 1698), Gen. Feld-Zeug- Meister, 
Wirkl. Geh. Rat, Oberstkämmerer und Konferenzminister 
geworden und 17 15 gestorben". Näheres findet man wohl 
bei Niemann, L. F., Geschichte der Grafen von Mansfeld, 
1834. Johann Wilhelm hatte es jedenfalls mit der ander- 
weiten Verwendung der an Mansfeld übersandten Juwelen 
sehr eilig, sonst hätte er auf die Rücksendung gewartet, 
ohne daran zu erinnern. 

Der erwähnte Gross- Deutschmeister ist der 1660 ge- 
borene, also zwei Jahre jüngere Bruder Johann Wilhelms. 
Ludwig Anton. Er hatte diese Würde 1685 erlangt, wurde 
im Januar 1694 Bischof zu Worms und starb im April 
desselben Jahres als Bischof von Lüttich. Es lastete ein 
schweres Verhängnis auf den Söhnen Philipp Wilhelms, 
Im Jahre 1695 lebten von neunen nur noch vier, und davon 
gehörten zwei dem geistlichen Stande an. Das regierende 
Haus stand auf vier Augen. Aus unserm Briefe ersehen 
wir, dass Ludwig Anton sich bei Eintreffen desselben in 
Madrid befand. Aus dem Journal du voyage de la reine 
depuis Neubourg jusqu'a Madrid (von dem Kammerdiener 
Becquez) wissen wir, dass Prinz Ludwig seine Schwester 
nach Madrid begleitete und ihr, die eine treffliche Sängerin 
war, durch seine eigenen hochgerühmten musikalischen 
Talente die Langeweile der Ueberfahrt verkürzen half. 
Was es mit den im Briefe erwähnten Crcdentialien (Be- 
glaubigungsschreiben) für eine Bewandtnis hat, ob Prinz 
Ludwig nach Italien ging, um im Hause der Medicecr für 
seinen Bruder die Wege zu ebnen, das bleibe zur Zeit da- 
hingestellt. 



Nachdem vorstehende Zeilen an die Redaktion des Jahrbuchs abgeliefert 
waren, erhielt der Verfasser von Herrn Philipp Braun einen zweiten, auf die 
gleiche Angelegenheit bezüglichen Brief Johann Wilhelms und zwar das auf der 
Auktion in Köln kürzlich erstandene Original, dessen "Wortlaut folgt : 

Meinen gn. grues, unnd geneigten willen zuvor Hoch- unnd 
Wolgebohrner besonders lieber Herr Graff p. gleich wie Ich nit 
habe ennangelen wollen, mit gegenwertigeu dem Ehrwürdig- unnd 

21» 



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372 



Th. Levin 



wolgebohrnen Meinen besonders lieben Wilhelm Frantz Johann Bert- 
ramen Freyherren von Nesselrode zu Eresshoven der hohen Thnmb 
Stifter zu Münster unnd Lüttig respective Thumb-Custeren nnnd Capi- 
tularn die bewuste Joelen, nemblich eine Contrefaitbuchssen, sarabl 
zwey ohrgehenger unnd einem diamanten Ring zuzustellen, gestall 
diesse stuck Ew. Excellenz von Meinetweg zu überliefferen ; alsso 
ersuche Ich auch Ew. Excellz. hiemit angclogontligst, Sie bey dero 
so guetwillig übernohmener negotiation unnd Werbung zu seiner Zeit 
in meinem Nahmen Ihrer Königl. Hoheit der Infantin in portugal 
selbige zu praesentiren, nnnd diess werck zu gutem effect, unnd 
ende so balt immer möglich befürderen wollen, allermassen Ich mich 
< Jessen desto zuverlässiger getröste, alss Ew. Excellz. bey dero an- 
wessenheit hieselbst Mir darzu fast grosse Hoffnung gemachet, unnd 
deren gewissheit mich gleichsamb versichert habe; Wie Ich dan 
dessen effectuirung Ew. Excellz. dero bey wohnender hoher prudenz 
nnnd dexterität gäntzlieh überlasse, nnnd zu demselben Mein sonder- 
bahre.; vertrawen, unnd Confidenz setze, dass Ew. Excellz. Mich, so 
balt möglich sein wirdt. mit einer annehmlicher resolution erfrewen, 
unnd Ich dsso in Meinem eintzig verlangen ahm allerfürdersambsten 
consolirt werden möge, Ew. Excellz. weiden Mich gewisslich hier- 
durch zum höchsten obligiren, unnd Ichs gegen dieselbe in dank- 
bahrlicb gemüth mit der That zu erkennen, nit anderlasse, wobey 
Ew. Excellz. gutfinden, unnd disposition lediglich anheimb gebe, ob 
Sie die anietzo mit Ihro Mays. der Königin in Hispanien auff Madrit 
rheissenden Frewlein von Metternich, unnd die von Mir mitgebene 
Cavallieri auf Lisabona kommen lassen wollen, umb hochgr Infantin 
Hocheit bey dero Heraussfuhrung der gebühr bedienen zu können, 
Ew. Excellz. ersuchent, Mir unbeschwert darüber dero wolver- 
nünfftiges parere unnd Meinung in (?) herprachtem Vergnügen mit 
negstem zu eröffnen, bcliebens zu tragen, dero Ich ohne dass mit 
gn. gante geneigten woJ affectionirten willen beharrlieh zugethaen, 
auch unveränderlich verbleibe. 

Ewer Excellentz 
Newbourg ahn der . .... . 

Thonaw den Uten santz S uetwilh S unnd obhgn-tister 

7 bris 1689. blS m ,ncincn Todt 

ahn Hn. graff von Johann Wilhelm Chur Printe. Mp. 

Mannsfelt. 

Ewer Excell. ersueche hiemit schönstens mich bey Ihro Mays. 
d Königin zue endtschuldigen dass ich mit schreiben nicht auff- 
warte meine bettlägerichkeith ist alles dessen in Ursach, solle aber 
hernechstens fleissig sein. Was sonsten meine ahngelegenheitten 
ahnlanget, recommendier ich selbige nachmahlens (sie) ahm besten, 
und bitte mich so baldt möglich zue consolieren. 

Schlusskompliment mit Unterschrift und Nachschrift eigen- 
händig. Die gesperrten Worte mit Abkürzungen. 



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Ein Heiratsprojekt im pfalzncuhiirfjischen Hause. 



373 



Die Bezeichnung der Dame, um die Johann Wilhelm 
freite, als Infantin schliesst jeden Zweifel über die Persön- 
lichkeit aus. Wir haben das Eheprojekt des Kurprinzen 
mit der portugiesischen Königstochter Isabella Maria zu den 
geschichtlichen Thatsachen zu rechnen. Der Graf Mansfeld 
scheint bei seiner Anwesenheit in Neuburg zu der Ver- 
mählungsfeier Maria Anna's die Idee angeregt zu haben, 
wohl nicht ohne vorheriges Einvernehmen mit der Königin 
von Portugal, der gegenüber Johann Wilhelm den Grafen 
bittet, ihn wegen des Ausbleibens von Briefen zu ent- 
schuldigen. Man ist versucht, zunächst an die Königin von 
Spanien zu denken. Allein sie war im September 1689 
überhaupt noch nicht in Madrid eingetroffen, wie sich ja 
auch aus der Fassung der auf die Reisebegleitung bezüg- 
lichen Stelle ergiebt. 

Unter den Juwelen verdient die Contrefaitbuchssen 
Beachtung. Ein solches reich ausgestattetes Kästchen war, 
wie schon der Name andeutet, zur Aufnahme eines Miniatur- 
portraits bestimmt; es ist wohl anzunehmen, dass das Bildnis 
Johann Wilhelms eingefügt war. Über den Domherrn Frei- 
herrn von Nesselrode vermag ich weiteres nicht beizubringen. 

Die Fassung des Schreibens und namentlich die eigen- 
händige Nachschrift lassen erkennen, dass Johann Wilhelm 
die Verwirklichung seines Planes sehr am Herzen lag. 
Politische Rücksichten werden dafür massgebend gewesen 
sein. Der starke Ausdruck, mit dem die Enttäuschung in 
dem vorher mitgeteilten Briefe sich äussert, erscheint nun- 
mehr gerechtfertigt. Nicht ohne Humor ist die Zuversicht, 
mit der Johann Wilhelm schon jetzt für die Reisebegleitung 
der Prinzessin-Braut Anordnungen treffen möchte. 



Miscellen. 



Eine Eingabe Samson Heines aus dem Jahre 1807. 

Bekannt ist, dass der Düsseldorfer Kaufmann Samson Heine, der 
Vater von Heinrich I leine phantastischen Geschäftsunlernehmungen, 
die dem Rückgange seines anfänglich gut gehenden Handelsgeschäfts 
vorbeugen sollten, nicht, abgeneigt war. Karpeles hat in seinem 
Buche über Heinrich Heine Züge aus dem Leben des Vaters zu- 
sammengestellt, die hinreichen, nach dieser Richtung hin ein Bild 
von der Geschäftspraxis des im übrigen gewiss stets bieder und 
rechtlich denkenden und handelnden Mannes zu geben. Das weit- 
gehende Interesse, welches sich heute an den Namen Heinrich Heine 
knüpft, mag es rechtfertigen, dass hier eine bisher nicht bekannte 
Spekulation des Vaters an das Tageslicht gezogen wird, von der 
man freilich nicht mit Bestimmtheit sagen kann, ob sie lediglich 
ein phantastisches Unternehmen war oder eitlen festen Untergrund 
hatte. 

Den Gegenstand dieser Spekulation des Samson Heine bildeten 
die in Düsseldorf zurückgebliebenen Kähmen der Bilder der alten 
Düsseldorfer Gallerie, deren Abführung im Dezember 1805 stattge- 
funden hatte, wie dies allseitig bekannt ist; damals waren in der 
„Salle de le gallerie" 240 Kähmen, die wohl des leichteren Trans- 
ports der Bilder halber von diesen entfernt waren, zurückgeblieben. 
Etwa zwei Jahre hatten nun diese Kähmen in dem Raum der 
Gallerie gelagert, gewiss ein grosses Hindernis für die Benutzung 
desselben, als Samson Heine sich bei Joachim Murat's Finanzminister 
Agar in dem nachstehenden nicht datierten, dem Ministerium am 
12. Dezember 1807 übergebenen Schreiben zum Ankauf derselben 
erbot. 

An Sne. Excellenz den Herrn Finanz-Minister. 

Es befinden sich in die hiesige Sääle, wo vorhin die Bilder- 
gallerie aufgestellt war, noch jene Rahmen, in denen die Gemähide 
eingefasst waren. Da nun dieselbe Sr. Kaiserlichen Hoheit zu keinem 
Vortheil, auch gar keine Diensten leisten, vielmehr sind solche beim 
längeren stehen dem Verderben ausgesetzt; — da wir vermuthen, 
dass selbe käuflich an sich zu bringen sind; Weil mir aber die 
Kaufbedingungen sowie der Kaufpreis unbekannt sind und ich von 



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Miscellcn 



375 



den gemeldten Rahmen in dem Augenblick einen geeigneten Ge- 
brauch machen kann, werden mir Ehler Excellenz gnädig erlauben, 
um die Kaufbedingungen und den Kaufpreis gehorsamst anfragen 
zu dörffen, worüber die allerhöchste Entscheidung erwartend in 
tiefester Ehrfurcht 

verharre Ew. Excellenz unterthäniger 
S. Hein.'. 

Hierzu die Aufschrift: Unterthänige Bitte wie [nhalts, den 
Ankauf der in den hiesigen Säälen befindlichen Rahmen der Bilder- 
gallerie betr., vom hiesigen Kaufmann S. Heine. 

Das Gesuch Heines machte seinen Weg durch die Bureaus des 
Finanzministeriums und der Generaldirektion der Domänen. Am 
IG. Dezember 1807 erhielt es der Professor der Baukunst Schaefer, 
der bei Aufhebung der Klöster im Bergischen vielfach als Taxator 
der in die Hände des Staats gelangten Gegenstände, namentlich 
Mobilien, verwendet worden war, mit dem Auftrage, unter Zuziehung 
des Vergolders Wierich die Abschätzung der noch vorhandenen 
240 Kähmen vorzunehmen. Schacfers Bericht erfolgte unter dem 
21. Januar 1808 an den General-Domänen-Direktor von Rappard. 
Auf diesen Bericht, der für die Forschung über die Gallerie von 
Wert ist, soll hier nicht näher eingegangen werden. .Mit Hecht 
wird dort darauf hingewiesen, dass nur die Krone Bayern von 
diesen Rahmen Gebrauch machen könne, diese aber die Kosten für 
den Transport zu scheuen habe; es soll mit diesen Worten wohl 
die Vermutung ausgesprochen werden, dass Samson Heine in dem 
vorliegenden Falle Agent der bayrischen Regierung war. Als Selbst- 
käufer jedocli würde, meinte Schaefer, Heine selbst, „der Jude, der 
mit Langmut das Gold mit Scheidewasser vom Kreidegrund scheidet, 
für das ganze Objekt kaum 300 Thaler geben". Weiter liat Schaefer 
sich dann mit löblicher Gründlichkeit der Sache angenommen; er 
teilt die vorhandenen 240 Rahmen mit zusammen 2809!/ 2 Fuss 
Länge in 5 Klassen zum Gesamtwerte von 1849 Thaler 15 Stübor, 
der sich jedoch nach den Umständen ändern könne. 

Rappard legte diesen Bericht am 24. Februar 1808 dem Finanz- 
minister Agar vor, der am 9. März eine den Antrag Heines ab- 
lehnende Entscheidung gab. Während er noch vor kurzem den 
Auftrag zur Abschätzung der vorhandenen Rahmen erteilt hatte, war 
er jetzt „keineswegs gesinnt, zu einem Verkauf der gedachten 
Rahmen zu schreiten. Vielmehr war es ihm angenehm, bei dieser 
Gelegenheit eine Übersicht über die Anzahl und den Wert derselben 
zu erhalten, damit für deren Conservation zu einem allenfallsigen 
künftigen anderweiten Geltrauch desto besser gesorgt werden könne". 
Sbdänn gab er die Angelegenheit an den Mildster des Innern als 
zu dessen Ressort gehörig mit dem Bemerken ab, dass ei nicht 
beabsichtige, auf Heines Antrag einzugehen und beauftragte, ebenfalls 
unter dem 9. März d. den Domänendirektor v. Rappard, den 



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376 



Miscellen 



Samson Heine von diesem Bescheid in Kenntnis zu setzen, was auch 
unter dem IG. März geschah. 

Heute ist die Verschleppung, welche Heines Antrag erfuhr, 
ehensowenig vorständlich wie der Inhalt des Bescheides des Finanz- 
ministers. Vom 12. Dezember 1807 bis zum 16. März 1808 lag 
die Sache in den Bureaus des Ministers. Einen Grund dafür, Bayern 
jetzt die Rahmen vorzuenthalten und diese nicht denselben Weg 
gehen zu lassen, wie zwei Jahre früher die kostbaren Gemälde 
selbst, gab es nicht; ebensowenig war eine spätere Verwendung 
derselben denkbar. Ks könnte somit der bevorstehende Regierungs- 
wechsel höchstens als Grund angesehen werden, die Erledigung der 
Angelegenheit zu verschleppen. Mit diesem Bescheide des Finanz- 
ministers Agar war die Sache aber doch noch nicht erledigt. Es 
muss in Düsseldorf damals, als der Regierungswechsel eintrat und 
Minister Agar durch Beugnot ersetzt wurde, doch etwas in der Luft 
gelegen haben, was Samson Heine den Mut gab, sein Projekt des 
Ankaufs der Rahmen fest im Auge zu behalten und auf dasselbe 
zurückzukommen, sobald sich die Aussicht auf einen günstigeren 
Bescheid eröffnete. Solchen, nicht näher bekannten Umständen wird 
der hier im Wortlaute folgende Brief an den Minister Beugnot vom 
6. September 1808 seine Entstehung verdanken. 

Votre Exeellence! 

Ayant entendu. que dans ce moment cy on ait besoin des 
sallons dans le vieux chateau, oü l'on garde les cadros des tableaux 
de la cidevant Gallerie et que le ministere est embarasse oü mettre 
toutes ces boisories je m'empresse de m'adresser ä votre Exeellence 
pour qu'Elle veuille bien nie faire vendre tonte la collection de 
ces cadres; je puis les employer d'une maniere a ce que j'en 
puissc offrir la somme en argont comptant, dont ces cadres ont 
deja 6te evaluös, et la quelle aueune autre voudroit payer pour ces 
cadres, qui enfin sont d'aucuue utilite a personne, et qui ä l'avenir 
sont expose ä une ruine totale. 

En atteudant une reponse favorable j'ai l'honneur d'etre avec 
la plus haute consideration. 

Monseigneur de votre Exeellence 
Dusseldorf G. 7bre le tres humble et tres obeissant serviteur 

1808. S. Heine. 

Aufschrift: tres humble petition de part de S. Heine a S. E. Mr. 
Beugnot etc. concernant l'achet de vieux cadres de Tableaux. 

Indessen hatte Samson Heine auch dicsesmal kein Glück. Mit 
dem Bescheide: 11 ne pourra provisoirement etre rien change ä la 
decision pres sur la meine demande par l'ancien gouvernement. 
Dusseldorf le 7. 7bre 1808 

Par S. E. : Gericke 
lehnte auch das Ministerium des nunmehr napoleonischen Gross- 
herzogtums seinen Antrag ab. 



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Litterarisches. 

Dr. Fr. Cramer, Rheinische Ortsnamen aus vor- 
römischer und römischer Zeit. Düsseldorf, Ed. Lintz L901. 
173 S. 

Im zehnten Bande dieses Jahrbuchs bal der Verf. bereits Uber 
Niederrhoinisehe Ortsnamen einteilend gehandelt. So werden den 
Lesern unserer Zeitschrift manche Partien der vorliegenden Schrift 
schon bekannt sein. Umsomehr dürfte es sie darum interessieren, 
hier den Fortgang der anlegenden und sorgfältigen Cramerschen 
Untersuchungen kennen zu lernen, die sich nunmehr auf das ganze 
rheinische Gebiet erstreckt haben und in dieser Monographie ein 
völlig abgerundetes Ganze bilden. 

Wenn der französische Forscher d'Arbois de JubainviJle in 
grossen Zügen die Hypothese verfocht dass vor den Kelten Ligurer 
auch im Rheingebiet gesessen haben, so hat jetzt Cramer im Anschluss 
an Decckes Forschungen weitere Stützen und Belege für jene Ansicht 
beizubringen gesucht. Besonders ist er dabei dem sc -Suffix nach- 
gegangen und hat u. a. auch das Suffix -avo, -ava als ligurisch 
angesprochen. 

Im weiteren untersucht der Verf. die Orts- und Flussnamen 
aus keltischer und gallisch-römischer Zeit. In alphabetischer Folge 
stellt er die Namen keltischer und römischer Herkunft zusammen, 
die durch Quellen des Altertums Iiis zum beginnenden Mittelalter 
auf uns gekommen sind und sieh mehr oder minder bestimml auf 
noch heute vorhandene Orte beziehen lassen. Hieran schliessl sieh 
eine Zusammenstellung der rein lateinischen Ortsnamen aus der Zeit, 
der Römerherrschaft. Solcher giebt es nicht allzuviele, da die Römer 
ja in der Hauptsache die bereits vorhandenen strategischen Punkte 
sich zu eigen machten und den gallischen Namen nur latinisierten. 
Die meisten römischen Neugründungen verdankten nur den von den 
Römern geschaffenen Strassenzügen ihre Entstehung. 

In der folgenden nach den Regierungsbezirken Düsseldorf, Köln 
und Aachen geordneten Zusammenstellung nicht aus dem Altertum 
überlieferter aber durch ihre Bildung erkennbarer keltischer Namen 
hat der Verf. die Forschungen von Marjan und Bsser wesentlich 



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:!7S 



Litterarisches. 



ergänzt Eier werden zunächst die Kamen auf -ich, -ach behandelt, 
die dein gallischen -äcon oder -äeos entsprechen. Ks folgen die 
Namen auf -n oder -on mit abgefallenem Suffix -ich (iacum). So 
finden wir ■/,. B. neben Mechernich ein Ifeoliern, neben Merzenich 
ein Merten u. s. w. (iross ist die Zahl der Namen auf -ingon, die 
ursprünglich mit -iacum gebildet waren, /.. B. Essingen (Ismiacum). 
Wenn (immer hier (S. Iii Anm.) die Ableitung rerdingens von ord 
(Spitze) durch Entgegenstellung von Urdenbach zweifelhaft erscheinen 
lässt, so wäre doch zu bemerk) sn, dass der alte Rhein bei I rdenbach 
t hat siieh lieh eine Biegung machte, und somit auch hier jene Ableitung 

Zutreffen Würde. 

Nach Besprechung der mit den Suffixen -anc, -ineo und -um« 
gebildeten Namen wendet sich C ramer zu den mit duron (Festung) 
und dunon (befestigte Anhöhe) zusammengesetzten Namen, wie zu 
den Bildungen mit -magus, -briga, -lanum, -rigon, bono-, veia (i'liessen), 
-munt (Berg), -ceton (Wald, Haide). Zusammenfassend werden dann 
noch Ableitungen von sonstigen Fluss- und HergnameB behandelt 
und Wortstämme verschiedener Art erläutert Am Schlnss ilieses 
ganzen Abschnitts erläutert der Verf, noch die nicht aus dem Alter- 
tum überlieferten römischen (lateinischen) Namen wie Oalcar, ('aster, 
Jüchen, Kerpen u. s. w. 

Im dritten Abschnitt finden wir dann Einzel.iusführungen, von 
denen die [Iber Xanten und Hirten unsern Mitgliedern in der Banpt- 
sache schon bekannt sind, während die Abhandlungen Ober Marco- 
durum, das apa- Problem und namentlich über den Fifelgau noch 
als ganz hesonders anregend und fesselnd bezeichnet werden müssen. 
Ita^s Qramer den Eäfelgau, den Pagns aquilenSis mit einem Fluss 
Aquila in Verbindung bringt und mit dem Auelgau zusammenstellt, 
wird jedenfalls Anlass zu weiteren Erörterungen geben. Die ganze 
Untersuchung ist mit grosser Sorgfalt und einsieht durchgeführt, 
Das kann mau überhaupt von dem ganzen Buche sagen; trotz des 
scheinbar spröden Stoffes ist es dem Verlässer gelungen, lebendig 
und anschaulich sein Thema zu behandeln und damit wirklich eine 
Vorarbeit zu liefern zu einer Darstellung der Hesiedelungsgesehichte 
rheinischer Landesteile. < ). He«) 1 ich. 



Tafel I. 





I. Graf Eberhard von Berg (1160 1189). 

4. 5 (Rücksiegel von 4). 

Heinrich, Herzog von Limburg, Graf von Berg (1225-1247). 



IMmln^i .ipliir uml I.ithulruch »OB Willi Otto, I Kissililm f. 



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6. 7 (Rücksiegel von 6). Irmgard, Erbtochter von Berg, Gemahlin des 
Herzogs Heinrich von Limburg, Grafen von Berg (Taf i, 4 5). 



rh grapUe und Lichtdruck von WBK Otto, DBnddoci 




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8. 9. 10 (RUcksiegel von 9). Adolf (IV.), Erstgeborener des Herzogs Heinrich von 
Limburg, Grafen von Berg (1247—1259). 

II. Margarethe, Gemahlin des Grafen Adolf IV. von Berg (8 9. io>. 



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Tafel III. 




12. 13 (RUcksiegol von 12). Gräfin Margarethe VOn Berg, Gemahlin des Grafen 

Adolf IV. (Taf. II, 8. 9 10). 



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I!» 





23. 24. Irmgard, Gemahlin des Grafen Wilhelm I. von Berg 

(Taf. V, 20, Taf. IV, 21. 22). 

29. Adolf VI. Graf von Berg (1308-1348). 
30. Agnes, Gemahlin des Grafen Adolf VI. von Berg (Taf v, 27. 28, 

Taf. IV, 29). 



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Inhalt. 



1. Die Entwicklung des bergischen Wappens. (Mit fünf Doppel- 
tafeln in Lichtdruck). Von Archivar Dr. F. Küch .... 1—35 

2. Zur Geschichte der Censur am Niederrhein bis zum Früh- 
jahr 1816. Von Emil Pauls 36 — 117 

3. Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Bergbaus am 
Niederrhein. Von Archivar Dr. Otto R. Redlich .... 118 — 164 

4. Eine politisch-ökonomische Beschreibung des Herzogtums 

Berg aus dem Jahre 1740. Von Dr. Victor Loewe . 165 — 181 

5. Bezirk und Organisation der niederrheinischen Ortsgemeinde, 
mit besonderer Rücksicht auf das alte Herzogtum Berg. 

Von Di. Hermann Schütze 182 277 

6. Die Universität Duisburg unter französischer Verwaltung. 

Von Dr. P. Eschbach 278—326 

7. Ein karolingischer Laienkelch. (Mit Abbild« Taf. VI). Von 

Dr. Heinrich Kelleter 327—363 

8. Bartholomäus von Alten aus Neuss, ein niederrheinischer 
Arzt und Astronom des 15. Jahrhunderts. Von Dr. med. 

K. Sudhoff 3<>4—365 

9. Ein Heiratsprojekt im pfalzneuburgischen Hause. Von 
Professor Th. Levin 366 — 373 

10. Miscelle: . . . 374—37° 

Eine Eingabe Samson Heines aus dem Jahre 1807. Von 
Archivrat Dr. W. Sauer. 

11. Litterarisches: 377 — 37^ 

Dr. Fr. Cramer, Rheinische Ortsnamen aus vorrömischer 
und römischer Zeit. Besprochen von Archivar Dr. Otto 
R. Redlich. 




'!L:!;t: : i:'i>!?!F!:^I^B!l!: r ll" ! ;!!>T 



l.'ÜÄK 



In gleichem Verlage sind erschienen und durch jede Buch 
handlung zu beziehen: 

Geschichte der Stadt Düsseldorf. 

Festschrift «am «00 jährigen Jubiläum der Stadt Düsseldorf. 

(Jahrbuch III des Düsseldorfer Geschieht«- Vereins) 
broch. Mk. 5.—, eleg. geb. Mk. 7.—. 



Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. 



Jahrbuch IV. broch Mk. 3. 

V 2. - 

VI 3.- 

VII ü.- 

,. VIII 4.- 

IX 4.— 

X, 3.- 

XI 4.- 

XII 4- 

.. XIII, .. „ 4. - 

- XIV 4.- 



geh. Mk. 



5.— 

4. — 

5. — 

6. — 
(».- 

5. - 
6 — 

6. — 
f> - 
6.— 



H. Ferber 
Wanderung durch das alte 
Düsseldorf 

mit 2 Plänen 
Lieferung 1 und II je Mk. 1—, 
gebunden in einem liand Mk. 4.— 

Dr. Redlich 

Tagebuch des LieutenantsA.Vossen, 
vornehmlich über den 

Krieg in Russland 1812 

broch. Mk. 1 — 

Dr. Redlich 
Napoleon I. in Düsseldorf 

mit grosser Lichtdruckbeilage 
brocbirl Mk. 2.— 



Dr. Redlich 

Hillebrecht und Wesener 

Der Hofgarten zu 
Düsseldorf u. der Schloss- 
park von Benrath 

mit Lichtdruck - Beilagen 
broch. Mk. 2.50, geb. Mk. 4 50. 

Düsseldorf im Jahre 1715. 

Grosses Lichtdruckbild mit Text. 
Mk. 1.50. 

Die Schnitzwerke am 
Marstall des Jägerhofes zu 
Dusseldorf. 

Von Walter Jost. 
Mit 2 Tafeln. Mk. 2.— . 



Gabriel Ritter von Grupello, Broncestatuette des Kur- 
fürsten Johann Wilhelm im Jägerhof zu Düsseldorf. 

Von Fr. Schaarschmidt. Mit 2 Bildern. Mk. 2.—. 
Jacobe von Baden. Von Fr. Schaarschmidt. Mk. 2.— . ^ 



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