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Full text of "Die Musik 05Jg, 2Q, Bd.18, 1905-1906"

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DIEMUSIK 



ILLUSTRIERTE HALBMONATSSCHRIFT 



HERAUSGEGEBEN VON KAPELLMEISTER 

BERNHARD SCHUSTER 



fOnfter jahrgang 

ZTEITER QUAHTALSBAND 

BAND XVIII 







VERLEGT BEI SCHUSTER & LOEFFLER 
BERLIN UND LEIPZIG 

190&— 1906 



^ j Original from 

■-. ^ ^H> tS K UNIVERSITY OF MICHIGAN 






■■£*- * 



I- (e- 



INHALT 



s«h© 

Ernst Lewicki, Die Vervollstftndigung ] von Mozarts Grosser c-Moll Messe durch 

Alois Schmitt 3. 168 

Hugo Riemann, Die Wurzeln der Kunst Mozarts 13 

Ernst Heinemann, Zur Textfrage und zur AuffQhrung von Mozarts w Don Juan" .... 17 

Dr. Carl Mennicke, 11 ragazzo Mozard 31 

Felix Weingartner, Die Posaunen in Mozarts Requiem 41 

Dr. Jur. E. Ginsberg, Die Internationale Stiftung „Mozarteum a in Salzburg und Mozarts 

Geburtshaus 44 

F. A. Geissler, „Salome" von Richard Strauss 56 

Paul Marsop, Zur BQhnen- und Konzertreform. FQnfte Folge 79. 215 

Dr. Alfr. Chr. Kalischer, Ein Konversationsheft von Ludwig van Beethoven. Zum 

ersten Male vollstftndig mitgeteilt und erl&utert (Schluss) 100 

Dr. Edgar Istel, Die Entstehung des deutschen Melodramas 143. 231. 308. 367 

Prof. Dr. Wilhelm Altmann, Die deutsche Musiksammlung 176 

Em II Jaques-Dalcroze, Klavierunterricht und musikalische Erziehung. Den Familien- 

mattern gewidmet 295. 399 

Dr. Julius Hagemann, Der moderne Musikalienvertrieb. Ein Vorschlag 331 

Paul Moos, Richard Wagner als Asthetiker *. ... 391 




Besprechungen (Bflcher und Musikalien) 

Revue der Revueen 

Umschau 

Eingelaufene Neuheiten 

Anmerkungen 



59. 109. 179. 257. 3^3. 411 
. . 65. 112. 183. 261* 337 
67. 114. 186. 264. 343. 414 

210 

75. 140. 212. 292. 364. 444 



J::;i ".i/.OV* 



165749 



Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



INHALT 



Kritik (Oper) 



117. 



191 



268. 
191. 



Aachen . . 

Amsterdam . 

Antwerpen 

Baltimore 

Berlin 69. 117. 

Braunschweig 

Bremen . . 

Breslau . . 

BrOnn . . . 

BrGssel . . 

Charlottenburg 

Darmstadt 

Dessau . . 

Dresden . 70. 192. 270. 420 

DQsseldorf 270 

Elberfeld . . 118. 346. 420 
Frankfurt 1 1 8, 1 92. 27 1 .346.42U 



Seitc 

418 

268 

268 

268 

418 

419 

. . 69 

269. 419 

117. 246 

. . 191 

117. 346 
192. 420 

118. 346 



Freiburg i. B. 
Genf . . . 
Graz . . . 
Halle a. S. . 
Hamburg 70. 
Hannover. . 
K61n 70. 118. 
Kflnigsberg i. Pr, 
Kopenhagen 
Leipzig . 71. 
Lemberg . 
Magdeburg 
Mailand . 
Mainz 
Mannheim 
Moskau 



271. 
93. 



18. 



Seitc 
. . 192 
118. 346 
193. 421 
193. 421 

346. 421 
193. 347 
272. 422 

. . 272 
. . 71 

347. 422 
118. 348 
272. 422 

. . 119 

193. 423 

71. 272 

71. 423 



Seitc 
MQnchen .... 194. 423 
New York . 119. 272. 423 

NQrnberg 424 

Paris 119. 273 

Petersburg . . .195. 348 

Posen 348 

Prag ... 120. 273. 424 

Rosario 195 

Rostock 274 

Schwerin i. M. . . 196. 425 
Strassburg i. E. . . 121. 274 
Stuttgart . . 71. 196. 348 
Teplitz-SchOnau ... 274 
Weimar . . . . 121. 348 

Wien 121 

Wiesbaden 274 

ZQrich 196. 425 



Seitc 

Aachen 425 

Agram 275 

Amsterdam . . . 275. 426 
Antwerpen . . . 121. 275 

Baltimore 349 

Barmen .... 122. 350 

Basel 350 

Berlin 72. 1 22. 1 97. 276. 350.426 

Bradford 200 

Braunschweig 125. 201. 430 

Bremen 280 

Breslau . . 125. 280. 430 

Brdnn 125. 431 

BrOssel .... 125. 354 
Chemnitz . . . .126. 354 

Chicago 201 

Cincinnati 354 

Darmstadt . 126. 281. 431 
Dessau .... 127. 355 
Dortmund . . .127. 355 
Dresden 127. 201. 281. 431 
DQsscldorf . . .127. 282 
Elberfeld . . 128. 355. 432 



Kritik (Konzert) 

Seitc 

Essen 433 

Frankfurt 1 28. 202. 282.356.433 

Freiburg i. B 282 

Genf 128. 433 

Graz 202. 433 

Haag 129 

Halle a. S. . 129. 202. 434 
Hamburg 129. 283. 356. 434 
Hannover . 130. 284. 357 
Heidelberg . 130. 357. 435 

Helsingfors 202 

Kassel 357 

KOln 131. 203. 284. 358. 435 
Komgsberg i. Pr. . . . 285 
Kopenhagen . 131. 358. 435 
Leipzig 131. 203. 285. 358. 435 

Lemberg 132 

London .... 204. 437 
Magdeburg . 133. 360. 437 
Mainz ... 133. 205. 438 

Manchester 360 

Mannheim . . . 133. 360 
Melbourne 287 









Seite 


Moskau . . 


. 


134. 


438 


MQnchen . . 


. 


206. 


439 


MGnster i. W. 






207 


New York 


208. 


360. 


440 


NQrnberg . . 


134. 


288. 


440 


Paris . . . 


134. 


361. 


440 


Petersburg . 


135. 


289. 


442 


Pforzheim 






289 


Posen . . . 




136. 


442 


Prag . . . 


136. 


289. 


442 


Rom . . . 






136 


Rosario . . 






290 


San Francisco 




. 


208 


Schwerin i. M. 


137. 


209. 


443 


Sondershausen 


. 


, 


138 


Strassburg i. E 




138. 


290 


Stuttgart . . 




138. 


363 


Teplitz-SchOnau 


. 


. 


291 


Verden (Aller) 




. 


443 


Warschau 






139 


Weimar . . 


, 


139. 


363 


Wiesbaden 




139. 


291 


ZQrich . . 


139. 


291. 


443 



Reproduktionen im Text: 

Seitc 

Eine Zeichnung zu Paul Marsops Aufsatz „Zur BQhnen- und Konzertreform." Fflnfte Folge 86 



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Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 







Onciinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 





Ernst Lewlcki 

Die Vervollstilndigung von Mozarts grosser c-znolt Messe 

durch Alois Scbmitt I. 

Hugo Riemaira 

Die Wurzeln der Kunst Mozarts 

Ernst Heinemann 

Zur TextFrage und zur Auffutarung von Mozarts 

.Don Juan' 

Dr. Carl Mennicke 

II ragazzo Mozard 

Felix Weingartner 
Die Posaunen in Mozarts Requiem 

Dr. jur* E, Ginsberg 

Die Internationale Stiftung .Mozarteum* in Salzburg 
und Mozarts Gebnrtsbaus 

F, A. Geissler 
.Salome* von Richard Strauss 

Titel zum 17. Band der MUSIK 

Besprecbungen (Bflcher und Musikalien) 

Revue der Revueen 

Umscbau (Neue Opera, Aus dem Opernrepertoire, 

Konzerte, Tageschronik, Totenscbau) 

Kritik (Oper and Konzert) 

Anmerkungen zu unseren Beilagen 

Knnstbeilagen, Musikbeilagen, Anzeigen 

DIE MUSIK onckelat moutllch iwelmil. Abonoemc&tfpreU fdr dis 
QuirtaJ 4 Mark. AbowwmenttprcCi Atr den Jabiftog I ft Mark. Prel* 
des clpidnen Hcffcc* 1 Mtrt VlerteljihneliibtiiddeckcQ A 1 Mart 
S*amelki*tcii for die KunvtbeUigcn de* euzen Jthrgaug* 2»50 Mirk. 
AbooDementt durch Jcde Such- and Mi»tk*ltanl»adliiiiz, fQr kldnt 
Plitzt obne Buchhlndtor Beiac dutch dJc Pott 



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8 






Onciinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



DIE vervollstAndigung von 

MOZARTSiGROSSER C-MOLL MESSE 




DURCH ALOIS SCHMITT 

IN 1HREM TBRDEGANG HACK AUTHENTISCHEN 

QUELLEN DARCE5TELLT 

von Ernst Lewicki- Dresden* Plauen 






|achdem die neuerstandene gross© c-moil Messe <K. V. 427) von 
W. A. Mozart seit ibrer im Herbste 1901 erfolgten VerSffem- 
lichung 1 ) bereits in 35 St&dten des In- und Auslandes zum Teil 
wiederholt mit dero gr&ssten ErFolge zur AuffBhrung gelangt 
1st nnd damit ihre voile Lebensflhlgkeit wohl genugend erviesen hat, konnte 
es uberflfissig erscbeinen, auf jene nach der Berliner ErstanffGbrung 
(November 190 1) in der Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft, 
Jehig, III, Heft 4 (Jan* 1902) S. 141 IT. gegen den Vollender der Messe, 
Alois Schmitt, erhobenen Vorwurfe jetzt noch 2uruckzufcon)inen. Da aber 
die MSglichkeit einer unzutreffenden Beurteilung der Schmittachen Arbeit 
und somit der Mesae in ibrer jetzigen Gestalt dnrch die genannte Ver- 
dffentllcbung weiter besteht, so lange keine aacbliche Erwiderung vorliegt, 
ffihle ich mich um so mehr zur Bekanntgibe der nachfolgenden Mitteilnngen 
veranlasst, als ich alleln im Besltze alter zur Sacbe gebftrenden authentl- 
schen Unterlagen bin und iiberdies mich einigermassen mit venmtwortlich 
fuhte fCr die gegenwirtige Gestaltung des Werkes, Meine Erwidernng soil 
zunBchst darin bestehen, dass ich ftinfach den Werdegang der Vervoil- 
stindigung an der Hand zablreicher, grttsstenteils schriftlicher Ausacrungen 



') Die eraten Auffftbrungen de* volletladlgcn Vcrltee in der Schmlttacbeii Be- 
arbeitung faaden am 3. und 5. April 1901 ia der Martin- Ltitberki re ha zu Dresden start, 
VgL dia Vorwort zur netten Parti tor bexw. zum Klavierauaiug (Breltkopf & Hlrtety, 
worin die Eatatebungageachicbte dei ▼erkee mit dargeetellt lit Elnen kurzen, vor* 
trefflichen Fubrer durch die Mceae bat Fr. Volbacb (Mainz) geachrieben, der alt No. 230 
der Sammluag von H, Seemann NaeM, ia Leipzig 1901 erecbien ttad abgpaehen vora 
Sopraniolo ,Et inwnttae ear", deiaen eigentHchea Weeaa z. B» K. SShle gewiae beaaer 
gcfcennzefcbnet hat, flbcrall den Nage] auf den Kept trlfft. Aucb die 1904 Im Vcriag 
v, H* Kerber in Salzburg eracblenene Broachflre JHoaarts c-moll Metae* von Dr. Fr. 
LEmbeit (DDieeldorf) briagt die Ceacbichie dea Vorkes gut zur DareteJlunf* 

!• 



Cookie 



Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



DIE MUSIK V. 7. 



Schmitts, die ich aufbewahrt habe und deren Veroffentlichung mir von den 
Angehorigen des am 15. Okt. 1902 heimgegangenen Meisters bereitwillig 
zugestanden wurde, wahrheitsgetreu darzustellen versuche. Durch eine 
solche Darstellung glaube ich den Leser davon iiberzeugen zu konnen, wie 
ungerechtfertigt es war, Alois Schmitt, einen bedeutenden Musiker, der wie 
wenige in neuerer Zeit erfolgreich und tatkraftig fiir die Pflege Mozartscher 
Kunst eingetreten ist, 1 ) sogar der Pietatlosigkeit gegen Mozart zu zeihen, 
wie es in der genannten Kritik leider geschehen ist. Das Eingehen auf 
alle Einzelheiten der angefuhrten Kritik behalte ich mir vor und werde ge- 
gebenenfalls in der Z. d. I. M. G. darauf zuriickkommen. 

Meine Dankbarkeit gegen Alois Schmitt und die Erinnerung an die 
Jahre, in denen ich dem 70 jahrigen Meister bei der mit geradezu 
jugendlicher Begeisterung iibernommenen miihevollen Messenerganzung be- 
hilflich sein konnte, bestarken meinen Vorsatz, durch eine wahrheitsgetreue 
Darstellung das Verfahren Schmitts zu begrunden und sein unvergangliches 
Verdienst um ein erhabenes Werk deutscher Tonkunst ins rechte Licht 
zu stellen. 2 ) 

Als der Dresdner Mozart- Verein (gegr. im Januar 1896) im Fruh- 
jahr 1897 durch Gelegenheitskauf in den Besitz der Breitkopf & Hartelschen 
Gesamt-Partitur-Ausgabe von Mozarts Werken gelangt war, hatte ich als 
Vereinsarchivar willkommenen Anlass, meine Kenntnis der Mozartschen 
Kompositionen zu vervollstandigen. Hierbei wurde meine Aufmerksamkeit 
sehr bald auf die in Serie XXIV als No. 29 enthaltene Partitur der 
aus den Jahren 1782 und 1783 stammenden unvollendeten grossen c-moll 
Messe (K. V. 427) gelenkt. Hierbei fiel mir sogleich auf, um wie vieles 
charakteristischer die mir bisher aus Mozarts eigener Umarbeitung des 



J ) Davon zeugt vor allem seine fast siebenjahrige, so uberaus erfolgreicbe 
Tatigkeit als Organisator und musikalischer Leiter des Mozart-Vereins zu Dresden. 

a ) Moctate diese Darstellung mit dazu beitragen, diejenigen Cborvereinigungen, 
welcbe die Messe — Mozarts umfangreichstes und einziges abendfullendes Chorwerk - 
noch nicht kennen, zu einer hoffentlich dauernden Bekanntschaft anzuregen. An dieser 
Stelle ist noch ein bedauerlicher Irrtum zu erwShnen, der sich in der neuen (6.) Auf- 
lage des sonst so ausgezeichneten Riemannschen Musik-Lexikons bei Erwahnung der 
c-moll-Messe eingeschlicben hat. Durch Verwechslung mit einer schon von Jabn als 
untergeschoben anerkannten andren c-moll Messe, worauf vor zwei Jahren A. Sand- 
berger (Munchen) unter Beibringung neuen Materials erneut hingewiesen hatte, be- 
zeichnet Herr Prof. R. leider die grosse c-moll Messe Mozarts als „nach Sandbergers 
Nachweis schwerlich von M. herruhrend* (S. 890). In der nichsten Auflage wird 
selbstverstandlich dieser Irrtum beseitigt sein, aber im Interesse der Sache musste 
so fruh als moglich darauf hingewiesen werden, da doch der eine oder andere 
Dirigent, durch die angefuhrte Bemerkung stutzig gemacht, von der Auffuhrung des 
Werkes absehen kdnnte. 



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( \ \r %oL • Original from ^ 

v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



LEWICKI: VERVOLLSTANDIGUNG DER C-MOLL MESSE 



„Kyrie a und „Gloria a zur Kantate „Davidde penitente" bekannte herrliche 
Musik mit dem Original-Messentext wirken musste. Als vollig neu und 
iiberraschend traten mir die im Davidde p. nicht benutzten fertigen Satze 
„Sanctus tt mit „Osanna tt und „Benedictus" sowie die Partiturentwiirfe der 
ersten beiden Credo-Satze entgegen und alsbald kam mir die Idee der 
Moglichkeit einer Vervollstandigung des Werkes, die mich nicht ruhen 
liess, bis ich Schmitt dafur gewonnen hatte. Zunachst wollte ich ihra 
die bisher noch unberiihrten Entwiirfe zum „Credo al ) gelegentlich zur Aus- 
fuhrung der Instrumentation empfehlen, zu welcher Arbeit er wie wenige 
befahigt war. Denn — so sagte ich mir damals schon — sind einmal 
diese beiden Satze fertiggestellt, dann kann versucht werden, den — frei- 
lich nicht kleinen — Rest des „Credo" und das fehlende „Agnus Dei a 
aus anderen Mozart-Messen zu erganzen. Im Herbst desselben Jahres bot 
sich eine willkommene Gelegenheit, meinem vorlaufig noch fiir mich be- 
haltenen Plane praktisch naher zu treten, als Schmitt fiir das Dezember- 
konzert des Mozart-Vereins nach einem womoglich noch unbekannten 
Mozartschen Sopransolo Umschau hielt. Sogleich zeigte ich ihm den 
Partiturentwurf der Sopranarie „Et incarnatus est" aus der c-moll Messe 
und er erkannte sofort den grossen Wert des Stuckes, stellte noch an 
demselben Tage die Partitur der Begleitung (Violinen und Bratschen) fertig 
und gab die Singstimme seiner Gattin zum Studieren. Am 5. Dezember 
1897 kam die einzigartige Arie wohl zum iiberhaupt ersten Male zur Auf- 
fiihrung 2 ) und erregte sogleich das allgemeine Interesse bei Publikum und 
Kritik, :I ) zumal da das schwierige Solo, das mit den drei konzertierenden 
Blasinstrumenten (Flote, Oboe und Fagott) zu einem wundervollen Quartett 
— Maria, umgeben von drei musizierenden Engeln — verwoben ist, von Frau 
Cornelia Schmitt - Cs&nyi, die dann auch die grosse Sopranpartie der 
Messe „creiert a hat, in jeder Hinsicht vollendet gesungen wurde. Mit dieser 
sehr gelungenen Erganzung des „Et incarnatus est* 4 vom Herbst 1897 begann 
gewissermassen bereits die Vervollstandigungsarbeit an der c-moll-Messe. 

! ) „Credo a und n Et incarnatus est**. Vom „Crucifixus a ab war also nichts vorhanden. 

-) Eine sehr freie Umarbeitung des EntwurFes zum „Et incarnatus est" zu einem 
Adventgesang von G. Pressel (vor langerer Zeit erschienen bei Furstner in Berlin) 
bat als eine wenig glucklicbe Arbeit mit Recht wohl keine Verbreitung gefunden. 
Pressel gibt ubrigens nicht einmal an, dass die von ihm benutzte „Skizze aus Mozarts 
klassischer Kunstlerperiode" dem Fragment der c-moll Messe entstammt. 

3 ) Es sei hier nur die folgende, das Wesen des Stuckes trefflicb kennzeichnende 
Ausserung von Karl Sohle, dem feinfuhligen Kiinstler und grossen VerehrerSeb. Bachs, 
angefuhrt: v Ein echt pastoraler Satz, der in der ganzen Kircbenliteratur einzig dasteht. 
Diese uberirdische Innigkeit und Reinheit der Empfindung, und wie greifbar augen- 
scheinlich malen die T5ne das holde Wunder von Bethlehem mit den Hirten aufdem 
Felde und den lobsingenden Engeln!* (Vgl. Kunstwart 1901, 2. Maihefr, S. 139.) 



J::r:i. 



( "r\r %tilr- Original from 

v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



6 
DIE MUSIK V. 7. 



Aber erst im Juni 1899 sollte Schmitt wieder Hand an das Werk legen. 
In der Zwischenzeit hatte ich zwar ofters mit ihm iiber die Moglichkeit 
einer Vervollstandigung der Messe (zunachst zum Zwecke einer Auffuhrung 
in Dresden) gesprochen, doch wollte er damals (1898) noch nicht recht an 
die Ausfuhrbarkeit des Planes glauben, wie ich sie mir zunachst gedacht 
hatte. Schmitt erkannte namlich sehr bald, dass es schwer halten wiirde, 
zu dem „Kyrie a , „Gloria a und „Sanctus tt des Fragments musikalisch eben- 
biirtige und nach Stil und Tonart geeignete Erganzungsstucke in den friiheren 
Messen 1 ) des Meisters zu finden, und trat zunachst der Sache nicht naher. 
Dennoch griff er bei den Mozartvereins-Auffiihrungen wiederholt zum 
Fragment der c-moll Messe und wir fiihrten bis 1900 ausser dem bald 
wiederholten „Et incarnatus est tt die Sopranarie „Laudamus te a , das Duett 
„Domine a und schliesslich das Quartett „Benedictus a auf. Inzwischen 
ging ich trotz der Bedenken Schmitts fur mich versuchsweise daran, aus 
den iibrigen Messen Mozarts die meiner Meinung nach geeignetsten Satze 
zur Vervollstandigung des „Credo a und zum Ersatz des „Agnus Dei" mit 
„Dona nobis 4 " auszuwahlen und schrieb dazu einen vom 21. Marz 1899 
datierten kleinen Aufsatz iiber die Geschichte des Werkes und die 
Moglichkeit seiner Erganzung nieder, dessen Konzept ich noch besitze und 
aus dem spater einige Teile im Vorwort des Klavierauszuges Platz gefunden 
haben. Auch hatte ich einen Plan zur Vervollstandigung mit Angabe der 
zu benutzenden Stiicke angefiigt. Die damals von mir ausgewahlten Satze 
waren die in der spater folgenden Ubersicht unter II angefuhrten.*) 

Der Grund, weshalb ich hierbei besonders auf die C-dur Messe 
(K. V. 66) Rucksicht genommen hatte, ist mit darin zu suchen, dass ich 
kurz zuvor durch Vermittelung des damaligen Herrn Domchorvikars 
H. Spiess in Salzburg in den Besitz der Abschrift von sechs noch un- 
gedruckten Instrumentalstimmen (2 Oboen, 2 Horner, 2 Trompeten) zu dieser 
Messe gelangt war, die Mozart nachtraglich (wahrscheinlich 1776) der 
Partitur hinzugefiigt hat. Wenn spater von anderer Seite u. a. vor- 
geschlagen worden ist, man hatte zur Erganzung des Werkes ausschliesslich 
die fruhere c-moll Messe (K. V. 139) benutzen sollen (wie ich es anfanglich 
natiirlich ebenfalls im Sinne hatte), so ware das an sich gewiss die ein- 
fachste Losung gewesen, doch sind mit Ausnahme etwa des „Crucifixus tt 
und „Agnus Dei* die sonst in Frage kommenden „Credo u -Satze keineswegs 

! ) Bekanntlich ist die c-moll Messe, abgesehen vom Requiem, Mozarts letzte 
Messe; vor ihr hatte der Meister bereits 17mal den Messentext vertont. 

2 ) Es muss bemerkt werden, dass fur das ^Credo" nur solche (in c-moll oder 
C-dur stehende Messen) in Frage kamen, bei denen die einzelnen Absatze des Credo- 
textes als selbstandige Sfitze behandelt sind. Es sind dies im wesentlichen die 
Messen K. 66, 139, 167 und z. T. auch 262, auf welch letztere spater noch zuruck- 
zukommen sein wird. 



( " i m \i-\ L - Original from 

i:r:K-c:j :)y ^iiKJ^K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



LEWICKI: VERV0LLSTAND1GUNG DER C-MOLL MESSE^ 

musikalisch von gleichem Werte wie die analogen aus den Messen K. 66 l ) 
und 167. Hinsichtlich des Ersatzes fur das „Dona nobis pacem" konnte 
allein die Messe K. 167 in Frage kommen. 

Im Friihjahr 1899 glaubte Schmitt schon mehr an die Moglichkeit, 
das Werk zunachst nur fiir eine Auffiihrung in Dresden zu vervollstandigen, 
wie aus einem am 24. Marz 1899 an mich gerichteten Schreiben hervor- 
geht, in dem es mit Bezug auf den ihm inzwischen mitgeteilten oben 
erwahnten Aufsatz u. a. heisst: 

„Er bat mir sehr gefallen und wird gewiss bei der Auffuhrung des Werkes 
vielen eine willkommcne Gabe sein. Was letztere (die Auffuhrung) anlangt, so 
will ich mit grosser Freude das Fehlende ergSnzen, auch sonst zur 
wiirdigen Wiedergabe mein Moglichstes tun, muss es aber ablehnen, in bezug 
auf Organisation eines Singechors mit zu tun. Sie werden durch diese Ablehnung 
gewiss nicht annehmen, dass dieselbe aus Mangel an Interesse fur den Verein 
entstanden. a 

Urn die Chorfrage fiir eine Auffiihrung in Dresden losen zu helfen, 
hatte ich mich im Friihling 1900 mit dem verdienstvollen Leiter des 
vortrefflichen Kirchenchors der Martin Luther-Gemeinde, Herrn Kantor 
Alb. Romhild, in Verbindung gesetzt und ihm von der Idee, die Messe in 
Dresden aufzufiihren, Kenntnis gegeben unter gleichzeitiger Ubersendung 
meines oben erwahnten Aufsatzes. Im Verlaufe dieser Verhandlungen 
sandte mir Schmitt am 25. Juni 1900 folgenden von ihm aufgestellten 
Vertragsentwurf *) : 

B Vereinbarung zwischen dem Mozartverein und dem Chore der Martin Luther- 
kirche, resp. dessen Dirigenten. 

1. Die kompletierte Partitur der von Mozart unvollendet zuruckgelassenen 
c-moll Messe ist und bleibt bis zu ihrer Veroffentlichung Eigentum des Mozartvereins. 

2. Zwecks zweimaliger Auffuhrung stellt er dieselbe zur Disposition. Ausserdem 
verpflichtet er sich 1. das gesamte Notenmaterial kostenfrei zu liefern, dasselbe bleibt 
aber nach den beiden Auffuhrungen sein Eigentum, 2. das Orchesterpersonal und die 
Solisten zu stellen. 

3. Die hieraus erwacbsenden, sowie alle anderen Kosten sind vom Ertrag der 
beiden Auffuhrungen zu bestreiten. 

4. Der Dirigent des Mozartvereins ubernimmt die Einstudierung des Orchesters 
und der Solisten. 

5. Der Dirigent des Chores der Martin Lutherkirche verpflichtet sich, die 
Chore einzustudieren und dieselben zu den Generalproben fertigzustellen. 

6. Der Dirigent des Mozartvereins dirigiert die erste, der Dirigent des Chors 
die zweite Auffuhrung. 



h Nach neueren Forschungen (vergl. Jahn 3. Aufl. Deiters Bd. 2, S. 829, 
Anm. 9) soil die C-dur Messe (K. 66) spiiter entstanden sein als K. 139, was, nach 
dem musikalischen Gehalt zu urteilen, durchaus nicht unmoglich erscheint. 

-') Auf Grund dieses Entwurfes kamen dann die beiden Dresdner Auffuhrungen 
vom 3. und 5. April 1901 auch zustande. 



J::;i ".i/.OV* 



( ^i\t \n}{* Original from 

v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



8 
DIE MUSIK V. 7. 



7. Der Ertrag der beiden Auffubrungen kommt nach Abzug der Unkosten dem 
Mozartverein und dem Chor der Martin Lutberkirche zu gute und zwar zu 
gleichen Teilen." 

Dazu hatte Schmitt, der immer friihzeitig alles bedachte, noch bemerkt: 

w Eine genaue inicht zu knappe) Berecbnung der Kosten wire jedenfalls zu 
machen. Was ist vom Klavierauszug vorbanden? Ein kompletter Klavierauszug wire 
diesen Sommer berzustellen, wer macht ihn? 1 ) Auch ein zwettes Exemplar der 
(Fragment-) Partitur muss beschafft werden. Dies wSren wohl die ersten not- 
wendigen Schritte." 

Nun erfolgte im Sommer (1899) zunachst die Ausarbeitung des 
ersten „Credo a -Chores, dessen fertige Partitur Schmitt mir im Juni aus 
Ungarn schickte. Wie er mir spater erzahlte, hat er die Ausfiillung der 
Instrumentierung in den leeren Systemen des Fragment-Entwurfs in der 
Stille eines Gartenhauschens vorgenommen und war dabei von der 
Beschaftigung mit dem herrlichen Satze so gefesselt, dass er die Arbeit 
ohne Unterbrechung beendete. -) Nun hatte ich die beiden „Credo a -Teile 
fertig in Handen. Ich liess zunachst die iibrigen von mir ausgewahlten 
Erganzungsstiicke in Partitur ausschreiben und fiigte alles dem Fragment 
bei, so dass im Spatsommer 1899 schon eine vollstandige c-moll Messe 
zusammen war. Freilich sollte das noch keineswegs die endgiiltige Fassung 
bleiben, wie wir gleich sehen werden. Der Winter 1899/1900 verging, 
ohne dass etwas Wesentliches in der Messensache geschah, da die Vereins- 
auffiihrungen Schmitt vollstandig in Anspruch nahmen. Im Friihjahr 1900 
aber nahm Schmitt sich auf einer Erholungsreise meine erganzte Partitur 
zu naherer Priifung mit, was mir naturlich sehr willkommen war, 
wusste ich doch, dass es nunmehr mit der Sache wieder vorwarts gehen 
wurde. Hiermit beginnt Schmitts eigentliche Hauptarbeit, soweit die 
ganzlich fehlenden Messenteile in Frage kamen. Diese Arbeit aber sollte 
ihm, wie wir sehen werden, noch viele Mtihe und Sorge bereiten. 
Wie wenig ich mit meinem vorlaufigen Erganzungsversuch bei der nun 
folgenden kritischen Priifung durch Schmitt das Richtige getroffen hatte, 
zeigen die folgenden Briefausziige. Am 7. Juli 1900 schreibt er mir aus 
Gross-Pankow: 

„Das c-moll Messen-Projekt resp. seine kunstlerische Ausgestaltung macht mir 
Sorgen. Nicht wegen der instrumentalen Details, iiber diese werden wir schon 



! ) Es wurde dazu der Andr^sche Auszug des Fragmentes und der Breitkopf & 
H&rtelsche zu „Davidde penitente* 4 benutzt; zu den hinzugefugten Satzen stellte Schmitt 
neue Auszuge her. 

2 ) Das von Schmitts Hand (mit Bleistift) vervollstindigte Partiturexemplar zum 
ersten „Credo*-Chor und ebenso das zum „Et incarnatus est** befindet sich in 
meinem Besitz. 



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LEWICKI: VERVOLLSTANDIGUNG DER C-MOLL MESSE 



hinwegkommen, und ich bedarf der AndrS'schen Partitur nicht, da ich die von 
Breitkopf & Hirtel schon bei mir habe. Meine Bedenken beziehen sich auf die 
ErgSnzungsstucke des ,Credo\ bei denen ich betreffs des Stils und der 
Gruppierung der Tonarten die Befurchtung nicht unterdrucken kann, dass wir 
damit scheitern werden. Betreffs des , Agnus* und ,Dona' bin ich entschieden der 
Ansicht, dass wir dafur das Kyrie wiederholen. 1 ) Werde ubrigens nach Wien 
schreiben, urn festzustellen, ob im Archiv des Burgtheaters noch etwas Wicbtiges fur 
uns zu finden ist.** 2 ) 

Schmitt hatte also bald erkannt, dass die von mir gewahlten Er- 
ganzungsteile aus den friiheren Messen unmoglich beibehalten werden 
konnten. 

Am 30. desselben Monats schreibt er noch deutlicher: 

„Wegen Messe hab* ich Schmerzen. Bin erst jetzt dazu gekommen, das Ganze 
im Zusammenhang zu lesen und einen Totaleindruck zu gewinnen. Schauen Sie sich 
mal den beiliegenden Zettel an. Man kann eigentlich nur von einer C-dur Messe 
sprechen. Wurde eine Symphonie mit einer c-moll-Introduktion beginnen, dann C-dur 
folgen, und mit Ausnahme des Andante in F oder G im Scherzo und Finale C-dur 
festbalten, so ware dies eine C-dur Symphonie. Betrachten wir Mozarts Messen- 
Fragment und bewundern die weise und interessante Anordnung im Gloria, so er- 
scheint das Credo, wie es vorliegt, unmoglich. Dass das ,et resurrexit' abermals in 
C-dur einsetzt, ware allenfalls zu ertragen. Nun kommt aber nach dem schwachen 
G-dur (3/4) ,et in spiritum' 3 ) anstatt etwa nach Es-dur uberzugehen [ist spBter auch 
geschehen.] wiederum C-dur, nebst ,vitam venturi' C-dur. Sodann failt nach 
einer Pause das C-dur ,Sanctus 4 und ,Osanna 4 ein. Das bewirkt eine Monotonie, 
die wir Mozart nicht zumuten durfen und die sich um so fuhlbarer machen 
wird, je mehr die eingeschobenen Stucke inhaltlich (namentlich in harmonischer Be- 
ziehung) gegen das Fragment abfallen. Es wurde sich zunichst nur darum handeln, 
entweder das Fragment so aufzufuhren, wie es Mozart uns hinterlassen hat, zum 
Schluss das Kyrie wiederholend, und als Instrumentaleinleitung etwa die f-moll 
Pbantasie 4 ) spielen zu lassen oder einige andere Satze zu finden fur das ,et in 
spiritum sanctum', ,et unam sanctum* und ,et vitam*. (Letzteres konnte moglicherweise 
bleiben). Ich getraue mir nicht weitere ^ ^ [so schrieb Schmitt in musikalischer 
Stenographic stets das Wort ,Vorschiage'.] zu machen, aber vielleicht regt es 
Sie an, nach dieser Richtung noch einiges zu prufen. Als Musikdirigent 
des Vereins halte ich es fur meine unabweisbare Pflicht, fur uns den strengsten 
Masstab anzulegen." 

Man sieht hieraus deutlich, wie gewissenhaft Schmitt zu Werke ging. 
Ich war mit seiner scharfen, aber sachlichen Kritik meiner Vorschlage 
gern einverstanden und ging unverziiglich von neuem auf die Suche nach 



2 ) Schmitt hatte damals nur eine einfache Wiederholung des Kyrie, also ohne 
eine Textunterlegung des Agnus Dei im Sinne. 

2 ) Alle Bemuhungen, in Salzburg oder Wien Spuren etwaiger von Mozart selbst 
1783 benutzter Erg3nzungsstucke aufzufinden, sind bis jetzt ohne Erfolg geblieben. 

s ) Es war das Tenor-Solo (ohne Chor) aus K. 66, nicht das jetzige aus K. 262. 

4 ) K. V. 594, von Alois Schmitt 1899 nach einer von mir hergestellten Streich- 
quartettubertragung fur Streichorchester und Orgel bearbeitet (bei Ries & Erler, Berlin 
erschienen und an vielen Orten erfolgreich aufgefuhrt). 



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DIE MUSIK V. 7. 



tesseren ErgSnzungsstucken. Dabei kam ich auch auf die beiden Satze: 
„et in spiritum sanctum" und „et vitam venturi" aus der C-dur Messe 
K. V. 262, die schliesslich beibehalten *) worden sind. Im ubrigen aber 
blieb alles Nachsuchen nach vollig Geeignetem in den Originalmessen 
Mozarts erfolglos, und so schrieb ich im August 1900 an Schmitt: 

„Nachdem unsere vielfachen Bemuhungen um etwaige Aufscblusse fiber die 
von Mozart angeblich vorgenommene ErgSnzung der c-moll Messe, wie es scheiot, 
keine Erfolge haben, 2 ) sind wir berechtigt, nach bestem Wissen und Gewissen selbstSndig 
geeignetere Mozartsche Kircbenstucke auszusuchen. Ihre wohlbegrundeten Bedenken 
gegen einige ,schwacht' von mir ausgesuchte Teile zum Credo haben mich veranlasst, 
nachzuseben, ob nicht sonst noch dem Cbarakter der Musik nach passende ,st3rkere k 
S2tze aufzufinden seien und sende ich Ibnen beifolgend drei deranige Stucke zur 
Prufung." 

Es waren dies 1. das von mir zu „et resurrexit" benutzte Kyrie K. 323, 
2. das Duett (F-dur) aus der Kantate K. 623, mit untergelegtem Text zu 
„et in spiritum sanctum", 3. das Kyrie Es-dur K. 322 mit derselben Text- 
unterlage. 5 ) Fiir „et unam sanctam" und „et vitam venturi" machte ich 
damals weiter keine Vorschlage. Am 22. August erhielt ich hierauf von 
Schmitt folgende Antwort aus Neukloster in Mecklenburg: 

w Unsere Erganzungsbemuhungen erinnern mich an die Bestrebungen, die einst 
alle Bildner in Bewegung setzten, dem Milo-Torso die fehlenden Arme zu ersetzen. 
Obwohl die Oberarme vorbanden sind, konnten die geschicktesten Kunstler nicht damit 
zustande kommen, und so blieb das herrliche Bildwerk ein Torso. Die Hoffnung 
babe ich noch nicht aufgegeben, den Mozartschen Intentionen auf die Spur zu kommen. 
Zu dem billigeren schrifilichen Wege hatte ich und hab ich kein Vertrauen. 4 ) Sie 
sagen, dass wir, nachdem unsere Forschungen bis jetzt erfolglos geblieben, berechtigt 
seien, nach bestem Wissen und Gewissen zu verfahren. Berechtigt sind wir nicht in 
Ssthetischer Beziehung etwas zu tun, was dem Stil widerspricht. Nach sorgfaltiger 
Prufung der mir gesandten Fragmente kann ich nur sagen, dass das F-dur Duett fur 
Tenor und Bass mir noch weniger zu passen scheint, wie das G-dur ,et in spiritum'. 
Wie ich mir ein Arrangement der Credostucke denke, werden Sie aus der Partitur 
ersehen, die ich Ihnen hierbei sende, da mir das Schreiben wegen schmerzhafter 
reenter Hand sctawer wird. Durch das d-moll, D-dur, G-dur, C-dur r> ) waren die Be- 

*) Unter Hinzufugung der in den Salzburger Messen gewohnlich fehlenden 
Bratscbenstimme, sowie mit der Ubertragung des Sopransolo im erstgenannten Satze 
an den Tenor und etniger instrumentaler Zujfitze in der Fuge „et vitam venturi a . 

9 ) Durch Vermittlung von Otto Scbmid-Dresden war auch bei Job. Ev. Engl in 
Salzburg wegen der etwaigen Erganzungsstucke von 1783 nachgefragt worden, doch 
ohne Erfolg. Die Musikbibliothek des Stiftes St. Peter war leider seinerzeit unzug3nglich. 

8 ) Dieser Satz wurde schliesslich fur w et unam sanctam* benutzt. 

4 ) Schmitt regte an, dass ich in Salzburg personlich nach etwaigen Anbalte 
punkten suchen sollte, und batte Schritte eingeleitet, mir Empfeblungen an den Erz- 
biscbof auszuwirken. Dieser Plan konnte damals leider nicht ausgefuhrt werden. 

5 ) Er hatte das Crucifixus aus K. 139 und Resurrexit K. 323 nach d-moll bzw. 
D-dur transponiert. 



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LEVICKI: VERVOLLSTANDIGUNG DER C-MOLL MESSE 



denken rucksichtlich der Monotonie der Tonarten, wie ich meine, beseitigt. Die Trans- 
position nach oben wird dem ,et resurrexit* nicbt scbaden, im Gegenteil. Nach dem 
Soprananlauf (Solo) 1 ) muss aber das Tutti (des Chors) sofort einsetzen. Denken Sie 
nur, wenn ein Hoch auf einen Helden ausgebracht wird, und die ganze Gesellschaft 
sich besinnt und nacb la*ngerem Schweigen erst einsetzen wurde, es wirkte wie ein 
Scblag ins Wasser. 2 ) Dass dies Stuck ursprunglich auf,Kyrie eleison* komponiert 
sein soli, berutat wohl auf Irrtum? Wollen Sie nun bei S. das Notige wegen Kopiatur 
besorgen, so wurde ich mich mit einer Auffuhrung in Dresden gemSss diesem 
Arrangement wobl einverstanden erkliren, fur eine Publikation aber nicht." 

Darauf hatte ich meine freudige Zustimmung zu dieser Gestaltung 
des „Credo u Schmitt gegenuber geaussert und erhielt am 28. August 
folgende Antwort: 

„Freut mich, dass Ihnen meine Disposition betr. der Tonarten einleuchtet; nicht 
von einem genialen, bocbstens von einem praktischen Blick des alten Facbmannes 
kann die Rede sein. Muss aber noch zwei dunkle Punkte erwMhnen. Sie antworten 
nicht darauf, welche Bewandtnis es mit dem ,et resurrexii' habe und schreiben mir, 
dass es ursprunglich als ,Kyrie 4 komponiert ware. Das ist unmoglich. Ebenso, dass 
es spater als ,Regina coeli' umgemodelt sei. Sodann erwabnen Sie, dass die Worte 
des ,Kyrie* dem , Agnus Dei' unterlegt werden sollen. Ich meinte, wir sollten in Er- 
mangelung eines , Agnus Dei*, welches einen wurdigen Abschluss bilden wurde, das 
,Kyrie< wiederholen, obwohl das der katholischen Idee der Messe nicht entspricht. 
Ich perhorresziere alles Unterlegen und aus diesem Grunde den bussenden David 3 ) 
und die Thamos-Kantaten. 4 ) Sollten wir nun das tun, was wir in anderen Fallen ver- 
abscheuen? Zwei Gesichtspunkte mussen wir festhalten: Wiedereinsetzung des 

J ) Dieser Sopraneingang aus K. 139 ist beibehalten worden, wurde aber schliess- 
lich dem Chorsopran zugeteilt. Man kann jedenfalls nach Belieben diese zwei Takte 
•auch vom Solosopran singen lassen, wie es ursprunglich, d. h. in Messe K. 139 
von Mozart beabsichtigt war. 

2 ) Das w et resurrexit" (nach K. 323) begann ursprunglich mit einem Orchester- 
vorspiel, das Schmitt also sehr richtig wegliess, so dass der Anlauf direkt an den 
•Chor anschliesst, wie es auch bei Mozart in Messe K. 139 geschieht. 

3 ) Dass Mozart nicht von vornherein an die Verwendung des Messenfragments 
gedacht haben kann, als er den Auftrag zur Komposition eines Oratoriums fur die 
„Sozietat a erhielt, geht aus folgender Briefstelle vom 21. Juli 1784 hervor: w . . . wenn 
er [der Vater] mir auch das alte Oratorium ,Betulia liberata 4 schicken konnte, w5re 
es mir recht lieb. — Ich muss dieses Oratorium fur die hiesige Sozietit schreiben — 
vielleicht konnte ich doch hie und da etwas stuckweise brauchen. a Dadurch ergibt 
sich aber auch, dass M. nicht erst im Fruhjahr 1785, sondern schon im Jahre vorher 
<fie Aufforderung erhielt und dass er erst, als die Zeit zu knapp wurde, an die Ver- 
wendung der Messe gegangen sein kann. 

*) Bekanntlich sind den drei Thamos-Choren schon zu Mozarts Lebzeiten 
lateinische und deutsche Hymnentexte untergelegt worden, was freilich bedenklich 
war, da es sich hier um Theaterchore handelte, die in die Kirche verpflanzt wurden. 
Andererseits ist aber bekannt, dass z. B. S. Bach in zahlreichen Fallen in seinen 
Kirchenstucken textliche Unterlegungen vorgenommen bat So finden wir mehrere 
Sitze der h-moll Messe in Kirchenkantaten (mit anderem Text) wieder vor. Dass 
Mozarts Messenmusik in der Gestalt des „bussenden David" an charakteristischer 



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DIE MUSIK V. 7. 



Fragments in alle seine angestammten Rechte und moglichste Einheit unserer Auf- 
fuhrung in ihrer Wirkung. Bin durchaus gegen solcbe VerSnderungen, welche nicbt 
nStig sind. tt 

Kurze Zeit darauf traf Schmitt ein ernster Unfall, iiber den er mir 
selbst am 6. September aus Forsthaus Rosenow bei Witzin in Mecklenburg 
berichtet, wo er sich damals zur Jagd, die er sehr liebte, aufhielt: 

„Die Wahrheit muss doch endlich heraus. - Um eines Haares Breite hatten 
Sie mir nicbt die c-moll Messe, wobl aber ein Requiem singen lassen kdnnen. Icb batte 
ein scblimmes Erlebnis, und ein Wunder ist's, dass icb lebend davon gekommen. 
Durchgebende Pferde, die so hefrig ansprangen, dass ich beim ersten Ruck kopfuber 
vom Wagen geschleudert wurde. Ich schlug mit dem Kopf gegen eine Tanne und 
blieb bewusstlos liegen. Alle glaubten, es sei vorbei. Man schaffte mich per Schieb- 
karre nach dem hiesigen Forsthof. Es wurde konstatiert, dass die Knochen beil 
geblieben, ein watares Wunder! Heute, da ich nunmehr uber dem Berge zu sein 
hoffe, darf ich sagen: et resurrexit. Uber das unserige in D-dur haben wir eine 
recbt lange und unklare Korrespondenz gehabt. Dass Sie die Unterlegung des Textes 
besorgt haben, nab' ich nie gewusst und ersehe dies nun erst durch Ihren letzten 
Brief. Warum sollten Sie denn dieselbe zurucknehmen? Dass das Stuck von Mozart 
auf die Worte ,Kyrie eleison* komponiert sei, glaub' ich nicht und werd' es nie glauben, 
bis ich Mozarts Handschrift vor Augen habe. *) Ware es moglich, dass er den denkbar 
grossten Gegensatz, das Gebet einer zerknirschten Seele im Kyrie und den Jubel 
uber die Auferstehung des Heilandes, derart vermiscbte, so behielten die recht, welche 
behaupten, dass Mozarts Kirchenmusik gr5sstenteils minderwertig sei. Keinesfalls 
werden wir fur unsere Zwecke ein geeigneteres Stuck finden. Diese 
Ansicht habe ich sofort gehabt und habe sie noch. Uber , Agnus* und ,Dona* mundlich. 
Der Unterschied zum Kyrie ist zwar nicht so, wie Kyrie und resurrexit, aber immerhin 
doch ein gewaltiger. Die glaubige Seele hat eigentlich den Weg zum Frieden schon 
gefunden und daher wohl auch der milde Charakter der meisten Kompositonen des 
,Dona nobis pacem'. Unsere Zeit ist bezuglich der Texte kritischer, und ohne 
Uberhebung durfen wir sagen, gebildeter als die damalige. Was letztere gesundigt, 
sollen wir weder als Vorbild noch als Entschuldigung betracbten. Exempla sunt odiosa." 

Wirkung sehr verloren hat, durfte jetzt nach Bekanntwerden der Originalgestalt klar 
empfunden werden und man wird hoffentlicb den „David a nunmehr auf sich beruhen 
lassen, die beiden von Mozart eingelegten schonen Arien aber als Konzertarien be- 
trachten. 

] ) Das Mozartsche Manuskript dieses merkwurdigen „Kyrie tt befindet sich, wie 
ich mich im August 1904 personlich uberzeugen konnte, tatsachlich im Mozarteum 
zu Salzburg. Es bricht nach dem 37. Takte ab, der Schluss war verloren gegangen, 
und das Stuck ist s. Z. vom Abb£ Stadler ergSnzt worden. (Vgl. Rev. Ber. zu 
Ser. Ill, S. 44). Wenn Schmitt in diesem Schlussteil des Satzes bei den Worten 
w non erit finis a (2 Takte) eine harmonische Veranderung vornahm, so konnte er dies 
mit rubigem Gewissen tun, da es ja nur die Stadlersche Erganzung betraf. 

Schluss folgt 



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Us ffillt kein Meister vom HimmeL 

Mozart zwar scbien cine Ausnsbme m machen mic seiner 
beisplellosen Frfihreife, die dem Knaben geatattetc, mit den be- 
ruhintesten Meistern zu rivalisieren. Aber auch er ist nicbt 
vom Himmel gefallen. 

Wohl aber batte er das GIQck, in einer Zeit feeboren zu werden, in 
welcbcr das naive Stammeln einer neuen Stilricbtung die Welt in einen 
Taumel des EntzBckens versetzte, einer Zeit, in welcber der in der Wiege 
durcb den Kuss der Musen Geweihte nur den Alund zu Sfftaen braucbte 
— tiles was er sagte, war gut, war neu, liebenswQrdlg, bewundernswert I 

Zwanzig Jahre frflber war daa durcbaus noch nicbt so; da gehSrtc 
zu einem recbten Kfinstier eine grihidliche langjihrige Schulung und eln 
vielseitig entwickeltes Kdnnen. Wer miEreden und gehSrt werden wollte, 
musste etwas zu sagen baben, das Hand und Fuss batte. In der Zeit der 
Corelli, Abaco, Hlndel, Bach hatte der An finger keinen ieicbten Stand. 
Eln majestitischer Ernst, eine feierlicba Grftsse war der Grandzug der 
den Abscbluss der BIQte der italieniscben klassischen Kaminermusik 
bildenden Epocfae um 1700—1740. Der grosse Stil dieser Zeit mit seinen 
langatmigen, mit eiserner Konsequenz eine Stimmung fe&thattenden Sitzen 
erforderte die nur dutch anhaltende Studien erretcbbare Reire des Mannes 
fBr Meisterleistungen, und war dem Aufkommen musikaliscber Wunder- 
kinder nicbt gfinstig. 

Die Zeit etwa, wo Sebastian Bach die Augen scbloss — die Alitt'e 
des Jahrhunderts — bracbte aber eine mcrkwurdige Wandlung. Die Kinder 
und Unweisen kamen zu Worte, Eine ganz neue musikaliscbe Ausdrucks-* 
weise, ein ganz neuer Stil kam auf, unerhSit durcb seine Einfacbheit, 
seine Ansprucbsfosigkeit, seine Natiirlicfakeit, seine Kindlicbkeit; und so 
sieghaft triumpbierte die scblichte Natur, das kindlicb einfache Aussprecben 
naiven Empfindens fiber alle Gelehrsamkeit und alles verbriefte Formes- 
wesen t dass die alten Mei&ter selbst Perucke und Puderzopf lacbend weg- 
warfen und sicb nicbt scbimten, mit ihrem spirlichen weissen natflrlicben 



■'■' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



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DIE MUSIK V. 7. 



Gelock unter den jugendlichen Krauskopfen zu erscheinen, mit ihnen zu 
Kindern zu werden und sich zu geben wie Kinder. 

Denn ein wahrhaftiges neues Kindheitszeitalter der Kunst war fast 
urplotzlich hereingebrochen, keiner wusste woher? und wie? Aber es 
war da, und mit Blitzesschnelle verbreitete sich die Kunde davon, dass 
die alten Tempel zusammenstiirzten und eine neue Lehre nicht hinter 
dicken Mauern und bunten Fenstern, sondern in Feld und Wald, in der 
freien Gottesnatur, unter dem lichten, blauen Hiramel verkiindet werde. 

Wohl schiittelte mancher von den Alten bedachtig das Haupt, und 
schalt die Begeisterten fiir die neue Kunst Toren und Kinder, und was 
sie schufen, nichtigen Tand. Aber es war kein Aufhalten mehr; jubelnd 
umringten sie die tanzenden und singenden rosenbekranzten Kinder und 
Jugendgreise, und zwangen sie, mitzutun in dem frohlichen Reigen, bis sie 
ermudet umsanken zu ewigem Schlafe. 

Wie das so gekommen? Wie das so kommen konnte — wer wollte 
es sagen? Es war da, und war nicht wieder wegzuschaffen. Das wurde 
bald genug alien klar. Seinen Anfang nahm das neue Wesen in der 
Kammer, im Konzertsaal, aber bald genug griff es iiber auf das Opernhaus, 
und zuletzt auch auf die Kirche. Schliesslich herrschte es auf der Gasse, 
wenn es nicht gar etwa seinen Weg zuerst von der Gasse in die Kammer 
gefunden hat! 

Es war freilich eine sehr merkwiirdige Zeit, die Zeit, wo man sich 
plotzlich auf das Volkslied besann, wo man den gespreizten Mummenschanz 
der italienischen Helden- und Gotteroper durch die herzige Dummheit der 
Bauern aus dem Felde schlug, und mit den liebenswurdigen Reverenzen 
des Menuetts die Fuge aus dem Konzertsaal hinauskomplimentierte. Das 
die hohe Dame spielende Kammerkatzchen in Neapel, der seine Gassen- 
hauer singende Londoner Bettler, der aus dem dunklen Dachkammerchen 
seiner tschechischen Heimat durch Geistermacht in die Raume der Pariser 
Grossen Oper versetzte Menuette fiedelnde ratselhafte Prophet von Bohmisch- 
Broda im verschlissenen Rockchen — sind sie nicht alle nur verschiedene 
Verkleidungen, in denen der neue Geist in den grossen Zentren der alten 
Kunst auftaucht und sein Menetekel mit Flammenschrift an die Wande 
schreibt? 

Man kann wohl nicht anders als einen inneren Zusammenhang, eine iden- 
tische treibende Kraft in alien den Neubildungen erkennen, welche das 18. Jahr- 
hundert der Musik brachte. Es war der Durchbruch der schlichten Natur, 
die Auflehnung gesunder volksmassiger lnstinkte gegen geschraubtes Wesen 
und Verkiinstelung, was fast gleichzeitig im sonnigen Siiden Italiens und 
an dem nebeligen Ufer der Themse die Musiker die Opera buffa und das 
Singspiel gegen die in inhaltlosen Formen erstarrte Opera seria ins Feld fiihren, 



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RIEMANN: DIE WURZELN DER KUNST MOZARTS 

was die singende Muse an der Pleisse Studentenlieder und kernige Tanz- 
melodieen als Vorahnungen eines neuen Liederfriihlings anstimmen liess 
und was von dem idyllischen Neckarstadtchen Mannheim aus in der In- 
strumentalmusik ebensolche schlichte neue Weisen verbreitete, die der 
bis dahin kaum beachteten und wenig geschatzten Symphonie einen be- 
strickenden Zauber verliehen, der ihr in wenigen Jahren zum Sieg iiber alle, 
auch die ehrwiirdigsten Formen der alteren Kompositionsweise fur die 
Kamraer verhalf und Paris, London und die Welt eroberte. 

Es ist miissig, daruber zu klagen, dass der Zusammenbruch der alten 
Kunst unermessliche Schatze von fiir alle Zeit hohem Werte unter dem Schutt 
seiner Trummer begrub, und dass es z. B. fast ein Jahrhundert brauchte, die 
unverganglichen Meisterwerke Sebastian Bachs wenigstens zum Teil wieder 
auszugraben. Die Tatsache, dass eine Literatur von Jahrhunderten durch 
eine ganz neue Literatur plotzlich vollstandig verdrangt wurde, steht fest 
und kann nicht nachdriicklich genug betont werden. 

Aber die neue Kunst schoss so plotzlich und so unaufhaltsam ins 
Kraut, dass auch die die Epoche eroffnenden Erstlinge des neuen Wuchses 
schnell iiberwuchert wurden und man ihrer schon nach wenigen Jahrzehnten 
sogar vollig vergass. Nicht nur die Anfange der komischen Oper und des 
Singspiels wurden durch ihre Fortbildungen iiberholt, sondern auch die 
Anfange des neuen Instrumentalstils verschwanden in der Flut der Neu- 
erscheinungen und zwar wurden sie zuerst ganz unverdientermassen zuriick- 
gesetzt gegen hohle, verwasserte, aber bunt aufgebauschte Nachahmungen 
zahlloser Adepten der neuen Richtung, bis sich aus ihrer Reihe die grossen 
neuen Meister erhoben, welche sie alle turmhoch iiberragten und das 
Schicksal der alten Kunst zu einem definitiven machten : Haydn, Mozart und 
Beethoven traten das Erbe der Mannheimer Neuschopfer an und fiihrten 
die neue Kunst zur Vollendung. Ich will nicht ausfiihrlich und grundlich 
werden und damit ermuden. Ich wollte nur andeuten, inwiefern nicht 
Haydn und nicht Mozart vom Himmel gefallen sind, sondern vielmehr jetzt 
als durchaus begreifliche Erscheinungen in der Entwicklung der Kunst ihrer 
Zeit dastehen, auf derem Boden erwachsen sind und aus ihm ihre Lebens- 
krafte gesogen haben. 

Heute liegt der Werdegang Mozarts offen da. Seit wir die etwa in 
den Jahren 1745 — 54 sich vollziehende Stilwandlung durch die Mannheimer 
Komponisten, alien voran den hochgenialen Johann Stamitz kennen, wissen 
wir ganz bestimmt, dass der Stil der Wiener Klassiker eine durchaus 
verstandliche Weiterentwickelung und Vollendung des seinerzeit so un- 
geheures Aufsehen machenden neuen Stiles der Mannheimer Schule ist. 
Man kann sich nur daruber wundern, dass das nicht langst und von jeher 
eine ganz selbstverstandliche Sache ist. 



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DIE MUSIK V. 7. 



Johann Stamitz starb am 27. Marz 1757, also nur 14 Monate 
nach Mozarts Geburt. Seine und seines alteren, an der Stilreform nicht 
unerheblich beteiligten Genossen Franz Xaver Richter (1709 — 1789) 
Werke standen urn diese Zeit nicht nur in Siiddeutschland, sondern in den 
tonangebenden Musikzentren Paris und London in allerhochstem Ansehen 
und wurden in Pariser, Londoner und Amsterdamer Drucken iiber die ganze 
musikalische Welt verbreitet. 

Vergebens sucht man freilich in Otto Jahns so verdienstlicher und 
fur alle folgenden Musikerbiographien vorbildlicher Mozartbiographie nach 
irgendwelchen Notizen iiber den Ruhm der alteren Mannheimer Meister. 
Nicht einmal der Name von Johann Stamitz ist genannt (denn der I. S. 386 
der 2. Auflage nach Cannabich, Toeschi und Cramer ohne Bemerkung 
genannte Stamitz soil doch wohl sein altester Sohn Karl sein). Auch 
C. F. Pohls Haydnbiographie weiss nichts von der Bedeutung der Mannheimer. 
Wenn er I. S. 281 Johann Stamitz den „Griinder der sogenannten Mann- 
heimer Schule" nennt, so meint er damit Stamitz als Lehrer einer Reihe 
vortrefflicher Violinisten. Denn dass er ihn nach Dittersdorf, Mysliweczek 
und vielen anderen und S. 276 nach Vanhall, Toeschi und Vanmaldere ohne 
jede chronologische Sichtung ganz beilaufig nennt, beweist bestenfalls, 
dass er gar keine Ahnung davon hat, welche tonangebende Rolle der 
Komponist Stamitz um 1750 spielt. Es ist aber fur Forscher, die gerade 
iiber diese Zeit Spezialstudien machten, nahezu unbegreiflich, dass ihnen 
der strahlende Ruhm der Mannheimer entgehen konnte. Die beziiglichen 
Kapitel der Biographien beider Wiener Meister bediirfen einer grundlichen 
Neugestaltung. Die Rolle, welche man Phil. Em. Bach und Johann Christian 
Bach fur die Entwicklung Haydns und Mozarts zuzuschreiben sich gewohnt 
hat, muss in Zukunft vielmehr und zwar ohne Reserve Johann Stamitz 
zugewiesen werden, in dessen Fusstapfen nicht nur seine personlichen 
Schiiler Cannabich, Toeschi, Filtz, Beck, Eichner, W. Cramer, J. Franzl, 
seine Sohne Karl und Anton, sondern auch Dittersdorf, Leopold Hoffmann, 
Joh. Chr. Bach, Leopold Mozart (der Vater), Boccherini, Gossec, Van- 
maldere, Mysliweczek, Georg Benda usw. usw. wandeln. Neben Stamitz 
und vor Stamitz darf man als Meister, bei denen einzelne Ziige der 
neuen Schreibweise erkennbar sind, nur Gluck und Pergolese nennen: 
Pergolese als den mutmasslichen Schopfer des kantabeln Allegro und Gluck 
als ersten Miniaturmaler intimen Charakters (in seinen sieben Trios). 

Durch diese Hinweise geschieht der Grosse Haydns und Mozarts 
kein Abbruch; im Gegenteil kann die Bewunderung fiir die Hohe, zu 
welcher sie den neuen Stil gesteigert haben, durch die Kenntnis ihres be- 
deutendsten Vorlaufers nur wachsen. 



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ZUR TEXTFRAGE 

UND zur auffOhrung von 

MOZARTS ,DON JUAN* 
von Ernst Heinemann-Berlin 



.^K*^&ff#..- — - ■, ^TOfflW^;^ 




ar einiger Zeit batte der Verfasaer dieser Zellen Gelegenbeit, 

ciner AuffQhrang von Mozarts .Don Juan* beizuwohnen. Fran* 

cesco d'Andrade gab die Titelrolle* Im Finale des zweiten 

Aktes, als der VerfBh«r von Sevilla mit seinen hubscheu Be* 

gleiterlnnen eintritt, am die Freuden des Mahles zu geniesaeti, entwickelt 

sich zwischen ihm und seinem Diener Leporello der fotgende Dialog: 

Don Juan: » Leporello, presto In tavolal" 

vorauf Leporello antwortet: 

,0, dai 1st Ja veltbckanaL* 

Dieser knrze Dialog zwischen dera Herrn und seinem Diener 
charakterisiert mehr als iange Auseinandersetzungen die ganze Textnusfere, 
der diese Oper aller Opera aeit ihrem HSjShrigen Dasein unterworfen 
ist* Denn wenn der Heir semen Dieser beauftragt, ihm das Essen zu 
bringen, und der Diener gibt darauf die selfsame Ant wort: ,0, das 
ist ja weltbekannt*, so ist das elne solche Verballhornung, wie sie 
schlimmer kaum mSglich ist. 

Nun will ich gern zugeben, dass in einem solchen Falle, in dem 
der eine der Darsteller die Rolle in italienischer, der andere in deutscher 
Sprache zum Vortrag bringt, es nicbt immer mdglich ist, Rede and Gcgeu- 
rede voHkommen in Einklang miteinander zu bringen. Schon bei einer 
einhchen Dichtung wfirde es Schwierigkeiten haben, wenn die Darsteilung 
in verschiedenen Sprachen stattfindet, den Dialog vor jeder Unordnung zu 
bewahren, vollends aber bei einem Libretto, bei dem sich zu den Forderungen 
der Poesie die zahllosen Rucksichten auf das musikaiische Moment hinzu- 
geaellen. In dem oben zitierten Dialoge war es nun allerdings mit nichta 
zu begrfinden, dass Leporello seinem Herrn die erwlhnte Antwort gab, 
denn es liegt auch nicbt die mlndeste Veranlassung vor, die an dieser 
Stelle von Leporello im italienischen Original erteilte Antwort: .Son 
prontissimo servir", in der angegebenen Weise zu iibersetzen; bierzu ndtigto 
den Obersctzer (Rochlitz) lediglich die Rucksicht auf seine ebenso selfsame 
Obertnigung der oben mltgctellten Aufforderung Don Juans, dass Leporello 

V. 7. 2 



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18 
DIE MUSIK V. 7. 



ihm das Essen bringen solle („Leporello, presto in tavola!") — eine Auf- 
forderung, die Rochlitz durch den Satz: „Ohne Geld ist alles eitel" iiber- 
tragt. Wenn Rochlitz Don Juans Aufforderung, dass Leporello ihm 
das Essen bringen soil, mit den Worten: „Ohne Geld ist alles 
eitel" verdeutscht, so kann dies wohl auf alles Mogliche, nur nicht auf 
den Namen einer Ubersetzung Anspruch erheben, und nicht zu verwundern 
ist es, wenn unter solchen Umstanden bei einer zweisprachigen Wiedergabe 
des Stiickes die argste Konfusion entstehen muss. 

Schon das muss als eine der merkwiirdigsten Erscheinungen in der 
Entwicklungsgeschichte eines Buhnenwerkes, das zu den grossten Kunst- 
schopfungen, die der menschliche Genius uberhaupt hervorgebracht hat, 
gehort, bezeichnet werden, dass noch 118Jahre nach seiner Erstauffiihrung 
eine Diskussion iiber die Frage moglich ist, ob man dieses Werk eigentlich 
als eine Tragodie oder Komodie zu betrachten habe. Dass man es hierbei 
nicht lediglich mit einer bedeutungslosen Streitfrage zu tun hat, leuchtet 
ohne weiteres ein; denn ob ein Stuck eine Tragodie oder Komodie darstellt, 
ist fur die ganze Auffiihrung von grundsatzlich entscheidender Bedeutung. 
Wenn man den Ursachen nachgeht, — der Verfasser hat bereits an dieser 
Stelle 1 ) den Gegenstand eingehender behandelt — so wird man finden, dass 
die Bestrebungen, diese Oper als komische Oper aufzufassen, sich in den 
ersten Zeiten ihrer Entstehung aus dem allgemeinen Bediirfnisse erklarten, 
unter moglichst heiteren Eindriicken das Theater zu verlassen: das Wort 
des Schauspieldirektors in Goethes Faust „Und jeder geht zufrieden aus 
dem Haus" sollte wahr gemacht werden. In neuerer Zeit dagegen griindet 
sich das Bestreben, diese Oper als Komodie aufzufassen, auf eine gewisse 
»Str6mung% auf eine gewisse Tendenz, die mit der von Richard Wagner 
ausgehenden Richtung in einem gewissen Zusammenhang zu bringen sein 
diirfte. Es gibt eine gewisse Richtung in der Musik, die mit einer wahren 
Leidenschaft die Tragodie auf dem Gebiete der Musik Richard Wagner 
ausschliesslich vorbehalten mochte, und die in Mozart den „ewig lachelnden", 
den „ewig heiteren" Genius, der, wie in einer Erorterung zu lesen war, 
im Grunde seines Herzens keine tragische Note schreiben konnte, erblickt. 
Fragt man dann die Vertreter dieser Richtung, wie sie sich mit dem doch 
nun einmal existierenden tragischen Inhalt der Mozartschen Oper abfinden, 
so wiirde man sich einer Illusion hingeben, wenn man mehr als allgemeine 
Redewendungen als Antwort erwarten wiirde. 

Nichts kann uberhaupt der Darstellung bedenklicher werden, als eine 
Auffassung, die sich leichten Herzens iiber die Grundidee eines Stiickes 
hinwegsetzen zu konnen glaubt, und die Gefahr lauft, unter bestandiger 
Beobachtung der Einzelheiten das Ganze aus dem Auge zu verlieren. 

2 ) Im ersten Mozart-Heft der „Musik" (Jahrg. IV, Heft 1) S. 17 ff. 



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19 

HEINEMANN: ZU MOZARTS „DON JUAN" 

Man spricht etwas Selbstverstandliches aus, wenn man sagt, dass bei einer 
Auffiihrung des Don Giovanni im Deutschen die Textworte in ihrer Ge- 
samtheit unter alien Umstanden den Anspruch auf den Namen einer 
Dichtung erheben miissen, und erst dann kann das Ziel als erreicht be- 
trachtet werden, wenn ein so beschaffener Text, d. h. also eine Dichtung, 
eine von allem Zwange befreite Wiedergabe der Musik ermoglicht. Ich 
kann mir keine mechanischere Auffassung bei einem Ubersetzer denken, 
als die, die es sich angelegen sein lasst, eine in technischer Hinsicht 
moglichst einwandsfreie Verbindung der einzelnen Wortsilben mit den 
Tonen herzustellen, unbekummert darum, welches Aussehen bei diesem 
Verfahren der Text in seiner Gesamtheit darbietet. Wer diese Riicksicht 
auf das Ganze nicht erfiillen kann, mag der Aufgabe fern bleiben. Denn 
wenn ein Kunstwerk, wie die Mozartsche Musik mit einer ihrem Ganze n 
nach unpoetischen Textbearbeitung, also mit einem undichterischen Pro- 
dukte verkniipft wird, dann entsteht eine unnatiirliche Verbindung, die dem 
Ganzen unter alien Umstanden zum Schaden gereichen muss. 

Im Zusammenhang hiermit erklart es sich aber auch, warum das 
Textproblem bei diesen Opera bisher keine ausreichende Losung fand. 
Es sind zumeist undichterische Produkte, die fiir eine Verbindung mit der 
Mozartschen Musik bestimmt waren. Dass dieses der Fall ist, erklart sich 
wieder daraus, dass der wirkliche Dichter sich nur schwer einer solchen 
Aufgabe unterzieht, weil seine Bewegungsfreiheit durch die Gesetze der 
Musik bestandig in Fesseln geschlagen wird. Nur wer imstande ist, sich 
diesen Gesetzen zu fiigen und zwischen beiden Kunsten zu vermitteln, wird 
sich der Aufgabe widmen konnen, fiir deren Gelingen jedoch wesentlich 
entscheidend ist, dass die Vereinigung beider Kiinste ohne Gewaltsamkeiten 
zustande kommt; vielmehr muss das Ganze den Eindruck hervorbringen, 
als ob Poesie und Musik sich aus freier Entschliessung die Hande 
zum Bunde gereicht hatten. 

Neben diesen, das allgemeine Verhaltnis zwischen Poesie und Musik 
beriihrenden Prinzipien wird bei einer Oper wie „Don Juan" natiirlich das 
traditionelle Moment nicht ausser Acht zu lassen sein. Wenn der friihere 
Kapellmeister Rietz in Dresden das beriihmte „ Reich mir die Hand, mein 
Leben* durch „Sei ohne Furcht, mein Leben* ersetzt, so zeigt er damit, 
dass er unter Verkennung der elementarsten, fiir die Ubersetzung in Be- 
tracht kommenden Forderungen verfahrt, denn die Tradition kann iiberall, 
wo sie sich nicht Verstosse gegen die Poesie oder gegen die Musik zu- 
schulden kommen lasst, ihre Rechte geltend machen. Wer dieses Moment 
der Tradition ignoriert, versetzt seiner Ubersetzung von vornherein den 
Todesstoss; sie versinkt im Schosse der Bibliotheken, anstatt ins Publikum 
einzudringen. 



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20 

DIE MUSIK V. 7. 



Auch der Verfasser dieser Zeilen hat den Versuch einer Neu- 
beafbeitung des Textes dieser Oper unternommen, und die Aufnahme, die 
seine Arbeit, noch ehe sich die Biihnen ihrer angenommen, in den offent- 
lichen Blattern gefunden, beweisen ihm jedenfalls, dass trotz der vielen 
Fehlschlage auf diesem Gebiete das Interesse an der endgiiltigen Losung 
dieses Problems nicht erloschen ist. Die Erorterungen bei dieser Ge- 
legenheit liessen im Prinzip die Zustimmung zu einem Verfahren erkennen, 
das sich zur' Aufgabe setzt, den in der Musik verkorperten Don Juan 
in der Ubertragung wieder lebendig werden zu lassen. Es sei daher dem 
Verfasser vergonnt, noch durch einige Mitteilungen zur Klarung der Frage 
beizutragen. Wenn er sich in der Kritik des Bestehenden in erster Linie 
wieder an die Rochlitzsche und Levische Ubersetzung halt, so geschieht 
es hauptsachlich, weil die in den Bibliotheken schlummernden Produkte 
der Ubersetzungskunst auf diesem Gebiete wahrlich nicht danach angetan 
sind, von neuem zum Leben erweckt zu werden; hier gilt der Bismarcksche 
Satz: „Quieta non movere". Uber die Verbesserungsbedurftigkeit: der 
Rochlitzschen Ubersetzung herrscht selbst bei denen, die auf Tradition 
halten, nur eine Stimme; auch in den ^Mitteilungen fur die Mozart-Gemeinde 
in Berlin", die im wesentlichen eine konservative Tendenz vertreten, ist 
wiederholt 1 ) die Verbesserungsbedurftigkeit dieser Ubersetzung betont 
worden. Der Levischen Ubersetzung mangelt kurzweg eines: die Eigen- 
schaft einer Dichtung, also die conditio sine qua non einer Textgrundlage 
fur eine solche Oper. Eine Ubersetzung, die den „Herrn Gouverneur zu 
Pferde" in eine „hochgeschatzte Statue des grossen Herrn Comthures" ver- 
wandelt, muss prinzipiell Misstrauen erwecken und das Urteil gegen sich 
einnehmen, denn sie zeigt, dass sie Neues um jeden Preis bringen will, 
unbekiimmert darum, ob das Neue eine Besserung darstellt oder nicht. Zu- 
gleich ist diese Ubersetzung an dieser Stelle charakteristisch fur das Prinzip 
der Levischen Ubersetzung; es ist das krampfhafte Festhalten an dem Wort- 
laute des Ausdruckes — als ob die Wortlichkeit der Ubersetzung ent- 
scheidend fur die Treue der Ubersetzung ware.-) Wie sehr bei diesem Be- 
streben das gerade Gegenteil des Originals zutage gefordert werden kann, 
beweisen, um in einige Einzelheiten einzugehen, gleich die Anfangsworte 
Donna Elvira's in der Levischen Ubersetzung. Da Ponte fiihrt diese Figur 
mit folgenden Worten ein: „Ah! chi mi dice mai quel barbaro dov'^." Dies 

1 ) s. 14. Heft Oktober 1902. 

2 ) Unmotiviert erscheint uberhaupt eine Ubertragung, die von der Tradition ab- 
weicht, um den Komthur stehend anstatt zu Pferde darzustellen. Eine derartige Uber- 
tragung hat nicht einmal den Vorzug der grosseren Ubersetzungstreue, was sich schon 
daraus ergibt, dass auch nach dem italienischen Original der Komtur sehr wohl zu 
Pferde dargestellt werden kann, da eine „statua gentilissima* 4 prinzipiell auch eine 
Reiterstatue sein kann. 



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21 
HEINEMANN: ZU MOZARTS „DON JUAN" 

ubersetzt Levi durch : „Ach, werd ich ihn wohl finden usw. a , Rochlitz da- 
gegen durch: „Wo werd ich ihn entdecken". Bei Rochlitz fehlt also das 
Dapontesche „Ah! a , das „Ach a , und doch kann von seiner Lesart eine 
grossere Treue der Obersetzung behauptet werden. Denn der Gefiihls- 
inhalt des Ausdrucks „Ach tf kann ein verschiedener sein; er kann Zorn, 
Verachtung, Erstaunen usw. wiedergeben; was er zum Ausdruck bringt, 
wird durch das, was ihm folgt, bestimmt. Wenn Da Ponte sagt, „Ah! chi 
mi dice mai u , so bringt dieser Satz gleich im Anfang die leidenschaftliche 
Emporung der Elvira iiber die Untreue ihres Geliebten, also ihre wahre 
Verfassung, zum Ausdruck. Wenn aber Levi ubersetzt „Ach, werd ich ihn 
wohl finden", so sieht das so aus, als ob sie sich uberlegte, ob sie 
ihn finden wird. Durch den ungliicklichen Ausdruck „wohl" hat Levi den 
wirklichen Gefiihlsinhalt in dem Ausruf „Ach!" wieder aufgehoben und 
durch eine der Verfassung der Elvira auch nicht im entferntesten Rechnung 
tragende reflexive Stimmung ersetzt. Die Levische Obersetzung bringt 
also hier nicht den leidenschaftlichen Zorn iiber das Verschwinden des 
Geliebten, sondern das gerade Gegenteil, eine Oberlegung zum Aus- 
druck; der Charakter ist also vollstandig verzeichnet, trotz der wortlichen 
Wiedergabe des „Ach! tt Fast unrettbar aber erscheint eine Charakterfigur, 
die gleich bei ihren Einfiihrungsworten verzeichnet ist. 

Genau dasselbe Missgeschick ist dem Verfasser dieser Obersetzung 
auch bei den Schlussworten der Elvira widerfahren, nur dass hier auch 
noch starke Verstosse gegen die Musik hinzutreten. Fur die Stimmung der 
Elvira bei ihrem letzten Auftreten sind bezeichnend die in der Partitur 
vermerkten Worte: „entra disperata". Diese verzweifelte Stimmung kommt 
bei Da Ponte in folgenden Worten zum Ausdruck: 

„R6stati, barbaro! nel lezzo immondo, 
Esempio orribile d'iniquita!" 

Die Mozartsche Musik fiir diese Worte war hier der sicherste Wegweiser 
fur den Obersetzer und Darsteller. In dem Ausdruck „orribile a , oder 
noch genauer ausgedriickt, in der Silbe „ri a dieses Wortes war der ganze 
leidenschaftliche Zorn der Elvira gleichsam niedergelegt worden. Wie 
ubersetzt Levi dieses nun? 

„Nun so versinke denn ganz in dem Pfuhle, 
Bleibe ein Vorbild der Ruchlosigkeit." 

Zunachst der Widersinn, der hier in dem Ausdruck „ Vorbild der 
Ruchlosigkeit" liegt: die Ruchlosigkeit kann niemals vorbildlich sein; 
man sagt deshalb wohl ironisch: ein nettes Vorbild, also in einer der 
Gemiitsverfassung der Elvira direkt entgegengesetzten Stimmung. Der 
Unterschied zwischen einem „Beispiel a (esempio) und einem ,, Vorbild" 
scheint dem Obersetzer iiberhaupt entgangen zu sein; in seinem Bestreben, 



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22 

DIE MUS1K V. 7. 



wortlich zu iibersetzen, bringt seine Ubersetzung hier das gerade Gegen- 
teil des Originals und, wie wir sehen werden, auch der Musik: 
denn gerade an die Stelle, an der Mozart das Wort „orribile" in 
der Musik charakterisiert, bringt Levi das Wort — Vorbild! So etwas 
sollte einem Musiker nicht passieren! Hierzu kommt noch die ungliick- 
liche Ubersetzung des italienischen „d'iniquit& tt durch den Ausdruck 
„Ruchlosigkeit tt . Dem Sinne des italienischen Originals entspricht dies 
zwar, aber die musikalische Unbrauchbarkeit dieses Ausdrucks hat Levi 
selbst dadurch dargetan, dass er im Gegensatz zu dem italienischen 
Original von einer dreimaligen Wiederholung dieses Ausdrucks wegen der 
sonst unvermeidlichen, hochst bedenklichen Betonung der Silbe „Ruch u 
Abstand genommen hat und statt dessen andere Worte einfiigte, wodurch 
die Steigerung in der empfindlichsten Weise beeintrachtigt worden ist. 
Die Rochlitzsche Ubertragung an dieser Stelle (Wahrlich, der Strafe wirst 
du nicht entgehen) mit der dreimaligen falschen Betonung des „du" war 
verbesserungsbediirftig genug. Jedenfalls ergibt sich aus dem Vorstehenden, 
dass die Charakterfigur der Elvira in der Levischen Ubersetzung bei 
ihrem ersten und letzten Auftreten vollstandig verzeichnet ist, und damit 
diirfte allein die Unbrauchbarkeit einer so gezeichneten Figur dargetan sein. 
Man hatte iiberhaupt annehmen diirfen, dass in einer Ubersetzung, 
die einen Musiker zum Verfasser hat, auch der Musiker in erster Linie 
zur Geltung gekommen ware. Dass das in bezug auf diese Oper nicht der 
Fall ist, zeigen bereits die vorigen Ausfiihrungen, deren Beweiskraft noch 
durch einige weiteren Beispiele verstarkt werden mag. Wie wenig Levi 
und ebenso Rochlitz imstande gewesen sind, sich durch den Komponisten 
emporziehen zu lassen, tritt am deutlichsten in der sogenannten 
Champagnerarie hervor. Bei der Ubertragung leitete den Miinchener 
Bearbeiter zwar das Bestreben, diese Arie von all den musikalischen 
Zutaten zu befreien, die im Interesse der Rochlitzschen Ubersetzung in 
die Mozartsche Musik eingefiigt waren und die bei dem Presto-Tempo 
dieser Arie sich fiir den Sanger in doppelter Hinsicht unangenehm fiihlbar 
machten. Aber dieses Ziel ist erreicht worden durch Schaffung einer 
Charakterfigur, die mit dem Mozartschen Originale kaum noch etwas 
gemein hat. Bei den Worten: 

„Ed io frattanto 
Dall'altro canto 
Con questa e quella 
Vo'amoreggiar" 

sieht Don Juan im Geiste, wie er aus dem Feste mit einer Schonen (Zer- 
line) fortstrebt; was ihn hierbei bewegt, hat Da Ponte durch den Ausdruck 
„amoreggiar" gekennzeichnet. Dieses „amoreggiar" hat Mozart dreimal 



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23 
HEINEMANN: ZU MOZARTS „DON JUAN«~ 



wiederholt, und bei der dritten Wiederholung, wenn die Endsilbe „giar - 
verklungen ist, schildert die Musik: 




Viol. 



namentlich in der Fuhrung der Violinstimme der beiden letzten Takte in 
bezug auf die Verfassung Don Juans jenen Zustand, den Goethe im Faust 
durch die Worte ausdrtickt: 

„lm Vorgefuhl von solchem hohen Gluck 
Geniess ich jetzt den hochsten Augenblick", 

— einen Zustand, aus dem sich Don Juan erst durch den Ausruf: „Ah, la 
mia lista" gewaltsam wieder losreisst. Und fur diesen Zustand des namen- 
losesten Entziickens, fiir diesen Zustand der Selbstberauschung, hat der 
eine der beiden Ubersetzer (Rochlitz) den Ausdruck „Schlafgemach B , der 
andere (Levi) den Ausdruck „Kammerlein a , und der letztere tragt kein 
Bedenken, sein „Kammerlein a (entsprechend dem Original) seinen Zuhorern 
obendrein dreimal vorzufiihren! Was muss das fiir eine Musik sein, die 
solche Dinge auszuhalten vermag ! *) 

Aber weiter. Die letzte Strophe, die die neuen Triumphe Don Juans 

verkiindet: 

„Ab, la mia lista, doman mattina 
D'una decina devi aumentar!" 
iibersetzt Rochlitz : 

w Blonde, Brunetten, drauf will ich wetten, 
Zahlt mein Register morgen noch mehr." 

Da das Komma zwischen dem „ Blonde* und „ Brunetten" in dem Presto- 
Tempo der Musik verschwindet, so versteht man mithin : Blonde Brunetten 

— eine contradictio in adjecto ! Nehmen wir hinzu den melodischen Aus- 
druck „drauf a (drauf will ich wetten), so hat man die Schonheiten der 
Rochlitzschen Ubersetzung dieser beiden Zeilen. In der Levischen Uber- 
setzung aber lauten die Worte: 

w Drum ohne Sorgen 
In dein Register 2 ) 



*) Auch d'Andrade ist m. E. uber dieses vo'amoreggiar zu rasch hinweggegangen: 
ich hatte die Empfindung, als ob ihm die Bedeutung dieser Stelle nicht recht zum 
Bewusstsein gekommen sei. 

2 ) Im Klavierauszug heisst es: „Deinem Register", also: Du schreibst 
deinem Register zehne noch ein." (!) 



Di;j '"i/'fiC! 



C it)OQlc 



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24 

DIE MUSIK V. 7. 



Schreibst du schon morgen 
Zehne noch em." 

Wohlverstanden : zehne, nicht zehn. Zehne wird aber ausgesprochen und 
gesungen, als ob es mit einem „a a geschrieben wiirde, also genau wie 
„Zahne". Und dieser Ausdruck: 

„Zehne (Z2hne) noch ein a 
wird in der Levischen Ubersetzung nicht weniger als neunmal, sage und 
schreibe neunmal im Gesange wiederholt! Welch eine Zumutung fiir 
die Musik ! 

Ein ahnliches Beispiel, das eine formliche Profanation der Musik 
enthalt, findet sich bei Rochlitz in dem Sextett im zweiten Aufzuge. Hier 
lauten die Worte Donna Anna's folgendermassen : 

„Lascia almeno alia mia pena 
Questo piccolo ristoro, 
Sol la morte, o mio tesoro, 
II mio pianto puo finir." 

Dies iibersetzt Rochlitz: 

„Lass mich klagen, lass mich weinen, 
Ohne diese Trinenfluten 
Musste sich dies Herz verbluten, 
Sie erquicken meine Brust." 

Uber die Geschmacklosigkeit der Ausdrucksweise (die Tranenfluten er- 
quicken die Brust der Donna Anna) will ich mich hier nicht weiter aus- 
sprechen; hier mag lediglich auf die Bedeutung dieser Ubersetzung fiir 
die Mozartsche Musik hingewiesen werden. Dadurch, dass Rochlitz im 
Gegensatz zu Da Ponte die erste Zeile dieser Strophe (Lass mich klagen, 
lass mich weinen) statt der letzten wiederholt, gerat das Verhaltnis der 
Textworte zur Musik in Unordnung, und die Textunterlage gestaltet sich 



daher zum Schluss folgendermassen : 




Daponte: pian to puo fi - - nir! 

Rochlitz: sie er - quik - ken mei - ne Brust. 

Erstens ist das „ Erquicken**, das an Stelle von „pianto a steht, das gerade 
Gegenteil von „pianto**, sodann werden an Stelle der fiber mehrere Tone 
zu haltenden, den Schmerz ausdriickenden Silbe „pian a (pianto) fiir die 
einzelnen Tone neue Silben gesungen ; hierbei ereignet es sich, dass die 
Silbe „qui tt in dem Worte „erquicken** voile dreiviertel Takte, und noch 
dazu in einer Steigerung von „des a auf „f a ausgehalten werden muss, also 
nicht kurz, wie „quick a , sondern lang, wie „quie a gesungen werden 
muss, sodass wir also im Gesang nicht das Wort „erquicken a , sondern 



( * , . AO | . Original from 

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HEINEMANN: ZU MOZARTS „DON JUAN" 

„erquieken" vernehmen ! „Die Tranenfluten, sie erquieken meine Brust u — 
so versichert uns Donna Anna nach Rochlitz in ihrem tiefsten Schmerze! 
Man sollte meinen, dass diese Proben geniigten, denn nicht die Menge, 
sondern schon die Art der Beispiele ist charakteristisch fur die Obersetzung. 
Indessen mogen noch einige weiteren Beispiele angefiihrt werden, die speziell 
die Bedeutung dieser Obersetzung fur die Musik charakterisieren. Gleich 
beim ersten Auftreten der Donna Anna, wenn sie dem entweichenden Don 
Juan die Worte: „Non sperar, se non m'uccidi, ch'io ti lasci fuggir mai" 
entgegenschleudert, sagt sie im Original bei der dritten Wiederholung 
dieser Worte „Non sperar, ch'io ti lasci fuggir mai.** 

Die ganze Kraft der Leidenschaft hat Mozart hier in den Ausdruck „lasci a hinein- 
gelegt, und bei der dritten Wiederholung dieses Ausdrucks kann die G-Note: 




Ch'io ti las - ci fug - gir mai 

Rochlitz: Rau - ber du ent-gehst mir nicht 

Levi: Un - er-kannt zu fliehn von hier 

tatsachlich als die exponierteste Note des ganzen Absatzes gelten. Rochlitz 

iibersetzt hier: 

„Rauber, du entgehst mir nicht.** 

Mit der G-Note, d. i. also mit der am starksten betonten Note fallt (s. o.) hier 
das Wortchen „du a , also ein beim Sprechen vollstandig unbetontes Wort, 
zusammen, so dass die Sangerin gegen jeden Sinn genotigt ist, dieses „du tt 
mit aller Kraft zu betonen. Richtiger ware es gewesen, wenn die Roch- 
litzschen Worte hier gelautet hatten: 

„Du entgehst mir wahrlich nicht**, 
so dass die Silbe „gehst** mit dem stark betonten „G a zusammengetroffen 
ware. Bei Levi heisst es hier (s. o.): 

„Hoffe nicht, unetkannt zu flieh'n von hier". 
Dass die Silbe „kannt a in dem Worte „unerkannt" sich auch nicht im entfernte- 
sten dazu qualifiziert, urn den Ausbruch der Leidenschaft wiederzugeben, 
wie er in den Worten „ch'io ti lasci" und insbesondere in der Mozartschen 
Charakteristik des Wortes „lasci a hervortritt, fiihlt jeder. J ) Ahnlich ist es 



J ) Gerade diese Stelle entschleiert fur die, die nachzuempfinden verstehen, das 
ganze Getriebe der musikalischen Komposition, sie zeigt, wie der eigentliche spiritus 
rector hierbei die Phantasie ist. Bei den Worten: 

„Non sperar, se non m'uccidi, 

ch'io ti lasci fuggir mai** 
sah Mozart die Szene vor seinem geistigen Auge, er sah im Geiste, wie die zorn- 
bebende Spanierin den frechen Eindringling unter Aufgebot ihrer ganzen Kraft fest- 
zuhalten suchte, und bei der dritten Wiederholung des „ch'io ti lasci** kam der Vulkan 
in ihrem Innern zum vollen Ausbruch, und der Ton ging bei dem Worte „lasci**, man 



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26 
DIE MUSIK V. 7. 



den Ubersetzern gegangen in dem gemeinschaftlichen Klagegesang Octavio's 
und Donna Anna's (Che giuramento, oh Dio), namentlich bei der Uber- 
tragung des „ondeggiando il cor": 




Anna: fe ^z^ ^g^^^E 




- cor, vam -mi on-deg - gian do 

(Rochlitz) - Herz, sonst un - ter - liegt sonst un - ter liegt usw. 
(Levi) - ein, ach welch ein Jam - mer brach her- ein. 

Man sieht, wie es Mozart darum zu tun war, den an sich so melodischen 
Ausdruck „ondeggiando a durch die musikalische Behandlung der Silbe 
«gian a zu charakterisieren. Statt nun diese Silbe in der vorgeschriebenen Form 
auszuhalten, werden in der Ubersetzung den Noten an dieser Stelle neue 
Worte, und noch dazu solche, die mit dem musikalischen Sinne nichts 
zu tun haben, unterlegt, zum grossten Nachteil fiir die Mozartsche Musik. 
— In dieselbe Kategorie von Missgriffen gehort die zweite Arie der Zer- 
line („Vedrai carino tt ) in der Levischen Ubersetzung. Von der Ausdrucks- 
weise an sich will ich auch hier ganz absehen; bei den Worten aber: 

„non lo sa far, no! a 
durfte kein Ubersetzer, und vor allem kein Musiker, dieses „no u , das 
gar nicht von Da Ponte herriihrt, sondern von Mozart selbst zur Ver- 
starkung dieses Ausdrucks eingefiigt worden ist, ignorieren. An Stelle 
dieses „non lo sa far, no a bringt Levi bei der zweiten Wiederholung die 
unglaublichen Worte „kein Apotheker", so dass also der betonte Ausruf 
„no! a mit der Schlussilbe des Wortes Apotheker („ker ft ) zusammenfallt: 



Zerline: 



^mms 



non lo sa far, no! 
Levi: Kein A - po - the-ker(!!) 

Es tritt also eine vollstandige Verdunkelung des musikalischen Sinnes ein, 

die gerade der Musiker hatte vermeiden miissen. 

In eine andere Kategorie von Verstossen gegen die Musik gehort 

die Art, wie der Ubersetzer an gewissen Stellen mit langeren Laufen fertig 

zu werden sucht. In der nachkomponierten Arie der Elvira heisst die letzte 

Zeile bei Da Ponte: 

„Provo ancor per lui pieta." 



konnte sagen, mechanisch in die Hohe. Die SSngerinnen sollten sich gerade an einer 
solchen Stelle in die Mozartsche Musik versenken, die ihnen die sicherste Aus- 
kunft gibt, wie sie an dieser Stelle nicht allein zu singen, sondern auch — zu spielen 
haben. Freilicb, in der Rochlitzschen oder Levischen Ubersetzung ist die richtige 
Wiedergabe geradezu eine Unmoglichkeit. 



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27 
HEINEMANN: ZU MOZARTS „DON JUAN" 

Dies iibersetzt Rochlitz: 

„Weint noch Mitleid hier fur ihn." 

Zum Ungliick fiir den Ubersetzer trifft das Schlusswort „ihn" mit einer 
langeren Tonfigur zusammen. Aber ein findiger Ubersetzer weiss sich 
zu helfen; er schiebt einfach mitten in den Lauf ein „ja a ein, und die 
arme Elvira muss dieses „ja a bis zur Bewusstlosigkeit heruntersingen. 
Dasselbe Missgeschick ist dem Ubersetzer in der sog. Briefarie wider- 
fahren; dem Worte ^Sentir^" (Sentir& piet& di me), dessen letzte Silbe 
Mozart bei der Wiederholung zu einer sich iiber zehn Takte erstrecken- 
den musikalischen Idee benutzte, werden im Klavierauszuge (Rochlitz) 
im Deutschen die schonen Worte: 

„bis meinem Herzen dieser Morgen j a — ein Morgen scheint" 
unterlegt, und in das Wort „ja" ergiessen sich — zehn Takte hindurch — 
die Empfindungen der Donna Anna. Das ist gewiss sehr erhebend, zumal 
in einer so sinnreichen Phrase — aber immer noch ist's besser als die 
Textunterlage in der Partitur, in der an Stelle des Wortchens „ja" das 
Wort „scheint" steht. Das Wort „scheint tt zehn Takte singen zu lassen, 
ohne zu beriicksichtigen, dass die beiden Endkonsonanten wahrend dieser 
zehn Takte nicht mitgesungen werden konnen — welch eine Zumutung 
fiir die Darstellerin dieser Rolle! 

Beziehen sich die vorstehenden Beispiele in erster Linie auf die Be- 
deutung, die die betreffenden Ubertragungen fiir die Musik haben, so mogen 
nachstehend noch einige Beispiele angefiihrt werden, die den Ausdruck an 
sich betreffen. Im Quartett des ersten Aufzuges sagt Octavio nach Rochlitz: 

„Eher weich ich nicht von hinnen, 
Bis mir Auskunft wird und Licht.* 

Der Ausdruck „Auskunft tt konnte einen Neuerer wohl zu einer Verbesserung 

anregen. Levi, der es versuchte, brachte hier folgende Worte: 

„Nein, nicht eher will ich weichen, 
Bis mir Klarheit ward und Licht." 

Zunachst ist zu bemerken, dass der Ausdruck „ward tt sich immer nur auf 
vergangene, aber niemals auf zukiinftige Dinge beziehen kann. Sodann 
mochte ich wissen, warum jemand, der bereits Klarheit in einer Frage 
besitzt, sich auch noch Licht in einer solchen Frage verschaffen soil. Wenn 
Levi umgekehrt gesagt hatte „bis mir Licht und Klarheit wird", so wiirde 
das Sinn gehabt haben, denn durch das Licht wird die Klarheit verbreitet, 
aber nicht durch die Klarheit das Licht. 

In der zwolften Szene iibersetzt Levi das „che dolce maest& tt durch 
„welch holde Majestat", und zwar findet sich diese Ubersetzung im 
Levischen Klavierauszuge; im Levischen Textbuch heisst die Ubersetzung 
dagegen: „welch hohe Majestat". Nach meinem Gefiihl ist beides un- 



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28 
DIE MUS1K V. 7. 



zulassig: die Majestat ist weder „hold u noch „hoch a ; der BegrifF des „hohen a 
bleibt hinter der Vorstellung des „majestatischen a zuriick, und der Begriff 
des „holden" und des „majestatischen a schliessen einander aus. 

Schon oben ist auf die verfehlte Art hingewiesen worden, in der Levi 
mitunter Interjektionen anwendet. Im Finale des zweiten Aktes lasst er 
Don Juan mit folgendem Ausruf eintreten: 

„Ha! das Mahl ist schon bereitet!" 

„Ha! tt — beim Anblick eines gedeckten Tisches! Und noch dazu bei einer 
Charakterfigur wie Don Juan, fur den derartige Dinge, wie eine Mahlzeit, 
offenbar etwas ganz Aussergewohnliches darstellen! Man sagt wohl: Ha! 
Verrater! wie iiberhaupt der Ausdruck: Ha! immer auf eine starke innere 
Spannung schliessen lasst. Aber beim Anblick eines gedeckten Tisches 
die Fassung zu verlieren — das konnen wir am allerwenigsten einem Don 
Juan zutrauen. 

Ein weiteres Beispiel dieser Art sind die Eingangsworte (in dieser 
Beziehung ist Levi iiberhaupt vom Missgeschick verfolgt) Zerlinen's: 

„0 ihr MSdchen, zur Liebe geboren, 
Auf! benutzet die bluhende Zeit. a 

Ich will von dem Ausdruck „bliihende Zeit a ganz absehen; aber wie sollen 
wohl die Madchen „zur Liebe geboren** diesem Appell: „Auf! benutzet die 
bluhende Zeit" entsprechen? Der Ausruf: Auf! pflegt nur bei ganz konkreten 
Fallen angewendet zu werden; man sagt wohl: Auf zum Kampf! auf zur 
Tafel! auf zur Jagd! Aber: „Auf! benutzet die bluhende Zeit a ? 

Im Quartett des ersten Aufzuges legt Levi Don Juan (!) die Worte 
in den Mund: 

w O wie fuhlt sich die Seele befangen". 

Eine solche Ausdrucksweise passt zur Charakterfigur Don Juans wie die 
Faust aufs Auge. 

Uber die fehlerhafte Art, die Wiederholung anzuwenden, habe ich 
mich bereits an anderer Stelle geaussert. Hier noch ein Beispiel, 
das bezeichnend ist fur den Mangel an Uberlegung bei der Anwendung 
angemessener Worte in dieser Beziehung. Die # zweite Arie Don Octavio's: 

„Il mio tesoro intanto 

Andate a consolar* 
iibersetzt Rochlitz: 

„TrSnen, vom Freund getrocknet, 
An seiner Brust geflossen". 

Nun hat Mozart das „Andate a zur Wiederholung benutzt; da nun an der 
Stelle dieses „Andate a in der deutschen Ubersetzung die Worte: „an seiner" 



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29 
HEINEMANN: ZU MOZARTS „DON JUAN 8 



stehen, so wiederholt Rochlitz ganz mechanisch auch diese Worte, und 
Octavio bringt demgemass im Gesang seine Empfindungen in folgender ge- 
fiihlvollen Weise zum Ausdruck: 

„Tranen, vom Freund getrocknet, 

An seiner, an seiner Brust geflossen" 

Man hat den Eindruck, als ob Octavio hier stotterte, als ob ihm bei dem 
Worte „seiner a das Wort in der Kehle stecken bliebe. Es lassen sich 
prinzipiell nur solche Worte zur Wiederholung gebrauchen, die iiberhaupt 
einen Gedankeninhalt haben, der eben durch die Wiederholung verstarkt 
werden kann. Worte aber, wie die beiden Worte: „an seiner" haben 
iiberhaupt keinen Inhalt und konnen infolgedessen auch nicht wiederholt 
werden. Richtig ware es gewesen, wenn er den Ausdruck „an seiner 
Brust" wiederholt hatte; man hatte dann wenigstens gewusst, was ihn 
iiberhaupt bewegte und was infolgedessen durch die Wiederholung hatte 
verstarkt werden konnen. 

Zwei Stellen seien noch angefiihrt, die speziell die Darstellung 
betreffen. Im ersten Akte, wenn Masetto sich in der Laube verbirgt, 
fahrt Don Juan vor dem aus der Laube tretenden Masetto betroffen zuriick. 
Dies Erstaunen Don Juans wird in der Musik haarscharf geschildert und 
zwar in dem Augenblicke, wenn die Musik von F-dur nach a-moll iibergeht. 
In diese m Augenblick muss Don Juan zuriickfahren, bis sein zunachst 
sprachloses Erstaunen sich in die Worte: 

„Masetto? 

E chiuso I&-perche?" 

auflost. Der Verfasser dieser Zeilen wohnte einer Vorstellung bei, in der, 
soweit er beobachten konnte, Don Juan, wahrend die Musik das Erstaunen 
bereits zum Ausdruck brachte, die widerstrebende Zerline in die Laube zu 
drangen suchte und nun zuriickprallte, nachdem die Musik das Erstaunen 
langst zum Ausdruck gebracht hatte. Hier muss der Darsteller darauf 
achten, dass die Handlung mit der Musik im Einklang bleibt. 

Ein zweites Beispiel dieser Art. Im ersten Akte, wenn Donna Anna 
Don Juan zu halten sucht und die Worte „Ti sapro perseguitar" zum 
letzten Male ausgesprochen hat, heisst es in der Partitur erklarend: „Donna 
Anna, sentendo il commendatore, lascia Don Giovanni ed entra in casa tt . 
Darauf erscheint der Comtur und sagt: „Lasciala, indegno! u Das ist 
natiirlich unlogisch, denn wenn Donna Anna ihn bereits losgelassen hat 
und ins Haus eingetreten ist, kann der Comtur Don Juan nicht mehr 
auffordern, sie loszulassen. In der Ricordischen Ausgabe des Textbuches 
ist dieser Widerspruch auch beseitigt. Hier tritt zuerst der Comtur mit 
dem Ausruf „lasciala tt herein, und erst dann heisst es in der Erklarung, 
dass Donna Anna den Eindringling loslasst und dann ins Haus tritt. Nach 



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30 
DIE MUSIK V. 7. 



meinem Dafiirhalten ist es iiberhaupt iiberfliissig, diese ausdriickliche 
Aufforderung, sie loszulassen, dem Comtur in den Mund zu legen, denn 
wenn der Comtur seinen Gegner auffordert, den Degen zu Ziehen, dann 
geht daraus ohnehin hervor, was er auch in bezug auf seine Tochter von 
seinem Gegner erwartet. 

Ich bin mir nicht im Zweifel dariiber, dass eine musikalische Autoritat, 
wie Hermann Levi, sich wohl im Klaren iiber die Unzulanglichkeit seiner 
Ubersetzung gewesen ist. Wenn er den Versuch einer Besserung unter- 
nahm, so trieb ihn wohl in erster Linie hierzu die Opposition gegen die 
Rochlitzsche Ubersetzung, deren Verstosse allerdings an gewissen Stellen 
eine formliche Aufforderung bilden, die Losung dieses Problems wieder 
zu versuchen. Hierbei beging er indessen schon den Fehler, das 
traditionelle Moment nicht genugend zu beriicksichtigen und auch da 
Anderungen vorzunehmen, wo die Tradition immerhin gewisse Rechte 
geltend machen konnte. Allein der Hauptgrund der mangelhaften 
Beschaffenheit seines Textes lag hauptsachlich darin, dass er iiberhaupt 
nicht imstande war, die Ubertragung dichterisch zu gestalten. Es kommt, 
wie schon angedeutet, nicht allein darauf an, dass die einzelnen Noten 
und Silben in einwandfreier Form vereinigt werden, sondern die Gesamtheit 
des Textes muss bei diesem Verfahren immer den Anspruch auf den 
Namen einer Dichtung erheben konnen. Erst wenn die Frage in betreff der 
poetischen Beschaffenheit des Libretto's entschieden ist, kann dieses auf 
seine musikalische Brauchbarkeit hin gepriift werden. Nur aus der Hand 
der Poesie kann die Musik das Textbuch empfangen, um ihrerseits ihr 
Urteil zu fallen. Levi aber glaubte die Poesie ausschalten und sich direkt 
an die Musik wenden zu konnen: er beachtete also den „Instanzenweg u 
nicht — ein Verfahren, das sich auf dem von ihm betretenen Gebiete 
unter alien Umstanden rachen muss. Indessen, hat Levi das Problem 
auch nicht gelost, so ist sein Bemiihen doch nicht umsonst gewesen, denn 
er hat die Aufmerksamkeit von neuem auf die Frage gelenkt, und seine 
Arbeit kann vielleicht als ein Produkt jenes Strebens aufgefasst werden, 
„das stets das Bose will und stets das Gute schafft". 

Am 27. Januar 1906 findet die 150jahrige Wiederkehr von Mozarts 
Geburtstagsfeier statt. Nicht besser konnten die Buhnen das Andenken 
des Meisters ehren als durch Erreichung jenes Zieles, das ihnen seit 
Jahren vorschwebt: durch Vereinheitlichung des deutschen Don Juan -Textes. 
Oder sollte die deutsche Sprache fur alle Zeiteri vergebens nach einem ein- 
heitlichen Ausdruck ringen, der imstande ware, eine der grossten 
Schopfungen, die der Genius hervorgebracht hat, in einer ihrer selbst und 
diesem Werke gleich wurdigen Form zur Darstellung zu bringen? 



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iiiiiiiiniiiiiiiinimiD 



jzart als Knabe, als Junge. Er muss ein entzuckender Knabe 
gewesen sein, sicherlich einer von denen, die man sc|pn ob 
ihrer Kindfichkeit Heb haben muss, Er war auch sch5n» Sein 
Gesicht hat attf dem bekannten Veroneser Bilde, das Sonn- 
leithner fond, weicbe und frauenbafte ZBge, die an das nioderne eng- 
liache Salonbild erinnera; auch hat der unbekannte Maler Mozarts Nase, 
flber welche die boshafte Signora Malerbi einen schlechten Witz machte, 
dem kfinstlerischen Ideal nthergebracht; fiber das funkelnde Auge, das liber 
den Beschauer hinwegfliegt, fibt die alte hypnotische Zauberkraft, der 
man auf alien Knabenbildern beruhmter Mflnner begegnet. Was aber auch 
die Bilder nicht wiedergeben kSnnen, er&chliesst sich aus den reichlich 
erhaltenen Jugendbriefen. Mag auch zuweilen in ihnen die krftftig-derbe 
Atmospbire des vfiterlichen Hause& einen leisen Nachklang finden, der uns 
verletzen will — die warme Liebe zu den Eltern, die uberquellende ZBrtlich- 
keit zur Sch wester, die aus diesen Papiercn reden, machen uns den 
Knaben nicht nur sympathischer als alle Wunderktnder unserer Zeit, sondern 
lassen una ihn mit unserer ganzen Liebe umfassen. Wie der junge 
Feuerkopf wirkte, wollen die folgenden Zeilen auf Grand unbekannten 
Materials darstellen. 

Aus den biographischen Werken von Niemtscbek und Nissen 1st 
uns bekannt, dass die Pamilie Mozart im Januar 1768 nach Wien iiber- 
siedelte, mit der Absicht, dem Sohne ein neues Wirkungsfeld zu gewinnen. 
Der Kaiserliche Hot erwies sicb wohlgeneigt, und Wolfgang Mozart erbielt 
den Auftrag, eine Oper zu komponieren; in knrzer Zeit war dieses Werk 
beendet; es war eine Opera buffa, La Finta semplice, deren Text- 
buch der Hofdicbter Marco Coltellini verfasst hatte. Aber die Aufffibrung 
kam trotz ausretcbender Vorbereitungen nicht zustande; der Theaterunter* 
nehmer Affligio, eine katilinarische Existenz vom relnsten Wasser, hinter- 
trieb sie mit den unsaubersten Mitteln. Ferner erblickten die ltalienischen 
Singer in dem Umstande, dass ein 12j&hriger Knabe die Aufffihrong leiten 
sollte, einen Angriff auf ihren kfinstlerischen Ruf; denn sie waren welt 



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32 
DIE MUSIK V. 7. 



davon entfernt zu glauben, dass dieser Junge die dicke Partitur von 
558 Seiten selbst komponiert hatte. Der Vater Mozart war emport und 
wandte sich in der Not — der Hof war von Wien abwesend — an die 
ersten musikalischen Personlichkeiten Wiens. Er verrechnete sich hier 
teilweise. Der alte Klavierkomponist Christoph Wagenseil, der Lehrer der 
Kaiserin Maria Theresia, war krank und konnte nicht eingreifen. Gluck 
verhielt sich indifferent; ja, Leopold Mozart behauptet sogar, Gluck habe 
zu der aufhetzenden Gegenpartei gehort. Priift man ganz unbefangen an 
der Hand zeitgenossischer Mitteilungen die Beziehungen in der musikalischen 
Welt Wiens, so entrollt sich das Bild eines unverfalschten Konkurrenz- 
neides. Da steht auf der einen Seite Gluck mit seinem Textdichter 
Calzabigi, und beide tragt die fortschrittliche Presse eines Josef von Sonnenfels. 
Auf der Gegenseite gewahren wir, alt und grau geworden, Johann Adolph 
Hasse und seinen Librettisten Metastasio, beide langst Manner von einer 
europaischen Beriihmtheit, die nun auf die neuen Kopfe vornehm abwartend 
herabsahen, Leute, die in Wien zu den Intimen der Kaiserin gehorten. 
Dann ware noch an eine dritte Partei zu denken, mit Dittersdorf an der 
Spitze; diese wird von Gluck und Hasse vollstandig iibersehen. Haydn 
lebte damals nicht in Wien. Leopold Mozart wandte sich nun an Hasse 
und wurde mit seinem „Wolfgangerl a herzlich aufgenommen. In einem 
wohl etwas dick instrumentierten Briefe vom 30. Juli 1768 teilt Leopold 
Mozart triumphierend mit, „dass der Musikvater Hasse und der grosse 
Metastasio" erklart hatten, die Verleumder des jungen Mozart sollten zu 
ihnen kommen, „um aus ihrem Munde zu horen, dass 30 Opern in Wien 
aufgefiihrt worden waren, die in keinem Stiicke der Oper dieses Knaben 
beykamen, welche sie beyde in hochstem Grade bewunderten"; ferner lesen 
wir in demselben Briefe, dass Wolfgang in Hasses Hauslichkeit „in Gegen- 
wart vieler Personen von Ansehn", Proben seines Talents gegeben hatte. 
Der Knabe musste in diesen etwas jahrmarktsartigen Schaustellungen 
Kunststiicke leisten, denen unsere heutigen 20jahrigen Konservatoristen 
hilflos gegeniiberstehen wiirden. Aber Hasses Intervention niitzte nichts; 
Mozarts Oper wurde zuriickgestellt und sah das Lampenlicht erst 1769 in 
Salzburg. Der Vater trostete sich damit, dass sein Sohn den Auftrag er- 
hielt, fur einen Privatzirkel das Liederspiel Bastien und Bastienne 
zu schreiben, das noch im selben Jahre mit Erfolg aufgefiihrt wurde, und 
dass Wolfgang am 7. Dezember 1768 eine selbstkomponierte Messe zur 
Einweihung der neuerbauten Waisenhauskirche dirigierte. Wurde doch 
damit der weitverbreiteten Ansicht, der Vater sei der Komponist dieser 
Werke und nicht der Sohn, der wurzelfeste Boden allmahlich entzogen. 

Oben war vom Musikvater Hasse die Rede. Wer Hasse war, wissen 
heute nur wenige; in den Jahren 1730 — 1800 wusste es jeder, der sich 



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MENNICKE: IL RAGAZZO MOZARD 



mit Musik beschaftigte. Er genoss eine Popularitat, an welche diejenige 
Richard Wagners gerade heranreicht. Die musikalische Presse nennt un- 
zahlige Male seinen Namen mit der hochsten Verehrung, und sie gerat 
dabei in eine leichte Extase; die deutschen Kunstschreiber betonen jedes- 
mal, dass es ein Deutscher ist, der an der Spitze marschiere, obwohl Hasse 
durchaus in italienischen Bahnen wandelte. Wie Fuhrmann von den drei 
B geredet hatte: Buxtehude, Bach und Bachelbel, so spricht Mattheson von den 
drei deutschen H : Hasse, Handel, Heinichen. Der Lexikograph Gerber faltet 
jedesmal die Hande, wenn er Hasses Namen nennt; er redet mit Vorliebe 
vom „grossen Hasse", und fur ihn haben die mannigfachen Urteile Hasses 
iiber Komponisten und ausiibende Kiinstler etwas von der Wucht und 
Schwerkraft der Gebote des alttestamentarischen Gottes. Johann Adolph 
Hasse, 1699 in Bergedorf bei Hamburg geboren, aus einer alten Organisten- 
familie hervorgegangen, die aus Liibeck stammt, kam als Tenorist an die 
Braunschweiger Oper, komponierte hier seine erste Oper, ging dann nach 
Neapel und wurde daselbst der getreue Famulus des alten Scarlatti. Er 
macht rasch Karriere, wird 1727 Konservatoriumsdirektor in Venedig und 
schreibt alljahrlich zwei Opern, die mit Enthusiasmus aufgenommen werden. 
Seinen unbequemen Namen schreiben und sprechen die Italiener Asse, 
sagen aber bald kurz und klangvoller il Sassone, der Sachse. Der furor 
italicus findet bald Beiworte, und nun ertont in alien Theatern Italiens 
das Feldgeschrei il divino, il caro Sassone, das uber die Alpen dringt 
und in der deutschen Heimat die Herzen hoher schlagen lasst. Im Jahre 
1734 weilt Hasse voriibergehend in London, wohin ihn schmeichelhafte 
Einladungen gerufen hatten, und in demselben Jahre tritt er die Dresdener 
Stellung des Opernkapellmeisters an, die er bis 1764 bekleidet hat. 
Friedrich der Grosse iiberschiittete ihn mit Ehren, lud ihn nach Berlin ein, 
am Miinchener Hofe verkehrte er in familiarer Weise, und in Paris feierte 
ihn die konigliche Familie mit einem echt franzosischen Feinsinn. Von 
1760 — 72 fesselte ihn die osterreichische Kaiserin an Wien, wo er fur die 
Hoffestlichkeiten einige Werke schrieb. Dann zog er sich nach seiner 
zweiten Heimat Venedig zuriick und starb dort 1783. Den Ruhm seines 
Namens hat aber Johann Adolph Hasse nicht allein zu Wege gebracht; 
einen betrachtlichen Anteil tragt seine Gattin. Faustina Bordoni-Hasse, 
zumeist nur Faustina genannt, war die bedeutendste Buhnensangerin 
ihrer Zeit; ihre Erfolge sind marchenhaft, und wir miissen schon an 
Adelina Patti denken, wenn wir den der Geschichte Fernerstehenden orientieren 
wollen. Bei ihrem ersten Auftreten im Alter von 16 Jahren in Venedig 
1716 hatte sie phanomenalen Erfolg; zwei deutsche Fiirsten beeilten sich, 
ihr den Titel einer Virtuosa di camera zu verleihen. In Florenz wurden 
1723 zwei Denkmiinzen auf sie gepragt. Wenn man ihr Bild in der 
V. 7. 3 



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DIE MUSIK V. 7. 



Dresdener Galerie gesehen hat, versteht man, dass ihr die Cavalieri in 
Bologna zu Fiissen lagen, dass sich bei Gelegenheit ihrer Londoner Tatigkeit der 
Jockeyklub enthusiasmierte, und dass der galante Prinz Friedrich von Wales 
ihretwegen einen Zweikampf ausfocht. In Wien erhielt sie ein Gehalt von 
12 500 Gulden, in London zahlte ihr Handel 40 000 Mark. Von 1730 ab 
war sie Hasses Gattin, und sie hat mit ihm zusammen der Dresdener 
Oper das glanzende Relief gegeben, das die gesamte europaische Kunstwelt 
auf Dresden achten Hess; mit Dresden verglichen waren die Operntheater in 
Berlin, Wien, Mannheim nur Provinzbiihnen. Faustina starb 1781 in Venedig; 
zwei Tochter, ein Sohn und der Gatte betrauerten ihren Verlust; von der 
grossen Welt hatte sie sich diplomatisch, im rechten Zeitpunkte, zuriickgezogen. 

Bei diesem Ehepaar, das in Wien zuriickgezogen lebte und Unterricht 
erteilte, klopfte also Leopold Mozart an, als ihm die Intriguenwirtschaft zu 
arg wurde; er wusste genau, dass ein Urteil Hasses ein Machtwort war. 
In einer Klaviersonate Wolfgang Mozarts, 1764 in London komponiert und 
der Konigin Charlotte von Grossbritannien gewidmet, heisst es (Kochel 10) 
in der Widmung, die hochstwahrscheinlich vom Vater, keinesfalls vom 
Sohne herriihrt: 

. . . Mais que je vive, et un jour je lui ofPrirai un don digne d'EUe et de 
toi; car avec ton secours, j'ggalerai la gloire de tous les grands hommes de ma patrie, 
je deviendrai immortel comme Handel et Hasse, et mon nom sera aussi cdlebre que 
celui de Bach. 

Niemtschek behauptet, Wolfgang habe in seiner Jugend die Werke 
Hasses, Handels und Phil. E. Bachs unablfissig studiert; wieviel daran 
wahr ist, lasst sich nicht ohne weiteres entscheiden; jedenfalls findet sich 
in Wolfgangs Briefen keine Zeile der Anerkennung fur Hasse. In Sachen 
der Oper La Finta semplice konnte Hasse, wir wir schon gesehen 
haben, nicht so helfen, als es erwiinscht war; aber er hat spMter mit seiner 
Gunst und Zuneigung nicht nur nicht zuruckgehalten, sondern er hat dem 
grossen Meister den Weg geebnet. Es existieren Briefe Hasses, die in 
den Jahren 1766 — 72 aus Wien an den befreundeten Abate Giovanni Maria 
Ortes nach Venedig geschrieben worden sind und die neben familiaren 
Mitteilungen auch kritische Bemerkungen iiber die Wiener Theaterverhalt- 
nisse enthalten. Drei von diesen Briefen und eine Antwort des Empfangers 
sprechen von Mozart. Zuerst hat G. M. Urbani de Gheltof in einer 1890 in 
Venedig erschienenen Abhandlung, die nur in wenig Exemplaren gedruckt 
worden ist, auf diese Briefe hingewiesen. Die vier unten abgedruckten 
Briefe, die wir in einer freien Ubertragung deutsch wiedergeben, ') ver- 
danken wir der Giite des Herrn Prof. Angelo Scriuz in Venedig. 

*) Die originale italienische Fassung hat der Verfasser an anderer Stelle mit- 
geteilt (Hasse und die Bruder Graun als Symphoniker. Leipzig, Breitkopf & HirteL 
[unter der Presse]). 



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MENMCKE: IL RAGAZZO MOZARD 



Sehr auffallig und merkwurdig ist, dass Hasse erst in einem Briefe 
vom September 1769 Mozart erwahnt. Denn, wie auch oben ausgefiihrt 
worden ist, schreibt ja Leopold Mozart schon im Juli 1768, dass Hasse 
seinen Wolfgang kennengelernt und ausserordentlich gelobt habe; dazu 
existieren auch neun Briefe Hasses aus dem Jahre 1768, aber sie ent- 
halten kein Wort fiber Mozart. Wir miissen vorlaufig darauf verzichten, 
hier Klarheit zu schaffen; sonderbar bleibt aber, dass Hasse in dem ersten 
Briefe nichts von der Oper La Finta semplice erwahnt, sondern ganz all- 
gemein von Kompositionen spricht. Der erste Brief ist dieser: 

Wien, 30. September 1769. 

Icb habe die Bekanntschaft mit einem gewissen Herrn Mozard [!] gemacht, dem 
Kapellmeister des Bischofs in Salzburg, einem Manne von Geist und feinen Umgangs- 
formen, und ich glaube, dass er in der Musik ebenso wie in anderen VerhMltnissen 
Erfolg baben wird. Dieser bat eine Tochter und einen Sohn. Die erstere spielt aus- 
gezeichnet Cembalo und der letztere, der nicht alter als 12 oder 13 Jahre sein 
durfte, spielt in diesem Alter die Rolle eines Komponisten und eines Maestro di 
Musica. Ich habe die Kompositionen gesehen, die von ihm sein sollen, die sicher- 
lich nicht schlecht [cattive] sind und in denen ich nicht einen Knaben von zwdlf 
Jahren erkenne; und ich wage kaum daran zu zweifeln, dass sie nicht von ihm stammen, 
nachdem er mir am Klavier auf verschiedene Art Sachen vorgespielt hat, die fur 
dieses Alter bedeutend sind und die selbst fur einen ausgebildeten Kunstler be- 
wunderungswurdig sein konnten. 

Nun wollte ibn der Vater nach Italien bringen, urn ibn bekannt zu macben, und 
er hatte mir bereits davon geschrieben, indem er mich gleichzeitig um einige 
Empfehlungsbriefe bat und sich die Freiheit nabm, einen fur Sie [Abate Ortes] aus- 
zubitten. Der genannte Herr Mozard ist ein sehr netter und hoflicher Herr, und 
seine Kinder sind sehr gut erzogen. Der Knabe ist auch schon, lebhaft [vivace], 
freundlich [gracioso] und bat gute Manieren, und wenn man ibn einmal kennen ge- 
iernt hat, muss man ihn lieb baben [difficilmente si pud dispensarsi di non amarlo], 
Sicherlich wird er im Verhiltnis zu seinem Alter gehdrige Fortschritte machen, ein 
Wunder werden, wenn ihn der Vater nicht so sehr verhatschelt und ihn verdirbt, in- 
dem er ihn mit uberflussigen Lobspruchen berfiuctaert. Das ist das Einzige, was ich 
befurchte. 

Wir sehen also, dass Hasse die Bittsteller nicht mit einigen ver- 
bindlichen Worten abspeiste, sondern sich mit Begeisterung bemiihte, der 
Laufbahn Wolfgangs durch ein personliches Eingreifen einen kraftigen Anstoss 
zu geben. Welchen Wert ein von ihm ausgestelltes Empfehlungsschreiben re- 
prasentierte, kann man leicht ermessen; im Juni des Jahres 1768 bat ihn 
der Vorsteher des Konservatoriums degl* Incurabili in Venedig, fur die 
erledigte Direktorialstelle einen Kandidaten vorzuschlagen; das war nicht 
das erste Mai, dass man Hasse um Rat fragte; vielmehr war er fur die 
italienischen Konservatorien und Theater gewissermassen ein Auskunfts- 
bureau von unfehlbarer Autoritat. Ausserdem kann man uberzeugt sein, 
dass ein praktischer Kopf, wie Leopold Mozart, sehr genau wusste, wessen 

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DIE MUSIK V. 7. 



Stimme den Ausschlag gab. Bald machen sich nun die beiden Mozart, mit 
einem Empfehlungsschreiben Hasses ausgeriistet, auf den Weg. Das 
Schreiben selbst lautet: 

Wien, 4. Oktober 1769. 
Soweit wieder hergestellt [Hasse litt an Podagra], dass ich Ihnen scbon in 
meinem letzten Briefe [siehe oben] ausfutarlich uber den Herrn Mozard berichtet habe, 
uber seine Familie und seinen bocbbegabten [virtuoso] Sobn, kann icb Ihnen in diesem 
Briefe ihn vorstellen, da er ja selbst der Uberbringer sein wird. Ohne micta also 
nochmals uber die Eigenscbaften des Vaters und des Sohnes zu verbreiten, will ich 
mich nur darauf besctaranken, Sie von neuem zu bitten, die beiden als meine Freunde 
zu betrachten und ihnen mit Ihren guten RatschlSgen beizustehen und mit weisen 
Ermahnungen, die Sie fur denjenigen notig und nutzbringend erachten, der in ein 
fremdes Land geht und dort auf irgendeine Art und Weise hervorzutreten und sich 
bekannt zu machen wiinscht. 

Die vier Briefe Hasses, die aus dem Jahre 1770 erhalten sind, er- 
wahnen Mozart nicht; erst im Marz 1771 erfahren wir und zwar aus dem 
Munde von Ortes einiges Neue. Der Abate schreibt an Hasse: 

[Venedig], 2. M3rz 1771. 
Ich glaube nicht, dass sie [die beiden Mozart] mit dieser Stadt sehr zufrieden 
sind, in der sie glaubten, die Leute wurden sie aufsuchen und zwar mebr, als 
sie selbst die Leute aufsuchen; wie es ihnen auch noch anderwSrts geschehen wird. 
Und in der Tat ist es hier nicht ublich, auf die Suche zu gehen, um andere fur 
verdienstlicher und schatzenswerter anzusehen, als sie es wirklich sind, und es gibt 
nicht wenig Leute, die denjenigen lieben, der nach Achtung sucht. Es ist interessant, 
zu beobachten, mit welcher Gleichgultigkeit der Knabe diesen misslichen Verhaltnissen 
gegenubersteht, wahrend der Vater ein wenig bissig [piccato] erscheint. 

Hasse beantwortet dieses Schreiben am 23. Marz, und in diesem 
Briefe finden wir Mozart zum letzten Male erwahnt: 

Der junge Mozard ist fur sein Alter zweifellos ein Wunder, und auch ich liebe 
ihn uber alle Massen. Der Vater ist, wie ich sehe, uberall gleicherweise unzufrieden 
und es werden auch hier dieselben Klagen laut [siehe oben Ortes 1 Brief]. Er ver- 
gottert seinen Sohn etwas zu sehr und verwohnt ion etwas stark; aber ich habe eine 
so gute Meinung von der naturlichen Begabung des Knaben, dass ich hoffe, er wird 
trotz der Einflusse des Vaters nicht verpfuscht, sondern ein braver Kunstler [un brav' 
uomo] werden. 

Obwohl die spateren Briefe Hasses iiber Mozart schweigen, waren 
doch die Beziehungen zwischen beiden nicht abgebrochen; ja das Schicksal 
fuhrte beide noch einmal nahe zusammen. 

Im Januar 1771 wurde Hasse von der Kaiserin Maria Theresia ge- 
beten, fur die Feier der im Oktober in Mailand stattfindenden Vermahlung 
des Erzherzogs Ferdinand mit der Prinzessin Maria Ricciarda Beatrice eine 
Oper zu schreiben. Hasse machte sich an die Arbeit und komponierte 
ein Textbuch Metastases: Ruggiero (= L'eroica gratitudine). Ungefahr 



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MENNICKE: IL RAGAZZO MOZARD 



gleichzeitig — im Marz 1771 — kehrte Wolfgang, mit seinem Vater aus 
Italien kommend, wieder nach Salzburg zuriick, und dort lag ein Auftrag 
des Grafen Firmian vor, fiir die Mailander Festlichkeiten das allegorische 
Schaferspiel Ascanio in Alba von Giuseppe Parini zu komponieren. 
Am 13. August reiste er mit seinem Vater nach Mailand, wo sie am 21. 
ankamen; am 31. schreibt er an die Schwester: 

Heir Hasse ist gestern bier angelangt, heunt [!] werden wir ihn besuchen. 

Hasse hatte sich im August auf den Weg gemacht, von seiner 
Lieblingstochter Peppina und dem treuen Diener Franz begleitet; die Kaiserin 
Maria Theresia trug Sorge, dass ihn unterwegs oder in Mailand wieder 
die Gicht plagen konne und bat ihre Tochter, die Braut, Maria Beatrix, 
sich seiner anzunehmen; er habe sich seiner Oper mit grosser Liebe und 
Ausdauer gewidmet. Aus Leopold Mozarts Briefen erfahren wir iiber die 
Proben manche Einzelheiten; er schreibt am 21. September: 

Heute wird die erste Instrumentalprobe des Herrn Hasse sein, der sich, Gott 
Lob, wohl befindet. 

Nach mannigfachen Proben fand die erste Auffiihrung der Oper Hasses 
am 16. Oktober, und die erste Darstellung von Wolfgangs Schaferspiel am 
nachsten Tage statt. Die Oper des 72 jahrigen Meisters ging a terra, wie 
die Italiener sagen, das Schaferspiel Mozarts wurde mit einem unendlichen 
Jubel aufgenommen. So sagen wenigstens alle Biicher, die je iiber Mozart 
geschrieben worden sind; aber sie treffen nicht vollig die Wahrheit. Hasse 
selbst soil ausgerufen haben: Questo ragazzo ci farii dimenticar tutti! Dieser 
Knabe wird uns alle vergessen machen! Diese geniale Prophetie hat sich 
erfiillt, aber — Hasse hat sie nicht ausgesprochen. Leopold Mozart, der 
jede banale Kleinigkeit, die seinen Wolfgang betraf, in den Briefen fest- 
gelegt hat, erwahnt von dieser Prophezeiung keine Silbe; er schreibt mit 
fiihlbarer Genugtuung nach Hause: 

Kurz, mir ist leid: die Serenade des Wolfgangs hat die Oper von Hasse so 
niedergeschlagen, dass ich es nicht beschreiben kann. Betet und danket Gott. 

So viel wir wissen, hat nur Ulibischeff die Aufrichtigkeit des Be- 
dauerns, das Leopold Mozart iiber den Misserfolg der Oper Hasses aus- 
spricht, mit einem markierten Fragezeichen versehen; wir meinen, der 
Heiligenschein in Mozarts Zeilen gibt auch einen Wink. Sicherlich hatte 
Leopold Mozart mit Hasses Prophetie eine schwunghafte Reklame getrieben, 
wenn sie eben zu seinen Ohren gekommen ware; er, der wenige Tage 
spater mit einer peinlichen Genauigkeit berichtet, dass er, Wolfgang und 
Hasse, bei dem Grafen Firmian Tischgaste waren, hatte hier geschwiegen? 
Wir behauplen : das vermeintlich von Hasse gefallte Urteil gehort in die 
Reihe jener wohlfeilen Anekdoten, die das grosse Publikum und der 
populare Biograph kolportieren und sorglos von dem einen Meister auf 



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38 
DIE MUSIK V. 7. 



den anderen iibertragen. Die angezweifelte Ausserung Hasses deckt sich 
beinahe mit dem, was Durante iiber Gluck sagte, Zudem war Hasses 
Fiasko nicht so, wie es Vater Mozart hinstellt. Wir denken nicht daran, 
Hasses Misserfolg zu einem Erfolg zu stempeln. Hasse schreibt selbst 
am 30. Oktober: 

Mein Ruggiero hatte am ersten Abend das ganze Ungluck, das sich vereinigen 
kann, um einer theatralischen Auffuhrung unrecht zu tun. Es ist watar, dass er in 
den folgenden drei Wiederbolungen weit besser ging, aber hier zu Lande entscheidet 
der Erfolg des ersten Abends. 

Auch darf man nicht iibersehen, dass Hasses Textbuch nichts taugte; 
Hasse beklagt sich iiber dieses in einem Briefe vom 5. Oktober, und dann 
bleibt zu beachten, dass die prima donna Girelli nach der vierten Auf- 
fuhrung krank wurde. Wolfgang schreibt am 2. November an seine 
Schwester : 

Heut ist die Opera des Hasse, weil aber der Papa nicht ausgeht, kann ich nicht 
binein. Zum Gluck weiss ich schier alle Arien auswendig und also kann ich zu 
Hause in meinen Gedanken horen und sehen. 

Schliesslich muss noch erwahnt werden, dass Hasses Ruggiero auch 
am 20. Januar 1772 in Neapel zur Auffuhrung kam. Jedoch — der Erfolg 
war auch dort meschino; auf der Riickreise von Mailand 1771 besuchte Hasse 
Venedig, sang seinem Freunde Ortes einige Arien aus dem Ruggiero vor 
und machte sich dabei ein wenig iiber sich selbst lustig. Als er in Wien 
ankam, rief ihn die Kaiserin zu sich und trostete ihn wegen des Miss- 
erfolges; dazu beschenkte sie ihn und Peppina so reichlich, dass Hasse 
schreiben konnte, keine seiner friiheren Opern sei so gut bezahlt worden. 
w Non ho avuto mai un' opera piu magnificamente pagata." 

Leopold Mozarts Charakter ist von Neid und einer gewissen Enge 
nicht frei zu sprechen. Als Hasse das englische Schwesternpaar Cecily 
und Mary Anne Davies protegierte, redet Vater Mozart von der „alt- 
kindischen, auch aus lauter guter Meinung und freundschaftlichen Menschen- 
liebe unternommenen Bemiihung des alten Hasse tt und ein andermal spricht 
er mit malignem Akzent von der „Glasermaschine der Miss Devis a ; die 
jiingere Davies war namlich eine Virtuosin auf der Glasharmonika. Da- 
gegen hielt es Leopold Mozart noch 1777 fur angebracht, Wolfgang zu 
empfehlen, er solle sich in betreff seiner „Kontrapunktswissenschaft" 
Urteile vom Padre Martini und von Hasse ausbitten, um diese dem Kur- 
fiirsten in Miinchen vorlegen zu konnen. Leopold Mozart ist als Helden- 
mutter keine unsympathische Erscheinung; aber die wissenschaftliche 
Forschung hat mit seinem frommen Verschleiern der Tatsachen zu brechen; 
erst jiingst ist aufgedeckt worden, dass Vater Mozart um die Wahrung 
seines Rufs als Geiger in egoistischer Weise besorgt war; seine Violin- 
schule schweigt vollig iiber einen Geiger von der Qualitat Johann Stamitz\ 



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39 
MENNICKE: 1L RAGAZZO MOZARD 



der in Paris in gleiche Reihe mit Tartini gestellt wurde; es haben in 
Deutschland nicht Stimmen gefehlt, die Mozarts Schweigen iiber Stamitz 
ernsthaft tadelten und die Bedeutung des Geigers Mozart selbst treffend 
beleuchteten. 

Die Gunst, die Wolfgang Mozart Hasse zu danken hat, beschrankt 
sich nicht auf einige Empfehlungsbriefe. Hasse hat als Komponist dem 
Salzburger Meister vorgearbeitet. Es ist aber nicht wahr, dass Mozart ohne 
Hasse undenkbar sei, wie zuweilen zu lesen ist, und auch die Behauptung, 
Mozart habe oft auf den Hasseschen Formen weitergebaut und viele als 
original-mozartisch bewunderte Wendungen von Hasse iibernommen, ist 
abzuweisen. Vereinzelt stehen bei Hasse Mozartismen, aber eine genaue 
Priifung ergibt bei beiden scharfgeschnittene Idiotismen des Ausdrucks. 
Fur Hasse resultieren sie aus der Uberlegenheit und der Reife der Er- 
fahrung, fiir Mozart aus dem jugendlichen Eifer, mit dem das Genie 
klassische Elemente der Vorzeit reformierend aufgreift. Chrysander hat 
treffend darauf hingewiesen, dass Mozarts 1770 gegebene Oper Mitridate 
zweifellos durchgefallen ware, ware Mozart 20 Jahr (und nicht 14) alt ge- 
wesen; das Werk ist eine schwache Leistung und vermengt Formen der 
opera buffa und opera seria; sein Erfolg griindet sich lediglich auf die 
ungewohnliche Friihreife des Komponisten. Ein Knabe wie Mozart am 
Dirigiercembalo — dieses feine barocke Bild allein entfesselte den Beifall: 
evviva il maestrino! In Mailand war 1771 der innere Grund des Er- 
folges von Ascania in Alba fast derselbe. Das in Form und Gehalt ab- 
geklarte Werk des 12 jahrigen Hasse wurde als etwas Selbstverstandliches 
hingenommen; schade nur, dass die Routine dieses alten Herrn und sein 
antiquierter Geschmack das Werk nicht einmal zu einer anstandigen 
Mitte erhoben. Die grosse Masse hatte nur Augen fiir den Cavaliere 
Mozart, den der Papst ausgezeichnet hatte und der mit seinen J 4 Jahren 
schon zu den Bologneser Akademikern gehorte. Von Hasses Kompositions- 
art ubernahm Mozart die Form der Arienkomposition und das Element 
der dramatischen Charakteristik; er hat, wie Chrysander uberzeugend nach- 
gewiesen hat, weder die Arienkomposition verbessert, noch ihre Grund- 
lagen und Formen umgestossen ; er hat auch nicht die dramatische Charak- 
teristik erschaffen, sondern nur vermoge der urspriinglichen Kraft seiner 
Begabung den seelischen Ausdruck gesteigert. Hervorzuheben ist aber, 
dass Hasse nicht der einzige Vordermann ist; auch an Jomelli, Galuppi, 
Traetta ware zu denken. Der Gluckschen Reform stand Mozart anfanglich 
verstandnislos gegeniiber; erst spat hat er, und zwar lediglich intuitiv, 
Glucksche Prinzipien in sein Programm hineinbezogen. Das Fundament des 
Ganzen aber, die rein instrumentale Einkleidung, hat er mit nationalen 
Mitteln bestritten. Der Mannheimer Instrumentalmusik, wie sie Johann 



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40 
DIE MUSIK V. % 



Stamitz flusgebildet hatte, hat Mozart mebr entlehnt, als nur die neugeartefe 
Instrumentation ond die Abtdnung der Dynamik, wie gemelniglich dar- 
geatellt wtrd; neben der formelleo Anlage ira grossen und kleinen vcrdankt 
er auch der StimmungsweU der Mannheimer Syrophonieen die sein ge- 
samtea Schaffen auszeicbnende Innigkeit dee Ausdrucks* — 

Die etwas gebrecbliche engllscbe Theorie, die aus dem Namen auf 
den Beaitzer des Namens schliesst, behait im Falle Mozart recht. Es gibt 
wenige Namen von Komponisten, die so deutlich die Eigenart des Trigers 
widerspiegpln. Hasse bat dlesen Namen stets rait einem d geschrieben, 
and er bat mit dieser italieniscben Nuance ein kleines Portrlt seines kunst- 
lerischen und menschlichen Ffihlens gegeben. Seine Kunst kennt kelne 
Mitten und verletzt nie das Ofar, in dem Sinne, wie cine vordringtfche 
Trompete una quilen kann* Als Mensch war er ungeracin gutig; Neid 
und standesgemlsse Missgunst lagen ihra fern, and nor dann ist er auf- 
gebraust, wenn seine Gattin, zu deren Rubm man gem die Lorbeeren eines 
Skandals gehluft hat, benachteiligt wurde. Seine Liebe zu Mozart hat 
etwas VSteriiches und in ihrer Uneigennutzigkeit etwas Imponierendes* 
Sah er doch ein, dass seine Zeit vorfiber war und dass eine neue Kunst* 
epoche anbrach; und nun bahnte er selbst ihrem feinsten Reprisentanten 
den bescbwerlichen Weg. Er hat sich nach der Auffuhrung von Ruggiero 
in die *sterbende Stadt* zuruckgazogen und nur noch wenlge kirchliche 
Kompo&itionen geschrieben* Er mag wohl oft auf der Loggia seines Hauses 
gestanden haben, in Gedanken versunken: wie er als ein Dreiuudzwanzlg- 
jShriger zu Scarlatti kam, der Schuler zum weltberQhmten Meister, wie 
ihn Scarlatti lieb gewann und ihn nur noch seinen lieben Sohn nannte. 
Und nun sieht er sich funfzig Jabre sp&ter in derselben Lage; nur, dass 
einer zu ihm gekommen ist, aus de&sen Augen eine ganze Welt Ieuchtet. Viel- 
leicht ruht jetzt sein Blick kalt auf jenem Hause, in dem hundert Jahr 
spfiter der Bayreuther Meister starb. Wir sehen den grossen Mann zittern 
und sehen, wie Peppina uber seinen gicbtkranken Arm ein Tuch fareitet. 
Dann aber schauen wir, wie ein gutiges Licheln fiber das Gesicht huscht, 
wie sein Auge gtfnzt, und wir horen, wie der Padre della Musica, der 
Musikpapa, mit hetserer Stimme flustert: ed io pure lo amo infinitamente. 
Und auch ich liebe ihn unendlich. 




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[as Sheffielder Musikfest iro Oktober 1905 gab inir Gelegenhelt, 
Mozarts Requiem zu dirigieren. Die Partitur der Gesamtausgabe, 
die Ich bei dieser Gelegenbeit benutzte, verzeichnet mit grossed 
Gewissenhaftigkeit, was in diesem Werk noch von des Meisters 
Hand selbst herruhrt and was sein Schiller* dem die schwere, ja fast un- 
mSgliche AuFgabe zuBel, das von Mozart unvollendet hinterlassene Manuskript 
vollendend zu erg&nzen, hinzugeffigt hatte. Bereits im zweiten Stuck, dem 
.Dies irae% beginnt Sussmayers Arbeit. Hier rilbren noch die Siogstimmen 
und fast das ggnze Quartett von Mozart her. Nur in der ersten Viollne 
zeigen sich LQcken, die SGssmayer ausgeffillt bat, so wie er auch die Bliser- 
s dm men hinzugcfugt bat* Dann wird es aber iromer weniger Mozart. Bio 
zum »Hostias* sind die Singstimmen nnd der InstrumentaJbass Original, 
stellenweise linden sich einige Takte in den ViolEnen und den BISsern, die 
der Meister offenbar als Haltepunkte fGr die spStere Ausarbeitung in seiner 
Partitur flxiert hat nnd die uns nun kostbare VennScbtniase sind, Dazu 
gehSren die herrlichen Stimmen der Basse tthorneT im .Records re *\ Vom 
*Sanctus* ab verstummt Mozart vollstindig und Sflssmayer bat das Wort. — 
So war es mir wfibrend des Dirigierens wie ein sllmttiliges, webmiitiges 
Abschiednehmen. Nur das erste * Requiem" uberscbriebene Stiick gewShrt 
den ungetrilbten Genuss reinen Mozartscben ScbalFens* Wie wundervoll 
ist seine Klangfarbe, wie edel der Ausdruck* — Und die DoppelFuge fiber 
das „Kyrie* und .Cbriste eleison*! — Bei alter Wucht, bei aller Kunst 
des Satzes, die der Bachs In nichts nacbstebt, bleibt doch steta die Mozart 
eigentfimlicbe sinnliche SchSnbeit gewafart Bei Bach deutsche, bei Mozart 
italienische Gotik, so m5cbte ich den Unterachied ungefithr ausdriicken. 

Ich glaube kauro, dass Mozart am Schluss des Werkes diese herr- 
llche Fuge einfach wiederholt hltte, FGr Sfissmayer war es wohl der beste 
Answeg. Man darf ihm die Anerkennung nicht versagen, dass er mit 
hftcfaster Piettt seine Ergfozungsarbeit ausgefGbrt hat. Nur das »Sanctus* 
iat schwach. Das „Benedictus* 1st ein gates, obwohl etwas weichliches 
Stiick; sehr sch5n, von den Mozartscben Fragmenten sogar kaum merklicb 



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42 
DIE MUSIK V. 7. 



abfallend ist hingegen der Anfang des „Agnus Dei* 4 . Nur ein wirklich 
genialer Tondichter, der Selbstentausserung genug besasse, sich ganz und 
gar in Mozarts Eigenart zu versenken, konnte das Vollendungswerk viel- 
leicht einmal noch besser vollbringen. 

Ernstlich zu tadeln ist Siissmayer nur fur die oft geradezu brutale 
Verwendung der Posaunen. Wie sie Mozart im Requiem wohl geschrieben 
hatte, ersieht man ungefahr aus dem ersten Stiick, wo sie nur einmal, am 
Anfang vor dem Eintreten des Chores, mit wenigen Akkorden einsetzen. 
Siissmayer lasst die Posaunen in den meisten Fallen einfach mit dem Alt, 
Tenor und Bass des Chores, ja, im Benedictus sogar mit den Solostimmen 
im Einklang mitblasen. Diese primitive Schreibweise der machtigen In- 
strumente hat zunachst schon an und fiir sich den Nachteil, dass nur die 
tieferen Singstimmen, nicht aber die Soprane durch klanggewaltige Instrumente 
verstarkt werden; sie mag aber im w Dies irae", im „Rex tremendae 44 und 
allenfalls im „Confutatis a hingehen. Im zuletzt genannten Stuck bringen 
die Posaunen, namentlich am Schluss, wo sie selbstandige Stimmen im 
piano spielen, sogar eine sehr schone Wirkung hervor. Bedenklich wird 
es erst vom „Lacrimosa u ab. Nachdem ich mich auf den Proben in Sheffield 
hinlanglich uberzeugt hatte, dass diese fortwahrend mitblasenden Posaunen 
nur storen statt zu fordern, entschloss ich mich zu Korrekturen. Die Be- 
friedigung, die ich selbst bei der Generalprobe und Auffiihrung dariiber 
empfand, sowie die Zustimmung mehrerer anwesenden Musiker, denen ich 
mein Verfahrem vorher mitgeteilt hatte, veranlassen mich, diese Korrekturen 
hier bekannt zu geben und ihre Nachahmung zu empfehlen. Nebenbei be- 
merkt gehore ich auch zu denea, welche die Posaunen im zweiten Finale 
des „Don Juan" fiir unecht halten. Beziiglich der Seiten- und Taktzahlen 
folge ich im Nachfolgenden der Partitur der Gesamtausgabe. 

Lacrimosa: Die Posaunen schweigen vom letzten Takt der Seite 52 ab 
und setzen im letzten Takt der Seite 54 wieder ein. Hierauf 
schweigen sie vom dritten Takt der Seite 55 ab und blasen erst 
wieder die zwei letzten Takte dieses Stiickes, Seite 56, natiirlich 
piano. 

Domine Jesu: Die Posaunen schweigen vom dritten Takt der Seite 59 
ab, was den gewaltigen Kontrapunkt der Singstimmen mit dem 
Quartett erst ins richtige Licht setzt, und setzen im dritten Takt 
der Seite 64 auf dem vierten Viertel wieder ein. Sie schweigen 
dann vom neunten Takt derselben Seite ab und setzen im dritten 
Takt der Seite 65 auf dem vierten Viertel forte bis zum Schluss ein. 
Genau dasselbe gilt von der Wiederholung des „Quam olim 
Abrahae 44 im .Hostias 44 . 



J::;i ".i/.OV* 



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VEINCARTNER: DIB POSAUNBN TM .REQUIEM- 



Benedictus: la den ersten vler Takten, ferner luf Seite 81 r 84 und 86 
ist den belden ersten Po&auntaten ein diskretes Spiel zu empfehlen; 
sie wiren hier Am besten durch HSrner zu ersetzen, wenn nicbt 
die Verwendung von HSrnern In diesem Work offenbar Mozuts 
Willen widerspriche* GBnzIich zu schveigen haben die Posaunen 
von Seite 78 ab bis zum funften Acbtel im ersten Ttkt der Seite SO, 
wo sie im vollen fortissimo einsetzen. Dann schweigen sie vieder 
vom zweiten Viertel des ersten Taktes des Allegro auf Seite 87 
bis zum Schluss dieses Stfickes* Das .Osanna 11 witd bier ebenso 
obne Posaunen- Verdoppelung gespielt vie im »Sanctus". 




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DIE INTERNATIONALE STIFTUNG 

„MOZARTEUM" 

IN SALZBURG UND 

MOZARTS GEBURTSHAUS 

von Dr. jur. E. Ginsberg-Dresden 





Is Richard Buchmayer, der feinsinnige Dresdnor Musikgelehrte 
und ausgezeichnete Pianist, im letztvergangenen Winter seine 
hie&igen Getreuen unter der Parole Johann Sehaatlan Bach, es 
gilt seln Gebnrtshsua in Eisenach zu erwerben* um sich scharte 
und, seine bekannte bohe Meister&chaft in AusfBhnujg einer kfinstlerisch 
Qberaus vornehmen und wcrtvollen Vortiagsordnung entffeltend, alsbald die 
HSrer an seine aieggpwohnten Faimen fe&aelte* da hatte er seinen Aufraf 
mit den Worten begpnnen: „Das deutacbe Volk besitzt ein Mozarteum in 
Salzburg, ein Beetbovenhaus in Bonn, es durfte wohl eine Ehrenscbuld 1 ) 
sein, Sebastian Bach in gleicber Weise zu vurdigen.* 

Ich kann nicbt leugnen, diss mich die Erwlhnung anch des 
„Mozaxieuffl&*, in diesem Znsamtnenhange zumal, einigennassen schmerz- 
lich berfihrte. Gewi&s, das Salzburger Gebnrtshatts Meiater Mozarte i&t 
zur weihevollen Sammelstltte alles dessen gevorden, was an sein Leben 
und Wirken crimen, es enthilt eine grosse Zahl wertvoller Manuskripte 1 ) 
— namentlich Briefe des Meisters — und eine reicbe Menge sonstiger auf 
den Meister bezfiglichen GegenstSnde. Und sicherlich, ver jemals jene 
Stltte betreten durfte, wem es je vergflnnt wir, all das Herrlichcj was 
sich dem Ange and dem Geiste dort bietet, mit and&chtlgpm Schauer zu 
betrachtcn, der wird ohne wciteres den Eindruck gewlnnen, dass hier 
pietfitvoll eine dem Genius geweihte St&tte bereltet ist, die wohl geeignet 
eracheint, den Beaucher in ernstem stillen Gedenken an den verewlgten 
Meister in ihr verweilen zu lessen. Auch davon wird man sich alsbald 
Rreudig zu flberzeugen verm&gen, dass diese alien Mozartverehrern so 
teuren Riume in guter Hut stehen und dasa auch die Lebenden — Ich 
branche ja nur an den trefflichen, nm die Mozartsache so hochverdienten 
Job. Ev. Engl zu erinnern — bemfiht sind, die ihrer Obhut und Ffirsorge 
anvertrauten Schfttze bestens zu pfiegen und zu bewahren. Trotz alledeni 



l ) Diet* Ehrenschtild 1st iox«J«cb» herein getilgt warden, 
*} Die weitaui grOsste Zahl der bedeuteaditea Mannskripta beflodet lich aller- 
diuge 1m Besltie der Berliner Kfiuig). Bibtiothek* 



. I rOO^Ic 



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45 
GINSBERG: MOZARTEUM U. MOZARTS GEBURTSHAUS 

aber, ja ich mochte sagen, gerade eben deshalb beriihrt es den Mozart- 
freund schmerzlich, wenn er erfahren muss, dass es lediglich ermietete 
Raume sind, in denen er weilt, dass das Geburtshaus des Meisters noch 
immer nicht — 150 Jahre nach seiner Geburt! — im Eigentum der grossen 
Mozartgemeinde sich befindet, die sich mit Fug und Recht und im wahr- 
sten, besten Sinne des Wortes eine internationale nennen darf. 

Vor nicht allzulanger Zeit erschien in der „ Frankfurter Zeitung" 1 ) 
ein alsbald auch in eine Anzahl anderer Blatter iibergegangener kleiner 
Artikel, der zwar in nicht allenthalben zutreffender Weise die Zustande im 
Salzburger Mozarthause geisselte, im iibrigen aber richtig bemerkte: „Auf- 
gabe der Mozartgesellschaft ware es, das Haus anzukaufen und seinen 
Inhalt zu schiitzen, aber hierzu fehlt es an Geld. Vielleicht bedarf es 
nur einer Anregung, um die reichen Mitglieder der grossen Mozartgemeinde 
zu Spenden zu veranlassen, damit das Haus und die Reliquien in ihm ge- 
sichert werden konnen." 

Man konnte voraussehen, dass die Ausfiihrungen dieses Artikels in 
Salzburg Unmut, ja heftige Erregung hervorrufen wiirden. Dass dies in 
der Tat der Fall gewesen, beweist die Entgegnung darauf, die, aus der 
Feder Engls stammend, im 23. Jahresbericht der „ Internationalen Stiftung: 
Mozarteum 44 enthalten ist. 2 ) Engl wendet sich darin mit aller Scharfe 
gegen den Verfasser des Frankfurter Artikels und versucht, die darin auf- 
gestellten Behauptungen nach jeder Richtung hin zu widerlegen. Ob ihm 
dies ausreichend gelungen ist? Es mag dem Verfasser dieser Entgegnung, 
es mag der Verwaltung der Internationalen Stiftung „Mozarteum u ohne 
weiteres zugegeben werden, dass der oben erwahnte Artikel der „ Frank- 
furter Zeitung" bedeutend iiber das Ziel hinausschiesst und Misstande als 
vorhanden annimmt, die entweder uberhaupt nicht vorhanden sind, oder 
deren Bedeutung doch wesentlich iiberschatzt wird. Aber mag immer auch 
der Frankfurter Korrespondent iiber den einen oder den anderen Punkt 
irrig informiert gewesen sein und dariiber irrig berichtet haben, in einem 
Punkte wird man ihm — leider! — vollauf Recht geben miissen. Von 
einem schweren Vorwurfe vermag sich die Leitung der Internationalen 
Stiftung „Mozarteum tt in alle Wege nicht zu reinigen, dem Vorwurfe nam- 
lich, dass sie bisher keinerlei erfolgreichen Schritte, ja in der letzten Zeit 
absichtlich uberhaupt keine Schritte getan hat, um das Geburtshaus des 
Meisters dauernd in den Besitz der Mozartgemeinde zu bringen. 
Die Satzungen der Internationalen Stiftung „ Mozarteum* 4 bezeichnen als 
„gemeinsames Ziel der unter diesem Namen bestehenden Vereinigung 

l ) No. 239 der ^Frankfurter Zeitung" vom 29. August 1903 (Abendblatt). 
-') 23. Jahresbericht der ^Internationalen Stiftung , Mozarteum* in Salzburg 44 , 
1903, S. 61 ff. 



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46 
DIE MUSIK V. 7. 



aller Freunde und Verehrer der Musik im allgemeinen und Mozarts im 
besonderen die Pflege der Tonkunst und des Mozartkultus". Befremdlich 
freilich mutet es an, wenn dann gesagt wird, dass dieser Zweck u. a. „vor- 
zugsweise" erstrebt werde, „erstens a durch Haltung und Forderung der 
offentlichen Schule „Mozarteum a , wahrend man es ohne weiteres versteht, 
dass man dem Ziele nahe zu kommen sucht durch Veranstaltung periodischer 
Musikfeste. Dabei freilich ist immer vorauszusetzen, was bisher in Salz- 
burg keineswegs allenthalben festgehalten worden, dass die Programme 
dieser Musikfeste vorzugsweise Mozartsche Musik aufweisen und auch dann 
nicht in ausgetretenen Geleisen sich bewegen, dass vielmehr aus dem 
reichen Borne Mozartschen Schaffens auch die im allgemeinen nur selten 
gehorten, der Auffuhrung aber wahrlich nicht minder wiirdigen Werkc — 
oft geradezu kostbare Perlen! — geschopft werden. Man erstrebt ferner 
in Salzburg die wiirdige Instandhaltung des Geburtszimmers Mozarts und 
sorgfaltige Bewahrung des „Zauberflotenhauschens a , sowie der sonstigen 
Mozarterinnerungsstatten, des weiteren die moglichst vollstandige Ansamm- 
lung der Mozartrelikten 1 ) und endlich — ja, man muss zurzeit sagen: leider 
auch! — die Herstellung eines Mozarthauses fur die Musikschule nebst 
Archiv und Bibliothek und fur musikalische Festauffiihrungen. 

Gewiss, die Ziele, die man sich in Salzburg fur die naturgemass der 
Geburtsstadl des Meisters in besonderem Masse obliegende Mozartpflege 
gesteckt hat, verdienen an sich allseitige Billigung. Die Mittel freilich zur 
Erreichung dieser Ziele, ja die ganze Art und Weise, wie man bisher in 
Salzburg Mozartkultus getrieben hat, sie sind zum Teil in hohem Grade 
anfechtbar. 

Ganz unbegreiflich erscheint vor allem einer grossen Zahl der Mozart- 
verehrer das bisherige Verhalten der Stiftungsleitung in Sachen des Mozart- 
schen Geburtshauses. Will man wirklich „die pietatvolle Erhaltung der 
durch den Fuss des Unsterblichen geweihten Statten", wie es in dem 
spater noch des naheren zu erwahnenden „Aufruf an alle Mozartverehrer u 
heisst, so ist es doch wahrlich nicht zu verstehen, dass man die weitaus 
wichtigste aller dieser Salzburger Statten, das Geburtshaus des Meisters, 
nicht langst schon in das unverausserliche Eigentum der grossen Mozart- 
gemeinde ubergefuhrt und so fur alle Zeiten privaten Einwirkungen ent- 
zogen hat. 

Bedauerlich auch ist es, dass man seitens der Stiftungsleitung nicht 



') Man hat leider gleichwohl in Salzburg verabsaumt, den Mozartschen Heirats- 
kontrakt fur das Mozartmuseum zu erwerben und es geschehen lassen, dass die Ur- 
kunde fur einen Preis, der in Rucksicht auf ihre Bedeutung keineswegs als ein zu 
hoher bezeichnet werden kann, kurzlich in einer in Leipzig offentlich veranstalteten 
Auktion in Privathand gelangt ist. 



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47 
GINSBERG: MOZARTEUM U. MOZARTS GEBURTSHAUS 

alljahrlich ein oder mehrere Preisausschreiben erlasst und Anregung da- 
durch gibt, auf dem Gebiete der Mozartforschung und Mozartpflege 
hervorragend tatig zu werden, obwohl man doch gerade hiervon einen 
machtigen Impuls fiir die gesamte Mozartsache wiirde erwarten konnen. 
Geradezu unerklarlich aber und unfassbar ist es, wie man das gesteckte 
Ziel einer erfolgreichen Mozartpflege „vorzugsweise tt durch Haltung und 
Forderung der offentlichen Musikschule „Mozarteum u zu erreichen hofFen 
kann. Ja, in der Tat, man fragt sich vergebens, was denn in aller Welt 
nur die Stifter oder deren Rechtsnachfolger veranlasst haben kann, die 
Haltung und Forderung jener Musikschule als ein so wesentliches, ja ich 
gehe noch weiter und sage: als uberhaupt ein Mittel zur Erreichung des 
schonen besonderen Zweckes der Mozartpflege ins Treffen zu fiihren? Die 
Frage der Griindung, Haltung und Forderung der Musikschule Mozarteum, 
so wenig sie auch an sich mit der kauflichen Erwerbung des Geburts- 
hauses des Meisters im Zusammenhange zu stehen scheint, mich diinkt 
sie geradezu kausal fiir den bisher unterlassenen Ankauf jenes Hauses. 
Denn wie aus den Jahresberichten der n Stiftung tt , in denen die Mitteilungen 
iiber die Schule den breitesten Raum einnehmen, ersichtlich, beansprucht 
die Unterhaltung dieser Salzburger Musikschule nebst ihrem Pensions- 
fonds einen sehr erheblichen Teil aller der Stiftung zufliessenden, wahrlich 
nicht geringen Mittel. Ganz natiirlich auch, wenn man erwagt, welch' 
hohen Kosten die Griindung und Unterhaltung irgendeiner Schule ver- 
ursacht. Kann man denn aber wirklich im Ernste der Meinung sein, 
dass das Bestehen jener Salzburger Musikschule der „Mozartsache a tat- 
sachlich in irgendwelcher Weise zugute komme? Ist es denn uberhaupt 
Sache der Internationalen Mozartgemeinde, eine Musikschule in Salzburg 
mit den von dieser Gemeinde gespendeten Mitteln zu unterhalten, ja auch 
nur zu fordern? Ich sollte doch meinen, die ^Internationale Mozart- 
gemeinde" konnte immer und immer nur den einen Zweck verfolgen, durch 
die von ihr gewahrten Gaben (Mitgliederbeitrage, Schenkungen u. a. m.) die 
Stiftungsleitung in den Stand zu setzen, die Mozartpflege und Mozart- 
forschung nach Moglichkeit zu betreiben und zu unterstiitzen. Wie diesem 
Zwecke aber durch die Haltung einer Musikschule vornehmlich gedient 
werden solle, das ist mir vollig unverstandlich. Dass die Schule schon 
manchen trefflichen Kiinstler herangebildet hat und fortgesetzt heranbildet, 
darf man ja ohne weiteres annehmen, und dass sie die ihr anvertrauten Zog- 
linge im Geiste Mozarts und unserer Klassiker uberhaupt erzieht, ebenfalls. 
Allein das tut schliesslich doch auch jede andere nach wirklich kiinstlerischen 
und idealen Prinzipien gewissenhaft geleitete Musikschule, das also ist und 
kann auch gar nicht sein eine Besonderheit des Salzburger Institutes. 
Ganz etwas anderes freilich ware es, wenn es sich die Schule zur besonderen 



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48 
- DIE MUSIK V. 7. 



Aufgabe machte, Mozartschen bel canto, Mozartsche Spielweise zu pflegen, 
Mozartsanger und -spieler heranzubilden. Das wiirde ihr gerade in unserer 
Zeit eine erhohte Bedeutung verleihen, einer solchen besonderen Zielen 
zustrebenden Musikschule konnte man sicherlich auch ein gewichtiges inter- 
nationales Interesse entgegenbringen. Salzburg miisste ein Mozartsches 
Bayreuth werden, in dessen Musikschule die Tradition fur die praktische 
und ideale Verkorperung Mozartscher Kunst fur die ganze gebildete musika- 
lische Welt mit wahrer pietatvoller Hingebung erhalten und gepflegt wiirde. 
So aber, wie sich die Schule des Mozarteums jetzt darstellt als eine gewiss 
trefflich geleitete, aber immerhin nur eine Musikschule wie so zahlreiche 
andere derartigen Schulen, miisste sie meines Erachtens aus den Zielen der 
„Internationalen Stiftung Mozarteum" oder aus den Mitteln, diese Ziele zu 
fordern, vollig ausscheiden. Es ware, wenn man iiberhaupt beim Vor- 
handensein so zahlreicher Musikschulen auch im benachbarten Osterreich 
das Bestehen einer derartigen Schule in Salzburg gleichwohl als ein Be- 
durfnis empfindet, allein Sache der Stadt Salzburg, der Provinz oder des 
Staates, die Schule zu unterhalten. Die zur Zeit von dem Herzogtum 
Salzburg und der Stadt Salzburg der Schule gewahrten Subventionen sind 
ihrer Geringfiigigkeit wegen nicht nennenswert. Wenn anders die Stiftungs- 
leitung nicht absichtlich iiber die Mangel ihrer Satzungen sich hinweg- 
tauschen oder etwa gar aus einem hier natiirlich durchaus deplaciert 
erscheinenden Salzburger Lokalpatriotismus die Schule um jeden Preis 
auch fernerhin wesentlich aus den der Stiftung von der „lnternationalen 
Mozartgemeinde a zufliessenden Mitteln fortfiihren will, so kann sie sich 
der Tatsache gar nicht langer verschliessen, dass die Schule als ein fiir die 
Mozartpflege absolut untaugliches Mittel sich erweist. Zu verwundern 
ist eigentlich nur, dass nicht langst schon jemand aus der grossen Zahl 
der Mozartverehrer auf diesen entschieden wundesten Punkt der von der 
^Internationalen Stiftung Mozarteum" offiziell vertretenen Mozartsache hin- 
gewiesen hat. Aber freilich: erfahrungsgemass pflegen nur wenige mit 
dem Wesen einer von ihnen durch jahrliche Beitrage unterstiitzten Sache 
des Naheren sich vertraut zu machen, soweit sie nicht gerade selbst dabei 
eine fiihrende Stellung einnehmen oder nicht wie bei Aktien- oder anderen 
Erwerbsgesellschaften die finanzielle Seite ihr eigenes wohlverstandenes 
Interesse sie wahrnehmen lasst. Und schliesslich gehort es doch auch 
gewiss nicht gerade zu den Annehmlichkeiten des Lebens, Zustande als 
unhaltbare und der Verbesserung dringend bediirftige zu bezeichnen, die, 
sicherlich in nur guter Absicht einstens geschaffen und durch ihr Alter 
gleichsam geheiligt, anscheinend einen gewissen Anspruch auf ihr Fort- 
bestehen sich erworben haben. 

Ob juristisch die Moglichkeit vorliegt, die ira Interesse einer viel 



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GINSBERG: MOZARTEUM U. MOZARTS GEBURTSHAUS 

tatkraftigeren Mozartpflege so dringend zu wiinschenden Anderungen in 
der angedeuteten Richtung herbeizufuhren, vermag ich, da mir der Inhalt 
der Stiftungsurkunde nicht bekannt ist, nicht zu beurteilen. Es ist aber 
mit Sicherheit anzunehmen, dass die Stifter nicht fur alle Zeiten eine 
Satzungsanderung ausgeschlossen und damit unmoglich gemacht haben. 
Dann aber auch ist zu wiinschen, dass die Stiftungsleiter je friiher desto 
besser bestrebt sein werden, die Musikschule, die sie ja im Laufe der 
Jahre zu Bliihen und Gedeihen gebracht haben, in den Besitz der Stadt, 
der Provinz oder des Staates iiberzufiihren. Die Salzburger Landschaft 
diirfte sicherlich das wesentlichste Interesse am Fortbestehen der Schule 
haben, wenn man erwagt, dass ausweislich des unlangst erst erschienenen 
Jahresberichtes fur 1904, bei einer Gesamtzahl von 399 Schiilern allein 
246 Schiiler aus Stadt und Land Salzburg stammten. Was fur erhebliche 
Mittel aber bei Loslosung der Schule von der „lnternationalen Stiftung 
Mozarteum" mit einem Schlage frei wiirden, und frei wiirden fiir den eigent- 
lichen, wahren Zweck der Mozartpflege, das ist ein Gedanke, der das 
Herz jedweden Mozartfreundes hoher schlagen lasst. Nahme die Schule und 
ihr Pensionsfonds nicht so gewaltige Mittel zu ihrer Unterhaltung fiir sich 
in Anspruch und hatte sie das nicht die ganzen Jahre ihres Bestehens 
hindurch getan, das Geburtshaus des Meisters ware, das ist mir nicht 
zweifelhaft, langst, wie die Mozartgemeinde dies zu verlangen ein Recht 
hat, im Besitze dieser Gemeinde. Deshalb eben auch ist es mir schmerzlich, 
feststellen zu miissen, dass, wie ich schon andeutete, die Haltung der 
Musikschule des Mozarteums geradezu kausal erscheint fiir den bisher 
unterlassenen Ankauf des Mozartschen Geburtshauses. 

Leider aber scheint der Vorstand der „Internationalen Stiftung: 
Mozarteum" die kSufliche Erwerbung des Hauses fiir eine vollig neben- 
sachliche, ja durchaus liberfliissige Sache zu halten. Zu dieser Annahme 
berechtigt das ganze von der Stiftungsleitung bisher in der Angelegenheit 
beobachtete Verhalten. Uber schwache Versuche namlich, das Haus kauflich 
zu erwerben, ist man in Salzburg niemals herausgekommen, ja, man scheint 
sogar das Projekt jetzt endgultig begraben zu haben. Horen wir, was Engl 
in Erwiderung auf jenen Artikel der „ Frankfurter Zeitung* sagt. Nachdem 
er einige dem Frankfurter Korrespondenten unterlaufenen tatsachlichen Un- 
richtigkeiten bereinigt hat, fahrt er wortlich fort wie folgt: 

,Aber selbst dann, wenn das Haus [d. i. das Mozartscbe Geburtshaus] mit vor- 
bandenen Mitteln in das Eigentum zu erwerben wire, so musste es erst wieder ein 
Zinshaus bleiben, da die betrSchtlichen Steuern und Umlagen keine genugende Ver- 
zinsung des Ankaufskapitals ermoglichen konnten und aus diesem Grunde batte dann 
der Verein nur ungleich grossere finanzielle Opfer fur das Mozartmuseum zu bringen 
als gegenwartig in der Eigenschaft als einfacher Mieter. Aus diesem Grunde wurde 
auch der im Mai 1876 vom damaligen Ausschusse geplante Ankauf des Hauses unter- 

V. 7. 4 



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50 
DIE MUSIK V. 7. 



lassen, das von dem Besitzer Angelo Saullich auf 50000 Fl. bewertet wurde und kauflich 
gewesen wSre, und worauf dieser dem Mozarteum das Verkaufsrecht zugesichert taatte." 

Ich bekenne offen: mit aufrichtigstem, wahrstem Bedauern hat es 
mich erfiillt, aus diesen Worten Engls entnehmen zu miissen, dass fiir die 
Internationale Mozartgemeinde vor 30 Jahren die Moglichkeit bestanden 
hat, das Haus fiir den Preis von 50 000 Gulden kauflich zu erwerben. 
Damals auch ist dem Mozarteum das Vorkaufsrecht zugesichert gewesen. 
Es gewinnt den Anschein, dass das zur Zeit nicht mehr der Fall ist. Man 
hat also die sich damals bietende, iiberaus giinstige Gelegenheit unbenutzt 
gelassen und ruhig geduldet, dass das Haus in anderen Besitz iiberging. 
Obwohl kein Kenner der lokalen Verhaltnisse Salzburgs, will mir der damals 
geforderte Preis in Anbetracht der Grosse und Stattlichkeit des Hauses 
gar nicht so hoch erscheinen. Ist man denn auch nur einmal in Salzburg 
der Frage naher getreten, ob nicht die zahlreichen Raume des Mozartschen 
Hauses, soweit sie nicht in ihrer Eigenschaft der ehemaligen Mozartschen 
Wohnraume als die naturgemasse pietatvolle Sammel- und Aufbewahrungs- 
stelle der Manuskripte des Meisters und aller sonstigen auf den Meister 
und seine Familie sich beziehenden Gegenstande der Erinnerung in An- 
spruch zu nehmen waren, in anderer Weise fiir die Zwecke der Stiftung 
nutzbringend zu verwerten seien, etwa durch Aufnahme der Bibliotheca 
Mozartiana, der Wohnungen fiir die Beamten der Stiftung und wohl auch, 
wenn man sie eben durchaus fiir notwendig erachtete, der Musikschule? 
Soviel aber des weiteren die von Herrn Engl so gefurchteten „betracht- 
lichen Steuern und Umlagen" anlangt, die der Besitz des Hauses mit sich 
bringen wiirde und die im Verein mit dem zu zahlenden Kaufpreise „keine 
geniigende Verzinsung des Ankaufskapitals ermoglichen konnten", so ist 
zu bemerken, dass die Stadt Salzburg doch wohl selbst das erheblichste 
Interesse daran haben diirfte, jenes Haus von so hoher internationaler 
Bedeutung im dauernden, gesicherten Besitz der grossen Mozartgemeinde 
zu wissen, aus eben diesem Grunde aber auch die kaufliche Erwerbung 
desselben von seiten der „Stiftung a tunlichst zu fordern. In richtiger 
Wiirdigung der Tatsachen miisste es ja geradezu auch Ehrensache der 
Mozartstadt sein, die Mozartgemeinde, soweit nicht allgemeine gesetzliche 
oder bindende ortsstatutarische Bestimmungen dem entgegenstehen, mit 
Zahlung von „Steuern und Umlagen" zum mindesten bezuglich des Ge- 
burtshauses des Meisters ganzlich zu verschonen. 

Aber freilich: man beabsichtigt in Salzburg gar nicht mehr, das Haus 
kauflich zu erwerben. Gegenwartig und schon seit Jahren verfolgt man 
eben dort ganz andere Plane. Fiir viel notwendiger und dringlicher als 
die Erwerbung des Hauses erachtet man die Errichtung eines sogenannten 
„Mozarthauses a und ruhrt dafiir machtig die Werbetrommel. Vor mir liegt 



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51 

GINSBERG: MOZARTEUM U. MOZARTS GEBURTSHAUS 



der im Herbst 1903 von der Stiftungsleitung erlassene „ Aufruf an alle 
Mozart verehrer*. Nach ihm soil das zu erbauende *Mozarthaus a ent- 
sprechend grosse und wiirdig ausgestattete Konzertsaallokalitaten enthalten, 
ferner Raume zur Aufnahme der Bibliotheca Mozartiana, des Sekretariats mit 
einer Auskunftsstelle fur Mozartforschungen, des wertvollen Archivs und des 
Mozarteums mit seiner Musikschule. Klangvolle Namen in grosser Zahl 
haben den Aufruf unterzeichnet und durch ihre Namensunterschrift be- 
kundet, dass sie das Salzburger Projekt auch zu dem ihrigen machen. Und 
man hat nicht vergebens gerufen. Auch hier hat der Name „Mozart a seinen 
Zauber entfaltet. Bedeutende Spenden bereits sind dem Mozarthausbau- 
schatze zugeflossen. Wie immer, wenn es gilt eine gute Sache zu unter- 
stiitzen und zu fordern, hat, wie unlangst die Blatter berichteten, der edle 
Kaiser Franz Josef den hohen Betrag von 20000 Kronen dem Fonds zu- 
gefiihrt, die unermudliche Forderin der Mozartsache, die Mozartsangerin 
y.aztlzoxrjv Frau Lilli Lehmann, auch sie fehlt nicht unter den Spendern, und 
wie sie handelten viele andere. Ich zweifle daher keinen Augenblick, 
dass das Ziel, das sich die Leitung der „Internationalen Stiftung: Mozarteum" 
mit Errichtung jenes Hauses gesetzt hat, in gar nicht ferner Zeit glanzend 
erreicht sein wird. Man geizt freilich auch nicht mit Anerkennung fiir 
die Spender. Der Aufruf verheisst, ohne selbstverstandlich damit irgend- 
wie auf die menschliche Eitelkeit spekulieren zu wollen, „namhafte 
Ehrungen". Nach ihm wird „Stifter a , wer 1000 Kronen, „Griinder a , wer 
200 Kronen, „G6nner ft , wer irgendeine Spende unter diesem Betrage zum 
Bau des Mozarthauses beitragt. Wahrend die Namen der „Stifter tt auf 
einer Marmortafel im Mozarthause „verewigt tt werden, sollen die Namen 
der „Griinder a in das „zu jedermanns Einsicht aufliegende Ehrenbuch" 
des Mozarteums eingezeichnet werden, die schlicbten „G6nner a dagegen 
werden sich schon damit begnugen miissen, dass ihre Namen lediglich 
in den Jahresberichten der Mozartgemeinde eine einmalige Erwahnung 
finden. Difficile est satiram non scribere! Vergebung, wenn ich bitter werde! 
Es musste aber einmal frank und frei herausgesagt werden, dass eine 
grosse Zahl der Mozartverehrer — ich will nicht unbescheiden sein und 
nicht, wie ich zu tun vielleicht berechtigt ware, sagen: die iiberwiegende 
Mehrheit aller Verehrer des Meisters, so weit sie nur genugende Kenntnis 
vom Sachverhalte hat — unzufrieden ist mit dem zur Zeit projektierten 
Mozarthausbau. Man verstehe mich doch nur recht! Von Herzen gonnen 
wir alle dem schonen Salzburg das geplante Mozarthaus, wir wollen auch 
gem glauben, dass die Errichtung eines derartigen Bauwerkes ihre 
Berechtigung und Begriindung findet in Ubelstanden, die das Fehlen eines 
Hauses von der Art des geplanten bisher gezeitigt haben mag, wir wiinschen 
aufrichtig auch unsererseits, dass der Bau im Andenken an Salzburgs 

4* 



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DIE MUSIK V. 7. 



grossten Sohn, dessen Namen er zu tragen bestimmt ist, eine Statte edelster 
Kunstpflege, insonderheit der Pflege Mozartscher Kunst werden moge, allein 
wir konnen uns nun und nimmermehr damit einverstanden erklaren, dass 
man an den kostspieligen Bau eines solchen Hauses geht und gegangen 
ist und dafiir unter dem stets Erfolg verheissenden Namen „Mozart a in 
reichstem Masse Mittel sammelt, bevor man der unabweislichen Pflicht 
geniigt hat, das alien Mozartverehrern so teure Geburtshaus des Meisters 
fiir alle Zeiten in den Besitz der Internationalen Mozartgemeinde 
zu bringen. Keinen Heller, keinen Pfennig fur andere Zwecke, seien es 
auch solche der idealsten Art, bevor das Haus unverausserliches Eigentum 
der grossen Mozartgemeinde geworden ist, das, meine ich, hatte die Losung 
sein miisen! Schon oben deutete ich an, dass ich hier nicht nur meine 
Anschauung vertrete, nein, ich darf kiihn behaupten, dass ich bisher auch 
noch nicht einen Mozartfreund gesprochen habe, der meine Ansicht in 
der Frage nicht teilte. Man wird mir wohl erlassen, Namen zu nennen, 
nur ein Name moge hier nicht unerwahnt bleiben, der Name des so ver- 
dienstvollen, greisen Begriinders und Leiters der grossen Berliner Mozart- 
gemeinde, Rudolph Gen6e. Ein aus der Feder Gen6e's stammender 
Artikel „Mozarts Geburtshaus" 1 ) schliesst mit den Worten: 

„Sehr zu bedauern ist es, dass die Stiftung ,Mozarteum' bei dem letzten Wechsel 
des Besitzers es versiumt hatte, das Haus als Eigentum zu erwerben, wie es sich 
doch wohl gehorte. Dafur ist ihm der Pachtzins von den jetzigen Besitzern des 
Hauses erhoht worden, und es ist sehr fraglich, ob sich wieder eine Gelegenheit 
finden wird, das Haus dem kaufmSnnischen Privatbesitz zu entzietaen." 

So Gen6e! 

Die Frage der kauflichen Erwerbung des Mozartschen Geburtshauses 
ware wohl wichtig genug gewesen, urn auch einmal die Mitglieder der 
weit verzweigten „ Internationalen Mozartgemeinde" iiber ihre Meinung zu 
befragen. Wir leben ja in der Zeit der Enqueten, und wenn ich auch 
durchaus nicht behaupten mochte, dass derartige Umfragen stets ein un- 
triigliches Ergebnis liefern, in unserem Falle hatte es der Stiftungsleitung 
schatzbar sein miissen, durch eine derartige Umfrage vor der Fassung 
einer derart gewichtigen Entschliessung, ob man namlich ein kostspieliges 
Festspielhaus usw. errichten und dafiir offentlich reiche Mittel sammeln oder 
zuvorderst die Erwerbung des Geburtshauses des Meisters ins Werk setzen 
solle, die Willensmeinung ihrer Mitglieder in Erfahrung zu bringen. Bei der 
an sich so einfachen Organisation der „ Internationalen Mozartgemeinde* 4 
ware dies unschwer zu bewerkstelligen gewesen und leicht hatte man sich 
in Salzburg dadurch ein Urteil iiber die Stimmung in der Gemeinde bilden 



y ) Zu vergleichen „Mitteilungen der Berliner Mozartgemeinde 4 *, 6. Heft, Ok- 
tober 1898, S. 173ff. 



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GINSBERG: MOZARTEUM U. MOZARTS GEBURTSHAUS 

konnen. Nichts von alledem! Statt dessen hat die Leitung, in deren Vor- 
standschaft trotz des internationalen Charakters der Mozartgemeinde wesent- 
lich nur Salzburger Herren vertreten sind, durchaus souveran zwar, aber 
wahrhaftig nicht eben gliicklich die schwerwiegendsten Beschliisse gefasst. 
Dariiber moge sich indessen die Stiftungsleitung nur keinerlei Tauschung hin- 
geben: soweit ich die Stimmung der Mozartgemeinde ausserhalb Salzburgs 
kenne, erachtet man die endliche kaufliche Erwerbung des Geburtshauses 
des Meisters unter alien Umstanden als die erste und vornehmste Pflicht 
der ^Internationalen Mozartgemeinde". Man werfe mir nicht etwa ein, dass 
ja ein Widerspruch gegen die von mir bekampfte Massnahme der Stiftungs- 
leitung bisher von keiner Seite erfolgt sei. Das Unterbleiben jeglichen 
Widerspruches erscheint durchaus nicht befremdend, denn man hat guten 
Grund anzunehmen, dass die weit iiberwiegende Zahl der Mozartverehrer, 
insonderheit der Mitglieder der „ Internationalen Mozartgemeinde", die die 
geweihte Statte in der Salzburger Getreidegasse betreten, es eben gar nicht 
weiss, dass das Haus nicht im Eigentume der grossen Mozartgemeinde 
steht, dass es vielmehr nur ermietete Raume sind, welche die uns alien 
so kostbaren Schatze und Erinnerungen bergen. Ja, Hand aufs Herz: 
ob wohl selbst alien den Unterzeichnern des Aufrufes, in dem so kraft- 
voll zu Sammlungen fur das zu erbauende monumentale Mozarthaus auf- 
gefordert wird, ob wohl den Schuchs, den Mottls und den anderen Namen 
von Ruf und Klang, soweit sie nicht als Salzburger mit der Lokalgeschichte 
ihrer Stadt eng vertraut sind, jene betriibende Tatsache bekannt ist, und 
ob sie, wenn sie sie gekannt hatten, nicht doch vielleicht auch ihrerseits 
die kaufliche Erwerbung des Geburtshauses des Meisters als die bei weitem 
dringlichere Aufgabe erachtet und der Erreichung dieses Zweckes weit 
lieber noch ihre Unterstiitzung geliehen haben wiirden als dem Unter- 
nehmen, fur das sie jetzt in die Schranken treten?! 

In Abwehr des erwahnten Artikels der ^Frankfurter Zeitung" hat es 
Engl u. a. fur notwendig und zweckdienlich erachtet, den Nachweis zu 
fuhren, dass eine Feuersgefahr fur das Geburtshaus Mozarts so gut wie 
ausgeschlossen sei; im besonderen macht er geltend, dass die gunstige Lage 
des Hauses „eventuell das Eingreifen der anerkannt vorziiglichen heimischen 
Feuerwehr von beiden Seiten moglich mache". Ich glaube ja ohne weiteres, 
dass die Stiftung nach Moglichkeit Fursorge getroflfen hat fur die Erhaltung 
der unersetzlichen Schatze, die das Haus in seinem Innern birgt, und dies 
vornehmlich auch fur den Fall des Ausbruches eines Brandes; allein wird 
man schon den Hinweis auf das Erfolg versprechende Eingreifen der Feuer- 
wehr, bei deren Tatigkeit erfahrungsgemass das Inventar leicht Gefahr 
lauft, durch Eindringen der Wassermengen arg beschadigt, wenn nicht 
vollig vernichtet zu werden, als nicht eben gliicklich bezeichnen miissen, 



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54 
DIE MUSIK V. 7. 



so wird man doch unter alien Umstanden berechtigt sein zu sagen, dass, 
wenn die Stiftung einmal erst Eigentiimerin des Hauses ist, sie dann natur- 
gemass weit wirksamer alle Massnahmen fur die Sicherheit nicht nur der ehe- 
mals Mozartschen Wohnraume, sondern des gesamten Gebaudes wird treffen 
konnen als zur Zeit, wo sie lediglich Mieterin eines Teiles des Hauses ist. 
Sollte sie aus Griinden finanzieller Natur selbst gezwungen sein, nach kauf- 
licher Erwerbung des Hauses einen Teil der von der Familie Mozart seinerzeit 
nicht bewohnten Raume noch auf Jahre hinaus zu vermieten, so wiirde ihr 
doch eben solchenfalls das Recht des Eigentiimers eine derart nachdriick- 
liche Einwirkung auf die Mieter dieser Raume sichern, dass es ihr mog- 
lich wiirde, alle von ihr fiir erforderlich erachteten Sicherheitsmassnahmen 
unverziiglich zu treffen. Und wie denn nun, wenn der Eigentiimer des 
Hauses, der derzeitige oder dessen Rechtsnachfolger, plotzlich einmal die 
Laune hatte, den Mietvertrag, mag er selbst auch auf viele Jahre hinaus 
abgeschlossen sein, zu kiindigen? Man wolle doch nur nicht einwenden, 
dass eine derartige Moglichkeit vollig ausgeschlossen erscheine. Mag 
immer auch der Mietzins, den die Stiftung Mozarteum dem jetzigen Be- 
sitzer des Hauses fur die von ihr ermieteten Raume zahlt, ein betracht- 
licher, ja fiir Salzburger Verhaltnisse vielleicht ein aussergewohnlich hoher 
sein, wie leicht doch ist der Fall denkbar, dass der Besitzer, gar nicht 
einmal aus blosser Laune und Willkur, sondern aus Griinden geschaftlicher, 
familiarer oder sonst welcher Art geradezu gezwungen ist, die Kiindigung 
auszusprechen? Man wird es nach alledem als einen in hohem Grade 
beklagenswerten, ja ungliickseligen Beschluss bezeichnen miissen, der den 
Vorstand der Internationalen Stiftung „Mozarteum tt im Jahre 1876 davon 
Abstand nehmen liess, das Geburtshaus des Meisters damals fiir den Preis 
von 50 000 Gulden in den dauernden Besitz der Mozartgemeinde zu bringen. 
Noch weit mehr aber wird man die geradezu unbegreifliche Stellungnahme 
des jetzigen Vorstandes der Stiftung zu beklagen haben, wenn dieser 
durch den Mund Engls offen erklaren lasst, „dass der Gedanke, hier 
Hausherr zu werden, dem Verein fernab liegt und dies um so mehr, als 
gegenwartig das Projekt eines ,Mozarthausbaues' greifbare Form ange- 
nommen hat und in nicht allzu ferner Zeit zur Durchfuhrung kommen 
soil." Hier also wird mit nackten, diirren Worten zum Ausdruck ge 
bracht, dass man das Mozartsche Geburtshaus gar nicht erwerben 
will und dass man die Errichtung jenes Monumentalbaues fiir viel 
notwendiger und erspriesslicher erachtet! Kaum fraglich diirfte sein, wem 
etwa die Verpflichtung obliege, das Haus zu erwerben. Moglich ware es 
ja, dass nicht nur die organisierte „ Internationale Mozartgemeinde", sondern 
dass wohl auch die Stadt Salzburg, die Provinz, ja selbst auch der Staat 
ie Verpflichtung dazu in sich fiihlen miissten. Mir selbst ist es ja freilich 



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GINSBERG: MOZARTEUM U. MOZARTS GEBURTSHAUS: 

keinen Augenblick zweifelhaft, dass allein die Mozartgemeinde dazu berufen 
ist, so lang Versaumtes nun endlich nachzuholen. Indessen das alles sind 
Fragen, die den Mozartfreund an sich nicht beruhren; er hat Interesse 
doch lediglich daran, daran freilich aber auch das allerlebhafteste, dass 
das Haus, gleichviel von wem und auf welche Weise, moglichst bald in 
den dauernden Besitz der grossen Mozartgemeinde iibergehe. 

Wohlan denn! Schon sind 150 Jahre seit der Geburt des grossten 
Salzburger Sohnes verflossen, und noch immer nicht ist das Haus, in dem 
er der Welt geschenkt wurde, um ihr alsbald einen Himmel zu erschliessen, 
im unverausserlichen Besitze seiner grossen, den Erdkreis umfassenden Ge- 
meinde. Moge man sich in Salzburg nun endlich auf seine Pflicht 
besinnen! Bedarf die Stiftung „Mozartcum a dazu der Unterstiitzung von 
auswarts, mag sie's nur sagen, wir sind bereit zu helfen. Keiner der eine 
Legion bildenden, iiber den ganzen Erdball verstreuten Verehrer des Meisters 
wird ermangeln, sein Scherflein fur diesen allerschonsten Zweck beizutragen. 
Beharrt freilich die Salzburger Leitung der „ International Mozartgemeinde" 
nach wie vor bei ihrem Entschluss, ihrerseits den Ankauf des Geburts- 
hauses des Meisters nicht zu betreiben, und tut sie nicht alsbald die fur 
die Erwerbung geeigneten erfolgversprechenden Schritte, so wird sie sich 
vor die beschamende Tatsache gestellt sehen, dass man ausserhalb Salz- 
burgs und ausserhalb des Kreises der organisierten Mozartge- 
meinde die Sache in die Hand nimmt und zum gliicklichen Ende zu fiihren 
versucht. Das wird und kann sie nicht wollen. Sie iibernehme daher selbst 
die Fiihrung! Ist ihr an unserer Mithilfe gelegen und nimmt sie davon Ab- 
stand, in Zukunft die reichen ihr zufliessenden Mittel fur Zwecke zu ver- 
wenden, die der Mozartpflege vollig fern liegen, im reichsten Masse soil 
ihr diese Mithilfe gewahrt werden! 




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n SALOME" 
VON RICHARD STRAUSS 

UraufFDhruug 1m Kgl. Opernhauae *u Dreeden 
am a Dexember 1905 

F. A. Geissler- Dresden 





rftriem Richard Wagner tela eigner Dlchter geweaen lit, berdtet den 
Opernkomponiaten die dichterlache Unterlage ihrcr Werke beeondera 
viel* Scfamercen. Deo a mlt ^Teitbfichem* im landlltiflgen Sinne iat ee 
nicbt metar getau uad ieider tiod die guten Dictator aetteii, deren Ehrgeiz 
etch dimlt zufHeden gibt* gute Operubilcfaer zu ichrelben. Beaondera 
■chllmm lag die Sic he immer, eobald ee sicfa dirom faandelte, aus einom rezftieiendeii 
Drama eine Oper an macben. Da wurde die Origlnalecbftphng dea Dlchtera too 
inebr oder minder geechlcktea Hlnden zu elnem Teitbuche zurechcgeatutzt and dabel 
kam ea oft genug zu Vergewaltigungen und Verballhornungen dea DIcbtera, fiber die 
dann die Tonkuoit Ibren Mantel verhfUleod breften aollte, wlhrend Ibr doch aelbat 
infolge der GertngwerHgkeit dea Textea der Ifeete kunatleriacbe Untergruod mangelte. 

Attcb Richard Streuee bat mlt unzulinglichen Textbflchera aelne achlimmen 
Erfehrungen gemacbt, iat doch z. B. daa athnelle Verachwindeu der p Feueranot* znm 
groaaen Telle auf die Mingel der Wolzogcnacbeu Dlchtung zur&ckzufubren. Dimm 
bat der Tonietzer, deaaen Sinn immer nach dem Neuen uad Elgenanigea standi ]etzt 
ejnen kfibnen Voreuch gemachtr er hat kurzerband daa ganze Oakar Wlldeacbe Drama 
.Salome* (von unweaentlicben Kurzungen abgeaehea} In Muaik gesetzt und damlt In 
der Tat die Frage, wle man die Mlttelaperaon dea Textfaearbcltera umgeheu kftnne, 
mlt elnem Scblage gelffat. In dieaem Falle Est ibm daa Wagnla entschleden gegl&ckt* 

Die kGnetlerieche Abaicbt Strauaeeua war, ala er alch in dleser Welse unmlttelbar 
an den Dlchter anachloea, gewias wagnerlech im beaten Sinne: ea aollte die innlgate, 
durch keioe »Bearbeitung* unterbrochene Verblndung zwiachen Dichtung und Muaik 
hergestellt, die Muillt aollte aua dem Gelate der Dicbtung beraua gcboren werden. 
Nun iat aber gegen eben diesen Geiat der Wildeecben Dichtung ma tic her Wider aproch 
Jaut geworden* Man bat geeegt, dleae Schlldcrung einer aexuellen Abnormiiit aei 
ichon aaf der ScbauapielbQhne uoerqtilcUteb genug und musae In der durch die 
Kompoaltfon geachaffenen Verbreliemng der Hand Jang und Uateratreichuog der grtsa- 
tichen Momente nocb weit mehr gegen die gmndlegenden Forderungen der Aathetik 
Im allgemeinen und der Muaiklathetik im beionderen verztoaaen. 

Mlt Verleub, meine Herracbaften : die praktiache Auafibung elner Kunit Iat 
nocb immer der Weisbelt der Theoretiker urn elnlge Mellen voraue geweaen. Daa 
muaaten wir eigeotlich aua der Kunatgeacbicbte gel era t haben und una darum hfiten, 
ela Verdlkt nach allgemein lathetischen Grundaltzen zu flllen, die violleichc gerade 
In dem Aogenblicke, wo wir lie zur Ricbtacbnur unierea Kunaturteila machen, inner- 
lich berelta uberwunden Bind, Oberdlei bat Strauaa alcberllcb derartige Erwlgungen 
aehon aelbat angeatellt, Iat aber docb an die Kompoaltion der .Salome* gegangen, 
well er, der rclcbate Orcbeaterkoloriat aller Zeiten, just be) dieaem Stoffe das fand t 
waa lbn reizeu muaatc: auf der elneo Seiie daa faullge Milieu elner InnerHcb zer* 
rreaaenen, dem Abaterben verfallenen oiienuliacben Kultur, in die Johannea der 
Tlufer (Jecbanaan) wle der erete Mecach jener neuen, relneren Kultnr hlnelnragt, 



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57 
GEISSLER: .SALOME- VON RICHARD STRAUSS 



wclche der von ihm verkundete Christus der Welt zu bringen damals eben im Be- 
griffe war. Und zwischen diesen beiden Kulturen ein herrliches Weib, das in tiefster 
Seele ichzt unter der Scbwule der Atmosphere im blutsch^nderischen Hause von 
Herodes und Herodias. Bei einem Gelage im Palast uberkommt sie der Ekel so 
stark, dass sie binauslSuft aus der Halle in den nSchtlich dunkeln Hof. Und da 
sieht sie den Propheten Jochanaan, vor dessen strafenden Worten alle zittern, der in 
seiner berben Keuscbheit und asketiscben Erscheinung so ganz anders ist als alle 
Manner ihrer Sphfire. Sie drangt sich liebesehnend, nach Genuss lechzend, an ihn 
beran, und als er ihr Werben streng zuruckweist und ihre Liebesworte mit Flucben 
lohnt, da erwacbt die Tigernatur dieses Weibes. Sie fordert von Herodes, den sie 
durch ihren Tanz aufs hochste entflammt bat, den Kopf des so grausam Geliebten, 
nur damit sie ihren Willen bat und den Mund des Jochanaan kussen kann. Dass 
ein Musiker von der Eigenart Richard Strauss' sich von dem Gedanken lebhaft an- 
gezogen fuhlen musste, in diesen lrrgarten von Liebe, Hass, Wollust, Grausamkeit 
und Wahnsinn, in dieses schwule Milieu mit den tausend Lichtern seiner individuali- 
sierenden Musik hineinzuleuchten, ist so begreifllcb, dass man daruber kein Wort zu 
verlieren braucht. Die Hauptfrage ist: hat Strauss die grosse, schwierige Aufgabe, 
die dieser Stoff ihm als Musiker bot, gelost? Hat er auf diesem Boden ein Werk 
von dauernder Bedeutung geschaffen? 

Die erste Frage ist ohne weiteres zu bejahen. Es ist dem Komponisten in der 
Tat gelungen, ein in modernster Farbenpracht schillerndes, von pulsierendem Leben 
erfulltes Werk zu schaffen und mit seiner Musik zum Ausdeuter all der Geheimnisse 
Salomes und ihrer Umgebung zu werden. Allerdings wendet er dazu Mittel an, die 
so ungeheuer sind wie das ganze Unternehmen. Ein Orchester von 110 Musikern 
fordert Strauss und an jeden dieser Musiker stellt er die hochsten Anforderungen; 
den Instrumenten, deren Zahl er um das „Heckelphon a (zwischen Englischhorn und 
Bassklarinette stehend) bereichert, verlangt er die scheinbar unmoglichsten Schwierig- 
keiten und Klangwirkungen ab; auch die Gesangskrafte zwingt er zu den hochsten An- 
strengungen unter den schwierigsten Bedingungen. Der Schwerpunkt der Musik liegt 
im Orchester. Hier tauchen die Motive, die das ganze Werk durchlaufen, in den ver- 
schiedensten instrumentalen Einkleidungen, rhythmischen und tonalen Umformungen 
auf. Aber diese Motive sind meist sehr kurz, ausgefuhrte Melodieen finden sich sehr 
selten, jene Kurzatmigkeit der modernen Musik, die in ihr immermehr zur Herrschaft 
gelangt, finden wir auch bei der „Salome". Nur an verhaitnismSssig wenigen Stellen, 
wie z. B. in den Gesangen des Jochanaan, der Szene, in der Salome auf den Todes- 
schrei des Propheten wartet, dem Schleiertanz und dem Schlussgesang der Salome 
stromt der musikalische Fluss breit und langere Zeit unbehindert dahin. Wenn man 
die Musik zur „Salome a kurz charakterisieren will, so mochte man sagen, dass sie 
Ausdruckskunst im hochsten Grade, aber nicht Empflndungskunst ist. Mosaikartig aus 
kleinen und kleinsten Teilen zusammengesetzt, sucht sie zu individualisieren, zu schil- 
dern, nicht aber die Regungen der Seele in uns zu losen. Es ist eine unrubevolle 
Musik, in der selbst das geubte Ohr kaum einige Male eine Tonart feststellen kann. 
Ein fortgesetztes Ineinanderfliessen von Akkorden, ein steter Wechsel von Zeitmass 
und Vorzeichnung, eine HSufung von raffinierten Effekten der Orchestration halten 
zwar das Interesse des Horers immer wach und bereiten ihm immer neue Ober- 
raschungen, lassen ihn aber andrerseits zu einem ruhigen Genusse nur fur Augen- 
blicke kommen. 

Das Orchester steht durchaus im Vordergrunde, wahrend die Singstimmen wesent- 
lich zurucktreten. Das letztere folgt nicht nur aus der durchaus deklamierenden Betaand- 



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58 
DIE MUSIK V. 7. 



lung der Singstimmen, die sich in den schwierigsten Intervallen bewegen, sondern auch 
daraus, dass sie durch das Riesenorchester in vielen Fallen vollstandig Cibertont und sehr 
oft wenigstens teilweise gedeckt werden. Organe von nicht aussergewShnlicher Tragkraft 
werden gegen die Gewalt des Orctaesters fast machtlos sein. Dadurch gescbieht es, dass 
die Textworte nur zum allerkleinsten Teile verstSndlich sind, so dass in diesem Punkte 
ein bedauerliches Zuruckweichen von dem Wagnerschen Grundsatze der Vorherrschaft 
der Dichtung festzustellen ist. Alle Ubertreibung rScht sicb. Weil Strauss in der 
„Salome" die Orchestersprache uber die zulassige Grenze binaus ausgebildet hat (er 
arbeitet auch sehr stark mit Effekten, die mehr Geriusche als Tone darstellen), deshalb 
muss schliesslich das Wort der Dichtung im Oberschwall der Tone ersticken, obwohl 
der Komponist, wie zu Anfang dargelegt wurde, an seine Arbeit mit der festen Ab- 
sicht herangegangen ist, die Dichtung im Wagnerschen Sinne zu Ehren zu bringen. 
Dass es an harten Dissonanzen, schrillen Missklangen nicht mangelt, erklart sich 
leicht aus dem ausgesprochen chromatischen Charaktar dieser Musik. Aber schliesslich 
klingt doch alles gut zusammen und man kann nur die Souveranitat bewundern, mit 
der Strauss uber all diese scheinbar so widerstrebenden Tongewalten gebietet. Der 
stirkste Beweis fur die innere Kraft seiner Musik liegt fur mich zunachst einmal in 
dem grossen Zuge, der das Ganze durchweht und ein Zerflattern in Teilwirkungen 
verhindert, und in der reinigenden Wirkung, die sie in der letzten Szene bewahrt. 
Denn gerade diese in der Dichtung abstossendste Situation wird durch die Musik 
emporgehoben und verklSrt, so dass sie das Widerwartige verliert. Und das ist fur 
mich die unwiderlegliche Bekundung dessen, dass wir es in „Salome" mit einem 
ernsten und echten Kunstwerke zu tun haben. 

Freilich durfte auch diese neueste musikdramatische Schopfung des genialen 
Fuhrers unserer Modernen kein dauerndes Leben auf der Buhne haben, denn es fehlt 
ihr der Ewigkeitswert. Wie die Handlung uns zwar machtig erregt, aber nicht erhebt 
oder erschuttert, weil sie nicht das allgemein Menschliche und darum immer Gultige, 
sondern einen krassen Ausnahmefall menschlicher Dekadenz uns vorfuhrt, so ist 
auch die Musik zu sehr individualisiert und spezialisiert, als dass sie eine fur alle 
Zeiten verstSndliche Sprache reden konnte. Als Dokument der Musik unserer Zeit 
wird „SaIome" immer genannt und vielleicht von Zeit zu Zeit auch wieder aus 
geschichtlichem Interesse neu einstudiert werden; auch die Musiker werden sie 
kunftig mit Eifer studieren und schatzen als eine unerschopfliche Fundgrube feinster 
Instrumentationskunst und haarscharfer musikalischer Charakteristik. Aber den grossen 
Dauerwerken der musikalischen Weltliteratur wird sich „Salome w nicht anreihen. Sie 
ist noch das geniale Produkt einer Ubergangszeit, aber dabei doch ein Werk, das von 
dem grossen Wollen und Konnen seines Schopfers deutlich Zeugnis ablegt und an 
dem man daher nur mit dem Hute in der Hand Kritik uben kann. 

Die Auffuhrung stand unter Ernsts v. Schuch Leitung, der sich damit wieder 
als einer unserer allerersten Dirigenten erwies, und war eine Ruhmestat der Dresdener 
Hofoper, die ihre besten Krafte einsetzte und dem Werke zu einem grossen ehr- 
lichen Erfolge verhalf. Frau Wittichs Naturell liegt zwar weit ab von der damonischen 
Salome, aber sie gab in dieser Hinsicht, was nur irgend in ihren Kraften stand; 
gesanglich war ihre Leistung hochster Anerkennung wert. Mustergultiges in Gesang 
und Spiel boten die Herren Burrian (Herodes) und Perron (Jochanaan). Von den 
ubrigen Mitwirkenden seien noch die Damen v. Chavanne und Eibenschutz sowie 
die Herren Jager, Rudiger, Plaschke, Wachter, Nebuschka, Erl, Kruis, 
Grosch, Saville und Rains genannt. Die Konigliche Kapelle hat an dem Erfolge 
des Tages einen gewaltigen Anteil. 



( " i m \i-\ L - Original from 

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bOcher 

41. Ludwlg Ritter von KOchel: W, A. Mozart. Cbronologlecb-tbeniatiecbeB 
Verzeicbnia eeiner Werke. Zweite AuRage bearbeltet und erglnzt von 
Paul GrarWaldersee. Verlag: Breitkopf & Hlrtei, Leipzig 1905. 
Drei Grosataten sind ea, die in der zweiten HUfte dea 19. Jahrbunderta fur daa Auf- 
bluben der praktischen Pflege Mozartacber Kunst babnbrecbend waren: 1. die jetzt In vierter 
Auflage erecbeinende klaaaiecbe Mozartblograpble von Otto Jehn (bearb. von Delters, 
Bd. I bcreuegekommea Im Herbif 1905, 11* Bd erscbelnt 1906); 2: du eng an dieses 
Werk sich anecbllessende grosse cbrooologiscb-tbematiactae Verzeicbnia simt- 
llcber Werke V. A, Mozarts von Kocbel und 3. als Krfnung dee Ganzen die in den Jabren 
1877—1883 durch daa Tettbaus BreftkopT & Hlrtei durcbgefiihrte und fortgeeetxt er- 
tfbiite erato Partitur-Geaamtauegabe derWcrke deaMoistera in 80 Folloblnden, 
Die Neuauagabe dei 1882 erstmallg erscbieneueoj alien Mozartforacbern und wabren 
Mozartfreunden anontbebrllchen KOcbelkataiogts bietet dankenawerter Wriae neben dam 
lebenewabren Bilde aucb ein en auaffibrlicberen von C. V. Rouacb (Cannatatt) beerbeiteten 
Labenaabriaa dea urn die Moxartaache ao iiberau* verdienten Vcfhasera, der, wle Jetzt 
erat allgeineiner bekannt vlrd, Jetztvilllg noch J 5000 Gulden far daa Zuetandekominen 
der Gesamuusgabe beetimmte* Geboren am 14. Januar 1800 zu Stein a. d. Donan erwarb 
er sich nacb einer nlcfat sehr glucklich yerlebten Jugeodzeit in Wien die philoaopbiecbe 
Doktorwfirde und wnrde Lnfolge eejner Cbaraktereigenscbaften und seine* vielseitigen 
Vlssens — er war ebenso tuchtlger Humanist vie Botanlker und Mineraloge — bald 
Brzteber in Torn eb men Hluaern; von 1827—43 varen Jbm die S&bnc dea Erzherzoga 
Carl anvertraut. Von da ab zog rich K, ina Prfratleben zuriick, macbte weite Studien- 
reiaen und wldmete sich ala begeiaterter Muaikfreund und Kenner von nan an mobf 1 
and mebr aelner LiebHngaaulfeebe: der ayatematfecben Sammlung und Regis trierung aller 
Mozartwerke, die er in einem groaa angelegten Kataloge cbronologiacb*tbematiacb ver- 
zeiebnon und beacbreEben wollie. Daa 1st ibm denn aucb nacb Jabren angeatrengteater 
Sammeltltigkelt, die ibn wiederbolt auf Relaen fShrte, in meiaterticher Veiae gegluckt, 
vie illgemein bekannt iat Sett 1863, alio oachdem aeln epocbemecbendea Werk er 
eebienen war, sicdelte K. dauernd nacb Vlen fiber und start dort 1877 im Palais 
seines efaemaligen Zftgfinpi Feldmaracball Erzberzog Albrecbt, bei dem er Wnbnilng auf 
Lebenezeit erbelten harte. 

Aua der warmberzlgen Wldmung, mlt der K5chel eein Terk aeinem Preunde 
Otto jabn fibcrgab, nacb dem letzterer in den Jabren 1856—59 aeinen vlerbindigen 
m W+ A. Mozart* verodbntlicbt hette, gebt hervor, daas Jabn fkat gleicbzeltlg mit Kicbel 
und unabbingjg von ibm Vorarbciten zu einem Mozartkataloge in Angrilf genommen 
batte* Nacbdem er aber von Kfichela Vorbaben Kenntnia erhalten, Qberliesa er 
dieaem aeln ganxea wertvollea Material znr freien Benutiung und aetzte Ihn so in den 
Stand 7 aeln Verk raacber und volietlndlgpr vum Abacblusa zu bringen, gewtaa ein 
achfluer Zng von NeldlosEgkeit im Cbaraktertilde dea groaaen Biognpben. So kam wobl 
eratmalig auf dem Gebiete der Mualkwiaaenaebatt ein Verkverzeicbnia inatande, daa 






Onqinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



60 
DIE MUSIK V. 7. 



durch Vollstftndigkeit, Vielseitigkeit und praktische Anordnung des Stoffes fur alle 
spftteren ihnlichen Kataloge vorbildlich geworden ist (vgl. z. B. den Weberkatalog von 
F. W. JEhns) und sich von Anfang an die allgemeinste Anerkennung der musikalischen 
Welt erworben hat. 

Die im Laufe der Jahre infolge der von K5chel selbst so m&chtig gefdrderten 
Entwicklung der Mozartforschung immer ndtiger gewordene Neuauflage, wie sie nunmehr in 
der Bearbeitung des langjfthrigen Mitarbeiters der Gesamtausgabe Paul Graf Waldersee 
vorliegt, hat in grosser VollstSndigkeit die seit 1862 bekannt gewordenen Ergebnisse der 
Mozartforschung berucksichtigi, indem sie vor allem die vielen von Kdchel selbst in 
seinem Handexemplar eingetragenen ZusStze, Verbesserungen und Anderungen auf- 
genommen hat. Dann aber sind die seit Kdchels Tode vielfach bervorgetretenen 
Forschungen und Funde neuer oder verschollen gewesener Mozartwerke bis in die 
neueste Zeit hinein nachgetragen. 1 ) 

Von diesen neueren Funden sind wobl die wertvollsten : das schon verdfPentlichte 
konzertante Quartett fur BISser mit Orcbester 9 ) (Anh. 9); das in Paris beflndliche noch 
ungedruckte D-dur Violinkonzert (K. 271 a) aus dem Jahre 1777; die mit der fruher ver- 
schollenen zweiteh Pariser Symphonie wahrscheinlich identische B-dur Ouverture (vor 
einigen Jahren in Paris in alten gedruckten Stimmen aufgefunden und durch den Dres- 
dener Mozart-Verein im Januar 1903 erstmalig in Deutscbland aufgefuhrt); ferner die 
reizvolle Musik zur Pantomime „Les petits riens* (Anh. 10); ein zweisitziges Klaviertrio 
D-dur (im British-Museum) und ein Klavier- Rondo K. 511a (ebendaselbst), letztere beiden 
Stucke noch ungedruckt. Von hohem Interesse sind die ZusStze zu den Anmerkungen zu 
Don Juan (K. 527) und zum Requiem (K. 626). Die 1896 aufgefundene jetzt in Graz im 
Privatbesitz beflndliche Prager Abschrift der Don Juan-Partitur wird hoffentlich dazu bei- 
tragen, die schon von Jahn 1867 bekSmpfte auf Guglers Veranlassung entstandene Weg- 
lassung der Posaunen im zweiten Finale wieder aufzugeben, da die Echtbeit dieser so 
wichtigen Stimmen nach den neuesten Forschungen nicht mebr bezweifelt werden kann. 

Eine kleine chronologische Unmoglichkeit scheint vorzuliegen in der noch von 
Kdchel selbst herruhrenden Einordnung eines gleichfails unveroffentlichten Orcbester- 
menuetts (C-dur) als No. 25a. Mozart hat zwar schon in seiner dritten Symphonie (Es- 



x ) Aufgefallen ist mir bei K. 620 (Zauberflote) die Nichterw3hnung des vor einigen 
Jahren von G. R. Kruse entdeckten, bis dahin unbekannten Duetts (Tamino und Papa- 
geno), das als Musikbeilage zum 7. Heft der von R. Gen6e herausgegebenen Mitteilungen 
fur die Berliner Mozartgemeinde (1899) erstmalig im Klavierauszuge von Dr. A. Kopfer- 
mann verSffentlicht worden ist. 

*) Zu diesem herrlichen Werke, das inzwischen durch die Meininger Hofkapelle all- 
gemeiner bekannt geworden ist, mochte ich bemerken, dass seine jetzige Gestalt zweifel- 
los nicht die ursprungliche sein kann. Man halt es na*mlich fur identisch mit der 1778 
in Paris komponierten „Sinfonie concertante*. Diese war aber nachweislich fur Flote, Oboe, 
Horn und Fagott geschrieben, wShrend das aufgefundene Werk Oboe (als erste Stimme), 
Klarinette, Horn und Fagott bat. Dieser auffallende Unterschied ist bis jetzt nicht hervor- 
gehoben worden, auch nicht in der 4. Auflage des „Jahn", und er kann nur so erklSrt 
werden: entweder handelt es sich um ein anderes Werk Mozarts, oder aber Mozart 
hat die Anderung vorgenommen, als er es „aus dem GedSchtnis" nach seiner Ruckkehr 
von Paris wieder aufsetzte. Vergl. hierzu seinen Brief vom 3. Oktober 1778, wo er be- 
richtet, dass er die drei Symphonieen und die „Sinfonie concertante" an Le Gros ver- 
kauft habe und die Absicht ausspricht, diese Werke, deren Manuskripte er weggegeben 
hatte, spSter wieder aufzuschreiben. 



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61 
BESPRECHUNGEN (BOCHER) 



dur K. 18) aus dem Jahre 1764 zwei Klarinetten (mit zwei Hornern und Fagott) ange- 
wendet, das voile Blaserchor (also mit Floten, Oboen, Klarinetten usw.) der Wiener Zeit 
aber sicher nicht vor 1778, namlich in den Pariser Orchesterwerken. Die Veroffent- 
lichung des kleinen Stuckes wurde hier sofort Klarheit bringen, da alle die spEteren TUnze 
mit vollem Orcbester sicta durch grosse Reife der Melodiebildungen auszeicbnen. 

Die Echtheit der durch ein Autograph nicht belegten F-dur Symphonie K. 98 kann 
wohl mit Recht angezweifelt werden. Selbst fur die Zeit urn 1770 findet sich bei Mozart 
nichts, was auch nur annShernd so sehr den Stempel der Durftigkeit in der Erfindung 
und Ungeschicklichkeit in der Ausfuhrung und Instrumentierung an sich trSgt, wie diese 
Symphonie. Man braucht nur die Nachbarwerke derselben Gattung (K. 96 und 97) an- 
zusehen, urn sofort den ganz bedeutenden Unterschied zugunsten der letzteren zu er- 
kennen. Von der Anfuhrung einiger weiterer kleiner Berichtigungen und Bemerkungen, 
die ich mir noch notiert habe, soil hier abgesehen werden. Was die in den letzten Jahr- 
zehnten entstandenen zahllosen Bearbeitungen Mozartscher Werke anbetrifft, so hat der 
Herausgeber von ihrer Aufz2hlung Abstand genommen, um den Umfang des Werkes, der 
jetzt schon um 125 Druckseiten gewachsen ist, nicht ins Ungemessene zu steigern. 

Eine berechtigte Ausnahme aber macht die mit so allseitigem Beifall aufgenommene 
1901 veroffentlichte Alois Schmittsche Bearbeitung der grossen c-moll Messe (K. 427), 
indem fast das ganze Vorwort zur neuen Partitur zum Abdruck gekommen ist. (Vgl. 
den Aufsatz zur MessenergSnzung in diesem Hefte.) Alles in allem darf die Neuauflage 
des „K6chel a als eine durcbaus gelungene und dem heutigen Stande der Forschung in 
weitgehender Weise entsprecbende bezeichnet werden um so mehr, wenn man die oft 
unubersteiglicben Schwierigkeiten bedenkt, die der Auffindung und Aufschliessung der 
zahllosen weit zerstreuten Quellen entgegenstehen, aus denen bei solchen Arbeiten ge- 
schdpft werden muss. 1 ) Die Ausstattung des Buches ist die bei Breitkopf & Hftrtel 
gewohnte sorgfaltige und geschmackvolle, und es steht zu hoffen, dass bei der jetzt in 
so erfreulichem Aufschwung begriffenen Mozartpflege bald jede grossere Musikbibliothek 
im Besitze des neuen w K6chel" sein wird. Ernst Lewicki 

42. W. A. Mozarts Leben nach Originalquellen beschrieben von Franz Niemet- 
schek. Verlag: J. Taussig, Prag. 

Das vorliegende Werk ist ein Faksimiledruck der ersten Ausgabe (1798) mit den 
Lesarten und Zusatzen der zweiten vom Jahre 1808. Also keine Gelegenheitsschrift zu 
des Meisters 150. Geburtstage, sondern eine getreue Wiederholung der ersten quellen- 
missigen, oft zitierten Biographie Mozarts, von der sich nur eine geringe Anzahl Exem- 
plare erhalten hat. Otto Jahn urteilte Goer diese enthusiastische Schrift: M Was dieser 
vortreffiiche, wohl unterrichtete und Mozart aufrichtig ergebene Mann berichtet, ist iu- 
verlfissig und wahr." Dem hubsch ausgestatteten Neudruck gab Dr. Ernst Rychnovsky 
ein Geleitwort, das uns fiber den Verfasser Aufschluss gibt, der das Gluck gehabt hatte, 
Mozart personlich kennen zu lernen, und unter dem Eindruck der Prager Mozartbegeiste- 



l ) Fur die Neuauflage erwahnt das Vorwort als Quellen: 1. das Handexemplar 
Kochels; 2. den 1889 erschienenen Nachtrag zum Verzeichnis; 3. die Gesamtausgabe mit 
den zugehorigen Revisionsberichten; 4. die dritte Auflage der Jahnschen Bibliographie; 
5. die „Mozartiana" von Nottebohm (1880). Ferner wurden Beitrdge benutzt der Herren 
W. Barclay Squire (London); Joh. Ev. Engl (Salzburg); Dr. A. Kopfermann (Berlin); 
Ch. Malherbe (Paris) und E. Lewicki (Dresden). Es ist wohl anzunehmen, dass noch 
mancher musikalische Forscher und Sammler etwas Neues h&tte beisteuern konnen, 
wenn ihm eine Aufforderung zugegangen ware oder er sich nach Bekanntwerden des 
Planes einer Neuauflage selbst an den Herausgeber gewandt hStte. 



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62 
DIE MUSIK V. 7. 



rung seine Biographie niederschrieb. Moge das verdienstvolle Buch bei seinem dritten 
Gang die Gunst der Leser erneut gewinnen. 

43. Carola Belmonte: Die Frauen im Leben Mozarts. Verlag: Gebr. Reicbel, 

Augsburg. 
Gerade recht zum Mozart-Gedenktag kommt ein wurdig ausgestattetes Buch von 
Carola Belmonte. Alle Beziehungen Mozarts zu den Frauen: Mutter, Schwester, Gattin, 
und alle Frauen, die je ihm nahegestanden, werden hier in klarer Weise auf Grund 
eindringender Quellenforschung anscbaulich geschildert. Zahlreiche Bilder und Faksimiles 
tragen zum Verstandnis und zur Erganzung des Buches bei. Richard Wanderer 

MUSIKALIEN 

44. W. A. Mozarts Werke. Gesamtausgabe. Serie XXIV (Supplement) No. 62. 

Funf Divertimenti fur zwei Klarinetten und Fagott. Herausgegeben in 
Partitur von Ernst Lewicki. Verlag: Breitkopf & H2rtel, Leipzig. 1905. 
Als Vorlage fur die Herausgabe der vorliegenden Divertimenti zu je funf Satzen 
diente eine vergrifFene alte Saminlung von Harmoniemusik, die der Herausgeber vor 
einigen Jahren im Archiv der Hofmusikalienhandlung von C. A. Klemm in Dresden vor- 
fand. Der Titel lautet: „Trois Serenades pour deux Clarinettes, deux Cors et Basson, 
composers par W. A. Mozart, Livre I et II, Bonn chez N. Simrock, Verl. No. 926"; sie 
werden schon von Ottojahn unter den nicht beglaubigten Kompositionen fur Harmonie- 
musik erwahnt (I. Aufi. Bd. IV, S. 117, Anm. 18). Die letzte dieser sechs Serenaden besteht 
aus funf wohl kaum von Mozart selbst arrangierten Arien aus „Figaro" und „Don Juan", 
wahrend die funf anderen sehr reizvolle Originalkompositionen sind, die spacer durch 
fehlerhaftes, ungeschicktes und dazu uberflussiges Hinzusetzen von zwei Hornern 
stark entstellt und ziemlich unbrauchbar geworden waren. Da es bis jetzt nicht ge- 
lungen ist, die Handschrift Mozarts oder sonst einen authentischen Nachweis uber die 
Entstehung dieser Stucke aufzufinden, so konnen vorerst nur die Grunde angegeben 
werden, welcbe die Autorschaft Mozarts wahrscheinlich machen. 

Was zunachst die inneren Grunde anlangt, so sprechen die in meisterhaft drei- 
stimmigem Satze (wie ihn Mozart in seiner Wiener Periode schrieb) gehaltenen Stucke 
mit ihrer ebenso bluhenden wie originellen Mozart-Melodik sowie ihrer so ganz auf den 
Charakter der drei Blasinstrumente berechneten Klangwirkung (die praktisch erprobt ist), 
so entschieden fur Mozarts Autorschaft, dass die sehr schatzbaren Beurteilungen von 
vier namhaften Mozartkennern: Richard Muhlfeld, Ernst Naumann, Carl Reinecke und 
Alois Schmitt fur die Echtheit der Divertimenti durchgehends gunstig lauteten. Prof. 
E. Naumann hat s. Z. zuerst die Authentizitat der beiden Hornstimmen, die vSllig un- 
mozartisch und hochst ungeschickt, ja oft geradezu fehlerhaft zugesetzt sind, angezweifelt 
und in einer nach der Vorlage hergestellten Partitur die notigen Anderungen und Ver- 
besserungen eingetragen, wodurch diese Stimmen wenigstens brauchbar geworden sind. 
Sparer hat er sich mit dem Herausgeber dahin geeinigt, dass es richtiger sei, die Horner 
ganz zu streichen, da sie offenbar iiberflussig und dem an sich schon ungemein vollen 
Zusammenklang der drei Holzblaser eher schaden wie nutzen durften. Die Klangwirkung 
der dreistimmigen Fassung ist von Musikdirektor R. Muhlfeld (Meiningen) prak- 
tisch gepruft und fur gut befunden worden, ebenso hatte der Herausgeber Gelegenheit, 
die Stucke in einem Kreise von musikkundigen Freunden blasen zu horen und sich 
ebenfalls von der vorzuglichen Klangwirkung zu uberzeugen, die der von Mozarts 
ubrigen Klarinettenkompositionen durchaus entspricht. 

Den musikalischen Gehalt der hochstwahrscheinlich fur den v. jaquinschen 



J::;i ".i/.OV* 



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63 

BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN) 



Freundeskreis in Wien geschriebenen Stucke betreffend, so flnden sich, was aucta E. Nau- 
mann bestatigt hat, darin zahlreiche melodische, barmonische und kontrapunktische Fein- 
beiten vor, wie sie in der Zeit nach 1782 bei Mozart h2uflg vorkommen und wie sie ein 
blosser Nachahmer Mozarts niemals zustande gebracht bStte. So zeigen die zum Teil 
weit ausgefiihrten Schlussrondos von 1—4 viele echt Mozartsche Einfalle, wie man sie 
in Nachbildungen nirgends findet. Die Ursprunglicbkeit und Frische der Melodieen tritt 
bier ebenso wie in mehreren der Menuett-Trios besonders hervor. 1 ) 

Sehr auffallend ist ferner die grosse innere Verwandtschaft der langsamen Satze 
mit den ebenfalls fur den obengenannten Kreis komponierten scbonen Gesangsterzetten 
(Kanzonetten) mit Begleitung von Klarinetten und Bassetthornern (K. V. 436—439 und 
549), sowie mit den erst vor einigen Jataren veroffentlichten zwolf kleinen, aber weit 
weniger bedeutenden Bassetthornduetten (Serie XXIV No. 58). Als Entstehungszeit fur 
die Divertimenti konnen die Jahre 1783—1785 angenommen werden, und zwar durfte die 
erstgenannte Jabreszabl die wabrscheinlichere sein, da im eigenen thematischen Katalog 
Mozarts (begonnen am 9. Februar 1783) nichts von den Stucken erwahnt wird. Obrigens 
sollen auch die genannten Terzette K. V. 436—439 nach Kocbel im Jahre 1783 ent- 
standen sein. 

Was die Susseren Griinde anbetrifft, die man zugunsten der Echtheit heranziehen 
kann, so ist zunSchst darauf hinzuweisen, dass schon sehr fruhzeitig Auszuge aus diesen 
Divertimenti in der Form von Streichtrios gedruckt worden sind, was bei Nachahmungen 
wohl kaum vorkommen durfte. So verdankt der Herausgeber Herrn Dr. Bornemann in 
Eisenach den Nachweis, dass Artaria & Co. in Wien (etwa um 1810) drei Streichtrios 
unter dem Titel „Drei Terzetti facili" fur zwei Violinen und Violoncell (C, D und F-dur; 
veroffentlicht haben, die aus Satzen der vorliegenden Divertimenti zusammengestellt und 
neuerdings bei C. F. Schmidt in Heilbronn herausgekommen sind. Auch bei Andre 
(Offenbach) sind diese Streichtrios erschienen. Ferner zitiert Kochel (Ann. 229j vier Satze 
„Petites pieces pour deux cors de Bassette et Basson par W. A. Mozart Livre I" (Breit- 
kopf & Hartel), die dem Herausgeber vorlagen und bis auf den vierten Satz, der offenbar 
gefalscht ist und stark gegen die anderen drei abfallt, dieselbe Herkunft haben wie die 
Trios bei Artaria und Schmidt. 

Schliesslich ist nicht unwichtig, dass auch die ursprungliche dreistimmige Fassung 
der Divertimenti (also ohne die Horner) bereits im alten Hofmeister- Katalog auf- 
gefuhrt wird, wie der Herausgeber nachtraglich in Erfahrung brachte. 

Die Serie XXIV der Gesamtausgabe, die bekanntlich auch unbeglaubigte Werke 
enthalt, konnte die vorliegende Sammlung um so eher aufnehmen, als es sich dabei um 
wertvolle, auch heute noch ansprechende Musik handelt und von Mozart ausser den 
vorliegenden keine weiteren Harmoniemusiken mit fuhrender Klarinette bekannt sind. 
Zweifellos werden die Blaser unsrer guten Orchester und Tonkunstlervereine gern ge- 
legentlich das eine oder andere dieser reizvollen Stucke zur Auffiibrung bringen, ebenso 
wie sie ein willkommenes Studienmaterial fur die Musikschulen abgeben durften. Um 



] ) Die diesem Heft in einer notengetreuen Ubertragung fur Klarinette (Violine) 
und Klavier beigegebenen Proben sind geeignet, den liebenswurdigen Charakter dieser 
leichten aber feinen Musik zu veranschaulichen, wenn auch der eigentliche Klangreiz 
in der vorliegenden Fassung verloren geht. Dass die Stucke alle in B-Tonarten stehen, 
liegt daran, dass sie durchgehends fur B-Klarinetten geschrieben sind. Besonders sei 
auf das b-moll Trio des mitgeteilten Menuetts hingewiesen, das in seiner Originalitat und 
Schwermut ganz und gar dem innersten Wesen Mozarts entspricht, der bekanntlich nicht 
immer nur graziose und lustige Musik gemacht hat. 



J::;i ".i/.OV* 



(" r\< \n}{* Original from 

v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



04 
DIE MUSIK V, 7. 



ale abet aach den weiteren Krelaea dor Matikfreunde zugfatglicb in machen, beabatchtlgeii 
die Verleger, cine ObertnpuiE fflr Violin*, Brettctae and Violence!) zu TcrOffeotlichcn, 

Emit Lewicki 
45. W. A* Mozart: Trio In E*-dur ffir Pianoforte, Violino and Vloloncell (VioU 

odor Horn) nach doin Qtilntott f&r Horn and StrdcbJnatmmome, Work 407, 

bearbeftet too Emtt Ntamini — Koniert In D-d or Br Honi, Vert 412. 

Aasgabe fir Viola fibertngtn von Gaeton March ct, Klarierbegleltung von 

H. Kllng, Verlag: Brvitfcopf ft Hlrtel, Lelpilg. 
Wenogleich daa dreliltzige, eehr friiche and teflllfte Qalntett Moierta fSr Mora 
and Streichinatrumente an Wort dom bektnntcn Klarinettonqaintntt nicbt gloicbkommt, 
to wird oa docb la dor vorllegenden tre&lichen Bearbettang Ton Naamana, dio obonao 
vie daa Brahmiacbe Horn trio la dreilacber Gestalt gcaplelt werden burn, rich vfele 
Freundo erworben. Der Bearbeiter bat die Hornetfmnie geaaa beibehalten, reap. fSr Viola 
oder Vloloncell libertragen. Die Faeiung Kr Klavier, Violino and Viola kommt dem 
entachlcde* vorhandenea BedQrfoia nacfa derartigan Trloe eatgegcn. — Bratschieton 
verden aach com *a dor Obartregang dot Moitrttebon Hornkonxerti ejeifen and 
nar bodaaern, daaa dietea nar aaa iwel SItzen beetebt; euch die Bbrigen Horn- 
kouzette Mozarta d&rften, ao tebr lie aach aaf dleaea damala nocta nicht alio Ttoe her- 
gebende Internment zagaechnltten alnd, far Bratecbe aich gut dgaetw Die eorgflltige 
Bezclcfannng der TOriiegtnden Obertragang aoi faeiondor* berrorgeboben. 

WUbelm Altmann 




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MUSIKALISCHES WOCHENBLATT (Leipzig) 1905, No. 32-42. - „Zum Kapitel 
Opernregie" verlangt E. Hohlfeld Lebenswahrheit neben Klarheit der Handlung 
und musikalische Regisseure. Mit Bach befasst sich der Artikel w Quoniam tu 
solus sanctus" von E. Liepe, mit Schubart „Aus dem Leben eines Dichtermusikers" 
von E. Segnitz, mit Wagner die Artikel „Goethe und R. Wagner" von Max 
Morold, „R. Wagners Gedictate* von E. Kloss und „Ein Blick in die Geistes- 
werkstatt Richard Wagners". 

KUNSTWART (Leipzig) 1906, No. 1 und 2. — Felix Weingartner analysiert „Die 
erste Ouverture zu Cornelius ,Barbier von Bagdad' "; er vergleicht ihren Schluss- 
effekt mit dem Schluss von Berlioz* „Benvenuto Cellini* -Ouverture und nennt sie 
w ein Meisterstuck, eine der besten heiteren Opernouverturen, die uberhaupt ge- 
schrieben worden sind." — „Musikalisch" uberschreibt Richard Batka eine geist- 
volle Plauderei, in der er sagt, blosse Feinhdrigkeit bedinge noch kein wahrhaft 
musikalisches Talent, und den vieldeutigen Begriff „Musikalisch" deflniert er als „eine 
seelische Disposition; eine besondere Art der Phantasie, die sich gerade im Reich 
der Tonwelt bewahrt." 

RIVISTA D'lTALIA (Rom) 1905, No. 9. — Die Abhandlung „L'infinito nella musica* 
von L. A. Villanis geht von Schellings Transzendentalphilosophie aus und beruht 
zum grossen Teil auf Gedanken der Schillerschen Asthetik, trSgt daher auch viel 
deutsche FSrbung an sich. 

NUOVA ANTOLOGIA (Rom) 1905, No. 810. — Die „Rassegna musicale" des Heftes 
behandelt die Kirchenmusikkongresse in Rom und in Strassburg, die Haltung des 
Papstes gegenuber der Reform der Kirchenmusik und den Tod Francesco Tamagno's. 

THE NINETENTH CENTURY (London) 1905, No. 344. - Frederick Verneys 
Artikel „A municipal concert hall for London" enthSlt eine gl&nzende Schilderung 
des musikalischen Lebens in London und davon ausgehend eine schone Obersicht 
uber die dortigen sozialen VerhSltnisse. 

SUDDEUTSCHE MONATSHEFTE (M One hen) 1905, No. 9-10. - HansPfitzner 
wendet sich in einem w Buhnentradition" betitelten Artikel gegen die Schlamperei 
in musikalischen Dingen. Er fordert auf zur Verbesserung der bestehenden Miss- 
briuche und tut die Zerruttung der ZustSnde sehr schon an dem Adagio im Anfang 
der w Freischutz a -Ouverture als Beispiel dar. 

KORRESPONDENZBLATT DES EVANGELISCHEN KIRCHENGESANG- 
VEREINS FUR DEUTSCHLAND (Leipzig) 1905, No. 11. - Karl Schmidts 
Artikel „Was sollen wir singen?" entbait eine Zusammenstellung guter geistlicher 
Musikliteratur. 

SIGNALE FUR DIE MUSIKALISCHE WELT (Leipzig) 1905, No. 59-62. - 
Paul de Stoecklins Studien „Franzosisches Musikleben" behandeln in ihrer Fort- 
setzung „Die franzosische Musik, ihre Etappen und Namen" und bieten einen 
glucklich gruppierten Oberblick uber die historische Entwicklung der franzosischen 
V. 7. 5 



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66 
DIE MUSIK V. 7. 



Musik und ihre bedeutendsten Vertreter. Eugen Schmitz behandelt das Thetna 
„Volkstumliche Musikauffuhrungen" und betont den Wert der dffentlicben Konzerte 
zur Popularisierung klassischer Musik. „Rudolf Louis' symphonische Pbantasie 
,Proteus <a wird von Detlef Schultz besprochen; obne den Eigenwert des Werkes 
zu schmaiern, betont der Verfasser dessen Anknupfung an Wagner, Liszt und 
Bruckner und lobt ebenso sehr Louis' arcbitektonische Kunst wie dessen geist- 
volle programmatische Gestaltung. 

NEUE MUSIKZEITUNG (Stuttgart-Wien) 1906, No. 3. — Ober ^Richard Wagner 
und Otto Wesendonk* berichtet Erich Kloss auf Grund der neuen Goltherschen 
Veroffentlichung. „Max Regers Sinfonietta" wird von Ludwig Riemann analysiert. 
Ober „Die Hammerklaviere" handelt eine Studie von A. Pfeiffer; ein Gedenk- 
artikel von Walter Domansky („Friedrich Curschmann und seine Rose*) knupft an 
den 100. Geburtstag des SSngers Curschmann an; „Der Choral" erfahrt eine grund- 
liche theoretische Besprechung durch M. Koch; ^Siegfried Wagners ,Bruder 
Lustig"* wird von Ferdinand Pfohl ausfuhrlich gewurdigt. 

NEUE MUSIKALISCHE PRESSE (Leipzig) 1905, No. 20. - Das Heft enthait die 
Fortsetzung des Artikels „Die Quintenspirale" von Hans Schmidkunz. 

KISSINGER SAALE-ZEITUNG 1905, No. 249. - Der Artikel .Baldurs Tod in 
Dusseldorf" verbreitet sich ausfuhrlich fiber Wesen und Wert des Kistlerschen 
Musikdramas. 

NEUE FREIE PRESSE (Wien) 1905, No. 14810. — Hugo Wittmanns Aufsatz 
Jacques Offenbach* entrollt ein vortreffliches Bild der Personlichkeit dieses 
„Meisters des musikalischen Frohsinns und Ubermutes, aber auch der musika- 
lischen Liederlicbkeit". 

DAS HARMONIUM (Leipzig) 1905, No. 11. — Die Betrachtung „Was lehrt der 
III. Kunsterziehungstag a von Walter Luckhoff kommt zu dem Ergebnis, wir 
mussten stets dessen eingedenk sein, dass die Kunst dem Leben dienen musse. 
Eine Satire von Ernst Ludwig Schellenberg betitelt sich „Ein Konzert" und ent- 
hait in geistvoll-spottischem Gewand eine Menge bitterer Wahrheiten. 

MONATSSCHRIFT FUR GOTTESDIENST UND KIRCHLICHE KUNST 
(Gottingen) 1905, No. 10. — Gustav Beckmann widmet ^Robert Radecke" ein 
Gedenkblatt zum 75. Geburtstag. Der am 31. Oktober 1830 in Dittmannsdorf in 
Schlesien Geborene entfaltete namentlich in den funfziger Jahren als koniglicher 
Kapellmeister in Berlin eine umfassende Tatigkeit; er hat z. B. zuerst Wagners 
Werke in den Konzertsaal eingefuhrt und als Direktor des „Instituts fur Kirchen- 
musik a dieses reorganisiert. 

ALLGEMEINE MUSIKZEITUNG (Charlottenburg) 1905, No. 43/44. - Eine 
schone Studie ist Paul Cohns „Gebeimnis der Musik". Indem der Verfasser die 
geheimnisvollen Beziehungen der Tonwelt zum Seelenleben erl&utert, kommt er 
zu dem Schlussergebnis: „Musik ist Psychologie in Tonen. Wo keine Seele ist, 
kann keine Seele widerklingen. Geniessen Oder Nichtgeniessen — beides ist ein 
Bekenntnis." — In seiner Abhandlung „Die Eigenart des Beethovenschen Kunst- 
werkes" entwickelt Fritz Vol bach, von Schillers Unterscheidung zwischen naiv 
und sentimentalisch ausgehend, die sentimentalische Natur Beethovens und 
bespricht dessen an Clementi und Haydn anknupfende Klavierwerke. 



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NEUE OPERN 

Sandra Blumenthalt ^Sulemhh", elite iwelakttge Oper, deren Text sum 
troinn Tell wtirtHcb tut dem Hob on Liede Salomonla entnommen let, 
wnrde Tom Nfirnberger Stadttbeater fttr die nlchete Saleon erwoiben; der 
Komponiat lit ItaUener und bet seine mtttikalieche Erziebung in Dentach- 
land genottea, 

Silvio Goto: ..Toiii*, else einefctige Oper, Text nacb HeinricheT. Kleitt Navelle 
»Die Veriobung Id Sen Domingo*, bet den Prele der Grammophon-Geaeli- 
tcbift daTongetngen. 

Joan Hanini »Akt£*, eine TlertkUge Oper dee spaniecben Vlollnvtrtuoaen, itt 
Ten der GeneraUntendaiiz der Dreadener Hofoper xnr Urauffflbrang 
angenommon mrdon. 

AUS DEM OPERNREPERTOIRE 

Mtinehen: Die Setnmerfeetepiele 1906 warden id nachatebender Veiee atett* 
linden: Vom 2, bit 12. Auguet flnden aetbe Mozart-Feetvoratellungen im 
ReeLdenztbeater etatt, vom 13. Auguat ble 7. September 16 FeatanffGbningen 
Wagneracher Werke im Prinzregententbeater and xwar f&nfrnal die B Meiet*r- 
ainger", dreimal »Tennbluaer" and xwelmal der »Ring dee Nlbelungen*. 

KONZERTE 

Berlin; Die Mnaikaliache Geaellecbaft, Mher n&ter Leitung von Vilhelm 
Berger, letxtgpr Diligent Kapellmeister Ed. Levy, bat Ibre dleawtaterlJcben 
Obungpn wleder aulkeflommen. Dm fiflbntlicbe Konzert dleaer Sataon findet 
am 12. Febniar In der Slngakademie atatt unter Mitwirkung namhaAer 
SoUaten, 

Easem Gnetav Mahlera neueate Symphonic {No. 6) aoll euf der Tonkflnitler- 
veratumnlung dee Allgem Deutaoben Mueikvereina lbre UrauH&brnng 
erloben* 

LQbcok: In einem Bacb gewldmeteo geiatlicben Konxert der Vereiuigiuig fflr 
klrchlicbeii Cbergeeaag (Leitung; K, Licbtwark) in der St* Marleuklrche 
wnrde daa Orgelfconzert In a-moll gesptelt and xwar auf der Orgel im nfad- 
lichen Nebenachlff der Klrcbe (Totentanxlcepelle). Dleaea gut erbaltene Werk 
Ton 35 kllngenden Sdmmen xolgtnocb don Z net and der Orgelbaufcanet 
in Bacb a Zeiten. Sic wird von Ihm wibrend aeinea bieelgea Aufonthaltee 
bei Dietrich Bnxtebnde bluflg geapielt warden aein and erecbeint wohl 
goelgnet, eln BLld von der orlginalen Klangwirkting Bacbacber Orgel* 
kompoaltloaen, beaondere In ibrem Vecbaalapie] zwiscben „Hatiptwerfc* und 
„RiiekpoaitiT* xu gebeu* 

Wancttau: E. N, t. Re in leek -Berlin tat car Leitung Ton aeebs Pbllhar- 
monlecben Konxert en verpflicbtet worden. 

Zwiekam Der rierte Abend dea Zyklne btatoriacher Orgelrortrlge von 
Panl Gerhardi In der Martenkircbe umtoate lediglicb Kompoaitfonen der 

5* 



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68 
DIE MUSIK V. 7. 



Familie Bach, und zwar solche von Jotaann Heinrich, Johann Christoph, 
Johann Michael, Johann Bernhard und Johann Sebastian. 

TAGESCHRONIK 

Waldemar von Baussnern hat soeben die neugeschaffene Partitur der 
Gunlod, der in einem Skizzenfragment hinterlassenen dreiaktigen Oper von 
Peter Cornelius, vollendet. Durch Simrocks Edda-Obertragung machtig beruhrt, 
schuf Cornelius die Gunlod-Dichtung von 1866—1867. Von 1869 bis zu seinem 
Todesjahre 1874 arbeitete er mit grossen Unterbrechungen an den Klavierskizzen 
zur Gunlod, doch blieb mehr als ein Drittel der Dichtung unkomponiert. Nach 
dem Tode des Dichterkomponisten erhielt Hoflfbauer, ein fruherer Schuler des 
Meisters, den Auftrag, nach den Skizzen eine Partitur herzustellen. Doch leider 
erwiesen sich seine und die von Lassen spater vorgenommenen Bearbeitungen 
in technischer und stilistischer Beziehung als unzuianglicb. Felix Mottl richtete 
einzelne Stucke der Gunlod fur den Konzertgebrauch ein, und Max Hasse gab 
1894 im Auftrage der inzwischen verstorbenen Frau Professor Cornelius bei Breit- 
kopf & HSrtel einen Abdruck des Skizzenfragments heraus. Im Fruhjahr 1904 
wurde von Baussnern von der Familie Cornelius und Breitkopf & HSrtel beauf- 
tragt, fur die Gesamtausgabe der Werke von Peter Cornelius die Gunlod vollig 
unabhSngig von alien bisherigen Bearbeitungen lediglich auf Grundlage des 
Skizzenfragments zu erganzen und zu instrumentieren, und in dieser Neugestaltung 
hat Direktor Max Martersteig (Koln) das Werk zur Urauffuhrung noch fur diese 
Saison angenommen. 

Dr. Hermann Stephani in Sonderburg wurde zum Dirigenten des Flens- 
burger Lehrergesangvereins berufen. 

Als Gesanglehrer an den stSdtischen Schulen in Aarau wurde Musikdirektor 
Emil A. Hoffmann in Aarau gewahlt. 

Kapellmeister Leo Blech in Prag erhielt das Ritterkreuz des Ordens der 
Kgl. RumSnischen Krone. 

Ehrenchormeister Adolf Kirchl in Wien wurde vom Kaiser von Osterreich 
durch das goldene Verdienstkreuz mit der Krone ausgezeichnet. 

Dem Kgl. Musikdirektor Paul Blum en thai in Frankfurt a. O. ist der Titel 
Professor verliehen worden. 

Auf dem Grabe des Komponisten Franz Koenen (1826-1904) in Leyden 
wurde ein Denkmal enthullt. 

TOTENSCHAU 

Im Alter von 87 Jahren + in Dusseldorf der fruhere Opernsanger Franz 
Becker, der, im Jahre 1819 in Mannheim geboren, in langjahriger TStigkeit an 
ersten deutschen Buhnen (Mannheim, Hamburg, Leipzig, Wiesbaden, Breslau, 
Dusseldorf) als Bariton und nachher als Bassbuffo tatig war- 

Hofopernsanger Max Zottmayer, ein geburtiger Wiener, f in Kassel, 
72 Jahre alt. Er gehorte von 1865—1890 der Kasseler Hofbuhne an und war ein 
sehr beliebter Heldentenor. 

Im Alter von 66 Jahren f der Konzertmeister am Stadttheater in Strassburg 
Joseph Hugel. 

In Koln f am 12. November Sophie Haase-Bosse, KonzertsSngerin und 
Gesanglehrerin am Konservatorium. 



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OPER 

BERLIN: Konigliches Opernbaus: Gastspiele. Den Tristan von einem Herrn 
dargestellt zu sehen, der als Lyonel odcr als Troubadour eine ganz passable Figur 
macben wurde, das ist ein scbmerzhafter Anblick. Die Generalintendanz hat uns den 
Anblick nicbt erspart, als sie den fur Wiesbaden ausersebenen Philipp Broz&l vom 
Mainzer Stadttheater in Berlin den Tristan spielen liess. Wie gesagt: es ist mdglich, 
dass Herr Brozdl bei Flotow oder Verdi in alien Ebren bestebt. Ricbard Wagner aber 
ist nichts fur einen oft schonen, nie aber cbarakteristischen Gesang und eine Botel nur 
urn Geringes uberragende Darstellungskunst. Neben ihm gastierte Frau Leffler- 
Burckard als Isolde. Das machte wieder alles gut. Gesangsmeister behaupten, 
bisweilen kSmen bei Frau Leffler-Burckard einige Tone der Mittellage flach und klanglos 
heraus. Sie mogen recht haben. Aber es scheint mir eitel Beckmesserei, angesichts 
einer herrlichen Gesamtleistung solcbe Kleinigkeiten allzu borbar anzukreiden. Wftre 
Frau Leffler-Burckard nicbt das Buhnentemperament, das sie ist, ginge sie nicht so ganz 
auf in der dramatischen Situation, so konnte sie gewiss auch den strengsten Gesangs- 
meistern zu Dank singen. Seien wir indessen frob, dass sie weniger an ihre Stimme 
als ihre kunstlerische Aufgabe denkt. — Das Gegenbeispiel zu dieser Art der Sdngerin 
konnte man wenige Tage darauf, gleichfalls im Opernhaus, in aller Musse studieren. 
Frau Charles Cahier aus New-York trat als Dalila auf. Das war nun etwas fur die 
Formalisten. Der Beweis wurde wieder einmal erbracht, dass auch eine halb schon ver- 
sungene Stimme bei einer sorgfaltigen Behandlung immer noch etwas annehmbares her- 
gibt. Die sorgfiltige Behandlung verlangt allerdings die Vermeidung jeglicher Aufregung. 
Einem Camille Saint-SaSns gegenuber ist diese Forderung ja leicht zu erfullen, und so 
hatte denn Frau Cahier, die aus Amerika kommt, aus Frankreich stammt und ausserdem 
herrliche Toiletten trSgt, auch ihren Berliner Erfolg. Willy Pastor 

BREMEN: Mit einer dreiaktigen Oper Zenobia hat der Amerikaner Louis A. Coerne 
einen starken Susseren Erfolg bei der Urauffubrung im hiesigen Stadttheater 
unter Leitung unseres tucbtigen Kapellmeisters Egon Pollak errungen. Sein Werk hat 
einen kosmopolitischen und eklektischen Cbarakter und sein Erfolg ist mehr der gl&nzenden 
ausseren Aufmachung des farbenprichtigen antiken Stoffes mit seinen Kriegeraufzugen, 
Priesterchoren und Jungfrauenballets zuzuscbreiben, als der inneren dramatischen Kon- 
sequenz und der reichen Psychologie der Cbaraktere, mehr der glanzvollen und effekt- 
reichen Instrumentation und dem sentimentalen Ausspinnen einiger nicht sehr in die Tiefe 
des seelischen Lebens dringender musikalischer Einf&Ile, als der wirklich fruchtbaren 
Ideenfulle und der Kraft der naturlichen dramatischen Steigerung derMusik. Immerhin, ein 
Erfolg im Geist der Goldmarkschen Kdnigin von Saba ist nicht in Abrede zu stellen. Der 
Text behandelt Zenobia, die stolze und heroische Kdnigin von Palmyra, jener beruhmten 
alten Oasenstadt, die ja auch den farbenprichtigen Hintergrund zu Wilbrandts poetischem 
Meister von Palmyra abgibt. Als nach der Unterwerfung Agyptens das palmyrenische 
Reich sogar dem weltbeherrschenden Rom gef&hrlich wurde, kam Kaiser Aurelian, 
besiegte Zenobia's Heer bet Amiotliia und zerstorte Palmyra (273 n. Chr.); Zenobia fuhrt 
er gefangen nach Rom. Oscar Stein, der Textdichter Coernes, lasst Zenobia sich 
selbst toten, als Aurelian ihren Kanzler Selenos (gescbichtlich Longinus) hinrichten ISsst. 



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70 
DIE MUSIK V. 7. 



Zenobia's unausgesprochene Liebe zu Selenos ist das dramatische Motiv, das aber un- 
fruchtbar bleibt, weil es eben erst in der Scblusszene in Aktion tritt. Die Partitur 
bringt im ersten Akt einen interessanten, archaistisch geftrbten Priesterchor, ferner den 
einzigen guten dramatischen Ansatz in einem die funf Charaktere fein differenzierenden 
Quintett, dann das Finale, ein effektvoll sentimentales Duett, das leider von einem 
dramatisch ganz unwichtigen Liebesp&rcben gesungen wird; in den folgenden Akten 
interessieren einige sich der zweiteiligen Form der alten Arie deutlicb nShernde, aber 
in der Melodik wenig vornehme Monologe Zenobia's und des Selenos. Das Streben, die 
melodisch gescblossene Form der alten Opernsitze mit dem musikdramatischen Prinzip 
des Rezitativs zu verschmelzen, scheitert wesentlich an der chromatischen Ruhelosigkeit 
der modernen und oft sprunghaften Modulierungssucht und an dem Mangel der musi- 
kalischen Hauptsache, die noch immer von Mozart bis Verdi ausschlaggebend war: der 
unerschopflich sprudelnden neuen und interessanten melodischen EinfSlle. Gelernt hat 
Coerne (als Schuler Rheinbergers in Munchen) genug. Jetzt muss er sich konzentrieren, 
sich auf seine personliche Eigenart besinnen, die er trotz allem zu haben scheint, und 
vor allem sollte er bedenken, dass den blendenden Effekten ohne tiefere psychologiscbe 
Begrundung die Herzen der Menschen sich bald verschliessen. 

Dr. Gerb. Hellmers 

DRESDEN: Den Hans Sachs sang unlingst zum ersten Male Herr Kiess, dessen 
kunstlerische Entwicklung in den wenigen Jahren seiner hiesigen Titigkeit sehr er- 
freulich zu beobachten war. Sein Schusterpoet war eine uberaus sympathische Figur und 
durfte sich neben dem beruhmten Hans Sachs Scheidemantels sehr wohl sehen und 
horen lassen. GSste gab's in reicher Zahl wahrend der letzten Berichtszeit; aber keiner 
von ihnen vermochte besonders zu interessieren. F. A. Geissler 

HAMBURG: GSste kommen und zum Gluck gehen sie auch immer bald wieder. Das 
sind die sogenannten w Ebrengaste", in Wirklicbkeit die NotnSgel, mit denen die 
einmal publizierten „Spielpline" zusammengehalten werden. Einer von ihnen war Herr 
Settekorn (Braunschweig), ein respektabler Aufhorer, der durch Buhnensicherheit und 
Intelligenz gut zu erganzen weiss, was ihm sonst abhanden gekommen ist und der dem- 
zufolge als „Hans Heiling tf recht gut abschnitt. Als NovitSt gab es, und zwar einmal 
hintereinander, Puccini's sogenanntes Musikdrama „Tosca". Das war gerade einmal zu 
viel fur ein Werk, dem man, nachdem Herr Puccini den groben Sardou noch mehr 
brutalisiert hat, kaum anders als mit einem empSrten w Pfui! a begegnen kann. Von wem 
unsere sonst doch vorsichtige Theaterleitung sich diesen schamlosen, durchaus un- 
kunstlerischen NachlSufer des Verismo aufreden liess, mogen die Cotter wissen. Die 
Musen hatten bei dieser traurigen Affare sicher die Hand nicht im Spiele. Die einmutige 
Entrustung der gesamten Kritik, die dieser schlechten Sache gegenuber gleichmassig Front 
machte, erstickte alle Wiederholungsgeluste von vornherein. Also kann die Kritik doch 
etwas erreichen, und an der Vernichtung dieses unsauberen Werkes energisch mitgewirkt 
zu haben, darauf darf sie stolz sein. So etwas brauchen wir wirklich nicht dem Drei- 
bundskollegen abzunehmen. Die Auffuhrung, von Stransky fleisstg eingeubt und effekt- 
voll ausgearbeitet, gelang ausgezeichnet. Eine Prachtleistung bot Frau Fraenkel-Claus 
in der Titelrolle. Heinrich Chevalley 

KOLN: Die im neuen Stadttheater erfolgte deutsche Urauffuhrung der vieraktigen 
grossen Oper w Messalina tt von Isidore de Lara ist zu einem Ereignis von 
weittragender, schoner Bedeutung geworden. Da haben wir, nach Text und Musik in 
harmonischer Stilechtheit, so einigermassen uberraschend ein Werk bekommen, das 
seinem ganzen Wesen nach urkraftig in die Opernproduktion unserer Tage eingreift, — 
als richtige „grosse Oper" ! Verfasser des recht guten Textbuchs sind Armand 



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71 
KRITIK: OPER 



Silvestre und Eug&ne Morand. Schauplatz ist das Rom des Kaisers Claudius. Ira 
Mittelpunkte steht dessen dirnenhafte, so grausame wie schone Frau Messalina. Der 
Hass gegen diese verbuhlte Despotin hat ein griechisches Brfiderpaar, den kfihnen 
StrassensSnger Hares und den vielgefeierten Gladiator Helion, nach Rom getrieben. Beide 
verfangen sich in Messalina's Liebesnetz und sterben als Opfer der kaiserlichen Hetire. 
De Lara zeigt sich als ein von vielgestaltiger, melodisch reizvoller Erfindungsgabe inspi- 
rierter, ungemein satz- und orchesterkundiger Illustrator des Milieus und der Begebnisse. 
Die von Otto Lohse meisterlich einstudierte und glanzend geleitete Auffuhrung erzielte 
mit Alice Guszalewicz und Clarence Whiten ill als ausgezeichneten Vertretern der 
Messalina und des Hares machtigen Eindruck. Paul Hiller 

KOPENHAGEN: Zu Anfang der Saison versuchte die KSnigl. Oper eine Vorfuhrung 
von Bizet* s w Djamileh a — ohne besonderes Glfick. Das kleine Werk interessierte 
nur als Vorstudie zu w Carmen", und die Auffuhrung war keine hervorragende. So ver- 
schwand w Djamileh M recht schnell wieder vom Repertoire. Nachher beberrschte das 
jihrliche Gastspiel unseres Tenors Herold den Spielplan und bracbte u. a. eine Wieder- 
aufnahme der w Traviata a . Die alte Oper ffillte durch eine sehr gute Auffuhrung (Herr 
Herold und namentlich Frau Ulrich) oftmals den Saal. Ein Gastspiel der tempera- 
mentvollen Maikki jarnefelt hatte wegen ihrer Indisposition keinen absoluten Erfolg. 

William Behrend 

LEIPZIG: Arthur Nikischs Neubelebungsversuch einer vom Furstl. Esterhazy'schen 
Kapellmeister Rudolf Raimann komponierten einaktigen Oper „Enoch Arden a 
hat wiederum — wie schon vor zehn Jahren die gleichfalls von Nikisch besorgte Urauf- 
fuhrung des Werkes in Budapest — nur einen gewissen Ruhrungserfolg erzielen konnen. 
Das tragische Problem der Tennysonschen Dichtung, das hier durch Herbeiziehen des 
Weihnachtsabends und eines personlichen Begegnens zwischen Annies beiden Gatten 
noch stark versentimentalisiert worden ist, griff fiber alle Ungeschicklichkeiten des Buches 
und fiber die erflndungsarme und stellenweise arg blechgepanzerte Komposition hinweg 
stark genug an die Herzen und Nerven der Zuhorer, um lebhafteren Beifall wenigstens 
ffir die sehr tfichtigen Leistungen des Herrn Schwarz (Enoch), der Frau Doenges 
(Annie) und des Herrn Urlus (Philipp) auszulosen. Arthur Smolian 

MANNHEIM: Von einigen unfruchtbar verlaufenen Gastspielen im Heldentenorfache 
hob sich ein zweimaliges Gastieren des italieniscben Tenors Bonci sehr vorteil- 
haft ab. Nach glucklicher Beendigung des ersten Ringzyklus unter KShlers trefflicher 
Leitung sieht man der Premiere von d'Alberts w Tiefland a entgegen. K. Eschmann 

MOSKAU: WShrend der Schreckenstage mussten die Opernauffuhrungen aufgehoben 
werden, doch wurden sie bald wieder aufgenommen. Zimins Privat-Oper hat im 
November drei Neueinstudierungen aufzuweisen : Rimsky- Korssakow's „Schnee- 
wittchen", Mascagni's „Amica a , Godard's „La Vivandi6re a , alles in sorgfaltig aus- 
gearbeiteter Inszenierung, gelungener Rollenbesetzung mit Ippolitow-Iwanow als 
Orchesterleiter. — Der Kfinstler-Verein Solodownikoff hat Franchetti's „Germania* 
in Szene gesetzt und fur den Dezember Gastspiele von Lina Cavalieri angemeldet. 

— Das Vol ks theater erweckt mit den Opernauffuhrungen Interesse fur Musik im Volke. 

— Die Privat-Oper M. M. Petrowa im „Aquarium a ist leider eingegangen. — Die 
kaiserliche Oper bietet keine Neueinstudierungen. E. von Tideboehl 

STUTTGART: Zum erstenmal hatten wir eine zweite „Ring"aufffihrung im Winter. 
Das Unternehmen ist um so dankenswerter, als wir zurzeit mit dem Heldentenor und 
der ersten dramatischen Singerin in Not sind. Herr Bolz hat gerade im Ring trotz 
aller anerkannten Vorzfige seine Unmdglichkeit erwiesen; seelische Resonanzen fehlen, 
und dazu Noblesse und Selbstbeherrschung im Spiel. Fur Frau Zink trat als Brfinnhilde 



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72 
DIE MUSIK V. 7. 



Frau Senger-Bettaque ein. Alberich im Rheingold sang Zador aus Munchen, im 
Siegfried Breitenfeld aus Frankfurt. Unsere Krafte, voran Frl. Wiborg und Herr 
Holm, vermochten sich mebr Oder weniger gut zu behaupten. Dera Wotan bringt Neu- 
ddrffer nur lyrische Baritonopfer. Poblig wurde jeden Abend aufs lebhafteste gefeiert. 
Lowenfelds Regie scheint Wagner gegenuber zu versagen; solcbe Werke verlangen mebr 
Ebrfurcbt. In Pohligs Abwesenheit dirigierte einmal der talentvolle Erich Band die 
Walkure. Der strichlose Lohengrin (Wagner wird nie zusammengestrichen) war eine gut 
vorbereitete und ira ganzen stimraungsvolle Vorstellung. Frau Bopp-Glaser setzte ihre 
Gastspiele fort. Der ^Fidelio" in der Jubil&umswoche fiel m&ssigaus; am schonsten war 
das Orchester unter Pohlig. Dr. Karl Grunsky 

KONZERT 

BERLIN: In seinem zweiten Konzert hat Siegfried Ochs Beethovens Missa Solemnis 
zur Auffuhrung gebracbt. Nicht nur der scharf disziplinierte Chor und das Orchester 
leisteten diesmal bewundernswertes, sondern auch das Soloquartett der Damen Herzog 
und Choinanus, der Herrn Reimers und Sistermans zeigte voile Sicherheit. — 
Weingartner hatte fur den vierten Symphonieabend nur Werke von Brahms an- 
gesetzt: die Serenade in A-dur (obne Violinen), das Doppelkonzert fur Violine und Cello 
und die c-moll-Symphonie. Dank der ausgezeichneten Leistung der beiden Solisten 
(Sebald und De chert) errang sich das Doppelkonzert einen sturmiscben Applaus. 
Der Dirigent, der fruher entschieden kein intimeres Verh&ltnis zur Brahmsschen Musik 
hatte, wfichst, je mebr er sich mit ihr besctaSftigt, immer tiefer in sie hinein; das war 
an diesem Abend ganz horbar zu spuren. — Hjalmar Borgstrom (Cbristiania) fuhrte 
mit dem philharmonischen Orchester vier symphonische Dichtungen auf: „John Gabriel 
Borkman" (nach Ibsen) „Hamlet", „Die Nacht der Toten" und Jesus in Gethsemane". 
Fur die mittleren beiden Stucke war die Mithilfe des Klaviers nStig, vor dem kein Ge- 
ringerer als Busoni sass. Sehr genau detaillierte Programme sagten dem Zuhorer, was 
die Musik bedeuten sollte, aber selbst mit ihrer Hilfe stand man der Musik, in der der 
Tamtam bisweilen eine Hauptrolle spielte, ratios gegenuber. Mir schien alles aus- 
nahmslos vdllig unreif, ja dilettantenhaft, und bei dem ganzen Unternehmen nur merk- 
wurdig, dass ein Kunstler wie Busoni dabei mitwirkte. E. E. Taubert 

Das funfte Philharmonische Konzert erofPnete Arthur Nikisch, der in dieser 
Saison noch mebr als sonst Novit&ten aus dem Wege zu gehen scheint, uberflussiger- 
weise mit der Freischutz-Ouverture; auch auf das Mendelssobnscbe Violinkonzert, das 
Karl Halir gediegen zum Vortrag brachte, hfttte man gern verzicbtet; verdienstvoll aber 
war die gelungene Wiedervorfuhrung der Lisztschen Faust-Symphonie (Schlusschor: der 
Lehrer-Gesang-Verein, Tenorsolo: Felix Senius). — Das zweite Orchester- Konzert 
der neu gegrundeten Char lot ten burger Musik-Gesellschaft fand vor leeren Binken 
statt, ein Beweis, dass jene Grundung kaum einem Bedurfnis entsprochen hat. Die 
Leitung hatte diesmal Wilhelm Reich. Er brachte die Oberon-Ouverture, das Tristan- 
Vorspiel und Beethovens Siebente zum Vortrag. Solist war der Geiger Carlo Sabatint 
(Wien), der mit Bruchs erstem Konzert (Dirigent Karl Zimmer) aufwartete. Die 
Leistungen des neuen Orchesters wollen wir erst unter die kritische Lupe nehmen, wenn 
es etwas alter geworden ist. — Temperamentvoll, fein durcbgearbeitet und tonschSn 
spielte das Damenstreichquartett Wie trow etz, Drews, Scbulz und Stoltz Schumanns 
A-dur Quartett und Brahms' G-dur Quintett (2. Bratsche Miss Langley). — Einen Brahms- 
Abend veranstaltete das Bohmische Streichquartett: ausser dem c-moll Quartett 
gelangte das Trio fur Klavier (Frau Haasters-Zinkeisen), Violine und Horn (Robert 



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73 
KRITIK: KONZERT 



Repky) und das Klarinetten-Quintett mit Meister Muhlfeld zur Auffiihrung. — Frau 
S^aenger-Sethe gab mit Moritz Mayer-Mahr einen Kammermusikabend: Beethovens 
(op. 12) Es-dur Sonate, Schuberts h-moll Rondo und Haydns F-dur Sonate wurden ge- 
boten; letztere ist nur ein Arrangement des Streictaquartetts op. 77 No. 2 (mit Weglassung 
des Scherzo). Susanne Dessoir steuerte die Weihnachtslieder von Cornelius bei. — 
Frederic Lamond gab mit seinen Triogenossen Alfred Wittenberg und Franz Borisch 
unter Zuziebung des Tenoristen Paul Reimers einen gelungenen Schubert-Abend. — 
Das Schubertsche Es-dur Trio hatten neben Beethovens erstem Trio auch die Herren 
Barth, Wirth und Hausmann auf dem Programm; dazwischen spielte der Violoncellist 
mit Herrn Barth die zweite Sonate von Brahms, jedoch nur in den beiden letzten Satzer. 
einwandfrei. — Eugene Ysaye spielt jetzt mit Vorliebe klassische Werke; diesmal bot 
er mit der ihm eigenen Auffassung die Konzerte in E-dur von Bach, G-dur von Mozart und 
das Beethovensche. — Gleichfalls unter Hinzuziehung des philharmonischen Orchesters, 
das mitunter diskreter begleiten konnte, spielte (u. a. Tschaikowsky's Konzert) der kaum 
siebzehnjahrige Josef Achron, dessen eminentes Geigentalent bereits im Vorjahr an- 
erkannt wurde. — Auch Mischa El man ist wieder erschienen und verbluffte durch die 
Reife seine Auffassung und seine Technik; sein Begleiter R.J. Forbes zeigte sich auch 
als Solist von vorteilhafter Seite. — Martha Kuntzel beherrscht die Technik des Klaviers 
jetzt so, dass sie in Zukunft das Hauptgewicht auf den Vortrag legen muss. — George 
Arm in rezitierte u. a. Szenen aus Byron's Manfred, wobei er die Schumannsche Musik 
durch Klavier und Harmonium spielen Hess. — Endlich ist ein neuer gemischter Chor, 
Fritz Ruckwards „Musikaliscbe Vereinigung", mit grossem Erfolg erstmalig an die 
Offentlichkeit (Cornelius, Requiem; Reger op. 6) getreten. Wilhelm Altmann 

Der kunstlerische Ertrag vor Weihnachten ist meist sp£rlich. Was da in die Halme 
schiesst, ist Magerfrucht; denn was an Talent vorhanden, umgeht die „toten M Wochen 
vor und nach dem Menschheitsfest der Liebe. Nur das Genie macht hiervon eine Aus- 
nahme, da echte Kunst noch immer uns der Sorgen und Bedurfnisse uberhebt und in 
ihren Zauberkreis zwingt. Die wenigen Leistungen lassen sich daher summarisch abtun. 
Das Beste bot Ludwig Hess. Er hat zugenommen im Ausbauen und Formen des Liedes 
und scheint sich zu besinnen, dass es noch ein anderes gibt, als ein leichtfertiges Ver- 
schwenden gl&nzender Mittel. Hoffen wir, dass ihm die innere Konzentration ma*hlich 
vom subjektiven Ausdruck zum Stil hinfuhrt, wobei freilich die Bedingung zu erfullen 
ist, dass die Technik gleichen Schritt halt. — Elisabeth Schumann, ein nicht gewohn- 
liches Vortragstalent, zeigt Merkmale eines energischen Temperaments. Hier und dort 
stosst man gar auf einen glubenden Kern. Aber die schrille Dissonanz tecbnischer 
Bildung paralysiert die schonen Momente. Es fehlt entweder der Wille oder die Be- 
gabung zum Gesangstechnischen. So muss das Mienen- und GebSrdenspiel wieder aus- 
helfen und die Blossen verdecken, die doch ewig Bldssen bleiben. — Tuchtiges leistete 
auch das Terzett: Anne Worill, Elise Graziani, Auguste Eberlin, ein gut geschultes 
Ensemble mit viel Liebenswurdigkeit und unverbrauchter Frische. — Bleiben: Frieda 
Millies-Rickertsen, des Schwunges wohl fahig, aber noch im Zustande unannehm- 
barer Tonbildung begriffen, und Hedwig Lahnstein, eine reizende Vortragsbegabung 
mit musikalischem Sinn und von guter Durchbildung. Organ jedoch zart und scbwach, 
ohne ausgiebige Tiefe, die obendrein matt und halsig. — Paula Stebel spielte Mozart 
ohne die Grosse echten Stilgefuhls. Auch bei Liszts „B6n6diction* steht ihr diejugend 
noch im Wege. Im ubrigen bewies sie, dass sie eines der wenigen brauchbaren Talente, 
bei dem allein das Leben zu entscheiden hat, ob es Charakter und Tiefe erhalt. — Irma 
Hun spielte wie sonst. Technisch sicher und brillant, bleibt ihr Anschlag nach wie vor 
bildungsbedurftig, ist die pianistische Physiognomie trotz einiger besseren Momente im 



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74 
DIE MUSIK V. 7. 



allgemeinen ohne sonderlichen Reiz. — Georg Bertram ist ein tuchtiger Techniker, der 
tapfer vorwirts strebt. Ein kleiner selbstbewusster Zug und der leidige Hang nach der 
iusserlich-virtuosischen Seite beschatten jedoch den musikalischen Ausdruck noch zu 
sehr, um eine reine oder tiefere Wirkung zu ermoglichen. — Agnes Leydhecker besitzt 
musikalischen Geschmack. WaV die Technik besser, ibre Angstlichkeit nicht so gross, 
und klinge vieles nicht so glasig, — man konnt's zufrieden sein. R. M. Breithaupt 

Von den von mir gehorten Sangern, die eigene Konzerte gaben, muss Sydney 
Biden zuerst genannt werden. Er ist noch kein fertiger Kunstler, die Hohe klingt nicht 
fret genug, die Vokalisation ist nicht schlackenfrei und die Aussprache des ihm wohl 
ungewohnten Deutschen 19sst zu wunschen. Dafur singt er mit inniger Anteilnahme 
ohne Oberschreiten kunstlerischer Grenzen. — Hansi Delisle's hoher, sehr heller 
Sopran hat zu viel Schfirfe, die Tongebung ist zu often, in der Tiefe balsig, aber der 
Vortrag recht hiibsch. — Gerard Zalsman's Bariton ist nicht so ubel, aber von Schulung 
ist nichts zu merken. Absoluter Amateur. Schuberts StSndchen wurde zur reinen 
Karikatur. — Die Sopranistin Maria Leval bat nur eine kleine, ewig tremolierende 
Stimme. — Nicht grosser ist der hohe Alt von Catharina Hennig-Zimdars, die wie 
die Sopranistin Martha H oh If eld trotz redlicher Anstrengung nicht uber eine gute 
Durchschnittsleistung hinauskommt. — Als Kunstler ersten Ranges zeigte sich der Cellist 
Eugdne Malmgren, der das Volkmannsche Konzert mit wundervoller Phrasierung und 
gesangvollem Vortrag spielte. Ihn unterstutzte die Pianistin Marie Barinowa-Malmgren 
mit dem d-moll Konzert von Rubinstein. Sie spielt schwungvoll ohne Obertreibung. Ein 
treffliches Kunstlerpaar. — Die Cellistin Eugenie Stoltz hat viel Talent Um so mehr 
ist zu bedauern, dass sie mit deutscber Soliditat nicht franzosische Eleganz verbindet. 
Obgleich ihr Ton gross ist, bleibt er leblos, da Korrektheit und Pedanterie uberwtegen. 
Die mitwirkende SSngerin Elisabeth Ohlhoff dokumentierte wieder ihre schon ge- 
ruhmten Vorzuge. — Mit dem Herzen ohne Vernachl5ssigung des Kopfes musiziert die 
Pianistin Elly Ney. — Einen sproden, durch seine HSrte ohrbeleidigenden Ton erzeugt 
der Pianist Sergei von Bortkiewicz, w&hrend sein Kollege Albert Hufeld, trotz nicht 
immer sauberer Technik, einen weichen Anschlag verriet und in einzelnen Momenten 
sogar Glauben an Intelligenz erweckte. — Etwas zu massiv behandelte Richard Gold- 
schmied das Klavier. — Der aus fast lauter Kindern bestehende St. Ursula- 
Frauenchor ist fur die Offentlichkeit noch lange nicht reif. Es wird sehr unrein und 
unrhytbmisch, ohne jeden kunstlerischen Anstrich gesungen. Einen ziemlich gunstigen 
Eindruck machte die Sopranistin Elfriede Goette. — Die unter Leitung von Gustav 
Hollaender stehende „Neue Orchestervereiniguug" (aus Dilettanten und Musikern 
zusammengesetzt) Hess brillante Schulung erkennen. Der Dirigent hat erfolgreich fur 
Akuratesse und Begeisterung gearbeitet. Der Klang war schon. Als Solistin erntete 
Frau Wurmser-Delcourt auf einer chromatischen Harfe ohne Pedale mit einem vor- 
zuglich gespielten Konzert von Pierne viel Beifall. Karl Klingler trug ein Violin- 
konzert von Mozart sehr maschinell ohne Anzeichen von Auffassung vor. — Mehr lasst 
sich auch von dem Geiger Alessandro Certani nicht berichten. — Im Konzert des Bach- 
vereins unter H. Reimann gelangten vier Stucke aus der Missa Choralis von Liszt 
zur Auffuhrung. Der Chor sang ausgezeichnet, mit feinsten Abstufungen, gegen Schluss 
leider unsicher und nicht tonrein. Die Orgelbegleitung von Richard Roessler genugte 
in keiner Hinsicht. — Schade, dass Iduna Walter-Choinanus ihre gewaltige Alt- 
stimme nicht besser geschult hat. Der Ausdruck ist echt dramatisch. Arthur Laser 

Wcgen Raummangcls musstcn fiir das nachstc Heft zuriickgestellt werden die Berichtc: StrassburR (Opcr); Ant- 

werpen, Braunschweig, Brcslau, Brusscl, Chicago, Darmstadt, Dresden, Diisseldorf, Elbcrfeld, Frankfurt, Haag, 

Halle, Hamburg, Hannover, Helsingfors, Kopenhagen, Leipzig, Magdeburg, Mainz, Mannheim, Moskau, Nlirnberg, 

Petersburg, Prag, Schwcrin, Strassburg, Stuttgart, Warschau, Wiesbaden, Zurich (Konzert). 



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ANMERKUNGEN ZU 
UNSEREN BE1LAGEN 



Mlt dem Hnldlgnngigedicbt Ludwigs I. von Bayern, d« der Monircb der 
Salzburger Mozart-Sikulartbier 1856 widmete* vollen wir unaere Boll agon ertflheop 

Bin Hnldignngeblatt fBr den Meieter, von A. H. Payne entworfen und *m- 
geffthftp zelgt una du von allegorischen Figures umgebene Schwantbalerecbe Mozart- 
StuidbUd — due etwee antiqalerte Leistung, tber von nalver Ebrlichkelt erffUIt 

Dii orate uneerer diesmaligen Mozartpomlts lit eln Unikum: ein vfllHf un* 
bekanncee Portrlt, den Meioter em Klevler darstelleud* Dee Blett reproduzlerten wir 
nach dem 1m Beeiti von Dr. Edgar leiel be And lichen Originalkapforstlch* Letder lleat 
es sich bit jetet nocb nicbt rait Sicberheit festatellen, ob du Bild necb dem Leben ver* 
brtigt lst r docb sprlcbt die tebendlge Aufhesung, die elite gpwlsae Ahnllchkeit mlt dem 
Poech'tchen Relief vom Jahre 178S eafweiet, difOr, und each die Lebenszelten dee Zelchnere, 
der ein Zeltgenosse dee Metetera war, tpricht nicht dagegea* Auf dem RBcken dee eaf 
dem KUvier llegpnden Baches elnd deatllcb die Bucbetaben ARO erkennbar, die dee 
Bach e)i die Flgaropartitur kennzelcbnen. Alto fUlt jedenfislla die Entstehung dee 
Portffti In die letzten Lebentjabre nech 1785, Der Zelebner dee Bletteo let der von 
Nagler erwlbnte Meier Jobann Bosio, der nach Bollier de La Cbavignerie 1764 in 
Monaco gpboren and 1827 In Parle geetorben let Gestocben Ut ee aller Wahracheinlich- 
kett necb von Giovanni Antonio Sasso, der nm 1809—1316 in Mailand tltig war. Anf 
Sasao's Rechnung let won) die merkwiirdlgp Becekbnung Giovanni Mozart^ womit der 
Stecber viellelcbt seine Namenegleichbeit mit dem Meiatcr dokumentieren wollte, zu 
eetzon, Bekanntlicb bat Mozart elcb In Deutecbland atets Wolfgang, In Itallen aber 
Amadeo gtnannt, nlemale jedocb vod ■ ein era Vornamen Jobann Gebrauch gemachL 

Weolger Worte (fir die beiden folgendcn Dare tell ungen: eln Portrlt Mozart a In 
einem reichen Rah men, nacb einer Lithographies die dee Meietere Verleger Job, Aadrf 
In Offenbach edlerte* Daa Profil ecbelnt una anseeroFdentlich geglfickL Nfcht minder 
wahr eracbeint una daa ebenfelle nacb rechte geweudete Profll aur einer Gravure von 
T, Blond, die gemiae Ihrer Auhchrlft nsch einer Buste gefertlgt lit E» fblgt ein 

Medeillonrellef vera Jabre 178^ desaen Verfiuaer nlcht bekannt let Dae zarte 
Knnitwerk beatebt am einem Kitt von Weche und Gips. Mozart achenkte daa Medallion 
seiner Fran Konstanze, die es In den letzten Jahren eeinea Lebena zuwellen ale Gfirtel* 
vwilemng trng, wozu ee beatlmmt war. Ober den AbnlJcbkeltswert urtellte Mozarta 
Sohn Karl, daae dleseo Medallion »untcr alien ohne Ausnahme der verechiedenardgetea 
Abbildnngen, ale die vollkommen Ihnllchete von aimtllchen eeiner Angebflrlgpn 
and Bekennten eowohl, ate von ihm eelbst anerktnot war*. 

Zwei }unger* Darstellungtn der Plastlk elnd die melsterbefte Buete von Karl 
Seffner, die ttna bel nnrechwacber Idealiaiernng den lebensfreudigen Meieter In wundcr- 
voll weicher Model! lernng zeigt, wlhrend Wllhelm Hag ens Arbeit oboe etirkere indt- 
viduelle Zfige dem Mozartkopfe Ernst and Kraft verleibL 

Dae PamlllenbUd {Vater Leopold mlt der Geige, Wolfgang Araadena and eelne 
Schwester Marianne am KlavJer, an der Wand du Medallion portrit der Mutter Mozara) 
Ungt im Mozartenm* Sein Maler 1st der Salzburger Portritiet Jobann Nepomnk de la 
Croc** Dm Bild, daa durch die Galakleldung der Dargeatellten und Ihre festlicbe Prieur 
dem Geechmack eeiner Zdt Rechnung trtft let vielhch nacfageblldet vorden, n. a, von 
Joe. Lacrotx. Maeh dleeer Vodage let uneere Tiedergabe gefertigt 






Onqinal from 
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76 
DIE MUSIK V. 7. 



Das Salzburger Standbild des Meisters, die ernste, in klassischer Ruhe aufgefasste, 
heute aber nuchtern wirkende Arbeit Ludwig Schwanthalers mochten wir nicht uber- 
gehen. (Unsere Abbildung ist nach einem Stich von A. Krausse bergestellt.) Als 
„Pendant a bieten wir die Statuette von Gustav Landgrebe, die in ibrem zierlichen 
Rokoko an das Wiener Mozartdenkmal von Tilgner erinnert. Landgrebe ist der Ver- 
fasser der Statuetten Beethovens, Wagners und Bulows (letztere ist besonders gelungen); 
sein Mozart fand sich im Nachlass vor, den die Firma Gebruder Micheli in Berlin erwarb. 

Die Don Juan-Allegorie uberliess uns der Maler Max Harrach in Frankfurt a. M. 
zur Wiedergabe. Es geht ein Zug von Grosse und Einfachheit durch sein Gem51de: wir 
seben Don Juan, wie sein Fuss die am Boden wuchernden Lilien scbonungslos nieder- 
tritt, wlhrend hinter ihm der Schatten des steinernen Gastes auftaucht. 

An den Don Juan erinnert ferner der Theaterzettel der ersten Don Juan- 
Auffuhrung in Leipzig, den der Verleger Max Scbmitz nach einem sebr seltenen 
Original aufgenommen und uns uberlassen hat. Prof. Hermann Rittergab uns freundlicher- 
weise uber dieses Dokument folgende Notiz: Als der 1787 komponierte und am 29. Okt. 
1787 in Prag zum ersten Male aufgefuhrte „Don Juan" auch durch Deutschland seinen 
Weg machte, ist als fruheste Auffuhrung nach der Prager wohl die in Leipzig vom 
15. Juni 1788 zu verzeichnen, bei der mehrere der ersten Prager Darsteller mitwirkten. 
Von diesen beteiligten sich Giuseppe Lolli, der als Masetto und Komtur auftrat, Sgra. 
Caterina Micelli als Donna Elvira, und Antonio Baglioni als Don Ottavio. Der Direktor 
Domenico Guardasoni, der seine „Italienischen Opernvirtuosen" anfuhrte, wurde in 
Deutschland zuerst als Singer bei der frfiheren komischen Oper in Dresden bekannt, 
pachtete das Landestheater in Prag, wo er 1806 starb. Der Theaterzettel dieser erst- 
maligen Don Juan-Aufffihrung in Leipzig spricht wohl fur sich selbst. 

Uber den neuen Mozartbrunnen in Wien, den der Bildhauer Karl Wollek 
und der Architekt Otto Schonthal ausfuhrten, sind die Meinungen geteilt. Es ist der 
Moment gegeben, wo Tamino und Pamina aneinandergeschmiegt den Kreis der Un- 
geheuer, die von der Macht der Liebe und der Musik besiegt scheu zuruckweichen, 
durchschreiten. Wir glauben aus der innigen Gebarde, mit der Pamina ibrem Geliebten 
sich hingibt, und im Linienfluss der beiden schlanken Gestalten viel Musikalisches, so- 
gar Mozartisches herauszulesen. Jedenfalls atmen die Erscheinungen Rhythmus, der 
dem architektonischen Aufbau und ornamentalen Aufputz weniger zugesprocben werden darf. 

Urn auch in diesem Heft eine Handschrift unseres Meisters zu bieten, haben wir 
die erste Seite des unsterblichen w Veilchen a faksimilieren lassen. 

Ober unsere erste Notenbeilage findet der Leser das Nahere in der Rubrik Be- 
sprechungen-Musikalien dieses Heftes (S. 62 63). 

Zu den bisher unveroffentlicbten Fragmenten des Salzburger Meisters schreibt 
uns Paul Graf Waldersee: „Vorliegende Fragmente, im Kochel-Verzeichnis II. Aufl., An- 
hang, unter No. 23a und 109f. B. aufgefuhrt, sind, soweit meine Kenntnis reicht, bisher 
nicht veroffentlicht worden. Das Autograph des Fugenanfanges besitzt die Konigl. 
Bibliothek zu Berlin, das der Skizze Charles Malherbe in Paris. Letztere wurde unter 
drei Skizzen, die auf einem und demselben Blatte stehen, als die relativ vollstSndigste 
gewShlt: sie bildet den ersten Abschnitt eines Satzes. Nur im dritten Takt fehlt der 
Wert eines Viertels; die hinzugefugte, klein gedruckte Note ist Konjektur meinerseits.* 

Druckfehler-Berichtigung. Im Motto dieses Heftes muss es statt Kenner 
naturlich Renner heissen. 

Nachdruck nur mit ausdrucklicher Erlaubnis des Verlages gestattet. 

Alle Rcchte, insbesondere das der Obersctzung, vorbehalten. 

Verantwortlicher Schriftleiter: Kapellmeister Bemhard Schuster, Berlin Sw\ 11, Luckenwalderstr. 1. Ill 



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GEDICHT VON KONIG LUDWIG 1. VON BAYERN 





V. 7 






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HULDIGUNGSBLATT FOR MOZART 

von A* H. Payne 



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GIOVANNI MOZART 
nach einer Zeichnung von Johann Bosio 



V. 7 



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WOLFGANG AMADEUS MOZART 

nach einer bei Job, Andr6 in 
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MOZART 

Nach etnem Stich von T, Blood 




V. 7 



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DAS MOZART- MEDAILLONRELIEF 
aus dem Jabre 1788 




V. 7 



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BUSTE MOZARTS 
von Karl Seffner 



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bOste mozarts 

von Wllhelm Hagen 



A us dcm PhdiogrftVflren*Vcrl4ge 
von G, Heuer & K!mi»e f Berlln-Hsienaee 



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DAS MOZART-DENKMAL IN SALZBURG 

von Ludwig Schwanthaler 



V. 7 



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MOZART 

nach der Statuette von 
Gustav Landgrebe 




V, 7 



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DON JUAN-ALLEGORIE 
von Max Harrach 



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Bit dnabfdflet eelaufttuf 

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con &cr ©uaifrafoniftfcn ©cftttfaaft 

Staltft nt fc^er Opcroirtuofcn 

mif to at tftcater am SUanfyitter tyori 

«>fftcf&)rt: 



IL DISSOLUTO PUNITO. 

IL D. GIOVANNI 



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to jwcm flufiftgea. 

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FAKSIMILE DES THEATERZETTELS 

DER ERSTEN DON JUAN-AUFFOHRUNG 

IN LEIPZIG 




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v. 7 



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V. 7 



DER NEUE MOZART-BRUNNEN IN WIEN 
vom Bildhauer Karl Woliek 
and Architekt Otto Schonthal 



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DER ANFANG DES MOZART'SCHEN VEILCHENS 



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Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 





4 Satze aus den 5 Divertimenti 

far 2 Klarinetten und Fagott 



W. A. MOZART 

In der Gesamt - Partiturausgabe Serie XXIV No. 62 
herausgegeben im Herbst 1905 von Ernst Lewicki 

Ubertragung fur Klarinette (oder Violine) 
und Klavier vom Herausgeber 



2 Fragmente 

(bisher unverOffentlicht) 



von 



W. A. MOZART 

herausgegeben von Paul Graf Waldersee 



Mit Genehmignng der Verlagsanstalt 
Breitkopf & H&rtel in Leipzig 




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Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



♦)KLARINETTE 

oder 

VIOLINE. 



Allegro 



(1. Satz aus Div. I\ r .) 



KLAVIER. 




(Fagott.) 




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(4. Satz aus Div. IV.) 




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(4. Satz aus Div. III.) 





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Allegro. 



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Skizze fur Sopran, Alt, Tenor und Bass 

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Stich u. Druck: Berliner Miihl't illeii Dnicker.eLG.m.b. H. CliaHotteiiburK. 



Itgw Driicker.ei. d.m.b. 

Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



DIEMUSIK 




Soil tinsere Kunst den wahren Ausdruck unserer Zeit tragen, so 
muss sie den notwendigen Zusammenbang der Gegenwart mit alien 
Jahrhunderten der Vergangpnheit, von denen kernes, auch niche 
das entartete, voribtrgegangen ist, ohne einen anvertilgbaren Ein- 
druck nuf nnsere Zustflndc zu bintcrlassen, zn ahnen geben und 
mit Selbstbewusstsein und Unbefangenbeit sich Ihres reichen Stolfes 

bemlchtigen. 

Gottfried Semper 



V. JAHR 1905/1906 HEFT 8 

Zweites Januarheft 

Herausgegeben von Kapellmeister Bernhard Schuster 

Verlegt bei Schuster & Loeffler 

Berlin und Leipzig 



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INHALT 



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Paul Marsop 

Zur Buhnen- und Konzcrtreform 

Vom Muiilciaal der Zukimft 

Funfie Folge, I. 

Br. Alfr. Chr. Kallscher 

Ein Konversatfonsbeft von Ludwig van Beethoven 
Ectm eraten Male voLltttndif iniffeteHt und erlluten 

Register zum I. Quartalsbaud des fflnften 
Jahrgangs der MUSIK 

Besprcchungen (Bucher und Muaikalien) 

Revue der Revuecn 

Umschau (Neue Opera, Aus dem Opemrepertoire, 
Konzerte, Tageschronik, Totenschau) 

Kritik (Oper und Konzert) 

Anmerkungea zu unseren BeMagen 

Kunstbeilagen 

Anzeigen 

DIE MUSIK erschdnt momtlich zwelmiL Aboancraentsprcis fflr d*s 
Quint) 4 Mirk. Abontiemcntsprds fOr Jen Jihrginf 15 Mart. Prtis 
des dnzelncn Heftes 1 Mirk. Vlerteljibnclnbiaddecken A I Mirk. 
Simmelkisten fflr die KunstbdUgen ctes gittien jihrgings 2,50 Mirk* 
Abon fitments durch jede Buch- und Musiki]j«ntundEung, fflr kletne 
Plltze ahne Buchhindler Bezug durch die Post. 






Onqinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 





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]ie fortschrittliche Buhnenbaukunst hat einen vollgiltigen Triumph 
davongetragen. Ihr bester lebender Vertreter, Max Littmann 
in Munchen, erhielt bei einem bedeutungsvollen Wettbewerb 
den ersten Preis: das grosse neue, jetzt auf der Charlotten- 
burger Gemarkung erstehende Schillertheater wird kein walscher Opern- 
k as ten, sondern ein deutsches Spielhaus sein. Die Nachbarstadt Berlins, 
die durch die tatkraftige Unterstutzung, die sie der „Sezession a zu Teil 
werden Hess, sich bereits auf den Gebieten der Malerei und Plastik einer 
fuhrenden Stellung versichert hatte, gewinnt sich jetzt auch auf dem Felde 
dramatischer Darstellung den Vorrang. In der deutschen Reichshauptstadt 
hat Herr Genzmer aus Wiesbaden den vom Altmeister Schinkel in vor- 
nehm strenger, dem Heim der Tragodie Schillers und Kleists gebuhren- 
der Linienfuhrung ausgestalteten Innenraum des KSniglichen Schauspiel- 
hauses mit frevler Hand zerstort und zu einem Antichambre franzosisch- 
oberflachlicher Tapeziererfertigkeit umgewandelt. In Charlottenburg, dessen 
Polytechnikum die just auch von Schinkel bereits im Jahre 1817 ent- 
worfene Skizze zu einer geschlossenen, amphitheatralischen Innenarchitektur 
birgt, leben die Gedanken des genialen, weitsichtigen Vermittlers zwischen 
antiker Szene und nationaler deutscher Kunst wieder auf. Zwei Tatsachen, 
ein Epigramm. Hie Hulsen, hie Schiller! Nur muss man daraus keine 
Schlusse Ziehen, die uber das Reich des schonen Scheines hinausgingen. 
Friedrich der ganz Grosse bleibt doch neben Luther, Johann Sebastian 



Anmerkung. Es sei auf die fruberen, unter dem Titel „Vom Musiksaal der 
Zukunft" in diesen Biattern (Heft: II. 1, II. 17, III. 4, HI. 21) verSffentlichten Ver- 
suche verwiesen. Die Aenderung der Oberscbrift erklSrt sich daraus, dass, vielfachen, 
der Redaktion der „Musik* und mir ubermittelten Wunscben zufolge, von jetzt ab 
aucb die Reformarbeit auf dem Gebiet des Theaters, insbesondere der Gesangsbuhne, 
in den Kreis dieser Studien gezogen wird. Ich bitte die werten Gegner und Kollegen, 
die uber mcine Aufsatzc raisonnieren, obwohl sie sie lesen, es freundlichst zu ent- 
schuldigen, dass ich einige Gedanken wieder vorbringe, die ich schon in anderem 
Zusammenbange aussprach. Wenn das Publikum etwas ungern hort — nSmlicb, dass 
es sich von Gewohntem, wenngleich RuckstSndigem frei macben mochte — muss 
man ibm es erst recbt zwei- und dreimal sagen. Der Tropfen hdhft den Tropf. 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



80 
DIE MUSIK V. 8. 



Bach und Bismarck der beste Deutsche, wenngleich er die kleine Schwache 
hatte, sich in den Spazierstunden des Geistes auf den kleinen Voltaire zu 
stutzen. 

Der Charlottenburger Sieg ist urn so hoher anzuschlagen, als samt- 
liche zum engeren Entscheidungskampf aufgeforderten Mitbewerber Litt- 
manns fiir ihre Entwurfe die Form des Amphitheater-Ausschnitts gewahlt 
und mit strafferer oder geringerer Folgerichtigkeit entwickelt hatten. Man 
vermag nun wieder mit einiger Zuversichtlichkeit der Zeit entgegenzusehen, 
in der ein Deutschland durchstreifender Italiener nicht mehr daruber den 
Kopf zu schiitteln brauchen wird, dass wir, die wir uns sonst auf unsere 
nationale Selbstandlgkeit so viel zu gute tun, nach Goethe und Schiller, 
Weber und Wagner immer noch am Barock seines langst vermoderten 
Ahnherm kleben. Und wohlgemerkt: an der schwachsten Leistung dieses 
Barocks. Das Barock der italienischen Kirche erhebt sich hier und da 
noch zum Monumentalen. Das Barock des romischen Palastes ist meist 
iiberladene, aber noch grosszugig hingestellte Kulisse. Doch das Barock 
des walschen Opernhauses war eine architektonische Missgeburt. Kein 
Wunder. Nur ein bedeutender Inhalt schafft sich eine bedeutende Form. 
Die opera seria aber und ihr Fullstiick und Anhangsel, das Ballett, lebten 
im Wesentlichen von historischen Reminiscenzen, fristeten ihr Dasein von 
den Gnaden zerstreuungssiichtiger und eitler Duodezherrscher, die in ihrer 
Phantasie und in den Augen ihrer Hoflinge iiber ihre paar Quadratmeilen 
Land hinauszuwachsen schienen, wenn man sie auf ihren Biihnen mit 
Jupiter oder Herakles verglich. Kaum entstanden, streifte jene Kunstart 
die Hiille aristotelischer Nachempfindungen ab und gab sich einem liisternen, 
selbstherrlichen Virtuosentum preis. Diese Afterdramatik sollte fahig ge- 
wesen sein, sich ein Haus zu errichten, das harmonische Schonheit, Wurde 
und Stil zu erkennen giebt? 

Was sich dagegen im natiirlichen Ausstromen originalen italienischen 
Biihnentemperamentes als freigeborene, feinnervige, lebenspriihende Kunst 
erwies: die commedia delT arte und die sich aus ihr herauslosende opera 
buffa — die eine mit der anderen wohl die hochste von der Weltgeschichte 
bisher verzeichnete Bliithe genial improvisatorischen Vermogens: das konnte, 
den typischen regionalen Charaktermasken der Halbinsel entsprechend, recht 
gut im Freien oder in einer mit nur notdiirftigen dekorativen Behelfen ver- 
sehenen Bretterbude durchgespielt werden. Es war, streng genommen, schon 
eine Anomalie, eine wundervoll ungebundene Lustspielbegabung wie die 
Rossini's, der die Horer ubermutig anpackte und sich mit ihnen so lange im 
Kreise herumwirbelte, bis sie schwindlig wurden, in die etikettenmassig nach 
Schubladen zurechtgestufte, prunkvoll steife Barockkommode einzusperren. 
Diese vom Sonnenrausch des Siidens trunkene Komodie war plein air-, 



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81 
MARSOP: ZUR BOHNEN- UND KONZERTREFORM 



war demokratische Freiluftkunst im besten Sinne. Die andere, iiber- 
hofische, eunuchenhafte brachte naturgemass auch nur ein verqueres, von 
Anbeginn verpfuschtes Zuschauerhaus zuwege. Wie man auf der Biihne 
Seitenkulissen nach sechs, sieben haarscharf abgezirkelten Gassen mecha- 
nisch hintereinanderreihte, 1 ) so schichtete man im Zuschauerhause der 
opera seria die Kulissen in Parallelstellung ubereinander, was man spater 
Range nannte. Regt sich in Jemand auch nur ein schwachliches Gefiihl 
fur organisch gewachsene Architektur, so wird er schwerlich behaupten, 
dass durch derartige Range ein hufeisen- oder lyraformig ausgebuchteter 
Zuschauerraum sinnvoll gegliedert sei. 

Nein, ware dem Italiener die Begabung fur die achtbiirtige ge- 
sprochene und gesungene Tragodie, iiberhaupt fur eine ernste, stilisierende, 
das Leben wiederspiegelnde, aber im Zusammendrangen des Gegensatz- 
lichen und im tiefsten Ausschopfen der Empfindungen zu erhohter Be- 
deutung steigernde szenische Kunst zu Teil geworden, er wiirde mit ihr 
auch ein originates, den Geist gesunder baulicher Logik atmendes Buhnen- 
und Zuschauerhaus geschaffen haben. Fiir sich, und sofern er, wie in der 
Werkstatt des Dichters und Malers, sich gleicherweise diesseit und jenseit 
der Rampe als wahrhaft schopferische Renaissance-Natur hatte betatigen 
konnen, fiir alle Volker. 

Der Wechselbalg des Rang- und Logenhauses kam nach Deutschland. 
Das deutsche Volk, das in den Mysterienspielen des Mittelalters sein 
Drama geschaffen, es wie ehemals der Grieche selbst dargestellt und so mit 
heisserer Inbrunst genossen hatte, das in den Tagen des Hans Sachs und 
Albrecht Diirer jedweder Kunst schopferischer Meister gewesen war: ihm 
eignete nach den Verheerungen des dreissigjahrigen Krieges weder der 
Wille noch die Kraft zu hoherer geistiger Produktivitat. Die Fiirsten, des 
Waffentragens und des konfessionellen Haders satt, begehrten nach Zer- 
streuungen. Das eigene Land, die von Natur aus schwerbliitigen, dazu 
in unaufhorlichen Gefahrdungen und Noten verzagt, ja stumpf gewordenen 
Menschen brachten nichts Farbenfreudiges, den Sinnen sich Einschmeicheln- 
des heraus. Man begann sich an walsche Art zu halten. Ehe das blendende 
Truggestirn von Versailles am Welthorizont aufging, hatte schon der 
gleissende Schimmer italienischen Hofprunkes iiber die Alpenkamme ge- 
leuchtet. Mit den Sangern, Tanzern, Feuerwerkern wurden auch die 
walschen Theaterarchitekten an die Ufer der Donau, der Elbe, der Isar, 
der Spree berufen. Die Fertigkeiten dieser Virtuosen bestritt man mit 
dem Tageserwerb des verarmten Volkes. Aber von dem Flitterputz, den 

J ) Man halte das kindliche Guckkasten-Ergebnis gegen die wundervollen Per- 
spektiven, die scbon toscanische Maler des Quattrocento auf Tafelbildern und in Fresco- 
Darstellungen erzielten. 



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82 
DIE MUS1K V. 8. 




Jene vor der Hofgesellschaft entfalteten, bekam der Burger nichts zu 
sehen. 

Doch unter Schutt und gehauftem mit dem Tage welkenden Tand 
keimte junge, lebensstarke Saat auf. Shakespeare warf seinen Schatten 
fiber Deutschland. Goethe's „Goetz von Berlichingen" trat ans Licht. 
Ihm folgte das Drama Schillers, und diesem die Volksoper der deutschen 
Romantiker. 

Was hatte das sich schnell und starkgliedrig entwickelnde, durchaus 
nationale deutsche Buhnenwerk mit dem Konversationssaal und den Ballett- 
freuden des Italieners zu tun? Nicht das Allergeringste. Aber es war 
gezwungen, sich in jenem einzurichten, so gut und schlecht es just gehen 
wollte, Es ware sonst obdachlos geblieben. Gegensatzliches musste ein- 
ander notdiirftig angeglichen werden: ein Haus, das lediglich den Beruf 
hatte, den Rahmen fiir leeres Schaugeprange und Darbietungen der Kehl- 
akrobaten herzugeben — und eine Kunst, in der das rasch wechselnde, 
bewegte Geschehen nichts weniger als eine ausschlaggebende Rolle spielte, 
in der, wie das dem deutschen Wesen und seiner schopferisch-kiinstlerischen 
Eigenkraft entsprach, das Beste im Erforschen und liebevollen Ausmalen 
von Seelenzustanden, in breit hingegossenen, wundersam vertieften Situations- 
bildern sich offenbarte. Es geschah, was bei Kompromissen zwischen dem 
Idealen und dem Banausischen stets zu geschehen pflegt: das erstere kam 
auch diesmal zu kurz. Das Haus und die von ihm untrennbare Buhnen- 
einrichtung verausserlichten Darstellung wie Inszenierung, verftihrten das 
Publikum dazu, von ihm Befriedigung oberflachlichen Unterhaltungs- 
bedurfnisses, wenn nicht gar unlauterer Instinkte zu heischen, Dichtem 
und Tonsetzern mit torichten Anmutungen entgegenzutreten, und mit dem 
Eigensinn der geistig haltlosen, sich aber ihrer Macht wohl bewussten, auf 
die Silber- oder Kupfermiinzen im Beutel pochenden Menge das Schaffens- 
niveau herunterzudrucken. Ohne dieses Haus, das in stets grosseren Ver- 
haltnissen abgeklatscht wurde, je mehr das Volk aufs Neue zu wirtschaft- 
licher Unabhangigkeit gelangte und auch wieder von den Freuden des 
Daseins und der Kunst seinen Teil begehrte — ohne dieses Scheusal von 
Architektur ware die Pariser w Grosse Oper* kaum zur Macht gediehen, 
hatte sie sich schwerlich aller Herren Lander und am wenigsten Deutsch- 
land erobert. Ohne dieses Haus ware das deutsche Schauspiel sicherlich 
nicht der Versuchung erlegen, zum schweren Schaden der Sprech- und 
Vortragskunst, der seiner Sondernatur angemessenen Bild- und Regie- 
wirkungen, sich der iibermassig tiefen, auf die Massenprostitution von 
Tricoteusen und den drohnenden Chorspektakel zugeschnittenen Opernszene 
zu bemachtigen. 



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83 
MARSOP: ZUR BUHNEN- UND KONZERTREFORM 



II 

Lehnten sich der hochstrebende Sinn der Grossen von Weimar, das 
Feingefiihl der mannigfach gearteten erlesenen Geister, die in der zweiten 
Halfte des achtzehnten Jahrhunderts das iiber ganz Italien hin zerstreute 
kiinstlerische Vermachtnis der Antike kennen lernten und Deutschland ver- 
mittelten, gegen den walschen Logenkafig nicht auf? Ware Schiller, dem es 
wie keinem Anderen gegeben war, die durch ungewohnliche Erscheinungen 
oder bedeutende Gegenstande in ihm geweckte Begeisterung in das bfihnen- 
massig Ausffihrbare zu iibertragen, ware er nach dem siidlichen Hesperien 
gekommen, er hatte sicherlich aus den griechisch-romischen Triimmern das 
deutsche Buhnenhaus herausgeschalt. Sowohl die „Braut von Messina", 
das herrlichste aller tragischen Festspiele, als auch die gedankenschwere, 
ihr vorausgeschickte Vorrede wiirden in einheitlicherem Wurf, in einer von 
inneren Widerspriichen freieren Fassung niedergeschrieben worden sein. Und 
die anderen Schonheitsucher und Pfadfinder neuer deutscher Kultur? Ich 
nenne drei standard works grundverschiedener, in gewissem Sinne sich er- 
ganzender Charaktere aus jener Zeit: Winckelmann's Schriften, Heinse's 
phantastischen Roman w Ardinghello*, das tollste und tiefste Buch eines Deut- 
schen fiber Italien, und Goethe's „Italienische Reise**. In Winckelmann's 
„Sendschreiben an den Reichsgrafen Brfihl" vom Jahre 1762 wird fiber das 
Theater von Herkulanum Verschiedentliches mitgeteilt. Die „Nachrichten" 
von 1764 — an Heinrich Ffissli — bringen eine bis in die kleinsten 
Einzelheiten gehende, hochst genaue Beschreibung des Gebaudes. Wie 
befremdlich, dass das anhaltende, eifrige Befassen mit einer Anlage von 
solch zweckvoller Schonheit einem Manne, der sonst auf Schritt und Tritt 
Anregungen ausstreut und vorbildliche aesthetische Werturteile pragt, nicht 
ein einzigesmal den Ausruf entlockt: was vermochte der Deutsche sich 
davon zum Frommen seiner szenischen Kunst zu eigen zu machen! Und 
Winckelmann, wenngleich im Ganzen eine kfihle Denkernatur, konnte 
doch, besonders in Briefen an seine Freunde, beim Schildern und Lob- 
preisen antiker Kunstwerke auch recht warm werden. Heinse fasste, ein 
Jahrhundert vor Burckhardt und Nietzsche, in seinen fiberaus feinsinnigen 
Bemerkungen fiber Kunstdenkmaler der Antike und der Renaissance die 
schopferische Anlage des Siidlanders bei der Wurzel, indem er, selbst ein 
genussfroher Sinnenmensch, sie auf einen fiberschaumenden Lebenstrieb 
zurfickfuhrt. Doch den dionysischen Hauch, von dem die weitausschwingen- 
den Theater der Alten als zerbrockelnde Reste heute noch umwittert sind, 
und das apollinische Korrelat hochster architektonischer Besonnenheit und 
Zweckmassigkeit hat er nicht wahrgenommen. 

Aber Goethe, der Allumfassende? Wie viele tragfahige Brficken 



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84 
DIE MUSIK V. 8. 



schlug er nicht von der Antike zur deutschen Dichtung — es sei nur auf 
das jedem Gebildeten Gelaufige, auf „ Herrmann und Dorothea*, auf die 
„Iphigenie a , auf den zweiten Teil des „Faust a verwiesen ! Was hatte 
naher gelegen, als unter den klassischen Statten, an die uns der Dichter 
vor dem Auftreten der Helena fiihrt, auch das Halbrund der antiken Buhne 
heraufzubeschworen ! 

Im Goethehause horte ich raunen, der Meister habe, da die letzten 
glimmenden Balken des abgebrannten alten Weimarer Hoftheaters noch 
kaum geloscht gewesen seien, sich mitten in der Nacht an den Zeichen- 
tisch gesetzt und vor den Augen des Grossherzogs die Skizze zu einem 
amphitheatralisch gehaltenen Zuschauerraum entworfen. Ein sinnfalliger, 
unwiderleglicher Beweis fur solche Mutmassung ist bis zur Stunde noch 
nicht aus den Akten aufgetaucht. Vielleicht bringt ihn die Zukunft an den 
Tag. Dahingestellt mag bleiben, ob die schlichte, aber gar nicht iible An- 
lage des unter Goethe's Auspizien neu aufgefiihrten kleinen Lauchstadter 
Badetheaters mehr das Ergebnis von Sparsamkeitsriicksichten war oder aus 
kiinstlerischer Absicht hervorging. Den in Tiefurt und Ettersburg unter 
freiem Himmel veranstalteten Auffiihrungen programmatische Bedeutung 
beizulegen, dazu kann ich mich nicht entschliessen. Hatte sich sonst 
Goethe's Interesse nicht auch am griechisch-romischen, die Landschaft als 
stimmunggebendes Wirkungsmittel mit einbeziehenden Theater festgesaugt? 
Verwunderlich erscheint es auf alle Falle, dass er, der anderweitig nicht 
gerade iibermassig bedeutenden Denkmalern romischer Architektur wie dem 
Minervatempel zu Assisi die liebevollste Aufmerksamkeit widmete, an den 
antiken Theatern Siziliens gleichsam vorbeihuschte. Ueber Segesta mit 
seiner ebenso wundervoll gelegenen als vorziiglich disponierten griechischen 
Biihnenstatte schreibt er in einer seltsam gewundenen, verlegenen Aus- 
drucksweise: „Die Miihseligkeit, in den unscheinbaren Triimmern eines 
Theaters herumzusteigen, benahm uns die Lust, die Triimmer der Stadt 
zu besuchen." Auf einen Abstecher nach Syrakus verzichtet er leichthin; 
sollte man ihm in Rom, in Neapel, in Palermo nichts iiber das gewaltige, 
vortrefflich erhaltene Theater der Stadt des Dionys berichtet, ihm keine 
Zeichnung vorgewiesen haben? Taormina findet er mit wenigen Worten 
ab; das von der Hohe des Theaters sich bietende Landschaftsbild erhalt 
eine gute Zensur. Nicht die geringste, andeutende Bemerkung dariiber, 
wie etwa das Werk eines griechischen Tragikers hier iiberwaltigende Ein- 
driicke hervorrufen musste, wie etwa gar neue Moglichkeiten fiir die Ent- 
wicklung des deutschen Dramas aus einer derartigen grossgedachten, iiber 
das Gewaltigste, iiber Meer und Gebirge herrschend gewordenen Architektur 
auszuspinnen seien. Aber hatte Goethe, der grosse Ruhevolle, eigentlich den 
achten Instinkt des Theaters? Unbeschadet des n Goetz tt — in derjugend ist 



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85 
MARSOP: ZUR BUHNEN- UND KONZERTREFORM 

fast jeder Phantasiebegabte ein Stuck Dramatiker — und der als szenische 
Genrestiicke gewiss unvergleichlichen Volksszenen des „Egmont u ? Man 
lese die letzteren nach denen des „Coriolan". Treibt Goethes stets ge- 
dankenstrotzender Dialog seine Handlungen in einem von Zeile zu Zeile be- 
schleunigtem Zeitmass vorwarts? Stehen die wunderherrlichsten Szenen 
des „Tasso tt , des „CIavigo a , des „Faust u nicht jenseit von Wille und 
Leidenschaft, wie sokratisch-platonische Gesprache? 

Wie man auch iiber Goethe's inneres Verhaltnis zum Drama denken 
mag: als er erst einmal in die Sphare Roms recht hineingewachsen war, 
nahm ihn fur die weitere Dauer seines Aufenthaltes auf hesperischem 
Boden das Studium der bildenden Kunst und das des Volkscharakters ganz 
gefangen. Naturgenuss, die FSrderung begonnener dichterischer Werke 
und Geselligkeit fiillten die Zeit und das Eigenleben der Phantasie er- 
ganzend aus. Der Biihne Italiens wird nur gelegentlich in einer verlorenen 
Stunde ein Anstandsbesuch abgestattet, Pulcinell und Genossen mehr unter 
dem Gesichtspunkt allgemeiner siidlandischer Beweglichkeit als unter dem 
eingeborenen dramatischen Vermogens betrachtet. So mag auch Goethe, 
wenn ihn der Weg an einem antiken Theater vorbeifiihrte, mehr den 
schonen Statuen, die einstmals das Buhnengebaude verzierten, als den 
Darstellungen Sophocles'scher Tragodien und Plautus'scher Komodien nach- 
gesonnen haben. 

Auch ware es unstatthaft, gegen Goethe und die besten seiner Zeit- 
genossen, die antike Theater sahen und doch an ihnen vorbeisahen, Klage 
zu erheben. Zweierlei diirfen wir nicht ausser Acht lassen. Dass der 
unendliche Reichtum an Altertiimern, der uns heute reinlich gesichtet ent- 
gegentritt, damals sich auch dem schnell zur Klarheit vordringenden Auge 
im Ganzen noch als beangstigende chaotische Ueberfiille darstellte. Und 
dass in jener Periode die deutsche dramatische Literatur, der wir jetzt im 
sorgsamen Erwagen von moglichen Anpassungen an friiher Geschaffenes 
ein ihrer wiirdiges Haus zu errichten uns anschicken, damals erst in der 
Bildung begriffen war. 

Ill 
Ein guter Bekannter von mir pflegt zu sagen: „\Venn man so das 
Ei des Kolumbus vor sich auf dem Tische stehen sieht, meint ein Jeder, 
er konne es gelegt haben". Was war denn schliesslich Grosses erforder- 
lich, um das antike Theater zu einem Hause umzuwandeln, wie es unser 
Kunstwerk, unser Klima und unsere Kulturgewohnheiten erheischen ? Das, 
was Schinkel in der Eingangs erwahnten Skizze tat: er verkiirzte auf 
beiden Seiten den Halbkreis der Banke, und setzte ein festes Dach iiber 
das Auditorium und iiber die erweiterte Szene. Auch diesen Schritt hatten, 



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86 
DIE MUS1K V. & 



wonn man so ssgen will, die Alten scbon vorbereltungsweise znrfickgelegt 
Zeuge dessen: das kleine Schauspielhaus von Pompeji, heme gewShulich 
„teatro coperto*, auch *teatro greco* genannt Mm betrachte den 
Grundriss: 




Denkt man sich die beiden mit a bezeichneten» durch die binzu* 
gefEgten punktierten Linien vom Ganzen abgetrennten Stficke wefc so bat 
roan nabezu den Plan des Zuschauerraumes iro Prinzregenten-Thcater vor 
sich. Die oberen Sitzreiben sind zur Rechten und zur Linken abgekuappt, 
also nicht, wie es sonst die Kegel war, bis zum letzten Umgang In Halb- 
kreisen durchgefQhrt, um, vie der hochgescb&tzte Archaeologe August 
Man sagt „einen vierecklgen Grundriss zn erzielen ttnd so die Bedachuog 
za ermfiglicbenV) 

Schinkels Gedanke lebte urn ein halbes Jafarhundert spSter in Gottfried 
Semper vieder auf. Ueber des Letzteren allgemein bekanntes, nenerdings 
im bayerischen Nationalmuseum aufgestelltes Modell fiir das monumental* 
Theater, das sich Ludwig II. ertrSnmt hatte, brauche ich kein Wort zn ver- 
lieren. Ebensowenig fiber da& Bayrenther Festspielbaus. Wie hocb man 
ancfa die Verdienste Schinkels und Sempers urn die Reform der Theater* 
architektur anschlagen mag: Richard Wagner gebuhrt der Ruhm, die Idee 
in die Tat umgesetzt ztt habere 



') VergL A. Mau: „FQbrer durch Pompeji", uud »Kunst und Leben Jo Pompeji*; 
„De* kleine Theater, Daaa es bedacht war, Tcrmutilch mlt etnem pyramidenfBrniigea 
Dscfr, besagt die in iwci Exemplaren angebracfate Inscbrift . * .* „Ein bedschtes 
Theater nebeu eiuem offeuen war nicbti UngewftbnHcbes. Etwa urn die Zeit der Ver* 
acbQttung Pompejl's rfibmie der Dlcbter Statius unter den Herrlichkeiten seiner Vatar- 
atadt Neapel den ,Doppe)bau del off to en und bedcckten Theaters/ Toed Letzteres 
diente, da fur giebt den etniigea Anfciltapunkt der Name dea too Herodes Attlkus In 
seiner Vateretadt Athen crbauten bedeckteu Theaters: es hleii Odeum, Singballe; es 
a eh eln t also, dast tnau dort muai kali ache Auffuhrungen vcranstaJtete . • . Der Zweck 
dea Daches war iwelfellos ein atustischer.* — Der Freundlichkelt dea Herrn Frol 
Mau verdanke Ich die MitteHung folgeader Stelle aua Tertulllan'a Schriftoft: , Video 
et theatre, nee singula aatis esse nee uuda [unbedeckt]; nam ne vol hieme volnptas 
impudlca Erigeret, primi Lacedaemenli Odeum paenulam ludla e*cogit*TerunL* Vichtig 
1st die dadurch gegebene FeatateHung dea Vorbandenaelna bedeckter Theater aua 
nicht viel aplterer Zeit Dagegen acheint ea mir zweifelbaft, ob der geitrenge, gegea 
sienlscbe Spiele eifcnide Kircbenvater recht berlcbtet war, wenn er aagt, dass gerade 
die Lacedaemonler mlt dem Bau bedeckter Theater den Anhng gemacht hlnen. 



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87 
MARSOP: ZUR BIJHNEN- UND KONZERTREFORM 



Warum musste jedoch seit den glorreichen Sommertagen von 1876 
fast ein Vierteljahrhundert vergehen, ehe das Prinzregenten-Theater er- 
offnet, warum dann noch ein Lustrum verstreichen, ehe ein drittes Buhnen- 
haus mit ungefShr amphitheatralischem Zuschauerraum, also das jetzt aus 
seinen Fundamenten sich erhebende Charlottenburger Schillertheater in 
Angriff genommen werden konnte? 

Daffir sind verantwortlich zu machen: die iiberwiegende Mehrzahl 
unserer Architekten, die an Theaterbauten gehen, ohne einen Tropfen 
Theaterblutes in ihren Adern zu haben. Die sich aufgeklart und fort- 
schrittlich stellende, zumeist fiber die erforderlichen Baukapitalien ver- 
fiigende Bourgeoisie, die weit mehr Hasten-, bezuglich Besitzunterschiede 
in ausserlicher Kennzeichnung zu betonen liebt, als der in Ehrfurcht vor 
der Etikette ersterbende Hofmarschall, und die deshalb am Rang- und 
Logensystem zah verbissen festhalt. Eine Gruppe von geistig hochstehenden, 
stets kampftiichtigen und opferbereiten, grosssinnigen aber etwas schwer 
beweglichen Wagnerianern, die sich die Anschauung zurecht gelegt haben, 
es sei Hochverrat an der Majestat Wagners, in einem Theater, dessen 
Typ er ausmodelliert und dem er den Festspielcharakter aufgedruckt habe, 
andere Werke als wagnerische zur Auffiihrung zu bringen. Fur Wagner 
jedoch ein weiteres Festspielhaus zu bauen, dazu lage keine Veranlassung vor. 

Man sieht, eine Reaktionspartei kann die verschiedenartigsten Elemente 
in sich aufnehmen und vereinigen. 

IV 
Beschaftigen wir uns vorerst mit den modernen Theaterbaumeistern, 
die vom Wesen der Buhne keine Ahnung haben, den Reaktionaren aus 
Impotenz. Es war einige Tage vor der Eroffnung des grossen, neuen, 

uberreich ausgestatteten Theaters zu An alien Ecken und Enden 

arbeitete man in fieberhafter Hast; wahrend auf der Szene die Statisten 
gedrillt wurden, hatte der Architekt einige Retuschen zu uberwachen. 
Endlich war er fertig und wandte sich zum Gehen. Da trat der Ober- 
biirgermeister auf ihn zu und fragte ihn, ob er sich nicht noch ein Stuck 
der Probe mit ansehen wolle: man kame jetzt an die wirkungsvollsten 
Stellen. „Nicht doch, lieber Freund," antwortete Jener. „Sobald da unten 
der Komodien-Firlefanz anfangt, interessiert mich me in Theater nicht mehr." 
Der Kiinstler — er ist keineswegs der einzige seiner Art — stellt sich 
also offenbar den Zuschauerraum als einen in Pracht und Eleganz strahlen- 
den Gesellschaftssaal vor, dessen Harmonic dadurch empfindlich gestort 
wird, dass sich ganz unversehens an der einen Seite beim Auseinander- 
gehen einer Gardine ein riesiges, hMssliches Loch auftut. Davon nicht zu 
reden, dass es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit sei, wenn die feinsten 



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88 
DIE MUSIK V. 8. 



Einzelheiten einer an den Briistungen der Range oder an der Decke mit 
allem erdenklichen Raffinement angebrachten Stuckverzierung nur in den 
wenigen Minuten der Zwischenpausen zur Geltung gelangen, wahrend der 
Kapellmeister, der doch weiter nichts als Musik mache, die allgemeine 
Aufmerksamkeit fur ganze lange Stunden beanspruche. Nicht mehr ent- 
sinnen kann ich mich, ob jener so ausserordentlich antidramatisch be- 
anlagte Mann Privatarchitekt war, oder den Titel Regierungsbaumeister, 
wenn nicht gar Koniglicher Oberbaurat fiihrte. Im letzteren Fall musste 
er eine Reihe Examina hinter sich haben — und wer in Deutschland oder 
in China sich durch Examina gewunden hat, versteht bekanntlich Alles. 
Also auch, wie man den vorziiglichsten Grundriss fiir ein Haus erfindet, 
in dem von Rechts wegen Shakespeare und Schiller, Mozart und Wagner 
die alleinigen Gebieter sein sollen, und wie man die fiir solches Bauwerk 
bereitgestellten Summen auf das Zweckmassigste verwendet. 

Nach meiner unmassgeblichen Erfahrung lassen sich die Theater- 
architekten gemeiniglich in zwei Klassen scheiden: in solche, die von der 
Fassade, und in solche, die vom Zuschauerraum ausgehen. Fehlen, wenige 
Ausnahmen abgerechnet, seither noch die, die mit der Hauptsache, namlich 
mit der Biihne begonnen, sie resolut als Kern der Gesamtanlage erfassten 
und herausarbeiteten. Man findet es durchaus in der Ordnung, wenn ein 
Architekt, der einen Bankpalast auffiihren soil, das Schwergewicht nicht 
auf ein verblitzendes, in Saulen von seltenem Marmor und flandrischen 
Gobelins prangendes Stiegenhaus oder auf eine luxurios herzurichtende 
Direktorswohnung, sondern auf einen gut belichteten Zentralschalterraum 
mit moglichst praktisch um ihn gruppierten Kassen- und Schreibstuben 
legt. Verniinftig, wie man heute iiber Dergleichen denkt, wiirde man es 
einem Baumeister gewaltig veriibeln, sofern er zu Gunsten einer pomposen 
Festaula die Unterrichtssale und -Zimmer einer Schule, einer Universitat 
benachteiligen wollte. Soil allein das deutsche Theaterhaus fiir alle Ewig- 
keit der typische lucus a non lucendo bleiben? 

Aesthetiker der Gegenwart belehren uns dariiber, dass im Zeitalter 
der gigantischen Eisenkonstruktionen ein neuer Schonheitsbegriff aus der 
nach Seiten des Z weckmassigen am vollkommensten gelungenen Losung 
einer Aufgabe abzuleiten sei. Nun denn: das Theatergebaude mit Rangen 
und Logen ist der Gipfel der Unzweckmassigkeit. Bei seiner ungliicklichen 
Mittelstellung zwischen erweitertem Gesellschaftssalon und Singspielhalle, 
bei der Notwendigkeit, den durch die Range gewaltsam zerschnittenen 
Wanden mittels dekorativer Zutaten wenigstens den Schein des Einheitlichen 
anzuschminken und die hier erforderlichen vielen Aussen- und Innen- 
korridore halbwegs wohnlich zu machen, braucht man schlechterdingS viel 
teuren Aufputz, der im Amphitheater mit seinen zwei ungebrochenen. 



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89 ^^^^^ 

MARSOP: ZUR BOHNEN- UND KONZERTREFORM 

lediglich architektonisch zu gliedernden Seitenwanden wegfallt. Das Opern- 
haus kostet also reichlich um ein Drittel, wenn nicht um die Haifte mehr 
als das Amphitheater. Es fordert ferner, selbst wenn fur jeden Rang 
zwei bis drei breite Sonderti >pen vorgesehen sind, der unvermeidlichen 
Hohe dieser Treppen halber fiir den Fall eines Brandes oder einer Panik 
das Verhangnis formlich heraus — wahrend das Amphitheater mit seinen 
kurzen geraden Treppen binnen zwei Minuten zu raumen ist. Jenes zwingt 
einen guten Teil der Besucher zu krampfhaften Gliederverrenkungen, so- 
fern sie vom Schauspiel etwas sehen wollen. Es gewahrt nur der ver- 
schwindend geringen Anzahl von Zuschauern, die in der Mitte des Parketts 
und des ersten Balkons ihre Platze haben, den fiir ein ungefahr richtiges 
Aufnehmen der Biihnenperspektive giinstigen Einblick und zeigt iiber neun 
Zehnteln verzerrte Bilder und die schnurrigsten Missverhaltnisse zwischen 
den Darstellern und den auf den Prospekt, die Seitenkulissen und Versatz- 
stiicke gemalten Gegenstanden. Es zerstort nicht Wenigen rettungslos die 
Illusion, indem es fiir alle seitwarts Sitzende technische Behilfe der Maschi- 
nerie und der Beleuchtung sichtbar werden lasst. Es notigt die Sc^"- 
spieler und Sanger, sich im Ton zu iibernehmen, die Geste zu vergrobern, 
den Vortrag oft ungebiihrlich zu dehnen, um sich denen iiberhaupt nur 
verstandlich zu machen, die von der olympischen Hohe der oberen Range 
herunterspahen. Es zwingt bei starker instrumentierten Musikdramen den 
Kapellmeister zu einem unausgesetzten Eiertanze, damit weder die Ge- 
sangsstimmen von den Instrumenten gedeckt werden, noch das Orchester 
an Glanz und Schmelz der Farben allzuviel einbiisse. Denn in einem 
Hause mit Rangen und Logen das Orchester zu versenken, ist vollends 
baarer Unsinn. Auch ein Laie miisste einsehen, dass die akustischen Ge- 
gebenheiten des himmelhohen Opernhauses mit facherartig auseinander- 
geblatterter Wandung und die des geschlossenen Amphitheaters grund- 
verschiedene sind. 

Alles in Allem: nur die liebe Gewohnheit, die Denkfaulheit ver- 
schulden es, dass man bei uns immer noch das italienische Opernhaus 
kopiert — wobei es gleichgiiltig bleibt, ob man in die verschiedenen Balkons 
mehr oder weniger Extrakafige hineinqualt. Hingegen sind alle guten 
praktischen Griinde wie alle aesthetischen Vorteile auf Seiten des Amphi- 
theaters. Die Kunstfreunde hatten sich schliesslich nur noch iiber das 
Erschrockliche, Unerhorte zu beruhigen, dass man sich in Deutschland 
getraute, sich die Weisungen eines deutschen Meisters zu Herzen zu nehmen 
und den walschen Kram, zumal wenn er hinlanglich vermodert ist, mit 
einem tiichtigen Schwung vor die Tiir zu werfen. Soil denn wirklich noch 
einmal ein Aergernis gegeben werden wie solches: dass man anno 1905 
in der Stadt des Hans Sachs mit Aufwand von fiber 3 1 ., Millionen dem 



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90 
DIE MUSIK V. 8. 



Germanischen Museum ein walsches Opernhaus gegenuberstellt ? Wenn 
man das Germanische Museum nur noch als eine grosse Raritatenschachtel 
fur abgelegte Vergangenheitsmoden betrachtet, wenn als seine vornehmste 
Bestimmung nicht mehr die erkannt wird, das deutsche National- 
bewusstsein zu starken, dann ist es nicht mehr Reichs- noch Landes- 
angelegenheit. Dann mache man getrost ein Casino fiir dieCommis voyageurs 
von Furth daraus. 

Womit natiirlich nicht in Abrede gestellt werden soil, dass neuere 
Prunkbauten wie die Stadttheater von Nurnberg, Koln, Dortmund, wie das 
Frankfurter Schauspielhaus in der Behandlung des Ornamentalen, im Zu- 
sammenklang von edlem Gestein, reichen Stoffen, farbensattem Glase, in 
zarteren, damraerigen Int6rieurstimmungen, in delikat ausgefuhrten Holz-, 
Eisen- und Broncearbeiten sehr Geschmackvolles aufzeigen und auch ihrer- 
seits fur das Wiedererstarken des deutschen Kunstgewerbes ein vollgiltiges 
Zeugnis ablegen. Aber was haben diese Dinge mit dem Theater als solchem 
zu schaffen? Gewisslich darf man im Wirtschaftsleben eines Volkes auch 
der Luxusindustrie die Berechtigung nicht abstreiten. Fiir den begiiterten 
Privatmann ist es Ehrenpflicht, sie zu fordern. Das Konigsschloss braucht 
glanzvolle Repraesentationssale. Die Vertretung einer wohlhabenden 
Burgerschaft mag mit erheblicherem Aufwand in ihrem Stadthause zur 
Schau stellen, was der einheimische Gewerbfleiss an wertvollen boden- 
standigen Erzeugnissen nur immer hervorzubringen fahig ist. Museums- 
einrichtungen sollen mit schicklichem dekorativem Schmuck sich den Kunst- 
werken anschmiegen, die sie beherbergen. Was wollen aber die stock- 
werkhohen Spiegel, die Damastverkleidungen der Vande, die uberladenen 
Kandelaber und Ampeln, die mit ihren nervosen Schlangellinien schier 
aus dem Leim fahrenden Mobel im Theater? Ist all' dergleichen aus 
gediegenem Material hergestellt, dann kostet es, iiberflussig wie es sich an 
dieser Statte ausnimmt, ein Heidengeld, das zehnmal besser auf die Er- 
ganzung des darstellenden Personates, auf eine Erhohung der Beziige der 
Orchestermitglieder, Choristen und Buhnenarbeiter, auf die Bereicherung 
des Kostumfundus zu verwenden ware. Ist es schlechte Nachahmung in 
stucco lustro und notdurftig aufgeklexte Vergoldung, dann beleidigt es das 
einigermassen geschulte Auge — und kommt schliesslich auch teuer genug 
zu stehen. 

V 

Fraglos ist es etwas Gutes darura, wenn ein berufener Architekt 

auch Innenraume mit Verstandnis auszuzieren versteht. Aber es mag 

Jemand sich als gewiegter B architecte-d6corateur" einen Namen gemacht 

haben, und braucht darum noch keineswegs in einer bedeutend organischen 



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91 
MARSOP: ZUR BUHNEN- UND KONZERTREFORM 



baulichen Formensprache reden zu konnen. Wie man indessen vor Zeit 
und Weile mit Vorliebe die einseitigen Fassaden-Virtuosen zum Theaterbau 
heranzog — fiir je hunderttausend Mark plus eine Kompagnie korinthischer 
Saulen mehr — so scheint man augenblicklich den Tapezierfex fiir den ge- 
eignetsten Quartiergeber Melpomenes zu halten. Was bekiimmern sich 
auch unsere Stadtvater um das Organische, Zweckvoll-Schone in der Kunst? 
Sie wollen den gleichen, gerade herrschenden Kommerzienratsmoden, die 
ihnen fiir die Ausstaffierung ihrer Wohnungen massgebend sind, auch in den 
von ihnen finanziell gestfitzten „Vergnugungsanstalten tt wieder begegnen; 
sie fragen nicht, wann und wo sich Heir Anatole Flinkhand seiner Studien 
im Theaterbau befliss, ob er je zuvor schon ein Biihnenhaus von der 
Ruckseite sah. Es genugt ihnen, dass er sich am Rockarmel van de Velde's 
gerieben hat. Dass er ihnen dem Biihnenbild recht dreist an die Seite 
ruckende Proszeniumslogen oder einen geschweiften, kraftig ausladenden 
Balkon in die Wand schraubt, von dem aus sie zu ihren minderbegiiterten 
Mitbiirgern im Parterre huldvoll herunter grussen konnen. Um Himmels- 
willen, nur kein Amphitheater, wo man mit solch vermogenslosen Lumpen 
wie dem Lehrer Ameier, dem Schriftsteller Bmeier und — wie entsetz- 
lich ! — womoglich mit dem ehrsamen Handwerker Cmeier in einer Reihe 
sitzen muss! Mit Leuten, die dazu noch so anmassend sind, von Einem 
zu verlangen, dass man wahrend der Vorstellung keinen Laut reden, sich 
durch nichts bemerkbar machen diirfe! Das sind die Reaktionare aus 
Eitelkeit. 

Auch unsere Bankfursten, Grossindustriellen und Wirklichen Ge- 
heimen Kanzleirate reisen ja fiber die Alpen. Sofern sie sich unter sach- 
kundiger Fuhrung mit antiken Bauwerken vertraut machen, kann man sie 
fiiglich darauf hinweisen, dass auch in griechischen und romischen Theatern 
die Rangabstufungen nicht fehlten, hergestellt durch nicht zu schmal be- 
messene Zwischengange, die den stark ansteigenden halbkreisformigen 
Zuschauerraum seiner ganzen Breite nach durchquerten. Es mochte sich 
empfehlen, sie auch in das Theater einzulegen, das wir Wagner verdanken 
— ich habe daffir die Bezeichnung „Deutsches Spielhaus" vorge- 
schlagen, im Gegensatz zum italienischen Opernhause. Diese Gange wfirden 
eine bequemere Zirkulation, dazu eine sich schon beim ersten Ueberblick 
deutlich kundgebende Zusammenfassung nach Gruppen, oder, wenn man 
will, Rangen ermoglichen. In der Art, dass sich die in hoheren oder 
niedrigeren Bankgruppen befindlichen Platze so ziemlich auf die bisher 
ubliche Weise verschieden einschatzen lassen. (Im Prinzregenten-Theater 
hatte man sechs n Range", den sechs Eingangstiiren zur Rechten und zur 
Linken entsprechend; Abteilungen von vier bis funf Banken sind jetzt 
schon durch Sperrleisten von einander getrennt). Als die besten, also 



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92 
DIE MUSIK V. 8. 



teuersten Sitze miissten nicht die der ersten, unmittelbar vom oberen 
Orchester-Schalldeckel aufsteigenden Bankreihen, sondern die der zweiten 
Gruppe gelten, da den Inhabern dieser Platze das Buhnenbild sich noch 
besser ausgeglichen zeigt. Der Einheitspreis fiir alle Sitze ist im Bay- 
reuther Festspielhause traditionell und lasst sich hier insofern mit Grund 
verteidigen, als ein lediglich fiir kurze Zeit zusammengestelltes Sanger-, 
Orchester- und Technikerpersonal in Frage kommt, die Kosten also unver- 
haltnismassig hoch auflaufen. Nicht zu rechtfertigen ware er fiir Vor- 
stellungen in anderen amphitheatralisch gehaltenen Hausern, die ganz oder 
doch vorwiegend mit einem jahraus, jahrein regelmassig arbeitenden Buhnen- 
apparat bestritten werden. Denn wenn auch in einem nach wagnerisohem 
Vorbild geschaffenen Amphitheater jeder Zuschauer die Szene gut uber- 
sehen kann, so lassen sich doch die ganz auf der Hohe gelegenen Platze 
gerechterweise nicht gleich hoch bewerten wie die gegen die Mitte zu 
befindlichen. 

Da die von mir vorgeschlagenen umlaufenden Zwischengange den 
Wegfall einer Anzahl von Sitzreihen bewirken wiirden, der Zuschauersaal 
jedoch nicht zu tief werden, also der Kranz der bekronenden Logen, be- 
ziiglich die oberste Bank nicht zu weit von der Vorhangslinie entfernt 
sein darf, so muss auf andere Art Raum eingespart werden — wenn nam- 
lich ein grosseres Spielhaus von 1200 bis 1500 Platzen in Rede steht. 
Man hiilfe sich am besten, indem man gleichsam zwei Amphitheater uber- 
einander legte, unter Beibehaltung der Grundform, ohne in die Seiten- 
wande auch nur einen Sitz einzuflicken, sodass der Charakter des 
vom Orchester bis zur Spitze einheitlich aufsteigenden „Theatron u 
schlechterdings nicht beeintrachtigt wiirde. Zwischen dem oberen und dem 
unteren Amphitheater liessen sich ganz gut Lauben 1 ) einfiigen, die teils 
von zahlenden Besuchern zu benutzen waren, teils Ehrengasten vorbehalten 
blieben. Handelte es sich um eine Hofbiihne, so stiinden somit dem 
Landesherrn, den Angehorigen des regierenden Hauses und den sogenannten 
Hofrangklassen erstens diese Mittellauben, zweitens die den Raum be- 
herrschenden oberen Lauben, die man im Bayreuther Festspielhause 
Furstenlogen nennt, zu Gebote. Zum dritten konnte man — wie aus dem 
oben erwahnten Semper'schen Modell ersichtlich ist — auch ganz gut 
unmittelbar iiber dem Orchester einen dtirch einen breiten Quergang vom 
eigentlichen Amphitheater vollig getrennten Sonderraum mit Hoflauben 



\, Wollen wir nicht das gute deutsche Wort Laube wieder zu Ehren bringen, 
und die „Loge a den Franzosen uberlassen? In -»Jeichen den „Regisseur*, den w Souff- 
leur a , den ^Billeteur" und auch noch den „Theaterrestaurateur a , unter dem wir augen- 
scheinlich einen Mann zu verstehen haben, der schadhafte Stellen im Dachstuhl des 
Theatergeb5udes mit Schinkenbrotchen verstopft. 



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93 
MARSOP: ZUR BOHNEN- UND KONZERTREFORM 



ausbilden, deren Schranken allerdings nicht hoher sein diirften als die 
Lehnen der iiber ihnen sich erhebenden durchgehenden Sitzbanke. Der 
Hof hatte somit zunachst der Szene, dann in der Mitte, und schliesslich 
auf der Hohe des Hauses beliebig zu verwendende, abgeschlossene Platze 
mit eigenen Zugangen, Treppen, beziiglich Vor- und Erfrischungszimmern 
oder Hallen zur Verfiigung — womit auch dem anspruchsvollsten Zeremonien- 
meister Geniige getan ware. Doch mochf ich zur Vermeidung etwaiger 
Missverstandnisse ausdriicklich bemerken, dass in den biirgerschaftlichen 
Kreisen, die man mit einem derben, aber zutreffenden Ausdruck die 
Protzengesellschaft nennt, sich bisher ein verhaltnismassig stiirkerer Wider- 
stand gegen die Ausbreitung der amphitheatralischen Bauweise bemerkbar 
machte, als in den Zirkeln, die darauf angewiesen sind, die Vorschriften 
der Etikette sorglich im Auge zu behalten. 



VI 

Als weniger machtige, doch immerhin nicht ganz einflusslose Gegner 
sind jene, ich wiederhole es, in ihrem Gesamtwirken sehr hochzuschatzenden, 
ihre Meinung im besten Glauben verfechtenden, doch ein wenig einseitigen 
Wagnerianer anzusehen, bei denen sich der Gedanke festgesetzt hat, es 
verstosse gegen die Grundabsichten des Meisters, in einem Hause, wie er 
es schuf, andere als wagnerische Werke zur Auffiihrung zu bringen. Ueber- 
dies werde man, wie sie sagen, der letzteren Aufgabe im Bayreuther Fest- 
spielhause auf mustergiltige Weise, im Miinchner Prinzregenten-Theater 
immerhin bis zu einem hohen Grade gerecht. Ergo sei es iiberfliissig, 
weitere Theater in wagnerischem Stile zu erbauen. Ergo miisse man 
Leute, die sich dessen unterfangen wollten, nach Moglichkeit daran zu 
verhindern trachten. 

Das sind die Reaktionare aus iibertriebener Pietat. 

Der schlichte Hausverstand sagt: was Bayreuth bietet, ist vorbildlich, 
was es lehrt, soil an alien Orten befolgt werden. Nun steht es aber so, 
dass die Sanger das meiste von dem, was sie heute bei der stilvollen, 
abgeklarten Wiedergabe eines wagnerischen Werkes an der rechten Statte 
lernten, morgen auf der Szene des italienischen Logenguckkastens, vor dem 
hier offenen Orchester und auf einem Podium, das bei hier ganzlich 
andersartigem Verhaltnis der Biihne zum Zuschauerraum eine Befolgung 
der Bayreuther Regievorschriften oft unmoglich macht, notgedrungen wieder 
verlernen miissen. Ergo wird^die Bayreuther Unterweisung erst dann die 
rechten Friichte tragen, wenn die darstellenden Kiinstler die wagnerischen 
Dramen bei ahnlichen Gegebenheiten wie im Bayreuther Hause an mog- 

V. 8. 7 



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94 
DIE MUSIK V. 8. 



lichst vielen Orten zur Wiedergabe bringen. Ergo ist es schon aus 
diesem Grunde geboten, moglichst viele Deutsche Spielhauser zu errichten. 
Aber es giebt keinen zureichenden Grund dafiir, auf solche Gebaude 
insgemein die Bezeichnung „Festspielhaus a anzuwenden, weil das erste, in 
dem Wagner diesen Typ auspragte, zum Festspielhaus bestimmt und mit 
einem „Biihnenfestspiel tt , namlich dem „Ring des Nibelungen* eroffnet 
wurde. Ohne alien Zweifel ist das Logenhaus im architektonischen Ver- 
stande ein Unding, ein Greuel; sicherlich kann das deutsche Spielhaus, 
wenn der rechte Baumeister sich seiner annimmt, eine hohe architektonische 
Schonheit offenbaren. Warum in aller Welt soil jedoch iiber die amphi- 
theatralische Form an sich eine besondere Weihe gebreitet, von ihr nicht 
abzulosen sein? Meine beschrankte Unterthanenlogik reicht nicht hin, urn 
das einzusehen. Ist etwa ein Horsaal in einer Klinik oder in einer Kunst- 
akademie, dessen Sitze im Halbrund ansteigen, „weihevoller a als ein anderer, 
dessen Banke, zu ebener Erde hintereinander gestellt, ein schlichtes Recht- 
eck ausfiillen? Klagten vielleicht die alten Athener und Syrakusaner, die 
doch unseren Kunsthorizont betrachtlich ausweiteten, es ware die „Weihe 
des Hauses 14 von ihrem Theater genommen und der grossen in ihm ge- 
pflegten Tragik ein Schimpf angetan, weil dort auch Satyrspiele zur Auf- 
fiihrung gelangten — Stiicke, in denen es von argen Zoten wimmelte? 
Nicht nur die „Oresteia tt des Aischylos, sondern auch die mit Schlupfrigem 
durchtrankten Komodien des Aristophanes erregten dort hellen Jubel, in 
den auch die weisesten unter den alten Griechen frohlich einstimmten. 
Sind auf romischen Biihnen mit amphitheatralischem Zuschauerraum nicht 
n Mimen u und ^Atellanen", zu deutsch Possen und Hanswurstiaden ge- 
spielt worden? Es verrat freilich arge Bosheit und hinterlistige Tiicke, 
dass die Alten nicht nur die Hauptideen des wagnerischen Theaters vor- 
wegdachten, sondern es noch durch lasterliche Spasse entweihten. Mit 
seinem im Jahre 1580 begonnenen „Teatro olimpico" zu Vicenza kam 
Palladio Richard Wagner noch ein ganzes Stuck weiter entgegen, als es 
die Hellenen getan hatten x ). Die Haut schaudert Einem, der helle Angst- 

! ) Vergl. Jacob Burckhardt: „Dieser merkwiirdige Versuch eines Theaterbaues 
in der Art der Alten ist in jener Zeit lange nicht der einzige; wir durfen z. B. bei 
vielen Theaterbauten des Augenblickes, deren Vasari eine ganze Anzahl erwabnt, eine 
ahnliche Anlage voraussetzen. Allein des Erhaltenen ist ausserordentlich wenig; 

das Teatro Farnese in Parma (1618) erscheint bereits als ein Mittelding 

zwischen antiker und moderner Anlage; die Scena ist schon ein auf Verwandlungen 
berechneter Tiefbau*** ( w Der Cicerone**.) Ueber solche, meist fur Festlichkeiten, die 
der Vermahlung oder der feierlichen Einholung eines Fursten galten, errichtete 
„Theaterbauten des Augenblickes" spricht der gleiche Verfasser in seiner ^Kultur der 
Renaissance in Italien". — Vasari ( B Lebensbeschreibungen etc.**) ist, wie bekannt, 
weder in seinen Mitteilungen ubermassig verlasslich, noch in seiner Ausdrucksweise 



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95 
MARSOP: ZUR BCHNEN- UND KONZERTREFORM 

schweiss tritt Einem auf die Stirn, wenn man sich vorstellt, dass dort am 
Ende lockere Musensohne aus dem benachbarten Padua die „Menaechmen" 
des Plautus oder gar die „Mandragola a Machiavells vorgestellt und jede 
Anzuglichkeit doppelt unterstrichen haben, um den Bayreuther Meister 
aufs Empfindlichste zu kranken. Eine eingehende Behandlung dieses bis- 
her noch wenig erorterten besonders triiben Kapitels aus der Leidens- 
geschichte des Genius mochte ich kiinftigen Wagner-Biographen angelegent- 
lich empfehlen. Es kam das Aergste: Schinkel war ganz nahe daran, im 
Jahre 1817 das Bayreuther Festspielhaus auf den Berliner Gensdarmen- 
markt zu stellen, und begriindete zu allem Ueberfluss noch die Notwendig- 
keit, das Orchester zu verdecken, so vortrefflich, dass es der Schopfer des 
^Tristan" hinterher nicht besser zu tun vermochte. 1 ) Wer getraut sich's, 
auszumalen, welche Todsiinden Schinkel im Einverstandnis mit dem 
damaligen Intendanten gegen den wagnerischen Geist begangen haben 
wiirde, wenn seine Skizze feste Gestalt und voiles Leben gewonnen hatte? 
Vielleicht waren damals vor dem Amphitheater des vielverschrieenen Kotze- 
bue ausserst wirksame ^Deutsche Kleinstadter" erschienen, mit dem in kost- 
liche Lokalfarbe getauchten, dem zweiten Aktschluss der „Meistersinger u in 
bescheideneren Verhaltnissen vorgeahnten zweiten Finale. Davon nicht zu 
reden, dass Richard Wagner in selbige „Meistersinger tt hier und da recht 
derbkornige Scherze hauptsachlich aus dem Grunde einflocht, um Wotan 
und Briinnhilden das Festspielhaus ein fur allemal zu verleiden. 

Im Ernst gesprochen: kein Kiinstler oder Kunstfreund von einigem 
Geschmack wird beantragen, dass man auf der einem Amphitheater vor- 
gelagerten Szene dem widerwartig albernen Wortspielgetandel eines Blumen- 
thal oder den iibel duftenden pariser Ehebruchs-Dialogen oder einem 
sensationellen Reisser wie ^Madame Sans-G^ne tt einen Platz einraume. 
Er wird aber auch dergleichen Zeug von jedem deutschen Schauplatz 
gem verbannt wissen wollen, welchen baulichen Zuschnitt das Theater nur 
immer habe. Mit anderen Worten: nicht die Gattung des dramatischen 
Spieles an sich adelt das Haus oder setzt es herab. Entscheidend ist viel- 
mehr ein gewisser Hohegrad des schopferischen Vermogens, der innerhalb 



besonders klar. Es erhellt jeweilig nicht zur Genuge, ob er nur gemalte Prospekte 
und Kulissen oder ein vollstandiges Theatergerust meint. (Siehe seine Notizen uber 
die Dekorationen Baldassare Peruzzi's zur w Calandra a des Kardinals Bibbiena.) - Die 
diesem Heft beigegebene Abbildung des „Teatro olimpico" wird den Leser daruber 
aufkiaren, dass es nicht nur, wie Burckhardt meint, w ein Theaterbau in der Art der 
Alten" ist, sondern die antike Szene ertaebJich weiter ausbildet. Ein Vergleich mit 
der Buhnendisposition von Oberammergau ist sehr belebrend. — Ueber das Teatro 
Farnese hab' ich an dieser Stelle scbon gesprochen. 

! ) Die bezuglichen Ausfuhrungen Schinkels sind zitiert in der vortrefflicben 
Abhandlung Tb. Ungers w Der akustiscbe Musiksaal". („Die Musik", Jahrg. II, 14.) 



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96 
DIE MUSIK V. S. 



jeder Gattung erreicht werden kann. Durchaus reinliche funfaktige 
Jambentragodien, wie sie jiingere Stubendramatiker vierteljahrlich aus ihrem 
Organismus auszuscheiden pflegen, wiird' ich als Intendant von einer Bfihne 
wie der des Prinzregenten-Theaters ohne Umstande wegweisen. Aber ich 
verspiirte nicht die geringste Herzbeklemmung, als ich dort Molifcre's 
geniales Possenstiick vom „Eingebildeten Kranken" fiber die Bretter gehen 
sah. Nur dass ich in Rficksicht auf die Intimitat der Handlung und die 
in einzelnen Auftritten erforderliche schauspielerische Kleinarbeit an jenem 
Abend das Amphitheater nach Hohe und Breite gem etwas eingeschrankt 
gesehen hatte — ich komme auf Analoges weiter unten zuriick. Hingegen 
diinkt mich Shakespeare's Heinrich IV. in seinen beiden Teilen fur eine 
Darstellung vor einem Amphitheater von recht ansehnlichen Verhaltnissen 
in der Art des Miinchner vorzfiglich geeignet. Wollte mir indessen Jemand 
zumuten, ich solle die mit meisterlichem Stift gezeichnete Figur Dortchen 
Lakenreissers „in usum amphitheatri" herausstreichen, so wfird' ich ihm 
den , ich wollte sagen die Suppe gehorig versalzen. 

Naturalistischer Anwandlungen kann man nun die ffihrenden deutschen 
Musikdramatiker unserer Tage wahrlich nicht zeihen — auch Richard 
Strauss nicht, der, selbst wenn er Arm in Arm mit einem Ernst von 
Wolzogen erscheint, doch tausendmal mehr von der Sinnlichkeit eines hoch- 
genialen romantischen Eulenspiegels als von der eines ausgepichten Zynikers 
hat. Vollends sind Partituren wie die des „Armen Heinrich" und der „Rose 
vom Liebesgarten" unseres Hans Pfitzner, wie die der „Ingwelde" von 
Schillings, wie die der n Ilsebill" Klose's durchaus vom Geiste eines 
lauteren, vornehmen Idealismus durchdrungen. Doch auch ihnen donnern 
einige Tempel- und Amphitheater-Hiiter, die wagnerischer als Wagner sind, 
ein zorniges „Zurfick!" entgegen. Papstlicher als der Papst; denn Wagner 

sagt fiber Aufffihrungen in seinem Hause: „Ich rechne mit 

Bestimmtheit auf den entsprechenden Erfolg, nicht meines Werkes als 
solchen, sondern der vollendeten Richtigkeit der theatralischen Auffuhrung 
desselben, und nehme an, dass dieser Erfolg zunacht in dem Verlangen 
nach periodischer Wiederkehr ahnlicher Aufffihrungen sich aussprechen 
werde, ffir welche dann, in immer weiterer Ausdehnung vielleicht auf 
jede Gattung dramatischer Arbeiten, stets solche Werke bestimmt 
sein sollten, welche, der Originalitat ihrer Konzeption und ihres 
wirklich deutschen Styles wegen, auf eine besonders korrekte 
theatralische Aufffihrung Anspruch zu erheben haben. u 

Ich frage: ist jenen Partituren von Pfitzner, Schillings, Klose die 
Originalitat der Konzeption und der deutsche Sty 1 abzustreiten? Ich bitte 
mich zu widerlegen. 

Fur mein Teil mochte ich nicht um alle Schatze Arabiens und In- 



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97 

MARSOP: ZUR BOHNEN- UND KONZERTREFORM 



diens in der Haut eines fur die Biihne schreibenden Musikers unserer 
Tage stecken. Vernachlassigt er die schone Gesangslinie iiber kleinlicher 
Silbenausdeutung, dann halt man ihm mit Recht entgegen: *Nimm Dir ein 
Beispiel daran, wie gut Wagner Eindringlichkeit der Deklamation mit 
melodischer Fiihrung der Stimmen zu vereinigen wusste!" Wachst seine 
Handlung zu sehr in die Breite, anstatt folgerecht, ohne sich in einge- 
schobene symphonische Dichtungen oder Lyrismen zu verlieren, einem 
Hohepunkte zuzustreben, dann heisst es wieder mit gutem Grunde: „Lies 
die ersten Akte des „Tristan" und der „Walkiire tt jeden Tag dreimal mit 
gespannter Aufmerksamkeit durch!" 1st seine Musik nicht straff genug 
zusammengehalten, nicht durchsichtig genug instrumentiert, so weist man 
ihn sachgemasserweise darauf hin, wie Wagner trotz alles iiberquellenden 
Reichtums der Gedanken und Farbenvisionen doch stets mit der Sparsam- 
keit des streng logisch gestaltenden Beethovenianers verfahrt. Und so 
noch viele vaterliche oder freundschaftliche Ermahnungen aus der gleichen 
Tonart. Seinerseits entgegnet nun aber der Tonsetzer: „Wenn ich mir, 
in Uebereinstimmung mit Eurem beherzigenswerten Rate, jene Stilmuster, 
jene Meisterdramen stets vor Augen halte, wenn ich demzufolge zum 
Riesenbau der geschichtlichen Entwicklung einen Stein oder auch nur ein 
Steinchen hinzuzufiigen suche, dann schreibe ich naturgemass auch mit 
dem Klang des verdeckten Orchesters im Ohre, dann muss ich meine In- 
strumente in Saft und Farbenpracht sich ausleben lassen, ohne dass meine 
Sanger ubertont werden, dann darf ich mich nicht mit der grellen Thea- 
tralik begniigen, wie sie die Opernszene hergiebt, sondern muss in einem 
Rahmen, der meine Handlung der gemeinen Alltaglichkeit des Lebens 
vollig entriickt, lebensvolle Bilder vorbereiten und voriiberziehen lassen 
konnen. Oeffnet mir also das Deutsche Spielhaus." „Hor Dich der 
Kuckuck", schallt es unwirsch zuriick. ^Fiir Dich und Deinesgleichen 
giebt es kein Amphitheater!" Sinnbildlich ausgedriickt: „Halte Dich beim 
Marschieren kerzengrad, mein Sohn : Kopf hoch, Brust heraus, die Fiisse 
hubsch auswarts gesetzt. Doch dass Du mir ja auf den Handen gehst! u 
Nein, meine verehrten Freunde! Entweder wir einigen uns darauf, dass 
Wagner, alien Erfahrungen der Historie zum Trotz, nicht wie Gluck, 
Mozart, Weber, wie sonst jeder hervorragende Meister der Malerei, Plastik, 
Dichtung in den Nachfahren weiter wirken konne. Dann ist sein Werk 
Trugkunst und Mitternachtsspuk; dann versenken wir die „Tetralogie tt in 
den Rhein und streuen die „Gesammelten Schriften" in die Winde! Oder: 
wir halten Wagner fur just so zeugungsfahig wie seine hohen Ahnen. 
Dann miissen wir aber auch, indem wir sein Theater als einen 
integrirenden Bestandteil seiner Kunst und seiner Reform 
betrachten, vor dem ernst strebenden Nachwuchs alle Pforten auftun. 



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98 
DIE MUSIK V. 8. 



Sonst werden uns die Spateren den indischen Wittwen vergleichen, die 
sich und ihre Zukunft mitsamt dem toten Herzgemahl und den edelsten 
Familienkostbarkeiten auf dem Scheiterhaufen verbrannten. 

Zum hundertsten Male wfrd man mir vorriicken, dass ein Rembrandt 
unter alien Umstanden ein Rembrandt bleibt, auch wenn man ihn in einer 
Strohhutte aufhangt, und dass aus einem RafFael Mengs nun und nimmer 
ein Raffael Santi wird, auch wenn man ihn mit dem schonsten altflorentiner 
Altarschnitzwerk umkleidet. Zum hundertsten Male werde ich darauf zu 
erwiedern haben, dass ich der letzte bin, der es Jemanden verwehren 
wollte, einen Rembrandt — wenn er einen hat — in einer Strohhutte auf- 
zuhangen und sich in Hemdarmeln und Unterhosen davor aufzupflanzen — 
das Genie nimmt Unhoflichkeiten nachsichtiger auf als der Durchschnitts- 
mensch. Dass ich jedoch im Uebrigen von einem Apfelbaum keinen 
Pfirsich erwarte, aber um so schmackhaftere Aepfel, je bessere Pflege ich 
ihm angedeihen lasse. Ich gebe mich gar keiner Tauschung dariiber hin, 
dass wir bisher von nachwagnerischen Opernpartituren, in denen sich eine 
Personlichkeit mit eigenen Gedanken und individueller Gestaltungskraft 
ausspricht, wohl eben gerade ein Dutzend zusammenstellen konnen. Doch 
die, denen es das Geschick bestimmt hat, zu solchem Dutzend beizusteuera, 
werden kiinftig mit ungleich gesteigerter Freudigkeit an ihre kiinstlerische 
Arbeit gehen und nach Massgabe der ihnen verliehenen Talente ein relativ 
Hochstes erreichen, wenn wir es ihnen ermoglichen, in der von Wagner 
eroffneten Entwicklungsbahn frei auszuschreiten. Die Unselbstandigen, 
Hiilflosen, Ideenarmen, mit einem Wort, die geborenen Hintermanner 
werden ja auch fernerhin Wagner-Nachfolge mit Wagner-Nachahmung ver- 
wechseln. Weil deren aber genug und iibergenug vorhanden sind, hat man 
doch wahrlich nicht das Recht, Andersgearteten die Lebensadern zu 
unterbinden. 

Die Entscheidung dariiber, welche Werke neuzeitlicher Musikdramatiker 
in einem Hause von amphitheatralischer Anlage darzustellen seien und 
welche nicht, iiberlasst man billig einem an die Spitze eines Opern- 
institutes berufenen fiihrenden Kiinstler. Hierin frei vorzugehen, das ist 
die einfache Konsequenz der ihm iibertragenen Befugnis, den Spielplan 
nach seinem Gutdunken festzusetzen. Begeht er einen Missgriff, so rechne 
die Kritik mit ihm ab, die im einzelnen Falle die besseren Griinde auf 
ihrer Seite hat. Ihn jedoch a priori davon abhalten zu wollen, nach- 
wagnerische Werke in einem nach wagnerischer Grundform gebauten 
Hause zu bringen, weil ihm oder spater einmal einem minder hell- 
sichtigen Nachfolger auch gelegentlich etwas weniger Wiirdiges mit unter- 
laufen konnte: das ware eine seltsame Logik. 



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09 ^^^ 

MASSOP: ZUR BDHNEN* UND KONZBRTREFOKM 



Schwerllch wird Jemand meine obigen Auflftthrungen in irgcndwelche 
Beziehungpn zu Bayreuth setzen. Doch half ich es nicbt fdr uberflussig, 
mix durren Worten zu erklSren, dass sie keineswegs auf das Festspielhaus 
abzielen, nicht darauf abzielen kSnnen. Eine langflhrlge Erfabrung bat 
mich darflber belchrt, diss es besser ist, ab und zu Selbstverstfindliches 
zu unterstreichcn, als ubelwollenden Auslegern auch nur den geringsten 
Anhsltepunkt zu bieten* Fur Bayreuth ist es entscheidend, dass Frau 
Wagner, als die berufene Bewahrerin der Tradition, ihre unsctaStzbare 
Kraft der Interpretation der Werke des Meisters ungeteilt widme. 

Ueber die Aufgaben, die in anderwirts errichteten und des Ferneren 
zu enicbtenden Deutschen SpielbBusern ausser der Pflege der wagneriscben 
und der gehaltvollen oachwagneriscbeii Musikdramen zu ISsen sind, werde 
ich mit Nflchstem Einlges zu sagen haben. 

Anmerkung, Auch etHcbe Bemerkuagen Ober die junfst gemacbteu Vor- 
acblige, Amphitheater durcb eine einzuschjebeode Z witch eudecke ad libitum zu wr* 
Ueiners, towie fiber gotrofffine und aoch zn trelfande VerbettenidgOD im Tenenkten 
Orchetter der Hiu«er von imphitheatraliicber Bauvciae tarns Ich mlr fBr d«a nlchstft- 
ma) aufiparen. — Betrachtungeo fiber refonnatorische Schritte und Mauuabroen Im 
Konzerttatl werden rich daran anschltasaen. 

Ein Scblusaartlke] folgt fm 2. Februar-Heft 




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■'■' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 






4 



EIN KONVERSATIONSHEFT 
VON LUDWIG VAN BEETHOVEN 

ZUM ERSTEN MALE VOLLSTANDIG MITGETEILT 
UND ERLAUTERT 

von Dr. Alfr. Chr. Kalischer-Berlin*) 






Schluss 



Bestimmen Sie nun, wann wir im Erzherzog Carl zusammenspeisen. 

2) Stieler hatte etwas Kathe [er, oder Katharrh], ist aber wieder wohl 

Staudenheimer. 92 ) Stieler und Wolf. — ich stelle alte Weine. 

Nun den nachsten Freytag? 
Es bleibt also beym Freytag? 

Das ist er gewiss nicht, ich weiss es aus eigener Erfahrung. 

Sie war gern in Wien. 

Hinterlassen Sie mir gefalligst den bestimmten Tag bey Stieler. 

[Bl. 76b] Der Freund, welcher iiber Ihnen wohnt, hat vor zwey Jahren 
seine Wirthschaft bey der Schwechat 88 ) an den Baron Minkwitz. um 40,000 
verkauft [Rest der Seite leer] 

[Bl. 77a] Ihr Portrait 84 ) wird sehr gut; es erkennt's Jeder gleich 
[KopFbild darunter] 

Ich werde es heute noch lesen. Ich hatte es mir gestern schon vor- 
genommen, allein wir sind zu lange beysammen gewesen. 

s *) Dr. Staudenheimer war eine Zeitlang Beethovens Arzt, besonders seit 
1812. Er wird auch kurzweg ^Staudenheim" genannt, z. B. in einem Briefe an den 
Erzherzog Rudolph aus Franzensbrunn August 1812: „Mit Gothe war ich viel zu- 
sammen. Von T J eplitzj aber beredete mien mein Arzt Staudenheim nach Karlsbad, 
von da hierher, und vermutlich diirfte ich von hier noch einmal nach Toplitz zuruck 
— welche Ausfluge!" Und so ofter. Wolf ist vielleicht einer der zwei Portratmaler 
dieses Namens, Franz oder Peter Wolf, beide fuhrt Boeckh (a. a. O. S. 285) an. 

83 ) Schwechat, Dorf in Niederosterreich am gleichnamigen Flusse, Nebenfluss 
der Donau. 

Hl ) Dieses Heft fuhrt uns in die Zeit hinein, in der Maler C. J. Stieler sein 
beruhmtes Beethovenbild schuf. Stieler lebte von 1781 — 1858. — Die Entstehungszeit 
des Portrats ist von Schindler unrichtig angegeben. 

*) vgl, Jahrg. V, Heft 4, S, 6. 



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101 
KALISCHER: EIN KONVERSATIONSHEFT 



Bleiben Sie noch langer? 

[Bl. 77 b] Es wird ja woll entschieden sein 

Es ist aber um des Knaben willen, dass Sie Interesse nehmen 
Die Institute sind nicht anders 

Mittwoch abends wolln wir gehn, wenn anders alles in Ordnung 
gebracht ist. [Rest der Seite leer] 

[BL 78a] Da [?] ist dein Land gut gerathen. 
Nur Titel 

Die nehmliche? 

Doll verkauft sein Haus in Modling 8 *) mittelst Licitation 

Buchhandler. 

vis a vis von Calliaux 

Sie haben einen braven Advokaten, Bach 86 ) 

[Bl. 78b] Die Ursach, warum ich Sie besucht, ist, um zu horen, ob 
Sie wieder nach Modling kommen. 

Dann Ihnen zu sagen, dass, wenn Sie einst in Modling ein Haus 
wiinschen — jenes von Doll viel'besser ware. 

1°: die nehmliche Aussicht wie beim Binder — 

2°: alles in gutem Baustand. — 

3°: im 1. Stock 7 Zimmer, ein grosser Saal, und eine grosse Terasse; 
wovon also gleich die ! 2 vermiethet werden konnte — 

[Bl. 79a] Zu ebener Erde wieder Wohnungen und Stallungen zu ver- 
miethen — ein niedlich kleiner Garten beym Hause, wobey ein Ausgang 
aus dem Garten riickwarts hinaus. 

6ten December. 

Nun wird es wesentlich vergrossert. 

abends meist keine Musik, meine Tochter zu Hause 
[Bl. 79b] Ende April 

Carbon 
Mich freut es Sie in gutem Wohlsein gefunden zu haben, und doppelt 
freuet es, nachsten Sommer in Modling verehren zu konnen. 



8B ) Bekanntlich batte Beethoven auch in diesem Jahre seinen Landaufentbalt in 
Mddling — und diese Worte mogen mit seinem Sommeraufentbaltsplane des Jahres 
in Verbindung stehen. Siehe auch das weitere Bl. 78b. 

") Es ist Beetbovens Rechtsbeistand etwa seit 1816: Dr. Job. Baptist Bach, 
Hof- und Gericbtsadvokat in Wien. Ungetrubt war die Freundschaft zwischen beiden. 



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102 
DIE MUSIK V. 8. 



Das wird fiir meine Tochter ein Jubel sein. 

Aber es sind ja enorme Gutter zum Bisthum 

[Bl. 80 a] Heut war die Probe vom grossen Concert bey Hof, er ist 
heut um 1 1 Uhr Vormittag abgereist, so ist mir gesagt worden 

er hat den 9ten eintzug 

er aus ge [?] 

er war Konig 

er hat mit 

Das nur hat der Zip. [?] gesagt 

gestern abend um 6 Uhr 

[Bl. 80b Beethoven selbst] Fr. B. 87 ) „zur Intrigue gebohren, ausgelernt 
in Betrug, Meisterin in alien Kiinsten der Verstellung". 

[ainog] Wissen sie Wohnung Kreuze [?] 
Schuster, Balbier — Glass Schleifer 
bey Bernard wegen dem Wolfsohn [unleserl. Wortchen] 
[Bl. 81 a avros] || Mehrere Contre-Basse, Verschiedene Noten, erinnere 
Dich nur der Falle, wie gefehlt war bey 

selben in der sinfonie in A |j 

[aucta von B.] da jemand genannt wird, so erklart diese beides 
[Bl. 81b Schindler] es waren der Fehler nur wenige darin, allein in 
der Sonate op. 106 habe ich ausserordentlich viele gefunden 

Das Manuscript war stellenweise zu schlecht geschrieben und zerkratzt, 
dass ich mich gar nicht auskennen konnte. 

Die Kanzleigeschafte lassen mir nur sehr wenig Zeit iibrig, auch 
muss ich immer auf der Lauer seyn, ob mich der Erzherzog rufen lasst 

Das ist eine andere Sklaverei, eine solche Abhangigkeit 

Das Canon-Motiv zum 2. Satz der 8. Symphonie. 8S ) Ich kann das 
Original nicht finden. 

Sie werden wohl die Gute haben und ihn noch einmal aufschreiben 

ST ) Man beachte diese originellen Worte Beethovens uber seine Schwagerin Frau 
Johanna van Beethoven, die Mutter seines geliebten Karl. Sie hat auch das 
Epitheton „K6nigin der Nacht" von ihm erhalten. 

ss ) Der Kanon entstand zur Verherrlichung des Miilzelschen Metronoms wahrend 
eines Symposions. Man sehe den 4stimmigen Kanon „An Malzel a in der Gesamt- 
ausgabe der Beethovenschen Werke bei Breitkopf & Hartel, Serie 23. 



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103 

KALISCHER: EIN KONVERSATIONSHEFT 



U [der?] Pinterics sang damals den Bass, der Capitain 2 ten Tenor, Oliva 
2 ten Bass. 8 *) 

Von Maelzel hort man jetzt gar nichts. morgen muss ich mit dem 
Hofrath wieder nach Baden 

[Bl. 82a schreibt ein anderer] Moscheles hat in Miinchen sehr gefallen 
im Concert viel eingenommen 

Ein Correspondent hat es uns berichtet. 

[scheint Starke zu schreiben] Der Kleine hat eine grosse Freude gehabt 
wie ich kam, und fragte mich, wann ich sie sehen werde. [Rest leer] 

[BL 82b] Wenn dieses Werk 3 f. kostet, was soil dann eine Sonate 
B^) kosten? 

Antw. Eine Million 

Zu schwer 
zu schwer 

[BL 83a] Aus Neugierde begehret man die Son. auch in Mayland, 
obschon dort kein Mensch lebt, der so etwas spielen kann. 

Er macht noch etwas mehr, d. i. Variat 

[BL 83b Starke od. Czerny] Jede Pendeluhr kann man ebenso richten. 

Ich hab' glaubt, dass er her kommt, ich hab' mit ihm zu sprechen 

Er hat mir heute eine Sonate von Mozart, und die Sonate pathetique 



- <r ) Diese Stelle ist merkwurdig, wenn man Schindlers Erz&hlung fiber den 
Gesang dieses Kanons beim Abschiedsmahle Fruhjahr 1812 damit zusammenh&lt 
(II, 195 f.). Als Teilnehmer am Mahle nennt Schindler dort besonders ausser Beet- 
hoven und Maizel: Stephan von Breuning, den Grafen Fr. von Brunswick, Oliva „und 
andere". Schindler selbst gehorte damals noch nicht zu den personlichen Bekannten 
Beethovens — und so mag diese Stelle des Heftes wohl erganzend eintreten. — Pin- 
terics war Gelehrter und Musiker; fur Beethoven verfasste er viele Auszuge, Be- 
arbeitungen aus klassischen Schriftstellern. - Ubrigens sei hierbei auf A. W. Thayer 
verwiesen, der auf die hier obwaltenden Schindlerschen Irrtumer vortrefflich hinweist, 
auch unter Berucksichtigung dieses Konversationsheftes III, 221 f.). — Wer der da- 
mals singende „Capitain u war, gibt auch er leider nicht an. Aber die erste Aus- 
gabe der Schindlerschen Beetbovenbiographie fuhrt uns doch auf die Spuren dieses 
„Kapitans a . Schindler beschreibt (S, 96), wie er im Jahre 1816 fast taglich mit Beet- 
hoven zu einer bestimmten Stunde in der Gastwirtschaft „Zum Blumenstock" zu- 
sammentraf, Beethoven las dort tSglich die Zeitungen. An solchen Tagesbedurfnissen 
nahmen ausser Schindler noch der schon genannte Beethovenfreund Pinterics teil 
— „nebst einem KapitSn von der deutschen Garde des Kaisers", dessen Name freilich 
nicht genannt wird. Das ist der hier im Konversationsheft erwihnte singende 
„Capitain tt . 

00 ) = Sonate von Beethoven. 



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104 
DIE MUSIK V. 8. 



vorgespielt; daraus [Bl. 84a] habe ich ihm kennen gelernt. Die nachste 
Lection werde ich ihm etwas, was ihm anpasst, anfangen. 



Er 


hat 3 


Pensionen 








9 Oder 10 


Monathe 








Er ^ 
[Bl. 


war heut sehr liebenswiirdig, er that alles was mich 
84b] Es wird wohl bald aus werden, die Process 


zu befriedigen 
Geschichte? 


Ich 
konnten, 


erinnere mich, das der Peters gesagt hat: 
indem die Sache ganz nach Ihrem Wunsch 


dass Sie 
ausgehen 


ruhig seyn 
musse. 


Das 


; muss 


viel Geld gekostet haben 








Der 


• Rath 











[Bl. 85a] In welchen Verhaltnissen lebt sie jetzt, und wie alt ist sie 91 ) 
[2 Zeilen ausgestrichen] 

Wien ist zu gross, urn diese Menschen ganz genau kennen zu lernen. 



blosses Interesse 


Im 
[Bl. 


Sommer ist hier besser zu 
85b] Wo mag der Bernard 


seyn als 
seyn? 


jetzt — 


Sie 


haben schon 


gezahlt 3 1 


F 9 


X 




Sie 


haben ein 2 


f. und 1 f. 


detto gegeb< 


en. 


Sch 


indler 











[Beethoven selbst] Bankactien gelten 610 in C. M. 9 -) 

[Bl. 86a Beethoven] Aritmetisch geordnete Liste Ziehungsliste. Vom 

Theater an der Wien etc. bey Gerold Dominikaner-Platz [Rest der Seite leer]. 
[Bl. 86b von hier ab wieder Starke od. Czerny] Der Peters war so traurig, 

das er nicht her kommen konnte. Ihre Gesellschaft ist ihm so angenehm 

Leichte Waare 

Einer der bessern ist der B. 9:I ) jedoch der Pet: gehort unter die 
Edelsten Menschen — 

J1 ) Durfte auf Karls Mutter gehen. 

v: ) C. M. = Conventionsmiinze. 

'•'*) B -- Bernard; Pet ~ Peters, der furstlich Lobkowitzsche Rat. 



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105 
KAL1SCHER: EIN KONVERSATIONSHEFT 

Der jetzt weggieng, 94 ) ist nahe an 80 Jahre alt 
[Bl. 87a] Ein reicher Fabrikant aus Frankreich. 

Die Baronin hat sich auf Veranlassung des Conversations Blattes die 
Gehormaschine von Wolfsohn angeschaft. 

Ich habe es ihr gesagt, dass es nicht wahr ist. 

[Bl. 87b] Es geht aber dass Geriicht herum, dass Er 9B ) — Ihnen vor 
seiner Abreise eine Pension von 1500 f. zugesichert hatte — 

Der Gelinek" 6 ) war der erste der es mir erzahlt hat. 

[Bl. 88a] Ich habe auch noch nichts bekommen, und Morgen abends 
reist er ab. 

4 f ist ausgemacht, aber ich habe noch nichts bekommen 

Das ist ein blosser Neid 

Nun aber werden Sie Ruh haben auf eine Zeit. 

[Bl. 88b] Die Westphalische Regierung 97 ) hat aber schon lange 
aufgehort. 

Ich habe ihm wollen einigen Nutzen verschaffen bey Lobkowitz und 
nun ist es zu spat. 

Es stehen uns wieder neue finanz Operationen bevor 
[Bl. 89a] Der Cours ist (wird) festgesetzt auf 250 f. 

[Rest der Seite leer; damit hort das Starke-Gesprach vorliiufig auf.] 
[Bl. 89b] haben, so will ich ihn fragen 
Der Kraft vielleicht Salis us ) 



• l ) Diese Unterredung fand wahrscheinlich in einem Restaurant statt. 

ys ) Der Erzherzog Rudolph. 

Hi ) Abbe Joseph Gelinek, Freund Mozarts, lebte von 1757—1825, fruchtbarer 
Komponist. Auf diesen „Variationenschmied" hatte Karl Maria von Weber das Epi- 
gramm gedichtet: 

Kein Thema auf der Welt verschonte dein Genie, 
Das simpelste allein, dich selbst, variierst du nie? 

° 7 ) Hier war davon die Rede, dass Beethoven im Jahre 1809 von J6rome 
(Hieronymus Napoleon), Konig von Westfalen, aufgefordert war, Kapellmeister in 
Kassel zu werden, worauf drei seiner vornehmsten GSnner zusammentraten, urn ihn 
an Osterreich zu fesseln. 

9U ) Eine besonders dunkle Stelle. So viel scheint daraus hervorzugehen, dass 
hierbei vom Dichter Johann Gaudenz, Freiherr von Salis, dem Freunde Matthissons 



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106 
DIE MUSIK V. 8. 



Seine Portraits 90 ) driicken den Karakter aus 
[Beethoven] Braunen Zucker 
im Kameel 
wie viel uhr? 
Wolfsohn Bernard. 

Sie brauchen den Schein nicht zu schicken 

Schneiden Sie nur zwey Monate ab. 

[Bl. 90a] Dieser Herr halt viel darauf das er K. K. Hof-Gurtler ist 

Dieses ist der Grund warum man hier nichts undernehmen kam, 
haben die Leute ausser ihrer gewohnlichen Arbeit eine Andere, so kann 
man Sie nicht genug bezahlen, und wollen zugleich das man Sie zu Gottern 
haben soil [oder zu Gott erheben soil] dieser hat mich gefragt wie es 
[Schluss der Seite leer.] 

[Bl. 90b; Beethoven selbst] No. 629 Brucharzt 100 ) Wolfsohn Breite- 
markt 108 Xenophons Leben und Thaten des Sokrates 3 fl. und 30 Kr. 
beim Antiquar [Bl. 9la] in der Currentgasse hinter der Ober-jesuiten- 
kirche. — 

[Ein anderer schreibt; 2 Reihen durchstrichen.] 

Ich gebe es dem Kopisten schon selbst, und bitte nur mir es morgen 
zu schicken. Ich weiss wo der Kopist wohnt und bitte nur urn seinen 
Nahmen 



die Rede ist. v. Salis lebte von 1762 — 1834. Sonst liegen keine Beweise dafur vor, 
dass Beethoven sich mit Salis' Gedichten beschaftigt hStte; es muss aber doch der 
Fall gewesen sein. — Eine Stelle bei Schindler fiber Beethovens „Handbibliotbek* 
(II, 181) kann man sich nur in diesem Sinne deuten. Dort heisst es: „Von Goethe 
war ausser dem Divan nur Wilhelm Meister, Faust, und die Gedichte da; von Schiller 
nur die Gedichte und einige Dramen; von Tiedge die Urania, die Gedichte von 
Seume, Matthison „und einige noch von gleichzeitigen Dichtern". Zu diesen 
„gleichzeitigen Dichtern" mag auch von Salis gehort haben. 

■ )P ) Geht hochstwahrscheinlich wieder auf Joseph Stieler. 

10 °) Der Brucharzt Wolfsohn, dessen Name hier schon mehrfach vorgekommen 
ist, hangt jedenfalls mit der Bruchkrankheit des Neffen zusammen. Siegmund Wolf- 
sohn, der Arzt und Mechaniker, ist nach Wurzbach (Band 58, S. 47 f.) in der zweiten 
Halfte des 18. Jahrhunderts geboren; seine Todeszeit ist unbekannt. Er ist der Er- 
finder zahlreicher chirurgischer Instrumente und Maschinen. Seit dem Jahre 1797 
praktizierte er als Brucharzt; zugleich war er Inhaber einer K. K. privilegierten Fabrik 
chirurgischer Maschinen in Wien, wofur er von alien Seiten hohe Anerkennung fand: 
Fur Beethoven war er auch besonders deshalb interessant, weil er mancherlei Instru- 
mente fur Schwerhorige erfand, so die metallenen Resonanzrohre, eine Kopfmaschine 
und die Gehormuscheln. — Er war bahnbrechend auf dem Gebiete der hygienischen 
Mecbanik und Technik. 



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107 

KALISCHER: EIN KONVERSATIONSHEFT 



Wo haben Sie denn den Freyschen [?] Schein 

[BI. 91b] Die Erzahlungen taugen in der Regel nichts 

Hier Stubenmadchen. [2 Reihen ausgestrichen.] 

[Czerny oder Starke] Der Plechinger 101 ) lasst sich empfehlen und sagen, 
dass Dienstag den 14ten die Prufung sey, ob Sie nicht jemanden, dem es 
Interessirt dazu [Bl. 92a] einladen wollten. — 

Ich habe an Bernard gedacht — 

Er konnte doch sagen, wie es ausgefallen ist. 

Er hat wahrscheinlich schon was vergessen — 

Er ist halt noch ein Kind Er muss noch eine Erfahrung machen. — 
[Bl. 92b] Ich halte den Plechinger fur einen braven ehrlichen Mann 

Das ist die 3te oder 4te Crida 102 ) [1 Zeile ausgestrichen.] 

Schade um ihr Schreiben. Die Leute draussen sind zu dum, um den 
Schpas zu verstehen [Schluss der Seite leer.] 

[Bl. 93a] Der Plechinger hat mir heut eine Lection bey ihm an- 
getragen, ich kann's aber nicht annehmen 

Ich weiss nicht wodurch ich sein Zutrauen gewonnen habe 

Wo mag der Peters jetzt sein 

Zmeskal fragt mich immer was Sie schreiben. Was soil ich ihm 
antworten? 

[Bl. 93b] Sie haben mit mir eine schlechte Unterhaltung. Ich 
schreibe schlecht. 

Der Mann an der Thiir spricht soviel schones von Ihnen. 

Er erkennt ganz Ihren werth als Kunstler und als Mensch. 
Er macht seinen Nachbarn [Bl. 94a] begreiflich, dass Sie der grosste 
Mann in Europa sind. 

Er hat recht. 



101 ) Der hier Sfters geschriebene Name ^Plechinger* ist immer gleich Bldch- 
linger, dem Institutsvorsteher. 

10 *) Crida, lateinischen Ursprungs (credo?), ist soviel wie: Konkurs. Das 
Konkursverfahren hiess im mittelalterlichen Leben: Crida, der betreffende Schuldner: 
der Cridar. 



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108 
DIE MUSIK V. 8. 



Die Geschafte sind Ihm zu gross, sagt der Hausknecht. 



Was macht das Oratorium. 108 ) 



Ich werde ich ihn erinnern unbemerkbar 
[Bl. 94b] Es sind schon 2 Jahr. — 



Sie sollen es ihm sagen was Sie wiinschen's. 



[Ein anderer] In den Phantasiestiicken 104 ) von Hofmann ist viel von 
Ihnen die Rede 

Der Hofmann war in Bamberg Musikdirector, nun ist er Regierungs- 
Rath. — Man giebt in Berlin Opern von seiner Composition 

[Bl. 95a Deckel. Beethoven selbst] Hofmann, Du bist kein Hof-Mann 
[Starke] Es sind 3 in Compagnie das ist aber der beste der wegging. 

1 1 [1 unleserliches Wort.] 

Er hat sehr viel Kranke. 

108 ) Dieser Teil des GesprSchs vollzieht sich wieder in einem Gasthaus. Urn 
diese Zeit (1820) war der fruher so unzertrennliche Freund Beethovens, der „Musik- 
graf 44 Zmeskal von Domanovecz, nicht mehr so haufig um den Tondichter; in der 
Diensteifrigkeit gegen diesen haben Nanette von Streicher und A. Schindler ihn ab- 
gelost. Das Oratorium ist, wie bereits betont, das nach der Bernardschen Dicbtung 
„Der Sieg des Kreuzes a ubernommene Werk. 

10t ) E. Th. A. Hoffmann, der vielseitige, geniale Mann — Musiker, Dichter, 
Jurist — lebte von 1776 — 1822 (f als Kammergerichtsrat in Berlin). Er war einer 
der ersten, der die Originalweise Beethovenscher Instrumentalmusik zu wurdigen ver- 
stand. Seine Aufsatze in der Leipziger „Allgemeinen Musikalischen Zeitung" gingen 
dann in veranderter Form in seine Dichtungen uber, wie die hier genannten „Phan- 
tasiestucke in Callots Manier". Im Marz 1820 erhielt er ein Anerkennungsschreiben 
von Beethoven. Schon in diesem Hefte, wie noch in manch einem andern taucht 
die Kanon-Idee auf, die Beethoven dem genialen Hoffmann zudachte. Dieser Kanon 
ist seitber mannigfach gedruckt; nach dem Abdruck in der „Cacilia tt reproduzierte 
ihn bereits L. Nohl in seinen „Briefen Beethovens 44 , No. 328, unter dem Titel: „Auf 
einen, welcher Hoffmann geheissen. 44 Vergl. auch A. W. Thayer Chronolog. Verz. 
No. 223. — In der Gesamtausgabe der Kanons Breitkopf & Hartelsche Ausgabe) ist 
er als No. 8 betitelt: „Hufmann und kein Hofmann. 4 * Der humoristische Text des 
zweistimmigen Kanons lautet: .Hofmann, Hofmann — sei ja kein Hofmann, ja kein 
Hofmann — , nein, nein, nein; — nein, nein, nein, nein; ich heisse H5fmann, und 
bin kein Hofmann. u 






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bOcher 



46* Alfred Einstein: Zur deutscben Literatur Tur Viola da Gimbi im 16. 
und 17*Jahrhundert, — Erstci Beibeft der zweiten Folge der Publikatfoaen 
der Interna?. Muaikgesellacbart Verlag: Breitkopr & Hlrtel, Leipzig 1905. 

Nacta zweljlbrlger Pauae und nacbdem aua bedauerlicben Grunden 4aa lelxte (zebate) 
Beibeft der era ten Folge anecheinend aua dem Bucbbandel zurfickgezogen 1st, bat endllcb 
eine zweite Relbe der so ausaerordenilicb verdienaivollcn Beibefte der In tenia tionalen * 
Muaikgeaellscbaft zu eracheJnen begonnen* Sle erganzen die ubrlgen VerftfTentHcbungen 
dieter aoeben aua ernater Krise neurerjungt hervorgegangenen Gcsellacbaft t die 1m 
Qbrigen am dec roonatllcb eracbeinenden Heften der „Zeltacfarift der Inteniationalcn 
Masikgtaellacbaft* und aua den vierteljlhrlfcb era cbei ilea den Sammelblnden von grfiaserem 
Umfang beatehen. Diese Publikationen, die von den verecbicdensten Muaikgelebnen mil 
Beitrlgen In den weaentHcbstcn modernen Kulturaprachen — nur die Beibefte sind atcta 
La deutacber Sprache verfasat — veraehen wcrden, haben eioeo strcng wissenscbaftllcben 
und biawoilen polemlacben Cbarakter und ateben untereiuander in kelnem direkten Zu- 
aammenbange* Die Beibcfte slnd in Form und lnfaalt durcbaue wisseoscbaftHcbe Mono- 
grapbleen und Einzelatudten und bilden durchweg wicbrlge Belirlge zur mualkblstoriscben 
Foracbung, biswellen i. B. weiter aua ge fit brte Doktordisaertationen uaw. Wir wolJten 
diea grundeitzHch einmal ausfubrcn (wozu una die ErSffnung der neuen Serie paaaende 
Gelegenbeit boOi um zu recbtfertlgeu, weabatb der Bcvprechung dieaer VerGffeotlicbungen 
bleher in der »Muaik" immer ein brdter Raum gegfinnt warden jat. — Die Viole oder 
Croaageige war nacb der EinbQrgerung der Laute ala Hauainatrument <an deaaen Stelle 
beute daa Klavier stent) bald aucb im deutscben Hauae belmisch geworden und bane 
von dieaer da* Griffbrect- ubernommen. Diea acbeint urn 1500 berum geacbehen zu seta. 
Der crate Kompoulat fur dieaea mebr feincre ala popullre Instrument war cln Nura- 
berger Lauieomacher Gerle; ea waren meiat Obertraguugen wehllcber Lied en Einstein 
verzekbnet und beaprlcbt genau die veracbiedeaen Auagtben, um sicb dann zu den 
apiteren Vlolakomponiaten zu wenden, unter denen Ortiz, Sim pa on (Engllnder), 
H5ffler, KGhnel, Scbenk* Schmeizer* Bibar, Waltber, Huygens, Marala, 
Reinckeu, Nub, Ebner, Buchner, J. J. Lflwe, Nicoiai, Soberer, Kaapar 
Ffirater, Erlebacb, Dietrich Becker, Krieger und Buxtebude bebandeJt werden. 
Im zweiten Teil dea Bucbea alnd Komposltlonen dieaer genannten abgedruckt, nlcbt nur 
fOr die Gambe allein, aondern in Verblndung mit einer oder mebreren Geigen und 
Basao coniinuo. Dleae Kompoaiiionen aind bat derebweg polypbon gebalien und geben 
ein e bet) so intereaaantea wie getreuea Abb Lid dea muslkaliacben Treibena In beaaeren 
deutacben Hluaem wlbrend dea 1& und 17* J ah rb under t a, Kurt Mey 

47* Ferdinand Braunroth: Harmonieiebre. Verlag: Fr. Hofmeiater t Leipzig* 

Ein Lebrbucb, daa groaae Acbtung vor dem Autor erwecken muaa durch den Ernst 
seines Strebena und die SorgfaJt, mit der veraucbt wird, durch die Anordnung des StoBcs 
alcberea VeratlndnJa zu flndeo. Sine Anwenduag ffir den Selbstnnterricbt acbeint nicbt 
beabeicbtigt, vietmebr aetzt ea einen die Sacbe vOllig beberracbenden Erkllrer vorana t 

V, S. 8 



■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



110 
DIE MUS1K V. 8. 



was schon auf Seite 11 und 13 deutlich hervortritt. Der Autor verbindet selbstfindige 
pidagogische Gedanken mit einer gewissen Vorliebe fur das gewohnte Material; ofc finden 
sicb Akkordfolgen in den Aufgaben, die ibm ganz gewiss selbst nicht gefallen, die also 
lediglich zur Ubung des Schulers, nicht aber zur Bildung des Geschmackes dienen. 
Eigentlich sollte jeder, der ein derartiges Buch schreiben will, Halms Harmonielehre in 
der Sammlung Goschen lesen, urn von der Knappheit, Eleganz und glfcnzenden Klarheit 
dieses auf Riemann fussenden herrlichen Bucbleins fur die eigene Arbeit zu profitieren. 

48. Cyrill Kistler: Der doppelte Kontrapunkt, die Doppelfuge, die dreistimmige 

und zweistimmige Fuge. (Band 3 der vierbandigen Musiktheorie Kistlers). 

Verlag: C. F. Schmidt, Heilbronn. 
Auch diese neue Abteilung von Kistlers Lebrbuch bietet vorzuglich gewahltes 
Material fur solche, denen die Elemente des hier vorgetragenen StoPPes nicht mehr fremd 
sind. Denn fur Neulinge spielt Kistler allzusehr den grossen Schweiger. Der Text ist 
auf ein Minimum beschrankt, dieses freilich ist klar und streng durchdacht. Gerade fur 
die Einfuhrung in den doppelten Kontrapunkt batten sich in Riemanns Schriften vorzug- 
liche, textliche Beispiele gefunden. Die Benutzung dieser Abteilung fur den Unterricht 
setzt einen Lehrer voraus, der mit Worten weit weniger sparsam ist als der verdienst- 
voile Kistler. Dr. Max Steinitzer 

MUSIKALIEN 

49. Christian Sinding: Lieder fur eine Singstimme mit Pianoforte. Aus w Des 

Knaben Wunderhorn". Ohne Opuszahl. — Mannerlied op. 67. — 
Vier Gesange op. 68. — Funf Gesange op. 69. Neuausgabe. Verlag: 
Robert Forberg, Leipzig. 
Sinding, der es stets liebte, geflissentlich seine Eigenart, die ganz im nationalen 
Bewusstsein liegt, zu betonen, kann auch anderen Regungen folgen; das beweisen die 
Gesange aus „Des Knaben Wunderhorn". Die Bandigung seiner hervorstechendsten 
Leidenschaft und das Streben nach gewissen archaistischen, dem dichterischen Vorwurf 
angemessenen Wirkungen, geben eigentlich von Sinding ein ganz neues Bild — ob es 
aber interessanter ist, als das einmal festgestellte, sozusagen zum Kurswert gelangte, 
steht dahin. Die beiden ohne jegliche Vorzeichnung geschriebenen, auf rein diatonische 
Wirkung berechneten „Es starben zwei Schwestern" und „Die Bettelfrau" niitzen einen 
hubschen Effekt etwas zu breitspurig aus. Durch kernigen, frischen Humor fallt noch 
die „Fuge a auf. Ein sicher im Konzertvortrag sehr wirkungsvoller Sang ist das trotzig- 
kraftvolle „Mannerlied a . Die Gesiinge op. 68 und 69 geben uns den Komponisten in 
seiner unverschleierten personlichen Art wieder; aus ihnen weht die herbe, frische, 
nordische Bergluft, rotwangig und gesund wie auch die Texte ist die von jeder Reflexion 
feme, uberall aufrichtige Musik. Diese Lieder werden auch bei uns, dort, wo man die 
schone Mitte zu finden weiss zwischen Alltagsmusik und moderner „Uberkunst", eine 
Heimat haben. 

50. Richard Wctz: Sechs Lieder op. 15. — Sechs Lieder op. 17. — Funf Ge- 

sange op. 18, Verlag: Ernst Eulenburg, Leipzig. 
Diesen Liedern lasst sich nachreden, dass sie mit einer gewissen musikalischen 
Fertigkeit entworfen und durchgefiihrt sind, aber diese Fertigkeit lasst sich vielmehr auf 
einen vorhandenen Fond ganz unpersonlichen Konnens zuriickfuhren, der seine be- 
stimmte Ausserungsformen besitzt, als auf das Vermogen, sich den Geist der Dichtung 
als Geist der Musik zu eigen zu machen. Wenn man sich zu diesem, seit Hugo Wolf 
nicht mehr zu umgehenden, Lehrsatz bekennen wurde und streng danach, oder gar 



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Ill 

BESPRECHUNGEN (MUS1KAL1EN) 



nicht handelte — welche Unmassen indifrerenter, totgeborener „Kunstlieder a blieben 
uns erspart! Wetz* Harmonik sieht recht modern aus, wenigstens in ihrer formlosen 
Beweglichkeit. Eine verhSngnisvolle Vorliebe hat der Komponist fur den Vorhalt. Op. 15 
No. 3, „Fruhlingsnacht a bringt im vorletzten Takt ein wahres Schulbeispiel solcher Un- 
getume (die linke Hand lost gleichzeitig auf, was die rechte w vorenthalt**) und ihrer Un- 
erklarbarkeit aus dem Text. Alles in allem: nicht banale Ges5nge, aber solche, die die 
Dichtung in einem fur solche Zwecke stets bereitstehenden musikalischen Neutral-Riihr- 
brei rettungslos umbringen. 

51. Woldemar Sacks: Zwei Lieder fur eine mittlere Stimme op. 21. Verlag: Ernst 

Eulenburg, Leipzig. 
Zwei recht gut klingende, gefSllige Lieder ohne jegliche Eigenart. „Nach dem 
Abschied" nahert sich in seiner Einleitung in bedenklich liebevoller Weise den An- 
spruchen des Salons. Hermann Teibler 

52. Alexander Wi titer berger: 31 Lieder und Gesange mit Pianofortebegleitung. 

op. 91. Neue, vom Komponisten verbesserte Ausgabe in 2 Banden. Bd. 1. 

15 Lieder fur hohe Stimme. Bd. 2. 16 Lieder fur mittlere bezw. tiefere 

Stimme. Verlag: J. Schuberth & Co., Leipzig. 
Vor kurzer Zeit fiel mir eine kleine Broschiire in die Hande, die mit begeisterten 
Worten auf Winterberger als auf einen hochverdienten deutschen Meister hinwies, 
dessen bedeutendes SchafPen noch lange nicht die verdiente Wftrdigung gefunden habe. 
Obgleich nun von dem wenigen, was ich bis dahin an Winterbergerschen Kompositionen 
kennen gelernt, nichts geeignet gewesen war, mir eine allzugunstige Meinung zu wecken, 
so muss ich doch gestehen, dass jene volltonenden Versprechungen mich mit einer ge- 
wissen Erwartung an das Studium der vorliegenden beiden Liederbande herangehen 
liessen. Das Ergebnis war eine furchtbar bittere Enttauschung. Nicht nur dass Winter- 
berger weit hinter seiner Zeit zuruckgeblieben und von der Nach-Lisztischen Entwicklung 
der musikalischen Lyrik so gut wie gar nichts profitiert hat diese Ruckstandigkeit 
wurde nicht unter alien Umstanden einen Mangel bedeuten — , was schwerer ins Ge- 
wicht failt: die Ausdrucksweise des Komponisten entbehrt in jeder Hinsicht so sehr der 
Eigenart und der Selbstandigkeit, dass man ihm nur ausnahmsweise einmal auf Wegen 
begegnet, die etwas abseits liegen von den allerabgetretensten Gemeinplatzen. Abgesehen 
davon, dass ihm eigenschopferiscbes Vermogen durchaus abgeht, auch nicht einmal das 
kunstlerische Wollen Winterbergers ist derart, dass es einem imponieren oder auch nur 
sympathisch sein konnte. Mit dem selbstzufriedenen Wohlbehagen eines Abt oder Kiicken 
walzt er sich in Trivialitaten der schlimmsten Sorte. Wenn ihm dabei noch ein Text 
wie Morikes „Lass, o Welt" unter die Finger gerat, den ein Meister von der Grosse 
Hugo Wolfs mit seinen unsterblichen Tonen geweiht, dann entstehen Gebilde, die man 
dem „Kunstwart a empfehlen konnte, falls er einmal daran dachte, seine hubschen 
Gegenuberstellungen von w Beispiel tt und „Gegenbeispiel tt auf das Gebiet der Tonkunst 
zu ubertragen. Die Gerechtigkeit erfordert es nicht zu verschweigen, dass auch unter 
der Spreu der 31 Winterbergerschen Lieder einige wenige Weizenkorner sich befinden. 
Gegen Schluss des ersten Bandes stossen wir auf ein pa^ir Stucke, wie z. B. „Am Fenster", 
w Zu spat 44 , „Wolkenflug tt , fl Am See* 4 und „Welke Rose 44 , die zwar auch nicht eben be- 
deutend, aber doch anstandig und ernstgewollt sind. Auch w Stille Tranen 44 (II, S. 3) 
konnte man hierher rechnen, wenn es nicht durch eine ubel banale Wendung (bei den 
Worten: „der Himmel wunderblau* 4 ) verdorben ware. Im ubrigen durfte sich kaum ein 
halbes Dutzend Gesange in den beiden Banden nachweisen lassen, die in einem ernsten 
Konzertsaale der Gegenwart auch nur moglich wSren. Rudolf Louis 

8* 



J::r:i. 



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MUSIKALISCHES WOCHENBLATT (Leipzig) 1905, No. 4344. - Eine langerc 
Arbeit von Hugo Riemann betitelt sich „Die Melodik der Minnesinger". Die 
„Briefe Richard Wagners an Otto Wesendonk" bespricht Erich Kloss. Auf die 
1901 in Paris gegrundete „Soci6te" des instruments anciens" weist Paul Merkel 
hin und auf ihren Wahlspruch: *Jeder Zeit das Seine [!] nach Form und lnhalt." 

NEUE ZEITSCHRIFT FUR MUSIK (Leipzig) 1905, No. 43 44. - Die Caligula 
unterzeichnete Polemik „Vom Gelegenheitsprinzip* wendet sich, von Heinr. Leut- 
holds Versen „Vermoge der Gegenseitigkeit wird jeder Lump unsterblich" aus- 
gehend, gegen die Cliquenwirtschaft in Dingen der Musik. „Die Kunst darf nicht 
unter die Macht des Ring- und Sippenwesens gebeugt werden!" Eine Reihe von 
Artikeln gilt Max Reger („M. Reger als Orchesterkomponist" von Tb. Muller- 
Reuter, W M. Reger als Kammermusikkomponist" von H. Leichtentritt, „M. Reger 
als Klavierkomponist" von W. Niemann, W M. Reger als Liederkomponist" von 
M. Hehemann. 

LA REVUE MUSIC ALE (Paris) 1905, No. 19. - Das Heft entbalt hochinteressante 
Artikel fiber die Musik exotischer Gegenden. So berichtet Casimir Blanc uber 
„La musique au Maroc" — sie bat 14 Tonarten, alle Instrumente spielen im Unisono, 
mit Ausnahme der Trommeln, die allein die Begleitung besorgen. E. Enion 
beschreibt „Les instruments de musique au Guatemala 4 * — man kennt dort die 
„Marimba a , eine Art Xylophon mit Resonanztrommeln, das von drei Spielern 
bedient wird, ausserdem eine Trompete, „Chirimia a genannt und eine Flote namens 
„Sarabanda", sowie die Guitarilla und Harpa und drei Trommelarten: Tamboron, 
Zambonba und Tun. Uber die am Congo ublicben Instrumente Timbila (=Marimba; 
und Anzang schreibt „La marimba et l'anzang") H. Trill e. Eine kleine w Note 
sur la musique orientale" von Collangette bildet den Beschluss. 

BLATTER FUR HAUS- UND KIRCHENMUSIK (Langensalza) 1906, No. 2. - 
Die kritiscbe Studie w Ernst Boehe u von Rudolf Louis ruhmt namentlich an Boehe 
als Programmusiker w die Fahigkeit, den dichterischen Gegenstand so zu schauen, 
dass er sozusagen musikmoglich wird und das poetische Bild den Rahmen fur 
eine wahrhaft musikalische Form abgibt.** W. Caspari beendigt seinen Beitrag 
„Zur Naturgeschichte des Scherzo 44 . Von Bruckners Scherzi sagt er: „Im Haus- 
halten mit der einfachen, einmal gegebenen Erfindung bis zur Knauserigkeit, im 
unablassigen Verfolgen des ausgesprochenen Planes wird man das Charakteristische 
dieser Stucke sehen mussen." H. Oehlerking bespricht in dem Artikel „Der 
Schulgesangsunterricht" eine aktuelle Frage. Nach ihm sind namentlich die Obel- 
stande im Gesangunterricht der meisten hoheren Schulen schlimm und geradezu 
trostlos. Eine Erinnerung an Simon Dach und Heinrich Albert von August Wellmer 
betitelt sich w Die Dicht- und Tonkunst und der Konigsberger Dichterkreis." Ein 
kleiner Artikel von Lina Rein hard behandelt „Vortragsnuanccn und Betonungen 
beim Gesang**. 

SIGNALE FUR DIE MUSIKALISCHE WELT (Leipzig) 1905, No. 63-65. — 
„Ein neues Klavier'* bespricht J. Zabludowski — es handelt sich um ein Piano 



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113 
REVUE DER REVUEEN 



rait auswechselbaren verschieden grossen Klaviaturen. Eine kritische Betrachtung 
„Neue Gesangsliteratur" liefert Agda af Wetterstedt, einen Aufsatz fiber „Das 
Munchener Kaimorchester" Eugen Scbmitz. 

MUNCHNER NEUESTE NACHRICHTEN 1905, No. 516. - Paul Marsop be- 
grusst „Zur Eroffnung der musikalischen Volksbibliothek* das junge Unternehmen, 
fiber dessen Zustandekommen und kunftige Aussichten er Aufscbluss gibt, auf 
das herzlichste und schliesst mit den Worten: w Wieder einmal hat Mfinchen auf 
einem bedeutsamen Gebiete, wo Kunst und gemeinnutziges Streben Hand in Hand 
gehen, die Iniative ergriffen. Mocbte das hier gegebene Beispiel anderwarts recht 
bald Nachahmung linden!" 

TAGESFRAGEN (Kissingen) 1905, No. 10. — Der Artikel „Kritik der Kritik* deckt 
hassliche Schaden der modernen Musikkritik auf, jener „Die Wagnerfestspiele in 
Mfinchen" nimmt gegen die Mfinchener Spiele Stellung. 

NEUE MUSIKAL1SCHE PRESSE (Leipzig) 1905, No. 21. - H. Schmidkunz 
berichtet fiber „Josef Reiters ,Totentanz l in Dessau**. 

COSMOPOLITAIN (Berlin) 1905, No. 1 u. 2. — Diese neue w Zeitschrift fur konzer- 
tierende Kfinstler und Kunstfreunde** bringt in ihren zwei ersten Nummern als 
Artikel von allgemeiner Bedeutung: „Zur Reform unseres Konzertwesens" von 
Arthur Neisser und „Kritik, Kritiker und Kritisierte** von Max Puttmann. 
Neisser tritt ffir ein Spezialisieren ein; er bedauert es, dass so viele Anfanger 
ihre Konzerte auf wichtige Premierenabende verlegen; er verlangt Abkfirzung der 
Programme sowie vollige Sonntagsruhe und wendet sich gegen die ^Zugaben" als 
„eine Mischung von Artistentrick und Salonlowentum**. Puttmann gibt eine schone 
Ubersicht fiber die Anfange der eigentlichen Musikkritik, behandelt die Schadlich- 
° keit des Dilettantismus in der Kritik und bespricht die Erfordernisse fur einen guten 
Kritiker. Sehr hfibsch ist eine Zusammenstellung von Fehlern gegen die aussere 
Form. Den Schluss bildet eine Besprechung des VerhSltnisses zwischen Kritikern, 
Kfinstlern und Publikum. — Eine vortreffliche Plauderei von Franz Dubitzky 
betitelt sich „Kleine Sfinden der Konzertgeber* 4 . 

NEUE FREIE PRESSE (Wien) 1905, No. 14822. — Der Aufsatz „Grillparzers Ge- 
sprache** von Robert Hirschfeld befasst sich mit dem Verhaltnis Grillparzers 
zur Musik und legt dar, dass Grillparzer sich von der Musik bloss sinnlich rfihren 
liess, dass er fur Beethovcns Grosse, fur Mozarts Schopferkraft, ffir Webers Be- 
deutung kein Verstandnis hatte und dass er, ein Opfer der Wiener Zensur, selbst 
der grausamste Zensor der Musik gewesen ist. 

SIGNALE FUR DIE MUSIKALISCHE WELT (Leipzig) 1905, No. 67 8. - Die 
Nummer enthalt einen Jubilaumsartikel „Der hundertjahrige Fidelio" von Friedrich 
Brandes. 

NEUE MUS1KZEITUNG (Stuttgart- Wien) 1906, No. 4. — A. Kohuts Artikel 
„Aus den Erinnerungen einer Sangerin** befasst sich mit Therese Devrient. Eine 
beherzigenswerte Mahnung nennt sich „Uber den Dilettantismus im Chorgesange". 
Zwei Aufsatze behandeln das „Fidelio tt -Jubilaum: „Beethovens Liebesleben und 
Fidelio* von Fritz Volbach und „Die erste Auffuhrung des Fidelio" von Egon 
v. Komorzynski. 



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NEUE OPERN 

Alfredo Donizetti: „Wanda a , Text von Flavius, hat bei dem Turiner Opera- 

preisausschreiben den Preis erhalten. 
Victor Hansmann: „Die Nazarener a , Oper in drei Akten, wurde vom Hof- 

theater in Braunschweig zur Auffiihrung erworben. 

AUS DEM OPERNREPERTOIRE 

Dortmund: Die seit 1904 bestehende Vereinigung der Stadttheater Dortmund- 
Essen wird mit Ablauf des Vertrages im Fruhjahr 1907 wieder gelost werden. 
Der Beschluss ist ausgegangen von Essen, das sich bezuglich der kunstle- 
rischen Qualitft der Opernauffuhrungen (das Personal wotant in Dortmund) 
benachteiligt glaubt, doch sind tiefer liegende Personenfragen im letzten 
Grunde mit ausschlaggebend gewesen. Gelling bleibt Direktor in Essen, 
wahrend die Direktion fur Dortmund von Herbst 1907 ab Alois Hoffmann, 
unserm jetzigen bewahrten Oberregisseur, ubertragen worden ist, der auch 
schon jetzt, da Gelling seinen Wohnsitz in Essen hat, als Mitdirektor fur 
hier fungiert. 

Paris: Die KomischeOper bereitet als nSchste NovitSt die Oper „Aphrodite tt 
von Camille E r 1 a n g e r vor, die lyrische Neugestaltung des beruhmten Hetiren- 
Romanes aus dem Altertum von Pierre Louys durch Louis deGrammont. 
Dann folgt die Oper „Clos tt von Charles Silver, Text von Michel Carre\ 

KONZERTE 

Bielefeld: Das Stadtische Orchester brachte unter Traugott Ochs in der ersten 
Halfte der Saison folgende neuen Werke: Romantische Ouverture von Lud- 
wig Thuille, „Belsazar" von Paul Ertel, „Till Eulenspiegel" von Richard 
Strauss, Tanz der Nymphen und Satyrn von Georg Schumann, Lustspiel- 
Ouverture von Carl Kleemann, Serenade fur Blasinstrumente von Richard 
Strauss, n Sakuntala a von Carl Goldmark, Capriccio Italien von Tschai- 
kowsky; von Felix Weingartner (unter Leitung des Komponisten): Konig 
Lear, Es-dur Symphonie, Serenade fur Streichinstrumente und folgende Or- 
chesterlieder (Dr. Wu liner): Stille der Nacht, Liebe im Schnee, Letzter 
Tanz, und als Urauffiihrungen: Voglein Schwermut, Der Born und Erdriese. 
Ferner B-dur Symphonie op. 62 von Friedrich Gernsheim (unter Leitung 
des Komponisten), Romantische Ouverture von Ernst Rudorff, Italienische 
Serenade von Hugo Wolf. 

Gftrlitz: Fur das im Juni stattfindende 16. Schlesische Musikfest sind als 
Hauptwerke R. Strauss' „Sinfonia domestica", Beethovens achte Sym- 
phonie, Bruckners „Te deurn", Schumanns „Faust-Szenen* und „Sehn- 
sucht" von Georg Schumann auf das Programm gestellt worden. 

TAGESCHRONIK 

Der Hugo Wolf-Verein in Wien hat sich nach achtjahriger erfolgreicher 
Tatigkeit freiwillig aufgelost. Sowobl in der aufopfernden Fursorge fur den unheil- 



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UMSCHAU 



bar kranken Komponisten, dessen Verpflegung im Zahlstock erster Klasse der 
niederosterreichischen Landesirrenanstalt vom Verein bestritten worden ist, als in 
vielseitiger und eifriger TStigkeit fur die kunstlerische Sache Hugo Wolfs bat 
der Verein der von ihm ubernommenen Aufgabe in vollem Masse entsprochen. 
Der gesamte druckreife kunstlerische Nachlass des Komponisten wurde veroffent- 
licbt, darunter die symphonischen Dichtungen „Penthesilea a , „Italienische Sere- 
nade", ferner das Chorwerk w Christnacht", ein Streichquartetr, secbs geistliche 
Chore, 22 Lieder fur Gesang und Orchester usw. Auch auf literarischem Wege 
hat der Verein drei BSndchen kritischer Wurdigungen von Hugo Wolfs Schaffen 
herausgegeben und drei Briefbande veroffentlicht. Das Grabdenkmal von Edmund 
Hellmer auf dem Ehrengrabe Hugo Wolfs auf dem Wiener Zentralfriedhof ist 
ebenfalls eine Widmung des Vereines. Der Wiener akademische Richard-Wagner- 
Verein, der sich schon vor der Grundung des Hugo Wolf-Vereins grosse Ver- 
dienste urn den Tonsetzer erworben hatte, durfte das Erbe des Hugo Wolf-Vereins 
antreten. 

Unter dem Namen Gesellscbaft zur Forderung des Kunstinteresses 
im Volke bat sich soeben in Berlin eine Vereinigung konstituiert, an deren Spitze 
Heinrich Griinfeld, Bernhard Dessau, Alexander Heinemann stehen und zu 
deren Mitgliedern viele hervorragende Kunstler, Schriftsteller und Schauspieler ge- 
horen. Die neue Gesellschaft geht von der Tatsache aus, dass die Eintrittspreise 
zu den Konzerten mit wirklich hervorragenden Kraften in Berlin so hoch sind, dass 
der grosste Teil der Bevolkerung auf den Besuch eines guten Konzerts verzichten 
muss. Um dem Ubelstand abzuhelfen, will sie im Laufe des Winters eine Reihe 
von Gratis konzerten veranstalten. Der Besuch der Konzerte ist vollkommen 
unentgeltlich. 

Unter dem Titel Budapester Kammermusikverein bildete sich am 
23. Dezember in der ungarischen Hauptstadt ein Verein, dessen Leitung folgende 
ist: Prasident: Universitatsprofessor Dr. Michael Lenhoss6k; Vizeprasidenten: Dr. 
Karl Heinrich und Karl Gobbi. Aus den gegenwartigen Mitgliedern des Vereins 
wurden acht Streichquartette gebildet, die nach ministerieller Genehmigung der 
Statuten fur die Vereinsmitglieder Konzerte veranstalten werden. 

Der Verein zur Pflege hebraischer Musik in Berlin hat eine Kom- 
mission eingesetzt, deren Aufgabe es sein soil, die in den judischen Familien bei 
hSuslicben Andachtsgelegenheiten sowie bei Familienfestlichkeiten herkommlichen 
Melodieen zu sammeln. Die Kommission wird sich demnachst mit einem Auf- 
ruf an weitere Kreise wenden. Die Anregung erscheint sehr dankenswert, da 
hierdurch eine Musikliteratur geschaffen werden kann, die sonst zweifellos fur die 
Nachwelt verloren gehen wurde. 

Der Oberregisseur der Nurnberger Oper, Georg Toller, wurde in gleicber 
Eigenschaft vom Dresdener Hoftheater engagiert. 

Zum Leiter der Wiener Singakademie ist als Nachfolger Karl Lafittes Prof. 
Hermann GrMdener gewfihlt worden. 

Die Leitung der Kurkapelle in Bad Nauheim ist vom 1. Mai 1906 ab an 
Stelle des zurucktretenden Kapellmeisters Bruch in Nurnberg dem Kapellmeister 
Hans Winderstein in Leipzig ubertragen worden. Er hat auch die Mitglieder 
der Kapelle anzuwerben und zu besolden. 

Als Dirigent des B13serbundes an Stelle seines kurzlich verstorbenen 
Begrunders, Professors Kosleck, wurde der Posaunenvirtuos, Kgl. Kammermusiker 
Ludwig PI ass in Berlin gewahlt. 



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DIE MUSIK V. 8. 



Sein 25jahriges Berufsjubilium feiertc Emil Kobler, Konzertmeister des 
Pbilharmonischen Orchesters in Breslau. 

Der Regisseur des Darmstidter Hoftheaters, Georg Heinrich Hacker, erbtelt 
das Ritterkreuz des Verdienstordens Philipp des Grossmutigen. 

Musikdirektor Gessner in Strassburg wurde der Professortitel verliehen. 

Den Pianisten David Bromberger ernannte der Bremer Senat zum 
Professor. 

Der Direktor des Strassburger Konservatoriums Prof. Stockhausen erhielt 
den preuss. Kronenorden 3. Klasse. 

Musikdirektor Hugo Webrle in Freiburg i. B. wurde durcta das Ritterkreuz 
2. Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom ZShringer Lowen ausgezeicbnet. 

Die Musikalienhandlung und Konzertdirektion von Alexander Ros6, Wien I, 
Karntnerring 11 ist in den Besitz des Konigl. Hof-Musikalienhandlers Arthur 
Hainauer, Inhaber der Firma Julius Hainauer in Breslau, ubergegangen. Das 
Gescbaft wird unter der bisherigen Firma fortgefuhrt. 

TOTENSCHAU 

Orchesterdirektor Ernst Spiess in Karlsruhe, der 1902 sein 50jahriges 
Jubilaum am Hoftheater feierte und mit Beg'nn der Saison zurucktrat, f 75 Jahre 
alt am 15. Dezember. 

In Leipzig f hochbetagt der 1826 in Breslau geborene Verlagsbuchhandler 
Constantin Sander, Inhaber des ruhmlichst bekannten Buch- und Musikalien- 
verlags F. E. C. Leuckart. Sander, der als Geschafcsmann und als Mensch allent- 
halben in bestem Ansehen stand, war seit 1856 Inhaber des Leuckartschen Ver- 
lages, den er 1870 von Breslau nach Leipzig verlegte und durch Herausgabe der 
Musikgeschichte von Ambros (mit Fortsetzung von Langhans) und zahlreicher 
Klavier-, Gesangs-, Orgel- und Orchesterwerke von Jensen, Rob. Franz, Hiller, 
Bruch, Hesse, Brosig, Rheinberger, N. von Wilm, Becker, Engelsberg, Koschat, 
Thuille, Reger, Rich. Strauss („Ein Heldenleben") und anderen Komponisten mehr 
zu grosser Bedeutung gebracht hat. 

In Breslau f nach langen Leiden die Sangerin Anna Weber-Kuk ulla, 
die 1861 1871 und 1875 dem Breslauer Stadttheater, zum Schluss der Darmstaiter 
Hofbuhne angehorte. 

Am 22. Dezember f in Weimar der Kammervirtuose Theodor Winkler, 
einer der bedeutendsten Flotisten Deutschlands, im Alter von 72 Jahren. Der 
Verblichene war ein intimer Freund von Franz Liszt und Peter Cornelius. 

Am 27. Dezember -j- in Nied^r-Lossnitz bei Dresden der Klavierpadagoge 
und Komponist Fritz Spindler im Alter von 88 Jahren. Von seinen Salon- 
stucken ist besonders „Der Husarenritt" bekannt geworden. Er schrieb auch Sym- 
phonieen und Kammermusikwerke. 

D*r Violinvirtuose Henry Holmes -J- in Sin Francisco, wo er wahrend 
der letzten 17 Jahre lebte. Holmes wurde 1839 in London geboren und erwarb 
sich als Violinspieler in den europaischen Hauptst3dten einen grossen Ruf. Im 
Jahre 1888 kam er nach den Vereinigten Staaten. 

Ende Dezember f in Berlin Prof. Rudolf Otto, ein fru'ieres geschStztes 
Mitglied des Lehrk5rpers der Konigl. Hochschule fur Musik, im Alter von 
77 Jahren. Otto war ein ausgezeichneter OratoriensSnger. 



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OPER 

AMSTERDAM: Die erste der drei Muster-Auffuhrungen Mozartscher Opern, die zum 
Andenken an den 150jahrigen Geburtstag des Meisters veranstaltet werden n Don 
Juan" ist unter der Direktion Anton Tierie's glanzend verlaufen. Zumal der zweite 
Abend brachte reichen Genuss durch die Mitwirkung von Frau Thomas-Schwartz 
(Hannover) als Donna Anna und Henri Albers (Brussel) als Don Juan. Eine ganz vor- 
zugliche Leistung war der Leporello des Herrn Moest, in den Rahmen fugten sich stil- 
voll ein Frau Engelen-Sew ing (Elvira), Frau Tyssen- Bremerkamp (Zerline), Jos. 
Tyssen (Oktavio) und Thomas Danys (Masetto). Das Utrechter Orchester bewahrte 
sich treffiicb, ebenso sein Dirigent Wouter H utschen ruy ter, der die Begleitung der 
Rezitative auf sich genommen. Die ltalienische Oper unter Direktor de Hondt 
bietet ausgezeichnete Solisten und vorziigliches Orchester, wahrend kleinere Partien und 
Chor zu wunschen ubrig lassen. Der feurige Dirigent Coniglio weiss mit diesen 
Faktoren uberraschendes zu leisten und ein ungemein reichbaltiges Repertoire hervor- 
zuzaubern, vom braven „Trovatore* bis zu „Mefistofele" und „Zaza M ist alles einiger- 
massen zugkraftige vertreten. An hervorragenden Kraften sind in erster Linie hervor- 
zuheben die glanzenden Tenore Zerola und Isalberti, der Bariton Daclone und 
Bass Lucenti ferner die Damen Coniglio und Monti-Baldini. — An der fran- 
zosischen Oper machte wie stets Sigrid Arnoldson voile Hauser, am Rembrandt- 
Theater, das unter Gabriels energischer Leitung eine neue Glanzperiode begonnen, 
gastierte mit grossem Erfolge Botel. Hans Augustin 

BERLIN: Konigl. Opernhaus: Tannhauser (Neueinstudierung). Mit schweren Be- 
denken sah man dem Experiment dieses Abends entgegen: Frl. Farrar sollte die 
Elisabeth singen. Man kannte sie als Mignon, als Manon, als Juliette und hatte sich 
uberzeugt, dass ihre gut geschulte aber wenig tragfahige Stimme vortrefflich zu solchen 
Niedlichkeiten passte. Und nun Elisabeth? Aber der Versuch gelang uberraschend. Im 
Spiel war nichts versusslicht, und der Gesang war von durchaus grosser und edler 
Linienfuhrung. Die Leistung dieses Abends war ein Beweis, dass Frl. Farrar es sich 
nicht am Technischen genug sein lasst und dass ihre weitere Entwicklung ein Recht an 
unsere Aufmerksamkeit hat. Die anderen Rollen zeigten eine bereits bekannte Be- 
setzung. Sctaade, dass nicht (wie vorher angekundigt) Herr Kraus den Tannhauser hatte. 
Herr Gruning, der fur ihn eintrat, ist zu wenig kraftvoll gerade fur diese Aufgabe. 
Dasselbe gilt von dem wehleidigen Wolfram des Herrn Berger; Bertram ist ja nun weg, 
aber in Herrn HofPmann hat das Opernhaus noch einen ganz vorzuglichen Reprasen- 
tanten dieser Gestalt. Prachtvoll war wieder Herr Knupfer als Landgraf. — • Auch einige 
szenische Bilder waren erneuert. Aber das ist ein Thema, uber das einmal im Zu- 
sammenhang gesprochen werden soil. Willy Pastor 

BRUNN: Humperdincks w Heirat wider Willen" erzielte bei mittelmassiger Auffuhrung 
einen Achtungserfolg. Siegbert Ehrenstein 

CHARLOTTENBURG: Theater des Westens. Als Herzog im „Rigolet'o a und Raoul 
gastierte Florencio Constantino. Gerade die Zeit des holden Festes der Liebe 
sollte eine zartfuhlende Direktion nicht dazu benutzen, der Menschheit einen italienischen 
Dutzendtenor mit ein paar provozierenden hohen Tonen und ledernem Spiel aufzubauen, 






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DIE MUSIK V. 8. 



nocta dazu, wenn er indisponiert ist. In beiden Vorstellungen machte sich Mary Stdller 
als vielversprechende Koloratursangerin bemerkbar. — Eine Operetten-NovitSt, „Die 
Schutzenliesel* von Leo Stein und Karl Lindau, durfte sich infolge der vortreff- 
licben Auffuhrung (Lina Doninger, Fritz Werner-Munchen, Heinrich Peer) Ungere 
Zeit auf dem Spielplan erhalten. Die Musik von Edmund Eysler ist ein stark ver- 
dunnter erniichternder Aufguss auf die prickelnd-verfuhrerischen Ingredienzien derMeister- 
Trias der Wiener Operette. Willy Renz 

DESSAU: Am 10. Dezember erlebte F. E. Wittgensteins Oper „Antonius und 
Kleopatra" ihre hiesige Erstauffuhrung und erzielte einen starken Susserlichen 
Erfolg. Der 25. Dezember bot eine Neueinstudierung von Meyerbeers „Afrikanerin a in 
prSchtiger Ausstattung. Ernst Hamann 

ELBERFELD: Ensemble- und Regiekunst zeichneten die folgenden Auffuhrungen: 
„Die Meistersinger", „Die Walkure", „Faust und Margarete", „Hoflfmanns Er- 
z§hlungen a , „Die Fledermaus" aus. In der Konzertauffuhrung von Byron's „Manfred* 
mit der Schumannschen Musik feierte man Ernst von Possart als Meister der Sprache. 

F. Schemensky 

FRANKFURT a. M.: Ein kleines kunstlerisches Ereignis war ein Gastspiel „Carmen a 
der Nurnberger Opernsangerin Lilly Herking, die schon jetzt bei einer Konkurrenz 
der besten Carmendarstellerinnen in Frage kommen konnte. Hans Pfeilscbmidt 

GENF: Giordano's Oper „Sib£ria* hat bei ihrer Erstauffuhrung einen vollen Erfolg 
erzielt. Die Hauptdarsteller, sowie das vortreffliche Orchester leisteten Aus- 
gezeichnetes. Prof. H. Kling 

KOLN: Im Neuen Stadttheater erzielte bei ihrer Urauffuhrung die dreiaktige 
Operette „Prinzess Wascherin* starken Erfolg, fur dessen zeitweise sturmiscbe 
Ausserungen zu gutem Teile die grosse Popularitat des Textverfassers, des Begrunders 
der Kolnischen Volksbuhne, Wilhelm Millowitsch, massgebend war. Das mit be- 
achtenswertem Geschick und sprudelndem Humor geschriebene Buch stellt eine Variante 
des Marchens vom V f erwunschenen Prinzen dar. Der Komponist Georg Keller, als 
Geiger seit langen Jahren dem stadtischen Orchester angehorig, brachte bei ruhmlicher 
Satztechnik, ohne gerade eine originelle IndividualitMt zu reprasentieren, in Einzel- und 
Ensemblenummern viel melodisch Hubsches, dann auch sehr gefdllige Tanzweisen. 

Paul Hiller 

LEIPZIG: Am hiesigen Theater waltet der augenblicklich konzertfreiere Direktor Arthur 
Nikisch als reichlich spendender Weihnachtsmann und zieht dabei zur Hilfe vielfach 
die ausserhalb des Opernensembles stehende Elena Gerhardt hinzu. So brachte er 
noch vor dem Fest in Erstauffuhrung Massenet's nicht uninteressanten, aber allzugemut- 
Iosen „Wertber u mit Frl. Gerhardt und Herrn Schlitzer in den Hauptpartieen zu 
sehr ansprechender Wiedergabe, so dirigterte er in der Woche vor dem Feste noch 
„Tell'% „Enocb Arden" und eine Wiederholung von „Werther", und so will er als Christ- 
bescherung den grossen Leipziger Kindern personlich ^Hansel und Gretel a , w Mignon a 
(Frl. Gerhardt) und „Die Meistersinger von Nurnberg 1 * darbieten. 

Arthur Smolian 

LEMBERG: Nicht viel Erfreuliches ist uber unsere Oper zu melden. Das Repertoire 
bleibt sich immer gleich. Immer wieder die schon so oft aufgefuhrten italienischen 
und franzosischen Opern. Die Direktion scheint keine Ahnung davon zu haben, dass 
heuer das Mozart-Jubilaum gefeiert wird. Die Direktion scheint ferner keine Ahnung 
zu haben, dass es neuere Opern gibt. Herr Grombczewski regiert immer noch des- 
potiscb, und jeden Tag hort man von einem neuen Skandal. Der talentvolle Dirigent 
Rib era darf nicht mehr dirigieren, da er einmal sich unterstanden hat, anderer Meinung 



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119 
KR1TIK: OPER 



zu sein, als der Herr „Direktor*. Ebenso wird eine ganze Reihe von Sfingern und 
Sangerinnen zuruckgesetzt, und Rollen erhalten nur diejenigen, welche beim* Hcrrn 
^Direktcfr" — fur schweres Geld — Gesangsunterricht nehmen! Alfred Plohn 

MAILAND: Ende Dezember. Zum zweiten Male musste innerhalb kurzer Frist die 
„Scala* eine Kapellmeisterkrisis durchmachen. Vor drei Jahren kebrte ibr 
Toscanini, weitaus der vorzuglichste unter den italienischen Dirigenten der Gegenwart, 
grollend den Rucken. Er war mit einem banausiscben Publikum in Konflikt geraten, 
dem er kein Da capo bewilligen wollte. Jetzt hat sein Nachfolger, Campanini, ira Zorn 
Hals uber Kopf Mailand verlassen, da ihm das Orchester aus einer Probe, die ihm zu 
lang dauerte, einfach weglief. Man ist in der lombardischen Hauptstadt republikanisch 
gesinnt, das heisst, man verachtet die Disziplin. Jetzt wire nun der richtige Zeitpunkt 
gewesen, urn Toscanini zuruckzuberufen und ihm erweiterte Machtbefugnisse zu geben. 
Aber er hatte sich fur die laufende Winter-Stagione schon dem Turiner „Teatro regio" 
verpflichtet. So wurde denn das Zepter Leopoldo Mugnone, der gerade frei war, uber- 
tragen. Er ist eine tucbtige Kraft, ohne den weiteren astbetischen Horizont Toscanini's, 
aber verlassig, achtsam und recht energisch: unter den Minnern der zweiten Reihe 
ungefahr der Beste. Bei uns machte er sich zuerst bekannt, als er wihrend der Wiener 
Theater- und Musikausstellung vom Jahre 1893 Mascagni und Leoncavallo mit Geschick 
und Gluck einfuhrte. Auch er steuerte dazumal einen veristischen Einakter bei: eine 
Episode aus dem Dasein einer Bahnwartersfamilie. Man sah im Hintergrunde der Szene 
Schienen und TelegraphendrShte; es ertonten furchterregende Alarmsignale, doch entgleiste 
schliesslich niemand als der Tondichter. Seitdem hat Mugnone den Komponierteufel so 
ziemlich von sich abgeschuttelt, was seinen Dirigentenleistungen sehr zu statten kam. 
Er durfte der „Scala" gute Dienste erweisen, so lange bis auch er, als Mann von kunst- 
lerischem Charakter, durch die dortigen ungesunden Verhiltnisse in einen Krach hinein- 
getrieben werden wird. Paul Marsop 

NEW YORK: Ein „Karussell a konnte man das Metropolitan-Opernhaus gegenw&rtig 
nennen. Zwei bis dreimal in der Woche singt Caruso, entweder mit Marcella Sem- 
bricb, Lillian Nordica oder Edith Walker, und jedesmal ist das Haus gestopft voll, die 
Oper mag heissen wie sie will. LSngst toterklarte Werke, wie die „Somnambula tf , 
^L'Elisir d'Amore", „La Favorita", bluhen wieder auf wie MaiglSckchen. Nun, man kann 
sich auch das gefallen lassen, wenn einer so schon singt wie Caruso. Allerdings schreit 
er ofters fur die Galerie und bringt sogar Schnorkel an im „la donna d mobile", deren 
er doch gewiss nicht bedarf, um EflFekt zu machen. Unter seiner Mitwirkung werden 
Puccini's Opern immer populirer hier; mit der Nordica hat er sogar zuwege gebracht, 
die schwachliche Oper „La Gioconda" popular zu machen. Direktor Conrieds Versuch, 
Goldmarks M Konigin von Saba" wieder beliebt zu machen, ist dagegen, trotz geradezu 
verschwenderischer Ausstattung, nicht so gegliickt wie man erwartet hatte. Aber ^Hansel 
und Gretel" hat sehr gefallen; Prasident Roosevelt kommt sogar im Januar extra von 
Washington, um die Oper zu horen. Humperdinck selbst hat bei den Vorbereitungen 
mitgeholfen und ist sehr gefeiert worden. Jedenfalls ist er ein besserer Musiker als Ge- 
schiftsmann, denn er dachte nicht einmal daran, Conried ein Exemplar seiner neuen 
Oper mitzubringen! „Parsifal* soil in dieser Saison viermal zu gewohnlichen (nicht mehr 
doppelten) Preisen gegeben werden. Den ersten Nibelungen-Zyklus haben wir in der 
Weihnachtswoche mit Knote, Burgstaller und Dippel in den Tenorrollen. 

Henry T. Finck 

PARIS: Charles Widor, der Komponist des Balletes „La Korrigane" und verschiedener 
mehr korrekter, als genialer Orgelstucke und Konzertwerke, hat endlich auch auf 
der Buhne den wahren Weg gefunden und zwar vornehmlich durch das Mittel der Ein- 



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120 
DIE MUSIK V. 8. 



fachheit und Aufrichtigkeit. Es ist itam mit den vier Akten seiner „Pecheurs de 
Saint-Jean" in der Komischen Oper ein Experiment gelungen, das Bruneau mit 
Zola's Hilfe und Vincent d'Indy umsonst angestellt baben. Sowohl der w Orkan" als der 
„Fremdling u sollten ein grosses musikalisches Bild des Meeres und des Fiscberlebens 
sein, aber durch allerlei symbolistische und mystische Zutaten kamen falscbe Zuge 
hinein. Widor und sein sebr buhnengewandter Librettist Henri Cain baben auf ihrer 
Meerfahrt diese Klippe zu vermeiden gewusst. Ihre Handlung ist vom handgreiflichsten, 
wir durfen fast sagen, plattesten Realismus. Hier ist aucb kein Zug, der nicht jeden 
Tag in jedem Stranddorfe vorkommen konnte, und nur die breite Schilderung der 
baskischen Volkssitten gibt dem Ganzen einige Eigentumlichkeit. Die Handlung von 
Cavalleria Rusticana darf z. B. als kompliziert und raffiniert gelten, wenn man sie mit 
derjenigen von Cain und Widor vergleicbt. Sie haben denn aucb ibrem Werk nur die 
Bezeichnung von ^Scenes de la vie maritime 44 gegeben, der insofern zu bescbeiden ist, 
als sich diese Szenen denn doch zu einem Ganzen zusammenfugen. Das alte Thema von 
der durchkreuzten Liebe dient aucb hier als roter Faden. Eine sehr reiche und doch 
nicht aufdringliche Orchestergewandung ist der einzige Luxus, den Widor sich diesmal 
gestattete. Er behandelt die Singstimmen gut und seine Gesangsdeklamation ist immer 
korrekt und eindringlich. Ein besonderes Gluck war es ubrigens fur Widor, dass ein 
neuer, ungewohnlich energischer Dirigent namens Ruhlmann in seinem Werke die 
Sporen zu verdienen hatte. Auch der neuerdings verpflichtete Tenorist Salignac erwies 
sich als ebenso tuchtiger Sanger wie Schauspieler, und Claire Frich6 gab diese 
realistische Senta noch besser, als die mystische Senta Wagners. — Die Grosse Oper 
gab ein neues Ballet in drei kurzen Akten „La Ronde des Saisons" von Henri Busser 
nach einem Text von Lormon. Hier triumphierte die odeste, ledernste Konvention 
nach jeder Ricbtung. Busser hat sich in seiner Musik, die einen besseren Gegenstand 
verdient hatte, mit Recht an das Vorbild Delibes' gehalten und nur die Harmonieen etwas 
raffinierter gestaltet. Der Komponist, der als Dirigent in der Komischen Oper gewirkt 
hat, leitete das Orchester selbst und erzielte ein viel praziseres Zusammenspiel, als 
Mangin, der am gleichen Abend den verballhornten, sehr kalt aufgenommenen Frei- 
schutz zu dirigieren hatte. Ein Neuling hatte nach dem Beifall schliessen konnen, dass 
Busser ein viel grosserer Meister sei als Weber. Felix Vogt 

PRAG: Leo Blechs neueste dreiaktige Marchenoper „Asc henbrodel" hat bei ihrer 
Urauffuhrung einen durchschlagenden Erfolg davongetragen. Richard Batka als 
buhnen- und sprachgewandter Librettist hat den interessanten Versuch gewagt, entgegen 
der Oberlieferung, dem Aschenbrodel-Charakter dramatisch beizukommen. Er fasst 
Aschenbrodels schrankenlose Sehnsucht nach dem Konifesfeste als eine „Schuld u auf, 
die erst durch freiwilligen Verzicht auf den Besitz des Prinzen gesiihnt und — wie im 
Marchen — belohnt wird Neben den Marchengestalten stehen drei frei erfundene aber 
mit dem Gang der Handlung aufs engste verknupfte Personen, der gemutliche Schuster 
Kunze und seine beiden an Max und Moritz erinnernden Buben Heinz und Hans, deren 
ubersprudelnde Laune zum Sentiment des Liebespaars ein uberaus wirksames Gegen- 
gewicht bildet. Leo Blecb, den wir bisher fur den polyphonen Denker par excellence 
halten mussten, ist in seinem neuesten opus bei weitem einfacher geworden. Seine 
Begabung, bumoristische Situationen mit packender Drastik zu erfassen, feiert Triumphe. 
Das Auftrittslied der ungezogenen Rangen, Meister Kunzes Trinklied, ein gesungenes 
(fabelhaft schweres) Scherzo sind uppige Bluten kostlichen Humors. Die uber einem 
beuchlerischen Walzer-Motiv kunstvoll aufgebaute Zankszene der Stiefschwestern birgt 
eine Fulle grotesker Komik. Auch die Note des Pathos kennt Blech sehr gut. Aschen- 
brodels unaufbaltsam sich steigernder Monolog, der vom Himmel das Wunder herab- 



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121 
KR1T1K: OPER 



zwingen muss, das Liebesduo zwiscben ihr und dem Prinzen und noch vieles andere 
ISsst sich zum Beweis anfuhren. Um die musikalisch einwandfreie Auffuhrung erwarben 
sich grosse Verdienste Frl. Forstel (Aschenbrodel), die Damen Siemsund Carmasini 
(Stiefschwestern), Reich und Nigrini (Heinz nnd Hans) sowie die Herren Hunold 
(Kunze) und Krause (Prinz). Dr. E. Rycbnovsky 

STRASSBURG: Als Novitit fur hier erschien Thuille's „Lobetanz a , eine der er- 
freulichsten der neueren Buhnenschopfungen, nicbt uberladen, voll Rbytbraus und 
Grazie. Die Entwicklung des dritten Aktes gehSrt zum Besten seit Wagner. — Die 
„Fidelio a -Festvorstellung krankte etwas an der Insufficienz des Heldenpaares. — „Hoff- 
manns Erzfchlungen* fanden — bis auf das Pbantastische — eine gute Wiedergabe. — 
Recht acbtbar war die Auffubrung der „Meistersinger" unter Gorter. Dr. G. Altmann 

WEIMAR: Aus Anlass der Hundertjahrfeier des „Fidelio a fand eine Festauffuhrung 
start, die eine besondere Weihe durch die Mitwirkung von Lilli Lehmann als 
Leonore erhielt. Krzyzanowski dirigierte das Werk mit grosser Begeisterung und 
Sicherheit frei aus dem Gedacbtnis. Sonst unterschied sich die Auffuhrung wenig von 
einem gewohnlichen Opernabend. — Auch eine Urauffuhrung hatten wir zu ver- 
zeichnen: „Die Lieder des Euripides'* eine Mar aus Alt-Hellas von Wildenbruch 
mit Musik von M. Vogrich. Die aus Vorspielen, Choren, T3nzen usw. bestehende, 
die Handlung zum Teil sehr hemmende Musik, verr2t das Vertrautsein mit der musi- 
kalischen Mache, wirkt jedoch nicht uberzeugend. — Die Weihnachtswoche brachte uns 
den „Lohengrin tt unter Richards Leitung in gewohnter Weise und ausserdem den neu 
einstudierten „Schauspieldirektor" von Mozart, zusammen mit der zum erstenmal 
aufgefuhrten Balletpantomime „Coppelia" von Delibes, die fur unsere Verhaltnisse 
unter der riihrigen Regie der Balletmeisterin Frl. Lindau recht gut herausgebracht wurde. 
Auf den neu einstudierten „Tristan a musste man leider verzichten, da Frau Gmeiner 
<Brang5ne) in letzter Stunde absagte. Carl Rorich 

WIEN: Der Wiederaufnahme von „Cosi fan tutte" liess Direktor Mahler eine voll- 
standige Neuszenierung von „Don Giovanni" folgen. Sie erwies sich als ein 
zum grdssten Teil gelungener Versuch, den durch die dreizebn erforderlichen Verwand- 
lungen meist empfindlich gesiorten Eindruck des Don Juan-Dramas durch eine rascbe 
Szenenfolge zu heben. Das wurde im wesentlichen dadurch erreicht, dass die Vorder- 
buhne ihre fur den ganzen Spielabend berechnete, standige Einrichtung erhielt, die auch 
einer gewissen Anpassungsfahigkeit an die wechselnden Ortlichkeiten nicht entbehrte. 
Die Hauptwirkungen waren in die von Professor Roller meist prBchtig erfundenen und 
malerisch vollendet durchgefiihrten Prospekte verlegt. Mit Verwandlungen, deren Her- 
stellung nur 20—30 Sekunden in Anspruch nahm, lasst sich uber den auseinanderfallen- 
den Bau des Da Ponte'schen Dramma giocoso leichter hinwegkommen. Unter den Solisten 
uberragten Frl. von Mildenburg (Donna Anna), Frau Gutheil-Schoder (Donna Elvira) 
und Herr Weidemann (Don Giovanni) weitaus die ubrigen Mitwirkenden. Die Milden- 
burg gianzte durch die Pracht ihrer Mittel und die Tiefe ihrer tragischen Akzente, Frau 
Gutheil durch die feinste Charakterisierung und edelste Gesangskunst und Herr Weide- 
mann, der den Don Juan zum ersten Male darstellte, bot jedenfalls die GewMhr fur eine 
kunftige, ganz vollendete Leitung. Mahlers feinfuhlige und diskrete Art Mozart zu diri- 
gieren bedarf keiner weiteren BestMtigung. Gustav Schoenaich 

KONZERT 

ANTWERPEN: Das erste Konzert der Gesellschaft Nouveaux Concerts stand 
unter Leitung von Max Fiedler. Mit der Ausfuhrung der Brahmsschen c-moll 
Symphonie, sowie Tschaikowsky's Vatiationen aus der dritten Orchestersuite zeigte er 



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122 
DIE MUSIK V. 8. 



sich als Dirigent ersten Ranges. Eugene Ysaye spielte Beethovens Violin-Konzert und 
kleinere Stucke mit gewaltigem Erfolg. — Frau Schnitzler (Antwerpen) veranstaltete 
ein ^Festival Gounod". Hauptnummer war der erste Teil von w Mors et vita", ein breit- 
gezogenes, sussliches Werk. — Das erste Konzert der „Deutschen Liedertafel" 
brachte Frauenchdre von Ludwig Thuille, die viel Interesse erweckten, Manner- und 
gemischte Chore, von denen die Adventlieder von Edgar Tinel besonders gefielen. 

A. Honigsheim 

BARMEN: Das 107. und 108. Stadthallen-Abonnementskonzert des Allgemeinen Konzert- 
verein-Volkschors gestaltete sich unter Hopfes Leitung zu einem wohlgelungenen 
Brahms-Abend. Unter Mitwirkung des Barmer Sangerchors und des Tenoristen Coates 
gelangten die „Akademische Festouvertiire", funf Lieder, die „Vierte a und die Kantate 
„Rinaldo" zu vollendeter Wiedergabe. — Einen nachhaltigen Eindruck machte das von 
vornebmem Kunstempfinden getragene Fried. E. Kochsche Oratorium „Von den Tages- 
zeiten", das seitens der Konzertgesellschaft unter Stroncks Direktion durch den Sing- 
verein, die Solisten Sophie Hiller, Else Bengell, Paul Reimers, Arthur van Eweyk, 
Ewald Flockenhaus (Orgel) und das stSdtische Orchester zu fein abgerundeter, kunst- 
lerisch tadelloser Auffiihrung gebracht wurde. — Kiinstlerischen Genuss boten auch die 
zweite und dritte Soiree von Ellen Saatweber-Schl ieper, in denen von der Konzert- 
geberin, Henriette Schelle und Henri Mar tea u Proben deutscher Kammermusik zur 
wirkungsvollen Darbietung gelangten. Heinrich Hanselmann 

BERLIN: Unter Georg Sch um an ns Leitung hat die Singakademie Bachs Weihnachts- 
oratoriurn aufgefuhrt. Wenn unser Chester Gesangverein dies Werk, wie das Pro- 
gramm sagte, zum 23. mal singt, kann man sich wohl denken, dass es ihm wirklich in 
Fleisch und Blut iibergegangen ist. Chor und Orchester (das philharmonische) waren 
vortreffiich, ebenso die vier Solisten: Klara Erler. Frau Walter-Choinanus, Richard 
Fischer und van Eweyk. — Der funfce Symphonie-Abend der Koniglichen Kapelle 
war von Weingartner zu einem Beethoven-Abend gestaltet. Bernhard Stavenhagen 
spielte das c-moll Konzert weder rhythmisch fest, noch mit der warmen Empfindung > 
die doch gerade fur den langsamen Mittelsatz erforderlich ist. Die linke Hand kam nte 
ordentlich mit der rechten mit in den Passagen, die Tongebung erschien mir recht trocken. 
Besseres leistete er in der Chorphantasie. Treffiich sang der Opernchor seinen vokalen 
Anteil. Die grosse Fuge in B-dur erwies zum drittenmal in diesen Konzerten ihre fruher 
meist bezweifelteAusfuhrungsmoglichkeit; meisterhafc wurde das Werk von den Streichern 
ausgefuhrt, wie von dem ganzen Orchester die achte Symphonie, die den Glanzpunkt 
des Abends bildete. — In seinem vierten und letzten Liederabend erzShlte Ludwig 
Wu liner Tiecks Marchen von der schonen Magelone und flocht die von Brahms daraus 
in Musik gesetzten Lieder und Romanzen als Sanger ein. Conrad van Boos begleitete 
wundervoll. Ruckhaltlose Anerkennung verdient die natiirliche, lebendige Art des Er- 
zablers; es war ein interessanter Abend. E. E. Taubert 

Das zweite der „Neuen a von Oskar Fried geleiteten Konzerte brachte ausser 
einigen Mahlerschen Gesangen mit Orchester und dem bedeutenden, in uppiger Melodik 
schwelgenden Zwiegesang (Ludwig Hess und Ottilie M etzger-Froitzheim) „VerkIarte 
Nacht" (Dichtung von Dehmel) von Fried keine Neuheiten, sondern so bekannte Werke 
wie Schuberts unvollendete Symphonie und Rich. Strauss' „Tod und Verklarung", wobei 
Fried das philharmonische Orchester wieder so leitete, dass iiber sein Dirigiertalent 
nunmehr kein Zweifel sein kann. Willy Burmester spielte ausserdem noch das von 
ihm schon wiederholt hier vorgetragene E-dur Konzert von Bach. — Das Halir-Quartett 
hat inzwischen seinen Vorsatz, samtliche Quartette Beethovens an funf Abenden vorzu- 
tragen, treffiich ausgefuhrt, doch mit Ausschluss der grossen Fuge op. 133 und des F-dur 



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123 
KRITIK: KONZERT 



Quartetts nach op. 14 No. 1 (vgl. Die Musik Bd. 17, S. 250PF). — Das Joachim-Quartett 
bat den ersten Zyklus seiner Abende beendet, an denen es nur klassische Werke 
(darunter die C-dur Quintette von Beethoven und Schubert) zur Auffuhrung brachte. 
Frederic Lamond, A.Wittenberg und Franz Borisch gaben einen Brahms-Abend, 
an dem unter Zuziehung des tuchtigen Bratschisten Fritz Ruckward und des Klarinet- 
tisten O. Schubert die Klavierquartette in A-dur und g-moll, sowie das a-moll Trio 
vortreffiich gespielt wurden. — Zwei den Kinderschuhen kaum entwachsene talentvolle 
Damen: die Geigerin Katarina Bosch (Konzert von Beethoven) und die Pianistin Paula 
Hegner (nicht Schwester von Otto Hegner) konzertierten mit dem philharmonischen 
Orcbester, das von Hans Sitt (Leipzig) geleitet wurde, in einer Weise, dass man ihnen 
unbedenklich eine grosse Zukunft voraussagen kann; die Altistin Else Bengell unter- 
stutzte die beiden Debutantinnen. — Alexander Sebald befestigte seinen Ruf als Geiger 
durch den Vortrag der Konzerte von Brahms und Wieniawski (fis-moll); das phil- 
harmonische Orchester leitete an diesem Abend Georg Schumann, der bei dieser 
Gelegenheit seine hochinteressanten, stellenweise aber sehr stark vom „Tristan" beein- 
flussten Orchester-Variationen uber den Choral „Wer nur den lieben Gott lasst walten" 
erfolgreich zum Vortrag brachte. — Erika Besserer trug Bachs Ciaconna klar, wohl- 
uberlegt und sicher, Wieniawski's d-moll Konzert warmblutig und geschmackvoll vor; 
auf dem Programm hatte sie ausserdem noch Bruchs drittes Konzert, das allmahlich in 
Aufnahme kommt. In ihrem Konzert wirkte Ludwig Hess mit, der mit Begleitung des 
philharmonischen Orchesters (Scharrer) Gesange von Hausegger (recht wertvoll: w O wa'r 
es doch"), Behm und eigener Komposition wirkungsvoll vortrug. — Mit Klavierbegleitung 
konzertierten die Geiger Michael Press (Moskau), der von Vera Mauri na begleitet 
wurde und sich als treffiichen Vortragskunstler und Techniker hier gut einfuhrte, und 
J. W. L. van Oordt, der mit grossem schonen Ton eine brillante Technik verband, 
aber durch sein Programm kein rechtes Urteil uber seine rein musikalischen Fahigkeiten 
ermoglichte. — Die beiden Geigerinnen Helene Ferchland und Helene Furst haben 
sich zusammengetan, um Werke fur zwei Violinen mit Klavierbegleitung (Dr. Pot- 
peschnigg) zum Vortrag zu bringen; mit Sindings Serenade op. 56 und mit Juons Sil- 
houetten erzielten die beiden temperamentvollen und musikalischen Damen einen 
unbestrittenen Erfolg. Sie spielten auch u. a. ein Duett von Mozart fur zwei Violinen 
allein, offenbar ohne zu wissen, dass dieses kein Originalwerk, sondern ein Arrangement 
einer Klaviersonate durch einen Unbekannten ist. — Bernhard Stavenhagen und Felix 
Berber brachten zwischen der E-dur Sonate von Bach und der in Es-dur von Beethoven 
op. 12. eine noch ungedruckte, aus zwei Satzen (einem breit ausgefuhrten Allegro und 
einem Variationensatz) bestehende Sonate op. 30 von Anton Beer-Walbrunn zur Auf- 
fuhrung, ohne jedoch nachhaltigeres Interesse fur diese Arbeit erwecken zu konnen. 

Wilh el m Altmann 
Viele Pianisten streben und suchen, kampfen und ringen, ohne im Ausdruck das 
Richtige zu finden oder die Auslosung ihres Innern zu erreichen, dieweil sich zwischen 
Wille und Ton ein Armmechanismus hindernd in den Weg stellt, der oft die redlichsten 
Bemuhungen um Verwirklichung einer gewissen Einheit zwischen Geist und instru- 
menteller Form zuschanden macht. So Anton Foerster. Er arbeitet und schafft an 
sich, des ist kein Zweifel. Aber das Produkt bleibt Fleiss und Schweiss, und die Aus- 
fubrung steht hinter der gewiss guten Absicht noch immer zuriick. Brahms' Konzert 
d-moll! Wo blieb da die Maestosokraft! Wo die kostlichen Traume des Adagio? So 
sehr sich Foerster tonal hier und da gebessert, so sehr merkt man doch noch die Mangel 
eines unzureichenden Anschlagvermogens. Sein Hauptfehler ist, dass er den Ton zu 
exakt bildet, zu bewusst nimmt. Daher die Trockenheit und Pedanterie, die Arbeit und 



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124 

DIE MUSIK V. 8. 



brave Tucbtigkeit. Es feblt an Naivitat und Grazie, an der naturlichen Weichheit fiiessendcr 
HSnde. Die „Unterarmtatzen a , jene alten Schlagakkorde aus der Luft und alle die prizi- 
sierten Griffe, die nur eine trockene und hissliche Wirkung auslosen, sind instrumentell- 
asthetisch heute nicbt mebr zu rechtfertigen. — Raimund von Zur-Muhlen ist bereits 
eine geschichtliche Grosse. Er singt mit Ehren seit 20 Jabren und darf sicb des Rufes 
erfreuen: der erste Gesangsvirtuose seiner Zeit zu sein. Ein tecbniscbes Genie, von 
dem sie Alle ohne Ausnahme, von der Behandlung der Kopfstimme bis binab zu den 
pracbtvollen Explosionen eines voll ausladenden, eisern disziplinierten Brustregisters 
lernen konnten, weiss er durch die kunstvolle Gestaltung sowobl des Kleinen, Unschein- 
baren, wie der schwierigsten Legato-Stellen unsere Bewunderung immer aufs neue an- 
zufachen. Mag er nach der sinnlich-klanglicben Seite enttfiuschen, er bleibt doch ein 
Meister seiner Kunst und ist den Besten in seinem Facbe zuzuzSblen. Da seien ibm 
denn die kleinen M&tzchen, die niedlichen rubaii und Vortragskoketterien verzieben. 
„Die bose Farbe" (aus der w Schonen Mullerin a ) ist eine Genieleistung, die rund urn uns 
nicbt ibresgleichen finder. — Demgegeniiber bedeutet Hermann Gura die musikalische 
Wohlanst2ndigkeit. Fur seinen Vortrag spricht die grosse Kultur des Vaters, aber tecb- 
niscb will's nicht recht vorwarts. Der nasale Stopfton ist und bleibt ein Ubel, das sicb 
mit dem besten Willen nicht vertuscben lasst. — Frieda Kwast-Hodapp und James 
Kwast gaben einen „Mozart a (D-dur Sonate fur zwei Klaviere) voll Geist und feiner 
Grazie. — Lucyna von Robowska scheint aus gutem Holz geschnitten. Temperament 
und Klangsinn werden sie weiter fubren und ihre Musik und Technik hoffentlich reifer 
und klarer gestalten. — Auch auf Alfred Schroeder soil man acht geben, da gesunde 
musikalische Beanlagung sich zu einer trefflicben naturlichen Technik findet. — Maria 
Seret s schone und weiche Mittel beruhren nach wie vor sympathisch. Technisch sitzt 
die Hohe am besten. In der Tiefe kommt etwas Halsiges hinein. Der piano-Ansatz wie 
die Kopfstimme noch zu unsicher und zu zag genommen. Neue Lieder von Eyken 
bewiesen den festen Griff im Entwurf, einen sicheren Instinkt fur Symmetric der Linien 
und ktinstlerische Dynamik, d. h. fur eine echte, feine Fliichenkunst. 

Rudolf M. Breithaupt 
Der Amerikaner Charles W. Clark durfte bald in den deutschen Konzerisalen 
ein gern gesehener Cast sein. Sein sehr weicher Bariton ist technisch brillant geschult. 
Virtuos behandelt er das mezza voce. Der Vortrag, obgleich empfindungsvoll, ist aber 
doch wohl auf rein ausserlichen Effekt zugeschnitten. Die Aussprache ist hervorragend 
gut. Amerikanische Kunstler sollten es sich zur Pflicht machen, Kompositionen ihrer 
begabtesten Landsleute: Mac Dowell, Parker, Foote, Chadwick, Paine, Kelley, Whiting, 
van der Stucken, Converse usw., im Auslande zu Gehdr zu bringen. Auch Weike der 
dort lebenden Deutschen: L. V. Saar, J. Lorenz, W. Damrosch, V. Herbert, A. Weidig, 
H. Spielter, O. Strube usw., wurden hier von Interesse sein. — Mit Vergnugen lauscbte 
man dem wundervollen, sehr ausgiebigen Sopran von Anna Kuznitzky. Leider verliert 
die treffliche Sangerin infolge zu intensiven Miterlebens mitunter die Kontrolle uber den 
Tonansatz und die Tonhohe. — Die Altistin Inga Torshof singt nur Noten. Auffassung 
und Ausdruck nicht vorhanden. Schade um die umfangreiche und voile Stimme. Der 
mit ihr gemeinsam konzertierende Andre* Torchiana ist ein sehr solider, korrekter 
Klavierspieler ohne poetische Ader. - Ein vorzugliches Zeugnis gebuhrt der Pianistin 
Hedwig Kirscb. Mit sehr klarer und ausgeglichener Technik verbindet sie nuancen- 
reichen, beseelten Anschlag. — Zu den auserwahlten Kunstlern, deren Vortrage Geist 
atmen und gleichzeitig aus innerstem Gefuhl stammen, gehort die Pianistin Marie 
Barinowa-Malmgren. Sie spielte vier Sonaten von Ph. Em. Bach, Beethoven, Chopin 
und Liszt. — Henri Stennebruggen trug drei Klavierkonzerte mit Orchester vor. Sein 



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125 
KRITIK: KONZERT 



Ton ist spitz, seiner Auffassung fehlt Breite. Im Konzert von Schumann war alles 
niedlicb, nett, zierlicb, die Tempi uberjagt. Aucta das Philharmonische Orchester war 
nicht glucklich im Begleiten. Im letzten Satze von Schumann ereigneten sich viele 
Ungenauigkeiten! Arthur Laser 

BRAUNSCHWEIG: Im ersten Abonnementskonzert der Hofkapelle gefiel Sauer als 
Virtuos weit mehr als sein Klavierkonzert; die Hofkapelle spielte „Orpheus" von 
Liszt, Wolfs „ltalienische Serenade" und die erste Symphonie von Brahms sehr beifalls- 
wurdig. Von den Gasten der letzten Wochen erzielte Karl Scheidemantel einen vollen 
Saal, Heinrich Lutter und Frau dagegen nur einen schwach besetzten. In dem dritten 
popuiaren Konzert des Direktors Wegmann feierten Susanna Dessoir und Alice Ripper 
aussergewohnliche Triumphe. Ernst Stier 

BRESLALJ: „Der Traum des Gerontius" von Elgar hat auch hier gefallen. Man 
bewunderte die ausserordentliche liarmonische Gewandtheit des Tonsetzers, sympathi- 
sierte mit seiner feinen Instrumentationskunst und der Klangschonheit einzeiner Nummern, 
musste aber schliesslich mit Bedauern feststellen, dass es dem Komponisten nicht 
gelungen sei, die von dem gegensatzarmen seraphischen Sujet des Kardinals Newman 
gegebene Monotonie zu bannen. Auch wollte uns hier durcbaus nicht die Erkenntnis 
aufgehen, dass Elgar ein Eigener sei, ein Verkunder neuer musikalischer Ideale und ein 
Vertreter spezifisch englischer Musik. Bach und Wagner erscheinen, leisc unterstutzt 
von Mendelssohn, als die Paten des Werkes. Dr. Dohrn brachte es in glanzender Ver- 
fassung heraus. Die Singakademie und das Orchester des Orchestervereins ieisteten 
unter seiner Leitung Hervorragendes. Auch die Solisten: Luise Geller-Wolter und 
Ludwig Hess blieben hinter ihren Aufgaben nicht zurtick; der fur den erkrankten Rudolf 
Gmur in letzter Stunde eingetretene Baritonist Dorwald vom hiesigen Stadttheater war 
musikalisch sicher, sarg aber zu ausserlich. — Im dritten Abonnementskonzert und im 
zweiten Kammermusikabend horten wir Haydn, Mozarr, Beethoven, Brahms. Man sieht, 
wir gehoren in musikalischen Dingen zur konservativen Partei. Kapellmeister Behr fuhrte 
in einem Mittwochkonzert die Lyrische Suite ausop. 54 von Grieg erstmalig auf. In dem- 
selben Konzert feierte Martha Schauer-Bergmann durch die Pracht ihrer dramatischen 
Stimme und das Feuer ihres Vortrages wahre Triumphe. In dem Konzert zugunsten des 
Richard Wagner-Stipendienfonds dirigierte Franz Beidler. Frau Fleischer-Edel sang 
eine Mozartarie und die Schlusszene aus der M G6tterdammerung. a — Von Solistenkonzerten 
seien erwfihnt die Liede;abende von Emmy Destinn, Amanda Rohl-Riegner, Hans 
Hielscher und ein Konzert von Willy Burmester. Gelungene Chorkonzerte veran- 
stalteten der Pliiddemannsche Frauenchor und der Spitzersche Mannergesangverein. 

J. Schink 

BRUNN: Die Musikvereinskonzerte (Frotzler) brachten u. a. Bruchstucke aus 
Pfitzners B Rose vom Liebesgarten", Bruckners „Funfte a und Thuille's B Roman- 
tische Ouverture*. Von Solisten erschienen Helene Staegemann, Laura Hilgermann, 
Willy Burmester, Alfred Grunfeld, die Cellovirtuosin Suggia etc. 

Siegbert Ehrenstein 

BRUSSEL: Ysaye's Vorhaben, in seinen Symphonie-Konzerten vornehmlich belgische 
Werke aufzufuhren, stosst doch auf Schwierigkeiten: das Publikum wird immer 
sparlicher und — unzufriedener. Die vier angekundigten Kammermusik-Konzerte hat er 
wegen Mangel an Teilnahme bereits abbestellt. Im zweiten Konzert gab es eine offene 
Opposition gegen die Symphonie „Belgica a von A. Dupuis, und auch die „sebr moderne" 
Rhapsodie moderne fand wenig Anklang. Busoni war es vorbehalten, die gednickte 
Stimmung im Saale zu beleben, mit seinen wundervollen VortrSgen des funften Konzertes 
von Saint-Saens und den Paganini-Variationen von Brahms nebst etlichen Zugaben. Das 
V. 8. 9 



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126 
DIE MUSIK V. 8. 



dritte Konzert Ysaye stand unter einem glucklicheren Stern: die „homeriscbe Symphonie" 
von Mortelmans (Antwerpen) und das symphonische GemSlde Lalla Roukhe von 
Jongen (Gent) wurde sehr warm aufgenommen und mit Recht. Beide verdienen in 
weiteren Kreisen bekannt zu werden. Thibaud spielte entzuckend das dritte Konzert 
von Saint-SaSns und dann unter ungeheurem Jubel zusammen mit Ysaye das Bachsche 
Konzert. — Im zweiten Concert populaire (S. Dupuis) gab es auch nur NovitSten — 
dataefder Name „Volkskonzert a ! Das mit Spannung erwartete neueste Werk „Das Meer a 
von Debussy erregte nur lebhaftes Bedauern, dass ein so genial beanlagter Musiker 
zu keinem anderen Resultat gelangen konnte ais einer musikalischen Farbenklexerei, wie 
sie noch nicht dagewesen. „Paris bei Naeht* von Deli us interessiert durch reiches 
Kolorit, ist aber zu lang. Eine Suite von Dupont, erging sich in konventionellen 
Phrasen ohne Interesse. Die junge Geigerin Stefi Geyer spielte mit grossem Erfolg 
das Konzert von Goldmark und Solostucke. Sie ist eine vielversprechende Kunstlerin. — 
Unter den vielen Kunstlerkonzerten ist zu nenrien ein Rezital von Mark Hambourg, 
der leider sein grosses Talent immer mehr der ausseren Virtuositat unterordnet. Wie- 
viei hoher steht da Busoni, der an seinem Klavierabend mit Bach, Beethoven, Chopin 
und Liszt auserlesene Genusse bot. Auch Clotilde Kleeberg zeigte sich in ihrem 
Beethovenabend als die feinsinnige Kunstlerin, ais die man sie uberali kennt, und unser 
einheimischer Pianist Bosquet (Rubinsteinpreis) erwies sich in seinem Rezital als ein 
auf bedeutender Hone stehender Kunstler. Auch der vorzugliche Geiger Crickboom 
gab ein eigenes Konzert, das glSnzend ausfiel. Felix Welcker 

CHEMNITZ: Orchester(Stadtkapelle, Max Pohle): Symphonieen von Gade, Schumann, 
Beethoven; Programmusik von Dvorak, Chabrier, Rimsky-Korssakow, Sgambati. 
Chor (Musikverein, Franz Mayerhoff): Ahasvers Erwachen (Hegar), Gesang der Geister 
uber den Wassern (Wilh. Berger), Osterszene (Draeseke). Solisten: Gesang, van Eweyk 
(Lieder); Eva Uhlmann (Arie von Bellini und Lieder von Paul Gerhardt); Klavier: 
Franziska Amann (Tschaikowsky, G-dur Konzert), Ninon Romaine (Liszt, Es-dur 
Konzert). Violine: Irma Saenger-Sethe (Vieuxtemps, d-moll Konzert). — Kammer- 
musik: Bertr. Roth, Rich. Gompertz, Joh. Smith (Cello-Sonate, Grieg; Violinsonate, 
Brahms, Trio D-dur, Beethoven). — Alles wohlgelungen ; der Erfolg der Interpretation 
proportional. Oskar Hoffmann 

DARMSTADT: Von unseren beiden trefflichen Kammerm usik-Vereinigungen wurden 
uns Paul Scheinpflugs „Worpswede", DvoHks Streichquartett op. 87 (Es-dur) und 
Sindings Streichquartett op. 70 (a-mollj, von der Hofmusik v. Baussnerns „Champagner tt - 
Ouverture, von dem Mozartverein Hegars „Kaiser Karl in der Johannisnacht" und 
von dem Musikverein Wolf-Ferrari's „Vita nuova" als Novitaten vorgefiihrt. Der 
Richard Wagne r-Verein, der sich unbeirn die Pflege und Einfiihrung weniger be- 
kannter lebender Tondichter angelegen sein lasst, brachte an seinem 94. Vereinsabend 
eine Reihe von Liedern des Casseler Musikdirektors Karl Hallwachs zu Gehor, in denen 
sich solides Konnen wie eine gluckliche melodische Ader bekundeten. An dem 95. Vereins- 
abend wurden erstmalig Dr. Otto Neitzels Klaviervortrage mit Erlauterungen ( w Die 
Romantik") eingefuhrt, die auch hier grossen Anklang fanden. Solistisch traten in ver- 
schiedenen Konzerten auf: Frl. Nessler von der hiesigen Hofoper, Paula Witzemann, 
Jeannette Grumbacher de Jong, Frieda Hall wachs-Zern y, Agnes Leydhecker, 
Frau Schlosser-J aid e (Alt), Elsa Laura von Wolzogen, Ludwig Hess, Hans Buff- 
Giessen, Alfred Stephani, Hedwig Kirscb, Otto Voss, Adolf Miiller (Bariton), 
Richard Sahla, Elsa Ruegger. — Hervorhebung verdient schliesslich noch das von 
Arnold Mendelssohn geleitete Bachkonzert des Evangelischen Kirchengesangvereins 
der Stadtgemeinde, das bei freiem Eintritt die drei Kantaten „Unser Mund sei voll 



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127 
KRITIK: KONZERT 



Lachens", „Du wahrer Gott und Davids Sohn" und „Wachet auf! ruft uns die Stimme* 
einem nach Hunderten zShlenden Publikum in pracbtig gelungener Weise vorfuhrte. 

H. Sonne 

DESSAU: Im zweiten Hofkapellkonzert spielte Eugen d'Albert in genialer Weise sein 
E-dur Klavierkonzert. Die Solistin des dritten Konzertes war Rose Ettinger. Die 
Hofkapelle bot als Novitdt unter Franz Mikoreys Leitung Anton Bruckners E-dur 
Symphonie (No. VII) in vorzuglicher Ausfuhrung. Ernst Hamann 

DORTMUND: Die Geigenkiinstlerin Elsie PI ay fair zeigte sich im zweiten Huttner- 
schen Solistenkonzert in Technik und Ton ebenso bewundernswert, wie in der Reife 
des musikalischen Ausdrucks von Brahms' Violinkonzert. Als feinsinnige Mozartspielerin 
fuhrte sich Elly Ney ein, und das Orchester glanzte besonders in dem raffinierten 
Orchesterscherze »Der Zauberlehrling" von Dukas. — Der Musikverein brachte unter 
Jans sen eine wohlgelungene Auffuhrung von Bachs Weibnachtsoratorium, die solistisch 
durch die Damen Kuchler und Geller-Wolter, sowie durch die Singer Hintzelmann 
upd Gopel unterstutzt wurde. — Im zweiten Hornung-Konzert fesselte E. Ysaye alles 
in den Zauberbann seines genialen Spieles. Eine wurdige Begleiterin war ihm Frau 
Saatweber-Schlieper, die auch solistisch ais elegante Chopinspielerin entzuckte. — 
Ein bedeutsames Orgelkonzert von Holtschneider wurde durcb den Vortrag der „Geist- 
lichen Lieder* von Cornelius durch v. Milde bereichert. — Ein Konzert der w Soci6te* 
des instruments anciens" fuhrte uns die Originalausfubrung der Musik fruberer 
Jahrhunderte vor. Heinrich Bulle 

DRESDEN: Im dritten Hoftheaterkonzert batte eine Serenade fur Streichorchester von 
Josef Suk (Es-dur) einen freundlichen Erfolg, der besonders den uberaus friscben, 
melodischen und fein gearbeiteten zwei ersten Sfitzen gait, wShrend die letzten etwas 
abfielen. Im zweiten Philharmonischen Konzert lernten wir Putnam Griswold (Berlin) 
als einen Singer von prachtvollen Mitteln und sympathischem Vortrage kennen, dem nur 
noch ein wenig mehr innere Wirme zu wunschen wire. Er hatte einen starken Erfolg, 
ebenso Emil Sauer, dessen glSnzendes Virtuosentum wieder um einige Nuancen polierter 
und frisierter geworden zu sein schien. Das Lewinger-Quartett brachte als Neuheit 
ein sehr schSnes, durch reiche Melodik und feine Klangwirkung bemerkenswertes Streich- 
quartett A-dur von Iwan Taneiew mit grossem Erfolge zu Gehor. Von den zahlreichen 
Solistenabenden seien nur die von Vera Maurina (Klavier) und Michael Press i^Geige) 
and der Liederabend von Tilly Koenen, sowie ein Klavierabend von Percy Sherwood 
als bemerkenswert und das ortlicbe Interesse ubersteigend hier verzeichnet. 

F. A. Geissler 

DUSSELDORF: Als ein besonderes Ereignis ist das erste der drei Abonnements- 
konzerte von Anna Haasters-Zinkeisen zu bezeicbnen. Sie spielte mit dem 
„Bdhmiscben Streichquartett". Dabei kam als Neuheit die interessante, frisch 
erfundene Sonate op. 9 fur Klavier und Violine von O. Nedbal, von der genannten 
Pianistin und dem Primgeiger C. Hoffmann vollendet gespielt, zu eindrucksvollster Wieder- 
gabe. Auch Brahms' Klavierquintett in g-moll enthusiasmierte die Horer. — Das erste 
Konzert des B Gesangverein a unter Dr. Limbert brachte Bruchs w Lied von der Glocke** 
zu verdienstvoller Vorfuhrung. Hubert Flo hr (Piano) und Genossen spielten am ersten 
ihrer modernen Kammermusikabende" ein beachtenswertes Streicbquartett des jungen 
Russen Reinhold Gliere, eine interessante Sonate fur Violine (Kloeck) und Klavier (Flohr) 
von C. Franck und die fein instrumentierte, mehr liebenswurdige als inhaltstiefe Kammer- 
symphonie in B-dur op. 8 von Wolf-Ferrari (fur Klavier, Streichquintett, F16te, Oboe, 
Klarinette, Fagott und Horn). — Der „M&nnerchor 1904" brachte neben klangschon vor- 
getragenen Werken von J. Schwartz, Becker, Brahms u. a. von seinem Dirigenten Mathias 

9* 



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128 
= DIE MUSIK V. 8. 



Neumann bearbeitete altdeutsche Volkslieder. O. Neitzel (Piano) und A. Moers 
(Gesang) beteiligten sich als Solisten. — Henri Marteau und Ellen Saatweber- 
Schlieper boten Busoni's Violin-Klaviersonate in E-dur, die Kreutzersonate von Beet- 
hoven und mebrere Soli. Endlich horte man in einem Symphoniekonzert eine sehr 
gefallige Symphonie von Georg Kramm (Manuskript). A. Eccarius-Sieber 

ELBERFELD: Im zweiten Kunstlerabend der Sauset-Konzerte „tanzte M Miss Allan 
u. a. Mendelssohns Frublingslied und den Chopinschen Trauermarsch fesselnd, 
enthusiasmierte der junge amerikanische Geiger Francis Macmillen, interessierte die 
Pianistin Elsa Rompe. Unter Haym konzertierte der Lehrergesangverein in Choren 
von Kjerulf, Neuhoff, Kremser, Schumann und Hegar mit Erfolg, den auch Julian 
Gumpert mit seinen Violinvortragen errang. Die Indisposition der mitwirkeriden Rose 
Ettinger fand durch reizenden Vortrag ihre vollige Deckung. Im zweiten Abonnements- 
konzert unter Haym borten wir neben Haydns B-dur Symphonie und Mozarts Ave verum 
Mozarts G-dur und Beethovens D-dur Violinkonzert (Ysaye). Unter des Komponisten 
Leitung brachte die „Laetitia" eine neue Komposition von Karl Hirsch „Aus der alten 
Reichsstadt" zur Auffuhrung, die, der Dichtung von Otto Hausmann entsprecbend, 
volkstumlich gehalten, namentlich in den Mannerchoren viel Schones und Wirkungsvolles 
enthSlt, bei aller Einfachheit doch gehalt- und effektvoll, aber nicht gesucht erscheint. 
— Eine besonders in den Choren vorzugliche „Messias a -Auffuhrung brachte das dritte 
Abonnementskonzert unter Hans Haym; wirkungsvoll einstudierte Gesange des Hirsch- 
schen gemischten Chors, Klaviervortrage von Carl Friedberg und Vortrage seltener ge- 
horter Lieder durch Desider Zddor waren die Gaben des dritten Kunstlerabends (Direktion 
de Sauset). F. Schemensky 

FRANKFURT a. M.: Auf dem Gebiete der Kammermusik wurden wir mit zwei be- 
merkenswerten Weiken bekannt: erst mit Hugo Wolfs Streichquartetr, zu dessen 
Erlauterung auf dem Programm der erste Geiger der ausfuhrenden Vereinigung, Hermann 
Hock, zur Feder gegriflfen hatte. Die Herren Friedberg und Rebner gaben Max 
Regers neuer Sonate fur Klavier und Violine op 84 eine ihrem anziehenden Inhalte 
sehr entsprechende Darstellung. — Maximilian Fleisch, der seit nunmehr 25 Jahren den 
Lehrergesangverein leitet, ward bei dessen erstem offentlichen Auftreten in diesem 
Winter mit besonderen Ehrungen ausgezeichnet. — Ein Museumsabcnd,an dem d'Albert 
mit hinreissender Macht Beethoven und Schubert spielte, erbrachte im ubrigen auch fur Max 
Schillings, der verschiedene hier schon vernommene eigene Orchester-Kompositionen 
personlich leitete, gebuhrenden Erfolg. Derselbe Kunstler hatte tags vorher in einem Konzert 
des Kai m-Orchesters, in dem auch Smetana's symphonische Dichtung „Sarka u bei ihrem 
ersten Erscheinen hier gute Aufnahme fand, seine Musik zum w eleusischen Fest a dirigiert, 
wobei ihm wieder Ernst von Possart als Melodramsprecher zur Seite stand. Im dritten 
Opernhauskonzert (Dr. Rottenberg) wurden von Mozart ausser der Es-dur-Symphonie 
auch die drei deutschen Tiinze gespielr, die Kdchel unter No. &)5 verzeichnet. Die 
Konzertouverture E. Elgar's „Im Suden" erwies sich als eine der achtbaren Neuheiten, 
iiber die man rasch wieder zur Tagesordnung ubergeht. Ein Liederabend Ludwig Wull- 
ners mit Gesiingen von Otto Vrieslander, Richard Wetz und Hermann Zilcher wird 
wohl unter den zahllosen Konzerteindriicken dieser Tage mit am starksten in der Er- 
innerung haften. In gewissem Sinne gilt das auch von den Vortragen des mit seiner 
Kraft allzu verschwenderisch umgehenden Pianisten Mark Hambourg. 

Hans Pfeilschm idt 

GENF: Auf dem Programm des zweiten Abonnementskonzerts stand Beethovens B-dur 
Symphonie, ferner als Novitiit die Ouverture uber drei griechische Themen von 
Glazounow, sowie das reizende Menuett du Bourgeois Gentilhomme von Lully mit 



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129 
KRITIK: KONZERT 



dem Violinsolo, mit dessen Vortrag der zweite Konzertmeister Aim6 Kling eine ausser- 
gewohnliche Wirkung erzielte. Das dritte Abonnementskonzert wurde eingeleitet mit 
Haydns Symphonie in B-dur. Der Violinist Pierre Sechiari brachte Mozarts Violin- 
konzert (A-dur) zum gelungenen Vortrag. Als Novitaten sind zu verzeicbnen: „Kors- 
holm", symphonische Dichtung von A. Jarnefelt, und „Lie besfriihling", Ouverture 
von G. Schumann. Uber das vierte Konzert ist zu sagen, dass die Darbietungen des 
italienischen Pianisten E. Consolo einen grossen Genuss gewahrten. Es kamen noch 
folgende Novitaten von L. Sinigaglia unter grossem Beifall zum Vortrag: zwei Stucke 
fur Streichorchester: „Hora mystica" (adagio), Scherzo, und ..Danse pi€montaise tt fur 
Orchester. Unter den funf bis jetzt stattgefundenen Konzerten von Henri Marteau ist 
das vierte besonders hervorzuheben; in diesem trat Richard Muhlfeld auf und entzuckte 
mit der hochst gelungenen Wiedergabe der Sonate in F-dur op. 120 fur Piano und 
Klarinette von Brahms, von Willy Rehberg begleitet. Den Beschluss bildete Mozarts 
herrliches Klarinetten-Quintett. Prof. H. Kling 

HAAG: Konzerte, veranstaltet von der Konzertdirektion „De Allgemeene Muziek- 
handel" in Amsterdam. — Der Liederabend von Johannes Messchaert und Julius 
RSntgen war wieder ein grosser Triumph fur beide Kiinstler. Der Reiz des Konzertes 
wurde durch die Mitwirkung der Gattin Julius Rontgens erhoht. Das Ehepaar spielte 
hier zum ersten Male Max Regers Variationen und Fuge iiber ein Thema von Beet- 
hoven fur zwei Klaviere. Messchaert sang Schumanns „Dichterliebe a und altnieder- 
landische Volkslieder, von Rontgen bearbeitet. — Henri Viotta hat an der Spitze des 
Residenz-Orchesters in einem unter Mitwirkung von Julia Culp stattgefundenen 
Konzert und in seiner ersten Sonntagsmatinee (Solist Karl Burrian; u. a. Beethoven 
„Weihe des Hauses", Einleitung 3. Akt „Tannhauser", Vorspiele zu „Tristan" und den 
„Meistersingern") seinen Ruhm als ausgezeichneter Wagner-Dirigent aufs neue bewahrt. 

Otto Wernicke 

HALLE: Noch immer ist das Winderstein-0 rcheste r aus Leipzig berufen, unsere 
musikalischen Kosten zu bestreiten, zumal die Grundung eines stadtischen Orchesters 
auf die bekannte lange Bank geschoben worden ist. Die drei ersten philharmonischen 
Konzerte brachten an symphonischen Werken Beethovens „Eroica tt in sehr befriedigender, 
Schuberts „Unvollendete" in guter und Berlioz' „Harold in Italien** (Bratsche: Bernhard 
Unkenstein) in ruhmenswerter Form. Von Solisten traten hier T£l£maque Lambrino, 
Willy Burmester und Felix Berber auf. Berthe Marx-Goldsch midt trug mit 
vollendeter Technik aber schwerlich im Sinne des Komponisten Chopin's Preludes 
und Etudes vor. Das Busstagskonzert der Neuen Singakademie brachte das neue 
Oratorium „Von den Tageszeiten" Friedr. E. Kochs, leider in unzureichender Ausfuhrung. 

Martin Frey 

HAMBURG: Die Bekanntschaft mit der grossen Novitat dieses Konzertwinters: mit 
Max Regers „Sin fonietta u namlich, vermitlelte uns Arthur Nikisch. Wenige 
Tage nach der Berliner Auffuhrung fuhrte er bei uns Regers Werk zu einem zwar nicht 
glanzenden, aber immerhin unbestrittenen Erfolg. Und gerade, dass die konservativen 
Hanseaten sich die Sinfonietta so widerspruchslos gefallen liessen, war das Uberraschende, 
nachdem in fruheren Jahren Strauss, Mahler und Boehe jedesmal auf Opposition ge- 
stossen waren. Sollte man am Ende in Hamburg sehr richtig doch herausgefuhlt haben, 
dass es sich bei Max Reger trotz alien modernen Gebahrens im Grunde doch um musi- 
kalische Reaktion handelt? Um einen maskierten Ruckschritt von der Ausdrucksmusik 
zur formalistischen Musik? Charakteristisch fur die „Sinfonietta a ist jedenfalls das eine 
Moment, dass sie, unter Verzicht auf jedes Programm, dem musikalischen Absolutismus 
huldigt und im Grunde ihren Stammbaum auf die Dynastie Brahms zuruckfuhrt. Be- 



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130 
DIE MUS1K V. 8. 



wusst fortschrittliche Tendenzen verflcht sie keinesfalls. Das erklSrt es, dass Arthur 
Nikisch, der selbst langsam und instinktiv von konservativen Tendenzen beherrscht wird, 
sich besonders zu Max Reger und seiner Musik hingezogen fuhlt, obschon seinem Farben- 
sinn ein so ungescbickt instrumentiertes Werk eigentlich wenig bietet. Mit den Schwierig- 
keiten des immerhin interessanten Versuches fanden sich die Philharmoniker bewunderns- 
wurdig ab. Im gleicben Konzert sang Weidemann aus Wien die neuen Mahlerschen 
Gesilnge, von denen die prachtvoll-beredten „Kindertotenlieder a — freilich fur ein elegantes 
Amusementpublikum eine Zumutung! — einen tiefen Eindruck hinterliessen. Max Fiedler 
batte vor seiner Abreise nach Amerika die Freude eines ausverkauften Saales. Der 
Magnet war Carl Scheidemantel, der, nach Guras Rucktritt von der Offentlichkeir, 
wohl der beliebteste Konzertsaal-Gast in Hamburg ist. Ausserdem sang er Wagner! Da 
tat's denn der Begeisterung gar keinen Abbruch, dass Wotans Abschied doch weiss Gott 
nicht in den Konzertsaal gehort, dass ausserdem die Wotanpartie Herrn Scheidemantel 
reichlich tief liegt und dass endlich das Orchester der Musikfreunde diese „Nummer" 
keineswegs sehr schon und ausdrucksvoll begleitete. Es war Wagner und das deckt in 
Hamburg alles. Spa*ter sang er Schumanns „Dicbterliebe* und zwar unter wesentlich 
hoberem kunstlerischen Gelingen, trotzdem auch diese Wahl nicht ganz einwandfrei ist. 
Denn der herrliche Zyklus gehort eigentlich wohl in einen intimeren Raum und einen 
intimen Kreis. Max Fiedler unterstutzte mit seiner feinsinnigen und verstlndnisvollen 
Kunst vom Flugel her den Sanger aufs beste. In Gemeinschaft mit der Singakademie 
fuhrte die Philharmonie M Paradies und Peri" auf; Richard Barth leitete diese recht 
schon gluckende Wiedergabe des nicht alternden Werkes. Unter den Solistenkonzerten 
ragt als bemerkenswert der Liederabend von Elena Gerhardt hervor; bemerkenswert 
deshalb, well die junge Kunstlerin so ziemlich die einzige ist, die vor einem gut be- 
suchten Saale konzertieren konnte. Freilich war man nicht gegangen, um Elena Gerhardt 
zu horen, sondern um Arthur Nikisch am Klavier zu sehen, aber das erfreuliche Resultat 
bleibt dasselbe. Heinrich Chevalley 

HANNOVER: Aus der Unmasse von Konzerten verschiedenster Art ragten haupt- 
sachlich zwei bedeutende Veranstaltungen hervor: eine Auffuhrung der „Legende 
von der heiligen Elisabeth" von Liszt und eine solche des Schumannschen „Manfred". 
Das Lisztsche Oratorium fand seitens unserer „Musikakademie* (Dirigent: Frischen) 
eine geradezu vollkommene Vorfuhrung; die Auffuhrung des w Manfred" hatte sich unsere 
ruhrige ^Singakademie" (Dirigent: Brune) als Aufgabe gestellt und diese ebenfalls 
trefflich gelost. Ludwig Wu liner rezitierte die Titelrolle. — Das vierte Abonnements- 
konzert der Konigl. Kapelle (Dirigent: Kotzky) brachte als Novitit Tscbaikowsky's 
weniger populare, aber darum nicht minder interessante Manfred-Symphonie; Solist des 
Abends war Franz Naval. L. Wuthmann 

HEIDELBERG: Das Programm zum zweiten Konzert des Bachvereins war als 
Nachklang zur Schillerfeier gefasst. Liszt (Die Ideale und Lieder aus Wilhelm Tell), 
Smetana (Wallensteins Lager), Schubert (Lieder) und Tscbaikowsky (Einleitung zur Jung- 
frau von Orleans und Arie der Johanna) reichten sich darin zum reizvoll bunten Reigen 
die HSnde. Das dritte Konzert war interessant ebenso durch das Debut der sympathischen 
Londoner Violinistin E. Anthony (Mendelssohns Violinkonzert) wie durch die Premiere 
von Sibelius' Suite „Pelleas und Melisande", eines lockeren Bandes knapp gehaltener 
Stimmungsbilder, das in den mystischen Gehalt der Maeterlinckschen Dichtung noch den 
Reiz einer nordisch starkfarbigen Polypbonie zu verflechten weiss. Von den andren 
heimischen Vereinen raffte sich die „Harmonie* zur Auffuhrung von Rezniceks B-dur 
Suite unter des Komponisten Leitung auf, der „Liederkranz a griff zu Mendelssohns 
„6dipus auf Kolonos" und stellte ihm den Schillingsschen Prolog zum „K5nig Odipus" 



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131 
KRITIK: KONZERT 



voran. Die intimere Musik vertraten ein Quartettabend derBohmen (der zweite in der 
Sceligschen Reitae), ein Konzert der Pariser Gesellschaft fur alte Instrumente, 
ein Liederabend von E. Destinn und das eigenartige Auftreten Wullners als Rezitator 
und Singer der Tieck-Brahmsschen Geschicbte der schonen Magelone, die er als Solist 
des vierten Bachvereinkonzerts zur Geltung brachte. Drei weitere der hier schon an- 
gezeigten Konzerte des stadtischen Orchesters erfreuten sich eines guten Besuches. 

Hermann Voss 

KOLN: Im vierten Gurzenich-Konzert liess Eugen d'Alberts nicht gerade sehr 
originelle Vertonung von Herders scbwulstig-gesuchtem Gedicht „An den Genius 
von Deutschland" die Horer kalt, wahrend man d'Alberts trefflicher pianistiscben Inter- 
pretierung seines eigenen E-dur Konzerts wie des Beethovenschen G-dur Konzerts das 
gewohnte Interesse entgegenbrachte. Scbuf Fritz Steinbach hier eine berrliche Wieder- 
gabe von Tscbaikowsky's funfter Symphonie, so vermittelte er im funften Gurzenich- 
Konzert Beethovens Eroica zu fesselnder Ausfuhrung. In Urauffuhrung horte man P. 
Juons auf drei daniscben Volksliedefn aufgebaute symphonische Phantasie „W5chter- 
weise". Das mit viel ausserlichen Effekten arbeitende Werk bietet wenig Originelles 
und die geringe Gedankenausbeute interessiert nur auf kurzen Strecken. Als Gesangs- 
solistin erzielte Mary Munchhoff vorwiegend gunstige Eindrucke. — Mit eigenen 
Abenden taatten in letzterer Zeit Susanne Dessoir, die Pianistin Ellen Saatweber- 
Schl ieper (Mitwirkende Bram El de ring und Adele Munz) und Fritz von Bose schone 
Erfolge. — Das Gurzenich-Quartett fuhr in der Wiedergabe samtlicher Beethovenscher 
Streicbquartette fort und verschafFte durch die ausgezeichnete Mitwirkung des Pianisten 
Carl Friedberg dem f-moll Klavierquintett von Cesar Franck erhohte Beacbtung. 

Paul Hiller 

KOPENHAGEN: Von bedeutenderen Veranstaltungen seien bervorgehoben: Konzerte 
von Willy Burmester, Lady Halle* und E. v. Dohn£nyi, des Bremer Lehrer- 
gesangvereins mit Lambrino, von Frau AcktS und Ida Ekman, des Prager 
Quartetts usw.; grossere Konzerte: Musikverein Hartmann-Feierlichkeit (Erinnerung 
an seinen langst vergangenen Hundertjahrstag!), Diinischer Kon zertverein: eine 
Symphonie von A. Schioler (schone, gewandte, etwas ausserliche Musik), Kapell- 
konzert (Johan Svendsen) u. a. erste danische Auffuhrung von Richard Strauss* 
„Till Eulenspiegel* 4 (das reizende Werk hat nicht ganz durchschlagen konnen), Cacilien- 
verein: Konzert mit gemischtem Programm, Carl Niel sen-Konzert mit Wiederholung 
u. a. der auch in Berlin (Busoni) gespielten Symphonie „Die vier Temperamente" und 
mit einigen neuen lustigen Tanzstiicken in altem Stil aus der Oper „Mascarade a 
(nach Holberg), deren Auffuhrung bevorsteht. William Behrend 

LEIPZIG: Einigermassen sensationell wirkten ein Gewandhausgastspiel der vortreff- 
lichen Pariser „Soci6te de Concerts des Instruments anciens", durch 
die Tonwerke aus dem 17. und 18. Jahrhundert feinkunstlerisch und sehr an- 
sprechend vorgefuhrt wurden — und zwei vom hiesigen Frauenbildungsverein mit 
ca. 250 Kindern und jungen Madchen veranstaltete Vorfuhrungen der Tanz- und 
Spiellieder und kallisthenischen Studien von E. Jaques-Dalcroze. Das siebente 
Gewandbauskonzert brachte als NovitSt Edward Elgar's interessante Orchester- 
variationen uber ein Originalthema - und das achte in erster aber wenig ruhmenswerter 
Gewandhausauffuhrung „Les Beatitudes" von Cesar Franck, wahrend im vierten 
Philharmoniekonzert die Manfredsymphonie von Tschaikowsky Staunen erregte und 
ein klassizistisches Orchesterscherzo von Hanz Pfitzner beifillige Aufnahme fand. Der 
dritte Abend der Boh men interessierte vornehmlich durch die Urauffuhrung eines 
neuen C-dur Streichquintettes von Felix Weingartner, das bei durchweg sehr ge- 



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DIE MUSIK V. 8. 



schickter Klangzubereitung seinen Erfindungsschwerpunkt in einigen durch Rezitative 
eingeleiteten Variationen hat. Vertrauenerweckend debutierte der von Kantor Ernst Muller 
geleitete neue Andreaskircbenchor. — Die vielen Solisten, die sich hier vernehmen 
liessen, seien nur kurz angefuhrt und charakterisiert. Als Singende erschienen neben 
dem edlen Meisterbariton Carl Perron die tiichtigen Liedersa"ngennnen Anna Stephan 
und Mimie Wittichen, die noch nicht fertigen Damen Marianne Geyer und Marie 
Schunk, der noch ganz unfertige Tenor Hermann PI ticker, und drei Gesangsspezialitaten: 
der hohe Tenorblender Werner Alberti, die etwas chansonettenhafte Antonia Dolores 
und der liebenswurdige Lautenbarde Sven Scholander. Ernsiliche Hochschatzung errang 
sich Arthur Egidi mit seinem kunstreich-schonen OrgeispieJ, und als sehr ttichtiger 
Geiger erwies sich Adolf Rebner mit dem Vortrage des a*moli Konzertes von Dvorak. 
Von den Klavierspielern imponierte Richard Burmeister durch seine feine Virtuositat, 
Mark Hambourg durch einige sehr schone Chopin-lnterpretationen, die er furchtbar 
wilden Bach- und Beethovenvortragen folgen liess, Georg Lie b ling durch zuverlassige 
und gut musikalische Wiedergabe des b-moll Konzertes von Tschaikowsky, und Theodor 
Lemba durch gute Anlagen zum Pianisten. Emil Eckert, Alfred Schmidt-Badekow 
und Thekla Scholl kamen mit ihren Leistungen nicht wesentlich fiber den Haus- 
bedarf hinaus. — Mischa Elman mit trefflicher Wiedergabe des Tschaikowsky-Konzertes 
und mehrererSolostucke und derThomaner-Chor (unrer Gustav Schreck) mit prachtigen 
a cappella-Chorvortragen erregten im neunten und zehnten G ewand hauskonzer t 
zwischen Symphonieen von Mozart (Es-dur), Ph. Em. Bach (D-dur) und Beethoven (Es-dur) 
und Suiten von Gluck (aus „Orpbeus tt ) und Bizet („Roma tt ) freudigste Bewunderung, 
wahrend das als Beethoven- Abend angelegte funfte Philharmonische Konzert (Violin- 
konzert, zwei Romanzen, Ouvertiire zu „Coriolan u und „Leonore a und Balletmusik 
„Prometheus tt ) durch Eugene Ysaye's Mitwirkung zum Kunstfeste geweiht wurde. in 
der dritten Gewandhaus-Kammermusik begegnete die Erstauffuhrung von Sindings 
a-moll Quartett op. 70 freundlichem Interesse, und es folgten in schoner Wiedergabe das 
b-moll Trio von Volkmann (mit Pembaur am Flugel) und Beethovens op. 127. Der 
Bach-Verein brachte unter Karl Straube und mit solistischer Beteiligung von Emilie 
Bu ff-Hedinger und Martha Stapelfeldt, des leider indisponierten Ludwig Hess und 
des trefflichen Arthur van Eweyk die Kantaten „Herr! Deine Augen sehen nach dem 
Glauben", „Wie schon leuchtet der Morgenstern" und w Der Himmel lacht, die Erde 
jubiliert" zu chorisch bedeutender Wiedergabe und rief besonders lebhafte Freude mit 
den auch in instrumentaler Hinsicht hochinteressanten zwei letzteren Werken hervor. 
Im Liederabend eines vorlaufig noch nicht nennenswiirdigen Sangers debutierte mit 
grossem Erfolge der junge Violoncellist Elias Kaganoff, und zwei sehr schonen Lieder- 
abenden von Lula Mysz-Gmeiner und Ludwig Hess reihte sich ein Klavierabend des 
hiesigen sehr tuchtigen Konservatoriumslehrers Josef Pembaur an, bei dem jedoch die 
zum Vortrage gelangenden Balladen und Legenden von Brahms, Chopin und Liszt in- 
folge einer allzu neurasthenisch-pathetischen Interpretation teilweise verkummerten. 

Arthur Smolian 

LEMBERG: Guilhermina Suggia, Frederic Lamond, Aino Acte, Alfred Grunfeld, 
Paula Sza lit, Willy Burmester, Grarin Skarbeck und Komtesse Morsztyn 
horten wir in ganz kurzer Zeit. Zu erwahnen v;iire noch das I. Jahreskonzert des 

„M u si k ver ein s" (u. a. Leonore No. 3 und Boelmanns Symphonie F-dur op. 24) sowie der 
crste Quartettabend dieses Vereins (Beetlioven-Quartett op. 59 No. 2 und Schumanns 
Klavierquintett op. 44). Die Quartet:? ilnehmer waren die Herren Villy Kurz (Klavier), 
M. Wolfsthal (I. Violine), Jack! (II. Violine , Sladek (Violoncello) und M. Thun 
(Bratsche). Alfred Plohn 



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133 
KRITIK: KONZERT 



MAGDEBURG: Die Konzertsaison bringt bei uns im Monat November Sturmfluten 
an Musik und an gut ausgefubrter Musik. Der Lehrergesangverein (Dirigent: 
Josef Krug-Waldsee) sang Hegar, Heuser, Donati sowie eine wirkungsvolle Hymne des 
Dirigenten. Katta. Both-Leipzig, eine blutjunge Geigerin, im Leipziger musikalischen 
Kunst-Treibhaus unter Sitt emporgewachsen, spielte Tschaikowsky mit gereifcem Konnen. 
Der Tonkiinstlerverein stellte sich mit seinem Quartett meistens auf die Seite der 
Klassiker. Der Reblingsche Kirchengesangverein unter Musikdirektor Kauff- 
mann bolte sich am Totensonntag einen Erfolg mit einer stilvollen Auffubrung des 
Requiems von Brahms; der Brandtsche Gesangverein (Leiter: Prof. Brandt) fuhrte 
den „Elias" sehr gut auf. Im Dome (Oratorienverein und Domchor) hSrte man am Buss- 
tag den w Tod Jesu" von Graun unter dem Domchordirigenten Kuhne. Dazu die vor- 
nehmen Konzerte des Kaufmannischen Vereins: Ludwig Hess, Alexander Sebald, 
SchumannsSymphonieinB-dur;dann dieFortsetzungderSymphoniekonzerteim Stadttheater, 
ebenfalls unterKrug-Waldsee: Doris Walde und Jacques Thibaud, einversusster Petschni- 
koff; dazu d-moll Symphonie von Schumann und Hungaria von Liszt. Ein intimes Konzert 
der Loge „Harpokrates"; ein Kauffmann-Berber Sonatenabend, ein Chopin-Abend 
der Marx - Goldschmidt. Schliesslich das Heer der Konzerte ausschliesslich lokaler 
Bedeutung . . . Winderstein-Abende usw. . . . wir leben wirklich in einem ununterbroche- 
nen Musikfest. Max Hasse 

MAINZ: Die Liedertafel begann ihren Zyklus von Kammermusikabenden gleich mit 
einer Novitat, Regers Trio in a-moll. Das schwierige Werk wurde von den Herren 
Rebner (an Stelle Heermanns), Bassermann und H. Becker ganz vortreffiich inter- 
pretiert, fand aber nur geringen Beifall. Das war eigentlich zu bewundern, denn das 
Werk ist in seiner ganzen Art so klar und ubersichtlicb, dabei so reizvoll in Melodik, 
Stimmung, dass zu seinem VerstSndnis keine grosse Vorbereitung gehort. Um so 
grdsseren Eindruck machte Brahms' gigantisches g-moll Quartett, in dem Florence 
Bassermann den Klavierpart in geradezu vollendeter Weise durchfuhrte. In dem 
Symphoniekonzert vom 25, Oktober wirkte Artur Schnabel mit, und errang mit Tscbai- 
kowsky's Klavierkonzert grossen Beifall, wShrend Therese Behr-Schnabel sich mit 
Schumanns „Dichterliebe" von neuem in Aller Herzen sang. In dem folgenden Konzert 
brachte Emil Steinbach eine grossziigige, stimmungsvoll gestaltete Auffiihrung von 
Strauss* „Tod und Verklarung*. Von grosstem Interesse war eine Neuheit: L'Apprenti 
sorcier (Der Zauberlebrling) von Ducas. Das Werk spruht nur so von geistvollen Ein- 
fallen, und ist prickelnd wie Champagner. Zu dem Konzert am 23 November war die 
„Societ£ des Instruments anciens" aus Paris zur Mitwirkung herangezogen. 
Dass die zum Teil gewiss sehr niedlichen Stiickchen Interesse zu erregen vermdgen und 
auch wert sind, gehort zu werden, bestreite ich nicht. In ein Konzert aber, in dem 
vorher Beethovens achte Symphonie thronr, passen sie nicht, sie wirken nach solcher 
Musik doch zu klein. — Von Solistenkonzerten nenne ich einen Chopin-Abend, in dem 
Frau Ries von Trzaska sich als gute Pianistin zeigte. In demselben Konzert sang 
Frau Materna, unsere vortreffliche Primadonna, Lieder von Chopin mit prachtiger Ton- 
gebung und in ausgezeichneter Auffassung. Dr. Fritz Volbach 

MANNHEIM: Aus der Hochflut der Konzertveranstaltungen ragen neben den Akademieen 
die Auffuhrungen des Musikvereins und Lehrergesangvereins hervor. Ersterer 
brachte unter Kahlers Leitung Judas Maccabaus" mit den Solisten Ruckbeil-Hiller, 
Agnes Leydhecker, Fr. Carlen und G. Zalsman zu einer ruhmenswerten Vor- 
fuhrung, der letztere (Dirigent: C. Weidt) zeigte seine intellektuelle und numerische 
Uberlegenheit in der vortrefflichen Wiedergabe der „Frau Minne" von Fr. Mayerhoff. 

K. Eschmann 



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DIE MUSIK V. 8. 



MOSKAU: Die rauhen Sturme der Revolution haben auch das Musikleben stark er- 
schuttert. Sonst hatten wir eine Flut von Konzerten, jetzt sind es deren nur wenige. 
Das Abonnementskonzert der kaiserlich russischen Musikgesellschaft, Godowsky's Klavier- 
abende und noch mebreres andere mussten aufgegeben werden! — Das Moskau-Trio 
(Schor, Krein, Ebrlich) ist alien vorangegangen, indem es den angegebenen Spielplan in 
historischer Reibenfolge ausfuhrend von Bach, Rameau bis zu Schubert gelangt ist. — 
Der Verein derLiebhaber der russischen Musik unternahm es, in den Schreckens- 
tagen mit einer Orchesterauffubrung russischer Kompositionen unter Rachmaninoff 
hervorzutreten, und widmete auch einen Liederabend Rimsky - Korssakow. — Die 
Philharmoniker brachten unter Chessin nur russische Tondichtungen zu Gebor; 
u. a. spielte L. Kreutzer temperamentvoll Rachmaninoff's zweites Klavierkonzert. — 
Olenin d'Alheim veranstaltete einen Balladen-, sp3terhin auch einen Liederabend, an 
dem sie ihr reiches Vortragstalent zur Geltung bringen konnte. Hugo Wolf war auch auf 
dem Programm vertreten. — Eine neue Kunstlervereinigung, das Quartett der Herren 
Konius, E. und A. Belloussoff, Averino, spielte bei ihrem ersten Auftreten Kom- 
positionen von Taneijeff in ernster, gediegener Weise. E. von Tideboehl 

NURNBERG: Von Durchgangserscheinungen nenne ich nur: Frau Preusse-Matzen- 
auer mit Bernhard Stavenhagen, Felix Berber, Madenski (Kontrabass mit voll- 
endeter Technik aber Vari6t6-Wirkung), Holy (Harfe), Thekla Scholl (Klavier), Sarasate, 
Dr. Neitzel und Feinhals (Bass). Das Kaimorchester, an dessen Spitze endgultig Georg 
SchnSevoigt steht, hat mit Liszts Faustsymphonie einen vollen Triumph errungen 
(Ludwig Hess sang das Tenorsolo unvergesslich schon). Von hervorragenden Or- 
chesterleistungen muss ich noch das Konzert unter Wilhelm Bruch nennen, in dem 
neben Strauss' Zarathustra noch Hans Pfitzners Solhaug- Vorspiel und Volkmar 
Andreaes symphonische Phantasie fur Orchester, Orgel, Tenorsolo und Chor gebracht 
wurde. Pfitzners Musik ist abgeklSrter, bewusster; bei Andreae girt noch so star- 
ker Most, dass man den rein musikalischen Kern in diesen ewig brodelnden, 
ekstatischen Tonen noch nicht klar genug erkennen kann. Warum unsere jungen Kom- 
ponisten alle mit frech-prometheischer Faust die ganze Sonne herabreissen wollen? 
Eine interessante und auch befriedigende Bekanntschaft vermittelte uns der Verein 
fur klass. Chorgesang mit Bossi's verlorenem Paradies. Der musikalische Wert 
des Werkes darf nicht uberschatzt werden ; doch bei der Armut anderer mo- 
derner Chorwerke wirkt es in seiner frischen, fliessenden und pathetischen Art sehr 
erfreulich. Den interessantesten Abend hat uns jedoch wieder der Privatm usik verein 
(Vorstand Rektor Volck) geboten, als er Reger einlud, einige seiner Werke selbst vor- 
zufuhren; man konnte ausser einer Anzahl von Liedern, von Sanna van Rhyn mit 
hochster Intelligenz und Hingebung gesungen, noch die fls-moll Violinsonate kennen 
lernen (Violine Franz Schorg vom Brusseler Quartett) und die Beethovenvariationen fur 
zwei Klaviere (am zweiten Klavier Hofpianist Mannschedel). Eine Komponisten- 
personlichkeit wie Max Reger lasst sich nicht in ein Aphorisma von zwei Zeilen kon- 
densieren, aber ich gehore, nach genauer Kenntnis aller seiner Werke, zu denen, die 
inn fur einen Berufenen halten. Dr. Flatau 

PARIS: In den grossen Sonntagskonzerten war der Zulauf wohl noch selten so stark, 
wie diesen Winter. Colonne und Chevillard hatten daher den Mut, allerlei 
Novitaten zu bringen, aber keine davon wollte recht einschlagen. Bei Chevillard fand 
man, dass die lebhafte Orchester-Kermesse von Jaq ues-Dalcroze zu stark auf dessen 
volkstumliche Lieder der Westschweiz zuriickgreife und dass das Orchestergedicht 
^Quasimodo" von Fr. Casadesus eine planlose Anhaufung wagnerischer Effekte sei 
Nur fur Paris neu war das phantasievolle cis-moll Klavierkonzert von Rimsky- 



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135 
KRITIK: KONZERT 



Korssakow, das der Spanier Ricardo Vines zu grosser Wirkung brachte. Es ist 
interessant zu sehen, welchen Unterschied in Paris das Publikum und die Kritik zwischen 
der neuen und der Slteren, klassisch angehaucbten russischen Schule machen. Borodin, 
Mussorgski, Balakirew und Rimsky-Korssakow werden angeschwSrmt, Tschaikowsky 
dagegen verschmabt. Der Moskauer Dirigent Saffonow, der bei Chevillard gastierte, 
batte daher Unrecht, dessen Romeo-Ouverture hervorzuziehen, und die secbste Symphonie 
Glazounows in c-moll mitzubringen, die ebenfalls fur den Pariser Gescbmack lange 
nicht slawisch genug ist. Colonne gewUhrte den Urhebern neuer Tonwerke ausser dem 
Orchester auch hervorragende Solisten, aber sowohl der Schiller nachempfundene Toggen- 
burger von Charles Lefebvre, als der auf Renan's Bibelubertragung fussende „Hiob" 
von Rabaud, wurden als allzu zahm und bieder mit ziemlicher Kaite aufgenomraen. 
Die Serie der neun Symphonieen Beethovens, die mit zweimaliger Auffuhrung der 
Neunten endete, entscbSdigte das Publikum Colonne's reichlicb. — Ausser Beethoven 
geniesst auch Bach einen wahren Kultus in Paris, wenn er auch nicht so ausgedehnt 
ist. Die „Soci6t6 J. S. Bach" von Gustave Bret und Daniel Herrmann hat daher 
ihren ersten Jahrgang vollenden und kurzlich einen zweiten antreten konnen. Mit kleinem 
Chor und kleinem Orchester, aber mit genugender Vorbereitung gab die Gesellschaft an 
einem einzigen Abend die Kirchenkantate „Herr, wie du willt a , die weltliche Kantate 
w Herkules am Scheideweg", aus der Bach mehrere Stiicke in das Weihnachtsoratorium 
hinubergenommen hat, und das ersie Brandenburger Konzert, dessen Menuett wieder- 
holt werden musste. — Unter den Virtuosenkonzerten war wohl das uberraschendste 
dasjenige der kaum siebzenjahrigen Flora Joutard, die abgesehen von der noch fehlen- 
den Kraft des Anschlages die vorletzte Klaviersonate Beethovens tadellos spielte. — 
Die von Barrau gegrundeten „Soir£es d'Art" begnugen sich nicht mit einer sehr 
gediegenen, genau einstudierten Ausfuhrung samtlicher Streichquartette Beethovens, 
sondern fugten ihm im vorletzten Konzert auch ein BlSserquartett bei, urn das sehr 
interessante Quintett fur Oboe, Klarinette, Fagott, Horn und Klavier, op. 16, horen zu 
lassen. — In den Konzerten der Philharmonie sind als Lieders5nger Nina Faliero 
und namentlich Dr. Wullner zu erwShnen, der zum erstenmal in Paris auftrat und — 
naturlich — faszinierte. Felix Vogt 

PETERSBURG: Die aufregenden politischen Ereignisse der letzten Zeit scheinen auf 
das musikalische Leben der Residenz vernichtend eingewirkt zu haben. Die Kaiserl. 
russ. Musikgesellschaft eroffnete ihre Saison unter besonders ungiinstigen Ver- 
baltnissen, da sie durch die bekannte Rimsky-Korssakow-Affare einen wirklich ernsten 
musikalischen Konflikt heraufbeschworen hat. Der grosse Saal des Kaiserl. Konserva- 
toriums sah in den ersten zwei Symphonickonzerten ganz trostlos aus, auch im ersten 
Kammermusikabend war sogar der kleine Saal verodet. Das Programm des ersten 
Symphoniekonzertes umfasste ausser der „Akademischen Festouverture" von Brahms, 
Glazounow's „Fruhling a und Rubinsteins d-moll Konzert (von Frau Barinowa vorzflglich 
vorgetragen), noch Bruckners unvollendete neunte Symphonie, die uns neu war. Im 
zweiten Symphoniekonzert, in dem der Cellist A. von Glehn (Prof, am Moskauer 
Konserv.) mit den ^Variations sur un theme roccoco" von Tschaikowsky debutierte, ge- 
langten Rimsky-Korssakow's herrliche Symphonie w Antar a , Beethovens „Egmont-Ouver- 
ture a und Schuberts „£rlkonig u (instr. von Kassanli) zur Auffuhrung. Die Konzerte 
wurden von W. Woltschek aus Prag geleiter. — Ein ganz anderes Aussehen hatte der 
Adelssaal am ErorTnungsabend der Siloti-Konzerte. Der Kunstler erfreut sich mit Recht 
von Jahr zu Jahr immer mehr der Gunst hiesiger Kunstverehrer. Sein Einfluss auf 
unser Musikleben, sowie das Streben nach eigener Kunstvollendung ist unverkennbar. 
Das Programm umfasste Werke vom alten Handel (Concerto grosso in g) bis zum jungen 



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136 
DIE MUSIK V. 8. 



Strauss („Guntram a -Vorspiel). Es fehlten auch nicht Werke der drei gegenwartig sehr 
gefeierten „liberalen a Komponisten Rimsky-Korssakow, Glazounow und Ljadow. Tilly 
Koenen, die im Konzert als Solistin auftreten sollte, konnte infolge des Ausstandes der 
Eisenbahner Petersburg nicbt erreichen. Alexander Siloti spielte als Ersatznummer die 
Wanderer-Phantasie von Scbubert-Liszt fur Klavier mit Orchesterbegleitung — Von aus- 
wartigen Berubmtheiten hatte bis jetzt nur Leopold Godowsky den Mut, unser unruhiges 
Russland, in dem der Befehl des Generalgouverneurs: „Patronen sind nicht zu sparen" gilt, 
zu besuchen. Leider konnte der gefeierte Virtuose nur ein Konzert geben, das scbon 
angekundigte zweite Konzert Iiess er absagen. urn so schnell als moglich fiber die Grenze 
zu gelangen. Bernhard Wendel 

POSEN: Die Posener Orch este rvereinigung bracbte in dem dritten Symphonie- 
konzert Beethovens „Funfte" und die Brabmsschen Variationen iiber ein Thema 
von Haydn unter Arthur Sass* Leitung. Ein weiteres Konzert unter v. Rezniceks 
Leitung hatte zum Mittelpunkt Schuberts unvollendete h-moll Symphonie und die grosse 
Leonorenouverture. — Pastor Greulich veranstaltete mit seinem Kreuzkirchenchor eine 
gelungene Bachfeier, deren wicbtigstes Moment die Reformationskantate mit Frau Collin 
und dem Bariton Fitzau als Solisten war. — Karl Straube gab ein historisches Orgel- 
konzert mit Bachs g-moll Phantasie und Fuge als Hohepunkt. -— Ignaz Friedman 
gefiel am besten mit Chopin und Liszt in einem Allerweltsprogramm. — Im „Verein 
junger Kaufleute a sangen Jeannette Grumbacher dejong (Volkstumliches), Arthur van 
Eweyk (Schubert, Brahms, Wolf), Johanna Kiss, eine begabte Altistin, wahrend das 
Hollandische Trio mit Mozartschen Trios entzuckte. A. Huch 

PRAG: Das zweite Philharmonische Konzert unter Leo Blech brachte ausser Schumanns 
C-dur Symphonie noch Fragmente aus Pfitzners „Rose vom Liebesgarten* und sein 
Scherzo, die nur massigen Eindruck machten. Die Solistin Irene Abendroth (Dresden) 
fiel ganzlich ab. „Es war einmal." Unvergessliche Genusse bereitete uns Blech in dem 
von ihm geleiteten Mozartabend des Durerbundes, der u. a. die Symphonie concertante 
fur Geige und Bratsche und das Konzert fur Flote und Harfe brachte. Das Konser- 
vatorium wirft sicb, seitdem der verdiente Direktor Knittl wieder den Taktstock fuhrt, 
auf die historische Musik und brachte an zwei Abenden Proben aus den Orchestertrios 
und Symphonieen der Mannheimer Schule. Uber die tschechische Philharmonie das 
n&chstemal im Zusammenhange. Von den Pianisten, die uns besuchten, ist namentlich 
Ansorge und Lambrino (welch letzterer im ersten Konzert eines jungen, einheimischen 
Geigers Hrn. Jarosch auftrat) zu nennen; von Sangerinnen Helene Staegemann, deren 
Vortragskunst im Durerbund mit Liedern von Pfitzner und Streicher Triumphe feiene. 

Dr. Richard Batka 

ROM: Ende Dezember. Einen Programmzettel fur ein symphonisches Konzert mit 
den welthistorischen Buchstaben S. P. Q. R. — Senatus populusque romanus — 
am Kopfende, den hatte auch der vortreffliche Ben Akiba mit dem Hut in der Hand als 
etwus noch nicht Dagewesenes begriisst! Seit einigen Wochen ist die alte „banda muni- 
cipale u der ewigen Stadt, die nur aus Holz- und Blechbliisern bestand, in ein grosses 
stadtisches Gesamtorchester mit einer geniigenden Anzahl von Streicherpulten urn- 
gewandelt worden. Wahrend der Zeit von Weihnachten bis gegen das Fruhjahr hin 
wird es dem Unternehmer, der jeweilig die Opernstagione im „Costanzi tt dem grossten 
Theater Roms) leitef, zur Verfugung gestellt. Im ubrigen veranstaltet es abwechselnd in 
jenem Hnuse, im „Teatro Argentina 4 * und im „PoJiteama Adriano u an Sonn- und Feier- 
tagen Konzerte, die man als sympbonische bezeichnen darf, sofern man die aus Ruck- 
sicht auf den italienischen Nationalstolz eingeschobenen Ouverturen eines Verdi und 
Donizetti gutwillig mit unter diesen Begriff bringt. Das Unternehmen ist als solches 



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137 
KRITIK: KONZERT 



sehr dankenswert, zumal die Preise durchaus populate genannt werden konnen. Angeregt 
und verwirklicht wurde die Idee von dem feinsinnigen, unermudlich tatigen Grafen 
von San Martino, der sich auch anderweitig um das Aufbluhen modernen kunstleriscben 
Lebens im alten Rom hochverdient gemacbt hat — er ist eben daran, seinen Mitburgern, 
die, wie die Florentiner, Neapolitaner, Mail£nder bisber nur Wandertruppen kannten, die 
erste standig im Betrieb erbaltene Schauspielbuhne zu geben. Das neue Orchester ver- 
eint recht tuchtige Elemente in sich; zumal die Holzblaser und das Quartett durften 
sich uberall Anerkennung erringen. Es ware unrecht, zu verlangen, dass das Ensemble 
jetzt schon so Vortreffliches leiste, wie die von dem unvergleichlichen Toscanini ge- 
schulten grossen Orcbesterkorper von Mailand, Turin und Bologna. Aber wenn der rechte 
Erzieher kSme, vermochte er es auf eine hohe Stufe zu erheben. Maestro Vessel la, 
der gegenwartigc Leiter, ist ein sehr unterrichteter, intelligenter, ausserst fleissiger 
Musiker, aber leider kein Dirigent. Er hat sich als ehemaliger Fuhrer der „banda" einen 
angesehenen Namen gemacht; er hat in friiheren Jahren fur die neuere deutsche, ins- 
besondere die wagnerische Musik in Rom beinahe soviet getan, wie seinerzeit der alte 
Pasdeloup in Paris, und den Italianissimi, die ihn als „schlechten Patrioten" nieder- 
pfeifen wollten, mannbaft standgehalten. Das zeugt fur Charakter. Man ware, zumal 
in der deutschen Kolonie Roms, sehr erfreut daruber, wenn dieser Mut von offizieller 
deutscher Stelle aus durch eine entsprechende Auszeichnung beiohnt werden wurde. 
Schade nur, dass man nicht ungestraft zwei Dezennien lang unter freiem Himmel lediglich 
mit Blech und Holz arbeitet. Mit Geigen und Celli weiss Vessella nicht viel anzufangen. 
Als Rbytbmiker und Dynamiker kein Kapellmeister von besonders hohen Graden ist er 
vollends ein durfiiger Kolorist. Das meisre ist grau in grau getont; viertelstundenlang 
geht es in einem indifferenten Mezzoforte vorwarts. Wie schade! Studiert wird mit 
loblicbem Eifer; wahrend des Verlaufes dreier ziemlicb umfangreicher Konzerte fiel mir 
kaum eine geringe Unsauberkeit auf. Anerkennung ist Vessella auch dafur zu zollen, 
dass er die guten aiteren Italiener vom Bibliotheksstaube befreit. Eine aus Salierfs 
„Danaiden" gezogene Suite liess auch die in der Historie nicht Beschlagenen erkennen, 
dass der Rivale unseres Wolfgang Amadeus ktineswegs nur der „wiilsche Tuckebold" 
sentimentaler Mozart-Romane, sondern gleicherweise ein melodienreicher und im Tech- 
nischen sehr gewandterTonsetzer war. Manches in diesen Siucken klingt hochst mozartisch. 
Auch ein allerlitbstes, sehr grazioses w Pastorale u von Boccherini, der bei uns fast aus- 
schliesslich durch seine allbekannte Menuet zu Ansehen gelangte, sei deutschen Dirigenten 
bestens empfohlen, Paul Marsop 

SCHWERIN: Im Hoftheater bescherte das erste Oichesterkonzert Beethovens siebente 
Symphonic, deren Vortrag man ein wenig mehr differenziert wunschen konnte; das 
folgende Konzert enthielt Schuberts C-dur Symphonie, die Hofkapellmeister Prill mit 
grossem Wohlklang und PrSzision herausbrachte. In das Gebiet der neueren Musik 
fuhne die interessante dritte Suite von Tschaikow^sky und sein b-moll Klavierkonzert, 
das Teresa Carreiio hinreissend und mit krafivollstem Ausdruck spielte. Kammer- 
musiker Prill- Berlin fand fur sein ausgezeichnetes Flotenspiel grosse Anerkennung. 
Mit eigenen Konzerten zog eine Reihe von Kunstlern durch die KonzertsSle. Besondere 
Aufmerksamkeit verdiente Alfred Meyer-Schwtrin mit zwei Violinsonaten von Brahms 
und Richard Strauss, die er — mit Artur Schnabel am Klavier — in lichter Darbietung 
und mit virtuoser Technik entwickelte. Tilly Koenen (Hofpianistin Monich am Klavier) 
erfreut sich hierorts als Liedersangerin grosser Beliebtheit. Prof. Th. Saul-Amerika 
errang als bedeutender Orgelvirtuose in seinem Kirchenkonzert einen vollen Erfolg. Das 
Petersburger Streichquartett erzielte mit Werken von Borodin, Beethoven und 
Tschaikowsky hervorragend schone Wirkungen. Fr. Sothmann 



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138 
DIE MUSIK V. 8. 



SONDERSHAUSEN: Die Orchesterneuheiten waren nicht gerade von der tiefen, 
wuchtigen Art, sondern bevorzugten das graziose Genre. So gab E. Robert- 
Hansen mit seiner Ouverture „K6nig Lustig* ein prickelndes Scherzo in Tarantellen- 
rhythmus, Edgar Istel in seiner w SingspieI-Ouverture a eine bluhende Inkarnation der 
SingspieMdee, gewoben aus Tanz und Lied. Auch die symphonische Dichtung von 
Paul Geisler „Till Eulenspiegel" ist eine musikalische Humoreske, deren buntem 
Narrengewande dunkle pessimistische Risse und tiefe philosophische Falten ein groteskes 
Aussehen verleihen. Hugo Ruckbeil lasst sich im ersten Teil seiner nocta zu vollenden- 
den symphonischen Dichtung „Thuringen w bei der Verarbeitung einer Volksweise nicht 
zu sehr vom Gefuhlsschwang fortreissen, sondern dampft ihn mit herber Kontrapunktik. 
Jean Sibelius gibt in seinen glanzend und eigenartig instrumentierten Legenden „Der 
Schwan von Tuonela" und „Lemminkainen zieht heimwarts" in beruckender Tonmalerei 
uns fremdartig anmutende Bilder. Massenet steigert in der Suite „Esclarmonde tt die 
Pracht der Orchestereffekte zwar aufs hochste, wirkt aber nur theatralisch. — Unter den 
Kam merm usi kwerken waren ein Klaviertrio von G. Goldmark und das Klavierquintett 
in Des-dur op. 6 von E. Wolf-Ferrari als vornehme Neuheiten hervorzuheben. In der 
Ausfuhrung der Orchestersachen bewahrte sich unsere tiichtige Hofkapelle unter 
Schroeders Leitung; bei der Kammermusik das unter Corbachs Fuhrung stehende 
Streichquartett und die Pianisten C. Fischer und A. Grabofsky. Von auswartigen 
Instrumentalsolisten sind zu nennen: der als Komponist obengenannte Cellist E. Robert- 
Hansen, die Pianistin C. Mikorey; ausser dem hiesigen Konzertsanger E. Liepe 
horten wir Martin Oberdorffer und Paula v. Lichtenfels sowie das a cappella 
Quartett der Damen A. und S. Homann, Bergner, Lucke (Leipzig). Das Rotbig- 
Quartett wurde zum erstenmal hier gehort. M. Boltz 

STRASSBURG: Von den Gaben, die der konzertreiche November spendete, seien 
hervorgehoben Mahler's Symphonie No. Ill, dieses merkwurdige Gemisch von er- 
haben sein wollendem mit banalem, Zarathustra-Weisheit mit „Bimbam tt aus des Knaben 
Wunderhorn, Wiener Landler- und Parsifal-Stimmung. Mir erscheint Mabler immer mehr 
als ein Homunculus, der aus Allerweltsessenzen zusammengebraut ist. Von echt musi- 
kalischer Form zeigt sich Georg Schumanns f-moll Symphonie, die nur von ihrem 
Orchesterpanzer erdruckt wird. Wer wird so alle vier SStze „durchblechen a ? Im Finale 
ist auch die Erfindung erschopft. Das Ehepaar Friedrich-Plaichinger gab einen 
Lieder- und Duettenabend, in dem namentlich die feine Sangeskunst des Gatten Anklang 
fand. Erfolgreich verlief der Liederabend der hiesigen Altistin Margarete Altmann-Kuntz, 
die u. a. Schumanns Dicbterliebe sang. — Im Tonkunstlerverein horte man die Berliner 
Blaservereinigung und Neitzel als leichten Kauseur und schweren Pianisten. — 
Munch brachte drei Bachkantaten mit G. Walter, O. Susse und Frl. Ruhle als 
Solisten. — Kreisler interpretierte korrekt Beethovens Violinkonzert; Tilly Kocnens, 
der Mahlersolistin, Liederabend fiel leider ins Wasser. Dr. G. Altmann 

STUTTGART: In den Solistenabenden der Hofkapelle spielte Wendling das a-moll 
Konzert von Bach und das Violinkonzert von Brahms, Kiefer Schumanns Cello- 
konzert. Ernst Kraus sang die erweiterte Gralerzahlung. Pohlig brachte eine neue 
Symphonie in c-moll von Carl Bleyle, deren markiger Charakter ungemein gefiel. — 
Im Populiiren Konzert des Liederkranzes geigte Arrigo Serato Beethovens Violin- 
konzert. Dem kunstlerisch aufstrebenden Neu en Singverein unter E. H. Seyffardt 
verdanken wir die vortreffliche Erstauffuhrung des „Neuen Lebens 4 * von Wolf-Ferrari. — 
Dagegen verzichtete die Wiedergabe von Bruchstucken aus Bachs Weihnachtsoratorium 
durch S. de Lange im Klassischen Verein; auf den Ehrgeiz hoherer Anspruche. — 
Erfreulich wachsf die Zahl der einem Tondichter gewidmeten Abende. Wolf sang Frl, 



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139 
KRITIK: KONZERT 



Schweicker, Schumann Freytag, Brahms spielte Pauer (im Tonkunstler-Verein), 
Beethovens Violinsonaten Singer, mit Pauer; Mezger veranstaltete ein Konzert mit 
Kompositionen des schwibischen Tonmeisters Christian Fink. L. Wullner ruckte Wolf 
in den Vordergrund; in Hoches und Frl. Blattmachers Liederabend trug Blattmacher 
Liszts Dantesonate vor. Dr. Karl G run sky 

WARSCHAU: Erst vor kurzem haben die philharmonischen Konzerte nach dem 
fast einmonatlichen Stillstand angefangen. Von etwas kunstlerisch Interessantem 
kann kaum die Rede sein — da vorlaufig die Philharmonie keinen ersten Kapellmeister 
und keinen kunstlerisch verantwortlichen Leiter besitzt, und die auslSndischen Engagements 
infolge der Unruhen nicht zustande gekommen sind. H. v. Opienski 

WEIMAR: Schonsten Genuss brachten Stavenhagen und Berber, andererseits 
Burmester mit Schmidt-Badekow; das zweite Theaterkonzert eine gute Wieder- 
holung der Domestica und eine nicht hervorragende franzosische Sangerin de la 
Rouviere; der zweite Kammermusikabend Reger und Regersche Werke, darunt er am 
annehmbarsten eine Serenade fur Flote, Violine und Viola. Ein geschickter Sanger, doch 
mit sproden Mitteln, J. Muhr, gab einen Liederabend (am Flugel A. Ernst); endlich 
konzertierte der talentvolle doch unfertige Pianist R. Mace do. Prof. Paul Bachmann 

WIESBADEN: Der „Cacilien-Verein tt fuhrte im ersten Konzert Enrico Bossi's 
w Verlorenes Paradies" auf. Das phantasiereiche Werk mit seinem poesievollen 
Text und seiner gSnzenden, wenn auch mehr nur dekorativ wirkenden musikalischen 
Ausgestaltung erregte lebhaftes Interesse. Die Ausfuhrung unter Kogels Direktion 
wurde der Partitur in allem wesentlichen gerecht. — Im VI. Kurhauskonzert brachte 
Kapellmeister Afferni die neue Symphonie (No.| 2. D-dur von J. Sibelius zu Gehor: 
die virtuose Orchester-Technik fesselte mehr als der inn ere Gehalt der Komposition, 
deren Themen, bei origineller nationaler Farbung, kein recht symphonisches Geprlge 
tragen und selten zu wirklich organischer Entwicklung gelangen. Die Aufnahme seitens 
des Publikums war nur lau: Biilow hatte vielleicht „zur Strafe" das Werk gleich noch 
einmal spielen lassen. Und moglich, sogar hochst wahrscheinlich, dass man dann 
gunstiger geurteilt hatte. Otto Dorn 

ZURICH: Gaste in der Tonhalle mussten, sobald sie nicht in den Abonnements- 
konzerten auftraten, die alte Erfahrung machen, dass trotz ihres Namens in der 
Musikwelt unsre Stadt ein beschamend kleines Kontingent stellt fur die nicht offiziellen 
und regelm3ssigen Veranstaltungen. Das gilt auch von den Orgelkonzertcn in denen 
namentlich in der Kirche Enge Hr. Isler uns bedeutende Leistungen Modemer (wie 
Reger) nahe zu bringen sucht. Stefi Geyer hatte immerhin mehr Gluck mit ihrer Zauber- 
geige, wogegen das herrliche Frankfurter Vokalquartett sich mit dem Entzucken 
von etwa zwei Dutzend Leuten begnugen musste. In einem Konzert des Schweiz. 
Gesang- und M usiklehrer- Vereins lernte man die Bedeutung von Volksgesang- 
Vereinen neuerdings schatzen, wahrend die nachtraglichen Streitereien um das Urteil 
der Kampfrichter am eidg. S^ngerfest geradezu eine Blamage fur diese lnstanz und 
deren Purification fur die Zukunft bedeuten. Der Gemischte Chor fuhrte Klose's 
d-moll Messe glanzend auf. Friedrich He gar hat in den Abonnementskonzerten u. a. 
durch seine Interpretation von Tschaikowsky's funfter Symphonie neuerdings eine Un- 
verwustlichkeit ohnegleichen kundgetan. W. Niedermann 



Vt cgcn Raummangels mussten fiir das nachstc Heft zuriickgcstellt uerdcn die Berichtc: Freiburg i. B., Miinchcn 
(Oper); Bradford, Chicago, Freiburg i. B., Helsingfors, Melbourne, AAunchcn, Miinstcr i. W\, New York, Pforz- 
heim, Rosario, San Francisco. 



f",^,,,!,. Original from 

J :, :i,c::t ::-, V .UU^R UNIVERSITYOF MICHIGAN 




ANMERKUNGEN ZU 

UNSEREN BEILAGEN 




Das diesem Hefte beigegebeoe I Uustr&tiona- Material 1st von Panl Mart op luummea- 
gestellt vorden; es bletet etae Art fortlaufeaden Kommentin der Studie »Zur 
Buhnen- und Konzertreform", soroit bildiiche Ertluterungen zur Entvicktungs- 
gescblcbte dea Vagner-Theaters Oder Deutschen Spiel nausea, Erkllrungen ztt den 
eiozelneD Bllnern brings so weJt sie Qberbtupt erlbrderllch slnd, der fbrilaufende 
Text. — Das Theater von Orange besitzt die be&tcrh&ltene antlke Szene. — Der 
Plan der Theaters von Herkulinum: die photograph iscbe Wledergabe elites Holz- 
modells (Rekonstruktlon), das in Restaa-Portici («Scavl dl Ercolano*) to besicbtlgcn 
fat. — Die Original© der Scblnkeischen Zelchnungen kann man Im Scbinkel- 
Museum eiDseben* das sich im Oberatock dca Charlotte n burger Polvtechaikums 
beflndet (Mippe 24). Fur veniger Geubte bat Heir Professor Littmann anf unaere 
Blue to den Plan dea „Inneren* freundlfcbst elnlge orientlerende Beinerkungen 
elngetragen. — Anf eine Vledergibe der rlum Lichen Disposition dea Semperachen 
Bauemwurfs fQr Kdnig Ludvig ll, f wie sie das im Bayer, National museum umer- 
gebracbte Model! zeigt, masate fur dlesmal sua tecbnlscben Gruoden verzicbtet 
werden. — Von der ebeaso geietvoiltn wie praktischen Lositng des Orcbester* 
raum- Problems, die Liftman a fur das amphltheatrallach gebaltene neue Char- 
lottenburger Schiller-Thester ge fund en bat, wlrd In der Fortsatxung der 
Marsopsohen Studie (2. Februsrbeft) elagenender die Rede eein. — Die SkUsa 
des Arcfaitekten jean G Irene zn einer Anlage fQr rerdecktes Orchearer In einem 
Opernbause mil Ringen 1st znerst durch die Par iter * Illustration" verfBemlicht 
worden, Unter dem Gesichtspunkt der «Nicht-Opilk* (Unslcbtbarkelc) 1st bier die 
Aufgabe gut gelSst; unter dem der Akustik lisst sie sich nlcbt Utaen: Opernhatts 
und offenes Orcbester bedingen sich gegenseiiig[ 




Nichdrurk nur mil lugdrjckHchcr Erlautml* del Verlfltc* ECflMieL 

Altc Efochie, ingbeurndcrc du der tenet* unn, vorbehtltta, 

FIjt dlt ZurDckflcndniic unvcrl inj;i cr odcr nJcbr iD[cma1dciar Mmu^krlpEe, fmHt Iboco alcht ten tit tod 

Porto bcllleft, tobernJinmi die Kcdtktioa ktira Gtmaik. Schwer Lcwrilche Miauakripia vardea ungcprflft 

lurftckjttiiadL 

Verantwortlicher Schriftlcitcr: Kapellmeister Bernhard Schuster 
Berlin SW, ll v Luckenwalderstr. 1. III. 



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PLAN DES PROSCEN1UMS UND DER VERDECKTEN ORCHESTERANLAGE DES 
IM BAU BEGRIFFENEN CHARLOTTENBURGER SCHILLERTHEATERS o o o 

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DIE MUSIK 



Ea gibt nichts GStllicheres at* die KunsU Und nlchts Leichtem 
zugleich. Uttd doch } varum iat es so schwer? Jede erste Be* 
wegung, allcs Unwillkurliche ist schdn, und sctatef und verschroben 
•lies, sobald e* sicb selbst begreift. O, der Verstand! Der un- 
glficlcliche Verstandl Studiere nicbt zn viel t folge dem Gefuhl* 

Heinrlch tod Klclat 



V. JAHR 1905/1906 HEFT 9 

Erfttes Februuheft 

Hersusgegeben von Kapellmeister Bernhird Schuster 

Verlegt bei Schuster & Loeffler 

Berlin und Leipzig 



* 






Onciinal from 
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Dr. Edgar Istel 
Die Entatehung des dcutschcn Melodramas. I* 

Ernst Lewicki 

Die VervoUsUndigung von Mozart* grosser c-moli Metse 

dnrch Alois Scbmitt (Scbluss) 

Pro£ Dr. Wilhelm Altmann 
Die deutsche Musiksammlutig 

Besprechungea (Bftcber nod Musikalien) 

Revue der Revueen 

Umschau (Neue Opera, Aus dem Opernrepertoire, 
Konzerte, Tageschronik, Totenscbau) 

Kritik (Oper and Koniert) 

Eingelaafene Neuheiten (Bficher und Musikalien) 

Anmerknngen zu nnseren Beilagen 

Konstbcilagen 

Anzelgen 

DIB MUSIK ertchdm moottlicta zwelma). Aboimei»«at*pi«U Mr daa 
QniffUiJ 4 Mark. Abonnemenitproit ttr den Jahfgug 1 5 Matfc* Ptdt 
dea rfnzeioin Helta 1 Mark. VlendjaJuaetahaiiddeckM i I Mark, 
far die tCuutbetUfiMi des guuea Jahrgeiifa 2^90 Mark* 
Abonitemeata durcb jode Buch- nod MmUeaUenhaadtnnij Itif Uelne 
Plttze oboe Bncohlndler Buna durcb die Post 




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DIE ENTSTEHUNG 

DES DEUTSCHEN MELODRAMAS 

von Dr. Edgar Istel-Mfinchen 





1 

Jie letzten Jahrzehnte des IS. Jabrhunderts sollten sicb zu den er- 
elgnis- und folgenreichsten fur die deutsche Schauspielbfihne ge* 
ataltcn; Riles dr&ngte bin zu dner kunstlerischen und sozialen 
Hebung des Schauspielcrstandes, der sicb bisher oft aua rectat 
fragwurdlgcn, schiffbrfictaig gewordenen Elementen reknttieit hatte. Von 
dem Leben and Trelbcn einer deutschen Schauspielertruppe, wie sic urn das 
jabr 1770 in Deutscbland ibr Wesen trieb, vermag wohl heute nichts ein 
so lebensftrisches, auschauliches Bild zu bieten als Gocthcs Roman .Wilbelra 
Meisters Lebrjahre** Die Schicksale des Schauspieldirektors Molina und 
seiner jungen Frau, Philinens, Friedrichs, Laertes 1 und wie aie der Dicbter 
tile nemit, ibr Leben auf der Wanderscbaft, ihre Stellung zur Aristokratie, 
all das tritt una int Rahmen jenes grosurtigen Werkes als ein prichtiges 
Stfick deutscher Buhnengeschichte cntgegen. 

Hier begegnen wir auch schon jenen beiden Faktoren, die, mSchtig 
das Bflhncnleben beeinfiusseud, von grfisater Frucbtbarkeit far die Welter* 
entwicklung des deuiachen Theaters werden sollten; dem Gedankea einer 
deutachen Nationalbflhnc und dem Einwirken des ebeo erat in Deutscbland 
Fuss fassenden gros&en Briten Shakespeare. 

Der erate Versuch einer deutachen Nationalbiilme, daa Hamburger 
Unternehmen, aua der Ackennannschen Truppe 1767 hervorgegangen, 1st 
durcb Lessing in seiner »Hamburgischen Dramaturgic* verewigt worden 
und bat trotz seiner kurzen Dauer sicb in seinen weiteren Folgeerschei- 
nungen als von der grdssten Bedentung fSr unsere dramatiscbe Kunst 
erwiesen; fBhrt doch von ihm der Weg fiber das Gotbaische Hofthcater 
direkt nach der Mannheimer Nattonalbubne, *) der Schdpfung Dalberg* und 
inlands, der ersten Heimstitte des Schillerschen Genius. Wir aber werden 
diesen Weg auch fiir unsere Betrachtung ins Auge fassen mfissen, da fast 



*) VgL ft. Schlatter 1m 13, Bind der too B* LitimtDii herautgegebenen ^Thaatar- 
geicblchtL Fortcbungen*, Hamburg und Letpilf 188& 

10" 



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144 
DIE MUSIK V. 9. 



samtliche fur die Entwicklung des „akkompagnierten Dramas* (so nannte 
man die ersten deutschen Melodramen) wichtigen Personlichkeiten ebenfalls 
auf ihm gewandelt sind. 

Eine der besten schauspielerischen Krafte, aber auch ein streit- und 
rollensiichtiges Frauenzimmer ohnegleichen war die schon in Hamburg 
vielgefeierte Heroine Sophie Friederike Hensel (geb. Sparmann, als Mme. 
Seyler beriihmt geworden, 1738 — 1790), die spater als „Medea" (in Bendas 
gleichnamigem Duodrama) ihre grossten Triumphe feiern sollte. Schon 
Lessing riihmte an ihr u. a. als besonderen Vorzug eine sehr richtige De- 
klamation. Friedrich Ludwig Schroder, der beruhmte Schauspieler, riigte 
dagegen ihre „Zittertone a und wollte sie nur in sanften Rollen fiir vor- 
trefflich gelten lassen, wahrend in heftigen ihr „Dragonerschritt tt unleidlich 
sei. Zweifellos war sie aber hochbegabt, und personlich wird ihr eine 
imponierende Gestalt und ein Gesicht von regelmassigem Schnitt nach- 
geriihmt. Sie war seit 1755 mit dem Komiker Hensel verheiratet, der 
neben ihr sehr zuriicktrat, wahrend sie und ihr Geliebter Abel Seyler, 
den sie 1772 in Weimar dann auch heiratete, allmahlich den Ton angaben. 
Seyler (1730 — 1792), bei Basel als Sohn eines Pfarrers geboren, war ur- 
spriinglich ohne sonderliche Neigung Kaufmann gewesen, hatte sich dann, 
dem Bankerott nahe, mit dem Rest seines Vermogens am Hamburgischen 
Nationaltheater beteiligt und sollte noch als Schauspieldirektor weiterhin 
eine wichtige Rolle spielen, wahrend er als Schauspieler nie iiber eine ge- 
wisse Mittelmassigkeit hinauskam. 

Das Hamburgische Nationaltheater, mit grossen Worten ins Leben 
getreten, erfreute sich nur eines kurzen Daseins: schon am 3. Marz 1769 
war seine Herrlichkeit zu Ende, und die Direktion ging auf F. L. Schroder, 
den Stiefsohn des durch die Intriguen der Hensel vertriebenen friiheren 
Direktors Ackermann, iiber. Aber Seyler ruhte nicht, bis er heimlich ein 
Privilegium als Schauspieldirektor fiir das Kurfiirstentum Hannover erlangt 
hatte, und nun bot er den besten Mitgliedern des Hamburgischen Theaters 
so giinstige Bedingungen, dass sie im Sommer 1769 samtlich zu ihm iiber- 
gingen, und er jetzt tatsachlich eine der besten Truppen bei sich vereinigte. 
Unter den Neuhinzugetretenen befand sich auch Joh. Jac. Christian Brandes 
(1738 — 99), mehr als Schriftsteller 1 ) denn als Schauspieler von Bedeutung, 
der spatere Verfasser der „ Ariadne", sowie seine ungleich bedeutendere 
Frau Esther Charlotte geb. Koch (1742 — 86), eine der hervorragend- 
sten Schauspielerinnen ihrer Zeit und die grosste Rivalin der Mme. Hensel- 
Seyler. Auch ihr war Lessing, der sie auf ihrer Hochzeit in Breslau (1764) 
kennen lernte und der spater auch der Pate ihrer Tochter Franziska wurde, 

*) Uber sein reichbewegtes Leben siehe seine Autobiographic „Meine Lebens- 
geschichte", Berlin 1799—1800. 



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ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



nahegetreten. Uber sie schreiben die „Rheinischen Beitrage zur Gelehr- 

samkeit al ): 

w Mme. Brandes hat wahres Genie fur die Schaububne. Ihre Empfindungen er- 
giessen sich wie ein Feuerstrom. Sie dringt in den Geist ihrer Rolle, und wenn sie 
ihn bier und da verfeblte, so geschah es nicht, weil sie obne zu denken spielte, sondern 
weil sie irrig dacbte. Sie beftet ihre ganze Seele an jedes Wort und mit jeder Ge- 
barde sucbt sie ein Gemaide von dem zu geben, was in ihrer Seele vorgeht. Ihr 
Organ ist hell, deutlich und angenehm, ihre Aussprache verst3ndlich und mehrenteils 
richtig; ihre Deklamation naturlich und wahr. Die Eintonigkeit ihrer Stimme, die sie 
zuzeiten nicht mit Gluck ins Rauhe vertieft, wird durch den sonst sehr mannigfachen, 
warmen und darstellenden Ausdruck ersetzt." 

Die Kreuz- und Querwanderungen der Seylerschen Truppe im Kur- 
furstentum Hannover zu verfolgen, ist fur uns zwecklos. Es geniigt zu 
bemerken, dass Seyler gegen Ende des Jahres den ersten erfolgreichen 
Versuch machte, seinen Spielplan durch Einfiihrung von Singspielen zu 
bereichern und fur deren musikalische Leitung Anton Schweitzer (1737 
bis 1787) als Kapellmeister gewann. Dieser, der vorher Hofkapellmeister des 
Fursten von Hildburghausen gewesen war und auf dessen Kosten auch eine 
dreijahrige Studienreise nach Italien unternommen hatte, lieferte natur- 
lich einen grossen Teil jener Singspielmusiken. 

Aber Seylers Geschaftsfiihrung war andauernd so ungliicklich, dass 
die Truppe wieder am Bankerott gewesen ware, wenn nicht sein Schwager 
eine Unterstiitzung geleistet hatte, aber nur unter der Bedingung, dass 
Seyler die Direktion abgebe. So wurde der Schauspieler Ekhof das Ober- 
haupt der Truppe, die er zunachst nach Wetzlar, dem Sitze des Reichs- 
kammergerichts, im Friihjahr 1772 fiihrte. Hier trat man in rege Be- 
ziehungen zu Friedrich Wilhelm Gotter 2 ) (1746 — 97), dem Gothaischen 
Legationssekretar, der der Truppe auch weiterhin ausserordentlich forder- 
lich sein sollte und ihr im Laufe der Zeit eine Reihe vielgespielter Dramen, 
darunter auch spater die „Medea a fur die von ihm damals schon bewun- 
derte Mme Hensel lieferte. 3 ) Uber Gotter urteilte Goethe, der um 
diese Zeit ebenfalls in Wetzlar weilte, in „Dichtung und Wahrheit" 4 ) 
folgendermassen : 

„Es war mir lieb, Gottern gefunden zu haben, der sich mit aufrichtiger Neigung 
an mich scbloss und dem ich ein herzliches Wohlwollen erwiderte. Sein Sinn war 
zart, klar und beiter, sein Talent geubt und geregelt. Wir brachten viele vergnugte 
Stunden zusammen zu, in welchen wir uns wechselseitig unsere Kenntnisse, Vorsatze 
und Neigungen mitteilten." 



>) 1781. VI. Heft S.539ff. 

2 ) Vgl. uber ibn die ausfuhrliche Biographie von R. Schldsser (X. Band der 
9 Tbeatergescb. Forsch.") 

') Vgl. sein Gedicht an sie im Gdttinger Musenalmanacb 1772. S. 85. 
4 ) Werke, Sopbienausgabe XXVHI S. 138f. 



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DIE MUSIK V. 9. 



Nur kurze Zeit verweilte die Truppe in Wetzlar: ein glanzender An-* 
trag der Herzogin Anna Amalia rief sie an den Weimarer Hof, der unter 
der feinsinnigen Herrscherin das regste kiinstlerische Interesse zeigte, und 
am 7. Oktober 1771 bereits traf man in der thuringischen Residenz ein, 
um zum ersten Male nach ruhelosem Wandern wieder ein dauerndes Heim 
zu finden. 

II 

Hier in Weimar fand nun am 13. Mai 1772 eine hochst ratselhafte 
Auffiihrung von Rousseau's „ Pygmalion" mit Musik von Schweitzer 
statt, bei der Joh. Michael Bok 1 ) den Pygmalion und die spater als 
Sangerin beriihmt gewordene Franziska Romana Koch*) (1748—96) geb. 
Gieraneck die Galathea spielte. 8 ) Diese friihe, der Pariser (gleich der 
nicht minder merkwiirdigen Wiener) Wiedergabe 4 ) mehrere Jahre vorauf- 
gehende Auffuhrung entzieht sich jeder weiteren Beurteilung. Wer die 
Dichtung geliefert hatte (vielleicht Grimm?) 5 ), wer sie ubersetzte, 
(wahrscheinlich Joh. Friedr. Schmidt, der 1777 einen mir nicht zugang- 
lichen „Pygmalion, ein musikalisches Drama aus dem Franzosischen 
des Rousseau, Musik von Schweitzer" erscheinen Hess), in welcher Art die 
(verloren gegangene) Komposition gehalten war, nichts ist mehr zu ermitteln 
gewesen. Einzig die genauen Auffiihrungsdaten sind aus Ekhofs Tagebuch 6 ) 
bekannt. Die erste Auffuhrung ist nicht eingetragen, da das Tagebuch erst 
am 22. Juni beginnt, dann folgt: 

1772 

6. Juli „Pigmalion« 

11. August „PigmaIion mit Ballet** 
22. Sept. „Pigmalion mit Accomp." [agnement]. 

2 Nov. „Pigmalion mit Accomp.* 

1773 
8. Februar „Pigmalion mit Accomp. und Ballet v. Seta." [weitzer] 

*) Uber ihn Allg. deutsche Biogr. III. S. 90f. 

-) a. a. O. XVI. S. 375 f. 

3 ) E. Pasqu6: Goethes Theaterleitung in Weimar, Leipzig 1863, I. S. 29. Pasquf's 
Angabe, Iffland sei bei seinem Weimarer Gastspiel 1798 zweimal in Schweitzers 
„Pygmalion a aufgetreten, ist dagegen falscb, da das Werk damals schon langst ver- 
scbollen war. Es konnte nur der Bendasche „Pygmalion a sein. 

*) Vgl. meine Arbeit: J. J. Rousseau als Komponist seiner lyrischen Szene 
Pygmalion, Leipzig, Breitkopf & Hartel, 1901, S. 21 ff. 

6 ) Oder auch Gotter, der eine Stiefschwester in Lyon verheiratet hatte und selbst 
spater hinreiste. Vgl. Schlosser a. a. O. X. S. 85. 

6 ) Herausgegeben von Hodermann, Theatergesch. Forscbungen IX. 



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ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



2. Juni „Pigmalion mit Accomp. und Ballet v. Sch." [weitzer] 

3. August „Pigmalion mit Accomp. u. Ballet." l ) 

Weitere Auffiihrungen des Werkes, ausser diesen acht, fanden in Weimar 
nicht mehr statt, dagegen finden wir noch eine Leipziger Auffiihrung unter 
dem3.Nov. 1774: „Pygmalion mit Divertissem. tt [ent = Ballet] und eineGothaer 
am 15. des gleichen Monats mit denselben Worten verzeichnet. Spater, 
als „Ariadne a und „Medea" dem Werke erfolgreiche Konkurrenz machten, 
verschwand es vom Spielplan, und nur noch eine einzige Auffiihrung, am 
18. Oktober 1775, erfolgte. Alle spateren Auffiihrungen des „Pygmalion" 
fanden mit Ben das Musik statt, und Schweitzers Partitur blieb verschollen 
bis auf den heutigen Tag. Dass aber Schweitzers Musik (abgesehen von der 
ohne weitere Folge gebliebenen Aspelmayerschen zur Wiener Auffiihrung) 
die erste der Art gewesen, wird von den „Gothaer gelehrten Zeitungen* 2 ) 
ausdriicklich bezeugt : 

„Der erste Gedanke" — heisst es daselbst anlSsslich einer Besprechung der 
w Ariadne" — „gehort Rousseau. Indessen ist sein Pygmalion in Frankreicb nie 
anders als in Gesellscbaft [soil heissen: auf einem Gesellscbaftstheater] aufgefuhrt 
worden,*) und in Weimar, wo man auf den Einfall geriet, ihn zu ubersetzen, behielt 
man die franzosiscbe Musik [von Coignet?] nicbt bei, sondern liess eine neue von 
Schweitzer dazu komponieren. So kam die Gattung auf das deutsche Theater." 

Befremden konnte zunachst der Zusatz: „Mit Ballet", allein aus der 
Mannheimer Ubersetzung des „ Pygmalion" von Gemmingen (1778), die 
wahrscheinlich an die alte Tradition von Weimar-Gotha anknupft, ersehen wir, 
dass damit eine choreographische Ausgestaltung des Schlusses gemeint ist, 
wobei Venus in Person auftritt. 4 ) 

Schon bald nach den ersten Auffiihrungen des w Pygmalion a hatte sich 
Bran des, wohl angeregt durch den grossen Erfolg des Werkes, veranlasst 
gesehen, eine ahnliche Paraderolle, wie sie Bok dort inne hatte, fiir seine 
Frau zu schreiben ; er wahlte hierzu den Ariadne-Stoff, den ihm die 1765 
verfasste Gerstenbergsche Kantate nahebrachte, und er selbst bekennt 6 ) 
in der Vorrede, dass „vieles darunter daraus wortlich beibehalten worden*; 



1 ) Hodermanns Zusatz bei dieser Auffiihrung „Brandes und Benda" ist natiirlich 
falsch und ganzlich sinnlos. 

2 ) 34. Stuck 1775; die oben angefuhrten SStze wurden dann in Reichards Theater- 
kalender 1776 S. 103 wortlich ubernommen. 

3 j Von der ersten offentlicben Pariser Auffiihrung (30. Oktober 1775) wusste 
man damals in Gotba noch nichts. 

4 ) Vgl. meine Pygmalionstudie S. 11. Anmerkung 2. 

5 ) SSmtliche dramatische Schnften I. Hamburg 1790, ebenso in der Separat- 
ausgabe: Ariadne auf Naxos, ein Duodrama von Joh. Christian Brandes, Leipzig im 
Verlage der Dykschen Buchhandlung 1790. Seltsamerweise steht beiden Ausgaben 
der Vermerk w Verfertigt im Jahre 1774" vorgedruckt. Das muss ein Gedichtnisfehler 
sein, da der Brief Grossmanns vom Jahre 1772 ausschlaggebend ist. Die erste, mir 



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DIE MUSIK V. 9. 



nur die Verse wurden in Prosa aufgelost. Im librigen hat Brandes die 
Kantate mit Biihnengeschick zurechtgestutzt und aus dem „liebenden Madchen* 
und der „zartlichen Tochter" eine „tragische Heroine" gemacht. 1 ) Doch 
guckt an manchen Stellen das urspriingliche epische Gewand nur allzu 
deutlich unter dem dramatischen Mantelchen hervor, und nicht mit Unrecht 
tadelte ein ungenannter Kritiker in Wielands „Deutschem Merkur" vom 
Marz 1775 die ermiidenden Klagen der Heldin, die den weitaus grossten 
Teil des Stucks ausmachen, sowie ungenugende Motivierung der Handlungs- 
weise des Theseus. 2 ) Sehr derb ausserte sich der alte Zelter sparer 
iiber die „Ariadne u : „Erst schlaft sie, dann schimpft sie, endlich stirbt sie a . 3 ) 
Uber die Entstehungszeit und -geschichte des Werkes ist schon so 
viel im 18. und 19. Jahrhundert von Musik- und Literaturhistorikern ge- 
fabelt worden, dass es endlich an der Zeit ist, die wenigen, aber sicheren 
Beweisstiicke klar hinzustellen. Unzweifelhaften Aufschluss gibt eia 
Weimar 14. August 1772 datierter Brief des Schauspielers Gustav Friedrich 
Wilhelm Grossmann (1746 — 96) an K. L. v. Knebel, der in dessen lite- 
rarischem Nachlass und Briefwechsel 4 ) gefunden wurde. Es heisst daselbst : 

^Schweitzer ist ein sehr geschickter Tonkunstler, der Mann verdient einen an- 
sehnlichen Posten . . . Jetzt setzt er Ariadne auf Naxos in Musik; es ist nach dem 
Rousseau dialogisiert, 6 ) und sehr fahig, die Geschicklicbkeit eines Tonkunstlers zu 
beschaftigen.* 6 ) 

Das weiter Schicksal dieser „Ariadne a erzahlt Brandes selbst: 7 ) 

„Schweitzers Komposition zu meinem Melodrama , Ariadne auf Naxos* war der 
Vollendung nahe, als Wielands Oper ,Alceste« erschien. Jener hielt nun vom Hofe 
den Auftrag, dies neue Produkt unseres grossen Dichters ohne Zeitverlust in Musik 
zu setzen, der auch sogleich die Arbeit ubernahm, sein ganzes Talent daran verwendete, 
und, um ihr einen besonders hohen Grad von Vollkommenheit zu geben, zugleich die 
scbonsten Stellen seiner Musik zur , Ariadne* in jene Oper ubertrug." 



nicht vorliegende Ausgabe als w Ein Drama mit mus. Accompagnement" erschien 1775 
in Leipzig, ein Nacbdruck Himburgs in Berlin 1777 als „Duodrama mit Musik", ein 
weiterer unter dem gleichen Titel Riga 1782. Von einem Abdruck im Theater der 
Deutschen (Konigsberg und Leipzig 1776 S. 333 ff.) ist es unsicher, ob er authentisch ist. 

l ) Erich Schmidt: w Goethes Proserpina** in Seufferts Vierteljahresschrift fiir 
Literaturgeschichte, Weimar 1888, I. S. 40ff., wo der Vergleich beider Werke eingehend 
durcbgefubrt ist. 

-) Eine feinsinnige Analyse der Dichtung und insbesondere der Heldin siehe in 
den Dramaturgischen Fragmenten I, Graz 1781, S. 245 ff. 

3 ) C. F. Zelter: Autobiographic, herausgegeben von Rintel, Berlin 1861, S. lOOf. 

*) Leipzig 1835 2. Band S. 166. 

6 ) Soil wohl beissen: nach dem Beispiel, das Rousseau mit seinem Pygmalion 
gegeben. 

6 ) A. Koster: Preussische Jahrbucher Bd. 68, S. 190 bezieht diese Stelle falsch- 
lich auf Schweitzers ^Pygmalion**, von dem gar nicht die Rede ist. 

T ) Meine Lebensgeschichte, Berlin 1800, II. S. 156. 



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ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



Tatsachlich wurde Schweitzers „Alceste" *) bereits am 28. Mai 1773 in 
Weimar aufgefiihrt. Es ware nun mussige Spekulation, wenn man ohne 
weitere Anhaltspunkte ausfindig machen wollte, welche Stiicke Schweitzer 
aus der w Ariadne" heriibergenommen habe — dass jedoch darunter die 
Ouverture gewesen, kann mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden. 
Die Hauptsache bleibt, dass dieser erste Versuch, ausserhalb Rousseau's 
Bahnen etwas Neues zu schaffen, im Sande verlief. 

Aber es sollte doch noch anders kommen. Am 6. Mai 1774 brach 
im Weimarer Schlosse Feuer aus, dem auch das Theater zum Opfer fiel, 
und die Truppe war wieder heimatlos. Und so wanderte sie mit einem 
Empfehlungsschreiben der Herzogin Anna Amalia an den kunstfreundlichen 
Herzog Ernst II. (regierte 1772 — 1804) nach Gotha, wo sie sofort uberaus 
freundlich aufgenommen wurde. Am 2. September schloss dann der Herzog 
mit Seyler einen Kontrakt zunachst auf ein Jahr ab und gewahrte ihm 
zugleich die Erlaubnis, Ostern und Michaelis auch in Leipzig zur Messe 
spielen zu diirfen. Hier in Gotha trat nun der Truppe ein Mann nahe, 
der von jetzt an im Mittelpunkt unseres Interesses stehen wird: Georg 
Ben da. 

Ill 

Georg Benda, 2 ) geb. 30. Juni 1722 zu Altbenatky in Bohmen, gest. 
6. November 1795 in Kostritz, kam urn 1740 als Kammermusiker nach 
Berlin, wo sein Bruder Franz, der Geiger, in der Hofkapelle wirkte, und 
blieb daselbst bis zum Jahre 1749, in dem er nach Gotha berufen und am 
1. Mai 1750 „als Kapellmeister an- und in Dienst genommen wurde". 3 ) 
Am 13. September 1765 bat dann Benda, der in Berlin namentlich Graun 



M Naheres fiber das Werk bei Pasque* a. a. O. S. 253ff. 

-) Vgl. fiber ibn vor allem: Friedr. Schlichtegroll: Nekrolog auf das Jahr 1795. 
VI. Jabrgang. 2. Band, Gotba 1798, worin sich auch hochst interessante Briefauszuge 
flnden. R. Hodermann: Georg Benda, Coburg 1895 (vergriffen) enthilt ausser einigen 
Akten des Oberhofmarschallarchivs in Gotha nichts Neues und basiert durchaus auf 
Schlichtegroll. Eine Selbstbiographie, von der Reichardt in seinem musik. Almanach 
1796 spricht, existiert nicht. Ein 6lgemaide (Brustbild) besitzt die Gesellschaft der 
Musikfreunde in Wien, einen Kupferstich die k. k. Familien-Fideikommissbibliothek. 
Der hier reproduzierte Stich von Geyser beflndet sich auch im 21. Band der Neuen 
Bibliothek der schonen Wissenschaften 1778. Uber den wissenschaftlichen Wert einer 
in den Sammelbinden der 9 Int. Musik-Gesellscbaft" unl&ngst erschienenen Studie 
„G. Benda und das deutsche Singspiel" (V, Heft 4) vgl. meine Entgegnung „Einiges 
fiber G. Bendas akkompagnierte Monodramen" (daselbst VI, Heft 1). Brfickners den 
wesentlichen Punkten meines Angriffs ausweichende Erwiderung siehe daselbst VI, 
Heft 3. 

8 ) Herz. Hofbibliothek zu Gotha, Cod. Chart. A. 1332. 



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150 
DIE MUSIK V. 9. 



und Hasse eifrig studiert hatte, den Herzog um Unterstutzung zu einer 
Reise nach Italien, um, wie er schreibt: 

„in diesem in Ansehung der Tonkunst beruhmten Lande meine Nacheiferung 
zu erwecken, mir Kenntnisse zu erwerben und meinen Gescbmack mebr auszubilden, 
da ich seit 15Jahren, welcbe ich in Ew. Diensten zugebracht, noch keine Gelegenheit 
gehabt, etwas ausserordentlicbes an fremden Musiquen zu horen, welches docb bei 
meinem Metier unentbehrlich ist**. 1 ) 

Dieser Urlaub nebst einer Unterstutzung wurde auch gewahrt, und 
Benda reiste fiber Munchen und Venedig nach Rom. Anfangs fand er gar 
keinen Gefallen am italienischen Opernwesen, aber allmahlich lernte er 
den Reiz sudlicher Melodie kennen und legte so den Grund zu seinem 
spateren, eines italienischen Einschlags nicht entbehrenden Stil, der ubri- 
gens, obwohl Benda nie regelrechten Unterricht genossen, ausserst solid 
ist und sogar, wie wir noch sehen werden, von Mozart hochgeschatzt wurde. 
Bei seiner Ruckkehr nach Gotha wurde ihm dann am 27. August 1770 
durch Dekret „der Charakter eines Capell-Directoris forthin in Gnaden 
beygelegt". So wirkte denn Benda in Gotha, wo er als musikalische 
Autoritat gait, und sein Name war einer der geachtetsten in Deutschland. 2 ) 
Nun sollte er noch einer der Beriihmtesten werden durch die Verbindung 
mit Brandes, der mit der aus Weimar gekommenen Seylerschen Truppe 
nach Gotha gekommen war und dort naturlich bald in nahere Beziehungen 
zu dem herzoglichen Kapelldirektor trat. Brandes selbst erzahlt daruber 
folgendes: 3 ) 

„Meinem neuerworbenen Freunde Georg Benda hatte ich das Melodrama: 
, Ariadne auf Naxos' bald nach meiner Ankunft zum Lesen mitgeteilt; es fand seinen 
Beifall und er erbot sich, da Schweitzers Musik dazu unvollendet geblieben war, zur 
Komposition desselben. Auch der Hof interessierte sich fur diese neue Gattung 
Schauspiele. Die Prinzessin Luise, der Herzog gaben Beitrflge zu den Kostumen, die 
Herzogin beforderte das Manuskript zum Druck und machte mir mit der Auflage ein 
Geschenk, die Dekoration wurde auf Befehl und Kosten des Herzogs nach meinen 
Angaben verfertigt, und so erhielt dies Schauspiel nach einiger Zeit seine erste 
glanzende und fur Benda, meine Charlotte und mich Susserst schmeichelhafte 
Existenz" . . . Weiterhin: 4 ) „So wie die Messe [in Leipzig, wo Seyler ebenfalls spielen 

\) Ebendaselbst. 

2 J So urteilt der gelehrte Englander Burney (Tagebuch seiner musikalischen 
Reisen, deutsch, Hamburg 1773, 111 S. 256) uber inn: „Seine Kompositionen sind 
uberhaupt genommen, neu, meisterhaft und gelehrt". Und die Allg. Mus. Ztg. schreibt 
1801 (S. 329), also lange nach seinem Tode: w Er verband mit den sussesten Melodieen 
die richtigste Harmonie und eine schon sehr gewandte Rbythmik. Er kannte (und 
das ernebt seinen Kunstlerwert am meisten) die feine Grenzlinie zwischen Uberladung 
und Mattigkeit. Er lebte ganz fur seine Kunst, die ihm nie zur Handlangerin der 
Eitelkeit diente, sondern wie eine hehre Gottheit in seinem Geiste thronte.* Vgl. 
auch Gerbers Lexikon 1790, Artikel Benda. 

3 ) a. a. O. S. 172. 

4 ) a. a. O. S. 184. 



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ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



liess] geendet war, nthmen wir unsern Weg wiedcr nacb Gotha zuruck. Benda hatte 
indes seine Komposition zu dem Melodrama: , Ariadne auf Naxos' vollendet, und so 
wurde endlicb dies Schauspiel einige Wocben nach unserer Zuruckkunft mit dem 
grossten Beifall auf die Buhne gebracht und vielfaitig wiederbolt." 

Dies ist die einzige, aber leider bis jetzt fast unbekannte, wirklich 
authentische Darstellung des Sachverhaltes. 3 ) Wie legendenhaft diese Ent- 
stehungsgeschichte der „Bendaschen Ariadne" schon von den Zeitgenossen 
behandelt wurde, beweist Joh. Friedr. Reichardt 2 ) mit seiner Darstellung: 

„Die brave deutscbe Schauspielerin Brandes erzeugte in Benda zuerst die Idee, 
ihre Kunst als Schauspielerin mit der Kraft der Musik zu verbinden. Slngerin war 
sie nicht, aber in den Augen Bendas eine vortreffliche Deklamatorin und Pantomimikerin. 
Es entstand die Idee in ibm zu dem Melodrama: er teilte sie Engeln, s ) der damals 
in Gotba sich aufhielt und Gottern mit. Von diesem seinem Freunde erfuhr Benda 
erst, dass Rousseau bereits einige Jabre fruher dieselbe Idee gehabt und in seinem 
, Pygmalion*, wiewobl nur schwacb, ausgefuhrt hatte. Jener [Engel] entwarf den Plan 
zur , Ariadne auf Naxos 1 , Gotter fuhrte ihn aus 4 ) und unser Benda beseelte sie mit 
Tonen." 

Auf diesen unrichtigen Angaben Reichardts, dessen sonstige, Benda 
betreffenden Daten ebenfalls vielfach inkorrekt sind, beruhen fast alle 
folgenden Erzahlungen in Lexicis und Musikgeschichten. Auch Schlichte- 
groll, dessen Benda- Nekrolog aufs Jahr 1795 ja erst 1798 erschien, 
zitiert Reichardt und beschrankt sich darauf, diesen Artikel fast wortlich 
abzuschreiben. Spater als er den Nekrolog Brandes' verfasste, 5 ) musste 
er dann freilich angesichts der Autobiographic Brandes' darauf aufmerksam 
machen, dass dessen Darstellung „etwas a (!) abweichend sei, und er suchte 
sich nun dadurch zu retten, dass er behauptete, es liesse sich jetzt nicht 
mehr entscheiden, welche von beiden Erzahlungen ganz genau der Wahrheit 
entsprache; soviel sei gewiss, dass ein wenig gelungener Versuch in dieser 
Gattung, „Polyxena", von Schweitzer komponiert, hauptsachlich Benda bewog, 
sich gleichfalls hierin zu versuchen. Damit war der gute Schlichtegroll 
nun erst recht eingegangen, denn er verwechselte dabei „Pygmalion tt und 



1 ) Welche M&rchen bisweilen aufgetischt wurden, mag man aus Schletterers 
Buch: „Das deutscbe Singspiel" Augsburg 1863 ersehen, wo alien Ernstes (S. 123) 
behauptet wird, das Melodrama babe sich aus dem Singspiel entwickelt und weiter 
(S. 125): Benda babe, durch Schweitzers „Alceste" (!!) angeregt, auf Mittel gesonnen, 
sich auszuzeichnen und Brandes zur Bearbeitung veranlasst! 

2 ) Mus. Almanach, Berlin (1796). 
*) Job. Jakob Engel (1741-1802). 

4 ) Hier liegt offenbar eine Verwechslung mit der w Medea" vor, die tatsScblich 
von Engel und Gotter herruhrt, aber von der Mme. Seyler veranlasst wurde, nach- 
dem die .Ariadne** scbon aufgefuhrt war. 

6 ) Nekrolog auf das Jahr 1799 (erst 1804 erscbienen) S. 267. 



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DIE MUSIK V. 9. 



„Polyxena". Das letztere Werk, das erst 1793 in Partitur erschien, nennt 
sich Jyrisches Monodrama" und ist fur Gesang geschrieben. 1 ) 

Dass Benda Rousseau's „ Pygmalion 44 der Dichtung nach schon damals 
kannte, ist zweifellos, denn er horte ja das Werk mit Schweitzers Musik 
am 15. November 1774 in Gotha; ob und wieviel er aber von Rousseau's 
Stilprinzipien wusste, ist sehr fraglich, und es kame hier vor allem darauf 
an, die verlorene Schweitzersche Musik zu kennen, von der er ja wohl 
sicher manches lernte. Dass er schliesslich Rousseau gegeniiber etwas 
prinzipiell Neues schuf, werde ich noch im einzelnen klarlegen. Schon die 
Zeitgenossen warfen die Frage auf, inwieweit Benda von Rousseau ab- 
hangig sei. J. F. Reichardt 2 ) schreibt dariiber sehr inkorrekt: 

„Benda, unbekannt mit Rousseaus Idee, fiel bei uns auf dieselbe Idee, wShlte 
ein viel interessanteres Sujet in der Ariadne und bearbeitete es mit grossem Genie.* 

Mit mehr Recht, weil er namlich die rein musikalische Seite der 
Sache im Auge behalt, sagt Gerber in seinem Lexikon: 3 ) 

„Er brachte Ariadne zwar erst im Jahre 1774, nachdem Rousseau schon einen 
Versuch dieser Art in Frankreich mit seinem Pygmalion gemacht batte, aufs Theater, 
aber ohne selbigen zu kennen. Er ist also, die ungleich grdssere musikalische Voll- 
kommenheit an seinem Werk ungerechnet, der erste Erfinder dieser Art unter den 
Deutschen." 

Das Beste indessen, was dariiber gesagt wurde, schrieb Christian 
Gottlieb Neefe (1748 — 98), den wir noch als einen der bedeutsamsten 
Nachfolger Bendas kennen lernen werden, im Gothaer Theaterjournal : 4 ) 

„Durch die Erflndung dieser Gattung, worinnen nur mit Gebirden und Stimme 
gesprochen und alles mit Musik begleitet wird, machten beide, Dichter und Komponist, 
doch der letztere mehr als der erste, in der Tat Epoche. Zwar hatte schon Rousseau 
die Idee zu einem solchen Spektakel durch seinen Pygmalion veranlasst, aber nur 
veranlasst. Sein Stuck wie die von ibm selbst [?] dazu verfertigte Musik ist bloss 
pantomimisch. Und so steht oder konnte vielmetar seine Musik auch nicht in einem 
so genauen Verbaitnis mit Handlung und Leidenscbaften stehen, als des Herrn Benda 
Musik mit der Brandesschen Ariadne. Der Oberlegenheit gar nicht zu gedenken, die 
Benda uberhaupt als Komponist fiber Rousseau als Komponist bat und haben muss." 

Am 27. Januar 1775 ging die „ Ariadne 14 im Gothaer Schlosshof- 
theater mit Mme. Brandes und Bok zum erstenmal in Szene, und diese 
Auffiihrung, der sich im gleichen Jahr noch zehn weitere anreihten/') 

*) Die Originalpartitur jetzt im Besitze von Fr. Nik. Manskopfs „Musikhistorischem 
Museum" Frankfurt a. M. Sie stammt aus dem Besitze E. Pasque's und entMIt eine 
l&ngere Vorbemerkung von der Hand dieses Schriftstellers. 

2 ) Musik. Kunstmagazin, Berlin 1782. S. 86. 

*) 1790 I. S. 134. 

4 ) 1. Stuck 1777 S. 74. Der Artikel ist nicht mit vollem Namen unterzeichnet. 

6 ) Nach dem von Hodermann zusammengestellten Repertoire am 1. Februar, 
8. Mirz, 24. April, 28. April, 10. Mai, 3. Juli, 14. Juli, 11. Sept., 28. Dez., im darauf- 



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153 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



bedeutete einen ungeheuren Erfolg fiir Benda und Mme. Brandes. So 
schreibt »Der deutsche Merkur": 1 ) 

„Ariadne, ein Duodrama von Brandes, mit musikalischen Akkompagnements toq 
Benda, 1st ein Stuck, das in Gotba ausserordentliche Sensation gemacbt hat und worin 
Mme. Brandes als Ariadne den Beifall des dasigen Publikums mit dem Tonkunstler 
teilte und ihn vornehmlich durch die Kunst, die Leidenschaften zu nuanzieren, 
verdient. - 

Das „Gothaische Taschenbuch" 2 ) meint ebenfalls: 

„Es wurde durch die Vorstellung des musikalischen Duodrama aufdem Gothaiscben 
Hoftbeater die deutsche Bubne mit einer neuen Gattung des Scbauspiels bereichert, 
das um so merkwurdiger ist, da bis jetzt sich dessen keine der ausl&ndischen Buhnen 
rubmt und in seiner erstaunlichen Wirkung, von der nur Zuhdrer sich deutlicbe Be- 
griflfe machen konnen, dem stirksten, was man auf dem Theater kennt, an die Seite 
gestellt werden muss. 

Wer das Langweilige der einfachen Rezitative und das Unangenehme der den 
Arien unvermeidlichen Unverst&ndlichkeit des Textes gefuhlt hat, wird schon darin 
einen grossen Vorzug finden, dass hier der Scbauspieler seine ganze StSrke im 
Deklamieren, das ganze Feuer seiner Aktion anbringen kann."') 

Als Augen- und Ohrenzeuge berichtet auch A. v. Knigge: 4 ) 

„Ich bin so glucklich gewesen, beide Stucke ,Ariadne 4 und ,Medea', als sie zum 
ersten Male in Gotba auf das Theater gebracbt wurden, in sehr grosser Vollkommen 
beit unter Gotters, Bendas und Brandes Direktion selbst auffubren zu sehen und bin 
Zeuge davon gewesen, welche erstaunliche Wirkung sie hervorbracbten . . . Beide 
stnd reich an unubertrefflichen Schonheiten aller Art.* 

Die „Gothaischen gelehrten Zeitungen" schreiben: 5 ) 

w Die musikalische Begleitung des Herrn Benda hat durcbgehend die Bewunderung 
der Zuhdrer davon getragen und den Verdiensten der ubrigen Arbeiten dieses Ton- 
kunstlers vollkommen entsprochen." 

Und Joh. Friedr. Schink, nach Lessing der erste Theaterkritiker 
seiner Zeit, 6 ) ruft begeistert aus: 7 ) 

.Glucklicher Dicbter, der mit diesem deutscben Amphion Hand in Hand sein 
Werk beginnen kann, sei deiner Unsterblicbkeit sicher: Bendas Zauberkunst trigt dich 
auf geweihtem Flugel sicher ihrem Tempel entgegen. Ihm haben sich alle Tiefen 
der Natur aufgeschlossen, die Leidenschaften alle sich vor ihm entfaltet; alle hat er 
sie durchschaut, alle ihre Kl&nge und Tone gehort." 



folgenden Jahre erschien sie noch viermal, 1777 gar nicht, 1778 und 1779 je einmal, 
doch waren an diesem aufftlligen Ruckgang die Theaterverhftltnisse schuld. 

>) 1775, erstes Vierteljahr. S. 184. 

») 1776. S. 103. 

3 ) Gothaischer Theater-Kalender 1776. S. 104. 

4 ) Dramaturgische BUtter, Hannover 1789. S. 501 f. 

5 ) 10. Stuck 1775. 

6 ) Oberlinder a. a. O. S. 175. 

7 ) Dramaturg. Fragmente Wien 1782. I. S. 252. 



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154 
DIE MUSIK V. 9. 



Welchen Anteil an dem Erfolge Mme Brandes hatte, moge man den 
.Rhein. Beitragen zur Gelehrsamkeit* *) entnehmen: 

„Es war nicbt Erstaunen aus Neuheit der Sache, nicht Beifall aus kalter Ober- 
legung, aus Grunden oder Gefalligkeit entstanden, was so tiefes Schweigen durch den 
ganzen Saal verbreitete: es war ein unwillkurlicbes Gefuhl, Teilnebmung an Ariadnes 
Schicksal, Hinreissung des Herzens durch Allmacht der Kunst. Dies war ein Tag 
des Ruhms fur Mme. Brandes.* 

In der Tat war schon ihre aussere Erscheinung aufsehenerregend, 
denn sie war die erste Schauspielerin, die die einfache griechische Kleidung 
wieder auf die Biihne brachte. 2 ) Ihr Anzug war von weissem, der Mantel 
von rotem Atlas, vollkommen in altgriechischem Geschmack und nach 
Winckelmanns Beschreibung und Zeichnungen alter Kunstwerke verfertigt, 
der Kopfputz von einer alten Gemme der Ariadne genommen. Das war 
in der Tat kein kleines Verdienst, denn wie schlimm es trotz dieses guten 
Beispiels noch spater mit den Kostumen stand, moge man aus Schinks 
Schriften ersehen: 8 ) 

„Heil jeder Ariadne, die in Wien von den Felsen sturzt, denn sie ersluft gewiss 
nicht; die Weisheit des k. k. Theatralausschusses hat bedichtig dafur gesorgt, dass 
die Wellen sie nicht begraben kdnnen; der Steifrock, den er ihr um den Leib schnallt, 
wird sie sicher aufrechterbalten . . . Wenn ihre Artadnen und Medeen nur brav von 
Gold und Silber strotzen, wenn sie nur mit Quasten, Franzen und Flittern wie die 
Frachttiere belastet sind, wenn sie sie nur in einem micbtigen Steifrock spreizen 
lassen kdnnen, so meinen die weisen Herren alles getan, so meinen sie recht kdst- 
lich furs Auge gesorgt zu baben. Es kann unter der Sonne nichts Abgeschmackteres 
gefunden werden als ihre Griecben und Romer: die Helden des Altertums werden zu 
Seiltinzern, die sich einem geneigten Publiko produzieren wollen, so bebdndert, frisiert 
und eingepudert erscbeinen sie.** 

Schon wahrend der ersten Vorstellung wurde Mme Brandes von dem 
gerade anwesenden Maler Krause in einer ziemlichen Anzahl der auf- 
fallendsten malerischen Stellungen im Umriss aufgenommen; die vollen- 
deten Zeichnungen wurden dem Herzog uberreicht. 4 ) Spater hat sie dann 
der kursachsische Hofmaler Anton Graff (1736— 1813),*) der die Beruhmt- 
heiten seiner Zeit zu portratieren pflegte, gemalt. Danach ist ein vorzug- 
licher, von Joh. Chr. Brandes selbst publizierter Stich des pfalzischen 
Hofkupferstechers Heinrich Sintzenich in Mannheim, einem Schiiler 

y ) 1781, VI. Heft, S. 539ff. Auch Ifflands Lob (Dram. Werke Leipzig 1798 I. 
S. 104) failt ins Gewicht. 

2 ) Hamb. Adresskomptoirnachrichten 84. Stuck. Gothaische gelehrte Zeitungen 
10. Stuck 1775. Epbemeriden der Lir. und d. Theaters, Berlin 1786 IV. Band, 
27. Stuck. S. 3. 

s ) Dramaturgische Fragmente. I. Wien 1782, S. 275 ff. 

4 ) Brandes, a. a. O. S. 184. 

r> ) Vgl. fiber ihn die Sammelwerke von Julius Vogel und Otto Waser (1903) 



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155 

ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



Bartolozzi's, angefertigt worden. 1 ) Ein bedeutend kleineres Bild sfcellt Mme. 
Brandes als Ariadne, im Kostum etwas davon abweichend, in einer Fels- 
landschaft am Meer mit dem Schiff des Theseus im Hintergrund dar, 2 ) 
und dieses mit der Urauffuhrung des Werkes fast gleichzeitige Bild geht 
wahrscheinlich auf die Originaldekoration zuruck, steht aber kiinstlerisch 
dem Sintzenich'schen Stich bedeutend nach. 8 ) 

Bei dem ungeheuren Erfolg des Werkes und der damaligen Rechts- 
unsicherheit auf literarischem Gebiete war es kein Wunder, dass sich bald 
unrechtmassige Vervielfaltigungen einstellten, um so mehr, da das Werk iiber 
zwei Jahre lang nur im Manuskript vorlag, und so sah sich Benda denn 
Ende 1777 zu folgender Bekanntmachung 4 ) veranlasst: 

„Endesunterzeichneter hat nicht ohne gerechtes Missvergnugen in Erfahrung 
gebractat, dass von den beiden Duodramen Ariadne und Medea nicht nur Klavier- 
auszuge, sondern sogar die Partituren an einigen Orten zum Verkauf angeboten werden. 
Da nun das eine wie das andere ohne sein Vorwissen (geschweige Beiwirkung oder 
Genebmigung) geschieht und sich hieraus mit Gewissheit abnehmen lisst, dass die 
Partituren fluchtig und inkorrekt zusammengeschrieben, die Klavierauszuge aber um 
so stumperhafter sein kdnnen, je mebr Erfahrung dazu gehort, eine solche Arbeit bei 
dieser von anderen musikalischen Werken betrScbtlich abweichenden Gattung der 
Natur jenes Instrumentes gemiss einzurichten; so sieht er sich genotigt, das Publikum 
vor dergleicben unechten und unbefugt vertrieben werdenden Waren freundschaftlich 
zu warnen und zugleich bekannt zu machen, dass ehestens von ihm selbst ver- 
ansfaltete Klavierauszuge beider Stucke im Druck erscheinen werden, die Partituren 
aber einzig und allein bei ibm unverfalscht und um biiligen Preis zu haben sind. 

Gotha, im Oktober 1777. Georg Benda." 

Im Jahre 1778 erschien denn auch wirklich ein Klavierauszug*) unter 
dem Titel ^Ariadne auf Naxos. Ein Duodrama in Musik gesetzt von Georg 
Benda. Klavierauszug, Leipzig im Schwickertschen Verlage", der sofort 
von Gotz in Mannheim wortlich, doch mit Violin- statt Sopranschliissel, 
nachgedruckt wurde. Man sollte nun meinen, dieser von Benda angeblich 
verfertigte Auszug miisse alles Notwendige enthalten. Aber im Gegenteil: 

1 ) Hier reproduziert. Das Gemilde erregte auf der Ausstellung der Dresdener 
Akademie Aufseben. Die am 1. Mlrz 1780 datierte Ankundigung Brandes* in N. Bibl. 
d. schonen Wissensch. 24. I. S. 317 f. Vgl. auch Goth. Th. Kal. 1778 S. 75, Th. Kal. 
1777 S. 255. Ein weiterer Stich nach dem Graffsctaen GemSlde von Berger ist mir 
unbekannt geblieben. (Lit.- u. Theaterzeitung 1782). 

2 ) Tbeater-Kalender 1776. 

8 ) Eine andere Szene aus Ariadne mit Mme Borchers und Herrn Opitz („Zuruck 
ihr Griechen*) flndet sich im Taschenbuch fur Schauspieler, Offenbach 1779. Auch 
sie geht auf die Seylersche Truppe, die damals in Mainz spielte und Sonntags in 
Mannbeim gastierte, zuruck. 

4 ) Auch dem ersten Klavierauszug vorgedruckt. 

6 ) Das Druckmanuskript (Kopistenhandscbrift mit Autorenkorrekturen) im Besitz 
von Fr. Nik. Manskopf in Frankfurt a. M. 



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156 
DIE MUSIK V. 9. 



er ist schjecht und vermittelt nur ein durchaus unvollkommenes Bild der 
Partitur, deren beste Stellen er willkiirlich verandert und verstummelt. 
Das wies schon J. N. Forkel bald nach Erscheinen des Werkes 1 ) genau im 
einzelnen nach, und er kam sogar zur Schlussfolgerung, Benda konne den 
Auszug unmoglich selbst verfasst haben. Dieser Auszug gab die Musik in der 
urspriinglichen, in Partitur nie gedruckten Fassung wieder, wie sie sich in 
kopierten Manuskriptpartituren und Stimmen zu Mannheim, 2 ) Darmstadt 3 ) 
(1778 bezeichnet), Berlin 4 ) (2 Exemplare) und Wien 5 ) in einigen Details 
abweichend findet. Die Originalpartitur alterer Fassung ist verschollen. 
Dagegen findet sich eine von Bendas Hand geschriebene Partitur-Reinschrift 
der zweiten Fassung unter dem Titel „ Ariadne auf Naxos — Ein Duo- 
drama mit musikalischen Zwischensatzen von Georg Benda" (139 Seiten 
fol. obi.) in der Berliner Bibliothek, ) und diese umgearbeitete Partitur 
erschien 1781 mit deutschem und franzosischem Text als „vollstandigere 
und verbesserte Partitur" mit einem hiibschen, Apollo und die Musen dar- 
stellenden Titelkupfer von Geyser, ebenfalls bei Schwickert im Druck. 
Der entsprechende Klavierauszug („nach der neuesten verbesserten Par- 
titur"), der diesmal ausdriicklich Benda als Bearbeiter nennt, aber nur eine 
diirftige Umarbeitung des so ungeniigenden ersten darstellt, erschien 1782 
daselbst. Im Jahre 1785 kam dann noch eine Partitur „zum Gesellschafts- 
gebrauch" (d. h. fiir Streichorchester ohne Blaser) heraus, die uns hier 
nicht weiter interessiert. Massgebend fiir uns ist die Berliner Original- 
partitur und der mit ihr identische Druck von 1782. Die Instrumentation 
ist um eine zweite Oboe und eine zweite Bratschenstimme gegeniiber der 
ersten Fassung bereichert, viele Zwischenspiele sind kiirzer und pragnanter 
gefasst, mancher konventionelle Takt charakteristischer gestaltet und der 
Text vielfach im Rahmen der Zwischenspiele anders verteilt. Der Schluss 
erscheint wesentlich gekurzt. 

Sehen wir uns nun das Werk naher an, so finden wir, dass es fur 
ein aus Streichquartett, 2 Floten, 2 Oboen, 2 Fagotten, 2 Hornern zusam- 
mengesetztes Orchester geschrieben ist, dem sich zum Schluss noch ein 
Paar Pauken und gelegentlich hinter der Szene 4 Trompeten 7 ) gesellen. 



') Mus. Krit. Bibliothek 1779. III. S. 260ff. 

2 ) Theaterbibliothek. 

a ) Hofbibliothek. 

*) Konigl. Sffentl. Bibliothek. 

5 ) k. k. Hofbibliothek. 

6 ; Nach Dr. Kopfermanns Mitteilung aus Georg Polctaaus (1773—1836) Besitz, 
der bekanntlich eine Reihe der wertvollsten Manuskripte umfasste. 

7 ) Viele Theater, die nicht soviele Trompeten besetzen konnten, arrangierten sich 
die Fanfare, wie aus den Stimmen ersichtlich. Die Besetzung der Stretcher variierte 
sehr. Darmstadt z. B. hat 6 Stimmen (darunter eine Prinzipalstimme) fur die erste, 



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157 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



w Bewunderung und Ehrfurcht nehmen meine game Seele ein, so oft ich nur 
eine Partitur von Benda vor mich nehme oder eine seiner Arbeiten auffuhren tadre. 
Seine Ariadne — welche gluhende hochstrebende Phantasie und reicbe Erfindungs- 
kraft! Wie so tief alles uberdacht! Wie so tief alles im Innersten empfunden! Bald 
geht die Musik voraus, bald mit der Deklamation zugleicb, bald binter der Deklamation, 
um die Leidenschaft und die daraus entspringende Handlung vorzubereiten, zu unter- 
stiitzen, zu erhohen und fortzufiihren, wenn der Schauspieler oder die Schauspielerin 
den inneren Drang selbst nicht mebr auszudrucken vermochte. Wie ist alles so neu 
und doch so watar, so mannigfaltig und doch so ubereinstimmend!" 

So schrieb der Berufensten einer, Ch. G. Neefe, im Jahre 1777, 1 ) und 
auch heute noch vermogen wir, sind wir nur urteilsfrei genug, diesem 
Urteil im wesentlichen zuzustimmen, denn in der Tat, in diesem Werke 
gibt sich eine erstaunliche Pragnanz der Erfindung und Sicherheit der 
Faktur sowie ein nicht gewohnliches dramatisches Talent zu erkennen. 
Gerade die Kurze der Zwischenspiele stellt an die Erfindungs- und Ge- 
staltungskraft des Komponisten die grossten Anspriiche, und Benda hat sie 
glanzend erfiillt. 

Was Rousseau mit seinem „ Pygmalion" eigentlich beabsichtigte, habe 
ich in meinem diesem Werke gewidmeten Buche 2 ) gezeigt; ich musste 
dort scharf betonen, dass Rousseau keinesfalls als der Erfinder dessen, was 
wir heute „Melodram tt zu nennen pflegen, anzusehen ist, ja, dass er die 
Gleichzeitigkeit von gesprochenem Wort und Instrumentalmusik ausdriick- 
lich und mit den scharfsten Ausdriicken perhorreszierte. 3 ) Rousseau sowohl, 
als auch der mit seinen Intentionen vertraute Coignet beschrankten sich 
daher auf relativ grossere Instrumentalzwischensatze, die nur den Zweck 
hatten, die Pantomimik des Schauspielers zu unterstiitzen. Benda dagegen 
geht in zwiefacher Beziehung weiter und schafft dadurch etwas prinzipiell 
Neues: zum ersten unterbricht er die Rede ofter und durch kurze 
Zwischensatze, die nicht immer der pantomimischen Begleitung, sondern 
sogar meist nur der musikalischen Erlauterung der vorangegangenen oder 
folgenden Worte dienen, und seine kurzen pragnanten Motive steigern sich 
je nach dem Grade der auszudriickenden Leidenschaft thematisch in durch- 
aus freier Modulation und wiederholen sich leitmotivisch. Bendas 
„Ariadne" ist somit das erste musikalisch-dramatische Werk, das 
vollstandig mit der alten Opernform gebrochen hat. Da gibt es 
weder Arien noch Rezitative mehr: die Musik folgt ausschliesslich dra- 
matischen Gesetzen. Ein Schritt nur — namlich vom gesprochenen 
Wort zum gesungenen — und Benda ware der Schopfer des modernen 



ebensoviel fur die zweite Violine, 2 Viola- und 3 Basstimmen; Berlin nur 3 erste, 
zwei zweite Violin- zwei Viola- und eine Basstimme. 

J ) Goth. Theaterjournal 1. St. 74. 

-) Vgl. oben. 

3 J Vgl. insbesondere Exkurs No. 2 auf S. 72 meiner Arbeit. 

V. 9. 11 



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158 
DIE MUSIK V. 9. 



Musikdramas geworden. Und merkwurdig, dieser Schritt, den Benda nicht 
machte, wurde von einem unbekannten Italiener ausgefiihrt: in der Dres- 
dener Hofbibliothek findet sich eine hochst ratselhafte Partitur, die nichts 
anderes ist, als eine wortliche italienische Ubersetzung des Brandes'schen 
Textes, gesungen zu Bendas Musik, an der nichts geandert wurde, und 
zu der nur Rezitative hinzugesetzt sind. An alien Stellen, wo Benda zur 
Musik s pre chen Hess, wird bier zur gleichen Musik (gewissermassen im 
obligaten Rezitativ) gesungen, und so erhebt sich der Schluss wirklich 
zu musikdramatischer Grosse. Ich gebe als Beispiel die ersten (der in 
Es-dur schliessenden Ouvertiire unmittelbar folgenden) Takte und bemerke, 
dass sowohl Theseus (wohl von einem Kastraten gesungen) wie Ariadne 
und die Orcade Altpartieen sind: 



No. 1. 



Theseus. 



P9=7^ 



B$S5EI3£ 



Ve-der-la io 



I 



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*=3&F*=* 



vog-lio una sola vol-ta an- 



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cora,restremoad 



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usw. 






3E 



Die Partitur tragt den Titel: „Teseo ed Arianna, Duodrama del Signor 
Georgio Benda, Maestro di Capella di S. A. il Duca di Sassonia-Gotha* 
Rechts oben in der Ecke steht der Name Sacchetti. Wer dies gewesen, 1 ) 
wie der Betreffende auf die so fruchtbare Idee gekommen, ob die Partitur 
je aufgefuhrt worden, woher Fiirstenau, aus dessen Besitz das Alanuskript 

J ) Ich vermute, die einst beruhmte Altistin Bianca Sacchetti (Bianchetta), uber 
deren Lebenslauf nichts naheres bekannt ist (vgl. Schilling, Enc\clopadie der musik. 
Wissenschafren. Neue Au^gabe. Stuttgart 1840. 6. Band. S. 110). Fur sie schrieb 
namhch Haydn im Jahre 17S9 die Kantate Arianna a Naxos mit Klavierbegleitung, 
die cbcnfalls in Es-dur beginnt. (vgl. C. F. Pohl, Jos. Haydn. Leipzig 1882. 2. Band. 
S. 237, wo allerdings der Name Sacchetti nicht vorkoinmt.) 



H: 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



159 

ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

stammt, es hatte — , nichts war zu ermitteln. Und so ist denn ein genialer 
Gedanke vergessen worden, wahrend im darauffolgenden Jahrhundert das 
auch ihm zugrunde liegende Prinzip sich die Welt eroberte. 

Der zweite Punkt, in dem Benda etwas prinzipiell neues schuf, 
besteht in der erstmaligen Verwendung von gesprochenem Wort und Instru- 
mentalmusik zu gleicher Zeit. Benda ist also der Erfinder des Melo- 
dramas im modernen Sinne, und auf diesem melodramatischen Ele- 
ment beruhte auch die unerhorte Wirkung, die das Werk auf sein erstes 
Publikum hervorbrachte. Aber das Nebeneinander von Musik und Dekla- 
mation entwickelte sich hier naturgemass erst aus dem Nacheinander. Das 
erste Beispiel dieses Gebrauchs zeigt das deutlich und lasst es zunachst 
im Unklaren, ob der Komponist wirklich mit Absicht eine Neuerung ein- 
fiihren will oder nicht. Wenn namlich Theseus spricht, wahrend hinter 
der Szene Fanfaren ertonen, so stellt dies eine zufallige Verbindung von 
Rede und Musik dar, wie sie sicherlich auch schon friiher im rezitierten 
Schauspiel sich ergeben hatte — man braucht nur z. B. an die Schlachten- 
szenen im letzten Akt des „Julius Caesar" zu denken. Allein Benda hatte, 
wie sich aus den Partituren der ersten Fassung und sogar aus der Original- 
partitur zweiter Fassung ergibt, urspriinglich noch den Theseus an dieser 
Stelle in der (Achtel-) Pause zwischen der Fanfare sprechen lassen, wahrend 
er hingegen in der gedruckten Partitur ausdriicklich hinzufiigt: n Dies sagt 
er unter dem Schall der Trompeten, die sich in der Feme horen lassen." 
An der zweiten Stelle ist der gleichmassige Gebrauch von Musik und 
Deklamation auch noch gewissermassen motiviert, obgleich hier schon die 
Begleitmusik aus der realen Sphare, der die Fanfaren angehoren, in die 
ideale des Orchesters, das freilich hier ein Naturgerausch imitiert, aber 
damit auch zugleich stilisiert, geruckt ist. Wahrend namlich die Musik dieses 
Brausen tonmalerisch darstellt, fragt Ariadne („unter der Musik", wie 
Benda ausdriicklich vorschreibt): „Was bedeutet das Brausen im Walde?" 

No. 2. 



„Was bedeutet das Brausen im Walde?" 
Hier richten sich Musik und Deklamation nicht nach einander, und es wird 
nur eine ungefahre Gleichzeitigkeit erstrebt; um so interessanter sind die 
nachfolgenden Stellen der Art, die durch Verbindung des Klangcharakters 
der Stimme mit gewissen instrumentalen Effekten absichtlich die Wirkung 
des Grausigen zu verstarken suchen. So tremolieren die Streicher auf drei 

11 * 



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160 
DIE MUSIK V. 9. 



gehaltenen Akkorden, die jedesmal bei den hervorgehobenen Worten 
wechseln: „Ach nicht diese langsame Todesangst, nicht diesen unaufhor- 
lichen Tod! Endiget meine Qualen! Vernichtet mich durch eure Blitze!" 
Auf das Wort „Blitze a tritt dann ein erregtes d- moll -Allegro ein, wahrend 
vorher Benda bemerkte: „Sie fahrt bei dieser Stelle ununterbrochen unter 
den Haltungen der Musik fort, und die Musik richtet sich nach den unter- 
gelegten Worten." Benda und seine Nachfolger kennen iiberhaupt nur 
diese zwei Arten der Verbindung von Musik und Deklamation; die dritte Art, 
wobei sich die Deklamation rhythmisch geregelt nach der Musik zu richten 
hat, eine Verwendung, die das moderne Melodrama fast ausschliesslich bevor- 
zugt, ist erst neueren Ursprungs und geht auf C. M. v. Weber („Preziosa tt ) 
zuriick. 1 ) An einer weiteren ahnlichen Stelle heisst es: „Die blasenden 
Instrumente halten die ganze Note so lange aus, bis die Worte ,Horch, 
welch Geheul' ausgesprochen sind." Am interessantesten sind jedoch die 
zehn letzten Takte des Werkes, wo Ariadne unter fortdauernder Sturm- 
und Gewittermusik Verzweiflungsrufe ausstosst, bis sie schliesslich ins 
Meer sturzt. Auch hier fiigt Benda ausdriicklich hinzu: „Sie fahrt unter 
der Musik fort." Damit nun aber Deklamation und Musik sich nicht gegen- 
seitig hemmen, lasst Benda ersterer vollig freien Spielraum und gibt in 
der Musik einen Takt zu, der solange wiederholt wird, bis Ariadne ins Meer 
sturzt; in diesem Moment fiihrt die Musik einen Gang aus, der das Herab- 
sturzen malt, worauf nach einigen Takten das Werk zum Abschluss kommt. 
Uberhaupt nimmt die musikalische Malerei in dem Werke einen 
breiten Raum ein. Das Toben des Meeres, das Zucken der Blitze, das 
Heulen des Sturmes, das Brausen des Waldes, das Aufgehen der Sonne 
findet ebenso seinen treffenden Ausdruck, wie das Seufzen der verlassenen 
Ariadne, das Wallen ihres Busens und das sie iiberwaltigende Grauen in 
der Einode. Da ich fiber die Tonmalerei noch im Zusammenhang sprechen 
werde, will ich hier nur einer Stelle ge^enken, die um so merkwiirdiger 
ist, als sie sich ausschliesslich in der alten Fassung der Partitur befindet 
und die Griinde, die Benda zu ihrer Umarbeitung (in diesem Fall: Ver- 
schlechterung) veranlassten, nicht recht ersichtlich sind — er miisste 
gerade um jeden Preis haben kiirzen wollen. Zu den Worten der Ariadne 
„Der Lowe briillt" ertont ein charakteristisches Motiv: 2 ) 

No. 3. Viol. Br. Vc. u. Fg. unisono 
Cb. ^ 



! ) Ein derartiger Versuch Neefes in seiner autographen w Sophonisbe a -Partitur 
blieb ohne praktische Wirkung, ist auch nie im Druck erschienen. 
2 ) Man wird unwillkurlich dabei an den Wurm Fafner erinnert. 



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161 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

Wenige Takte spater heisst es nun: „Du jagst im fernen Tale nach 
Lowen und Tigern und verlasst Deine Ariadne, die fur Deine Seele zittert," 
— und diesen Worten folgten zwei Takte, deren erste Fassung man im 
folgenden Notenbeispiel findet: 



No. 4. 



Oboe 



Ee: 



i i 



MrlLlz 



jL 9 ^ 



Viol.^ 



Br. Vc. Cb. = 



:j =j~q— 



I ! 'I 



l?0 



=£ 



* 



Wie vortrefflich spiegelt die iiber dem Tremolo der Violinen wimmernde 
Oboe die zitternde Ariadne wieder, wahrend dazu in den Bassen das 
dumpfe Gebriill des Lowen ertont — ein Kabinetstiickchen musikalischer 
Malerei, das Benda leider in der neuen Fassung bis zur Unkenntlichkeit 
entstellt hat: 

Fl. u. Ob. ; === 

'IIP 



No. 5. 




Vc. Cb. 



+ ^ 



Hier schon fallt die Verwendung des gleichen Motivs zur Charakterisierung 
des briillenden Lowen auf, sehen wir aber naher zu, so finden wir in der 
„Ariadne* eine ganze Reihe von leitmotivischen Bildungen, 1 ) die freilich 
noch nicht im modernen Sinne, psychologisch abgewandelt, verwendet 
werden, und mehr der GrStryschen Art des Erinnerungsmotives 2 ) ahneln 
(vielleicht von diesem beeinflusst?), also meist wortlich — sogar in der 
gleichen Tonart — wieder auftauchen, aber doch schon hie und da inter- 
essante Modifikationen aufweisen. Gleich das Vorspiel, das keine Ouver- 
tiire im eigentlichen Sinne, sondern mehr eine Einleitung zur ersten Szene 
darstellt, bringt nach zwei Takten feierlichen Ernstes ein Motiv, das offen- 
bar die Entschlossenheit des Theseus charakterisiert und mit seinen rollen- 
den 64stel des ofteren in diesem Sinne — auch etwas verandert als Bass- 
figur — wiederholt wird, wahrend das sich anschliessende synkopierfe 



*) Da die Partitur der ^Ariadne" gedruckt zuganglich ist, kann ich mir die 
Wiedergabe einer grosseren Anzatal von Notenbeispielen daraus hier ersparen. 
*) Ansltze dazu flnden sich schon in den Ritornellen Monteverde's. 



Y.:y\i 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



162 
DIE MUSIK V. 9. 



Motiv ebenso wie das zweite durch den Wechsel von forte und piano aus- 
gezeichnete wohl auf Ariadne sich beziehen. Die Ouvertiire wird dann stiick- 
weise als Einschiebsel zwischen den Monolog des Theseus verwendet und 
spater mit kleinen Abanderungen bei der Klage der Ariadne „hier bin ich nun 
verlassen" wiederholt. Auch das Ariadnens Lieblichkeit symbolisierende 
D-moll-Motiv der Solo-Oboe („und ich sollte sie verlassen") taucht (in 
gleicher Tonart) wieder auf, wenn Ariadne den Namen des Ungetreuen im 
Schlafe ruft. Ein weiteres Motiv der Solo-Oboe, die auch hier Ariadnen 
beigegeben ist, kehrt jedoch bei seiner Wiederkehr eine Stufe hoher wieder. 
(Ariadne regt sich und seufzt [C-dur]; er will abgehen, bleibt stehen und 
sieht sie mit Wehmut an [D-dur].) Dass das Trompetensignal dreimal 
wortlich wiederholt wird, versteht sich aus technischen und asthetischen 
Griinden von selbst. Eine wie eine Vorahnung der Beethovenschen „Szene 
am Bach" klingende liebliche Stelle, welche die Wonnen des Liebesgluckes 
malt („Diese Insel war unsrer Liebe Elysium"), ist bei der Wiederholung (zu 
den ersten Worten der erwachenden Ariadne) ebenfalls wortlich beibehalten. 
Anders steht es dagegen mit den Motiven des Gewitters: 
No. 6. 



und des Blitzes: 
No. 7. 




usw. 



die im letzten Drittel des Werkes haufig wiederkehren und dann des 
Ofteren etwas verandert sind. 

Dass die „Ariadne a binnen kurzer Zeit in Gotha zehn Auffiihrungen 
erlebte, wurde bereits erwahnt. Von ihrer grossen, nachhaltigen Beliebt- 
heit auf den iibrigen Biihnen mogen folgende Daten zeugen: in Berlin 
wurde das Werk am 23. August 1776 zum erstenmal unter Dobbelin ge- 
gegeben und 35 mal wiederholt; ja, der Andrang war so gross, dass die 
Vorstellungen ins Monbijou-Theater verlegt werden mussten. 1 ) Bis 1833 
fanden noch weitere 49 Vorstellungen statt. In Hamburg war das Werk 
nachst dem „Hamlet" das beliebteste Repertoirestiick. Am 6. September 1776 
zum erstenmal mit Dorothea Ackermann und Brockmann gegeben, wurde 
es im gleichen Jahre noch 7 mal wiederholt. 2 ) In Mannheim, wohin 

1 ) A. E. Brachvogel: Geschichte d. kgl. Theater in Berlin 1877. I. S. 272. 

2 ) Vgl. J. F. Schutze: Hamburg. Theatergescbichte 1794. S. 450, sowie Litz- 
mann: Fr. L. Schroder, Hamburg 1894, II. S. 240. 



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Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



163 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



sich Seyler spater wandte, kam die „Ariadne a in den Jahren 1778 — 1803 
19mal zur Auffiihrung, 1 ) zuerst mit Minna Brandes. 2 ) Dass Schikaneder, 
der Dichter der „Zauberflote a , in Stuttgart 1778 den Theseus spielte, sei 
der Merkwiirdigkeit halber registriert. In Weimar Hess Goethe das Werk 
wahrend seiner Direktion von 1793 — 1814 12 mal auffuhren, wobei man 
berucksichtigen muss, dass 1793 die Monodrambewegung schon stark ab- 
gewirtschaftet hatte. 8 ) 

Dennoch hielt sich das Werk bis tief ins 19. Jahrhundert hinein und 
wurde spater noch in Berlin und Miinchen, wie vorhandene Partituren be- 
weisen, in einer ziemlich willkurlichen Neubearbeitung und Instrumentie- 
rung von H. L. Ritter von Spengel gegeben. 4 ) 

Ein Reihe von Urteilen aus spaterer Zeit will ich hier noch anfuhren: 
C. F. D. Schubart schrieb wahrend seiner Gefangenschaft auf der 
Festung Hohenasperg (1777— 1787): 6 ) 

„Benda hat noch dies ganz eigene, dass er, gegcn das Herkommen, den Kontra- 
punkt auch im dramatischen Stil anwendet. Er war der erste, der die musikalischen 
oder deklamatorischen Dramen in Aufnahme brachte und die Sprache des Scbau- 
spielers durch seine Zaubermelodieen hob. Diese seine grosse Erflndung ist unter 
dem Namen Melodram bald in ganz Europa mit allgemeinem Beifall aufgenommen 
worden. Durch sie ist die Wurde der Deklamation auf den lussersten Gipfel erboben. 
Jedes Zeichen der Bewunderung, Ausrufung, Frage, jedes Komma, jeder Ruhepunkt, 
jeder Strich des Denkens oder der Erwartung, jedes auflodernde oder sinkende Ge- 
fuhl des Deklamators; jede kaum merkliche Verflossung der Rede wird durch diese 
Art der Tonkunst ausgedruckt. Zuweilen sturzt auch die musikalische Begleitung 
in die Rede selber, aber nicht, sie zu ersaufen, sondern sie auf ihren Fluten zu tragen," 

Reichardt berichtet 1782: 6 ) 

„Briefe aus Gotha und Leipzig verkundeten mir die Erscbeinung der Ariadne. 
Da entstanden bei mir allerlei Rasonnements von unnaturlicher, ubeltonender Ver- 
einigung der Rede und Musik, von unzeitiger Unterbrechung der Handlung durch 
Zwischenspiele usw. . . . Die Ouverture hub an . . . Des Vorhangaufziehens war ich 
mir, hingerissen durch die unaussprechlich heniiche Ouverture, schon kaum halb- 
bewusst; so war das Stuck zu Ende und ich stand, von namenlosen Gefuhlen durch- 
drungen, hin und bergeworfen, meiner selbst unbewusst, wie angezaubert da . . . 
Hinterdrein, da ichs zehn-, zwolfmal gesehen hatte, da beobachtete ichs wohl, dass 
an jenen Einwurfen, die die Spekulation macht, wohl etwas wire, aber Bendas Genie 



*) Nach dem alphabetischen Repertoire bei Dr. Friedr. Walter: Archiv und Bib- 
liothek des grossh. Hof- und Nationaltheaters in Mannheim. Leipzig 1899. II. 

2 ) Pichler: Chronik des Theaters in Mannheim. S. 44. 

3 ) Die Daten der Erstauffuhrungen sind von Bruckner (Sammelbande der Int. 
M. G. 5. Jahrgang. S. 609 f.) zusammengestellt. 

4 ) Die Originalpartitur in der Berliner Bibliothek; ein weiteres Exemplar in der 
Munchener. Der genaue Zeitpunkt ihrer Entstehung und Auffuhrung ist nicht fest- 
zustellen; ich vermute ca. 1850. 

5 ) Gesammelte Schriften Stuttgart 1839, V. S. 120f. 

6 ) Musik. Kunstmagazin. S. 86. 



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164 
DIE MUSIK V. 9. 



hat einen solchen Zauber uber das Ganze gegossen, dass die Wirkung seiner Musik 
bei jedem Menschen von GefQhl alles Rasonnement bei weitem uberstimrat." 

Und im „Musikal. Almanach 1796 a schreibt er: 

„Eine so ecbt genialische Musik war in den Mauern unserer deutschen Schau- 
spielhauser noch nicht erschollen. Ganz Deutscbland weiss aucb, welcb allgemeine 
im deutschen Publikum bis dahin unerhorte Wirkung sie von Wien bis Hamburg, 
von Berlin bis Mannheim und auf alien grossen und kleinen Theatern hervorgebracht." 

Gerber sagt in seinem Lexikon: 1 ) 

„Wem ist nicht beim Anhoren seiner , Ariadne auf Naxos' Furcht und Freude, 
Leben und Entsetzen angekommen? Wer ist nicht aus sich selbst gesetzt worden? 
Er brachte das Duodrama, worin nicht gesungen wird, wo aber das Orchester gleich- 
sam den Pinsel bestandig in der Hand halt, diejenigen Empfindungen auszumalen, 
welche die Deklamation des Acteurs beseelen." 

Weitere Urteile von Michael Kelly 2 ) und D. Huber 8 ) wortlich 
anzufiihren, kann ich mir versagen. Der Erfolg der „ Ariadne" reichte sogar 
fiber die Grenzen des heiligen romischen Reiches deutscher Nation hinaus. 
Am 20. Juli 1781 wurde das Werk mit Mr. Michu und Mme. Verteuil in 
franzosischer Sprache 4 ) unter der Direktion Bendas an der „Com6die 
italienne" zu Paris aufgefiihrt. Reichardt 5 ) spricht davon, dass die Konigin 
Marie Antoinette, der die „ Ariadne" von Wien aus bekannt gewesen, zwei- 
mal personlich an Benda geschrieben und ihn eingeladen habe. Es fehlt 
jedoch hierfur jeglicher Anhaltspunkt. Nach Schlichtegroll schrieb eine 
Mme. Zernitz, die durch Gotha nach Paris reiste, ofter an Benda, er solle 
sein Werk selbst dirigieren. Trotzdem Zacharia in seinen „Tageszeiten" °) 

singt: 

„Und Benda von ewigem Nachruhm 

Fasst den gewaltigen Bogen. Die Herzen schmelzen und neidisch 

Horen die Welschen ihm zu." 

scheint der Erfolg nicht den Erwartungen entsprochen zu haben. Nach 
Schlichtegroll war der Beifall geteilt, F6tis 7 ) behauptet sogar, das Werk 
habe gar keinen Erfolg gehabt („n'ayant point eu de succ&s"). So schlimm 
war es nun jedenfalls nach den vorliegenden Berichten nicht, wenn auch 
die Franzosen das Werk scharf kritisierten. Grimm 8 ) schreibt dariiber: 
„Quoique Arianne abandonnee n'ait pas eu a Paris le succes eclatant que son 
traducteur nous assure qu'elle a eu et qu' elle a encore sur tous les theatres du Nord; 



l ) 1790. I. S. 134f. 

-) Lebenserinnerungen (1764 — 1826) Allg. Mus. Ztg. 1880, S. 325. 
T ) „Tamira* nebst einer Abhandlung uber das Melodram. Tubingen 1791. S. 81. 
4 ) Arianne abandonnee dans Tile de Naxe, m£lodrame, traduit par Du Bois, 
Paris, Bonnet 1781. 

:> ) Mus. Kunstmagazin Berlin. 1782. S. 87. 

e ) Forkel: Kritische Bibliothek 111. S. 346. 

•) Biographie universelle I. S. 235. 

*) Correspondance litt. (Edition Gamier) XII. S. 534. 



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165 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

quoiqu'on ait trouvS la sc&ne longue et meme un peu monotone, on y a remarque" 
plusieurs beaux mouvements, des traits d'une podsie vive et passionee. La musique 
sans avoir cette £16gance de style contenue qui semble n' appartenir qu'aux maitres 
de P6cole italienne est faite avec chaleur et pleine d'expression: elle est surement 
fort superieure aux deux musiques du Pygmalion de Rousseau." J ) 

Eine sehr ausfiihrliche, 6 1 2 Seiten umfassende Besprechung brachte der 
„Mercure de France* 4 .-) Feinsinnig wird hier die dramatische Schwache 
der Dichtung eingehend nachgewiesen und ihr die Leidenschaft des 
Rousseau'schen w Pygmalion a gegenubergestellt. Dann fahrt der Kritiker fort: 

„Nous ajouterons que, si ce genre a des difficultes, c'est pour le musicien, par- 
ceque la necessite, ou il se trouve, de ne pas faire languir Taction ne lui permet que 
tres rarement de d£velopper ses motions, parcequ'il est force' de jeter de temps en 
temps ca et la quelques traits tout au plus indicatifs de ces id£es et le plus souvent 
vagues et sans aucune expression. Heureux quand il rencontre une situation qui, 
obligeant l'acteur au repos, laisse au compositeur la liberte de donner une ma re he 
a son style. 

C'est ce qui est arrive* a Mr. Benda dans son Arianne ou Ton trouve d'ailleurs 
une belle facture, beaucoup d'taarmonie et Tart de rendre de grands eflPets par des 
moyens simples et sagement combines. On y distingue aussi de temps en temps des 
traits de mglodie, mais rares, appartemment parceque ce sujet n'en comportait qu'un 
petit nombre. 

Au total: Mr. Benda a paru digne du succes qu'il a eu en Allemagne et on a 
regrettS qu'un musicien de son m£rite ait paru si tard en France. " 

Tatsachlich hat also Benda bei den Franzosen Anklang gefunden, 
und er selbst bezeugt dies (allerdings einige Jahre vor der ersten Pariser 
Auffiihrung) in einer Zuschrift an das Theaterjournal, 8 ) das im Anschluss 
an Rousseau's „Pygmalion a behauptet hatte: 4 ) 

„Ein beruhmter franzosischer Scbauspieler, dem man eine Obersetzung der 
Ariadne geschickt hatte, sagte: ,Vielleicht ist diese Epoche auch bald in Deutscbland 
vorbei'." 

Die selbstbewusste Antwort Bendas hierauf ist jedenfalls von Interesse: 

„Lacherlicher Schluss eines beriihmten franzosischen Schauspielers, dessen 
Einbildungskraft sich nicht einmal aber iiber das, was Pygmalion ist, erstreckt, weil 
er nach diesem Versuche das ganze Fach beurteilt. Wenn dieser angeblich beruhmte 
franzosiscbe Schauspieler sich von dieser Art Begriffe machen wollte, so hatte er sie 
nicht in Paris auf seiner Stube oder wahrend der Vorstellung des Pygmalion, sondern 
vielmehr in den Parterren zu Gotha, Leipzig, Dresden, Berlin und Hamburg sammeln 
sollen, wo das erste deutsche Duodrama, Ariadne, mit allgemeinem Beifall aufgenommen 
und allein zu Berlin 30mal aufgefuhrt worden ist. Ja, was sage ich? Nicht den 
Deutschen allein hat Ariadne gefallen, sie hat auch den in Deutschland befindlichen 
Franzosen gefallen, ja sogar auf dem franzosischen Theater zu Berlin gefallen, wo 



*) Naturlich sind hier Coignet's und Baudron's Kompositionen gemeint. 
*) 28. Juillet 1781. S. 178. 

3 ) 1777, 3. St. S. 17. 

4 ) 1777, 2. St. S. 143. 



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166 
DIE MUSIK V. 9. 



dieses Stuck doch jSmmerlich verhunzt wurde. Wie geht das zu, wenn es wahr ist, 
dass den Franzosen diese Gattung uberhaupt nicht gefallt? Fiel denn die Vorstellung 
der Medea weniger glucklich aus? Und wenn, wie ich doch nicht gewiss weiss, 
einige andere Versuche nach Ariadne und Medea minder glucklich waren, lag da die 
Schuld in der Natur und dem Wesen der Gattung oder nicht vielmehr in der Aus- 
arbeitung oder der Vorstellung? Und ist nicht endlich das neueste Produkt dieser 
Art, Cephalus und Pocris, 1 ) nach den offentlicben und Privatnachrichten in Hamburg 
mit allgemeinem Beifall aufgefuhrt worden? Nach drei Beispielen haben wir unserem 
beruhmten franzosischen Schauspieler weiter nichts zu sagen, als dass sich dieses 
Fach ein ebenso langes Dasein als jede andere dramatische Gattung zu versprecben 
habe, so lange gewisse Dichter und Tonsetzer jenes, sowie diese, ihrer Bearbeitung 
und Vervollkommnung nicht unwurdig achten werden. G. B e n d a. a 

Der grosse Erfolg der „Ariadne u veranlasste natiirlich Spassmacher zu 
Parodieen. 2 ) Die eine dieser Parodieen, von Joachim Perinet in Wien 
herriihrend und von Satzenhoven komponiert, ist in Textbuch*) und Klavier- 
auszug 4 ) gedruckt. Sie ist ein Kind echten Wiener Humors. Der musi- 
kalische Scherz besteht darin, dass Bendas Malerei travestiert und iiber- 
trieben ist oder dass zu ernsten Stellen Landler und Gassenhauer („Ei, 
du lieber Augustin") etc. gespielt werden. Dazwischen werden Kuplets 
gesungen. Natiirlich endigt das Stuck nicht tragisch. Nach den letzten 
Brandes'schen Worten der Ariadne heisst es: „sie tanzt den Berg hinunter 
und legt sich langsam ins Wasser". Und nun gibts ein tolles burleskes 
Nachspiel: Theseus kommt mit den Griechen, die er beim Schopf gepackt 
hat, zuriick, Ariadne erhebt sich aus dem Wasser, und nach einer grossen 
Versohnungsszene versichern sie: sie seien „ewig ein' Seel' und ein Leib- 
chen". Ariadne aber ruft aus: „Meinen Theseus kann ich kiissen, ich will 
nix von Wasser wissen* 4 , worauf sie in die „Sieben Churfiirsten" (ein 
Gasthaus in der Leopoldstadt) zu Bratel und Wein unter Gesang und Tanz 
abziehen. Sehr witzig verspottet Perinet namentlich auch den Hauptfehler 
des Stiickes, die schwachliche Motivierung des Theseus-Abschieds und die 
klagliche Gestalt des Helden selbst. So lassen die Griechen aus dem 



') Von Reichardt. 

2 ) Von einer ernsten Nachahmung berichten die Gothaer gelehrten Zeitungen 
1778, S. 376 aus Amsterdam: „Herr Just hat das bekannte Duodrama Ariadne auf 
Naxos nach einer neuen franzosischen Ubersetzung komponiert, und im kunftigen 
Monat Julius wird solches zu Paris aufgefuhrt werden. Wir haben diese Nachricht 
aus einem Brief des Herrn Just an einen seiner hiesigen Freunde gezogen." 

:t ) Ariadne auf Naxos, travestiert. Ein musikalisches Quodlibet in einem Auf- 
zuge mit neuen Musiktexten von Joachim Perinet, Dichter und Mitglied der k. k. 
privil. Schaubuhne in der Leopoldstadt. Die Musik von Herrn Satzenhoven. Wien 1803. 

A ) Die travestierte Ariadne auf Naxos, eine musikalische Laune oder Quodlibet 
als Drama in einem Aufzuge furs Fortepiano von Friedrich Satzenhoven. Wien bei 
Joseph Ecker auf dem Graben. 



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167 

ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



Schiffe start der Trompetenfanfaren ein lustiges Kneiplled ertSnen, dem 
natfirlich der wackere Theseus nicht widerstehen kann, und er selbst betont 
immer, was er fflr ein Kerl sei: H Ich hab 1 kein Karasche, drum bin icb 
kein Held" usw. Das Textbuch ist schon Bhnlich der Art Offenbacbs ge- 
balten, doch herrscht start der Pariser Lasrivitfit nocb der bannlosere 
Wiener Humor. 

Eine zweite Parodie: 9 Ariadne auf Naxos, ein tragikomjsches Trio- 
drama* von August von Kotzebue 1 ) ist dagegen sehr sctiwBchlich. Sie ist 
aus albernen und pltirapen, meist geradezu schlupfrigen Witzen zusammen- 
gesetzt, und die literarischen Gegner Kotzebues, besonders Schlegct mit 
seiner w Lucinde% bekomraen manchen Seitenhieb ab. Ich bezweifle sebr, 
dass diese Parodie, zu der die Bendascbe Originalmusik gespielt werden 
sollte, iiberhaupt je zur Auffuhrung kara. Eine weitere 1777 anonym 
erschienene Parodie w Theseus ohne Ariadne auf Naxos" 9 ) habe ich nicbt 
aufgefunden. 



l > Gritz 1805. 

*) Verzeicbnet taei A. K5*tcr: V D« lyriscbe Drama 4 (Preuuiache Jihrbiicher 68. 
188 ft) 

Portsetzuog tolgt 







Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



WE VERVOLLSTANDIGUNG von 
MOZARTS GROSSER C-MOLL MESSE 

DOHCH ALOIS SCHJUTT 

IN ffiREM VSRDBGAtfQ NACH AUTHflHTlSCHBM 

Q0BLLBH DARCESTBLLT 



^, 






Ich hatte Schmitt flber daa hier in Ffige etebende Kyrio K. 323, 
dms jetzt das ,et rworraxlt* der grossen Messe blldet, alios hiatorisch 
ttberlieferte mitgetetlt, docb war or jedenfalls damals noch u angcgriffen 
ton seinem Unfalt, urn elles das xn lesen, und so scbreibt or im 
10. September: 

Jhre Attseeraag betr. dss »rmmxif rattebe Ich vtsdarem nicbt HWtn Kept 
fat voU tdtneta smarten. Sle safes: Jetit bin lob fiberungt*. Tom? Daea das 
Stflek nicbt mf Kyrie ksmpenlert lit? Die pgfi GescUdite StadlaftFaehs, via Sle 
■I* mlr Jam mlttstlsn, steht anf tehr sebwachtn Fflaeen nod boOifct mlch is 
melner Amubme-**) 

Sowelt nnsere enF die Mesaenarbeit bezflglicbe Korrespondenz aus 
dem Sommer 1900. Nach der Rflckkehr musste sich Schmitt noch einige 
Zelt aehr schonen trod konnte alch vonig mit der Mease beschlftigen. 
Doch es denerte nicbt lange, ao zog es ihn wieder zu dem Werke, und 
vir kamen immcr wieder auf das , Credo" zu sprechen. Schmitt machte 
dabei gelegentlich die Bemerkung, diss das gpwlhlte „Cruciflxus* aus 
K. 139 docb nicbt wQrdig genug sei, urn in dieser Mease Plate xn finden, 
und so brachte icb ihm eines Sonntags im November 1900 die erstmalig 
in der Geaamtausgsbe verOffentllchtc Chorskizze »zu einem Requiem", 
KSchel, AnhangNo* 21 1 einen kurzen Satz in c-moll fQr vier Singstbnmen 
mit Instramentalbass, desaen Autograph ich spiter aoch in der Berliner 
Bibliothek eingesehen babe, als ich rair die herrliche Origlnalhandachrift 
der c-moll Mease von Dr. Kopfennann zeigen Hess. Schmitt flberflog den 
kurzen Satz, der als Text stellenweise die Wortc: M Lacrimosa qua 
resurget ex fkvilla* entfallt und erkiarte ihn safort fijr eine wurdige nnd 

■) V*L II. Mftwt-Heft dar *Muiik* (J»hrfr V, Heft 7), 

*) Vgl. hieran die bei KOchel 323 la dor Anmerknng wtodergefebene MitteiluDf 
Sttdler* vom % April 1800. 



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■'■' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



169 

— LEWICKI: VERVOLLSTANDIGUNG DER C-MOLL MESSE =5 



passende Unterlage zu einem „Crucifixus". In einigen Tagen hatte er 
das Stuck instrumentiert und den Text unterlegt. Da nun aber eine 
Transposition (nach d-moll) hier nicht moglich war, musste auch die 
des „Resurrexit tt wieder fallen und dieser Satz leider nach C-dur zuriick- 
wandern. Damit war die Tonartenfrage wieder akut geworden, und es 
musste nun nach dem „et in spiritum sanctum" (G-dur) die Es-dur Tonart 
eintreten, um den c-moll Charakter des Werkes auch in der Mitte besser 
zu wahren. Zudem verwarf Schmitt nun auch das Stuck, das bisher 
das „et unam sanctam" ersetzte (aus K. 66) als zu unbedeutend. Da ich 
gelegentlich einmal vorgeschlagen hatte, man konnte an dieser Stelle 
zweckmassig beim „et unam sanctam" auf das erste Credomotiv zuriick- 
gehen, nahm Schmitt das vorerwahnte Es-dur Kyrie (K. 322) und ver- 
schmolz es in gliicklichster Weise mit dem Credo- Anfang, indem er 
an Stelle des Originaleinganges zu K. 322 das charakteristische erste 
Credothema der Messe, aber im 4 / 4 Takt dargestellt, beniitzte und dem 
„et unam sanctam" den zweimaligen Ausruf „Credo a (Es-dur -c-moll) 
voranschickte. Zudem wandelte er das Tempo des urspriinglichen Largo 
von K. 322 durch Verdoppelung der Zeitwerte der Noten in „Allegro 
maestoso", d. h. das Tempo des ersten Credo um und gewann somit 
einen durch inneren Anschluss an den Anfang fur die Einheitlichkeit des 
ganzen Credoteiles sehr wichtigen Satz. Bei der letzten Wiederholung der 
Worte „et exspecto resurrectionem" wob Schmitt einen kleinen Abschnitt 
aus dem Credo der C-dur Messe (337) ein, worauf noch ein neu kompo- 
nierter Anhang von einigen Takten folgt als notwendige Uberleitung zur 
Fuge w et vitam venturi", ahnlich wie ja auch die letzten vier Takte des 
„Crucifixus a mit dem tiefen C des Chores vor dem Jubel des „et resurrexit" 
ganz von Schmitt herriihren, eine Stelle, die noch stets Bewunderung er- 
regt hat. Gerade der Satz: „Credo in unam sanctam", der vielleicht die 
meiste Miihe und Arbeit verursacht hat, wurde in der eingangs erwahnten 
Kritik scharf getadelt, und hier musste Schmitt den schweren Vorwurf 
der Pietatlosigkeit erfahren. Solcher Tadel muss verstummen, wenn man 
sieht, auf welchem vielverschlungenen Wege Schmitt endlich dazu gekommen 
ist, den fraglichen Abschnitt so zu gestalten, dem iibrigens von manch 
anderer Seite auch schon gebiihrendes Lob zuteil geworden ist. 

Noch zu erwahnen ist die nun notwendig gewordene Orchesteriiber- 
leitung vom G-dur Satz „Et in spiritum sanctum 4 * zum eben besprochenen 
Es-dur Chor, zu der ich drei verschiedene Fassungen in Schmitts Hand- 
schrift besitze. Die letzte, mit der Schmitt selbst immer noch nicht ganz 
zufrieden war, 1 ) entstand erst nach der Dresdener Erstauffiihrung Ende 

l ) Schmitt hat mich s. Z. noch beauftragt, bei einer kunftigen Neuausgabe der 
Partitur dafur zu sorgen, dass die G-Harmonie am Anfang der Oberleitung noch 



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170 
DIE MOSIK V. 9. 



April 1901. Er kam eines Abends zu uns, setzte sich ans Klavier und 
spielte zwei neue Ubergange. Davon sollten wir, meine Frau und ich, einen 
auswahlen. Die Wahl fiel auf die jetzt gedruckte Fassung, worin die von 
Mozart selbst in Messe K. 262 gebrachte kurze Uberleitung (nach 
C-dur) trefflich weiter ausgesponnen und in machtiger Steigerung zum 
Es-dur-Credo hingefiihrt ist. 

Die Hauptarbeit in der vorstehend begriindeten Ausgestaltung des 
„Credo in unam" hat Schmitt in den Weihnachtstagen des Jahres 1900 
geleistet, wo er ofters bis lange nach Mitternacht besonders fiber der 
Partitur des Es-dur Satzes sass. Aus diesen Tagen datiert sein charakte- 
ristischer Ausspruch: „es sei ihm bei seiner Arbeit mitunter gewesen, als 
stande Mozart mit drohend erhobenem Finger hinter ihm und blickte in 
die Notenblatter.* 1 ) 

Nachdem schliesslich auch noch die Worte des „ Agnus Dei* und 
„Dona nobis" der Musik des Kyrie unterlegt waren — das Dona nobis 
tritt bei dem Sopransolo in Es-dur ein — konnte an die Fertigstellung 
des Notenmateriales fur die ersten Auffuhrungen gegangen werden, die 
dann auch am 3. und 5. April 1901 erfolgten und unsere Erwartungen voll 
erfullt haben. 

Kurz nach diesen Urauffiihrungen wurde mit dem Hause Breitkopf 
A Hartel ein Verlagsvertrag fiir das vervollstandigte Werk abgeschlossen, 
und ich konnte meine Darstellung hier endigen lassen, wenn nicht noch 
wahrend des Druckes der Partitur und der Chorstimmen mit den Chor- 
partieen des „Sanctus a und vor allem des w Osanna* eine wichtige Verande- 
rung vorgenommen worden ware. Der ganze Abschnitt bis einschliesslich 
des w Benedictus" gait bisher, d. h. in den fruheren Ausgaben des Fragments 
(bei AndrS sowie Breitkopf & Hartel) als vollstandig, und man hat nie daran 
Anstoss genommen, dass darin der Chorsatz im „Sanctus u fiinfstimmig, im 
„0sanna" aber nur vierstimmig wiedergegeben ist. Schon bei den Erstauf- 
fuhrungen im April 1901 fiel uns eine eigenartige Leere und Liickenhaftig- 
keit in der Chorpartie namentlich bei der „Osanna a -Doppelfuge auf, der wir 
jedoch zunachst nicht naher nachforschten. Als es nun an die Veroffent- 
lichung ging, und ich mir gelegentlich einmal die Orchester - Partitur 
des „Osanna tt genauer durchsah, zeigte sich, dass hier eine achtstimmige 
Doppelfuge vorlag, bei der die Blasinstrumente wiederholt thematisch 

cinen Takt langer beibehalten, d. h. in der zweiten Violine und ersten Oboe im 
zweiten Takt G statt F gesetzt werde, so dass die Septime F erst im dritten Akt eintritt. 
Auch im „Crucifixus a sind in der jetzt in meinem Besitz befindlichen Originalpartitur 
Schmitts in den Stimmen der Oboen und Horner ein paar Verbesserungen angemerkt, 
die spater Beriicksichtigung finden miissen. 

] ) Vgl. den Artikel Schmitts in No. 40 d. Musik. -Wochenbl. 1901, aus dem weiter 
unten noch ein Auszug mitgeteilt wird. 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



171 
LEWICKI: VERVOLLSTANDIGUNG DER C-MOLL MESSE 

selbstandig neben den Streichstimmen einhergehen. Im vierstimmigen 
Chor aber verschwindet gleich nach dem ersten Einsatz der beiden 
Themen das Hauptthema ganzlich bis zum 14. Takte, wo dann wiederum 
das Gegenthema wegbleibt usf. Hier musste also unbedingt etwas nicht 
in Ordnung sein, zumal an einigen Stellen das eine oder andere Thema 
im Orchester nur von einem Blasinstrument, z. B. der zweiten Oboe 
angegeben wird. Ich schrieb daher sofort meine Bedenken an Schmitt, der 
damals von Dresden abwesend war. Zunachst wollte er nicht ohne weiteres 
an die vorgeschlagene Rekonstruktion des achtstimmigen Chorsatzes nach 
der Orchesterpartie gehen und schrieb u. a. (4. Juni 1901): 

„Ihre ,Osanna'-Skrupel mochte ich, wo nicht beseitigen, doch gleich beantworten. 
Ihre Empfindung, dass da ein Dualismus vorliegt, ist ganz richtig. Ich habe das Vor- 
dringliche des zweiten Themas stets empfunden. Aber was tun? Ichglaube, wir mussen 
unser Kind mit seinen Vorzugen und Mangeln so nehmen, wie es ist. Eine Urn- 
arbeitung des Satzes wurde ich hochstens als Versuch unternehmen zu privatem 
Interesse. Wir haben nicht die Aufgabe, Mozart zu verbessern, sondern zu erganzen. 
Anders wurde sich die Frage stellen, wenn man beweisen konnte, dass ein anderer 
den vierstimmigen Chorsatz zu Mozarts Instrumentation geschrieben habe. Dies wird 
aber kaum zu beweisen, auch schwerlich der Fall sein." 

Diese Antwort Hess mir jedoch keine Ruhe, ich setzte mir den Chor- 
satz zunachst siebenstimmig (wie das bei Doppelchoren der alten Meister 
oft vorkommt, also mit ungeteiltem Bass) in Partitur und sandte eine Rein- 
schrift davon an Schmitt, nachdem ich ein zweites, dringlicheres Begriindungs- 
schreiben zu meiner inzwischen gewonnenen Ansicht, dass der vierstimmige 
Chorsatz im „Osanna a unvollstandig sein musse, vorausgeschickt hatte. 
Darauf erhielt ich nun umgehend folgende mir hocherfreuliche Antwort: 

„Einem Blinden und Tauben wird es einleuchten, dass zumal der Anfang so 
und nicht anders gemeint sein kann. In Ihrer soeben erhaltenen Skizze mussnament- 
lich gegen den Schluss manches anders werden. Werde mich daran machen und mich 
bemuhen, die Sache so herauszubringen, dass sie vor der Offentlichkeit bestehen kann. 
Auch meine ich, dass die doppelcbdrige Einteilung beibehalten werden sollte, also 
zwei Chore untereinander, wie im ,Qui tollis 4 . Angeregt durch Ihre Skizze bin ich 
zu der Uberzeugung gekommen, dass in der AndrG'scben alten Ausgabe nur die vier 
Stimmen des ersten Chores zur Anwendung gekommen, die anderen vier verloren 
waren. — Werde bald heimkommen und dann konnen wir alles genau besprechen. 
Bin im Begriff nach Offenbach zu fahren, urn moglicherweise da etwas herauszu- 
bekommen." 

Die von Schmitt noch vor seiner Ruckkehr zweichorig bearbeitete 
Chorpartie der „Osanna a fuge erhielt ich brieflich zugeschickt und habe das 
schone Autograph der Gesamtpartitur der Messe beigelegt. 

Nun bemerkte Schmitt aber auch in dem von Andre ftinfstimmig 
iiberlieferten Chorsatze des „Sanctus u eine auffallende Leere der Harmonie, 
die namentlich beim „pleni sunt" sehr gegen den Charakter des Textes 



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172 
DIE MUSIK V. 9. 



abstach. Auch hier ist nach dem Vorgang beim „0sanna" wohl mit Recht 
anzunehmen, dass Andr6 nicht das vollstandige Manuskript vorgelegen haben 
kann. Schmitt setzte daher schliesslich auch diesen Chor achtstimmig (als 
Doppelchor) aus und hat gewiss recht daran getan. Es ware sehr zu 
wunschen, wenn die jetzt verschollenen Partiturteile zum „Sanctus a , „Osanna" 
und zum „Benedictus a (welch letzteres Andrd vollstandig gehabt haben 
muss) wieder zum Vorschein kamen. Die Originalhandschrift der Berliner 
Bibliothek enthalt gegenwartig vom w Sanctus" und „Osanna* nur noch die 
vollstandige Partitur der Blasinstrumente, von den Chorstimmen und vom 
ganzen „Benedictus a aber keine Note mehr. Alle unsere dahinzielenden 
Bemiihungen sind leider erfolglos geblieben. Moglicherweise findet sich 
z. B. in der Musikbibliothek des Salzburger Stiftes St. Peter noch etwas; 
ein Nachsuchen daselbst ware sehr erwiinscht. 1 ) 

Zum Schluss meiner Darstellung des Werdeganges der Messen- 
vervollstandigung gebe ich noch eine Ubersicht der sieben verschiedenen 
Fassungen, wie sie von uns der Reihe nach zur Erganzung des „Credo a 
und zum Ersatz des „Agnus Dei" und „Dona nobis" versucht worden 
sind, bis in der letzten (VII) die endgiiltige Form gewonnen war. Eine 
solche Ubersicht diirfte am klarsten den nicht ganz miihelosen Weg der 
Erganzungsarbeit veranschaulichen. 

I. Anfinglich war ich der Meinung, dass alle Erganzungen der fruheren c-moll 
Messe (K. 139) entnommen werden konnten. Dies erwies sich bald als un- 
ausfuhrbar. 

II. „Crucifixus" aus K. 139, der Rest des „Credo" aus K. 66. ^Nur die 2 Eingangs- 
takte des „Resurrexit a aus K. 139 wurden beibehalten und sind spater auch 
stehen geblieben.) 
„Agnus Dei" aus K. 139. 
„Dona nobis" aus K. 167. 

III. „Crucifixus" und w Resurrexit" wie in II. 
„Et in spiritum sanctum" aus K. 262. 
„Et unam a wie in II. 

w Et vitam venturi" aus K. 262. 
w Agnus Dei a und w Dona" wie in II. 

IV. w Credo a von w Crucifixus a bis Schluss aus Messe C-dur K. 262. 
Das ubrige wie bei II und III. 

V. „Crucifixus a wie in II. 

„Et resurrexit" nach K. 323 mit unterlegtem Text. 

Das ubrige wie III. 

[Dazwischen hatte ich fur „Et in spriritum sanctum" Duett (F-dur) aus K. V. 623 

mit untergelegtem Text, ebenso K, V. 322 (Es-dur) fur denselben Satz zur Auswahl 

vorgeschlagen.] 



J ) Es ist nicht unmoglich, dass sich die Erganzungsblatter zum w Sanctus" und 
w Osanna" irgendwo noch vorfinden und vielleicht mangels naherer Bezeichnung un- 
erkannt geblieben sind. Hier konnte nur der Notentext selbst zur Erkennung fuhren. 



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173 
LEWICKI: VERVOLLSTANDIGUNG DER C-MOLL MESSE 

VI. w Crucifixus" wie IV, aber von c-moll nach d-moll transponiert. 
„Et resurrexit" wie IV, aber von C-dur nach D-dur transponiert. 
„Et in spiritum sanctum" wie IV, das ubrige wie III. 
VII. Endgultige Fassung: w Crucifixus" (c-moll) nach K. Anh. 21 mit untergelegtem Text. 
„Et resurrexit* (C-dur) wie V mit den beiden Eingangstakten aus K. 139. 
„Et in spiritum sanctum" (G-dur) aus K. 262 mit Ubertragung des Sopransolo 
an den Tenor. 

w Credo in unam a (Es-dur) mit Benutzung des ersten Credomotivs der Messe 
nach K. 322 und 337 umgearbeitet und Text unterlegt. 
„Et vitam venturi" (C-dur) wie III. 

„Agnus Dei* und „Dona a nach dem Kyrie der Messe mit unterlegtem Text. 1 ) 
Die von Schmitt herruhrenden instrumentalen Zusatze sind in der Partitur 
uberall durch die Buchstaben A. S. gekennzeichnet. 

Hinsichtlich der so wichtigen Tonartenfolge in „Credo" zeigt diese letzte 
Fassung gegen alle vorherigen, dass neben dem Wechsel von funf Tonarten 
(C-dur, F-dur, c-moll, G-dur und Es-dur) der Charakter der Haupttonart (c-moll) 
auch in der Mitte des Werkes durch „Crucifixus a (c-moll) und „Credo in unam" 
(Es-dur^ betont ist, wie dies zu Anfang im „Kyrie", — w Christe* und nunmehr 
auch am Schluss des Werkes im „Agnus Dei" — „Dona nobis pacem* der Fall 
ist und wodurch gewiss die Eurythmie im harmoniscben Aufbau erreicht 
worden ist. 

Die vorstehende Ubersicht der verschiedenen Credogestaltungen be- 
weist wohl deutlich genug, dass Schmitt es sich bei seiner Arbeit nicht 
leicht gemacht hat, was ja schon aus den oben wiedergegebenen Brief- 
ausziigen klar hervorgeht. Mehr wie einmal wollte der gewissenhafte 
Meister die Arbeit aufgeben, da er an der wiirdigen Vollendung zweifelhaft 
wurde, und es bedurfte wiederholter Bitten, ihn dann wieder zur Weiter- 
arbeit zu veranlassen. Jeder mit den fiir die Erganzung des Credo in Frage 
kommenden Stiicken einigermassen Vertraute wird zugeben miissen, dass 
die endgultige Fassung alle vorhergehenden an musikalischem 
Gehalt und Einheitlichkeit iibertri f ft und dass die nur in Er- 
mangelung geeigneter Originalsatze vorgenommene Textunter- 
legung bei den Satzen 11, 12 und 14 ( w Crucifixus tt , w et resurrexit* 
und „Credo in unam sanctam 41 ) als die verhaltnismassig beste 
Losung der schwierigen Aufgabe anzusehen ist.. Wie gut Schmitt 
gerade bei den wenigen musikalisch freier behandelten Abschnitten (z. B. 
Schluss des „Crucifixus tt , „Credo in unam sanctam 44 ) den Charakter des 
Messentextes getroffen hat, zeigen mehrere Besprechungen, die offenbar 
ohne irgendwelche Kenntnis von einer Textunterlegung und freieren Be- 
arbeitung abgefasst sind. Man kann es Schmitt nicht hoch genug anrechnen, 
dass es ihm vermoge seines grossen musikalischen Konnens und feinen 



] ) Die von mir aufbewahrten, im Laufe der Arbeit wieder verworfenen Er- 

ganzungsversuche in Partiturschrift stehen an Umfang der fertigen Partitur nur 
wenig nach. 

V. 9. 12 



( " i m \i-\ L - Original from 

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174 
DIE MUSIK V. 9. 



Stilgefiihls gelungen ist, die bestehenden Liicken derartig auszufiillen, dass 
sie durch die treffende Charakteristik und Wahrheit des Ausdruckes gerade- 
zu hervorstechen. 1 ) 

Hier mag noch auf die giinstige Beurteilung hingewiesen werden, die 
Dr. G. Gohler gerade der Erganzung des „ Credo* gewidmet hat („Musik a 
1901 S. 198ff.), und die sich vollstandig mit unserer Anschauung deckt: 

„Alois Schmitt hatte sich's leicht machen konnen, wenn er das Credo einfach 
aus der anderen c-moll Messe Mozarts (K. 139) entnommen hatte. Dass er das nicht 
tat, bewcist, wie grundlich er zu Werke ging. Die grosse Messe verlangte ein ent- 
sprechend aufgebautes Credo.* 

Nachdem dann die Erganzungsstiicke aufgezahlt sind, fahrt Gohler fort: 
„Jedenfalls eine Leistung stilvoller Erganzung und eine Probe grundlichsten 
Erfassens Mozartschen Geistes. Schmitt hat's den Norglern sehr schwer gemacbt; 
aber sie werden trotzdem kommen, die klugen Kopfe mit ihrer Tagesweisheit, die uns 
mit Achselzucken und Fragezeicben unsere Freude vergallen wollen. Mdgen die 
deutschen Dirigenten und das deutsche Publikum als Antwort darauf die Messe 
iratner lieber gewinnen und sie in ihren Konzerten und in ihren Herzen 
ein Seitenstuck zum Requiem werden lassen." 

Ganz so ist es denn auch gekommen. Die eingangs erwahnte Kritik 
ist solch eine „norgelnde a , und die mir bisher bekannt gewordenen fiber 
40 erfolgreichen Auffuhrungen sind gewiss die beste Antwort darauf. 

Der Alois Schmitt gemachte schwere Vorwurf der Pietatlosigkeit 
gegen Mozart ist somit vollig unbegriindet, und man kann Gohler nur 
recht geben, wenn er (a. a. O.) sagt: 

„Die ganze Art der Rekonstruktion ist so pietatvoll und zugleich so kunst- 
lerisch selbstandig, dass man ihr neben dem Requiem einen Ehrenplatz 
einraumen wird. a 

So lange also nicht eine in jeder Hinsicht bessere Erganzung des 
Werkes vorliegt — und dies diirfte nicht so bald eintreten — wollen wir 
uns der Schmittschen Arbeit freuen, durch die ein gegen 120 Jahre 
so gut wie vergessenes Meisterwerk der Welt wiedergewonnen wurde. 
Dass Schmitt sich wohl bewusst war, diese schwierige Aufgabe nur inner- 
halb der menschlichem Konnen gesetzten Grenzen gelost zu haben, hat er 
mehr wie einmal ausgesprochen. So auch offentlich in einem kleinen 
Aufsatz (vergl. Musik. Wochenbl. 1901 No. 40), in dem er fiber seine 
Arbeit ein sehr bezeichnendes Bekenntnis ablegt, dessen Wiedergabe am 
Schluss dieser Darstellung gewiss gerechtfertigt ist. Er sagte: 

„lch muss gestehen, dass icta mich schwer zu der Bearbeitung der Messe ent- 
schloss, Zuweilen war es mir, als ob Mozart mit drohend erhobenem Finger hinter 

') Dass zu alien Zeiten die Komposition des Credo selbst dan grossen Meistern 
die meiste Miihe verursacht hat ist bekannt genug. Es liegt dies einfach an dem 
vklfach sbstrakten und der musikalischen Darstellung wenig entgegenkommenden 
Texte des Glaubensbekenntnisses. 



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T75 

LEWICKI: VERVOLLSTANDIGUNG DER C-MOLL MESSE 

mir stinde und in die Notenbiatter blickte. Aber je mehr ich mich in die Aufgabe 
vertiefte, je mehr fesselte sie mich. Der Dichter hat ganz recht: Nicht wir haben 
die Idee, die Idee bat uns und zwingt uns, ihr zu gehorchen. Der Gedanke, das er- 
habene Werk zu vollenden, Hess mir keine Ruhe mehr, bis die Partitur fertig vor 
mir lag." 

Wenn von anderer Seite der Vorschlag gemacht worden ist, man 
solle doch einfach das Messenfragment, wie es Mozart hinterlassen hat, 
auffuhren, so bemerke ich dazu, dass innerhalb 118 Jahren dieses Frag- 
ment als solches meines Wissens so gut wie gar keine Auffiihrungen er- 
fahren hat, also einfach ignoriert worden ist. Schon allein um der Wieder- 
belebung der originalen Satze der Messe willen miisste man die Rekon- 
struktion des Werkes freudig begrussen. 

Das Originalexemplar der Messenpartitur, das von Schmitts Hand 
zahlreiche eigenhandige Eintragungen der instrumentalen Erganzungen 
einschliesslich der Manuskripte vom „Crucifixus a und den oben genannten 
Credostiicken enthalt, ist mir ein teures Vermachtnis des unvergesslichen 
Kunstlers und hochverehrten Freundes. Er hat es mir im September 1901 
mit folgender Widmung zum Geschenk gemacht: „Seinem Freunde E. L. 
zur Erinnerung an manche sorgenvolle und viele schone Stunden". 

Diese Erinnerung aber wird fur immer verbunden sein mit dem 
Gefuhl tiefster Dankbarkeit fur die grosse kiinstlerische Tat, die Alois 
Schmitt an der c-moll Messe zur Ehre ihres herrlichen Schopfers 
Wolfgang Amadeus Mozart vollbracht hat. 




12* 



n:irr/r:: : v, C lOOOlC 

t3 



Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 





]q Beginn des Jahres 1904 forderte dieFinna Breitkopf fit Hart ef 
unter Bezng auf meinen Aufkatz „Offentliche Masikbibliotbeken. 
Ein frommer Wunscb" <Oktoberbeft 1903 der Zeitschrift der 
internationalen Musikgesellschaft; tacb als Broschare verbreitet) 
in einem warmen Appell die deutschen Musikverleger zur Begriindung 
einer .Reichs-Musikbibliothek* auf (vgh .Die Musik" Bd. 10, S. 266 IT,). 
Unter dem 22. Januar 1905 ricbtete der Vorstaud des Vereins der deutschen 
MusikalienhSndler zu Leipzig namens einiger 70 VerlagsBnnen an den 
Reichskanzler die Bitte: 1. denser deutschen Nation seitens der deutschen 
MusikalienbBndler nnentgeltlicb dargebotenen Grnndstock fBr cine Reichs- 
Musikbibliothek namens des Relcba an neb men zu wollen und 2. dem 
deutschen Reichstage baldmfiglichst eine Vorlage zugehen ztt lassen* durch 
die die Mittel zur Unterbaitung und Verwaltung der Reichs-Musikbibliothek 
gefordert werden. 

Dass der Reichsktnzler infolge der ungunstigen Lage der Reichs* 
finanzen diese Bitte ablehnen musste, ist bisber dffcntlich nicht bekannt 
geworden; auf semen Rat, sich an die Einzelstaaten zu wenden, ersuchte 
mich der Vorsitzende des Leipziger Veixins, Herr Kommerzienrat Felix 
Siege I (in Firm a J, Scbabertb fit Co*), der keinesfalls den ganzen Plan ins 
Wasser fallen lasscn wollte, beim preussischen Kultusminlsterium unter 
der Hand anzufragen, ob es geneigt sel, die fur die Reichs-Aiusikbibliothek 
zur Verfilgung stehenden Notenschltze als Eigentum in seine Verwaltung zu 
nebmen und ev. mit der besonders an Handachriften und alten Drucken sehr 
reichbaltigen Muslksaromlung der Kgl. Bibliotbek zu Berlin, unter mSglichst 
selbsUndiger Organisation, zu vereinigen, Der Dezemem fur Bibliotheks- 
wesen, der Herr Gebeime Ober^Regierungsrat Dr. F. Schmidt, war sofort 
bereit, die Annabme dieses ihra hdchst sympathischcn Antrags zn beflir- 
worten. Seiner Initiative und seinem regen InterBase iat es auch zuzu- 
schreiben, dass bereits in den Staatshaushalt ffir 1906 ausser Beamten- 
gehiltern als erste Rate fBr die Einricbtung und Kataloglsierung der 
.Deutschen Muaiksaminfung bei der KSnigl* Bibliotbek* — dieser Name 



. C tOO^Ic 



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177 
ALTMANN: DIE DEUTSCHE MUSIKSAMMLUNG 

wurde statt Reichs- Musikbibliothek gewahlt — 51300 Mark eingestellt 
wurden, eine Summe, die sicherlich mit Freuden, da sie einer grossen 
kulturellen Aufgabe zugute kommt, vom preussischen Landtag bewilligt 
werden wird. 

Zugleich mit der offiziellen Eingabe des Leipziger Vereins an das 
preussische Kultusministerium lief auch ein ahnlicher Antrag des Vereins 
der Berliner Musikalienhandler ein. Aus Griinden, die nicht hierher ge- 
horen, hatte namlich eine ganze Anzahl Firmen, namentlich die fiihrenden 
Berliner, sich von jener ersten Petition an den Reichskanzler ausgeschlossen. 
Nachdem es mir gelungen war, den Vertreter der Firma N. Sim rock von 
der Notwendigkeit und Wichtigkeit einer umfassenden Musikbibliothek zu 
uberzeugen, hatte Herr Willibald Challier, der Vorsitzende des Berliner 
Vereins, der von vornherein davon tiberzeugt gewesen war, seine Vereins- 
genossen bewogen, gemeinsam in einer Eingabe an das preussische Kultus- 
ministerium ihren Verlag fur die „ Deutsche Musiksammlung" zur Ver- 
fiigung zu stellen. In der Folge gelang es mir dann noch, nicht bloss eine 
Anzahl grosser deutscher Firmen, die sich abwartend verhalten hatten, 
dazu zu bewegen, sondern auch die grossten ausserdeutschen, die damit 
bekunden wollten, wie eng ihre Fiihlung mit der deutschen Musik und 
speziell dem deutschen Musikalienhandel ist. 

Jetzt haben ca. 150 Firmen ihren Verlag unentgeltlich zur Verfugung 
gestellt; darunter von bekannteren und grosseren 1 ): 



J. Aibl, Wien. 

Job. Andr<5, Offenbach. 

Franz B&rd & Bruder, Budapest. 

» » n Wien. 
Emil Bert6 & Cie., Wien. 
Bessel & Cie., Petersburg. 
Bosworth & Co., Leipzig und Wien. 
Bote & Bock, Berlin. 
Breitkopf & HSrtel, Leipzig. 
Carisch & JSnicben, Mailand. 
C. A. Challier & Co., Berlin. 
J. B. Cramer & Co., London. 
Paul Decourcelle, Nizza. 
Ludw. Doblinger, Wien. 
Ernst Eulenburg, Leipzig. 
Jul. Feuchtinger, Stuttgart. 
Otto Forberg, Leipzig. 
Robert Forberg, Leipzig. 



Alb. Gutmann, Wien. 

Jul. Hainauer, Breslau. 

Wilb. Hansen, Kopenbagen. 

Friedr. Hofmeister, Leipzig. 

Gebr. Hug & Co., Leipzig 
und Zurich. 

P. Jurgenson, Moskau. 

C. F. Kahnt Nachf., Leipzig. 

Lauterbach & Kuhn, Leipzig. 

F. E. C. Leuckart, Leipzig. 

Henry Litolff, Braunschweig. 

Carl Merseburger, Leipzig. 

A. A. Noske, Middelburg. 

Novello & Co., London. 

C. F. Peters, Leipzig (welche Firma be- 
kanntlich die grossartige ^Musikbibliothek 
Peters" gegrundet hat und erhilt). 

Praeger & Meier, Bremen. 



2 ) Die vollstSndige Liste der Firmen wird im Februarheft des „Centralblatts fur 
Bibliothekswesen" sowie in ^Musikhandel und Musikpflege", dem offiziellen Blatte 
des Vereins der Deutschen Musikalienhandler zu Leipzig verdffentlicht werden. 



r J : :. if :i/i::,J 



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178 
DIE MUSIK V. 0. 



D. Rahter, Leipzig. 
Gebr. Reinecke, Leipzig. 
G. Ricordi & Co., Mailand. 
Ries & Erler, Berlin. 
Ad. Robitschek, Wien. 

F. Rorich & Co., Wien. 
R6zsavolgyi & Co., Budapest. 

G. Schirmer, New York. 
Schlesinger (Rob. Lienau), Berlin. 
Arthur P. Schmidt, Boston. 

B. Schotts Sobne, Mainz. 
Fritz Schuberth jr., Leipzig. 
J. Schuberth & Co., Leipzig. 



Schweers & Haake, Bremen. 

Bartholf Senff, Leipzig. 

C. F. W. Siegel (R. Linnemann), Leipzig. 

Carl Simon, Berlin. 

N. Simrock, Berlin. 

Steingraber, Leipzig. 

Suddeutscher Musikverlag, Strassburg i. E. 

Universal-Edition, Wien. 

G. Venturini, Florenz. 

Chr. F. Vieweg, Gr. Lichterfelde-Berlin. 

C. Warmuth, Christiania. 

Jos. Weinberger, Wien. 

Jul. Heinr. Zimmermann, Leipzig. 



Wer nur einigermassen mit den Verhaltnissen des Musikalienverlags 
vertraut ist, wird wissen, dass die Verlagserzeugnisse dieser genannten 
Firmen einen Wert von Millionen reprasentieren, dass sie eine ganz un- 
vergleichliche und einzigartige Bibliothek bilden miissen. Die Musikalien- 
verleger haben sich durch dieses grossartige Geschenk den Anspruch auf 
die Dankbarkeit des deutschen Volkes und speziell des preussischen Staates, 
die sicher nicht ausbleiben wird, auf jeden Fall erworben. Der preussische 
Staat aber, der keine kleinen Geldopfer fur die Unterhaltung der „Deut- 
schen Musiksammlung" bringen muss, zeigt dadurch wieder einmal, dass 
er mit Freuden eine Kulturaufgabe ubernimmt, die eigentlich Sache des 
Deutschen Reichs ware. 

Nun wird es endlich einen Ort geben, wo die Erzeugnisse des deut- 
schen Musikalienverlags planmassig gesammelt werden, wo man die Werke 
jedes deutschen Komponisten und wohl auch der meisten ausserdeutschen 
vollstandig finden wird. Natiirlich werden noch Jahre vergehen, ehe die 
nach Hunderttausenden zahlenden Eingange der ^Deutschen Musik-Samm- 
lung a inventarisiert, katalogisiert und gebunden sind. 

Dank dem grossen Interesse, das der Generaldirektor der Konigl. 
Bibliothek Herr Prof. D. Dr. Harnack der „Deutschen Musiksammlung* 
entgegenbringt, bin ich schon jetzt mit den Vorarbeiten dafiir beschaftigt. 
Die alte Musiksammlung der Konigl. Bibliothek bleibt vorlaufig vollig intakt 
weiterbestehen; die „ Deutsche Musiksammlung** findet, bis der grosse 
Neubau der Konigl. Bibliothek beendet ist, ihr provisorisches Heim in 
ausreichend geraumigen und schonen Raumlichkeiten der alten Bauakademie 
(Schinkelplatz 6). Hier wird hoffentlich binnen Jahresfrist wenigstens der 
Lesesaal der offentlichen Benutzung ubergeben werden konnen. 



^ffia 



::r:i.'r::t :- v C lOOOlc 



Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 




bOcher 

53. Gottfried Niemann: Richard Wagner und Arnold Bficklin oder fiber das 
Wesen von Landacbaft und Musik* Vcriag; J, Zeitler, Leipzig 
Venn man aucb nicht mit 111001, tas Ln dies em Bucta zu lesen 1st, bedingungplos 
einverstsnden seln wird, verdieut die Arbeit doch vor allem Iateresse wegen ihrer Ori- 
ginalitit, und entschleden aind ibre Grundgedanken rfchtig. Niemann gebt von Nietzsche* 
„Gebun der Tragfidie ana dem Geiaie der Musik* aus* Fes thai tend an dem Gegensatz 
zwischen apolliiiiscber und dlonysiscber Kunst, konstatien er an der Musik Wagners and 
an der Maierel Bfckllns die vollig gleicbe Kunit, aus dem Element der Stlmmnng — 
Oder dem dlonyslscbeu Element, wle ea Niemann nennt — apollinlsche Gestalten empor- 
zuscfaaffen. Das dlonysiscbe Element bci Wagner 1st die Musik, dasseibe be) BBcklln 
die Landschaft, und sehr bfibsch zeigt nun Niemann des Elnzelnen und AusfQhrElcben, 
wle namentlicb bei Wagner alle Handlung und alle Gestalten aus dlesem Element der 
Stimmung berauawachsen* Wenn nun Niemann sagt (S,27): Die Musik alt dlonysiacbe 
Kunst „ahtne die Laudscfaaft nach" —so llsst stcb das nicht unbedJngt hlnnebmen; hffebatens 
noch In dent Sinn, dass die Musik sicb bemfibe, slcb der Land sc baft nocb mebr nnd 
innlger anzugleichen, ata dies obnebfn scbon von Natur aus der Fall 1st. Denn elner der 
geheimnisvollsteu Zauber der Kunst besteht eben In der inneren Verwandtscbaft zwiachen 
der gesefacnen Natitr und der gehdrten Musik. Beethoven abmt gewlsa nicht Jn dem 
zweiten Satz der Pastoral ay mphonie die Ltndscbift nacb, son dem er glbt mit Hilfe der 
Musik dasseibe, was er ila Maler mit Hllfe der Farben und des Pfnsels gtgeben bltte, 
— die Seel* der Landschaft 1st auch die Seele der Musik. Im spite ren Verlauf der Dar* 
legung kommt Niemann Qbrigena selbst auf dieee Verwandtscbaft zu sprecben. Mancbe 
Kapttel seiner Arbeit sind ausserordentiich scbGn, so namentlicb das fiber pStimmung* 
Gesagte. Beaonders gelungen ist die Herrorhebung des iandschafilfchen Elements und 
seines Einflusaes auf Silmmung und Handlnng in den tt Meistersingern B , die Ja auf dem 
ersten Blick nicbts von dem, was wlr gemelnbin tt Landschaft* nennen, an aich tu baben 
scbelnen. Niemann aagt bier* ea aei in den „Melsteraingern* ntcbt mebr die freie, vom 
Menacben abgetrennte Natur: Fold, Wald und Heide, die die landschafltlfcbe Anschauung 
des Kfiustlers ausmachf, sondern die goldige Sonne elnea von scblicbtem Bfirgertum, 
treuer Betriebsamkelt und rubigem GlOck erfuUten, si Men nnd geacblossenen Ortes* 
,Es Ilegt fiber dlesem Werke die Poeaie elner Siube, wie sie Albreebt Dfirer in seinem 
,Hieronymua 1m Geblus' zu ewiger Verk lining crhobeu bat", bei sat ea auf Scire 57 und 
ebenda wird von dem Vorapiet zum dritten Akt geaagt: „bel dem wir die golden en 
Sonnenstrmblen, wie ale durcb den Fliederduft und die Butxenscfaeiben in Hans Sacbsens 
stlllea Poetenklmmerleln hlies, ffirmilch mit Hladen zu greifon veraacht sind*. Tlefes 
Verstindnia Ffir das Weaen der Kunst und Insbesondere fiir^deu Charafcter der Kunat 
Wagners und elno ehrliche Kvnstbegelsterung macben das Bncb Niemann a ganz 
beaondera lympsthitch. Dr. Egon v* Komorzynskl 

M. Louis KOhler; v Der KlavferunterrtchL" Stodien, Erfabrungen und Bat* 



■'■' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



180 
DIE MUSIK V. 9. 



schlage fur Klavierpfidagogen. VI. Auflage, bearbeitet von Richard Hofmann. 

Verlag: J. J. Weber, Leipzig. 
Der Kohlersche „Katechismus a ist wohl eines der wenigen Klavierbficher, das 
seinen Wert behalt. Sind auch viele Anscbauungen und Begriffe veraltet, so ist doch 
die grosse Summe von Erfahrungen nnd Beobachtungen, wie sie eine reicbe Lebens- 
arbeit mit sich bringt, unschatzbar. Besonders der zweite Teil enthalt viele Feinheiten 
und manche treffende Wahrheiten, die jeder ernste P5dagoge sich noch heute zur Richt- 
schnur machen konnte. Der Herausgeber hat einen „Anhang a zugeffigt, der in stufen- 
massiger Folge eine Ubersicht fiber „zwei- und vierhandige Klaviermusik" gibt, sich aber 
sonst nur als Auszug von Eschmann-Ruthardt erweist. Auch die angebangten Angaben 
fiber die „musikalische" Literatur sind weder vollstandig noch von besonderer Gediegen- 
heit und Wissenschaftlichkeit. Hugo Riemann scheint man immer noch nicht ffir voll 
anzusehen, obwohl er den besten „Katecbismus a fiber das Klavierspiel geschrieben hat. 
Die Deppesche Lehre fehlt vollstandig. Demgemass auch die Studien von Sochting, 
Clark, Bandmann, Wilborg u. a., — von E. Caland, Virgil, Leschetizky-Br6e ganzlich zu 
schweigen. Von Marie Jaell ist nur: „Der Anschlag tt erwahnt. Einige Zitationen sind 
falsch. „Der Vortrag in der Musik am Ende des XIX. Jahrhunderts" ist nicht von Adolf 
sondern von Franz Kullak. Desgleichen ist der: „Leitfaden zum richtigen Gebrauch 
des Pianofortepedals" nicht von Anton Rubinstein, sondern von einem Pseudonym 
S. v. N. „Naumann", „Nohl", „Polko a u. a. m. sind auch nicht gerade besonders 
empfehlenswert, es sei denn, dass man ffir's „Feuilleton a noch ganz besonders schw5rmt. 

Rudolf M. Breithaupt 
55. Meyers Grosses Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allge- 

meinen Wissens. Sechste, ganzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage. 

Bd. 11. Verlag: Bibliographisches Institut, Leipzig und Wien. 
Der elfte Band von Meyers Grossem Konversations-Lexikon ist, durch die alpha- 
betische Anordnung bedingt, so recht ffir den Hausgebrauch geeignet. Er ist ein vor- 
trefflicher Berater in internen, die Familie, den Hausstand betreffenden Fragen, denn die 
Gesundheitspflege kommt in ihm besonders zur Geltung. In den Artikeln „Kind" und 
w KinderernShrung a ist viel Wichtiges enthalten, desgleichen geben die Abhandlungen 
fiber „Kleidung a , „Kost a ffir die allgemeine Lebensfuhrung zu beachtende Regeln, ge- 
stfitzt auf grfindliche medizinische Beurteilung. Ffir Krankheitsfalle und ffir die allge- 
meine Hygiene ist ein Vertiefen in die Aufsatze „Krankenpflege a , „Krankheit tt , w Kranken- 
transport** und „Kurpfuscherei u anzuraten. Die anschaulichen Karten fiber „Verbreitung der 
Hauptkrankheiten in Mitteleuropa* sind besonders ffir den Medizinervon grossem Interesse, 
desgleichen die heute mit Recht so grosse Beachtung erfahrende „Kriminalanthropologie 
und -Psychologic** sowie die Statistik fiber „Kindersterblichkeit a . Viele Artikel fiber 
Einzelkrankheiten, wie ^Kindbetlfieber", „Knochenerkrankungen tt , „Kolik u , ^Krampf* 4 , 
„Krampfadern a , „Krebs a , „Kropf u und „Kurzsichtigkeit a werden gleichfalls mit Inter- 
esse gelesen werden. Sowohl ffir die Hausstiinde wie ffir Gewerbetreibende bringt der 
Artikel „Krankenkassen a Aufklarung in haufig auftretenden Fragen, desgleichen sind 
die juristischen und handelsrechtlichen Artikel fiber „Klage a , „Konkurs w , „Kredit a , ferner 
die Aufschlfisse fiber „Kurs u und die Tabelle der deutschen Konsulate im Ausland 
wichtige Hinweise ffirs geschaftliche Leben. Interessant nicht nur ffir den Juristen sind 
die Abhandlungen fiber „Kriminalitat" und „Kriminalstatistik u , denen ebenfalls instruktive 
Karten fiber die Haufigkeit krimineller Falle in den mitteleuropaischen Staaten beigegeben 
sind. Zur asthetischen Erbauung sind die Abschnitte fiber „Kunstwissenscbaft a , w Kultur- 
geschichte 44 mit dem treffiich illustrierten Abschnitt w Kostfim M , „Kunstgewerbe a , „Kupfer- 
stecherkunst" und w Kirchenbaukunst rt sowie die literarischen Aufsatze fiber die deutschen 



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181 
BESPRECHUNGEN (MUS1KALIEN) 



Klassiker „Kleist a , „KIopstock a , „Korner tt geeignet. Die Geographie findet ihre Rechnung 
in der umfassenden Behandlung des fur uns wegen der Anatolischen Bahn wichtigen 
„Kleinasien a , des im Ostasiatiscben Krieg eine grosse Rolle spielenden „Korea a , des 
w Kongostaats a , „Kolumbiens a , w Kreias a , der „Kordilleren tt , die Geschichtswissenschaft 
in den Artikeln iiber die „Kreuzzuge a , den w Krimkrieg M , den „Kirchenstaat a und allge- 
meine „Kirchengeschichte a . Die stets mehr in den Vordergrund tretenden kolonialen 
Bestrebungen finden Berucksichtigung in den Artikeln „KolonialpoIitik u , „Kolonialgesell- 
scbaften" (mit Tabelle), „Kolonialrecht a . Die Ausstattung ist wiederum eine aus- 
gezeichnete. Richard Wanderer 

MUSIKALIEN 

56. Siegnutnd von Hausegger: Lieder der Liebe. Nach Dichtungen von Niko- 

laus Lenau fur Tenor und Pianoforte. Verlag: Robert Forberg, Leipzig. 
Schwieriger als in irgend einer fruheren Periode der Musikgescbichte ist es heut- 
zutage geworden, die Laufbabn des reproduzierenden mit der des schaffenden Musikers, 
speziell die des Dirigenten mit der des Komponisten zu vereinigen. Richard Strauss 
hat es fertig gebracht, dank seiner ganz ausserordentlich starken Begabung und vor 
allem auch wohl deshalb, weil er niemals einen Zweifel daruber aufkommen liess, dass 
er das Komponieren als Hauptsache, das Dirigieren nur als Nebenfach betreibe. Dagegen 
hat Siegmund von Hausegger die grossen Hoffnungen, die man nach seinem 
„Zinnober", nach der „Dionysischen Phantasie" und auch noch nach dem „Barbarossa a 
hegen durfie, nicht erfullt, und je hoher der Dirigent emporstieg, desto mehr verlor der 
Komponist an Interesse. Wollte man einen weniger strengen Masstab anlegen, so w3re 
auch an den „Liedern der Liebe", die auf der jungsten Tonkunstlerversammlung zu Graz 
ihre Urauffuhrung erlebten, gewiss vieles zu loben. Sie verraten in allem und jedem 
den ernsten und kenntnisreichen Musiker, sie sind durchweg interessant, stimmungs- 
reich und gewiss auch aufrichtig empfunden, wenn schon sie gerade im Empfindungs- 
ausdruck nicht immer uberzeugend wirken. Aber an dem gemessen, was man von 
einem Hausegger glaubte erwarten zu durfen, brachten sie, ebenso wie „Wieland der 
Schmied", eine Enttauscbung. Es ist dem Komponisten nicht immer gelungen, aus den 
stets mit feinsinniger Einfuhlung in den dichterischen Gedanken erfassten Texten Lenaus 
ein abgerundetes und formell einwandfreies musikalisches Kunstgebilde zu gestalten, 
und — was schwerer wiegt — neben wirklichen Inspirationen findet sich nur allzu 
haufig jenes etwas weglose Weiterspinnen des einmal angeknupften musikalischen Fadens, 
das immer den Eindruck einer Verlegenheitsauskunft macht, statt des Einfalls die Phrase, 
und an solchen Stellen (— als Beispiel nehme man z. B. gleich im ersten Stuck „Frage* 
die Durchfuhrung des Hauptmotivs in der Begleitung S. 3—5) wandelt Hausegger leider 
Wege, die direkt zur beruchtigsten „Kapellmeistermusik* fuhren. Dass er auch als 
Komponist eine starke Begabung ist, an dieser Oberzeugung konnen auch die „Lieder 
der Liebe 44 nicht zweifeln machen; aber dass er die zum SchafFen notige Konzentration, 
die seine letzten Werke so schmerzlich vermissen lassen, kiinftig in hoherem Masse 
finden moge, w3re innigst zu wGnschen. 

57. Max Schillings: Vier Lieder nach Gedichten von Gustav Falke fur eine Sing- 

stimme und Klavier. op. 19. Verlag: Robert Forberg, Leipzig. 

Die reife Gabe eines vornehm empfindenden und meisterlich gestaltenden, im 

besten Sinne des Wortes modernen Musikers. Gleich im ersten Stuck („Aus dem 

Takt") ist der Stimmungston des Gedichts ebenso prichtig getroffen, wie die RQckkehr 

aus dem leidenschaftlich bewegten Mittelsatze in den „Gleichtakt zwischen Wunsch und 



J::r:i. 



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DIE MUSIK V. 9. 



Pflicht* in formeller Hinsicht Bewunderung verdient. No. 2 („Seliger Eingang") gibt sich 
als ein hocbst reizvoller Pfeifertag-Nachklang: schon die charakteristische Vorliebe fur 
die Dominantsext bekundet die innere Verwandtschaft. w NSchtliche Haide a , ein eigen- 
artig pbantastisches Spukstuck, bat mir personlich von den vieren den bedeutendsten 
Eindruck gemacht, wShrend mich das letzte („Sonnenaufgang tf ) weniger innerlich packte, 
ohne dass icb seine Vorzuge — grossen Scbwung und kraftvolles Temperament — irgend- 
wie verkennte. Rudolf Louis 

58. Alphons Diepenbrock: Lieder und Sonette fur eine Singstimme mit Klavier- 

begleitung. Verlag: A. A. Noske, Middelburg. 
Von diesen Gesangen liegen vier Sonette in hollandischer Sprache, funf deutsche 
Gesange und zwei in franzosischer Sprache vor, und ich stehe nach diesen Proben nicht 
an, Diepenbrock fur einen der Wenigen zu bezeichnen, die uns wirklich etwas zu sagen 
haben. In den Gesangen, die zum Teil auch mit Orchesterbegleitung geschrieben sind, 
liegt insgesamt ein so tiefer, kunstlerischer Atem, ein so mSchtig ausladender sympbo- 
nischer Schwung und bei alledem eine so wobltuende, formale Rundung, die das Ganze 
in „logische" Kreise bannt, dass man sich immer unter dem Eindruck eines Kunstlers 
fuhlt, der seine Eigenart in Uberlegenbeit auch zu formen weiss. AnklSnge an den 
Wagner, wie wir ihn in Tristan oder Parsifal kennen, sind wohl nachweisbar, aber natur- 
lich nicht als direkte „Nachempflndung a . Diese Gesange bedurften in Deutschland eines 
mutigen Vorkimpfers; ihre noble Art, ihre spontane Innerlichkeit, ihre vollsaftige, edle 
Innerlichkeit wurde ibnen bald Freunde machen. Kaum glaubhaft und doppelt bezeichnend 
ist es, dass der Komponist als Musiker vollstandig Autodidakt sein soil. 

Hermann Teibler 

59. Hugo Wolf: Fruhlingschor aus w Manuel Venegas" fur Chor und grosses 

Orchester. Verlag: K. F. Heckel, Mannheim. 
Dieser Chor sollte die fragmentarische Oper „Manuel Venegas" einleiten. Man 
hat, um den Chor fur den Konzertsaal zu retten, Basstimmen hinzugesetzt; ursprung- 
lich ist er nur fur Frauenstimmen und Tenore geschrieben. Ich meine, man sollte den 
Chor lieber im Wolfschen Satze singen. Die Fruhlingssonne des Sudens, die daruber 
ausgebreitet liegt, der Farbenglanz und der helle Jubel konnen die Basstimmen nicht 
nur entbehren, nein sie werden im Gegenteil dadurch, dass der Tenor in die Lage des 
Kontraaltes ruckt und der Chor dadurch den Cbarakter eines Frauen- oder Kinderchores 
annimmt, noch heller und glSnzender. Mit Wehmut sehen wir an diesem Chor, der 
wieder seine ganze Feuerseele ausstrahlt, was wir an ihm verloren haben. Wie kunst- 
voll und doch ungekunstelt, welche Meisterschafr, die sich dem Horer nie als uber- 
wundene Schwierigkeit darstellt, sondern mit der sonnigen Selbstverstandlichkeit des 
Genies hervorquillt. 

60. Joseph Rheinberger: J ohann isnacht. Fur vier MSnnerstimmen und Orchester 

oder Pianoforte, op. 91. Ausgabe fur gemischten Chor bearbeitet von Paul 

Klengel. Verlag: Robert Forberg, Leipzig. 
Man schelte nur Rheinberger veraltet und unmodern, seine Musik ist doch in 
ihrer Art prachtig und wird stets ihre Freunde haben. In dem kleinen Rahmen des 
vorliegenden Werkes zeigt er alle seine Vorzuge wie in dem gradezu genialen tiirkiscben 
Liederspiel w Vom goldenen Horn". Seine Musik klingt stets und erfreut stets, be- 
denkenlos „hedonistisch i4 . So ist es auch sehr loblicb, dass das vorliegende Werk den 
gemischten Choren zuganglich gemacht worden ist, und zwar hat Paul Klengel das in 
einer Weise besorgt, dass man vermeint, der Verfasser habe es in dieser Form ge- 
schrieben. Paul Hielscher 



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ACADEMY (London) 1905, No. 51. — Enthalt einen mit H. C. C. unterzeichneten 
Artikel uber „New Sonatas" englischer Komponisten. Verfasser glaubt nicht, dass 
die Zukunft der Programmusik gehoren wird und sagt nacb kurzer Besprecbung 
der Elgarschen Richtung: ^Programme music is, of course, a valuable and necessary 
means towards an end, that of abstract music possessed of a more complete range 
of expression than Beethoven or Brahms dreamed of; it is a means of which Sir 
Edward Elgar has freely availed himself. — The appearance of an Elgar Symphony 
should be a great event in the history of music." 

BORSEN- COURIER (Berlin) 1905, No. 499. — Einen hubschen und lesenswerten 
Aufsatz „Rolands Knappen" veroffentlicht zu Lortzings Geburtstag Richard Kruse. 
Darin berichtet ein Brief Lortzings an seine Familie uber den Erfolg der Oper bei 
der Urauffuhrung in Leipzig unter Dir. Wirsing. 

PRAGER TAGBLATT 1905, 22. November. - Bringt die Fortsetzung von Rudolf 
Prochaska's Aufsatz uber „Anton Apt und den Cacilienverein" (Charakterbilder 
aus dem alteren Musik-Prag). Verfasser wurdigt in eingehender Weise die grossen 
Verdienste, die sich Apt um die Entwicklung des Vereins erworben hat. Seia 
Riicktritt nach einem Vierteljahrhundert intensiven Wirkens brachte auch die Auf- 
losung des Cacilienvereins, da sich kein wurdiger Nachfolger fur das auch materielle 
Opfer heischende schwere Amt fand. „Die Initiative, mit der Apt zum ersten 
Male das siegreiche Banner Richard Wagners auf dem Prager Boden entfaltet hat, 
sichert ihm ein ehrenvolles Andenken in der heimischen Musikgeschichte." 

ALLGEMEINE ZEITUNG FUR CHEMNITZ 1905, 22. Nov. - Paul Landau 
berichtet zur Hundertjahrfeier von „Des Knaben Wunderhorn" uber altere Samm- 
lungen deutscher Volkslieder. 

DIE POST (Berlin) 1905, 25. Nov. - Hans Freimark schreibt uber „Die moderne 
Hausmusikbewegung". Das Klavier, das die Herrschaft im Hause an sich gerissen 
hat, genugt den neuzeitlichen Ansprikhen nicht mehr, wo Mannigfaltigkeit der 
orchestralen Farben und Entfaltungsfahigkeit der Klangwirkungen gefordert werden. 
Eine Neubelebung der Hausmusik wird durch das moderne Harmonium gegeben, 
das alien berechtigten Wunschen nach modulatorischen Abwandlungen aufs wirk- 
samste entspricht. 

VOSSISCHE ZEITUNG (Berlin) 1905, 20. Nov. — Zum w Fidelio«-Jubilaum gibt 
Fr. Katt eine anschauliche Schilderung der ersten Auffuhrung der Oper im k. k. 
Schauspielhause in Wien und bespricht eingehend die inneren und ausseren 
Grunde, die den Misserfolg der Premiere bedingten. 

NEUE FREIE PRESSE (Wien) 1905, No. 14801. — Ein anregender Beitrag zur 
Wurdigung ^Jacques Offenbachs", in Erinnerung der Wiederkehr des 25. Todestages. 
— No. 14815. — Adolph Kohut veroffentlicht einen lesenswerten Aufsatz uber die 
erste Fidelio-Darstellerin „Anna Milder" und vier bisher ungedruckte Zuschriften 
der Kunstlerin. 

KONIGSBERGER ALLGEMEINE ZEITUNG 1905, No. 547. - Paul Ehlers be- 



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DIE MUSIK V. 9. 



spricht eingehend Beethovens „Leonore". Unsere Primadonnen nfibmen an, dass 
Leonore immer Heldin, imraer mehr Mann als Weib sei. Dies sei eine rnissver- 
stSndliche Auffassung, denn Leonore ist keine Konigin Elisabeth oder Lady Mac- 
beth, sondern ganz Weib; wie uns auch jeder Takt sagt, dass Leonore ein einfaches 
Weib ist und keine Heldin. Verfasser spricht den Wunsch aus, dass aus der 
Scheingeisterwelt oder Theaterei unser Ruf eine Leonore zu neuem Leben erwecke, 
eine zweite Schroder-Devrient, die es wie keine zweite verstanden hat, uns das 
Reinmenschliche in den Beethovenschen Gestalten naher zu bringen. 

HAMBURGER NACHRICHTEN 1905, 18. Okt. - Max Seiling bedauert in seinem 
Aufsatz „Wie wird Richard Wagner gewurdigt?" besonders die VerstSndnislosig- 
keit und Gleichgultigkeit, denen Bayreuth trotz seiner kunstlerischen Erfolge fort- 
dauernd ausgesetzt ist. 

MONTHLY MUSICAL RECORD (London) 1905, No. 419. - Clement Harris: 
Monarchs as musicians. — Herbert: The military bands of the Balkan countries 
(Schluss). — No. 420. — E. A. Baughan schreibt fiber Franz Liszt und fuhrt u. a. 
aus, dass Liszt nach seinem Tode an Popularitat bedeutend verloren hStte, im 
Gegensatz zu Richard Wagner, der bei Lebzeiten vergeblich um den Lorbeer ge- 
kSmpft. — Ausserdem enthait die Nummer Berichte fiber die Bristol und Sheffield 
Musical Festival und einen interessierenden Aufsatz fiber englische Musik zu den 
Dramen Henry Irvings. 

TOONKUNST (Amsterdam) 1905, No. 43-50. — Bringt die Fortsetzung der all- 
gemeinen Ubersicht fiber die Vereinst&tigkeit 1904—1905 der Amsterdamer Ton- 
kunst-Vereinigung. 

FINSK MUSIKREVY (Helsingfors) 1905, Oktoberheft. — Andor Cserna schliesst 
seine Abhandlung fiber ungarische Volks- und Zigeunermusik. 

KOLNISCHE VOLKSZEITUNG 1905, 22. Oktober. - C.Gerhard: „Mendelssohns 
Mutter und Gattin." Eine lebensvolle, anmutige Skizze beschreibt das innige Ver- 
haltnis zwischen dem Kfinstler und seiner Mutter, „der edelsten, wfirdigsten Mutter, 
deren ganzes Leben Pflichterfullung, Liebe, Wohltun war". Seine Gattin C6cile 
war von wunderbarer Schonheit und Lieblichkeit. „Ihr Umgang, a so schildert 
Sebastian Hensel — »war so wohltuend ruhig, so erquickend, wie die reine 
Himmelsluft oder das frische Quellwasser." 

DIE LEHRERWELT (Berlin) 1905, Oktober. — Max Chop veroffentlicht Beitr2ge 
zur Charakteristik Franz Liszts. Bei der Besprechung seiner symphonischen 
Dichtungen wird hervorgehoben, dass jede dieser Schopfungen eine Lebensphase 
Liszts umschliesst mit ihrem Leid und ihren Siegen. Doch nicht nur in seiner 
Eigenschaft als Tondichter, auch in seiner ubrigen musikalischen Personlichkeit 
tritt das Subjektive durchaus zutage. — „Die freie Phantasie in subjektivster Auf- 
fassung war Liszts eigentliches Element." 

MUSIKALISCHE RUNDSCHAU (Munchen) 1905, I. 4. - Adolph Schloesser 
schreibt fiber die „Musikzustande in England". Verfasser beabsichtigt vor allem, 
das alte, ganz unbegrundete Vorurteil: dass England ein unmusikalisches Land 
sei, zu widerlegen. Er wurdigt zunfichst die hervorragende Stellung der geistlichen 
Musik in ganz England und ffihrt dann einige der bedeutendsten Komponisten an. — 
Ausserdem: Theorieunterricht an Konservatorien von Roderich von Mojsisovics 
und Friedrich Kloses w Ilsebill a (Schluss) von Rudolf Louis. 

LE JOURNAL MUSICAL (Paris) 1905, No. 22. — Als Leitartikel wird eine Skizze 



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REVUE DER REVUEEN 



veroffentlicht: M Le Melomane - von Ludwig Tieck, die ein komisches Portrit gibt 
eines jener vielen heutigen w enthousiastes de commande", die ohne positive Kennt- 
nisse und Geschmack, mit Kennermiene sich uberall einmischen. — Sehr lesens- 
wert ist der Aufsatz von Alfred Mortier, „Le Role du Critique Musical". 

DER TAG (Berlin) 1905, No. 575. — Zum „Fidelio a -Jubilaum von Heinrich Welti. — 
Verfasser behandelt besonders die Frage, worin die Wandlung im aussern Geschick 
des lange verkannten Meisterwerkes begrundet lag. Er futart aus, wie der allge- 
meine Geschmack sich immer entschiedener nach der Richtung bewegt, die Beet- 
hoven der dramatischen Musik gewiesen hatte. 

BRESLAUER ZEITUNG 1905, No. 817. — E. Boh n schreibt uber die erste ^idelio*- 
AuffGhrung in Wien. 

KIELER ZEITUNG 1905, 16. Okt. — Enthalt einen beachtenswerten Aufsatz von 
Voigt-Preetz uber Friedrich den Grossen und die Musik. 

MONTHLY MUSICAL RECORD (London) 1906, No. 421. - Eine Konzertrevue 
des Jahres 1905 beweist die stetige Zunahme von Musikauffuhrungen in London, 
besonders der Orchesterkonzerte unter Mitwirkung von Solisten. — In einem 
Artikel uber die Urauffiihrung von Richard Strauss' „Salome a wird hervor- 
gehoben, dass in England eine Abneigung gegen die Behandlung biblischer Sujets 
herrsche. Das Werk werde deshalb in England mit merit so groSsem Beifall auf- 
genommen werden, wie die symphonischen Scbopfungen, die „tolerably familiar" 
waren. — Herbert Antcliffe veroffentlicht eine interessante Studie uber Berlioz, 
Liszt und Strauss. 

MUSIKALISCHE RUNDSCHAU (Munchen) I. 6. - Richard Braungart schreibt 
uber „Gustav Mahler und die Programm-Musik". Mahler weigere sich zwar beharr- 
lich, ein Programm zu seinen Symphonieen mitzuteilen, doch konnten nur ganz 
einseitige Programmfanatiker behaupten, seine Symphonieen seien ohne eine 
programmatische Idee. Verfasser veroffentlicht eine von ihm selbst nieder- 
gescbriebene „Geschichte" zur dritten Sympbonie von Mahler, die seine Empfin- 
dungen und Gedanken bei ihrer Auffuhrung durch Bernhard Siavenhagen im 
Kaimsaal zu Munchen widerspiegelt. Sie ist ein Beweis dafur, dass „in der 
Musik Mahlers doch ein ,Sinn' liegt und dass sie eine recht gute Musik sein 
musse, da sie dem Gemut und Verstand voile Freiheit lasse und doch immer 
sie selbst bleibe." — Karl Thiessen veroffentlicht „Neues von Max Reger*. — 
I. 7. — An leitender Stelle ein Aufsatz uber die „Jank6-Klaviatur a , die gegen das 
sogenannte Uberspielen der Hfinde schutzt und den Vortrag schwieriger Stucke 
bedeutend erleichtert. — Otto Ernst erzShlt unter dem Titel w Hans im Glucke** 
eine Bulow-Anekdote. 

RHEINISCH-WESTFALISCHE ZEITUNG 1905, No. 1031. - Max Braungart: 
w S3tze aus einem Essay uber Max Reger." Verfasser sieht in Reger den be- 
rufenen Musiker, der das Erbe Brahms' ubernehmen und mehren soil. Er begrusst 
ihn als den „neuen, kraftvollen, waldfrischen, musikalischen Siegfried", der das 
Furchten vor Wagner und Liszt nicht gelernt hat und sich sein Schwert allein 
schmiedet. Nur vor „Hagen" musse er sich huten, d. h. vor denen, die ihn 
dauernd dem nivellierenden Lehrberuf gewinnen mochten. 

FINSK MUSIKREVY (Helsingfors) 1905, Dezemberheft. — Jean Sibelius, foster- 
landets tonsSttare u von K. Flodin. — A. Ingman „Richard Strauss' ,Salome* in 
Dresden". 



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NEUE OPERN 

Eugen d'Albert : „Der Tugendpreis" heisst der Titel einer dreiaktigen 
komischen Oper, deren Buch Richard Batka schreiben wird. Das Milieu 
soli ein deutschbohmisches aus der Zeit des siebenjShrigen Krieges sein. 

AUS DEM OPERNREPERTOIRE 

Bayreuth: Die Buhnenfestspiele fallen in diesem Jahre in die Zeit vora 
22. Juli bis 20. August. Es werden, wie bereits mitgeteilt, aufgefuhrt: 
„Tristan und Isolde" unter Leitung von Felix Mottl am 22. und 31. Juli, 
sowie am 5., 12. und 19. August; „Parsifal a am 23. Juli, 1., 4., 7., 8., 11. 
und 20. August; „Der Ring des Nibelungen" am 25. bis 28. Juli und 14. 
bis 17. August. Die Einstudierug und Leitung der Chore wird an Stelle des 
heimgegangenen Professors Kniese der Chordirigent an der Berliner Hofoper, 
Hugo Rudel, ubernehmen. In „Tristan und Isolde" haben die beiden 
Hauptrollen Ernst Kraus (Berlin) und Marie Wittich (Dresden), wfihrend 
Paul Knupfer (Berlin) und Dr. F. Kraus (Wien) abvrechselnd den Konig 
Marke, Theodor Bertram den Kurwenal und Katbarina Fleischer-Edel die 
Brang&ne singen werden. Im „Parsifal" wird Zdenka Fassbender vom 
Grossherzoglichen Theater in Karlsruhe in einigen Vorstellungeu die Kundry 
singen. 

Berlin: Die Auffuhrung von Th. Erlers Oper ^Jesus", Text vom Pfarrer Bracke- 
busch in Braunschweig, die am Braunschweiger Hoftheater fiber die Bretter 
ging, ist in Berlin verboten worden, da nach preussiscbem Gesetz die Per- 
sonlichkeit des Erlosers auf der Buhne nicht dargestellt werden darf. 

Kdln: Wahrend der Festspiele 1906 sind zwei Auffuhrungen von Strauss' 
„ Salome" mit dem Personal der Dresdener Hofoper und unter Leitung 
Schuchs geplant. 

Liuz: „Die Bruder" von Viktor Boschetti gingen am 30. Dezember erstmals 
in Szene. 

Ltibeck: Nachdem am 1. Mai das Stadtth eater aus feuerpolizeilichen Grunden 
geschlossen werden musste, war es eine schwere Aufgabe der gesetzgeben- 
den Korperschaften, die brennende Theaterfrage einer schnellen und gluck- 
licben Losung entgegenzufuhren. Durch das hochherzige Geschenk von 
465000 Mark, das Senator Possehl Senat und Burgerschaft anbot, wurde es 
ennoglicht, die erforderlichen Grundstucke kostenlos fur den Staat zu er- 
werben. Dem Wunsche des Gebers, mit dem Theater Konzert- und Gesell- 
schaftsrSume zu verbinden, wurde von der Burgerschaft in ihrer Sitzung 
vom 29. Dezember stattgegeben. Eine alle befriedigende Losung darf sicher 
erwartet werden, da insgesamt rund 4500 qm zur Verfugung stehen. Die 
Maximalhdhe der Baukosten des Theaters (obne Fundus) und des Saalbaues 
mit Zubehor ist auf 1628000 Mark bestimmt. Die inzwischen schon ge- 
wahlte, aus vier Senatoren und acht Burgern bestehende Theaterbaukommis- 



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187 
UMSCHAU 



sion ist beauftragt: 1. die Bedingungen fur einen beschrankten Wettbewerb 
festzustellen; 2. die Architekten, die zur Konkurrenz zuzulassen sind, zu 
bestimmen; 3. unter den eingereichten Planen die Entscbeidung zu treffen 
und Senat und Burgersctaaft zur Genehmigung vorzulegen; 4. alle fur den 
Bau erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, den Bau zu beaufsichtigen 
und abzunehmen. Die Kosten fur die Preisbewerbung unter voraussichtlich 
vier Architekten firmen sind auf 17 000 Mark normiert. 

Toulon: Das w Grand Theatre* eroffnete die Saison mit der „Judin". Es 
folgten : Die Afrikanerin, Herodiade, Romeo und Julie, Manon. Als Neu- 
heiten werden folgen: Siberia, Salambo, La Tosca, Arnica. 

Toulouse: Im „Th£atre du Capitole* hat die Spielzeit am 19. Oktober be- 
gonnen. An Neuheiten sind vorgesehen: Erlanger „Der polnische Jude tt , 
d'Indy „Der Fremde", Massenet w Der Gaukler unserer lieben Frau", Leroux 
„Die Konigin Fiammetta", G. Pfeiffer w Le L6gataire universel", Palhadilhe 
„Le Passant**, Gaillard „Amaryllis a . 

KONZERTE 

Braunschweig: Direktor Settekorn bereitet mit seiner Akademie fur Kunst- 
gesang und ca. 200 Kindern den „Kreuzzug der Kinder" von Pierne* vor. 

Der Chorgesangverein studiert unter Leitung des Hofmusikdirektors 
Clarus den „Messias a von HSndel. 

Hanoi (Tonking): Hier hat sich eine Philharmonische Gesellschaft gebildet, 
die u. a. Opern von Massenet, Mascagni, Puccini und Werke von Beethoven, 
Berlioz und Bizet auffuhren will. 

Nantes: Unter dem Patronat von G. FaurS, V. d'Indy und R. Rolland hat sich 
eine musikalische Gesellschaft gebildet: Association des Concerts 
historiques de Nantes. Grunder und Leiter ist de Lacerda, Lehrer 
an der „Schola cantorum". In dieser Spielzeit finden zwei Auffuhrungen statt. 

TAGESCHRONIK 

Bachhaus und Bachmuseum in Eisenach. Die Sammlungen fur die 
Erwerbung von Job. Seb. Bachs Geburtshaus in Eisenach haben bis jetzt die Hohe 
von 15000 Mk. erreicht. Damit konnte gerade die am 31. Dezember 1905 fallige erste 
Ratenzahlung von 15000 Mark erledigt werden, und das Haus geht nun in den 
nominellen Besitz der neuen Bachgesellschaft fiber. Es fehlen an der demnachst 
zu erlegenden Kaufsumme weitere 15000 Mk. und mindestens die gleiche Summe, 
um das Haus in ein Joh. Seb. Bachs wurdiges Museum umzugestalten. Die 
Sammlungen mussen daher auf das eifrigste fortgesetzt werden. Das bishcrige 
Ergebnis ist aber nicht glanzend zu nennen, wenn man in Betracht zieht, dass bald 
die Halfte der gesamten Betrage durch eine Gesellschaft (Berliner Singakademie) 
aufgebracht sind. Fur die Erhaltung des Geburtshauses eines der grossten Sohne 
deutscher Erde, dessen Riesengeist die ganze musikalische Welt umspannt und 
heute von neuem wieder besonders erkannt und gepflegt wird, muss es Ehrensache 
aller musikalischen Vereinigungen sein, das ihrige dazu beizutragen. Es ergeht 
daher von neuem die Bitte an Gesellschaften und Privatpersonen, die Sammlungen 
mdglichst zu fordern. Beitrage nehmen die Vorstandsmitglieder fur das Bachhaus, 
Prof. Dr. Joachim, Prof. Georg Schumann (Berlin), Generalmusikdirektor Fritz 
Steinbach (Koln), Dr. von Hase (Leipzig) entgegen. — In einer in Leipzig unter 



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188 
DIE MUSIK V. 9. 



dem Vorsitz des Geb. Kirchenrates Prof. D. Rietschel abgehaltenen Direktoriums- 
sitzung der neuen Bach-Gesellschaft wurde fur das zukunftige Bach -Museum in 
Eisenach ein Direktorium gewahlt, dem folgende Herren angehdren: Joseph Joachim, 
Georg Schumann-Berlin, Oskar Hase-Leipzig, Fritz Steinbach-Kdln und Dr. Borne- 
mann-Eisenach. Die Einweihung des neuen Bach-Museums soil im Frubjahr 1907 
erfolgen. 

Richard Wagner im Auslande. Auch ausserhalb der deutschen Sprach- 
grenzen ist Richard Wagners Ansehen in stetem Aufstieg begriffen. So wurde er in 
Stockholm mit 37 Auffuhrungen, in Budapest mit 34, in Brussel mit 32 gefeiert. 
In London (Covent Garden) horte man 21, in Antwerpen 6, [Copenhagen 3, Sheffield 
5, Lyon 11, Helsingfors 7 und in Moskau 3 Wagner -Auffuhrungen. Obenan aber 
steht — o Ironie des Schicksals! — Paris, das mit 77 Auffuhrungen auch Berlin 
um ein Wagner-Werk uberragt. Und dabei sind's nicht die geliuBgsten Schdpfungen 
des Meisters, die in der Seinestadt so hohe Auffuhrungszahlen erleben, nein! Nicht 
weniger als 25 „Tristan M -Vorstellungen gab es in der grossen Oper und 22 „Hol- 
lander M -Auffuhrungen in der Opera-Comique. Sehr bemerkenswert ist auch die 
viermalige „Tristan a -Auffuhrung in italienischer Sprache in Alexandrien (Agypten). 

Hollandische Mozart-Festspiele grossen Stils wurden in der letzten 
Januar-Woche in Amsterdam, Rotterdam und dem Haag abgehalten. Als Dirigent 
wurde Hofkapellmeister de H a a n - Darmstadt, fur die Koloraturpartieen Anny 
Hindermann vom Stadttheater in Hamburg gewonnen, wahrend sonst haupt- 
sichlich einheimische Kunstler mitwirkten. 

In Paris hat sich unter den Auspizien der „Schola Cantorum" eine Gesell- 
schaft „Soci6t£ des chansons de France* 4 gebildet, die sich die Aufgabe 
gestellt hat, das franzosische Volkslied zu Ehren zu bringen. Im Frubjahr 
flndet in Grenoble eine Versammlung des Vereines statt, deren Vorsitz der Dichter 
Frederic Mistral ubernommen hat. 

Das Stadttheater-Komitee in Dusseldorf hat beschlossen, von der nSchsten 
Spielzeit ab die bisher einer Anzahl von Kunstlern bewilligten Benefize auf- 
zuheben. Durch Erhobung der Gagen soil eine Entschadigung gewfthrt werden, 
Auch die offentliche Uberreichung von Blumen und Kranzspenden soil nicht mehr 
gestattet sein. 

Kaiser Franz Josef hat fur die Erricbtung eines Mozarthauses in Salz- 
burg 20000 Kronen, Erzherzog Eugen 5000 Kronen gespendet. Ausserdem wurde 
dem Komitee die Erlaubnis zur Veranstaltung einer Mozarthaus - Bau>otterie 
erteilt. (Vgl. zu diesem Thema den Artikel von Dr. E. Ginsberg „Die Internationale 
Stiftung Mozarteum in Salzburg und Mozarts Geburtshaus". Jahrg. V, Heft 7.) 

Wien erhSlt ein neues grosses Musi k- und Sangerh au s, das der Sanger- 
hausverein bereits seit zwolf Jahren erstrebt. Soeben wurden die Plane fur das 
bedeutsame Unternehmen dem Kaiser und den massgebenden Personlichkeiten der 
Stadtverwaltung vorgelegt und fanden dort ungeteilten Beifall, und wenn nicht un- 
vorhergesehene Schwierigkeiten eintreten, so durfte das Etablissement bereits im 
Jahre 1908 eroffnet werden. Gedacht ist es als Konzerthaus grossten Stiles, das 
sowohl Konzertveranstaltungen wie Theaterauffuhrungen, und ebenso gesellschaft- 
lichen Veranstaltungen, Festen, Ballen und sogar grosseren Ausstellungen Obdach 
gewahrt. Das Etablissement wird eine ganze Reihe grosser und kleinerer SSle, 
Vereins- und Klubzimmer enthalten, unter ihnen einen Saal fur 2000 Personen, 
einen fur 1000 und einen solchen fur 500. Das w Musik- und Sangerhaus*, das in 
gewissem Sinn einen Mittelpunkt fur das gesellschaftliche und kunstlerische Leben 



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UMSCHAU 



der Kaiserstadt an der Donau bilden soil, wird sich auf einem der Stadt gehorenden, 
5700 Quadratmeter grossen Terrain, auf dem zwiscben Stadtpark und Schwarzen- 
bergplatz gelegenen Reserveplatz erheben. Fur die Ausfuhrung des Baues sind 
2 1 /* Millionen Kronen veranschlagt. 

In Kopenbagen wurde am 29. Dezember auf dem St. Annae-Plads in 
Gegenwart der Mitglieder der Kdnigl. Familie ein Denkmal fur den dSnischen 
Komponisten J. P. E. Hartmann enthullt. 

Katalog No. 157 des Berliner An ti qua riats Leo Liepmannssohn umfasst 
Instrumentalmu sik vom Anfang des 16. bis Mitte des 19. Jabrbunderts und 
verzeicbnet u. a. Originalausgaben von Francoeur, Froberger, Guillemain, 
Handel, Haydn, Huguenet, J. L. Krebs, Leclair, Lolli, Marcband, Mascitti, Mattbeson, 
Mozart, Nardini, Noferi und Lautentabulaturen von Gerle. 

Von den hervorragendsten Malern in Weimar wurde Willy Burmester, der 
in einem Konzert zum Besten des dortigen Kunstlerbundes mitwirkte, ein Gescbenk 
gemacbt, das in 27 Gemfilden bestand. 

Am 15. Januar feierte Albert Niemann, der unubertroffene Wagners2nger, 
in stiller Zuruckgezogenheit seinen 75. Geburtstag. 

Der Komponist und Musikpi&dagoge Uso Seifert in Dresden feierte am 
1. Januar das 25jihrige Jubil3um als Organist an der dortigen Reformierten Kircbe. 

Hofkapellmeister Franz Fischer in Munchen feierte sein 25j3hriges 
DienstjubilSum. 

Hermann Fernow, der Leiter und Mitinbaber der Konzertdirektion Hermann 
Wolff in Berlin, beging am 7. Januar das 25jfihrige Jubilium seiner gescbSftlichen 
TStigkeit. 

Am 13. Januar beging der Oberregisseur des Hoftbeaters zu Hannover Louis 
Ellmenreich sein 50jlhriges Bubnenjubildum. 

C. F. W. Siegels Musikalienbandlung (R. Linnemann) in Leipzig konnte 
am 1. Januar auf ibr 60j3briges Besteben zuruckblicken. 

Das Kdnigl. Konservatorium fur Musik und Theater zu Dresden beging 
im Januar die Feier seines 50jibrigen Bestehens. 

An der University Leipzig wird ein musikwissenschaftlicbes Seminar 
eingerichtet. Man verfolgt damit den Zweck, Anleitung zu selbstfindigem Arbeiten 
auf musikwissenschaftlichem Gebiete zu erteilen. Aucb Horer kdnnen sich an den 
Ubungen dieses Seminars beteiligen. 

In der in Wien am 10. Januar stattgefundenen Sitzung der leitenden 
Kommission der ^DenkmSler derTonkunst in Osterreich* wurden ernannt: 
zum ordentlichen Mitglied Gesandter Dr. Konstantin Dumb a, zu wirkenden Mit- 
gliedern Komponist Ignaz Brull, Prof. Robert Fuchs, Franz Moissl, K. K. 
Musiklehrer an der Lebrerbildungsanstalt in Reichenberg, Hofkapellmeister Felix 
von Weingartner. Von seiten des Unterricbtsministeriums wurde Ministerialrat 
Dr. K. Ritter v. Wiener mit der Vertretung in der leitenden Kommission betraut. 

Die KammersSngerin Luise Reuss-Belce erbielt vom Herzog von Sachsen- 
Koburg-Gotha die Karl Eduard-Medaille fur Kunst und Wissenschaft am Bande. 

Dem Oberlebrer am Seminar zu Borna Behr ist der Titel „Kdniglicher 
Musikdirektor* verlieben worden. 

Der Grossberzog von Mecklenburg- Schwerin bat dem Domorganisten 
Hepworth anl&sslich seines 80. Geburtstages das Verdienstkreuz der Wendiscben 
Krone in Gold verliehen. 

V. 9. 13 



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190 
DIE MUSIK V. 9. 



Der stadtiscbe Kapellmeister Josef Krug-Waldsee in Magdeburg hat den 
Titel „K6niglicber Musikdirektor* erhalten. 

Dem Organisten an der St. Thomaskircbe in Berlin, Wilhelm Hermann, 
wurde der Titel „Koniglicher Musikdirektor* verliehen. 

TOTENSCHAU 

Am 26. Dezember f in Wien die Inhaberin der Sltesten Privatmusikschule 
Wiens, Sophie Koscb. Die Verstorbene leitete seit dem Jahre 1868 die im Jahre 
1855 von ihrem Gatten, dem Komponisten Albin Koscb, gegrundete Schule. 

In Tarrajona f der bervorragende Organist der Kathedrale und Professor 
des Gregorianischen Gesangs an der dortigen papstlichen Univeisitat Theodor 
Echegoyen. 

Am 1. Januar f am Herzschlag Joseph Miroslaw Weber, erster Konzert- 
meister der Muncbener Hofkapelle. (Vgl. S. 212.) 

Ende Dezember f in Petersburg die Soubrette Henny Wildner, Mitglied des 
Berliner Centraltheaters, im 27. Lebensjabre. 

Am 2. Januar f in Koln der namhafce Konzertsanger und Gesanglehrer am 
dortigen Konservatorium Paul Haase im Alter von 49 Jahren. 

Am 6. Januar f in Paris in fast vollendetem 63. Lebensjahre Gabriele 
Krauss, die langj&brige Primadonna der Grossen Oper, zu deren Zierden sie 
zwei Jahrzehnte gehort hatte. Sie war geborene Wienerin und Schulerin der 
Marchesi. 

Der langj&brige Leiter der Kurkapelle in Bad Reichenhall, Karl Hunn, 
f am 9. Januar im Alter von 68 Jahren. 

Im Alter von 70 Jahren f in Paris der Librettist Eduard Blau. Fur mehrere 
erfolgreichen Opern wusste er mit gescbickter Benutzung von klassischen Meister- 
werken sehr beifSllig aufgenommene Texte zu liefern, so fur Massenet's „Cid" 
und w Werther", fur Lalo's „Roi d'Ys" und „La Jacquerie", fur Godard's w Dante« usw. 

In Leipzig f am 10. Januar der 1842 in Rostock geborene Kammersanger 
Otto Sen el per, der, ausgerustet mit einer ungemein markigen Stimme und mit 
hervorragender kunstlerischer Intelligenz, sich autodidaktisch zu einem in seinen 
Gesangsleistungen und in seiner Darstellung gleich hervorragenden Vertreter des 
Baritonfaches herangebildet hatte und der seit 1876, wo er nach voraufgegangenen 
Engagements in Bremen, Wurzburg, Mannheim, Koln, Berlin, Bremen und Koln 
als Nachfolger Eugen Guras fur die Leipziger Buhne gewonnen wurde, bis zu 
seinen letzten Lebenstagen der hiesigen Oper als eine ihrer festesten Stutzen und 
als die weitaus bedeutendste Kraft und markanteste kunstlerische Personlichkeit 
ihres Ensembles angehort hat. Schelper beherrschte alle heldenhaften und 
damoniscben, alle gemutvoll-burgerlichen Partieen sowie auch die rein-gesanglich 
hervorragenden und selbst die Buffo-Aufgaben seines Faches mit gleich sou- 
veraner Meisterschaft, und ganz Leipzig trauert am Grabe seines ausgesprochenen 
Lieblingskunstlers, der im ehrenvoll-dankbaien Gedenken aller wahren Kunst* 
treunde fortleben wird. (Vgl. S. 212.) 

Kapellmeister Anton Wunderer, der Dirigent der Biihnenmusik des Hof- 
operntheaters, f 56 Jahre alt, am 15. Januar in Wien. Er betatigte sich auch 
als Komponist und schrieb u. a. das Ballett „Die bezauberte Rose" und die 
Operette „Komtesse Fleurette u . 



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OPER 

BERLIN: Konigl. Opernhaus w Rienzi*. Erik Schmedes (Wien) hatte sich die Oper zu 
einem Gastspiel ausersehen. In Wien gilt dieser Sanger fur einen vorzuglichen 
Wagnerdarsteller. Die Begrundung eines solchen Urteils durfte nach diesem Rienzi- 
Gastspiel auch dem virtuosesten Dialektiker schwer fallen. Die Stimme des Herrn 
Schmedes hat stark an Leuchtkraft eingebusst. Damit kSnnte man sich schliesslich ab- 
finden, nahme nur das allgemein Menschliche der Darstellung gefangen. Aber auch das 
war nicht der Fall. 1st Herr Schmedes nicht vielmehr lyrischer Tenor als Helden- 
darsteller? An den wenigen lyrischen Stellen war er uberzeugend, hielt er sich fein an 
den ublichen Ruhrseligkeiten; das Heldische hingegen war ihm beim besten Willen nicht 
zu glauben. Die Oper wurde auch diesmal unverkurzt gegeben. Bei einem Jugendwerk 
wie „Rienzi a , fiber das sein Schopfer selbst spater manches harte Wort gesprochen hat, 
durfte das zuviel der Pietat sein. Oder auch zu wenig. Denn entschlosse man sich 
dazu, in den ersten drei Akten, in denen die alte grosse Oper noch so viel Spektakel 
macht, herzhaft zu streichen, so wurden die echten Wagnerstellen besser zur Geltung 
kommen und das Publikum wurde die des jungen Wagners wurdigen beiden Schlussakte 
frischer geniessen konnen. Willy Pastor 

BRAUNSCHWEIG: Aus Anlass der Anwesenheit des Kaisers fand unter Hermann 
Riedel eine Auffuhrung von Verdi's „Othello a statt, der ihm aber wenig behagte; 
dagegen bekundete er seine Zufriedenheit mit den Leistungen (Auguste Lau ten bach er, 
Leon Gritzinger) durch verschiedene Auszeichnungen. — „Die Hochzeit des Figaro" 
leitete den Mozart-Zyklus wurdig ein. Da Johanna Andr6 nach langer verdienst- 
voller Tfitigkeit aus dem Verbande des Hoftheaters ausscheidet, finden augenblicklich 
fur das boch-dramatiscbe Fach Gastspiele statt. Ernst Stier 

BRUSSEL: Im Monnaie-Theater fand die erste Auffuhrung von Massenet's letzter 
komischen Oper, des, wie er es nennt, „gesungenen Lustspiels" „Cherubin* statt. 
Das Textbuch ist von Cain nach dem gleichnamigen Lustspiel des in Paris lebenden 
Belgiers de Croisset verfasst. Durch Beaumarchais, der den Namen erfand und Mozart, 
der ihn in „Figaros Hochzeit" verewigte, ist uns das Bild Cherubins als eines von der 
ersten Flamme der Liebe erfassten Junglings — weder Kind, noch Mann — bekannt. 
Wie dort, so verliebt er sich in jede Schone seiner Umgebung: in die Grafln, die Baronin, 
die spanische TSnzenn Ensoleillad, die Geliebte des Konigs. Er richtet an sie Verse, 
bringt ihnen Standchen, erregt dadurch Hass und Eifersucht der Ehemanner, zieht sich 
drei Duelle zu, und findet zum Schluss, verlassen von alien, wirkliche Liebe bei der an- 
fangs verscbmahten Nina. Was die Musik anbetriffr, so ist sie weder gut noch schlecht. 
Dass Massenet die orcbestrale Technik als Meister beherrscht und fur die Stimmen zu 
schreiben versteht, ist ja bekannt und trifft auch hier zu. Er ermangelt auch nicht des 
Lebens und des Humors in den geeigneten Situationen und triffr den graziosen Lust- 
spielton wie nur einer — das ist aber auch alles. Vergebens sucht man nach einer 
Stelle, die einen packt und interessiert, nach einer Melodie, die man „mitnimmt a , nach 
einer fesselnden Steigerung: nichts als Phrasen, die auf die Dauer langweilen. Die Auf- 
fuhrung war sorgfaltig vorbereitet; Fraulein Maubourg ist als Cherubin grazios und 
lebendig im Vortrag und singt sehr nett; auch die anderen Rollen sind durchaus 

13* 



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DIE MUSiK V. 9. 



angemessen besetzt. Dekorationen sowie Chor und Orchester unter Dupuis tadellos. 
Das Publikum bringt dem Werke nur laues Interesse entgegen. — Dagegen bait der 
enorme Erfolg von Clucks w Armida a dauernd an. Binnen 2*/t Monaten haben bereits 
gegen 30 Auffuhrungen bei erhohten Preisen und total ausverkauftem Hause statt- 
gefunden. Welche moderne Oper brScnte das fertig? Felix Welcker 

DARMSTADT: Aus dem grauen Einerlei des Opernrepertoires der letzten Wochen, 
das die lang andauernden Erkrankungen erster Mitglieder verschuldeten, ragen als 
bemerkenswert nur drei prachtige Wagnervorstellungen: „Lotaengrin a , „Die Walkure" und 
„Tristan und Isolde" hervor, in denen Augusta M filler von Hannover ( w Ortrud a ), Max 
Stury von Mainz ( w TeIramund a ) und Friedrich Garl6n von Mannheim ( w Tristan a ) mit 
grossem Erfolg als G3ste auftraten. Erstgenannte Kunstlerin wurde vom Herbst ds. Js. 
ab fur das Facta der ersten Altistin verpflichtet. Als „Lohengrin", w Siegmund" und 
„Sieglinde a boten Heinrich Spemann und Fanny Pracher stimmlich und darstellerisch 
Glanzleistungen. Eine sebr beifailige Aufnahme fand das dreiabendliche Gastspiel unserer 
langjfchrigen fruheren Soubrette Alma Saccur. Zu erwahnen bleibt ausserdem nur die 
100. Auffuhrung von Rossini's „Barbier von Sevilla* und die Premiere der Herblayschea 
Operette „Das Schwalbennest". Wie ein Gruss aus alten Zeiten mutete Mozarts 
„Titus a an, der als Vorspiel zu dem in Vorbereitung befindlicben Mozartzyklus in 
Szene ging. H. Sonne 

DRESDEN: Das Konigl. Opernhaus bot in der vorweihnachtlicben Zeit nocta eine 
Gesamtauffuhrung vom „Ring", die unter Kutzschbachs Leitung im ganzen sehr 
befriedigend verlief. Bemerkenswert war, dass in der „Walkure a Frau Rocke-Heindl 
ohne Probe die Partie der Sieglinde ubernahm und trefflich durchfuhrte. Die „G6tter- 
dammerung" brachte zwei Gaste, Frau Reuss-Belce, die als Briinnhilde eine sehr be- 
deutende Leistung bot, und Herrn Puttlitz, der als Hagen ein auf Engagement abzielen- 
des Gastspiel recht vorteilhaft abscbloss, so dass er, trotz geringerer Darbietungen in 
seinen ersten Gastrollen, verpflichtet worden ist „Salome a von Richard Strauss er- 
weist sich als starker Kassenmagnet. Trotz wesentlich erhobter Preise waren bisher 
alle Wiederholungen ausverkauft; besonders gross ist der Fremdenzudrang aus anderen 
Grosstadten. Beweis genug, dass eine namhafte kunstlerische Tat, wie sie unsere Hof- 
oper mit der Urauffuhrung der „Salome a vollbracht hat, ihre Fruchte tragt. Holfentlich 
ruht man nicht allzu lange auf diesen Lorbeeren aus. Der Spielplan wird schon wieder 
recht einformig. F. A. Geissler 

FRANKFURT a. M.: Die vom Opernhaus zur Mozartfeier geplante Auffuhrung der 
sieben bedeutendsten Buhnenwerke des Meisters hat mit mehr als einer Schwierig- 
keit zu kMmpfan. Indispositionen im Personal vereitelten zunSchst die geplante Auf- 
einanderfolge der Opern nach ihrer Entstehungszeit, so dass nun ^Figaros Hocbzeit* 
den Reigen futarte. Aber auch hier musste man die neueinstudierten Seccorezirative 
aus dem gleichen Grund fast unmittelbar vor der Auffuhrung wieder mit den Dialogen 
vertauschen und die Rollen der Susanne wie des Cherubin anderen Darstellerinnen uber- 
tragen (den Damen Schacko und Hohenleitner). Gewisse Erschutterungen im Gefuge 
der Wiedergabe waren da nicht zu vermeiden; es war aber anerkennenswert, dass sie 
sich bei allseitigem Aufbieten von Intelligenz und Geistesgegenwart auf das mindeste 
Mass beschrankten, so dass sich das unvergleichliche musikalische Lustspiel mit Frau 
Hensel-Schweitzer als Grafin, Schneider als Figaro und Brinkmann als Graf in 
der Hauptsache „ohn T Schad' und Bruch u und teilweise sogar mit recht schonem Ge- 
lingen abrollte. Hans Pfeilschmidt 

FREIBURG i. B.: Infolge der vielfachen Erkrankungen im Personal kam bis jetzt keine 
der angekundeten Neuheiten und Neueinstudierungen zur Auffuhrung; eine teilweise 



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KR1TIK: OPER 



Neubesetzung der „Weissen Dame", in der Frau Adam die Rolle der Anna vorzuglich 
vertrat, kam dem klassischen Werke sebr zustatten. Victor August Loser 

GRAZ: Eine neue Oper, Der Bergkonig, von Robert Fischhof erlebte bis jetzt 
drei Auffuhrungen; dies namentlich dank der Hingabe Jenny Korbs (Ingeborg), 
Gustav Kaitans (Bergkonig) und des Dirigenten Friedrich Weigmann. Das Werk ist 
eine Wiederkomposition des schon von Ivar Hallstrom benutzten Textes (Stockholm 1874). 
Doch bat das romantische Halbdunkel des Stoffes von Fischhof eine weniger neue, als 
hubsche Musik bekommen: leider zu viel hubsche Musik, und auch viel zu hubsche 
Musik. Eine unsachliche susse GefSlligkeit der Tonsprache, als ob die Charakteristiker 
Mozart und Wagner nie gelebt hapten! Unmotivierte Modulation, matte Bfisse storen den 
Musiker; undramatische Instrumentation, die den Text verdeckt, statt verdeutlicht, den 
Laien. Dass das Werk nicht lang ist und doch Langen hat, stort beide. Die Auffuhrung 
brachte dem Komponisten iiusseren Erfolg; sie brachte ihm auch inneren, wenn er die 
Fehler horte, die freundlicher Beifall ubertonte. Dr. Ernst Decsey 

HALLE a. S.: Unser Spielplan zeigt nun schon seit Anfang Dezember ein langweiliges 
Gesicht. Nichts als „olle Kamellcn", die man zwar immer wieder mit anhort, aber 
doch auch den gewiss nicht unbescheidenen Wunsch aufkeimen lassen, wieder einmal 
einer NovitSt oder doch wenigstens wertvollen „Ausgrabungen* zu begegnen. Die meisten 
Opernabende fullen Gastspiele aus. Doch die Mehrzahl der Giste kam, sang und ging. 
Der Erfolg blieb aus. Ausser dem vielversprechenden Heldentenor Rupert Gogl ist 
vorlaufig nur die Gesangsnovize Sophie Wolf engagiert, die das vielbegehrte Fach einer 
jugendlich-dramatischen SBngerin ausfullen soil. Hoffentlich bereitet sie, deren „Agathe* 
und „Elisabeth" noch manchen Wunsch offen liessen, uns keine EnttSuschung. Ein 
Hallenser Kind, Erna Fiebiger, legte als ^Mignon" und als , Marie* ( w Waffenscbmied*) 
eine aussergewohnliche, gesangliche und darstellerische Beti&higung an den Tag und 
berecbtigt zu schdnen Hoffnungen. Martin Frey 

HANNOVER: In unserer Oper absolvierte Katharina Fleischer-Edel zwei Gast- 
spiele als Senta und Evchen. Die Kunstlerin, deren Stimme klar und hell, aber 
etwas kalt klingt, hatte in beiden Rollen einen berechtigten, schonen Erfolg, doch 
ragte sie in keiner Weise uber unser Opernensemble, wenigstens nicht fiber dessen erste 
Krafte empor. Im Gegenteil; sowohl im ^Hollander" wie in den „Meistersingern" waren 
die Herren Bischoff und Moest entschieden diejenigen, denen im Wettgesang „das 
Blumenkranzlein aus Seiden fein a zukam. L. Wuthmann 

KOLN: Im neuen Stadttheater erzielte Carl Weinbergers erstmalig aufgefuhrte 
komische Oper „Schlaraffenland" (nach Ludwig Fulda in funf Bildern von 
M. Sturz) einen durchschlagenden Erfolg. Schon die treffliche Ausgestaltung der sich 
gegenuberstehenden beiden Milieus, der kleinburgerlichen VerhEltnisse und der schla- 
rafflschen Welt, liessen Weinbergers Gluck bei seinem Ausflug aufs Operngebiet deutlich 
hervortreten. Dann waren es seine melodiose Erfindung, die stimmungsvolle Lyrik und 
seine eigenartige Charakteristik im Mirchenhaften und Phantastischen, die besonders 
ansprachen. — Aino Ackt6 von der Grossen Oper in Paris bewahrte ihre hohe Kunstler- 
schaft in fesselndster Weise, indem sie uns mit ihrer Margarete, Elsa und Elisabeth 
bekannt machte. Paul Hiller 

MAINZ: Auch hier hatte Wolf-Ferrari's Oper „Die neugierigen Frauen" einen guten 
Erfolg. Die Auffuhrung war eine vortreffliche. Am 1. Weihnachtstage erschien zum 
ersten Male Liszts „Heilige Elisabeth" auf der Buhne. Trotzdem man keine Muhe ge- 
scheut hatte, und alles getan, das Werk wurdig zu gestalten, bewies doch auch diese Auf- 
fuhrung, dass das Werk nicht auf die Buhne gebort. Es verliert gerade das, was sein 
hdchster Reiz ist, den uberaus feinen poetischen Duft, der das Ganze, wie Sonnengold 



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194 
DIE MUSIK V. 9. 



unter Waldesbluraen, verklirt. Die Versetzung In die reale Wirklichkeit bannt die 
Phantasie in gegebene, zu enge Grenzen. Als Elisabeth war Hedwig Ma tern a hervor- 
ragend. Die letzte Neuheit bildete Enna's „Streichholzma > del M , in dem Luise Fladnitzer 
wiederum einen Beweis ihres liebenswurdigen und bedeutsamen Talents gab. Das Werk 
gefiel sebr. Von ilteren Werken nenne ich Wagners ^Siegfried". Philipp Brozel er- 
rang in der Titelrolle einen vollen Erfolg. Dr. Fritz Volbacb 

MUNCHEN: Kurz vor Weihnachten brachte die Konigliche Hofoper noch zwei Novitlten 
heraus, denen man zum Teil mit gemischten Gefublen entgegensab, das einaktige 
Singgedicht „Feuersnot" von Ricbard Strauss und Gabriel Dupont's Musikdrama 
w La Cabrera", Erwartet wurde eigentlich nur die Strauss'sche Oper, und das schon seit 
geraumer Zeit. Man hatte daher nach den Grunden geforscht, die uns das Werk bistaer vor- 
enthielten, aber keinen besseren gefunden, als die Furcht vor einem Theater-Skandalchen. 
Venn diese jemals existiert hat, so gab es wohl nichts TSricbteres, denn die Munchener 
von heute sind lSngst zu anderen geworden, urn sich durch die in das Werk hinein- 
eskamotierten Sticheleien wegen ihrer ehemaligen Wagnerschaft noch gekrlnkt zu fuhlen; 
andrerseits ist es leider nicht zu leugnen, dass die Personlicbkeit des Komponisten, 
dessen Munchener Zeit in der „Feuersnot" auch ibre Spuren abgedruckt hat, von dem 
grdsseren Teil des Publikums nicht respektiert wird, wie sie es trotz der jungsten 
symphonischen Exzesse doch verdient; die „Feuersnot" war nicht das Ereignis, das sie 
schon im politischen Verstand hatte sein mussen, wenn man sich der heutigen kunstlerischen 
Stellung des beruhmten Mitburgers allgemein bewusst wire. — Da das Werk den Lesern 
dieser Blatter aus ftlteren Berichten bekannt ist, darf ich mich kurz fassen. Wenn ich 
oben gesagt habe, dass das Publikum zu einer Besorgnis keinen Anlass gab, so gilt das 
auch von dem Werk. Um die Munchener zu reizen, hStte namentlich die vielbewegte 
Kapuzinade des Kunrad witziger, deutlicher sein mQssen. Dass einzelne Stellen, in denen das 
bierfreudige Munchnertum verspottet wird, ins Schwarze treffen, kommt allein auf Rechnung 
des Komponisten, der mit geistreichen Anspielungen dem schlappen Humor des Textdichters 
(E. von Wolzogen) oft geradezu genial auf die Beine hilft. Das von Strauss selbst ge- 
fundene Sujet bietet unstreitig dramatische Seiten, die aber in der Wolzogenschen Be- 
arbeitung kaum zur HSlfte ausgenutzt sind. Ich habe den Eindruck, dass der Dichter 
otane innere Anteilnahme an diesen Stoff herangegangen ist; nicht in der sprachlichen 
Ausfubrung zeigt sich seine Gleichgultigkeit; der munchnerisch-altertumelnde Dialekt, 
die Einflechtung ortsublicher Kinderlieder u. dergl. lassen sogar einige Sorgfalt nicht ver- 
kennen; aber der Aufbau ist ohne Spannung, die Entwicklung der Cbaraktere, wenn man 
von solchen uberhaupt reden kann, ohne Liebe und Wahrheit; marionettenhaft bewegen 
sich diese Gestalten an dem morschen Faden der Wolzogenschen Phantasie, in ihrem 
Tun und Reden wirklich wie bei den Haaren berbeigezogen, und wie gesagt, der „Humor" 
des Dichters, eine gewisse trockene Lustigkeit in der Korbszene ausgenommen, mag jen- 
seits der Donau Lacher finden, uns stosst sie ab. Dass am Schluss der Burgermeister 
zu dem sehr bedenklichen Kammerfensterin seiner Tocbter noch mitjubelt, ist das Humor? 
Kann man derartiges einem Mann und Vater uberhaupt zutrauen? Auch an anderen 
Stellen des Buches werden ahnliche Kunststucke geleistet; uber den Geschmack 13sst 
sich ja bekanntlich nicht streiten. Immerhin muss man die Geschicklichkeit bewundern, 
mit der der Komponist diesem sproden Stuck doch mitunter tiefe Wirkungen abgewann; 
sie sind ein glanzender Beweis seiner Gestaltungskraft. In den Choren, die in dieser 
Oper eine Hauptrolle spielen, stecken die musikaltschsten Elemente; ein Meisterstuck 
eigenartigster dramatischer Chorlyrik ist der „greinende a Kinderchor w Kam wohl der 
grimme Wolf", von dem eine fast unheimliche Lamentoso-Stimmung ausgeht; wenn 
irgendwo, hat hier die Musik den Text im edelsten Sinne uberwunden. Und die folgende 



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195 
KRITIK: OPER 



Szene bis zur Katastrophe kront diesen Triumph des Musikers; sie enthilt eine Fulle 
der originellsten EinfSUe und zeugt fur die Genialitlt seiner Kombinationsgabe. Das 
Strauss'sche Orchester entfaltet in der .Feuersnot" eine Farbenpracht, die uber die Ge- 
stalten romantischen Zauber breitet; nur ist sie in den ersten Szenen mitunter zu dick 
aufgetragen; Chore und Solisten hatten Muhe, sich uberhaupt verstSndlich zu machen. 
Mass halten, die Gesangsstimmen als etwas SouverSnes der Instrumentation uberzuordnen, 
hat Strauss noch nicht gelernt; auch gegen Schluss des Stuckes wire mit weniger 
drobnenden Mitteln noch grossere Wirkung erreicht, zumal im Monolog, wo doch alles 
auf das Verstandenwerden ankommt. Die Auffuhrung unter Leitung des Komponisten 
war sorgf&ltig vorbereitet und sehr gut, und verhalf dem Werk zu einem starken Erfolg. 
Die beiden Hauptdarsteller, Frl. Koboth als Diemut und Herr Feinhals als Kunrad 
machten ihre Sache famos. — Das zweite Stuck gehort zur Spezies der jungitalienischen 
Verfuhrungs-Dramen. Seine Annahme an unserer Oper soil noch auf das Konto des 
nach Frankfurt a. M. ubersiedelten Hofkapellmeisters Reichenberger kommen. Wer es 
auch sein mag, Geschmack hat der Betreffende damit nicht bewiesen. Abgesehen von 
dem, in der sentimental-veristischen Form uberlebten Stoff, dessen ErzSblung wir uns 
ersparen konnen, zeigt die Dupont'sche Musik auch nicht die Spur einer eigentumlichen 
Begabung; wenn sie zu „grossen a Akzenten ausholt, trifFt sie entweder eine Elle zu kurz 
oder sie schlagt in den grossmauligen Ton der dramatischen Italianissimi von Mascagni's 
Gnaden. Die von Rohr geleitete Auffuhrung mit Frau Burk-Berger in der Titelrolle 
war recht wacker; aber das Publikum blieb kalt und in den lauen Beifall mischten sich 
bescheidene Sibilanten. Dr. Theodor Kroyer 

PETERSBURG: Nachdem im Laufe der letzten Jahre aus dem Wagnerschen Nibelungen- 
Zyklus die drei Hauptteile w Walkure a , „Siegfried u und „G6tterdammerung" im 
russ. kaiserl. Marien theater gegeben waren, ging zum Benefiz des Maschinenmeisters 
N. Berger auch „Das Rheingold" unter Naprawniks Leitung erstmals in Szene und 
ist jetzt an der Tagesordnung. Urn die im allgemeinen sehr gute Auffuhrung machten 
sich von den Darstellern namentlich Frau Kusnezo wa-Benois (Woglinde), Frl. Petrenko 
(Flosshilde), die Herren Kastorski (Wotan), J erscho w (Loge), Labinski (Froh), Ssmir- 
now (Alberich), Sserebrjakow (Fafner) verdient. — Die w Neue Oper" im Kaiserl. 
Konservatorium hat neuerdings auch Leoncavallo's „Zaza" und die seit 25 Jahren nicht 
gegebene Oper „Gioconda u von Ponchielli ihrem Repertoire einverleibt. Durch das 
Gastspiel der geistvollen Livia Berlendi und des unvergleichlichen Baritons Titta 
Ruffo erwirbt sich die Direktion (Furst Zeretelli) den Dank aller wirklich Kunst- 
verstandigen. Bernhard Wendel 

ROSARIO (Argentinien): w Anderswo geschehen Taten, eine Welt des Ruhms bewegt 
sich glanzend jenseits dieser Berge" — mit solchen Gedanken unwillkurlich blattert 
man in den Heften der „Musik", deren regelmassige Ankunft stets freudig begrusst wird. 
Ja, man wird bescheiden in seinen Anforderungen inmitten einer Musikwuste. Nicht, dass 
es an musikalischen Veranstaltungen jeder Art fehlte, nur dass die Brunnlein echter 
Kunst recht sparlicb fliessen und entweder im Sande rein materiellen Denkens und 
stumpfer Gleichgultigkeit spurlds verrinnen oder von der brutenden Sonne kunstlerischen 
Unverstandnisses aufgesogen werden. — Wahrend ich im Vorjahre wenigstens von einer 
Gesellschaft berichten konnte, die den hier landlaufigen Spielplan: Tosca, Bobeme, Tosca, 
Tosca, Traviata usw. mit einer achtungswerten Lohengrinvorstellung unterbrach, schweigen 
in diesem Jahre alle guten Cotter. Im „Colon" tagte eine mittelmassige italienische Opern- 
gesellschaft, die in ihrem Kapellmeister, Luis Provesi, allerdings einen Vollmusiker be- 
sass. Er machte uns unter anderem mit einem Jugendwerke Verdi's: „Nabucco" bekannt. 
Die Vorstellung, die der deutschen Kolonie anlisslich der kurz vorher stattgefundenen 



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196 
DIE MUSIK V. 9. 



Schillerfeier gewidmet war und mit der „Freischutz a -Ouverture eingeleitet wurde, ver- 
lief eindruckslos, da diese Verdis'che Musik unserm jetzigen Musikempfinden schon 
allzu fern liegt. Andererseits gab es Gelegenheit, die Irrwege zu bewundern, in denen sich 
ein moderner, verarmter Tonsetzer verlieren kann; ich meine Mascagni mit seiner „Iris w , 
die ich von einer andern, noch weniger guten Gesellsctaaft im kleinen Olymptheater 
vorgefubrt sab. Den hiesigen Geschmack kennzeichnet es, dass er gerade an dieser 
Musik seinen Narren gefressen bat. — Besser bebaut wurde das Feld der Operette. 
Im „Teatro de la Opera" gab die englische Operettengesellschaft Sass & Nelson eine 
Reihe von Vorstellungen, von denen die der Geisha die wenigst gelungene war. Die gesang- 
Jichen Leistungen waren durchweg sehr gering. — Voile Hauser machte eine franzosiscbe 
Truppe. Varneys komische Oper „Die Musquetiere im Kloster" wurde ausgezeichnet 
gespielt. Wahrend die Italiener — soweit ich sie hier zu beobachten Gelegenheit hatte 
— mit einem oder zwei „protagonistas a zu paradieren pflegen, fiel hier ein abgetontes, 
lebendiges Zusammenspiel aller angenehm auf. Es war mal unverfalscbte Pariser Luft, 
die hier vorubergehend auf unserer Buhne wehte. — Bedeutsam wird das nichste Jahr 
werden, insofern zum erstenmal eine deutsche Gesellschaft (Operette) auf argen- 
tinischem Boden spielen wird. Das Unternehmen ist fur Buenos Aires durch Zeichnungen 
gesichert, und fur Rosario werden dann wobl auch einige Vorstellungen abfallen. Man 
erwartet naturlich einen grossen Erfolg und knupft daran die Hoffnung, dass auch 
deutsche Buhnenkunst sich mit der Zeit hier einburgern wird. Freilich bis zu der Zeit, 
da alljahrlich bier deutsche Opern in deutscher Sprache gegeben werden, wird noch viel 
rein italienische Musik verzapft werden. Hermann Kieslich 

SCHWER1N i. M.: Ausser den Wiederholungen Verdi'scher Opern, in denen der 
Koloraturaufputz der Gesangskunst der talentvollen Frieda Hem pel ein dankbares 
Feld bietet, fand diese Kunstlerin auch in den Hugenotten, in Alessandro Stradella und 
anderen Werken einen weiteren Tummelplatz fur ihre trefflichen Darbietungen. Nach 
vielen Jahren ging „Der schwarze Domino" wieder uber die Buhne und fand grossen 
Beifall. Wertvolleres gab d'AIberts kostliche w Abreise"; ebenso erfreute die Wieder- 
kehr des feinhumoristischen „Barbier von Bagdad" unter Paul Prill. Seim sang 
und spielte die Titelrolle mit vielem Gluck. Fr. Sothmann 

STUTTGART: Verdi's „Amelia tt ist von Erich Band neueinstudiert, von Lowenfeld 
neuinszeniert worden. Die Auffuhrung war vortrefflich; wurde nur auch deutschen 
Meisterwerken soviel Sorgfalt und sinnige Umsicht zuteil ! Die Regie der „Meistersinger a 
konnte noch etwas liebevoller sein; am besten war das frische, feine Orchester unter 
Pohlig. Aber auch die Darstellenden setzten ihre besten Krafte ein, und trotz Unpass- 
lichkeit des Frl. Wiborg loste der Abend nachhaltige Stimmung aus. Oskar Bolz, 
stimmlich ganz vorzuglich, wenig rhythmiscb, wie fast jeder Tenor, spielte besser als im 
„Ring"; wahrscheinlich ist er nun auf einige Zeit fest verpflichtet. Leider ist die Stutt- 
garter Presse nicht in der Lage, etwas Sicheres uber geplante oder vollzogene Verpflich- 
tungen neuer Mitglieder bekanntzugeben. Dr. Karl Grunsky 

ZURICH: Auf einen arbeitsreichen aber auch mit schonen Erfolgen gezierten Monat 
sieht unsere Oper zuruck. In der ersten Woche des Dezember feierte Erika Wede- 
kind Triumphe ungewohnlicher Art, und bald darauf trat unser Ensemble mit einer vor- 
trefflichen Neueinstudierung der Zauberflote hervor. Da dazu auch eine prachtige 
neue Ausstattung nach Munehener Muster angeschafFt worden ist, konnte Mozarts Meister- 
werk bereits achtmal vor sehr gut besuchtem Hause gegeben werden, was fur Zurich 
eine Art Ereignis bedeutet. Einen machtigen Aufschwung hat unser Opernpersonal bei 
einer Wiedergabe von Wagners »Ring des Nibelungen" genommen. Wir haben seit 
vielen Jahren keine so abgerundete, ausgezeichnete Auffuhrung der Tetralogie gehabt. 



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197 
KRITIK: KONZERT 



Besonderes Verdienst erwarben sich neben dem Tenoristen Max Merter, der sich mit 
staunenswerter Geschwindigkeit aus einem ziemlich steifen, mittelmassigen Sanger zu 
einem hochst beachtenswerten Kunstler entwickelt bat, Nusi v. Szekrenyessy als 
Brunnhilde, Wilhelm Bockholt als Alberich und der noch sehr junge Philipp Schon- 
leber als Mime, wahrend des Baritonisten Langefeld Wotan infolge mangelhafter 
Schulung des trefflichen Darstellers nictat ungetrubten Genuss bereitete. Die ehemalige 
Primadonna Zurichs, Marie Seiffert, die als WalkGre in „Siegfried a auftrat, wurde 
ziemlich kuhl aufgenommen, dagegen gewann ein Schiiler des Frankfurter Konservato- 
riums, Ludwig Ermold, rasch die Sympathie des Publikums. Er wurde nach zwei- 
maligem Gastspiel fur das Fach des Bass-buffo engagiert. Noch immer besteht die 
Vakanz fur die Partieen des lyrischen Tenors. Ein junger Anfanger, der als Tamino 
debutierte, wurde abgelehnt. Aufsehen erregte der von hiesigen Kunstfreunden aus- 
gebildete Bernardo Bernardi, der kurzlich bei einer Fledermaus-Vorstellung einige 
Konzertnummern mit glanzvoller, aussergewohnlich tragfahiger und gut geschulter Tenor- 
siimme sang. W. Niedermann 

KONZERT 

BERLIN: Das Programm des ersten Ni kisch-Konzertes im neuen Jahre begann mit 
der symphonischen Dichtung „Vysehrad a , dem ersten Stuck aus der Reihe der Ton- 
dichtungen, in denen uns Smetana von der vergangenen Herrlichkeit seines bohmischen 
Vaterlandes erzShlt. Alsdann spielte Fritz Kreisler das Violinkonzert a-moll von 
Viotti mit herrlichem Ton, einfach im grossen Stil, warm in der Empfindung. Till 
Eulenspiegels lustige Streiche von Richard Strauss, sein innerlich heiterstes Werk, in 
dem man mit behaglichem Ergotzen der vielfachen Umgestaltung des leicht wieder- 
zuerkennenden Hauptmotivs, der geistreich bebandelten alten Rondoform folgt, und die 
zweite Symphonie von Brahms waren die iibrigen Gaben des Abends. E. E. Taubert 

Die zurzeit etwas verworrenen politischen Zustande im russischen Nachbarreiche 
scheinen leider auch auf kunstlerische Veranstaltungen ihre ruckwirkende Kraft zu 
iussern: anders lasst sich ein Programm, wie es der Orchesterabend aufwies, den 
Ferdinand Neisser, Leiter des Philharmonischen Orchesters in Wasa (Finnland), mit 
den Berliner Philharmonikern gab, mit dem besten Willen nicht erklaren. Die Oberon- 
Ouverture eroffnete, Paul Ertels effektreiche symphonische Dichtung „Belsazar a schloss 
den Abend; in der Mitte stand Beethovens grosse Fuge op. 133, bei deren AusfQhrung 
sich nabeliegende Vergleiche schlechterdings nicht ausschalten liessen. Neisser ist 
zweifellos ein achtbarer Dirigent von grosser Routine; weshalb er das Urteil uber seine 
kunstlerische Intelligenz durch Vorfuhrung von seichter Unterhaltungsmusik, wie 
Sinigaglia's w Regenlied tt und w Scherzo a , und drei S^tzen eines „Manoli tt betitelten, nach 
Janitscharenmusik duftenden Nichts von F. Rein in einem doch hoffentlich ernst gemeinten 
Konzert leichtherzig aufs Spiel setzte, ist nicht recht einzusehen. Die erfreulichste 
Gabe des Abends waren „Fruhlingsgesang a und „Valse triste" von Sibelius. 

Willy Renz 
Die Berliner Kammerm usik-Vereinigung, bestehend aus der Pianistin Vera 
Maurina und den Herren Gulzow (erste Violine), Ruckward (zweite Violine), Lenzewski 
(Bratsche), Williams (Violoncell), Skibicki (Kontrabass), Rossler (Flote), Bundfuss (Oboe), 
Rausch (Klarinette), Fruhauf (Fagott) und Rembt(Horn) brachte in vortrefflichem Ensemble 
Spohrs fast vergessenes schones Nonett, das D-dur Konzert von Bach fur Klavier, Violine 
und F15te, sowie Beethovens Septett zur Auffuhrung. — Donalt Francis Tovey veranstaltete 
mit Zuziehung des Joachim-Quartetts und der Sangerin Meta Diestel zwei Brahms- 
Kammermusikabende (f-moll Quintett, A-dur Klavierquartett, Trios in C-dur und c-moll, 



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DIE MUSIK V. 9. 



Violinsonate in d-moll und dieHindel-Variationen); es fehlt seinem gar zu korrekten Spiel 
die personliche Note. — Florian Zajic und Heinrich Grunfeld spielten ausser Solostucken 
fur Violine und Violoncell Schumanns Quintett, wobei Alfred Grunfeld das Klavier, die 
Herren Diestel und Hasse die Mittelstimmen vertraten; auch der Pianist trug Solostucke 
vor, Elisabeth Ohlhoff unterstutzte die Konzertgeber durch woblgelungene Liedervortrage. 
— Das Dessau-Quartett wollte Bruno Walters Klavierquintett bier aus der Taufe beben, 
verzichtete indessen darauf zugunsten einer Mozartfeier (Quartett in G-dur, Quintett in 
g-moll, Divertimento fur Quartett und zwei H6rner in D-dur), die wurdig ausflel. — Otto 
Urack trat in einem eigenen Konzert als Violoncellist, Komponist und Pianist auf, in 
letzter Eigenscbaft als Begleiter einiger von ibm komponierten Lieder, die Hertba Dehmlow 
lebensffihig macbte. Ein Klavier-Quintett Uracks (am Klavier Bruno Hinze-Reinhold) 
enthielt gut gearbeitete, scbon klingende, den Horern gar keine Scbwierigkeit bietende 
Musik (beinabe Salonmusik) nach Dvor£kschem Vorbild. Die Leistungen des Konzert- 
gebers auf dem Violoncell entspracben nicbt ganz den Erwartungen. — Leo Schratten- 
holz fuhrte ausser seiner scbon bekannten Violinsonate op. 37 zwei neue Trios eigener 
Komposition auf (op. 40); das erste fur Klavier, Klarinette (Richard Muhlfeld) und 
Violoncell (Robert Hausmann), das zweite fur Klavier, Violine (Gabriele Wietrowetz) 
und Klarinette. Beide Werke waren gediegen gearbeitet, trugen dem Charakter der 
Klarinette sebr gut Recbnung und entbielten eine Fulle fesselnder Melodieen; dem zweiten 
gebuhrte der Vorzug: dessen ersten Satz kann man sogar bedeutend nennen; ungemein 
ansprechend war der Scblussatz, ein ungarisches Rondo. — Auch Heinrich Gottlieb- 
Noren, der sich jetzt H. G. Noren nennt, gab einen Kompositionsabend; ausser der bier 
schon mehrfach anerkennend besprochenen Suite op. 16 fur Klavier (Vera Maurina) 
und Violine (van Veen) und pastoralen Skizzen fur Harmonium (Karl Kampf), Violine 
und Violoncell (van Lier) kam ein noch ungedrucktes Klaviertrio op. 28 zur ersten 
Auffuhrung. Auch dieses Werk entbaMt viel eigenartiges, bedarf aber vor der Druck- 
legung entschieden einer Verkurzung des Andante und vor allem des ersten Satzes; 
dieses dauert 22 Minuten und ist in seinem architektonischen Aufbau ziemlich verfeblt; 
iiberflussig ist z. B. die Fuge; scbone Gedanken, wie gleicb der Anfang, gehen, unter aus- 
getiftelten Harmonieen und Figuren unter. Ungemein ptkant und harmonisch interessant 
ist das knapp gebaltene Scherzo; auch das Finale, das auf einer slawischen Melodie auf- 
gebaut ist, ist recht annehmbar; hierin lasst man sich gem den Fugenteil gefallen. Eine 
Anzahl Lieder des Komponisten sang Gertrud Fischer mit ihrer schonen Altstimme; 
darunter der eigenartige, noch ungedruckte „Tanz a . Unzweifelhaft ist Gottlieb Noren 
ein begabter Komponist, doch hat er die Sturm- und Drangperiode noch nicht hinter 
sich. — Mit Begleitung des philharmonischen Orchesters konzertierten die Geigerin 
Lotte Ackers ohne Berechtigung und der sehr talentvolle Geiger Richard Czerwonky, 
der mit Bruchs schottischer Phantasie und Joachims ungarischem Konzert erfolgreich 
debutierte. — Ossip Schnirlin spielte u. a. eine etwas langatmige Ballade eigener Kom- 
position, die auf ein reiches Innenleben schliessen liess. — Erfolgreich fuhrte sich auch 
der junge Geiger Georg Merlin Diburtz ein; ihn unterstutzte die sympatbische Sangerin 
Charlotte Kimpel. Etnen bedenklichen Ruckschritt zeigte die Geigerin Amalie Birn- 
baum, ihre Konzertpartnerin, die Mezzosopranistin Else Vetter, dagegen wieder 
erfreuliche Leistungen. — Das angesetzte dritte grosse Orchesterkonzert der neuen 
C h arlotten bu rger Musikgesellschaft musste wegen innerer Zwistigkeiten in deren 
Direktorium ausfallen. Wilhelm Altmann 

Das Gros der Pianisten leidet an dem namlichen Obel: sie spielen immer, wie sie 
uben. Jeder von ihnen hat seinen besonderen technischen Typ, d. h. eine sich stets 
gleich bleibende Anschlags- oder Beruhrungsform. Sklaven ihrer Technik sind sie nicht 



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199 
KRITIK: KONZERT 



Herren der Kunst. Nur einer ist Herr von beiden: der Mittel und des Ausdrucks. Was 
bei Eugen d'Albert einzig vorhanden, ist nicht allein die Suggestivkraft, der elementare 
Wirbel seines prachtvollen Temperamentes, als vielmehr die Grosse der Formgebung, 
das Zucken des rbythmischen Pulses, die leidenschaftlichen Akzente und das klare 
musikalische Aufbauen. Er spielt nie typisch. Der momentane Ausdruck gebiert 
momentan die genaue adaquate tecbnische Form. So verfugt er allein uber die grosse 
Dynamik und gibt das Kunstwerk als ein Mannigfaches von Farben und Tonen, 
Scbattierungen und GegensStzen. kleinen und grossen Flachen und doch zugleich als ein 
Einfaches, wie es das Leben erheischt. Eine gewisse Sorte von Instrumentalisten trakeln 
und makeln gem an ihm herum. Die Neidinge!! Es geht noch immer ein Duizend 
auf diesen Einen, der doch Aller Meister ist. Die Coda des ersten Satzes der „Wald- 
steinsonate", die Uberleitung zum Rondo, dann wieder die Uberleitung zum Prestissimo 
im Finale und dieses selbsr, — oder das Scherzo in Brahms' op. 5, dann das kdstliche 
Intermezzo, das sind Dinge, von denen zu sagen: „Nachmachen, Ihr Herren, nicht reden!* 
— Daneben spielten: Leo Kestenberg, ein neuer Kraftmayer von dickflussigem Geblut, — 
Sandra Droucker, deren fruher so schone Gewichtstechnik einen Stich ins Harte be- 
kommen hat und deren Musik nach wie vor ohne Reiz und Warme, — Alma Stencel, 
das unerfreuliche Produkt einer noch unerfreulicheren Dressur und — Wilhelm Back- 
fa aus, die ^Sensation", der Sieger des Rubinsteinpreises. Er ist ein Konner, dessen 
Musik nicht im mindesten anstdssig. Er hat des weiteren eine lose Hand und verfugt 
uber ein bedeutendes Quant von Technik. Da er noch jung ist, bilde ihm Gott den 
Verstand, dass die Musik und der kunstlerische Ausdruck besser und bedeutender werde. 
Dies Schmeissen und Hacken, diese Monotonie des Tones, dies wurschtige Deklamieren 
im seelenlosen Metronomstil und solche Begrifflosigkeit von Anschlag, Farbe, Dynamik 
und singenden Werten passen wenigstens schlecht zu einem Talent, das der Sache schon 
etwas mehr Achtung und Wurde entgegenzubringen berufen ware. — Edouard Risler 
gab den ersten von drei Beethoven-Abenden. Ich werde daher spater noch Gelegenheit 
haben, auf ihn zuruckzukommen. — Unter den Stimmen nenne ich an erster Stelle 
Mary Munch hoff. Sie hat zugenommen an Stilgefuhl und technischer Ausarbeitung. 
Man bemerkt die gute legato-Schulung Messchaerts und eine feine sinngemasse Deklamation. 
Sie konnte eine unserer ersten Lied- und KoloratursSngerinnen sein, hatte sie nicht nur 
Liebenswurdigkeit, Klugheit und Geschmack, sondern auch Warme, Sinnlichkeit und 
Temperament. Ihr Ton ist „kalt" und die kunstlerische Vollkommenheit scheitert an 
dem Kardinalfehler absolut falscher Nasenresonanz. Der Ton klebt hinter der Nase fest, 
verfangt sich in den hinteren Hoblraumen. So klingt er stumpf, im Kopfregister matt 
und monoton und oft gleich einer gestopften Trompete. Es fehlt dem Klang an elastischer 
Schwingungsform und metallischem Kern. — Daneben verdient Gracia Ricardo wegen 
der vortrefiPltchen Durchbildung ihrer schonen Mittel, des musikalischen Ausdrucks, der 
stilistischen Behandlung des Liedes und der ruhigen und vornehmen Deklamation grossere 
und weitergehende Beachtung. — Rosa Olitzka sollte den Konzertsaal meiden. Ihre 
ganze Erscheinung, Mimik und Theatralik weisen die Kunstlerin, deren Mittel zwar gross 
und noch immer glanzend, deren Technik wie Stilisierung aber hochst anfechtbar sind, 
dorthin, von wo sie kommt: nach dem Haus im Covent Garden. — Von Emil Pinks, 
dem Oratoriensanger, kann man auch sagen, dass er im Kirchengesang besser am Platze. 
Seine Liedkunst ist tuchtig, aber nicht bedeutend genug, und die technischen Mangel 
seines leider knodeligen Tenors wiegen zu schwer, als dass man sie hier, wo sie isoliert 
wirken, fur die Dauer angenehm finden konnte. — Bleiben: Helene Wolter und Helene 
Staegemann, die Graziose, Liebenswurdige, die gleich Glyceren, Pausias* holdem Blumen- 
madchen, gar duftige und zierliche Sachen zu bieten weiss. R. M. Breithaupt 



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DIE MUSIK V. 9. 



Einen genussreichen Abend veranstaltete der Tenorist George A. Walter mit 
Werken J. S. Bachs und vier seiner Sonne. Die von ihm getroffene Auswahl wie die 
Ausfuhrung aller Gesange war ruhmenswert. Heir Walter singt vorzuglich mit treffendem 
Ausdruck und weiss, was bel canto ist. Die ihn unterstutzende Pianistin Elsa Haas 
stand nictat ganz auf der Hohe, wurde auch von ibrem Gedachtnis im Stiche gelassen. 
— Gertrud Fischers Stimme, fur Alt ausgegeben, hat Sopran-Charakter, ist wenig aus- 
giebig aber angenehm. Sie sang mehrere, durch nichts bedingte Anhaufung von Disso- 
nanzen verbluffende Lieder von Reger. — Als fur kleinere Gelegenheiten brauchbare 
Sangerin zeigte sich die Sopranistin Rose Loening. — Einen klangvollen Bariton besitzt 
Hjalmar Arlberg, der mit Klara Erler Duette sang. Das Ensemble ist noch nicht ge- 
nugend ausgeglichen. Beide singen recht hubsch, ohne besonderes zu bieten. — Einen 
programmatisch interessanten Heine-Abend gab Robert Koppel, dem er jedoch hinsicht- 
lich der Ausfuhrung nur rezitatorisch gewachsen war. Besonders gut liegt ihm der 
Humor. Gesanglich bleibt Herr Koppel alles schuldig, obgleich sein nicht ubler Bariton 
der Ausbildung wert ist. Atmen und Tonbildung sind ganzlich unkultiviert. Fur ernste 
Gesange versagt seine musikalische Auffassungsgabe. Hubsch waren einige von den 
Komponisten selbst begleitete heitere Lieder von H. Hermann und J. Rothstein. — 
Kunstlerisch wertvoll war das Konzert des Ehepaars Marie Barinowa-Malmgren 
(Klavier) und Eugene Malmgren (Cello). Sie begannen mit einer Sonate in g moll fur 
Viola da Gamba und Klavier von Ph. Em. Bach. Leider war die Gamba nach Art des 
Cello nur mit vier anstatt sechs Saiten bespannt und wurde auch in moderner Weise ge- 
spielt, wodurch das historische Interesse, das allein noch zugunsten der Vorfubrung des 
alten Instrumentes spricht, unterdruckt wurde. — Bernhard Irrgang gab sein 400. Orgel- 
Konzert. In der Marienkirche drSngten sich die Zuhdrer zu Hunderten. Der verdienst- 
volle Kunstler wurde unterstutzt durch die Sangerinnen Jeannette Grumbacher de 
Jong und Charlotte Hemptenmacher sowie das vorzugliche Damen-Streicbquartett von 
Gabriele Wietrowetz. — Der Pianist William A. Becker machte einen sehr ungunstigen 
Eindruck. Geschmacklose Verzerrungen, unzShlige Willkurlichkeiten und ein fort- 
wahrendes Zerreissen des Melodiefadens sind Charakteristika seines Spiels. — Von 
grosser Stimme des Tenoristen Fritz Ernst ist nur noch die Hohe in voller Kraft ubrig. 
Gleicbmassiges Aushalten eines Tones gelingt ihm schwer, der Vortrag ist theatralisch. 
Der mitwirkende Cellist Franz Borisch spielte recht ausdruckslos und Hess technische 
Sicherheit vermissen. — Hubsches Talent hat die Altistin Stella Godwin. Die gut aus- 
geglichene Stimme ist in tieferen Lagen schwacb, Hohe voll und schon. Der Cellist 
Walter Lewy spielte mit kleinem Ton fur ihn zu schwierige Stucke. Die Harfenistin 
Mila Stoltz zeigte grosses techniscbes Konnen, sollte aber beim pianissimo nicht ins 
Ubertreiben verfallen. — Eine sympathische Sangerin ist Tont Kunz. Ihr Mezzosopran 
ist nicht gross, sie singt jedoch mit Leidenschaft. Das leichte Tremolo und das horbare 
Atmen sollte sie sich abgewohnen. Arthur Laser 

BRADFORD: Das einleitende Konzert brachte uns das Halle-Orchester unter 
Ri enter mit Kreisler (Mendeissohn-Konzert, Rondo Capriccioso von Saint-Saens) 
und Miss Castles (Gesang) als Solisten. Beethovens jugendfrische „kleine Symphonie", 
Elgar's charakteristische w Cockaigne 8 -Ouverture und Strauss' kostlicher „Till Eulenspiegel a 
fanden vorzugliche Wiedergabe. — Einen sehr guten Eindruck hinterliess das ^London 
Symphony Orchestra" unter Leitung Elgar's. Ausser der Symphonie in F von 
Brahms und zwei slawischen Tanzen von Dvorak wies das Programm nur Kompositionen 
des Dirigenten auf: Ouverture „In the South", introduction und Allegro" fiir Streich- 
orchester, weniger seines musikalischen Gehaltes halber von Interesse als wegen seiner 
grossen technischen Schwierigkeiten, sowie (unter Mitwirkung der Altistin Edna Thornton) 



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201 
KRITIK: KONZERT ^^ fe^ 



den Gesangs-Zyklus w Sea Pictures", dessen pikante orchestrate Toneffekte an Berlioz er- 
innern. Das Orchester entledigte sich seiner Aufgaben auf das Beste. — Ausserst 
genussreich war ein Konzert mit Busoni, Zacharowitsch (Violine) und Agnes 
Nicholls (Gesang), das die Kreutzer-Sonate, ferner Werke von Chopin, Liszt, Couperin, 
Vitali, Paganini, Bach, Brahms, Richard Strauss u. a. brachte. — Das abschliessende 
Konzert dieses Jahres brachte als einzige Novitat eine Humoreske fur Chor und Orchester 
„John Gilpin" von Cowen, Dieses Werk zeichnet sich nicht gerade durch grossen 
Reichtum an musikalischen Gedanken aus; zur Erzielung des Humors bedient sich der 
Komponist oft der grobsten Effekte. R. Rubeling 

BRAUNSCHWEIG: Das funfte populare Konzert des Direktors Wegmann vermittelte 
in M. Crickboom-Brussel die Bekanntscbaft eines tuchtigen, deutsch empfinden- 
den Geigers, dem Mary Munchhoff und Minette Wegmann ebenburtig zur Seite 
standen. Frl. Oehlmann brachte mit 85 Kindern und jungen Madchen eine Reihe der 
Kinder- und Volkslieder von Jaques-Dalcroze zu mimischer Darstellung und errang mit 
den neuen eigenartigen Leistungen solchen Beifall, dass spater eine Wiederholung er- 
folgen musste. Ernst Stier 

CHICAGO: Eine Saison von viel versprechender Aktivitat nahm ihren Anfang mit dera 
ersten Thomaskonzert in der den Namen des Grunders des Orchesters tragenden 
Halle. Der Dirigent Friedrich Stock hat gut gewahlte Programme ausgearbeitet, deren 
kunstlerischer Standpunkt nichts von der gefurchteten „popularen a , kassenfullenden Pro- 
grammacherei verrSt, sondern sich streng auf den Masstab der Thomasprogramme — 
also klassisch-modern — stellt. Ich wohnte dem dritten Konzert bei, das die Manfred- 
symphonie von Tschaikowsky im Hauptteil gab und zugleich Rudolf Ganz als Klavier- 
solisten in Liszts Konzert No. 2 vorftihrte. Das Zusammenspiel des Orchesters lasst in 
Straffheit und feinster Schattierung nichts zu wunschen ubrig, ein Memento fur den ver- 
slorbenen Dirigenten und ein Beweis, dass unter seinem Nachfolger derselbe Inter- 
pretationsgeist henscht. Nur in einem merkt der mit den Verhaltnissen Vertraute einen 
Unterschied. Es ist der zwischen Thomas' Autokratie („sic volo sic jubeo"), welche die Ver- 
haltnisse schuf, und der jetzigen, augenscheinlich von dem Direktorat der Orchester- 
association („Trustees ft ) stark beeinflussten Methode, die w sich den Verhaltnissen an- 
passt". Cber die lastige tt En core-Frage" ware es zu Thomas* Zeit unnotig gewesen, 
ein Bulletin an die Konzertbesucher zu erlassen, denn Thomas gab einfach keine Encores! 
Dem jungen Nachfolger, mit dem das encoresuchtige Publikum leicht fertig zu werden 
glaubte, musste es uberlassen bleiben, das Publikum so zu erziehen, wie es von Thomas 
erzogen worden war. Die Veroffentlichung eines Bulletins seitens der Trustees — 
(„with the hearty concurrence of orchestra and Conductor [warum ist dieser in dem 
ubrigens sehr mangelhaften englischen Sprachsatz zuletzt genannt?]) — zeigt nur, dass 
die Trustees die Konzerte leiten — „wollen a . Herr Stock wird aller Energie bedurfen, 
um sich solchen unziemlichen Einmischungen entgegenzustellen. Dass er musikaliscb 
der richtige Mann am richtigen Platz ist, das hat er bewiesen. Eugen Kauffer 

DRESDEN: Das dritte Symphoniekonzert (Serie B) im Kgl. Opernhaus brachte als Neu- 
heit eine Humoreske D-dur fur grosses Orchester von Karl v. Kaskel, ein effekt- 
volles und im Detail interessantes, prachtig instrumentiertes Stuck, dem aber zu voller 
Wirkung straffe Konzentration mangelt. Unter Schuchs feuriger Leitung erzielte die 
Neubeit einen freundlichen Erfolg. Solistin des Abends war Guilhermina Suggia, die 
trotz betrachtlicher technischer Kunstlerschaft und schonen EmpMndens doch wieder den 
Beweis dafur lieferte, dass das Cello nun einmal kein Dameninstrument ist. Im 4. Sym- 
phoniekonzert der Serie A brachte Ernst v. Schuch Anton Bruckners neunte Symphonic 
d-moll als Neuheit heraus. Das riesige Werk erregte, wie nicht anders zu erwarten, zunichst 



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202 
DIE MUSIK V. 9. 



mehr Befremden als Zustimmung, trotz einer bervorragend schonen Wiedergabe durcb 
die Kgl. Kapelle. Es klingt eben aus dem Orchester Bruckners soviel dramatische, mit 
Wagner verwandte Musik heraus, dass man sie obne Buhnenbild als absolute Musik zu- 
nichst gar nicht geniessen zu konnen meint, zumal da gerade bei der neunten Symphonie die 
direkten AnklSnge an Wagner sebr zahlreich und ohrenfallig sind. Aber die Grosse und Be- 
deutung des Brucknerschen Kunstschaffens, das erst eine spitere Zeit dem grossen 
Publikum recbt erscbliessen wird, empflndet doch selbst der Widerstrebende, und so nabm 
man das schwer zugingliche Werk mit Acbtung und Sympathie auf. Das dritte ptail- 
barmoniscbe Konzert fubrte als Solisten Emmy Destinn und Artur Scbnabel nacb 
Dresden; erstere ist seit lingerer Zeit bier bekannt und geschatzt, so dass ihr Erfolg 
von vornherein sicber war, letzterer fubrte sicb als bocbbegabter Klavierkunstler sebr 
gunstig ein. Eine vortreffiiche Auffubrung der w Schopfung* bot die Robert Scbumannsche 
Singakademie unter Albert Fucbs, und eine hocbst genussreicbe Mozartfeier veranstaltete 
die „Dresdner Musikschule a , ein unter Leitung von L. R. Schneider neben dem Kgl. 
Konservatorium zu grossem Anseben gelangtes Institut. Die Herren Giessen und 
Sittard setzten ibre Sonntag-Nachmittagskonzerte erfolgreich fort; weiter seien noch 
Liederabende der Sopranistin Frau Steinbauer-Mallinson und des Baritonisten Emil 
Hofmann als woblgelungen bervorgehoben. F. A. Geissler 

FRANKFURT a. M.: Mit dem Wiederbeginn der Konzerte im neuen Jahr ist scbon 
eine ganze Revue pianistiscber Erscbeinungen vorubergezogen : Lam on d mit einem 
prachtvoll zusammengestellten und prachtvoll wiedergegebenen Beethoven-Programm, die 
treffiicbe Florence Bassermann, Max und Blanche Schwarz, die bier Wohlbekannten 
und Woblaufgenommenen, und Albert Friedenthal, der sicb bei seinem ersten Er- 
scheinen vermoge seines etwas rubinsteinisch geaneten Temperamentes gut einfubrte. 
Noch besser gelang das seiner Partnerin, der Mezzosopranistin Ciska Schattka, die mit 
ihrer Stimme, ihrer Schulung und ihrem Gebalt an Innerlicnkeit einen sebr ver- 
sprechenden Eindruck hinterliess. Im ^Museum" wurde in einem Quartettabend Hugo 
Heermann nacb lingerer Abwesenheit wieder hocbwillkommen gebeissen. Ein Freitags- 
konzert desselben Instituts bot orchestral nichts Neues, liess aber Ludwig Hess als Sanger 
mit selbstkomponierten Liedern und solchen S. von Hauseggers auftreten, wobei sich die 
letzteren denn doch als die wertvolleren erwiesen. Am namlichen Abend kam es vor, 
dass R Strauss' „Don Quixote", der hier s. Z. die vielapplaudierte Urauffuhrung und 
seitdem noch manche Wiederholung erlebte, auch mit ablehnenden Kundgebungen be- 
schieden ward. Hans Pfeilschmidt 

GRAZ: Den Volksliedern Helene Staegemanns horte man zu, wie man einem fernen 
Lichterspiel zusieht: man wird so gefesselt, dass man vergisst, wie wenig es warmt. 
Der kleine Vecsey spielte Bach und Paganini, mit Bachischer Kraft und Paganinischer 
Artistik. Max Pauer brachte in herrlicher Rhythmik u. a. das Beethovensche G-dur 
Konzert, namentlich den langsamen Satz, als Gastgeschenk. Godowsky gab in den 
24 Chopin-Preludes hundert neue Farben-Moglichkeiten. Possart ruhrte unser sudoster- 
reichiscbes Herz tief mit Strauss-Tennyson's w Enoch Arden a . Dr. Ernst Decsey 

HALLE a. S.: Ausser Karl Klanert, der das fis-moll Klavierkonzert von Carl Reinecke 
schwungvoll vortrug, traten hier nur noch Emmy Destinn und Ludwig Wullner 
mit grosstem Erfolg auf. Martin Frey 

HELSINGFORS: Von den regelmassigen Symphoniekonzerten des Philharmonischen 
Orchesters fanden bisher zwei statt. Bei dem ersten wurden Schuberts „tragische u 
Symphonie in c-moll nebst Liszts „Orpheus tt und Glazounow's Orchesterphantasie „Stenka 
Razine" gespielt; Solist war Alexandre Petschnikoff, der mit schmelzendem Ton und 
technisch sehr hervorragend Tschaikowsky's Violinkonzert vorfiihrte. Das zweite Konzert* 



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203 
KRITIK: KONZERT 



gleichfalls von R. Kajanus geleitet, bot als Quasinovitat des Finnen Erkki Melartin 
Erstlingssymphonie (c-moll) in orchestraler Neubearbeitung, weiter das Vorspiel zu Niccolo 
Spinelli's Oper „A basso porto" und C6sar Francks symphonische Dichtung „Le 
Chasseur maudit". Der ausgezeichnete BassSnger Ettore Gandolfi, vorlauflg als Ge- 
sangslehrer am hiesigen Musikinstitut angestellt, sang eine Arie von Verdi. — Wegen 
der grossen politiscben Bewegung, die so siegreich mit Finnlands autonomer Stellung 
als Staat endigte, sind die Solistenkonzerte weniger zahlreich gewesen. Nennenswert ist 
Elli Raugman, eine junge einbeimische Pianistin, Schulerin von Reisenauer und Grun- 
feld, die bei ihrem Konzert u. a. Schumanns Etudes symphoniques sehr schon und 
poetisch reizvoll spielte. — Die Musikabende des Musikinstituts boten u. a. Busoni's 
hocbinteressante zweite Violinsonate, Bossi's Trio sinfonico, Beethovens Streichquartett 
op. 95, Sindings Trio in D und Schumanns Klavierquartett op. 47. Solisten waren 
E. Gandolfi (Gesange von Scarlatti, Pergolesi und d'Astorga), Bror Pettersson (Cello- 
sonate von Boccherini), Karl Ekman (Webers As-dur Klaviersonate) und Victor Novdcek 
(Schuberts Violinrondo h-moll). Karl Flodin 

KOLN: In der Musikalischen Gesellschaft wusste die junge Pianistin Elsa Kruger 
sehr lebhaft zu interessieren. An einem andern Abend erzielte die Mezzosopranistin 
Susanne van Rhyn im ganzen mit Liszts Mignon und Liedern von Max Reger gunstige 
Eindrucke. Das Orchester der Musikalischen Gesellschaft bewahrte unter Arnold Krogels 
Leitung durch hingebende Ausfuhrung der Don Juan-Ouverture und G.Jensens landlicher 
Serenade die guttonkunstlerischen Tugenden dieser im wesentlichen Teil aus Dilet- 
tanten beststehenden Vereinigung. — Albert Friedenthal war mit Ciska Schattka 
in dem von Virtuosen mit Recht sehr bevorzugten intimen Saale des Hotels Disch ein- 
gekehrt. Mit Chopin's b-moll Sonate, Mozarts A-dur Sonate und der Brahms'schen 
Ballade D-dur zeigte sich der Pianist auf der vollen Hohe seiner Gestaltungskraft, 
wahrend seine Partnerin ihren prachtvollen Mezzosopran mit erfreulicher seelischer 
Vertiefung in den Diensf verschieden stilisierter Gesange, wie Liszts Drei Zigeuner, 
stellte. — Im sechsten Gurzenicb - Konzert erzielte als Neuheit fur Koln 
J. Weismanns Marchenballade „Fingerbutchen", freundliche Wirkung, die zweifellos 
eine Steigerung erfahren hatte, wenn dem sehr gefallig gearbeiteten Werkchen ein im 
richtigen Verhaltnis zu seiner Dehnung stehender Aufwand an musikalischen Gedanken 
dienstbar gemacht worden ware. Auch Gustav Mahlers „Kindertotenlieder tt horte man 
zum ersten Male hier. Die ihr zugrunde liegende Tiefe der Empflndung und das wenigstens 
teilweise Interessante der Ausgestaltung mussten an ihrer sonst moglichen Eindruckskrafr 
durch die bei dem geistigen Gehalte der Dichtungen allerdings nahegelegte Monotonie 
in der musikalischen Schilderung einigermassen verkummert werden. Nichts ist anspruchs- 
voller, als ein Zuviel von Ahnlichem! Friedrich Weidemann von der Wiener Hofoper 
erzielte in beiden Neuheiten durch wertvolle Vortragseigenschaften und ein schones 
Organ hervorragende Wirkung. Mit Beethovens Violinkonzert und der Tartinischen 
Teufelstriller-Sonate hatte Fritz Kreisler den gewohnten grossen Erfolg. Fritz Stein- 
bach, der zu Anfang durch eine ausserordentlich wirksame Steigerung Beethovens Egmont- 
Ouverture zu machtigem Eindruck vermittelt hatte, brachte nachher bei der ersten Kolner 
Wiederholung von Richard Strauss* Sinfonia domestica durch seine bezwingende, uber- 
aus humorvolle Art der Interpretierung das nicbt leichte Kunststuck fertig, auch erklarte 
Strauss-Gegner in den Bann des musikalischen Ereignisses zu Ziehen. 

Paul Hiller 

LEIPZIG: Zwischen Weihnachten und Neujahr gab es hier nur ein Konzert, einen 
Sonaten-Abend der Herren Stavenhagen und Berber, die zwischen Werken von 
Bach und Beethoven eine tuchtige Manuskript-Sonate op. 30 von A. Bee r- Walbru nn 



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204 
DIE MUSIK V. 9. 



erstmalig vorfuhrten. Das Neujahrskonzert im Gewandhause wurde durch Paul 
Homeyer mit dem Orgelvortrage von Bacbs F-dur Toccata kraftvoll eingeleitet und 
brachte weiterhin ausser etwas unzulanglichen Gesangsleistungen von Hermine Bosetti 
Mendelssohns „Sommernachtstraum-Ouverture a und eine recht gewandhauswurdige Inter- 
pretation der c-moll Sympbonie von Brahms. Im zwolften Gewandbauskonzert uberraschte 
Arthur Nikisch mit einer sehr liebevoll vorbereiteten Erstauffuhrung von Anton 
Bruckners achter Symphonie (in c-moll), die besonders mit ihren themenkraftigeren und 
geschlossener ge form ten zwei vorderen SStzen lebbaft interessierte, worauf dann nocb 
Henri Marteau in etwas sentimentaler Weise Beethovens Violinkonzert spielte und die 
w Oberon-Ouverture" den schwunghaften Ausklang des Abends bildete. Das secbste Phil- 
harmonische Konzert des Winderstein - Orchesters, das unter sch&tzenswerter 
solistiscber Mitwirkung von Elena Gerbardt und der trefflicben Violoncellistin Mar- 
guerite Caponsacchi stattfand, brachte neben Bruckners romantischer Symphonie 
(in Es-dur), die Hans Winderstein tuchtig vorfuhrte, zwei grSssere Novitaten: eine 
sympbonische Dicbtung „Auferstehung und jungstes Gericht" von Gerhard von Keussler, 
die bei talentbezeugenden Einzelheiten der Tonmalerei und der Instrumentation mit der 
Wahl des Vorwurfes, mit dem Allzuvielerlei des Programmes und mit einiger Magerkeit 
und geringer Pragnanz der melodiscb-thematischen Erfindung auf gerngrosses Anftlnger- 
tum scbliessen machte, — und ein Violoncello-Konzert op. 61 des ungarischen Kompo- 
nisten Emanuel Moor, das, abseits von mancberlei etwas bombastiscben und zerfahrenen 
Tuttistellen und Soloepisoden, den Violonceliisten zumal mit dem altertumelnden Andan- 
tino und mit dem dramatisch belebten Finale brauchbares neues Vortragsmaterial dar- 
bietet. An einem von Fritz von Bose unter Mitwirkung von Felix Berber und Julius 
Klengel veranstalteten Kammermusikabend gelangten zu Brahms' C-dur Trio noch zwei 
Novitaten zur Vorfuhrung: das rafflniert angelegte, allzu buntscheckige F-dur Trio op. 25 
von Georg Schumann, dessen beiden mittleren Satzen grossere Wirkung beschieden war, 
und eine durch Titelaufschrift und durch einige Absonderlichkeiten der Harmonisierung 
Max Reger gewidmete tuchtig gearbeitete F-dur Sonate op. 20 fur Violoncello und 
Pianoforte von Stephan Krehl. Dr. Ludwig Wullner tondeklamierte einen ganzen Abend 
lang Lieder von Otto Vrieslander, die einzelne hubsche Einfalle und ein sich besonders 
in eigenartiger Harmonieenverwendung ausserndes Talent fur moderne Ausdrucksmusik 
wahrnehmen lassen, in solcher Menge aber, wie sie Dr. WQllner vorfuhrt, ungeniessbar 
sind. Der Violinist Josef Achron wurde freundlich aufgenommen, obschon seine Bogen- 
technik zurzeit noch hinter der vortrefflichen Ausbildung der linken Hand zuruckbleibt und 
seine Tongebung W&rme und Abwechslung vermissen 13sst; grossen Erfolg hatte aber 
wiederum Miscba Elman, der ein eigenes Konzert in der Alberthalle gab. Die Klavier- 
spielerin Margarete Roedel erwies mit einem zu boch gegriffenen Programm und mit 
dessen vielfach unzureichender Ausfubrung, dass sie noch nicht recht konzertreif ist. 

Arthur Smolian 

LONDON: Der Monat Dezember mit seiner Weihnachtszeit — die hier eine Ferien- 
frist von fast einem Monat bedeutet — bringt immer eine gewisse Ruhepause in 
unserem Musikleben mit sich, und von dieser Regel ist auch diesmal nicht abgewichen 
worden. Jetzt tritt aber wieder der Wendepunkt ein, und den vorlaufigen Ankundigungen 
nach durfen wir einer Saison entgegenblicken, die an Fulle und Geriusch wenig zu 
wunschen ubrig lassen wird. Ob sie aber kunstlerisch Bedeutsames bringen wird, steht 
dahin. Von einheimischen Komponisten munkelt man, dass Elgar wieder mit einer 
grosseren Komposition im Stile des „Gerontius" hervortreten wird. Das Gerucht ist 
bisber von seiten der Hauptperson unbestitigt geblieben, allerdings aber auch nicht 
dementiert worden. Die wihrend der letzten Zeit abgehaltenen Konzerte unserer beiden 



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205 
KRITIK: KONZERT 



Hauptorchester, des Queens Hall- und Londoner Symphonie-Orchesters bieten 
zu keinen besonderen Bemerkungen Veranlassung. In dem Konzert der Symphoniker, 
vor Weihnachten, das zugunsten der russischen Juden veranstaltet wurde, wirkten auch 
die Bruder Hambourg mit. Das Programm enthielt nur Kompositionen polnischer 
und russiscber Tondichter und wurde von Mark Hambourg mit dem Cbopinschen Trauer- 
marscb erdffnet, den das Publikum stehend anhorte. Tschaikowsky war mit der 
funften Sympbonie und dann mit den Varianonen auf ein Rokoko-Thema fur Violon- 
cello und Orchester, dem ersten Satz des Violinkonzertes, und zum Schluss durch das 
Klavier-Konzert in b-moll vertreten, die eine vorzugliche Wiedergabe fanden. Das 
Queens Hall-Orchester bracbte nichts Neucs, aber dankenswertes Altes. Schuberts 
„Unvollendete a , Beettaovens Fiinfte; ausserdem Dvoraks „Stabat Mater", in dem Ada 
Crossley die Solopartie ubernoinmen hatte, und das seltener gehorte w Capriccio 
Espagnol" von Korssakoff. Im Saal Becbstein gab Adolf Rebner ein sehr erfoig'eiches 
Konzert, in dem er seinen Ruf als vortrefflicher Geiger beim Londoner Publikum weiter 
befestigte. Mit Percy Grainger spielte er auch eine Sonate von Richard Strauss fur 
Violine und Klavier, die in den musikliebenden Kreisen immer grossere Beliebtheit 
erlangt. Besonders beifallig wurde aber die von ihm gespielte Bachsche „Cbaconne a 
und die Romanze in G-dur von Beethoven aufgenommen. Die Fenalzeit wurde von dem 
Londoner Symphonie-Orcbester und dem Sangerchor aus Leeds, der 200 Personen 
zShlt, zu einem Ausfluge nach Paris benutzt, wo mehrere Konzerte veranstaltet wurden, 
bei denen auch Edouard Colonne wiederholt den Dirigentenstab fuhrte; die von kunst- 
lerischem Standpunkt unstreitig gelungene Veranstaltung wurde auch zu einer enthu- 
siastischen Kundgebung fur die ^Entente cordiale* benutzt. Dr. Adolf Rosendorff 

MAINZ: Die Mainzer Liedertafel brachte am 29. November eine Auffuhrung, deren 
erster Teil Liszts wunderbare Graner Messe bildete. Der Eindruck war ein 
tiefer und die Wirkung eine ergreifende. Als Solisten zeichneten sich aus Tilly Cahnbley- 
H inken, Pauline de Haan-Manifarges, Emil Pinks und Johannes Messchaert. Den 
zweiten Teil bildeten drei Kantaten von J. S. Bach: die Pfingstkantate: w O ewiges Feuer", 
die Altsolo-Kantate: „Schiage doch gewunschte Stunde", und als Schluss die uberwaMtigende: 
aEin' feste Burg" mit ihrem riesenhaften Eingangs-Chor. Ganz hervorragend war der 
Trompeter, Hofmusikus Kimmel aus Darmstadt, der in diesen bohen Bachstimmen kaum 
zu ubertreffen sein durfte. An der Orgel wirkte Prof. Franke aus Koln und am Pult 
Fritz Volbacb. In dem Kammermusikabend der folgenden Woche trug der Chor eine 
Reihe alter Werke a cappella vor, von denen besonders zwei altfranzosische Chansons 
geflelen. Ein weiterer Kammermusikabend des Heermannschen Quartetts machte 
uns mit einer sehr interessanten Novitat, mit Regers Violinsonate in fis-moll bekannt, 
meisterhaft vorgetragen von Prof. Heermann und dem Komponisten. Besonders der 
zweite und dritte Satz fanden lebbaften Beifall. In der Tat gehort dieser letzte Satz in 
Variationenform mit zu dem Bedeutendsten unserer Zeit. — Weniger starken Susseren 
Erfolg hatte Regers Sinfonietta im vorletzten Symphoniekonzert unter E. Steinbach, 
trotz ganz ausgezeicbneter Ausfuhrung. Es ist kaum moglich, dass das Publikum ein so 
kompliziertes Werk gleich in seiner Bedeutung zu erfassen vermag; dass es ihm aber 
sichtliches Interesse und guten Willen entgegenbrachte, zeugt fur den vorurteilsfreien 
Sinn unseres Publikums. Sehr gefeiert wurde in demselben Konzert Lula Gmeiner, die 
vier Lieder Regers, dabei zwei doppelt sang und sich und dem begleitenden Kompo- 
nisten manchen Hervorruf eintrug. Noch ist ein bedeutsamer Brahms-Abend zu erwdhnen, 
an dem unter Steinbach neben der e-moll Syrrphonie und den Variationen uber ein 
Thema von Haydn Marie Roeger-Soldat das Violinkonzert grosszugig vortrug und Herr 
Koennecke eine Reihe Brahmslieder mit Geschmack sang. Dr. Fritz Volbach 

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DIE MUSIK V. 9. 



MUNCHEN: Der neue Kaimdirigent Schneevoigt getat sehr wacker ins Zeug; in 
den letzten Konzerten hat er uns eine Anzahl neuer Werke gebracht, freilich mit 
wenig Gluck. S me tana's „Sarka w aus dem symphonischen Zyklus „Mein Vaterland" 
und die Sibelius'sche Tondichtung „Finnlandia a sind recht derb aufgetragen; wurde 
man in diesen Tonstucken nach poetischen Effekten suchen, so kSme man schwerlich 
auf seine Rechnung; Smetana, auch Sibelius haben Bedeutenderes geschrieben. Ohne 
alien tiefen Gehalt ist das erste Klavierkonzert Tschaikowsky's, das im 6. Kaimkonzert 
von Ossip Gabrilowitsch gespielt wurde; es wimmelt von Plattheiten. Nicht viel feiner 
ist Lalo's „Spanische Symphonie" fur Violine und Orchester, aber als Virtuosenstuck 
erfullt sie ihren Zweck. Dagegen sind wir dem Dirigenten fur die Auffuhrung des 
„Tragischen Gedichts" von Walther Lampe sehr dankbar; man kann dieses Tonstuck 
nicht besser ruhmen, als wenn man davon sagt, dass es das reine Gegenteil von Klose- 
scher und verwandter Symphonik sei; es ist ungeschminkte Wahrheit und Schlichtheit 
gegen den grobschlachtigen Schwulst. Lampe dirigierte sein Werk selbst; er haite es 
besser Schneevoigt iiberlassen. Im zweiten Konzert des Koniglichen Hoforchesters 
(Musikalische Akademie) war seine bekanntere „Serenade a gespielt worden. Sonst ist 
von den Veranstaltungen unseres ersten Musikinstituts wenig zu berichten. Dass Kloses 
prStensidse Symphonie „Das Leben ein Traum" heuer wiederholt wurde, finden wir uber- 
flussig. Regers „Sinfonietta a wurde im letzten Konzert vom Programm abgesetzt, da 
Mottl krank und Fischer nicht gewillt war, das Risiko zu ubernehmen. Recht flott, geist- 
reich ist die Orchester-Humoreske op. 15 von Kaskel, die im 3. Abonnementskonzert 
einen schonen Erfolg hatte. Mit Chorauffuhrungen sind wir ganz schlecht gestellt. 
Mangelt es an Kraften? Fehlt die Sangeslust, die man unseren rheinischen und nord- 
deutschen Brudern nacbruhmt? Keins von beiden; in mehr als 200 Gesangvereinen wird 
so froblich gesungen, wie nur irgendwo in deutschen Landen; aber man zersplittert sich 
in diesen vielen Duodezvereinen, denen Geselligkeit vor Kunst gent. Als vor einigen 
Jahren unser greiser Generalintendant Exzellenz von Perfall einen Aufruf an die Mun- 
chener Sanger erliess zur Grundung eines leistungsfahigen gemischten Chores, sollen 
sich, sagt die bose Fama, dreivieneldutzend Herren von den obgedachten kleineren 
Vereinen gemeldct haben, und das Projckt ftel ins Wasser. Die konigliche Vokal- 
kapelle, die im Mittdpunkt des Chorlebens stehen sollte, hat sich langst von alien offent- 
lichen Verncbtungen zuriickgezogen (den tiefgeheimnisvollen Grund weiss der Himmel). 
So sind wir fast allein auf den noch bestehenden Porgesschen Chorverein angewiesen, 
der, seit ihn Max Reger leitet, wieder erneutes Interesse gewinnt. Sein letzter Abend 
war allerdings nicht recht gliickiich, ais die Lisztschen Prometheus-Chore den grosseren 
Teil beanspruchen; kunstlich erhitzte Musik, alles Noblesse, alles Reflexion und kein 
frisches Luftchen gesunder Schopferlaune in dieser schwulen „Transzendentalitfit a . Reger 
maedte seine Sache als Dirigent, fur den Anfang, sehr gut; er weiss zu gestalten. Ein 
Ereignis war die Einweihung der prilchiigtn, neuen von Walcker in Ludwigsburg er- 
bauten neuen Odeons-Orgel durch Straube; aber es ware wirklich kein Verbrechen ge- 
wesen, wenn die konigliche Akademie der Tonkunst das Instrument durch ein eigenes 
Konzert, mit eigenen Kraften der Offentlichkeit ubergeben hatte. Dass die Renaissance- 
bewegung auch in Miinchen Boden gefasst hat, zeigt die wachsende Haufigkeit „retro- 
spektiver" Konzerte. Wird auch Bach von unsern grossen Orchestern alten Traditionen 
gemiiss immer noch tapfer verballhornt, so haben wir doch schon eine Reihe historischer 
Tonschopfungen in originaler Besetzung mit Cembalo, Viola d'Amour, Gambe, reduziertem 
Orchester usw. gehort. Die von Dr. Bodenstein ins Leben gerufene ^Deutsche Ver- 
einigung fiir alte Musik" gab einen Kammermusikabend mit Werken von Erlebach, 
Stamitz, Neefe, Mozart u. a. Gustav Drechsel brachte unter Mitwirkung des Kaim- 



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KRITIK: KONZERT 



orchesters und der Cembalistin Frl. Frey u. a. eine Symphonie von C. Ph. Em. Bach 
und das Concerto grosso No. 2 von Handel zur Auffuhrung, beide mit nachhaltigem 
Erfolg und hoffentlich fruchtbarer Nachwirkung auf die grossen Bachauffuhrungen der 
Musikalischen Akademie. Aus der Fiille kleinerer Abende seien die Kammermusik-Soireen 
Berber-Stavenhagen, die Quartettabende der „B6hmen" und der w Munchener", 
die Konzerte der Pianisten Becker, Hambourg, Bandow hervorgehoben; auch einen 
Jank6-Abend, in dem Prof. Hansmann das merkwiirdige Klavierinstrument erlauterte, 
konnen wir verzeichnen. Endlich die Liederabende: Willy Martin, Helene Staegemann, 
Paula Wizemann und Mathilde Haus-Knauer; letztere konzertierte mit Max Reger 
und sang mehrere von seinen Liedern aus op. 76 und 88, darunter die humoristischen 
w Zwiesprach a und „Spatz und Spatzin", Produkte einer seltsamen Scherzhaftigkeit, auf 
deren Ton nicht jedermann gestimmt ist; aber — wenn man nur zum Scherzen aufgelegt 
ist. Es lebe der Scherz! Dr. Theodor Kroyer 

MONSTER i. W.: Ein Liederabend Arthur van Eweyks eroffnete die Saison. In seinem 
ersten Konzert brachte der Musikverein (Dr. Niessen) neben der Euryanthe- 
Ouverture Schuberts C-dur Symphonie zur Auffuhrung, deren Wiedergabe in gleicher 
Weise wie bei ihrer letzten Auffuhrung vor vier Jahren befriedigte. Solistisch wirkte 
Pablo de Sarasate mit, der nur durch den Vortrag des Violinkonzerts von Saint-Saens 
zu interessieren vermochte. In schwacher Besetzung sang der Chor des Musikvereins 
w Fruhlingsbotschaft a von Gade. Eine misslungene Auffuhrung von Bruckners zweiter 
Symphonie in c-moll ist im zweiten Konzert zu verzeichnen. Sorgfaltiger hatte der 
Dirigent das Vorspiel und Isoldens Liebestod aus „Tristan" vorbereitet, doch liess das 
Orchester die Solistin Cacilie Rusche-Endorf mit ihrem nicht sehr ausgiebigen Organ 
nicht aufkommen Mit einigen Liedern von Liszt errang sich die Kunstlerin gunstigere 
Erfolge. Eine kuhle Behandlung erfuhr die Ouverture zu „Iphigenie in Aulis" von 
Gluck, womit der Musikverein sein drittes Konzert begann. Das Nocturno aus dem 
„Sommernachtstraum a hatte eine etwas reichere dynamische Schattierung aufzuweisen. 
Mit den Tempi bei Beethoven kann man sich bei Dr. Niessen nicht immer ein- 
verstanden erklSren. Als eine vortreffliche Schumannspielerin erwies sich Anna Haasters- 
Zinkeisen in dem Klavierkonzert op. 54 und in den Papillons. Im vierten Konzert 
gelangte eine Novitat, Serenade fur Orchester von Elisabeth Kuyper zur Auffuhrung. 
Es ist eine brave Arbeit, die aber wenig Geist verrat. Dvor&ks vierte Symphonie ver- 
wischte den Eindruck, den man von der Serenade noch gewonnen, vollkommen. Als 
eifrigen Anhanger Liszts und Berlioz' offenbarte sich Dr. Niessen schon in „Les Preludes" 
und noch mehr am ersten Cacilien-Konzert in „Fausts Verdammung". Chor und 
Orchester beherrschten ihre Aufgabe in weitestem Umfang, und auch die Solisten: 
Marcella Pregi, Emil Pinks und J. M. Orelio entsprachen alien Erwartungen. Der 
zweite CScilientag war eine d'Albertfeier. Er spielte zunachst das Klavierkonzert in 
Es-dur von Liszt, dann leitete er seine Komposition „An den Genius von Deutschland", 
die mit einem grossen Orchesterapparat wenig erreicht, und endlich iibernahni d'Albert 
noch den Klavierpart in Beethovens Chorphantasie. Auch mit einigen Liedern von 
d'Albert wartete Frl. Pregi auf, doch lagen sie ihr weniger gut. Die Symphonie in B-dur 
von Schumann haben wir unter Dr. Niessens Leitung fruher besser gehort. Die Kunstler- 
konzerte erreichten mit dem Wagnerabend von Dr. Briesemeister und Marie Knupfer- 
Egli ihren einstweiligen Hohepunkt. Am 15. November wurde das Grimmdenkmal 
enthullt und die Feier am Abend durch ein Konzert begangen, in dem ausser einem 
Violinkonzert von Mozart, das Joachim spielte, nur Kompositionen des allverehrten 
Meisters Grimm zur Auffuhrung kamen. Ernst Bruggemann 



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208 
DIE MUSIK V. 9. 



NEW YORK: Nictat weniger'als neunzehn Dirigenten wird man in dieser Saison in 
New York zu horen bekommen, und die Zahl der Orchesterkonzerte betr&gt mehr 
als hundert. Eine eigentumliche Arbeitsteilung besteht in diesem Zweig der Musik, wie 
vielleicht sonst nirgends. Sam Franko z. B. ist ein musikalischer Schliemann, der jeden 
Winter drei Konzerte gibt, in denen er „Novita*ten a des 17. und 18. Jahrhunderts auffuhrt. 
Frank Damrosch gibt ein balbes Dutzend fur junge Leute und ausserdem drei, in denen 
neben einem Orchesterstuck die alte italieniscbe Kirchenmusik nebst modernem Chor- 
gesang aufgefuhrt wird. Franz Arens widmet sicb den unbemittelten Klassen: seine 
Konzerte zu sehr geringen Eintrittspreisen werden jedesmal in verschiedenen Stadtteilen 
dreimal wiederholt. Modest Altschuler dirigiert acbtmal; seine Programme enthalten 
nur russische Musik! Rachmaninoff wird als Gast mitwirken. Ein anderer Russe, 
Safonoff, ist der beliebteste der Dirigenten, die in den letzten Jahren von der Phil- 
barmonischen Gesellschaft importiert worden sind. Seine diesjShrigen Koliegen sind 
Mengelberg, Fiedler, Steinbacb, Kunwald, die alle den Ozean fur je ein paar 
Auffuhrungen kreuzen, und ausserdem Victor Herbert, zurzeit der beliebteste 
Operettenkomponist (er soil 8000 Mark per Woche verdienen!) und daneben, wie Johann 
Strauss, ein sehr gediegener Musiker. Weingartncr wird einige Konzerte mit Walter 
Damroscbs Orchester dirigieren. Mengelberg und Fiedler sind bereits erschienen. 
Ersterer bat als Straussinterpret, letzterer als Wagner- und Beethovenkenner besonders 
gefallen. Von Violinisten sind bisher neben Kubelik, der mit mehr Gefuhl spielt als 
fruher, drei Damen erschienen: zwei Englanderinnen Otie Chew und Marie Hall; letztere 
hat Talent, aber ist weniger Kiinstlerin als die Amerikanerin Maud Powell, Unter den 
uns diesmal besuchenden Klaviervirtuosen ragen hervor: Pugno und Reisenauer. Das 
Bostoner Orchester hat uns mit Vincent D'Indy als Gastdirigenten bekannt gemacht. 
Er fuhrte nur eigene und daneben Werke der C6sar Franck-Schule auf; man kann aber 
nicht sagen, dass sie besonderen Anklang fanden. Fast alien fehlt die individuelle Note, 
und die meisten sind zu absichtlich kakophon. Henry T. Finck 

SAN FRANCISCO: Unsere dieswinterliche Saison erSffnete Hugo Heermann mit drei 
Konzerten, in denen er Konzerte von Brahms, Beethoven, Spohr, Joachim etc. zum 
Vortrag brachte. Seine reife gediegene Kunst fand in den leider nur spjirlich besetzten 
SSlen die verdiente reiche Anerkennung. Sein Sohn, Emil Heermann, der ausser Duetten 
mit seinem Vater auch Konzerte von Paganini, Tschaikowsky, die Chaconne etc. spielte, 
bedarf dagegen noch sebr tuchtigen Studiums. Der sehr beanlagte junge Geiger folgt 
in seiner Vortragsart mehr der leider eben modernen SevSik-Schule, statt seinen Vater 
als Lehrmeisier anzuerkennen. Ich meine, beim Geigen soil man zunachst sich bestreben, 
alles das herauszuholen, was in der Geige ist, und nicht seine ganze Schwerkraft auf 
iusserlichcn Fulefanz legen. Der Zweck des Spielens eines Instrumentes ist doch der, 
Musik zu macben, und nicht als Sportsmann aufzutreten, der der staunenden Menge 
zeigt, wie schnell er die Finger bewegen kann. So etwas gehort ins Vari6t6 und nicht 
in den Konzertsaal. Das sollen sich die Sev&ikschuler im besonderen gesagt sein lassen. 
Um den jungen Heermann ware es schade, wenn er den musikalisch so unfruchtbaren 
Kubehkschen Spuren folgen wollte. — Nach den Heermanns kam Harold Bauer, der 
in vier Rezitals Pioben seiner Kunst ablegte. Er ist gereift und vertieft gegen fruher 
und besitzt deshalb eine so wohltuende Art des Vortrags, weil er dem Pubhkum gar 
keine Konzessionen macht. Ich wunschte ibm nur noch eine etwas mehr personliche 
Note. Er kann begeistern, aber noch nicht hinreissen. Hoffentlicb kommt das auch 
noch. Bauers Programm bcstand meistens aus hier weniger gehorten Sachen; er 
exzellierte speziell in der cbromatischen Pbantasie und Fuge und den DavidsbundlertSnzen. 
Er ist ubrigens der geborene Bach- und Scbumanninterpret.— Hatten wir es im vorigen mitGe- 



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KRITIK: KONZERT 



nussen furdasOhrzu tun, so kam jetzt etwas mehr fur das Auge: MmeEmmaEames undihre 
Trabanten. Mme Eames ist zweifellos eine hervorragend scboneErscheinung und besitzt die 
wundcrbarstenToiletten,die man sich denken kann ; einem On dit zufolge sollen sie von ihrem 
Bildhauergatten personlich entworfen sein Der Genuss, sie auf dem Podium zu setaen, 
h6rt aber leider auf, sobald sie den Mund auftut. Denn itare Stimme ist schrill in der 
Hobe, mancbmal so scharf wie ein Messer — ich sah verschiedentlich Damen zusammen- 
fabren — , sie deioniert hiufig, der Vortrag ist obne jeden Ausdruck und ihre Deklamation 
geradezu miserabel. Sie ist sictaer die schlechteste Sangerin, die ich seit Jabren gebdrt 
babe. Wenn sie als eine Mrs. Smith und nicht als die fur ihre Extravaganzen berubmte 
Primadonna der ebemalig Grauschen Oper gekommen ware, so hatte sie kein zweites 
Konzert geben konnen. Aber das Paderewski-Publikum war wieder in grossen Scharen 
ausgeruckt — ein sicheres Zeichen, dass die Musikliebhaber zu Hause bleiben sollen. 
Die Eames - Konzerte w3ren zweifellos schoner gewesen, wenn sich Madame nur 
vor dem Publikum verbeugt — und dann wieder abgetreten wSre, denn man kam ja 
schliesslich doch nur, um sie zu sehen. Dagegen konnte man sich wohl ihre w Trabanten* 
gefallen lassen. Emilio de Gogorza hat eine hervorragend gute Baritonstimme und gute 
Diktion, die mancbmal nur vielleicht etwas zu sehr auf die Wirkung berechnet sind. Aber 
er ist wenigstens ein Kunstler, der wie auch der hollandische Cellist Joseph Hollman 
mit Recht gefeiert wurde. — Das schonste der in drei Wochen des Oktober gegebenen 
elf Konzerte war unstreitig das letzte, in dem Hugo Heermann und Harold Bauer 
sicb in einem Sonntagsnachmittagskonzert zusammen horen liessen. Ein derartiges Auf- 
gehen ineinander, wie es diese beiden Kunstler fertig brachten, ist heutzutage eine 
Seltenheit, wo so oft die Musik der eigenen lieben Personlichkeit geopfert wird. Speziell 
der Klavierpart wurde mit bewundernswerter Diskretion trotz geoffneten Flugels durch- 
gefuhrt. Das Programm bestand aus der Kreutzersonate und einer Sonate von C6sar 
Franck; ausserdem spielte Hugo Heermann die zweite Bachsonate fur Violine allein, und 
Harold Bauer Kompositionen von Brahms, Chopin, Schumann und Liszt. Es war ein 
grosser, uneingeschrSnkter, leider deshalb so seltener Genuss. — Ausser diesen Solisten- 
konzerten batten wir noch ein Symphoniekonzert unter Leitung von Signor Polacco, 
dem Kapellmeister der bier gastierenden italienischen Oper. Solche Konzerte sind fur 
uns etwas Seltenes; um so mehr muss anerkannt werden, wie tuchtig sich das Orchester 
hielt. Ich hatte ihm nur einen besseren Dirigenten gewunscht; Polacco ist ein tuchtiger 
Operndirigent, aber von eigentlicher Konzertmusik hat er wenig Ahnung. Die Eroica 
war, speziell im ersten Satz, so langweilig als moglich, dabei viel zu schnell im Zeit- 
mass. Aus der Weingartnerschen Bearbeitung der w Aufforderung zum Tanz" schien er 
nicht recht klug zu werden, wahrend ihm das Vorspiel und der Liebestod (Tristan) 
wirklich sehr gut gelang. Dagegen war die Tannhauserouverture wieder ganz im italie- 
nischen Stil: zuletzt erhoben sich sogar die vier Posaunisten von ihren Sitzen und 
8chmetterten das Pilcbercborthema mit solchem Aufwand von Lungenkraft, dass Ibr 
Korrespondent schleunigst das Weite suchte. Dr. A. Wilhelmj 

SCHWER1N i. M.: Auf eine Fidelio-Auffuhrung folgte ein Beethoven-Abend. Nach 
der Coriolan-Ouverture erklang fein pointiert und grosszugig die „Funfte a . Alfred 
Meyer spielte das Violinkonzert mit edlem Vortrag und eleganter Virtuositat. Ein Ron- 
dino fur Blasinstrumente passte seinem Inhalte nach nicht so recht in das sonst vorzug- 
licbe Programm. Uber die letzte Kammermusik sei bemerkt, dass neben Beethovens 
op. 59 No. 2 und Haydns Kaiser-Quartett Arthur Egidy-Berlin mit Kompositionen von 
Bach-Liszt und Guilmant sich als ein hervorragender Virtuose erwies. Fr. Sothmann 

Wegen Raummangcls mussten fiir das nachste Heft zuriickgestellt werden die Beriehtc: Agram, Bremen, Darm- 
stadt Freiburg i. B., Hannover, Melbourne, Nurnberg, Petersburg, Pforzheim, Rosario, Zurich (Konzert). 



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EINGELAUFENE NEUHEITEN 



Emil Sjogren: Sonat No. 2 A-dur fdr Piano, op. 44. Ebenda. 

Max Reger: Zwei Kompositionen fur Violine mit Begleitung des Pianoforte, op. 87. 

No. 1: Albumblatt (Mk. 1,50), No. 2: Romanze (Mk. 2,50.) Verlag: Otto 

Forberg, Leipzig. 
Theodor Wiehmayer: Tonleiter-Scbule fur Pianoforte. (Mk. 5.) Verlag: Breitkopf & 

HSrtel, Leipzig. 
Franz Mayerhoff: Lenzfahrt. Zyklus von Liedern und Tanzen fur gemischten Chor, 

Soloquartett und Orchester. op. 24. (Klavierauszug Mk. 3.) Verlag: 

Chr. Fr. Vieweg, Gross-Lichterfelde. 
Amadeus v. d. Hoy a: Die Grundlagen der Technik des Violinspiels. II. Teil, II Abt. 

(brosch. Mk. 5.) — Tonleiter-Akkord- und Intervall-Studien. Anhang zum 

II. Teil der „Grundlagen der Technik des Violinspiels" (brosch. Mk. 2.) 

Verlag: Max Hesse, Leipzig. 
Ignaz Moscheles: Konzert No. 3 in g-moll fur Pianoforte zu zwei Handen. op. 58. 

Genau bezeichnet und herausgegeben von Carl Reinecke. (Mk, 2.) Verlag: 

Breitkopf & Hartel, Leipzig. 
Job. Seb. Bachs Werke: Veroffentlichungen der Neuen Bachgesellschaft, Jahrgang V, 

Heft 2. Ausgewahlte Arien fur Sopran mit einem obligaten Instrument und 

Klavier- oder Orgelbegleitung (Mk. 5.) — Jahrgang VI., Heft 1. Ausgewahlte 

Arien fur Alt mit einem obligaten Instrument und Klavier- oder Orgel- 
begleitung. (Mk. 6.) — Heft 2. Ausgewahlte Duette fur Sopran und Alt 

mit einem obligaten Instrument und Klavier- oder Orgelbegleitung' (Mk. 3.) 

Ebenda. 
D. Gentilli: Ier Air vari6 sur un Theme de Mozart pour violon et piano. (Mk. 1,50.) 

Verlag: C. Schmiedl & Co., Triest. 
Max Schillings: Dem Verklarten. Eine hymnische Rhapsodie nach Worten Friedrich 

Schillers fur gemischten Chor, eine Baritonstimme und grosses Orchester, 

op. 21. (Klavierauszug Mk. 6.) Verlag: Robert Forberg, Leipzig. 
Arnold Mendelssohn: Vier Gesange auf Volksliedertexte fur eine miitlere Stimme mit 

Guitarre oder Klavier. (a Mk. 1,50.) Ebenda. 
Christian Sinding: Alte Weisen. Gedichte von Gottfried Keller. Fur eine Sing- 

stimme und Pianoforte. (No. 1- 6 a Mk. 1.) Ebenda. 
Edmund von Freyhold: Gesungene Gedichte mit Klavierbegleitung. (No. 1—4 a Mk. 1, 

No. 5 und 6 a Mk. 0,80.) Verlag: Emil Sommermeyer, Baden-Baden. 
Carlo Carturan: Suite per Pianoforte. (No. 1 Mk. 1, No. 2—5 a Mk. 0,75.) Verlag: 

Garisch & Janichen, Leipzig und Mailand. 
C. Floridia: Huit morceaux pour Piano, op. 14. (No. 1, 2 a Mk. 1,50, No. 3—8 

a Mk. 1,25.) Ebenda. 
Luigi Stefano Giarda: Frammenti per Pianoforte, op. 48. (No. 1, 4, 5 a Mk. 1, 

No. 2, 3, 6, 7 a Mk. 1,25.) Ebenda. 
Ludwig Neubeck: „In stiller Schone" fiir eine Singstimme mit Klavierbegl. (Mk. 1.) 

Verlag: Ries & Erler, Berlin. 
L. R. Feuillard: Schule der Bogentechnik von O. Sevcik op. 2 fur Violoncello uber- 

tragen. Heft I, II, V a Mk. 2, Heft III, IV, VI a Mk. 1,50. — 40 Variationen 

von O. Sevcik op. 3 fur Violoncello ubertragen. (Mk. 2.) Verlag: Bosworth 

& Co., Leipzig. 

Einsendungen sind nur an die Redaktion ru adressiercn. Besprechung cinzclner Wcrkc vorbehaltcn. Fiir'dic 
Betprechung unverlangt eingesandter Biicher und Musikalien, deren Riicksendung kcincsfalls stattfindet, ubex- 

nchmcn Redaktion und Verlag keine Garantie. 



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ANMERKUNGEN 2U 
UNSEREN BEILAGEN 




Die Mehrzahl unaerer dieamallgea Hluatrationen beziebt aich auf die Abbandlung von 
Edgar Istel fiber die Entwlcklung des deutschen Melodrama*. Die Reibe wlrd 
crGffaet durch das Bfld 

Rouaaeau la Montmorency, nich elncm biBber vollstlndig unbekanaten Sticta tod 
Gu£Hq, Ei folgen 

sechs kletne Abblldangen nach Kupfern des berfihmten Moreia le Jeune za 
Rousscau'i ^Pygmalion"* Die Original* be find en aich In elner sebr aettenen, 
tod Berquin besorgten Tersifizierten Aasgabe des „Pygmallon", die 1775 su Paris 
erscblen. Wle una Edgar Istel tnftteltt, Mesa er dlese kleinen Sticho der 
Inszenlerung des Werke* bei der Auffubrung, die der Orchestcrrerein Is Mflnchon 
auf seine Anregnug bin mlt der tod Ibm entdeckten Rouseeau'scbea Orfgtnaimuaik 
Teranstaltete, zugrunde tegeo, da file am getreueeten ein Bild von den enten 
Attffiibrungea ergtbea, 

Daa Portrlt Go org Ben das 1st nacb elnem Srtch von Geyser gehrtlgt 

Dae nlebste Blatt stelit Bather Charlotte Brandos En der Rolle der Ariadne aaf 
KaxoB dsr. Uoser Bild 1st die Viedergibe elnes prachtrollen Sticbe* von 
beriihmten kurpflUxischen Kupferatecher Helniich Slntzenlch nacb dem 
von Anton Graft 

Die Erlaubait zur Wiedergabe der ersten Partitnraeite von Beads* .Ariadne* lm Fake I mile 
Terdaoken wir Oberblbllothekar Dr. Kopfermann In Berlin. 

Zum Scblusa die Portrits zweier lm Jaauar verschledeaen ausgezelchneten Kfinatler: 
Joseph MirosUv Weber und Otto Scbelper* Der am Neujabrstage infblge 
HerzschlagB so jBh aus dem Leben geschiedene crate Konzertmeister der Mfincbener 
Hofkapelle J*M. Weber bat etch auch als Operndirigeat (KgL preussischer Mttaik- 
dlrektor) und mehrftch preisgekrfnter KompoDist^Kammermuslk, dleSpleloper „Die 
neue Mamsell^ Violin fconzcrt u, a.) einen hocbgeacbteten Namen gemaebL 

Ober den am 10. Januar Terstorbenen hervorragenden Barltonisten Otto Schelper 
vgh die Notiz auf S. 190. 




Ntcbdruck nur mlt iiifldriick Metier ErUubali d«t TerLifpa ft ■ tit I it 

Alle R«hte > [n*k**ond*r* di* der CbefKliuiif, vorbebilten. 

Fttr din Zuritcktcndunf unverliDj;Tcr oder plcht *af em tltlttor Muuakrfptc, hlli fanea nlcht ten* 1**4 

Porto bcl licet, Obtrnlmmi die Redtkrion kel&e Girtnrie, Scfcwer Iwerlldhe M*flbtkriptt wcrden vdtapriJt 

zurittfcfCHndt 

Veraotwortlicher Schriftleiter: Kapellmeister Bernhard Schuster 
Berlin SW. 11, Luckenwalderstr. 1. Ill, 



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JEAN JACQUES ROUSSEAU 
nach dem Stich von C, Gu€rin 



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SECHS STICHE ZU ROUSSEAU'S ^PYGMALION* 
VON MOREAU LE JEUNE o o o o o o 



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ESTHER CHARLOTTE BR ANDES 
ALS ARIADNE AUF NAXOS O O 



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SECHS ST1CHE ZU ROUSSEAU'S M PYGMALION" 
VON MOREAU LE JEUNE o o o o o o 



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GEORG BENDA 



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ESTHER CHARLOTTE BRANDES 

ALS ARIADNE AUF NAXOS o o 



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JOSEPH MIROSLAV WEBER 

f U Jsmuar 1906 




V. 9 



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OTTO SCHELPER 

f 10. Jarniar 1906 



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Scfalui 



VII 

Jon der Notwendigkeit, das Wagnerische und das gehaltvoile nach- 
vagnerische Musikdrama an mSglichst vielen Often in Deutsche 
SpielhSusern zu pflegen, ist jungst an dieser Stelle eingehend 
gesprochen worden. 1 ) Im Weiteren kommt fur eine logische 
und praktiscbe DurchFubrung der BQbnenrefonn vomebmllcb Dreierlei in 
Betracht. Dass Wagner aucb fur das gesprochene Drama die Form 
des Deutschen Spielhauses geschaffen hat. Dass wir t in Ruckstcht auf die 
verschiedenen Arten des gesungenen wie des rezitierten Stuckes und der 
diesen Sondergattungen entsprechenden Dgrstellungsmittel, grSssere and 
kleinere Amphitheater brauchen* Dass die vor einem Amphitheater 
befindliche Szene nicht mehr in fiberm&ssiger Ausdehnung gegen die Tiefe 
zu das licherlicbe, schaubudenmttssig zugestutzte Guckkastenbild des 
Opernfaauses zeigen darf, sondern im Zusammenwirken einea einfach uber- 
sichtlichen, aber architektonisch bedeutangsvollen Gesamtaufbaus, stilislerter, 
also anti-naturalist ischer Ausstattung und verst9ndig angeordneter Beleuch- 
tung eine sinnvolle Koovention ergeben soil* 

Fur eine spStere ausfuhrliche Sonderbetrachtung muss icb das hocb* 
wichtige Knpitel von der neuen, der bisherigen ingstlicb-peinlichen Natur~ 
nacbabmung durchaus entgegengesetzten Einrichtung und Zuriistung der 
BGhne znriickstellen, vie solche der kcmsequente Reform freund insbesondere 
aucb ffir die Inszenierung der Oper und des Musikdramas anzustreben 
bat 4 ) Vom gesprochenen Schauspiel 1st in diesem Zusammcnhange 
wenigstens auf dern Wege des abgekurzten Verfahrens zu reden; Schillers 
Wort: .willst Du DIch setber erkennen, so sleh', wie die Andeni ea 
treiben* llsst sich getrost auch auf den Musiker anwenden, der im Er- 



l ) Siebe xvaites Januarbeft 1906, 

S E* vird alsdanu an dieser Stella aucb auf dte vortrelfllche Set rift von Georg 
Pucba: w Die Scbautafihne der Zukucft* und auf Cart Hagemann's feaiclndc und 
gehiltroUe Studlenaammliingea „Regie* und w Oper und Szeoe* elniugehan tain. 
Elofttwetlen m&cbt* Icb diew schr riankenawenen, aurkllxeoden Verflfbntlicbungen 
den Refonnfreunden angelegeadich empfebJen. 

15» 



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216 
DIE MUS1K V. 10. 



forschen der Lebensbedingungen der Schwesterkiinste sich um so besser 
daruber klar wird, was ihm im engeren Tatigkeitsbereich not tut. 

Nicht weniger als die aus dem Geist der Musik geborene Tragodie 
verlangt die gesprochene eine Szene, die vom Zuschauerhaus durch den 
neutralen, dunklen, dem Spielpodium vorgelagerten Raum fiber dem ver- 
deckten Orchester vollig geschieden ist, die allein hier in einer eigenen, 
vom „Draussen tt scharf abgetrennten Lichtsphare lebt. Und die somit die 
Illusion einer wie aus geheimnisvollen Tiefen aufgestiegenen anderen Welt 
weckt und nahrt und bildmassige, bildkrSftige Wirkungen einer ecbten und 
rechten Biihnenhandlung einzig ermoglicht. Erst die Klassikervorstellungen 
im Munchner Prinzregenten-Theater haben, unbeschadet der ihnen bei 
bisher stets ungeniigender Vorbereitung anhaftenden MSngel, uns restlos 
offenbart, welch' unvergleichlicher Plastiker Goethe war, welch' hohe 
Summe idealer Bewegungsmotive auch in den gemeiniglich als ultra- 
realistisch angesehenen Auftritten Shakespeare's enthalten ist. Sie haben 
uns gezeigt, wie die unzahlbaren malerischen Feinheiten der Schillerschen 
Theaterphantasie nicht durch den bunten Trodelkram der Meininger Mobel- 
tischlerei und der Wiesbadener Schneiderwerkstatte, sondern durch die 
isolierte, als Traumland des schonen Scheins von der Wirklichkeit streng 
geschiedene Szene ausgelost werden. Negativ ausgedriickt: hier konnen 
bei geoffneter Gardine Zuhorersaal und Buhne nicht mehr zu einem truben 
Brei von festgebannten, auf ihren Sesseln gleichsam erstarrten und von 
hin und wieder hastenden Gestalten, von grundverschiedenen, wirr durch- 
einanderfliessenden Lichtquellen und hart gegeneinander schreienden Farben 
verschwimmen. Das abschreckendste Beispiel: das umgebaute Berliner 
Schauspielhaus. Nicht nur, dass in ihm die Proszeniumslogen mit ihrem 
gleissenden Schmuck dem Schauplatz ganz besonders aufdringlich entgegen- 
starren: der Architekt hat auch den unbegreiflichen Fehler begangen, vom 
Parkett bis zur obersten Galerie einen stechenden weissgelben Ton vor- 
herrschen zu lassen. Beginnt nun das Spiel, so saugt bei selbst nur 
halbhell beleuchteter Szene der Zuschauerraum eine Ueberfiille von Licht 
ein. Ein Gewurstel von Reflexen entsteht. Alles, was sich vom Podium 
her darbietet, nimmt sich wie ein Gemalde aus, das man nach Beseitigung 
des Rahmens schlankweg auf ein grelles Tapetenmuster geklebt hat. 

Aehnliche, die Illusion zerstorende, die mitschaffende Phantasie des 
aufmerksam teilnehmenden Horers, also die wichtigste Bundesgenossin des 
Dichters und Tonsetzers lahmlegende Misstande machen sich mehr oder 
weniger in alien nach dem Rangsystem erbauten Theatern geltend. Sind sie 
bisher von einem Teile des grossen Publikums als solche nicht besonders stark 
empfunden worden, so liegt das daran, dass in friiheren Zeiten an unseren 
gesamten Bildungsstatten, von den Volksschulen bis zu den hoheren Unter- 



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217 
MARSOP: ZUR BOHNEN- UND KONZERTREFORM 



richtsanstalten fiir beide Geschlechter, die Erziehung zum Sehen straf- 
lich vernachlassigt wurde. Je mehr jetzt auf diesem Gebiete Wandel 
geschaffen wird, je mehr die jungere Generation unter dem Einfluss der 
neueren Entwicklung der Malerei und des Kunstgewerbes das oberflachliche 
Gefallen an groberen stofflichen Reizen verliert und die Begriffe „Farbe a , 
„Form u , *Bild a und „Stil tt im Sinne eines durch liebevolles Eindringen 
in die Natur zur Reife gedeihenden kiinstlerischen Empfindens verstehen 
lemt: um so entschiedener wird allseitig darauf gedrungen werden, auch 
vor wie auf der Buhne mit den Talmiwerten und Warenhaus-Schaueflfekten 
aufzuraumen. Wie die Ausstellungen und Museen, sofern sie nicht der 
Leitung einseitiger, mit ihren Gedanken in der Vergangenheit lebender 
Gelehrter, sondern berufener, hellsichtiger Volkserzieher unterstehen, so 
werden in Zukunft auch die Amphitheater Schulen des Auges sein. 
Der Charakter des Raumes als solcher wehrt sich gegen Spiegelfechterei, 
gegen Versuche, den Horer durch Matzchen der dekorativen Ausstattung, 
der Regie, des Vortrages auf bequeme, unredliche Art zu gewinnen. Er 
erzieht das Publikum wie die Darstellenden. Auf seiner Szene kann man 
Vers und gehobene Prosa schlechterdings nicht naturalistisch zerhacken: 
auch der weniger vorgebildete Theaterbesucher wird hier alsbald des 
Kontrastes zwischen der stilisierten Architektur des Hauses und unsauberer 
oder affektierter Sprechweise, nachlassigen oder inhaltlos grosspurigen 
Gesten mit Befremden gewahr. Bei liebevollem Studium muss auf der 
Buhne des Deutschen Spielhauses zugleich die grosste Eindringlichkeit 
und die hochste musikalische Schonheit des gesprochenen Wortes erreicht 
werden. Dazu eine Reinheit, Kraft und Harmonie der Bildwirkung, die 
Goethe, Schiller und Shakespeare in Bezug auf Bedeutung, Energie und 
Abrundung der Geberde, Reiz des losen wie des geschlossenen Ineinander- 
spiels, plastischen Eigenwert und Mannigfaltigkeit der Gruppenwirkungen 
iiberhaupt erst zu ihrem Rechte gelangen lasst. 

Was ware nun in einem Biihnengebaude mit grosserem Amphi- 
theater, das bis 1500 Personen fasste, von gesprochenen Schauspielen 
zweckmassigerweise zur Auffiihrung zu bringen? Vor allem das Stuck von 
mehr pathetischer Haltung, vornehmlich soweit es in Versen geschrieben 
ist und somit ein langsameres Zeitmass der Rede verlangt. Also beispiels- 
weise: die geistlichen und die weltlich romantischen Spiele Calderon's 
und der ihm verwandten Geister; die Tragodien Shakespeare's und seine 
Historien; Lessing's „Nathan a ; alle Dramen Schiller's mit Ausnahme von 
„Kabale und Liebe" ; Goethe's „Tasso a , „Iphigenie a und ^Natiirliche Tochter* ; 
Grabbe's B Don Juan und Faust"; fast alles, was Kleist und Grillparzer fiir 
die Buhne schrieben; Friedrich Hebbel in Auswahl. Von Neueren: was 
ungefahr in die geschichtlich-patriotische Sphare Wildenbruch's und Martin 



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218 
DIE MUSIK V. 10. 



Greifs, in die phantastische des Ibsen'schen „Brand a oder „Peer Gynt*% 
oder des Hauptmann'schen „Hannele a fallt. Dazu: das Volksstuck hoherer 
Ordnung in der Art des Raimund'schen, sofem es gleichfalls auf verhaltnis- 
massig breitere Tempi gestimmt ist. 

Allerdings sind fur Schauspielvorstellungen in Hausern mit amphi- 
theatralischem Zuschauerraum besondere Vorkehrungen zu treffen. Man 
hat das Orchester zu iiberdecken, am besten durch einen praktikablen, 
leicht anzubringenden und ebensoleicht zu entfernenden Holzeinbau 1 ) — 
keinesfalls, wie es bisher im Prinzregenten-Theater geschah, durch eine 
zwischen den Innenrandern des oberen und des unteren Schalldeckels auf- 
gespannte Leinwand. Denn da der obere Schalldeckel ein ganzes Teil fiber 
der Rampe liegt, schluckte diese schrag aufsteigende Leinwand nicht wenig 
Ton ein, zumal wenn sich die Darsteller in der Nahe des Proszeniums 
aufhielten. Des Femeren miissen fur Schauspielauffuhrungen moglichst 
kurze Dekorationen gewahlt werden. Weiter oben setzte ich bereits 
auseinander, dass die unselige tiefe Opernszene mit ihrer unendlichen 
Guckkasten-Perspektive fur das Deutsche Schauspiel geradezu ein Verhang- 
nis wurde. Vor dreiviertel Jahren hatten wir im Prinzregenten-Theater zur 
Schillerfeier eine zykiische Wiedergabe der Dramen des Meisters. Akt fur Akt 
musste ich die Wahrnehmung verzeichnen: war der Buhnenplan mit einer 
verhaltnismassig kurzen Dekoration besetzt, so verstand man auf den unteren 
wie auf den oberen Zuhorerbanken auch die Kunstler gut, die keineswegs 
fiber die musterhafte Sprechtechnik eines Possart verffigen. Schlechterdings 
nichts abhorchen konnte man nur solchen Damen und Herren, die Zungen- 
fehler hatten, die die Worte kauten oder den Ton in der Gegend des Zwerchfells 
hervorbrachten. Diese aber kleisterten selbst in dem kleinen Mfinchner Re- 
sidenztheater von jeher nur ein Kauderwalsch zusammen. Sie und Ihres- 
gleichen sollten von Rechtswegen der Buhne uberhaupt fernbleiben. 



In den Auffiihrungsplan des Deutschen Spielhauses mit grosserem 
Amphitheater sind eine Reihe von Meisterwerken der alteren Oper und 
des vorwagnerischen Musikdramas mit einzubeziehen. Was nur immer in 
ihnen die Zuge des Genius tragt, wird vermoge des jeden wichtigen Einzel- 
zug zu erhohter Bedeutung heraushebenden Rahmens und der hier eine 

l ) Sietae die dem zweiten Januarheft beigegebenen ausserst lichtvollen Plan- 
zeicbnungen Littmann's. Diesen entsprecbend wird sich im Charlottenburger Schiller- 
Theater bei Schauspielauffuhrungen das Proszenium vermoge einer sinnreich ein- 
geschobenen praktikablen Treppenanlage in ganz neuer, eigenartiger Gestalt zeigen, 
wahrend bei der Wiedergabe von Musikdramen und Opern der Zuschauer ungefahr 
die gleiche Einrichtung vor sich haben wird wie im Bayreuther Festspielhause und 
im Munchner Prinzregenten-Theater. 



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219 
MARSOP: ZUR BUHNEN- UND KONZERTREFORM 

strlisierende Behandlung des gesungenen Dialogs wie der Chorauftritte 
ungleich mehr begiinstigenden Vorbedingungen noch grosser erscheinen 
als vordem. Eine Gluck - Renaissance, die nicht nur Augenblicksmode 
ware, halte ich am ehesten vor dem Amphitheater fur moglich, das ja in 
seiner Anordnung ebenfalls „graecisiert a , auch wenn man nach Gebiihr 
auf die Gliederung der Seitenwande, auf die Bekronung der Tiiren und 
Lauben, auf die Einfassung von Nischen und Anderes deutsche Ornamentik 
anwendet. Neben dem unverganglich herrlichen „Orpheus a liessen sich hier 
alle heroischen Schopfungen Glucks gleichsam in kolossalen Reliefdarsiel- 
lungen ausmodeln — mit Ausnahme der zerfahrenen, bombastischen und 
nach Fug ja auch bereits dem musikalischen Nachrichter, Herrn Hofkapell- 
meister Schlar, iiberantworteten ^Armida 44 . Vorausgesetzt, dass auch der 
Orchesterpart der „Alceste u und des „Orpheus tt gemass den von Wagner 
und Richard Strauss hingestellten Vorbildern pietatvoll iiberarbeitet werde, 
dass wir endlich sowohl nach Moglichkeit sinngetreue als auch dichterisch 
wertvolle Uebersetzungen der Texte erhalten — die vorhandenen sind teils 
klaglich schlecht, teils eben nur notdurftig brauchbar, — und dass man in 
der Ausstattung weder den hohlen Maskeradenprunk der pariser „Grossen 
Oper tt abklatscht, noch sich in schlcchten Nachaffungen antiker Gewand- 
studien giitlich tut. Vielmehr galte es, einen acht musikalisch fiihlenden 
Maler zu gewinnen, der das Hellenische, wie es sich auf dem Felde der 
bildenden Kiinste in den besten Vertretern des Louis XV. -Stiles spiegelte, 
mit symbolisierender Vereinfachung und Veredlung der Trachten und Land- 
schaftsschilderungen wieder aufleben liesse. — Zu Glucks ^tragedies* 4 
gehort Mozart's „Idomeneo M ; ich getraute mir als Spielleiter das wunder- 
wiirdige zweite Finale der Oper auf der Szene des Amphitheaters zu einer 
Wirkung herauszutreiben, die der eines gewaltigen Shakespeare'schen 
Volksauftrittes die Wage hielte. Heil sei dann dem Tag, an dem wir die 
„Zauberflote w in das Deutsche Spielhaus verpflanzen, an dem endlich einmal 
der grosse Priesterchor als durchgeistigte Maurerische Freudenmusik nicht 
von der unreinlichen Opernbiihne, sondern vom „besseren Lande* 4 ab- 
geklarter Kunstubung her ertonen wird. Im Uebrigen ware es naturlich 
grad' so thoricht, das idealste aller Volksstiicke durch Dehnung der Zeit- 
masse und gespreizte Deklamation zum feierlichen Musikdrama auseinander- 
zuzerren, als es mozartwidrig bezeichnet werden muss, es unter dem 
Flitterputz einer „Aida" oder „ Afrikanerin** zu ersticken. Die Damen der 
Konigin der Nacht mogen darum nur ja in keine tragische Pose verfallen, 
sondern um den Adonis Tamino, so lange er sich noch nicht der Pamina 
zugeschworen hat, recht flott raufen. Papageno quirle alle Humore durch- 
einander! Je toller, desto besser! Auch das wird den Weihespiegel des 
Hauses nicht erblinden machen. — Ich komme zum „Fidelio tt . Die ersten. 



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220 
DIE MUSIK V. 10. 



etwas Rococo ausatmenden Musikstiicke bis zum Quartett-Canon diirften 
vor dem Amphitheater sich noch genrehafter ausnehmen, noch mehr zu- 
sammenschrumpfen als in den weiten Opernhausern; um so machtiger aber 
wird sich der Geist des tragischen Symphonikers Beethoven vom Erscheinen 
des Pizarro an aufrecken. — Vom letzten, Alles iiberragenden Klassiker 
des gebundenen instrumentalen Pathos zum ersten Klassiker der deutsch- 
musikalischen Koloristik und seinem Hauptwerke. Keines Bearbeiters zart- 
sinniges Nachbessern vermag der Dichtung der „Euryanthe" mit ihrer 
femininen Pseudoromantik aufzuhelfen. Doch der Stimmungszauber der 
breit hingegossenen, von einem der edelsten aller Minnesanger mit herr- 
lichster szenischer Lyrik erfiillten Situationen wird im Hause nach dem 
Herzen Wagner's zu ungeahnter Schdnheit aufbluhen. Wie verklart der 
geisterhafte langsame Mittelsatz der Ouverture aus dem verdeckten Orchester 
aufsteigen wiirde, das mag jeder musikalische Leser einstweilen mit dem 
inneren Klangsinn vorschmecken. — Wie der „Euryanthe a , so wird den 
wieder an Gluck ankniipfenden „Trojanern tt Hector Berlioz' das Podium 
vor dem grossen Amphitheater ein festeres szenisches Riickgrat gewahren. 
Mit dem Vorstehenden sollten und konnten nur besonders sinnfallige 
Beispiele zusammengestellt wet den. Ein Jeder moge sich die Liste nach 
seinem Gutdunken erganzen. So bin ich auch nur im Stande, ganz kurz 
zu skizzieren, was im Biihnengebaude mit kleinerem, 800 — 900 Personea 
aufnehmenden Amphitheater vorwiegend zu pflegen ware. Auf der einen 
Seite: das biirgerliche Schauspiel, wie es bei uns mit der „ Emilia Galotti* 
und den w Geschwistern a zuerst feste Gestalt gewann, in den vom w Erb- 
forster 44 und der „Maria Magdalena 44 sich weiter verzweigenden Linien bis 
zur Gegenwart. Sodann das altere und neuere, einheimische und fremd- 
landische gediegenere Lustspiel; (Lessing's „Minna tt , Freytag's wjournalisten 44 , 
Molifcre's ^Misanthrope 44 und „ Bourgeois gentilhomme 44 ; das bessere Re- 
pertoire des Lope de Vega, des Goldoni). Dazu die auf intimere Wirkungen 
berechneten klassischen Possen Kleist's, („Der zerbrochene Krug"), Shake- 
speare's („Die Komodie der Irrungen 44 ), und wieder Moltere's („Les Pre- 
cieuses ridicules 44 ). Auf der anderen Seite: Mozart's w Entfiihrung a und 
seine drei Idealschopfungen im italienischen Stil. Das deutsche Singspiel 
von Adam Killer bis Lortzing. Die italienische und die franzosische Spiel- 
oper, soweit sie sich ins Deutsche iibertragen lasst, ohne allzusehr an 
Eigenfarbe zu verlieren, von Gretry bis Messager und Audran, von Per- 
golesi's „Serva padrona 44 bis zu Verdi's „Falstaff a . Die neuere deutsche 
musikalische Komodie mit mehr polyphonem Geriist und reicherer In- 
strumentation: „Die bezahmte Widerspenstige" von Goetz, der „Barbier 
von Bagdad" des Cornelius, d'Alberts „Abreise" und „Flauto solo tt , und 
die gute Unterhaltungsmusik des gefalligen Opportunisten Wolf-Ferrari. 



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221 

MARSOP: ZUR BUHNEN- UND KONZERTREFORM 



VIII 

Fragen hdre ich, ob denn jede Mittelstadt in der Lage sei, sich die 
Errichtung von zwei Biihnengebauden mit Amphitheatern zu gestagen. Ich 
muss da wiederum mit allem Nachdruck betonen, — die Reformfreunde konnen 
das gar nicht oft genug tun! — dass das Deutsche Spielhaus ganz wesent-r 
lich billiger zu stehen kommt, als das durch die hohen Ausgaben fur 
Maler- und Bildhauerarbeit, Stoffe, Vergoldungen und Stuckaturen nun 
einmal unvermeidlich hoch belastete Opernhaus mit Rangen. Die 
Summen, die zu Koln und Nurnberg in die neuen Opernhauser gesteefct 
wurden, hatten bequem zur Herstellung je zweier einfach, aber wtirdig 
ausgestatteter Amphitheater und dazu eines ohne Prunk, doch stimmungs^ 
voll ausgezierten Konzertsaales gereicht. Man muss nur mit etwas gfr 
sundem Menschenverstand und einem Rotstift bewaffnet die Kostenr 
aufrechnung fur solch einen „modernen u Luxuskasten durchgehen, um eip 
deutliches Bild davon zu gewinnen, wie da Hunderttausende zwecklos ver^ 
pufft werden! 

Ich bringe einen Vorschlag wieder in Erinnerung, mit dem ich var 
nun bald zwanzig Jahren zuerst heraustrat und auf den ich seitdem mehr- 
fach zuruckgriff: in das Zentrum einer Doppelanlage eine geraumige Szene zu 
stellen, derart, dass der Hauptbiihne ein grosseres Amphitheater, der zu jener 
gehorenden, wenn notig, durch einen eisernen Vorhang und praktikable 
Holzverschalungen abzuschliessenden Hinterbiihne ein kleineres Amphit 
theater vorgelagert wiirden. Wobei selbige Hinterbiihne als eigentliche 
Szene fur das Haus von geringerer Tiefe diente. Man konnte dann zur 
Not am gleichen Abend hiiben und driiben spielen; doch ware mit einer 
derartigen Disposition in erster Linie darauf zu rechnen, dass bei einem 
Betrieb, wie ihn der Biihnenetat von Stadten mit massiger Einwohnerzahl 
gestattet, sehr selten Oper und Schauspiel am gleichen Abend geboten 
werden. Diese Doppelanlage wiirde die Gesamtkosten ausserordentlich 
herabmindern, da nicht nur Heizung, Beleuchtung, Ventilation und ein an- 
sehnlicher Teil der unteren und oberen szenischen Maschinerie mit einer 
gemeinsamen Einrichtung bestritten wiirden, sondern auch Sale fur Proben, 
Kiinstlergarderoben, Requisitenkammern und Wandelgang oder Erholungs- 
raum bei verniinftiger Organisation vom beiderseitigen Personal und 
Publikum zu benutzen waren. 

Skeptisch stehe ich dagegen dem in jiingster Zeit mehrfach auf* 
getauchten Plan gegenuber, in einem grosseren Amphitheater eine ein- 
schiebbare Zwischendecke anzubringen, sodass das Haus in seiner ur- 
spriinglichen Gestalt fiir das neuere Musikdrama und das Schauspiel mil 
weitschichtigerem Apparat, in seiner verengerten fiir das biirgerliche Schau- 



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DIE MUSIK V. 10. 



spiel, das Lustspiel und die Spieloper den angemessenen Zuschauerraum 
darstellte. Die schwierige Frage, Heizung und Ventilation bei ansehnlichem 
Hohenunterschied im einen wie im anderen Falle sachgemass zu regeln: 
sie wird schliesslich durch gewiegte Techniker zu losen sein. Fur voll- 
standig ausgeschlossen halt' ich es jedoch, eine Innenarchitektur zu erfinden, 
die im Raum von machtigeren Verhaltnissen auch nur halbwegs so gliick- 
lich wirkte wie im verkleinerten. Man wurde aller Wahrscheinlichkeit 
nach hier den Eindruck des Unfreien, Zusammengepressten, dort den des 
Gespreizten erhalten. Wie soil ich die Seitenwande im Entwurf von Turen, 
Nischen und Anderem einheitlich gliedern, wenn darauf Rucksicht zu 
nehmen ist, dass gegebenen falls das obere Drittel weggeschnitten wird? Es 
miisste bei kummerlichem ornamentalen Flickwerk bleiben. Und wurde 
die eingeschobene flache Zwischendecke auch bei geschickter Bemalung 
nicht stets danach aussehen, als ob sie nur dazu da ware, etwa iiber ihr 
vorgenommene Reparaturarbeiten zu verhiillen? Jetzt mein Haupteinwand: 
wenn ich die Decke herabsenke, muss ich in entsprechender Proportion 
die Buhnenoffnung nach oben, nach rechts und links zu durch Einbauten 
und Kulissen verkleinern, schon aus Rucksicht auf den Charakter der nach 
dem intimeren Hause verlangenden Stucke. Aber die gemauerten Seiten- 
wande des Saales bleiben stehen. Die Folge: die seitlichen Sitze der Zu- 
schauerbanke gewahren nur einen ungeniigenden Ausblick auf die Szene, 
konnen also nicht benutzt werden. Und am Ende befiircht' ich, dass der 
Hohlraum zwischen der massiven oberen und der diinnen, flachen, ein- 
geschobenen unteren Decke der Akustik schlimme Possen spielen wurde. 
Solche Projekte sind nicht geeignet, die gegen das Amphitheater- 
System noch bestehenden Vorurteile zu entkraften. Das werden gute, jedes- 
mal mit Rucksicht auf die Gattung, der das vorzufiihrende Stuck zugehort, 
sorgsam vorbereitete Opern- und Schauspiel-Darstellungen im Prinzregenten- 
und im Charlottenburger Schiller-Theater am besten vermogen* Dazu 
gabe es noch ein anderes Mittel. Warum nicht an Orten, wo Unter- 
nehmungslust und Opferfreudigkeit zu Hause sind und die Theaterteufel 
sich munter regen, fiir die Dauer von Kunst-, Kunstgewerbe- und Industrie- 
Ausstellungen im Bezirk des Unternehmens kleinere Amphitheater 
aus leichtem, billigem, auch fiir andere Eintagsbauten verwendetem 
Material improvisieren, und dort von Ende Mai bis Anfang October ge- 
eignete dramatische und musikalisch-dramatische Vorfuhrungen bieten? 
Ich denke vor Allem an Dresden, Darmstadt, Dusseldorf. Der Zuspruch 
wiir^e kein geringer sein, die Anziehungskraft der Ausstellung bedeutend 
gesteigert werden. Die Preise so billig als moglich. Viele Tausende, die 
vorlaufig noch im Banne uberkommener Anschauungen stehen, werden 
eine Fiille neuartiger Anregungen in sich aufnehmen, werden sich weiter- 



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MARSOP: ZUR BOHNEN- UND KONZERTREFORM 

hin gegen Ueberwundenes, das man ihnen aufnotigen wollte, zur Wehr 
setzen. Die Propaganda durch die Tat ist die entscheidende. 

1m vergangenen Sommer nahm ich Gelegenheit, unmittelbar nach- 
einander in Oberammergau die w Kreuzesschule tt und in Vorderthiersee bei 
Kufstein die „Passion u zu sehen. Obwohl an ersterem Ort viel reichere 
Mittel, geschulter Farbensinn, eine seit undenklichen Zeiten festgefiigte 
Tradition und starkere Begabungen mitsprachen, war doch der Eindruck, 
den ich von dem Tiroler Dorfchen mitnahm, ein unvergleichlich tieferer. 
Nicht zum Wenigsten schreibe ich das der grundverschiedenen Anlage des 
Zuschauerraums und der Szene zu. Dort eine riesige, ungefuge, fast an 
einen Bahnhof gemahnende Halle, in der die Stimmung fur langere Zeit 
schlechterdings nicht „zusammenzuhalten a ist, mit einem iiberlang ge- 
streckten Podium davor, in dessen Mitte man eine bei jedem Voruber- 
gleiten einer Wolke sich verfinsternde Guckkastenbiihne gestellt hatte. 
Hier ein mit Aufwand von wenigen tausend Gulden roh gezimmertes, aber 
einheitliches Amphitheater mit versenktem Orchester und kunstlichera 
Licht. Ich bekenne, noch niemals durch irgendwelches szenische Bild so 
hingerissen, so aufs tiefste erschiittert worden zu sein, wie dort durch den 
Abschied Christi von Maria. Was ich vor den Tafeln der lieben alten 
flandrischen und deutschen Meister geahnt hatte, wurde hier zur herz- 
bewegenden Wirklichkeit. Ein schlicht bedeutender Vorgang im ge- 
schlossenen Rahmen, 



IX 

Gluck, Mozart und andere altere Meister im Deutschen Spielhaus 
von grosseren, bezuglich kleineren Verhaltnissen zu Ehren zu bringen: 
auch das heisst den Prozess der Verbesserung des verdeckten Orchesters 
im Amphitheater, der sich lange genug trag hinschleppte, im notigen 
rascheren Zeitmass wiederaufnehmen. 

Bei der Einrichtung des Orchesterraumes im Bayreuther Festspiel- 
hause hat Wagner die iiberkommenen, hinlanglich oft besprochenen An- 
regungen mit hochster Genialitat verwertet. Von solch' ausserordentlichen 
Neuerungen sagen wir mit einem nicht sehr schonen, aber bezeichnenden 
Wort, sie seien „epochemachend". Was will das heissen? Dass sie eine 
Welt von neuen Entwicklungsmoglichkeiten in sich bergen. Falsche 
Pietat ware es somit gleichfalls, an jenem Bayreuther Modell nicht zu 
riicken und zu riihren, weil es ein Wagner ersann. Ist denn der Ruhm 
grosser Erfinder auf den Gebieten der Technik, des Ingenieurwesens da- 
durch gemindert worden, dass das Ergebnis einer schopferischen Stunde, 
das ihren Namen unsterblich machte, nach ihrem Ableben zu weiterer Ver- 



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DIE MUSIK V. 10. 



vollkommnung gedieh? Wer mochte dazu behaupten, dass Wagner, wenn 
es ihm beschieden gewesen ware, seinem ausdriicklich kundgegebenen Vor- 
haben gemass auch seine vor dem „ Parsifal" und vor und neben dem „Ring 
des Nibelungen" geschriebenen Werke ira Festspielhause unter seiner eigenen 
Anleitung zur Darsteilung zu bringen, nicht an der Orchestereinrichtung 
so manche Veranderungen vorgenommen haben wiirde? Ferner: sprach 
nicht der Meister vom Bayreuther Bau als von einem provisorischen? Musste 
man sich nicht damals droben und drunten in Rucksicht auf die knappen 
verfiigbaren Geldmittel wie auf die bei der Fiille des zu Erledigeitden schnell 
zusammenschrumpfende Vorbereitungszeit mit dem unbedingt Notigsten be- 
gnugen? Und man stelle sich vor, die Gotter hatten dem Meister noch 
das gegonnt, nach der provisorischen Architektur das monumentale Walhall 
auf dem Hiigel fiber dem roten Main entstehen zu sehen. Oder: die 
Feinde und Neider Wagners waren seinerzeit mit ihren Anschwarzungen 
nicht erfolgreich gewesen — und wir erblickten den Semper'schen Plan in 
Munchen verwirklicht vor uns. Wiirde es sich Wagner nicht zurechtgelegt 
und in praktischen Massnahmen beriicksichtigt haben, dass Klangresultate, 
wie sie sich aus der unter richtigen Vorbedingungen vor sich gehenden 
Ausfuhrung seiner Partituren ergeben sollten, in einem Steinbau nicht 
ganz auf die gleiche Art zu erzielen sind als in einem Holzbau? Endlich: 
ist man nicht auf der Bayreuther Biihne seit 1883 bei der Inszenierung 
des „Tannhauser a oder des „ Lohengrin" in so Manchem von dem ab- 
gewichen, was Wagner ehemals in Dresden, Wien oder Miinchen aus diesem 
und jenem Grunde gebilligt oder geduldet hatte — und zwar, indem man 
damit fast ausnahmslos die Abwandlung des dramatischen Gedankens in 
all' seinen zarten Beugungen noch besser verdeutlichte und die ideale 
kunstlerische Gesamtwirkung noch erhohte? Die Nutzanwendung auf das 
verdeckte Orchester leuchtet wohl ein. 

So Wundervolles, ja Ueberwaltigendes wir bei der ersten Bayreuther 
Auffuhrung der „Meistersinger a erlebten, so ging es dennoch, soweit es den 
instrumentalen Teil betraf, nicht ohne einige Enttauschungen ab. Nicht 
als ob wir uns nicht an der mannlich sicheren Fuhrung und der gesunden 
Auffassung des damals noch nicht allzu behabigen Hans Richter herzlich 
gelabt hatten. Doch die Trompeten im Vorspiel entbehrten des Glanzes; 
aus den aufsteigenden Figuren und Trillern der Einleitung zum zweiten 
Aufzuge sprach keineswegs eitel Frohsinn. Bei Hans Sachser.s: „Nun aber 
kam Johannistag" entbehrten wir die strahlende Sonnenhelle, die hier 
hervorfluten und uns zu freudigster Lebensbejahung stimmen soil. An 
dieser Stelle blieb die zierliche Arabeske eines Holzblasers scheinbar aus, 
an jener war eine wichtige durchgehende Mittelstimme kaum zu vernehmen. 
Ja in der Priigelszene schlug der Chor das Orchester tot: unentbehrliche 



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~MARSOP: ZUR BUHNEN- UND KONZERTREFORM 



stutzende Harmonien verschwanden wie in der Versenkung. Umgekehrt 
vermochte bei der Wiedergabe des w Tristan* nicht einmal ein technisch 
so vielgewandter und das Kunstwerk in ungewohnlich hohem Grade geistig 
beheirschender Sanger wie Heinrich Vogl wahrend der ersten Halfte des 
zweiten Aktes gegen die von Mottl mit Meisterhand gelenkten Orchester- 
massen durchzudringen. Wagner hat indessen zwar unlosbare szenische 
Probleme gestellt, wie das Bacchanal ira „Tannhauser a und den Zusammen- 
bruch der alten Welt in der w Gotterdammerung", doch nie dem begabten, 
in jedem Betracht hinlanglicb technisch geschulten, fur die Buhne ge- 
borenen Musiker unlosbare Aufgaben zugewiesen. Es musste also bei 
den materiellen Gegebenheiten hapern. 

Nach jener denkwiirdigen, in Hinsicht auf eine geradezu ideate 
Buhnenleitung unerreicht gebliebenen Meistersinger-Darstellung veroffent- 
lichte ich folgende Vorschlage: den, vom Zuschauerraum aus genommen, 
hinteren, unter der Rampe befestigten Schalldeckel beweglich zu machen 
und die einzelnen Podien, auf denen die verschiedenen Orchestergruppen 
untergebracht sind, derart von einander abzulosen, dass jedes von ihnen, 
v611ig unabhangig vom anderen, durch hydraulische oder elektrische Kraft 
beliebig hoch oder tief gestellt werden konne. Insofern diese Antr&ge aus- 
driicklich auf das Bayreuther Haus zielten, habe ich — wie ich bereits 
bei einer friiheren Gelegenheit erklarte — den richtigen Ton nicht ge- 
troffen. Dass ich in der Sache recht hatte, bewiesen nicht zum wenigsten 
ahnliche Erfahrungen, die spater wahrend der ersten Jahre der von 
Herman Zumpe mit Hingebung vorbereiteten Sommer-Auffuhrungen des 
Prinzregenten-Theaters gemacht wurden. Heute giebt es wenige Musiker, 
die nicht fur Amphitheater und verdecktes Orchester eintraten, aber auch 
kaum irgend einen, der nicht die weitere Ausbildung der Einrichtung, wie 
sie zuerst in Bayreuth geschaffen wurde, mit Eifer verfochte. Als das 
Prinzregenten-Theater aus dem Boden wuchs, liess ich es auch hier an 
entsprechenden Anregungen nicht fehlen. Man hatte keine Mittel mehr 
ubrig, scholl es zuriick. Ich will den erheblichen Verdiensten Ernst 
v. Possart's in keiner Weise zu nahe treten ; es mag also dahingestellt sein, 
ob es fur das Unternehmen von Anbeginn nicht nutzbringender gewesen 
ware, eine etwas grossere Aufwendung fur eine mustergiltige Orchester- 
anlage und eine etwas geringere fur szenische Ausstattungen zu machen. 
Lucken im dekorativen Fundus sind jederzeit zu erganzen, ohne dass man 
einen besonders tiefen GrifT in den Beutel zu tun brauchte. Hingegen 
liegt es auf der Hand, dass es viel mehr Geld und Muhe kostet, die 
Orchestereinrichtung auf die oben angedeutete Weise in einem bereits fix 
und fertig dastehenden Amphitheater von Grund aus umzubauen, als gleich 
bei der Aufmauerung es auf etwas Mustergiltiges abzusehen. Von den mit 



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DIE MUSIK V. 10. 



einschneidenden Veranderungen verknupften lastigen und auph fur die 
Kasse fuhlbaren Betriebsunterbrechungen gar nicht zu reden. Es ware 
deshalb erwunscht, wenn — wie das zweifellos von Littmann vorgesehen 
ist — bei der Ausgestaltung des Charlottenburger Schiller-Theaters vor- 
erst im Orchesterbereich fiir alle den Anspruchen der Zeit geniigende 
Hebungs- und Versenkungsmaschinerien reichlich Raum ausgespart und das 
„ Vacuum* einstweilen so lange mit einer provisorischen Holzdecke ver- 
kleidet bliebe, als man sich ebendort auf Schauspielvorstellungen be- 
schrankt — falls man nicht jetzt schon soviel Tausendmarkscheine zur 
Verwendung hat, um gleich von der Stunde der Eroffnung an auch das fur 
die Wiedergabe von Musikdramen wichtigste Erfordernis in tadelloser 
Vollendung bereit zu halten. 

Der Vorschlag, anstatt der ein fiir allemal festgenagelten, sich stufen- 
weise abwarts senkenden Terrassenflachen fur den Instrumentalkorper be- 
liebig verstellbare, nach Bedurfnis auch auf die gleiche Ebene zu bringende 
Einzelpodien einzusetzen, ist nicht zuerst im Theater, sondern im Musik- 
saal zur Ausfuhrung gekommen. Der mutige, frisch und grad vordringende 
Wolfrum ergriff die Initiative. Im kleinen Heidelberg: es ist ja alte 
deutsche Gepflogenheit, wenn einmal ein Mann der Tat hervortritt und sich 
ruhrt, ihm moglichst lange den Zugang zu weiteren Wirkungskreisen zu 
versperren, damit die sich gegenseitig unterstiitzenden Nichtskonner in der 
Fursorge fur die Vetternschaft nicht behindert und in der bequemen, 
gleichgiltigen Abhaspelung altgewohnter Tagesgesch2fte nicht gestort 
werden. — Hingegen war es dank dem Entgegenkommen Herrn v. Possarts 
noch moglich, im Orchesterraum des Prinzregenten-Theaters den festen 
unteren Schalldeckel durch einen beweglichen zu ersetzen. Die nach meiner 
Angabe von Littmann sehr sinnreich geregelte Vorkehrung ist folgende: 
vom Buhnenrande her laufen parallel zu einander eine Anzahl schmaler 
Metallschienen in der Breite des fruheren festen Deckels wie heraus- 
stehende Stiibe gegen den Zuschauerraum hin. Druckt der neben den 
Instrumentalisten im ^mystischen Abgrunde a stehende Maschinist auf einen 
Hebel, so rollen durch elektrischen Antrieb untereinander vernietete 
Asbestplatten uber jene Schienen; druckt er auf den zweiten Hebel, so rollt 
das Plattengefuge unter den Biihnenboden zuriick. Natiirlich kann der 
Deckel auch zur Halfte, zu einem Drittel oder sonst, wie es dem Dirigenten 
gut dunkt, eingestellt werden. Ursprunglich hatte ich es mir so zurecht- 
gelegt, dass der Kapellmeister in den Stand gesetzt werden sollte, durch 
Fingerdruck auf etliche Kn5pfe, die, ahnlich wie die fur Erteilung von 
Signalen an die Biihnenmusik bestimmten, an seinem Pult anzubringen 
wSren, den Deckel beliebig spielen zu lassen. Um das zu richten, hatte 
aber viel Mauerwerk wieder fortgebrochen werden mussen. Man schritt zu 



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MARSOP: ZUK BOHNEN- UND KONZERTREFORM 



der Aushilfe, dass dem die Hebel in der beschriebenen Weise bedienenden 
Maschinisten ein Korrepetitor beigesellt wurde, der in Uebereinstimmung 
mit den in einen ihm zugewiesenen Klavierauszug vom Dirigenten ein- 
getragenen Zeichen das Oeffnen und Schliessen des Deckels veranlasst* 
Zieht man diesen ein, so entfalten insbesondere die unterhalb der Rampe 
und des Buhnenbodens postierten Instrumente eine grossere Wucht und 
Fulle des Tones; der Klang des Blechs wird heller, leuchtender, der der 
Pauken kerniger. Demnach zieht man beispielsweise bei einer Auffuhrung 
der „Meistersinger tt den Deckel zuriick: fur die Dauer des Vorspieles, 
gegen das Ende des ersten Aktes (beim Eintritt der Stimmen der Lehr- 
buben), fur die Einleitung zum zweiten Akt, mit Beginn der Priigelszene, 
fur wenige Takte im „Wahnmonolog a (Cdur!), und von der Ueberleitungs- 
musik zur w Festwiese tt an bis zum nach dem w Wach-auf tt -Chore aus- 
brechenden Jubel des Volkes; endlich fur den Schlussgesang „Ehrt Eure 
Deutschen Meister." 

Die Einrichtung wirkt also, nach einem sehr gliicklichen Ausdruck 
Felix Weingartners, w wie ein grosses Fortepedal". Aus dem Gesagten er- 
hellt, dass sie manigfacher Vervollkommnung fahig ist. Sie muss aus dem 
Fortepedal zu einem ausserordentlich elastischen Schwellzuge werden, ijn 
dessen virtuoser Benutzung der Kapellmeister die feinsten Abschattierungen 
und Uebergangsnuancen herauszubringen hatte. Nunmehr komme ich mit 
einem weiteren Vorschlag: namlich auch den anderen, den oberen Teil des 
Orchesters kappenartig uberwolbenden Schalldeckel „mobil zu machen". 
Natiirlich nicht, indem man ihn, so wie er sich gegenwartig darstellt, vor- 
und ruckwarts schiebt: das wurde ja die Instrumentalisten den Zuschauern 
sichtbar machen. Vielmehr auf folgende Art. Es fiel mir auf, dass die 
Kappe im Festspielhause wie im Prinzregenten-Theater aus ziemlich festem 
Material hergestellt ist. Wie ware es nun, sie derart zu konstruieren, dass 
sie aus zwei leichten, genau ineinander zu passenden Lagen bestunde, von 
denen die obere, also der eigentliche Schirm, unbeweglich, die untere nach 
Art einer bogenformig gespannten Rolljalousie sich vor- und zuruckziehen 
Hesse? Gerauschloses Arbeiten ware Vorbedingung. Aber die Zauberin 
Elektrizitat bewaltigt heutigestags ungleich schwierigere Aufgaben o.hne 
sonderliche Muhe. Der Zweck des Apparates: auch aus den Violinen, die 
die beiden oberen Podien einnehmen, wenn's geboten erscheint, einen 
starkeren, energischeren Ton herauszuholen, als es bis jetzt im Amphi- 
theater moglich war. Ausserdem: bei somit gesteigerter Schallfulle 
Wagnerische und nachwagnerische Musikdramen auch ohne die kostspiellge 
Festspielbesetzung partiturgerecht ausfuhren zu konnen. 

Haben wir dann dazu, wie zu hoffen ist, im Orchester der fernerhin zu 
errichtenden Deutschen SpielhMuser die beliebig hoch und tief zu stellendett 



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DIE MUSIK V. 10. 



Einzelpodien, so wird der Kapellmeister iiber ein ganzes System von 
dynamischen Registern verfugen. Ob er die hierdurch sich wiederum 
komplizierende Technik der Leitung ohne Anstrengung beherrschen mag? 
Wenn er ein Schwachkopf oder ein bequemer, lassiger Herr ist, nein; wenn er 
uberhaupt der rechte Mann auf seinem Posten und ein aufgeweckter Kerl 
ist, ganz gewiss! Der Dirigent der Zukunft wird, vor seiner, unendlicher 
dynamisch-koloristischer Abstufungen fahigen Riesenorgel sitzend, noch in 
Viel hoherem Grade nachschaf fender Kunstler sein als der der Gegen- 
wart. Es ist Unsinn, einem Richard Strauss oder Hans Pfitzner anzumuten, 
sie sollten unmusikalischen oder am Ziel ihrer Entwicklungsfahigkeit an- 
gelangten Horern zu Liebe sich auf eine behordlich festzustellende Anzahl 
von lnstrumenten beschranken. Wenn ich ein Stuck bewolkten, hier und 
da vom Sonnenglast vergoldeten Himmels male, so kann ich das nur mit 
den Farben tun, die ich sehe. Doch der aDifferenzierung" der modernen 
lnstrumentenarmee wird beim Vortrage im Theater wie im Musiksaal eine 
Differenzierung der Abtonungen zu entsprechen haben, wie sie nach meiner 
festen Ueberzeugung nur im verdeckten Orchester moglich ist, Es war 
gleicherweise in Bayreuth und Miinchen wie in Heidelberg festzustellen, 
dass auch der Laie jeden Auffassungsgrades besser hort, demnach Schwie- 
rigeres erheblich leichter auffasst, wenn die Tonerzeugungsquellen seinem 
Blicke entzogen sind. Es gilt also fernerhin fur den Dirigenten, in sorg- 
faltiger Ausnutzung aller oben aufgezeigten Hilfsraittel sowohl vor den 
draussen im Amphitheater Sitzenden die Architektur und das Farbenbukett 
der musikalisch-dramatischen Schopfung zu freudig anteilvollem Begreifen 
auszubreiten, als auch den Sanger durch diskrete, aber die Eigenkoloristik 
nicht schadigende Behandlung der Klangmassen derart zu stiitzen, dass das 
Allerwichtigste, die Verstandlichkeit der Biihnenhandlung, von 
Satz zu Satz gewahrt bleibt. Dariiber hinaus wird er, wiederum mit den 
neuen, geschilderten Hilfsmitteln, fur verschiedene Werke, fur einzelne 
Akte und Szenen innerhalb dieser Werke, je nach dem Charakter und 
dem Auf- und Absteigen der Handlung wie des Dialoges, je nach der mehr 
linearen oder farbigen Instrumentierung orchestrale Lokaltone auszu- 
bilden haben: sehr kraftige; offene, doch nicht zu starke; leicht verschleierte; 
vollig gedeckte; dumpf monotone; ins Unendliche irisierende. Auch hier 
offnet sich ein Reich der unbegrenzten Moglichkeiten. 

Die Verwendung der verstellbaren Teilpodien im Orchester der 
grosseren und kleineren Amphitheater ist natiirlich vom instrumentalen Stil 
des zur Auffiihrung gelangenden Werkes und von dem sich im letzteren 
kundgebenden Verhaltnis der vokalen Elemente zu den begleitendeu, be- 
ziiglich symphonisch gefuhrten Stimmen abhangig. Fur die Wiedergabe 
der Wagnerischen wie der nachwagnerischen Dramen wird man an der An- 



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MARSOP: ZUR BOHNEN- UND KONZERTREFORM 



ordnung nach Terrassenflachen, die sich vom Dirigentenpult gegen die 
Biihne zu abwarts senken, im Allgemeinen festhalten. Die von Fall zu 
Fall zu treffenden Aenderungen ergeben sich von selbst: bei Richard 
Strauss diirften seine Lieblinge, die verschiedentlich geteilten Violinen, bei 
Hans Pfitzner die aus den waldfrohen Zeiten der Romantik heriiber- 
klingenden Eichendorff-Horner, bei Max Schillings die von ihm gem und 
so geschmackvoll verwendeten tiefen Holzblaser sozusagen 9 k jour" zu 
fassen sein. Jeder unter den Neueren verwendet die Harfen anders; der 
Eine lasst sie mehr herausstechen, der Andere sie sich mehr mit dem En- 
semble verschmelzen : danach bemisst sich die Aufstellung dieser Instru- 
mente. Die „Salome a erheischt Dispositionen, die von den fur die „G6tter- 
dammerung" massgebenden stark abweichen : ich hoffe mit dem verdeckten 
Orchester, nicht wie es jetzt aussieht, sondern wie es sich in Zukunft 
darstellen wird, noch gegen die von Strauss theoretisch vertretenen An- 
schauungen im Interesse seiner Werke Recht zu behalten. Fiihrt man 
den „Tannhauser a in der pariser Bearbeitung auf, so ware — abgesehen von 
den mannigfachen, fur die Ouverture, das Bacchanal, die Szene zwischen 
Venus und dem Helden und die grosse Verwandlung erforderlichen kleineren, 
mit Hilfe der beweglichen Schalldeckel zu bewirkenden Modifikationen — 
das Orchester in der Pause zwischen dem ersten und dem zweiten Auf- 
zuge ganz und gar umzustellen. Dergleichen wird anfangs zu einigem 
Schelten und Fluchen, auch zu etlichen geringen Verwirrungen Anlass geben, 
dann aber bald gemutlich und in guter Ordnung sich vollziehen. 

Das Mozart-Orchester setzt man selbstverstandlich in der Art, dass 
alle Teilpodien so hoch, als es der Mechanismus gestattet, gebracht und in 
einer durchgehenden Ebene vereinigt werden. Zum mindesten sollten hier 
samtliche Streicher und Holzblaser sich auf gleichem Niveau befinden, der 
hintere Schalldeckel durchweg zuriickgeschoben sein — ebenso die beweg- 
liche untere Jalousie des vorderen. Auf einen Versuch kame es an, ob 
man, je nach der Akustik des betreffenden Raumes, Horner, Trompeten 
und die Pauke um eine massige Stufe abwarts riicken kann. Bei Weber 
empfohle sich eine Verteilung auf drei abfallende Flachen: jedenfalls fiir 
die Auffiihrung der „Euryanthe u , vielleicht auch fiir die des „Oberon a und 
fiir die der Ouverture zum „Freischiitz a . Was die heiklige Besetzungsfrage 
der einzelnen Pulte in der alteren Oper unter den neuen Verhaltnissen 
betrifft, so stellt man die Entscheidung, denk' ich, dem leitenden Kapell- 
meister jedes Institutes anheim. Auch in dieser Beziehung wird ihm der 
genius loci das entscheidende Wort auf die Zunge legen; der wetterwendi- 
schen Dame Akustik lasst sich mit keinen allgemein giltigen Paragraphen 
beikommen. Hat mir ein verdienstvoller Musikgelehrter nachgewiesen, dass 
bei der Urauffiihrung dieser oder jener alteren Oper an diesem oder jenem 

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DIE MUSIK V. 10. 



Ort so und so viele Instrumentalisten in Tatigkeit waren, so nehme ich 
diese Bereicherung meiner Kenntnisse mit schuldigem Danke entgegen. 
Verwiinscht gleichgiltig aber sind mir solche Aktenfriichte, wenn ich im 
Theater sitze und einer Musterauffiihrung eines Mozartischen Hauptwerkes 
mit freudiger Erwartung und leisem Bangen ob des Ausgangs entgegenharre 
— auch der Zuhorer hat sein Lampenfieber. Fangt dann das Stiick an, 
so mocht' ich jeweilig so viele oder so wenige Instrumente aufgereiht 
wissen, als hinreichen, um in einem Raum und vor einer Biihne, der sich 
die besondere Handlung gut einpasst, mein — ja ganz subjektives — 
Mozart-Empfinden vollauf zu sattigen. Mein Empfinden: das eines Mozar- 
tianers vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Wer den rechten Klangsinn hat, 
kann auch die C-moll-Phantasie auf einem Bechstein oder Steinway leid- 
lich mozartisch vortragen und braucht sich nicht einmal im Geiste zu 
einem Spinett zuruckzuheucheln. Noch mehr: als Operndirektor wiird' ich 
allerdings den „Don Giovanni", wenn irgend moglich, in einem Hause von 
geringerer Tiefe und Breite spielen lassen, fur die einzelnen Nummern 
aber mit der Besetzung der Streicherpulte seelenruhig wechseln. Bei 
alien Arien, Duetten und kleinen Ensembles etwas wie eine erweiterte 
Kammermusik; fur die Ouverture, das Duell, das grosse Rezitativ der 
Donna Anna, den Schluss des ersten Finales, die Komthurszene eine merk- 
liche Verstarkung des Saitenquartettes. Aehnlich, denk' ich mir, wiirde 
Wagner die Oper nicht im Festspielhause, doch auf einer Idealbuhne zu 
Biilowsruh vorbereitet und dabei gesagt haben: Wer nicht am rechten 
Orte differenziert, ist ein — Senator. 

Anmerkung. Die in den beiden letzten Kapiteln gegebenen Ausfuhrungen 
decken sich nicht vollig mit denen, die ich vor einigen Jahren unter dem Titel ,Der 
Kern der Wagnerfrage" veroffentlichte. Ich freue mich, der Erste zu sein, der das 
feststellt. Inzwischen bin ich keineswegs „konservativer" geworden — im Gegenteil. 
Doch bei anhaltender BeschSftigung mit den szenischen Problemen der Zeit und mit 
der Frage des verdeckten Orchesters nab' ich seither klarer zu erkennen gelernt, um 
wie viel besser man die unzahligen fortschrittlichen, die Meisterwerke der aiteren 
Oper tragenden Elemente vor dem Amphitheater herausarbeiten kann als vor dem 
Rang- und Logenhause! — Die Ueberfulle des Stoffes zwingt mich, mit den fSlligen 
zusammenfassenden Mitteilungen und Betrachtungen uber reformatorische Massregeln 
und Versuche im Konzertsaal bis zum Fruhjahr zuruckzuhalten. Es wird alsdann 
zugleich uber die wahrend des ablaufenden Winters auf diesem Gebiet gemachten 
Erfahrungen gesprochen werden. Nachrichten uber alles Einschlagige wolle man 
freundlichst der Redaktion der w Musik" ubermitteln oder mir unter meiner bekannten 
Adresse direkt zugehen lassen. P. M. 



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Fort tea tint 



IV 

^er tuuerordentlfche Beifill, den meine Chirlotte ia der Roll© der Ariidne 
fortdtuernd erbieir, erzlbll Bnndei 1 ) „envgt* endlich Elfersucbt, be- 
tondera bel Midline Seyler, die lefanlfcb In elner Ibnlicben Rolle zo 
gllnzen w&nicbte. Sic wendete licb detbilb in den Profc En gel, der 
be! Gelegenbeit doer Reite ilch hier Boeben gegenwlrtlg btliiid, Auf 
ibr wlederholtei Anincbea entwirf *r endllcii einen Plan zu einem nlcht weniger 
interenuiten Stiicke, dec er dem Arcbivar Gutter zur Autfutarung fibergab* Other 
enatand ,Medei c , woiu Bendt die Mutik e ben so meltterbift komponierte, nod 10 
wurde tucb diese Kunstlerin, die in der H tup trail e tllgemeinen und verdienten Bei- 
foil erbieir, befriedlgt.« 

Gotters Biograph Schlosser hSlt die ,Medea N trotz der schnellen 
Arbeit fur vielleicht das best© Stuck, das Gotter gescbrieben babe and 
fflhrt fort:*) 

„Ll$«t man die felscheu Vorauiietzungen der Gittung uuberiickiicbtlgt, in 
blelbt in der , Med em' eine Szcue von itirkem Gebalt und luflillender dkbtertscber 
Kraft Qbrig. Mit vollem Recht bit G otter darauf verzicbtet, in to engem Rah men 
du ginte Bild seiner Held In zu geben. Sle Eat fBr iha nichta ill tUeln dis ver- 
■toatene Telb, dai rolt Entsetion der zweitea Vermthlung Ibrei Gattes entgegenilebt 
und fBr daa Scblckul Ibrer Kinder btngt Dieae velie Betchflnkung bit ei lbm 
ermfigllcbt, eein Verk bit ini Klelnate aorgiam und lieberoH auazuirbelten, und 
dtbei tit icgir etwai wie dnmitUcbe Stelgerung hineingekommen: fiber die Medea, 
die m Anbng dei StBckei erichelnt und mil Vehmut die Stltte einitiger Preuden 
begrQist, bit der aufkelmende Ricbegedinken nocb kelne Micbt. Ent der Anblick 
juoni und Miner Bruit enreckt den tchreckllcben Gedinken dee Klndermordei in 
ibr , iber ei bed erf nur der Gegenvirt der Kinder, am ibn wleder in Vebmut luf* 
inlSien. Die Erwtguug desten, wit itaren Klndern bevorambt, und der Jubel dei 
HachzeJtifeetei erneuern ibre Wut; rich selbit zu reizen, beicbwflrt lie die Hekite 
und lltit Sturm und Gewitter lotbrechen, wlbrenddesien lie Ibre Scbreckenitit roll* 
bringt UnbeMedigend lit nur der Schluti; mcb vollbncbter Tit maute die Mutter- 
Hebe ttlrker berrortreten und nlebt die Ricbe in Jiton die Hiupttiche blelbcn*" 



■> i* 1* O. S. 192, Tgl. audi N. BibL d. icfc* Wliionicb. 37. Bud, 1 St. 1788. 



S. 177. 



^ i* i* O. S* 220. 



16" 



Cookie 



Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



232 
DIB MUSEK V. ttt 



Die Dfchtung, arsprfingUch in rhythmischer Press ver&sst, wurde 
splttr mit einigen Vertodenuigen in Verse abgetettt Beide Fssstiiigen 
erschieaen im Brack 1 ) outer der, dem fautzOsischen Ausdrack # com6die 
m6I6e i musique* (woruntor star das Singtpiel vefstsndett vurde) nschge- 
bQdetea Bezefchnung »ein mil fltoslk vennlachtes Drains*. 

Bends muss die Dichttmg sehr geftdlea fcsben: 

„ Wer 1st wilil gescWcktee, pUne so theatrallacfaen Produfctcn m entwertta tit 
EngetP Ver wird ale beaser snaarbahaii ala Getter?* 

schreibt er spSter efonul darSber, 1 ) So reach voUendets er die Kompo- 
shitra, dsss bereits im April 1775 dte erste Probe ststtfinden konntft* Die 
«Gothaiacftet) gelehrtca Zettungpn* sehrieben dsrftber:") 

»H*de* bat bei der bloesss Probe, we weder BeJencbtrag sedi Detention 
nedL KMdmig der Ulnsl** in BOJb toastes, wo die RoHec, Medce anegeaeraiiisii, 
ear geleeee and mtebt atonal m dm gehSftgen Personen geleaea veriest, wo die 
Musit cndlicb dee neeh nfcbt waj^ was ale bolder eigentlfcben AttflBbrasg aeie moa% 
due so etaifcp end aUgettefne Vlrkang hervofgcbracht, dfcxee slab bier necb fcein 
TrensespM ffihmeQ dents* Uflser bofttbmtsr Heft Bends bat dabei wegon der 
gritoana MasnigMtlgfeelt des Steffas seine Tslente gtttussder ale bd Ariadne aaigae 
ktinnen seft die Breartangen der Keener ftbertrotosu* 

Die erate AtrffBhrmig And ladttsen nfcbt fa Goths, sondent sm 
1. Msi 1775 In Leipzig im Kochscfceit Theater ststt, we vthrend der 
Messe zu spielea Seyler kontrsktlich dss Recht hstte. Zmti Wledefholungen 
folgtea dsvdbst, and erst sm 6> Jnfil ksm fSm Work in Goths sar Anf- 
fBhnmg, Mme. Seylet ids ttede* wtade nicht minder gerfihmt wie ihre 
Rivslin Mme. Brsndes sis Ariadne. Das Thesterjournal 4 ) nennt ihre Medea 
,musterhaft", alles sei »sab herrlichste susgeffihrt gewesen* und sie sei v nie 
im geringsten vom Ausdrack der begleitenden Musik sbgewichen*. Heinrich 
Leopold Wsgner 8 ) sagt: 



*) la Prow: a} Medea, elo mit Muaik vermiscbtea Drama (oboe Autorangafae) 
Gotha, bei Ettinger, 1T75 (enthalten Id „ Deutsche Scbenbfibne* 98. TeU)* b) Medea, 
eta mit Mttaik vermiacbtea Drama von Herrs Goner, KSnigsberg und Leipzig 1776 (im 
/Theater der Deatachen H 1& TeH), c) Medea, cio Drama mit musikatiachen Zwiachen- 
sltien 1800 (obne Dmckon)* Das Drama 1st von Herrn Legationaaekreiir Getter. 
Die Musik vom HeraogL Goth. Kapell-Dlrektor Herrn Georg Bend*, d) Nacbdracke 
eu AuflQbrungaEwecken : 1779 in Karlarnhe und Mfincbeu, 1806 in Tien (k. k. Hof- 
theater). Veraiflziert: in Gotten M Gedlchten M U S. 485 H Oberaetzungen: fraozflflisch 
tn Veraan von Berqulu, Paris 1781, italienlacb von Bertola (Idea dalla littaratura Ale* 
mauaa II), dlnlach von P. Schwarz (Syngeaplet for dea Dauske Skneplad Bd* 8). 

■) Ungedruckter Brief vom 20. Junl 1787 im Beshz der Frau v. Zcch g^b. 
ScbeLllng, einer Enkeliu Gotten. Mir mitgeteilt von Herrn Dr. F, Bruckner* 

•} 34. St 1775. 

*) 1777, A. St. S. 104. 

*) Briefe, die Seylenche Scbauaplelerg^sellscbaft betrelTend. Frankfurt 1777 
S. lllff. 



f\ | Original from 

■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



233 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



„Fur Mme. Seyler ist Medea eigentlich gemacht, auch ubertrifft sie mit ihrer 
wahren affektvollen Sprache alles, was man zu ihrem Lobe sagen konnte. Sie bringt 
Tone hervor, die Mark durchdringen, vor denen das feurigste Blut beinahe erstarrt 
und stockt. Auch wird sie allgemein bewundert." 

Gotter selbst verherrlichte seine Interpretin in einem Gedicht, 1 ) Nicolai 
urteilt, 2 ) „Mme. Seyler sei in den furiosen Stellen ausgezeichnet" gewesen, 
und Iffland s ) riihmt an ihr den „hohen edlen Stil. Sie gebot iiber Ver- 
stand und Empfindung". „Mme. Seyler", ausserte sich der „deutsche Mer- 
kur tt , 4 ) erschopft in diesem Stuck ihre ganze Kunst in Deklamation und 
Pantomime." 

Gedruckt erschien nur der Klavierauszug im Jahre 1778 und noch- 
mals 1785, ubrigens in der schon bei der „ Ariadne" geriigten mangelhaften 
Fassung, so dass die Schonheit des Werkes nur an Hand der Partitur, die 
Manuskript blieb, gewiirdigt werden kann. Der Klavierauszug tragt den 
Titel: „ Medea im Klavierauszuge. Der Dialog von Gotter. In Musik 
gesetzt von Georg Benda, Herzogl. Sachsen-Gothaischer Kapelldirektor. 
Leipzig, im Schwickertschen Verlage". Er wurde sofort wieder von Gotz 
& Co. in Mannheim seitengetreu (nur mit Umanderung des Sopranschliissels 
in den Violinschliissel) nachgedruckt. 

Bisher gait eine in der Berliner kgl. offentlichen Bibliothek befindliche 
Partitur als Autograph, was um so weniger angezweifelt wurde, da diese Partitur 
im Jahre 1843 von Seiten der Konigin Elisabeth von Preussen ausdriicklich als 
Originalpartitur iiberwiesen wurde. Die Konigin hatte sie von der Schau- 
spielerin Henriette Hendel-Schiitz, der das Exemplar wiederum vom Her- 
zog von Sachsen-Goburg-Gotha geschenkt worden war, erhalten. 5 ) Diese 
Partitur, so ahnlich sie Bendas Handschrift im ersten Augenblick erscheint, 
hat sich nach genauer Vergleichung als nicht von Bendas Hand herriihrend 
herausgestellt, dagegen habe ich zwei autographe Partituren an Stellen, 
wo man sie nicht vermutete, entdeckt. Die erste Niederschrift des Werkes 
von Bendas Hand befindet sich in der Mannheimer Theaterbibliothek (151 
Seiten Querfolio) und tragt keine weitere Bezeichnung; nur auf dem Um- 
schlag steht „ Partitur der Medea". 6 ) Diese Partitur, die, wie das Siegel 

! ) Theaterkalender 1776 S. 23. 

2 ) Schiiddekopf: Nicolai uber Weimar, Vossische Zeitung, Sonntagsbeilage 
1893 No. 598. 

3 ) Dramat. Werke 1798 I. S. 104. 

4 ) 1775. S. 277. 3. Vierteljahr. 

T ) Drei weitere Partituren und Stimmen ebenfalls in Berlin. Fur frdl. Mit- 
teilungen bin ich Herrn Oberbibliothekar Dr. Kopfermann sehr verpflichtet. 

•) Weitere Benda- Autographen in Mannheim: je eine Textabschrift der „Medea a 
und des „Pygmalion a , die meisten Stimmen zu „Pygmalion a , sowie die Partitur des 
„Dorfjahrmarkt a . Drei weitere Kopiepartituren, Kopiestimmen zur w Medea a (Prinzipal- 
stimme, zwei erste und drei zweite Violinen, je zwei Bratschen und Violoncelli, 



J::;i ".i/.OV* 



(" r\< \n}{* Original from 

v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



234 

DIE MUSIK V. 10. 



auf Seite 43b beweist, in Seylers Besitz gewesen ist, kam von der Seyler- 
schen Truppe, die sie aus Gotha mitgenotnmen, in das Mannheimer Theater. 
Das Exemplar ist ziemlich unsauber geschrieben und weist viele Autoren- 
korrekturen sowie Bemerkungen in roter Tinte auf. Abgesehen von gering- 
fugigen Anderungen und Kurzungen (die wesentlicbsten am Schluss des 
Werks) stimmt diese Partitur mit der spateren Reinschrift, an die wir uns 
bei der Besprechung einzig halten wollen, ziemlich uberein. Die auto- 
graphe Reinschrift, als welche bisher stets die Berliner Partitur gait, 
befindet sich in der Darmstadter Hofbibliothek (Musikmanuskript 223) mit 
der Aufschrift: Medea, ein Drama mit musikalischen Zwischensatzen von 
Georg Benda (153 Seiten Querfolio). Man vermutet, dass diese Partitur 
von der Hendel-Schiitz, die am 11. Dezember 1809 als Medea in Darm- 
stadt auftrat, mitgebracht wurde. 1 ) Dann liesse sich auch leicht erklaren, 
auf welche Weise die Berliner Partitur in den Ruf eines Originals kam. 
Die Hendel-Schiitz hatte eben ausser der Originalpartitur noch eine getreue 
Abschrift (das Berliner Exemplar ist Seite fur Seite dem Darmstadter gleich), 
die sie gelegentlich mit dem Original verwechselte, und so war sie im 
guten Glauben, als sie der preussischen Konigin die vermeintliche Original- 
partitur schenkte, wahrend sie die echte Partitur schon langst in Darmstadt 
gelassen hatte. 3 ) Fur unsere Besprechung ist natiirlich einzig die Darm- 
stadter Partitur massgebend. 



No. 8. 
Andante con moto. 
Stretcher P . ■■■■-, 



(sic ffihrt unter der 



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,Wo soil ich bin? In mein Vaterland zuruck? Verliess ich's nicbt urn seinetwillen? 

Wfirden unsere 



1 Kontrabass, 1 Flote, 2 Ob., 1 Fag., 1 Tromp., 2 Horner, 1 Pauke und Cembalo mit 
dem Datum 25. Juni 1786, einige Stimmen scbeinen verloren gegangen zu sein), ein 
w Medea% „Sophonisbe M (von Neefe) und .Ariadne" enthaltendes Soufflierbuch, und 
drei Manuskriptexemplare des Medea-Textes sind auch noch vorhanden. — Dem 
Ordner der Sammlung, Herrn Dr. Friedr. Walter in Mannheim, bin ich fur gutige 
Unterstutzung in meinen dortigen Studien sebr zu Dank verpflichtet. 

*) Mitteilung der grossb. Hofbibliothek an den Verfasser. 

") Eine zweite spStere Kopiepartitur sowie die alten Stimmen sind ebenfalls 
noch in Darmstadt zu flnde»i. 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



235 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



Musik fort) 










82L- 



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1 



**= 



Hausgotter nicht vor dem 

Schalle meiner Tritte flichen? Die Gebeine meines Vaters nicht erzittern? 

Musikalisch steht „Medea a auf gleicher Hohe wie „Ariadne a , ja, 
man konnte sogar geneigt sein, ihr den Vorrang zuzugestehen und in ihr 
das reifere Werk zu erkennen. Die Biihnenwirkung mag, wohl auch unter- 
stiitzt durch eine viel bessere Dichtung, die grossere sein, und die eigent- 
lichen melodramatischen Wirkungen erscheinen hier gesteigert. Bei der 
„ Ariadne" konnten wir feststellen, wie allmahlich und eigentlich auf natiir- 
liche Weise Benda zur Anwendung des „Akkompagnement a kam. In der 
„Medea a wird er schon kiihner. (Vgl. Beispiel 8, 9 u. 10.) 



No. 9. 



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Allegro. (unter der Musik) 



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Streicher 



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Leben soil er, aber sich zur Qual, GSttern u. Menschen verbasst, ein bleicbes, zitterndes 

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Gespenst, von Lande zu Lande fliehen, jeder aufgehenden Sonne, Jeder alnkenden 




Nacht fluchen, sterben wollend nicht — konnen! 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



236 
DIE MUSIK V. 10. 



No. 10. Andante. Fl. u. Ob. 



(unter der 
Muslk) 



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Ha! JetzterblickterdiezerstuckeltenLeichname t dasrieselndeBlutsturztubersieberusw. 

Dass aber auch hier wieder das Akkompagnement gerade zum Ausdruck 
des Schauerlichen trefflich beniitzt wird, mogen einige Stellen beweisen: 

No. 11. 

Allegro, (Die ganze BeschwGrung geht unter der Musik ununterbrochen fort und die 



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Hecate ! Hore micb, Chaos der ewigen 

Nacht und ihr, des Orcus furchterliche Machte! ich 

Musik fflllt immer auf das untergelegte Wort ein) 




ruP euch! ich ruP euch! 



-tf- 



^i-^^i^ii 



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Pforten der Holle, offnet euch der bekannten 

Stimme Medeens! 



3-,- 



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Hallt sie wieder, unermessliche Felsenkliifte, dass das Rad des Ixion stocke und der 




Geierdes Prometheus zu martcrn Verbirg dich dem Anblick so vieler Greuel! o Pho- 
[ve;gesse! 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



pp 



237 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



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bus, verbirg dicb dem Mittag! 



Mache dich auf, heulender Sturm! 



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•*-# — m — • — • • — * — 6 — — # — 2 — « : 






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zcrreisst, ihr Blitze, zerreisst den nachtlichen 



Himmell 



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*JfJ • * •-* • 4 »-J-«-J 


1 1 1 1 


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Brulle laut, Donner des Rachers! 



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^-^—^ — m-t-m-t—0 s • d ■+- 



55 ^=j^j»fcd 3 



45= 



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und ihr, des Todes Gehulfen, Entsetzen, Raserei, Verzweiflung sturzt 




euch unter das Brautgefolge, das siegprangend zu den Toren des Tempels zieht! 






g g^jH-f-^ ^f^ 



3= 






-*-f- 



^=« 



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Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



238 
DIE MUSIK V, 10. 



No. 12. Allegro, 




ururmw 




Graunvolle Ahndung! Meine Kinder! 

Leitmotivische Bildungen sind gerade in diesem Werke hSufig. Als 
Fortschritte gegeniiber der „ Ariadne" sind die tonale Veranderung und auch 
gelegentlich schon leise Andeutungen einer motivischen Abwandlung zu 
bezeichnen. Gleich der Anfang der Ouvertiire wird leitmotivisch verwendet 
Ein wildaufbrausender Gang bezeicbnet die damonische Natur Medeens: 

No. 13. Un poco grave e maestoso. 



Str.Fl. 



m^^M ^lM 



fc^###=#^&= 




2£^p^ 



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Ihm schliesst sich als Gegensatz ein die andere Seite des Medea- 
charakters bezeichnendes Motiv an: Medea als Gattin und Mutter: 



No. 14. 

VI. 






Fl. n. Ob. 






Bst. 






]y-,-S-4-t -| — r- 

>P-<— P— f —•-»-»— 9- 






EfJE^^^ 



VI. 



pEggE pE^g^^j: 






^fe iTF^r 8= ^^«=«:i:r 



U8W. 



Mit diesem zweiten Motiv erscheint Medea. („Vertrauter Wohnsitz, 
vormals den Schutzgottern frommer Eintracht, hauslichen Gliicks, der un- 
verbriichlichen Treue heilig* 4 ); dann aber tritt wieder die erste Seite her- 
vor: „Ungliickliche Medea", sowie bald darauf: „Stahie deine Brust, 
beleidigtes . . . Weib tt . Mit einem brausenden Anhangsel tritt dann 



::V: !/*::[ :v, C iOOQIc 



Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



239 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



das gleiche Motiv nochmals auf bei den Worten: „hast du vergessen . . . 
dass ich auf Stiirmen daherfahre?" sowie bei der Stelle: „soll ich das 
schandliche Paar am Fusse der Bildsaule wiirgen?" Und zum Schluss 
ertont endlich, nach befriedigter Rache, dies Motiv bei Jasons Selbstmord. 
Auch das weiche Motiv taucht noch zweimal auf bei den Worten: „ich 
wiirde mir zwiefach das Herz durchbohren", sowie am Schluss, als Jason 
die Leichen der Kinder erblickt. Ein zweites, der Rache gewidmetes 
Motiv, ebenfalls schon in der Ouverture enthalten, tritt gleichfalls mehr- 
fach hervor: 
No. 15. Allegretto. 




^Ja 

=^^p r f- p-r ^ !-»-^p-p-g-F^ 

•-F-I- L - >— M l— <g*| — F-\ — M — ► •- 







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^ES 



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Se 



Zum erstenmal bei den Worten: „Ungliicklich? da du dich rachen 
kannst? tt und dann wieder zum Schluss an der Stelle: „Juno, ich war 
einen Augenblick ihre Mutter, sei du es nun auf ewig!" Schliesslich wird 
das Motiv fortgesetzt von dem Beginn der Unterredung Jasons mit Medeen 
an verwendet. 

Ein drittes, die Wut charakterisierendes Motiv: 
No. 16. Allegro. 



£EBz 



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— i — i-a— » — i ■ — * — i 1- 

*tj*t**i * - * i 



1- 



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Ich einer Kreusa 
nachgesetzt! 



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ha! Treuloser! 



J::;i 'li^eii 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



240 
DIBMOSIK V.ia 





fttduutbiLoluiF 



tritt mf M d«n Wortw: .Icfa bin vwbinntl*, tfcrnud naff veracbledener 
Tonstttfo viederbott; nochmal* wirt es dinA etwis verlndcrt jobrtcht bet 
den Wortat: *ba, wenn die zflrnetde Nttur dich mr Wut begdstertel* 

Noch tftoer merkwfirdlgen Nroening, die Bend* la dcr .Medea* 
xttetmal ttofBbrtc, muss gedtcbt verdtifh Obvohl das akkompaffilerte Drama 
aosachliessUch dramatitcbea Gewtzett folgt ond obwohl cigendlch gende 
in d« Ditihhlngtgtidt yen dm stereotype* Operaformen seta Vert berttht, 
bat flenda an «wel SteStar w ttratefti, due Art gwprocbener Ario cin* 
XttfQlir«ii > afterdtoga in » nngexvangenei' Yeta, dan aobon eine zdt- 
geatftaiedie Krftifc 1 ) rfthnrt: 

»An rai <psar SteDra die Instnttnants mtw dsr nrtliii) i flflit nttgGbn n IsasMf 
eta pur andern trinoiln^ n amen, bat er ait dent fJfieUtcbtttn Hriblge (****! 
nod doch 6benH die Muttk dor AkrtoD nor nntergeordneL* 

Beide Stellen tragen In dcr Originalpartitur (nicht aberlm Klavierauszng) 
die ausdriicklJcbe Bezeicbnnng .Arioso*, und Benda ISast wie In der Oper 
den ersten Tell ,dal segno al Bne* repetieren: 

No. 17. AlUgretto, Arioso. 

± ** * ■'■■■*• 




') Goth, gel, Zeitg. 1775. 34. StBcfc 






Onqinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



241 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



(Auf jedcs unterstrichene 
Wort fallt die Musik ein.) 



O du, des chelichen Bun- < 

des Bcschtitzerin, des 

Meincids Racherin, ver- 

lassener Waisen Mutter, 

allmachtige Juno! (nur 

beim 1. Male) 



j M^ lfalU 






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lieg ich jetzt, jetzt 



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und fleh* um Rache 



um Rache auf Jasons 



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// Fine. Adag io. 

VI. Solo. M 



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Rache auf Jasons Haupt.Hierlag ich sonst, 

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sonst 



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und flehte 



::r:i.'r::t :- v C lOOOlc 



Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



242 
DIE MUSIK V. 10. 






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herab, 



flehte Segcn auf ihn herab. 

Dal segno al Fine. 



In dem zweiten w Arioso - ist dagegen die Wiederholung etwas ver- 



Sndert: 



No. 18. 

Allegro assai 




Peitscht ibn her! 



peitscht ihn her, den Verbrecher, dass er 




pr- $—^ . 



sehe, dass er bore, das noch Cotter, Gotter leben! 



k=^ 



rt?=|*lb p=gx-p=i^ 



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peitscht ihn her! 



peitscht ihn 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



243 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



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3* 



Von zeitgenossischen Urteilen will ich nur das Heinrich Leopold 
Wagners 1 ) (1747—79), sowie des Dramaturgen Joh. Friedr. Schink 2 ) er- 
wahnen. Wagner schreibt in seinem zehnten Brief vom 3. Mai 1777: 

„Mit der grossten Ungeduld erwartete ich Medea, eine in hiesigen Gegenden 
ganz neue, noch nie gesehene Gattung von Schauspielen . . . und alles ubertraf meine 
Erwartungen. Wer es nicht gesehen hat, kann sich gar keinen Begriff davon machen, 
in welchem hohen Grade die Musik der Deklamation zu Hilfe kommen, Leiden- 
schaften heben und beruhigen kann. Zum Lob des Akkompagnements brauch ich 
wobl weiter nichts zu sagen, als dass es von dem ehrwurdigen Greis Herrn Kapell- 
direktor Benda herruhrt. Bei dieser Gattung von Schauspielen liegt sehr viel in der 
Deklamation, fast noch mehr aber in dem jene unterstutzenden Akkompagnement. 
Selbst das Spiel der Aktrice muss durch dies angefeuert und belebt werden, wird e-. 
auch nach dem eigenen Gestindnis der Mme. Seyler." 

*) Briefe, die Seylersche Schauspielergesellschaft betreffend, Frankfurt a. M. 
1777 S. 111. 

2 ) Dramaturg. Fragmente III 1782 S. 659IT. 



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2*4 

DIB MUSUt v. ia 




Schink, der eine ausfabrliche, fainsinnige, detailllerte Analyse des 
Werfces nnd imbeaondere des Medeachaxaktere gjUrt, ist vnr *llfcm von dnr 
Dicbttmg entzfickt: 

.Outer alien NefeenbuUarfiinen, die Ariadne aaf Naxoe gchabt bat, I*t Medea 
tmatrcttig die gttnaendete; die elaatypt die ihr die Palme abklapfa fletabe Vonder 
tttit Ihr ut $ gWeb tpriUtg mit ihr enf Ula Kenan wirkfe • . . Die RoUe der Medea 
lit unatreitig ein ebeaee greater frttuapfa fBr die Kmtet der Scfeemplelefte ate 
Ariadne. Ee iat nstnflgjtoli, deal dee Scbaoaptateria von Talent ia dieter Ron* 
ntdij fUtute, hbrtieaeii aottte, Beoda hat mit seiner Miiatfc die AJfefcta ao mdatetw 
ball auagedrficld, daaa die Schaatplelertn nnr anf Bui zn Wren braocht* 

Spiler hat aticb nodi der Dicbter de la JHLotte-Fouqctfi^daa Work, 

madite, geprieaea, 

Nacb der ersten Gothaer Attff&brting vtadarholte Seyler das Werit 
im gtaidhen Jahra deaetbat noch dreintal, im folgenden in Leipzig noch Tier- 
maL 1777 hatte er ea dann anf aeinen Jteiaen am Khetn, 177B nnd 1779 
in Mannheim In ae&ttem Repertoire, nnd daa JK*niibeim«r National-Theater, 
daa noch im gl&lchea jahre ihn ablSete, wiederholte daa Werk von 
1770—1803 22maK*) Daa Gothaer Hoftheater aplelte Medea Im Jahre 1779 
noch dreltnai In Berlia erachien Medea din 29. MSn 1777 znm ersten* 
dial, wnrde dann vkH gogeben, nnd noch 1811 spricht die *ABg, Mna.-Ztg>* ^ 
getegentlich eicer Wiederbolung v«n w Ben das alter, aber nieht veralteter 
Mttslk** In Hamburg vttrde ale worst am 10* Dezember 1776 gpgeben, 
geflel aber doit nach Schrdder* Berlcht an Gotter*) mnaikalisch nicht so 
gut, textlich ongleich besser vie .Ariadne*, Unter Goetbes Direktion in 
Weimar erlebte sie 1791 und 02 je eine AuffOtarnng. In Darmstadt gab 
der erbprinzliche Hof aelbst 1778 das Werk offentlich mit grosser Pracht, 
und die Erbprinzessin in Person aplelte die Titelrolle,*) Endlich wurde 
daa Work im letzten Vieitel des 10. Jabrhunderta in Mfinchen und Goth a 
wiederauFgenommen. In MQncben erachien es am 12. Febraar 1885 in 
einer Bearbeitung von J. R. Schachner, der selbst dirigierte. Die Be- 
arbeitung Ist im wesemlichen eine Neuinstrumentierung und stellenweise 
Kflrznng, wie die In der Munchener Bibliothek befindliche Partitur zeigt. 
V. H. Riehl begrfisate daa Work in der »Beilage zur Allgem. Zeitung"*) 

*} Lebensgeachichte, HiUe 1846 S. 38 ff. aovle »Relaeerinaeru&gen* # Dresden 
1823 II S. 184 V. 

*) Zuiamroenceatellt nach Vilter a. a. O. An 5* April 1781 (rat a ogar — nach 
Seylera Entlaaiung — Mme. Brandei in dem Leibst&ck ibrer Rivalin zum Abactated aut 

•> S. 825, 

4 ) Lltzmann a, a, O. S, 38. 

*) Thcftterjournal 1779 0. St. S, 76 lovie 12- St. S. 61. Ola Daten der Eret- 
auffuhruagen zuiammengeatellt von Briickner a. a. O* S. 610. 

•) 1885 Nr, 36 und Nn 4& 



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■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



245 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

aufs warmste und besprach es eingehend vor und nach der Auffiihrung. 
Auch H. Welti in den „Miinchner N. Nachr." ] ) fand es der Wieder- 
auffiihrung wert. 1887 wurde „Medea tt dann in der gleichen Bearbeitung in 
Gotha wiederaufgenommen und noch am 22. Februar 1896 zur Feier des 
80. Geburtstages des Hoftheaterdirektors Benda, eines Enkels von Benda 
und Gotter, wiederholt. 



Wenn wir nun die technischen Mittel, deren Benda sich in „Ariadne a 
und „Medea a bedient, einer naheren Betrachtung unterziehen wollen, so 
drangt sich uns zunachst die Frage nach dem Verhaltnis des Meisters zu 
seinen Vorgangern auf. Uber die Werke, die auf Benda einwirkten oder 
die Meister, deren Studium er besonders betrieben, wissen wir so gut wie 
nichts. Benda war Autodidakt: 

„EigentIichen Unterricht hat er nie genossen; durch naturliches Talent und 
Gefuhl hatte er sich die Setzkunst vollkommen zu eigen gemacht, und er befolgte 
sie, ohne es zu wissen. Beim Durchlesen einiger Rezensionen seiner spateren 
Werke sagte er zu einem Freunde, der Rezensent bemerke und lobe da die Be- 
obachtung sehr sublimer Regeln in der Setzkunst, indessen ihm, dem Kunstler, nicht 
einmal die Kunstbenennungen bekannt gewesen waren.** 2 ) 

Wir sehen also, wie schwierig es ist, Beziehungen zwischen Benda 
und zeitgenossischen Komponisten herzustellen. Einzig, dass Carl Hein- 
rich Graun, dessen Berliner Tatigkeit mit dem Engagement Bendas in 
Friedrichs des Grossen Kapelle zeitlich zusammenfallt, auf ihn gewirkt, 
ist bezeugt, und diese Beziehung ist um so wahrscheinlicher, als Graun 
nicht nur neben Hasse* 5 ) als der angesehenste Vertreter der allmachtigen 
italienischen Opernmusik in Deutschland gait, sondern in den Jahren 1741 
bis 1756 die Berliner Oper, in deren Orchester ja Benda von 1742 — 48 
mitwirkte, geradezu beherrschte. 4 ) Von diesen Einfliissen ist indessen 
nicht allzuviel mehr in Bendas Werken der Gothaer Zeit zu bemerken; 
er schreibt einen durchaus individuellen Stil, dessen Faktur weit iiber 
der oft nicht gerade sorgfaltigen Grauns steht; trotz ersichtlicher Be- 
einflussung durch die italienische Melodik, fiir deren Reiz er, wie be- 
zeugt, in Italien selbst empfanglich war, erscheint er auch als durchaus 



l ) 12. Februar. 

a ) Schlichtegroll a. a. O. S. 293. 

8 ) Diesen lernte Benda in Venedig (1765) personlich kennen. Hasse empflng 
ihn „mit vieler Freundschaft a , und bot ihm sogar die Komposition einer Oper an 
seiner Stelle fur Venedig an. Benda lehnte ab, weil sein Urlaub zu kurz war. 
(Schlichtegroll a. a. O. S. 295.) 

4 ) A. Mayer- Reinach: C. H. Graun als Opernkomponist. Sammelbande der 
I. M. G. I. S. 455. 

V. 10. 17 



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246 
DIE MUSIK V. 10. 



deutsch. Am ehesten zeigt sich hier und da eine gewisse stilistische 
Verwandtschaft mit Gluck, allein es ist nirgends berichtet, dass Benda 
in seiner Gothaer Wirksamkeit je Partituren dieses Meisters zu Gesicht 
bekam; der eigentliche Ruhm Glucks begann erst zu Paris in demselben 
Jahre 1774, in dem auch Bendas Stern aufgehen sollte. So ist es denn 
wahrscheinlich, dass Ahnlichkeiten der Anlage und des Bildungsganges hier 
vorliegen; iiberhaupt ist ja nichts misslicher, als die kiinstlerische Schopfer- 
kraft, aus der oft in ratselhafter Weise neuartige Kunstwerke entspringen, 
durch das Aufspiiren problematischer „Einfliisse a anderer Meister in Ele- 
mente zerlegen zu wollen, deren Existenz der betreffende Kiinstler selbst 
ohne weiteres geleugnet hatte. 

Aber zweifellos haben die Berliner Opernverhaltnisse auf Benda ein- 
gewirkt. Die Besetzung seines Orchesters ist, abgesehen von der Zahl 
der Musiker, die gleiche wie die des Berliner Hoforchesters, iiber das Graun 
verfiigte; nur hatte das Gothaer Orchester sich inzwischen schon der The- 
orbe und der Gamben entledigt; es besass dagegen Trompeten und Pauken, 
die in Berlin und Dresden ausschliesslich zu Fanfaren bei Ankunft und 
Weggehen des Konigs im Theater gebraucht wurden. 1 ) Gerade von der 
Pauke aber macht Benda beim Gewitter gem Gebrauch. Gegeniiber der 
schematischen Art der Instrumentation Grauns fallt bei Benda die bessere 
Verwendung der Blaser auf, die mit Ausnahme der Horner auch solistisch 
ofter hervortreten. Einzig die Oboe brauchte Graun solistisch, und die 
Vorliebe fur dieses Instrument iibernahm auch Benda. Dass Benda 
gelegentlich zu mehr polyphoner Ausgestaltung sich entschloss, wurde schon 
gesagt: auch hierin weicht er von Graun, der zwar ein bedeutendes Konnen 
besass, aber seine Opern recht mangelhaft durcharbeitete, 2 ) sehr zu seinem 
Vorteil ab. 

Es wurde schon — namentlich gelegentlich der ratselhaften 
Dresdner Ariadnepartitur — von mir darauf hingewiesen, wie sehr die 
melodramatische Technik Bendas mit der Technik des Akkompagnato- 
Rezitativs der Oper zusammenhangt. Das Wesen dieser Rezitativart besteht 
bekanntlich gegeniiber dem Secco-Rezitativ, das nur den Harmoniewechsel 
durch Anschlag einfacher Cembalo-Akkorde markiert, darin, dass mehrere 
Instrumente (urspriinglich ausschliesslich die Streichinstrumente) nicht nur 
Akkorde wahrend der Rezitation aushalten, sondern auch charakteristische 
im Takt vorgetragene Zwischenspiele ausfiihren. Ansatze hierzu finden sich 
schon in der Venetianer Oper an Stellen, wo z. B. die Stimme eines Orakels 
spricht und die Violinen Akkorde dazu aushalten.") Als Erfinder des Akkom- 

] ) Mayer-Reinach a. a. O. S. 512. 
-) Mayer-Reinach, a. a. O. S. 527. 
; ') Vgl. Kretzsctamar, Vierteljahrschrift fur Musik-Wissenschaft 1892, S. 28. 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



247 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

pagnato gilt jedoch Alessandro Scarlatti, der in der achten Szene des dritten 
Aktes seiner Oper „Gli Equivoci in Amore ovvero La Rosaura" (1690) von 
einer Arie in genialer Weise ins Akkompagnato-Rezitativ iiberspringt. 1 ) Seit 
Scarlatti wurde dann dies Kunstmittel von Italienern und Deutschen, so 
schon 1697 von Reinhard Keiser 2 ) in „ Adonis" und von Steffani 1698 in 
„Atalanta tt gebraucht, wahrend die Franzosen, wie J.J. Rousseau in seinem 
Dictionnaire de Musique (Artikel Recitatif) klagt, sich zwar des „R6citatif 
accompagne", nicht aber des ausdrucksvolleren „Recitatif oblige" bedienten, 
eine Unterscheidung zwischen dem nur von gehaltenen Akkorden begleiteten 
und dem durch ausdrucksvolle Zwischenspiele unterbrochenen Rezitativ, die 
gewohnlich nicht gebraucht wurde. Erst durch Gluck, der die Rousseau- 
sche Rezitativtheorie verwirklichte, wurden die Franzosen mit diesem Kunst- 
mittel vertraut. Den Unterschied zwischen der Wirkung beider Kunst- 
mittel hat Jahn 1 ) sehr fein dargestellt angesichts Mozarts durch Benda 
veranlasster Absicht, das Accompagnato durch melodramatische Behandlung 
zu ersetzen. 4 ) Jahn sagt sehr richtig: 

„Bei der Analogie mit dem obligaten Rezitativ ist es ein wesentlicher Unter- 
schied fur die musikalische Behandlung, dass dort die selbstandigen InstrumentalsStze 
auch musikalisch miteinander verbunden werden, teils durch das Rezitativ selbst, 
das immer doch gesungen wird, teils durch die begleitende Harmonie, welcbe die 
UbergSnge vermittelt, wahrend im Melodram jeder, auch der kleinste Satz von neuem 
unvermittelt ansetzt. Ferner kann man beim Rezitativ, eben weil es gesungen wird, 
die leichteren Nuancen der Empfindung durch Tonfall, Rhythmus oder Harmonie 
herausheben, ohne jedesmal einen Instrumentalsatz einzuschieben. Im Melodram ist 
das nicht moglich, und urn das einzelne zu akzentuieren, muss die zusammenhangende 
Rede zerstuckelt werden; auch ergibt sich daraus fast mit Notwendigkeit der Ubel- 
stand, dass die Charakteristik sich an Einzelheiten hangt und sie eben deswegen un- 
verhSItnismassig betont." 

In dieser feinsinnigen Ausfiihrung iibersieht Jahn nur eins: dass nam- 
lich ein Umstand, der vom Standpunkte des absoluten Kunstwertes aus als 
„Ubelstand tt erscheint, unter dem Gesichtswinkel der historischen Ent- 
wicklung als ausserordentliche Bereicherung der Kunstmittel erscheinen 
kann, und dies trifft auch hier zu. Zweifellos ist Benda in seinem Streben 
nach Charakteristik des einzelnen zu weit gegangen, wenn er auch immerhin 
der Gefahr der Zerstiickelung des musikalischen Ausdrucks in hoherem 



1 ) Die Stelle ist publiziert von Chrysander, Allgemeine musikalische Zeitung 
XVII, 1882, S. 835 ff. (Die Erfindung des akkompagnierten Rezitativs durch A. Scar- 
latti.) Vgl. auch den 14. Band „der Publikationen der Gesellschaft fur Musikforschung", 
der indes nur die beiden ersten Akte des Werkes enthalt. 

2 ) Vgl. W. Kleefeld: „Das Orchester der Hamburger Oper a . Sammelbande der 
I. M. G. 1. S. 252. 

3 ) Mozart, 3. Auflage V. S. 635. 

*) Vgl. Kapitel XI vorliegender Arbeit. 

17» 



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348 
OIB MUSK V. Ml 



Mass* ato alle seta* NadilMger m begegnen gawueat bat; abar in or 
dnittit fHjr die AuadmkaflBtfgfreit der Mnrik gana im eHgraieinen gamma, 
tat vim bober Bedetfnng Hr die Folgewlt gevordea. Dies* kurxen prig* 
nanten Mott» bpdienen ah** lronnf teh whan hiagevteaen babe, mit Vor- 
Uebe der aogeoanjifen # TonsaaUrei\ ffltd data dieae — mag matt fiber ihtiaa 
ilmdittoo Knaatwert drakm, irie man mag — ia der Verbinditng veo 
lH^tolk nod Poegte ete uneetbehrlichee Auadraekamtttel darstoRt, Itt gewies* 
w«m man nicht gerade jede eseozIatJve Beziebong nrfacbep Muaifc and 
Poetie leugnes wiB, was ft auob wrsnebt warden 1st. Ee kann niebt dte 
Aalfcabe dvr voriiejendon Albeit aete, dieae kempliatertea Ittbeti&ckeu 
Ptobteme, die etaer eingebendfen peycbofogiacben Babandhing nooli inner 
barren, Khan an wollem; bedftrfte ea docb dam acbon efnes Kaunas, iter 
dem Umfbng dtoeer Stttdie mfodeeians gleichklme. Hter soil ledigHch dte 
blstorUcbe Bedautaag des Bendaachen Verhhraw kleigaatalft werden^) 
Of* Goscblcbte iter Tonmaierei, za der fid. von WSllHhi*) bedettt- 
aame, wenn attcb lange nicht etecft&pteode Studten YerSffieQtticht bat, bant 

dte Htttptsttdtatt iter Eatwickfattg aktwierender OberWick aal deehalb Mar 



Die Tonraalerei in der cbriatlicben Vokalnuiaik*} erlebtc ibre erafe 
Verrotlkommnnng dnjth dte nl^erilodja^be^ Kontrapanktiaten dea 15. mid 
16* JaJiEhmiderta, die berefts Ate meifcritejlgftpn Kunststficke damit voll* 
(SbrtuL Es brancbt vobl mr an Jeaqttin da PrAa und beaenders an die 
Scblacbtenmalereien seines Schfllers Jannequin erinnert su verden;*) dass 
Orlandus Lasstts atich in dieser Hinsicbt Meister und Vollender der nleder- 
l&ndiscben Schule war, belegen gar manche eraste and besondera viel 
beitere Beispiele.*) Aus der Vokalmusik der Niederlinder und der sich 
ihnen anschliessenden itaUenischen Madrigalisten kam die Tonmalerei 
in die Venezianische Muaikschnle Gsbrieli's, *) und dort mag vohl aucb 
zuerst in grSsserem Masstabe der Obergang zur ingtrumentalen Malerel 



l ) D«a Vordienst, Alt crater, vonn attch tehr fl&cfatlg dartuf hinfevi0««ii tu btben, 
gefafihrt Ph. Spina (MaaLkcaacbichttlcbe Attfaltte, Berlin 1894, Artlkel BtUade S. 422). 

■) Sitxungpberichte der pUL n, biit Klaise der bayr. Afcad* (L ViiHnscbaften 
IL 1897 S. 221 ff. 

*} fiber Tonmalerel im Altertum vgL H- Abert, Beilage xvtr AU|em. Ztg. 1897. 
No. 207. 

*) VjL Col lectio opera m maiicorum Bata?orttm ed. Franz Commer, Bd. XIL 

*) Z* B. da> kditllche w Bauer, vai trl^st im Sack". Eine gate Zuaatnmea* 
stelJuog von Beiepielee gibt Volbacb w Neue Zeltachrift fDr Musik* 18S& No. 13 a. 14. 
Vftl. die Gesamtaueaabe der Laeeo'achen Werke, herau«aegebca von Habert tiad Saad- 
berger (bla jetit 18 Bflnde)* 

"} V|). Ambroa, 1IL S48w 



f\ | Original from 

■'■' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



249 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

stattgefunden haben. Von hier gingen jene Bestrebungen einerseits auf 
die deutschen venezianisch gebildeten Meister (Hans Leo Hasler usw.) und 
die venezianischen Organisten (Frescobaldi usw.), auf deren deutsche 
Schiiler (Froberger), 1 ) schliesslich auf die deutschen und franzosischen 
Klavieristen (Kuhnau, Couperin, Joh. Seb. Bach usw.) iiber, anderseits 
fiihrte aus eben dieser Quelle Monteverdi der dramatischen Musik zum 
ersten Male erhohte Charakteristik zu. Welch ungeheuren Einfluss Monteverdi 
auf die weitere Entwicklung der dramatischen Musik hatte, braucht hier 
wohl nicht naher dargelegt zu werden; genug, er und seine Nachfolger 
Cavalli und Cesti 2 ) ubten bis auf Gluck und Mozart reichende Wirkungen 
aus. Aber schon die Hamburger Oper (1678 — 1738) hatte, beeinflusst von 
den Venezianern, der Tonmalerei gehuldigt, :{ ) und in der franzosischen 
Musik des 18. Jahrhunderts hatten bereits Lully, Campra und Rameau, 
spater Philidor und vornehmlich Gretry 4 ) in der Oper, daneben ebenfalls die 
Klavieristen/) wohl auch unter dem Einfluss der englischen Virginalisten, 6 ) 
der Malerei besondere Aufmerksamkeit gewidmet. 

Hier kniipfte nun Benda an. Welche seiner Vorganger und in welchem 
Masse er sie kannte, lasst sich nicht feststellen; dass er aber sowohl 
italienische wie franzosische Anregungen empfing, darf als gewiss gelten; 
italienische, da er selbst eine Studienreise iiber die Alpen gemacht hatte; 
franzosische, da Gr6try's Friihwerke viel in Deutschland gespielt wurden. 
Doch kommen, was Gretry betrifft, nur sehr wenige Werke, das heisst die 
vor 1774 geschriebenen, in Betracht. Viel gespielt wurde freilich in 
Deutschland „Le tableau parlant" (Paris 1769), eine Oper, die die Schilderung 
eines Gewitters enthalt, ^ allein eine direkte Beeinflussung lasst sich nicht 
nachweisen: die Bendaschen Gewitter erscheinen mir viel grossartiger und 
naturalistischer als das Gretrysche. Etwas primitiv gehaltene Gewitter- 
malereien waren ja damals iiberhaupt sehr beliebt und namentlich als 
Organistenkunststiicke seit dem 17. Jahrhundert viel geiibt, aber wirklich 

*) Unter den Tokkaten Frescobaldi's befindet sich ein „Capriccio sopra la battaglia." 
Uber Frobergers Malereien vgl. Mattheson: vollkommener Kapellmeister 1739. S. 131. 

2 ) Vgl. auch A. Heuss: Die Instrumentalstucke des „Orfeo a (Sammelbande der 
I. M. G. IV. S. 189 f.), sowie A. Heuss: Die venetianischen Opernsymphonieen (daselbst 
S. 424 f.) neben der alteren Arbeit Kretzschmars („Die Venetianische Oper und die 
Werke Cavallis und Cestis", Vierteljahresschrift fiir Musikwissenschaft, VIII, 1894). 

3 ) Vgl. Kleefeld: „Das Orchester der Hamburger Oper a . (SammelbSnde der 
I. M. G. I S. 261 und 288.) 

l ) So malt er in „La Caravane" das Rollen des Blutes, in „Cephale und Procris" 
den Gesang der Vogel, in „Aucassin et Nicolette" den Lauf des Pferdes usw.; es liessen 
sich noch zahllose Eeispiele aus fast samtlichen seiner Werke anfuhren. 

6 ) Siehe Farrence: „Tr6sor des pianistes**, 1861 fF. 

c ) Vgl. Grove: ^Dictionary of Music", Artikel Virginal-Book. 

^ Vgl. Collection complete des Oeuvres de GrStry IX. Band Partitur S. 86ff. 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



DIE MUSK ▼. lft. 



fai Mote %flfl?*fft *§e nst dutch Bend*, dw ate aiterdlngii mft grower 
MtitMmgitft danaacdtai vermochte* Ja* Beodaa Gewi t tenm dCTri irar 
geradcztt tpGcfeasiactiefid* Dud rani WBUtUo in dw schon gpttmntan 
Studio bctoiptet: *) 

«Sdt Moam fUu&MW^t nod wte dftrton wbl aifMi, dweh ttm fcat die MoM- 
tinart State m dent Stnnn tsMntnm; * • . daw da* Jikr 1780 etnas Waftdepankt 
bQd«t| vtfd fcatnb n beatfafftan tfta rad abaMovenlg dar paiaBallc fc e Bnfltiaa tow 



so kfonan wlr dem cntg eg EO hatten, dm Mozart In adnein Idometteo- 
Qtvhtor^ new das Betaptef Bendaa, deasen .Ariadne* ttnd .Medea* « 
rifrig atodierta, wte vfr tttteh MJien warden, 1 ) nacfaabrote, omw gpwfeaer, 
ate mch hum fiendeecbe ££nff&aa« gerado in »IdoiEteneo* acbon no Jahii 
uchgewieaea mtrdtt.^ So gpbfibrt Bettda, dettea Ariadtte-Gevitter fa 
d-ntoH mi deaatn MedohGnrtftar in o-moH*) stain, Jems Yerdienet, nad 
irictot Ami jidir }7tiQi aandem ichon dae Jabr 1774 blldet den von WWfflhi 

D» Govlttenootfr nad tin Motiv dm Blities mis ,Ari*dne* ist be- 
rote to Nottsbebgrfel No. d trad No* 7 mrtftrtalit Hler sd noeh aof das 
Motiv do* Stftnnes lit 3l6dM*: 



No. lft. 



^^Vii'iii 



tn 

I 

and das „Brfilleo des Dormers*; 
No* 20l 



'> i rr us r 



^ 




I 



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:£*£ 



£= 



llflV. 



verwiesen; im Qbrigen beruht die Gewitterachilderang daselbst auf folgendern 
Motiv: 

No. 21. AlUgro furioso. 



^H-iliU^^ 



USW, 



l ) A. a, O, S. 246f. 

1 Geumtausgabo dor Worke* Sarle 5, Nr« 13 S. 182 If, der Partitur, 

■) Vgl. Kapitel XL vorlfegender Arbeit 

*) A. ft. O. S. 674. 

•) Anch hierin iat Moxart Benda gafolgt 



Cookie 



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251 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



Diesen Bendaschen Motiven gegeniiber wirken die Gewitter seiner samt- 
lichen Nachfolger mit Ausnahme Voglers 1 ) schwSchlich, wie zwei Beispiele 
aus Reichardts „Ino a , der feme Donner: 
No. 22. 



§S 



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m *> i &■ 






£ 



4= 



und das nahe Gewitter: 
No. 23. 



^^t^^^ 




beweisen mogen. 

Aus der Fiille der Detailmalerei in „Ariadne" scheint mir besonders 
beachtenswert die Malerei des Herzklopfens : 

No. 24. Andante quasi Allegretto. 
uvui. ,i,x. ? J| J>S. 




pp 

a. Viol. area. 



©E^fegE 



^^ 



plzz. 
Br u. Vc. 



=* 



=S 



=2*=?=^ 



(,Wie schligt meln Herz.*) 



einer der feinsinnigsten Einfalle Bendas; dann das Schluchzen: 

No. 25. 



BES 



^^ 



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E 



U 



g ^^^ 



£=* 



iS¥ 



7^ P 



J5F 



g^j 



?=^ 



3T*3= 



^Tl=^ 



(.Deine 

Ariadne wcint 

urn dlch.*) 



und das Wallen des Busens: 
No. 26. 



ggg.t 




(.Ihr 

Buseo steigt 

empor.") 



*) Vgl. Kapitel X. der vorliegendcn Arbeit. 






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252 

DIE MUSIK V. 10. 



weiterhin das .Taumeln": 



No. 27. r frf - I J 5 

(.cr taumelt bin in JL (** - J ' ' # 

ustigcm Rausche, die Mije- «/ jfe 



-•-*- 



wollustigcm 

stir der Gottcr in rerhShnen.*) 









f^*^=*m 



=J=r 



■a 






und die .Schauder des Todes": 
No. 28. 



Eg! 



?# I 









^ 



2* 



.fit 



^ 
# f 



?•- 



3= 



U81 



aus der .Medea - , die nicht allzuviel pittoreske Stellen enthalt. Von den 
Naturscbilderungen in .Ariadne* ist wohl das Toben des Meeres am 
besten gelungen: 



No. 29. 



Allegro. 



< y~? 8 ^ t i % 

XT f p 



^^zg^^ ^S .« * » "FF^ 



( ( Dts Meer tobt 



diesen Felsen.*) 



=S=F 



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: m* + w w • « — 



7^: 



m 



S 



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* • m 



-M •_ 



-« . « • ' 



> *• m — jl 



wabrend der .Sonnenaufgang" : 
No. 30. 

Jetxt sttigt die Sonne henuf.*) 



Allegro moderate. 



fcF — 




^ . . ^ 


&-' — V 

pr 
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s- 

poco a poco 

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# * * * * 

crsec. 

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' L. 5* 


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iri-i.-'i-ir: :v,C jOOqIc 
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253 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 







der mit dem „Wallen des Busens" eine merkwiirdige Ahnlichkeit hat, etwas 
diirftig erscheint. 

Es ist nun eine merkwiirdige historische Wechselwirkung fest- 
zustellen: beeinflusst vom Accompagnato-Rezitativ hatte Benda seine melo- 
dramatische Technik entwickelt; und als diese ihren Hohepunkt erreicht 
hatte, wirkte sie wieder zuriick auf die Vertiefung eben jenes Kunst- 
mittels, von dem sie ausgegangen. Benda selbst, der sich in einem offenen 
Schreiben „Uber das einfache Rezitativ" *) als leidenschaftlicher Gegner 
des Seccorezitativs, das er durch den gesprochenen Dialog ersetzt haben 
will, bekennt, sagt dort: 

„Von dem Rezitativ mit Accompagnement, wobei die Musik nicht mehr dunkel 
und zweideutig spielt, brauche ich Ihnen nicbts zu sagen. Der grosse Eindruck, den 
es bei alien Arten von Singspielen macbt, ist bekannt genug. a 

Er selbst hatte die Bedeutung des Accompagnement-Rezitativs schon 
in seiner den beiden akkompagnierten Dramen folgenden Oper „Romeo 
und Julie" (25. September 1776, Gotha) bewiesen: die Rezitative der Julie 
im ersten Akte (Kl. A. S. 2) und des Romeo im 3. Akte (Kl. A. S. 41) be- 
ruhen in ihrer gesteigerten Charakteristik durchaus auf der in „ Ariadne* 
und „Medea* geiibten Technik. Viel wichtiger ist jedoch die Tatsache, 
dass auch Mozart vom „Idomeneo* an, beeinflusst von Benda, wie schon 
Jahn meint, 2 ) in den instrumentalen Zwischensatzen des Accompagnato- 
Rezitativs die dramatische Charakterisierung namentlich durch die ungleich 
reichere Verwendung des Orchesters mit den verschiedensten Klangfarben 
viel scharfer auspragte, wie z. B. das Rezitativ des Oberpriesters im 
3. Akt 8 ) (siehe Notenbeispiel No. 23) deutlich zeigt. So wirkte denn die 
von Benda herbeigefiihrte Steigerung des musikalischen und speziell des 

l ) Cramer, Magazin fur Musik, 28. Juli 1783, wieder abgedruckt: Sammelbinde 
der I. M. G. V. S. 61 Iff. 
9 ) A. a. O. S. 674. 
*) Parti tur der Gesamtausgabe S. 251 ff. 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 




2M 
WE MUSK T. 10. 



pitioreaken Anadrackn in don Werken Miner groasen Nachfblger, inabesondere 
Mozart*, Haydn* und Beethoven* mid durcb die Vennitthmg Ztimateegv 
setbet audi bei Schubert and Loewe naoh: Uraen alien kim die MBgUcfc* 
kdt dor Bereichenmg und Vertiefttng der mr Veriflgong etehendea Acs- 
druckamittel zu Sutton* Dleee grossartigc BntwicklttngaUnie im elnxelnen zu 
verfWtaWi H^t jedoch aneaerhalb dee Rahmena vortiegender Arbeit 

Erwfimt seien en diescr Stdle noch die zeitgenflssiacben Schriften, die 
deb fiber die Berechtigung der Tomnalerel aoslaseeii* Neben einer 
eagjUsehea Sttdie von Avison* 1 ) die enm oberttchBeh gebalten 1st, 
ercchelnt ein anonym erachieaenea von de Cbabanon v&rftaetea Work, dee 
Job* Adam Hitter 1781 detrtscb mil Amnerfctingen heranagib,*) tingjeich 
bedettfsemer. Be tautn aiich bier nicfat nnsere Aiifgabe aehi, die vielhch 
irtigea Meinaitgen dfceea Anton aevie seines grfindlicberen deatscben 
Nacbftigere Jf. j; Engel en der Bend der hetttigen Paychologle zu kMren, 
EJn rein hia toriache* Refer**, die der Bfter btttonten Beriehuogen la Bende 
iregen Mer em Platze istj mdge einen Oherbtfck fiber die Ansichten Jener 
Schriftftte&er gewgfared* Sadie des Aathetikera let ©a denn, dee bier 
gegebene Materiel aetaer Wiaaenacbaft frochftar zu machen. 

Cbabanon let im aligeraelnen do Gogeer der Tonmalerel. Fflr die 
rdetiv beate Art nraalkeBacher Nachahmttug Wttt er die tnualkalischer 
Dinge, z* B. einer Kriegumiefk, einer Jagdfabfitie* Jb welter man eieb 
Jedoeb Mervon entferne* nut so scbwlcber werde die Nachahmung wegen 
der UnzoUnglicbieU der Mitteit da sit die Kotnponiaten si abgebraachten 
Fonneln nfirigc, z. B, beim PMtscbern eines Baches oder beim Vogel- 
gpsang, wobei freilicb Cbabanon die inusikalische Schopferkraft stark untcr- 
schStzL Er meint, atatt solcher AuaserHctakeiten solle man lieber die all- 
gpmeine Stimmung treffeu, die die Naturgegensfflnde in der menschlichen 
Seeie erregen. 

JBe flbt elne Wirkanc to der Natur, die die Mttilk mlt liemlicher Vahrbeit 
eacbabniea kann; dieae lit daa Heulen der tobenden MeeraBwellen** 

Hier fSgt der Oberseteer binzu: 

„Benda hat in der ,Ariadne* dlete Nacbabmnng vertncht Elne andere, die daa 
Blld der attffeebenden Sonne icblldcrt, lit ibm nlcht minder gegJGckt* 

Im fibrigen verwirft Cbabanon die nmsikalische Malerei sicbt- 
barer Dinge* 

Viel tiefer als der Engllnder Avison und der Franzose de Cbabanon 
Fasst der Deutsche J* J* Engel, den wir als einen der Miturheber der 
w Medea* faereits kennen lernten, daa Problem an in einer kleinen, Reichardt 



J ) Deutscb als tt Versucb fiber den Musikalliehea Autdrack* 1775. 
■*) v Ober die Muaik und deren Tirkonfen". 



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■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



255 
1STEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



gewidmeten und 1780 geschriebenen Studie „Uber die musikalische 
Malerei* 4 . 1 ) 

Engel stellt zunachst die Frage: 

I. Was heisst Malen? 

Der Dichter, so meint er, malt (im engeren Sinne), je mebr er die bloss will- 
kurlich verabredeten Lautzeichen der Spracbe den naturlichen Zeichen n3hert. Das 
Wort „L6we tt erweckt bloss eine Vorstellung in meinem Verstande, das Gemalde eines 
Lowen hingegen stellt das sichtbare Phanomen wirklich vor die Augen. Das Wort 
„Brullen a hat bereits etwas Malerisches, der Bendasche Ausdruck in der „Ariadne a 
ist die vollstandige Malerei des Brullens . . . 2 ) 

Die Tone der Musik sind keine willkurlichen Zeicben: sie tun ihre Wirkung 
nicht durch etwas, das durch sie ausgedruckt wurde, sondern durch sich selbst als 
solche oder vielmehr durch bestimmte Eindrucke auf unser Gehor. So kann der 
Komponist durch Tone, als durch naturliche Zeichen, Vorstellungen anderer, ver- 
wandter Gegenstande erwecken. Will er durch sie diese Gegenstande ahnlich, wie es 
der Maler mittels seiner Farben zu tun vermag, andeuten, dann muss er seine Tone 
dem anzudeutenden Gegenstande selbst moglichst anahnlichen. 

„Vollstandig kann die Malerei naturlicb nur dann sein, wenn der Gegenstand 
selbst horbar ist und sich mit abgemessenem Ton und Rhythmus vertragt". 

D. h. wohl, wenn er sich musikalisch stilisieren lasst, wie etwa das 
Rauschen des Windes, das Murmeln des Baches usw. UnvollStandig wird 
jedoch die musikalische Malerei, meint Engel: 

a) wenn Sichtbares mit Horbarem verkniipft ist. In diesem Falle muss sich 
der Komponist auf die Nachahmung des H5rbaren beschranken, erreicht aber doch 
die Vorstellung des Ganzen. Als Beispiele fuhrt Engel die Schlachten- und Gewitter- 
malerei an; 

b) wenn der Gegenstand gar nicMts Horbares enthalt und also eine Malerei nur 
durch Analogie moglich ist. So ist z. B. die WahrnehmungstStigkeit der Grade der 
Geschwindigkeit sowohl dem Gesichte, wie dem Gehore eigen. Will man z. B. den 
Lauf der Atalante malen, so kann dies annahernd durch eine rasche Folge von Tonen 
geschehen. Lassen sich horbare Momente (z. B. das Keuchen) damit vereinigen, so 
wird die Malerei vollstandig. Immerhin bedarf jedoch diese Art der Nachahmung, um 
verstindlich zu sein, des Wortes und, setzen wir hinzu, der mimischen Gebfirde; 

c) wenn der Gegenstand als solcher weder ganz, noch teilweise gemalt, sondern 
Iediglich der durch ihn in der Psyche hervorgerufene Eindruck wiedergegeben wird. 
Dieses Gebiet ist das weiteste, vermoge der unendlichen FShigkeit der Musik, seelische 
Erlebnisse auszudrucken. 

Engel halt diese Art der Malerei auch fiir die bessere und empfiehlt, 
mehr den Eindruck eines Gewitters auf die Psyche des Beobachters, als 
die ausseren Erscheinungen des Gewitters zu malen. 

II. Welche Mittel hat die Musik zum Malen? 
Engel antwortet darauf: 
a) Wahl des Tongeschlechts; b) Wahl der Tonart; c) Art der Rhythmik; d) Art 



1 ) J. J. Engel, Schriften, Berlin 1802. IV. S. 297ff. 

2 ) Vgl. Notenbeispiel No. 2 und 3 dieser Arbeit. 



( " i m \i-\ L - Original from 

i::r:^c:j :)y ^iiH)^JC UNIVERSITY OF MICHIGAN 




25» 
DIB MUSIK V. la 




der AWodiefflLrnng (vote! mtfirUeb die t onhfthe mlt InbegfUhn itf detttoo iM^f fc) 
die Harmonlk; f) die Klaogtata; i) die dynamlachon StitoattioranseiL 

Wekerhin velst Engel his *nf den 

III* Unterachied zvleofcen «b eel liter and angewandter M utile, 
raid or ntefnt) ee sol ta Aomb beiden Oiltungen wohl n tratortcbefdeft, etfe vnt nm 
In der Malerel iphrndfirh Mm nehme ein BeDditcbea Duodrtm obne dte RoUti*, 
MM! two Oieheater aaageflUut; fe wu wfird« Ke in dee*, nach dem fefnttat Ge- 
aebmacfc and der rtcbtifiten Beutettttag geachriebenen StBcke an bJtam fleabeft? 
Gam gewiaa dte wfldeo Phantaiteaii ebee EtobtrltranfctoL *anim diet aber? Otftit- 
bar, mil dte Poll* vim Ut«ni od«r Begebenbetten, ant welcbar aBdn dte Fdlgia der 
BmpBnditiigen bonntfe begrlftn warden^ ana detii Qaoyeti weggtnoninen wordetL* 

BffdHch vent Engel dAvor* 4am 

,der Stagfeemponiat wider dm Anadradt male. Deon date er gemalt hit, lit 
an iteb nodi Icefn Fefaltr; er bum ea ud dart etj nor dwm wW da FfcMer, *mji 
er dte Unrechte oder am imreobtea Orta nudt* 

Znm Schlws behanddt Eogel noch die f*rage; 

IV. Vm« tit ptcfat in mftlen? 

1* ,tm «n dent zn malemlen Objekt, nun Befepbd d*m Begrfff *dae Meer*, 
vqj«lii«de8% mt%*t* Prtdiktttt akb fljtdea, to tofnnr das in dm JeweUJgea Ideen- 
fcrele Faaaende fault futo 1 DamJt metat Bagel wAi> man dart mui nnr von 
der Ej-habenboft dee Meetea die feed* tat, flftht aacb dea Rarocfrfta edef etwft das 
Lettcnten dee JH&eres ntafteii* 

SL JHalerftdhe Betwerte dflrfcn, atteh ireon lie rnocU ad aehr mm Melton ?rtS 
toefam, nkbt usgenult muddo* vran ttro Wfrfcimg aw ichmtekend raid nteht 
weeanftlcb in dem Zusammenbasg fat j - fiberbaupt eofl gMatt ervogcn vtrtien, *le- 
welt man aich la daa Maieo von Ein»lbeiten einlusen darf 

a a Am scbllmmaton wire ob, wenn man aich an dia Tort atatt an den Sinn 
hielte and Voratellungcn auamalte, die In der Rede vernelnt alnd** 

4. ^Die Malerei, die In der Beflehung grOaaere Freibeiten hat, aoll nie die 
Stimmung d« Gansen zeretSren,* 

Hiermit sind die Hauptpnnkte der Engelschen Studie wiedergegeben, 
die zweifelloa eine der bedeutsamsten musjkfisthetlschen Schriften ihrer 
Epocbe darstelltf als solcbe aber bisher meines Wisseos noch gar nicht 
gewGrdlgt wurde. 

Fortsetzung folgt 




■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 




bOcher 

61. Philip H, Goepp; Symphonies and their meaning, 5* ed. Verlag; J, B- 
Lippiucott & Co*, Philadelphia und London 1903. 
Nacb einleitenden Bemerkungeo, die inch dis Weaen der Symphonic atrelfen, bc- 
apricbt Goepp einige klassische und romantische Symphonleen. Bespricbt, d. h, er mscht 
allgemeinc Bemerkungeo, die die Verke charakterisieren aollen, fiibri elnlge Themen an, 
geht aber elner aorgflltlgen technisch-ftsthetlachen Analyse aus dem Wege« Venn er 1m 
Vonrort aagf, aein Buch bedeute einen Gegensatz zu den landlluflgen, Indem ea nur 
wenig vom Leben der Meiater, von der Zelt der Entarehung der einxelnen Verke uew. 
mltteile, und wenn demgemiaa Goepp die Werke, die er bespricbt, ala etwaa fur alcb 
daatebendes, dta keiner fortgesetzten Bezugnahine auf Leben und Weacn ihrer Schfipfor 
beansprucht, behandcln xu kSnnen metat, ao irrt er, Menscb und K 5ns tier sind, aoweit 
die wahrhaft Groaaeu in Betracbt kommen, die eigenea zu sagen batten und baben, 
tinea; der elne 1st vom anderen nicbt zu trennen, und in der Kuuat zeigt alcb die menach- 
liche Art im vergelstigten Niederschlage. Keinem Menscb en wird cb ein fallen kfinnen zu 
veriangen, derartige Werke, die Analyses Oder Surrogate daflr bieten, sollten nun jedea- 
inaJ, ebe aie einem Komponieten in elnzelnen aeiner Werke nabe t re ten, seine voll- 
ttlndige Biographle bringen; aber daa essentielle aus ihr, das fur den Menachen em* 
acheidende aus seinem Leben musaen sie ebenso betonen, wie sle den Veraucb aeiner 
Charekterittik geben aollten* Das Ut freillcb elne unendlich scbwere Aufgabe, In 3 bis 
4 Sltien wlrklicb etwas derartiges iu sagen, daa erschdpfend und objektiv wahr 1st. Aber 
ea Iltat aicb, will man die Eigenarten der Komponistcn, wle aie in den einzelnen Werken 
erschelnen, erkennen und andere erkennen lebren, nun elnnial nlcbt vermelden. Ich er- 
kenne gem an, daaa Goepp viel Lust und Llebe auf seine Aufgabe verwendet hat, dasa 
daa Bucb viele b&bsche und treffende fiemerkungen entbllt, die den geblldeten und sach- 
versltndlgen Mann verraten und ich nehme aucb an, daaa ea in den Krelaen, fur die ea 
beatimmt iat, gutea tut, getan hat und tun wird. Ferner bemerke ich auedrfickllch, daaa 
Goepp alcb von der Gblicben Art Isthetiscben Schwadronierena fern bllt, nicbt mlt 
tSrlcbten BUdern apielt und philoaophische Tiefalnnigkeiten Oder das, was sich dafur aus- 
gjbt, unterlftsst Glelchwobl kann Ich daa Bnch mm mlndeaten fur gebildete deutacbe 
Laser nicht empfehlen. Ich babe die Grundo oben dargelegt. In Deutschland lat cu- 
weilen der Veraucb ibnllcber Arbeiten gemacht worden: man bat kleine „Fuhrer% die 
zuerat allein herauagegeben wurden, aplter In elnem Bande zusammengestellt und damll 
etwas einen Meiater und aeine Art erachfipfead Charikterfsterendea zu bieten vermeint 
Daa lat nlcbt der Fall. Besaer ft in Werk ordeatUch analysieren als an elnem D attend 
berumatochernt Vie Symphonieen nach den geschicbtlicben Bedlngungcn Ihrea Seine* 
nacfa der techniacben und laihetiachen Seite bin zu analyaleren sind, daa bat una Sir 
George Grove in seinem Werk Sber Beethoven a Symphonieen unabertrefflich gezefgt, 
Mlt ihm kann alcb Goepp* Arbeit, [ctt sage ea mit Bedauern, nicbt raeasen, Goepp hat 
dem eraten einen zweiten Band folgen laaaen ^Philadelphia, ebenda 1902). Er bespricbt bier 
die Es-dur Symphonic Mozarta, die 1^ 2*, 4., 8*, & und 0. Beetbovena in der angegpbenen 






Onqinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



^r^ 



258 
D1BM0SIK V. 10.: 



Kei POP tote 0* eOflatttt ^f OntO -"^00 qffo ^^^ aw w i iHtOfl BOieeon fl* teas*. fiVattJUtk uttt TafiOaU30WfaK¥* 

Stfattaa, BerBoa, Gade, Gooti, Gflchriet nod OftUmarfc. Stmt fentg tlebt at alao ana; 
etna Sanutiliittg ion Fflhmnu Fast hat at flmn Arttthirfn, alt eh dor ZnCdl die Vadsa la 
daf aogftgebeneft Poife maunnLengettagdn Mtta* Derteitttttnte wahfUchntehtnot. Am 
Bndo Dates etoih dnrch uinetafittnfc Beefbeittin£ nod Ergyftumigder Kapftel balder State 
to eflnor ftrigendaii Attflege etra Brattchbaretta achajfea. 

Pttft Dr. Villbald Nagel 

61 WHHsm Towmond: ^Balance of Arm* in piano technique. Veriag: 

Botwrth ft Co* London* 

Et* LefttUta, 4ar an don batten laliQft, dfedlajBag»faBiitvlcUiia«darinodanioii 

tUdudt geteitigt Ait; Schon tor Intel baaagt^ dan dor Inhtlt doe ▼efkee Mentteeb let 

mil deitfenlgan Beetrebtmgeo, die vir aafber im Gafenaatn an da Terrotteton An- 



add dnrebntaefran ma battBbt halm* KapUal 1 onffeUt eioa pile DeretB&img 
daa Gewlchtaplele* »Seblrer** nd JSaet&ltli* t alt die GnmdJagen der Tecbnik, 
wtfdtt ritihtijg ategeac hltit Da* efctfrt ftttgerhnb wW zvat nkfit beteifigt fan Qcgen- 
teU wild to Aba&hnttt 22 bthaoptet: »Tbn create? the height to which tha finger In 
raleed, ilea greater tha appearance of independence* etc,** Jedoeh iat die Gegnemtuft 
aflon jScblageiia** »KldpJtaa*| »Stoaaeue* Mar atttf a fp e och en* Zonlcfaat konnt Verfeeeer 
dan dJaoefndeo Kontnkti »Iii a pttabf the fi&ger moat touch or fed tha key baftm 
begitfnfag downward motto*** Ewr anewtoModo Emtx der Spblhetaatwf Budat dumb 
4ib Voito aatae Beetttgnof : «tho balanced arm of tha player la all Oat la needed to 
f kaap down, either one key or more** Oar hit anf dan homlgjtn Ta£ dn MeJaten noch 
vnttere Begtiff der tog. .OntMtliTtlgfcoft der Wager* tat raa Towoeend anf dla etofaefcete 
and Ba t fl ri lfcfaatie Vefse. feat fiat tfwi mi warden s* p whenever any Soger la raiaedj tnm 
Independence la already kit; and that a real independence erf Jingo? am extot only 
whos the balance of tfca artt la In »**' Daa iat lAar- und dentlfoh, Ehenao let 
die ttFShtaftf", die Inferiorltlt der alien Ftngereohlagniahtor In tonaler Beclahnng aowie 
die Handgelenkachwlngttng glficUlch erkannL Abschnitt 57 enthilt die Scbwangbewegttng 
dee ganzen Armei alt GrundUge der Techntk: »tbe weight of the band and arm it 
twinging.* Gegen Bade enttlntcht daa Buch> Die legat(hFunktion Iat nicht crftttL Die 
Unterarmrollung fohlt glotlkh. Ebenao die Vlbrationamomente. Ganx verkehrt nnd nn- 
haltbar iat der Untertatibegriff and die vflllig xweckloae Daumenaktion. In tetiteren 
balden Pnnkten hat der Englinder TobJaa M^tthajr weit beaaerea getaistet. Im ganzen 
Iat die Arbeit jedocb einer denttchen Obertetiong wert, di vie „lcider* die hler xnlande 
fibllchen technitchen a Schnlen" und ^LaltHden* uro eln Erklecklichea QbertrlffL 

Rudolf M. Breithanpt 

MUSIKALIEN 

63. Channoiifl populalres dea provinces belge& lotrodnctlon, Harmon isationt 
et Notes par E. Cloaeoa. Verltg: Scbott fr^rts, BrQttel. 
Eine wirklicbe Pettgtbe let ea, die E* Clotson mlt dem voriiegenden Werke telnen 
Landaleaten gelegentllch der Peler der 75 jlhrigen Unabbinglgkeitterkllruag BeJglent ent- 
gegenbriagt: tint Gabe, die urn to wlllkommner ertcbeint f eit aie sich to das geammte 
Volk richtet und ihm mm ertten Male turn praktiacben Cebrauch eine atlgemeine 
Sammlung von 206 der scbdntten Volkalieder libergibf. Tellaammlungen iub den einzelnen 
Provlnzcd > mebr oder wenlger wertvotl, waren acboo aeit ca. 50 Jabren erschlenen — 
docb es gait zn slchten, zu vergleichen und tile Genre* zu beruckaicbtigen. — Daaa cin 



■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



259 
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN) 



Volk mit so bedeutender politischer und kunstlerischer Vergangenheit wie das belgische 
zu alien Zeiten seine Gefuhle im Lied zum Ausdruck gebracht, ist ja eigentlich natur- 
lich — aber erstaunlich bleibt doch die enorme Zahl der Lieder, die allenthalben im 
Volke leben und deren eine grosse Zahl uberhaupt nocb nicht notiert ist. Es ware 
hochste Zeit, das Versaumte bald nachzuholen! Wie E. Closson in seiner von wissen- 
schaftlichen Studien und grosser Grundlichkeit zeugenden Einleitung erzahlt, hat allein 
der katholische Priester J. Bols in einem engen Umkreise dem Volke mehrere Hundert 
Lieder abgelauscht und niedergeschrieben. Das Aufschreiben eines Liedes, aus unge- 
iibtem Volksmunde vernommen, verlangt einen guten Musiker, der Land und Leute genau 
kennt und sich keine Miihe verdriessen lasst, die vielen Varianten in Text und Musik 
zu vergleichen, fehlerhafte Rhythmen und zweifelhafte Intonationen richtig zu stellen. 
Daher sind auch nur wenige dazu erkoren. Aber auch die Harmonisierung der gegebenen 
Melodieen, die hier E. Closson bis auf wenige Ausnahmen selbst besorgt hat, verlangt viel 
Feingefuhl, um sie dem Charakter der Lieder und der Zeit ihrer Entstehung anzupassen. 
Die Art und Weise wie Closson dies getan, und wie er zu jedem Lied Anmerkungen fiber 
Ursprung, Inhalt und besondere EigentGmlichkeiten gibt, kann nur gelobt werden. — 
GemSss der zweifachen Landessprache teilen sich die belgischen Volkslieder in flamische 
und wallonische. Die Flamen, ihrem Namen und ihrer Sprache nach Germanen, 
haben ein uns Deutschen verwandtes tiefes Gefuhlsleben, das sich auch in Text und 
Musik ihrer Lieder wiederspiegelt. Die Wallonen, von lebhafterem Charakter, Ieichtlebig, 
witzig und sarkastisch, ahneln den Franzosen, wie auch ihre Sprache ein franzosischer 
Dialekt ist. Musikalisch erscheint das flamische Lied bedeutender, das sich auch, ob- 
gleich auf sehr entfernte Zeiten zuriickgreifend, in seiner Grundfassung — ■ dank einer 
genaueren Originalaufzeichnung — am reinsten erhalten hat. Dagegen ist das wallonische 
im Laufe der Zeit vom Volke vielfach verandert, ja oft ganz neu gestaltet worden, hat 
aber dadurch an Charakteristik gewonnen. Viele der flamischen Lieder stammen noch 
aus dem Mittelalter und haben dadurch einen besonderen Reiz, dass sie in den alten 
Kirchentonen (mit Vorliebe aeolisch und ionisch) komponiert sind. — Die Sammlung 
ist eingeteilt in Vaterlandische, Lokale, Religiose und Gelegenheitslieder, Balladen, 
Komische, Handwerker-, Tanz- und Kinderlieder. Unter den wallonischen Tanzliedern 
sind die sog. Cramignons besonders zu erwahnen. Sie werden in der Provinz Luttich 
zu Hunderten gesungen: die Tanzenden bilden eine Kette und folgen laufend und 
springend, Solo und Chor singend dem Fiihrer, der sie durch Haus, Garten und Strasse 
fuhrt. Dass unter den modernen Komponisten Belgiens das Volkslied immer weiter 
schone Fruchte zeitigt, beweisen am besten die Flamen Peter Benoit und Jan Blockx, 
deren tief empfundene Lieder in Volk und Schule mit Begeisterung gesungen werden. 
Auch des ersteren grossartige Oratorien und Kantaten und des letzteren Opern basieren 
auf Volksmelodieen und verdanken ihnen einen guten Teil ihrer PopularitSt. Das Werk 
von Closson, das der ruhrige Verlag von Schott freres (Otto Junne) in wurdiger Aus- 
stattung herausgegeben hat, kann mit gutem Gewissen alien sich fur Volksgesang 
Interessierenden warm empfohlen werden und sollte in keiner grosseren Bibliothek fehlen. 

Felix Welcker 

64. Oskar Fried: Adagio und Scherzo fur Blasinstrumente, zwei Harfen und 

Pauken. op. 2. Verlag: Breitkopf & Hartel, Leipzig. 

Oskar Fried hat vor einiger Zeit mit seinem „Trunknen Lied a in Berlin ein Auf- 

sehen erregt, dessen Berechtigung die nicht wohl zu beurteilen vermogen, die jenes 

Werk noch nicht kennen lernen konnten. Gewiss hat es aber dieser grosse Berliner 

Erfolg bewirkt, dass nun auch andere, fruher geschriebene Kompositionen Frieds an die 

Offentlichkeit gelangt sind. Zu ihnen gehort das Adagio und Scherzo fur Blasinstru- 



( " i m \i-\ L - Original from 

i:r:K-c:j :)y ^iiH)^JC UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Dffl MOHK v. ia 



mente, dm m enteer den Vorcag UeafteUer Int4r*tttent*dofi ahbtiM Gntee 
rfflim» tame- Die aeattiaebo Btflsdmg ftt nogettete dfirftig, and it* Pftde, wrf dene* 
iteh die ttatfctlltehe Audruelttepmcfce, la Sooierfeeii die Humosifc beveft* rt»d rirtW i 
venlger tie aett. ZwetlWloe rtpritantieft dee Wet* doe Stnfe dee FriedtcbeaSebtOm, 
die der ebae Frege laleoiiertt Ktoitttr Mogit btater rich lit*. 

65. VMM Schubert: Seen* im Don ens Goefbeo Fraet f&r tvel Setottbum 

and Cher mft Kariefbefldtung. Mlt Or cb c t torbegfctttmg efrgeifebtt M 

Bmet Neumann. — Dei Tag at Weibe. Feattayinoe Br fieri 

nttt Kta#ter> Vloline find VMeneJL op. 1 J& Fttr Soli, Cher trad 

Ortbeeter bearbettet von Efmt Neumann* Verfag: Btettkepr ft Hlrtel, 

Leipzig^ 

Bin mehr talopaphltob ale mmUtiliecb bedeirttamea Tefk aua Sobttbertt Fr&bieft 

mid efce ewer tplter*, iber anefe nfcbt gerad* eonderUcJi bervomgpiEde Geletenbeito* 

fcompotttion bet boat Neumann ndt etner aneprttobeloeoPf pit fcliegcnden i 

veteeheft, die aleh bBm leeeon kern* Rudolf Louie 

SOL Max Kegeart Siebtebn Lleder op. TEL Verieg: Leuteriucfc ft Ktibii, 

Max Refer let der MneikbeU to Tegee* In alien Ataelkbllttefn vlderbellf eeta 
Lob, ffdd tetoe Orgel-, Ktmmei^ Eerier- nod Qnbeeterweito btben msdhen Mtttlfcer 
tiott snttogllebon Strtttbone die emulation efner betben^ ebor eigenen Natur befcebftv 
Atieh Wl glubo in dleeem TeO telnet fibemtoben Scbafltat do VerbUtnia mtrerObert 
in btben, tithe aber ftegeft Uedea grVeetenteUe abtebnend gtgenfiber* So ancb dieeen* 
Be eind Btaeltierileder, die m Singer raid Spieler gent enonn* tocbnlsebe Anfordertrageo 
etoHen. After sJcfct dee let dee Fattltj due dteee Liedef mit Hum Scbvfett0£eften toft 
flber die Klhtnen telbit efnee tfl^Mgtn Flenleten htntoegoheiii eondeto diet tie en den 
8teJte4, die tteb normal bewfltifea teteftfi, 10 wenlg bedeqtend ereebefnea, 0c hblt nlcM 
en Stiminong md befdrantecihn Ftncttoiig wofrl eber en fibetseogendon EtnflEleA) en 
fntplretioft* Regere AoMiigcr bebtttpten ever, au dflrfb dleeo Sdbwlorlg^elten jtr fifebt 
merkoD, dor KltTfenttx dBrfe nebea der Slegttframe ger elcht tafftllcB, Cot* Aber 
woxn dtno elu to kompIUiertet Gebllde Oberbtupt tcbreibcn, woxa diete Schwlerltkeit 
obne Urtache nod Tirkung? Soil tntn die Lleder ?or ill em ntcb den Cettngttimmen 
beurtelleD, to m&ittea dlete Stlmmet docb vlel mohr Autdruck^ Rcti und Chtrtkteriedk 
htbefl, tit lhneii ttttlcblicb looewobnt* Diese Ittbetitcbea Bedeoken tcbeinen mir 
ecbwervieceiid geiing, urn ernttlicb xtt bezwelhln, dwt Rcger, der ecbon darch die Wtbl 
der Teste wenlg Sinn 18 r dlcbteriscbe Verte yerrit, fttr die Entwtckltine det denttcben 
Lledee von bSberer Bedeutttsg werden kSnnte* Non credo. Dr. Rlchtrd Bttkt 
ff7. G. A. Fano; Sontte In cUmo.l (Br PitDoforte and VIoloocelK op* 7. Verltf* 
Breitkopf & Hiitel^ LeipElg- 
Dor Verfiuter hit tich mlt dieter Sontte tuf eln recbt undtnkbtret Cebtet be- 
gebeo, Nur tebr verebixelteo Toaseftem itt et gelUDgen, dtrin etwte von blelbendem 
Verte in leitten, dt g^rtde du Violencell infolge telnet meltncbolltchen Chtrtktert der 
Pbtntttle det Komponltten tebr energitchen VIdertttnd bletet. Vie to vlelc moderne 
Terke littt tucb dlese Sootto vor tllem Themen Termiiseo^ die fOr Verarbeltung ge- 
eignet und gjelcbzeltlg tcbSn tlnd. Dtno vecbteln Ttkt und Rbythmut to untufbOrHcb, 
dtt$ mm tlcb vergebent otcb etoero wobltitenden Rubepuokt umtiebt* Die Sootte be- 
tteht tut vier Sltzen* von denen mlch nur der drltte (allegretto con vtriiiloni) tellwelte 
beMedlgte. Im Zuttmmentplei gibt et in rbytbmltcber Hlntlcbt btrte NGtte zu kucken. 
In tccbnlscber Hlntlchi Ur dtt Werlc wenlg tchwlerig. Artbur Ltter 



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TAGESFRAGEN (Bad Kissingen) 1905, No. 10—12. — Aus Einsendungen zusammen- 
gestellt ist der Artikel: „Die Wagnerfestspiele in Munchen". Auch dort schon, 
wie in Bayreuth besteht der grossere Teil des Festspielpublikums aus Amerikanern; 
das Protzentum herrscht vor. „Hoffen wir im Interesse der guten Sacbe, dass 
sich alle Faktoren verstehen, um endlich das zu erwerben, was Richard Wagner 
wollte: Die Biihnenweihe." — „Baldurs Tod von Kistler in Dusseldorf." Das 
Werk, das bei der Urauffuhrung einen gewissen Erfolg zu verzeictanen hatte, wird 
eingehend besprochen. Eine „Kritik der Kritik" wendet sich gegen die sehr abfallige 
Beurteilung, die die Oper durch viele Pressorgane erfahren hat. 

MUSIKALISCHES WOCHENBLATT (Leipzig) 1905, No. 50-52; 1906, No. 1. - 
Paul Pfitzner bespricht die Urauffuhrung der „Salome a . Als Strauss* „Feuers- 
not* aufgefuhrt wurde, glaubte jeder, die „letzte Grenze des Moglichen" erreicht 
zu sehen. Dennoch mutet die „Feuersnot" gegenuber der „Salome a wie ein 
^Kinderspiel" an. Von den vielen „ungeahnten u Instrumentaleffekten sei einer 
genannt: „um einen unheimlichen Laut zu erzeugen, kurz bevor das Haupt des 
Johannes fallt, lasst Strauss die Saiten der Kontrabasse nicht mit dem Finger der 
Linken niederdrucken, sondern mit zwei Fingerspitzen umfassen [!], wodurch ein 
Ton erzeugt wird, den man sich zunachst gar nicht erklaren kann. — Das Orchester 
spielt einmal B-dur, Salome singt aber ausgepragt in H-dur . . . Die Kammer- 
musiker wissen selbst oft nicht, ob sie falsch oder richtig spielen! a Verfasser 
hilt die Auffuhrung eines Werkes von so perversem Sinnenkitzel fur ein Zeichen 
bediohlichster Dekadenz. Strauss selbst und in ihm die neuere Musik durfte 
damit an der Grenze angelangt sein, „wo die ausgesuchte Hasslichkeit grellster 
Disharmonieen als Sport betrieben und alles, was bisher als abgeklSrt, beruhigend 
und kunstlerisch erhebend gait, aufgegeben und geopfert wird". — Fernet: Assia 
Spiro-Rombro: „Einige Vorschlage fur die Auffuhrungen Mozartscber Opern" 
(Schluss). — „Ein neuer, bisher unveioffentlichter Scbluss zu R. Wagners ,Beet- 
hoven*," mit erlauterndem Nachwort von Hans von Wolzogen. 

MUSIKALISCHE RUNDSCHAU (Munchen) 1906, No. 1. - Paul Zschorlich: 
„Richard Strauss und das Publikum", Bemerkungen uber w Salome*. Wenn es jetzt 
auch zum guten Ton gehore, fur Strauss zu sein, so werden doch viele, die 
die „Salome" einmal zu horen Gelegenheit finden, dem Verfasser beipflichten, der 
seine Abhandlung mit den Worten schliesst: „Die Weise fand ich neu und auch 
verwirrt." 

LE JOURNAL MUSICAL (Paris) 1905, 16. Dez. — Fred. Blesset: „Etude sur la 
Mesure**. Verfasser wunscht statt der bisher (iblichen Benennung des Zeitmasses 
rein mathematische Zahlenwerte eingefuhrt zu sehen. Er halt dies fur eine grosse 
Vereinfachung und Erleichterung, besonders fur denjenigen, der sich mit Mathe- 
matik beschafiigt hat. — „Les 6!6ves qui apprennent la musique a 16cole n'y 
apprennent- ils pas rarithm^tique? lis savent done bien ce que e'est qu'une 
fraction". Anstatt w deux quarts" solle man w de deux quatre* sagen usw. 

DIE SKIZZE (Berlin) 1905, No. 35. — Adolph Kohut schreibt uber die Geliebte 
V. 10. 18 



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262 
DIE MUSIK. V. 10. 



Franz Liszts, zum hundertsten Geburtstage der GrSfin „Marie d'Agoult". Verfasser 
bespricht eingehend die literarische TStigkeit der Grafin unter dem Pseudonym 
„Daniel Stern" und ihr VerhSltnis zu Franz Liszt. Zur Kenntis ihrer originellen 
Welt- und Lebensanschauung werden einige Ausspriiche wiedergegeben. 

RHEINISCHE MUSIK- UND THEATERZEITUNG (Koln) VII. Jahrg., No. 1.- 
Die bekannte Zeitschrifr, die ihren VII. Jahrgang mit einer umfangreicben Nummer 
beginnt, erscheint jetzt wochentlich mit einer vierzehntMgigen Musikbeilage. — 
Dr. P. L. scbreibt fiber Beethovens aussere Erscheinung, nach dem Bucbe des 
bekannten Beethovenforschers Tb. von Frimmel: „Wie sab Beethoven aus?" — 
Franz Dubitzky veroffentlicht eine vergleicbende Studie fiber: „Kennst du das 
Land" in der Vertonung unserer Meister. 

ZENEVILAG (Budapest) 1905, No. 47-48. — Interessant ist der Artikel SSgody 
Otmdr's fiber „Die metrischen Eigenschaften in der ungarischen Musik". — Ferner 
eine Studie: „Die Frau und die Musik im Zeitalter der Renaissance". 

MUSIKLITERARISCHE BLATTER 1905, Oktober-Nummer. - Edmund von der 
Planitz feiert in einem Aufsatz: w Ein Apostel des Wohlklangs" den Ton- und 
Wortdichter August Ludwig. Er gehort zu denen, die sich aus dem Gedrfinge 
zuruckgezogen haben, die der Schonheit auf still entlegenen Altfren opfern. Wie 
Schubert ergeht er sich im „Naturlich-Lieblichen, Idyllischen, Graziosen". Weise 
Beschrfinkung, Klarheit und Natfirlicbkeit walten in seiner Kunst. „Mit seinem 
Schaffen gehort uns ein Stuck Zukunfr, in ihm empfangen wir stets ein Stuck 
Schonheit, stets einen Anteil an Gluck." 

PRAGER TAGBLATT 1905, No. 335. — Richard Batka bespricht in einem inte- 
ressanten Essay „Klavier-Spielmaschinen. u Verfasser ffihrt aus, dass Manner wie 
Richard Strauss, d'Albert, Weingartner, Ansorge, Nikisch usw. mit begeisterten 
Urteilen fur die modernen Spielapparate eintreten, die es jedem ermoglichen sollen, 
„die schwierigsten Klavierstucke mit der Gelauflgkeit eines Virtuosen zu spielen." 
Trotz dieser grossartigen Perspektive muss bedacht werden, dass der Spielapparat 
das Tonstuck nur mit unabanderlicher Gleichmiissigkeit reproduziert. Es fehlt das 
Wichtigste: die Personlichkeit des Kiinstlers. 

SCHLESISCHE ZEITUNG (Breslau) 1906, 3. Januar. — Dr. Dembski veroffent- 
licht eine Erinnerung an Henriette Sontag: „Grafin und Sangerin." 

LEIPZIGER NEUESTE NACHRICHTEN 1906, 1. Januar. - „Heinrich Dorn in 
Leipzig**, ein Erinnerungsblatt fur den als Komponist, Kapellmeister und Kritiker 
einst vielgenannten Musiker von Otto Dorn. 

DAS DEUTSCHE VOLKSLIED jWien) VIII. Jahrgang, Heft 1. - Einen lesens- 
werten Artikel „Gitarre und Volkslied** bringt E. Lucerna. Es sei zu wunschen, 
dass die Gitarre im musikliebenden deutschen Burgerhause zur Begleitung des 
Gesanges wieder mehr gepflegt werde. Denn dadurch, dass der Singende selbst 
begleiten kann, wird eine „aussergewohnlich einheitliche Kunstleistung* 4 erzielt. 
Auch das im Absterben bcgriffene Volkslied wfirde wieder neu belebt werden. — 
Ferner E. K. Blum ml: „Kinderlieder und Reimc aus Wien und Niederosterreich.** 

NEUES WIENER TAGBLATT 1906, 8. Januar. Hans von Gumppenberg be- 
handelt eingehend „Die Opernfrage**. Das moderne „H6hendrama tt , sett Jahren 
Gegenstand zablloser Abhandlungen, sei kein „theoretisches Problem**, sondern 
eine „Schicksalsfrage u . Eine „hohe, dichterische Begabung** allein vermoge es zu 
losen. Bei der entsprechenden musikalischen Frage dagegen durften bei der „grosseren 



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263 
REVUE DER REVUEEN 



tecbniscben Gebundenheit der Musik" theoretische Feststellungen notwendig sein. 
... Die Ansicht, Wagner musse „uberwunden" werden und der Ruf „Mehr Mozart" 
sei die w Parole" der Jetztzeit. Muss Wagner wiiklich schon „iiberwunden" werden, 
so kann es nicht mit Altem, nur mit Neuem geschehen. Doch das „Grosse, das 
Allgeraeingiltige des Wagnerschen Dramas ist noch nicht ,uberwunden*; uber- 
wunden ist nur die unfruchtbare Nachaffung seiner personlichen Schw2chen und 
Besonderheiten." 

VOSSISCHE ZEITUNG 1905, 16. Dezember. — Irene Wild veroffentlicht zum 135. Ce- 
burtstag Beethovens eine bubsche Skizze uber „Das Beethovenhaus in Bonn". 

RHE1NISCH-WESTFALISCHE ZEITUNG 1905, 12. Dezember. - w Die komische 
Oper" von Carl Hagemann. Verfasser schildert die komische Oper der Fran- 
zosen, die schon „als Genre ohne Zweifel das beste ist, was die ahe Oper uber- 
haupt bervorgebracht hat". Es sei unserem deutschen Theater dringend anzu- 
empfehlen, die Pariser komische Oper zum Vorbild zu nehmen. 

THE ACADEMY (London) 1906, No. 1756 58. — Ilich Tschaikovski: „Life and letters 
of Peter Ilich Tschaikovski", in das Englische ubersetzt von Rosa Newmarch. Der 
mit E. unterzeichnete Artikel gibt an der Hand des Buches interessante Aufschlusse 
uber Tschaikowsky's Cbarakter und die Methodik seiner Komposition. Interessant 
sind einige Zitate aus einem Briefe an seine „mysterious benefactress", Nadehda 
Filaretovna von Meek: „ . . . I begin a composition with the intention of introducing 
some folk-melody into it. As to this national element in my work, its affinities 
with my melodies and harmonies proceed from my having spent my childhood 
in the country. J am passionately fond of the national element in all its varied 
expression." — In dem Artikel „Christmas-music" (H. C. C.) wird ein interessanter 
Vergleicb zwischen Handel und Bach durchgefuhrt. Verfasser weist zunSchst 
darauf hin, wie die offentliche Meinung in England lange Zeit irrtumlicher Weise 
von der Ansicht beherrscht war, HSndel sei „the greatest musician" der Welt ge- 
wesen, und folglich Bach viel geringeren Grades. — Nach einem Vergleich des 
w Messias" mit der „Weihnachtsmesse" sagt Verfasser: ^Handel's was the realistic 
or dramatic method, Bachs method one may call the descriptive one. — Bach is 
the father of the ,absolute ( music, Handel at any rate laid the foundations for the 
programme* music." — Von demselben Autor: „The Overture". 

FRANKFURTER ZEITUNG 1905, No. 361; 1906, No. 2, 3, 8. - Einen sehr inte- 
ressanten und lesenswerten Aufsatz „Mozarts Operntexte" veroffentlicht Hermann 
Gohen. Verfasser wurdigt eingehend Mozart als „Dramatiker der Oper". Die 
Individuality Mozarts als Opernkomponist beruhe nicht nur in der „ewigen Wunder- 
welt seiner Musik" sondern auf seiner „Genialit2t als Dramatiker". — Paul Wohl- 
feil schreibt uber die w GrSfin d'Agoult", zur Erinnerung an ihren 100, Geburtstag. 

MONTHLY MUSICAL RECORD (London) 1905, No. 420. - D. C. Parker ver- 
gleicht „Wagner and Carlyle" und findet w the most striking similarity" in der 
„French Revolution* 4 und „the Nibelung*s Ring". — Originell ist der Artikel „Bell 
Music." 



Da die w Rcvuc der Rcvueen* jetzt in der Redaktion bearbeitet wird, k<5nnen nur diejenigen Zeitschriften beriick- 
sichtigt werden, die der Redaktion von den Verlegern regclmussig zugesandt werden. 

18* 



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ljj,ul. jy ^ fin J^a UNIVERSITY0F MICHIGAN 




NEUE OPERN 

Pratu infer t »Sarema% trine xvelatttge Oper, Text Jvw RwJolt von^Gott- 
ecball nach eelnent dramtttecben Gcdlcht .Die Role ran Kufcuui*, wll 
Mltte Fcbruir aid Stadttbeater In Regetwbnrg ibre Uranff&hrtmg erieben. 

Legraad Borland i Joti*, Qiao pone In Ctlifaraien tpietende Oper, Libretto 
Ton Hefnricb von Poecblngeiv 

Juttiin Stern: »NiriiB* Rtaem* wttrde von der Direktfoa det Bretlaaer 
Siftdtfbeateri *w UrauflBhnwg enratbw* 

J* B» Zttrletti Dio Strasdbexe** Text von Hermann Ton BequigooIIee, 
ghrg wn 21. Juoir em Hoftbeaier in Neu-Streliti to Szene< 

AUS DEM OPERNREPERTOIRE 

Al*xandri«ni Gtumt Bellinclonl bracbte elne Oper *L* Dogereeea* von 
Stand Van, ***** HnpHoUe tie eptalte, zar eraten AoffiUmiog, 

Sayrtuitil Featepiele 1B08L Der erato Rtngeyfctai tmteretebt dem mtnUrtleebtt 
Kommtndo Hew RUMore, wibrmd der twette^ vie Weber flblieb, von 
Siegfried Vegner geletot WW, Die „Trltt*n*~Orebette? findet In Fell* 
Mot? I eotam Ffitaer, wUumd Dr. Mnofc, *]* Metier, dM »P«eiW* dtrigtert 
Hofkapeliinetater Balling md Beldler venteo u einfgen Abenden ttell> 
vetttotend tttig geta* 

Bordeaux: Anltag Jannar ging du etoaktige Maatkdtama ftlManlverailre", 
Text tod Ferval nnd Harold, Mnalk von Adilbert Mereler In Szeoe* 

Halifax (U. S. A.) ; Anting Jenuar fimd nnter groecem Beifall die crate AuffBfarung 
dea «FrelacbGti* >t»tt 

MonU Carlo: Die dleajlhrlgp Opernstagloae des Kaal no theater a (Febraar and 
Mirz) brlngt fblgendo Werke: »Pagliacci*, „La vie de bobtme*, ^L'an- 
cfctre* von Salnt*Sa6ne (Ureufftibriuig), .Don Procopio", ein Jugendwerk 
von Bizet (UranffBhrung), pMademoiaelle de Belle-Isle* von Splro 
Famara, *Le tol de Lthore* tod Maasenet, .Der Dim on* von Anton 
Rtibtaetein, v Oon Cmrloa* von Verdi, „Tanahluaer" von Vagner, f He* 
fistofele* von Botto* Die letzten aecha Werke werden rum eraten mai in 
Monte Carlo gegeben, Dlrigent lat Raonl GQnabourg, Kranich Ober* 
maachinenmelater, die BeleuchtaDg tot den Hinden Freya anvertraut. 

KONZERTE 

Bordeaux: Kapellmeister Lea pine Teranitaltet la dloaer Salaon aecha O reheat e r- 
komerte, die attSBchllesalich der detttachen Muaik (von Bach bis Strauss) 
gewldmet alnd. Daa crate Konzert entblelt Teike von Bacbj Htndel nnd 
Haydn. 

Gflrlitz: 16* echleeiichea Muslkfesr, Im Hinblick aaf den 150. Geburtatag 
Mot arts und den 50. Todeatag Scbumanna werden am erstcn Tage dea 
Featea daa Requiem von Mozart und die ff F«ust B -SzeneQ von Schumann auf- 
gefuhrt. Am zweiten Tage aollen Lis its aympbonlacbe Dicbtung B Prome- 



( \ I Ongmalfrom 

■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



265 
UMSCHAU 



theus" und die Chore zu Herders „Entfesseltem Prometheus", das Tedeum 
von Bruckner, die Sinfonia domestica von Richard Strauss und die 
Schlusszene aus der »Gotterdammerung a folgen. Der dritte Tag bringt 
die achte Symphonie von Beethoven, ein neues Klavierkonzert von Graf 
Hochberg, das Chorwerk „Sehnsucht a von Georg Schumann, Solisten- 
vortrSge und die Boldigung fur Hans Sachs aus den .Meistersingern". Ihre 
Mitwirkung haben 16 Chorvereine mit 850 SSngern zugesagt; das Orchester 
der Berliner Hofkapelle unter Dr. Muck wird ebenfalls mitwirken. Als 
Solistin ist bis jetzt Katharina Fleischer-Edel gewonnen worden. 

Grfinberg: Das BundessSngerfest des Niederschlesischen Singerbundes 
wird am 1. Juli unter Leitung des Bundesdirigenten Kantor Suckel statt- 
flnden. Der niederschlesische SSngerbund zShlt 56 Vereine mit 1370 Mit- 
gliedern. 

St. Louis: Die neue Musikhalle des ^Musical Art building" wurde am 16. Januar 
durcb John Towers eroff net, mit einer Rede uber Shakespeare und Beethoven. 

Melbourne: In den Orchesterkonzerten von Marshall-Hall werden folgende 
Werke zum erstenmal gespielt werden: Saint-Saens: w Pbaeton a , Smetana: 
M Libussa", Wagner: Venusbergmusik, Marshall Hall: Phantasie fur Horn 
und Orchester, Rimsky-Korssakow: „Scheherazade a , Brahms: Vierte 
Symphonie, Elgar: „Im Suden", Strauss: „Don Juan". 

Newmark (U. S. A.): Das 21. Musikfest der ^Northeastern German Singing 
Societies" von Amerika flndet vom 30. Juni bis 5. Juli statt. An dem Fest 
werden mehr als 1300 Quartette teilnehmen. Frau Schumann-Heink ist 
als Solistin verpflichtet. 

TAGESCHRONIK 

Musik-Fachausstellung. Das Ehren-Komitee fur die vom 5.— 20. Mai 
a. c. vom Zentral-Verband Deutscher Tonkunstler und Tonkunstler-Vereine (E. V.) 
in den RSumen der Philharmonie in Berlin zu veranstaltende Musik-Fachaus- 
stellung hat sich gebildet. Das EhrenprSsidium dieses Komitees hat Prinz Friedrich 
Wilhelm von Preussen ubernommen. Dem Ehren-Komitee gehoren eine Reihe 
unserer hervorragendsten Tonkunstler, Musikschriftsteller und Kunstfreunde an, 
unter diesen Bolko Graf von Hochberg, Joseph Joachim, Robert Radecke, Richard 
Strauss, Teresa Carreno u. a.m. — An der Ausstellung wird sich auch die Kdnigl. 
Bibliothek in Berlin beteiligen. Sie wird eine grosse Auswahl von Autographen 
und Manuskripten unserer alten Meister und wertvolle, seltene Notendrucke aus 
dem 15. und 16. Jahrhundert ausstellen. 

Die Mozart-Stiftung in Frankfurt a. M. hat die Errichtung eines einfachen, 
ideal aufzufassenden Mozart- Den km als in Frankfurt angeregt, das in den An- 
lagen oder auf dem Mozartplatz zur Aufstellung gelangen soil. 

Die wurttembergische Kammer der Abgeordneten hat den Entwurf, betreffend 
die Errichtung eines Konigl. Hoftheaters in Stuttgart mit alien abgegebenen 
Stimmen angenommen. Der Staat stellt 4 Millionen Mark fur ein neues Opern- 
haus zur Verfugung, nachdem die Stadt sich bereit erklSrt hat, fur ein spater zu 
bauendes Schauspielhaus ihrerseits 1200000 Mark zu bewilligen. Es soli ein 
Preisausschreiben zur Gewinnung von Konkurrenzentwurfen fur das Opern- 
baus ergehen. 

Der Grossherzog von Sachsen -Weimar hat den Baukontrakt wegen des 
neuen Hoftheaters mit der Firma Heilmann & Littmann in Munchen unter- 



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266 
DIE MUSIK V. 10. 



zeicbnct. Der Bau wird sich in dcr Formensprache ganz an die Zeit Goethes 
anschliessen. Die Gesamlkosten belaufen sich auf 2100000 Mark; der Grosstaerzog 
steuert aus Privatmitteln 1400000 Mark bei. 

Fur das im Jatare 1907 in Breslau stattflndende VII. Allgemeine 
deutsche Sangei bundesfest ist der holzerne Bau einer Festhalle geplanr, 
die 8000 Sangern und 20000 Zuhorern Raum bietet; sie wird 130 m lang, 56 m 
breit und 30 m hoch sein. Nachdem Geh. Baurat Pluddemann nach den Angaben 
der Bundesleitung den Grundriss fur die Festballe festgelegt hatte, wurde die 
kunstlerische Ausgestaltung der Halle ausgeschrieben. Fur die besten drei Arbeiten 
wurden Preise von 1000, 800 und 500 Mark festgesetzt. Das Preisrichterkollegium 
hat den ersten Preis dem Architekten Wahlich und Maler Denner, den 
zweiten Preis dem Ratsbaumeister Klimm und den dritten Preis dem Archi- 
tekten Grau und Maler Haertel zuerkannt. Ausserdem war die Arbeit des Archi- 
tekten Heger in engere Wahl gekommen. 

Das Theater in Krefeld ist vom 1. Juli ab auf zweijahre an Herrn Pester- 
Prosky in Koln verpachtet worden. Herr Pester hat sich verpflichtet, in der 
Spielzeit von September bis Mai 70 Opernvorstellungen zu geben. 

Fur die von dem Mailinder Verleger Sonzogno ausgeschriebene Konkurrenz 
sind nicht weniger als 562 Opernlibretti eingeschickt worden. 

Direktor Heinrich Conried verlSngert seinen Vertrag mit der New Yorker 
Metropolitan Opera-Gesellschaft, der noch zwei Jahre 13uft, um weitere 
drei Jahre. Der Grund hierfur ist, dass er eine Reihe von deutschen Kunstlern 
fur Wagner-Vorstellungen engagieren will, und diese nur auf eine 12ngere Reihe 
von Jahren VertrSge einzugehen bereit sind. 

Gertrud Steiner ist als erster Konzertmeister fur das Gewerbehaus- 
Orchester in Dresden verpflichtet worden. Es ist das erstemal, dass eine derartige 
Stellung durch eine Frau besetzt wird. 

Zum Kantor an der Kreuzkirche in Dresden wurde als Nachfolger Prof. 
Wermanns Musikdirektor Otto Richter in Eisleben gewahlt. 

Der deutsche Kaiser hat dem Generalintendanten der konigl. Schauspiele 
in Berlin Georg von Hulsen den Rang eines Wirklichen Geheimen Rats verliehen. 

Der konigl. Hofopernsanger Rudolf Berger in Berlin erhielt vom Herzog 
von Meiningen die grosse goldene Medaille fiir Kunst und Wissenschaft. 

Aus Anlass des 50jahrigen Jubilaums des konigl. Konservatoriums in Dresden 
erhielt Felix Draeseke den Titel „Geheimer Hofrat"; die Lehrer Janssen und 
Braunroth wurden zu Professoren der Musik ernannt. 

Prof. Dr. Joseph Joachim erhielt von Kaiser Wilhelm II. den Stern zum 
Roten Adlerorden II. Kl. mit Eichenlaub verliehen, Prof. Heinrich Barth den 
Kronenorden III. Kl., Prof. Dr. Karl Krebs den Roten Adlerorden IV. KI. und 
die Konzertmeister Eugen Sandow in Berlin und Oskar Bruckner in Wiesbaden 
den Kronenorden IV. Kl. 

Am 1. Januar feierte der konigl, preussische Musikdirektor Paul Lange in 
Konstantinopel sein 25jahriges Jubilaum als Organist der kaiserlich deutschen 
Botschaft und als Musiklehrer an der deutschen Real- und hoheren MSdchenschule. 
Der Sultan verlieh ihm das Kommandeurzeichen des Osmanie-Ordens. 

Dem Jahrcsbericht des Wiener „ K on ze rtvereins w uber das funfte 
Vereinsjahr 1904.03 emnehmen wir, dass der Verein zwolf Symphoniekonzerte, 
cin statutarisehes Mitgliederkonzert, vier ausserordentliche Symphoniekonzerte, 
zwei auswartige Symphoniekonzerte und vier volkstumliche (historische) und jeden 



J::r:i. 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



267 
UMSCHAU 



Sonntag und Donnerstag populare Konzerte, einen Mozart-Abend, zwei Wagner-, 
zwei Beethoven-Abende und einen Abend fur Kompositionen franzosiscber Kom- 
ponisten veranstaltete. Dirigent der Symphoniekonzerte war Ferdinand Lowe; 
die popuiaren Konzerte leiteten Adolf Kirchl und Gustav Gutheil. 

Die Verlagsbuchhandlung von Breitkopf & Hartel in Leipzig hat soeben 
ihren Musikverlagsbericht 1905 veroffentlicht. Der nach Gruppen geordnete 
Teil hat eine Neuerung dadurch erfahren, dass die Werke in solche von zeit- 
genossischen Tonsetzern und in fortlebende und neubelebte fruherer 
Zeiten geteilt sind. In der ersten Abteilung begegnet man einer ganzen Anzahl Werke 
von jungeren aufstrebenden Talenten; nicht minder sind aber auch eine ansehn- 
liche Zahl Namen von deutschen und fremdlandischen Tonschopfern vertreten, 
die schon lange Anerkennung gefunden haben und in den ersten Reihen der 
musikalischen Welt stehen. Die zweite Abteilung dagegen nennt manchen Kom- 
ponisten, der mit seinen Werken der Vergessenheit anheimgefallen war, dessen 
Name aber zu seiner Zeit guten Klang hatte, manchen Meister und Grossmeister 
der Musik, der erst in letzter Zeit wieder hier und da im Konzert auftauchte. — 
Das Verzeichnis wird an alle Interessenten kostenlos abgegeben. 

Peter Cornelius kommt nunmehr mit seinem Schaffen zur Geltung. Seine 
nacbgelassene Oper „Gunlod a ist von W. von Baussnern erganzt und instrumentiert 
worden und das Kolner Stadttheater hat sich die Erstauffuhrung des Werkes ge- 
sichert. Ober Entstehung und Schicksal der Oper bringt No. 84 der soeben er- 
schienenen Mitteilungen der Musikalienhandlung Breitkopf & HSrtel eine 
kurze Abhandlung aus der Feder Max Hasses. Aus dem weiteren Inhalt dieser 
Nummer ist zu entnehmen: Busoni's Orchestersuite zu Turandot, Weingartners 
Streichquintett op. 40 und ein Zyklus mit Morikeschen Fruhlings- und Liebes- 
liedern werden demn£chst erscheinen. Auch von dem Finnlander Jean Sibelius, 
der in deutschen Konzertsalen durch seine Symphonteen, seinen „Schwan von 
Tuonela u und seine sonstigen Orchesterwerke und Lieder lingst ein Wohlbekannter 
ist, sind wieder neue Werke zu erwarten, sowohl auf dem Gebiete der Instrumental- 
musik, als auf dem des Liedes. Georg Bizet, dessen Musikwerke jetzt freies 
Eigentum geworden sind, ist mit Neuausgaben und Neubearbeitungen seiner Oper 
w Carmen" und den Orchestersuiten vertreten; sein junger Landsmann D6odat dc 
S6verac, der mit seinen Werken vor kurzem ausschliesslich das Programm eines 
Konzertes der Schola Cantorum bildete, mit einigen neuen Kompositionen. Der 
Forderung der Bachpflege in Frankreich soil die Ausgabc der 100 Chorale von 
J. S. Bach dienen, der V. d'Indy ein Geleitwort beigegeben hat. Die Abteilung 
der Musikgeschichtlichen Werke nennt diesmal zwei neue Bande der DenkmSler 
der Tonkunst in Bayern und die Akten des internationalen Musikkongresses in Rom. 

TOTENSCHAU 

Am 25. Januar f zu Weimar in ihrem 79. Lebensjahre die gefeierte Kammer- 
siingerin Rosa von Milde, die ausgezeichnetste Zierde des Hoftheaters aus der 
grossen Lisztschen Zeit, insbesondere beruhmt als Senta und Elisabeth und als 
Elsa in der Urauffuhrung des w Lohengrin a , sowie als Ximene in derjenigen des 
„Cid a von Cornelius, der mit schwarmerischer Andacht sein kiinstlerisches Ideal 
in ihr verehrte. 

In Luttich f der ausgezeichnete Klarinettist und Professor am Konservato- 
rium G. Haseneier. 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



OPER 

AMSTERDAM: Die FeetaBflBhrtwg tot Moxerta »Eatffihrnng ana dtm Serill" 
geatalteto aicb xtt etaem Genntae teltener Ar^ d* Stiletto, Gtaor und Utrechier 
Orcbeater outer dtr beaceltndai Xeftnng Ton WHIem de Hitp «ob Darmttadt wttt- 
etbrmt, Ihr Bettee ragebtn. Alt Solittea virkten mft die Damea Aenny H In derm an n 
Olid Tytaen-Bremerkamp atta Hamburg (Conetaiti* and Bloadcbeit^ tovtt die Hones 
MSdUnger and JSrn eu Berlin (Oamln and Belmonte), Hermann Schramm tnn 
Frankfort a *1* (Pwlrino> nod Hafabaafffrfeler Pttit aim Stuttgart (Bim Settm)* Ge~ 
atntfictt tmd acbauapiekrUeb h*Ue tick bier tin Enttmbfte aatanttttengefandeo, dee tiifc 
gi&cklfcbete tatteandtr grilt to dm bel dor gUficenden Aueetettang tief ergrettende 
Wtrfatng nrreJcbt vnrdt. — Die Uelieniecbe Qper brtcHto TachafkowekyV „Engnnfo 
Onegln*, die wenlg Anklajig bud; grSaaerer Brfolg wa* Ibr mfc PnceinFa »Bohdme* 
ttnd H*Mry*a J&brea* beacbledeiL — Die fra&xfteiecbe Qpox blteb dem »T*«n Muter* 
to gtft *te ellee eebuldig, Mbm )edocb Rerancbe mit doer gphnenden AttMbnuif too 
Cberpcatier'B *LouUe*. Hint A tt (net In 

ANTWBBPEN t In d*f {Htmiechon Oper g*b ee in letaten Wocbe* Hut tnatthlieaellcta 
dentecbe Werfce, Tim dene* nameatlich die Wiederatifaabme der ^Meieterainger* 
Uttd dn .Fidelia* tuner glflckiicbetek Bedtngtwgen tin aablrejchet Fobtffcnm in Jedar 
Weiee be&fedigte. A* Hon) gab elm 

BALTIMORE: Quaere Sttdt mit 600000 Einwobnern Im Btaate Maryland (Nord-Amerika) 
featte win a November Mt VeUuttebitn genan 14 Koattfte end — man Wre nod 
attune — tine OpenmnvteHung: Alice Nielaen gib mit ibrer ifelleniacben Truppe 
„Don Paaqaale*! DIetet tt groeae Openteretgnla 4 war dte elnatge, recht geringfiigige Be- 
ftfedigung — wenn mm tod einer eolcben fiberbaupt In dlcaem Falle aprecben kann — t 
die opernbungrige Bfirger wlhrend der Tergangenen Monate empflngen* Sit age's cng- 
LUc&e Oper, die la alien grfoaeren Sildten VorBUUungcn gab, u. t* tucb Tamibiuser, 
Lohengrin tind Fautt, ging an una Torilber. Edg, 

BERLIN: Komiicbe Open „Der Corregidor" von Hugo Veil — Ea 1st ein 
achllmmca Geachick, efn Kdnig Midas der Tonkunst iu aein t dem aicb unter den 
Htnden alles in goldne Lieder Terwandck. Vem Golde kann man aicb nicbt olbroe, 
and einem Midaa der Ton ken at cracbelnt kein erlflsender Cott. Der arm© Hugo Wolf 
bat'a bitter erfobren mQssco* Er bat nun auBgelitteiif Groaadeutachland tritt aein Erbe 
an — mfichte ea aicb aetner wjBrdlg id gen! Daaa man in Berlin Hugo Volfa'Ustlicbe 
Oper weder bel Hocbberg nocb bei Hulaen tu aeben btkaro, konnte ortskundlge Leute 
nicbt Qberraacben, Nun bat Herr Gregor den Versuch in aeiner ^komiacben Oper" ge* 
wagt, und die gewiaaenbafte Art* wie ei'e ut, alchert ibm geistigen KredH auf lange 
bloaua. Herr Gregor 1st der beate Opera regtsaeur, den wlr bitber In Berlin erlebten. 
Wie er Spleloperntexre von der Art des Corregidor durcb ein bia Ina kleinate lebendfge 
Spiel glaubbaft zu machen welas, iat TerblGffend. Dabei bat er einen ausgeprigten Sinn 
fBr gute Bubnenbilder, er duldet kdnen Schematism us der Aufetellirag, und seine 
Maachinenmciater aind Virtuoaen der Beleucbtung (In dieaem beaonderen Punkte werden 
ihm Ton guten Muaikanten und acbiecbien BHderkennern nocb immer Vorwurre gemacnt; 
man iat z. B. empdrt darQber, daaa er die B&bne im DImmcrltcht ISsst, wenn nur ein 



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269 
KRITIK: OPER 



schwaches Licht, eine Kerze oder Lampe, die Szene erhellt; der gute Musikant ist in 
diesem Fall bose, weil er nicht das „Mienenspiel a seiner Sanger verfolgen kann — fur 
den rembrandtischen Totaleindruck des ganzen Bildes fehlt ihm der Sinn). — Beim 
musikalischen Teil war ein gewisses Suchen nach dem rechten Stil noch unverkennbar. 
Einzelleistungen, wie der Muller des Herrn Buers und die Frasquita des Frl. FHuillier, 
hoben sich sehr vorteilhaft ab. Der Dirigent, Herr Cassirer, nahm es, in den beiden 
ersten Akten besonders, oft zu pedantisch niit dem Tempo, stellte die einzelnen Teile 
nicht scharf genug gegenuber. Das wird sich geben. Am Berliner Publikum liegt es, 
ob das Werk nun endlich der Buhne gewonnen ist. Wie aber auch die Entscheidung 
heute ausfalle: die kommende Generation wird den Corregidor im Spielplan nicht ver- 
missen. Werke wie Goetzens bezahmte Widerspenstige, wie der Bagdader Barbier von 
Cornelius und wie Wolfs Corregidor singen sich nur langsam hinein ins deutsche Volk. 
Aber dann werden sie auch so bald nicht mehr vergessen. — Konigl. Opernhaus: „Der 
lange Kerl". In Berlin dient augenblicklich in einem Garderegiment ein Mann, 
den seine Kameraden den langen Joseph nennen, da dieser Mann auch am Flugel 
einer ersten Kompagnie noch auffallt ob seiner kolossalen Lange. Besagter langer 
Joseph feierte am 27. und 29. Januar 1906 im Berliner Opernhaus einen grossen 
Triumph als die Hauptperson einer neuen Oper, die den Titel „Der lange Kerl a 
fuhrt, und Herrn von Woiko wsky-Biedau zum Dichterkomponisten hat. Ihr meint, 
das sei doch nicht moglich, dass der erste beste Soldat vom Exerzierplatz weg 
in die Oper abkommandiert wurde, um dort einen kunstlerischen Erfolg in Empfang 
zu nehmen? Aber in Berlin ist alles moglich, was kommandiert wird. Herr v. Woikowsky- 
Biedau wahlte zunachst, um den Mann nicht aus der Fassung zu bringen, etwas Militariscnes 
zum Libretto; jene bekannte Anekdote, wie Friedrich Wilhelm I. ein hubsches Bauern- 
madel nach Potsdam mit dem schiiftlichen Auftrag schickt, die Uberbringerin sofort mit 
dem langen Mac Doll seines Leibregiments zu kopulieren, und wie die schlaue Bauern- 
dirne unterwegs Zettel und Trinkgeld einer buckligen Alten ubergibt, die dann schleunigst 
dem strammen Grenadier verehelicht wird (die Anekdote nahm im Textbuch freilich einen 
anderen Verlauf; Herr v. Woikowsky-Biedau, der eine sehr gutmutige Natur zu sein 
scheint, erspart dem langen Kerl noch im letzten Moment die Alte, und Mac Doll und die 
Bauerntochter werden ein glucklich liebend Paar). Da aber ferner nicht anzunehmen ist, 
dass auf dem Exerzierplatz Opernarien eingeiibt werden, so musste es so eingerichtet 
werden, dass die Hauptperson dieser Oper iiberhaupt nichts zu singen hat, sondern nur 
stramm zu stehen, dreimal „zu Befehl" zu sagen und seine Herzallerliebste zu tatscheln 
— Dinge, die nach einer weitverbreiteten Ansicht beim Miiitar gute alte Uberlieferung 
sind. So ging denn alles seinen rechten Pass — so weit es den „langen Kerl a selbst 
angeht. Leider hatte Herr v. Woikowsky-Biedau den unglucklichen Einfall, die anderen 
Personen nicht stumm oder nur redend einzufuhren, sondern sie singen zu lassen, mit 
Orchesterbegleitung gar. Und das war bos. Nach der Gutmutigkeit, die sich in der 
Textbehandlung zeigt, bekomme ich's aber nicht ubers Herz, die „Musik a dieser t Oper tt 
gebuhrend zu charakterisieren. Nur soviel sei mir gestattet anzumerken, dass das Werk 
ziemlich unzweideutig vom Berliner Opernpublikum, das wahrhaftig an Gutmutigkeit 
nichts zu wunschen lasst, abgelehnt wurde, trotzdem der Schopfer des Werkes nach 
oben so gute Beziehungen hat, dass man ein Justig Spiel in zwei Akten" am 150. Ge- 
burtstag eines gewissen W. A. Mozart zur Auffuhrung brachte. Willy Pastor 

BRESLAU: Als Novitat brachte die Oper Engelbert Humperdincks „Heirat wider 
Willen" in leidlichem Ensemble (Herr Pruwer) heraus, trotzdem uns geeignete 
Vertreter fur die beiden lustigen Rollen des Werkes fehlen. Frau Verhunc und Herr 
Dorwald halfen mit nie versagender Routine aus. Herr Siewert sang geschmackvoll 



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270 
DIE MUSIK V. 10. 



den Tenorino, Herr Schauer mit gutem Humor den Gouverneur. Dem Publikum 
schien die abwechslungsreiche Partitur trotz ihrer argen Stillosigkeiten gut zu gefallen. 
„Heirat wider Willen" erlebte seither eine ganze Reihe von Wiederbolungen. Mit be- 
sonderen Fahrnissen hatte eine zyklische Vorfubrung des „Nibelungen-Ringes u zu 
kampfen. „Rheingold u und „Walkure a liessen sich schlecht und recht mit eigenen 
Kr3ften ermoglicben. Fur die Siegfriede aber fetalt uns der rechte Mann. So wurde 
Herr Kraus als Gast angekiindigt, aber er sagte ab. Im „Siegfried a ersetzte ihn 
Herr Schmedes aus Wien, dessen Stimme und Spiel an jugendlicher Frische mancbes 
zu wunschen liessen, in „G6tterdammerung a Herr Urlus aus Leipzig, ein technisch 
wohl beschlagener Sanger, dessen Sprachbehandlung jedoch den AuslSnder deutlich er- 
kennen lasst. Fur die „Gotterdammerung" sagte dann unsere Brunnhilde ab. Als Ersatz 
wurde ein Frl. del I a Rogers herbeigeholt. Eine Probe, die wohl die Notwendigkeit 
einer Verschiebung der Auffuhrung zwingend ergeben batte, war offenbar fur uberflussig 
erachtet worden. So erlebte das Publikum eine Brunnhilde, die in den exponiertesten 
Momenten darstellerische Versehen beging und etwa die Halfte ihres musikalischen 
Partes einfach scbuldig blieb. Im ersten Aufzug half ihr Siegfried-Urlus im Bedarfsfalle 
ein. In der Schlusszene, als Siegfried auf der Bahre lag, war solche Hilfe nicht mehr 
gut moglich, und so sang Frl. della Rogers von der gewaltigen Totenklage nur einzelne 
Pbrasen, die ihr gelegentlich einflelen. Diese „MustervorstelIung a , an die die Ein- 
heimischen Frl. Rose (Gutrune), die Herren Doring (Hagen) und Dorwald (Gunther) 
treffliche Leistungen verschwendeten, fand ubrigens bei erhohten Preisen statt. Unsere 
Mozart-Feier bestand aus den Repetitionen von „Don Juan a , „Figaros Hochzeit", 
„ Zauberflote" und „Entfuhrung aus dem Serail a . Da wir es in den Vorjahren fiber 
„Don Juan" und w Zauberflote a nicht herausgebracht hatten, so war die Einfugung 
der beiden heiteren Werke in den Spielplan immerhin ein Gewinn. Waren nur die 
Auffiihrungen besser gewesen! In ^Figaros Hocbzeit" konnten wir von den Hauptrollen 
nur den Figaro mit Herrn Schauer wurdig besetzen. Die empflndlichste StSrung 
brachte wieder ein Gast zu Wege: Frl. Kraus vom Jubilaums-Stadttheater in Wien. 
Was sie der Grafin antat, lasst sich in kurzen Worten nicht beschreiben. Freundlicher 
erging es der „Entfuhrung aus dem Serail". Hier trat die reife Kunst Emilie Herzogs 
fiir die Konstanzc ein, Frl. Mott kam mit dem Blondchen uberraschend gut zustande, 
und die Herren Schauer (Osmin), Siewert (Belmonte) und Birkenfeld (Pedrillo) 
nahmen sich der Mannerrollen mit EifcT an. Die angekundigte zweite Opernnovitat, 
Heubergers „Barfussele tt , ist zunachst verschoben worden. Dann will sich unsere Oper an 
Richard Strauss' „Salome a wagen. Dr. Erich Freund 

DRESDEN: Im Konigl. Opernhause ruht man auf den mit „Salome" errungenen 
Lorbeeren aus. Darum begann der Mozartzyklus mit einer „Entfuhrungs a -Auf- 
fuhrung, die zwar als Neueinstudierung auf dem Zettcl verzeichnet war, aber als solche 
selbst bei bescheidenen Anspruchen nicht gelten konnte. Bemerkenswert war der Abend, 
an dem Herr v. Bary zum ersten Male den Rienzi sang. Ich mochte sagen, dass Herr 
v. Bary den Helden dieser Wagnerschen Oper in dem Stile der spateren Musikdramen 
des Meisters gab und die Verwandtschaft mit der alteren Opernschule, speziell mit 
Meyerbeer, dadurch in iiberraschender Weise zuriicktreten liess. F. A. Geissler 

DOSSELDORF: In einer vortreftlichen „Lohengrin tt -Auffiihrung gastierte Frau Mottl- 
Standhartner (Miinchen) als „Elsa tt und stellte sich Hans Sch il 1 ing-Ziem ssen 
als Nachfolger von Dr. Rabl (fiir die kommende Spielzeit) auf dem ersten Kapellmeister- 
posten (neben Frohlich) in vielversprechender Weise vor. Frieda Henke (Coblenz) sang 
die n Margarete u und „Scnta u als Bewerberin urn das vakante jugendlich-dramatische 
Each ohne entscheidenden Erfolg. Eine Glanzleistung bot Helene Bran des als 



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27! 
KRITIK: OPER 



„Regimentstochter". Zum ersten Male gab man Rohrs „Vaterunser a mit J. von 
Hubbenet (Rose), Gartner (Pfarrer) und Grassegger (Leroux). Der Einakter fand 
eine rectat beifallige Aufnahme. Neu einstudiert wurden ^Hoffmanns Erzilhlungen" und 
„Ha*nsel und Gretel". Ausgezeichnet besetzt in alien Rollen, beherrschten beide Werke 
seitdem das Repertoire urn so mehr, als die Vorbereitungen fur einen secbs Abende 
umfassenden Mozart-Zyklus weitere Premierenabende ausscbliessen mussten. 

A. Eccarius - Sieber 

FRANKFURT a. M.: Der Mozartzyklus im Opernbaus hat auch in seinem weiteren 
Verlauf mit dem bosen Geiste Indisposition, der dem Unternehmen schon am ersten 
Abend drohte, noch manches zu schaffen gebabt. Indessen nahmen sich nicht nur die 
ofter im Spielplan wiederkehrenden Opern, sondern auch die seltenere „Entfuhrung 
aus dem Serail** und die seit ISngeren Jahren nicht gehorten Werke „Idomeneo a 
und „Titus a in der Ausfuhrung doch mindestens wurdig aus. Der romische Imperator, 
der eine schone Lcistung Frl. Geigers bildete, und auch der mytbische Konig von 
Kreta werden wohl bald wieder in der Versenkung verschwinden miissen, da es mit 
der dauernden Empfanglichkeit des Publikums fur den Opernstil vor Gluck, worauf 
beide Stucke zuruckgreifen, doch nun einmal vorbei ist. Dagegen hoffen wir, dass wir 
die „Entfuhrung tt sowie „Cosi fan tutte", das noch aussteht, durch diesen Festanlass 
wieder ofter werden geniessen durfen. An Frau Schackos Blondchen geht einem das 
Herz auf, genau so wie vor einem Dutzend Jahren. Hans Pfeilschmidt 

HAMBURG: Unsere Oper, vollauf beschaftigt mit dem 32 Abende umfassenden Zyklus 
musikalischer Meisterwerke, einer Kette, die sie jetzt schon keuchend mit sich 
schleppt, kommt naturlich einstweilen gar nicht zu Novitaten. Mit der scheusslichen 
„Tosca a hat sie in dieser Beziehung vor Monaten das letzte Wort gesprochen. Humper- 
dinck, d'Albert und wie sie alle heissen, die doch beriicksichtigt werden mussen, 
stehen draussen und warten. Und wir warten mit. Damit soil nicht bestritten werden, 
dass der Zyklus auch seine erfreulichen und kunstlerisch wertvollen Seiten hat. Einen 
besonders interessanten und glucklichen Abend brachte er uns in der Neueinstudierung 
der „Stumme von Portici" von Auber. Es liegt, zumal bei uns, etwas in der Luft, was 
uns fur die drohende Chromatik dieser Musik, fur die Anklagen dieses Stoffes besonders 
empfSnglich stimmt. Zum mindesten begreifen wir heute wieder mal ganz gut, dass ein 
Werk wie die „Stumme a einmal die Rolle des ziindenden Funken spielen konnte. Dazu 
kam die prachtige Neubearbeitung des Werkes durch Gustav Brecher, der mit seiner 
intimen Kenntnis der theatralischen Wirkung das Buch revidierte, neu ubersetzte und 
musikalisch manches uberaus glucklich retouchierte. In dieser durchaus beachtens- 
werten Neubearbeitung, die in der Edition Peters gedruckt vorliegt und die fur die Zu- 
kunft alien Buhnen zu empfehlen ist — schon wegen der besseren Fassung der Expo- 
sition des Dramas — , erlebte die Oper bei uns unter Brechers Leitung eine imponierende 
Auffuhrung. Imponierend sowohl als ganzes durch einen grossen, hinreissenden Zug, 
wie im einzelnen durch eine prachtig beredte Orchesterleistung, durch einen ausdrucks- 
voll eindringenden Chor und durch ausgezeichnete Verkorperung der Hauptrollen durch 
Frl. Ferron und Herrn Birrenkoven. Jedenfalls war gerade diese Vorstellung ein 
vollgultiger Beweis dafur, dass Brechers rastlose Arbeit nicht vergeblich getan ist, dass 
das Niveau der Hamburger Oper unter ihm und durch ihn eine Hebung erfahren hat 
und hoffentlich auch weiter erfahrt, je mehr die Uberzeugung sich Bahn bricht, dass die 
eminenten kunstlerischen Krafte Brechers dem Institut zum Vorteil gereichen, und 
dass gutgemeinte, sentimentale Erwagungen nicht am Platze sind in Fragen, wo es sich 
ganz ausschliesslich urn Kunst und nicht urn Personen handelt. Als Gast der Oper 
erschien, einmal, Willy Schiiller aus Wien. Er sang recht brav den Faust und reiste 



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272 
DIE MUS1K V. la 



dano oboe dm ertebntoo Kontrakt «b. Tentg bedettteam inufete nacb der ,Stnniiimi* 
die »Jtdln* an* Billow batte fo bo recht ah tdoem wltztgpn Tort von dem tmecbtat 
Mahfabrfkanten: HtWry, dor nur RekUme macho fBr den ecbten: Meyerbeer* Nut def 
swehe Akt dor Jttdin* in seiner ereten HUfto lit wtrkltoh ettaummgavol) nod getragoa 
von ecbtom mtnlknliadi-drtnintlethen Getete* Prut Bene* und Herr Pennarini onngeti 
die Hauptrollon in dor gleicbfirila von Bmber gelelteten AuOTbmng* 

Heinrlob Cbevolley 

K6tN: None Taten ehtd von den Veroinigten Stadttbeatern nicbt m pcldotv. 
Outer dea virion AttthUfaglaten epracfe dor Tenorfat Helnrleb Spemaan top Dornt* 
ettdt mis Siegfried fan gteteboamigen Vagnerecben Terke nod ebenoo In dor Gdttof- 
dlmmertrog dmob seine fHsdbo, tndfridneU geprlgte, gesengliobe wte daretellerisdio 
Geataltttagekraft sebr sympathise]! on- Am don LeiHoogen tod Otto Brteiemeistor 
sit Logo In Rboingold tand Siegmttnd in dor Tnlfcftre gewinn man ale oiniif wetcnUicfto* 
Eindrack don petalich berechoeter Theatralifc Pottl HI 1 lor 

KONIGSBERG I Pr,l Dot Sudtthotter bit eine ran Kapellmeister Frommer nod 
Oberreg}esettr Hart ma nn sofgffthfg vorbereltete Anffitttrung ton Tolf-Ferrati*o 
ftNotfgferifan Prtnen* gebrecbt, worfn slab die Domen H of acker, Ballon, Schrootor 
and Koch, die Ronton Krauoe, Frank, Berger, Rflbe nnd Rftbtam erfblgrtfcb wm 
faiopolattotten Gating nnd letefates Spiel bcmfibttn* Mo zone Getrartatag wmde mit 
*Cost ta tntfo* geiefert ; dlo Oper lit khr longo nlofet gegoben warden nnd hot In dor 
ttbomsebend Arisen, such im Oreheetor graitfaen mttelfctllaOben tud darstaSondaa 
Tfedeigabe vlelenBrfalggebabt Fttr FeSraar 1st cln Moxart*Zyfclns venpnrtfeen wordon. 

Pool Bblor* 

MAGDEBURG: Unset* Oper bradrte In oinor von Josef GSUricb trefflieb tot* 
borottoion AntAbrttng Hnmperdincfcs v Hotm wider WHion", obne tedcosen don 
gobofton Repertoiroerfolg damit m enleien. Sonet Unfit der Spielplan twisdben Mozart 
nnd Tegoer, Gotmod nnd Bizet, Verdi und Mascagoi In Stadttbeaterwetse bin, obne fat 
die AuesergtwSbnliche elnzutreteiL So war dor Tunsch wohl da, einmol Roy ero »Stgnrd" 
ouf der dentscben Bflhne etazufQhren — or konnte aber darum nicbt zur Am nib rung 
kommeo, well koine deutacbe ObersetEang dea Terkes vorbanden war. Vlellelcbt maehon 
dleae Zellen einen Mualkknndigen nnd gewandten Oberaetzer euT dia Werk aufmerksaro. 
In AnaaJcbt ateht noeh oino AnflQbrung der Oper M TIeflaad" von d' Albert, die nnaere 
BSbno scbon bracbte, aber wegen elner Tenoroot wicder abaetzen muaate, die Elnffigtmg 
dea tf Oberon* nacb der Tkabadener Elnricbtang nnd dep Nibelungenrings ala Zyklus. 

Max Hasae 

MANNHEIM; Einen durcbscblagenden Ertolg errang d'ALberta Muaikdraroa „Tier- 
land" mil aeiner packenden und trefflicb llluatrierendea Muai^ deren Scbwerpunkt 
im Orcbester Hegt Margarete B nodes und Margarote BeHng-Scbifer varen vor- 
zGgllcbe Vertreterinnen der weiblicben Hauptrollen, Carl en gab den Pedro und Baail 
den Sebtatiaoo, belde boten glinzende Lelstungen. WlHibald Klfaler dirlgierte und bane 
in Anweaenbeit des Komponiaten einen atarkcn Erfolg. lutendant Hofmann erzlelto mit 
einor Neuelnatudlerung von ,HoffmaftDt Erzlblungen* einen Kassencrfolg, well das 
Terk aacb vielen Jahren wleder tnteres«lerte und in guter BeaeUung erschien. 

K. Escbmann 

NET YORK: Eine „FaustVAuffuhmng obne Cfaor Ut gewiss ein Unikumt Im 
Metropolitan Opera House 1st eine seiche gegeben word en t am 3* Januir. Die 
Mltglfeder dea Chore batten eine LohoerbObung von 60 Mirk «uf J 00 Mark per Tocbe 
und verachiedene andere Beg&natlgungen verlangtf und bildeten eine Union. Direktor 
Conrled war bereit, die Lobnfrage zu berucksichtigen, welgerte aich aber, die Union 



■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



273 
KRITIK: OPER 



anzuerkennen. Darauf folgte der Streik, und Conried musste sich mit Blechmusik und 
Orgel aushelfen. Glucklicherweise dauerte der Streik nicht lange; aber in der nScbsten 
Auffuhrung („Tristan und Isolde") wurden die Chore im ersten Akte von Solisten ge- 
sungen — worunter Knote, Reiss, Goritz. Auch Caruso wollte mitsingen, kam 
aber zu spat — leider, denn dann h&tte er sagen konnen, er hStte in derselben Wocbe 
sein Debut sowohl in deutscher wie in franzosischer Oper gemacht. Er sang namlich 
an dem Streik-Abend zum ersten Male eine franzosische Rolle. Wie er die Rolle auf- 
gefasst hat, kann man daraus ersehen, dass er, ausser in der ersten Szene, den ganzen 
Abend weisse Handschube anhaite, sogar im Gefingnis! Gesanglich war er naturlich 
besser, aber Caruso ist weit davon entfernt ein Jean de Reszke zu sein, der franzosische, 
deutsche und italienische Opern gleich gut sang. Italienische Rollen singt Caruso aller- 
dings entzuckend, besonders die modernen von Puccini. Eigentumlicherweise wagt er 
sich nicht an Manrico im „Trovatore*, und diese hier seit Jahren nicht gehorte Oper ist 
daher mit Knote und Lillian Nordica gegeben worden. „A'ida", mit Nordica und 
Caruso, hat grosses Aufsehen gemacht; auch ^Tristan und Isolde", mit Nordica und 
Burgstaller, der den Tristan hier zum ersten Male gab, und zwar ausgezeichnet. 
Uberhaupt ist „Tristan u das populfirste aller Wagnerschen Dramen in New York — eine 
Tatsache, die vor zwei Jahren Mottl so angenehm uberraschte. „Parsifal a war bet der 
ersten diesjahrigen Auffuhrung schlecht besucht; bei der zweiten aber war das Haus 
wieder vol!. Das Mozartjubil&um wird gefeiert mit einer „Don Juan" -Auffuhrung, in 
der Sembrich, Nordica, Scotti, Dippel, Journet mitwirken. Henry T. Finck 

PARIS: In der Grossen Oper horte man wenig Neues im Laufe des Januars. Van 
Dyck gab mit Erfolg eine Serie von Tristan-Vorstellungen, und daruber vergass 
man den neueinstudierten „Freischutz a ohne Schaden. Ein andermal wird man ihn 
hoffentlich etwas anders einstudieren. — Die Komische Oper, die letztes Jahr das 
Hundertjahresfest des „Fidelio a vers2umt hatte, Ioste endlich im Januar 1906 ihr Ver- 
sprechen ein. Die einst vorubergehend an der Grossen Oper beschaftigte deutsche 
S&ngerin Frau Kutschera sang als Gast die Leonore mit hervorragendem dramatischen 
Feuer, zeigte aber im langsamen Teil ihrer Arie eine gewisse Ermudung des Organs. 
Beyle, Dufranne, Vieuille und die jugendliche Vanthrin boten sehr befriedigende 
Leistungen als Florestan, Pizarro, Rocco und Marzelline. — Ein neuer Zweiakter von 
Gabriel Pierne* „La Coupe Enchanted* (Text von Matrat nach Lafontaine) erwies sich 
als ein interessanter Versuch, moderne Harmonik und Melodik mit den Susseren Formen 
der alten komischen Oper in Einklang zu bringen. — Die Operette, die als aus- 
gestorben gait, hat immerhin in den alten „Bouffes Parisiens" Offenbachs noch ein 
kleines Heim behalten. „Les Filles Jackson et Compagnie" von Justin Clarice, einem 
gerailigen Nachfolger des gefailigen Lecocq, gehen dort der hundertsten Vorstellung ent- 
gegen, obschon das Textbuch von Ordonneau uber Gebuhr albern ist und die Pariser 
Kritik uber Stuck und Musik sehr geringschfitzig ausfiel. Felix Vogt 

PRAG: „Der schwarze See" heisst die neueste Urauffuhrung des tschechischen 
Nationaltheaters, die dem Komponisten, dem greisen Richard Rozkoschny einen 
schonen Erfolg brachte. Rozkoschny hat noch am Ende der sechzigerjahre mit Smetana 
urn die Palme der Popularity gerungen und gehort zur Gruppe der Blodek, Hrimaly, 
Schebor, die ihres Zeichens Eklektiker, gern auch aus dem frischen Tonquell scbopften, 
der in der „Verkauften Braut" ihres grossen Rivalen in so reinem Strahle sprudelte. 
Dem Buch liegt eine Volkssage, der Roman einer Waldnixe, zugrunde, die einen Sterb- 
lichen heiratet. Die Musik zeigt Rozkoschny auf bewahrten Pfaden. Was darin Effekt 
macbt, stammt aus dem Arsenal der grossen Oper; was darin lebensvoll anspricht, kommt 
vom Volkslied und Volkstanz her. Im ganzen vieux jeu, aber doch recht Iiebenswurdig 



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274 
DIE MUSIK V. 10. 



gespielt. Die Auffuhrung unter Kapellmeister Jitek war prSchtig ausgestattet, Frau 
Bobek als Nixe ausgezeichnet. — Das deutsche Theater absolvierte zu Beginn des 
Jabres den „Nibelungenring a mit besonderem Gelingen und liess die Akt6 gastieren. 
Tosca: grossartig; Elsa: stillos, kulissenreisserisch. Den Mozarttagfeierten beide Buhnen 
rait Neustudierungen des „Don Juan a . Dr. R. Batka 

ROSTOCK: Ausserlich erfuhr unsere Buhne eine wesentliche Verbesserung durch 
Einfuhrung des geteilten Wagnervorhangs. Aber was hinter diesem Vorhang ge- 
schieht, ist wenig erfreulicb. In Rheingold und Walkiire vermisste man schmerzlicbst 
Tollers unvergleichlich sorgfaltige Regiekunst. Der Stolz unsrer fruheren Buhnenleitung, 
der vornehme Grundsatz strengsten Bayreuther Stils wird ganz und gar vernachlassigt, 
die SchwSchen der Provinzbuhne, unzuiangliche Rollenbesetzung usw. treten teilweise 
grell hervor. Unter solchen Umstanden sollten die Wagnerschen Werke lieber gar nicbt 
gegeben werden. Die jetzigen Auffuhrungen fallen gegen fruher zu sehr ab! Naturlich 
geht so die Teilnabme aller ernsten Kunstfreunde und der gute, kunstlerische Ruf, den 
unsere Buhne unter Hagens Leitung in langjahriger Arbeit errang, rasch verloren. — 
Der MozaMtag wurde mit Figaro gefciert. Sonst verlauft der Spielplan im gewohnlichen 
Gleise. Prof. Dr. W. Golther 

STRASSBURG: Chronische Repertoireatrophie! Trotzdcm ofters Unvollkommenheiten 
der Einstudierung gangbarer Werke, wie Walkure usw. Als Carmen bot Agnes 
Hermann musikalisch nahezu Vollendetes. In v. Manoff bekommen wir einen viel- 
versprechenden neuen Heldenbariton. — Eine „ Figaro* -Auffuhrung blieb eindruckslos 
wegen partieller Verkehrtheit, teils der Besetzung teils der Tempi, — Katharina Fleischer- 
Ed el als Grafin leider indisponiert. — Ein Lichtblick war die saubere Premiere der w Neu- 
gierigen Frauen" (Kapellmeister Fried). Ob nicht Wolf-Ferrari doch uberscha*tzt 
wird, und einen Teil seines Erfolgs der Reklame und seinem Ausiandertum verdankt? 
Die Handlung ist eigentlich gar armselig, und die Musik hat zwar wohl in den Ensemble- 
satzen wunderhubsche Momente, zerflattert aber sonst doch auch in der vielfach 
fadenscheinigen Instrumentation in Lappen und Flickchen, nicbt selten recht banalen 
Charakters. Dr. G. Altmann 

TEPLITZ-SCHONAU: Heuer diirfen wir uns auch beziiglich des Theaters in diesen 
Blattern vernehmen lassen. Buhnen, die es mit dem ^Hollander 4 *, dem „Lohengrin" 
wagen, zahlt es mancheroits; aber mit „Walkure a und dem „Siegfried a , dazu in recht 
loblicher Auffuhrung (in letzterem Briesemeister als Gast), davon darf man reden. Von 
Mozart gab es zur Gedenkfeier „Figaros Hochzeit 4 *, von Bizet gelangte „Carmen", 
von Smetana „Die verkaufte Braui a (letztere Oper ganz ausnehmend treffiich gelungen) 
zur Auffuhrung. Der Hofopernsanger Hesch trat in den „Hugenotten a als Marcel auf. 
Hinsichtlich der Krafte ist in erster Reihe der jugendliche Kapellmeister Klausner zu 
nennen, dann der Tenor Dura, der Bass Burstingshaus besonders vortreffiich als 
Wanderer im „Siegfried". Anton Klima 

WIESBADEN: Das Hoftheater brachte zur Mozart-Feier eine „Neu-Einrichtung a des 
„Don Juan". Sie betraf naturlich in erster Reihe das dekorative Element. Die 
szenischen Bilder (Velasquez-Kostiim um 1650!) waren malerisch und so glucklich dis- 
poniert, dass wir mit 7maligem Szenenwechsel auskamen. Das erste Finale spielt nicht 
im Ballsaal, sondern in der offenen Gasthalle einer Lokanda, wohin Don Juan — so ist 
anzunehmen — alles einlud. Sein Hausorchester spielt oben auf der Estrade; im Hinter- 
grund, im Freien, spieltj eine — Zigeunerbanda den Bauern zum Tanz auf; Don Juans 
Attacke auf Zerline, seine Flucht mit Leporello unter dem Gewittersturm ergeben sich 
zwanglos. Leider wurden fast alle die sonst gut-intendierten szenischen Bilder durch 
ein Ubermass von Staffage belebt, das von der Hauptsache — der Musik — ablenkte, 



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275 
KRITIK: KONZERT 



und die Pausen zwischen den einzelnen Bildern debnten sich so endlos, dass die musi- 
kalische Stimmung immer wieder grausam zerrissen wurde. Was die gesangliche Wieder- 
gabe betrifft, so muss man sich eigentlich wundern, dass Mozart, nach allem modernen 
Uberschwang dramatischen Ausdrucks, heute iiberhaupt noch so gesungen wird! 

Otto Dorn 

KONZERT 

A GRAM: In der ersten Kammermusiksoir£e begriissten wir Ernst v. Dohnanyi, der 
nun auch den Weg alles Genialen in unserer Monarchic gegangen ist, indem er in 
Berlin eine seinem Wirkungskreis entsprechende Stellung annahm. Das Hauptinteresse 
konzentrierte sich auf vier Rhapsodieen eigener Faktur, die Dohnanyi hier zum ersten Male 
zu Gehor brachte. Die erste, wohl das musikalisch hochststehende der vier unterein- 
ander inhaltlich zusammengehorenden Stucke, wird sich dem musikalischen VerstSndnis 
infolge seines wild rhapsodischen Gehaltes erst nach ofterem Horen erschliessen, wahrend 
die dritte mit ihrem elektrisierenden Rbythmus ziindende Wirkung ubt, und das vierte 
Stuck „Dies irae" in der Zusammenfassung der Themen allcr drei vorangehenden Stucke 
einen uberwSltigenden Eindruck macht. — In einem Gesellschaftskonzerte des Landes- 
musikinstitutes erschien eine neue Vereinigung, das Sevoik-Quartett aus Prag. Den 
neuen Quartetiisten ist schones jugendliches Feuer nachzuruhmen, das wohl in zukunf- 
tiger fortgesetzter Pflege der Klassiker einigermassen Eindammung erfahren, dafur aber 
das rein Geistige des Materials mebr in den Vordergrund treten lassen wird. Der 
modernen Auffassung ihrer Schule entsprecbend brachten die „Jungtschechen a das Grieg- 
Quartett zu glanzender Wirkung. — Ein neuer Stern am Opernhimmel geht wieder von 
Agram aus auf. Wie seinerzeit unsere Ternina ihren Weg zu den Hohen der Kunst 
von hier aus unternahm, fubrt das Schicksal abermals eine junge Sangerin, Mira Korosec, 
nach Munchen. Felix Mottl, der die junge Kiinstlerin jiingst horte, engagierte sie fur 
die Munchener Hofbuhne. Ernst Schulz 

AMSTERDAM: Von den vielen Solistenkonzerten konnen wir nur die hervorragendsten 
hervorheben: unter den Sangerinnen gebuhrt die Palme Julia Culp, die in drei 
Konzerten wiederum durch ihre Prachtstimme und packende Vortragskunst entzuckte. 
In zweien war ihr Partner der feinfuhlige Coenraad Bos, im dritten Hermann Zilcher, 
der als Begleiter und Komponist Erfolge hatte. — In den Abonnements-Konzerten des 
Konzertgebouw zwei glanzende Techniker: C£sar Thomson und Leopold Godowsky. 
In zwei Konzerten erregte Teresa Carreno Aufsehen, die durch poesievolles Spiel und 
ihre phanomenale Kraftentfaltung in ihren Zauberbann zwang. Zum ersten Male kehrte 
in ihrem Vaterlande ein Maria Seret. Glanzende, umfangreiche Stimme, temperament- 
voller Vortrag, auserlesenes Programm sichenen ihr bedeutenden Erfolg. Das vor- 
treff liche Ros^-Quartett brachte als fesselnde Novitaten Werke von Reger und Hugo 
Wolf mit. Hans Augustin 

ANTWERPEN: Das zweite und dritte Konzert der Gesellschaft „Nouveaux 
Concerts'* stand unter Leitung Lodewyk Mo rt el mans, der sich zu einem 
guten Orchesterleiter herangebildet hat und dessen vor kurzem in Brussel mit Erfolg 
aufgefuhrte w Homerische Symphonie" auch hier mit grossem Beifall aufgenommen 
wurde. WShrend im zweiten Konzert die Solisten Katharina Senger- Bettaque und 
namentlich der fur den behinderten Burrian eintretende Kurt Sommer (Wiesbaden) mit 
seinem wenig sympathischen Tenor kaum Interesse erregten, erspielte sich im dritten 
der Cellist Casals mit Lalo's Konzert grossten Erfolg. In diesem Konzert fiel angenehm 
auf eine symphonische Dichtung „Cyrus M des Lehrers des hiesigen flSmischen Kon- 
servatoriums, Flor. Alpaerts, die bei dem Preisausschreiben der Gesellschaft fur 1905 



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276 
DIB MUSIK V, Ifr 




mlt dem eraten Prelae bedaebt vmde. DJeaelbe GeseQsebaft vermittalte nne da 
lutereaaauto Bekanntecjiaft mil der «Sociitd dee in str amenta anelene* vw Part** 
— Ana der Reibe der Br unaera Vet feSitnfeae reekt xabifeicbea Soifatenkeniettu Steft 
Geyer, Megerlfn, Mil* Hamboargt Br etna new* tel beeondere daa dp* VJoffnbttm 
Guatav Vattber bervorgeboben* der to Vereln mlt Clotllde Kieeberg das Pubfikam 
iu lebbaftem BetfUI verpflicbtete* A. Hoaigellein 

BERLIN i UnbekBmmert durcb Mlsaerhlg libit Bttaoni Iton^ Asm Berliner PublifctHB 
none Verke In eetaeo Orelieftaribeadea voraufiihreii, la rfeftt leWen fetal ale 
intareeaante Gaben eine Pbeataele fiber raesbcbe Tbemen IBr Soloviottae mh Orcbeeter* 
begpettnng ran Klmekt-Koreeakow, kraftvoUe, rbytbmiach pEfcanto Muelk* tmd eiae 
vteriltilge Symphonic van dem Brflaaaler Looia F* Delano herrargehobca* Jedem der 
vler Sitae 1st ein Motto uti Nietaaebee Zarathuetra vofaageaeblcfct; dor erete, tin tellea 
Allegro, jagt im FF ©hne Joden mttderen Gegeneatx wie els Stnrmwlnd in tiu rarilwr, 
or pack! dnreh die Energie dot Aaadrucfca. Dsnn tolgt ein dOatres Naebtatfick, darani 
eta lockerea laetfgea Setters^ du una Tim dor Erdenecfawere befreit; fan Finale fiiegt 
viedar der wilde Sturmgeiet dnhin* Alio Dlmonen de« mnderaea Ofcbeetere warden in 
dem Werke mt una Ioege4aesen4 Etna Suite IBr Trompete, aval FlStea and Sttelcb- 
KCbeatt? 0m eHw Stile) von Vincent d'Udy orichleo mJr recbt dfirWg und geklaaMU 
la Ibrem tnbalt; noch dfirfttger aber nad dabcl fiber die Qebfthr attegedehnt/ sftadtok 
nad langweiHg warm die bdden Stflcke f&r SolovtoHne mlt Orctaerbegletttuig ma 
Taaye, (He dor Kompooiet aelbat cftrltlerte. Der Gelger MicbaH Preaa erftantn doreb 
voraettmen Tea nnd efchece Teebntk. — Fflr eel* drittee Orche&tef*Kammerko«ert 
batte & N. von fiexnlcek eiae mebrsittlge Strife 19t Blaafatatmrnente too ftlphard 
Stranea* wofel eia Jageadwefk, hervorgeeucbt, ana dam nameetlkh die Romaiwe and die 
GaTotie taSden, hraar eine Serenade IBr Strekborcbeater ran Veintartaer f banalea 
frimndUcbe^ kni»t tetn gedneheette Ntppeaaiefaelcben, Von ateh bracbta der Dlrlgant 
tin Kachtatflck Mr CeQoaelo (Beinrteb Grftafeld), doaaea Beglelmnf IBr Tier H6mnr t 
StrelcborcheMr nod Harh geaem la^ ein atbnmQncereUaa, bin meMUach tearbriiaara 
Maalkitficfc, hraeraoeb drei Vagabtindcnlieder mit KUvIorbegleitang von Herrn Lederer- 
Prina gesungen* Teitaus am beaten yon dieeen ist das erategeraten mlt aein er ▼llden, 
bittern Stimmnng, ein In fester Stropfaenform gefQgtes Ued; die and era veil ten aieb 
wegen xu Tlel Detallmalerel nicbt xu tintm Ganzen abnindcn. — Zwelmal bat Chirlee 
Villiama unaere Pbilharmoniker brav und tficbtig, aber obne iirgendvetcbe peraOnlicbe 
Note dfrigierL Tea er lint von Motart (Onrerture zum Scbiuspjddirektor, erne Ueinerc 
Sympbnaie In B-dnr) Oder von Bicb (eine Suite C-dur fur Strelcborcbeater und drei 
Blast mtru men te) vorfGhrte, Uang vlel xu acbwerfllllg, well der Strclchetchor xu stark 
beaetxt war, die Bllaer kamen nicbt zur Geltung. Atich in dem KonzertstQck fur Solo* 
quartett mit begleitendamStreichorcheaKr von Edward El gs r bffrte man von den vier Soliaten 
infblge der atarken Begleitung nur Anton Vitek mil seinem goldnen Ton. Obrigena 
xelgte slcb der Bruder des Dirigpnten, Arthur Villiama^ mit dem Vortrag dea 
DveHkMcben Cellokonzertea ala ein beacbtenawerter Kunatler — Daa letxte Nikiach- 
Konxert war xtt einem Mozart- Abend gestaltet: OuvertOre zur Zauberfl5te, 1m 
beaonnenen Zeitmaaae, berrlicb klar in der StlmmfQbrung auageataltet^ Symphonic 
concertante £a-dur fflr Vioiine {Titek] und Viols (Klingler) mit Orcta ester, Jupiter- 
Sympbonie — ein wahrer Feattag fOr Orcbester und Hirer* Lula Mysz-Gmeiner 
sang eine Arle der VlteiUa aus Titus und vier Lieder, darunter naturlich aucb daa 
Vellchen t aber aucb ein wenlger bekauntcs Stfick »ili Luisc die Brlefe Ibrca ungetreuen 
Llebbabors vcrbrinntc* ein tleforgreifandas StlmmungsbUd, das von der Slogerio xu 
roller Vlrkung gebrscbt wurde* — LU1I Lehman a sang wieder einmal vor ausverkauftem 



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277 
KRIT1K: KONZERT 



Saal in der Philharmonie. — Anton Sistermans hatte sich fur seinen Liederabend 
u. a. grossere Liedergruppen von Jensen und Pfitzner ausgesucht, die er trefflich zur 
Geltung brachte; des letzteren „Sonst", ein mit reizvollem Humor getrSnktes Rokoko-Bild 
(Textvon Eichendorff) verdient besondere Erwahnung. — Eugen d'Albert spielte mit den von 
Dr. Muck dirigierten Philharmonikern Schumanns a-moll Konzert, die Wandrerpbantasie 
von Schubert-Liszt, Liszts Es-dur Konzert und Totentanz (Paraphrase fiber dies irae), 
Chopin's Nocturne in H-dur und ein Menuett von Zanella. Ein herrlicher Abend, ein 
Lichtpunkt in der ermfidenden Referententatigkeit! Ergotzlich war es, wie die improvi- 
satorische Art in d'Alberts Spiel, die wir alle so lieben, selbst die unerbittliche Festigkeit 
eines Dr. Muck mit sich fortzureissen wusste. E. E. Taubert 

Das fiber jedes Lob erhabene ausgezeichnete Brusseler Quartett brachte mit 
dem g-moll Quartett von Claude Debussy eine interessante lokale Neuheit zur Auf- 
ffihrung; es gemahnt in Harmonik, Rhythmik und zum Teil auch Thematik an Griegs 
Quartett und ist wie dieses teilweise fast orchestral gehalten; ein brillantes Virtuosen- 
stfick ist das Scherzo, ungemein fein in der Stimmung der freilich etwas zerrissene 
langsame Satz. — Das Bohmische Streichquartett scheint NovitSten jetzt aus dem 
Wege zu gehen; zwischen den Quartetten von Tschaikowsky in es-moll und Beethoven 
in e-moll bot es aber mit der vortrefflichen VeraMaurina am Klavier wenigstens Hugo 
Kauns hier schon zweimal erfolgreich aufgefuhrtes Klavierquintett. — Das phil- 
harmonische Trio (Vita Gerhardt, Anton Witek und Malkin) holte Volkmanns 
grossartiges b-moll Trio wieder einmal hervor und erganzte sich durch Max Freund 
und Frid. Klingler,um Smetana's Streichquartett „Aus meinem Leben u vorzuffihren. — 
Als Verdienst ist es dem Trio Georg Schumann, Halir und Dechert anzurechnen, 
die Aufmerksamkeit auf das Klaviertrio op 14. von Heinrich XXIV. Ffirst Reuss gelenkt 
zu haben: namentlich der langsame Satz und die vortreffiich gearbeiteten Variationen 
(Finale) gefielen sehr. — Richard Rossi er, der treffliche Pianist, und der nicht minder 
treffiiche Geiger Karl Klingler machten uns mit ihren neuen Kammermusikwerken 
bekannt. RSsslers eben im Druck erschienenes As-dur Klaviertrio, dessen Violoncell- 
partie prachtvoll von Rudolf Krasselt ausgeffihrt wurde, ist formvollendet, ungemein 
frisch und sehr dankbar, enth&lt auch viele Feinheiten im einzelnen. Hervorragend ist 
Klinglers noch ungedruckte Bratschensonate: ich kenne fibrigens kein ahnliches Werk, 
in dem dieses Instrument so klangschon behandelt ist und so wenig vom Klavier zu- 
gedeckt wird. Ein grosser Gedankenreichtum, eine Fulle edler Melodieen ist in dieser 
Sonate enthalten. — Einen Sonatenabend (Corelli, Mozart, Beethoven, C6sar Franck) ver- 
anstaltete die gediegene Geigerin Jeanne Diot, die freilich durch ihren vortrefflichen 
Klavierpartner Jose" Vianna da Motta in den Hintergrund gestellt wurde. — Eine 
talentvolle Geigenvirtuosin ist Armida Napolitano; nach ihrem Vortrag von Beethovens 
Kreutzer-Sonate (mit Coenraad van Bos) darf man sie freilich nicht beurteilen. — Alfred 
Wittenberg gab ein eigenes Konzert, obwohl sein Ruf hier langst gefestigt ist; herrlich 
spielte er den langsamen Satz von Bachs E-dur Konzert. — Anna Hegner erwarb sich 
das Verdienst, endlich hier Felix Woyrsch's wertvolles Violinkonzert w Skaldische Rhapsodie* 1 
(vgl. „Die Musik" Bd. 14, S. 431) eingeffihrt zu haben; das philharmonische Orchester 
leitete hierbei der Komponist. Mit Zuziehung desselben Orchesters unter Scharrer 
konzertierte erfolgreich der nicht mehr junge, sehr solide Geiger Theodor Spiering, 
hier ein homo novus. Wilh. Altmann 

Um auf Edouard Risler zuruckzukommen. Man verfolgt ihn mit grdsstem Inter- 
esse, freut sich seiner technischen Vorzfige und bewundert an ihm das bedeutende 
Mass von positivem Konnen. Jedoch meine ich, dass seine Entwicklung in den letzten 
Jahren nur eine Susserliche Zunahme erfahren hat. Innerlich will's nicht recht vorwirts 

V. 10. 19 



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278 
DIE MUSIK V. 10. 



geben. Von seelischer Bereicherung wenigstens war in seinem „Beethoven" wenig zu 
spuren. Beweis: die langsamen Satze, die er in dem Bestreben, deutsch zu spielen, 
entweder zu breit nahm oder sentimentaliscb versusste. Sein Figuralwerk, die Passagen- 
rundung kamen dagegen den SchlusssStzen zugute, wiewohl er das Finale der „Appassio- 
nata a vollig ubersturzte und verzerrte. Elementar wiiken kann er eben nicht; denn im Grunde 
genommen ist er eber pblegmatiscb und einer rassigen Nervositfit nicht fa*hig. Er sollte 
weniger arbeiten, die Detailkunste beiseite lassen, und mehr im Grossen, Allgemeinen 
spielen. — Uber Busoni das nachste Mai ausfuhrlicher. Von jiingeren Pianisten er- 
wSbne ich: Marcian Thai berg, einen tucbtigen Konner ohne besonders auffallende 
Vortragsfahigkeiten, Michael von Zadora, der noch in virtuosischer Entwicklung be- 
griffen, und Severin Eisenberger, dessen temperamentvolle und kapriziose Natur 
durch eine elegante, etwas leicht gewogene Technik unterstutzt wird. Unter den Damen 
leisteten zum Teil ausgezeichnetes: Ella Jonas, eines der wenigen guten jungeren Talente, 
das seinen musikalischen Gbarakter und technische Feinkunst an Mozarts d-moll-Konzert 
zur Geltung brachte. — Ethel Newcomb, deren Technik noch ohne harmoniscbe Durch- 
bildung und deren Auffassung nicht der Kraft und der Grosse ihres Vorwurfs entsprach, — 
ferner Klara Kuske, die im Kleinen besser war, denn im Grossen, wie z. B. in Liszts h-moll- 
Sonate, die noch Roharbeit war, — Augusta Zuckerman, eine liebenswurdige Spielerin 
mit guter Naturtechnik und trefflichem Anschlagsvermogen, — und Flora Scberres- 
Friedenthal, die bekannte tuchiige Erscheinung. — Unter den Stimmen nimmt Julia 
Culp einen ersten Platz ein. Die zum Teil schone Formgebung, der metallische Glanz, 
die musikalische Liebenswurdigkeit sichern ihr nach wie vor eine gewisse Sympathie. 
Nach der innerlichen Seite muss sie jedoch noch wachsen, urn das Lied mit dem Zauber 
des menschlichen Timbres zu umgeben und zum Kunstwerk zu gestalten. — Eine merk- 
wurdige Ehe waren Aaltje Burg und Hendrik Kubbenga eingegangen. Ein hoher 
Sopran hatte sich mit einem Bass-Bariton vermahlt, um seltenere Duette zu Gehor zu 
bnngen. Dass sich solche stimmliche Gegensfitze in den wenigsten Fallen ausgleichen, 
bezw. dass es zu derartigen ZwiegesSngen einer vollendeten Harmonie der Organe und 
der tecbnischen Ausbildung bedarf, diese Einsicht scheint beiden nicht recht zum Be- 
wusstsein gekommen zu sein. — Alexander H ein em an n setzte seine reichen Mittel 
daran, die Ballade in ihrer historischen Entwicklung zu geben. Interessant war die 
Gegenuberstellung des „Erlk6nig* von Bernhard Klein und Schubert. — Von Anna 
Stephan und Elisabeth Ohlhoff bleibt zu sagen, dass die technischen Mfingel noch 
immer nicht so beglichen sind, dass das musikalische Konto schuldenfrei erschiene. 

R. M. Breithaupt 
Um gerecht zu sein, muss ich meinen Bericht mit der Besprechung von Edwin 
Fischers Leistungen beginnen, die alles andere von mir innerhalb zweier Wochen Ge- 
horte ubertrafen. Bescheiden war er im Konzert von Grete Steffens an letzter Stelle 
unter den Mitwirkenden genannt, wShrend wegen seiner KlaviervortrSge allein der Be- 
such des Konzertes lobnend gewesen wMre. In dem augenscheinlicb noch sehr jungen 
Mann steckt eines der starksten musikalischen Talente, die mir seit langer Zeit be- 
gegneten. Aus dem wird etwas! Auch jetzt schon durfte er sicber uberall Aufsehen 
erregen. Er spielt nicht nur Klavier, er dichtet nach. Mit durchdringendem Ver- 
stSndnis verhalf er der Klaviersonate op. 6 von F. Draeseke zu grossem Erfolge. Die 
Konzertgeberin Grete Steffens singt mit umfangreichem, klingendem und geschultem 
hohem Alt recht dramatisch. Leider ist der Ton oft unstet. In drei Duetten von Brahms 
hatte sie als Partner Dr. Ludwig Wuilner. — Paul Goldschmidt ist ein ausserst 
gewandter Pianist, der musikalische Eigenschaften hat. Aber ein gehngerer Aufwand von 
Kraft ist ibm zu empfehlen. — An krankem Ton leidet das KJavierspiel von Anna 



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279 
KRITIK: KONZERT 



Laidlaw. Sie hat sich ein sehr leichtes Staccato angeeignet. — Elli Rangman zeigte 
eine Musikernatur. Sie vermeidet moglichst die Schablone, ist individuell beanlagt und 
gliedert klar. Man muss sie ernst nehmen, wenn sie aucta einer solch grossen Aufgabe 
wie Beethovens Sonate op. 110 noch nicht gewachsen ist. — Olga Hahn-Rheinboldt 
(Klavier) und Marie Muller-JSssing (Gesang) sollten nicht offentlich auftreten. — 
Schon durch ihr Programm, das u. a. Gesange von P. Cornelius, Regsr, d'AIbert, Strauss, 
Wolf, Sitt, Thuille und Scheinpflug enthielt, erregte Therese Muller-Reichel Interesse. 
Sie hat einen schonen, sympathischen Sopran. Im Ausdruck ist sie noch nicht tief- 
gehend genug. — Zu gemeinsamem Konzert hatten sich Jeannette Grumbacher de 
Jong (Sopran), Irma Saenger-Sethe (Violine) und Moritz Mayer-Mahr (Klavier) ver- 
einigt. Die Sangerin ist im Liedvortrag ganz hervorragend. Die Violinistin ist sich fiber 
die Tempi nicht klar, geigt aber mit scbonem Ton. Mayer-Mahrs Vorzuge sind eine 
ausserst glatte Technik und ausdrucksvoller, farbenreicher Anschlag. — Elisabeth Halter 
nutzt ihren prachtigen Alt nur klanglich aus. Die Stimme pariert nicht gleichmassig 
gut. Die Reinheit ist mitunter getrubt. — Ida Kopetschni's Gesang ist zierlich und 
allerliebst. Kleines Sopranstimmchen, koketter Vortrag, kurze Noten unhorbar. — Minnie 
K uhne-Hellmessen ist eine verstandige Pianistin voll Kraft und Temperament, weiss 
auch zartere Saiten anzuschlagen. Gregor vonAkimoff spielt Violine mit gesangvollem 
Ton, verzerrt jedoch die Kantilene und zeigt fur Bach kein Stilgefubl. Seine Phrasierung 
ist meistens unberechtigt. — Elsa Riess ISsst sich nur eine starke Stimme nachsagen. 
— Ohne viel Temperament, aber mit desto mehr Verstand spielte Gottfried Galston 
trefflich Bach, Beethoven und Brahms. — Die beiden, wohl kaum den Kinderschuhen 
entwachsenen Schwestern Elisabeth und Gudrun Riidinger haben wundervolle Sopran- 
stimmen. Bei Elisabeth fiel mir sehr deutliche Koloratur, besonders der runde Triller 
auf. Gudrun hat die grossere Stimme und ist musikalischer. Die Violinistin Clara 
Schmidt-Guthaus zeigte Soliditat, Korrektheit und Intelligenz, der Vortrag ist aber 
etwas zu pedantisch. Ich horte von ihr das F-dur Konzert von Lalo. — Gertrud 
Bischoffs Vortrag genugt nicht, um die gesanglichen Fehler zu verdecken. Sopran 
nicht ubel. Kiinstlerisch vollig wild ist das Violinspiel des nicht unbegabten Albert 
J&rosy. — Jacques van Lier gab einen Beethoven-Abend mit der Pianistin Elisabeth 
Odenwaldt. van Lier ist ein vorzuglicher Cellist, tragt sehr sinngemass vor, uber- 
treibt in dynamischer Hinsicht aber nach beiden Richtungen. Im Forte ist sein Ton 
rauh und schmelzlos. Die Pianistin ist sehr tuchtig. — Annie Ritter singt wie in der 
Gesangstunde. Keine Spur von Auffassung. Stimme ist vorhanden. Der mitwirkende 
Hermann Mo n ich spielt gewandt Klavier. — Die SpezialitSt der Mezzosopranistin 
Susanne Dessoir ist der Vortrag heiterer Lieder, jedoch wird sie auch ernsteren Ge- 
singen ziemlich gerecht, obgleich die Mittellage ihrer Stimme des Reizes entbehrt und 
das Gefuhl sich nicht ordentlich durchbricht. Sie sang drei schottische und wallisische 
Lieder von Beethoven mit Triobegleitung. Auch Robert Kahn hat fur seine hier zum 
ersten Male aufgefuhrten sieben Lieder aus ,Jungbrunnen rt von Paul Heyse Trio- 
begleitung gewahlt. Mit Ausnahme der beiden letzten Lieder ist diese aber gerade so 
uberflussig wie zu denen Beethovens. Die Herren Carl Halir und Leo Schrattenholz 
(Violine und Cello) hatten sich der undankbaren Aufgabe unterzogen, wahrend der 
Komponist selbst am Klavier sass. Die Lieder sind hubsch und klingen gut, sind auch 
effektvoll, lassen Charakteristik aber fast ausnahmslos vermissen. Sie sind teilweise im 
Volkston gehalten. — Einen herrlichen, sehr umfangreichen Sopran, der besonders in 
der Mittellage weich und schon klingt, hat Emilie Frank. Nie zuvor horte ich aber so 
absolut ausdruckslos singen! Auch ist die Sangerin unsicher, die Koloraturen der 
Zauberfiotenarie beleidigten das Ohr durch ihre Unsauberkeit. — Uber den Liederabend 

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280 
DIE MUSIK V. 10. 



von Anni Bremer kann man gunstig berichten. Die junge Sangerin, die im piano 
etwas sicherern Ansatz haben sollte, zeigte hubscbes Vortragstalent, wobei sie von an- 
genehmer, wenn auch ein wenig verschleierter Stimme unterstutzt wird. 

Arthur Laser 

BREMEN: Die vier letzten Philharmonischen Konzerte brachten als orchestrale 
Neuheit nur das Bruchstuck „Die Insel der Kirke" von Boehe, das sicb, obne tiefer 
zu packen, einer recht freundlichen Aufnabme erfreute. Prachtig verlief der Brahms- 
Abend (D-dur Symphonie und akademische Ouverturef, an dem Lula Mysz-Gmeiner 
ausser einigen Liedern die Solopartie der „Rhapsodie* sang. Am 19. Dezember stieg 
in gianzender Wiedergabe die „Domestica a , auch diesmal geteilten Meinungen begegnend, 
aber doch im ganzen sehr beifailig aufgenommen. In noch hoherem Grade gait dies 
freilich von Tschaikowsky's e-moll Symphonie, die neben Volkmanns interessant gezeich- 
neter Ouverture zu Richard III. gespielt wurde. Als Solist erzielte Emil Sauer mit einer 
mehr feinen als grossen VorfGhrung von Beethovens Es-dur Konzert bedeutenden Erfolg, 
wahrend die ausgezeichnete Vortragskunst Henri Marteau's nicht imstande war, dem 
von ihm gewahlten Konzert von Emanuel Moor zu durchschlagender Wirkung zu 
verhelfen. — Ausser einem gianzend verlaufenden Konzert unseres seit dem vorigen 
Jahre gleichfalls unter Panzners Leitung stehenden Lehrer-Gesangvereins sei an 
Leistungen heimischer Krafte noch erwShnt ein gehaltvoller Liederabend Marie Bus- 
jaegers und die mit dem Beethovenschen und spater mit dem Bruchschen g-moll 
Konzert erfolgte, sehr gunstige Einfuhrung unseres neuen, von Kdln herubergekommenen 
Konzertmeisters H. Kolkmeyer. Von auswartigen Kunstlern gab Wu liner vor aus- 
verkauftem Saal einen mit Beifall uberschutteten Liederabend, wahrend die gleichfalls 
mit Begeisterung aufgenommenen Konzerte Mischa El mans und des vorzuglichen Geigers 
Hegedus nur massigen Zuspruch gefunden hatten. Gustav Kissling 

BRESLAU: Die letzten Abonnementskonzerte des Orchestervereins unter Dr. Dohrn 
brachten ausser bekannten Stucken von Bach, Brahms, Berlioz und Wagner die 
erste Wiederholung des vor mehreren Jahren als Neuheit aufgefuhrten „Zarathustra a 
von Strauss, der namentlich in seinen dithyrambischen Hohepunkten wieder starken Ein- 
druck machte. Von Novitaten wurden geboten das interessante op. 30 Georg Schu- 
manns: „Variationen und Fuge fiber ein lustiges Thema" und als Konzertgrosstat die 
funfte Symphonie von Gustav Mahler unter personlicher Leitung des Komponisten. 
Fur die klugen, geistreichen Zuge des Werkes, fur die Art, wie der Komponist die Satze 
seiner Symphonie disponiert, wie er die Themen einzeln oder zu zweien oder in rascher 
Folge aufmarschieren lassr, wie er sie zu Zeiten durcheinander fuhrt oder zu einem 
Knauel ballt, dafur hatte man auch hier das n5tige Verstandnis. Die Bewunderung der 
musikalischen Strategic war aber grosser als die Liebe. Fur die Mozartfeier stellte der 
Orchesterverein kein Mozart-Programm auf, sondern lud das Berliner Vokalquartett ein, 
das Mozart nicht singt. So entstand leider ein gemischtes Programm. Dagegen wurde 
Kapellmeister Behr gestattet, ein volkstumliches Mittwochkonzert als Beethovenabend zu 
arrangieren.— Im vierten Kammermusikabend spielten Dr. Dohrn, Himmelstoss, Behr, 
Hermann und Melzer ein neues Quintett von Stephan Krehl. — Eine Reihe beruhmter 
und unberuhmter Solisten haben uns besucht: Marie Wittich, Marie Gotze, Florence 
Bassermann, Leonard Borwick, Richard Muhlfeld, Hermann Schubert (Tenor), 
Mischa Ferenzo und die beiden „Wunderknaben a Vecsey und Elman, von denen der 
zweite aber die Knabenschuhe nunmehr ausgezogen hat. Auch Ludwig Wu liner ist wieder- 
gekommen, um zu zeigen, dass er als Liedersanger in Beziehung auf Geist, Tempera- 
ment und plastische Gestaltung auch heute noch keinen Rivalen hat. — Ein Versuch, 
die Klavierauszuge zu Wagners Musikdramen als Konzertstucke vorzufuhren (Dill man n), 



LV.V'O 



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v.. iiH.i^iv UNIVERSITY OF MICHIGAN 



281 
KRITIK: KONZERT 



schlug fehl. — Guten Erfolg hatte ein Konzert des Gesangvereins Breslauer]Lehrer 
unter Max Franke. J. Schink 

DARMSTADT: Beethovens Geburtstag brachte uns in prachtiger Wiedergabe durch 
die Kammermusikvereinigung der Herren de Haan, Havemann, Spohr, Oelsner 
und Andra" das taier lange nicht geborte Harfenquartett op. 74 (Es-dur) und das B-dur- 
Klaviertrio (op. 97), die Weihnachtszeit eine grosszugige Auffuhrung von Bachs h-moll- 
Messe durch den Musikverein (mit dem Solistenquartett Emma Ruckbeil-Hiller, 
Else Bengell, Otto Wolf und Franz Harres) und Heinrich von Herzogenbergs 
Weihnachtsoratorium „Die Geburt Christi" durch den Evangelischen Kirchengesangverein 
der Johannesgemeinde. Als Novitaten horten wir in den Symphoniekonzerten der 
Hofmusik die beiden sehr beifallig aufgenommenen symphonischen Dichtungen von 
Ludwig Hess: „Meeresnacht a und „Hans Memlings Himmelskonigin mit den musizierenden 
Engeln", Paul Ertels „Maria Stuart** und Massenet's „Phadra a -Ouverture. Im Richard 
Wagner-Verein gab Dr. Ludwig Wullner seinen bekannten Otto Vrieslander-Abend, 
der auch hier ein lebhaftes Fur und Wider der Meinungen entfesselte. Als eine Mezzo- 
sopranistin von beachtenswertem Konnen fuhrte sich Ciska Schattka ein. — Die 
Klaviervirtuosen waren durch Wilhelm Backhaus, Albert Friedenthal und Willy 
Hutter, die Geiger durch Arrigo Serato und Wilhelm Schmitt vertreten. Interesse 
erregte auch das Auftreten des Kammersangers Willy Fahr. — Jaques-Dalcroze's 
graziSse Kinderreigen und Gebardenspiele fanden auch hier viel Anklang. H. Sonne 

DRESDEN: Das vierte Hoftheaterkonzert der Serie B stand im Zeichen eines jungen 
Musikers, Ernst v. Dohnanyi, der als Komponist und Klavierkunstler hervortrat. 
In der letzteren Eigenschaft bot er mit der Wiedergabe des Beethovenschen Es-dur Konzerts 
eine zwar schatzenswerte, aber nicht aussergewohnliche Leistung. Als Komponist aber 
errang er mit einer Symphonie d-moll einen starken und wohlberechtigten Erfolg. Wir 
haben es hier mit einem Werke zu tun, das sich einerseits durch geschickte Verwendung 
der modernen Orchestertechnik, andererseits durch eine bliihende, frische Erfindung aus- 
zeichnet. Unter Herrn v. Schuchs Leitung machte die Symphonie einen nachhaltigen 
Eindruck. Das funfte Konzert der Serie A war dem Andenken Mozarts gewidmet und 
brachte unter Herrn Hagens Direktion des Meisters Symphonieen in g-moll und C-dur 
(Jupiter), sowie die Konzertante Symphonie Es-dur mit den Herren Petri und Spitzner 
an den Soloinstrumenten (Geige und Bratsche). Das vierte Philharmonische Konzert 
vermittelte uns die sehr angenehme Bekanntschaft mit Elena Gerhardt, einer Sopranistin 
von reichen Mitteln, trefflicher Schulung und grossem Vortragstalent. Der zweite Solist 
war Eug&ne Ysaye, der leider diesmal keinen seiner grossen Tage hatte. Eine inter- 
essante musikhistorische Auffuhrung veranstalteten die Dreyssigsche Singakademie und der 
Orchesterverein w Philharmonie M unter dem Titel „Musik am sachsischen Hofe a . 
Es gelangten dabei eine Reihe von Musikstucken aus der Feder von Mitgliedern des 
sachsischen Herrscherhauses oder alten, im Hofdienst angestellt gewesenen Meistern 
zur Vorfuhrung. Alle diese Kompositionen hat der hiesige Musikforscher Otto Schmid 
aufgestobert und herausgegeben. In einer MatinSe in Roths Musiksalon kam Otto 
Urbach mit einer langen Reihe von Kompositionen zu Worte, die sein schones Talent 
aufs neue bewiesen. Das 50jahrige JubilSum des Kgl. Konservatoriums wurde mit 
einigen Auffuhrungen begangen, die hier nur eine KollektiverwShnung flnden konnen. 
Mischa El man bewies in einem Konzert wieder seine staunenswerte kunstlerische 
Reife, w^hrend in der „Ressource a ein bisher unbekannter Geigerknabe namens Josef 
Szigett aus Ofen-Pest auftrat, der zwar fur seine zwolfjahre alles Mogliche leistet, aber 
doch an Vecsey und Elman nicht heranreicht. Die Mozart-Gedenkabende des Ton- 
kunstlervereins und des Lewinger-Quartetts sowie ein zweiter Klavierabend von Max 



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282 
DIB MUSK V, ta 




Peaer ttad der Sdtlnee+Naebinlttag tor Herren Gleeaen nod SIttard, die dieema! 
Hugo Wolf wd Rlcbatd Striata tttt CEfiefc intefptetiarten* Mien zn* Vervelleflndiginig 
der ttbetvidit ganaant P. A, Gefaeler 

D0SSELDORF: Vhl Internee bradtfe mm den Klariernntiigeo mft mBndllebett Br* 
U u t ani ngen Ton Dr* (X Noltsel wrfgegetL Die iwef letztan Abooncinentnkonjerte 
mi Anna Haaetere*Zlnkeieen nafnnen etawi fJSnxeodeit Vcrftul Dfe Kfioatleriu 
bet epetten ala Cbopinepielerin Auefezefchnetee; audi die mftwiTkanden Vokaltoen 
Lndwig Heee nod Jobmtnee Meaecfceert tauten rich ait Hnen Ltedeftpenden in den 
ration Erftrig del Uoternehiuaae, Dar a GeaaegTereln* bmcbte Moaerta „c*tnQll Mou* 
outer Lettung yen Dr* Bruit L. Limbert, mit Boaa Etticger, Fran Kilebler, Antes 
Kofamann trad Franx Vaaemntb Ha SoUetoO and C. F. Hempel (Orgel) xn efner 
etodrnefcflraltea, echtaeo Yledergab** Mo»rt-Abesde veranetaltBten das atfdtlacfcn 
Orcheeter outer Direktion aoo O- Reibold mid der faleetge a Moz«t*Vere1n*» vebej 
boeondere noGb wenlgef befcejiote Versa lebbaftee lntdroeee erragten* 

A. Eccariue-Sieber 
TJRAHEFORT a* M.: Doth die KonxeftaUe wandelta mum dfeemal In Januaragen vie 
X dnrcb otaen FrBbttogawiId, von titaeen Zwelgen ea feundertflttig Moaart, Moxnr^ 
Hoiart herabktang turf *aaag. Daa Mnaeum wfdmete dem Greeeen drel Abends awe! 
Gfohaetoi^ itnd we Kerenioflpoolfcfcoflifft mid tal dabeH atabetHdi nJcht aoviel dee Gotenw 
Ween eg o fam a lj an afvetn Fteftitgkdnjfafti dennoeb oo ecblen tutd da? Hdfer bekenneo 
mtteete Arte Tfrwnbloear w Vwwj ..^weon etoe eta Gott ganieeeon Kami* Bin lab deni 
YocluuaT notation — * «e bg daa Vatactalldan n»«n eieor etwae ehteeftigea Wetrt na der 
QnreebSpfliebenSdtatricammaf dea Mtiateta. Die Haftter-Serenade — daa BUee^Diver- 
timenib in B*dor — daa D*d^Vt*>Unk<ttttei% m Huge Heermann mit der bekannten 
Metoteretbaft gaapjett ondlfatt die jepl^Sfaiinbeflie to afeer einilgen Starting to bfiran * - * 
fciuvlall ration o, daaa nb ono arvecbtet* G t eo a aa Guoaabetder Kaonoenooaftabeod 
mft dem Quarteft €*dor* dem g^ell*Qofaifett end dem Klavtefttointett in ghtcher TonaH, 
wobei Dr. Ladwfg ft often berg alcb ▼ieder einmal ala gedtegener Moitrtintarpret am 
KUrier xeigte. Von andereo Mozanbuldigungen aal ein itihBaer Abend dea F rank- 
fit rter Trio a und eine konzertmlaiise Paler arwlbnt, die die Gesellichaft fSr iatbe* 
tiache Kultur und die Oiiagrappa der lnternationalen Muaikgeaellicbaft ge- 
melneam vcranitaltete und die aueb mtt einer Auattetlnng lntaraa«anter Mourtlina ana 
dem Bealtz elnea fldsalgen Sammtere, Paul Hirvcb, rerfcafipft war* Obne Mozart kam 
man belm letxten Openibauakonzeit aaa, wo Frits Krelaler mit teinem bervorragenden 
Vlollnapiel (Brabmt' Vlolinkontert und Taitini'a tt TenfotatriIler*) grouen Elndruck mtcbte, 
efaenao beim drittea Kalm-Konzort, wo Hans Pf itinera nana OarertBre za v Kltbcben 
von Heilbronn" bier etogef&brt und ron gewagenen Htnden begrfiaat ward. Hfibich und 
danfcbar war die Idee der Muaeumaleitnng, \m letzten ihrer Sonntagakonaerta vorwiagend 
den fetzt aaJaonbaberracbanden Tani za kaltivleren. Daa Programm Terxaicbneta da 
u* a. Balletmuaiken von Gr6try, Bectbovan (aGeacbSple dea Prametbeua*^ I-annera 
H atelriacbe Tlnze" und Job* Stranaa den JBogeren mit der Flederroaua*Ouvertfire und 
dem Donauwalaer. Hana Pfellacbmldt 

FREIBURG 1/B.: Die bis kurt vor Veibnachten alcb eratreckende Splelzeit bat elae 
reichlicbe Auabenta an kQnatleriacben Geo&aaengezeitigt; untar den drel bla jetzt atatt- 
gehabten Stlddzcben Sympbonle-Konzarten war daa Itlzte durch die Vorfubrung der acbten 
BrucknerBcben Symphonic In c-moll beaonders bemerkenawert; daa Werk wurde vor- 
tugiicb geeplelt und erzlctte elnen bedeutenden Etndmck; an Sol is ten bSftcn wlr Fritz 
Krelaler, Raoul de Pug no und Paul R elm era. Die Reibo der Vokalkonzerte er- 
Sffneto der Muaikvercin mir einer Mozart*Gadacbtnlafeler f In der, auaaer dem 



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283 
KRITIK: KONZERT 



Requiem und Ave verum corpus noch das Doppel-Konzert fur zwei Klaviere in Es-dur 
zum Vortrag gelangte; sodann brachte der Oratorien vere in unter W. Laporte's 
Leitung eine einmaliee sehr gut verlaufene Auffuhrung des „Achilleus a von M. Bruch, in 
der Adrienne von Kraus-Osborne die Andromache vorzuglich sang. — Von Konzerten 
ausw3rtiger Kunstler und Kunstlervereinigungen kommen noch in Betracht: Frau Kwast- 
Hodapp, Eugen d'Albert, E. von Dohnanyi, Max Reger, Sven Scholander, 
Soci6te* de Concert des Instruments anciens (Paris) und das Munchner Streich- 
quartett, die sich samtlich einer starken Frequenz erfreuten. Unser einheimisches Sud- 
deutsches Streichquartett gab bis jetzt einen Beethoven-Brahms-Abend mit sch5nem 
Erfolg. Victor August Loser 

HAMBURG: Die Berliner Philharmoniker unter Arthur Nikisch haben ihr drittes und 
viertes Konzert ohne Solisten veranstaltet. Das muss man ihnen ganz besonders 
bei uns danken, wo in weitesten Kreisen noch die Ansicht herrscht, dass der beruhmte 
Solist Hauptsache und das ganze ubrige Konzert nur bessere Staffage sei. Dabei war 
das eine der Konzerte, das nur Beethovensche Kompositionen zu Gebor brachte, bereits 
tagelang vorher total ausverkauft. Sein Verlauf war ein Ehrenabend fur Nikisch und 
seine glinzenden Truppen; namentlich die c-moll Symphonie hinterliess Eindrucke, die 
sich nicht sobald wieder verwischen. War es Zufall oder ein geistreicher Einfall Nikischs, 
dass er dann im folgenden Konzert Smetana's „Vyshegrad" und Straussens „TiIl Eulen- 
spiegel" unmittelbar nebeneinander stellte? Zwei Werke, die den Sagenkreis ihres Landes 
musikalisch ausmunzen und deren geistige Verwandtschaft nicht nur auf der stofflichen 
Parallele zwischen ihnen beruht? Wenn nicht allzu vielen die Erkenntnis einer besonders 
stilvollen Gruppierung in diesem Konzertprogramm aufgegangen ist, so ist naturlich nicht 
Nikisch schuld. Aber man mochte doch die Frage aufwerfen: wurde ein Programmbuch 
oder ein Konzertfuhrer nicht viel besser seinen Zweck erfullen, der mit wenigen Worten 
auf solche Dinge hinwiese, als die jetzt ublichen Analysen, die mit trockenem bio- 
graphischen Material noch trockenere, fast nichtssagende Notenbeispielchen bringen? 
Denn was nutzen bei einem Werke, wie dem w Eulenspiegel", bei dem auf das „wie a der 
Verarbeitung alles ankommt, die paar Noten im Fuhrer? Beschlossen wurde das kurze, 
aber erbauliche Konzert mit der Brahmsschen milden und sonnigen Symphonie in D. 
Max Fiedler, erfolggekront aus Amerika wieder heimgekehrt, brachte im ersten Kon- 
zert im neuen Jahre Beethovens Pastoral-Symphonie und die Variationen aus Tschai- 
kowsky's III. Orchestersuite. Marteau war der mit Jubel begrusste Solist dieses Kon- 
zerts, der uns die Bekanntschaft mit einem neuen Vlolinkonzert von E. Mo6r ver- 
mittelte. Allzu erbaulich war diese Bekanntschaft nicht, aber wenn man die engen Kreise 
bedenkt, in denen sich sonst die Virtuosen zwischen Beethoven, Mendelssohn und Bruch 
drehen, muss man fur jeden Versuch, Neues zu bringen, dankbar sein. Das „Vereins- 
konzert der Musikfreunde", zu dem der ergebenst Unterzeichnete eine Einladung 
nicht erhielt und dessen Erwahnung an dieser Stelle den Vorstanden des Vereins der 
Musikfreunde also wohl unwichtig erschien, leitete Dr. Carl Muck aus Berlin. Ich 
hofPe zuversichtlich, dass er von dem Verein, seinen Leitern und unserem Orchester 
einen recht gunstigen Eindruck gehabt hat. Mit Mozarts 150. Geburtstag machte die 
Philharmonische Gesellschaft nicht viel Umstinde. Doch sag* ich nicht, dass 
das ein Fehler sei. Denn aus der forzierten, krampfhaften Gedenktag-Begeisterung kann 
ich mir niemals viel entnehmen. Ausserdem ist Mozart wirklich nicht auf solche Ge- 
Iegenheiten angewiesen. Herr Fiedler brachte eine Symphonie von Mozart und zwar 
weder die C-dur noch die g-moll, er brachte sie mit Liebe und Verstindnis — das ge- 
nugt vollauf. Am Schluss dieses Konzertes stand Tschaikowsky. Wiederum! Dazwischen 
spielte Eugen d'Albert das Brahmssche B-dur Klavierkonzert. — Von Veranstaltungen 



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284 
MB MU51K V* ia 



ettf dem GeMefe iter maslkaliscben Kleioktaut tot der erste Kammermusikabocd der 
Brfiesolef enrlbnewwart, die, von Hfttra Am nermann up Klavier ttnteretBtff^ aHe 
Brfalge eraWten, die man auf dbttm GeMet ercteten bamt* Nnr amtnnehmea rind 
(eider tie pekmiBrm* Dai ist, rachdem die gesamte Preeee mlt Nacfcdrucfc ttrf diets 
Vtrelolftoif hlngewieeeu hat, Wn gotoe Zetehen Mr den Hamburger Mmftalnifc Ver 
IflttfBtt Saale epielte anch ajne fringe Kfinaerin, die Romtteeae Mores tyn, die 
Que BgEplbfalnngefcarten m eptt ode? gar nicbt abgogoben batte* Vogogen efn 

tatter den Uedentngetiit Hetr Dieraell* eehr gttnstig etafaHhrt g ew os en eebi 
denn er eeh efch einem etsrk bseetiten Stile gegraQbor* Beleta lefsre ■— web 
when Geaenfc M** *** ***r vtderspreebende Urtette geflUU warden* Jettt bet 
gtmrt ee In atteOuBKben Leben der Stedt m Hm. Qta neee Mnsikballe geht ftter 
Vottendaog entgegmif and sngEelcb begfrnt mio, Tim Staete wegen ehw Reformation 
4er Verbfltalose nneerer Or eh est ermitgliedor ofasnleften, VorUoflg macbt 
mie dee nnEsegbar mlt beetem VOIes, aber anacbeineud voUkommen ongenfigondem 
Verstlndiris end tfngsuBfendte Mltfceln- Die gutxe der BDigoreehnft sugehondo Votive 
lleet eldb van e bis s vie ehie grease NehrMt in soxlaler end kfinstierisdier Betkfcaqg 
and gle bet den Hsher encfe nwr btwtrtt, den Unrobe vnd Unsufrkdenfaeft in tee 
befettigten Kretoen sanebmta* Wte earn nrtt einer ee iBlnfmrten ataafilcfeen Mebrbfllo 
we ODQBDWl ete Jetxt efbfrndtob geetttltee Qrebeeter von 115 Mean auf efneit grflnen 
Zvel£ brtnjgan wQt| let *deo etete Rltsalj deeeett Losiieg die Senetsvorlege nicbt tetrlL 
Dana afeari wie denkt men stab toner te der Fade die gletabxeitige Tretmung mid 
Vflftebmelstfflc der balden beetekendsn groaeen Oreheater? Date irgendein in der 
Praxta mhendor Mnetfeer^ der awoui «e lokelon it edi ngu ngv n geiragond kennt^ an den 
Beratttegen amodOagftabend teflfenonwee bit, let ei«it*eflett elcbt ennaebMeto* Jn* 
eweunAi ecnteeeen dean wllde Ptojekte and PUne far die Anfcttnft ftppis lee Kfeut* 
Roffba *ir, deee dto Btffmcbtft» ebe eie die Vorlete aaahnni^ dm Antrag etafrtend 
von SachypfitlwUgen praton BbeL IA nenne ihr den Manen Peal Mariopi 

Heinrlcb ChcTalley 

HANNOVER; Im i. Abeanemeetekoniert d«r KgL Kipelle kam uater Deebbera 
Leitaog eia neuee Verk von Edward El gar: teine Orcfaeetervarietienon sebr 
get vorbereltet xur AuffSbruog* Schade, data dat auf cbarakteriadiches Gedanken 
basleteade, wlrkeagavoll ieatrumenHene Werk einnal bo QbermiaBig laeg and dann in 
der ADordnnag dor Vcriatlooen bo sttl* and wablloe angelcgt ist In dem Konzert, daa 
necb die ,Halhieracbe" Symphonic von Moxart und Beetbovona »Achte* all Orcheitcr- 
nemmern enthielt, araaag aicb daa Singer-Ehepiar von On long (Berlin) ainan bfibacben 
Acbtung^erfolg^ L. Wntbmann 

KOLN: Dae aiebente Gfirzenlch-Konxert bracbte ala Mor art- Abend die g-moll 
Symphonic, die von Frits Steinbacb zuaammengeatellten and eingerlchteten H acbt 
dantacben Tinse" fSr klelnas Orcbeator, dsa Klavlerkontort C-dnr, daa Vlolinkonsert 
A-dvr f die Lifstacba Don Jiun-Pbanteiie nod BohiioBmllcb dlo ZinborflOte-Ouvertfire* 
Steinbacb etxlelte mlt seineni^ eratchtllch von Jabr sn Jabr atetlg mebr in seiner 
DIrigentenelgenart auffeebenden Orcbester cine Relhe auserleaener Eindrfickei Ale 
Sollaten erfrentan Til holm Backhaul und Karl KOrnor durch ibre beatbakannten 
Leistangen. — Bei einem eigenen Abend in Hotel Discb erxielte Willy Burn ester 
tumal mit Beethovens D-dur Senate {am Klavler Jobann Wysman), Vlenlawski's d-moll 
Konsert und dem Paganiniacben Hexentanx die gewohnten Triumph*. — An glelcher 
S telle macbte Anna Z in kelson den durcbauB misslungenen Vertucb, Kr Lieder- und 
BBlladenvortrlge mlt Uutenbeglelning * la Kothe ru erwtrmra, — Georg Hflttner von 
Dortmund, der schon in seinem ersten hieBlgen Konaert mlt Bciuem Pbilharmoniacben 



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285 
KRITIK: KONZERT 



Orchester einen vollberechtigten grossen Erfolg erzielt hatte, wusste diesen am zweiten 
Abend besonders durch die prichtigen Ausfuhrungen von Berlioz' Ouverture „R5mischer 
Carnaval", Bruneau's „La Belle au bois dormant", Georg Scbumanns „Tanz der Nymphen 
und Satyrn" sowie Glazounows es-moll Symphonie in erheblicbem Masse zu verst&rken. 
— In der funften Kammermusikauffuhrung des Gurzenich-Quartetts gelangten in 
Fortsetzung der ganzen Serie Beethovens Quartette in Es-dur (Werk 74) und e-moll 
(Werk 59) zu wirkungsvoller Wiedergabe. Die als Neuheit gebrachte fls-moll Sonate 
(Werk 1) fur Klavier und Cello von Hans Pfitzner vermochte keinen Erfolg — sehr 
gelinde ausgedruckt — zu zeitigen, obwohl Greta Bruhn und Friedrich Grutzmacher 
das immer mogliche taten, das schwache Stuck uber Wasser zu balten. — Beim letzten 
Abend des Tonkunstler-Vereins wurde eine Klavier- Phantasie uber ungarische 
Volkslieder von Franz Kessel, die der Komponist vortrug, verdientermassen sehr warm 
aufgenommen. Seine sehr stimmungsvollen Lieder wurden durch frischere und ge- 
wihltere Vortragsweise, als ihnen Her mine Techow angedeihen Hess, zweifellos noch 
viel uberzeugender gewirkt haben. — In der Musikalischen Gesellschaft fanden in 
den letzten Wochen als Pianisten Donald F. Tovey und Gisella Gross sehr gute Auf- 
nahme, w&hrend die biesige Konzertsopranistin Stephanie Becker zumal mit Lieder- 
vortrigen neben schdnen Stimmitteln ein sehr schitzenswertes Konnen dokumentierte. 

Paul Hiller 

K6NIGSBERG i. P.: Das Hauptereignis bisher in der heurigen Saison war die erste 
Auffuhrung der Tondichtung „AIso sprach Zarathustra" von Richard Strauss. Sie 
wurde vom Konigsberger Mrsikverein unter der Agide des opferfreudig tatkr&ftigen 
Leiters der Kunstlerkonzerte C.J. Gebauhr veranstahet. Das Vereinsorchester, durch 
private Kunstler und Militlrkapellbllser auf die erforderliche Starke gebracht, hat die 
enorrae Aufgabe unter der gross gestaltenden und energisch fuhrenden Direktion Ernst 
Wendels bewunderungswurdig gelost; die Auffuhrung erregte einen mSchtigen Eindruck 
und gab zum ersten Male den Konigsbergern einen wirklichen Begriff vom Genie Strauss', 
der hier bisher arg verketzert wurde. Eine weitere bedeutende Gabe bot derselbe Wendel 
mit seinen Genossen Hedwig Braun, Paul Binder, Herbst und Else Mendel mit 
der tief empfundenen und feinfuhlig abgetonten Wiedergabe des herrlichen F-dur 
Quintetts von Bruckner; den neunmal Wefsen erschien das wundersame Werk mit 
dem unbeschreiblichen Adagio trotzdem M entsetzlich K . In den Symphoniekonzerten unter 
Prof. Brodes Leitung wurde an neueren Werken die instrumentale Liebesszene (hier 
„tiebestod" genannt) aus Strauss' M Feuernot tf und Hugo Wolfs pikante italienische 
Serenade gespielt, ohne die Zubdrer sonderlich zu erwirmen. In den Brodeschen 
Kammermusikabenden kamen eine interessante Violoncellosonate in b-moll von Dohnftnyi, 
von Hermann Hopf prachtvoll gespielt, und Mendelssohns Streichoktett zu Gehdr. Eine 
neue Trio-Vereinigung der Herren Richard Fuchs, Becker und Hopf hat ihr erstes 
Konzert gegeben, wobei die wohltitige Einrichtung der Verdunklung des Saales mit 
gutem Gelingen angewendet wurde. Von tiefer Wirkung war das Spiel Frederik Lamond's, 
der kurzlich die letzte Sonate Beethovens in kongenialer Weise interpretierte. Ein 
Orchesterkonzert, das Siegfried Wagner hier geleitet hat, zeigte, dass sich des 
Meisters Sohn zu einem vortrefflichen Dirigenten entwickelt hat; besonders drei Ton- 
stucke seines Vaters erstanden in uberraschender Grdsse. Das verstirkte Symphonie- 
Orchester leistete unter Wagners Leitung Vortreffliches, wie man es sonst hier nicht bei 
ihm gewdhnt ist. Paul Ehlers 

LEIPZIG: Das durch einen trefflichen Orgelvortrag (Toccata, Adagio und Fuge in C-dur) 
des Organisten M. G. Fest eingeleitete zweite Konzert des Bach-Vereins brachte 
unter Leitung Karl Straubes und solistischer Mitwirkung von Anna Hartung, Maria 



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280 
= MEMUSIK V. 10.: 




Phlllppi, EmQ Plake aad Bah Sebftti die ernfea dial Kantatea dM *1 
oraforimt" to dnrebaoe ttflfcareohter tad etimmasgtecbter Vledorgtbe, D» I& G#-r 
vaadbaaskonxert, in dam Dr. Alfred von Bary ne eordlags nrft ta aft reflaa aber 
wealg a a t o xlatfoat flhitea Teaortbaea pafadterte* ward* m Arthar Nikiaeb fiber titae 
aaebttstige Vlodergabe der fhqrdaftcbea B*dar Syatpbenle htaaae sa etear tm 
eebr sebQeea fatorpfe cattoa der G-dnr Syaiphoolo too Sobnmenn oiapofgiclttbfi» 
Iter tieite Abend der BGhmeo, dm ale NeriOt — mtt Vim M aarlna am ffltgel -^ 
dae ftr den Haaebedaif woblgeelgBete tanoll Qaiatett op- 30 van Hugo Ksan efageffigt *ar» 
llpfeteta ebwn vottflgttcb tebSnea Vonrtfe deeBeetboTenechea w»oU Qnartetfa op. 13L 
Bogeteterte Antbabme flkad Sataiaad too Zor-Mfihlen IBr Mine voraebme end attain* 
MUe Lfodorveftfegemuaafp beUaneixalngoad aiintaa ofeigo vorzagltcnefe Lilileagta use 
etirnmaoftvofiea Fleafetea Joeeph SHwina ki, nad fretouHfebeai Iataeaae begegaete aneth 
Lee Keatenberg , ffir desoon VetflBhntng to« Kl avlerBb e rtr a ftaag pn ligaadnlaa 
kfiaadtarieefre Bcmhtfemg iflmfiw* wrtil kaam nriunden eeln dbrfte. Dee 
tBebtlgea Gemote Adolf Rohanr* der to tinem inlt Ortihaetor Tamata! 
Abend trnter aadetaai die d*mol! Koaxerto Tea Jeechtai (tor aagaifecfeer Velee} mud m 
W e nl w eU fanrafc — dee eebr iamatigfta Zeaeaiaienaplelet der beldea VUHabtaMft 
BUene FatohUnd vnd Hetaw Ffirat, — ehree eitotgreicben AbecMede-Koaxarteo Ton 
MfacfceBlmnn end eiaeaeraesten DoHha dee Iwhtaln n derten iber noeh allxe hbrlgea 
GMget* Heraiaaa Salomonoff, der alt Begkdtnat dee m eetaem ILebrmeister P*efc 
Baaa Sitt geShrtea Vtndefstein^Ofphaetete Sittt UebE n t wQrdlgoa a*moR Kaaeeit Mow 3 
nad dee TeobaUtovaky-Roaxeit epiefle and ateh der Mhwlftanf Htaaa Gerhardte n 
anroaon annoi puma uer awr aeas aaeaiia aoeecaii a'oraoas aaoanreeesioaor eeof ier- 
enr ova **eaeew nuxwoseoot ami aaax 'Oiaer aer casaugoton aae vareioaorrouatoa 
Kftdefl ar Lefgetye* JaBae Kle*fel» aaier lebhafteata* Aatettaabme dee pubUfcam* dae 
Aet bataer 4reli*lfflbricea atfeatltehen K«attbtttitft(ag Mertt^ dee aaaor 
Mttvlrkaag der ^qwdtfectea Uedettlagoria Anna Hartant tnid dae ▼iad^ateia^ 
Orobettefe etatthnd and dom begeletertea Pttbltttam m Heydne D*dar Konzert die 
Bektaatscbaft mlt drei eehf betcbteiiswerten aeaeren VioloDcello-Kompoiitienea ver- 
tchifte: mlt Ctrl Reinecket ,Roroioioro la Form cine* Koaxerat&cke*", dem d-inoll 
Konzert (No. 2) too Salnt-SeSae and einer von Jalios Kleagel aelbst kompenierteo, tebr 
kuiKtreicbea and tecbaleeb-bocbtntemeentea ,C«pricc in Form einer Cbacooae". Do 
•Iebente Pbtlbarmoalache Konxerl (Tlnderttda) and dee vierzehate Cewtnd- 
faeaekoazert (Nlkiscb) galten berelti der Feier von Mozerti 150* Gebartatat; 1m 
ereteran gib es die D-dar Symphonic No. 1, die c-moll KUrierkonxert mlt eebr klxrer 
eber etwu tonepritder AaefBbrang dee Solopxrtee dutch Fiitx Meebtch t die Mearerlacbe 
Treaenauaik, dta von Teebnlkowaky fOr Orcheeter betrbetiete blmmliecbe „Ave verum 
cofpoi*, die Sltxe 2 uad 4 tat der Hilher^Sereaide nod dezwlechen Arien and Lledei^ 
vortrlge der enmntigen Genhr Singerin Nine Filiero*Dilcroxe — , lm Gowtndhmm 
iber bildeten Anfkng and ScUuxb det Moxerttbendi die Ztaberfi0ten*OaTert&re and 
elne eebr tchOae loterpietation der Japlter-Symphonle, wthrrad inmltten det Progremme, 
nmrefamt von feinabgetflnten Arien- and Liederdtrbletnngen von Helen© Stiegemenn, 
Cerl Relnecke and Fritx voa Bote dei Mef iters Es-dur Konzert fOr xwel KUvlere in 
aehr acbSner Welie mm Vortrag bracbten. Die Freud*, Prot Reinecke auf dem Gewaad^ 
hautpodium wiederteben and Ihn troti seiner 82 Jahre mlt wunderbarer Elastizltit 
and Friicho Mozart aplelen hflron iu kQnnen, nr so gross, dsss ius der Mozsrtfeler 
gewlssermassen cine Relneckefoler mlt Orchestertuach and jabelnden Bhrbezeugnngen 
wurde, wofQr dean der gefeierte Kunttreteren mlt der Zagabe des von ihm ffir Klavler 
allela bearbeiteten Larghetto's aas dem Krflnangikonxert voa Moxart dankte. 

^Arthur Smolian 



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287 
KRITIK: KONZERT 



MELBOURNE: Die von Prof. Peterson veranstalteten Orchester- und Kammermusik- 
konzerte sind jetzt, mit einer Ausnahme, glucklich uberstanden. Zur Auffuhrung 
kamen Beethovens c-moll Sympbonie, Mendelssobns Violinkonzert (Solist A. Zelman), 
zwei ungarische TSnze von Brahms und die Ouverturen zur „Euryantbe" und zum 
w Tannha*user*. Die Sympbonie, in der Andante zum Allegro und Allegro zum Presto 
wurden, und wo von Phrasierung u. dgl. uberbaupt nichts zu spuren war, zeigte wieder, 
dass Herr Peterson als UniversitStsprofessor der Musik und also offlziell massgebende 
Grosse fur den hiesigen musikaliscben Gescbmack nicht besonders segensreich wirken 
kann. Ein zweites Orchesterkonzert wurde vor beinahe leerem Hause gegeben. Das 
Programm bestand aus der Ouverture zum „Occasional-Oratorium a von Hlndel, der 
Hebriden-Ouverture, Haydns Sympbonie „La Reine de France", dem Allegro aus Mozarts 
g-moll Symphonie, der Bachschen D-dur Suite und dem Andante aus der Pastoral- 
symphonie — alles in derselben oden, unmusikaliscben Weise vorgetragen. Die beiden 
Kammermusikabende, die Peterson arrangiert hatte, waren bedeutend besser. Von 
den daran Beteiligten mussen besonders die Pianistin Una Bourne und der Hornist 
Kubr fur ihr ausgezeichnetes Spiel gelobt werden. Die von Anita Sutherland vor- 
getragenen Lieder liessen viel zu wunscben ubrig. (Eine wirklich tiichtige Gesangslehrerin, 
die zu gleicber Zeit eine gute KonzertsSngerin ist, kdnnte in Melbourne auf ein reich- 
liches Einkommen rechnen). — Um so besser waren die sieben Konzerte des Mar- 
shall-Hall-Orchesters. Neu fur Melbourne waren Schuberts .Tragiscbe Symphonie", 
die c-moll Symphonie von Brahms (zweimal w&hrend der Saison aufgefubrt), Brahms' 
Variationen fiber ein Haydnsches Thema, zwei Menuette aus dessen Serenade in D-dur, 
Legenden I und IV von Dvorak (2mal), ein banales ^Symphonic Tonepoem" von einem 
hiesigen Komponisten, Siede, das h-moll Violoncell-Konzert (von Louis Hattenbach 
vorzuglich gespielt), Vorspiel und Abschied des Engels aus Elgars „Gerontius" (Altsolo: 
Friulein Noone); Hugo Wolfs „Mignon", mit von Marshall - Hall orchestrierter Be- 
gleitung, wurde von Frau Wiedermann gesungen. Ferner boten die Konzerte noch 
Symphonieen von Beethoven (A-dur), Mozart (C-dur), Tscbaikowsky (Pathdtique), Strauss' 
w Tod und Verklfirung" (2 mal), Einleitung und ^Isoldes Liebestod" aus Tristan, Walkuren- 
ritt, Waldweben, die Trauermusik aus der „Gdtterdimmerung", Georg Schumanns 
w Liebesfruhling", Ouverturen zu „Ruy Bias" und „Sommernachtstraum", den Rakoczy- 
Marsch, Saint-Saens' w Danse Macabre", Tschaikowsky's Klavierkonzert in b-moll (Edouard 
Scharf), Liszts „Loreley" (Frl. Mal yon), die Begleitung von Marshall-Hall orchestriert, 
und eine Arie aus dem w Figaro*, vortrefflich gesungen von Frl. O'Brien. Die Konzerte 
waren so erfolgreicb, dass die Direktion beschlossen hat, im Laufe des n&chsten Jahres 
eine bedeutend grossere Zahl zu veranstalten. Um den storenden Widerhall der hinter 
dem Orchester beflndlichen Orgel zu vermindern, wurde jenes auf ein niedrigeres Podium 
plaziert und dahinter eine Schallwand errichtet, mit sehr gunstigem Resultat. — Hugo 
und Emil Heermann gaben eine Anzahl von Konzerten, deren Erfolg leider weder 
vom kunstlerischen, noch vom flnanziellen Standpunkt betrachtet, zufriedenstellend war. 
Dass das nicht an ibnen selbst lag, braucht wohl kaum erst gesagt zu werden. Ihr 
Impresario, der hiesige Klavierlehrer Laver, bestand n9mlich darauf, dass er als Be- 
gleiter, Klaviervirtuose und Kapellmeister in diesen Konzerten auftrete. Da er aber den 
Anforderungen dieser verschiedenen Rollen gar nicht gewachsen war, war das Ergebnis 
ein hochst unbefriedigendes. Trotzdem war das Spiel Meister Heermanns ein Hoch^ 
genuss, wie wir ihn wohl nicht so bald wieder erleben werden. Emil Heermann gab auch ein 
Konzert, in dem er von Una Bourne in uberaus kunstlerischer Weise begleitet wurde. 
— Die Orpheus-Gesellschaft, die die bei weitem genussreichsten der hiesigen 
Dilettantenkonzerte gibt, fuhrte an ihren Abenden folgende fur Melbourne neuen Werke 



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DIEMUSIK V. 1&: 




auf: SeJnNSaBna 1 g-moll Kerne** mjt Edonerd Seharf em Ktarter, a cappoUe^Geeang vos 
Glacbes do Vertt .Who will bring me tack my hurt?*, Becha »Lobet JefaoTet* and 
Cdenr Ftwcka ISO. Peelm. Viederbolt worden dee »StttCtoe* ttu der Becteoben fe-voU 
Hem Ztgemerlieder wo Brahma, Pbanteale IBr Klttler, Char nod Orchetter ron Beet* 
boeen, drei lieder IBr Ahstfmme mit Orchesterbegleitiuig ion G. Cloteem (SeUstex Fit 
Rend), Dtattke Sleriecfae Time, die *Don*juan"-0nTert6re il a*; Under «n Babou* 
F, Clutsam and des ewige tt Bmul tnTolami* wurden fen PrL Davit vortreSHch ge- 
anngen. — Die iwei Uedertttota olnd mitetaender u einer efnzigen Terecheaelaen warden, 
dto rich *The Royal VtetorUn Lledertefel* oeimt und Ton dam Orgnnieton B. Vood 
dirigtot wtot — Die Phi liter monieehe Geteilschaft bat urn mit doer Karrfltetor 
m Berllo** ^Damnation de Panel* begl&efct Kapellmeister, Chor, Orcbester and Soto- 
singer w*re% mit Hblteher Aunabme def Marguerite, Fit Reld, writ tarter dem Hitter 
mis*. — Dh .Lyric Society* bene don wunderitehen Einfall, den »Hreisdittti* Is def 
Sudfbetle in earner* en gebeo, Ave utter Quelle hBrte icb, den ee aif zagegangea sot 
— line Bourne! die tilentvottste PUnletin Melbourne's, net vor etaigen Yochen etan 
Studlenreise aaeh Europe en* Vor Dim Abrelae wurde Our eta Bemefiikoniert gegeben* 
dee erete woblferdJente Benefit, deeeen leb micb bier erinntrn fcenn, nnd den In Jedec 
Betiehttng enageteichflot veriieL — Der esgtfetihe Basajat Vetktn Mllla, beglettet Ton 
den Devon Klrkweod nod Lonedele and don Hetren Tilde tmd Ferlowlti (Pianist) 
macfete nine eaetraliecbe Kooterttonr vod bit hler got geftUlen. — * Venlger Gl&ck bene 
KU Perking elne nnterffcenistihe Koleretnrelngeri% die ein eehflnee, wohlgoaefcultea 
Qfgen beatfet nnd Herr Fftldesy* ein ktastJerisch vie ttobnJwdi tflcbtiger, e*er exeea* 
trtecher Violoncellist. — Jeeele M selachian, elm schottieche Balltden*lngertn> kette 
einen geviesen firfbig be! tbren ubtieUben bier enslsatgen Lsndelentm* — Maggie 
Stirling, nine Melbourne* Mesw-Altistin, die mit dem Jttagen ungtrisehen Kteelerffatn- 
eeen Borecbko mid der Vlotoiettn Ethel Slnolelr efatlge Konierte gib, enttlttscbto 
eebn — Olge Ztcby-Vnlnerekl {VWine), die obenfidle too bier etemmi; kem 
nech lingerer Abveeenbtft too Eurepm wieder surflek* — # RedteI»* vwden 
▼on Dorie Midden, Annie Dertdeon, Rite Hope^ Betle VhNlcy nnd einer Uuebl 
von eaderen mehr oder weniger nnreifen Krtften gegeben ; f»*t elle gleicb unerqnlckllcb. 

H J timer Joseph! 

NGRNBERG: Im II. KaimkonEert war der Dlrigem Georg Scbaievoigt oBbnber 
nicht gusi Herr der Situaiioo, da towohl dai tt TH»tan K -Vorepie] als besondera Beet- 
bovena .Siebente* nicht den hohen Scbwnng batten, den die lebendige An dee MBncbeaer 
Dlrigenten *on«t bedlngte* Auch Han« Tlnderetein hatte mit den Lelpsiger Phil" 
bannonikent nicht aonderllchee GIQck, woran ftelllch attch Tacbaikowsky'e geiwungene 
Manfred^Symphonie mancherlel Schuld trng; Claude Debuiay'i „Apr6a-raidi d*nn hnn* 
kenn bei aller Tecbnlk der Orcheitefbehandlnng kcin tieferei Intereate wecken. In drel 
Konzerten des Phllharmoniacben Verelna, die Tilhelm Bruch leitet, hflrtcn wir 
Brahma 1 c-moll Sympbonie, deren Herrllchkelt biefaer weder dem Orcheater nocb dem 
Pabliknm auf|^gangen tat, Schnberta h-moll, die IL LeonoreaouvenSre mit vlel Ekateae^ 
Vorapiel und Uebeitod am „Tristan** Ein anderer Abend brachte nnr aebwerates mo- 
dernea Geacbfitz: ,Zaritha»trt*-Strittas, der nicb aecbamaligem Hfiren nur nocb mit 
eiaigen Glpfeln Intereaaiert, Haas Pfitmere feeaelndes Jugendwerk .Feat auf Solhang" 
ued Volkmar Andreaea Symphoniacbe Pbaataaie, die tin Beweia fBr den Satz iat, 
dasa ein sich wild geblrdendea Talent nocb kelp Genie let. An Soilsten nenne leb 
Katbaiina Flefscber-Edel, das E he pair Petacbnlkoff und Suaanne Deeaoir^ die 
unter Mitvlrkung Minze-Relnholda einen Abend mit felner Liedkunat fuilte. Hanna 
Avrll, ein aua Nlirnberg atammender Pianist, berechilgt m achOnen Hofflaungen. End- 



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289 
KRITIK: KONZERT 



lich nenne icta noch das I. Konzert des Bach-Vereins, das unter der energischen und 
doch feinfuhligen Leitung R. Mannschedels eine Reihe Handel- und Bactascher 
Kompositionen in mustergultiger und historisch-lebendiger Gestalt gebracht hat, und das 
erste Auftreten des „Nurnberger Trios a , das aus den Kunstlern Mannschedel (Klavier), 
Kogfin (Violine) und Beckenbach (Cello) bestehend in Beethovens Geister-Trio und 
Smetana's g-moll Trio ein mustergultiges Zusammenspiel, jugendliche Kraft und Be- 
geisterung und prachtvolle Klangschonbeit vereinigte. Dr. Flatau 

PETERSBURG: Getreu seiner Gepflogenheit, in den Konzerten neben der Pflege der 
klassischen Musik auch den bedeutenden Komponisten der neueren Zeit die ge- 
buhrende Teilnahme zuzuwenden, brachte Alexander Siloti in seinen Abonnements- 
konzerten seit meinem letzten Bericht wieder eine ganze Reihe moderner Werke zur 
Auffuhrung. Eine Suite kleiner echt russischer Volkslieder instrumentiert von Rimsky- 
Korssakow, Glasunow und Liadow bereiteten den Horern das grosste Vergnugen. 
Von grossem Interesse waren Schuberts „Phantasie tt op. 103 (instrumentiert von Mottl), 
Mozarts Ouverture „Entfuhrung aus dem Serail a mit dem Konzertschluss von Busoni, 
„Sauge fleurie a -Legende von d'Indy, Suite „Namouna a von Lalo und unter personlicber 
Leitung des Komponisten „Don Juan-Suite** von Naprawnik und Symphonie VI von 
Glasunow. Dann gehen wir zu den Solisten fiber und nennen den Cellisten Pablo 
Casals (Konzert von Saint-Saens), der zum erstenmal hier spielte und sich die Gunst 
der hiesigen Musikwelt im Sturm eroberte. Ferner liessen sich horen Katharina Fleischer- 
Edel, Fedor Schaljapin und Alexander Siloti. Die Symphoniekonzerte der Kaiserl. 
russ. Musikgesellschaft wurden ausschliesslich von Leopold Auer geleitet; die er- 
warteten auswartigen Dirigenten und Solisten nahmen begreiflicherweise Abstand, bei den 
jetzigen Zeiten eine Reise nach Russland zu unternehmen. Bernhard Wendel 

PFORZHEIM: Im ersten Musikvereinsabend erwies sich Konrad Ansorge als grosser 
Klavierkolorist; Tilly Koenen steuerte freudig aufgenommene Liedergaben bei. Die 
Brusseler fanden im zweiten Konzert ein sehr dankbares Publikum; namentlich fesselte 
Glazounow's geistvolles Opus. In idealer Wiedergabe bescherte uns die Karlsruher 
Hofkapelle Beethovens Zweite unter Alfred Lorentz und das Klavierkonzert in Es (op. 73). 
Am Flugel sass Theodor Rohmeyer, der auch dieses Jahr wieder eine Reihe von Volks- 
konzerten und Kammermusikabenden veranstaltet. Rose Ettinger befriedigte nur teil- 
weise. In seinem Busstagskonzert hatte der Mannergesangverein (Albert Fauth) mit der 
Karlsruher Hofkapelle das Vorspiel, die Verwandlungsmusik und Abendmahlsszene aus 
„Parsifal tt auf dem Programm und brachte ausserdem eine famose Auffuhrung von Wolf- 
Ferrari's „La vita nuova" heraus (Solisten: Emma Tester und Max Buttner). Die 
Musik des erfolgreich aufgefuhrten Marchenspiels „Die zertanzten Schuhe u von Albert 
Fauth spricht fur gesunde produktive Beanlagung des Komponisten. Ernst Gotze 

PRAG: Aus der Reihe der Konzerte nur einiges Charakteristische. Dank Branbergers 
verdienstlichen Bemuhungen ist jetzt Historie Trumpf. Altbohmische Meister 
werden fleissig ausgegraben und aufgefuhrt. Eine w Tat** vollbrachte der tschechische 
Singverein „Hlahol a mit Bachs h-moll-Messe (zweimal). Von neuen Komponisten tritt 
L. Prokops NameinVerbindungmit symphonischenundKammermusikwerken jetzt hauflger 
hervor. Dieser Most kann noch Wein geben. In der ts chechischen Philharmonie 
lernten wir in A. Neumann einen Dirigenten von mitreissendem Feuer kennen. In 
der Mozartwoche war naturlich alles Amadeo. Auf der Buhne des alten Landes- 
theaters, wofur der „Don Juan" geschrieben worden ist, fand eine stimmungsvolle, von 
Angelo Neumann veranstaltete Feier statt. — Grosses Interesse erweckte die Pariser 
Vereinigung fur alte Instrumente mit ihrer zierlichen Spielmusik. 

Dr. R. Batka 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



290 
DIE MUSIK V. 10. 



ROSARIO (Argentinien): Erwihnenswerte Konzertveranstaltungen knupfen sich allein 
an den deutschen gemischten Chorverein „Lyra a . Er beteiligte sich zunachst an 
der grossartigen Schillerfeier, welche die deutsche Kolonie am 21. Mai im Teatro de 
la Opera ins Werk setzte, mit Teilen der w Glocke a — naturlich der von Romberg, die 
ungluckseligerweise in ihrem Schrank schlummerte, nun aber ein fur allemal begraben 
sein wird. Bei dieser Feier taucbte der l&ngst verschollene w M3nnerchor a nocb einmal 
auf, sein Scherflein in Gestalt des Beethoven'schen Hymnus „Die Himmel Tubmen" bei- 
steuernd, um wieder — fur immer wohl — aus der Offentlichkeit zu verschwinden. 
Die Ouverturen zu „Tell a , „Egmont" und „Freischutz a , vom Orcbester des Kapell- 
meisters Prove si vorzuglich zur Geltung gebracht, bildeten einen wertvollen Teil des 
Programms. Fur die von der ungeheuren Oberschwemmung des Parana Betroffenen 
gab die „Lyra" ein Konzert, dessen Vorbereitung innerhaib vierzehn Tagen erledigt 
wurde. Seinen Kern bildete Rossini's „Siabat mater", mit Weglassung des fugierten 
Schlussatzes. Unsere Solokrfifie, von denen ich Frau Dr. Kunz (in Leipzig zur 
Berufssangerin ausgebildet) und Frau B runner (mit mehr als Dilettantenkonnen) 
erwftbne, kamen vorzuglich zur Geltung. Endlicb beging der Verein sein Stifcungsfest. 
Der Chor sang zwei Volkslieder aus dem Jahre 1550, zwei Kinderlieder von Mohring, 
beide a cappella, w Meeresstille" und „gluckliche Fahrt" von Podbertsky, und Rbeinbergers 
Ballade „Klarcben auf Eberstein". Das fruher eines guten Rufs sicb erfreuende Ame- 
long-Quartett spielte mit teilweis neuer Besetzung ein Beethoven'sches Quartett und 
Mendelssobns Trio d-moll, und der Unterzeichnete Schumanns „Fascbingsschwank a fur 
Piano Solo. Einer Kritik des Konzerts muss icb micb als dessen Letter enthalten. In 
diesem Jahre dankte Aiwin Schneider als Vorsitzender des Vereins ab, den er geschaffen 
und jahrclang gehalten hat. Er ist der getreue Eckart aller kunstlerischen Bestrebungen 
und Unternehmungen in der deutschen Kolonie gewesen und wird es hoffentlich noch 
weiter bleiben. So selten sich bier Konzertgelegenheiten bieten, so schlecht sind sie besucht. 
Kein Wunder, dass durchreisende Kiinstier sich kaum noch horen lassen, in diesem 
Jahre ein einziger: der Cellist M. Loeve nsohn- Pans, ein Meister seines Instruments, 
mit ganz bedeutender Tecbnik und grosser kunstlerischer Auffassung. 

Hermann Kieslich 

STRASSBURG: Die Abonnementskonzerte bracbten eine gut gemacbte sympho- 
nische Dichtung („Ideal und Leben") ihres derzeitigen Leiters Gorter, Beethovens 
Siebente, mit uberhetztem Finale, den prachtigen Pianisten Dohnanyi, der Liszts Es-dur 
Konzert spielte, einen ziemlich unbedeutenden Orchestersatz „Elfenreigen" von Fnedrich 
Klose und Antonia Dolores als gute Koloratur- und mezza-voce-S&ngerin, im Pathe- 
tischen aber forciert und grell. Der Tonkunstlerverein produzierte das Pariser 
G el oso quartett, und einen Abend einheimischer Komponisten, von denen Erb wohl der 
bekannteste ist, ein junger Sturmer, R. Hejjer, in Gesangen a la Strauss ein aussichts- 
volles Talent offenbarte. Munch bracbte in der Wiihelmskirche das Bachsche Magni- 
ficat, in den Solis Georg Walter und Margarete Altmann bemerkenswert, ferner die 
Kantate w Sie werden von Saba kommen** mit der originellen Tenorarie. Der Tenorist 
hatte vorher in einer Anzahl geistlicher Lieder der Familie Bach seine lyrische Kirchen- 
kunst gezeigt, Munch eine prachtvolle Chor a cappella-Motette und 18 interessante Choral- 
praludien zu Gehor gebracht. — Frau Adels v. Munchhausen (Mezzosopran) widmete 
in einem Liederabend ibre zierliche Kunst nicht obne Erfolg Kompositionen der er- 
wShnenswerten Karlsruherin Clara Faisst. Eine beginnende Violinkunstlerin lernten 
wir in Lotte Ackers kennen. — Mozart wurde lebhaft gefeiert, in Oper (Zauberfiote) 
und Konzert, nicht immer mit glucklicher Auswahl der Werke — dass unter ihnen sich 
auch unbedeutendere befinden, konnen nur Kunstbyzantiner leugnen. — Eine dankbare 



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291 
KRITIK: KONZERT 



Kantate („Die ihr des Weltalls Schopfer ehrt"), von Riff geschickt instrumentiert, wurde 
durch oben genannte Altistin eingefuhrt und sei ihren Kolleginnen empfohlen. 

Dr. G. Altmann 

TEPLITZ-SCHONAU: Der erste Abschnitt der philharmonischen Konzerte brachte 
uns reichen Gewinn. Freilicb, das erste erlitt durch plotzlicbe Heiserkeit des 
Solisten Dr. Walter einigermassen Abbruch; dafur boten die nachsten zwei reicblichen 
Ersatz. Im zweiten bereiteten Frau v. Kraus-Osborne und Felix v. Kraus hohen 
Genuss vornehmlich mit Brahmsschen Duetten, nicht minder als Solisten. Das Kur- 
orchester spielte nach Gewohnheit trefflich Beethovens Siebente unterLeitung Zeischka's; 
unter Georg Schumann dessen iiberaus amusantes und interessantes op. 30, sowie 
seine „Ouverture zu einem Drama" (Manuskript), ein im ganzen hochachibares Werk. 
Das dritte brachte Hubermann. Dvoraks Violinkonzert, ein iiberaus interessantes 
Stuck, spielte er uniibertrefflich; die Hohe seiner Kunst lag in der Wiedergabe von 
Beethovens Romanze in G-dur. Das Kurorchester markierte in diesem Konzerte den 
Mozartgedenktag mit der Jupitersymphonie. Wie die Philharmonischen stets vor aus- 
verkaufiem Hause stattfinden, ebenso lebhaften Zuspruch erfahren die Volkskonzerte 
des Kurorchesters. Das vierte gait vollstandig Mozart. Die Esdur-Symphonie, die 
^Konzertante-Symphonie 4 * fur Violine, Viola und Orchesterbegleitung, sowie vier Satze 
aus vor nicht langer Zeit in Dresden wiedergefundenen funf Divertimenti fur zwei 
Klarinetten und Fagott, ^ einzig an Reiz und Liebenswurdigkeit — auch trefflich ge- 
geben — wurden mit regstem Eifer angehort. Anton Klima 

WIESBADEN: Als Neuerscheinungen an unserem Konzerthimmel sind zu signalisieren: 
die feurige Magyarin Alice Ripper, eine Pianistin von mfinnlicher Kraft und 
Verve; die temperamentvolle Geigerin Erna Schulz aus Berlin, deren Spiel durch 
virtuosen Glanz und lebensvollen Vortrag allgemein ansprach; und die Altistin Anna 
v. Bertrand — mit ihrer vornehmen Schulung und ihrem empfindungsreichen Ausdruck 
eine hochst sympathische Erscheinung. Im letzten Kurhauskonzert zeigte sich Van 
Dyck so ziemlich „fertig"; Paul Ertels „Belsazar a erzwang allgemeines und lebhaftes 
Interesse. Otto Dorn 

ZURICH: Eine Hochflut von Konzerten brachte der Weihnachtsmonat; iiber den Durch- 
schnitt erhob sich nicht allzu viel. Die Abonnements-Konzerte lieben es, Anleiben 
bei der Opernmusik zu machen; das sechste der diesjahrigen Saison brachte ausser der 
mit Raffinement ausgearbeiteten dntten Leonoren-Ouvertiire das Tannbauser-Bachanal. 
Als Dirigent zeichnete sich wiederm Volkmar Andrea aus, der zwar noch etwas jugend- 
licbe Unruhe verrat, immerhin jedoch mit erstaunlichem Feingefuhl und Geschmack 
seiner Aufgabe gerecht wurde. Maikki Jarnefelt liess trotz reichen Nuancierungs- 
vermogens und Glanzes der Stimme, namentlich nach der Tiefe zu, recht kuhl. Einen 
Hochgenuss bereitete Friedrich He gar den Zuricher Musikfreunden durch die Vor- 
fuhrung des „Deutschen Requiem** von Brahms. Die wundervolle Ausfeilung der Chore 
erregte berechtigten Beifall, und die Solisten des Abends: August Leimer und Anna 
Kappel setzten der prfcchtigen Auffuhrung helle Lichter auf. W. Niedermann 



2 ) Das zweite Mozart-Heft der „Musik a (Jahrg. V, Heft 7) brachte vier SStze aus 
diesen Divertimenti als Musikbeilage. 



Wegen Raummangels musstcn fur das nfichste Heft zuriickgestellt wcrden die Berlchte: Baltimore, Basel, 
Cincinnati, Kassel, Kopenhagen, Magdeburg, Manchester, Mannheim, New York, Paris (Konzert). 



("j>f\nlr- Original from 

J ::., ...u:.: :.-, V il h )^R UNIVERSITYOF MICHIGAN 




ANMERKUNGEN ZU 
UNSEREN BEILAGEN 




Zo der Portevtnmt d*r Istdschen Abbiadlajig ,Dto Entstthtmg **s deotschstj Meto* 
dnrnu* gebflreo die ersten ?tar KttnttbeUsgen dieses Bsftes* ZttBlobet As 

Pttltflt TOB 

J eh an a Chris tlsa Breads*, Sttah wn 0, Bcrgtr (1798) neck dMr Zefrbntiftg too 
Scbtfder. Bs Mgt 

Anton Scbweltser, der ftomponlst der Mnslk n Rrassesn's »Pjrgm*ll!Hi\ nsdi dncm 
situ Stteb* Dm Ffcrtttt ton 

Pried rich ▼Uhslm Cotter, dsn Toxtdlchtsr der JKedes", etas Urorisstefebmuif 
mdt etasm Bltybslbfld van setoer Totitor Cicflle^ 1st dem & Bead seinef Gsdlchte 
{Goths 1808} entnommeii+ Den BeseUoss insert 

Sopbtv Frlederlfc* Seyler, die bttflbtnte Dsrttetletfn der Mede* In Bends* gjeteb- 
iwnigem Dnodftm and eibrstabtlfe Kfralin der Chsrtotto Brsndes. Bin BJbt 
toii ibf sis Medea koodtta wfr leider nicbt erisngie** (Inser Blstt seigt tie ds 
Msrope fat Gotten TrsgOdle nseh eioeat kleinen Kapfef Is ftekbsnls Tbsslttr- 
ksleader 17T& 

Zqr Erinaenuif s* den tor SOJsbren 00, Bebttst) geborenen llebeasvflrdlgen Toasetser 
Press ?on Holt tela brfngea wfr seta Portrlt nioh cinem Shdcb tot Wp&t* Die 
drd Opera; .Der Hddesc&sdu* (188% »D*r Ert» m Morley* (1872^ JM* Hocb- 
ltnder* (1876) ubess ssinstt Nsmn bi welters Kreise geirageiL Molstets^ der slob 
setnp Texts stilbfr dJdktMb wsf smA eta tombtpttor 2etobner* & stub 1878^ 

Dee ntchsts Blstt setgt nos dss Port* tor sm 25. Janttsr tm Alter ran last 76 Jshren 
nncbledenen gretsberiog]. itcbs. Ksmmerslngsrln Rest von Milde (vgL die 
Notfa inf S. 267), der ereten Elss, Margiana nod Ximene. Sis stammte ins der 
Weimarschen MuslkerfamUle Agthe and wir geboren im 25, Juai 1825, UrsprQngljcb 
gpdschte sie Klsviervirtuosln za werden, itudierte indessen eplter in Leipzig Gessng 
und debOtierte 1S45 sis Amine in der „Nacbtwsndlerin* suf der Velmsrlechen 
Hofbflhiiet der tie 22 Jthre treu blieb* bis sie slch 1867, tuf der Htibe ibres 
Rubines, rom Theater fiberbmpt znrfickzog. Ibre wanderbsr getcbalte Soprsn- 
sticnme beflhigts sle zur DurchfBbrung slier Kolorstnr^ und slier jngendllcb 
drsmsllichen Ptrtieen. In Jeaer denkwfirdigen .Lohengrin* * Autr&bnuig in 
28. August 185Q, die Frsnx Llett leitete, wlhrend Rlchsrd Tigner seLbit im Exll 
veilte^ esng der Gitte der KQnstlerfn, der ber&bmte Siager Fedor von Milde* den 
Telremandf sie die Bits; beide KunsdelituDg^a bHoben vorbildllcb f3r spltere 
GescUecbter* Vlr Terdsuken dss Blld der Verstorbenen der Liebensw&rdlglceit 
Ibrer Toehter, Frl. Nstslle von Mllde* 



Nicbdruck nv mix *o«lrfttWkhw EHwtbaU dot VerUfa fCiUttit. 

AlJe fivclKt, lubtMndtffl du d*r Obtnotnaft rtfbehiJtMU 

Fttr d]a ZuHlekHmduiif unTirUiittflr oder ntobt *ngt netdfttr WUmntkrlple, WU tbaes alobi |«alc«ad 

Porta bftUleft, ftbAnlamt dk R«d«kdoft lnl» Gvutlt Snbw lawrlldha Muaskrifto vwdfa ua^prtA 



Vcrsntwortlichcr SchriftleJter: Kspellmei&ter Bernhsrd Schuster 
Berlin SV* II, Lnckenwsldentr. 1. IIL 






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JOHANN CHRISTIAN BRANDES 




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ANTON SCHWEITZER 




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FRIEDRICH WILHELM COTTER 




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.KYLIRIN 




SOPHIE FR1EDER1KE SEYLER 




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v ^a*W #&** ^r^^^m^ 



* 16, Februar 1826 




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ROSA VON MILDE 
f 25. Jarrnar 1906 



V. KJ 



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IN HALT 



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Emil Jgqu&fi-Dalcroce 

KtaTiemnterricht tmd mufifkaUsche Erziebmig 

Dm Famillewnfltteni gowtdnet I* 

Dr. Edgar Istel 
Die Entstehung de» dratschen Melodramas, III. 

Dr. Julius Hagemann 

Der modem* MaBtkalienvertrieb 

Bin Voftobtn 

Beepredmngea (B&dter m& Altttlfcalieo) 

Revue der Revueen 

Urn sell in (Neitfr Opera, Am dem O p ernr qpe rto i tt, 
Kbnzerte, Tigescbronlk, Totensclutt) 

Krltik (Oper trad Konzert) 

Anmerkungen zu unseren Bellagen 

KunstfaeiUgen 

Anzeigen 

DIE MUStK arahelnt moaHllch iwetmal. Abonatoeattprcl* POr dtt 
Qatrul 4 Mirk. AboaDcmenrtpreU fttr dea JahrgiDg 15 Mirk. Preis 
dee einwloen Hefa* 1 Mart, Vierteljihrsefobtiiddecltca A I Mirk* 
SunmeLkisteD far die KtMStbetft&cn des ganzeo Jihrgtngt 2,50 Mirk. 
AbonaemeDts durch jede Bnch- und Muslkftltoahmndliing, fOr ktolnc 
Pllttt abac Bachhiiidler Bezug durcb die Post. 



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KLAVIERUNTERRICHT 
UND MUSIKAUSCHE ERZIEHUNG 

DEN FAMIL1ENM0TTERN GEWIDMET 
von Ecnil Jaquea-Dalcroze^Genf 





]nziblige Bucher sind fiber Kindererziehung im allgemeinen, liber 
musikalische Erziehung im besonderen gesctarieben worden* 
Beriihmte PftHosophen, tiefe Denker, einflussreiche Staatsbeamte, 
ordengeschmftckte Virtuo&en, bervorragende Professoren, poli- 
tisierende Familienv&ter und wohlgesinnte aitere Mfldchen haben una mlt 
einer ungeheuern Anzahl von RatschlSgen und Kritiken, von Methoden 
and Systemen, von , Veto's" und ^Heureka's* beschenkt, la denen sie ibre 
Meinung fiber die beste Art des musikalischen Jugendunterrichtes kund- 
gegeben haben, Einer kfirzlich unternorameoeo Urn Frage des Berliner 
Lokalanzeigers* verdanken wir die Offenbarung der emscblSgigen Meinungen 
der besten Musikcr Deutschlands. Einer nach dem andern Hess seine 
Stimme erschallen, aber jeder sang etwas ganz anderes, es gab keinen 
ZusammeufcUng, keinen Akkord, keine Oberemstimmung, 

Angesichts dieser verwirrenden Verschtedenbeit der Meinungen ent- 
stebt vor allem die Frage, ob fiberhaupt die Moglichkeit varliegt, elne 
Auswahl zu treffen. Alle diese Meinungen scammen von gewissermassen 
„Berufenen*« Muss man da nicht von vornberein die Hoffnung aufgeben, 
aus diesem riesenhaften russischen Salat den einzigen nahrhaften Btssen 
bentusstocbern zu kfinnen? lch bin dennoch uberzeugt, dasa dieae 
MSglichkeit vorliegt und dass man nur methodisch vorzugehen bat, um 
zum Ziele zu gelaagen. Wir braucben nur eine Sichtung nacb bestimmten 
Grunda&tzen vorzunehmen, deren erster naturgemiss darin besteben muss, 
keines Menschen Meinung in der vorliegenden Frage gelten zu 
laaaen — und scheme er sonat nocb ao „beruFen a — der nicht in 
stetem Umgange mit Kindern jeden Alters war, ihrer Entwicktung 
Schritt fur Schritt zu folgen Gelegenbeit hatte, und mebrere Jahre hindurcb 
das natfirlicbe Wacbatum ibrer physischen und geistjgen Ffihigkeiten 
beobachtet hat. Denn augenscheinllch kann nur der wissen, was ein Kind 
zu leisten vermat, der Kinder kennt Ja — ich gehe nach viol welter : 
ich behaupte > dass ea eine Vennessenheit ist, Ratscblige ffir die Erziehung 
sechsjihriger Kinder erteilen zu wotlen, wenn man es atets nur mit 

20* 



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OIB MOSUL V. 11. ■ ■ ~ "^ 




Klndern ven zw5lf Jahren persdolich xu tan gebabt hat, ftdlbat wen jam 
letzten die Lebenazeit des zihen Methosaltift hfodurch ait VerttaadwdHcfc 
etudiert hStte. Die Erziehungamittei mflssa« doch unxwetfolitaft item After 
des Ktades aagepasst aeta. Nicbtadeetovenifer 1st in nana ZetettJij Altar 
tbeoretischen Bftcber fiber ttnseren Gegenstaad bamer too Kfadem fan 
altgemeinen die Rede. Dte Verffesser Qbersehen voflkommen, dtits.ein 
Kind toa 6 — 6 Jahren ein ganz anderes Wesea iat $ ala eia kleiner Kn4be 
oder etn MBdchen von 10 Jahren; dass tm Alter too 14 Jahren die 
Jungen Individualitftten etne glnzlfcbe Urn- nod Neuforraraig dorcfaiDachea> 
and dass die Erzlehiings- Verfahren auf all dieaea verwbledenen Entwickiang** 
stolen der eu bildendeu Peraftnltehfceit doch unmSglich dieaelben bteiben 
fc&aaea* Der von dieaea Theoretikern ana Uakeantnle derate beolwcfatctea 
Eptvicklung dea Klnde* begangene Fetter tat ebenso gross and anbegrefflh^i, 
Trie der etaee Naturforscbers win, der die dutch das Alter bedlagtea 
Vetfadenwgea der Schlaiigenbaut dutch tlgltebe Beobachtungea eteer 
lebeodea Schlange initials dea Vergrftsserttngsg^aaee atndieraa vflftfe, aad 
dies wShrend der ganzen Lebensdaier seiner Schlange, ohne je ztt bamerfcen, 
daas ale In fedem Fr&hllng die Hani vottattadlg vechaelt. 

Haben wir die Works fiber musikaJlsche Erziehnng beaeitift, derea 
Verhsser nicht in der Lage warm, sicb selbst ana persftalichen Eifahntnfen 
za belehren, so gehen wir zwaiteae an die Auamenuag alt Jener BOotier, 
derea Antoren die Traditionen, das GewohnheitsgeiiUtae, das Hersebracbte 
derart verehrea, daaa Ihr BQcfc fBr daa Notwendlge dadurch getrtbt wiA 
All dteae Sklaven vorgeschriebener Unterrichtsprogramme, all dieae Lelse- 
treter, die sicb geschickt zwischen entgegengesetzten Meinungen durch- 
winden m5chten, ohne anzustossen, denen ibre Stellnng en boben Orta 
gefSrderteu, subventionierten, beruhrateo Anstalten Ketten und Maulkorb 
anlegt — ferner alle Nicht* Kunstler, alio, die nor das Mechanische des 
Uuterrichtes im Auge haben und ubernommene Formeln und Verfahren 
weitergeben — wir schliessen sie aus- 

Und haben wir drittens und letztens aucb die grauen Theoretiker 
ausge&chlossen, die nur aus der Tlefe fires von der Erfabrung ungekrflnkt 
gebliebenen Gemfites heraus Mcthoden konstruieren und nicbt durch Vor- 
fQhrucg eines einzigen von thntn gebildeten Zdglings den Beweis er- 
briogen kdunen, dass ihre Metboden auch praktiscb anwendbar sind, so 1st 
die Cheopspyramide musikalisch-pidagogischer Literatur zu einem klelnen, 
leicht iibersebbaren BucherbBuflein zusammengeschmolzen* Nur einige 
Werke sind geblieben — allerdings solche, deren Studium von ausser- 
ordentltchem Nutzen sein wird. Ausser Karl Storck, Chassevant, Gosset, 
Kunowsky, Albert Dresdner nur vereinzelte andere* Wenig genug — aber 
dieses wenige wurde genugt haben, venn die Theorieen und RatscblSge 






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288 

DIE fflUSIK V. II, 



sonst die Miuse tn sich einzunisten mid werdan fhs ganz nrinleren*; 
zwcitens: *E* let eine Schande, dafta wir kctn Piano baben; wenft KWn- 
ElBctaon Unterricht baben muss, kattft Pepa vielleicht elnes;" dritteos: 
v Dts Kind wird tlglich tmausstehltcher mit aeinen ewlgen Frsgm und 
seiner Lebhaftigkeft, man wird wenigsteus die Zeit fiber Italia baben* die 
es ata Piano zubringt;* viertcnt; .Die kleine Schmidt hat schon eiae 
Klavierlehrerin, da muss doeh Elschen such eine bekommen*" 

Vie man ateht, 1st bei all den angefBhrten Grfinden die Wee dcs 
masikaliftcben Unterricbts unlSsllch mlt dem Begriffa .Piano* astoxjiert, 
einem besaiteten Tasteninstrument, karz, tafellftrmig oder lang<hi welebem 
Falle ea auch Flfigel heisst), das ffrilber, als man manchmal piano nnd 
mancbmal forte datiraf m splelen pflegte, ^Pianoforte* geoaimt wnide nnd 
heutztttage kurzweg .Piano* heisst, well mas nnr mebr forte darauf spielt* 
Dor Gedanke* ihrem Kinde Violin-, F16ten- odor Violoncellunterricht geben 
ztt lessen* irird von d6n Eltera nnr denn geftatf, wenn ela Uteres 
Geachwlster bereits Klavier spieft; oder wenn Papa oder Mama es nocb 
nieht ganz auffeegeben baben und sich die Hoffnung fcfinftigen Zmammen* 
spiclens mh dem fr&hllchen Ntchwncbs macben; oder vena die grosse 
An&gabe znr Anscbaftnig eines Pianos sich von aelbet verbictetj oder warn 
dor eigobene Hansfreund nnd Musikfcenaer, der soehea etoein Bomben- 
erfblg Sarasatefa oder Poppers beigewohni bat, enistllcb zur YaM eines 
SaHeninstrninentes r8t Fallen derfd Enrlgungen nnd Sfnfiftsse weft so 
wird das Piano gewihlt, well Iflr oeuntrodneunzig nnter bnadert Lenten 
die Begrjffe .Musik* nnd .Piano* sich decken. Das Klavierspiel ist Mnsik, 
Musikmachen heisst Klavier&pielen* Sollen wir nns fiber diesen dem Piano 
gegebenen Vorzug vundern? Neinl Denn das Klavier ist ausser der 
Orgel, die hier nicbt in Betracbt kommen kann, das einzige Instrument, 
das vollst&ndige musikallsche EindrQcke vermittelt Es verhftlt sich 
znr Musik, wie eine Radierung oder mancbmal wie eine Photographic znr 
Natur. Es ISsst alle Hannonieen erklingen nnd gibt selbst verwickelte 
Polyphonieen annShernd wieder. Es genQgt sich selbst und ist das elgent- 
Iiche Musik -VerbreitungsmitteL Die Mutter baben vollkororoen recbt, 
ibren Kindern die Erlernung seiner Handhabung anznempfehlen. Aber sie 
begehen das Unrecht, das himmelscbreiende Unrecht, dlese Erlernnng 
beginnen zu lassen, ehe das Kind Musik kennt, begreift und liebt. Denn 
der theoretische Unterricht, den das Kind gleichzeitig oder ein, zweijahre 
frfiber erhSlt und mittels dessen dem armen Wurm in kondensierten 
Dosen das Wesen, die Grundprinzipien und die konventionelle Schreibweise 
einer Kunst eingetrichtert werdcn soil* von der es keine Ahnung hat — 
dieser theoretische Unterricht libit gar nicht in meinen Augen* Er ist 
aufgelegter Unsinnl Die ersten Worte* die das Kind sprechen Iernt, sind 



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299 

JAQUES-DALCROZE: KLAVIERUNTERRICHT 5E5|iil> 

e 
„Papa tt und „Mama a ; es lasst sie zu seinem Vergniigen oder aus Not- 

wendigkeit ertonen, weil es die Personen, deren Bezeichnung es ausspricht, 

kennt; es kennt sie, weil es sie oft sieht und Beziehungen zu ihnen 

empfindet. Aber es wiirde geradezu toricht erscheinen, von einem Kinde 

zu begehren, dass seine ersten Worte „Verwaltungsbehorde a oder „Steuer- 

freiheit" sein sollen. 1st es nicht ebenso lacherlich, ihm einige Jahre 

spater zu erklaren, was eine Synkope und was eine Appogiatur ist, ehe 

ihm Vorhalt und Vorschlag durch den praktischen Gebrauch vollkommen 

vertraut worden sind? Die musikalische Theorie ist das Studium der 

konventionellen Mitteilungszeichen der Musik, nicht das Studium der Musik 

selbst, und sollte eine Folge und nicht eine Voraussetzung bilden. 

So steht denn der von mir auszufiihrende Grundsatz aller her- 
gebrachten Auffassung der Sachlage schnurstracks entgegen. Er lautet: 
„Der Unterricht im Klavierspielen, d. h. im Handhaben des 
geeignetsten Werkzeugs, musikalische Eindriicke zu vermitteln, 
darf nicht eher beginnen, als bis das Kind in den Stand gesetzt 
worden ist, musikalische Eindriicke zu empfinden, bis es das 
Bediirfnis fuhlt, musikalische Empfindungen auszudriicken, bis 
es gelernt hat, diese Empfindungen zu analysieren und ver- 
standesgemass zu ordnen. Mit den Tonen und Tonverbindungen, die 
seine Finger mechanisch hervorzubringen abgerichtet werden sollen, mit 
diesen Tonen muss sein Ohr vorher vollkommen bekannt und vertraut 
worden sein. — Seine Finger sollen phrasieren, Tone musikalisch gebrauchen 
lernen — das Kind muss vorher sinngemass eine melodische Folge zer- 
gliedern konnen, Unterschiede in der Tonstarke kennen und wissen, wann 
und warum sie notwendig sind. — Mittels seiner Finger soil es Ubergange 
hervorbringen, Harmonieen entstehen lassen, mehrere Melodieen gleichzeitig 
zu Gehor bringen — das Kind soil vorher wissen, warum und wieso 
man die Tonart wechselt, was ein Akkord ist und was Polyphonie bedeutet. 
Seine Finger sollen Zeitmasse durch metrisches Betonen erkennen lassen 
— das Kind soil vorher die naturlichen Gesetze aller Metrik und Rhythmik 
verstehen und praktisch erprobt haben. — Seine Finger, seine Handgelenke 
sollen schliesslich bald beweglich, bald schwer, bald leicht, bald wuchtig, 
bald biegsam, bald kraftig sein — das Kind bedarf hiezu bestimmter 
Voriibungen, durch die seine Glieder trainiert worden sind, indem ihre 
naturlichen Fahigkeiten entwickelt und etwaige angeborene Mangel be- 
hoben wurden. 

Was ist der Inhalt der Stiicke, der Ubungen, der Etiiden, die man 
dem Kinde von der ersten Unterrichtsstunde an zu spielen gibt? Doch 
Musik, d. h. Melodieen, Harmonieen, Polyphonieen, Obergange, Nuancen, 
Phrasen, Rhythmen, Zeitmasse und schliesslich Fingergymnastik. Und was 



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( "r\r %nlr Original from 

v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



300 
MB MUSIK V. 11, 




weta daa Kind von all diesen zaitlroicftea und verscbiedeBe* Dtes*o, 
die all* ea gleichzettig herflcfcsichtigtta wrfl? Es miae ittebt* —* £**- 
nlchts von ihnra ale — Worte, Klaaafflkatioaeit, Zeiehenu Veil Xmifc 
hat es kelne blaase Ahnnng, ea kanu weder hftran noefa vwntliwm, voder 
wfoehmen nocfa analysiereu* Nicht einanl seine Finger dad geikOgend 
fttr die mechanischc Drfllung vcrbereiteti Und nntor diesen UmstJtaden 
soil ea mlt der abstraktesten alter Kfinate vertraut werden, aft der Kumt 
der viclfacben Nttancen, der nnbegrenzt zahlreichen VtintiUedetfbeiien iron 
immer neaen Kllngen and Fonaen, mlt feiier Kunst, von der die Welt 
einatiramfe behtttptet, daw ale wie keiae andera unmittelbar im Seeleaioben 
wnrzelt and ana Seelenleben jppclUert? Und das wild dem Ktnde so 
glattwog zegemutet, oftne dass dte Erwlgang dazwiscbeniritt, d«sa die Seele, 
die Muslk auffoses nnd wiedetgabea soil, vor allem Ofcren haben nunal 
Ea max *te» I» koniiacb klingen, aber — ach — ea entfa&lt all die achweren 
VorwSrfe, die Ich der mnalkalisch-planistiacben Erziehnng maohen muss* 
D&eae Erzieher denken ketnen Augenblkk damn, daaa man ea nicht tutter* 
nehmen kann» eine Lfteratttr m versieken mid ihre Verkft wiederzngoben, 
ehe roan die betnflbnde Sprache voilkommen kennt, die Bedetttttng ait 
Hirer Worte tad den ihr eigentflmlicftea an* Und daaa man, went dieae 
Spreche mualkaliach 1st, vor allem die Organ* besltzen muss, ale m wr- 
nehmen und wiederzqgAeu, ntmHch Ohron tmd Herracbaft fiber aeinc 
GUeder, Venn daa Qhr nnfthfg 1st, T6ae an Hum, wie aoll die Seaie 
ntnaikaliadie ElndrBcke erhalten? Vermittels dea Obrea werden KUnge 
kontrolliert, und die Wertnng von KISngen ist dte Grnndbcdingung aller 
musikalischen Bestrebungen* Wfirde durch Klavierunterricht das Ohr ent- 
wickelt, so wire nichts empfehlenswerter, als bertlts im zertesten Alter 
damit zu beginnen. Aber ich bin davon fiberzengt, dass das Piano nicht 
nnr nichts zur Verfeinerung des Gehdrsinna beitrlgt, sonde rn alien For t- 
schritt in dieser Bezlebung geradezn verhindert 



Auf dem Klaviere wird der Ton dadurch hervorgebracht, dass Himmer 
auf Saiten schlagon, sobald ein Hebelmechanismua sic dazu veranlasst, 
der durch das Niederdrficken einer Taste in Bewegong gesetzt wird* 
Nebenbei sel hier bemerkt, dass dies die Anftnger des Klavierspiels fast 
nie wissen und dass ihnen Jabre hindurch aowohl die innere Einrichtung 
ihres In&trumentes, als die Regain, nacb denen es zu atimmen ist, metst 
ebenso fremd bleiben t wie die Meister, deren Werke sie muhsam ein* 
lernen. Ich babe mich davon flberzeugt, dass eine sebr grosae Anzahl 
Klaviersch&ler gar nichts aus dem Leben und Wirken Bachs } Haydns, 
Mozarts, Beetbovens, Schumanns, Chopin's und selbst Liszts wissen, dessen 



■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



301 
JAQUES-DALCROZE: fc KLAVIERUNTERRICHT 

Kompositionen sie auswendig gelernt haben. — Aber kehren wir zu unserm 
Gegenstande zuriick: ob auf die den A-Saiten entsprechende Taste irgend 
ein kleiner schwerer Gegenstand fallt, ob der Hauskater Hidigeigei iiber 
sie hinwegschreitet, ob das Stubenmadchen mit dem Abwischtuch driiber 
fahrt oder ob unsre kleine blonde Elsa beim Klavierunterricht mit ihrem 
rosigen Fingerchen darauf driickt — der Erfolg ist in alien Fallen ein und 
derselbe: es erklingt der Ton A. Mit demselben Recht, wie das geschickte 
Elschen, konnen der heruntergefallene Gegenstand, das Stubenmadchen 
und der Kater ausrufen : „Auch ich — ich spiele Klavier. 44 Aber keine 
einzige dieser sonst sehr interessanten Personlichkeiten, und auch Klein- 
Elschen nicht, kann behaupten : „Ich bin musikalisch", wenn sie nicht die 
Tonhohe des vernommenen Klanges abzuschatzen versteht und mit Uber- 
zeugung auszurufen imstande ist: „Das ist ein A a , ohne gesehen zu haben, 
dass jene Taste bewegt worden ist, die mit diesem Tone korrespondiert. 
Elschen (oder die Katze) konnen die Taste 50000 Mai nacheinander nieder- 
driicken, stark oder schwach, leicht oder wuchtig, sie werden dadurch 
musikalisch ebenso wenig gefordert werden, als jemand literarische 
Fortschritte dadurch macht, dass er an einer Schreibmaschine wiederholt 
die dem Buchstaben A entsprechende Taste niederdriickt. Die Hervor- 
bringung des Tones auf einem Piano ist von den Gehorsfahigkeiten ganz 
und gar unabhangig. Die Hand gewohnt sich ortlich vollkommen auf der 
Klaviatur ein, die Entfernungen der Tasten, die den grosseren Intervallen 
entsprechenden Spriinge werden ihr vollstandig vertraut; die Finger lernen 
gewohnheitsgemass jene Tasten zu stossen, die mit den auf dem Noten- 
papier bezeichneten Tonen korrespondieren ; der Geist erhalt nach und 
nach eine derartige Gewohnheit zu analysieren, und der Anschlag kann 
es bis zu solchen Wundern der Verfeinerung und der Differenzierung der 
Tastempfindung bringen, dass der Spieler geschlossenen Auges die Tone 
benennen kann, iiber die seine Finger in rasender Eile hinweggleiten, in- 
dem er in Gedanken ihren Weg auf der Klaviatur verfolgt. Aber ich 
wiederhole es — das Ohr hat mit der Wertung der Tone gar nichts zu 
tun, es fasst lediglich den Ton auf, zu dessen Bildung es in keinerlei 
Weise beigetragen hat, und ebensowenig kontrolliert es diesen ihm fix und 
fertig gebotenen Ton auf seine Richtigkeit. Der Ton wird mechanisch 
mittels eines Fingerdrucks hervorgebracht, die einzige Kontrolle iiber 
seine Stellung in der Tonleiter erfolgt vorerst durch das Auge und 
nachher durch den Tastsinn; das ganz ausser Spiel bleibende Ohr 
wird hierdurch dermassen faul, dass jemand, der ausser seinen Klavier- 
studien keine Horiibungen macht, verurteilt ist, nach 20 Jahren Klavier- 
spielens musikalisch ebenso schlecht zu horen, als nach den ersten zwei 
Monaten seines Unterrichtes. 



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[j:: r :i/t:::i :y. ^ilKJ^K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



302 
DIB MUSIX V, 11. 




Es onterliegt keinem Zweifel, din die Tonbildung itff efatem Seken- 
Instromeat das Obr mehr In Tltigkeit aetzt, «bn«in KteWcr der Pdl 
tit. Aucfc wlrd durch die Bewegnngen des bogcnfBhrenden Anncs mlf 
mehr ala durch du Fallenliftsen d» gehobcaen Fingers der Aytbmisehe 
Stan geweckt nitd enhrickelt, sber die Links gewSbnt rick so sefenell a 
die notwendigen Ortsverilnderiingett* and die Finger lemon so hdd jetton 
Punkt suf den Stiten linden, nf den fife zar Hervorbringang dw go* 
sucfaten Tones drftcken mflssen, diss — tdlerdlqgs in gevtsser Afescbwicbufig 
— illc Bemerkungen, die ich im Folgenden za mscben habea werde, deb 
ebenso tuf die Erlernaug eine* Saiteuinstrttmentes, lit wf die des Kbnrier- 
spieles beriehea. 

Der OehSnbtn km* stcta nor dutn entwfekein, wenn dem Ohre 
elne Anstrengung beim Unterscbetden der T5ne von ejmnder zageamtet 
virdf and wenn mm es daza tringt, alletn — d. h. obne ifgmdweldie 
Beifailfe des Geslcbts oder dee Taatatonet — die Gritate des IntemUes 
zwitcnen einem gegebenen and einem erktingend^i Ton zu bsstunmoo* 
Bet der firternang d« Klivierspieles wird diese Anstreagpag nto erfo i dorii tib, 
nocb wird die UrteUskraft des Individaums in bezag *uf die Abschftxang 
von TaabObe^DiiUnun in Ansprach gpnemmen. Fftr den GebSrrinn tat 
nick to ra holen* Mi iriederbotor nlehts, nod bin bereft* jeden Attgen- 
blick den Bevels anxatreten, diss, wenn von 10 KUvierspieleni zwiscbea 
17 and 20 Jabren, die Beethoven und Chopin nfcht nar technisch bewlltigen, 
sondern nacb Ausssge lb»r sentimentalen Mfitter each mit ^GefBht* 
spielen, zwei, ohne binzublicken, die von einem andern Klavierspieler 
bervorgebrachten T6ne za benennen wissen, sie dies der ziemlich seltenen 
Gibe ingeborenen absoluten GebQrs verdanken, die sie Instinktiv Jedem 
gehSrten Ton seinen Plitz in der Tonleiter anzuweisen beflhign Un- 
ansgebildet verleiht diese Naturgibe dem Begunsdgten nur geringe Vorteile, 
wird sie aber mit Hilfe geeigneter Obuugeo entwlckelt, so kann sie geradezn 
an Wonder grenzende Ergebnlsse liefern* Icb habe in dieser Beziehung 
eine kleine persdnlicfae Statistik unter meinen ZSglingen gemacbt und g£~ 
fanden, diss etwa sechs von hundert mgeborencs absolutes Gehftr besitzen. 
Nan ist diese beneidenswerte naturliche FBbigkelt des Gehdrsinns verurteilt 
zu verkfimmern, sich von Tag zu Tag zu vennindern, von der Stands in, 
in der diese Bevorzagten Klaviemnterricht nehmen. Denn ihre Fihigkeiten 
bleiben mangels aller Obungen bracb liegen und fedes pbysiscbe Vermdgen, 
das wBbrend der Zeit des Wachstums des Individuums nicht Gelegenbeit 
erhSIt, sich zu betitigen, wird in seiner Entwicklung behindert Das fur 
kSrperlicbe Obungen, Tanz, Lauf, Wurf, Sprang bestbeanlagte Kind muss 
an Kraft und Gescbmeidigkeit dnbussen, wenn es wShrend des ganzen 
Tages auf dem Sofa liegt, oder nie anders als im Automobil an die 



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303 

JAQUES-DALCROZE: KLAVIERUNTERRICHT 

frische Luft kommt. Und Klavieriibungen sind so recht dazu geschaffen, 
die Faulheit und die Unwilligkeit des Gehorsinns grosszuziehen. Wo doch 
in der Musik alles — alles vom Ohre abhangt! Wenn der Zogling einen 
Ton von einem andern nicht zu unterscheiden weiss — und ich versichere 
ohne Furcht widerlegt zu werden, dass von 100 meist Klavier spielenden 
Kindern, die in die Solfegeklassen eintreten, mindestens 90 es nicht merken, 
wenn die Tonart eines vorgespielten Stuckes wechselt — wenn der Zogling 
die Tone nicht voneinander unterscheiden kann, so ist er verurteilt, sein 
ganzes Leben weder das Geringste selbst schaffen zu konnen, noch je zum 
Transponieren einer Melodie auf dem Piano fahig zu sein, denn alle Melodie 
besteht in einer Aufeinanderfolge von Ton en, und um schaffen und trans- 
ponieren zu konnen, muss man jeden Einzelton durch das Ohr wahr- 
nehmen. Wer dies nicht imstande ist, wird in jedem Moment, wo den 
Fingern das GedMchtnis ausgeht, auf dem Klaviere stecken bleiben; sein 
Mangel an Gehor macht es ihm unmoglich, Akkorde und Harmonieen zu 
behalten und im Gedanken zu rekonstruieren, um dann mit den Fingern 
die Tone zu bringen, welche die harmonische Begleitung zur Melodie 
bilden. Nie kann er dazu kommen, polyphone Werke zu erfassen und 
gehorig wiederzugeben, denn da sein Mangel an Gehor ihn bereits 
verhindert, eine melodische Linie zu verfolgen, kann von der Auffassung 
mehrerer gleichzeitig erklingender, verschiedener Melodieen absolut nicht 
die Rede sein. Auch seine Technik muss notgedrungenerweise mangelhaft 
bleiben, denn die Kunst des Nuancierens und der Anschlag hangen von 
der Feinheit des Gehors ab. Dieses bildet das einzige Mittel zur wirk- 
samen Kontrolle der unendlich zahlreichen Verschiedenheiten in der Art 
den Ton hervorzubringen, und die so schwierige Kunst, die verschiedensten 
Anschlagweisen bei der Interpretation eines Musikstuckes stilgerecht zu 
kombinieren, muss ihm terra incognita bleiben, wenn sein Gehorsinn 
nicht unmittelbar die Finger beeinflusst, wenn zwischen Absicht und Aus- 
fiihrung nicht unmittelbarste, innigste und schnellste Assoziation besteht, 
durch die allein die gewollte kunstlerische Wirkung erreicht werden kann. 
Wie zahlreiche Klavierspieler zucken die Achseln und brechen in 
geringschatzendes Hohngelachter aus, wenn man vor ihnen von der Pianola 
sprichtl Aber ist denn das ewige Skalengeklopfe mit den Fingern auf der 
Klaviatur musikalischer oder kiinstlerischer als das mechanische Hervor- 
bringen von Tonen mittels der Pianola? Sind Mechanismus und Mechanik 
nicht im Grunde eins und dasselbe, wenn das mechanische Erklingenlassen 
von Tonen als Zweck und nicht als Ausdrucksmittel angesehen wird? 
Haben die Klavierstudien, wie sie derzeit allenthalben betrieben werden, 
eingestandenermassen einen anderen Zweck, als den Mechanismus zu ver- 
bessern? Werden zu den Stucken, die bei Priifungen oder Zoglings- 



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MS M08IK V, tU 




produktionen vorgeffihrt werden* Je andere gewttk *J* mtt% 
heit wtr BntSkltttag v<m Gelloflgfceit geben? Nle wiwl 
Programme* Stftcke flnden, tnlt denen der Scfafiler 
Slim, seinen Gesohmack, setae Stflkenntnis o0Mmi 
Scbumsnnschen Jngendblltter* die Bagatelles Beethovens^ die .Rfl tt iri Mw i 
tutd gttragenen Noktttrnen Chopin's gelten ttr eolctie QeJeftrttfariioii ife 
zu leicht! Haydn und Mozart werden nur jnebr von Sttigling6a gosplDltj 
dean da gjtot es schon gar kelne MS^fchkett, mlt Virtnoftitlt m gjttbvnl 
Und dieie blldet Pol and Leitetern des guun Uaierrio&tifffegrMnmee, 
aicta Pfrrasiening und StH frtgt fcetn Henoch, Han bestn&t skfe* 4§e 
Klaviora^tfnge an ill den Kanstttfteken abxurlcbfea, dtemn Yen Kencwt" 
gebera zn hflren gewOhnt 1st — ober man veriangt tod Omen nkfefc dees 
tie modulleren Oder trnnspanieren kSnnen oder does «fe eeftatlndfe dee 
geforderten Rhyttimus, die sfongemlssen Nnancen, die stilgwochte Phrtolening 
mneheit, ohno dan Notenheft vor rich zn hnben — das Notenlieft, in feat 
rile* notiert, marklert, dwch Zeicheu angedentet ist — genan wle *nf 
der Ptanola~Walze — die Tempi, die Tonstlrfcen, die Atempewm — 
fcorz alles, woe tin better Z$gHng ohne Bdhiffe ftnaftthien eoffie und 
anch kdnute, afles, was im wirkliehen Shine dee Wort* a* der SaOtt 
musifcaliscb let — mit einem Wort: alios Kttnetl erf echo, 

Der Sinn fBr das SchSne kann tansendmal als Kefan ha Kind* vnv 
honden sein, er wird sich unkSglich entwickeln, wean man eft nicht das 

SchSne In alt seinen Fonnen tind Gestaltungen kennen lehrt, wenn es 
nicht lernt, seine VerhSltnisse zu inalysieren, sein Weson zu begrelfen 
tind slch von ihm durchdringen zu las&en. — Das Kind liebt nur, was es 
gut kennt; die ersten Regungen der Liebe emp&ndet es fflr seine Mutter, 
und diese Zuneigung entwickelt sich in dem Masse, als es seine Mutter 
besser kennen und ihre unbegrenzte Liebo und zirtliche Sorgfalt wurdigen 
lernt. Wie es seine Mutter liebt, weil es sle kennt — so wird es jedes 
Element des SchSnen wfintfgen lernen, mit dem man es langsam vertraut 
machen, dessen Eigenarten man ihm aufdecken wird, wenn man ihm 
grQndllch auf seine Frsge; warum? zu antworten bestrebt sein wird. — 
Wenn es die Kun&t Skalen zu spieled auszuQben beginnt, liebt es da das 
Klavier als solches? Kelneswegs, sondern urn der Musik willen, die man 
vermittelst des Klavlers machen kann, um der bezauberaden T8ne willen, 
die von anderen darauf hervorgebracht wurden und die es auch hervor- 
zubringen imstande sein mfichte. Man setzt endlich das Kleine vor den 
immensen Kasten voll Wobllaut und nun geht's an. Aber was? Skalen, 
Daumenuntersetzeo, FingerubungenI Von Musik erflhrt es nur dasjenige, 
was auf die Finger Bezug bat; findet es die Obungen langweilig, so sagt 



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305 
JAQUES-DALCROZE: KLAV1ERUNTERRICHT 



man ihm: das tut nichts, das ist gut fur dich! Und wenn es fragt, warum 
man das Zeug als wohltatig betrachtet, so antwortet man: das wirst du 
spater schon einmal einsehen ! Wenn es die Kalkbrennerschen Etiiden 
fiir hasslich erklart, vertrostet man es und spricht: spater wirst du 
schonere Musik spielen diirfen! — Wenn es sich erkundigt, warum es in 
einem gegebenen Augenblick forte spielen oder im Zeitmass zuriickhalten 
soil, so heisst es: das wirst du spater schon selbst empfinden! Wenn es 
der singenden Polyphonie Bachs ratios gegeniibersteht, sagt man ihm: du 
wirst das spater schon verstehen! — Immer spater, spater, spater, man 
meint damit: wenn du Chopin und Liszt spielen wirst und die jetzt zu 
erlernende Technik deiner Seele Schwingen verliehen haben wird; spater, 
wenn alle ausseren Eindriicke ihre Frische fiir dich eingebiisst haben und 
deine Begeisterung nicht mehr aufloht; spater, wenn deinem Gehorsinn 
jede Moglichkeit der Entwicklung abgeschnitten sein wird; spater, wenn 
andere Beschaftigungen dir keine Zeit mehr lassen, die Elemente des 
musikalisch Schonen in dich aufzunehmen; spater, spater . . . Ach, aus 
diesem ewigen „spater a wird ein trauriges, unwiderrufliches „Zu spat"! 
O Mutter, Mutter, wann werdet ihr einsehen, dass ihr euren Kindern 
sagen musset: Gleich! Sofort! Augenblicklich! 



Zweifellos lieben Sie Ihre Kinder, meine Damen, und wollen nur 
ihr Bestes. Auf die Gefahr hin, Ihnen Schmerz zu bereiten, bin ich 
gezwungen, Ihnen zu sagen, dass Sie die Kleinen nicht nur nicht fordern, 
sondern ihnen geradezu iibles zufiigen. So manche unter Ihnen klagt: 
ach wie traurig; meine Kinder machen sich gar nichts aus der Musik, sie 
wollen keine Skalen spielen ! . . . Seien Sie uberzeugt, dass Ihre Kinder 
im Gegenteil die Musik lieben und dass sie nur die Skalen verabscheuen, 
weil sie keine Ahnung haben, wozu sie dieses Drillen fiihren soil. Ja — 
werden Sie erwidern — die kleine Miiller spielt aber doch von friih bis 
abends mit Begeisterung Skalen, das ist doch ein Zeichen, dass sie Sinn 
fiir Musik hat! O, nein, verehrte Frau, die kleine Miiller will nichts 
anderes als ihre Freundin Schulze im Skalenspielen erreichen oder wo- 
moglich iibertreffen. Von Liebe zur Musik ist hierbei nicht im mindesten 
die Rede, hier kommt nur der von den Eltern angestachelte, im Kinde so 
friih entwickelbare Instinkt des Wetteiferns zum Ausdruck. Und die kleine 
Schulze? Die konnte ja gar nicht eifrig stundenlang Skalen spielen, wenn 
sie nicht schrecklich tragen Geistes ware und sich in der am Piano zu- 
gebrachten Zeit deshalb gliicklich fiihlt, weil ihr da nicht zugemutet 
wird, zu denken. — Ihr Kind wird die Skalen von dem Augenblick an 
nicht mehr hassen, in dem es wissen wird, dass jede von ihnen sich von 
den andern unterscheidet, der vollstandige Ausdruck einer bestimmten 



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306 
DIBMDSIK V.IU 




Tooart iat; eobald sein Lehrer, nacbdem ea die As-dur Skala ketaen gelerat 
hat, ea veranlaaat habcn wird# .Freut Euch dee LebMs* in dieaer Tenart 
zn spielen und dann in einer andern. — Vleaen Sie indue Xiamen mid 
Skatenanbeterinnen, daae, wenn der Lebrer seinen Klarfetzfiglingen due 
Skala vorspiett, deren Firigeraatz sie alle aoawendig turf inwendfg wiaaea, 
keiner von thnen erratan wird, welche Skala er eben gebfirt bet? Vbm 
Sie, daaa von den handert beaten Klavierbelliaienen dues Konservatorluma 
kanm einer imstande iat, die T5ne eincr MoUtooleiter — nlcftt zu spielen 
— aim rlcbtfg aufcurfhien? Vie fcttnncn Sie verfangen, daw Ifae 
Kinder* die die Skalen so achlecht kennen, ale mit Vergftflgea spielen 
aollen? Der Ktarieranterricht vergewaltigt alle IndMdnalitit mid unter- 
drBckt jedea » Varum?* Er iat daa AnHpUago^echette, was ea gefaen 
fcaan. Demi die Atxfgabe dm Pftdagogen iat ea, die Kinder za lebren, 
Perednlicbkeiten sen bleiben. In geistiger Massage hat er fhre jmgp 
Seele an kneten, ihre usentwickelte Beobachtungsgabe za reizen; damit 
daa Bedfirfiota daa * Varum* der Ding* zu crfabren inuner lebendiger 
verde, muss er jede Frage beentworten nnd znr AttfeteUnng nener an- 
etacbdn. Aber daa Klavierfiben macbt ana treier Tttigkeit mascbineHe 
Arbeit; der Scfafiler abort inch, wiederbolt und verlernt ea bald vtrilfttlndlg, 
lrgendwelche Erklirungen za verbragen. Venn eln etwaa gevfaaanbafter 
Schnlinapektor die MuaiktbgUnge nach der Bedentong gewiaaer italieniscber 
AitadrBeke befragt, die sie tfigHcta In Ihren Notenheften zn aehen gewohnt 
aind, wie etrlngendo, calando oder andere, so mnaa die Mebrzahl der 
Schiller gestehen* dass aie nicht wissen, was diese Worte heissen sollen. 
Icb h5re, wie zahlreiche Klavieriehrer and -lehrerinnen bier elnwerfen 
werden: B Wir wfirden gewiss gerne all dlese Erklirungen gebeo, aber — 
wir taaben keine Zeit dazu. Vir roussen ein gegebenes Programm erfullen* 
Die El tern der Z5glinge sind uns auf der Ferae; aie wollen sehnellste 
Ergebnisse des Ucterrichts sehen. Kaum kSnnen vir das rein Technische 
so bebandeln* wie wir gerae mdchtenl* — .Allerdings*, babe icb bierauf 
zu erwidern, .feblt euch, liebe Freonde und Kollegen, die Zeit, nnd kein 
Mensch ? weder Elteni nocb ZSgNnge, noch nSrgelnde Umsttirzler haben 
das Recbt, eucb den geringsten Vorwurf zu macben. Ibr leistet, was roan 
von eucb begehrt, und es iat euch tatsScbllcb unmdglicta, mebr zu leisten. 
Gewiss empflodet ibr das Bediirfnis, die musikaliscben F&higkeiten des 
eucb anvertrauten Kindes zu entwickeln — aber man lasst eucb nur die 
Zeit, seine Finger zu exerziereo. Euch triffit keine Schuld, ibr seid — 
wie eure ZBgiinge — nur Mfirtyrer der Routine, des furchtbarsten aller 
Gotzen t der Herrin der Welt, der Tyrannin des Mcnscben; der Routine, 
die zerstSrt, iadera sie zu bauen vorgibt — die unter dem Vorwande, das 
Altehrwurdige hochzuhalten, dem Neuen und Dringenden den Weg ver- 



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307 

JAQUES-DALCROZE: KLAYIERUNTERRICHT 



sperrt — die zu ordnen glaubt, aber nur schabloniert — die Emingenes 
bewahren will, aber es mumiflziert und versteinert. Nein, neln, ihr seid 
scbuldlos und ihr werdet mir gewiss beistimmen* wenn icb euch, wie den 
verehrten Herrn El tern, Onkeln und Tan ten der kleinen Zukunftspianisten 
zurufe: Damit die Kinder Musiker werden, ist es odtig, ihren Klavier- 
studien elnen mindestens funf- bis sechsjahrigen Unterricbt vorausgehen 
zu lassen, der rein musikaliscbe Unterweisungen, Obungen im Singen, 
HSren, Urteilen zum Gegenstand bat, Femer Obungen der Anne, H&nde, 
Ftlsse, Beine, des Kopfes wie der Finger; Ubungen, durch welche die 
pbysiscben und getstigen FBhigkeiten in Hinblick auf das zu erreicbende 
Ziel entwickelt werden, das in der vollstfndigen Kenntnis der Musifc und 
ibrer Elemente besteht. Erst nacbdem die Kinder dieses Ziel erreicbt 
haben — erst dann sollen sie mit dem Erlemen des Klaviersplelena 
beginnen — und Sie sollen sehen, meine Dainen und Herren* was dann 
erzielt werden kannl* 

Schluss foJgt 




Cookie 



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vr 

gCTAltig der Erfolg dor „ Ariadne* und *Medea* geweeen, so 
konnten tech fataer ffihlenden Beolwdttem die boidoa Hwpt* 
schwlcben dinar zttnlchst epocbemmchendon Werke ntatot out* 
getaen : die Et&fBnnjtfwit dee monotogiachen Aufbaua {der flbri*«ft, 
wio wir nodi sehen warden, vim den Nachahmera Ms xnr Unertriglichkeit 
gpstrigort wnrde) and die fotbetiscbe AnfecfatbmrkeEt dor Verbindang von 
gpsprochenem Tort and Instramentmlmtitik. Ober den oaten Pttnfct, fiber 
den ein Zweifel far nieht in&glich tot, iroUen vtfr fc&ner hlnveggeben, an 
dnf&r deeto linger bel dor auch hente noch hfchst latcffeeetnten rwofteti 
Frige m verweUen* 

VorwhUge so einer Reformation der Gnttmtg gtngen mnentilcli von 
zwel MInnern ans: Job. Friedr, S chink 1 ) and Job* Carl Wetzel* 1 ) 

w lcb dacbte fiber dae Wnen de* muBikiHacben Duodrama mch% aagt Sctaink, 
^Qbcrlegte, wle man'e nocb rlcbtiger und intereaaanter machen kfinnte, studierte und 
foracbte, wu auh Theater wirkt imd nicbt wirkt usw n tab » . ., dasa die achSnate 
muaikallscbe Poesie, aelbst von einem Bend* komponiert, auf der BSbne nicbta tat, 
wean tie nicbt von Handlnng untentQtzt wlrd* So entwarf icb Pllne, to entatandeu 
melne Duodramen fQr Herrn Berger 1 ) Ariadne auf Naioa wlrd Immer ein aebr 
acbitzbarea Monodram blelben, aber Muster fBr daa Duodrama darf dieae Ariadne 
acblecbterdinga nicbt seln. Ba bat Wander getan, denn wer kann Bendaa Ziuberelen 
widerstehen? Aber trotz der Erfoige, die die era ten Scbauspielerinnen in dieser Rolle 
erzielten, 1st Ariadne doch nicht, wu tie aeln kfinnte. Sie lat offeobu- mehr Kanute 
aia Drama. Herri iche muBlkalJache Bllder, scb5no Tiraden aind thro vonttgHcluten 
Scbfinboiten . . . Feld gonug fiir den Musikus, der fQra Wort arbeitet, aber nicbt to 

'} Gotbaiecher Tbeaterkalender 1778 S. 60 ff. B 0ber daa mualkaHacke Duodrama 
rait und ohne Geaang," Ober aelne Person babe icb set on geaprocben. 

■) Vorrede zu ,ZeImor und Ermlde* (Leipzig bei Dyk 1779 erst anonym, apiter 
ala Anhang im 3. Band seiner Luctspiele abgedruckt). Ober ibn vgl. Gerber (Neuei 
Lexikon der Tonkunst IV), 

*) Es lat unklar, welcher Komponlst dimit gemelnt tat Mir aind keine von 
einem Komponiaten dieses Nimens geacbrlebenen Duodramen bekannt, dagegen wurde 
Schinka Jncle und Yiriko" yon Ruat komponiert* 



Cookie 



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309 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

fur den Tfaeaterkomponisten; der muss etwas mehr haben als Bilder, die von etwas 
metar als Empfindung unterstutzt werden. Ariadne hat den Hauptfehler\ dass zu viel 
darin gesprochen, aber desto weniger darin gehandelt wird. u 

Nun skizziert Schink eine neue Ariadne in zwei Akten, die — bei 
wirklich poetischer Ausfiihrung — tatsachlich an dramatischer Schlagkraft 
hoch iiber der Brandesschen stehen miisste. „Ich werde Ariadne und 
Theseus nicht nach einander handeln, nicht jedes fur sich schwatzen lassen", 
meint Schink. Auf die Details dieser Skizze kann hier jedoch nicht 
nfiher eingegangen werden; ich will nur bemerken, dass der Konflikt des 
Theseus zwischen Liebe und Pflicht hier wirklich tragisch wird und der Held 
nicht mehr als elender Schwachling, wie wir ihn auch in der Parodie ver- 
spottet sahen, erscheint. „\Veitere Grenzen, grosseren Plan, umfassendes 
Interesse, folglich auch eine ganz andere Behandlung 44 fordert er schliess- 
lich fiir das akkompagnierte Drama. Die ausserst interessanten Ausfiihrungen 
Schinks iiber „das Duodrama mit Gesang" wiederzugeben, muss ich mir — 
als zu weit fuhrend — versagen. Nur auf seine allgemeinen, hochst be- 
deutsamen, an Herdersche Gedanken erinnernden Bemerkungen mochte 
ich noch hinweisen, wenn es z. B. heisst: 

„Ich sage, dass Schauspielkunst, Poesie, Malerei und Tonkunst alien ihren 
Zauber in eins kolportieren [sic] konnen, und wer dem noch widersteben kann oder wer 
da noch zu sagen vermag: ,das ist nichts', dem mag es Gott verzeihen . . . Der herr- 
lichste Dialog, von der vonreffiichsten Musik begleitet, wirkt ermudend, wenn ihn 
nicht Handlung begleitet." 

Dann macht er sich noch iiber den schablonenhaften Aufbau der Arien 
lustig und nennt die Koloraturen und Bravourarien Ohrenkitzel — ganz im 
Sinne Glucks, der bekanntlich auch schon zahlreiche Vorganger darin 
gehabt hat. 

Zum Schluss sagt Schink: 

„Das Publikum glaubt, jedes Duodrama muss wie Ariadne aussehen, den Ton 
und den Stil der Ariadne haben. Aber wahrhaftig, das heisst doch dem Genre grosse 
Fesseln anlegen. Das Duodrama hat so gut seine verschiedenen Seiten wie das grosse 
Drama. Es kann komisch und tragisch, empfindsam und lacherlich behandelt werden." 

Schink hat denn auch tatsachlich ein komisches Duodrama verfasst 
und zwar ein „Doktor Faust" betiteltes Werk, das ich der Merk- 
wiirdigkeit halber doch erwahnen will, da es uns auf Goethes damals noch 
nicht publiziertes Werk, von dem Schink gehort haben mochte, hinweist. 
Schink hat es im Gothaer Theater journal 1778 1 ) (Goethes Faustfragment 
erschien Ostern 1790, und damals war erst das jetzt als „Ur- Faust" 
bezeichnete Werk vorhanden) publiziert und mit einer Vorrede begleitet: 

„Liesse sich das musikalische Drama nicht auch komisch behandeln? Ich sollte 
denken, und habe auch schon ein paar Versuche gemacht. Von einem derselben teile 



J ) 2. St. S. 18ff. 

V. 11. 21 



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dlfl 




DIEMOSUt V/tfc 




kb bteff 4m Aaasaf Mtat eta pur Saanea atft Be fit der Bettor Kane! Dace 6le 
iter kftoea Ftott m dar Ait<enwtee, wie Utn Leeetag* Geetbe Bed tiller MBtor 
beafbeftetea* Ztt rim eoUfcen hab teh atoht die Krtftc Mate F«et hOM alekia 
aota ala due WaJaaaterie, efa Dtet to hehea niacb?, and dte erete Aa atttrap g der 
Grille, daa meefltaUacbe Daedrama fcomiach xe Wbandtte* Fwate M pantoyl eeUea 
lin GeKhmack der Ariadne m mneOceUjchea Zwiaohemfeeeft ta^ftittit varies Sow* 
hib kft*e nodi mlt Ariee, Dttettftft aad CMrtD Tenfitallt* 

In dieaem Werkcbea wird Pant Ala eina Art magtscfcen Don Qtri»to 
gereicbnct, der von eSoeni Uebeadcn Weib, das ita fat eflariel fpjsterbaften 
VcrUeidtmgeii sum beaten MUt, acfclkftdlidi von seiner Nurhdt t^teOt 
wH. Daa Spiel 1st dnfoham nfebt enbedetttend und fibenwcfct vidfech 
dnrch Anklinge an Goetbea Faust, die vieUdcbt each awl dio gemefn-> 
same Quelle dea Pnppfe&aptoia nrfickgehen* Die Goegfe&recfoer aollim 
steh dieaea Schlnkachea Fetift JedonWla nlefct eatgefaen taaaeit, Eloen 
Kompoaiaten schefnt er nicht gefundes zn habeiL 

Den VorscbHgen ScWnka verwendt Bind die Wetzel a, der tiwlicb 
♦ie dleaer anatiilirt: 

* Aft ich das Mate Hatodtama gesefaeei tutd ntir trett der Bevandefeag^ dto safr 
dla wtref Itehe Haalk Sbn&Ugte, das laagveffljp, etafitaaigp der Gattang nieht 
bargee konnte, eafataod la mlr d«r BtaWl, tou dtescr Veibfednng der 
Datieaatton and der Mtutfk etne Amrendttog aa niaeben, die metor Abvedulnag lb 
die Shine trad EtebUdunftfaaft atilteae*, ah ahi abutter bilbetitodfger Meaotofr 
Mnalfc eollte mlr ebenfalla alchta mehr fir dat Ghr eela, ala waa Defco- 
ratloa dem A age lat ■— Mittel, dae Blld, welches die Werte dee Dtehters 
darch dan S ah anap Later la der Etnblldnng akraft erweefcea, mehr xa ver- 
slnniichen ond tuF die Empfiadang dea GfilUteu dnrch dea Beltrttt dee Obn win* 
wErkender zu micheD. 1 ) DIete Wirkuog der Muslfc in was notwendig fwchwicht 
wtrden, wenn eie tinflafhArlkb die Torte dee Schiueplelera begleitet; |e linger ee 
dftuert, je mebr wird tie zu blouea Tfinen, mlt welchen der Kompooiat dem Dichter inn 
Tort flllt^ ^Arfltdae 4 kern inir d*miJ», lis Ich eie turn ersteamil tab, ¥or t wie 
wena mlr jemtad ein Eplgrarom too zwei Oktavieiten vorllie and tin dritter eo vtele 
ErUuternngen and Ausbildungen der etnzetnen Ideen dtxwischtn icbwatzte, d*«e ich 
die Spltze erai in elaer htlben Stnnde erfilbre , , , Ee scbien mlr da nlchu not- 
wendiger, tie date man, am die Knft dee Mlttels nlcbt zu schwfeben, eeinen Gebrauch 
eioBcbrlnken mfiaee* Ich zelcbnete alao folgende Stutenantermcbiede aai: 

L ProtaJecbe Rede obne Musi It — ale gehfirt fur dea Dielog, ffir Erilblang und 

f3r uatergeordaete Empflndung. 

] } Mueik ale Alitte! nicht ela Zweck dea mualkalischen Dramaa — werdlchte 
da nicht an Vagnera bekannten Auaapruch in H Oper und Drama 1 *! In B N. Blbl. d. 
scb. Wisaenachaften* 1788 S, 177ff. aind Gbiigena fSr daa akkompagnierte Drama Ibn* 
Mcbe Forderungen aufgestellL 

*) Damit bat Weuel, ohne es Jedoch acharf genug auazuvprechen, die Heupt- 
achwlcbe der Bendaschen Bebaadlungawelae gegenfiber Rouiseau'a Verfahren dar* 
gelegf. Auaserdem bltte er betonen sollen, dais dies eben aur beim rexltlcrtcn 
akkompagnierten Drama ao 1st, im geanngenen dagegeo, daa den lnatru mental part 
ala zusammenbingendes Ganzea bietet, Dlcbtung und Mualk sich organlach ver* 
acta me lien. Tir werdero dleaem Geatcbtapunkt bald bei Eberhard begegnen. 



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311 

ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



II. Prosaische Rede mit solcher Musik, wie sie das obligate Rezitativ hat 1 ) — sie 
gehort fur den Monolog, wo die Empfindung in dem herrschenden Tone bleibt, 
auf welchen sie durch das ganze Stuck gestimmt ist, oder ibn nur einige Grade 
ubersteigt — Gberhaupt fur die Hauptempfindung und fur Nebenempfindung, 
wo sie jene heben soil. 

III. Versifizierte Rede, gesungen und begleitet, wie das bisherige leidenschaftliche 
(oder, wie es andere nennen: deklamierte) Rezitativ. Sie bat statt, wenn die 
Empfindung einen sehr starken Grad fiber den herrschenden Ton steigt. 

IV. Versifizierte Rede, Gesang und Begleitung, also Arie — im aussersten Ausdruck 
der Empfindung: doch musste nach meinem Gefuhle so eine Arie nichts als 
blosser melodischer Ausdruck der Worte sein, ohne Kadenzenund 
andere solche Verunzierungen, die der Sanger nicht bloss braucht, um 
seinem Gesange Annebmlichkeit zu geben, sondern seine Kunst und Fertigkeit 
zu zeigen. Wer diese beklatschen lassen will, trete bei einer Kammermusik 
oder nach geendigtem Schauspiel ganz allein auf. In jedem Stucke sollte jede, 
auch die berrltchste Bravourarie ausgezischt werden: dann bewiese das Publikum, 
dass es mit Geschmack und Unterscheidungskunst urteilt . . . a 

Namentlich die letzten Satze Wetzels zeigen uns, verglichen mit den 
ahnlichen Forderungen Schinks, wie sehr die Werke Bendas die Geister 
zum Nachdenken iiber die Unsinnigkeit der iiberlieferten Opernform 
anregten, — ganz ahnlich, wie in Frankreich der anonyme Autor des 
„Trait6 du melodrame" (1773) ankniipfend an Rousseau's „ Pygmalion" 
seine Forderungen aufstellte.-) Ganz im Sinne jenes Franzosen sind auch 
die weiteren Ausfiihrungen Wetzels gehalten, dessen Theorie der vier- 
fachen Behandlung der Rede und Musik natiirlich eine unertragliche Stil- 
mischung ergeben wiirde. 

Des weiteren fordert Wetzel, schon ganz im Sinne Wagners: 

w Der lnhalt muss aus der idealen Welt oder aus einem solchen Teil der Geschichte 
und des Erdbodens genommen werden, der bei uns der idealen Welt beinahe gleich 
gilt. Szenen des wirklichen Lebens, wie wir's taglich um uns sehen und fublen, mussen 
dem prosaischen, ganz gesprochenen Schauspiel eigentumlich bleiben . . . Der Plan 
soil ein Mittelding zwischen dem gesprochenen und gesungenen Schauspiel sein, doch 
sich dem letzteren merklich mehr nShern: es muss eine durch ihre Nuancen durch- 
gefuhrte Empfindung sein, die durch den Kontrast des Dargestellten gehoben wird . . . 
Eine, hochstens zwei Personen sind die Depositare der Hauptempfindung: die ubrigen 
als blosse Hebel, um diese in Bewegung zu setzen, zu modifizieren, durch Kontrast 
zu heben. 

„Dies Rasseln und Getose der Instrumente wahrend der Deklamation ist listig 
und zweckwidrig. Sie konnen bloss in den Einscbnitten, den Ruhepunkten der Dekla- 
mation stattfinden und mussen alsdann, wenn sie die Deklamation nicht hindern sollen, 
nichts als kurze, dem Sinne gemasse, kraftvolle Satze dazwischen schieben, deren 
Absptelung nicht merklich mehr Zeit erfordert, als der Schauspieler auch ohne Musik 



1 ) Wir werden sehen, dass Mozart, angeregt durch Benda, das obligate Rezitativ 
uberhaupt durch akkompagnierte Rede ersetzen wollte. 

2 ) Vgl. meine Pygmalion-Studie I. S. 68. 

21* 



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312 
DIE MUS1X V. ll. 




nrf den Bobepnskt verwndet baben wttfdi Ha *6tcftee Sattj der eft w m dnrt* 
vtap Koteo oder *m eterai Slricbe besteb^ *i* die* to des Beodsscbea Mo ae dram en 
oft Act ftffl h^ sollt* ate bios* das ehuetne Bfld azlm woUeti, soedtnt fltft abuw 
Bliek* mf da* Gauze des MenoJogs gcsem vtidea, ebi T«tt d«* fcletnea Gsetra seto, 
dti Jeder Monolog Mr sicb ansmsebL Cberbsnpl dfirAni ittii Zntocb s espl el* Mr 
Moiifc n«r ten **Cu and ntebt vW zaebr Zelt mfaebiaea, si* die Pinora vftrtfea 
gescbwtegea bsben, ttm dto Vefmndhmg der Some gtscbebes ra lessen eder die 
Pantomime w miuhen** 1 ) 

Damit kommt Wetzel ni-f die Behradltmgrmlse Roaseeait's zarttalc, 
der, seine Instrtnnentalsltw steta nor els Begjeltaiig nr Pantomime gib, 
wihrfend Bend* sctton* vie wtmentlich sefat ^Pygmalion* zelgt, rousifcalisclie 
Einchiebsel u SteUen macht, wo » gar nf cht notwendfg vlro. Cud 
doch verstznd es Bemda vortrefftieh, vie je each Wetzel zagibt, ku» t 
prfignante Motive zn erflnden* die tetslchlicb stets den grosseti Zitacmmen- 
bang za vahren wossten, 1 ) vlhrend seine Nachfolger, nzmentllcb Reicbardt, 
vie wir sebeo verden, der Versachang erlegen, zn viol Maslk za geben, 
and dadarcb andmnetiseti warden. 

Aber «mf den Henptponkt, nlmH&li die Zultatgkett der tmofganischen 
Verblndang van gesprocheoem Wort and Inetrntnentilmaslk in gJelcti~ 
zeitigem firkltaigen, oaf diese folgenscfawemte Neaentng Bonds*, wai«n 
veder Scbink noch Wetzel efngegangsn, paa Veffdtenat* bier zom erzten 
ItUle eta kiarcs Wort gesprochea za baben, bHeb Job. Nik. Forkel vow 
bebatten, die erachOpfende, each heate aoch mastergQltige fiebzndlung dieser 
JHeterie aber sollte Job. Ang, Eberbtrd, Pfailosoptaieprofeseor in Hdle, 
Uefero, dessen Haaptgedanken dana auch Maaas aussprach. Forkel aagt 
in seiner »Miisikalisch-kritiscben Bibliothek" *) u, a. folgendes: 

„Anachefnend iiad Im Melodram belde K&nste freler, aber durcb Aufopfentiig 
feringcr Preiboifen schmolren lie im Gestng zu eioer Kraft lusinimen, die vfel eio- 
drlagllcher 1st + . * Infolge der kBrzeren tmd oft abgebrocfaeaen Sitze maz es fQr 
unge&bte Zabfirer lelchter faulich sels, die linger susgefQbrtea Muslkst&ckea olcht 
fsalgea kSanea * . . Es 1st eln Notbsbeir t der insofern Wert bat, mla es mf diese Weise 



*) MerkwQrdig 1st, dsss Wetzel mth ill diesen bo achflnen Tbeorieen dn 
Duodrama .Zdmor und Ermlde* (Leipzig 1784) scbrieb, dit welter aicbti dtrstellt 
sis eiD recht bandlungaarmes laagwelllges^ In msneber H in si cht so die »ZauberMte" 
eiianerndes Peen* and Ztuberstllck, dem Wetzel selbst GbrigeaB poetlschea Wert 
ibspracb. Ob cb komponiert vnrde, weias Ich nlcbt; mSglicb, dass es elnem bel 
Ricmtnn verielcbneten Singtplel dieses Nsmens von J* B. Lasser (Briinn 1786) zu- 
grunde liegL 

*) Das erkennt tucb D. Huber (^Tamira* neb at einer Abbandlung fiber dss Melo- 
dram, TQblngen 1791) ia^ deasen Abbandlung im ftbrlgen einen Wuat von klasslscber 
Gelchrsamkeit ohne praktiscbes Resulut belzubrlngen versucbt. Eb lat die Arbeit 
einei Dileftamen. fiber aeine von Zumsteeg komponierte .Tatnir* - werda tcb noch 
sprecben. 

^ Gotbt H79 III* S. 250 ft 



■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



313 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



ungeubten Zuhdrern zum musikalischen Genuss verhilft . . . Die grosseren Wirkungen, 
die diese neue Musikgattung hervorzubringen imstande ist, bestehen also nicht aus 
wesentlichen Kunstvorzugen, obwobl viele Leute der Meinung waren, man solle dieser 
Gattung das gewohnliche musikalische Gesangsdrama aufopfern. Diese Aufopferung 
wurde in der Tat allzugross sein, und bei allem Werte, den die neue Gattung in 
unseren Augen, als politisches 1 ) Kunststuck betrachtet, wirklich bat, wurde sie unserer 
Meinung nach doch den Verlust des scbonen Gesangs der gewohnlichen Gattung 
nebst dem Verluste einer unserer Natur sebr angemessenen allmahlichen und aus- 
einander entstebenden Entwicklung der Gefuble nicht ersetzen konnen.* 2 ) 

Ahnlich driickt sich 15 Jahre spater Maass in seinen „Nachtragen zu 
Sulzers Theorie der schonen Kiinste" 3 ) aus, nachdem er konstatiert, dass 
der „Enthusiasmus, den teils die Neuheit, teils der Zauber der Bendaschen 
Musik begreiflich machte, bald erloschen" ist. Sein Haupteinwand lautet 
sehr richtig: 

„Der mundliche Ausdruck, der so lebhaft ist, dass er zum musi- 
kalischen Tone wird (im Orchester), ist doch nicht so lebhaft, dass er 
zum Tone wird in der Deklamation. Das ist widersinnig, und es ist keine 
Einheit vorhanden". 

Damit ist in kurzen Worten die asthetische Unmoglichkeit des Melo- 
dramas uberhaupt dargetan, und Maass bemerkt nur noch: 

„Es ist ausser Zweifel, dass alle Anstrengungen der Kunst, die dem Melodrama 
etwa noch gewidmet werden durften (welches indess nicht zu erwarten stent), 4 ) ver- 
geblich bestreben werden, ihm neben der Oper und Operette*) einen ehrenvollen Platz 
auf der lyrischen Buhne zu sichern.* 

Am scharfsinnigsten und grundlichsten jedoch riickte der Philosoph Joh. 
Aug. Eberhard (1739 — 1809), 6 ) von dem Friedr. Nicolai in seiner Ge- 
dachtnisschrift 7 ) ausdrucklich sagt, dass n er die Musik liebte und praktisch 
darin erfahren" war, dem Melodram zu Leibe. 

„Hat nicht" — so beginnt seine mehrere Jahre vor der Veroffentlichung bereits 
fertiggestellte Abhandlung — „die Musik der ,Medea', die alles leistet, was man in 
dieser Gattung verlangen, und mehr, als man erwarten konnte, schon jeden Liebhaber 
der Buhne so vdllig befriedigt, dass wir mit Recht dies neueste Geschdpf der drama- 
tischen Muse den vollkommensten und bewShrtesten Gattungen theatralischer Werke 
an die Seite setzen konnen? 4 

Allein, so meint Eberhard, man ist sich noch nicht kritisch iiber die 



l ) Wohl im Sinne des Wortes „sozial a hier gebraucht. 

9 ) 9 Ariadne a und w Medea a hilt indes Forkel w als erste Versuche einer ganz 
neuen Gattung betrachtet, fur wahre Meisterstucke". 

3 ) 1794 II, I., S. 318. 

4 ) Wir sollten Ende des neunzehnten Jahrhunderts noch das Gegenteil erleben! 
B ) Operette = Singspiel, nicht im modernen, erst seit Offenbach entstandenen 

Sinn zu nebmen. 

6 ) Neue vermischte Schriften, Halle 1788 S. Iff. „Uber das Melodrama". 

7 ) S. 54. 



(~* t >r "\ty\i • Original from 

Uicj:i,<cy :)y ^ rUi^K UNIVERSITY OF MICHIGAN 




314 
MEMUStK V. U, 




Scliivicfaen dee Meiedrtms kite gevordetL FolftHi *ft mm ttt Kfioe dam 
GadankengBBS soioir Awifaiinmseiii 

. rt wiv tnid mMtftcMlolke Sttmmo* ttfturaiwldl an •buMB Ganson 1 
tronnten well nad bUdotoa neb an elgsttea Kaastsa 
die Geeaagafcuiiat dea voa dor to§temn«W*ti*lt anffeeferafrtea 
fclgen tamntdj eiit^iicfcettc rich a&dereeits dor Attsdntcfc 
dttrtrt^ 4»t tte ucb dorcb blotn S«de kflAtdttHscti n 
dies* anmasfksttatfee Defcltntation steh nit diet Ift*tntmei)4timfl& so 
sebmelzon kSnnsiif dm siO| tnit ur vetoIM^ etnoa 
Hflrer rnaofet? Man team die Etaaeato dor ocbAao* Blasts «rf fflifiiltfsehe Aft 
naofe VfllkKr zussmmeasotten nad Torotiebea, <rt dome otae mm Gattttag von 
Knaotwerkoa he rrorg e b ct die in die Reibe dec fibrfgen eioftl&hrt » verte* tefdient 
Aw elaer Mddten layojt on jtaabblstloo scbetat mlt dor Gftdaafco ton dem h**e- 
disss entstsnden so ootn* Miti dscbto* dor Cr^tflni Hoot slob mit d#f iMtnnitgiml- 
rajistfc mbfndea, nram nkftt eboneogtrt tie Moose DekMumuioB? Doe lit mfetffcr 
so gesobloteea: et sjfbt Dreiecko, wanun write m nk&t wefe Zveiecke febea fcAmwa?" 

Jotriber eta voUbee Kunstwerk frtbetfacb mfifjkb, d*t* irtrit «e den MeJiaten 
Gfad dor Kroft baboo* dor aieh von dor Verelnlgaftg dor Dtobtkonst mit dor Mnsifc 
'and Scba&splelkaiLsf of war ten Ifast odor 1st In der Znssnuaeneotttinc mm^ wodarcb 
bddt aicbt m rinom Sladrack ^tam vejetoigt verdea?* 

In dor TW wlderstrebt don ^ 

I. *die Disbar mottle in dea Mktela do* Aaedrncke* 

[vie oo Eberbsrd aennt *Dlskrep*tti dor AmdmeUmfttol* vOrdm *lr vfeOoteirt beat* 
sagea. Ntalicb]: Die (G«aeage*) Mnalk drOcfct Letteaecbaftoa dondi dlo laflctfoaea 
dor Sthame, die latemlle dor T5aa, das ZeHmaea nad don Rbyibmu ana. In eHea 
dlooea Stficken otobt dio nammtfkaUocho DcMamatton dem Cottage sovott aaeb, data 
nriacben ibacn gar kein getneiaachaftilcbor Masestsb deakber 1st Deaa dlo blmao 
Deklsmacioa bst weder botimmte Tfine nnd ilso koine beatitumtcn nad anfeblichen 
(Intoaierbirea) InBexJonen nnd latervallc dcrselben, aocb sucfa ein (to geaaa) beitimmtes 
Zeltmut und Rbytbmus. 1 ) 

k Diese DIsbarmonie doa Auadrucka mit aich aalbat xiebt noch cine andere nacb 
skb f almlkb 

II. die Disharmonie xiriscben Ausdruck nnd Etnpfinduag*. 

a Die Empfladnng ksnn nor eatveder mit dor Deklamatlon odor mlt dor Mnaik 
barmonieroa, 1st ihr die crate re angemeaien, so 1st die andere zn stark; 1st Ibr die 
andere gerecht, so passt die erst ere nicht."*) 

H Die namuaikaiiacbe Deklamation gibt dea Ton elner scbwlcberen t die andere 
einer atirkeren Leidonacbah an. Wean die eine der berrschenden Lcideascbaft 
zustimmt, so kann Ibr die andere ntcbt zustimmen. Daraut musa aotweadig eln 
Mlssklang des Vortrages auf der einen mJt der Rede und Leideaacbaft auf der aaderen 
Seite entatehen, von welcbem der Mtssklang zwiscben den Teilen des Vortrags der 
Deklamation und Musik eine notvendige FoJge sein musa." 

l ) Ein Auaaprucb, dessen Ricbtigkeit Humperdinck durch den m, E. vSHig verun- 
gluckten Versuch, der Deklamation muafkaiiscb beatlmmtea Ze it mass und annlh crude 
IntervallBxiemng atifzundtigen, nitr beatidgt bat, ( H Kftnigakinder* T .Trifolium", .Heirat 
wider Willen*,) 

*) Den gleichen Cedanken bat Maaas, wle wir oben aahen, aplter au&geRihrt. 



■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



315 
1STEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

III. Nennt Eberhard noch die „MisshelIigkeit der Sinnlichkeit", was er 
folgcnderraassen ausfuhrt: 

w Der musikalische Ausdruck, womit in dem Melodrama die oratorische Deklama- 
tion unterstutzt werden soli, pflegt nur aus kurzen SStzen zu bestehen. Kein einziger 
musikalischer Gedanke kann mit der Ausfuhrlichkeit vorgetragen werden, der zu der 
befriedigenden Entwicklung eines schonen Gesangs erforderlich ist. Das lisst die 
Natur und Zusammensetzung nicht zu, wenn der Faden der Deklamation und 
Handlung nicht zu lange unterbrochen werden soil*. 1 ) Ein psycbisches Unbebagen 
entsteht, wenn die Seele, die sicta einer Stimmung uberlassen bat, gleichsam plotzlich 
erweckt wird. Die Musik kann sich nicht ihrer Natur nach entwickeln. — „Ein jedes 
fuhlt leicht, dass der musikaliscbe Vortrag unendlich scboner ist als die blosse 
oratorische Deklamation. Die geringere Schonheit der oratorischen Deklamation 
vernichtet die grossere Schonheit der musikaliscben Begleitung, und die grossere 
Schonheit der musikalischen Begleitung setzt den Mangel an Schonheit der oratorischen 
Deklamation ins Licht." 

„Diese Misshelligkeiten", schliesst Eberhard, „machen ein Werk, wie das 
Melodrama, das aus Deklamation und Musik zusammengesetzt ist, Ssthetisch unmog- 
licb. Eine derartige Zusammensetzung ist unmoglicb, wie die Zusammensetzung einer 
Figur aus zwei geraden Linien." 

Diese Eberhardschen Gedanken erschopfen bereits, was gegen das 
Melodrama zu sagen moglich ist, und in der Tat waren auch spaterhin alle 
feinsinnigen Dichter und Musiker Gegner des Melodramas als Kunstwerk, 
wenn sich immerhin auch die Komponisten gelegentlich des melodramatischen 
Effekts episodisch mit Gliick (es sei hier nur an das Lied der Gertrud im 
2. Akt von Marschners „Hans Heiling" erinnert, m. E. die grossartigste 
Verwendung des Melodramas in der gesamten Literatur) bedienten. 2 ) 

So schreibt Herder: 3 ) 

„Im griechischen Drama begleiteten Tone das Spiel d. i. Handlung, Charakter, 
Aktion, GebSrde; in der Oper herrschen Tone und TSnze. Man hat eine Mittel- 
gattung aufs Theater gebracht, da man getrennt voneinander bald spricht, bald geigt 
und in der doch Worte und Tone fureinander sein sollen. Eine missliche Gattung, 
die bald widrig werden kann, weil Tone die Worte, Worte die Tone als unvereinbar 
miteinander jagen. ,Warum singst du nicht 4 rufe ich der Deklamation Oder einem 
Pygmalion zu, ,da dir die Tone nachlaufen*? ,Weil ich nicht singen, sondern nur 
deklamieren kann' antworten sie. Und die Kunst antwortet: ,So deklamiere entweder 
ohne zwischenfallende Tone, sie storen micb, indem ich wShrend ihrer entweder dein 



*) Das geht naturlich nur gegen das n Drama mit musikalischen Zwischensatzen"; 
dass man ein ganzes Drama zu unaufhdrlich weiterspielender Musik sprechen lassen 
konne, daran dachte Eberhard hier nicht — das wurde eben unter den zweiten Ein- 
wand ( w Disharmonie zwischen Ausdruck und Empflndung") fallen. 

-) Auch Richard Strauss und Max Schillings, deren melodramatische Werke neuer- 
dings viel gehort werden, sind personlich Gegner des Melodrams und bezeichnen ihre 
betr. Kompositionen als Gelegenheitswerke, die sie Possart zuliebe geschrieben 
haben. Possarts Rezitation dieser Werke nlhert sich ubrigens auch recht bedenklich 
dem Gesang. 

3 ) Adrastea, Hempelsche Ausgabe der Werke XIV, S. 484. 



Uicj:i,<cy :)y ^ rUi^K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



3ie 

BW musik v. ii/m 



Spiel oder die Ttoe Tergeaeen mm and etna otteh »m amlera vegfftft* Oder, was* 
dtt dlch getrauteat, to aglet* bei fortgebeader Marild die deio* Eispfiitdttnt anadrttckt, 
«hne Wa«* dieaee Paatowim! Jetzt bfe* dn data llfcfeadeii Fiecbea (Web, die fed 
briden Eletnenien Aire Pelade fladen. Dd»e AW« vinl «r«Ccfcflt imd die Mwlt thr 
vor- oder aaebtrillenid, bleflM krafttaa.' Cleae Getting {geoialafiQcb "rtrd eU Mono- 
drama geaannt) let alao efin MiechapieJ, dee ricb atebt adaA^ eta Taw, dem die 
Muaik biatenaaeb, ebie Rede> der die Ttae apttend anf die Pen* trtten.* 

Von spitereo verurteilt Ti eck *) ebeaffclls die akkompagniettcD Dnnwo, 
die er .poetische Ungcbtuercfren" nendt, ala gescbmacklos: 

»So alritt ntm Stimme ned Mneil* fleee letstete malte oft, beide atftrten and 
onterbracben eicb, Who koarne rich genug «m, nd ea emztaad ee etwie vabrtuft 

Barbariacbee** 

Anch die neaere MaalHadietik verwirft — and mit Recbt — das 
Melodrama ale Kunstfonn, aachdem Richard Wagner*) ea in ,Oper nod 
Drama* ala eta »Genre von uoerqulcklichater Gemiaohtheit* heieichaet 
hatte, ohAft indes dieses Urteil otter zn begrftnden. 

So sagt Spina:*) 

»Beim Melodrama wird die Aahnerksamkelt awiscben zwi urerbondanea 
Eleme&tea teteltt, ea ktim debar nlemala einea harmoalseb beMedlgeadea Elndrnck 
macben, veaascbon ea maaehmal ala Zwiechenamh avfecben Rede and Geaaag In 
der Oper goto Vlrfcttag tat* 

Gftnzlich venulejlend verbilt rich Priedrich voo Hausegger:*) 
- „VIfarend In der Vekalmnsik daa Tea der gestaltaadaa Maebt dea Toaea erhaaie 
Vert io deanelbea aafeezo onttttgeb^ oboe tich dem Gettaltungeprotosae nil hin- 
gefaen zn kffnnen, wahrt ea rich fan Melodrama eatee voile Uubbinglgkrit, Mndet 
aber dea Toa an Itutere Vol eteHongeo, ohae Urn die MdgUcbkeit der Ibm notirendlgeii 
EatlUtung aaa innerera Triebe iu gewibren.* 

Einzig Wilhelm Kienzl 6 ) nimmt das Melodrama in Schutz, nennt es 
w eine der wirksamsten und Feiosinnigsten Kunstformen* und bebauptet, die 
oft geSusserte Ansicht, man konne gesprocheoe Spracbe und Musik nicht 
glcichicitig apperzipieren, beruhe auf B unbegrelflichem Unverstindnis*. 
Allein er muss docb zugeben, es sei 

^zllerdiiiga wahr, daea die una nicht ikuatiach, aondern vor altem gedankllch ifflzierende 
Spracbe immerbln roro rein akuadacheo Standponkt mit der In rcineo kunstvoll ge- 
ordneten Tonverbilmiaaeo ala Selbatzweck operierenden MoalJc nicht Tellkommea za 
einer EmpBaduog verscbmolzen werden ktno, and stett zwei Sei ten menichHcher 
Faaaangakrah in fort win re ad wechselnder Manter in Anspmch nimmt, una also dabei 
gchwer zu einom elnhettllcbcn nnd rablgen Geauase kommen llaat* Ttr rausaen una 

') # Der Wasaermeoach ft > NoTcllen V, 12 Berlin 1853, Vgl, aucb die ebenfiHa 
daa Mel od nm a verwtrfbnden AusfShrungen, die A* B. Mint anltsslicb riper ^Preziosm"- 
Kridk gab. (Berliner Allg. Mueikzeitung 1835 S* 37 f.) 

>) Scbrihea & Dicbtungen IV. S. 4. 

') w Zur Musik", S, 232, Berlin 188Z 

*) tt Dle Musik ala Ausdruck* Wien 1687. S. 195. 

e ) v DIe Musikaliache Dcklimatioa*, Leipzig 1880 S t I4flff. 



■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



317 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

aber die Worte im Melodram mehr gesprochen denken, als sie gesprochen 
horen [?!] . . . Vollkommene Freiheit in der Behandlung der Sprache und die Un- 
umstosslicbkeit einer wenigstens teilweise geregelten Rhythmik in der Musik machen 
eine tadellose Wiedergabe fast zur Losung eines kunstleriscnen Paradoxons . . , Be- 
sonders hat sich der Deklamator aber vor einem Fehler zu huten; es ist das zu be- 
stimmte Festhalten auf einer sprachlichen Tonhohe. Durch diesen halb gesprochenen, 
halb gesungenen Ton, den viele Deklamatoren annehmen, wird das musikalische Obr 
empfindlich verletzt; der reine GebSrseindruck der gesprochenen Worte muss mog- 
lichst beseitigt werden." 

VII 

Nach den grossen Erfolgen, die Benda mit „Ariadne tt und „Medea tt er- 
rungen hatte, ftihlte er sich veranlasst, auch Rousseau's „Pygmalion a selbst 
mit Begleitmusik zu versehen, und so eine mannliche Paraderolie als Gegen- 
stiick zu schaffen. Im Druck erschien nur der Klavierauszug mit der 
Jahreszahl 1780 unter dem Titel: „Pygmalion. Ein Monodrama von 
J.J. Rousseau. Nach einer neuen Ubersetzung mit musikalischen Zwischen- 
satzen begleitet und fur das Klavier ausgezogen von Georg Benda. Leipzig, 
im Schwickertschen Verlage." Den Verfasser der ziemlich mittelmassigen 
und sogar liickenhaften Ubersetzung habe ich nicht festzustellen vermocht; 
vielleicht war es Gotten Ausser ihr existieren vier weitere Ubertragungen 
ins Deutsche, deren erste von Josef Laudes (1742—1780) als Anhang zum 
Original in Wien 1771 bei Kurzbock erschien 1 ) und von ausserordent- 
licher Seltenheit ist; ich vermag wenigstens nicht ein einziges Exemplar 
nachzuweisen. Eine zweite, mir ebenfalls nie zu Gesicht gekommene 
Ubersetzung verzeichnet Albert Jansen: 2 ) (Joh. Friedr.) Schmidt, Pygmalion, 
ein musikalisches Drama aus dem Franzosischen, Musik von Schweitzer 1777. 
Eine dritte anonym erschienene, aber schlechte Ubersetzung erschien 1778 
in Mannheim bei C. F. Schwann und hat wahrscheinlich Otto Heinrich 
v. Gemmingen (1775 — 1836) zum Verfasser. Ihr Titel lautet: „ Pygmalion. 
Eine lyrische Handlung aus dem Franzosischen des Herrn J. J. Rousseau 
mit Begleitung der Musik des Herrn Coignet ubersetzt und mit Tanzen 
vermehrt fur die Nationalschaubuhne zu Mannheim." 3 ) Eine ausgezeich- 
nete, meines Erachtens heute noch nicht iibertroffene Ubersetzung in reim- 



1 ) Vgl. Reichard: Theaterkaiender 1795, S. 143 und Wurzbach: Biogr. Lexikon 
des Kaisertums Osterreich, Artikel Laudes. 

2 ) J- J« Rousseau als Musiker, Berlin 1884. Seine AufzShlung ist nicht korrekt: 
Grossmanns Lustspiel ist nicht nach Rousseau, sondern nach der viel fruheren 
Komodie des Poinsinet de Sivry (1760) gearbeitet, und Herklots „Pygmalion a ist ein 
von Karl Wagner (1772—1822) komponierter Operntext (Partituren in Berlin und 
Darmstadt). 

8 ) Vgl. meine Pygmalion-Studie S. 49. Bei dieser Gelegenheit will ich einen 
Irrtum J. Minors (Schiller, sein Leben und seine Werke. Berlin 1890, II. S. 184 



(~* t >r "\ty\i • Original from 

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r 




DIB MUWK V, 11. 




loam Jaaben YertStfentiJcnte iter Wiener Dichter Gottlieb (wm> Leon in 
«D*i!ticbed Mtueam* 17M*) nittw dem Titel: ^PygmaHon, ein tyriecfaea 
Monadrunft itach J; J. Rousseau,* Diese sonst ,*ohl noch nie atilfeelQhrte 
tibersetznng hat ihre Sch5nheit und Kraft im 20, Jabfbuftdert bcvlhrt: 
ale wttrde der auf mtfat Vermnlasattng erfolgten sieitiacben Wledenutf- 
fQbruilg dee Ronsaeatt'schett .Pygmalion* (mit der vim mir eatdttfetfta 
Qrigtaalmnsik) durch den MfaKrtaer Qrcjieatervwein am 4* trod 6* Mai 1904 
zugrtmdo gelegt* 

Mlt Sendee JKneik katn ^Pygmalion* znm eretett Mile am 20* Sep- 
tember 1779 fan Gothaer Hoftheater tor AuffBhrnng trad hidt rick cfeen-» 
tola lange auf der Bfihne, venn er each die Beliebthett der beidm ersten 
Verke Bendas nicht zn errefehen vennoebte. In Mannheim dagggen, wo 
Bfick akh aebr in der Rollo geftd,*) wnrde das Work urn 1783 — 1803 
14 mil gegebeu, vogegtn von 1779 — 1803 nnr 19 Anftfibrtusgen der 
.Ariadne* attttlknden. In Berlin ertebte .Pygmalion* von t797 — 1835 
36 AnffBbntngen-^ Unter Goethea Vei merer tbeeterdirektion erachfan 
das Work nnScbst be! Ifflaads Gastapiel 1798 zweima], Schiller Inaaerte 
rich am Jen* (24* April 1798) derftber vorhw an Goethe ilemlich abffllig 
mid sagte a. a*: 

*Ee tot mir abaohtt uabegreUUeb* wis ein StthaUfpMtart such blots «o rimer 
gun gemeiaen Prazia, dm ficfrttf van Kenat ae aebr ana dm Aegen sattan kanft, 
am in einer ao fteatigen bandlnegeloef tn nad annatnfllneo Ftatze s*oh vor dem 
PttbUfenm «bstiitttfieiL* 

Goethe dagegen meint < Weimar, 25, April 1708): 

*Es lit wirklich der Pygmalion von Benda, der noch gegebcn wird; icb bin 
Instant neuglerig darauf* Das St&ck kesne icb und babe as mebnnalt geaeben; ee 
Jet tin aebr sonderbarea Unternehmen, indeesen let docb Ilflsnd viel zu king, als di» 
er etwaa wlfalen sollte, wo er nicht elites gewlsaen Elfektes sicher wRre***) 

Schliesslich, nach der AuTfuhmng, bench tote er an Schiller (28. April 
1798): 

B So war geatern eine lueaarst intereasiDte Repitaentation. Pygmalion machte 

ricbtigatellen: w Pygmalion* wnrde auch In Mannheim ttote mit der ton Bend* be- 
n&titen, nicht mit der Gemmlngenscben Obersetzung gegebeu. 

') II. S. 541 IT. 

*) Ungedrucfcter Brief Bendas aus dam Friibjahr 1787 im Beaitz der Frau 
v, Zech: „Den Besiu diceer Muslk bat daa Tbeater bloaa dem B5ck iu verdanken, 
der slch in die Rolle verllebt batte uad nicht mhte t bis sic mir abgekauft wurde.* 
VgL aucb Manerateig: Protokolle des Mitinbeimer Natlonaltheatera J 890, S, 215 {Ok- 
tober 1783). Die Pardtnr (Kopie) exlstlcrt noch. 

*) Die Datec der ErataaffQbrungen von BrQckner (a. a, O. S. 611) lusammen- 
geateltt 

*) Vgl. Goethes erates Urteil (Frankfurt, 19. Jan. 1773) in einem Brier an Sophie 
von Larocbe (herauagegeben von Loeper, Berlin 1879, S. 8), 



■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



319 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

Anspruch an die bdchste theatralische Wurde und Fiille . . . Was Iffland in beiden 
Rollen J ) geleistet hat, wird durch keine Worte auszudrucken sein. u 

Von Herder dagegen wird berichtet,-) dass ihm Ifflands Pygmalion 
„unausstehlich a war. 

Spater erschien das Werk in Weimar noch 1811 und 1816 je ein- 

mal und Zelter schrieb an Goethe am 19. November 1812 dariiber: 

„Der Effekt dieser Piece ist wie ein kalter Schlag und doch auch von sonder- 
barer Anregung, indem er, wo nicht anzieht, doch stosst und sticht. Unglucks genug, 
wenn ein Poet kein Philosoph ist, noch schlimmer aber, wenn die Philosophen sich 
herablassen, in die Poesie zu pfuschen; und das Naturliche lag so nahe, dass es der 
Komponist aus lauter Instinkt ergriffen hat, wodurch das Werk sich dennoch sehen 
und horen lasst." 

Von spateren Urteilen fallt noch das abfallige von Tieck a ) auf, der 
den „Pygmalion" einen „sonderbaren Monolog" und die Aufgabe, ihn zu 
deklamieren, „toricht" nennt. 

Ahnlich wie in Frankreich kamen auch in Deutschland Geschmack- 
losigkeiten in der Kostiimierung vor. So wird in den „Rheinischen Bei- 
tragen zur Gelehrsamkeit" 4 ) geriigt, dass man 

„in die Werkstatt eines griechischen, griechisch gekleideten Bildhauers unter einem 
Haufen griechischer BildsSulen eine Galathea in der Tracht einer Pariser Opern- 
tlnzerin mit einem Aufsatz a la Herisson, einer Schnurbrust, einem Reifrockchen, 
drei Zoll hohen Absatzen, kristallenen Schnallen a la Artois auf den Schuhen hin- 
stellte. a 

Als Kostiim des Pygmalion fand ich auf einer alten Rollenabschrift 
in Darmstadt 6 ) verzeichnet: n Sandalen, Trikots, einfach griechisches Hemd, 
langer Mantel, griin, blonde Tour. u 

Die autographe Partitur des „Pygmalion tt befindet sich in der Berliner 
Bibliothek *) und tragt den zweisprachigen Titel : n Pygmalion par Mr. 
J, J. Rousseau. Musique de Mr. G. Benda. Pygmalion, ein Monodrama 
von J. J. Rousseau, mit musikalischen Zwischensatzen begleitet von Georg 
Benda." (32 Seiten Querfolio, deutsch und franzosisch.) Das Orchester 
weist ausser den Streichern 2 Floten, 2 Oboen, 2 Fagotte und 2 Horner auf. 

Betrachten wir nun die musikalische Ausfiihrung des Werkes im 
Hinblick auf die von Rousseau gegebenen Wiener Instruktionen, 7 ) so 

! ) Es wurde noch ein Stuck von Schroder gegeben. 

2 ) K. A. Bottiger, Literar. ZustSnde 1838, I. S. 126. 

:l ) „Der Wassermensch", Novelle 1835 geschrieben (Tiecks Novellen, Berlin 1853, 
S. 9 ff). 

4 ) 8. Heft. 1778 (29. Marz 1778). 

B ) Daselbst noch eine ungebundene Kopiepartitur, sowie eine spatere Bearbeitung. 

°) Daselbst noch eine zweite Kopiepartitur, die jedoch Seite fur Seite der ersten 
gleicht. 

7 ) Vgl. meine Pygmalion-Studie S. 26. 



( " i m \i-\ L - Original from 

i::r:^c:j :)y ^iiH)^JC UNIVERSITY OF MICHIGAN 



h f - r^^af 



320 
DIB MBMK V. It 




tettchtet sofeit ein, diss Benda diese nfcht gekannt batan kaon; aber er 
ktiramcrte stch aach venlg nm die wn R«otMtit in den gtvdhullcbca 
TntdiuckftQ gegebenen pantomimisehen Anveisanffra, die ehufc die Be* 
rccbtignng in masikalJscben Zwfocbensplelen abgetaDj tan eo tos etner 
Stimmttnfi des Haldea In die andete sia&gemlss flbenttrdtem Bends *w- 
haefct bier gaaz imii&ttg — aber darcbitis la Siano seiner dttrcb »Ariadne* 
nnd »Medea* erworbenon Technlk — die Dictating dorcb EiafQgpng einer 
grossen Retbo (71) mebr Oder minder linger Zwtsclteaspiele, vihtend die 
van mir gefandene und bescbriebetm 1 ) Berliner Partitor dent Gelsto der 
Dicbtnqg gemflss nur 23 Mostkstficke estUQt, vara mm die Ovvertftn 
nlcht miftSblk So verilert rich Benda geganfiber Rousseau, der die Muaik 
mebr turn Zveefce der Vermitttttng grosser Gegensltne etntreten bsseu 
wotlte, in Detaflmalerei, vobel freiUch das amsikaliscbe a Malen* eut- 
sprtchtnd dem Vorvurf nicbt m erglebig vie In den belden eraten 
Werfcea engevandt warden konnte* Aceompagaement kommt tan genzea 
Werke merkwfifdJgcrveiee nidrt almnal vor. VIelieiebt vnsste Benda, 
dasa Rousseau die Muilk eusscbliessllch anf Zvlscboaspiete bescbrinkt 
bmfaen wollte* 

Im fibrigpn Bade ich diese Parttair sowohl 1m Verbiltaia m der 
leidenscbafHichen Dlcbtnng, «to *«& «** mnalkaitedi betmebtet trots 
elnzelncr hervorngend scbftner Stellen zahm und nlcht gam ttif der Hfihe 
der bdden eraten Werke* Sebon die Onvertflre let recbt scbvtcbtfdL In 
Ihr tritt eln Allegretto anf, deasen Theme viederkebrt, vena die BHdslule 
sicta zu bewegen begirmt Es macfat auch den Beschluss des Werkes, der 
ebenhlls matt wirkt: 



No. 31* 



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la Fetaer Weise wird dura noch eln Etinnenmgsmotiv gebnacht: 
N«. 32. 



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321 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



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Nach den Worten: w Ich habe die Werke der Gotter ubertroffen!" 
ertont das gleiche Motiv im hellen D-dur, mit dem Pygmalion friiher im 
elegischen B-dur in Verachtung seine Werkzeuge wegwarf. Im ubrigen 
ist noch das hiibsche Galathee-Thema zu erwahnen: 



No.. 53. 

Un poco allegro 







E3Ep£ 






=■£ 



j5^*!- 



M 






■If— j-r— ?= , F= i F 



; ^=^ 



Wegen ihrer eigenartigen Instrumentierung mochte ich auch noch 
folgende, im Klavierauszug sehr verstiimmelte Stelle in Particella geben: 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



322 
MB JIOSIKV.IL 




•^ "» *^- 








i-jaaa p****^ csss 
tiJjTJj * 5 =153: 



U&S 




CiJ*rh«l Em phage main Opferl 
H<, Icb vcrirrte mloh; tint Nymphe 
woLttt tch tatldui, udJ e* tutiUnd dim 
Gtiftfn* Vena* *ejb»t lu w*otg*r «cn$ft 
■1* Jul 



Cookie 



Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



323 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



So ist immerhin Bendas „Pygmalion a , wenn er auch seinen Meister- 
werken erheblich nachsteht, in mehr als einer Hinsicht interessant. 

Sehr schwachlich in jeder Beziehung ist dagegen das vierte und letzte 
Werk der Art, das Benda schrieb. Die Originalpartitur befindet sich in 
der Wiener Hofbibliothek 1 ) und tragt den Titel: „Theone del Sig. Georg 
Benda, Wien, im Monat July 1779." 2 ) (51 fol. obi.) Sie enthalt viele 
Korrekturen von fremder, auch Nachkompositionen von eigener Hand. 
Das ganze Werk wurde dann von einem biihnenkundigen Unbekannten 
iiberarbeitet, aber auch musikalisch umgestaltet (von Benda selber?) als 
„Almansor und Nadine", und unter diesem Titel besitzt die Wiener 
Bibliothek eine zweite, sauber geschriebene „Partitur, welche von Rollig 
erkauft worden ist", wie der handschriftliche Vermerk lautet. 3 ) 

Ein Textdichter ist nicht genannt. Die Fabel ahnelt sehr der 
„Ariadne a , nur dass hier der Held auf einer oden Insel urn seine Ge- 
liebte, die er ertrunken wahnt, jammert. Dazwischen fallen eine Menge 
Geisterchore, und schliesslich erhalt Almansor (Philon) seine Nadine (Theone) 
von der Feenkonigin zuriick. Das Orchester besteht aus 2 Floten, 2 Oboen, 
2 Fagotten, Horn, Pauken und Streichern. Ein Instrumentalvorspiel (Andante, 
ma un poco largo) in c-moll geht in ein d-moll Allegro iiber, das Ton- 
leiterfragmente in einer Mozarts Don Juan-Ouverture (erst 1787 komponiert) 
ahnlichen Weise gebraucht. Dieses Motiv kehrt auch vor Almansors 
Monolog, der durch gehaltene Akkorde akkompagniert wird, wieder. Es 
hat keinen Zweck, die Partitur und ihre Umarbeitung im einzelnen weiter 
zu verfolgen, und es geniigt die Bemerkung, dass Nadine eine regelrechte 
Arie erhalt, dass eine Art Feenballet getanzt wird und eine Reihe von Choren 
gesungen werden. Die Musik dazu ist recht uninteressant. Wo es darauf 
ankommt, kurze pragnante Zwischenspiele zu bilden, ist immer noch Bendas 
Gestaltungskraft nicht zu verkennen; auch einige liebliche Episoden, bei 
denen nur die Oboen- und Violinsoli immer mehr iiberhand nehmen, ge- 
lingen ihm noch. Akkompagnierte Stellen sind nicht sehr zahlreich, aber 
gut verwendet. Aber das Stuck leidet vor allem am Mangel jeglichen 
dramatischen Nervs sowie an der Sucht, moglichst viel Neues zu bieten. 
So greift denn Benda hier zu ausgiebiger Verwendung des Gesangs, ja des 
Sologesangs, und damit erklart er eigentlich selbst den Bankerott der 
ganzen Gattung. 



l ) Msc. 18521. 

*) Das Datum der Auffuhrung war nicht zu ermitteln. Gerber (Neues Lexikon 
1812, I) behauptet, ein deutsch - franzosischer Klavierauszug sei 1802 zu Wien im 
Industriekontor erscbienen. Mir ist er indes nicht bekannt geworden. 

s ) Msc. 18522. Karl Leopold Rollig (1761 — 1804) Komponist und Instrumenten- 
erfinder, war von 1797 ab an der Wiener Hofbibliothek angestellt. 



Uicj:i,<cy :)y ^ rUi^K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



324 

DIB MOSIK V. II, 




VIII 

Der crrte Koraponist, der du von Bend* in »Ariadoe* nod „Med*M* 
gegebene Betftplel nachahmte* war Christian Gottlob Neefe (1748— 1708V) 
dersdfae, der spBterhln zu Boon Beethoven* Lehrcr nod als soldier too 
gr&sstem EinAnss anf dieses Metster werden oolite. Er ist denn anch d« 
efgenartfgste Nachfolger Bendaa in dieter Knnstgattaog geworden. Am 
Johaanisiag 1776 hatte er die Kspellmelfcterstelle feci Seylera Trnppe als 
Nachfolger HUlen angetreten, rad aeto nener EHrektor, der die Zugfcraft der 
Benduchen Verke genan kannfe, hat Ibn aofort, alch an etnetn UutUchen 
Werk ztt versuchen. Neefe wlhlte eln Stflck Aug. Gottlieb Malsenttre 
(1753—1807), eines gerade sehr betiebten Modeschriftetellera.*) Die Dlchtung 
erschien nocb im gieichen Jahre tinter dem Utel: p Sopbonlsbe,*) eta tanei- 
kati&ches Drama mli hlstori&chem Prolog und Chfiren von A. G, Meisener, 
Leipzig, Dyksche Bnchhandlung 1776.**) Meissner schickte etaen veit- 
schweifigen, vom 23. Jul! 1776 datierten Vorbericfrt vorana, in dem er gegeii 
die Exposition der Franzo&en wetter^ v dle ungcsehlcfct alles in die ersten 
Szenen hineinpfropfen* und ffir den Prolog a der Antike* (ricbtiger: des 
Euripides) eintritt. So Matt er denn anch Mer alles Vom Prolog erxifclfen 
and entheht sleh dsmlt leicbt der Mfibe, sine gute Exposition liefern zn 
jnSssen. Interessant 1st iedoch* wie slch Mel saner fiber das Vesen der 
akkompagnlcrten Dramen ansUsst: 

^So tetaend auch dies Geacbtecbt Uf, to wird es dock tomer dttr s«br achwaeb 
an der Zah! blelben. Denn nichts ist bainaha sebwartr auifiodtg an vacbea, als ein 
Sujet, du tile dlejenigen Volikommenhelten besltzt, welcbe es doch eigentlich besitzen 
muss, urn bierzu tanglich zu werdeii. Die S el tea belt starker Sltuationen obne Dialog, 
die wenige Zeit, Id der die game Hsndlung vorgeben muss, die Notwendigfcelt, dasa 
es ntcbt etwa eine blosse EJegle, gondern Handlung, Werden and Reifen Irgendelner 
wictatfgen Tat sei; dies alles scbrlnkt mehr als zu sebr eln* Aucb die Erzlhlung 
ziemt dieter Gattung nicht Sie msg to lelden&cbaftllcb elngericbtet werden als ale 
Iromer will; sobild ale lug und irgendwie verwickelt wird, tiugt tie nicht zur Musik- 
begieltung.**) 

Das ist alles sehr rlchtig gedacht, aber trotz alledem ist »Sopboni&be*, 



*) VgL seine Autobiographic io der „Allg, muslkal* Ztg,* 1790 No* 16— 18 sowle 
C. P. Cramers «Magazin der Musik" 1783 S. 381. Ober teln Verhlltnls zu Beethoven 
slehe Thayer: L, v. Beetbovens Lcben 1886. I. Bd. S. 120 und nimentlich FHmmel: 
Neue Beethoveniaoa J88S S, 9PF + sowle BeJUge zw „AUg. Zfg,* 1898 No. 04 und 85 und 
^Beethoven* Berlin 1001. S. I Iff. Neuerdings exiBtlert eine Sonderstudle fiber ibn; 
C. G, Neefe t Dissertation von Heinrfch Lewy, Rostock 1901. 

*) VgL fiber ibn JSrdens III S.473. 

*) Bekanntlich die Tocbter Hssdrubals, deren tragisches Gescbick vielfacb 
dramatisub bebindek wurde* 

4 ) Eine i pit ere Auagflbe sis F Honodnm* bezeiebnet, Leipzig 1782. 

D ) Vgl. luch die ficzension in der „Allg. deutschen Blbliotbek* Bd* 36 S, 467. 



■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



325 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



obwohl sie recht geschickt Abwechslung in den grossen Monolog bringt, 
kein Meisterdrama geworden, und gerade die Einfuhrung des Prologs, auf 
den sich Meissner soviel zugute tut, ist dem Werke schadlich gewesen. 
So klagt schon Neefe selbst im n Vorbericht a zu dem 1780 erschienenen 
Klavierauszuge: l ) 

„Das Sujet hat hier und da nicht recht gefallen wollen. Es ist nicht meine 
Sache, mich in die Aufsuchung der Ursachen davon einzulassen. Nur einen Umstand 
will ich und muss ich hier anfiihren. Beim Seylerschen Theater ward, ich weiss nicht, 
aus welchen Grunden, der von Herrn Meissner ausdrucklich dazu verfertigte historische 
Prolog weggelassen und durch diese Weglassung das ganze Monodram fur viele Zu- 
schauer unverst3ndlich gemacht. Wie konnte es aber durchgangig gefallen, da es nicht 
durchg3ngig verstanden wird. Ich habe daher den Prolog vor meine Musik drucken 
lassen, und ich hoffe, er soil dcnen willkommen sein, die sich damit am Klavier be- 
schaftigen wollen." 

Uber die Entstehungsgeschichte des Werkes teilt Neefe an der 
gleichen Stelle folgendes mit: 

„Dieses Monodram ist schon vor vier Jahren, nicht aus Nachahmungssucht, 
sondern auf Verlangen des Herrn Seyler, als ich mit seinem Theater in genaue Ver- 
bindung kam, von mir komponiert worden. Ich wollte es aber nicht eher dem Druck 
Qbergeben, als bis ich die Urteile der Kenner gesammelt und benutzt hatte. Jetzt also, 
nachdem diese Musik in Leipzig, Frankfurt a. M., Mannheim, Mainz, Munster und in 
Darmstadt vor den durchlauchtigsten Herrschaften selbst/) nicht ohne Beifall auf- 
gefuhrt worden ist, nachdem ich mir die gegrundeten Erinnerungen wider einzelne 
Stellen derselben, soviel moglich, zunutze gemacht habe, lasse ich sie im Publikum 
erscheinen. Ich leugne gar nicht, dass ich den vortrefflichen Mustern des unsterb- 
lichen Georg Benda gefolgt bin, aber ohne ihn auszuschreiben. Gewisse Ahnlichkeiien 
sind unvermeidlicb. Der wahre Tonkunstler versteht, was ich sagen will." 

Man vergleiche ubrigens die beiden folgendeti Notenbeispiele: 
No. 35. 





usw. 



(Benda, Medea, Ouverture) 



! ) „Sophonisbe. Ein Monodrama von dem Verfasser der ,Skizzen'. l n Musik 
gesetzt und fur das Klavier eingerichtet, der durchlauchtigsten Erbprinzessin von 
Hessen-Darmstadt untertanigst zugeeignet von Christian Gottlob Neefe, Sr. Churfurstl. 
Gnaden zu Colin Hoforganist. Leipzig im Schwickertschen Verlage." 

'') Deshalb auch die Dedikation. w Am 26. April 1779 stellte die Erbprinzessin 
von Hessen, die als Medea und Ariadne schon aufgetreten, auch die Sophonisbe dar. 
Ihr Spiel war innig, die Deklamation echt, die Gestikulationen und Gemaide den 
Leidenschaften angemessen und die Nuancen wShrend der Musik vortrefflich . . . Dies 
ist nicht etwa das Urteil eines schmeichelnden Hofiings . . , u Goth. gel. Ztg. 1780, 
14. St. S. 93. In Darmstadt befindet sich noch die betreffende Kopiepartitur (genaue 
Abschrift des Originals) auf der Bibliothek. 

V. 11. 22 



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( "r\r %nlr Original from 

v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



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DIB MOSUt V. 11. 




No. 3d, 



If I i jffl flj | 'P P5p 



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(Neeft, SepboaUb^ Off. Put S. ttt, KJ^-JL & 1) 

Iter KtaYtennazug weiat tats&cbticb gegeiifiber dar Partttnr 1m 
zelnen ihytkniitcfae and barmonisch* Verbeaserungen auf, 1st anch , 
In den Bezelctumngon, aUein, obgloich «tr bnter ah die 
arbeitetiet, gfbt er docb ma* eiii aebr trovoMtoin^ 
dm VnfcM. 

Did Origtaalpartiturp an die irir nne bier efazJg balten «otieu» b+- 

fin4et eich nt Vim 1 ) In der BibHotbek der .Geaettethaft der Mtuftfremtde* 

mid stammt ana dem Beaitz dM Erzberzoga Radolf, dee Scbfllen Bee** 

heveu. Sle teaMht ana 78 elgenbiadlg beachriebenen Querfotloblfflani, 

dram vier Blltter am Sehlnaa dee eratan Anffttitta von Kopistcnband ein- 

gefBgt aind, Dar Hid huttet: Sopfaenlafce, eta Drama mit mnsikallscfeer 

Begjeittmg. Daneben ateht mit roter Ttnte dar franztaitcbe Titel, be* 

zeiebnet als w Mtiodrraie avec dea cboeiira*, and anck In der FeJ$e iat tod 

Neefaa efgennr Hand dla flranzdatacfee Cbertragttftf belgefBgt Der Name 

de*. Kompo^toten nsd die Bezeichnung »Origtaalpartitiir" riUiren ran der 

Hand Aloys FocfaV (1799 — lBB3fo dea bekannten Sammlera mnalkallulter 

Meffcvfirdltftaiten her. Dm Ordmter bcatebt ut Strdchqntatett, 2 FtBten, 

2 Oboen, 2 Fagotten nnd 2 Hftrnnrn. Bemorfeenevert let die Fetoheit der 

Instrumentation, die viel moderner tie bei Benda anroutet So vird z. B. 

die zwelte Viotine meiat von der ersteo emanzipiert und erhllt interessantere 

Mittelstimmen, Oder sic darf altemlerend mit der ersten Violine Themen 

bringen. Gelegentlicb werden scfaon Passagen von der einen Gmppe an- 

gefangen und der anderen fortgesctit Auch die Bllser sind nicht mehr 

gehors&me Trabanten der Streicher, aondern gebeo zu schBnen Wecbsel- 

effekten Anitas. 

No. 37. 
(Ictiter Auftritt) Adagio 



Nua woblinf 

Slth ctjith 

hier. Ober 

iter von den 

Gtiifern r 




*) Daaelbat Jn der k* k. Hofbiblioibck d*t Fragment (autograph) cincr eben falls 
tuf Meiameri Dlcbtuog komponierten «SopbonIabe* von Gfftzloff, clnem nicbt nlber 
bekanmeD Kmnponiiren (No. 18437k Eb 1st obne write re Bedeuiung. 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



327 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



No. 38. 

Ob. 






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Neefes Biograph Lewy schreibt iiber die „Sophonisbe a *): 

w Die Musik Neefes kann allerdings fur damalige Zeiten als hervorragend be- 
zeichnet werden. Mit grosser Sorgfalt hat Neefe den Text studiert und jede kleine 
Gemutsregung, jede Andeutung Meissners benutzt, urn seine Musik mannigfaltiger zu 
gestalten. Aber er bediente sich fur unser Ohr doch gar zu einfacher Mittel, die uns 
bisweilen naiv anmuten. Die Einheitlicbkeit der Stimmung bat er gar nicbt wahren 
konnen; dass ihm Benda darin fiber war, zeigt uns, in welcbem der beiden M&nner 
wir den grosseren Dramatiker zu suchen haben." 

Diesem Urteil, das ausschliesslich auf dem Studium des Klavieraus- 
zugs ohne Kenntnis der Partitur beruht, vermag ich nicht unbedingt bei- 
zustimmen; zweifellos ist Benda, der ein ganz neues Gebiet in genialer 
Weise erschloss, mit seinen Meisterwerken Neefe iiberlegen. Aber ich 
finde, dass Neefe wirklich, wie er selbst im Vorwort auch bekennt, ohne 
Benda sklavisch nachzuahmen, auf originelle Art das von jenem erschlossene 
Gebiet weiter gepflegt hat. Gerade Bendas grosste Kunst, die darin be- 
steht, kurze, pragnante Motive zu erfinden und gemass der dramatischen 
Steigerung weiterzufiihren, beherrscht Neefe ausserordentlich, und er ist 
und bleibt der einzige, der Benda hierin erreicht. Nie verfallt er, wie 
alle spateren Nachfolger, in inhaltloses Musizieren. Leitmotivische Bil- 
dungen in der ausgepriigten Art Bendas verwendet Neefe nicht. Dagegen 
hat Neefe hier eine ganz eigentumliche Manier, Bruchstiicke aus der 
Ouvertiire als Erinnerungsmotive (unter Gretry's Einfluss) zu benutzen. 
Dass er mit den ersten Takten der Ouvertiire auch die erste Szene ein- 
leitet, ist nichts Aussergewohnliches (auch Benda tut es); aber plotzlich 
tauchen auch andere Fragmente der Ouvertiire wieder auf, ein Durchgangs- 
motlv: 



No. 39, 



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bci den Worten : w Ich bin die gliicklichste meines Geschlechts, wenn ich 
ihn habe". Zweimal sogar tritt jenes bereits zitierte und als Benda-Re- 



l ) A. a. O. S. 69. 



22* 



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Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 




32ft 

DIB MUSI* V. II. 




mialsxenz tffcaanfte Motiv nach seinem astern mut zweften Erkiiiifeii in 
der Ouvertflj* zar Cttanktetiaientiig Maailnfasa* m& £fa fc an fte tt fr, ta 
der Chnrertttre schon nretflMl gtbnehi: 



Ko,«L 



4£toao*urt#ftte 



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kommt vieder be* den Vorten: .0 witttommen, tansendmal mlr wHJfcammefie 
Tiftam"? l*n Allegro; 



Ma 41. 




vlrd bd tfeit Vortpo: .Wohio Ich je blickte, je <r^ Hind ich dies* Grw 
stiaea nrfr 1m Wef** iriedeiiebncH and due Ucias «efea Scttma der 
Onvertfin utftrettnde Ftgnr: 
Hoi tt 

«^ r Jttf-fa4.JJltra J Il ii l > j»i 



ii 



kommt nochmale vor bei den Worten: ,Nkht zttfrleden, Karthagena SShne 
zti tOten, kfindigen sie auch den T&cbtern dieser unglflcklicben Stadt Krieg 
an I" Der Merkwflrdigkeit halber will ich auch den Schlusa der Ouverture, 
die In ihrem Gbergang zutn Drama etwaa an die Don Jaan-Ouvcrtfire et- 
innert, hierhereetzen, wobei zn bemerken ist, dass Neefe in dteaem Werke 
uberbaopt in mancben Eigenheiten {namenttich der chromatUcben Harmonik) 
alt Vorginger Mozarts, der ja die NLelodrembewegvng ratt h&cbsteno Intercsse 
verfolgte, erscheint: 

Andante so&tenuto. 






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Onqinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



329 

ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



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Das Akkompagnement wendet Neefe sehr selten, aber stets mit grossem 

Effekt an z. B.: 

No. 44. 
Senza tempo. 

tit — A*_ _J£ 



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Nimm diesen Becherl Er fat's! G6ttcr, meine Hand stockt! vcrgieb mir, Tocbterdes edel- 

sten Puniers, vcrgieb 
dem Unglucklicben, 




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39E 



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S^l 



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usw. 



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dcr mit zerrissenemHerzen 
dir dies Geschenk sendet. 

Die Anrufung Hasdrubals, die im Klavierauszug (S. 21) Akkompagnement 
hat, ist in der Oiiginalpartitur anders gegeben: ein grosses Violinsolo in 
Bendas Art tritt ein. Dagegen verwendet der Schluss in hochst wirksamer 
Weise nach Bendas Vorbild die Gleicbzeitigkeit von Rezitation und Orchester: 

No. 45. 
Tempo giusto. 




Jede mciner Adern stockt! Ich fuhl's, dies ist das letzte Beben usw. 

Auch die eigentumliche, von Benda erfundene Art der gesprochenen 
Arie (quasi arioso) hat Neefe iibernommen (vgl. S. 12 u. 13 des Klavier- 
auszugs); es ist da ein regelrechtes Arioso mit obligater Solo-Violine. Neu 
gegenuber Benda ist die Einfiihrung des singenden (Priester-) Chores, der 
hier ganz naturlich wirkt. Benda hat dann dies Beispiel selbst in „A1- 
mansor und Nadine" allerdings recht ungliicklich nachgeahmt. 



Di 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



i.f ?V 



5^ 



330 



DIBMUSrK V, U»- 



Nocb dser merfcw6rdlgeii Stella, die eigeatlich idten dtafVAeraditt 
Art der rfaytfiniJscb graanerea Notiwuin and die KtanpcnrdfncksclM Ait 
der Tonbfihenflxiening dor Declamation Yoratte ohimit, nw tab ge- 
denkecu Die OrigimJt>*rtitttr <KI*vierati8x*| abwelchend nod ehne sikwe 
Angebe) gibt hier die Weiwng: *WIhra*a der Mitstk iwcb dan Trifct, 
aber nicfat gesttogen% die Dwastidter Kopiepartitur, die rvetfellM imter 
Neefea Antacht eatetandcn, bemerkt degegen: „ttater der Motik md 
so yW eta nrfgticb neb ton ZetamavohiigeBiir ao, wte der Vert der 
drftber steheeden Noten anieigtr Die raerkwflrdJge Stella, demnTfotieraug*- 
art, rhytbmlscb, he Sopranschlflssel und nor eine klelne Sefamde to der Ton- 
WJfce TirHerwd, zanficbet kcinen Nacbfolf$r Jfcnd, ed Mer-wted ninqg riic n ; 

No. 4* 



IF 5U*fe. *U* sehMfik , ILdullU 



Stebtdle advert 




n,Vr f C ;lr f ^ 



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ntt - te nibt ticta drlu-end. 



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Hiaelcbflicb tofta Erfolge* niid Hirer 
Verbreituug vermochtedle .Sophonisbe" 
an Bendas Meisterwerke nicbt benra- 
zureicfaen. Itnmerhin aber konnte nocfa 
fast eln Vierteljahrhundert each Er- 
acbeinen dee Werkes ibro in der »Allg, 
Masikal. Ztg. - *) eln wannea Lob erteilt 
werden: 

pNethi {Composition," beJist ea daaelbat, 
„lit Yeoiger kunitreich ale die tod Benda In der ,Medea' fBr den, det; die Kunit in 
dam mehr Verwebten fiodet Ntcbt, daat ea Ncefe an den gehfirigen Kenntsiuen ge* 
mangel! bitte, krineevega, Aber er mcbta die Wabrbeit is erbabener Sim pU it tit und 
— fend ale* Die muiikatiecbe Spracbc dea Komponlaten, lelne benerbebeDde Har- 
monle let der btrmonlicben Spracbe dea Dicbtera durcbaoi ae angemeeean, ao gani 
Ibnllcb, daai man nicbt to entacbeiden wagt, wer dem andern voremphinden babe," 

Und zum Schluaa heisat e»: 

B Dle nur nocb planl»lmo kurx fartgebende Musfkbegleltung lit der letzte 
Hftuch elnea rublg Sterbenden. Der Vorbaog fllit, und man verliaet daa Schiuipid- 
bana, wle man die blaste KBIte einer eben veracbledenen Geliebten auf dem Starbe- 
lager rerileit — mit gepreHtem Her* en. - Scbluu fblgt 

*) Bd, 1 S.354. 



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DER MODERNE 
MUSIKALIENVERTRIEB 

EIN VORSCHLAC 
von Dr. Julius Hagemann-Bonn 





in rend ea den anderen Kiinatlern verblltnismluig ieicbt gemacht wild, ibre 
Knnatprodnktc dera gr&sseren Publikum zuglnglicb zu machen, beflndet 
alcb der Muslker in den meistcn Plllen in einer sebr liblea Lege. Aber 
nicht all ein c r ist es, auch gleicbzeitig sein Verleger* Vie soil man die 
Welt mit den Werken einea jungen Muckers bekannt macben? Tie 
bringt der Verleger e& feflig, seine Novitften nicbt allein auf den Markt, sondern aucb 
an den Mann zu brlngen? Es glbt fa bis jetzt veracbiedenc Wege, die aber In don 
wenigaten Flllen zu eincm aicheren Ziel fiibren, Der eine Verleger ineeriert in elner 
Muaikzeftung* Aber wieviel Menecben leien derartige B litter oder beaebten die 
Inaerate! Ein anderer Verleger veracbickt seine Verlagaartikel an die elnxelnen 
Muaikatienbftndler zur Ansicht Selbatverailndlicb sind die Letzteren dann wleder 
gezwungen, ibre Kunden mit die sen Werken durcb Ansichtssendungea zu beglficken, 
Im allgemefnen 1st das, was In solchen Flllen beim grossen Publikum blngen blelbt, 
herzlich wenig, BalLenweise mtiaa der Mmikalienblndler zur O&tcr mease dem Ver- 
leger seine Scbitze wieder zuruckschicken. 

Eine wcitere Reklame beaieht in der Veraendung der Neubeiten an die 
Redaktionen der Musikzeitungen und Ihnlicber Blltter. Ea liegt ja auf dor Hand, 
diss eine gunatige Besprectaung des ein en Oder anderen Werkea wotal die Folge 
zeitigen kann, dasa einige Leser der betr. Zeltscbrlft alcb die Mfibe geben, die be- 
aprocbenen Hefte anzusehen, bzw* anzuscbaffen. Aber ea aind nur sebr wenige, die 
auf eine derartige Reklame reigleren. Dazu kommt dann gleicbzeltig fOr Autor und 
Verleger die Befurchtung, daas dasaelbe Verk ungleicberweiee von dem ein en gelobl, 
ron dem andern getadelt wlrd, Wie hi u fig erleben wir den Fait, daaa die Kritlken 
ebon ganz entgegengeeetzt ausfallen, dem musikallscben Standpunkt des betre (Tendon 
Rezenaenten entaprtcbend. So wandert eine groase Anzabl wert? oiler Neubeiten zam 
Verleger zurBck, obne von irgendeiner Seite beachtet zu aeln. So blelben uater Dm- 
atinden Werke jahrelang unbeacbtet licgen, die Anapruch darauf bitten, too der 
ganzen Welt geacbltzt zu werden. Man ktnn aucb in der Tat einem uberbfirdeten 
Kritlker koine Vorwurfe macben, wenn er unter einem Han fen Ihm zngcaandter Hen* 
faeiten nor aolche Namen auawihit, die Ibnj rflr eine gewlaae Qualittt Gewlbr leieten, 
Daas fast alle griaseren Pitmen Jetzt ibre Reiaenden Ton Ort zu Ort aonden, 
d&rfte aucb noch nicht allgcmein bekannt eeln, aber echUeaalich treten aie nicbt mit 
der groaaen Masae, sondern Immer our mit dem Handler in Verblndung. Der Effekt 
dfirfte aieo ungeffthr deraelbe aein t wie ich Ibn oben angegeben babe* Nun lollte man 
meinen, das, waa bei anderen Kflnaten mfiglEcb aei, dBrfte docb acbUeasllcb der MntUe 
aucb zuatatten kommen. Ea gibt beute kaum cine Sudt von gewlaaer Bedeutung, die 
nicbt ibren KunatsaJon bat, mag er daa Jabr bindurch geSSbet ectn, Oder nur gewlaae 
Zeiten, In den meiaten dleser Salons finden wir beute hat die geaamte Kunat Oder 
daa Kuna^gewerbe renreten. FBr ein gerlngea Entgelt let Jeder in der Lege, alcb daa 



■'■' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 





332 

WE MOSIK V* IU 





gan*e Jabr bfndnmb, wenlgetens la gritoenti Sttdtn, ate Bfld wn d«] 
uT dtan Gebfete der Malerei, BUdbauAffcunaf m an macben, Anf * 
b*t d*r Knottier die Mfigllcfakeit, aeine Sckftpfttfigen, 41* *on 
anderti venders batmen* Taneenden vonttHlbrea tnid w; an dn Mnui £tit < 

Varan eofite man etw*» Ibalkbee zdcfet Br unset* 
fcfanen? Mm AnApg bit fl* Verlagebnii B> Rtbfef In 1^^ tfw^ tft#mib| 
til deiA lettten it intern In den Teracbtodenatan StMten Komtftt obne fin^gelt rtp* 
anataltete, In denen ibre etgenen Veriagawttfce in Gebfr gebracbt warden* Dtneldii 
aotttea die geeanifa Veiteger eofcreifen mid in liblfntobon Stfdtm ge n efn a cbeftHc li 

PvUtknm in regelmfari^en Vecanetatamigen die beaten nenen SebSpfitngen dor |e- 
nrftfgen Sateoo In rorxBgHcber Attafftfentng YnrtnfBbmi* Hin mag Met t^vciAni 
daa* Juben wfr doch invert Eoiuertftt 

▼eon wir dte Koraertprngramme dor griaaten detttacben StMti dttrctiaaen* no 
mfltaen wlr gesteben, daea die AuaU neuer Verba (andean veracbwbideiid tat. 
Saben *if die Ptqgrainm tni die Ktofennuelk u, die KUfeeeUcfa bd der Alternates 
belt daa grffeste Intereeee erragr, no Bind dte Hamcn sener Kompooiatnn bald m 
attfflnu fan allgeineliieii splett tttun KBnatterwelt tamer deeeelbe. Htam fat la 
eratfcr Unle da* groat* Fnbttknm acbnM, daa snr mf btkannte Name* bin tn din 
Knnnerte gebl Im Geaang tot ea nkbt gau to addta** Abet who dent tnnen 
Nentfng *li KomponUten, der nicht pertfolkb* Bniabttngoa m efatem Singer ndnr 
etoer Stngerin bit I Br dbrfte aehten Neman acbwerttcb anf etaem Kontertprogmmm 
laian. AktiUih gebt ea anefa In dcr Knuntroittslb^ di din nudum V arelnjgimgea dieter 
An doob mtr dieXIaeatker ptegen eder beforngen. Die Orobeeter- oder Cbormnalk 
woHea #ir Wet Torttoflg an* dem SpW Uiien, di bier gnx andftre VerbfitniiM 



SttOte d« eteb mn'ntdit nrmfitllcben latetn^ dne* dleYerlegw in Hirer G«eetttb*tt 
in aUea SdUm «e nfleregmi Intthnte grindenP Aaf der ehien Soft* wflrden din 

Verlcjer geiritse Unkotten mf ileb nebmen, aber mcfa der anderen Rlcbtnng bin 
vfirde ganz richer ein bleibender Gewtnn fflr tic aai dieter Einrlcbtuog resitltieren, 
Man mag bier einverfeo, daaa dJe grtaaten Scbwierigkeiten dario beateben, daa 
Publikum, daa mliatrauiacb let, fBr ein denutlgea Untersebmen zu gewinnen. Aber 
daa dBrfte nlcbt in acbver fallen, wcnn die Kompoaiaten aetbat aicb den Verlegem 
zur VerfQgung atellen wQrdea, am Im Vereia mit berronagenden Solisten ihre Werke 
■elbat vonunbren. Venn dann Werke der verachiedenaten Autoren aua den m* 
icbledenen Verlagatnatalten, aargftltlgat auagewlhlt, an eiaem Abend dargeboten 
wflrden^ ao wQrde mlt der Zelt daa Pubtlkam bald flir dieae ^Kitnataalona mueikaliacbcr 
Rlcfatung" ebenao iu haben ae1o» wle f&r die der anderen KBnate, Urn wie rides 
atcberer and teacher vfirden dann tile Neahetteo verbreltet verden, xur Anaebmllcb* 
kelt der ZubBier, turn Beaten der Komponlaten und zum Nutien der VerJegerl 

Ungeabnte Scbltze glbt ea nocb iu beben. Dtircb den direkten Vetkehr 
iwiacben Verleger nod Amor einereelta und dem PubHkum andreraeita wflrde nicbt 
allein die Mueik, aondern die geaaniie Kuntt gewionen. 

Ratachllge zur Verwirklichung dleaea Vorscblagea den Verlegern an dleaer Stelle 
zn geben, wfirde zu welt fuhren* Una wflrde ea zur gr5aaten Bcfrledigung gerelcbeu, 
wenn dieaer Varacblag der gemeloaiinen Arbeit auf frucbtbaren Boden flele* 



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Onqinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 







bOcher 



68. Hetiirtth Haoke: Lerne stage* Volkstlimlicbe Sprecb- und Sfnglebre zum 
Selbattmterricbt Lorelet*Verlag, Berlin 1905. 
In fippfgater Austtnttung, relcb mil Kopf- und Randletaten rentier^ dnrcb eine 
Ffllle von AbbUdungen und Notenbelapielen erliutcrtt prlaentieri ilch in swei atarken 
Folioblnden von Je 384 Sefteo eine neue Scbule der Sing* und Redekunat, die den *f jlen 
ftcbon etwas in MJeikredlt geratenen kategorlechen Imperatlven elnen neuen binxulfigt: 
„lente aingenl* Der Vermaaer gibt sicb der vielleicbt etwe* tr&geriacben HofTanng bin, 
dnrcb aeln gro«e engelegtes, jede EInzelbeit dee Geiangfttudiaina berGckilcbtlgendoB 
tbeoretiacbee Work die mfiadliche Unterweieung durch eine Lehrkrift entbebrilch zu 
machen and dem Autodfdakten die Wegc vfillig zu ebnen* £r bat nicbt don Ebrgelz, 
durcb eine Ifam elgene Tbeorie das Veeen der Geetngtkunat neu zu begrfinden, t endera 
int beambt gewesen, atles bhber iuf geeangitbeoretlicbein Gebiete GeteUtefe in enzy- 
ktopldtacber V/clae zuiammcniufasien. Dleaea Streben nacb ersch&pfonder Vollstlndlg* 
keit bet ibn niefat nttr za elner, ieb mflcbte aagen, bebaglichen Breltc dee Vortrigt ver* 
anJaaat, die aucb vor rieleu Viederholangen — aoger eolchen der erllnternden BLIder ~ 
nicbt surflokacbeut, tandem Ibn aucb bewogen, neben der elgentllobea Geunglebre aucb 
die Anatointe and Phyiiologie dee menachllcben Rflrpera t die allgpmeine Mttzlktebre, die 
Miinik and Gefairdenapracbe In auaf&brHcbeter Teiee *n bebandeln, }t aogir ein muel- 
kellicbei Fremdwflrterbacb, eine Anteitung cur Italientacben Auzapracbe und eine loetin- 
mentenkunde am Scblntie beliuffigen. Der BlenenfleLes, mit dem dieter Stoff mm zahl- 
relcben QuelJen zuaammengetragen 1st — der Verhsaer niacin etwi 200 na&ibaft — ?er* 
dient die gr&sate Anerkenaung. Ob iber nicbt eine Beecbrtnkung *uf dee eigentUcbe 
mlt dem Motto „lerne eingen" amachrlebene Geblet gerede fQr eln volkat&mllcb gedacbtes 
Bacb xweckmlaaiger gewesen wire, falelbe dablngettellL Der Abdrnck der dreiiebn 
Vokaliaen fou Lablache, die der Verfaser en einer StelJe w unvergjelcblicb" noting war 
ledenmllt entbebrlicb; donn ale flberragen keineawegt Ibnllcfae Verke von Bordognl, 
Aprtle, Concone u, a. and siud wie dieee En zablrelcben billigeo Auigtben jedermann 
zuglnflicb* Zudem bletee der Vermaaer eelbat eine reicbe und zweckmlealge Anawabl 
der vieleeltigvten tecbniacben Obtingen. In der Tonbildungsfrage nimmt Hacke einen 
▼oriichtigen, auf natBrlicben Auecbauuogto begr&ndeton Standpankt eln, and die wlcbtige 
Atemtecbnlk bebindelt er mlt dankentwerter Grfindlicbkeit Vie die meiiten Geaang* 
lebrer baidlgt er der Drelregiatertheorie, will abor daa Terfinglicbe Vort Regfater ebenao 
wie die Auadr&cke Pallet* und Flatelatimme ana der Geaanglebre ansaebalten und Hast 
nnr die Bezeicbnungen Bntat-, Mittel- ttnd Kopfittmme gelten. Ter fiber die elnn- 
verwirrenden^ )t bolfnungaloven Meinungiverecbiedenbetttn In der Regliterfhv ein«o 
Oberblick gewinnen will, flndet auf Seite 162—168 dea eraten Bande* eine hflbachc Zu* 
aammenatellung der Deflnitionen bekannter Facbleute. Der elgentlicbe Lelugang der 
Stlmmauabildttng (Band II, Abacbnltt 1) iat in aebt Stufon gegliedert, die in je drei 
Monaten« Im ganzen also in zwei Jabren zu erUimmen alnd. Eracheint diner Zdtraam 
•elbat ffir eine rein acbnlgemlaae Auabildung etwaa kura, to itt er docb immer noch 



f ' " \ ilc * Onqinal from 

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AH 



DIBJIUSIK V. 11. 




verftfinitiger bemessen dt die AUniiitalfordentng von secbe und aehr I,etaj*fcra^ wo- 
derch aleb bento msncber Cbarlatui don Nimbus der Grfindlidtkeit ekhem wffl- Natftf- 
lich tout nu web in dor Gesangsfctinat nie abs; wer titer nfctt in tol tilt rter Jrium 
etnen eicliero iccbnlsctaen Grand fn legjttt vormag) eotfta Mf das Studluot Ilebor |m 
verziebtes* Folgende Hnsetbaitoa empfbble ich dor Bs^ttckilcbtlgttg bel etaer weltewrt 
Auflage. Ant S. 181 (Bd* I] Zdle 2r,alit ^Sopranos* itatt ^teaefotf* in lean. Anf 
S, 19 (Bd. II) wird bebanptet, dw der Keblkopf slcb brim Einetmen *Mk»; graas do* 
Sefte welter belsst ee, din *d«i Hocbgeben der Ztmge (bdm Einstmea) ten Keblfcopf 
unmerklkfli sit bocbxiehe*! Anf S- 106 itad 100 (Bd. lit vbd der Dotaradtied 
offiMM and gflsiiitflaifinon Seltafleatea ekierseits mid kanea and langon 
oicbt mU der nfltigen Scblffe festgebstien; ein geseblossener Voktl tana im Geaang 
knra, cfai offtmer ling sola ttnd ttmgekebrt FBr bedenklteb hslte idh w, dm Singer {n 
dm Umfcnge T ait f er fa deroftgeo sit gesttileo, wie es atif S. 225 L (Bd. IQ geecbiebt and 
mftchte eolcbe strong anf die miserabeln Opernflbsrsetzugeb (vie Fanst, Cinnat, Migmm, 
Aide ** «,) besebrtnkt wlsten, Mosarteche, Sebnbartsche, {trtbamcbe Origlflahexte 
mfiaeten selbet Mi ktefauo Atemnftten trad unbeqttemen Koneonantetibittfangen Jedem 
Singer ttnenlaetber seio. Ailfoehhiog dfirftn auch die fltr das Kopfregtster dor MliMep» 
sttmmea berecboeten Obnngen erfefcren, da vohl die Mebrzabl der beotigen Gesangfebrer 
mitJalinsSioefcliaaaen die Anticfet teflt^ dtw dlemlnnticbe Kopktfarae eiuennetbodtebw 
KBnstletiaefcen AnaNtdwg unzngfatgiicb In* Aber nel Ding* recbne icb dem Verftsser 
tmbedingt mm Lobe in, wodnreta er eJcfc wrfialthaft m „berftbmten Maatara* ttoter* 
ecbeidet: diet er nlcbt da* nnsinnige Klagelled fiber dee angebUcben Verhn der bentigen 
Gesaigskunat anatimmt, nnddaas erakht ale efatdfee Allbeflmlttfil Ittt afle fetantfchea 
SebldM der Gefenwart aetoe eltene Tbeorie aoapoaarat, aoodera auch fBr daa, wn 
udere anf dteaem icbvterfgeii Geblete berefts w ibm geleiatet Uaben^ ein Vert der 
Aeerimusnt tadet Brnet Tolff 

m. Th* von Frlmmelt BeetboTtn^Stadlon. L Band: Beetboreu iane^e &w 
scheitiung* Seine BUdniue. Verlaf: Georg Mflller» Mfincben* 
Wean der Beethorenfoncher and der Kunetbistorilcer Tb. von Frimmel la 
eioem Beetbovenbucbe akb die Hand re[cben } eo kflnnen wir akber *tin> elne in sacb* 
Hcber Hinitcbt wertrolle Cabe iu empfangen. Und gerade die Leser der p Masik" warden 
dleie Beethovenatudlen des geacbltzten Gelebrten lebbaft begrQssenf nachdem tie fiber 
dei Meiatera laitere Erschelnung durcb elne reicbe Zibl von Nacbbildungen in dieeer 
Zeiticbrift anterricbtet warden slnd* Si« kSnnen nun beqaem rergleicben und werden 
mil Intereiie aui Frimmeli Umerancbnigen entnebmen, welcbe Merkmile nStlg lind, 
urn die Abnllcbkeit elnea BeetboTenbildea fe^tsteLIen zn kfinnen, Nicbt viel DaiBteUungen 
Bind e», die Frimmel zum Gegeoitand seiner kritiscben Betracbtungen macbt; denn er 
wlhlt nnr diejenigen, die zur Lebenizeh Beetbovens entstinden sind, und er wfirdigf 
untar dieseo wiedentm dei ntberen die Bildnlsse, die nseb dem lebenden Original ge- 
malt wurden, SomJt bleibt der KreJs naturgemgss ein geringer. Aber was Frimmel sagt, 
und wie er seine Beweite fSr Oder gegei die Atanlicbkeit ruhi% zeigt uns seine ausser- 
ordentlicbe Konntnis der Msterie* Das Result*! seiner klar, leidenschiftslos und obne 
Abschweifttngen gegebenen Forscbungen 1st fQr jcden elaigermassen Vertrauten natiiriicb 
dss, dsss die Franz Klein eche BeethoTonmiBke, die fiber dem Antlitz des lebenden 
Melsters iro Jabre 1812 in Gips tbgeformt wurde und die darauf der Kleinscben BQste 
zum unmlttelbaren Modell dfente, das weltsus IbnHcbste Bild lieferte. Sic, die all- 
beksnnte Bfiete bildet fur di« BeurteiLnng «Uer nsch 1812 sntstsndanen Bildnisse 
Beetbovens die beste Unterlsge. Von den fibrigen DarsteiJungen bewertet Frimmel dss 
Schimonscbe (1818/19) und dsnscb das Stlclerscbe Portrlt (1819/20} sis die braucbbarsten. 



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335 
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN) 



Hoffentlich — und das ware mehr als wunschenswert — lfisst der Verfasser in einem 
Erglnzungsbande die hauptsichlichsten Bildnisse des Meisters, die nacb seinem Tode 
entstanden sind, Werke wie die von Hihnel, Knoll, Dake, Zumbusch, Michalek, Stuck, 
Flossmann, Netz, Seffner, Klinger, Masseau, Landgrebe, Aronson u. a. ebenfalls Revue 
passieren. Dann batten wir das Werk uber Beetbovens „lussere Erscheinung" vom 
Datum der ersten Silbouette 1786 bis auf unsere Tage. — Dem reicb illustrierten Bande 
bat der Verlag eine vortrefflicbe und wurdige Ausstattung zuteil werden lassen. 

Richard Wanderer 

MUSIKALIEN 

70. Joseph Joachim und Andreas Moser: Violinscbule Bd. 3. Vortragsstudien 

(English translation by Alfred Moffat). Verlag: N. Simrock, Berlin. 
Dem ersten in Bd. 16, S. 441 if. gewurdigten Bande dieser grossartigen Violinscbule 
ist zunSchst der dritte Band gefolgt, der ganz besonders Verbreitung flnden durfte: entbilt 
er doch 16 Meisterwerke der Violinliteratur, die Joachim fur den Vortrag genau bezeichnet 
und auch mit Kadenzen versehen hat. Es sind dies Bachs a-moll Konzert (dessen Finale 
ubrigens nicht durch eine Kadenz bereichert worden ist) und Doppelkonzert, die A-dur 
Sonate von Handel und die Teufelstrillersonate von Tartini, beide mit einer neuen von 
Joachim auf Grund^des bezifferten Basses bergestellten Klavierbegleitung, ferner folgende 
Konzerte: Viotti No. 22, Kreutzer No. 19, Rode No. 10 und 11 (nicht No. 7 in a-moll), 
Mozart in D-dur und A-dur, Beethoven (mit doppelten Kadenzen fur jeden Satz), dessen 
beide Romanzen, Spohrs Gesangsszene, die Konzerte von Mendelssohn und Brahms. Zu 
jedem dieser Werke hat einer der beiden Autoren eine Einleitung geschrieben, besonders 
wertvoll ist die Joachims zu den Konzerten von Mendelssohn und Brahms. Selbst- 
verst&ndlich sollte und konnte nur eine Auswahl der Meisterwerke getroffen werden. 
Oberrascht bat micb, dass kein Konzert Vieuxtemps', Bruchs und auch nicht Joachims 
ungarisches Konzert Aufnahme gefunden bat; ich hatte sogar auf Lalo's Sinfonie espagnole 
und Saint-Saens' h-moll Konzert gerechnet, deren Aufnahme sicherlich ohne grosse 
pekunilre Opfer an die betreffenden Verleger moglich gewesen w3re. Ein Rodesches 
Konzert hfitte wohl genugt; dass sogar zwei von Mozart, dem als spezifischen Geigen- 
komponisten doch keine Bedeutung zukommt, aufgenommen worden sind, erklirt sich 
daraus, dass Joachim diese Konzerte immer gem gespielt hat. — Recht wertvoll sind die 
den Band beginnenden 10 Aufsitze Mosers vom Vortrag; besonders beachtenswert er- 
schelnen mir seine Ausfuhrungen uber die Ornamentik. — Die aussere Ausstattung des 
Werkes ist ausgezeichnet. Wilhelm Altmann 

71. Hector Berlioz: Werke XVI. Bd. Ges&nge mit Klavier, 1. Abteilung. Verlag: 

Breitkopf & HSrtel, Leipzig. 
Berlioz mit Klavierbegleitung — dass das (mit wenigen Ausnahmen) ein Unding, 
einen Vogel ohne Flugel bedeutet, das wird auch der zugeben mussen, der den genialen 
Franzosen so gut kennt, um in ihm, wie noch vielfach geschieht, nur einen rafflnierten 
Instrumentationsvirtuosen zu sehen. Denn abgesehen von solch einseitiger Wertschitzung: 
das ibm eigentumliche Organ, das spezielle Ausdrucksmedium, dessen er bedurfte, um 
das zu sagen, was er zu sagen hatte, war fur Berlioz das Orchester. Ohne Orchester ist 
Berlioz nicht Berlioz; was nach Abzug der Orchestereinkleidung von seiner Tonspracbe 
noch ubrig bleibt, ist meist ein kummerliches Fragment, oft auch in dieser Form noch 
sehr interessant, aber selten wirklich befriedigend. Die Zahl der Geslnge, die Berlioz 
original mit Klavierbegleitung geschrieben hat, ist nicht sehr gross; das meiste und be- 
deutendere davon hat er wenigstens nachtr2glich instrumentiert. So kommt es, dass der 
vorliegende Band, der Chore und Stucke fur drei oder zwei Singstimmen mit Klavier- 



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bqflettmg entblh* bi dm earner dm oriytttalBaviefbegleltsten Gestagen 
atjbeittuigftii euligeAOmmen wordm stud, bei dmm die KtavierbegteJtttey mn BerUfc* mUn(I 
herribxtt swar wr VetvottsttadJgttng *« Qosf mt s jM fi fo *otirend% «tr f Air Qp aft- 
gmictik$& wmtyor Benteffcenewartei wd emdrftBfcHch Hemftuhebeada* bicfst im 4tjp 
meiftm seiner Vorgftftger* Vm dm rtf CWreu md ahbm KonHPetn Iftg Sojoadoawfii 
dfirften der ,GeUtHcbe Gcaaog* im den »lrisehen JU«todlea* t OptaeSm tod mi »TOaffa* 
mid die HufOtehe Ballade *3arah fan Bade* (op, 11) die beacht ens w artoeiw md kflset* 
lertoh mrtveUatan sefe* Untbfeacbrliifctei Lob verdleet meh bei dieaem Bande fl« 
SoqJUt ud GewIseenhaJtifkeft der Hefiftsgeber <Cb. Mel her be wd F, Welagertnef), 
deagfrfchen die von Bam Klingeafeld beaorgte deufscbe Obo ra e tmw g der Tort* 

JUdelf Louie 

72. Max Jentaeli: Vlerselm Liede r lltr eine Sfngpttmme mil Mavierb agioltuj ig, 

Vetfeg: Otto Jtiun, Leipzig. 
Dteee Gestnge aind fast darcbweg auf desaefben etwas mdaacfeeHsdi vemritmae- 
fliwea Ten goetimmt 8le haben Us ntf swei ela nttigea, melet laogsamee Temper 
rteuo We mf swei tefl* recht nmlaagrefcke Vor- and NachepMe geveifteain* Nach der 
nansikaHsch techntscben Seite bin seigt rich der Eompontet ate ein mit dem mtwendJgm 
RBetseug Wohlvemauter* J^ die Geeinge euchcn mf den objektiven BeurteBer mgir 
dm Etndtitcfcj die babe def Komponist In besug mf daa HereHsarteftem dm pmSaAm 
jfflnfmun gsg fl h altftt dm Beete en sos l refrt Biafge Momeiite gebeo damn eln gtBctdtchea 
Zeugnle, Im gmem fedoch feoarat Hn Jentech nlcht tter els fete InstafUcbee Bm- 
ptndm Mnam. Urn wrmtaet an setam Gestagen wr iltein die Keratitis der g* 
tchfcfcten Yerwapdtmg dor Slngetlmme* eowlo nine loglseh cbaraktefWermde Defctemntloiir 
Htefdiifcb tommt ea, dam Stngstttimo md Klavtefcagltoftmft After oebenotoanderiieftottfaed, 
aich fegautftti w ftaldoeer rarasanaaactosrei herebwflrdigeiL Wie wealg Keoiittia 4mt 
Kontpoafat rai der LetatnmaimifcBtt der Slugetlmjite, Inabeaendefe dm Alrau, aovto 
vu etoer abmfmlaam daUamatoriacbeo Pbraatemtf hat, ndgm etafn Bdaptele bo* 
▼risen: am Scblosee dm Lfedm »Ntm xe| dabla" macbt erdism and Wr ateh nebm- 
aicblJcbe Tort v iurfickgetra(ea* nlcht allein sum Trigcr einer im Tempo ^lmfiam" 
dahiaecbleicbenden Melodfe, soDdern verliagt such noch von dem Slnfer die Wort- 
pfarasferung M n«r icbnell jurQckgetr^en* In einer Ausdefaounc fiber voile vier Tskte, 
Eb ▼firde mir ein beionderes Vercnfifen bereiten^ die Singer and Stngerinnen iu sthlen^ 
deren Atem dleie Phrase ao bevUtigt, wle der Kompoalst lie gedicht hat, In dem Liede 
v Iu der Mondaacbt" scbreibt der Tonsetzer itatt dea aich gans aelbatverstladUch gebeaden 
% Takt einen */* Takt vor und verse rrt dadurch die Djchtung in chartkterlaser De* 
klamation. Ebenao Uegt der Fill In dem Llede H Tlndelel% das sonst in der Erflndung 
eine Rethe hfibseber Einzelhelren mfwcUL Aucb Id dem pSonnenantergaog" 1st der 
gmze Schlu$B bflchst nngeschlckt Kuri, ea 1st hst In Jedem Liede veracbiedenes zu 
monieren, was bei diesem KeniponlBten am so bedauerlicher 1st, ala er anscbeinend das 
K8nnen dazu hst, besseres zu leisten + Mdge Mmc jentsch vor weiterer Heransgtbc von 
Liedern m Kunatwerken wle Hugo Volfs p Anakreons Grtb" oder v Auf einer Tandemng" 
ttudicren, wie aich Dichtung und Musik id eln em Ginzen zu vcrscbmetzen baben, urn 
kfinftig alien Anfordcrungen gerecht zu verden, die die muslkallsche Welt m das 
moderne Kunztlied atellen muss. Adolf Gdttmann 

73. Josef Krug-Waldeee; Sonste in c-moll ffir Pianoforte, op. 38. Verisg: 

Breltkopf & Hftrtel, Leipzig. 
Eln wenig wertvolles Werk. Die Tbemen und Gedaakeo — unbedeutend und 
physiognomiefos — zleben am Obre vorfiber: niemsnd zulicbe, aicmsnd zuleide. Die 
koroposltorltche Arbeit zeugt von Geschlck und Routine, Walter Fischer 



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MOZARTIANA 

KUNSTWART (Munchen) 19.Jahrg., No. 8. - Ein Mozartheft! Richard Batka feiert 
Mozart nach Wagners Ausspruch als den „Licht- und Liebesgenius der deutscben 
Musik*. Man geniesse seine Musik, obne darum die Cuter anderer Meister zu 
missachten. „Mozart ist uns in gewissem Sinne nicht nur ein Gegenpol der 
neueren Richtung, um uns im kunstlerischen Gleicbgewicbt zu halten; er ist in 
vielem Betracht doch wieder auch der Vater der Moderne." — Ausserdem: Stellen 
aus „Mozarts Briefen a und „Stimmen uber Mozart". 

BERLINER TAGEBLATT 1906, 22. Jan. — Wiliielm Georg verdffentlicht eine Urn- 
frage: ,Mozarturteile moderner Musiker". U. a. schreibt Willi Cronberger: „Es 
heisst: In der Religion: Jesus Christus, in der Musik: Mozart, in der Dicbtkunst: 
Goethe". — Interessantes bringt der Aufsatz von Camille Mauclair: „Mozart im 
Urteil des jungen Frankreich". Durch Wagnerismus ist Mozart lange Zeit vergessen 
gewesen. Erst nach Eintritt einer ausgleichenden Reaktion bat auch er wieder all- 
gemeine Bewunderung hervorgerufen. Seine symphonischen Schdpfungen stehen 
in weit hdherer Gunst als die Opera. So bleibt der „Don Juan" fur den grdsseren 
Teil des Publikums ein „Ratsel*. „Es entdeckt darin nicht die geringste Tragik und 
ist im h&chsten Grade uberrascht, dass Mozart sich in dieser Form musikalischer 
Dichtung versucht. . . . Mozart erscbeint uns Franzosen als der Meister des Neo- 
klassizismus." — Egon von Komorzynski: „,Die Zauberflote 4 und die iltere 
Wiener Zauberoper*. Verfasser fuhrt aus, wie „der Text der ^Zauberflote* ein 
Machwerk, die Konzentration alles dessen, was das Publikum fesseln konnte", durch 
das Genie Mozarts zum „Kunstwerk" erhoben worden ist. 

NEUE BADISCHE LANDESZEITUNG (Mannheim) 1906, 17. Jan. - „0ber Mozarts 
Kunst," zur Mozartfeier des Bachvereins zu Heidelberg, berichtet Philipp Wolf rum. 
Zu der bevorstehenden Feier hat der Verein „eine Reihe von weniger oder nicht 
bekannten Partituren hervorgeholt, um sie lebendig zu machen*. 

BRESLAUER ZEITUNG 1906, 23. Jan. — w Wie sah Mozart aus?" In lebensvoller 
Skizze bescbreibt der mit C. K. unterzeichnete Autor Mozarts ftussere Erscheinung. 
Der sonst bescheidene, gGtige Mensch wurde oft tief verletzt, wenn man .wegen seines 
nucbternen gleicbgultigen Aussehens ihn nicht genugend beachtete. Der leicht 
versdhnte Mann konnte unerbittlich werden, wenn jemand uber seine Gestalt und 
seine Zuge sich absprechend ftusserte." 

NEUE MUSIK-ZEITUNG (Stuttgart) 27. Jahrg., No. 8. — Aus der Reichhaltigkeit der 
interessierenden „ersten Mozartnummer" seien folgende AufsStze erwSbnt: Friedrich 
Kerst: „Aus Mozarts Leben". — Karl Grunsky: ^Mozarts Kirchenmusik". — 
Richard Batka: „Mozart und wir". — Karl Reinecke: „Die Mozartschen Klavier- 
pbantasieen". — E. v. Komorzynski: „Mozartlandschaften a . 

SCHWEIZERISCHE MUSIKZEITUNG UND SANGERBLATT (Zurich) 1906, 
No. 3. — Karl Nef veidffentlicht zum Mozartjubiiaum den lesenswerten Aufsatz: 
„Mozart in Zurich und Mozart als Komponist volkstumlicher Chorlieder". Originell 



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DIB MUHK V. 11. 




lit die modorgaba elaer Anxeige, »wia eta Konzert daa ▼tmdertniaban Motwl 
aagafcBndlgt warda", (Frank! »- M., 30. Aug. 1783.) 

LB COURRIER MUSICAL (Pari*) 1906, No. 2-- Ana daa nosh vorarBfeodfcfetca 
Ruche von Camilla Belialgae: *Motart" wtod eta Aottati abgadroett: JUtanm 
at le genial »Dana l'lmmenie dontafne dee aoaa, U n*jr * peei*lwi rian d© pin* 
dftlicjeux i roreflle qtf tine phnee da Mozart , , , La comprendre art ue Joie at 
tfeet one voloptf de Pentendre*. — Sebr lniereaa«nt let dar ArfkeJ von Chariea 
MaLherbe: JHoiart et la catalogue da aea mum**, dar auth fiber dan Verbletb 
dar Mozsrteeben Autograpben bertehtet, — Ferner: Haniy Ganthier-Villnre* 
»A propoa da la »Fiate Enchantee"*. 

NEUE FREIE PRESSE (Wien) 1908, 21. Jan. - In etaam mlt ▼, ttntarrdeineteii 
Artikel .Mozart* irtrd daranf UngewleaeA, wte bedanerlJch aa ad* Mazait nidit 
mate »lm Mlttalpoufct dee Bflbfitikben Mtiafklebane* an aafcen, Ibn nioht mebr ala 
da „ftetiadllcheit» tbatill gefwwlrtigaii Hatugeiat dar detttechen Fejallle* an 
^ fludan, — Ofaar .Die Bedentuni Manila fftr dia Geaangpknnet* Inaaart zteh Pedro 
GeUhard, Dfrakfar dar Groeaen Opar in Parto, v Tar Mozart eftngan kaon, deal 
btetat Vaguer kaine echTere Anrgabc Wer Jcdocb tn VafnarriUen (Hut, feat 
twrth lange nldrt daa Zevg ram Muartfnger.* — Bdvaid Grieg; JHhmrt vnd aalme 
Badaotttng Br dla mnefkaUeebe Gegenmrt** ^Ibr nenen Maiatar, varum ouch 
mlt dfaaar loeaemi VOrda pemern? Dte ifcktet doeb nlchte I6r ewe Kooat ana, 
fan Gcgetttetl, ala tftet nvr dia wabre ttenacfeltclikaJ^ vaMba ancb «r da Ktmat 
daa wahre Salt let* — Ancli R. La an oar alia nsd Pfetro Maacagnl tneaern alch 
ar Mezartfeier, 

DER TAG (Berlin) iG06> aa Jan* — »SSnm Mozartfeete* von Heforfah Welti, Vai^ 
taster fflhrt ana* wla »daa Weeen dar Mozartsehen Mnatk arit dee Kfinadata 
BHUmftagen eefcr varacbleden er faaet, cakamuaUhnat and gadantat vordea eel*. 

BERLINER bORSEN-COURIER 1908^ 27. Jan. - L. Siagfriad vcrfiffentlkht In dam 
ArtikeL: H Neties Qbar Mozart* ein bUhcr unbakanntas Dokumantt daa inraraaianta 
Aubalchnnogan fibar Mozart entbilt „Ea lit dlaa dar Anfaatz elnaa VIener 
Dlchtara^ daa damali vlelgaleaaaan Halnricb R, von Levhachnigg^ wekbar En 
dam Muienalmanacb t Orpbaui' lm Jahre 1822, alaa 31 Jabra nach dam Tode 
Mosartt^ arachlan*" Dar Dkbtar bazlebt slcfa daita unter Nimenanannnng auf zwei 
ihm bafraundeta PeraSallcbkeitan, # walcba In Innigcm pareSnllcben Verkabr mit 
Mozan geatandan baben*. 

MUSIKAL1SCHES WOCHENBLATT (Laipzig) 1906, No. 4. — Wllb, K lee re Id 
tcbrelbt unter dam Tltel v Mo»rt und dia mutikalltcban Frauen* fiber daa Llabas- 
laban Mozarti, Nlcbt H dar luiaera Rciz war as, dar ibn lockte, tondani in arater 
Llnle die k&naderiBcba Tellnahme, die roaaikaJIscbe Anragung, die von den ihm 
nabaatabanden Franco maglng*. — Ferner: .Zwel Scbarzkanona von T, A. Moian* 
(mit einem FakainiHe), mftgateilt von C* K* 

K6N1GSBERGER HARTUNGSCHE ZEITUNG 1906, 2L Jan. - w Mozart" von 
Max Oembskf. — In dam Aufsatz „Mozart und die Kunst des Rokoko" 
■cbreibr Pkal Landau u. *.: v Dar achwebende Duft Watteauacher Farbcn, die 
allbrlg schfmmernda Harmonic Belner TGne kehrt wleder In dem laise vibriercnden, 
gedlmpften Klang dea Mozartacban Orchesters, t , , Auch die Gefuble der Sing* 
atimme luaaern alch bel alkr Elnfachbeit In elner so gluhenden LcidenschiftlichkeJt, 
ainer ao berauacbenden Fulle, wie nie zuvor. Daa, was die Anflnge daa Rokoko 



■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



339 
REVUE DER REVUEEN 



erstrebten, die voile Unmittelbarkeit des Gefuhlstons, das ist bier erreicht.** — Willy 
Widmann: „Denkwurdige Mozartauffuhrungen in Konigsberg**. 

THEATER-COURIER (Berlin) 1906, 26. Jan. — w Aus Mozarts Leben, rt biographisctae 
Skizze von A. Gg. — Kurt Baiseler: „Die Frauen im Leben Mozarts**. Julius 
Urgiss: „Mozart uber die Oper tt . 

ILLUSTRIERTE ZEITUNG (Leipzig) 1906, No. 326S. — Eine reich illustrierte, 
wiirdige Nummer zum Mozartjubilaum. — Arthur Smolians Gedenkworte: 
B Wolfgang Amade Mozart** bieten dem Leser „Mozarts Leben in Bildern" dar, das 
„anschauliche Befreundung auch mit dem Menschen Mozart, mit seinen An- 
gehorigen, mit seiner Umwelt und mit einzelnen Verberrlichungen des Meisters in 
Malerei und Plastik ermoglichen soil**. — A. von Winterfeld erzahlt, „Wie Mozarts 
,Don Juan* entstand**. 

FRANKFURTER ZEITUNG 1906, No. 20, 22,25-27. — Hermann Gehrmann ver- 
offentlicht einen anregenden Aufsatz: „ Wolfgang Amadeus Mozart**. Verfasser 
wurdigt die rein menschlichen Eigenschaften Mozarts, sein „ehrlich-offenes, gut- 
mutiges und beiteres Naturell, sein Bedurfnis zu lieben und geliebt zu werden, 
seinen ausgeprSgten Sinn fur Freundscbaft**, und bespricht sein Schaffen auf dem 
Gebiete der Instrumentalmusik und der dramatischen Musik. — Egon von Komor- 
zynski behandelt unter dem Titel: „Zauberflote** und „Oberon** die Entstehungs- 
geschichte des „Zauberfldten**-Textes. — Edgar Istel: w Im Zeicben Mozarts**. Ver- 
fasser spricht u. a. den Wunsch aus, dass die Gedenkfeier fur den Meister, „dessen 
lichte und klare Kunst, dessen lautere, reine Personlicbkeit einzig geeignet sind, 
unsere Zeit, die sich einem leeren, hohlen Geprange zu ergeben Gefahr lSuft, 
zum Bewusstsein ihrer selbst zu fuhren**. — Originell ist ein von C. M. publizierter, 
unbekannter Brief Mozarts an die Baronin von Waldstadten. — Richard Beer- 
Hofmann: „Gedenkrede auf Wolfgang Amade Mozart. 4 * — Alfred Borckel bespricht 
w Mozarts Beziehungen zu Mainz und seinem Kunstleben.** — Josef Rutzinger: „Aus 
der Mozartstadt**. Verfasser befurwortet den baldigen Bau eines wurdigen Mozart- 
hauses, in dem vor allem die kostbaren Mozartreliquien eine sichere Aufnahme 
finden. 

LEIPZIGER ZEITUNG (Wissenschaftl. Beilage) 1906, 27. Jan. — „Zu Wolfgang Amade 
Mozarts 150. Geburtstag** von Arthur Smolian. Verfasser bezeichnet ihn nach 
Deutung des Begriffes „griechischer Geist** als w Hellenen unter den deutschen Ton- 
dichtern." . . . „Der philosophierenden oder dramatisierenden Musik des 19. Jahr- 
hunderts steht Mozarts naiv-vorstellungsfreudige und bei tiefem Gemutsbeseeltsein 
durchaus formenschwelgerische Kunst als letzte und vollkommenste reinappollinische 
Musik gegenuber.** 

THEATER-ANZEIGER (Munchen) 1906, No. 5. — Ein Stirnartikel: ^Wolfgang Amadeus 
Mozart** zum 150. Geburtstage. 

DIE GEGEN>y/ART (Berlin) 1906, No. 4. - „Wolfgang Amadeus Mozart" von Adolf 
Heilborn. Verfasser kniipft in seinem Gedenkaufsatz an Morikes Meister- 
novelle an. 

NEUE FREIE PRESSE (Wien) 1906, 21., 27., 28. Jan. — Ein beachtenswerter Beitrag 
zur Mozartfeier ist Julius Korngolds Aufsatz: ^Wolfgang Amadeus Mozart**. „Bach 
ist eine Uberzeugung, Beethoven eine Religion, Mozart ist die Liebe.** In lebens- 
voller Art schildert Verfasser den w immer heiteren, leichtlebigen, graziosen Mozart, 
den Mozart tSndelnder Rokokomusik* 4 , der w in der Welt lebte 4 *. . . . Mehr als je stehen 



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DIB MUSIK V, It 




Moiwt ttod Vsfner fronts gtrabftneffliflder** Bbf interessanter Bitttnnppatt 
iwlsoben belden 1st die PWft Dtwr ,tmbodiott«n Orittatttit: n koine* ran baHon 
knflpft oich eftie lebensflQrifcB Scheie u 1 , — Rtcbsrd Straus* Ineeoft rich spin 
MoxartJtibUlttm il a*: *lfm Mosul* Kttnef is proton, dwelt geMrtdl* btoreissoede 
Beredsunkeft ofnoo Ricbard Ttcner odot dm d'Aaniutiio* Icgi star taum metoe 
tnnorrtsn Empfindunien nor in Noten, ttlcfct In Wtaten nosspndiea,* ■— BtmWm 
Hnbormonn sebreibt Bber »MoMrt ill /Vnndoiilnd 1 *. 

HAMBURGER NACHRICHTEN igofl^ 9k Jan. — v Eta MoxartevaagdUst* botfWh 
tlA rfn Antatt Ftettfnond Pfahls, in d*m or in dent fiturite Sdren Kiorfco- 
l*srd*s: *Entwrder — Odor* tntsrfaalorendt Mitteiltragen sas dem .Dm Joon- 
K*$iMfc* de* finches sastiht In faraiftfnr Beriebunf tu dem Mo UW w or fc Mozart* 
uafeend* verk&ndot «t da* Ew&mm Mount. »D*s* es tl» Don Jnao-Kommootar 
kautn tohiesgletcbea fast, sttht feet* 

NEUES TAGBLATf UNO GENERALANZEIGER FOR STUtTGART 1906, 
2& Jan. — Alexander filoenmann bescbrellp *Mowt in oehion Bri**ra # t tortor 
Anl&brong efafger Zttate- 

BAD1SCHES MUSEUM 1«M> No. a - Aug, Scbenermanm „Mozert nsd Mano- 
helm". Verfiiseer bespftobt die Ajttetlntbmt Mozart* bel setaem iettveUifea 
AoteniftOlte In Mmnhriw 0f dan dorttge Ktmsttoben* 

E13LEBENER TAGEBLATT we, 36, J a — ,Volfrnf Amadetu Mown- ran 
C Horde** 

MflNCHNER NEUESTE NACHRICHTEN 190* 23^25. Z7. Jan, - Felix MottI 
flber Munrt; * £r 1st 4s Moaiksr to mfrerseU vie Goetii* *I* Vettveloefl Vofaln 
Gumbo dmtik seine VMibeft geteiift 1st (let eprecbe nJcbt von dem Dictator, oon- 
dotn tod dem Donfeor Goetbe), dabfn 1st Mostrt dttrob setae gdtflicbo ,Gnwoitliett* 
gedrtinfso. Hr «sr sozmfen die Mnstk oslbttl* — Qatar Mer* vflrdfft in setoem 
Artikek »Zn Mozsrts ISO. Geburtstsge* des Meister* Bedevtung sis Drsmatlkor* — 
Rudolf Louis scbrelbt ,Zu Mozsrts ISO. Gebunstag* flbor „Mozart sis Instra- 
mentalkoroponlsi*. — .Zur Gescblchte der MozanauffBfarungen la Bsyern" von 
W. Tldmsnn, 

MAGDEBURG1SCHE ZEITUNG 1906, 26\ Jsn. - ^Moisrt und die Klsssiker* Inutet 
ein mft P. L. unterzelcbneter Aufsitz. Verfasser bebsndek dirin boaonders Goethes 
Stellung xu Mozsrt, .der zuerst else reine TQrdlping seines Genles fsb*, 

BERLINER LOKAL-ANZEIGER 1906^27. Jsn.- Ferrncdo Bu son I iusaert sicb iur 
Moisrtfsler In Apborismen. s Er lit bisher die vollkommenste Erscbcinung musi- 
kaliscber Begsbung,* , . * w Er ksnn sebr vleles ssgen, sber er sagt nie tu rleL* . . . 
„Seln Genfit 1st nkbt rein sus UEkenotofs,* U. a, m. 

GERMANIA (Berlin) 1906\ Z& J«n. - .Moisrt sis Vlrtuose* > efn Artikel, Id dem 
besonders Moxarts Melsterscbah sis Klarierspieler gewflrdigt wird. 

TAGLICHE RUNDSCHAU (Berlin) 1906, 26, Jan. — Tllbelm KleeTeld scbrelbt 
Sber »Moisn alt Kritiker** .Die Ucbenswurdige UmgsDgssrt Mozsrts brmcbte es 
mlt slcb, dass er selten von vombereln tadelnd oder gar abweisend bervonrsL* * . * 
.Unerbltrljcb 1st der Krltlker Moiart auf der anderen Sette gegen die Selbstfiber- 
bebung der Mittelmlsaigkelt." — Tilly Pastor: .Mozart". Ein lesenswerter Auf- 
srnti, der sicb im wcxcmltchen mil der .muaikatischen Macbt, die Moiirt hetsflt", 
bcachlfrlgt, und das Neue andeutct, v dss durcb diese Macbt Id die Musikgescfalchte 
bineingekororoeo 1st*. 



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341 
REVUE DER REVUEEN 



VOSSISCHE ZEITUNG (Berlin), 20., 26. Jan. - „ Wolfgang Amadeus Mozart*, eine 
kurze Betrachtung seiner menschlichen Eigenschaften von Franz von Hen nig. — 
Beacbtenswert ist der Artikel: „Mozart als Freimaurer" mit A. M. unterzeichnet. 
„Hatte Mozart als Mensch vieles fur sein kurzes, aber ausserordentlich inbalt- 
reicbes Leben von der Freimaurerei empfangen, so gab er dafiir als Musiker, viel- 
fach zu freimaurerischen Kompositionen angeregt, reiche ScbStze seines schier 
unerschopflichen Genies." 

HAMBURGER FREMDENBLATT 1906, 28. Jan. - W. Widmann berichtet uber 
„Denkwurdige Mozartauffuhrungen in Hamburg", das sich ruhmen darf, w den 
Mozartopern gleich bei ihrer ersten Einkehr Verstandnis und Liebe entgegen- 
gebracbt zu haben". 

PRAGER TAGBLATT 1906, 27. Jan. — Rudolf Freiherr ProchSzka: w Mozart in 
Prag a . — Ritter von Bel sky: „Der Prager Mozartverein". 

DANZIGER NEUESTE NACHRICHTEN 1906, 27. Jan. - J. Haydn beschreibt 
in anmutiger Weise „Mozarts Jugendfreundinnen und erste Liebe". 

RHEINISCHER KURIER (Wiesbaden) Beilage, 1906 No. 46. — Paul Ehlers scbreibt 
„Zu Mozarts 150. Geburtstag" uber das „Geistreiche" in seiner Musik, die dadurch 
„vorm Gemeinwerden" geschutzt werde. . . . „Mozart war als Komponist vollendeter 
Aristokrat." — Franz Wilke: „ Mozart und die Grossen". Verfasser schildert 
Mozarts Beziehungen zu den Hofen Europas. 

NEUES WIENER TAGBLATT 1906, 27.Jan.- Max Kalbeck weist in seinem Aufsatz 
„Mozart w auf die „kosmopolitische Bedeutung" seiner w vaterl2ndiscben Kunst" hin. 
Wir sollen „eingedenk bleiben, dass Mozart seine Universality fremden Vdlkern so 
gut wie dem eigenen zu verdanken bat". 

KOLNISCHE ZEITUNG 1906, 27. Jan. — Hans Pfeilschmidt berichtet uber den 
„Text der KoJner Erstauffuhrung des ,Don Juan'". Verfasser erwahnt die ersten 
„Verdolmetscher" des Textes: „Schmieder" und „Gottlob Neete" und gibt zur 
Illustrierung ihrer Leistungen einige amusante Versproben. 

KLEINE PRESSE (Frankfurt a. M.) 1906, 21. Jan. — Ein mit S. unterzeichneter, 
illustrierter Aufsatz: „Wolfgang Amadeus Mozart", zum 150. Geburtstag des Meisters. 

BOHEMIA (Prag) 1906, 27. Jan. — Felix Adler schreibt uber „Mozart". Verfasser 
warnt vor einem ubermSssigen Mozartkultus und einem „Mozart-Bayreuth und 
-Tempel", da es nichts Widersprechenderes gabe, als „Mozart und die Tempel- 
kunst". — Mozarts „Parsifal" sei die „Zauberflote". „Man klage nicht mehr uber 
das ,uns!nnige' Buch Schikaneders. Es ist im kleinen Finger musikalischer als 
der ganze Parsifal." [!] Beweis dafiir: „Was Mozart daraus gemacht hat." 

PUBLIKATIONEN DER KONIGLICHEN AKADEMIE DER KUNSTE (Berlin) 
1906, 27. Jan. — Carl Krebs: „Mozart". Verfasser fuhrt darin aus, welche Stellung 
Mozart in seiner Zeit als Kunstler eingenommen hat und in welchem Gegensatz 
er zur Gegenwart steht. 

BERLINER BORSEN-COURIER 1906, 28. Jan. - A. Kohut behandelt „Mozarts 
Humor". Verfasser fuhrt einige Stellen aus Briefen Mozarts an, die in alien 
Lebenslagen neben „Ernst und Wurde" einen „erfrischenden Humor" zeigen. 

LEIPZIGER TAGEBLATT 1906, 26. Jan. — Eugen Segnitz bespricht in seinem 
Artikel: „ Wolfgang Amadeus Mozart" Mozarts ausgesprochene Richtung auf das 
„Schone, auf das Gleichgewicht von Natur- und Kunstbewusstsein und edle Sinnlich- 
keit", die ihn vor allem im „Weltlichen seinen eigentlichen Wirkungskreis" flnden 
V. 11. 23 



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DIBMUSIK V. 11.: 




~ Bgpn tou Komoriynekh ,V«n tor jHntflUttnn^ en 
Vmheaer erkllrt in aftregeeder Form din ZwmnfttflaMffgkels Cor bddog Open 
tuufihre inteffeumtb fume Verwudtacbeft: .Soiiiu^enMeuQbeMl&cfcititd j 



NATIONALZEITUNG <Be*We) MO* 21. Jan. — Uater dem Ttol: 

wdlea* vertSrotlicht Mu DemfaiM eta Qedenttriatt » Moiarta ISfc < 

DEUTSCHE WARTB (Berlin) 1906, 21, Jan. — J. Anthony vttnUjt „Mettrt eta 
Menocfe*. 

MEOE MUSIKALISCHE PRESSE 19ffl> Mo, a - Anton Krtimiry: „Un**if* 
BHntote Betraobtnnfoit* m Moftrtftfef** Verfaater betiegt die geringe ZiM demr, 
die Mctaara Knnet in Ikmr *TotaHtH and Uirtwtalitit *a totee rtretofeta". - - . 
Kenin efne unaenr bperibHinen vemeg efaten »Mm*ittyH&a nnaterftltig 
msufthres*, * + . ,Vfr haben kelnf Mwart-SInger, feeiM Monrt-DirmOer.* — 
AftWo Veeellt wbwtbt flfcer das Tbtm*: »Der Meneelt Motttt and «obw Munfk** 
»lra Bagfitefl doe taelgjan Znaemmonbengoo awtecben ^enacfallcfa* nod ^ntlfcollMih* 
ttegt vieHetebt die Tradition dor Zttktmft, die Tradition, die vergtngeae Grttem 
ew% Jung trtaUt* — Pernor Max Vanese; .Don Juan odor Hon Ghmnml?** — 
fttti L&nge; »Matert ttnd die Gewtgektmet** — Kert Horvlti; »Mofvt ale 
Hnmorief. 

HAMBURGER N ACHRICHTEN 1906, 28. Jon. — *Votfgang A*r Dwtoch*« to 
Friedneb Kent. — Verfeseer eobUdeit die Sdurlerigkeiiea itnd Getakren* die eo 
In Jener tauten, often Zelt* fowde Moiert w aehra nraqbten, dratoch to emptedea. 

DEUTSCHE ZEITUNG (Berlin) 1906, A Jan. — Ei wild elne Usaffefe miter den 
KenjHgrGtten aller Under veriifltotitobft »Mowt tm UrteU dor Muikeeit tou 
hetrte*. — Detfe* roe Lillencron ttgtt jJUttt {odor Menrticlte Mnalfc mr Sefte, 
ween *r ilo beben wolltll Be ktmen viol venlger achwere and schwam Stttnden 
vor im Leben dot eintelneo." 

DEUTSCHE WACHT (Dreaden) 1906, 27. Jan. — F. A. GeUsler: n Zut Mozart- 
feier** Verhater warnt, Mozart niche gegen die moderns Kunat attuuipteloo, da 
er fBr iclne Zelt eln tt gewaltiger Stunner uad Neaerer" gewesen aet. 

DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN 1906, 21. Jan. - „Zur Mozan-Woche" 
voo Ludwlg Hart man a, — „Mlt bibllograpblicben Auagrabungen iat ei nfcht 
getmn — vlr mfiaten iu der Lebendlgen Erkenntnla dot Wesens Mozans gelangen. k 

HALLESCHE ZEITUNG 1906, 27. Jan. - „Zum Mozart -Tage- von Egon von 
KomerzynskL — ^Mozarta knnatleHachea Schaffen iat zuelcbat gekennzelcbnot 
dDTch elne wibrbaft elnzig dastebende Universal) tit* 

WEEKBLAD VOOR MUZIEK (Amaterdam) 1906, No* 5. — .Mozart-, door H-N, 
B Magt de warmte waarmede boorden bet bun aangebodene ontvangen bem zeggen 
dat bij op dezen Teg veiJIg voon kae gaaol" 

STAATSBORGER-ZEITUNG (Berlin) 1906, 25. Jan. — .Die Knnat Moiarta und 
unaere Zeii* von D. K. B* — Die beutige ,acbwicblicbe Opernproduktion 4 wird 
mit dem Peblen guter Operabucher eatichuldigt* Ein GegenbeweLi iat die p Zauber- 
flfite*, . . + Daa weaemllcbste Bindeglivd »zwiscben una und Moiarta Kunst bestebt 
in dem bocbentwickelten Stilgefuhl, daa unaere Kuntr aicb aur alleo Gebieten der 
KunBt iu eigen gemicht h»t*. 

Dn die a Rtvuc der Rcvuccn* f«it \n der RcdiktlaD bctrfacltet wlrd, kdnncn nur dEtjenlgen ZtNsetarlFten bcrtict- 
ilchtlct vcrdfijtj dit d*r Rcdtktian von dnn Vcrlefera refclmKajl^ lugHtndi werden 



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NEUE OPERN 

Theobald Kretschmann: w Die Brautschau", eine komische Oper in zwei 

Akten, hat bei ihrer Erstauffiihrung am Salzburger Stadttheater freundliche 

Aufnabme gefunden. 
Oskar Malata: „ Dornroschen", eine einaktige Oper des ersten Kapellmeisters 

am Elberfelder Stadttheater, wurde von der Theaterleitung zur Auffuhrung 

angenommen. 
Enrico Morera: „Emporium a , eine neue Oper des katalonischen Komponisten, 

erlebte im „Teatro del Liceo" in Barcelona ihre Premiere. 
Felipe Pedrell: „La Matinada" wurde im „Teatro Principal" in Barcelona auf* 

gefuhrt. 
Spiro Samara: „La Biondinetta", eine dreiaktige Oper von Paul Mill iet, 

wurde vom Herzogl. Hoftheater in Gotha zur Erstauffuhrung erworben, die 

Anfang April stattfinden soil. 

AUS DEM OPERNREPERTOIRE 

Berlin: Als nachste Novitat der „Komischen Oper a ist „Die schwarze Nina" 
von Alfred Kaiser in Aussicht genommen. 

Mfinchen: Fur die Festspiele im Prinzregenten-Theater 1906 sind folgende 
Kunstler verpflichtet worden: die Damen: Thila Plaichinger (Berlin), 
Ernestine Schumann-He ink (New York), Ernesta D el sarta (Dessau), Sophie 
David (Koln), Zdenka Fassbender, Berta Morena, Hermine Bosetti, 
Irma Koboth, Margarete Preusse-Matzenauer, Charlotte Huhn, Marie 
Burk-Berger, Gisela Gehrer, Ella Tordek, Betty Koch, Viktoria Blank 
(Munchen), die Herren Anton van Rooy (New York), Ernst Kraus (Berlin), 
Karl Burrian (Dresden), Otto Briesemeister (Berlin), Albert Reiss 
(London), Heinrich Knote, Fritz Fein h als, Raoul Walter, Desider Zador, 
Alfred Bauberger, Paul Bender, Max Gillmann, Fritz Brodersen, 
Joseph Geis, Adalbert Holzapfel, Michael Reiter, Seb. Hofmuller, 
Hans Koppe, Reimar Poppe, Georg Sieglitz (Munchen); das verstarkte 
Kdnigl. Hoforchester. Musikalische Leitung: Felix Mottl, Franz Fischer. 
Leiter der Auffuhrungen: Oberregisseur Fuchs, Regisseur Wirk, Dr. Walter. 
Dekorationen, Maschinerie und Beleuchtung: Julius Klein. Kostume: Maler 
Hermann Buschbeck. 

Novara: w Die Seele des Geldes", eine neue Oper von Antonio Castracane, 
soil im Corso-Theater ihre Urauffuhrung erleben. 

KONZERTE 

Brooklyn (U. S. A.): Die neue Musikakademie wird zum nMchsten Herbst 

fertig und kostet 1200000 $. 
Neuenburg: Fur das im Mai stattflndende siebente Schweizerische Ton- 

kunstler fest wurden vorlSufig folgende Orchester- und Chorwerke zur 

23» 



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344 
DIE MUSIK V. 11. 



Auffuhrung angenommen: Symphonie in F-dur von Peter Fassbinder 
(Luzern), „01ympischer Fruhling", symphonische Tondichtung von Walter 
Courvoisier (Basel), Konzert fur Violoncello von Emanuel Moor (Lau- 
sanne), Violinkonzert von Joseph Lauber (Genf), Psalm fur gemischten 
Chor und Orchester von Otto Barb Ian (Genf), w Mortuus pro nobis* fur 
Cbor, Solo und Orchester von Paul Brenner (Bern), „Moisson" fur Solo- 
Quartett, gemischten Chor und Orgel von Edouard Combe (Lausanne), 
„Deux Noels" fur Frauenchor und Orchester von Jacques Ehrhart (Muhl- 
hausen), „Die Quelle" fur gemischten Chor, Tenorsolo und Orchester von 
Ernst Isler (Zurich), „Das letzte Lied" fur Chor und Orchester von Karl 
Vogler (Baden). 

Paris: Felix Weingartner wird an der Spitze eines Musikfestes stehen, das 
Ende April im Saale der Grossen Oper stattflndet. Das Program m dieser 
Veranstaltung ist noch nicht endgiltig bestimmt, es steht aber bereits fest, 
dass Weingartner wieder 'mebrere Beetbovensche Symphonieen dirigieren 
wird, darunter die Neunte, und dass die ersten Gesangskunstler Frankreichs 
und auch einige deutsche Krifte mitwirken werden. 

Richmond (U. S. A.): Das grosse Musi kf est flndet vom 30. April bis zum 
2. Mai statt. 

Sondershausen: Das dreiteilige weltliche Oratorium „Benina" von H.Schone, 
Dichtung von M. Boltz, ist vom Cacilien-Verein hier zur Urauffuhrung 
angenommen worden. Der Text behandelt eine litauische Sage. 

Springfield (U. S. A.): Im Mai flndet ein dreitSgiges Musikfest statt, unter 
Leitung von John J. Bishop. Bei dieser Gelegenheit wird zum ersten Male 
Berlioz' „Faust" aufgefuhrt werden. 

TAGESCHRONIK 

Der dritte Musikpadagogische Kongress tagt unter dem Vorsitz Prof. 
Xaver Scharwenka's vom 9.— 11. April d. J. zu Berlin. Die Sitzungen flnden im 
Reichstagsgeb&ude vormittags 10 Uhr und nacbmittags 4 Uhr statt. Auf der Tages- 
ordnung stehen: 1. Tag: Referate des Vorstandes und der Kommissionen, all- 
gemeine musikpHdagogiscbe Fragen, ReformvorschlSge mit anschliessenden Dis- 
kussionen usw. 2. Tag: Zwei VortrSge fiber das Thema: „Die Musik in ihrer 
kulturellen Bedeutung" a) in der Vergangenheit, b) in der Gegenwart, mit an- 
schliessender Diskussion. 3. Tag: „Die Reform auf dem Gebiete des Schulgesanges." 
Referat der Kommissionen, Petition und Begrundung, ferner eine Reihe VortrSge 
auf speziellem Gebiete mit Vorfuhrung von Lehrmitteln. Die Nachmittage sind zu 
Kommissionssitzungen bestimmt, in denen die noch schwebenden Fragen bezuglich 
einer einheitlichen Ausgestaltung der Seminare, der Ausbildung durch Privatlehrer, 
der Prufungen und Zeugnisse zur Beratung kommen. Anmeldungen zur Teilnahme 
am Kongress werden schon jetzt entgegengenommen; sie sind an die Gesch&fts- 
stelle des Musikp&dagogischen Verbandes, Berlin W. 50, Ansbacherstrasse 37, zu 
richten; die genaue Tagesordnung und die Teilnehmerkarten kommen Mitte Marz 
zum Versand. 

Musik fa chausstellung. Fur die im Mai in Berlin stattfindende Musik- 
fachausstellung sind zwei interessante Apparate angemeldet worden. Der „Kro- 
marograph", nach seinem Erfinder Laurenz Kromar in Wien benannt, ist ein 
automatiscber Notenschreibapparat, der Improvisationen und Phantasieen auf dem 
Klavier Oder Harmonium sofort zu Papier bringt. Der andere Apparat, H. Schrdders 



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^4 



345 
UMSCHAU 



^Vibrator", dient zur VerstSrkung von Unter- und Kombinationstonen auf Streich- 
instrumenten. 

Im Jahre 1904 hat der deutsche Musikalienhandel veroffentlicht: 
Instrumentalmusik 7105 Werke, Gesangsmusik 5018 Werke, Schriften usw. 445 Werke; 
zusammen 12568. Auf den Tag entfallen also etwa 34 Veroffentlichungen! 

Der Wiener Schubertbund hat, im Verein mit einem aus Burgern des 
IX. Bezirks in Wien gebildeten Komitee, die Errichtung eines Schubertbrunnens 
beschlossen, zur Erinnerung daran, dass der Meister des Liedes im Jahre 1797 in 
Lichtenthal geboren wurde und hier seine Jugendzeit verlebte. Die Ausfuhrung des 
Denkmals wurde dem Bildhauer Josef Bayer ubertragen. 

Die Mozartverehrer in St. Gilgen am Abersee gedenken an dem Geburtshause 
der Mutter Mozarts einen wurdigen Gedenkstein zu errichten, und laden alle 
Mozartverehrer ein, durch Einsendung eines Scherfleins, durch Veranstaltung von 
Konzerten, deren Reinertragnisse diesem Zwecke zufliessen sollen, sich an dem 
Werke zu beteiligen. Beitrage werden erbeten an Herrn k. k. Bezirksrichter 
Dr. Anton Matzig, in St. Gilgen am Abersee, Salzburg. 

Im Februar fand die feierliche Enthiillung des Glinka-Denkmals in Peters- 
burg statt, das auf dem Theaterplatz zwischen dem Konservatorium und der National- 
oper seine Aufstellung gefunden hat. 

E. N. von Reznicek ist zum Leiter des Philharmonischen Orchesters in 
Warschau gewahlt worden. Er wird abwechselnd mit dem bisherigen Dirigenten 
Noskowski seines Amtes walten. 

In Nurnberg hat sich ein neues Streichquartett gebildet, das aus folgenden 
Herren besteht: Karl Beermann (1. Violine), Hermann Diess (2. Violine), A.Weick- 
mann (Viola) und Georg Rau (Violoncello). 

Alexander Glazounow wurde von den Professoren und Studierenden des 
kaiserlichen Konservatoriums einstimmig zum Direktor gewShlt. Das Konservatorium 
hat die gewunschte Autonomic erhalten, und die ausgetretenen Professoren werden 
in nachster Zeit wieder ihre TStigkeit beginnen. 

Das Konservatorium in Konigsberg i. Pr. feiert Ende MSrz sein 25ja , hriges 
Jubilium. 

Am 1. Januar beging Kammermusiker Hans Neubert in Munchen sein 
25ja"hriges Dienstjubilaum. 

Pater Hartmann von der Lan-Hochbrunn wurde von der theologischen 
Fakultat der Universitat Wurzburg wegen seiner Verdienste um die Kirchenmusik 
zum Dr. theol. honoris causa ernannt. 

Hofopernsingerin Irma Koboth in Munchen erhielt vom Prinzregenten den 
Titel Kammersangerin. 

TOTENSCHAU 

Am 27. Januar f in Zurich Redakteur Wilhelm Niedermann, langjihriger 
Mitarbeiter der „Musik a . 

In Nizza f im Alter von 71 Jahren der Violoncellist Antoine Oudshoorn, 
der uber 20 Jahre dem Orchester in Monte Carlo und Aix-les-Bains angehdrte. 

59 Jahre alt f in Prag der Komponist Josef Paukner. 

In Coburg f der langjfihrige Intendant des Herzoglichen Hoftheaters unter 
Herzog Ernst II., Geheimrat Gustav Adolf Becker. 

Am 3. Februar + in Wien Ludwig Speidel, langjihriger Kritiker der „Neuen 
Freien Presse", 76 Jahre alt. 



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KRirm 




OPER 

BSONH: Wader Wolf-F**rarl*e JIsttiMp ftwiea" ttocfe die Bbiafcfat .Vancafrtetf" 
ran Alfred Kafeer nsd »UUraade* mo Waiter Don baton mebr ate etau 
Achtungeerfelg erileit DMktgr ron Maixdorf, dor HatiblMfcer A. G* Lecliflers, 

Mttnttt OH 0ttO|fjU0DOfy StfWWJDOf HOTf 3EH WnD) dW eflOb ttttttlWI QptilllVeeett BMWt 

Loben nflhrai d&fflto, 8. Bhrenetein 

CHABLOTTBNBUKG: Theater dM Weatviia. »Der Herr der Henn*, Oper to dmt 
Afcten ana dem attbeafefiig)ack«n Yolkakfcenj m Hermami Kircbnen fer der 
Anefdrt tat, fir daa Votk *ti da* Beet* farad* gut fnwfc and blerbei e«wa an dea*ftul* 
acbfto* deokt, an daa *Ub*n IBr den Zacra* od*r to »Die ver kaofte Bntttf*, der wted dan 
kftAMteritdm Vtrt d«s ^Ham der Hum" nkbt An both ehuuecbJ 
UTar rich andereraeta ra Amen but, dot dfa Oper anf dm Boden Jc 
aptol^ der rich tomltten von Magyara, Stawm, Bomb** tutd Ztgaaneni tepfar and dBh 

veretehan kOnneo, test dleeea Vole in eebier Hetaat ala atae Aft Natlonaloper aogtiaatitai 
wtod, Fftr wott BMrttBnoi tat denuncb daa oattanale Element tiuaegabMder dfa da* 
nio kfimaderledte. Ufiter dJeeam GeeiefctifHmkt erwelat etch die Oper Kircboera ala 
ftfcrlkb gfrit i e fait aniprnrbaloee OatartMfft tt pg t o m it^ die 1 mm ml an in dan vafitiHsdmm 
vtilfcetftsillcben Madera trad Ttasan maitcli Hebenawtfdlgeii Zag etifwelet. Daa PohUfcom 
nahtn die Noifcl^ daren Anfftbrnag *lefc infto bs »Tbea*er daa Weateoa* Qblkbea 
Hft§ hewegta^ fiberau* ftmndlhflt onf|egoii« Qans pfacbtvoll warn die fan SiobenbttrgGf 
Battera geHebenan Ortginalkftatftme. Willy Rent 

DESSAU i Am +. Februar ting In hiealger EretauffGhrnng Ingeborg von B ran a arts 
Oper*Hiarne* in Szene trad erfreute aich belAUIger Auhabme. Emit Htminn 
ELBERFELD: Dai bedeutaamate EreJgnla war dai Gaataplel SJgrid Arnoldaone. — 
Die 150. Wlederkebr von Mozartt Geburtatag wurde dnrcb die AuBubrung dec 
„Don Juan* mlt Clarence W hitch HI la der TUelrolle, die ibm aber wenlger gut llegr, 
.Figaros Hocbzeit" and .Zeuberflflte* wfirdig gefeiert. P. Scbemenaky 

FRANKFURT a. hit Mlt .Coal fan tutte* erbielt unaer .Mottrt-Zyklua* elaan 
Abachlnta, der den feitaplelmiatlgen Cbarafeter dea getamten Umeroebmena ge* 
bflbrend betonte, Daa Terfc kehrt In der Neueiastudterung mlt dero Ebepaar Henael- 
Sehveitzar» den Damen Kernlc mid Scbacko nnd den Herren Brlnkmann und 
GareLa aelne kOatlkben nrailkallacben Facetten gllniend berant; an der lueaeren Ana- 
atattung war nlchta geapart. In der Torhergogangeoen a ZanberflAte v muaaten wlader 
Glate einapringen: Elaa Flaebaf (Mannheim) alB Pamlna, Alice Schenker (Karlsntbe) 
ala Kffnigln^ Ludwfg Wiedemann (Elberfeld) al* Saraatro* Han* Pfellscbmidt 

GENF: ,pLa Seine Flammette% Mmlk 7on Xavler Leroux, Text von Cattille 
Mend 6a, wurde bier xum eratenmal auFgerShrt. Die Wiedergabe war rorzGgllcb. 
Das Publlkum bereltete dem Werka elne wahue Aufnahme. Prof. H. Kllng 

HAMBURG: Neueimtudiert eracbien am Geburtstage Moxarta der .Don Juan* in 
der f&r una neuen Bearbeltnng voo Hermann Levi, die mlr zwar weder spracb- 
llcb nocb dramadscb einwandfrei eracbelnt, aber xum mlndesten den Vonug hat, daa 
Wort dem Sinne der Mualfc geacblckt inittpasaen, Guatav Brecher batte tuf die Eln- 



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347 
KRITIK: OPER 



studierung des Werkes eine Unsumme von Fleiss, Liebe und kunstlerischem Verstand 
verwandt und so weit es an ihm lag, wurde wunderschon im Geiste Mozarts musiziert. 
Ohne modernen Impressionismus im Orchester, ohne D-Zug-Zeitmasse. Aber daruber, 
dass unserem Ensemble die geborenen MozartsSnger fehlen, konnte die Auffuhrung doch 
nicht hinwegtluschen. Ganz auf der Hobe standen nur der brillante Leporello Lohfings 
und die Zerline des FrL von Artner. Sebr respektabel gelang dem jungen Baritonisten 
C. Bronsgeest, einem hochbegabten Stockhausen-SchGler, sein erster Versuch in 
der Titelrolle. Alles andere war second class — mehr gutes Wollen, als kunstlerisches 
Vollbringen. Einen ausgezeicbneten Eindruck machte dagegen, in musikalischer Be- 
ziebung, eine Neueinstudierung des „Dalibor u . Textlich ist das Werk leider so unmog- 
lich, dass es einen nacbbaltigen Erfolg nirgends erzielen kann; aber die Musik Smetana's, 
wohl die poesievollste, die der grosse bobmische Romantiker je geschrieben, verdient es 
docb, dass man sich ihrer bei passender Gelegenheit annimmt. Diese Gelegenbeit lag 
hier in dem „Zyklus musikalischer Meisterwerke" vor. Brecher hatte auch diese Auf- 
fuhrung, in der Birrenkoven und Frau Beuer prachtig die Hauptrollen sangen, mit 
aller Sorgfalt vorbereitet. Als Gast erschien, und zwar zuerst in der Partie der Elsa, 
ATno Ackt6 von der grossen Oper in Paris. Eine interessante, immer geistvolle und 
im ersten Akte zumal wirklich rubrende Darstellerin, die gleichwohl nicht recht zu er- 
wSrmen vermochte, da ihre stimmlichen Mittel einen Vergleicb mit guten deutschen 
Sangerinnen der Rolle nicht mehr aushalten. Viel Anerkennung verdient es, dass Madame 
Ackt6 in einem deutschen Ensemble die Wagnersche Rolle auch in deutscher Sprache 
sang; das bringt sie in einen angenehmen Gegensatz zu der leidigen Gewohnheit der 
reisenden stars, die in unsere Opernauffuhrungen ein so unerfreulicbes polyglottes Moment 
hineinschmuggeln. Im ubrigen missgluckte die Herrn Stransky unterstehende Lohen- 
grin-Auffuhrung so vollkommen, dass unser Stadttheater sich eigentlich vor dem be- 
ruhmten Gaste gehorig blamierte. Heinrich Chevalley 

HANNOVER: Die Mozartfeier unserer Konigl. Oper beschrankte sich auf je eine 
Auffuhrung des „Don Juan a und der „Zauberflote a , von denen jene wegen der 
ihr zugrunde gelegten neuen Textubersetzung von Ernst Heine mann besonderes 
Interesse erregte. Diese neueste unter den vielen Bearbeitungen, die der Don Juan-Text 
seit der Rochlitzschen Ubersetzung erfahren hat, zeichnet sich durch vorzugliche Dekla- 
mation und Ausmerzung vieler, in dem alten Text vorhandener Sinnwidrigkeiten aus. 
So ist z. B. jetzt die entsetzlich gequMlte Deklamation in dem Duett Octavio-Anna 
(1. Aufzug), wo zu dem synkopierten Rbythmus die Worte: „Sonst unterliegt dem Leiden 
unser gepruftes Herz" so wenig wie moglich passen wollten durch folgende Worte er- 
setzt: ^Lass nicht das Herz zerschellen, wenn Sturm und Wellen draun**, die sich der 
melodischen Linie vorzuglich anschmiegen. Manche durch die Tradition gleichsam ge- 
heiligten Stellen des alten Textes, so u. a. der Beginn der Arie Leporellos: w Keine Ruh' 
bei Tag und Nacht", dann die „Register-Arie a , ferner das Duett „Reich mir die Hand 
mein Leben" sind — wenigstens in dem fur die hiesige Buhne gultigen Texte — bei- 
behalten worden oder doch nur unbedeutend verandert, wofur wir nur unsere Zustimmung 
aussprechen konnen. Die Auffuhrung der Oper erfuhr unter Kotzkys Leitung eine recht 
gelungene Wiedergabe. Die Vertreter der Hauptrollen — Herren Bischoff (Don Juan), 
Battisti (Don Octavio), Moest (Leporello) sowie die Damen Thomas-Schwartz (Donna 
Anna) und Mac-Grew (Elivra) boten Hochbefriedigendes. L. Wuthmann 

LEIPZIG: Nur unter Herbeiziehung von Gasten — Herr Bertram (Don Juan), Frau 
Herzog (Donna Anna), Frau Abendroth (Konigin der Nacht) und Frl. Delsarta 
(Cherubin) — hat sich die Oper mit ziemlich alltaglich verlaufenen Auffuhrungen der 
drei Meisterwerke w Don Juan - , w Die Zauberflote" und w Figaros Hochzeit* an drr Mozart- 



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349 
DIB MUSK V. u. 



Feier betefligen kfinnen* Herr Hegel, *« ■■*" dtd AQfmbrangen telfeee, bette epcxfefl 
betm »Doti Join* Ar eiie hinfBblige Wledeigebo dee Orebeetorpertne Sorg* g el r igen, 
und mom den he » oi fjgon den Leietmfen der drol ereflgenenntftn Clete hefeea T»m 
ejeuetalecbra Ptereenel Rri. M*rx t Herr Sehlltxer end Herr Repp befHedigend 
vtrkes kojmen. AiteJi nieh der Moxirtwoche fcvnvn und gtogen eoeh etalge Gtoto, e© 
die Meoeeopniriedn BUy Freyler (Aeoxena and Amende)* der lyrieebo Tenor Herr 
Seibt (George Brown) ted die jngendllcbe Soprinletin Hildegud H earned (HerOe); 
intemeierai mid gate Brwirtaogen wictondta fcoevten iber mr der a yp p ein ieenej 
etwee dankelgeJlftrto Stimmkleng and dee ffiecbe Spiolteaipeimaieat der lemgeneiuien 
Bafanennovjie. Artbnr S molten 

LEMBB&G: Ale NovWt bracbte der letxte Mooit Meeeeitefo .Vertber"* Din B*- 
eettttngr Pre* Kerolewlei~Veyde (Lotted Herr Meebeu (Verther) wir pit, die 
leasanJenmg babecb* Die Orcbeeter outer Cielenoky bitte beeeer eptejee fcfeaen. 
Sndlfcb bekunen wlr Hem Ribere vieder em Dirlgentenpolt xn oebes. Und i 
wirktteb else SebenewurdJgfceit, dfeee NraeJnetiidterttiig dee »Lo ben grin* neter 
Letting. Rtiwfm xetzte eetn genie*, eueerordenttichet Kttnnee, eeiae geese Kraft end 
lnJeHJgonx derm, am qui etnen maetergalilgen »Lobengrin* sn gebeo, tmd dtee fdetig 
Due *wb voUkofluneo, denm noch nle bebee dee Orebeeter eo gut geiplelt, neck ale der 
Cbor ee rein nod die Sotteten (Bend row* fcULobengrfn, Free Korolevlcx-Weyde* 
Blee) mit *o tie) Veretnndnle Kraft end Vlrae geeongen. Der Erftrif wer rleeit and 
woblrerdlont Alfred Plobe 

nETBBSBOKG: Dent 1«X GebwfUef Mtiierte etaie Erinnerang ra weUnn, bet inch 
IT die kileerttche rneeiecne Netfoneloper eteb nlcnt nobmen leeeen, eine Feier xn ve*- 
eeitelten, bel der dee .Requiem* uad der *Don Join* dee tmeterblleben Meletere mf- 
geAbtt warden* and ]ede ▼tederboJaog wr enererfeufteni* Henee eUttOadot Be let 
eebr erfreelieb, deee die Dfrektion den Doe June, der wlbrend tWot Jebre in Vergeeieft* 
fceit gerttra wtr, nun wteder xn Ebren brtagt — le der ,Nenee Oper* 1m kftieertiebce 
Koneemtorittm bene die BrxttnHBnraag der Oper ^Adrtenne LoconTrenr* ran 
Frenieeco Cilee, dtnk der Mttwlrkang Ltrle Berlendl'i In der Tltetrolle elnen tSchtlgen 
Ertolg. Der Oper eelbit groeee Sympetbieen entgegentubringen rermochte mm nicht 

Bernberd Veadel 

POSEK: Der Erwibnnng wert ilnd die Geettpieie von Merle Gotze-Berlin (Acnzene, 
Amneris), die geni bervorregeod wtr, nod von Alexin der Scbilk (friiher KQln) lie 
Lobengrtn and Siegmuod. Zum Mozerttige gib mm H Figiroi HocbieU*, A. Hucb 

STUTTGART: Die ertte relcbsdeutBCbe AuffQhrung del relneo Musilclusrtpleli .Fliuto 
■olo" von d' Albert (ntcb der Dlcbtung Hens von Volzogene) wurde begelltert 
eafgenommea; Pobllg els Dfrlgent, FrK Sutter (Pepplm) t Herr Veil (Ptpuich) eetiten 
ibre Kritt erfolgreich in du Gel in go a dee reizvollen Verkes, dem weiteate Verbreltuag 
elcber lit. Die Mnelk zelchnet sich vor ill em durcb NitQrlichkeit tus. — Dem unveigleicb- 
Hcben UrecfaSphr der beiteren Oper wurde mit eioem Zyklui gebuldigt, der bli jetxt 
.EntfShrnag*, H Flgero*, »Don Gioveanl*, H ZtuberflGte s bncbte. Velctae 
Tlnne und lnnigkelt! Die Auffflbrong^n gcreichten der Horbuhne troti mencberUntu- 
llngllcbkeiten (mueikwldrige Obereetmngcnl) zurEhre. Die meleten Rollen konoten gat, 
einxeioe bervomgend icbfin beietzt werden. Ansier Pobllg dlrlgierte lucb Herr Bind. 

Dr. Kirl Grunsky 
r ElMAR; Eine im illgemeinen gute Auffubrang von Tristan und Isolde gib 
Paulm Ucko sowie Helnricb Zeller In den Tltelrollen Gelegenbeit, ibr Kfinnen 1m 
be if en LIchtc zu zcigen, wlbrend EI1« G me In or (Branglne) weder im Stone Signer* 
ling noch aplelte. Aucb in den ixim enteomil lufgefuhrten w Ntugierlgen Fnuen" 



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349 
KRITIK: KONZERT 



von E. Wolf-Ferrari konnte Frau Gmeiner nicht befriedigen. Das launige, fast ans 
operettenhafte streifende Werkchen fand nicht die Aufnahme, die es schon infolge der 
sonst guten Auffiihrung verdient hStte. — Als Mignon hinterliess Alda Gardini (Leipzig) 
keinen besonders gunstigen Eindruck. — Die 150. Wiederkehr von Mozarts Geburts- 
tag wurde in entsprechender Weise durch im ganzen recht gute Auffuhrungen von 
„Don Juan* 4 , „Figaros Hochzeit" und „Zauberflote tt bei vollbesetzten HHusern 
gefeiert, wobei speziell das mittlere der genannten Werke durch flotte Darstellung unter 
der zielbewussten Leitung Krzyzanowski's ganz besonders hervorragte. Als Konigin 
der Nacht lernten wir in Margarete Si ems vom Landestheater in Prag eine SSngerin mit 
schStzenswerten Stimmmitteln kennen. — Die ubrigen Opernabende brachten den 
^Hollander", die mangelhaft ausgestattete und bis zum Oberdruss abgedroschene „Undine" 
sowie unnotigerweise den stark antiquierten „Stradella a . Carl Rorich 

KONZERT 

BALTIMORE: An Konzerten gab es manch Gutes, sogar Hervorragendes. Zu letzterem 
gehort das erste Konzert der Boston-Symphonie-Kapelle, das ausschliesslich 
Wagnersche Kompositionen brachte, indem mit der Schlusszene aus der GotterdSmmerung 
der Hdhepunkt erreicht wurde. Frau Gad ski sang die Brunnhilde und erzielte eine 
grossartige Wirkung. Vincent d'Indy leitete als Gast das zweite Konzert des Orchesters, 
in dem ausschliesslich moderne franzosische Kompositionen zur Auffiihrung kamen: 
d'Indy's eigene zweite Symphonie in B, die mehr von grossem Konnen als von des 
Komponisten FShigkeit selbstandig zu erfinden zeugt, seine glanzend instrumentierte 
Legende: „Sangefleurie a , in der die Blaser ganz vortreffliches leisteten, ausserdem die 
Suite „Pell6as und MeMisande" von Gabriel Faur6, sowie das schon im Vorjahre gespielte 
geistvolle Scherzo „Der Zauberlehrling" von Ducas, das eine erfreuliche Abwechslung 
in das in seiner Stimmung ziemlich einformige Programm brachte. Das Publikum 
verhielt sich w^hrend des ganzen Konzertes kuhl und zum Teil sogar abweisend. — 
Die Reihe der Freitagskonzerte des Peabody-Konservatoriums wurde durch dessen 
Direktor Harold Randolph mit einem Klavierrecital eroffnet. Sein Spiel zeichnet sich 
durch grosses technisches Konnen und ebenso grossen Mangel tieferen Empflndens 
aus; zu einem kunstlerischen Genuss kommt man infolgedessen beim Anhoren 
Randolphs nie. Das zweite Konzert gaben der Geiger Joan van Hulsteyn und 
der Pianist Brockway gemeinsam wie im Vorjahre, jedoch mit interessanterem Pro- 
gramm und in der Ausfuhrung bedeutend befriedigender. Giuseppe Campanari, der 
uber prSchtige Stimmittel und musikalisches Feuer verfugt, gehort auf die Buhne; im 
Konzertsaal ist er keine durchweg erfreuliche Erscheinung; trotzdem wurde er mit Bei- 
fall uberschuttet. Beers Wirtz, der neue Cellist des Konservatoriums, fuhrte sich mit 
Alfred Goodwin am Klavier als recht tuchtiger Musiker mit zwar kleinem aber schonem 
Ton ein. Das Kneisel-Quartett, dessen Veranstaltungen ein grosseres Publikum ver- 
dienten, spielte in den bisher stattgehabten Konzerten die Streichquartette von Beethoven 
op. 95 in f-moll, Haydn D-dur op. 64 No. 5, Schumann op. 41 No. 3 A-dur, ein Klavier- 
quartett von d'Indy, Beethovens Es-dur Klaviertrio und die Spharenmusik aus dem Rubin- 
steinschen c-moll Quartett, auf das sie ein hubsches Scherzo von F. A. Stock folgen 
liessen. Das Philadelphia-Orchester kundigte drei Konzerte an, von denen das erste 
unter so geringem Interesse des Publikums stattfand, dass die beiden andern in Frage ge- 
stellt sind. Und doch war ihr erstes Erscheinen von einem Erfolg begleitet, der wohl 
verdient war. Es wird da mit einer Frische und Spontaneitat musiziert, dass es eine 
Freude ist, und Fritz Scheel, der temperamentvolle Leiter des Orchesters, wandelt auch, 
was die Aufstellung des Programms betrifft, nicht auf ausgetretenen Pfaden. Darum 



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380 



DIB munt V. It. 




Beeoen fbn dto tfeben Btlttmoter etteb lm Stich* and es goocfaah dottO* mftfc fie ofadt 
Tfenaifcovafcy*« Tferte SymjAoale, imda«i,dlgktogTon*, hln aq o goorbofteto Tto dec gab a 
to* BMbard Btaaueef *TodTrad VerkBnmg* entfoben Bones. Campnnarl, dor SoHnt 
dot Abeade, inacbfe dleemal efeen beoaam Btodmck ilo in aefaiea -etypooft Konnrt — 
Emnte CoItA fib «bl Koueft luiwittm m etaer Scber too KSsedorn (ntcfet oBe ' 
dtartn xwar rileeen Namon); fioelne Korrii, eine bdentroUe SehUetfu 
lleoo afeb an etnem eigne* liimm orllrigreldten Kltvierabeitd Ufepn; atteb Kubtllfc 
fcam oaf aetnem Trtompttmg zn mw* Bdg. 

BARMEN: Dot Allgemelae Kontertvereia-VDlfcacbor bracbte la ooitm 10ft 
pnd liaStadttuUei^Aboonementakoittert outer ttopfee Lotting Brtu^i »Ody aeons* 
to groaufigiger Fom zor Anfffibrang — mil don Sotlsten CtdHe Hftacbe-flndort* 
Maria Phlllppl, Mv Bfittnor nad Paul Haaee* — Doo rierto AbouesienlotoaMrt 
dor Kontert-Geeellecbatt ge a tatteto rich motor Stroncke Dtoektion to einetn gpnus- 
Tollen Wagftnr abend utor Miwirfcttng dor trefttsben SoUttaa Zdenfca Faoabondu, 
Paul Katleeb tend Ham Babltng* — In Buor ddtton Soiree braebte BUoii Sa at web or- 
Stifaliftper mtt Henri Starteau die B4nr Sonne von Bneol and die 
Senate^* oovfe dor Ganger alien Becbo Cuoono en nin abgorundoter 

Bolnriob Haneelinantt 
r*AaPLi una DOQcytiiinifo uroiggio suenr iohtoq ^mpnontenoiieerie war vsotramg 
D die Anifflifimg dor di«WMgon Syaphonle »D*o LebeneinTranm* Ton Friedricfc 
Kloee, dor anWeoHcb dor KottmAor UfUflBbrtiAf oeteer Oper JleoMlf* (1903) m sit 
eagen von eiiiem Tog «nf den ondern In die Torderate ReOie dor detttecben 
getretm lot Die Vledergab* dieeer ob» Frag* oohr bedetttoaden, eu .der 



Apperot; abor die fiber dop oobon alemlleb orw olt erto Otoh oo t or bbuuu 

■fiinw wio mnoif xwohdo mootirprc mtoTBrL nttOiCMiMror mnoncoor nnn 
IQfon *ldi| obno fl^WrtngHrt n oolSt In oin (OooUoooonoo lefbotEoch vbtencrolleo 
Goiuoo, du die M6ror mlchtlg In oelnofl Bonn riekt Deo Pnbltfcttni tot dom Vorke 
mix grB»tem Intereose begegnet, und bat Ibm eine gliniende Aufaihme bereltet Men 
darf belhgefl, doss iJlordioga die AuiRihruiig unter Hermann S uteri Loituag eine gam 
auagezelcbneto war, Auch eln anderer inodenier Dentacber, Georg Schamiao t bet 
mlt selnen v Variatlonen fiber ein laatjges Them** f die er aelber dlrigterte, leb* 
haften Belfall ermogeii. Von rnnzfliUctaen Terken aind die c-moll Symphonie Ton 
Siint-Sataa, feraer Prelude i „Uaprei-raidl d*un Tanne* von Claude Debuaty und 
die Varlatlona aympboniquea fur Klavler und Orcbeater von C6aar Franck, die Lucieu 
Vurmaer ana Paria gelatToll interprotierte r besondera bervorzubeben. Von weiteren 
mltwirkenden Sollaten batten atlrkaten Erfolg FriU Kreialor und Pot* art, letztorer 
mit dem Hexenlied von Tltdenbrucb^Scbilllngs, wlbrend Malkki Jlrnefelt die Baeler 
nicbt xu erwlrmen Termochte* Welt mebr Sympatbie bracbte das Publikum der jugeud- 
Elcben Colliatln Suggia entgegen, die ein schffnes Konzert tou d* Albert tecbnlacb vor* 
trefflicb t aber mlt etraa Idelnem Tone apidte. Dr. H, Stumm 

BERLIN: An der Spltze des Sternacbcn Geaangvereins bracbte Oakar Fried 
auaaer efner Tiederbolung aeloea H trunk*nen Liedes" das neue Cborwerk elnea 
amerlkanlBcben Komponlaten ApalacbJa ron Frederik Delias zur Auffubning, Cbor- 
werk 1st die Apalacbia elgentlicb nicbt zu nenncn, denn der Chor bat sebr wentg dabei 
zu tun; ea alnd Variation en fiber ein Ntggprlied, deasep Weise fast nur aua den TSnen 
dea C-dur Akkordea beateht. Ein NacbtatQck von tr&ber melancholfacber Grundstlmmuog, 
eine Orcbeaterpbanusie f In die dann nnd vann wie atia weiter Feme Menschenatimmen 
blneinlallen. Der Cbor mit aeinein la la wird lodlgllch als Far ben material rerwertel^ nur 



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351 
KRITIK: KONZERT 



ganz gegen das Ende hin singt er Worte, es klingt wie ein Standchen, das sich nShert 
und wieder in der Nacht verschwindet. Orchesterbehandlung, Harmonie durchaus modern; 
im Verhfcltnis zu dem grossen Apparat ist der musikalische Gehalt nur unbedeutend. 
Ganz interessant zu verfolgen ist es ja, wie die Niggerweise in den verschiedenartigsten 
Umgestaltungen immer wieder auftaucht, das Ganze aber ist viel zu lang ausgesponnen. 
Oskar Frieds w trunk'nes Lied" schlagt einen kraftigeren Ton an, aber fur einen gesunden 
Menschen mit naturlichem gesunden Empfinden erscheint es ein vergeblicher Versuch, 
aus dem „Zarathustra a gerade diese Partie fur die Musik gewinnen zu wollen, wo doch 
das Genie Nietzsches im vergeblichen Kampfe gegen die zerstorende Gewalt der Gehirn- 
paralyse nur noch unzusammenhangende Satze und Interjectionen hinstammelt. Als 
Dirigent zeigte sich Oskar Fried, wenn auch noch immer etwas allzu unruhig in seinen 
GebSrden, doch Herr uber alle mitwirkenden Krafie; Paul Kniipfer, dem der Haupt- 
anteil an den Solis zuflel, erfreute wieder durch herrlichen Stimmklang und vollendet 
schone Aussprache; auch Gertrud Bischoff und Hermine Kittel, wie Herr Heine 
zeigten sich der Aufgabe gewachsen. Das Publikum feierte O. Fried als Komponisten 
und Dirigenten mit wildem Enthusiasmus. — Das letzte Nikisch-Konzert begann mit 
der symphonischen Dichtung „Der Mensch tt von Paul Ertel, der sich durch das 
Triptychon von Lesser Ury hat anregen lassen, eine grosse Tripelfuge fur Orchester und 
Orgel zu schaffen. Die scharf von einander kontrastierenden Themen, die schon in dem 
PrSludium auftauchen, werden bald einzeln, bald durcheinander geschlungen mit viel 
kontrapunktischem Aufwand verwertet. Uber dem Orchester fallt der Orgel ein wichtiger 
Anteil zu, die mit ihrer Klangfulle noch die Wucht des Ausdruckes steigert. Das Publi- 
kum der Generalprobe fand mehr Freude an dieser Musik, als die Zuhorer des Montag 
Abend. Annette Essipoff, einst ja eine gefeierte Pianistin, spielte alsdann Chopin's 
f-moll Konzert in der Originalgestalt mit etwas kurzem, kalten Ton, aber technisch aufs 
feinste ausgearbeitet; es war eine in ihrer Art vollendete Kunstleistung, nur allzu filigran- 
artig dunn war der Ton in der Cantilene, in den Passagen gesponnen. Tschaikowsky's 
Manfred-Symphonie bildete den Schluss des Abends, eine wahre Meisterleistung des 
Dirigenten; man fuhlte hier, dass Nikisch ein wirkliches Herzensverhaltnis zu der Musik 
des russischen Tondichters hat. E. E. Taubert 

Die Berliner Kammermusikvereinigung brachte in ihrem dritten Konzert 
ausser Hummels Septett und Schuberts Oktett ein noch ungedrucktes Sextett fur Klari- 
nette, Horn und Streichquartett von H. Pogge zur Urauffuhrung; es ist vornehme, im 
Geist der Klassiker und von Brahms geschaflfene, gut gearbeitete Musik. — Einen 
Kammermusikabend veranstaltete der tuchtige Pianist Bruno Hinze-Reinhold mit Zu- 
ziehung der sehr begabten Geigerin Carlotta Stubenrauch, die sich ausserdem in 
einem eigenen Konzert mit Begleitung des Philharmonischen Orchesters (Konzert von 
Mozart in es-moll und Saint-Saens in h-moll, Chaconne von Bach) horen Hess; zu Gehdr 
kamen u. a, Cesar Francks und Griegs F-dur Sonate; wenig Erfreuliches leistete die mit- 
wirkende Sangerin Tilly Erlenmeyer. Recht gut fuhrte sich die junge Geigerin Melanie 
Michaelis ein, die mit Zuziehung des Philharmonischen Orchesters die Konzerte von 
Brahms und Wieniawski in d-moll, sowie Joachims Variationen spielte; es fehlt ibr noch 
an der notigen Ruhe. Die mitwirkende Sangerin Matja v. Niessen-Stone hat namentlich 
mit zwei GesSngen (mit Orch.) von H. Kaun grossen Erfolg. — In Erinnerung brachte 
sich die durch mSnnliche Tongebung und Bogenfuhrung ausgezeicbnete Geigerin RenSe 
Chemet. — Eine gute Technikerin ist die junge Geigerin Stefl Fischer, aber ihr Vor- 
trag ist noch gar nicht entwickelt; auch ihre Konzertpartnerin Emilie Pfutzner sollte 
sich schon wegen ihres Tonansatzes noch der Offentlichkeit fernhalten. — Joan Manen, 
der an Sarasate's beste Zeiten erinnert, gab ein populates Konzert, in dem die mitwirkende 



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362 

DIE M08IK V. It. 




Sfageriii Marianne Wolff ttcb groeeen Hrfblg batte* — WenJg gHtcfclkh defefltlftrte 

die mft dem ersten Prefe dee Brfleaelor Koneerreiofittme anageieicbnoto Gelgorio Ifraiay 

Street; dagegen lelstete ilin Fartnefin, tile Sgngerin Anna Pel tan, AnaenmlMres* — 

Baunl Wolfetbal, nine bfchttene awBlQabrige GeJgerbi, durfte voraosaicWlfib, 

nocb etnlge Zett dem Konaefileben ferogebaltso wtrd, rtet von etch win 

Prfta Kreisler sptelte neben alter VioUnmnvIk rein Tlrtnoee Wetfce, 

Wfeniaweki mU der tbm eigenen VolJenditng* — Dr. Rudolf Bergb errang da lieder* 

kompaolet vonlreTdfenten Erfolg; Fftnxl Tiecke aang cine Reibe acinar dnrih bam 

monlscben WaUUang nod Stimmung auigezetcbneteo, moist ornate* Under; wenlgnr 

geflel aeiite VIoHneonat*, die B«rr Vagi titer mit dam Pianlaten Cfaariee BBnto v«f* 

tragi Vllb* Altaians 

Die lew* Wecbe brachte oblige gmaa Abende, Znnlebat Femoeto Bneonl* 
Sain Beethoven-Abend war eino angeaehme Oberrasclurag. Die Eroica-Variatloitea fn 
tdneter Inatmnianfeller Atufitbrnng. Op, 108 fedecb obne die eeellecbe Grula diaaar 
mnatfcaMitfh mtnafen ReneiaeanceknnsL im eraten Sate op* 108 vermiaete nan dan 
majeatitiacbon Glanx. Urn ao gelongencr daa g e la te rh afta wilde Webon im Setono* 
Im Adagio ein reteber Vecbsel poetieeber Anacblagenuance* Die Parapbnaan (*Adelild«* f 
*Rniiien fan Atben") In gewobnter teebntecber Btwonr* Dar locate Abend frraofcto 
Rablnetatas kfinetlerfacb ttnerqnlekUdieat pianladecb-tecbntsch eber aabr Infereaanntea 
Variatloitenwerfc op. 88, EtiMan van Alkan, die ntir trou ibrar apartan Toebnik mneUtalisch 
nle recbt naagen und Btatnne* Pagutlni-VariatfMa% letetere mft onfibortrofener Vfc* 
taaaMt geaplalt Tea 0i dano In dor Don Jnan-Phaataele nocb lelatete, gebGrt an den 
atattwnavortan Wnndetti dteaer WeJt Obex Eluelbehan vtelleiobt eta enderee MaL — 
Frederic Lamond mid setae Baatboran^Kmtat ehtd aft gewflrdlgt Er acttten dicann 
Abend nlebt reebt dieponlert, andem kann man alob eonat die ecltwacbe nnbehoUsnn Ait 
In op, 10 No* 3 niefat Tftrefeltan* Bel eJler Acbtong tot dar ungrfienren Konsantntion 
eefnee Tone* Hast ar mlcb mehr nnd meir dan Mangel an abmllobam Rait empBndm* 
Sobade, daaa er in aafaier architefctontachen Fihlgfcett nlobt dte wcicha BlegMmkalt daa 
Anichlagt biamffigan kinn, Tlr bitten viellcicht dinn ]ene Kunst, dk ein en Tollendetan 
Beetboveo wohl dintcllte. — Ernst von Dohnftnyl 1st nocb la der Sturm- tind Drang- 
pariode, Ein cbarakter- und temperamentvoller Spieler, .iplelt* er nocb mit der Kraft, 
freut er eleb ooch seiner ungeblrdigen TLldheit. Zn Beethoven fehlt*s somlt am Zu- 
aammenscbLuBS der Lnneren Krifte, id der abaoluten Hingabe in den reinen Gelst des 
Stoffes, — Von den SIngerinnen bSne Ich Lull Cmeiner Hugo Wolf singen. Daa 
Program m war von aaaerlesenem Gescbmackf beAiedlgte aber in der Auafubmng nur 
zum Tell, Maine Anerkomuiog di«*or Stimmc wir von je nur eine bedfngte* Die 
Ponnen aind, inmal In der H6be, aehr oHen, and in dor Mine uod Tiefe wird attf den 
Hals gedrfickt. Aucb ihr kunatleiiscfaes Temperament 1st meiner innerstan Oberzeugung 
nacb nlcbt ao groae, wie das all gem e Joe Urteil una glauben maehen will, da ea der Seeie 
an Grtzle, berxllcber Wlnne und dem ecbtea Auflodern der Leidenecbeft gebricht 
Venn nicbt eiserne Zacbt die flacben Tflne beseitjgt f so furchte ich, warden Sommer 
nod Herbst nicbt bslten, was der Prfihling veraprich, Mficbte dahcr der Aitmeisterin 
LilH Lehminn aucb bier der Lluterungaprozesa so glQcken 1 wie bei Geraldine Firrmr. 
Die KGnatlerscbaft Frsn Gmeiners verdienfs, da sic eine der wentgen Berufenen 1st, — 
Von Luise Hardy, elner JQogerea Begabung, ward mlr 1 elder nur Ungunstiges berlcbtet. 
Das Negative uberwog dss Positive. Tarten wir also ab, was die weitere Entwicklung 
mit sicb bringL R» M, Breithanpt 

A aster ibrem kriftigen und UlngenElen Mezzosopnn bealtzt Call? Monrad nocb 
die Vorzuge, dasa sie trenlicb dekJsmiert, sehr deulHcb spricbt und tiefea Empflnden 



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353 
KRITIK: KONZERT 



zeigt. Sie ist eine sehr beachtenswerte Sangerin. — Ahnliches lasst sich von Paula 
Weinbaum sagen, deren imposanter Alt gute Schulung verrat. Sie wurde unterstutzt 
durch den Geiger Alfred Wittenberg, der an Stelle der angekiindigten Stucke die G-dur 
Romanze von Beethoven und Sarasate's Zigeunerweisen kunstlerisch spielte, wenn auch 
mit zu horbarem Bogenwecbsel, dessen Grund in nicht genugendem Ausnutzen seiner 
Lange und in vorzeitiger Ruckbewegung des Gelenkes liegt. — Wie der Name Adolf 
Wallnofer zu einer gewissen Popularitat gelangen konnte, ist mir nicht recht ersichtlicb. 
Weder im Gesange des Herrn noch in seinen Kompositionen konnte ich einen Anhalt 
dafur entdecken. Der Tenor ist wohl klangvoll, sein Gesang aber eintonig und tremo- 
lierend. Seine Lieder enthalten viele Noten, aber wenig Musik. Die Deklamation der 
Texte ist unlogisch, die Begleitungen sehr naiv; sie wurden obendrein von Albert 
Pfeiffer- Bonn ausdruckslos gespielt. Lieder gelingen Herrn Wallnofer besser als 
Balladen. Er sucht sich aber auch dafur zur Vertonung ungeeignete Texte aus. Wirk- 
liches Talent ist nicht ersichtlich. Er erfindet, statt zu empfinden, wandelt aber selbst 
als Erfinder ausgetretene Pfade. Einige kleinere Lieder waren ausserlich ziemlich effekt- 
voll. — Der Sopran von Blanche Marchesi ist abgesungen und resonanzlos. Technik 
bedeutend, obgleich ihr Aushalten von Tonen mit Bruststimme nicht mehr moglich. 
Vortragskunst und Temperament gross, spekuliert aber leider auf den Geschmack der 
Menge und verfailt einer Vortragsmanier, die nur ins Variety gehort. — Anlage fur 
Vortrag hat Marianne Geyer, aber ihre Tonbildung ist unfrei. Ihre Stimme ist ein 
Mezzosopran, kein Alt, wie das Programm besagte. Die Klangfarbe, nicht der Umfang 
einer Stimme bezeichnet ihren Charakter. — Margarete Altmann-Kuntz schatze ich 
als ausgezeichnete Kunstlerin. Zwar durfte die Gestaltung des Tones mitunter etwas 
weicher und runder sein; fur diesen Mangel entschadigt aber das sehr grosse, schone 
Altorgan. Mit sicherem Ansatz sang sie eine Arie aus „Semele a von Handel, mit richtigem 
Ausdruck fur das Dramatische und Lyrische die funf Lieder von Wagner. Unbedeutende 
Kompositionen von Widor, d'Indy und Saint-Saens machte sie durch hubschen Vortrag 
geniessbar. Koloratur ist ihr wohl gelaufig, aber passt nicht fur ihre Stimme. Sie sang 
noch Lieder von Brahms, Wolf und Strauss, von Dr. G. Altmann aus Strassburg voll- 
endet begleitet. — Margarete Heidenreich bot mit hohem, verschleiertem Alt recht 
hubsche Leistungen fur den Hausgebrauch. — Leonid Kreutzer ist ein Susserst gewandter 
Pianist, der mit viel Berechnung spielt. Er hat Temperament, jedoch nicht genugende 
Krafr, um dem dieser bendtigenden c-moll Konzert von Rachmaninoff und auch dem in 
b-moll von Tschaikowsky gerecht werden zu kSnnen. — An physischer Kraft gebricht es 
auch Luise Gerlach, um ihre oft richtig beabsichtigten Steigerungen realisieren zu 
konnen. Sie bewies Talent und Fleiss. — Myrtle Elvyn zeigte in ihrer Erscheinung 
mehr Grazie, als im Gebrauch der Hande beim Anschlag. Sie kann Beethoven geistig 
noch nicht erfassen, ist sonst nicht unbegabt, sollte aber weniger maniriert spielen. — 
Else Gipser kommt trotz redlichen Bemuhens fiber sehr anstandiges Klavierspiel nicht 
hinaus. — Eine musikalisch-geistige Anfangerin ist Wanda de Zarembska, die unter 
der vorzuglichen Direktion von Xaver Scharwenka das e-moll Konzert von Chopin und 
Liszts „Totentanz a vortrug. Chopinsche Sentimentalist liegt ihr fern, von Auffassung 
kann man nicht sprechen. Das Spiel war zu mechanisch. Technisch hat sie viel 
gelernt. — Das Konzert der w Musikalischen Gesellschaft" Hess fleissiges Studium 
erkennen. Der gemischte Chor besteht bis auf die Tenore aus brauchbarem Material und 
wahrt die Reinheit fast durchgehends. Der Dirigent Eduard Levy hat gute Intentionen, 
wenn auch noch nicht alles gleichwertig gelang; jedoch bekundete der Chor Begeisterung 
und sang ausdrucksvoll, auch mit guter Aussprache. Von den Solisten Klara Erler und 
Hjalmar Arlberg zeichnete sich besonders der letztere aus. Er kokettiert aber stark 



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364 

DIB HUS1K V* II. 



nit flteem bum bGrbaren pianJeeimo, daa or allerdioga rlrtuoe be&Mdelt> wto wd doo 
Obergeag fom Falaat aor Brnatetffmne- Saloon aympathMcbeii Barifton fetaaindit «r 
kftnatlerHcn. Arthur Lil«f 

BSOSSBL: Doc Mnnat Jamjar etand ha Zetaben dec JubBtamafMent. Zmnt teterte 
E, Yaaye dtutib tin auaerordentttcfcee Kooaort daa aefcnjlbftge B e a to fc on Mhwr 
Komerte+ Lelder war da* Programm wietaiuB nidit danacu, aeftr m inteTeeetemn * — 
hM*r our belglacbe Hndk: Pfaantaale toe Ukou, KlerierkaoieTt von TTuYeaye (do On* t% 
die oft gendrte d-moll Synpbonie tod & Av^ Zwtachcna k t aqmal k ana ^Jean AUcfcot* 
fm A, Dapflta* tind VhritnatBcke von E* Yeaye (T ft I band), Anaffinnm^ tadelloa. Boi alter 
Hochacbtung Sr daa rtele Scbfae* daa Teay» wifcrond dee Teifloaaenen Demttthtma «dt 
■tfbiMi famnacin Orcbeetor geboeeOf kvaa nun tbm dm Vorwnif otnee Bberaio&onfltt 
Knttna dor modftfnan Moelk, namentiteb der Jnngfraazfteiecben Sfebnle, srit Cut grand* 
ftftxttehar AiteacfaHcaeang dor nendontacben Mttalkv flkkt ortparen, Hoften «fr t daea or 
in Znkmtft andere MM* etaeebttgt — Die aweiie Rater fait dem ISO* Oobnjtetftffe 
Mozart a, and beetand la etnem ram Cercle artletlque In eeidem Stale 
etaltetea dreltlglgea Mnaikfeate, vie ea kfaetlariecb nkbt ech&ner gedeeht 
kaniL Uater Ldtmg wa ftiti Bteinbtch and onitt Mtarirkosg daa Gtn«ai«li- 
Quartotte, Ton Hcnard MBblfeld, Clotflde Kleeberg, JUL CrUfcboom (Vtoifnob 
ran Hont (Brateche) nnd elma khrinen ranritgVebon Otcheetere von bier getanftra 
(bigend* Work* am ToUmdeter Atttfafciung: Eratar Abend: Kammoraoaik — d*moH 
Stretfihqttartetf, Trio IBr Klarinettn, BfHacbo nod Klarfer, Bllaernoronade In b tmd 
Klarinettenqtdiitett Zvelter Abend: Ofebeetennnalk — g*mol] Sympbonta, Zubcr- 
Bften-GuvefiBfo, adit ISnna maamfMngeeteilt Ton Stainbacb^ B-dnr Klariaf koatait ud 
Symphonic fcontertairte Hr VloHue nnd Bratecne* Dor drttte Abend war dot AufTBhrug 
dor eett Bber 20 Jthren bier niehi gegebenen »Flgaroa Hocbieh* darcb daa Monnnle* 
Enaemble outer Betto tod Pneha ^Hfimchan) ud ooter Lettnng m Stelnbadi bn 
Monn^e-Tbeatar p«tdmet — Anob daa Konaervatorlom raaoetaltete elne lrBid^i 
MoiartWer; Jo pi tar- nad B-dur Synipbonle, ZaoberBBtan-Ourertflre nnd Teaett, d*moll 
KltTierkonzert (do G reef) wnrden unter Gevaert meiiterhift geipielt Felix Telcker 

CHEMNITZ: Die Sudtkapelle (Max Pohle) gab einen Wagner-Abend (Siegfried 
Vagner ala Diligent elgener Verke), elne Mozart feler (Ei-dar Symphonle, Ouver- 
ta«n t Blaaquintett asw*) und bncbte In fUaf Symphonie- uad Aboonenientikonzerten an 
interaaianten Neuhelten: Walter Doate .Uebealeben" Mr Sopran, groieea Orcbeater 
and Orgel t Paul Dnkaa' ^Zauberlehdlng*, Fnaz Mayerboffs b^moll sowle Volkmanna 
d-moU Symphonic nnd Coldmvke p Llndlfcbe Hocbzeit*. Ala Sollet reierte Frit* Krelaler 
Trinmphe, — Der Masikrereln (Franz Miyerhoff) fQhrte Kerl Zuachneida „ Unter den 
Stemen* bei nna eln und bereitete Fritz Voibichs p Vom Pagen und der K5uigetochter* 
elne glinzende AnffBbrung, Elena Gerhardt, Hane Nietan uad Tb. Heie van der 
Wyck batten grosaen Erfolg ale GeaanguolJiten. Oakar Hoffmann 

CINCINNATI: Die Orcheitemummern des enteu Symphonlekonccrti unter Frank 
van der Stackene Leimng blldeten: Dvofaks CeTnevaJ-Ourertiire, Techaikowaky*a 
e-moll Symphonie uod MaaeenefB Suite; H Les Erynnea 4 . Alfred Relaenauera Wieder- 
gabe dea Beetbovenacben Ea-dur Konzertes war eiue Glanzleiatung. Der Soliat dea zweiten 
Konzerta war Aloys Burgateller. Beethovena OuverHire zu Egmout, Schubert s C-dur 
Symphonic aowfe Blockx: .Trypiique Symphonie* bildeien die Orcheaternummern. Das 
Hauptintereaae dea dritten Konzertea kouztDtrierte sich auf das Deb&t dea neueo Konzert- 
meiaterta^ Hugo Oik, (d moll Koniert von Joachim). Deo teohnischen Schwlerigkeiten 
dea Werkea wurde er In jeder Weiae gerccbr, wennglelcb auqh sola Ton weder groaa iat, 
ooch aein Vortrag aich durch beaondere WIrme auaielchnet* Mendelaaohna OuvenQre: 



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355 
KRITIK: KONZERT 



„Meeresstille und gluckliche Fahrt**, R. Strauss* Serenade op. 7, sowie Schumanns „Erste a 
vervollstandigten das Programm in gliicklichster Weise. — Dr. N.J. Elsenheimer, 
Lehrer am ^College of Music of Cincinnati**, veranstaltete einen mit Beifall aufgenommenen 
Kompositionsabend, an dem Lieder (Hans Seitz) und Vokalquartette zum Vortrag kamen. 
ErwShnung verdient ein von dem hollandischen Pianisten Brahm van den Berg 
veranstalteter Klavierabend; der Kunstler verbindet eine staunenswerte Technik mit musi- 
kalischem Verstandnis. — Ein Konzert des Apollo- Club verdient ebenfalls hervorgehoben 
zu werden. B. Foley, sein artistischer Leiter, hat im Laufe der Jahre einen guten 
gemischten Chor gebildet. 1m letzten Konzert wurde eine hier noch unbekannte Kantate: 
„Everyman, Cantata founded on the old morality Play" von H. Walford Davies auf- 
gefuhrt. Es ist dies ein in jeder Hinsicht hochinteressantes Werk, das entschieden zu 
den besten Kompositionen der modernen religiosen Richtung gehort. Wenn auch das 
Opus in seiner fesselnden und packenden Vertonung und in der auf Wagnerschen Grund- 
satzen beruhenden Diktion einen machtigen Eindruck hervorruft, so ubt es doch nicht 
die nachhaltige, erschutternde Wirkung aus, wie eine Auffuhrung des Schauspiels, das 
vor etwa zwei Jahren in fast alien grossen Stadten der Union erfolgte. Ober die Durch- 
fuhrung der schwierigen Solopartie des Everyman, die Herrn Pendery oblag, sowie 
uber die Wiedergabe der Chore lasst sich nur gunstiges berichten; der Rest des 
Programmes Mel ganz ausserordentlich ab. Dr. N. J. Elsenheimer 

DESSAU: Das vierte Hofkapellkonzert vermittelte u. a. als Novitat Tschaikowsky's 
Ouverture-Phantasie „Romeo und Julia" in vorzuglicber Wiedergabe. Wilhelm 
Sieben-Munchen spielte mit hochentwickelter Technik und tiefempfindungsvoll Brahms' 
Violinkonzert. Das funfte Konzert gestaltete sich zu einer erhebenden Mozartfeier. 
Als Solist war Hans Buff-Giessen gewonnen worden, der sich als vorzuglicher Mozart- 
sanger erwies. Ernst Hamann 

DORTMUND: Der Pianist Backhaus erschien im philharmonischen Solistenkonzert. 
Obwohl den Inhali des a-moll Konzertes von Schumann mit Erfolg vermittelnd, 
neigt sein Spiel vorlaufig mehr der Virtuositat zu, und in R. Strauss' Burleske fuhrte er 
die Horer an die oberste Grenze der Technik. Huttner bot in Bruneau's „Dorn- 
roschen" eine fesselnde Neuheit, und in der Begleitung zu der Burleske wurde das 
Orchester hochsten AnsprQchen gerecht. In einer Mozartfeier liess das Spiel von 
Frl. Geselschap die kleinen geistreichen mozartschen Ziige nicht vermissen. Direktor 
Holtschn eider veranstaltete mit dem Konservatoriumschor und tuchtigen Solisteneineher- 
vorragende Auffuhrung des „Idomeneo u , fur den Konzertvortrag bearbeitet von Witte-Essen; 
die noch gebliebene HSufung und Lange der Soli beeintrSchtigten jedoch den Genuss auf 
die Dauer. Mit Unterstutzung von Frau Rusche-Endorf und Bram Eldering gab der 
Lehrer-Gesangverein unter Laugs ein Konzert. Manche schwierige Chore, wie das 
„Requiem" von Zollner, liessen nicht nur die Gediegenheit der Stimmen, sondern auch 
den kunstlerischen Vortrag bewundern. Ein Liederabend von Suse de Cave interessierte 
durch die Urauffuhrung des Melodramas „Die Hexe vom Drudenstein**, mit dem Kom- 
ponisten Dr. R. Hering am Klavier. Auf charakteristischen Leitmotiven aufgebaut, 
hinterliess es nicht den erhofften Eindruck, weil die Themen mehr ausserlich malen als 
inhaltlich erlautern. Janssen und Sahla gaben einen Kammermusik-Abend mit Sonaten 
von Brahms und Grieg; bereichert wurde er durch den zwingenden Vortrag von Liedern 
durch Tilly Koenen. Auch Lula Mysz-Gmeiner bewahrte in einem Hornungschen 
Konzert von neuem ihre Kunstlerschaft in Liedern von Brahms, Schumann und Wolf, 

Heinrich Bulle 

ELBERFELD: Im vierten Abonnementskonzert der Konzertgesellscbaft unter Hans 
Haym hatte man Gelegenheit, in Wildenbruch-Schillings' „Hexenlied" Ludwig 



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tod 




DIB MUSIK V. 11. 




VSItner an bovtmderiL Dutch Weichen Anachtsf tad tadelloee Teobnik 
Amtr Schnebel }m Beethovenschen G4ur Konzert and In Schabtrisejten Ks 
in*. Char vad Ofl&oster botsn v Du LM mm ▼erden und Vergeben* voir V. 4© Bm 
nod Glncfcs „IpUcm1«*-OtnrertBre mlt dew Sehlatt von R* Wjgper* Die KfnMtatftss 
des vlerten Kflnsflefebend* tfer Kousertfflrektion de Settee* bfidete TlUy Bmrwsster, 
GMli Gf oss, Olge Wood, van denes dee ersteren veUendete Metetarsduft sties 
sndcre In dsn Schatten stsflts. Dennoeb batten sncb Gisefl* Gross tm FIBfril ond Olgs 
Wood, von Henry Vood begfcim, ntit threat (fosssn Organ^ des de sttf dot Bfilmoa- 
gsssng vsfwsufl) besonders in irtnTosiscnsn und ntsslsehon Uedern Brfolg* 

P* Schemensky 

FRANKFDBT *. ML: Dsss skhder Rfthlsebe Gessngvoreiu tarter der nenen LeixOf 
von Siegfried Oehs to neht gsdettttchcr Vetec vetter entwiefcelt, selgte sin Kouert, 
daa Brahms* »Deatschet Reqaiea* mid rat JHotsrt snsser dem Ave veram sin dlosem 
hdMsn Tonstficic ettsmmngtvei • eudtes v Ltsdits dominvnt" sits dor xretten Vesper brwdtts* 
SoJlston vsren A. Ten Bweyk ttnd Ftsu Bellwldt ran hlsr. In einem Mseemnskoiusft, 
dessen voksle GenBsss Fran Fleischer* fide 1 cpendett, warden such die symnhotttaetae 
Dfcbtnnten pKlwB de* Nsnslkss* and ,Hefmkehr* von E. Boshs fespleltj denen men 
eber fast nortt kBfcler begegnete sis den Usher Mer beksraten Abschn&ten des Odysseus* 
Zykltte* — Dss BBhmlsehs StreJchqutrtett ictgts skit twl seiner jfingaten Einkebr 
such den Atttfctben, die Brahms sttUt On op* 51, No. l\ In bervorr sgan der WeJte go* 
vschsea, Hsns Pfeilschmidt 

HAMBUttG: Dte Dttefctton der pbJlharmonlsehen Komem list G!9cfcs In tan AafM- 
tdich, in dem die Abssge des ftL Bosetti slo in Verlegenheit m tetien drobte, 
Isndett BrnesHne Rapp-Schnmtnn-Helnk snf dettacbem Boden ond sotamU Uess As 
faefflbmtn AlHstln, deren Bohm bel one einat leuehtend stifging, sfcb bereft linden, lb 
ftLBosefdebtsaeprfiigen* Natfirltefa wtren enter dlcsen vertndertefl Bedingangen Probe wis 
Kensert totsl aatverktuft^ mid die Kfinstkrin, die mil fereifter Tedmlk, mtt eminentent 
mnslkillSGbstt Getcbmsck and prtcbtvoll blfihendetn Ton nng t mschte slle Bedenknn 
xunichte, due etwa dss DoHarlsnd ihr psychlsch oder pby&licb setcbader baben kfinnte, 
Fiedler, unermfldlicb In seiner Strauas-PrQpagandi, brtcbte in dlesem Konzert wieder 
elninat den *Ziratbustn*; mm Entaetzeit dea unmuaikaliacben Teiiea dea Pnbliknms, 
daa gerade dleamal der Solisdn wegen anden gemiacbt war, als aonst wohl, Mlt einein 
groaaen OrcheaterkonKert vorgeladenen Glaten fQhrte aicb Walter Arm b mat, der Sohn 
dea bier unvergeasenen Organisten und Mu»ik«ch rifts tellers C* ArmbruBt, in seiner Vater* 
stadt ale DIrlgent ein, Der )ange Mann, dem es an innerer Abklirung und an Reife fm 
Teebniachen noch mangelt, machte ad der Spitze dea Neuen Hamburger Orch titer* seine 
Sacbe gteicbwoblaogut, daaa man ibm elneerfeigreicbe Dirigentenlaufbahu voranasagen darf ; 
rorauagesetzt, daas er in elne arbeittreicbe Position gelangt f die ibm Gelegenbeit gibt, 
daa Handwerk dei Kapellmeisters beberncben zu lernen* — Die BrQaaeler Kammer- 
muaiker acbelnen aicb nun endllcb bier auch in welten Krelsen durcbgeaettt zu baben, 
denn bei ibrem letzten Konzert, daa aicb wieder urn der Mitwirkung dea Hcrrn Ammer- 
mann zu erfreuen batte, aaben ale aicb elnem volien Stale gegea&ber. — Elne junge 
Hamburger Slngerfn und Gesang&lebrerln, Annie Bookboltz, debfitierte ver der Offend 
licbkelt ihfer Helmatatadt mlt einem Liederabeud, deaaen Program m der Initiative und 
dem Musiksinn der jungen Dame tile Ehre machte. Lieder von Mahler und Schillings 
hflrt man bei una nicbt alle Tage. Aucb ala Slngerin aebnitt FrL Bookboltz, die uber 
eln aehr hubscbee, sympatbiscbes Material verfiifit, im Vortrage freilich reichllch objektiv 
bleibt, recbt gut ab. Denn Mlngel ihrcr Intonation darf man in der Htuptsache boffent- 
lich auf die Bcfangenbelt einea Debuta achleben. Der Welmarer SolocelHat E, Roa4 



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357 
KRIT1K: KONZERT 



spielte auf einem tonlosen Violoncello — das Instrument des Kunstlers hatte auf der 
Reise hierher Havarie — einige nichtssagende Kleinigkeiten, die teils wirklich von 
Godard waren, teils von ihm hatten sein konnen, und als fleissiger, schmiegsamer Be- 
gleiter sass den ganzen Abend Herr Birgfeld am Flugel. Heinrich Chevalley 

HANNOVER: In unserem Konzertleben wurde des Mozartjubilaums lediglich durch 
ein geistliches Konzert der „Musikakademie" gedactat. Das aus Cboren und 
SolovortrSgen zusammengesetzte Programm — Solisten: Klara Erler und Anton Hekking 
— nahmen unter der Leitung von Josef Frischen einen im ganzen recht befriedigenden 
Verlauf. — Berechtigtes Aufsehen erregte das erste ofFentliche Konzert unseres „Manner- 
gesangvereins", unter seinem neuen Dirigenten Frischen, wegen der durch riesige 
Schneid und wahrhaft begeisternden Schwung ausgezeichneten Chorleistungen. — Im 
sechsten Abonnementskonzert brachte die Konigl. Kapelle unter Doebbers Leitung 
die Symphonie „Aus der neuen Welt" von Dvorak (Novitat) und Bizet's „Roma-Suite a 
vorzuglich zu Gehor; Eugen d'Albert glanzte als Beethovenspieler in dem G-dur Klavier- 
konzert. L. Wuthmann 

HEIDELBERG: Der Ton liegt auf drei Konzerten des Bachvereins. Das erste war 
der franzosischen Musik geweiht; man hdrte Berlioz' w Harold en Italie", Char- 
pentier's .Napoli", den hier neuen „Apprenti Sorcier" von Dukas und Lieder verschiedener 
Art, interpretiert durch die charaktervolle Kunst von Nina Faliero-Dalcroze. Das 
zweite Konzert war ein Mozartabend und brachte vokale wie instrumental Kompositionen 
des Meisters; besonderen Anklang fand eine von Wolfrum aus den w Deutschen* und 
Menuetten zusammengestellte Tanzsuite. Das bisherige Hauptereignis dieser Konzerte 
aber bildete die vom Komponisten selber geleitete Auffuhrung der Regerschen 
Sinfonietta, die eine warme, ja enthusiastische Aufnahme bei einem allerdings in vieler 
Hinsicht wohl vorbereiteten Publikum fand. Auch die iibrigen angesetzten Regerschen 
Kompositionen, Lieder und Orgelsachen, wurden beifallig vernommen. Den Abschluss 
des Abends, der das Orchester auf seiner Hone zeigie, bildete Liszts „Hunnenschlacht a . 
Von den ubrigen Konzerten sind erwahnenswert ein Beethovenabend Lamonds, ein 
solcher, im Auftrag des Bachvereins gegebener, Edouard Rislers und einige Mozart- 
konzerte, darunter eine der Seeligschen Kammermusiken und ein Abend des stadtischen 
Orchesters. Hermann Voss 

KASSEL: Die hochgeschatzten Konzerte der Konigl. Kapelle unter Dr. Beier brachten 
eine neue symphonische Dichtung „Liguria a von Reinhold Hermann, ein Werk, 
das in funf Bildern: „Das weite Meer", „In den Bergen", „Schirokkonacht", „Tanz der 
Leuchtkafer" und „Beim Kirchfest" in Melodik, Harmonik und Tonmalerei viel Inter- 
essantes und Schones birgt und eine freundliche Aufnahme fand, ebenso wie eine neue 
dramatische Szene desselben Komponisten „Liliths Gesang", die von Frau Herzog 
trefflich gesungen wurde. Zugvoll und gediegen erwies sich F. Mayerhoffs h-moll- 
Symphonie. Der dem Andenken Mozarts gewidmete Abend bot als Hauptnummer die 
Jupiter-Symphonie, die ausgezeichnet vorgetragene Serenade in c-moll fur acht Blas- 
instrumente und das A-dur-Violinkonzert (Petschnikoff). Mendelssohns Violinkonzert 
und die Coriolanouverture beschlossen das Programm. Aus den Kammermusiken der 
Herren Hoppen, GShlert, Keller und Monhaupt seien als besonders hohe Genusse 
hervorgehoben B-dur-Quartett und Klarinettensonate in Es von Brahms, die Herr Loh- 
mann (Klarinette) und Dr. Zulauf sehr schon zur Geltung brachten. Der Mozart-Abend 
der Kunstler bot das Quintett fur Klavier und Blasinstrumente in Es, das C-dur-Quartett 
und das Trio fur Klavier, Klarinette und Viola, alles in exquisiter Ausfuhrung. — Der 
Oratorienverein unter Hallwachs feierte wurdig Mozarts Geburtstag mit einer wohl- 
gelungenen Auffuhrung der c-moll-Messe. Die Solisten Frau Ettinger, Frl. Leyd- 
V. 11. 24 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



3SS 
DIB MOSIK V. 11* 




flecker, Georg Walter ana Dfisseldorf and Operntfoger Kaee m iter Idrtotoo 
Gates, cttm Tell Vonflgllcboe. — Neae Lorbeerea enttete die Me tain g« Haflmpeltt 
mlt der Eroica, dor Leoaoren-OavertBre, Wagner* Fatutsrmpfaonte und dem HexenBod 
(unter Mitfflrktrag Meister Winners). — Elnen geaussreleben Abend gevtbrta «&e 
Kontett der tficbtigen Geigerinnen Frl Fercblaad and FrL PBret mlt Overtoil (Mp, 
Trios) Ton Bscb, Mozart, Spohr, Slnding tad Jnon. Or* Brede 

KOLN: Itn scbten GBrzenleb-Koazert erztelte In Urstjff&brung dss fteoo ma* 
bngrelcbe MysteriatD ^Totenunx" von Felix Woyrsch groenn Ertbig* der den 
tnt Alton* bier tnweeeoden Antor oftmits sal dee Podium berieL Im Stile Holbeifts 
bat Woyrscta ate Textdlcbter von poetEscb tlefem Empflodea nod scbSoer Spracbe dm 
Gmppe von detn Mentcbenleben enlnommeaen BUdera aneiaeadergereibt: ttach Versa* 
gang eines den Zug dee Todee sehUderadea Chores bringt (Us erste Bild den beta As* 
drRngea der Felnde gemoiasam mlt seiner Uebttngssklavin Mjrrba slab vom scbwelge- 
rlscbm Gelsge In die seibstentzBndetca Flammen seines Pslsstes stBtsendm KJhfig 
SsrdanapsL Es Iblgt efaie buntbewegto Szene ens dem Lattdaknochdeben mlt dom Tode 
etiies Mb wn der Uebenden Mutter geocbledeneii {ugendtlcben mmpee* Im drltteg 
Bflde eatttbrt der Sensenmann ©in kraakes Kind sub der Matter Arm. Duviortc xelgt 
den mlt seiner Geige alio Herien besvHtgenden Stylelmsna Friedel, wis or die Letter 
zo Uebchens Fenster omporgeklommen 1st and vom aeldiecbea Alberstffrer in die TJeft 
gescbleadert vtrd. Scbliesslicb retost der Tod etnoa getebrten Grets rem bsJbvolteadeta 
grosson Works, dss ibm die Uneterbltobkeft errtngen sollte, erbsfmangslos blnttg* In 
VerUlntagageslnfea and HaUelnJi t&nt in Gsnze sua* Exotischo Tiage, Schlscbtea* 
getflmmel and dfe Einfiecfctnng mancbofiei sndem Beiwerks in Fersoaen and Headlttage* 
momentea liessen d«a von sefnem Paaakmsotatorintn r&bmlich bekaaaten Tonsetxer 
seine vlotsoitigo mnsifcalisebe lUnstriemagikinist im gfiastigsteo Licbts zotgon* Prtobtlg 
geaetste Cbftre, fntmssmt faebsndefte Solopsrtteea and eine don gemlsstgt Moderns* 
konazelcbneade^ woblUntroiche Orcfcesterspracb* bewibtea den Etber «unntendti malo- 
discbee Etemont lelcbt and docb each zeitveillg bewaost spsrssm vorfOgenden Tonsetior 
tuf dor voliea H5he seiner hoebstrebenden Scbaffcn&kraft. Einzeinea 1st wohl etvis za 
breit gedleben — gem&ss der textlichen Aniage — sber die Moment*, wo die Art dor 
Erflndnng odor Ausgcstiltung dss fSblbsr micbt f slnd docb schneli vorfibergobendo. 
Frttx Steinbscbs gllnzende Dirlgentenfcunst scbuf in Orch ester and Cbfiren sine 
wundervoile Auff&bntng. Ais Soli* ten trsten Clotblido Wengcr 4 H.Weil, Ctrl Perron 
und Ludwig Hess in beksnnt trsfflicbsr Weiss fur ibre scbOne Aurgsbe ein. 

Psai Hilier 

KOPENHAGEN;Zu Weibnscbten brschtederMu&ikrerein In der Frtuenkircbe elne — 
tellvelso gelangene — Auffubruog des Weibnscbts-Orstoriums von Bicb. Ans dem 
nsch Neujshr wleder aufbiflbenden Konzertieben nenoen win Dobnanyl's Komert, die 
.BrGsseler* (die dss sebr Imeresaierende Debussyscbe Quartett bracbten); dann dss 
Auftrcten des norwegiscbea talentvoilen fUsvierapiders Karl N less en and nocb mebr 
dss mlt Jubel surgenommene grosse Koniert der Scbveden; Sicnbsmmsr, Aultn, 
Alfvin rait den Gesangskunsticra Forsellund FrL Svlrdatr&m zussmnien, — Mozart 
wurde mobrfscb gehuidigt, namemllcb im Clcilienverein (c-moll Messe und Brucb- 
st&cke sua der von unserer Oper ganz vergesscnen Zauberflftte) und in den Palais- 
konzerten von Joacbim Andersen mft sebr stilvollem Programm. — Der plfitzllcfae 
Tod unseres aiten KSniga wird einen pl5tilichen Stilistand des eben sehr blubenden 
Konzertlebens mit sich bringen. Wiliiam Bebrend 

LEIPZIG: Gerade am 27, Janaar, am 150, Geburtsiage Monrts, gab es bier ausser der 
Don Juan voratellung im Tbeater nocb eine vom Riedcl-Verein (Dr. Georg GSbler) 



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359 

KR1TIK: KONZERT =5jfeo^ 



veranstaltete Thomaskircben-Auffuhrung der „c-moll Messe", die unter solistischer Mit- 
wirkung der Damen Ruckbeil-Hiller und Leydhecker und der Herren Ankenbrank 
und Lehnert wurdevoll scbon gelang, und die vierte Gewandhauskammermusik, bei 
der unter Hinzuziehung des trefflichen Pianisten Ernst von Dohndnyi und einiger Ge- 
wandhausblSser das dreistimmige Streicherdivertimento in Es-dur, das Klavierquariett in 
g-moll und das entzuckende Es-dur Quintett fur Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und 
Fagott sehr ansprechend wiedergegeben wurden, und so blieb denn weder Zeit noch 
Interesse fur ein auf den gleichen Abend anberaumtcs Konzert der mit Hertha Dehmlow 
debutierenden Bruder Ignatz und Wladyslaw Waghalter ubrig. Zum kunstlerischen 
Hohepunkt der biesigen Mozart-Feier wurde der funfte Kammermusik-Abend der Boh men, 
der pr&chtig mit dem C-dur Streicbquintett anhub und nach abermaliger Vorfuhrung des 
g-moll Klavierquartettes 1am Flugel Fritz von Bose) in eine ganz wunderbar schone 
Reproduktion des A-dur Klarinettenquintettes ausmiindete, bei der die Horenden besonders 
durch das ganz herrliche Klarinettenspiel von Oskar Schubert wie „in eine bessre Welt 
entruckt** wurden. Eine von den biesigen Ortsgruppen der internationalen Mozart- 
gemeinde und der internationalen Musikgesellschaft veranstaltete Feier, bei der 
als einzige ernst-kiinstlerische Leistungen einige Liedervortrage von Anna Hartung 
wirkten, gipfelte in einer sehr wohlgelungenen kostumierten Vorfuhrung des Mozartschen 
musikalischen Sextettspasses „Die Dorfmusikanten" durch Herren des Gewandhaus- 
orchesters und machte also gleichsam ausnahmsweise auch das Apollo-Fest dieser Mozart- 
tage mit einem Satyrspiel ausklingen. Das gutgelingende 15. Gewand hauskonzert 
brachte zwischen Schumanns Genoveva-Ouvertiire, Handels g-moll Streicherkonzert und 
Beethovens c-moll Symphonie Klaviervortrage von Ernst von Dohn£nyi, der mit 
Schumanns a-moll Konzert und den Handel-Variationen von Brahms voile, edelgeartete 
Meisterschaft bekunden und grossen Erfolg erzielen konnte. Im 16. Gewandhaus- 
konzert gab es als von Arthur Nikisch vorzuglich einstudierte Novitaten die erfindungs- 
magere aber raffiniert zugerichtete Phantasie-Ouverture w Hamlet u von Tschaikowsky und 
die von Weingartner fur voiles Streichorchester eingerichtete grosse Quartettfuge op. 133 
von Beethoven, dazu aber erklangen nach Mendelssohns A-dur Symphonie noch Lieder- 
vortrage von Maikki Jiirnefel t, die trotz ungenugender Schulung des Organs mit der 
Fulligkeit ihrer Tone und mit dem Temperament ihres Vortrages besonders als Interpretin 
finischer Gesange von Jarnefelt, Merikanto und Sibelius sehr freundlich anmuten konnte. 
Das achte Philharmonische Konzert, das Hans Winderstein mit tuchtigen Inter- 
pretationen des Lisztschen „Tasso a und der Berliozschen w Cellini-Ouverture a umrahmte, 
vermittelte die Bekanntschaft mit Joan Manen, der in Lalo J s ^Symphonie espagnole" 
und Palloffen's „Introduction, Adagio und Variationen" durch Susse des Tones und 
phanomenale Technik bestricken konnte. Der akademische Gesangverein „Arion w 
(Leitung Paul Klengel) exzellierte in seinem unter Mitwirkung von Carl Scheidemantel 
veranstalteten Winterkonzert mit der klangschonen Vorfuhrung von „drei schottischen 
Volksliedern a , gesetzt von A. von Othegraven, Hegar's „Die Blutenfee* 4 , w drei Madrigalen 
nach Hasler und Morley", gesetzt von Max Reger, und von Fritz Neffs kraftvollem w Ein 
schon deutsch Reiterlied" und brachte daneben auch Hugo Kauns stellenweise wohl- 
gelungenen „Normannen - Abschied" zur Erstauffuhrung. Von einer Auffuhrung der 
„Schopfung a durch die Leipziger Singakademie kann ich ebensowenig berichten, 
wie von den Taten des Leipziger Mannerchores, da diese beiden von Gustav 
Wohlgemuth geleiteten Vereine durch Nichtubersendung von Konzertkarten wohl 
zu verstehen geben wollten, dass ihre Leistungen uber — oder vielleicht auch unter — 
meiner Kritik stehen. Ludwig Wu liner wusste mit der gesprochenen ErzShlung von 
der „schonen Magelone** und mit andeutendem Gesangsvortrage der Brahmsschen 

24* 



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300 
DIB MUSK V. It- 



liageloite-Roniuixen tu hUeroaaleren, EUsabefh Hnnbtn mtcbte bednnern, tat Btft 
symptihlsche Sdmme noeh der vellen Atufetldttn* etmsngelt, und tbnlteb tttftd m mftt 
TBIy Brlenmeyer, die ihrcn Alt tUerdmfi achoa temptnmeaJKUer » 
verstebi, wibmid Emmy Oelachlegel tcbleunlftf an dm ttbUUchaa Herd 3 
iailt*, ATno AckfA iter mlt fbren enra senlenlosen after ttimmlicii 
batten Koroerfalngen du YeriMgen ntob otoem Tbeaierbegegniiti mlt thr 
feenitte. Der tslemvoOe aber noch nieht hrtlgft Getter Kail Klein begeffttte 
Ikftem Intercast, and eebHeaaHcb nude BmB Saner — nicbt tit IfartMfmtfifdtger 
Baptellen~K*mponlat und aneb nicbt tb mwm Itnnender Virtuose — vdU after ait 
anttrordendlcb htoeiiiniger Mebtertpleler (Schnbert-Tahtlfc Schumann, Chopin, Brahma) 
in ettaem trtten Klaviembend mlt to stflrmiac&er Beg riam tmg aoifeeaoamie% daw «r 
Mch dam tveften Abend ansetzen mntttt. Arthur SmolUm 

MAGDEBURG; Zn bericfcten Itt Tim einem Konzert Im »Kanfmlnnieeh*n Y*r». 
tin"; tt bracfate die E*-dw Symphonic v<m Hot trt vftd tit eifi>lgreteb* SoUmm 
Unit Fhllf ppl (Bttel) mlt der Alio tut „Stnuon and Dtlfit* nod Utdent von Brahate 
mid Refmtnn towit Artttr Schntbel mlt dem d*meU Klavitrfconaett voa Mtttrt ud 
dem Karaeval von Schumann. Im Programs des Hnfken Symphoniekimtert* dee Stndt* 
theaters tttoden Beettovent w Ertte* ond di« Orchesterviriatioaen m <L SebymmMu 
Alt Sotttftn virkten Katbtrtftt Goods 00 trit v tin Ftsniettn von ttocbenrtfftokeiler Teektrik 
after *enjg Tlnne det Goflble, tmd Rudolf Monet nut Hannover. Die svelte Halite 
det Mounts januar stand In den tnderan Koiueittfien tnch im Zefcfatn dte Bwdertp 
nadfOrtttflfarliea, Mo tarts, der, tun tin Wort Jttn Parts am? Ibn ansnwentet vti die 
Jogend dn Gelttes, ewfg netn wlrA Max Haaee 

MANCHESTER: In den HaH6-Konzerten miter Ham Rlchter kamen die Symphonies* 
in Bt von Bruckner, la D ton Brahma, Ho, 8 von Beethoven nod die onvenneMHeho 
•anthettedie t«o Ttebttkovaky n ettogeteUhnetor Attfffibrunc, Ate Heaheft Mrten trfr 
Blf art Introduction ttnd Allegro IBr Strtbter tUeto, mtt Solo-Stretehqatfttttt eta Verity 
dtt trot* sorgflltig vorbereiteter da ctpo-VIedergabe ttnd trott der vlrtnoeen ArafBbnntg 
keiDca wirklicben Erfolg btfte, lch b5cte e* kttrx vorber uater Elgir selbtt, httte et 
imdlert, o&d hud, data das etwsi prlcenHSse Verk durch Wiederbfiren ktnm gewtnn- 
Kreisler ipielte dts Mendelssohnscbo und dts A*dur Konitrt von Maim, and Ltdy 
HtllA irotx ihrer 65 Jabre htrrlicb das Beethovepiche. Kreisler fab such tin elftnet 
Konzerl mlt ausstrordtctllcfaero Erfolg Ed. Sac hi 

ANNHE1M: Die Komerte tteben jetit hit aainabmslos Im Zefchen Moztrts, Dts 
Qutrtett Scbuiter felerte den 150. Gedenktt^ durcb Ktmmennutik (Klirlnettentrlo 
and -QuJntett)^ der Lebrergeiangverein darch CbSre, dtninter such dts w Ave vemm H 
and Lleder fur eine Sitigitimme; der Muslfcveretn tractate unter Kiblers Ltitnng 
das Requiem zu eitter trelTljcben Wiedergabe, der PbUbarmonlscbe Vereln spiel te 
die c-moll-Sympbonie utd betleltete das Vloliakonzert in A-dur, das Petscbnikoff, 
sowie dte Symphonic concertaote fSr Vlollne und Violi^ die Lilli Fetich nikoff nnd 
ihr Gttte vollendet ztisimmcn spielten^ Clara Erler erwles sich In Lledern and etner 
Arie sub H [domeneo H sis auagezeicfanete Mozartslagerln. In der letzten Akademle apjelte 
d' Albert j dann dirigierte er seine schwungvolle Improvisator-Ouvertlire uod einite be- 
deutaame Gosinge mil Orchester^ die seine Gail in mm Vortng brachtc, 

K. Escbmann 
\EV YORK; Tlbrend unsere Oper das Mozartjubillum nur mit einem Terke felerte, 
tlbt ea keineo Orch eater- oder Kammermusikvcrein hler zu Lande, der nicht etwaa 
zur Feier be i get rage d bat. Sam Fran to verspricht als .Novltli" Mozarts .Dorfmuti- 
kaaten", tn denea, wie er annimmt, der grosse Meistcr und Humorist gewistermaasen 



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M' 



N' 



361 
KRITIK: KONZERT 



uns quasi prophetisch die neuesten deutschen und franzosischen Musiker, mit ihren aus- 
gesuchten Dissonanzen, ungelenken Modulationen und sorgfaltig beabsichtigten Feblern, 
persifliert. Die Philharmoniker begnugten sich mit einem von Reisenauer gespielten 
Mozartkonzert, in einem dritten von Wassili Safonoff dirigierten Konzert. Der be- 
ruhmte Russe besucht uns zum dritten Mai, und ist hier so beliebt geworden, dass 
ausser den zwei Konzert- Paaren, die er dirigieren sollte, ein Extrakonzert gegeben 
wurde. Es batte ein Tschaikowsky-Programm, mit der Pathetique, und erregte Aufsehen, 
wie keine Orchesterauffuhrung seit Seidl's Tod. Es steckt eine elementare vulkanische 
Kraft in diesem Manne, die hier sehr imponiert. Wenn die Philharmoniker einmal ihren 
Gastdirigenten-Plan aufgeben, dann wird ohne Zweifel Safonoff die Stelle des permanenten 
Dirigenten erhalten wenn er sie wunscht. Er verzichtete ubrigens wieder ganz- 

lich auf die Hilfe eines Taktstockes, und zwar mit wundervollem Erfolg. Allerdings hat 
er erstaunlich „sprechende" Hande; man konnte bei ihm von Handfertigkeit, wie bei 
bei einem Klaviervirtuosen von Fingerfertigkeit, reden. Dass wir keinen Mangel an 
Orchestermusik haben, geht daraus hervor, dass in der letzten Woche innerhalb vier 
Tagen (11.— 14. Jan.) das Bostoner Orchester dreimal hier spielte, die Philharmoniker 
zweimal, und das New York Sy mphonie-Or#hester einmal, bei welcher Gelegenheit 
Weingartner wieder einen durchschlagenden Erfolg hatte; mehr aber mit Berlioz* 
„Phantastischer" als mit der ersten Schumannschen Symphonic Henry T. Finck 

PARIS: Zu Ehren des hundertfunfzigsten Geburtstages Mozarts veranstaltete Colonne 
in seinem Sonntagskonzert des 28. eine Art Mozartfeier, die leider von geringer 
PietSt und noch geringerem VerstSndnis zeugte. Die Jupitersymphonie war ungenugend 
vorbereitet, was namentlich im fugierten Finale peinlich hervortrat. Ein wenig bekanntes 
Andante fur Flote und Harfe erwies sich als unbedeutendes Gelegenheitswerk, die von 
Lola Rally (Berlin) mit guter Schule, aber schwacher Stimme vorgetragene Koloratur- 
arie des „Pastor Fido a als schwache Jugendarbeit. Drei Fragmente der Zauberflote wurden 
in folgender seltsamerOrdnung vorgefuhrt: Bildnis-Arie, Introduktion, Ouverture. Der Tenor 
Plamondon ging an, aber die drei Damen der Nacht weniger. So blieb nur das von 
Firmin Touche mit kleinem Ton, aber mit hubscher Nuancierung vorgetragene Geigen- 
konzert in Es-dur als vollgultige Festnummer ubrig. Bei Chevillard und in den beiden 
Opemhausern wurde Mozart gar nicht gefeiert, aber dafur hatte Le Rey den bizarren 
Einfall, nahezu den ganzen Figaro in Konzertform zu geben. Die gleiche Singerin sang 
dabei die GrMfin und den Pagen. Man kann sich denken, welche Wahrheit des Ausdrucks 
da zustande kam! — Das wichtigste Konzertereignis der letzten Wochen waren die beiden 
englischen Konzerte im Ch&telet. Dreihundert Chorsanger von Leeds hatten sich mit 
dem Londoner Symphonie-Orchester und mit funf Solisten verbunden, um die ^entente 
cordiale" vom politischen aufs musikalische Gebiet zu ubertragen. Deutschland war 
ubrigens von dem schonen Verbruderungsfest auch nicht ganz abwesend, denn es lieferte 
die erfolgreichsten Nummern des Programms. Nachdem die Damen und Herren von 
Leeds mit einer Hoflichkeit ohnegleichen und einem ruhrenden guten Willen die 
Marseillaise franzosisch gesungen hatten, spielte das Orchester Saint-Saens' „Phaeton a , 
der von dem zahlreichen Publikum sehr gut aufgenommen wurde. Dann folgten moderne 
englische Werke von Parry, Sullivan, Mackenzie und Cowen, von denen nur ein 
zierlicher Nymphentanz Sullivan's fesselte. Erst mit dem geist- und lebensvollen „Don 
Juan a von Richard Strauss, den der Franzose Messager flott dirigierte, wurde aber 
die Stimmung warmer. Wagners Meistersingervorspiel erregte den ublichen Beifall. 
In wahre Begeisterung geriet aber das Publikum erst bei der an den kuhnsten polyphonen 
Verwicklungen reichen Motette von Bach „Singet dem Herrn ein neues Lied". Eine 
macbtvolle und bis ins einzelne genaue Chorleistung ist eben in Paris vollkommen un- 



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362 
-DIB MUSIK V, 11* 



m&gUcb nad anerbSrt. Alle Voraocbe, etnea groeaaa and necb «Dn Riebttmfoo 
verflealgeQ gemiiehten Cbor bier ttx fritadea, tlnd gcecbettert Antb du 
freaadllcbe Unternehmen Victor Charpentfert, daa nocb Im Herbet eta bdtn 
gab, aehefat aaJjgegolMQ zn eefn. Erkiltend wlrkte d*an wieder daa Vtd*nt» nod 
Pintle ant doer trtacbm Sjrapbonle no Stanford, der ala Dirfgeat dee OrefcMtan 
mit berflbergekoramen war, and sum Schlnee erbiaoata mtt defender Macht der 
Schlnaeebor ana Htndela »Iarad hi Agypten*. Noeh beaeer, iti daa cfete> wmr das 
svelte Konxert teaucht, well die aeunte Symphonic Beethoven* auf dim Prdgraoua 
etand, damn Cborpartieen bier aodta nle eo groaaartlg a«r Galtttag gekomtnen dad* Aoefc 
daa Sanettia aae Bach* ta-moil Meeae wirkta alederachmefiernd, trad aagar dMi Sim am 
einem deb ror alien berBbmten Mnafern vernefgeaden Requiem too Stanford xoftt 
efalgen Nuteen vea der prachtvollen Cborleiatnng. Etwae hflher stand immertUn notar 
den moderaen Saeben ein CboratBek ana El gar 'a »Ktfnlg OlaP, aber im ganaen bat die 
aeltgantieelacfan engtiacbe Kompoalttan ia dleaen awe) Koaaartea kdzwa b1efbend*o 
Eladrndk Mntarlaaaen, AUe dteee Herrea haben affleabar ia Berlin Oder ia Ldpxig die 
beaten Kaneervatottaaieaatan davangemgea, aber ale aind ibr Lebea lang ff 1 ** SdiBtor 
gebUftben, die aelbet die Kleaeifcer nnr %arch die Brtlle Mendelaaohne an betracbton 
wagen. Aucb ale Dtrigaat der Netratee begnBgte aicb Stanford mil elnor gewiaaenbeftea 
Korrektbtf t> bei der anr daa Scbenco att eetnem Beobie kam, Zwiacben bddea Otabaetm> 
raanataltitafan gatrtn die SoHetea Roae Ettiog er, Coatee, Fraud* Brian tuner der 
Filming van Marie Br em a efatea Liederabend im Baal Brard, der beaaer beiucbf sa 
warden radiant* Den Scbltiaa bildet* die etadigt «ng)lecbo Kompodtlon, die wiridldi 
gefld in dieaen drel Tagan, abnlltib eta altae rweietiinraigee Volkalied „The K«fa of 
Heaven*, Fraa Brema and French Braaa maeaten ea wiedertaolea. Zwai Tage aplter 
blldeto Fraa Brema each dea grfaatm Anxlebtragaptmfct bei der acbteo Jakreefbler too 
Zola'* J'aocneo* im Noareaa*Tbittre. Ste m»f dii Venrfineehnng dea Kriefea aas 
Zola-Braaeaa^a tt Attaqaa da Manlia* ebeaea kriMf wr, wie elaat die Delna* — Nach 
dea pweltigen engjticben Cborlelatttnfea IBbrte nna die »Socl*t* J. S< Bach" wleder 
zur Parlaer Bescbeidenhek auriick. Der von GusUve Bret geleltete klelne Cbor hat 
aicb im xwelten Jthre seines Bestehens lelder weder vennebrt noch verbesaert. Daa 
P*a*aaenwerk war sehr ver&cbwommen in der Kantate ^Nun Itomm, der Heiden Heitand". 
Waa dlesem Kontert aber grosaen Erfolg eiobrtcbte, war die Micwirkung dea deutacben 
Tenoriaten Gcorg Talter, der dtn Becbschen Stil auageielcbnet beberracht — Die 
modcme fruu&ijacbe Koroposition 1st iwar ffir die grosse Komertmuaik aucb Eiemlicb 
unfruchtbar, stebt aber docb welt ubcr der engllachen. Nacbdem sowobl Cote an e ale 
CbeviMard, der er star e aogar zweitnal, Ibr game a Program m mit Berlioz* ^DansnaHon 
de Faust" gefutlt batten, bracbten aie am glelchen Sonntag erfreuHcbe Novitlten, Bei 
Colonne war ea elne nicht aehr streng gefQgte, aber docb lb rem Namen Ehre macbende 
dreisttzige Symphonic dea jungen Rnmlnen Ceorg Eneaco, der aicb am Pariaer Ronaer- 
vatorium sowobl aia Geiger, als Pianist^ wie ala Komponist hat auabilden laaaen. Ala 
Kompoafat buldigte er anfanga einem extravaganten Programmusikstil, den er nttn fiber- 
wunden zu baben scbeint Bei Cbevillard war ea der berells vorteilbaft belcanate 
Komponist A. Coquard t elner der wenigen w It Ic lichen Scbuler C£sar Francks, deaaen 
klelne Orcbeateraulte .En Norvige - aehr btifftllig aurgenommen wurde. Am Nordkap 
iucbt die Sonne in Form einer Trompete durcb den Orcbesternebel zu dringen. Dieaer 
Gedanke bat Goquard daa Scbema zu elneni ziemlich origlnellen SchEusssatz geHeferr* 
Weniger gunatig wurde im gleichen Konzert die wabrbafE norwegiscbe Musik in der 
Form eines Geigenkonzertea von Striding aufgenonimen t obwohl ea Johannes Wolff 
vorzfiglicb vortrug* — Die Kammermuaik erfreut aicb immer steigender Beliebtbelt* 



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363 
KRITIK: KONZERT 



In den Soir6es d'Art vollendete das ausgezeichnete Streichquartett Capet den Zyklus 
der Beethovenschen Quartette, und zum Lohne der Mube wurde ihm eine ungewohnliche 
offlzielle Vergunstigung zuteil. Die Kunstdirektion offnete ihm fur zwei Konzerte die 
sonst nur der alten SociSte* des Concerts zuganglichen Hallen des Konservatoriums- 
saales. Es wird dort einem grosseren Publikum die funf letzten Quartette und die 
grosse Fuge vorfuhren. - In der Societe Philharmonique kamen im Konzert des 
16. Januar nur zwei Kunstler zum Wort, aber da es der Geiger Kreisler und der 
Pianist Mark Hambourg waren, so wurde gerade dieses Konzert besonders stark besucht 
und der Beifallssturm entsprach diesem Zudrang. — Das Rotterdamer Trio (Verhey- 
Wolff-Mossel) zeichnete sich im folgenden Konzert im letzten Trio Beethovens aus, und 
die fur den tragischen Ausdruck sehr begabte Frau Boy6-Jensen sang die dustersten 
Lieder von Schubert, Schumann und Brahms. — Als Londoner „New-Trio a prasentierten 
sich am 18. Januar im Saale Pleyel sehr giinstig drei deutsche Kunstler: Epstein, 
Zimmermann und Ludwig im ersten Trio von Brahms und im B-dur Trio Schuberts. 
Der Bassbariton Theo Lierhammer steuerte Lieder von Schubert, Schumann und 
Brahms bei, die fast noch mehr gefielen, als die Triomusik, namentlich das nieder- 
deutsche Lied im Volkston von Brahms. — Unter den unglaublich zahlreichen Klavier- 
virtuosen stand diesmal Josef Hofmann obenan. Er wurde zweimal bei Colonne mit 
Beifall uberschuttet, wo er Beethovens G-dur Konzert und Saint-Saens' c-moll Konzert 
mit uberlegener Kraft und daneben auch mit einem wunderbaren, weittragenden Piano 
vortrug, und gab bei Erard drei eigene Konzerte, wo er namentlich in den schwierigsten 
Werken von Chopin (h-moll Sonate) und Liszt (Les Fun£railles, Don-Juan-Phantasie) 
gianzte. Felix Vogt 

STUTTGART: Max Regers interessante „Sinfonietta a wurde von Pohlig im sechsten 
Abonnementskonzert meisterhaft dirigiert; die Aufnahme war ruhiger als anderswo. 
Das siebente Konzert brachte Beethovens Pastorale und A-dur Symphonie in genial ge- 
leiteter Ausfuhrung. Die Symphonie- und Kammermusikabende Riickbeils in Cannstatt 
werden erfolgreich fortgesetzt. Im Volkskonzert fiihrte Nagel (Esslingen) Mozarts Requiem 
auf: die vierte Wiedergabe innerhalb 114 Jahren. Alle Achtung vor unserem Mozart- 
kultus! Dass Mozarts Volkstumlichkeit fraglich ist, bewies der mSssige Besuch des 
billigen Ausnahmekonzertes, das Wendlings Streichquartett gab. In einem Kammer- 
musikabend machte Wendling mit Wolfs d-moll Quartett, einem Werk von grosser sach- 
licher und personlicher Bedeutung, bekannt. Aus der Flut vieler anderer Konzerte lSsst 
die Erinnerung Frau Gmeiners Liederabend und Rislers Beethovensonaten auftauchen. 

Dr. Karl Grunsky 

WEIMAR: Wir erfreuten uns eines zweiten Sonatenabends von Stave nhagen und 
Berber, eines Konzerts des Kunstlerpaars Stavenhagen, einer Mozartfeier des 
Krasseltquartetts mit Fraulein Ucko. Direktor Degner beging wurdig den Todestag 
der Grossherzogin mit Vortragen auf der von ihr gestifteten Orgel und brachte uns die 
interessanten Variationen fiber „Wer nur den lieben Gott" von G. Schumann, dessen 
Variationen fur zwei Klaviere (G. und C. Schumann) wir schon in einem Konzerte des 
Fr2ulein Mardersteig genossen batten. Mit Vergnugen horten wir A. Friedenthal 
und die gut und empfunden singende C. Schattka, einen Wagnerabend von Briese- 
meister und Dillmann, und im dritten Theaterkonzert von R. Burmeister vor- 
zuglich gespielt Chopin's f-moll Konzert und den Mephistowalzer. Prof. Bach ma nn 



Wegen Rauramangcls mussten fur das nachstc Heft zuruckgestellt werden die Berlchte: Brlinn, Chicago, Essen, 

Genf, London, Petersburg, Posen (Konzert). 



f",^,,,!,. Original from 

J :, :i,c::t ::-, V .UU^R UNIVERSITYOF MICHIGAN 




Dan beiden Mlnaeta, deran Fortrlte outer* Beilagen erSftien, 1st daa gcmrtnaaiit dtu 
ale m den Labrern Beetborena gebSren: 

Cb flatten Gotilob Neefe (1748—1198^ Abar i«mo StoUmig la tor Geeebicble dee 
Melodrama die Fortseteong dor Iitetochea Arbeit Auflttfelnee gfttjOOterrfchteto rat 
1782 jib Beethoven In Bonn; 

JobtQD Georg Albrecbtaberger (get a. Ftobroer 173Qv der gpaebltxte Theoretiker 
and Kompoolst, erteUte Beethoven 1194 Umerrtcbt im Kontnpnakt Ofi 
Portrlt Albrecbtabergere liegt der Stieh m C. F* Rtodel, Lelfilr 180^ 

Zur Brtaaenmg tn Joseph Velgl (f 3- Febr. 1846) brfngea wfr set* BUd oacb efarai 
alten Sticb von WacbamaaiL Von aelaen fiber 30 Opem ttrfteitte deb die pSclrwiwr- 
fitailte* lange Zelt bindnrch ungeatatner Popolarttit nad g-roaaer Vorbtttttiag. 

Dem Andanken einee der veidleateatea KlavierpHigogpa tuteerer Zelt, Lottie KBhter 
<f 1& Fetaraar laae^ let die nlchfte Bfatt gevldaieL Kfiftlar» der Brbe Karl CierayX 
verWenfllcbie nebea eetaea Studied- and Etfldenverten eacb lUaunenattatfceo, 
drel Opem u, a* Awh war er fleUstger Mltatbeher vereoHedeaer Faduehnefariftea, 
Be ftrigt da* Bild wo 

Ldo Dellbee (gab* 21* Febraar 1838); von ealnen Opera nnd BaUatan, In deaen ettfe aeta 
Talent fSr Mae gratUfee Mnilk eafb gt&eUlehate bekttndet, aind an Mnaen H La 
aoare**» .CopptUa*, p Sylria", die lefeeode fcomlscbo Oper „Lo rot Pa dfcf* Jeu 
de Nlvell**, ^Likm*"* die turn Tell eacb In Demeehlend bekannt jeftoidea aind. 
Dea Beedhlnee Wide day Portrait tines geeeHtaten teftgendealecbea deatechea 
Toneetaera: 

August Bungert, der am 14. Mlrz sol pen 60. Geburtstig begebt Von aetata Kom- 
poiltlonea find 211 tteoaen tela pre Isgekrfi ntea Klavierquartett op, 18* Lleder, 
Minaerqutrtetie, due symphonlscbe Dlchtucg „Auf der Wartburg*, die fcomtache 
Oper »Die Studenien von Salamanct", uad die muslkaliacb^dnroatlecbe Tetralogle 
w Homeri»cbe Volt 41 ( a Klrke*» iNausikai*, Odysseus' Helmkebr", „Ody«eeua' Tod*), 




Nichdruck nur rnlt lufrdr&cUEcbcr Erlmbnls d» Yerljifie* |citiitet> 

Allt Rccfatc, friabcsoiidcre dia der Gberutzuag, vorbehilten. 

FQr die ZurQck<«oftitne unverlingier odcr nTcht flngemetdcter MintiBkripte, fkJLs Jhntn niche tdnQgttid 
Porta bclilcgt, Ubernlmmt die RtdrtUon keJae C«r«nric. Schwer leatrlfcht Mmu»fcrip« verden uoftprJtH 

lurGckgtMntJi* 

Verantwortlicher Schnftleiter: Kapellmeister Bemhard Schuster 
Berlin W. 57, Biilowstrasse 107 T+ 






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CHRISTIAN GOTTLOB NEEFE 




V, 11 



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JOHANN GEORG ALBRECHTSBERGER 
* 3. Februar 1736 



V. ll 



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_ 







JOSEPH WEIGL 
f 3. Februar 1846 




V. 11 



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LOUJS KOHUR 
f 16, Februar i£86 




V. 11 



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l£o delibes 

* 21. Februar 1836 




V. 1 1 






Diq 



by 



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AUGUST BUNGERT 
* 14* Mirz 1846 



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Dr. Edgar Istel 
Die Entstebung des dentscben Melodramas (Scfalnss) 

Paul Moos 
Richard Wagner ate Astbetikcr 

EmiJ Jaqnes-Dalcraze 

Klavierunterricht und musikatiscbe Erziebuag 

Den FamiHeumQtteni gnridmet (Schlnu) 

Besprecbungen (Bucber und Musifcaiien) 

Revue der Revueen 

Umschau (Neue Opera, Au$ dem Opcrnrcpcrtoire* 
Konzertc, Tageachronik, Totenschau) 

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DIE MUSIK erechdnt moattlich zwdnuL AboDiiemeii&prria fflr d*s 
Quirttl 4 Mirk, Abonnementsprels fOr den Jrirctug 15 Mark, Pnla 
det duzclneii Heftra 1 JVUrk. ViertdjtiireelabiniMcckcn I I Mark. 
Sionelkasten (flr die KwutbdUgen des gatuea JafargangB 2,50 Mart 
AbonnemcutB durch jede Buch* und Miuikalienhindlung, ftir Uelne 
PUtze oluie BuchtaindJer Bezuc dutch die Pott, 



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I 



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( 1 



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DIE ENTSTEHUNG 
DES DEUTSCHEN MELODRAMAS 

von Dr, Edgar Istel-MQtichen 




Schlnf* 




IX 

Juch Job* Friedrich Rcicbardt 1 ) (1752—1814), der bedentende 
Liederkomponist, fiihite nacb Bendas nnd Neefes Vorgang das 
Bedurfhis, sicta auf dem netterscblossenen Gebiet zu betltigpn. 
Sein erstes derartiges Werk erschien 1779 im Schwickeitsctaen 
Verlag zn Leipzig unter dem Titcl: „lno» ein musikalisches Drama von 
Brandes mit Musik von Johann Friedrich Rcichardt, kSniglich preussischer 
Kapellmeister." Brandes erzfthlt fiber die Entstebungsgescbicbte folgendes:*) 
.Wlbrend indue* damaligen AafentfaaJtes la Dresden sebrieb leb da* Melodrzm 
fine 1 , wozn der Kflnigh Preus. Kapellmeister Reich in! t in Berlin die Mnslk kompo* 
alerte. Ei wards nacb and nacb auf verscbledenen Tfaeatern nlcbt obne Belhll ge* 
gebea, macbte aber bcl veltem nlcht so rlel GIGck als ,Ariadne* . . . Ale Knnetricbter 
war Klrnberger*) mil melner Ein ffib rung der Melodramen auf der dentachen B&faaa 
oicbt anznfirteden, lobte G. Bendas Maelk, tsdelce dagegen — vobl mit etwis sllznriel 
Bftterkeit — Keicbstdts Maaier nnd besonders die Komposition melner ,Ino*. Ancb 
id f Ariadne* nnd ,Medea* wunsebte er die Musik einfubcr^ weniger klelne Malerel 
nod nur sn den Stellen t we die Headlong Rnbepuakte tiltte, ZvlacheoaStxef urn den 
Eladrack des vorhergegangpnen Affekts zn veratlrkea and den Inbalt des folgendea 
Texts* vonufaereiten. Er Sueserte, dass v er eelbet ein Master nacb seiner eigenen 
Idee entverfen wfiide, worlu der bfcbste Grad ven SimplhltSt berrschen sollte, nnd 
bat rnlcb, ein « dleser Absicbt psssendes Drams nacb etnem von Ibm gewiblten 
Stoffe snszufuhren. Icb erkllrte micb daiu bereit, allein sine lange anbtltcnde 
scbmerzlicbe Krankbeit, die diesen verdienetrollen Mann iaa Grab Jegte, fafaderte Iba, 
sein Vorbsben aui zuffibren,* 

Dies Urteil inacbt Kirabefger .alle Ebre; er bekannte sich also zu 
Rousseau's im ^Pygmalion" verwirklichtem Prinzip und benierkte acbon 
trotz alter Anerkeanung fur Benda den schwacben Pnnkt seines Systems, 

') Ober ihn eracblen aenerdlags sine Speiialarbelt: Walter Paali: J* F. Relchardt, 
sein Lebea vad seine Stellong in der Geschicbie des dentscbea Llede*, Berlin 1903, 
die das umfkngrelcba Fragment Scbletterers (I. Band, Augsburg 1865) fiberflflsslg 
macbt. Merkwurdlgerwelae erwlbnt Paali wobl .Cepbalu* nnd Procris* sovle den 
w Tod des Herknles* Bficbtlg, nicbt aber p Ino% die er gar nlcbt zu fcennen scheint 

■) A. a, 0- 11. R 225 nnd 2S& 

») Job. Pblllpp (1721-83). 

25* 



ti(U) 



( 1 



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DOB HUSK V. t& 




aber nodi die draniatische Unmifgfldifeett 'flea vonKctcbanlt 
angewvndten Verfrbreoe, atett temr prignmnter Zwiacbeneitie ttager 
anagedehnte Zviscbenspiele yon mtrtikaHacher Abnmdmig » tobeo. 
ReJchardt ftdbst lieet rich darfiber foigendermassen ventehmen:*) 

Jta der Jftrdea* bit Beeda efnfce Snellen fottdanarod ariee lalrtlg brtandeH» 
«o Am dsi ZvtodMMpM etaer aottben SttUe ete graa Ueliiee MneficatBck tn fctelbsn* 
der Bevaganf mft aawSfeitm Tbetu iat. Die wfrUtoh hemntedmto Mute 
Vittaag Mltifcttf SttQftn ferial lata ntldif in tteiaan balden Dttedjamn fCepeetM brA 
Precria* and ^n** Mtatypran Gebracfe daron atf vacbtn und 18r Jede L a idaoariuft, 
ffir Jeden Haapttttt der Leldenicbaft «tn Tbema ra«nniim> not w mobr B^pbeft 
Ira paam m bringta* Ieb babe aber be! der AerfBbrnng nicbt die Virfcang 
bemerkt, die leb mlr davon rerapracb* Dem Rilaooaement tebetot dw ebnc 
Anttaed Torxflftlcber, dabel tat*a be! allem Anachefn beaaei* fttwrdaebier Arbeit gp* 
wtea Mcbtsff ale fltr Jedea Gedanfcea, fUr Jeden Moment einan seaes* to aaad ri lefc ea' 
dMj Mfcndee tort inaelfcallaDli ecbftnen Sets nt eritedenj <Se ee ill die Zwtechee* 
tplite In Bandaa ,ArIadn*! etnd,* 

Qrt tind Datum der ereten Aufffihrung dea Werfces vennag teh nfcht 
•nfogefaeflt doch wild ale wobl In das Jtfcr 1777 Mien, dt Brandes dieses 
Jthr ils d«s der Verfertigtrag dea Testes engjbt, tmd das nicfasfee Verfc 
der Art von Retahtfdt 1777 geschrteben und 1778 raffeefBbrt witrde. Die 
Dtatttnng 1 ) der kIpo\ die das Schickaal der *w Juno verfoltfen Techier 
dea Kadmtts Bach einer Kantate Yon Ramler bebandelt, iat tmgielcb acbwtcfeer 
ala .Ariadne* tmd Tennag der ganun Aolagc tract** da die Scbttld der Ine 
nicbt klar 1st, nnr ehien Hchst unerquibklichen Blndruck hetrorranifeiL' Die 
Dannstldter Bibliotbek besitit zwef ftanaskriptpartittiren, einc gebundene 
vollstfindlge und eine ungebundene unvollsttndlge**) Beide tragen den Titel: 
Ido, ein musikatisches Drama von Job. Friedrich Reicbardt 1779 {die Jabres- 
zabl bezieht sjch wobl anF die DarmstSdter AuffQhrung, von der nicht 
anznnehmen ist t dass sic die erste gevesen). Das Orchester beatebt aua 
2 Floten, 2 Oboen, 2 Fagotten, 4 HSinefn und Streichern. Die Reichardtschen 
ICIavierauazuge sind bedeuteod besser gearbeitet vie die Bendas und Neefea 
und geben ein recht gutes Bild des Werkes, um so mehr, als oft sogar drei 
Systeroe angewandt werden und der Schluss der „Ino* gar dem Klavier- 
auszug in voller Partitur beigegeben 1st. 

Der Hauptfehler des Werkes wie seiner Geschwister ist, was scbon 
aogedeutet wurde, das Bestreben, fortgesetzt schSne Musik zu macben. Es 
wird zu vie! und an den tinrichtigen Stellen musiziert, und so vermogen 
nur wenige Momente dramatisch zu wirken. Eine eigentliche Ouverture bat 
das Verk nicbt, da — wenjgstens nacb der szenischen Aogabe Retchardts 



[ ) Muaiki], Kuastmagailn Berlin, 1782. S. 66, 
*) Septrat als .Melodrama* Leipzig 1790. 

*) Weitere Paniturca des Verkes sind mlr nicbt bekannt, cbensoweoig wie der 
Verbleib der Originalpsnicur. 



■'■' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



369 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



— das langere Instrumentalvorspiel bei offener Szene gespielt wird; bei 
Beginn der Deklamation tritt dann ein Larghetto ein, worauf mit der Be- 
zeichnung „ Tempo primo" Teile dieses Vorspieles zwischen die Deklamation 
eingeschoben werden, ein Verfahren, das dem von Benda eingefuhrten 
nahesteht. Eigentlich leitmotivische Bildungen (wenn man von der zwei- 
maligen Wiederholung eines die Verzweiflung ausdriickenden Themas absieht) 
fehlen bis auf eine sehr merkwiirdige Ausnahme: ein Thema, die Familien- 
liebe bezeichnend, tritt nicht weniger wie viermal in seiner Urgestalt auf: 
. No. 47. 




und wird dann, als Athanas in der Raserei Weib und Kinder fur wilde 
Tiere halt, in eigentiimlicher Verzerrung motivisch abgewandelt, eine 
ausserordentlich bemerkenswerte Stelle, die weit iiber das, was selbst 
Benda in dieser Hinsicht leistete, hinausgeht: 
No. 48. 




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370 
MB ITO8K V, {& 




Das Afckompcgneoteat «u4 
i» BetKas Art wwawd**: 

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BtuOal Ua left vldtt •©tarn tmtf&cfcUcb ftwig? 

MerkwfirdJg 1st* din Reicbardt, der nocta in eeiner 1777 eracbJenendn 
Bcbrtft fiber die 4etrt»cbe komtacfee Opw eefar abspmcbend fibei innrikaHacbe 
Malerei spmdT'tmd teleoaim und Mittkeaon tttw Vennche wege& «r^ 
bStutfe* sti&et gwtz eiftfg tSesem Verfebren firttnt tm & Kapitel babe idfe 
hereto etalg* Sfielten ette der *Ino% namentlicb am dem Gevitter (Oes 
Beit » Ariadne* mid JWedea" Ifir tin akkompagniertea Mono- oder Duodrama 
tot tmerHaslieh war) wiedergegebea. Den Bescblnaa macfct eta eigentUcb 
in dm Haaren herfeefgezogefier Chor der Tritonen tmd Nerriden nebsi Soli. 

Dm zwehe Work der Art scbtieb Reicbardt zn obiem Text*, den 
Karl WOhebn Render in freien Trimeters*) wheat bettor Es biese 
»Cepbalus and Procrte* ttnd behandelt qhne bewmderes Bftluiengeschick 
die bekannte Sage. Die Diehtang^ zerfltflt tm veee&tiicben in rwd grosee 
Monologe. Die Nympbe Hyale ist Nebenflgur* Die erste Auffubruag find 
zn Hamburg 7. Jul! 1777 start**) und Schrdder bericbtet daritber n. a* am 
23. Oktober 1777: .Die Zuscbauer wussten nicht, ob sic schlafen oder 
lacben sol] ten; , + w es ist unterdessen heut begraben wordeo.* Der sehr 
gute Klavierauszug erschien 1781 bei Schwickert unter dem Titel: 
v CepbaIus und Procris im Klavierauszuge. E1d Melodrama von Karl 
Wilhelm Ramler, mit Musik von Job, Friedr* Reicbardt, KgL Preuss* 
Kapellmeister*" Die Originalpartitur bcBndet sich in der Berliner Bibliothck 
unter dem gleichen Titel mit der Jahreszahl 1777 verseben (Querfolio^ *) 

Die erste Berliner Auffuhrung faod am 25. Februar 1778 start und 
zwar im deutsctaen Theater, wo jedocb schlecht gespielt wurde^ Da der 



') tt In Deutacblaad war Ramler der erate, der daa Melodrama in einem be- 
st! m mien Silbenmasa schrieb.* N. Bibl. d. scb, Viaaenachaften. 37 I. & 184* 

l ) Cephalus und P roc lis, eln Melodrama van Karl Wllb. Ramler. Berlin 1778 
Ein weiterer Druck im Gotbaer Journal 1778. U Stuck S. 16 IT. 

*} Vgl, Litzmano a* a* O- S. 49^ 101 lowie C rim era Magazin der Musik 1783 
1. S. 89 und 455. 

*) Eine Reinscb rift ko pie diselbat Weitere Exemplire alnd mir nicfat bekannt. 






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371 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

Herzog von Braunschweig sich aber besonders fur das Werk interessierte, 
iibersetzte er das Stuck ins Franzosische und Hess es unter J. A. P. Schulz 
von Mitgliedern des franzosischen Theaters, dessen Kapellmeister Schulz 
war, in seinem Palaste auffiihren. 1 ) Fur diese Auffuhrung scheint auch eine 
in der Originalpartitur befindliche (in den Klavierauszug nicht aufgenommene) 
Szene, die nur franzosischen Text enthalt, nachkomponiert zu sein. 
Danach bleibt Cephalus nicht leben, sondern Diana beschwort ein Gewitter 
(schon wieder!), dessen Blitze ihn erschlagen. Die Musik ist nach dem- 
selben Rezept wie *Ino tt verfasst und enthalt auch einige ganz hubsche 
Episoden. Das Orchester besteht aus 2 Floten, 2 Oboen, 2 Fagotten, so- 
wie 2 Hornern, und wird gelegentlich zu guten Blasereffekten verwendet. 
So kommt in der Jagdszene, die im Klavierauszug stark gekiirzt ist, ein 
Echo vor, wobei eine Oboe, ein Fagott und ein Horn das Echo von zwei 
Klarinetten (diese nur hier hinter der Szene verwendet), einem Fagott und 
zwei Hornern darstellen. Im iibrigen kann ich mich iiber die Musik kurz 
fassen, von ihr gilt das gleiche, wie von der Musik zu „Ino". Nur ein 
Motiv (man konnte es als das der Eifersucht bezeichnen) wird dreimal 
wiederholt: 
No. 50. 







Allegro. 



3EEE 



-I- 



-•-»- 



Tm^fW^Tri 



I 



332: 



B 



TTrJ tus tur 




< 



usw. 



T^^V XTTT 



Noch eine Episode scheint mir erwahnenswert, die beweist, wie man 
auch fur liebliche Stellen das Akkompagnement nutzbar machen kann: 
No. 51. Oboe 




Aurora! sieh von deinem Wolkenwagen hier den Glucklichsten 



J ) AUg. musikal. Ztg. III. S. 602. 



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372 




der Sterblichen, den du vergeblich den Armen seiner Brtut entrissest. 

Hochst merkwiirdig ist dagegen, wie Reichardt selbst naiver Weise 
die Uberfltissigkeit der melodramatischen Behandlung beweist. Er macht 
namlich Seite 8 des Klavierauszugs folgende Anmerkung: 

„Fur diejenigen, die vielleicht mit einem meiner Frcunde glauben, diese und 
einige andere Stellen dieses Stuckes sollten lieber gesungen als gesprochen werden, 
will ich diese und einige andere Stellen am Ende dieses Werkes fur den Gesang auf- 
schreiben. Ich tue dies urn desto leichter, da icb gewahr werde, dass mit geringer 
AbSnderung derselben Melodie die Worte nur untergelegt werden durfen.* 

In der Tat gibt er dann am Schluss des Auszugs dieses Stuck, von 
f-moll nach e-moll transponiert, fur Gesang und zwar derart, dass er zu 
der etwas veranderten Begleitung eine neue Melodie erfand, die allerdings 
nicht iiber das Konventionelle hinauskommt. Dass der Text, der iibrigens in 
Prosa bleibt, etwas gedehnt wird, versteht sich. Reichardt gibt noch zwei 
ahnlich behandelte Stellen, bei denen die Singstimme die Melodie eines 
Solo-Instrumentes iibemimmt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass bei 
einer Biihnenauffiihrung diese Stellen wirklich gesungen wurden, wenigstens 
deutet die Uberschrift: „Einige Stellen dieses Stuckes fur den Gesang ein- 
gerichtet, um sie bei dem Klavier zu singen", nicht darauf hin. 

Noch ein drittes Werk der Art schrieb Reichardt und zwar speziell 
fur Iffland, dessen „ Pygmalion "-Darstellung ihn entziickt hatte. Es hiess: 
,Der Tod des Herkules" und suchte den singenden Chor nach antiker 
Art dem (rezitierenden) Schauspieler gegeniiber zu stellen. 1 ) Die Erst- 
auffiihrung fand in Berlin am 10. April 1802 statt, und nach einmaliger 
Wiederholung am 12. April 2 ) verschwand das Werk schon wieder vom 
Spielplan. Ausserdem scheint es nur noch in Darmstadt zur Auffiihrung 
gekommen zu sein, wo sich ebenfalls auf der Bibliothek ein Partitur- 
Exemplar erhalten hat; gedruckt erschien es nicht. Ein naheres Eingehen 



') Vgl Allg. musikal. Ztg. IV. S. 557 und 671. 

-') Vgl. Zelters Briefe an Goethe vom 13. April und 2. Mai 1802 Originalaus- 
gabe I. S. 23ff.; Reclamscher Neudruck 1. S. 46f. Zelter war sebr von dem Werk 
eingenommen und verteidigte es in einem Artikel, der in Bertuchs Journal des Luxus 
und der Moden" 1802, August, S. 470 erschien. 



Di 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



373 
1STEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



darauf verlohnt sich nicht. Zu erwahnen ist nur noch, dass als Accom- 
pagnement oft die Glasharmonika verwendet wird, jenes Instrument, dessen 
Tone durch verschieden abgestimmte, durch Streichen in Schwingung ver- 
setzte Glasteile hervorgebracht werden. Wahrscheinlich hat Reichardt dieses 
Instrument im Jahre 1786 zu Paris kennen gelernt, wo sich gerade Joh. 
Ladislaus Dussek (1761 — 1812) vor Marie Antoinette darauf produzierte. 
Im ubrigen ist die Orchesterbesetzung gegeniiber den friiheren Werken auf- 
fallend reich, allerdings gemass der inzwischen eingetretenen Entwicklung 
der Instrumentalmusik. 2 Floten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Horner, 
2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauke und Streicher wirken zusammen. Die 
Erfindung steht nicht auf der Hohe der fruheren Werke, wenn auch die 
Chore gelegentlich hiibsche Einfalle aufweisen. 

X 

Wir sahen schon gelegentlich der Besprechung der „Sophonisbe tt , 
wie lebhaft sich der Darmstadter Hof fur das accompagnierte Drama 
interessierte, und die Fiille von Partituren dieser Art, die die dortige 
Bibliothek noch heute birgt, beweist, dass keine Erscheinung von Bedeutung 
daselbst unbekannt blieb. Es war also natiirlich, dass man den Wunsch 
hatte, ein eigens fiir den Darmstadter Hof geschriebenes Stuck der Art und 
speziell eine Paraderolle fiir die sehr talentierte Erbprinzessin zu erhalten. 
So veranlasste denn der Erbprinz (spater Landgraf Ludwig X.) den Ober- 
appellationsrat Lichtenberg, J ) eine derartige Dichtung zu verfassen und er- 
suchte den damals (1779) in Mannheim als kurpfalzischen Kapellmeister 
wirkenden „Abt a G. J. Vogler, 2 ) der stets in reger Beziehung zu Darm- 
stadt stand, um die Musik dazu. Das Werk hiess „Lampedo u , und die 
recht schwachliche Dichtung behandelt den sagenhaften Amazonenkrieg, 3 ) 
in dem die Konigin Lampedo den besiegten und gefangenen Scythenkonig 
Argabises opfern will, dann aber, durch ein Gewitter (das durfte ja nicht 
fehlen) umgestimmt, ihn begnadigt und sich in Liebe mit ihm vereinigt. 

Das Werk wurde zu Darmstadt am 4. Juli 1779 zum ersten Male 
aufgefiihrt, dann am 26. August 1779 und am 5. Januar 1780 wiederholt 
und zwar, wie Vogler versichert, 4 ) „auf Begehren Sr. Durchlaucht des 

J ) Nicht zu verwechseln mit seinem Bruder, dem beruhmten Schriftsteller. 

-) Vgl. uber ihn die allerdings extrem glorifizierende Biographie von K. E. Schaf- 
hiutl, Augsburg 1888, sowie Jatan, Mozart. 3. Aufl. 1891, I. S. 483f. und II. S. 765ff. 
und „K. M. von Weber* 4 von Max M. von Weber, Leipzig 1866 III. S. 8ff., auch in der 
Reclamschen Ausgabe der Weber^schen Schriften S. 87 ff. enthalten. 

3 ) Als Vorlage hat wohl ein 1775 zu Mannheim gegebenes grosses Ausstattungs- 
ballet: „V amour vainqueur des Amazones* von Laucherz, Musik von Cannabich ge- 
dient, das den gleichen Stoff behandelt; nur heisst dort die Konigin Marthesia (vgl. 
Walter a. a. O. S. 163). *) Betrachtungen der Mannheimer Tonschule, II. S. 255. 



J::;i ".i/.OV* 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



37* 

DIB MUStlC v, tz 




regtenaden HerzofS wm Sadweo-VeiiMr*, K»rl Aogtnt, tfM Frottwfo* 
vim thietlie* 

Eiae scibr aaschaafictrt Schttderang der Auff&hrong gfl* eto *ao- 
aymer Augeszettgp, 1 ) dw rich gdageatlich efami persflttlichea Framd 
Neefe* aenat, ia einem Attftatz .Ober das mosikaliscb© Drama* fat 4er 
.Atlgemeineii mttsikaL Zettaag*:^ 

*Vm dttt iUfstltthea Feisonea setbet wf dra Opef&tlmd#r siUJpfUtttp btttn 
das Stftck doppdtti Jateresee. Die to frdtti Betfiebt terebrasgeiritafice Gemefctta 
dei Heir* Uadgnhs (dtmtllttt Bibpttasea) spirits dto Roll* der Lanpedo itf der 
Voltkmaniejiheiteiaer^ Der Httrfrfepftv^dbJifrfte 

tn der erstea Vtettrie da Orebester selbet Dieses IBfcne slles rortreBteh «o% ©b- 
(McH eta gnuest T«H detsslbsn Mow ens Ltebhsbcni bestand, dls aber site w«tt~ 
dtartea, d«m darthlaudttfeeteii Besefafitter der Kant die Krlfte tow Tstatts n 
opfam, Da diss sof Koeten des Bfbpriasea fhifc ao efitsprseheii die Dofcorathraeii 
dem gerefrijjea Gescfeaack des Ffafteo. Dl* Masekbwi tmd Dekertttogea gtagm 
so ptaktfieb, els fab ale je to Stuttgart tutd Mannheim gssshen habe, Vegfar fiber- 
tfsf siob te tjrtaem gegMwtrtigen Werk turn Te& selbatt mid fuehrers Ideea fwn 
pas 0su und aoefa nfe gebBrt,* 

Iii der Darmsiidter BibUothek beft&den iich xwei Pardturen, els 
Wtdmaag&9»niplar des Laadgrafon uad eine Theaterpartitun Das Dedi- 
katfoasueotplar in Folio mil kaUigraphlschem Wldmongsblatt uad Voglers 
Wappea (Wablspnich: diaeera et docerey ttlgt den Titel: tt Uaopedo, eta 
Molodram von Ucbtenberg und Vogjer, Darmstadt, dm 1 i. Jali 1779.* 
Aitf der erstea Seite d*r Pardtnr steht dw Vermerfc »Vom Componist 
eigenbfindig geschriebea*, dem eine andere Schrift (Schafldtitl?) hiazugefBgt 
hat: «ist nicht wahrV Die Querfolio-Partitur des Theaters bat den gleichen 
Titel, nur sind bier nocb die Wfirden der Verfasser uod die Daten der 
Auffubmng verzeicbnet. Eine Kopie dieser Partitur hat Voglers Biograph 
SchsfhSutl anfertigen lessen. Sic beflndet sich jetzt (mit vielen, zum Teil 
unrichtigeti Bemerknagen von seiner Hand versehen) in der Munchener 
Hot* und Staatsbibliothek. 

Hinsicbtlich der Erfindung ist die Mnsik nicht besonders stark, doch 
zeugt sie von dramatischem Sinn. Accompagnement findet sich nirgends. 
Am meisten interessiert die Instrumentation, in der Vogler, halb Scharlatan, 
halb zielbewusster Experimentator, zweifellos von EinRuss auf seine beiden 
grossen Schuter Weber und Meyerbeer gewesen ist, die ebenfalis, aber 
viel genialer, vorzugsweisc auf diesem Felde ibre Neuerungen volirQhrten. 
Schon die Ouverture ist darin sehr merkwiirdig. Sie ist Fur zvei Orchester 
geschrieben, deren eines (2 Piccolofloten, 2 Oboen, 2 Fagot te ? 2 Trompeten, 



*) X T J t geiciebnet. 
*) 1799 No. 23 und 24. 

*) Ludwig f Sohn der geiitreichen Landgrtfin Ctrollne, war ein thcoretiscb und 
pr*ktl»cb durcbgeblfdcter Mutiker. 



■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



375 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



2 Horner, Pauken, grosse Trommel, Triangel und kleine Trommel), die 
Scythen 1 ) darstellend, bei geschlossenem Vorhang auf der Buhne spielt, 
wahrend das andere (Streicher, 2 Floten, 2 Trompeten, 2 Horner, Pauken) 
die Amazonen symbolisierend, im Orchesterraum wirkt. Daran schliesst 
sich, ebenfalls fiir die beiden Orchester, ein Marsch bei geoffnetem Vor- 
hang an. Von nun an wirkt jedoch nur noch das eine Orchester, iibrigens 
meist in sehr miissiger Verwendung. Zwei interessante Instrumentations- 
effekte will ich indessen doch herausgreifen: der eine betrifft eine merk- 
wiirdige Verwendung der gedeckten Trommel : 

No. 52. vi pi. ^ 

Lar ghetto. 




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Vc. Cb. 
fed. Trommel 



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Ihr Tod 
vollende 

nur 
meinen 

Sieg. 



der zweite eine neue Blaserzusammenstellung: 




Das Merkwurdigste an dem ganzen Stuck ist aber das naturgetreu 
mit allerlei Finessen ausstaffierte Gewitter, 2 ) auf das sich Vogler nicht 
wenig zugute tat und das er auch in seinen Betrachtungen der Mann- 
heimer Tonschule 3 ) analysiert hat. 

„Hier fingen" — heisst es daselbst — „die Basse im tiefen A an zu brummen, die 
Bratschen folgten nach, dann teilte sich die Harmonie nach und nach in die Geigen 
aus und verbreitete sich allmihlich durch alle Blasinstrumente. Die Floten, die 
Hoboen, Waldhorne in F, Waldhorne in A, D-Trompeten, nicht marschmassig, sondern 
anhaltend gesetzr, und Fagotte tonten bloss die Harmonie. Die D-Pauken rumpelten, 
wie der Donner rasselte. Auf dem Theater kirrten die kleinen Flotchen (Flauti piccoli), 
wie der Wind pfeift. Eine in A und die andere in den Contraton A gestimmte Orgel- 



1 ) Merkwurdig, dass Gluck in seiner zwei Monate fruber aufgeftihrten Oper 
„lp higenie in Tauris" (18. Mai 1779) die Scythen ganz ahnlich charakterisiert. (Akt 1, 
Szene 111.) 

2 ) Auch auf der Orgel liebte es Vogler, „eine Spazierfahrt auf dem Rhein mit 
dazwischenkommenden Donnerwetter" und eine „Hirtenarie vom Donnerwetter unter- 
brochen" zum besten zu geben (vgl. Schafhautl a. a. O. S. 21 und 24). 

- 1 ) 2. Jahrgang 9. und 10. Lieftfrun* S. 256 ff 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



376 

KB MUWK V. 12. 




plteilfeai wttiden angelitsea, will die Hannenie slclt inuner anf tile tvM ffenpi 

Hinge D and A bezot> Wie die GeJgea in der Sttffce vncbaen, so ribi 

der mhfaeutenden Iutrtnaeate «*» rod f*rbHtol*iul«ttt word* die Sttite 

und jMtr Aualtl wrrtngert Nicb dmsdUfoi Maaattb war *mti die HShe and 

Tteh'dsr TBm ibfcetfcbeiL Nw w el ftr 4n Mute CNtr dee entfti Kapetl- 

ffi^Hyfrffr tufisi HpfvBuCiih sue wtmwoe a cue eteees mfteuuuteeBeo 

etaander ?n nntefiebeiden and tan eo wttiger, tl» die Donner*R*in ebeni 

h bUks dot Theater* nod die Be fenma aeMnf^ der Blits, Dnntol etc* itt Bir llfWgjH i b i mi 

zttr Lebbaftigkeft bdtmfeiL Dieses Genie vfafcfte uf atte Ztdtfinr glelcfal5nii% 

tutu steuts ieeem ein ontsettitonss ^Jnaewitter vor jes tEftnnte flocw naen nen 3to* 

mnmepfBiomOTtM benttsRt widen, tber die besoodei* Seh«*Htang dee Gangee, 

wenn die Gelgen Itt die HShe etfflgpn* und Jene pht&nde Mdodie der fctebmi Fifteen, 

die iieh darcbt geni* deatticb ttutetabiete, wmrdt ma alien ZibStem vie faemerfct 

to audi ab aweokinlaaif mid efcarafcterfttiaeh efkanuL" 

TfttsacUicb stelit dies Gewitter dm bScbsten Audraek von eett- 
gen&saistiher Reeliatik dar and wrist nemeadich fan Anting mit dem Tremolo 
der Blsse scbon dentlicb nnf dns berfihmt* Gewitter in Beethoven* ft. Sytn- 
p&onie bin. I<* kmn es mir nfcht versagen, da Beghta dieses merit- 
wfirdlgen Stflckes bier wiederttgeben, 1 ) dns tonal (es steht dnrchitu nuf 
der Dorainame von D and wechsctt nriscben Dor raid Moll) nad instra- 
mental 1 ) elgentQmlicb experimentiert, , 

Im Anschluss an Vogier mfcbte ich g}eich en dieser SteUe nech die 
Werke dreier Hennbeimer Kamponisten, Peter Winter (1754 — lflAS)> Franz 
Danzi (1163—1826) and Christian Cannabich (1731—1798) bebandeln, 
von denen die beiden ersteren Vogier* ScbSler waran. Peter Winter, der 
Komponist des „iinterbrochenen Opferfestes*, efner ndfch im 19, Jahr* 
hundert vielgespielten Oper, schrieb etwa 1778, jedenfalls aber noch vor 
der 1780 aufgefubrten Oper H Paris und Helena* drei hierber gebSrige 
Werke. Das bedeutendste H Cora und Alonso**) behandelt in zwei Akten 
jene bekannte Marmontel's „Incas* entnomraene Gescbicbte der Sonne a- 
priesterin Cora. Das Bestreben, moglichst abgeschlossene Musikstucke zu 
bieten, tritt bier sicbtlich hervor, und melodisch enfhilt die Partitur auch 
viel bubscbes. Kurze charakteristiscbe ZwiscbensStze in Bendas Art, doch 
ohne bedeutsame malensche Vervendung treten ebenfalls bervor. Das 
Orcbester bestebt aus Streichern > 2 FISten, 2 Oboen t 2 HSraern und 
2 Fagotten, deren eines auffallend oft solistisch tStig isL Ein zweites 



*) Sichc die Musikbcitage dieses Heftes. 

a ) lntcresBim t&t in dieeer Hinsicht ein VergLeich mit dem fist glcicbieitigcn 
Ge witter Glacks in „lpbigenie in Tiaris", der ebenfaJls — xum erstea Mile — klehie 
FIBten gebriucht (ob tine Oder zwei 1st strittig, vgl, V^imin i. a. O*, S, 333; Vogier 
bit sicher zwei unisono bla^cn laszen). 

a ) Pirtitur la Mtonbeim; .Cor*", ein muaikiliscbcs Dram*, Mannheim 1780,, 
ist cine von Frb. v. Gemmlogen gedicbtete drelaktige Oper und bat mit diesem Terke 
nicbts gemein. 



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377 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



Werk ^Leonardo und Blandine", Melodrama in einem Akt, 1 ) besteht aus 
einer grossen Abschiedsszene der beiden Liebenden und einem unendlich 
langen Monolog der Blandine, die sich schliesslich umbringt. Die Musik 
ist sehr ungleichmassig; neben schonen melodischen Bliiten und charak- 
teristischen kurzen Zwischensatzen gibt es viel weitschweifige Musiziererei. 
Wirklich dramatische Momente fehlen nicht neben einer etwas ausserlichen 
Theatralik. Die Instrumentation ist sehr einfach, meist spielt nur das 
Streichorchester, dem sich selten noch 2 Floten, 2 Oboen und 2 Horner 
gesellen. Ein drittes Werk: w Armida" in 3 Aufziigen 2 ) mit Choren ist 
musikalisch ahnlich behandelt und von geringerer Bedeutung. 

Viel bedeutender als diese Werke Winters ist eine ^Cleopatra" von 
Franz Danzi, Duodrama in einem Aufzug (1780). 3 ) Dieses Stiick, auch 
textlich wirksam aufgebaut, ist eines der besten nachbendaischen Werke, 
das indessen sein grosses Vorbild „Medea tt deutlich durchschimmern lasst. 
Vorzuglich sind die knappen und sehr pragnanten Zwischenspiele, und 
iiberraschend ist der harmonische Reichtum, der oft ausserst interessante 
Wendungen und reizvolle Orgelpunkte zutage fordert. Dagegen ist die 
Instrumentation etwas trocken, da die Blaser (2 Floten, 2 Oboen, 2 Horner, 
Fagott) nur sparlich verwendet werden, Nach den Forderungen des Dichters 
sind (wie bei Neefe) die Dialoge unkomponiert geblieben, Accompagnement 
ist selten aber wirksam verwendet. 

Schliesslich ist von den Mannheimern noch Christian Cannabich 
mit seiner „Electra a zu nennen, 4 ) einem einzigen riesengrossen Monolog der 
Heldin, gehalten, wahrend sich hinter der Szene alle Greuel des Atriden- 
hauses abspielen. Chore vermitteln den Wechsel der Stimmung. Das 
Orchester besteht aus Streichern, 2 Floten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 
2 Fagotten und 2 Hornern. Auffallig ist hierbei die Verwendung der 
Klarinetten, die bekanntlich in Mannheim, das damals das bedeutendste 
Orchester Europas sein nannte, zum ersten Male in Deutschland standige 

1 ) Partitur ebenfalls in Mannheim, Text von J. F. Gdrz, nochmals komponiert 
von Anton Zimmermann (1704—81), dessen Werk im Klavierauszug gedruckt zu 
Wien erschien. 

2 ) Partitur in Darmstadt. Die Dichtung ( w Reinhold und Armida") ist von 
Fr. v. Babo verfasst, 1780 in Munchen aufgefuhrt. 

8 ) Partitur in der Berliner Bibliothek. Die Dichtung von Neumann erschien 
anonym zu Mannheim 1780. Ein weiteres Werk Danzi's w Dido a ist zwar im Stutt- 
garter Hoftheaterkatalog aufgefuhrt, war aber leider nicht aufzuflnden. Die Dichtung 
(von Reinbeck) erschien im kgl. Wurttembergischen Hoftheatertaschenbuch 1817 und 
lehnt sich durchaus an „Ariadne" an. 

4 ) Partitur und Stimmen (Manuskript) in Darmstadt (Electra, Melodram von dem 
Baron von Dahlberg, in Musik gesetzt von dem Churpfaizischen Musikdirektor 
Cannabich 1781); ein weiteres Exemplar in Mannheim. Das Textbuch erschien 1780 
zu Mannheim ohne Nennung des Dichters als „eine musikalische Deklamation". 



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DIB MUSI* V. |fc £ 




V6rwendni)£ widen mid tttpb Monaifi Bcwinidontitg efTegtan**) So t*e- 
nntzto dera Cannabicb die none Ernutgeiiecbeft **E r ^$ mid ench ea (Hescin 
Verfee actowolgt er hi ctfektrotton Klarinetteiitoti; ebenso tiwtet du be- 
rebnttet von don- roannbeimeni mlt Vorilebe engewaodte Croeoondo^/ duo 
anagfdMge Verweadmig* Gefwiflber Bond* flffit tot a&ein die tatter* mid 
fatdivkttteltere Inatramenttentng attl, trad inch modtilatoriecb tmd rbytfamiacb 
Bndat rich nndm -von- der grease* -Heemraaee AbweJchende* leiee an 
Mozart Eriniiemtift. Dtgtgon ated die ZiriBtitenapide nicbt vie be! 
Bende Iran tmd prlgwatit gebalten, aondero moist von oilier durcbane ns* 
draflaotbchaa Utngo, die den abeofaten Muaiker milt So mag den* die 
Bfibnanrirfctnig nor eehr faring feweaon aefn* 

x * 

Mozart* Steltmtg *n dor MonodrsmbewegtEiig nraa* en dleeor 
StcUc setwendig gedacbt verdea* obvobl each Jabna tmd Kftdtob 
eifrigen Forecbungm Jienee JHeteifal beizttbringoii nninQtffcb wnr* So 
ntOgo dfiiifi elno gedrifngte DevetaHiaig der Angelegenbeitt die nns Mos^rt 
gar tnh oinem Vetbe der Art beecbiftigi zeigtv en der Hand dee bertfta 
betannten Material***) bier debt naviUkoraJnen edn. 

Ale Mozart von Peri* xorfictkebrte, Writ er efcb vieder efnige Zeif 
in Mannheim amf tmd echrieb aMhald an setnen Veter am 12* November 1778: 

»Dia Saylerache Troppe lit War, to Ilum actio* par fenomade bekannt Mia 
wirf; tlerr Dalberg tat EHrtktor damn, dlaaer Ilset mich ntebt Ibrt, Ma Ich itam nlcbt 

ein Dnodrama 4 ) komponlert babe, and in der Tat babe leb mich gar nicbt lauge be- 
soonen, denn dieae Art Drama tu achrelben, babe Ich immer gewunechen* Ich weiae 
oicht^ taabe ich Ihnen, wie ich daa crate mat bier war, etwas von dieter Art Stflcke 
gcschrieben? Ich babe damali bier ein tolchee StSck xwetmai mit dem grCaaten 
Vergofigen aafFBhreu geaefaenl In der Tat, mich bat noch niemala etwaa ao snrpreniert. 
Denn ich bUdete mir immer ein, so wma wfirde keinen Effekt machen* Sie wiaaen 
wobl, daas da nlcht gesungen, sondera deUamiert wlrd nnd die Musik wie ein obli- 
glertei Rczitariv let. Blsweilen wird auth unter der Muslfc getprochen, welcbea ala* 
dann die faarrlicbate Virkung tut, Wai ich gpaehen, war .Medea' von Bend a, Er hat 
nocb elae gemacbt, n Ariadne auf Naxoa*, bcidc wahrbaftlg fartrefflicb, Sie 
wlaaeiif daas Benda unter den lutherlacben (norddeutacben) Kapell- 
melatern immer me in LiebMng war, Ich Hebe dleae zwei Terke ao t daas 
icbaiebeimirruhre. Nun atellcn Sie aich meine Freude vor t daa* ich daa, was 
ich mir gew&nacbt, xu machen babel Wissen Sie, was meine Meinung wttre? Man 
aoUe die meiaten Rezitatfve auf solche Art in der Oper traktferen und nur biiweilen, 
wenn die Vorte gut in der Muaik auazudrQcken *\nd> das Reziiad? singen,* 



l ) w Acb, wenn wir doch nur Clarinetij bitten* vgl. Jabn 3, Aufl. I. S, 421 

■) Jabn, a # a. O S. 429. 

a ) Jahn t a. a. O. S, 577 ff. 

*) , Sena 1 rami** von Gemmingen, 






Onqinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



379 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

In einem Briefe an Dalberg vom 24. November 1778 verspricht dann 
auch Mozart 

„um 25 Louisd'or ein Monodrama zu scbreiben, sich zwei Monate noch hier 
aufzuhalten, alles in Ordnung zu bringen, alien Proben beizuwobnen usw." 

Allein sein Vater war gegen jeden weiteren Aufenthalt und erklarte 
ihm kategorisch: „Beim Empfang dieses wirst Du abreisen!" Nach einigem 
Strauben gab denn der Sohn auch nach, wollte aber doch nicht das Werk 
im Stiche lassen. 

w Ich schreibe nun," meldete er dem Vater, „dem Herrn von Gemmingen und 
mir selbst zuliebe, den ersten Akt der deklamierten Oper, die ich hatte schreiben 
sollen, umsonst, nehme es mit mir und mache es dann zu Hause aus; sehen Sie, so 
gross ist meine Begierde zu dieser Art Komposition." 

Und da der Vater anscheinend immer noch nicht iiber das Wesen der 
Kunstgattung geniigend orientiert ist, belehrt ihn der Sohn nochmals 1 ) aus 
Kaiserslautern am 18. Dezember: 

„Was die Monodrama oder Duodrama betrifft, so ist eine Stimme zum Singen 
gar nicht notwendig, indem gar keine Note darin gesungen wird, es wird nur geredet, 
mit einem Worte, es ist ein Rezitativ mit Instrumenten, nur dass der Akteur seine 
Worte spricht und nicht singt. Wenn Sie es nur einmal am Klavier bdren werden, 
so wird es Ihnen schon gefallen; boren Sie es aber einmal in der Exekution, so 
werden Sie ganz hingerissen, da stehe icb Ibnen gut dafur. Allein einen guten Acteur 
oder gute Actrice erfordert es. tt 

Leider ist sowohl Dichtung wie Musik des Werkes spurlos ver- 
schwunden; ungewiss ist auch, ob es vollendet wurde/ 2 ) Spuren seiner 
Existenz sind nur aus einer Nachricht Gerbers iiber den Nachlass Leopold 
Mozarts und einem Briefe der Witwe Wolfgangs an Breitkopf & Hartel zu 
entnehmen. 

Immerhin sollte die Beschaftigung mit der neuen Kunstgattung noch 
einmal Friichte tragen. Schon in dem dritten Entreakt zu „K6nig Thamos" 
macht sich, wie auch Jahn 3 ) findet, der Einfluss des Melodramas bemerk- 
bar, 4 ) wahrend dann etwas spater in der „Zaide" sein Vorhaben, das obli- 
gate Rezitativ durch „Accompagnement tt zu ersetzen, ausgefiihrt wurde. 
Eine nahere Betrachtung des Werkes, das nicht in diesen Zusammenhang 
gehort, kann ich mir ersparen und dafiir auf Jahns feinsinnige Ausfiihrungen 5 ) 
verweisen. Erwahnt sei nur, dass die ^Zaide" erst vor wenigen Jahren noch 
in einer Neubearbeitung Robert Hirschfelds in der Wiener Hofoper wieder 



*) Nobl, Mozarts Briefe, Salzburg 1865, S. 220. 
2 ) Vgl. Jahn, a. a. O. S. 581. 
s ) A. a. O. S. 617 f. 

*) Ob auch die Pantoraimen (Gesamtausgabe Serie 24 No. 10a und No. 18) vom 
Melodrama beeinflusst sind, scheint mir sebr zweifelhaft. 
6 ) A. a. O. S. 635 f. 



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( "r\r %nlr Original from 

v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



77^ 



980 



ore MUSIK V. 13. 




eracbtaL 1 ) Daas Bendaa Ebiflws (Ariadne) soger noch in Mr .ZanberflStc* 
nachirebbar ist* 1 ) dflrfte wohl its beaonderar Beweia fllr dm mdtbnititeii 
Eindrnck* den Mozart darnels empftagnt, getan, and ea 1A gewttt ein 
achtaes Zeugnfa (Br die Grdsse dee Bendaschea Ttientft, dftae ee von dent 
Gente Hourts so berritwilljg ttnd vara eaerkennt wntde. 

XII 

Nodi einea ALeiatertt ninaa to diesem Zusammenliaege besondm 
gedacfat warden, einea Komponisteit, der veiilger dutch Mine mclo- 
dmmttifiChen Werke edbef, ale durch den starken Einflnta, den die 
Bendascfte Tecbnik der AcmmpagnemenfbebandlttDg «nf win eigene* 
Schaffen and daa seiner dlrekten Nadtfolger aurfbte, tod grtieater Be- 
dettttmf warden aollte: Job. Rudolph Zumsteeg.^ Schon sehr frflh, 
nodi nnf der Karlaadrale, etndferte er elfrig die Bendaaehen P toUm re n 
und, angeregt von deaaen Erfolgen, komponlerte der nodi nictat IBjfltrige 
JfingUng die .Fffiblingafder* des von ihm aqgbbetetan Klopitock v nvr 
Deklamation mlt Begtefotng dee Orcheatera*/) vomit or daa crsto Konxert* 
tndodram, wenn kh mlch so ausdrScken dart, schiif.*) Bin nfiiens 
Elngehen enf daa feodtinteraaaente Work verbietet rich fat diesem Zn- 
aammenbang, so daas tch mlt dnem Hinweia anf Landahofh Ausfahrnngen*) 
micb begnflgeu kann* VShrend aber Mer gemias dem lyriadien StoHb die 
Zviscben&ltze gegenfiber der von Banda geftbten Prlgnanz rich achr breft 
ansdebnen, scbliesat er aicta in elnem splteren Bfibnenwerk welt enger an 
die Bendasche Tecbnik an, obne freilich weder die Fulle der in der „Frfih- 
lingsfeier" entfalteten ErBndung, noch die Gritase des Bendascben Ausdrucks 
zu erreichen — kein Wander bei dera sprSden Stoffe der Dichtung. 

.Taraira* nennt sich ein von Regjeruagsrat D. Ruber gescbriebenes 
und den Opfertod eincr indischen KSnigstochter behandelndes Drama, daa 
Zum&teeg im Jahre 1788 rait Begleitmustk versah, 7 ) Es fcara am 13, Juli 1788 



l ) Vgl. Hirscbfelds Be rich t dariib&r {Zetacbrift der Int. Muflikgeaelltcb, IV, Heft 2, 
S. 66ff), 

*) Jahn II S.6I3. 

*) VgL fiber ibn die vortreffllcbe Biographic von Ladwig Ltndahoff, Berlin 1902. 

*) Partitur und Klivicrauszag erBCbfeacu erst oacb leiaein Tode bei Brett* 
kopf & Hlrtcl (hcute nocb erhiltHcb)* 

°) Ich gliube nicht, dass „Eras KUgen" (elne DctUmttioo mit muaifctHacber 
[KUvier-] Begleimng aua Klopsrockfl »Messiide* 8. Geatcg von P. H* Frbr. v. Dilberg^ 
Speier, bei Rat Bossier) liter 1st und balte daa Vark ehor fur cine Nacbahmuog 
Zumsteegs. 

*) A. a. Ch S.34T, 124fT- und 158. 

7 ) Die Musik blicb ungedruckt und existlen nur In iwei autograpben Partlmren^ 
deren eioe im Bcsitz des Herrn R, Zumsteeg (mlr durcb freundlicbe Vermltttuag 



f\ | Original from 

■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



381 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

zur Auffiihrung und wurde nur einmal wiederholt. Landshoff geht nicht 
naher auf die Musik ein, und auch ich kann mich auf einige wenige kurze 
Angaben und Beispiele beschranken. Wirklich geniale Ziige weist das Werk, 
das 2 Floten, 2 Oboen, 2 Horner, Fagott und Streicher verwendet, nicht 
auf; das Bestreben, dramatisch zu schreiben, fiihrt zu kurzen, aber oft sehr 
physiognomielosen Zwischenspielen. Accompagnement wird meist nur auf 
gehaltene Noten angewandt. Leitmotivische Bildungen finden sich nicht, 
abgesehen davon, dass sowohl das Adagio, wie das Largo der Ouvertiire 
wieder auftreten. Bemerkenswert, der Instrumentation wegen, ist eine 
zweimal wiederholende Opfermusik w mit Klapperblechen": 



No. 55 

z Pfcifco u. TrompctPQ 



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Paukc und Fngotte 



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usw 



Uber den Einfluss der accompagnierten Dramen Bendas auf Zumsteegs 
erste Gesange hat Landshoff in einem ausfiihrlichen Kapitel 1 ) erschopfend 
gesprochen, so dass ich eines naheren Eingehens darauf enthoben bin. 

XIII 

Es ist gewiss ein eigentiimliches Zusammentreffen, dass in Weimar, 
der Stadt, von der die Monodrambewegung urspriinglich ihren Ausgang 
hatte nehmen sollen (Schweitzers „Pygmalion u ), bald nach dem Auftreten 
der Bendaschen musikalischen Meisterwerke die hochste dichterische Bliite 
dieser Kunstgattung ins Dasein trat: Goethes „Proserpina a . 

Uber den ausseren Anlass zur Entstehung des Werkes haben die 
Goetheforscher mancherlei Vermutungen aufgestellt. Erich Schmidt be- 
hauptet in einer Spezialstudie,' 2 ) das Werk sei auf den Tod von Glucks 
geliebter Nichte Nanette (gest. 21. April 1776) gedichtet worden, und in der 
Tat hatte sich Gluck an Goethe wegen einer wiirdigen Totenklage gewandt. 



von Dr. Landshoff zuganglich gemacht) sich befindet, watfrend die andere in der Kgl. 
Bibliothek zu Stuttgart verwabrt wird (vgl. Landshoff a. a. O. S. 169). Das Textbuch 
erschien zu Tubingen 1791 mit einer weitschweifigen „Abhandlung uber das Melodram". 
Urspriinglich wollte der Regierungspr3sident von Gemmingen das Werk komponieren, 
starb aber vor der Vollendung der Arbeit, worauf Zumsteeg das Buch erhielt. 

2 ) S. 120 ff. Zum Teil, wie auch dort im Vorwort bemerkt, nach meinen Angaben. 

8 ) Vierteljahrsschrift fur Literaturgeschichte von B. Seuffert, 1888 I, S. 27 f. Gute 
ErgSnzungen dazu flnde ich wfthrend des Druckes in dem gerade erschienenen 7. Band 
der Cottaschen JubilSumsausgabe S. 371 ff., besorgt von A. KSster. 

V. 12 26 



J::;i ".i/.OV* 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



DTE MUSUt V. 12. 




Biehchovaky dagegttt 1 ) nettnt ew dtete Vermntnng Schmidts "fficfcHcfa, 
raetat aber, die w wesenloee Nicbte docks* set fan GnakEe ton EMdrter 
eeter gJefcbgBltig gefaliebeo, vnd er babe dgeotlich tier «n die Fraa ton Stria 
vnd deren amchetaend eiioechene Liebe godacht Vie Ann awh eel: tet- 
elchtich entetand dn ergrtifeade Vert in der gog e n w lrtlgpa Gestrit infc 
Jahre 1777 and wrote xatn ereten Mile em 30. juur 1778 xua Getnut** 
teg der Henegki Luite attffcefOhrt nnd »war mlt Mneik van Siegmtmd 
Frbn v. Seekendorff (1744 — 1785),*) elneai namendich ale Lieder* 
kompotrist nicht anbegtbten Dilettantes dee Weimerer Hofae. Cotona 
Schrftter gab die TitctroUc. 

Gedmckt erachieo dee Vert mm ersteo Mile in dem Febraarhcft 
van Vieiends »Tetttschem Merknr* 1778* Aber innrilaeteea hatte Goethe, 
wie er ee selbet nenirt* eine w *reventlkho* Tet begragea: er hfltte dss 
wnfldemme Vert in etoe Wile Fern, die elch arspr&tgtJch „Die geBickte 
Brant* betitelte, nnd dann bei der Anftuhme in die Verfce (1787) »Der 
Triumph der Empftndeamkeit* gewmnt witrde^ eingeeolialtet nnd nuchte 
rich in dteeem Stflck eeibet fiber dee graze Monodramweaeu fat mm Teil 
etwee gewagteit Spiseen Instfc Dm er dandt aelne v Vlrinnig w- 
nichtete%*) monte er eetbet epiter zogebeiL 

In die Unterwelt 1st die juafe Pneerpbu entfGhrt vnd ve«veUWt 
trrt ele dnrehodie Sden Gefllde, gedenkeitd der Matter and ihrer Oe- 
apielinoen* Zette* den KOnig dee Uchtee, Beta eie an, eie von dem ver* 
hessten Gemahl, dem Herracher der Schatten, in befrelefi. De brten eie 
Gnraattpfel, die de ale himralischen Trost begrfisst; fcaum hat sie aber 
die ihr von hSIlischen Geistcrn heimtQckisch gebotene Frucht genossen, 
ais sie zu spit erflhrt, dasa sie dam it ihr Schickaa) besiegelt habe: die 
unsichtbaren Parzcn BegrGssen sie ah ihre KSnigin. 

Es 1st mir geglfickt, die bisher nnbekannte Seckendorffische Mnslk in 
Parti tur aufzuflnden and zwsr in der OarmstSdter Hofbibliothek* Das 
Mannskript (wahracheialicb Autograph) trfgt den Titeh v Proserpina, ein 
Monodnma in einem Aufcuge von Herrn Geheimen Legationsrat Goethe, 
in Mttsik gesetzt von Siegmund Freiherrn v. Seekendorff- Weimar 1777** 
Das Orchester besteht aua Streicbquintett, 2 Hdrncrn, 2 F18ten> 2 Oboen, 
2 Klarinetten und Fagott* Die Musik ist technisch nicht ungpwandr, doch 
Tehlen ihr prlgnante Gedanken, wenn immerhln such das Accompagnement 
intereasantc Einzelheiten aufweist. MerkwQrdig ist f dass Seekendorff 
zwischen unbegleiteter Deklamation, begleiteter Declamation und Gesang 



4 Coeibe, seln Leben und seine Vcilce. 8. Aufl, Muncben 1904 I, S.304 u, 512. 
*j Vgl, fiber Ihn B. Sapbins Einlcltuac zum 7, Bd, der Schriften der Goethe* 
gesellscbift S. XX11L 

•) Aomleo, Abscbnitt ,blt 1780*. 



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383 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 

wechselt. Die einzelnen, meist sehr langen InstrumentalsMtze tragen — wie 
in der Oper — Nummern. 

Interessanter als diese erste am 17. Juni 1779 in Ettersburg wieder- 
holte Auffiihrung mit Seckendorffs Musik ist die zweite authentische 
Wiederauffiihrung, die Goethe am 2. Februar 1815 veranstaltete und drei- 
mal wiederholte. Hierzu Hess er sich, da „die Musik seit jener Zeit 
grosse Fortschritte gemacht" habe und Seckendorffs Komposition ihm ,nicht 
mehr zeitgemass" 1 ) erschien, von Carl Eberwein (1786 — 1855), einem 
Schiiler Zelters und seit 1808 Direktor von Goethes Hauskapelle, eine 
neue Musik schreiben. Goethe hat sich daruber mehrfach ausgesprochen. 
In den Annalen 1814 heisst es daruber: 

»Das Monodrama Proserpina wurde nach Eberweins Komposition mit Madame 
Wolff eingelernt und eine kurze, aber hochst bedeutende Vorstellung bereitet, in 
welcber Rezitation, Deklamation, Mimik und edelbewegte plastische Darstellung wett- 
eiferten und zuletzt ein grosses Tableau, Plutos Reich vorstellend und das Ganze 
kronend, einen sehr gunatigen Eindruck binterliess." 

1815 wird nur noch hinzugefugt, dass das Monodram „ Proserpina" mit 
„Eberweins Komposition gliicklich dargestellt" wurde. Ausfuhrlicher spricht 
Goethe im Brief wechsel mit Zelter (1815) davon. 2 ) Zunachst heisst es am 
23. Januar kurz: 

^Proserpina, von Eberwein, die Du kennst, wird den 3. Februar gegeben; wir 
baben dem Werklein noch wunderlich eingeheizt, dass es als Luftballon steigen und 
zuletzt noch als Feuerwerk zerplatzen kann." 

Dann wird in einem undatierten (ca. 20. Mai anzusetzenden) Brief 8 ) etwas 
ausfuhrlicher daruber gesprochen: 

„Meine Proserpina habe ich zum TrSger von Allem gemacht, was die neuere 
Zeit an Kunst und Kunststucken gefunden und begunstigt hat: 1. Heroische, land- 
scbaftliche Dekoraiion, 2. gesteigerte Rezitation und Deklamation, 3. Hamiltonisch- 
Hendelsche *) Gebirden, 4. Kleiderwecbslung, 5. Mantelspiel und sogar 6. ein Tableau 
zum Scbluss, das Reich des Pluto vorstellend, und das alles begleitet von der Musik, 
die Du kennsr, welcbe diesem uberm&ssigen Augenschmaus zu willkommener Wurze 
dient. Es ward mit vielem Beifall aufgenommen." 

Danach hatte Goethe dabei Absichten, die dem von Delisle de Sales 
anlasslich Rousseau's ,, Pygmalion" aufgestellten Gesamtkunstwerk ziemlich 
ahnlich waren. 5 ) Diese Gedanken hat denn Goethe auch, wie er im gleichen 

l ) Diese Ausdrucke Goetbes bat Eberwein selbst uberliefert (vgl. Weimarer 
Sonntagsblatt 1856 No. 27—29, Erinnerungen eines Weimarischen Musikers von Carl 
Eberwein.) 

a ) Vgl. entweder die Originalausgabe oder den Neudruck bei Reclam (heraus- 
gegeben von Geiger) 1. Band. 

3 ) Reclamsche Ausgabe I. S. 418. 

4 ) Lady Hamilton hatte Goethe in Neapel kennen gelernt (vgl. italienische Reise), 
mit Hendel meint er Henriette Hendel-Schutz, die bereits erwihnte Schauspielerin. 

b ) Vgl. meine Pygmalion-Studie S. 68. 

26* 



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38* 

DIB MUSIK V, f& 



Briefo schofi aokflndlgt, „umstflndlicher dargetan, droit eine glefche, j« 
erhBhte Vorstellong dieses Uelnen Stfickes auf mehreren Tbeatera stttt* 
haben bOnse", Es handelt rich nm den In die Werke miter der Subfile 
, Theater and dnunatiscbe Poesie* aufgetiommenen Aufsafz: M Ober Proses 
pina", der im JVU1 181 B entstand, Goethe bexelcbnet Uer die Elemente, 
„*as denea die eminence Darstellnng auferbant wnrde*, etwaa genaner tin 
In dem Biiefe an Zelter,*n&mlicb: U Pekoratfon, 2. Hesitation tmd Deld*- 
madon* 3, kSrperliche Bewegnng, 4, JKUtwfrknng der Klelduog, 5* Mnsifc 
and mot a) indem sie die Rede faegleitet, b) indem rie zu malerischen 
Bewegnngpn anffordert, c) indent sie den Ghor melodtech eintreten Hssl 
Alles dieses wird 6* durch ein Tableau geschlossen trad vollendet 

Vir fcttnnen hter anf die nlbere Besprechnag der einzetaen Fnnkte, 
deiton Bedentung im Znsannnenwlrben schon fuis der AufzAhlong klar wild, 
verdchten* und Jjega&gpn uns mlt der Wiedeigabe des (lie Mttsik be? 
treffenden Abachnittes. Es belsat daselbstt 

vNtuunebr abac tot eg Zeft, der Mftslfc in gadenfcen, welcbe bier (pax etgentllch 
»1* der See anwteben iit, worauf Jenar kfinslierfacb atttgetchmflckte Nechea ge- 
tngn wird, ale die gflnttige JLirf^ welebe die Segtl gellsd, eber genuguun erlBUt and 
der tteaemden SebUferta bet alien Bewegasgea nicb Jedcr Rlebtuag wflltg geborchL 

Die Symphoiiie ofMFaet eben dlesea writen maelbdiacben Raam, und die naben 
and fernen Begrenaungan desstfbea »tad llebUcft *hnona*veU aoageacbm&cfct Die 
meiodranarieche Behandlaqg hat daa gretee Verdlenat* mlt welter Sfwraitmkatt ane- 
gef&bit xu vein* indem etc der Schausplelerin feiade to rfel Zeit gcwfhrt, am die 
Gebiidea der m*nnfgf§J*fren Otwrgjnge bedrafend aoazuidrjiclcen, die Rede Jadoeh to 
ecblcfclichen Moment ebne Aurenthalt wieder aa ergretfen, wodarch der etgenUtah 
mimlscb-tanztitige Tell mlt dem poetisch-rbeierlschen verfichmolzen und einer durch 
den inderen gesteigert wird. 

Eine geforderte und deato willkommenerc Wirkung tut das [sic] Chor der Parzen, 
welches mit Gestng elncritt und das ginzt rezitativartig gch&ltene M clod ram rhythmisch- 
melodlficb abrundet: denn es 1st nlcbt tv. leugoen, diss dfe melodnmatlache Be- 
bandlung slcb zulefrt Im Ge&ang aufldsen und dadurcb erst voile Befdedtgung ge- 
wlhren musa* Spftter heiast es noch: H Von den Metodramen t denen der edle Inhklt 
am beaten gezienit, werden jPygmilion* und , Ariadne* nocb mtncbmal vorgcstellr. 
Die Z»hl d era el ben zu vermehren^ dflrfte daber aJs Verd least angeseben werden"* 

Wir seben also, dass Goethe damals von der geringschfitzigen, im 
m Triumph der Erapflndsamkeit* dokumentierten Auffassung der accompag- 
nierten Monodramen zurfickgekommen war. Zum Schluss riihmt Goethe 
noch „die MSssigkeit des Komponistenj der sich nicht selbst zu horen f 
sondern niit keuscher Sparsamkeit die Vorstellting zu ffirdern und zu 
tragen suchte** 

Das Werk selbst publizierte Goethe nochmals in dem .Journal fur 
Literatur, Luxus und iVlode"^ 1 ) und don stcht auch noch ein kleiner, wohl 



') 1815 No. 4 S. 226 ff. 



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385 

ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



von Bertuch herriihrender Artikel, auf den er dann in der oben erwahnten 
Studie ausdriicklich verweist. Von Interesse fiir uns sind folgende Satze daraus: 

„Unter alien Gattungen dramatischer Poesie eignet sich wohl keine so gunstig, 
als eben das Monodram; und so musste Goethes , Proserpina*, in der sich die reicbste 
und scbonste Folge von Empfindungen und Situationen immer eine aus der anderen 
entwickelt, der bequemste Anlass sein, an den Ausdruck so mannigfaltiger Seelen- 
zustinde die ungezwungenste Darstellung und Begleitung durch Gebarden und Ge- 
wanderspiel anzuschliessen, so grazios, naiv und wahr, als sie nur die vollendetste 
Kunst der Alten in ihren Bildwerken, namentlich Basreliefen und VasengemSlden uber- 
liefern konnte. 

Durch die Begleitung zweier Kunste, plastischer Malerei und Musik, wovon 
jene dem Auge, diese dem Ohre in gleichem Wohllaut und Rbythmus schmeichelte, 
h§tte die Wirkung dieser Folge von Situationen, welche das Gemut zum hochsten 
Anteil aufforderten, schon ungewohnlich sein mussen . . ." 

Dann wird wieder Eberweins „weise Sparsamkeit" geriihmt: 

„Nicht mehr und nicht weniger Kunstmittel waren aufgewendet, als um das 

idyllische Gemalde von der gemeinen Flache des Wirklichen zu isolieren und ihm 

den eigenen Farbenton zu geben." 

Eberwein selbst hat 1 ) auch einige Erinnerungen an das gemeinsame 
Wirken mit Goethe veroffentlicht und berichtet, dass er in wenigen Wochen 
die Komposition vollendet und sie dann in Berka a. d. Ilm dem greisen 
Dichter vorgespielt habe: 

„Gross und erhaben stellte er sich mir zur Seite, blickte in die Partitur und 
half mir w2hrend der Ouverture beim Umwenden der Blatter. Hierauf deklatnierte 
der 64jShrige Dichter , Proserpina' mit einer gewaltigen Tiefe der Empfindung, so 
dass es mir bald warm, bald kalt wurde. Wenn er an geeigneter Stelle in Leiden- 
schaft geriet, musste ich mich zusammennehmen, nachzugeben und geflllig zu sein. 
Bei so inniger Vereinigung der Poesie mit der Musik konnte der Erfolg fur mich 
nicht zweifelhaft sein. Am Schluss erkl&rte sich der Meister mit der Behandlung 
seines Gedichts sowie der Musik vollstandig einverstanden." 

Eberweins Musik ist in zwei Exemplaren der Partitur erhalten, das 
eine (Dedikationsexemplar an Goethe) befindet sich im Goethehaus zu 
Weimar, das andere, fiir eine (nicht zu Stande gekommene) Auffiihrung 
bestimmt, in der Berliner Bibliothek. 2 ) Eberwein verwendet ausser den 
Streichern 2 Floten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Horner, 2 Trom- 
peten, 3 Posaunen und Pauken. In der melodramatischen Behandlung 
schliesst er sich eng an Benda an, dessen Einfluss auch in der Melodik 
unverkennbar ist, daneben ist schon Beethovens und gelegentlich auch 
Glucks Einwirkung deutlich bemerkbar. Gewohnlich werden nur halbe 
oder ganze, hochstens zwei bis drei Takte zwischen die Deklamation ein- 
geschoben. Stellen, die einen grosseren Stimmungswechsel bedingen, 



J ) a. a. O. 

-) Auch fur Wien wurde, wie Eberwein erzihlt, eine Abschrift hergestellt, die 
ich aber dort nicht aufzufinden vermochte. 



J::;i ".i/.OV* 



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386 
DIE MUS1K V. 12. 



erhalten kurze abgerundete Musikstucke. Geniale EinfMlle sind nirgends 
bemerkbar, alles ist von einer talentvollen Tuchtigkeit. Ausgezeichnet ist 
allerdings der pp einsetzende und crescendo fortgesetzte Paukenwirbel 
bei Proserpinas Worten w Was ist das?" nach dem Genuss der Frucht. 
Accompagnement ist stets nur im Tremolo angewandt Der Cbor der 
Parzen zum Schluss wird gesungen. Im ganzen steht die Partitur an 
Kunstwert hoch fiber der Seckendorffschen. Zur Charakterisierung der 
Erfindung gebe ich hier noch die Hauptthemen der Ouverture wieder: 
No. 56 a. ^ 

g=fe: 




3^353 



CTJIJl 









* 



mum 



U3W. 




Das Werk kam ausser in Weimar nicht mehr in der von Goethe 
gewollten Art zur Auffuhrung, und so brachten es auch die Goetheschen 
Reformideen zu keiner weiteren Verbreitung. Ende des 19. Jahrhunderts 
hat dann noch E. Lassen die Dichtung fur Gesang komponiert. 

XIV 

Es ist eine alte Erfahrung der Kunstgeschichte, dass, wenn Genie 
oder grosses Talent eine Tat vollbringen, das „imitatorum pecus*, der 
grosse Haufe mittelmSssiger Kopfe, nichts Eiligeres zu tun hat, als durch 
sklavische Nachahmung des erfolgreichen Musters seine eigene Unflhigkeit 
zu bekrnden und einen ursprunglich guten Gedanken zu verzerren. So 
ging es auch hier. Wie bedeutende Zeitgenossen Bendas Vorgehen in 
origineller Art zu verwerten suchten, haben wir in den vorangegangenen 
Kapiteln gesehen. Es erubrigt sich also nur noch, die Mit- und AuslSufer 
der Bewegung einer allgemeineren Betrachtung zu unterziehen. 

Schon bei der Besprechung der nachsten musikalischen Nachfolger 
Bendas babe ich gelegentlich darauf hingewiesen, wie eng sich die 
dichterischen Unterlagen der „ Ariadne" und „ Medea* anschliessen. Immer 
und immer wieder — mit seltenen Ausnahmen — ist es ein Weib der 



T'JcOO 






Original from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



387 

ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



klassischen Sage oder Dichtung (Ino, Procris, Lampedo, Sophonisbe, Dido, 
Andromeda usw.), das im Mittelpunkt steht und in endlosen Monologen 
seine Leiden enthullt. Wollten doch die Schauspielerinnen aller Biihnen 
gleich Mme. Brandes und Mme. Seyler ihre Paraderollen haben. Der 
mannliche Gegenspieler wird, wenn iiberhaupt vorhanden, gleich Theseus 
und Jason bedeutungslos gemacht, und nur mit Hilfe von Jagdfanfaren, 
Stimmen unsichtbarer Geister und ahnlichen Notbehelfen ein wenig Ab- 
wechslung hineingebracht. Dass einem rechtschaffenen Monodram ein 
Gewitter nicht fehlen diirfe, verstand sich schliesslich von selbst. Kein 
Wunder, wenn dies stereotype Schema endlich den allgemeinen Spott 
herausforderte; 1 ) am witzigsten hat wohl Goethe im 1. Akt des ^Triumph 
der Empfindsamkeit" sich daruber lustig gemacht: 

Andrason: Eins noch, an dem sie grosses Vergnugen flndet, ist, dass sie 
Monodramen auffuhrt. 

Mona: Was stnd das fur Dinge? 

Andrason: Wenn Ihr Griechisch kdnntet, wurdet Ibr gleich wissen, dass das 
ein Schauspiel heisst, wo nur eine Person spielt. 

Lato: Mit wem spielt sie denn? 

Andrason: Mit sich selbst, versteht sicb. 

Lato: Pfui, das muss ein langweilig' Spiel sein! 

Andrason: Fur den Zuscbauer wohl. Denn eigentlich ist die Person nicht 
allein, sie spielt aber doch allein, denn es konnen nocb mebr Personen dabei sein: 
Liebbaber, Kammerjungfern, Najaden, Oreaden, Hamadryaden, Ebem&nner, Hof- 
meister, aber eigentlich spielt sie fur sich, es bleibt ein Monodrama. Es ist eben 
eine von den neuesten Erflndungen; es l&sst sich nichts daruber sagen. Solche Dinge 
flnden grossen Beifall. 

Sora: Und das spielt sie ganz allein fur sicb? 

Andrason: O ja! Oder, wenn etwa Dolch oder Gift zu bringen ist — denn 
es geht meistens etwas bunt her — wenn eine scbrecklicbe Stimme aus dem Felsen 
oder darchs Schlusselloch zu rufen bat, solche wicbtige Rollen nimmt der Prinz 
fiber sicb, wenn er da ist . . . 

Mela: Wir wollen auch einmal so spielen. 

Andrason: Lasst's doch gut sein und dankt Gott, dass es noch nicht zu euch 
gekommen ist! Wenn ibr spielen wollt, so spielt zu Zweien wenigstens; das ist seit 
dem Paradiese her das Oblichste und Gescheiteste gewesen. 

Und im 2. Akte heisst es wieder sehr witzig: 

Merkulo: Wir fubren aber aucb die neuesten Werke auf, wie man sie in der 
Messe kriegt: Monodramen zu zwei Personen, Duodramen zu Dreien usw. 

Sora: Wird denn auch drinn gesungen? 

Merkulo: Ei, gesungen und gesprochen. Eigentlich weder gesungen, nocb 
gesprocben. Es ist weder Melodie, noch Gesang drin, deswegen es auch mancbmal 
Melodram genannt wird. 

Aber auch ernste Stimmen erhoben sich warnend: 2 ) 



! ) Vgl Altg. deutsche Bibliothek Bd. 108, S. 138. 

*) Rhetn. Beitrftge zur Gelebrsamkeit. Mannheim 1780, L S. 261. 



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solrvscber Diimen. Abef Jetzt slfadr die Siton notfta tfeto bftf*bt***tatttt — Dta** 
dnuiten, Bmebst&oke ins ftananpn, in Drams, ftaunetHeben TrstBdtett turn* 
dBrften bstd xnr Mode wcrdeDj warn dem Obel nlcht gsstsoert wtaL 

Dean was 1st lelchtef, sis stno odor swo Fofioijen tine Stands d efcfjw totwiij 
schirisn, vdnen, Jamment, zftraen, feten, Baelieft, Tertwetfeln and stfuEade stch 
nAftriofen itt lassen? Der nnerfahrenste Anfloger sncht dtneo Waaee; Kleopetta, 
Dido' ttsv* uiw n gebt stise Iseos rbotortaw dttfcb, Kft seiner Heldin sine ft**r 
nach der sndern In den Mttiidt gflrt Or endUch elaen Ttolsti In dfe Hand Oder Heat 
dies wMer (at warden, and so tot dss Duedrams httlg, 1st das Stftck scblecbt, so 
tot femefatlfjlch dls Mnslk noch schlecbter* Jenss mscht Sehlummer/ dies* wtegt 
dss Kind* Hur dss bests Daodrsm* tot ertrltflch. Was fcsmt nub VU cfcwra ehi- 
tfnigen, tnehrenttils ostanridrigen (welcher Mensch scbrelt nnd Itront stud tobt Who 
Stttnde lang In ddtm tort?) nnd ktmstleeren Dnadrama>rwaJteo? Fdr mlch wBnsehte 
Icb ^Hedss* and ^Ariadne* sIM Jabre elnntsl w soften; elb scblecbttre* sis dieec 
niensli,* 

lm folgenden gebe> ich una tineZusanimenstcllaag all der St&cke, 
fiber die ralr etvns Niherea bekannt geworden ; ausgeschiedon sind nicht- 
komponierte Tote! deren ZaM Lesion 1st. 1 ) Ebenso dad nkbt berflck- 
slchtigt alle die Werke, die sleher nlcht tuttef die Kstegorie der w accoin- 
ptgaierten Dramen* fallen nifd ituf inblge hlschtf TcrminologJe noeh 
Inimer in Leitlcis nsw. daraoter gereclmet verden. Die beigeffigteo Zshton 
sind nach MSglichkeit aus zeitgenSssischen Quellen entnomraen^ die weir 
zuverlissiger als die Opemlexika von Cl£ment-Larousse und Riemann sind. 
Auch die Schillingsche .Enzyklopidie der Tonkunst**) leistet nocta immer 
fur das 18. Jahrhundert Vortreffliche Dienste, Werke, dereo Koinponisten 
so unbedeutend waren, dass sich nirgends etwas uber sie finden liess, babe 
ich ebenfalls weggelassen. So darf denn die nachrolgende Aufzflhlung in 
gewisser Hinsicht Anspruch auf Vollzflhligkeit, jedenfalls aber auf Exakt- 
heit erheben. Icb gebe sie in alphabet ischer Reihenfolge nach der Art 
der Opemlexika, deren in be^ug auf diese Materie meist unrichtigen An- 
gaben man damit vergleichen m5ge. 

Abels Tod {Rata und Abel) von Franz Spindler (geb. 1759^ (Ms -Partitur: Gcs. 
d. Musikfreuode Tien), (ca, J 797). 

Adonis, Melodrama ged. von C W. Bauer, Musik von Karl Vagner, Darmstadt, 
oj. (1772-1822), {Textbuch in Mannbeim), Miinz 181& 

') Vgh Neue BibL der scbonen Vtasenscb. Bd, 48, IL S, 174> wo der Referent be- 
bauptet, 34 unkomponierte Teste gesehen iu baben, line grosse Anzabl babe icb 
aucb scibst aesehen. Ffinf auf einmal veroffcniHcbtc t. B. C. G. Rfissig, Biyreuth 1779, 
( H Versucbe im musikaL Drama o&w.*)* 

*) 2. Aufl- (1840-42) in 7 Bloden. 



■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



389 
ISTEL: ENTSTEHUNG D. DEUTSCHEN MELODRAMAS 



Agnes Bernauerin, Melodrama von Franz Gleissner (1760—1815), Munchen 
ca. 1790. 

Amazili, Musik von Ludwig von Buri, Schuler Voglers, Neuwied (nach 1780), 
vgl. Allg. Musikzeitung 1799 No. 23 f. (der „Lampedo" nachgeahmt). Vgl. uber ihn 
Schilling, Mus. Enzyklop, II, S. 54. 

Andromeda und Perseus, Musik von Anton Zimmermann (1741 — 1781), 
Kl. A. gedruckt, 2 Kl. A. im Museum in Wien, Ges. d. Musikfreunde, ca. 1781. 

Antonius und Kleopatra, Duodrama mit Gesang in zwei Aufzugen. Dichtung 
von d'Arien, Musik von Job. Christ, Kaffka (geb. 1759). Partitur (Ms.) in Berlin, 1779 
daselbst aufgefuhrt. Halb Melodrama, halb Oper. 

Cephalus und Procris, Melodrama, Musik von Friedr. Hugo von Kerpen 
(vgl. uber ihn Schilling, EnzyklopSdie IV, S. 82), Mainz 1792. 

Deucalion und Pyrrha, Melodrama, Musik von Franz Andr. Holly (1747—1783), 
ca. 1776. 

Dido, Melodrama, Musik von Ignaz Holzbauer (Tod der Dido), Munchen 1779 
(1711 — 1783). (Dichtung von Goue\) 

Emma und Edgar, Duodrama von Reichert, Musik von Franz Mezger (Flotist 
der Mannheimer kurfurstl. Kapelle), Text in den „Rhein. Beitr. zur Gelehrsamkeit" 
4. Heft 1780. 

Hero, Monodrama, Musik von B.A.Weber, Berlin 1800. 

Hero und Leander, Musik von Friedr. Ludwig Seidel (1766—1831), Berlin 
ca. 1815. 

Hero, Monodrama mit Choren, gedichtet von A. Schreiber, Musik von Job. 
Brandel (1760-1837), Kl. A. bei Velten in Karlsruhe gedruckt (ca. 1820). 

Use, Melodrama, gedichtet von S. G. Laube, Musik von Wilh. Schneider 
(geb. 1783), Leipzig 1806. 

Incle und Yariko, Duodrama von Schink, Musik von Friedrich Wilbelm Rust 
(1739 — 1796), einem Schuler Friedemann Bachs, Berlin, 28. Jult 1777. Partitur leider 
verschollen. (Vgl. Gothaer Theaterjournal 1777, 3. St. S. 141, sowie die Biographie 
Rusts von seinem Enkel in Mendels Musikal. Konversationslexikon VIII S. 482 ff.) 
Zwei weitere Monodramen von Rust „Colma a und „Pyramus und Thisbe a sind eben- 
falls verschollen. 

Leonardo und Blandine, Melodrama (Dichtung von Goz?), Musik von Job. 
Georg Staudinger (gest. 1790) 1784. 

Minona, oder die Angelsachsen, tragisches Melodrama in 4 Akten von 
H. W. Gerstenberg. Musik von J. A. P. Schulz (1747—1800) Hamburg 1785 (Textbuch), 
vgl. N. Bibl. d. scb. Wissensch. 1789, S. 171), aufgefuhrt Rheinsberg 1786. 

Perseus und Andromeda, Melodrama, Musik von Friedr. Ludwig Benda 
(1746—1793), dem Sohne Georg Bendas. Manuskriptpartitur (Kopie) in der Munchner 
Hof- und Staatsbibliothek. Anscheinend zu Auffuhrungszwecken bearbeitet. 

Polyxena, Monodrama, Musik von C. A. Zeller (1728—1803), Neu-Strelitz 1781, 

Polyxena, Musik von Job. Georg Staudinger (gest. 1790). 

Pyramus und Tbisbe, Duodrama (anonym), Halle 1787 (nicht komponiert), 
vgl. Gotb. gel. Zeitungen 71. Stuck, 1788. Sollte dies der von Rust komponierte 
Text sein? 

Pyramus und Thisbe, Melodrama, Musik von J. B. Rochefort (1746—1815), 
Kassel 1785. 

Pyramus und Thisbe, Duodrama, Musik von J. B. Fuss (1777-1819), Press- 
burg ca. 1795. 



( " i m \i-\ L - Original from 

i::r:^c:j :)y ^OU^K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



390 
DIE MUSIK V. 12. 



Pyramus und Thisbe, Melodrama, Musik von A. Eberl, 1766— 1817 r 
Wien 1796. 

Pyramus und Thisbe, Melodrama, Musik von Fr. Stanislaus Spindler, 1787 
in Muncben, missflel. Textbuch 1703, Warscbau. 

Rosamunde, Melodrama von Bretzner, Musik von J. C. Kaffka, 1759. Bres- 
lau 1784, Kl.-A. gedruckt. 

Sappho, Melodrama von W. Gubitz, Musik von B. A. Weber (Part, und Stitnmen r 
Darmstadt) Monolog mit Choren, Berlin 1816. 

Sappho, von Noller, Musik von F. A. Kanne (1778-1833), Leipzig 1805. 

Sulmalle, Duodrama, Musik von B.A.Weber, Berlin 1802. 



Als Hohepunkt der ganzen Bewegung lasst sich die Zeit von 177S 
bis 1780 bezeichnen, doch erstrecken sich ihre Auslaufer in grosser An- 
zahl bis zum Jahre 1800, ja noch weit ins 19. Jahrhundert hinein. Schon 
1788 ist in der „Neuen Bibliothek der schonen Wissenschaften" zu lesen, 
dass w die Gattung vom Theater wieder verschwindet", 1791 behauptet 
D. Huber, 1 ) das Duodrama werde von der komischen Oper verdrangt, was 
H.C.Koch 2 ) 1802 als vollzogene Tatsache bestStigt, und 1800 sagt der 
Gothaische Theaterkalender, alle Monodramen bis auf ^Ariadne* seien ver- 
schwunden. Dasselbe ist — mit Hinzufugung von „Medea a — im Jahre 1806 
in der w Allg. Musik. Ztg. a8 ) zu lesen. 

So nahm jene Kunstgattung ihr Ende. Das Melodrama als Genre 
ging allmahlich nach Ifflands Beispiel in den Konzertsaal iiber, wahrend es 
auf der Biihne nur noch als Episode in Oper und Schauspiel, nicht aber 
mehr als eigene Gattung sich zu halten vermochte. Diese Entwicklung 
naher zu verfolgen, sei einer spateren Arbeit vorbehalten. 



! J A. a. O. (Tamira). 

2 ) Musikaliscbes Lexikon, Frankfurt 1802. 

3 ) S. 13. 




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Nachdem Wagner die Aufgaben der einzelnen Kiinste im Drama der 
Zukunft erortert hat, beschaftigt er sich schliesslich noch mit dem Kiinstler 
der Zukunft, der an idealem Wesen seine Vorganger ebenso sehr iiber- 
ragen soil, wie das ihm anvertraute Kunstwerk jedes friihere kiinstlerische 
Schaffen. Als den Kiinstler der Zukunft bezeichnet Wagner die Genossen- 
schaft aller Kiinstler. Eine hochst phantastische, fast ans Komische 
streifende Schilderung soil eine ungefahre Vorstellung von dieser Genossen- 
schaft geben. 

Wagner denkt sich die kiinstlerischen Vereinigungen der Zukunft als 
freie, nach sozialistischen Prinzipien geregelte, und je nach der erwahlten 
Aufgabe wechselnde Verbindungen, die eine Trennung von produzierendem 
und reproduzierendem Kiinstlertum nicht mehr aufweisen, und in welchen 
die Liebe allein als tatige und ermoglichende Macht gedacht werden 
konne. Diese treibende Kraft der Liebe hat der Darsteller des Helden 
auf die iibrigen Mitwirkenden zu iibertragen dadurch, dass er die dem 
Helden zufallende Handlung gewissermassen moralisch durch sich selbst 
wiederholt und so seine Wiirdigkeit fur die iibernommene Aufgabe erweist. 
Und in diesem begeisterungsvollen Drange wird der Darsteller der Zukunft 
zum — Dichter (164, 165, 166). ') Das Wirken des Dichter-Darstellers 
als kiinstlerischen Gesetzgebers der Genossenschaft ist aber immer nur ein 
periodisches, es erstreckt sich nur auf den einen Fall, den er kraft seiner 
Individualitat zum gemeinsamen Unternehmer erhob. Mit Erreichung dieser 

Anmerkung: Dieser kleine Abschnitt stammt aus dem soeben erschienenen, 
umfassenden Werk von Paul Moos: „Richard Wagner als Asthetiker*. Unsere 
Raumverbaitnisse gestatteten den Abdruck nur eines ganz kleinen Teiles, zudem eines 
Bruchstuckes, n3mlich des Schlusses vom Abschnitt: Das Kunstwerk der Zu- 
kunft, den wir desbalb wiblten, weil sich die charakteristische Art des Verfassers 
in ihm am schirfsten erkennen lisst. Wir gdnnen dieser Kostprobe gem die Auf- 
nahme, ohne uns in allem mit Moos' Anschauungen identiflzieren zu konnen. 

Die Redaktion 

') Die in Klammern vorkommenden Seitenzahlen verweisen auf die Zweite Auf- 
lage der Gesammelten Schriften Richard Wagners. 






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382 
DIB MUSIK V. 12. 




Absicbt ist seine Diktatur zu End* n«d gebt nun « etoen Mdwen Ge; 
nossen fiber, dessen Begeistenwg dlesen xum Mlttelpimkte titter Mute 
draantisehen {Constellation werden lint Somit kmta jeder efczotae <3e- 
noft* inr Diktatur gelangen, wenn er die Kraft besitzt* die Hut tetetitaflde 
kSnstleHache Absicbt tar gemeioschaftllchen xu atempeln <1W> 14H)» 
Jedea in das Leben tretende Drama irird aledann das Veric einer noa&k, 
Vorher nocb at* dagewesenait, vad so nle stab viederfcoJenden Vefetnigftng 
von Kfinetlera aetn (160)* 

So nod nlcht anders denkt sich Wagner die KftnstleiKhaft der 
ZukunftI In seinem Ideaten Drange giaubt er das mtr der Sadie comitate 
Streben seiner otgenan,, atiea flberragenden and in ihren Bun nringendcn 
Persdnlicbkett veratigemeinern zu dfirfen, Er solbst bat jn apiter In 
Bayreuth dlesen Kfinstlertraura bis an eineni gewissen Grade wabr gemacht. 
Es haben sich am ihn auserlesene Krifte freiwiUig gesctyrt, tun sich 
winer kfinsaerischen Diktatur an ttnterverfen. Was jedoch Ira Hlnblick 
auf seine geWaltigen FShlgkeiten berechtfgt ttnd notwondig erschelnen 
muss, wird bel der Obertragung auf klelnera, aUtlgtfche Verhtftnisse zor 
UnnrfgtichkeiL Unter den gew5hnllchen, nonnalen UmatSnden tretcn snob 
wieder die gewdfauUcbea, normalen Gesetze in Kraft Jeder andero mftsate 
bei dun Veriuche, das Prinrip Bayreutbs zu dem tefrigen an erhebea, 
vermotUcb alsbald Scbiffbruch leiden* Und nlcht efnms! in Beyrouth 
selbst konnte sich Wagners Traum g*na bewlhren. Nlcht die Uebe nnd 
Begeisterang haben dort be! Vertettung der Aufgaben entschieden, sondern 
die fachmlssige Begabung und technische Schtriung. Nicht der war hetite 
der kflnstlerische Diktator und morgen jener, sondern imtner der eine 
Richard Wagner, der sich in der kiinstlerischen Praxis von den ScbwBchen 
seiner Theorie grQndlicb frei zu machen wusste* Die von ihm ertrflumten 
ungebuudenen Genossenschaften, die sich mit jedem neuen Drams freiwillig 
neu biiden, in welcben Begeisterung und willige Unterordnung die leitenden 
MSchte sind, und welcbe nur suf das Kunstwerk bedacht bleiben, sonst 
auf xiichts in der Welt — diese freien Genossenschaften konnen in der 
Allgemeiaheit erst erstehen, venn alle Menschen, insbesondere atle 
Kflnstler und Kunstlerinnen, von idealer Reinheit der Gesinnung durch- 
drungen sein werden, obne Neid, Eifersucht und Erwerbstrieb. Auf den 
Tag aber, der diese edlen Kraft e ins Leben ruft, ksnn unmogtich gewartet 
werden mit alter weiteren kiinstlerischen BetiHgung* die Zeit mochte sich 
dabei gar zu lange hiuzieben. Bis dahin mussen auch in den kunstlerischen 
Untemehmutigen die rauhen Gesetze der Wirklichkeit die Herrschaft weiter 
fuhren und diese Gesetze sind auf durchaus andere Voraussetzungen 
gegriindet als auf die blosse Liebe und Begeisterung* Wagners Ausseningen 
uber dieses gauze VerhSltnis konnten seiner eigenen Sache nur schaden, 



■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



393 

MOOS: WAGNER ALS ASTHETIKER 



da sie ihn als einen Phantasten erscheinen lassen, dem man nicht zu- 
trauen durfte, dass er in der wirklichen Welt mit gegebenen Grossen 
rechnen und mit ihnen ein reales Ziel erreichen konne, als welches die 
Auffiihrung eines Dramas eben doch angesehen werden muss. Wer Wagner 
nur aus seinem Kunstwerke der Zukunft kannte, durfte unmoglich an- 
nehmen, dass dieser Mann berufen sei, auch als kiinstlerischer Organisator 
Grosses zu leisten. Es zeigt sich hier eine seltsame Vereinigung von 
Gegensatzen in einer und derselben Personlichkeit: der Schriftsteller und 
Asthetiker Wagner wird zum Schwarmer und Trimmer, der Kiinstler da- 
gegen bleibt ein eminentes praktisches Genie. 

Wagner erganzt seine Bestimmung des Kunstlers der Zukunft noch 
dahin, dass er als diesen Kiinstler in Kiirze das Volk bezeichnet (169). 
1m voraus weiss er, dass diese Enthiillung bei dem „intelligenten Kunst- 
egoismus" seinerzeit nur verachtungsvolles Staunen hervorrufen werde 
(172); er ist gefasst auf die abgeschmacktesten Fragen und Zweifel von 
seiten derjenigen, die nicht begreifen konnen noch wollen (170, 171). Er 
selbst denkt ja, wenn er vom „Volke" spricht, im Grunde immer nur an 
den unbewussten schopferischen Volksgeist im Gegensatze zu der unfrucht- 
bar kombinierenden bewussten Intelligenz. Er weiss aber nichts davon, 
dass eine eigene Auffassung im Gegensatze zu den treffenden Bemerkungen 
in jenem Briefe an Hanslick aus der Dresdner Zeit missverstandlich und 
irrleitend geworden ist, da sie verschweigt, dass der Volksgeist nur 
dadurch Bedeutendes wirkt, dass er in einzelnen ausgezeichneten Indi- 
viduen, den grossen Mannern, zum Bewusstsein seiner selbst kommt und 
mit Bewusstsein schafft. Diese Beauftragten des Volksgeistes miissen sich 
ja fast immer in schwere Kampfe stiirzen, um ihr Werk gegen das Volk 
selbst durchzusetzen. Wagner musste das am eigenen Leibe genugsam 
erfahren. Wenn das Volk die Sprache, Religion und den Staat erschaffen 
hat, so haben einzelne Individuen, wie Goethe, Luther und Bismarck, 
diesen Gebieten zum Teil unter heftigem Widerstreben des eigenen Volkes 
die machtigste Forderung angedeihen lassen, Wagners Auffassung dagegen 
legt die Meinung nahe, als ob die bewusste Intelligenz uberhaupt nur 
Schaden stiften konne. Alle grossen Erfindungen reklamiert er als Taten 
des Volkes (53), auch die kiinstlerische Erlosung (47, 54), die doch nur 
er allein im Namen und Geiste des Volkes zu vollbringen imstande war, 

Auf die modernen Staats- und Kulturverhaltnisse ist Wagner 
noch immer sehr schlecht zu sprechen (44, 46, 47, 70, 71, 149, 172), 
wobei er wieder die sozial-politische Revolution vermengt mit der kiinstle- 
rischen. Er ruft auf zur Emporung gegen den „verbrecherischen Zusammen- 
hang unserer gesellschaftlichen und staatlichen Zustande" und gegen das 
staatsgesetzliche Recht, welches diesen Zusammenhang gewahrleiste (174). 



J::;i ".i/.OV* 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



394 
DIE MUS1K V. 12. 



Den „absoluten Egoismus" seiner Zeit weist er hin auf die Erlosung im 
Kommunismus. Es ist ihm zwar nicht so ganz behaglich zumut bei diesem 
polizei-gefahrlichen, von Feuerbach fibernommenen Worte, aber er weiss 
keia anderes, das besser und bestimmter seine Meinung ausdrficken konnte. 
Der Begriff des Altruismus, der wahre Gegensatz des Egoismus, scheint 
ihm damals nicht gelaufig gewesen zu sein. Noch immer glaubt er, dass 
die Zukunft an Stelle der „unnaturlichen a modernen Staatsverhaltnisse 
freie Vereinigungen nach Art der von ihm ertraumten dramatischen 
Genossenschaften setzen und so das Verlangen aller Menschen nach einem 
glucklichen Leben aus dem Reichtum der Erde befriedigen werde (168, 
169). Von diesen freien Vereinigungen erhofft er auch die Verwirklichung 
des Kunstwerkes der Zukunft, das nur im vollsten Zusammenhange mit 
alien unseren Lebensverhaltnissen entstehen konne (123) und der Bruder- 
kuss des neuen Bundes sein werde (50). Fiir eine unerlassliche Vor- 
bedingung des allumfassenden Dramas halt er ausserdem noch die Aus- 
breitung einer neuen, allgemeinen Religion (123), da ihm der Einfluss 
des Christentums auf die kiinstlerische Entwicklung noch immer als ein 
hochst verderblicher gilt (79). 



Wenn wir nun die Schrift fiber das Kunstwerk der Zukunft in ihrer 
Ganzheit uberblicken, so diirfen wir unser Urteil dahin zusammenfassen, 
dass sie ebensoviel schone und wertvolle Eingebungen enthalt, wie Uber- 
treibungen und Entstellungen. Trotz aller Extravaganzen, zu denen er sich 
hinreissen lasst, verleugnet Wagner auch in dieser Kundgebung seine Be- 
deutung nicht: er bleibt gross in seinem weitausschauenden, unbeirrbaren 
kfinstlerischen Streben, in dem hinreissenden Feuer, der Wucht, Tiefe, 
Schonheit seiner Sprache und Gedanken. Bei all den seltenen Vorzugen, 
die ihn hoch hinausheben fiber das Mittelmass einer bloss verstandigen 
Reflexion, ist er in seinem Denken als Kunstphilosoph aber kein Fuhrer 
mehr, dem man unter Verzicht auf eigenes Urteil in blindem Vertrauen 
folgen dfirfte, sondern ein Brausekopf ohne Mass und Ziel. Wir diirfen 
nicht von ihm sagen, dass er als ein Vater alle Kfinste mit gleicher Liebe 
umfasse. Im Gegenteil, er ist als Asthetiker der schlimmste aller Tyrannen 
geworden. Eine Kunst, die nicht in sein System passt, wird entweder von 
ihm ohne weiteres zum Tode verurteilt oder doch so zugerichtet, dass sie 
nicht wiederzuerkennen ist. Wagner selbst bezeichnet den Charakter seiner 
Darstellung als „warme Aufgeregtheit*. Diese Bezeichnung ist aber doch 
wohl zu milde fiir sein Vorgehen, wenn ihm natfirliche und gerade Wege 
nicht mehr zu Gebote stehen. Er zieht alsdann das entlegenste Material 
von alien Seiten herbei, kleidet es in reiche, uppige Worte, verbindet die 
einzelnen Daten nach Willkfir, trfibt das Ganze so, dass kein Bestandteil 



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395 
MOOS: WAGNER ALS ASTHETIKER 



mehr deutlich zu erkennen ist, und ehe sich der Leser dessen versieht, 
steht das Resultat vor seinem erstaunten Blick, der sich gar nicht Rechen- 
^chaft dariiber zu geben weiss, von wannen es so unvermutet auftaucht. 
Auseinandersetzungen uber die Bedeutung und Aufgabe der Einzelkiinste 
im Gesamtkunstwerke gehoren aber in das Gebiet der Kunstphilosophie, 
sind also mehr oder weniger wissenschaftliche Erorterungen, die als solche 
klar und wohlgegriindet sein miissen. Wagner jedoch phantasiert mehr, als 
er denkt. Was ihm als Kunstler unverganglichen Ruhm gebracht hat, das 
wird ihm jetzt, da er theoretisch arbeitet, zum verhangnisvollen Hemmnis. 
Was niitzt der herrliche Stil, die bilderreiche, vollsaftige Sprache da, wo 
nur rein und scharf abgegrenzte Begriffe zum Ziele fiihren konnen? Ware 
der Verkiinder so absonderlicher Lehren irgendein beliebiger Theoretiker 
oder Asthetiker, so diirften sie mit Schweigen iibergangen werden. Wagner 
gegeniiber liegen die Dinge aber anders. Seine unvergleichliche Bedeutung 
als Kunstler verbiirgt seinen Theorieen — und mogen sie noch so kraus 
sein — stets einen gewissen Einfluss, namentlich in den Tagen einer un- 
bedingten Wagnerverehrung, die nicht einen Buchstaben und nicht eine 
Note seines Lebenswerkes angefochten wissen will. Gerade deshalb aber 
ist eine leidenschaftslose Aufklarung dariiber vonnoten, wie der Meister es 
fertig brachte, sich selbst so sehr zu tauschen und sich einzureden, nur 
Weisheit verkiindet zu haben, wo doch auch so viel Verkehrtheit zu finden ist. 
Ein Gesamtkunstwerk, in welchem alle Kiinste in gleichem Anteil 
nach ihrem hochsten Vermogen vertreten sind, gibt es nicht, und wird es 
nie geben. Im musikalischen Drama, das Wagner zu einem solchen Ge- 
samtkunstwerke erweitern mochte, sind Dichtkunst und Musik die fiihrenden 
Kiinste: die Dichtkunst als zeugendes, die Musik als empfangendes Prinzip. 
Als nur reproduzierender Faktor entspricht diesen beiden die darstellende 
Operngesangskunst; organisch verbindet sich mit ihnen ausserdem noch die 
Tanzkunst, bei welcher Produktion und Reproduktion in einen Akt zu- 
sammenfallen. Von der Dichtkunst, Tonkunst und Tanzkunst darf man 
sagen, dass sie sich im dramatischen Gesamtkunstwerke nach ihrer hochsten 
Fahigkeit betatigen konnen und miissen, trotz des ihnen dabei auferlegten 
Verzichtes auf Entfaltung von gewissen anderen, ebenso wichtigen Seiten 
ihres Wesens. — Dagegen erleiden die bildenden Kiinste durch ihr Eingehen 
in das dramatische Gesamtkunstwerk so erhebliche Einbussen, dass sie 
kaum mehr in ihrer eigentlichen Gestalt an ihm beteiligt sind. Die Malerei 
— es sei wiederholt — muss zur Kulissenmalerei werden, welche sich schon 
vermoge der Darstellung des Raumes durch hintereinandergeriickte Kulissen 
statt dessen Projektion auf eine gegebene Flache fundamental von aller 
anderen malerischen Darstellung unterscheidet und bis zum heutigen Tage 
noch nicht so weit gediehen ist, dass sie einen Vergleich mit den hochsten 



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DIB MUBIK V.tZ. 




kfinstleriachen Leistongen der eigentttcben Landachafta* und ArtMtefcfira- 
malerei aucb nor wagen d&rfte. Die Plastik wild zur gpmalten Bihram* 
plastik oder begoBgt rich mit vorwiegend dekorativer Wirkuag; did Bsatatott 
vollends muss aufhSren, sie seibst zn sein, um such attr ia das Bfihneabild 
eingehen zu kdnnen* — Ber # Trieb znm Dram**, welcber DJchtknnst and 
Musik beseelt, 1st den bildenden Kflnsten ftberhsvpt nicht eigen; diese 
werden vielmehr vom Drama sozussgen nor mitgerissen ttcd in ftbertnjgeaft* 
B&hnengestalt dienstbsr gemacht Schon durch ihr aieh gleichbfelbeildes 
Vertaarren In der Zeis sind sie ausserstande, der dramatfscben Bntwicklttng 
In ihren verachiedenen Phaaen Schrltt f8r Scbrltt so zu foigen, vie die 
Atusjk es vermag, Die bildende Kunst besitet zwer das Tragisebe, Kinmscbe, 
Lustige; Posaenhafte* abet sie besitzt nicht die TngBdle, KomBdle, dss Lust- 
spiel nod .die Pease, Sie kaait tamer mtr den Rahmen sohafle% ftuterhalb 
dessen der elgentiicbe Bfihnenvorgang sich vollziebt, nod Ihre Unterordnuiit 
erweist aicfa action ens dem Uinatande, date cine gate AnffBhnnig ohne 
•lie Szenorie tiefe Wirkang fflbt, wihrend dsi schflnste Bfihneabild bei 
schlecbter Aafflibfung immer das Wichtigate vermissen Itost 

Dieses gauze Verbtttnis bewefst sber nichts gegen die Ebenbftrtigkelt 
der bildenden Kunst Diese bedsrf der FStderang dureh dea Drams tun 
se weuigor, und kano ihre Beteitigung mit um so grdsserem Rechto sis ein 
von ihrer Seke gewBhrtes Gnadengescheiik hetractaten, da sie eta el gen en 
Geasmtknnstwerk besitzt, welches mit gleichen kfinailerischen Rechten und 
Anaprfichen dem drsmstischen an die Selte tritt Das Gesamtkunatwerk 
der bildenden Kunst ist fiberall da vorfaanden, wo Baukunst, Plastik und 
Malerei zu einem einhehlicben Eindruck zusammenwirken, also in jedem 
mit Statuen und Wandmalereien orgaaisch geschmiickten Kirctaenraum und 
Saale, oder an jeder dementsprechenden Fassade* Das Qesamtkunstwerk 
der bildenden Kunst steht hinter dem dramatischen insofero zuruck, ats es 
ganz niir auf sich seibst gestellt bleibt und kelne weitere Vereinigung mit 
anderen Kunsten mehr eingeht, Keine Wiedergabe musikalischer und dich- 
terischer Werke verbiudet sich zu einem einbeitlichen, kunstlerischen Ganzen 
mit dem von der wirklicben Baukunst geschaffenen Raume, in dem sie statN 
findet; das Orgelspiel und der Gesang in einer Kirche* die Konzertauffuhrung 
und Deklamadon in einem Saale stehtn innerlich unvermittelt neben der Bau- 
kunst, Plastik und Malerei, welchedeuHorer umgeben, wihrend dasdramatische 
Gesamtkunstwerk wenigstens in einem gewissen Grade auch die bildenden 
Kunste mit sich verschmilzt. Dieser eine unbestreitbare Vorzug recht- 
fertigt aber nicbt die Dbertreibungen Wagners, Es steht gar bedenklich 
um den v schonen Menschen*, der tins fiberall tm Kunstwerke der Zukunft 
begegnet* Dieser # sch5ne Mensch", von dem Wagner trlumt, bat nie 
existiert und wird nie existieren. Die bildende Kunst wiirde aber aucb 



■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



397 
MOOS: WAGNER ALS ASTHETIKER 



dann nicht aufhoren, als Kunst writer zu leben, wenn alle Manner wohl- 
geformt waren wie Apoll, und alle Frauen schaumgeboren gleich Aphrodite, 
denn sie entspringt einem dem Menschen eingeborenen schaffenden Triebe, 
der in einer gewissen Weise iiber alles hinausgeht, was das Leben auch 
unter den gunstigsten Bedingungen zeitigen kann, und der sich daher 
immer und iiberall betatigen muss, wo menschlich geartete Wesen geistiges 
Leben entfalten. In ihren hochsten Leistungen braucht die bildende Kunst 
nicht zuriickzustehen hinter dem Grossten, was alle iibrige Kunst, auch 
das Drama, geschaffen hat. Die Dome zu Mainz, Worms, Strassburg, 
Mailand, die Peterskirche, die Laokoongruppe, Michelangelo's Moses und 
Medicaergraber, Raphael's Stanzen, Rubens' Kreuzaufrichtung und Kreuz- 
abnahme, und viele andere Werke der bildenden Kunst treten an Tiefe, 
Grosse und Erhabenheit des Gehaltes ebenbiirtig neben die Dramen eines 
Shakespeare, Goethe und Wagner; alle diese Schopfungen entstammen im 
Grunde dem gleichen Geiste, der, wie er selbst unendlich ist, so auch 
unendlich mannigfaltiger Ausdrucksmoglichkeiten bedarf. 

Wagner ist selbstverstandlich weit davon entfernt, sich oder andere 
tauschen zu wollen. Er ist durchgluht vom ehrlichsten und feurigsten 
Eifer fur seine Sache und wie ein Prophet erfiillt von der Hohe seiner 
Mission. Das Kunstwerk der Zukunft steht als vollendetes Bild vor seiner 
Seele. Seine weitumspannenden, kiinstlerischen Eigenschaften und sein 
ins Kolossale gesteigertes Selbstgefiihl lassen ihn nicht daran zweifeln, 
dass er zum Messias des Schonen geboren sei und alle menschliche 
Kunst zu einer gemeinsamen Bliite zu entwickeln habe, welche das 
gesamte kiinstlerische Schaffen der Vergangenheit zur unvollkommenen 
Vorstufe herabsetzen werde. Dies hohe Bild benimmt ihn ganz als 
zweifellose, begeisternde Gewissheit, so sehr, dass es ihn alle Schranken 
ruhiger, alltaglicher Einsicht missachten lasst. Und aus diesen Voraus- 
setzungen allein kann das richtige Verstandnis fiir seine gewagten Be- 
hauptungen gewonnen werden, deren Ungeheuerlichkeit bedingt bleibt durch 
die ungeheure Personlichkeit dessen, der sie ausspricht. Wagners grosste 
Ubertreibungen zu durchschauen, ist fiir den Unbefangenen zumeist kinder- 
leicht, denn sie geben sich mit erstaunlicher Offenheit und Ungeniertheit. 
Es wiirde dem kritischen Leser aber iibel anstehen, wollte er sich seiner 
spielend gewonnenen Uberlegenheit riihmen und iiber diese Naivitiiten 
spotten. Mag er zwar in der asthetischen Bewertung des Wirkungsbereiches 
der einzelnen Kiinste um vieles besonnener sein als Richard Wagner, so 
hilft ihm all seine kritische Nuchternheit doch nicht dazu, einen Tann- 
hauser zu schaffen, ein Festspielhaus zu griinden und von da aus die 
gesamte musikalische Welt in neue Bahnen zu lenken. Was jeden Kleineren 
unleidlich erscheinen liesse, wird bei Wagner zum Fanatismus des Genies, 

V. 12. 27 



r ( " i \r \is L - Original from 

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DIB Mtisut v* ii: 




das fiber seioem refgrmatorischen Hcttpfgedanken ailes Nebenwerk vefgisst, 
gortngaoMfatt find v ergo wsltlgt* 

So nnxientllcb ea wfre, dev Meiator don Respefct sit tferaagen, dn 
er ancb da nock beansprncben darf, wo or* int» to tmsetbsttndig nad 
tdndiach wfire ee, wine Irrtfinter gir nidrt sis solcbe gelten m intra. 
Nlcht goring 1st ibeFlcider die Zahl derer» d«nen AufkUnusgeit* wie wir 
sift gpben, nnbeqnem tmd ansympatiiiBcb sind* EHese btfnden Anbjtager 
Vagners hiltni es ffir Hire Pfflcht, tot alien seineo Vlderaprfichen die 
Angea xu Yerschlleasen, vm fa ttlcbt das ielseste TQtelcben seiner ver* 
meintficben Abaolnthcit im Retehe dor Knnst prelsgeben zn mftasvL Una 
sber, die wir klar sehen wollen, wo wir vwehren, ttnd nor da verehren 
kSnnen, wo wir klar seben, kann efa solcbos Verfahrea nidus nfltzea. 
Wir treten Vaguer ftberall entgegen, wo er Irrt, um ihn mn so anfricfetiger 
bewnndent zn kSnnen, wo or grosa Ut. Und gerade nor, indent wir one 
ao verbalten, handeln wir gegen ibn adbst in seinem cigenen Gtatoe. 
Seinen blinden Anlritogern aber, die sich fedea selbsOndigen Urteils out- 
acblagen, und tmmer itttr anbetend attf den Knieen liegan zn Ihrem cigenen 
Schaden und nun Schaden dor Ssctie, kaw die von una gaftbte Kritik 
eine Matoimg rar Selbstboainniuig sein. Sie m5gen slc& an das Von 
Goethes erbwern, das er in v Kflnstiots Apotbeose* den Hetater ram 
sebfller 



Efksnne Framd, wai tr gelefatet bat) 

Und dun erkmu, vu or lateten wonts: * 

Dura wlrd er dir em a&fxUeb >cin, 

Du wlrtt nlcht allef nebes ibm vorgestfin* 

Die Tugend wotaot In kefnem M«cn aUeln, 

Die Kunit bit nie tin Mensch illefn beseaies. 




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KLAVIERUNTERRICHT 

UND MUSIKALISCHE ERZIEHUNG 

DEN PAMILIENMOTTERN GEW1DMET 

von Em 11 J*qncs-Dslcroze»Genf 



Cfr 



»_ L<r 



SehluM 




Jls ich gegen Ende metner AusFiihrungen im letzten Heft Obungen 
der Hinde, der Arme und der Beine erwShnte, mag sich mancher 
meiner Leser gefragt haben, was diese rein k3rperlichen Excrzi- 
den mit der Musik zu tun hStten ? — Durch diese Obungen soil 
das Kind die Fthigkeit gewinnen, einen gegebenen Zeitraum in geiiau 
gleiche Telle zu teiten, indem ihm gleichzeitig Sinn fur Gleichmass seiner 
Bewegungen erteilt und die Herrschaft seines Willens fiber die augen- 
blicklich gehorcben sollenden Gliedmassea gestSrkt wird — diese 
Obungen dienen zur Ausbildung seines rhythmischen Geffihls. Sie 
sollen zwei Jahre lang dauern und schon im Alter von 5—6 Jahren, fast 
splelend, begonnen werden, Es 1st kaum zu glauben, wie selten die Ver- 
einigung des Gefuhls fur Zeitmass und des Sinns fiir Rhythmus beim 
Kinde anzutreffen 1st t Versucben Sie es, meine Damen, lhre 4 bis 5 jthrigen 
Kleinchen regelmassige Bewegungen mit den Beinen machen zu lassen, 
Zahlen Sie laut: Eins, zwei! bald das Eins — bald das Zwei betonend, 
und Sie werden mit Erstaunen gewabr werden, dass das Kind nicbt Herr 
seiner Bewegungen ist, dass weder Armcben nocb Beinchen seinem Willen 
gehorcbeti, Nocb im Alter von SJahren sind Fast alle Kinder gleich un- 
bebolfen. Im 7. bis 8, Jahre entwickelt sich der naturliche rhytbmische 
Instinkt be! elner gewissen Anzahl, aber reicblich 75°/ bleiben unfihlg, 
bestimmte Bewegungen bei schnellem Wechsel des Rhythmus ricbtig auszu- 
fubren . . . Nlchtsdestoweniger setzt man sie mit Seelenruhe in dieaem 
Alter vor eln Klavier und mutet ibnen zu, mit Hilfe ihrer kleinen schwachen 
Fingerchen — dem einzigen Akzentuierungsapparat, fiber den sie verfugen 
— rbythmisierte Tonfolgen, Musik hcrvorzubringen* Zieht man noch in 
ErwSgung, dass selbst rhytbmisch gut Beanlagte wShrend ihrer Entwicklungs- 
periode zwischen 12 und 14 Jahren tile kSrperlichen Bewegungen mit 
grdsserer Schwerfitlligkeit vollziehen, das Gleichmass voriibergehend ver- 
lieren, so kann es nicbt mehr Wunder nehmen, dass so wenig Klavier- 
scbfilerinnen rhytbmisch oder selbst nur streng im Ttkte spielen kdnnen, 
Der rhytbmische Sinn wurzeh im Gleichmass der Kfirperbewegungen, wer 
ihn entbehrt, wird notwendigerweise Itnklsch in seinen Geblrden, un- 

27* 



Cookie 



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400 

urn musk v. «. 




befeolfen In seinen Bevegmtgen seta* Nerrtae Menacben fato In der 
Jkftrik tmregelmlaaifeii, mcfcweiaen Rbftbntne; Ffaletmtffter verweilen nnf 
ton Ietzten Tnktteifri Sangainlker hgedwo fiber Bin wqg» DtoHTCrigMtmi 
etnes Kitpcltsieiitov town neb faerefte in aeinem Anftretenj MinAr 
Haltttngi soineni Gthsz erkenn egj efae or nocfa den Twfctttftb gobobon hit* 
Bin boobacbtnnder nd luftnetfcseninf Leber erkennt das Temperament 
eefaer neaea Zftgpnge en Hirer Art rich TOrzoitellen, xn geben, ekh tu 
tetzen md ztt pttgeui Wer lelcbten vnd natfirllcbon Scbritte gebt, taalizt 
din Koime eines scbmiegsainen Rbyfbnrae. pie atelf EInherstelxenden 
warden TieDeieht Rbffbmne baben, aber ibnm wirt ebw barte tractate 
Art zn akzentnleren anbafteiL Vw nnregplnilssigpa Scbritte, mlt tin* 
geitnfcen Geblrden nnknimnt, von dnm iat eta tutrubige* and tmzn*- 
geglicbenes Rbylbjnisieren zn erwarten. Aber all dlesa Mlngd ktanen 
and nollen Yers^bwinden, oder zmn mlndetfen bedentend abgeaebwiebt 
werden. Und kjun dienen die kArpetticben Obttngen, durcb wdche din 
Kinder inetand gesetet werden sollen, augenblickUcbe Hemcbaft fiber nil 
ibre Mnzkeln zn gpwinnen nnd die veiMhiedenartigBten ud mannJgbcbsfen 
Bewegungen mngjos anehtander n reibefu — EIne Scbwtcbc In den 
Hnekeln der Widen oder der Hflften oder dee Rfickens kna plStzIicbe 
tnut anfreiwttljge, nicbt zu vncmetdend* Bewqgttngen nor Fetge baben mid 
blerdnreb etne en ethnelle Bevegong vetenlaasu, wen die Verkfiming 
eines nmrifctllnflien Tsktteifs berbeUBbrL Dcnn die KSrperttoUnngon* 
und die van elner znr andern blnleitenden Bewegungen werden nnr dmn 
in den erforderten Zeitintemlten vollzogen werden, wenn die in Betracbt 
kommenden, bald gleichzeJtig, bald nacheinander in Funktion tretenden 
Muskelgruppen and ibre Antagonist im ricbtigen Augenblick einsetzen. 
— Andererseits kann aus dem Mange] sofortigen Reagierens gewisser 
Muskeln auf den Willensakt des Zdglings eine Verlangsamung der Bewegung 
folgen, waa die VerUngerung eines musikaliscben Taktteils und — bet 
komplizierteren Bewegungen — vollkommen unrhytbmlsche, regellose und 
der Abaicbt nicht entsprechende Geb&rden herbeiffibrt. Die Erfabrung 
zeigt, daaa selbst die Wiedergabe des einfacb Metrischen, des Taktes, von 
der Langsamkeit der Ubertraguog dea Willens aur das ausfuhrende Organ 
beeinflusst winL Es stellt sich daher ais unurogHnglich notwendig beraus, 
die Kinder vor all em Obungen macben zu lassen, durcb die Ibre 
Glieder geschmeidig werden, dam it diese ohne jede Z6gerung f sowobl 
riumlich als zeitticb, mit der erforderllchen Kraft, Abrundung und ElaatizitSt 
jede GebSrde, jede Korperstellung und jede Kombination von solcben aus- 
fuhren, durch die muaikalische Zeiteinteilungen und rhythmische Be- 
tonungen dargesteilt werden. Dann, nachdem das Gleichmass aller 
KSrperbewegungen erreicbt worden ist> soil das Studium der graphischen 



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401 

JAQUES-DALCROZE: KLAVIERUNTERRICHT 

Zeichen musikalischer Zeitwerte beginnen, die nicht mehr wie auf dem 
Piano von den Fingerchen der kleinen schwachen Kinderhand, sondern 
von dem ganzen Kdrper, von alien nach und nach in Tatigkeit tretenden 
Muskeln ausgedruckt werden, die durch den Rhythmus ihrer Bewegungen 
die geistigen Funktionen des Zeitmessens und Akzentuierens schulen. Auf 
solche Weise wird das Rhythmisieren gewissermassen eine naturliche, 
korperliche TStigkeit, eine individuelle Lebensregung, was es sein soil. 
Denn der* Rhythmus ist das Leben. Er ist's, der dem in den bildenden 
Kunsten pulsierenden Leben schone VerhSltnisse und Gleicbmass verleiht; 
in der Musik gibt er der Teilung von Zeitmassen Bedeutung, indem er 
die regelmSssige Folge metrischer Betonung stellenweise durch pathetische 
Akzentuierung unterbricht, ohne sie aufzuheben. Durch die von ihm ge- 
schaffene RegelmSssigkeit wird — wie Jean d'Udine trelflich sagt — ein 
logischer aus derNatur der Musik selbst erwachsender Organis- 
mus von ihr ebenso notwendig bedingt, wie die morphologischen Eigen- 
schaflen eines Korpers von seiner chemischen Beschaffenheit. — Da jede 
korperliche Bewegung oder jede Gruppe solcher Bewegungen einem Takt- 
teil bezw. einer Gruppe von Taktteilen entspricht, so braucht der Lehrer 
nur gleichzeitig mit den betreffenden Bewegungen die Bedeutung der 
musikalischen Zeichen (Ganznote, Halbnote, Viertelnote usw.) zu lehren, 
die der Dauer jener Bewegungen entsprechen, um zu erreichen, dass nach 
zwei Jahren das Kind nicht nur all diese konventionellen Zeichen kennen 
wird, sondern sie auch mittels Gebarde und Stimme zu interpretieren — denn 
naturlich muss auch die Stimme bei diesen ersten Studien mitwirken — 
und durch das Singen sehr leichter Melodieen die verschiedenen Rhythmen 
zur Erscheinung zu bringen weiss. So wird das 7 bis 8j9hrige Kind die Ge- 
setze des Taktes und des Rhythmus kennen, ohne sich bewusst geworden 
zu sein, dass es musikalische Studien betrieben hat. Und es wird sie 
freudig und widerstandslos gelernt haben, denn die Kinder lieben die Be- 
wegung fiber alles. Es wird gleichzeitig durch diese gymnastischen Ubungen 
geschmeidiger und krSftiger geworden sein. Selbst seine Stimme muss 
sich entwickelt haben, da alle Muskeln seines Atmungsapparates in Be- 
wegung gesetzt wurden, wodurch sein Brustkorb erweitert, seine Lungen 
gestMrkt und seine Ein- und AusatmungsfMhigkeit auf das doppelte bis 
dreifache erhoht worden sind. Wenn ein aller rhythmischen Beanlagung 
entbehrendes Kind aus diesem zweij&hrigen Unterricht musikalischer 
Gymnastik keinen Vorteil in bezug auf die Kunst gezogen hat, wird es 
jedenfalls seine Gesundheit bedeutend gefestigt haben. Die anderen, 
normal begabten, die, ohne es zu wissen, Musik getrieben haben — wie 
Molidre's Bourgeois gentilhomme Prosa spricht, ohne sich dessen bewusst 
zu sein — haben ebenfalls in rein kSrperlicher Beziehung profitiert, so 



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408 

DIE MOSIK V. 12. 



4tts torch diese Gymnestik ein doppelter Zweck erreicht idid: 1. den 
K&rper 20 eotwfekeln, 2. eos ihm ein geschmeidiges unit krtftiges ttittel 
kftnatlerischer Betltigttng zn maehen. Ich mtm hinznfages, data audi 
kfinftlge Klavierstudicn dadurcb mtr gcwinnen kdnnen, da die Finger im 
Verfanfe dieser Ofaungen dnrehans nicht mSssig bteibea, sondern ntr Ver- 
ahratiebtmg der Sechzehntel-, Zweinaddrelsslgptel- tmd Vlentndeeeh rig stel- 
Noten henuigezogen warden saltan* so daas die Handmwfceto einzeln und 
verehit gefiht and — Jaucbwt auf, ihr MiHionea* — selbst daf berfifamte 
iDanmen^Untersetzen* verttefllicih vorbercitet vint 

Nun haben wir ein 7 bis SjShriges Kind, das die Metrfk vollkomraen 
fame bat ttnd die ale versinnlicbenden Zeichen fcemit. Begtunt diefeea 
Kind daa Stadium der Skalen nnd der Tonartan* so handdt es sicb tun 
jnutiktHBche^T&ie, nnd der Geh5rslnn kommt ins Spiel. Ota die Art 
nnd Teise ihn xar Gelttmg ixl brlngon, aottte kelue Meinungtverscbiedefi- 
beit berrachen, denn ea kann but elne einzlge richtige geben (we&halb ale 
vnn kefawm Menschen angevendet winQ* Diese besteht darin, daa Kind 
den Unterschitd zwischen dent Ganzton* nnd dam Haibtonintervall be- 
werten an lehrtn, Indem man ihm die Skalen beibringt Der Klavier- 
apMer kennt nnr eine eindge Skala, die Ten Gnmdton zu Onntdton geht 
nnd die er nacfc Bedsrf in endere Taoarten trao&poniertp Der Untctschied 
rwischen einer Tenart nnd der aaderen faeachftnkt stab bei ibm anf den 
Untcrschied zwi&chen den snzuwendenden Fingeratzeo, Sie kfinnen etch 
sofort dsvon iiberzeugen, meine verehrten klavierspielenden Leserinnen: 
Denken Sie an irgendeine Skala — z. B. an die in As*Dur! Der Name 
dieser Skala erweckt in Ibnen nicht die Erinnerung an eine sicb von 
anderen unterscheidende Tonfolge, sondern ist lediglich eine Erinnerung 
ihres Tastsinnes. Hand aufs Herzl Wenn Sie an As-Dur denken, haben 
Sie nicbt die Vorstellmig Ibres Zeigfingers auf der schwarzen As-Taste, 
des Mlttelflngers auf der B~Taste, und des untersetzten Daumens auf dem 
folgenden C? Diese Unfflhigkeit des Ton-Gedfichtaisses flndet sicb bet 
alien Zdglingen der Harmonie, die ihre Lehrlingszeit am Klavier verbracht 
haben, und diese onsch&inend unbedeutende Sacbe ist binreicbender Grand, 
den Instruroentalunterricht von Anf&iigern zu verwerfen. Ist einmal aus 
dem Gefuhl fur musikalische KISnge eine Tastempflndung geworden, das 
Ohr ausser TStigkeit getreten, so ist jeder musikalische Fortschritt aus- 
geschlossen, wenn man nicht alle seine Krfifte einsetzt, die verlorene, 
auditive BewertungsF&higkeit wiederzugewinnen. In der von niir befiir- 
worteten Erziehungsweise wird das Ohr des Kiodcs ohne Zuhilfenahme 
irgend eines andcrn Instrumented als seiner eigenen Stimme geubt, und 
der Erzieher lehrt es die Folge von Ganz- und Hatbtonen in den ver* 



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403 
JAQUES-DALCROZE: KLAVIERUNTERRICHT 

schiedenen Tonarten erst vernehmen und abschKtzen, ehe er an das Studium 
dieser Tonarten geht. 

Singt man die Skalen stets von Grundton zu Grundton, so folgen 
Ganz- und Halbtone imraer in der gleichen Ordnung aufeinander. Die 
beste Metbode wird demnacb zweifellos sein, alle Skalen (welcher Tonart 
sie immer seien) mit ein und demselben Ton zu beginnen (etwa dem C). 
Dieses Mittel ist von unfehlbarer Wirkung. Horen Sie, meine Damen, 
nachdem man Ihnen die C-dur Skala vorgesungen hat, die Tonfolge: W C, 
D, E, Fis, G, A, H, C. tf Bemerken Sie nicht sofort, dass dies nicht mehr 
die C-dur Skala sein kann? Dass die Halb- und Ganzton-Intervalle ihre 
Platze verschoben haben, und dass man nur die alle Durskalen kenn- 
zeichnende Aufeinanderfolge: „2 Ganztone, 1 Halbton, 3 Ganztone, 1 Halb- 
ton" herzustellen braucht, um zu erkennen, dass man in G-dur ist? Dies 
herauszufinden lernen die Kinder in 2 — 3 Monaten, und dann kann man 
fur die Folge ruhig und sicher sein, dass die Funktionen des Gehorsinns 
sich vervollkommnen werden, dass die Kinder in einer gewissen Zeit 
absolutes Gehor erlangen werden — unter der ausdriicklichen Bedingung, 
dass sie vor Beendigung dieses Vorbereitungsunterrichtes keinerlei Instru- 
mentalunterricht erhalten. Denn dieser — ich versichere es aufs be- 
stimmteste — kann das erwiinschte Ergebnis der Vorstudien nur gefahrden. 
Ein einziger Monat zu friihen Klavierunterrichts — vor der vollstandigen 
Ausbildung des Ohrs — geniigt, alles bis dahin Erreichte zu vernichten. 

Ich habe es fruher betont, dass alle zu Gehor zu bringenden Tone 
von der Stimme des Zoglings hervorgebracht werden sollen. Auf solche 
Weise vollziehen sich Tonerzeugung und Tonaufnahme im selben Kopf, 
wodurch zwischen dem Tongebungsapparat und dem Empfangsapparat 
klingender Schwingungen derart nahe und innige Beziehungen entstehen 
mussen, dass jeder Fortschritt des einen von ihnen dem anderen zugute 
kommen muss. Die Vorteile der ersten musikalischen Erziehung des 
Kindes mittels des Gesanges sind iibrigens zahlreich. Vor allem ist es 
zweifellos, dass die Haltung der Kinder vor dem Klavier geradezu ent- 
wicklungswidrig ist, wenn sie nicht von allem Anfang an strengstens be- 
aufsichtigt wird. Drei Viertel aller Klavierzoglinge laufen mit eingesunkenem 
Brustkorb und eingezogenen Schultern herum; uberdies sind die Schwin- 
gungen des Instruments von bedenklichstem Einfluss auf die Nerven. Wie 
viele junge Pianistinnen leiden an Magenschmerzen, an Huftweh. Wie 
viele Mutter lassen ihre bleichen Tochter ohne alien Erfolg Eisenpillen 
schlucken, statt sie fur einige Zeit von den teuren Klavieriibungen zu 
dispensieren, wodurch sie all ihre jugendliche Frische wiedergewannen. 
Gesangsubungen aber veranlassen im Gegenteile die Erweiterung der Lungen, 
die Verbreiterung des Brustkorbes, die natiirliche Haltung der Schultern 



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404 
DIE MUSIK V. 12. 



und beschleunigen die Blutzirkulation. — SelbstverstSndlich mussen die 
Atemubungen des ersten rhythmischen Unterricbtes wShrend der zweiten 
Unterrichtsperiode, die sich mit dem Studium der Tone beschaftigt, fort- 
gesetzt werden. Wenn man in der ersten Solfege-Lektion die Zoglinge ver- 
anlasst, tief einzuatmen, so findet man, dass fast alle ausnahmslos lediglich 
mit dem Oberteile der Brust atmen, wobei die Schultern gehoben werden, 
der Brustkorb sich verlSngert, indem er sich zusammenzieht, was gross t en - 
teils — was ich mich verpflichtet halte zu erwihnen — von der barbarischen 
Unsitte verschuldet wird, die den jungen MMdchen Mitteleuropas fruhzeitig 
das Mieder aufzwingt. Sowohl in Holland, wie in Dfriemark, Belgien, 
Schweden, in alien nordlichen LSndern uberhaupt, wird — wie ich mich 
bei iiber 350 Auffuhrungen meiner Kinderreigen zu uberzeugen Gelegenheit 
hatte — von alien Medizinal- und Schulbehorden der Brauch, die Taille 
kunstlich zu verengen, verurteilt und ist ganz abgekommen. In den 
schwedischen Schulen, wie in vielen Unterrichtsanstalten Englands ist er 
geradezu verboten. In den sudlichen LSndern ist es leider aus unsinnigen 
und erheuchelten AnstSndigkeitsgrunden noch nicht so weit gediehen, und 
die Frage ist berechtigt, ob der Mangel an stimmlicher Beanlagung so vieler 
heranwachsenden Madchen nicht im Zusammenhange mit dieser Vernach- 
l&ssigung der dringendsten hygienischen Gebote steht? Holland, das derzeit 
reichlich ein Drittel der besten Sanger liefert, ist neben Schweden das 
Land, in dem man von fruhester Kindheit an, sowohl in der Schule, als 
auf den musikalischen Lehranstalten systematische Atemubungen aufs 
genaueste und ernsteste betreibt, durch die alle Brustmuskeln gestarkt 
und entwickelt werden. Das freie Spiel der Muskeln des Brustkorbes 
erleichtert die Bewegungen der Kehlkopfmuskeln. Wer reichlichen Atem ein- 
zuziehen vermag, ihn lang in der Brust zu behalten und im richtigen Augen- 
blick auszustossen versteht, wird nie in Gaumentonen, und hochst selten durch 
die Nase singen. Seine Stimme wird uberdies einen Umfang gewinnen, der 
durch blosse Gesangsubungen nie erreicht werden kann. Alle unsere Ge- 
sanglehrer beklagen sich iiber eine Unzahl Fehler ihrer Zoglinge, die 
zu beseitigen ihnen meist die Zeit fehlt. Zum grossten Teil sind diese 
Fehler Folgen schlechter Behandlung der Stimmwerkzeuge in fruher Jugend. 
Wieviel ermudete, gebrochene Stimmen — weil man die Kinder in der 
Schule mit der Bruststimme zu hoch singen liess ! Mancher Gesanglehrer 
empfiehlt in solchem Falle vor allem monatelange, selbst jahrelange Ruhe. 
Ist dieses Heilmittel nicht schlimmer als das Obel? Erhalt ein ubermiidetes 
Bein seine Beweglichkeit und Starke wieder, wenn man es auf einige 
Wochen zur Unbeweglichkeit verdammt? Wahrlich wir verstehen uns 
noch wenig auf die Pflege des Gesanges — weder unsere Schulen noch 
unsere musikalischen Lehranstalten leisten was sie sollen. Goethe, der 



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405 

JAQUES-DALCROZE: KLAVIERUNTERRICHT 

in Wilhelm Meisters Wanderjahren einen idealen Erziehungsplan entworfen 
hat, der weise und zu beherzigende Ratschlage enthSlt, erklirt, dass in der 
ersten Periode des Jugendunterrichtes der Gesang die Grundlage aller 
physischen, moralischen und geistigen Erziehung sein sollte. Es heisst 
dort ausdriicklich: „Der Gesang bildet die erste Stufe der Ausbildung; 
alles andere schliesst sich daran und wird dadurch vermittelt.* 

Vom Standpunkte des rein musikalischen Fortschrittes bietet die 
zeitige Ubung im Singen, ausser all den angefubrten Vorteilen, noch den, 
den gemischten Chorgesellschaften gut vorgebildete Mitglieder zu bringen. 
Unsere Chordirigenten wissen es nur zu gut: unter 100 SSngern gibt es 
hochstens 25, die notdiirftig vom Blatt lesen konnen. Denn, hat einmal 
sein Klavierunterricht begonnen, so wird dem Zogling das gesangliche Vom- 
blattlesen ungemein schwer. Dass ein junger Pianist sehr schwierige 
Klavierstucke prima vista herunterzuspielen vermag, ist — so seltsam es 
auch klingen mag — noch durchaus kein Beweis, dass er hervorragende 
musikalische Beanlagung besitzt. Das gute Vomblattlesen auf dem Piano 
ist in Wirklichkeit eine Frage der Schnelligkeit des Uberblicks und des 
augenblicklichen Gehorchens der ausfiihrenden Organe. Derselbe aus- 
gezeichnete Klavierspieler ist vielleicht ausserstande, die einfachste Melodie 
singend vom Blatt zu lesen. Wenn er es nicht nebenbei treibt, wird es 
ihm nach einigen Jahren sogar ganz unmoglich werden, denn sein Ohr hat 
alle Kontrolle fiber seine Stimme verloren, und es ist zu spat, eine augen- 
blickliche Verbindung zwischen der Wahrnehmung der Note durchs Auge 
und der WillensbetMtigung herzustellen, durch welche die Spannung der 
Stimmbander wie erforderlich geregelt wird. — Wird das Kind dagegen 
fruhzeitig dazu angehalten, und ist weder Stimme noch Gehor krankhaft 
beanlagt, ist das rhythmische Gefuhl nicht tief unter dem Mittelmass, so 
wird der Zogling in 4 — 5 Jahren die schwierigsten Melodieen mit grosster 
Leichtigkeit vom Blatte singen. Aber — ich wiederhole es nochmals und 
ausdriicklich — aber nur unter der Bedingung, dass das Studium irgend- 
welchen Instrumentes nicht vorzeitig begonnen hat. 

Es kann nicht meine Absicht sein, Ihnen, meine verehrten Leserinnen, 
den bis ins kleinste ausgearbeiteten Lehrplan eines vier Jahre dauernden 
Unterrichts vorzulegen, durch den sowohl der Gehorsinn als der Stimm- 
apparat erzogen werden sollen. Ich muss mich darauf beschranken, zu 
sagen, dass aflles in der Musik auf Melodie zuruckgefuhrt und durch sie 
erklMrt werden kann. Akkorde, Kontrapunkt, UbergMnge, Formgeschlossen- 
heit — alles hat seinen Keim in der Melodie. 

Es erubrigt noch die Besprechung der Nuancierung und Phrasierung. 
Das Studium dieser beiden finden Sie in keinem einzigen Lehrplan vor- 



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3— MB MUSI t V, tT 



gesehen, wiewohl es das besSe Mittel zttr Verfeinerrag des wmsffcaHscfaaa 
Geschmscks nnd jpr EntwteUtmg dm Sinus fftr kfinstteriecbe Scbfittbeit 
1st* Eln Schweizer Mutiker, Herr Mathia Lussy, ist es, der in scincm 
.Traft* du lytttme et de Fexprttsion* (tehrbucb des Rhythms upA des 
musjkalischen Aasdrucks) ntfe bewundeniagtfwflrdiger Klarbett nnd Foflge- 
ricbtigkeit die Gnmdprinzipien dieses Stadiums in wahfbaft geniatar Weise 
festgelegt tut Vihrmd der ttMiche Klavienmterricht die Frage nach dem 
Grande der Nnsndenmg tmd Jtotonang gar nlcht aufkommen Usst, werden 
die Z3gHnge durch dss Stadium der Prinzipien slier Pbrasierttng nnd 
Nflanderang *ur Selbstfndigkeit is der Viedergsbe gefBlut nnd warden 
sicb der Bedeutting des Kontrss&es der Tonstlrke, der Grundlage sllee 
mnsikslischea Stils, bewtisst. Dies itt der wichtigste Tell slier kflnsderisdien 
Unterweisung* Der Sinn (fir dss Scbfine 1st dem Klnde angeboreo, and es 
intensslert sicb leidenschsftlich ffir sUes, was ibm ongeahnte Schfabeit 
effenbsrt Andererseits forscbt es in seiner Velse unabllssig nach dem 
»Wamm*. Es zetiegt sein Spielzeug aus Wlsabegierde* Die zahlrdctaen 
Notierungeu in den Notenhsften verhindern es, diesem natfirlfchsn Orange 
nachzugehen, es befolgt blind die gegebenen Anordmtngen, spielt pisno 
oder forte, verzSgert oder beschletmigt, veil es so geschrieben steht. 
Bs spielt oboe persSnlfcben AnteU am Ktmstwcrk nnd seine Indftidnalittt 
1st ausgplfischL WIe snders sttht ss der Ssche gegenBber, wenn es die 
so leicbten and logischen Gesetze des Pbrssierens nnd Nnsnrierens kennen 
gelemt hstl Welehe Frende, sine aller Vortragsbezelchnuflgen bars Melodie 
nsch eigenem Empfinden zu aingen, von nichts anderem geleitet, sis der 
Kenntais der Regeln des kunstlerisch Schonen, d. h. den Gesetzen des 
KontrastesI Und es crreicht das Erforderliche rait grdsster Leichtjgkeit, 
veil sicb nichts seincn Fortschritten hemmend in den Weg stellu Zwischen 
ibm und dem musikalischea Kunstwerk stebt nichts, in dieseni unmittel- 
barsten Verkehr merkt es, wie sein eigenstes Ssthetisches Empfinden von 
Tag zu Tag sicb emwickelt. Im regelmassigen und langsamen Verlaufe 
seiner Studien bat es sicb ausschlicsstich seiner personltchen Mittel be* 
diem; seine Muskeln wurden gestirkt und geschmeidigt und gewShnt, seinem 
Willen unverzflglich zu gehorchen; ricbtiger Rhythmus, sinngemSsse Be* 
tonung sind ibm in Fleisch und Blut ubergegangen* Sein Ohr bat gelernt, 
die Tone voneinander zu umerscheiden, es vernimmt und wird sich 
des gegenseitigen Verhaltaisses sowobl nacheinander als miteinander er- 
klingender T5ne bewusst, Seine Stimme wurde durcb fortschreitende 
Obungen entwickelt und sein Ohr gleichzeitig geschult, so dass das Kind 
Melodieen nicbt nur tadellos wiederzugeben, sondern auch neu zu schaffen 
verraag. Mit emem Wortc: es ist musikalisch geworden, es kennt alle 
Elemeute der Musik, so dass nunmehr der Augenblick gekommen ist, erst 



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J AQUES-DALCROZE : KLAVIERUNTERRICHT 

nunmehr, mit elf oder zwolf Jahren, wo es einen Sinn hat, das Kind an 
ein Klavier zu setzen. Jetzt werden Skalen und Fingerubungen kein Gegen- 
stand des Grauens und Abscheus mehr sein, denn es weiss, was es spielt, 
versteht die Verbindung der Tone, kontrolliert im Innern die Richtigkeit 
ihrer Folge. Jetzt wird es binnem Kurzem ohne alle Muhe und An- 
strengung, ganz natiirlich — als ob's so sein miisste — transponieren, 
praludieren, improvisieren. Seine technischen Fortschritte werden sich 
uberraschend schnell vollziehen, denn seine durch die rhythmische Gym- 
nastik gut vorbereiteten Finger stehen im Dienste eines zweckbewussten, 
lebendigen Gedankens. 



Verehrte Leserinnen! Was ich Ihnen hier vorgefuhrt habe, sind nicht 
nur Zukunftstraume, Illusionen. Es gibt nichts Neues unter der Sonne! Vor 
drei bis vier Jahrhunderten bereits wurden diese Ergebnisse in der nieder- 
ISndischen und italieniscben „Schola" erzielt. Es ist kein Zweifel, dass 
jedes normal begabte Kind heutzutage es ebensoweit bringen kann. Zeigen 
sich unter den dieser Erziehung teilhaftig werdenden Kindern solche, die 
durch vollstandigen Mangel musikalischer Fahigkeiten verhindert sind, dem 
Unterricht zu folgen, so hat dies nur den bedeutenden Vorteil, Lehrern 
und Eltern jeden Zweifel iiber das einschlagige Talent der betreffenden 
Kinder zu benehmen. Und wenn diese dann nicht gezwungen werden, 
irgendein Instrument zu erlernen, so sind sowohl sie selbst, wie die 
Gesellschaft nur zu begluckwunschen. Vielleicht wird die Uberschwemmung 
der Welt mit unfahigen und mittelmfissigen Dilettanten eingedammt, die 
irgendein Instrument zu spielen erlernt haben, ohne es zu lieben, und 
die ohne eigentlichen innern Drang ihr Instrument weiter misshandeln, 
weil doch sonst das viele schone Geld zum Fenster hinausgeworfen wfire, 
das die bisherigen Studien gekostet haben. Das Musizieren solcher Leute 
ist ihnen und ihrer Umgebung eine Qual! 

Wer nicht ganz in der Routine befangen ist, wird einsehen, dass 
wir uns jetzt auf falschem Wege befinden und dass so schnell als moglich 
eingelenkt werden muss. Ich bin auf den Einwand mancher Mutter gefasst, 
die mir sagen wird, dass meine „Vorbereitungen" recht lange dauern, dass 
mein Lehrplan gar zu viel umfasse, dass sie ihre Kinder nicht zu Kunstlern, 
sondern zu Liebhabern erziehen wolle . . . Meine Antwort hierauf lautet, 
dass nichts ihrer Absicht entgegengesetzter sein kann, als der ubliche 
Klavierunterricht, durch den nicht Liebhaber, sondern Virtuose n gezuchtet 
werden, und der ein riesiges Arbeitsquantum zur Voraussetzung hat. Der 
von mir vorgeschlagene Weg ist wesentlich kiirzer und weniger anstrengend. 
Er ist es, der fur kunftige Liebhaber besonders angezeigt ist, denn auf 
ihm werden sie die Musik lieben lernen. Wahlen Sie fur Ihre Kinder, 



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w Sie IBr s&tzticber ttad kfinetlerisch ffirdernder balteai zwef fate 4nl 
Settadea titftotaea Sfcaien* and Arpeggleiispiel Oder % Stnndea Arbeit* an 
nttslkslTScfa zu werdea* Abe? aelbtt» www Sto beabvfobtigpA eoHtettj Ouv 
Kinder mi Virtuosos za eniebea — lessen Sit vorber On amsfkafftcbea 

P&tiafceiiea Ms At einen cewissen Eatwickluntscrade eteftern: as ittt 
alcbte Unangtnebmeret nad QrQtwfrwg^alf riaffl ^mrnifftfllttdrtrn Vtrtwrtra. 



Es btdbt nat aocfc die Frige nr ertrteru* in mlt feoen Madera 
gescbsften son, die berelts KlaviefaafcetTicbt geaossea and eioe (Mine 
FertfeMt erlasgt baben* Tifd es noch mSgUcfa seta, da fin being art 
Gehdr nad Rhytbmus auf den ricbtigen Weg zu bringen? Icbglaube ot L — 
aber es wild Menu Hirerseit* etues stsrken Wttfcns nod 
Antdeaer bedfirfan* Vor tttem nfissea tie alien Stols bel Setts 
nad rich darBber Idtr warden, test tiles was sfe Usher an Khvfer erlerat 
habeas nit der Masifc alt soldier debts xn tna bat, sondera aar sis 
(hr SttTTOgat gotten baaa; daas Ihrs Wiedergabe musikaUscber fate 
ledlgticjj angedrfllt, mascMnaamlsaig ist and wader ibnm indlvldaelta» 
Tenperaneat eatspiingty aocb die Frucbt relfea UrteuBj gslbstlgjtea Go* 
scltniscket, wahrbaft fcflnstieriscber Erziehuag ist Had diese Setbct- 
verfeugnmig balte icb ffir dea schwersten Tell der Auffcabe* Nteht Br 
eelbstlttdfgb ZftgHnge, die frfiber odor spfter eiasehea lemon, was Otaea 
Kbit and daea durcb anadtaerndstt Arbeit jeae Kaaataiese za e r worbe a 
traebten, die aie ffir Hire voUstitadige kfinstterisdte Entwicttung fir 
nnentbebrllch erachten — aber fBr jene ZSglinge, die von Eltern abblngen, 
die die Notwendjgkeit dieser Studiea ntcht einsehen* die mlt dea blsber 
erreichten, rein iu&serlichen Resultatea gasz zafrieden sind und die die 
Zukunft ihrer Kinder opfern, otanc zu abnen, welches nie wieder gut zu 
machende Uarecbt tie ihnen zufugen, Denn In 75 von 100 Fftllen sind 
es die Eltern, die es verhindern, diss sicb die Kinder dem Solftge-Studium 
mit Eifer und Vertrauea hingebeu, Sie balten mehrere Jtbre langes 
Studieren und Arbelten zur Entwicklung des GebSrsians, Arbeiten, deren 
Resultate sicb aicht sofort in an Fomilienabenden einznheimsenden Braves 
von Bekannten and Verwandten umsetzen lessen, dem Tileat ibrer Kinder 
fur abtrSglicb, die als Pianisten soviet fur die Eitelkeit der Fran Mama 
und des Herrn Papa schmeichelhafte Lobspriiche einbeimsen kSnnten. 
Und wean sie sicb faerbeilassen, einen Versucb zu machen, so werden die 
Studien unter irgendeinem Vorwand achon nacb dem ersten Jabre tuf- 
gegeben. Wie oft hdrt der Sotf&ge-Lehrer seine ZSglinge sagen: gerne 
wQrde ich fortsetzen — aber Mama ist dagegen. — Und warura? Es kostet 
zu viel Zeit, und ich muss micb jetzt zur KonBrmation vorbereiten. — 
So? Da musst du deinen Klavierumerrlcht also aucb sufgeben? — O nein, 



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JAQUES-DALCROZE: KLAVIERUNTERRICHT 

den muss ich trotzdem fortsetzen! Ja, ja, den Klavierunterricht, 

den kann man nicht aufgeben, selbst wenn es sich urn die Konfirmation 
handelt. Das Klavier, das ist die Bundeslade; trotz allem, was man da- 
gegen einwenden mag, die Musik; heilig — unantastbar — Tabu! Man 
betet es an wie den Moloch, opfert ihm jede bessere Erkenntnis, jedes 
edlere kiinstlerische Empfinden, den Geschmack — ja selbst die Gesundheit 
der Kinder. Wollten sich doch die Eltern eines bessern belehren lassen! 
Wenn sie eine Ahnung hatten, welchen unermesslichen Schaden sie ihren 
Kindern zufiigen — ich zweifle nicht, dass sie ihr musikalisches Erziehungs- 
system andern wiirden. Das Klavier wiirde dann fiir einige Zeit in den 
Hintergrund treten, und die Schiiler — selbst die altesten — miissten das 
vorzeitig verlassene oder gar nie betriebene Studium der beiden Grund- 
elemente der Musik aufnehmen: Rhythmus und Klang. Sie wiirden er- 
fahrenen Lehrern anvertraut werden, durch deren Unterweisung ihre Korper- 
bewegungen Gleichmass und Rundung, ihr Geist Entschiedenheit eines 
sich sofort den Gliedmassen mitteilenden Willens erhielten; sie wiirden 
Empfindung fur Zeitmass und Takt gewinnen, befahigt werden, ohne 
Schwierigkeit eine auf irgendwelchem beliebigen Taktteile beginnende 
musikalische Phrase ohne Stockung wiederzugeben, ohne Ubertreibung zu 
verlangsamen und zu beschleunigen, die hervorzuhebenden Tone einer 
Periode zu akzentuieren, die musikalische Phrase kraftig und doch weich 
zu „modellieren a . 

Die wohltiitige Wirkung rhythmischer Gymnastik wiirde dem unheil- 
vollen Einfluss entgegenarbeiten, den das Klavier auf die Nerven unserer 
jungen Madchen ausiibt, und sie wiirden nicht nur musikalischer, sondern 
gleichzeitig anmutsvoller und ausgeglichener in ihren Bewegungen — „ein 
Ziel aufs innigste zu wunschen 41 . 

Das Ohr ist immer entwicklungsfahig, wenn ernster Wille und Aus- 
dauer vorhanden. Nie ist's zu spat, Erspriessliches zu tun! Und der Erfolg 
wird die Beharrlichen fiir ihre Anstrengungen reichlich belohnen. Statt 
passiv Musik fiber sich ergehen zu lassen, werden sie ein personliches 
Verhaltnis zu ihr gewinnen, sie wie ein Teil ihrer selbst lieben lernen. 
Die Klavierlehrer haben hierbei nur zu gewinnen. Sie bekommen fur das 
Studium des Instruments gut vorbereitete Zoglinge. All ihre Bemerkungen 
fiber Stil und kiinstlerische Wiedergabe fallen auf fruchtbaren Boden. Von 
selbst werden die Schiiler jeden groberen Fehler sofort ausbessern, weil 
er ihrem verfeinerten musikalischen Geffihl zuwider sein wird. Keine 
wegen mangelnden Talentes in Mitte Wegs aufgegebenen Studien mehr, 
denn die Klavierlehrer hatten es nur mehr mit Zoglingen zu tun, deren 
musikalische Befahigung vorher ihre Probe bestanden hat. Selbst die 
Eltern kamen, wenn sie meine Ratschlage befolgten, besser weg. Ihre 



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^3E?^ 



4ia 

DIE MUSIK V. 12, 




Ohren wfirden nicfat mehr miter den farchtharen KlmtggefbdHen 
haben, die der Anfingsr mit sainem Instrument zi 
warden ihre Kinder bald klasiliclie und moderne JMLnsUk 
vem BUtte epteles hftien, stett die monatelangen, peinigendea Tdfr 
bereitangen xnr Anfffttirang eines rwend scbweren KonMrtttfiateae w- 
dnlden rn mfiesen, das des Geplander einea flve-o'clock oder etaer Fainilitdfc* 
aoirfie stBren oder mehr oder minder angpnebm tmterbrechen MIL ttre 
Kinder wflrden naefa dem GehSr spiden, geschmackvolt ve rgotragene 
Melodleen am Instrument Improvistoren, Geeang in irgendelner gewftnschtnn 
Tonart begeften, alte und neue Cbtae siqgen, adbst — nnd varum nfohtP 
— oitne weiteres und ohne )ede Ziereni Ihren Ftennden nnd Freitndfitftea 
znm Tanz snfepielen, mit Scbwtmg and Rbythmns. Wle maae ea die 
Eltern gfficklich macfcen, ihre Kinder in einem so innlgan Vertdltnia zar 
Kunat zxk wisaen, die xnr Geneaaln ihres AUtsgslebens geworien, da Wr 
KSrper, dank zlelbewnsater Uaterweisixn& ihiem in den Sphiren dee 

ScfaSnen helmisdien Geiste willig dientl * — 

Ich verde gtatklleh aeln, wean melee Ausffihrcngen dazn belgetragea 
haben, der Erkenntnia des falstiien nnd des licfcttgan Wages mnirffcalfoctter 
Jngendendehang Bahn zn brechen* 




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bOcher 

74. Edaard Bernoulli: Oratories texte Hind els. Strelfz&ge im Geblete der 

Cbryeandertcben Hlndelflorecbung. Verlag: Scbultheea & Co., ZQrich 1905, 
Ed. Bernoulli bletet mil adder kleinen Scbrift cine aebr fteieeigp nod eorgeame 
Arbeit* der die tteiteate Verbreitung im Krelse der praktiacben Mueifcer und dee Publikuma 
in wunacben let Men braucbt nicbt |ede Aueaerung darin zu unteracbreiben, mber Stare 
Tendenz, die in letzter Linle cine Apologle Chiyetnders gegen unberecbtlgte Krttifcer lit, 
wlrd men unter alien Umstlnden gutbeiaaen muss en. Bernoulli handelt zunlcbet von 
ezeniecben nod dramatischen Vorglugen ale Inner er Voraussetzung zu Hlndela Oratorien, 
wobei er slch auf elne Refhe von Vorgffngern berufen kann, die In Hlndel den Mueik- 
dramatlker geieben hiben* Er weitt auf die Inezenlerung von Kammerkantatcn* auf 
azeniache Bemerkungen in Hlndela Handexemplaren bin usw. A lies dringt darauf, 
»wenigatens Ideell, BuhnenbUder bei den una bekannten Oratorien in Betracbt an 
zieben*. Die Frage, welcbe praktiacbe Konaequenz aich daraue ergebe, umgeht Bep- 
noullL Eln zweiter Abschnitt bebandelt Aualaaaungen und Elnecblebungen etazelner 
Stick* elnea Oratoriums In Direktorlalpartituren. Auch bier wird Ch rye and ere, dee un- 
verglelcnllcb flelasigen, geviaaenbaften und fcenntaiareJcben, Wirken vollanf gevurdlgt 
Veiterhln bebandelt Bernoulli Entlehnungen Hlndela In aeinen Oratorien, aodann die 
deutacbe Gberaetzung aus dem engliacben Gr und text, wobel ea naturlfch an Angriffen 
gegen R, Franz nlcht febit. Er macht aucta selbat einigc Verbeasemngavoracbllge. Der 
letzte Abacbnitt spricbt von den frei improvisferten Zutaten im Ceaangavortrag. Mag 
man gegen daa elne Oder andere etwaa vorbringen kSnnen: die verantwortlicben Letter 
von Hlndelacben OratorlenauffQhrungen aoltten allesamt das elne beberzigen: daae die 
hler wiederum von Bernoulli zusammengeateHten p Fragen* im Grunde genemmen kelne 
eolcbon alnd, die im Prinzlpe noch zu ISaen wlren* Daa ist durcb die Wleaenacbaft 
llngat und nberzeugend geechehen. Wie man aieb zu elner Elnzelheit, fur die eine be* 
atimmte LAaung vorgeachlagen wnrde, it el It, bat damit nictate zu tun. 

Prot Dr. Wilibald Nagel 

75. Herman Zampe: Peretfnlicbe Erinnerungen nebat Mfttellungen aua 

aeinen Tagebuchbllttern und Brlefen* Mlt Geleitwort von Emai 
v. Pots art, Verlag: C. H. Beck, MQnctaen. 
So recht armpatbtacb und Hebene- und verebrenavert eratetat vor una Geatalt und 
Weaen Herman Zumpea, wenn wlr die vorllegende Lebenegtachlcbte leaen, Der Held 
dea Buebea fflbrt in dieaem hat fortvlhrend aelbat daa Ton — den zablrelcben ab- 
gedruckteu Briefen aind nur kurze verblndende Texte beigegeben — und urn ao unmlttel- 
barer iat der Eindntck auf den Leaer, In einzelnen Kapiteln baut alcta ao die Geacblchte 
dleaea KBnatlerlebene vor una auf: daa erate bebandelt die Jugendzeit von 1850—1873, 
daa nreite die Lehrjahre In Bayreutb, daa dritte die Kapellmelater]ibre In Salzburg* 
Wiirzburg, Magdeburg, Frankfort ■. M. und Hamburg [bia 1891), daa vterte die Stuttganer 
Ptoriode, daa vorletzte die erate und daa letzte Kapltel die zweiie MOnchener Zeit bla 
zum Todeajatar 1903. Dieae gnt getrodbne GUedarang wlrd noch ptaatiactaer durcb den 



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^■W- 



413 



DIB MUSK V. 12. 





panflnttcfe n im nt raden achatat VtavM to* 
tbtaitea, BeawricrafeOf as AuaapcftabMi Bbaf Knnst nnd K0Mttsr Sndan tldt d* — 
mtanter SttM *on Metftecfaer BtaCwnbaft mat m Iaptdvw Kfira and Kmgpbai^ 41a 
In Znjfcmift j w l aa nocdt ttt nMfeaim Woftan war den dSdtai} 

ttf die acltaia Kwty nttt wanlfc VMtn get vfel an eifon* Dleaor ■ 

wifd iter jwdi wait Bbertroflto dnreii dto aaUtoaan Dnkn- 
■ MimtflfcllftMPtlfi dl» daa BflcMabi In afafe bifft Be tot etoa w(hw Ttonriiij, 
b den Bciafen aw dor aottenroSen KipeUmelatefxeJt tit leeen, vto m Jodar Zafle 
winder dCs Beastotarann enricaL dto anch durefe den IhrfnHirhttfffl Gefabrwttbi dtfrefc 
afle dto old endenwoUande Mftheal dee tlfMohu Labette ttkht erttat mrfA 
Vnndttfaatthi alnd Inebeeoadere dto Briete en eatao Brut, 4mm fibftgette so 
eeMfiie rroimdi ibrfotfa wBidfg ntif Setto geetellt warden ktanen, Ob 
frnde, dto QBttt dto Dili tamer gtofadi rief b eaeolfr der rfbtande Zttg der Tleritoba, Je 
det PWfmtfiiHtfrfr — alP daa vefetalgt eidt an efatem BOd vw m odtee and Ktom Bate* 
baft, dot ee woU Mail genannt warden tun* — AU Ankng itod begfeftfbmi 
Natliaa ^"i» pna ttbar nrfn ZnaammenJeban mfr Klebafd TiiBflf <— liilimnaial fai i 
n denten, da aa btoea abferia* 

* audi ktor far rial Vartraltee nod Bemerkeaawertea. Mm 
wta dfcaet „Dar Tod tot dto Heimkebf Tom Uriaub* Oder 
„ VUlet dtt tinea Meneeben erfcennen, to Wre aaf aato Laoben nod mark*, <** aei* 
YerbOtnfe torn Ttote tot** EadHoh aln Vafsafehnia von Konpaaktattatt Zva^aa* Daa 
Varawt Paaaarta Mtat daa Back ttbonmactroa and banllch aln* 

Dr. Bf on van Kamonynakl . 

MUSKALIEN 

7B- fihrlatlno Sindlngi -An dja Hal mat Pfc gaatiaahm Cbor nnd Baritvnaoto 
mil Planaftifta. Vaflagi Bah, Fortrtr^ Laiptif. 

Eia luiaarat dankbarar uad leJcht mamfBbrender Cbor mit elnani aehr wirfcnngi- 
roUcn Baritomolo, Sabr tntaraaaant hi beiondera d«r KltTierptrt sebalten. 

77. Carl Adolf Lorcnz; Drei Mloaarcbfira. op, 69. Verlax: Hug & Co,, Lalpilf 

nod Z&ricb. 

Dieae Lieder wardan aicb urn [brer kraftroll-mlnnticbcn Eigenart in flit aelaltetao 

Geianprerelnen bald Hinging Tencbiffep; besondera gat hat mir No* 2 galUlen. Nq.3 

pEcbo" vlrd nat&rHcb daa Hdrern am meiaten man den und atfirmtoch appltudicrt warden. 

Dmi daa Echo mlmnter etwaa anderaa iitrQckgibt, da waa ihm rug era fen wlrd, aoll den 

Siagern, dam Pubtlkum und den Kritikera keJnen Augenbllck die Frende an dam nled- 

Uchen Dioge trQben* Paul Hielicher 

78- Fritz Kauffmann; Quintett fur FJfite, Hoboe, Klwinette, Horn and Fagott, 

op. 4a Verlag: HeinricbBbofeQ, Magdeburg. 

Die erfreuLlcberveiae Immer mebr zunebmende PBege der Blaakammennaaik ver* 

anlaast *ueb mod erne Komponiaten iu Kompoailionen fGr Blasloatrumente, trottdeni ale 

alcb vorlluflg nocb Immer nitr cine aebwiche Verbreitung fm Publlkum daron ver- 

sprechen dQrren. Dia mir in Partitur rorllegende Kauffmannscbe Quinteit gebflrt auf 

jedea Fill za den Verken, an donen kelne Bliserverelnigung vorubergehen aollte; ea iat 

ein kleines MeUremQck 1m Sau, roelodienreicb und sebr dankbar rur dio einzelncn 

lpvtrumente geacbriebeii; ea 1st aber weniger ein Kammermusikwerk aU ein Konzert* 

atuck infolge der den Inatrumenlen geateliten vlrtuoaen Aufgaben- Der langaame Sati 

1st besondera gebaltvoll, die Verarbeitung der Tbemen im era ten Sitz iat ganz vortrettlfch. 



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413 
BESPRECHUNGEN (MUSiKALIEN) 



79. Gustave Samazeuilh: Son ate (en si mineur) pour Violon et Piano. Verlag: 

A. Durand & fils, Paris. 
Offenbar ein Erstlingswerk eines bochbegabten Komponisten, der aber noch durch- 
aus in seiner Sturm- und Drangperiode sicb befindet und daher C6sar Franck, Ch6villard, 
Debussy noch ubertrumpfen will, vor allem in bizarren Einfallen und kuhnen Harmonieen. 
Es lotant sich aber, das fur beide Spieler nichts weniger als leichte Werk eingehend zu 
studieren. An Takt- und Tempowechsel kann er sich nicht genug tun. 

80. David Popper: Streichquartett. op. 74. Verlag: Friedr. Hofmeister, Leipzig. 
Man merkt es diesem Streichquartett an, dass der beruhmte Violoncellvirtuos 

Popper sich eifrig mit der klassischen Quartettliteratur beschaftigt haben muss; ohne 
irgendwie Anklange zu enthalten, erinnert dieses Quartett in bezug auf Stil und Aufbau 
durchaus an die Klassiker; es hinterliisst sogar einen etwas altmodischen Eindruck. Die 
Melodie des langsamen Satzes ist etwas weichlich; die Tbemen sind im allgemeinen 
recht gefailig. Wohl am besten geraten ist das Scherzo. Das klangschone Werk ist 
nicht schwierig und bevor2ugt in keiner Weise das Violoncell, wie man glauben konnte. 

81. Hermann Gradener: Violin-Konzert in D-dur. op. 22. Ausgabe fur Violine 

und Pianoforte. Verlag: Breitkopf & Hartel, Leipzig. 

Sehr violingemass und melodios, mit Ausnahme der Kadenz des ersten Satzes, 

die wie im Mendelssohnschen Konzert ein integrierender Bestandteil ist, nicht uber- 

massig schwer, mit einem besonders wirkungsvollen Finale. Sehr empfehlenswert als 

Prufungsaufgabe fur Konservatoriumskonzerte, von Ondricek bereits mit Erfolg gespielt. 

82. Christian Barnekow: Quartett fur Pianoforte, Violine, Bratsche und Violon- 

cell. op. 12. — Quintett fur 2 Violinen, Bratsche und 2 Violoncelle. op. 20. 

Verlag: Breitkopf & Hartel, Leipzig. 
Wenn ich recht unterrichtet bin, ist dieser danische Komponist, der trotz seiner 
zahlreichen Lieder im Riemannschen Lexikon nicht erwahnt ist, noch zur Zeit Mendels- 
sohns geboren; jedenfalls komponiert er in dessen und in Gades Geist. Von den beiden 
vorliegenden Werken gebe ich unbedingt dem Klavierquartett den Vorzug; es ist sehr 
melodios, gefallig und schon gearbeitet. Dilettanten werden es mit Vorliebe spielen. 
Die Eiflndung im Streichquintett ist nicht sehr gliicklich; mit Ausnahme des recht ge- 
lungenen Scherzos wird man dem Werke kaum ein anhaltendes Interesse entgegenbringen 
konnen; die sehr gelungene formale Arbeit sei aber besonders hervorgehoben. 

83. B. Solotarjoff: Quartett fur Pianoforte, Violine, Viola und Violoncell. op. 13. 

Verlag: M. P. BelaierY, Leipzig. 
Enthalt in alien vier Satzen recht Eigenartiges, besonders in dem langsamen Satz 
und dem Scherzo. Eine gewisse Weitschweiflgkeit des Werkes, das in knapperer Form 
entschieden noch wirkungsvoller wSre, entspricht durchaus dem national-russischen 
Charakter. Allen vier Instrumenten bietet das Werk dieses sehr begabten Komponisten 
dankbare Aufgaben. Wilhelm Altmann 

84. Cornelie van Oosterzee: Sechs leichte Stucke fur Klavier zu 4 Handen. 

op. 55. — Carnaval, 3 Phantasieen fur Piano, op. 58. Verlag: A. A. Noske, 

Middelburg. 
Die vierhandigen Stucke sind im Primo-Part fur einen Anfanger berechnet und er- 
fullen den Zweck leichtwiegender Unterhaltungsmusik. Die drei zweihandigen Phantasieen 
stellen sehr anspruchsvolle technische Forderungen, verraten aber keinerlei musikalische 
Eigenart, lassen vielmehr zwischen ihrem ausseren Aufbau und inneren Wert eine tiefe 
Kluft erkennen. Hermann Teibler 

V. 12 28 



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i::r:^c:j :)y ^iiH)^JC UNIVERSITY OF MICHIGAN 




NEUE OPERN 

Ha* Schillings; «Mo1och% raatlktlltche TrtgSdie, DJcbtoag tret atcfa FrvHebbett 
Moiocb-Frtgment, *ird in Bcgiaa der aeaea Spfcteett rtefnUch ^eicbxetclg 
u der Dreedeaer mid Wiener Hofbfiba* in Sxeae febea* 

John Philip Soum; .King of the Day* wtrd Ends Mir* hi Pbtttdelpfal* ram 
entto MaJe tafgefEibit werdea. 

Siagfrted Wognw; .Sterneogebot* betitelt tieb eiao aeae Opar» die tor K<w*~ 
paaJet toebea «llendet bat ttnJ die in der attbstea SpieUeit Wf Attftthruat 
getsngea nil, 

AUS DEM OPERNREPERTOIRE 

Berlin: Im KgL Opera ba it* toll oocb in dieter SpJoliett „Der ft ale Kent* 

tou Aleitader R liter Mr Aufffbrung kommea* 
Llkttiefat Albert Dupole* Oper v J eta Mlcbei*gfag am 17, Fofaratr nater Lettnxtf 

dee Kompontttm la Suae. 
Pari*: Aadrf Mettager't aeae Oper »Le obaadellef", Libretto ntcb efaar 

Maeietacbca E nib lira & toll noch In dieier Sajtoa la der Komi to bet* 

Oper berattefcomaiea* 
Parma i pBeaveanto Cellini*, eiae aetie Oper von Angela Tab), triable am 

21, Febmar ibre fJraaffBbraitfr 
Philadelphia* „Ctittrtva*, eine romanrttcbe Oper von WOlam H. Tumbal* 

atone, find bel der UraufNibrung tin 2. Fcbruar cine beiflLHge Aufhabme* 
Toulouse: Dat ^Tbeatre du Capitole* bat du einakiige lyritcbe Dram* „ Ama- 
ryllis* von Andr6 Gallbard zur Ersraurfubrung gebrtcbt. 

KONZERTE 

Aachen: Daa die&jfcbrlge Niederrfaeiniscbe MusikTcst flddet vom 3 — S. Junt 
suit* Alt Festdirigenrcii sind Prof. Scbwickcrtib und Felix Veiagtrtncr 
gewonnen warden. 

Bonn: Schumannfeler, Ao dem Grtbmtl det Meisters tuT dem alien Fried- 
bof soil im So no tig, den 20. Mti morgent eid kurzer Gedlchtaistkt aV 
gehtlien we r den, bettebend tut eider Ansprtcbe und dem Geaang det Bonner 
Mlnnerge&angveretn* » Concordia*, der vor 50 Jibren tucb die tterblicben 
Re arc det gTossen Totcn blcausgetrtgen bit. In zwei Abendkonzerten 
■m 22. und 23. Mti we r den die Ouverturen xu Manfred und Genovcva^ 
die Symphonieen in Es-dur und B-dur, Koaxertaiucke fur vier HGrner und 
Orcbe&ter, das Klavierkonzerr, turner die Faustszenen* dis Requiem TQr 
Mignon und das Neufabrtlied aufgefubrt werden. Am Himmelfabrtstage 
selost 1st das ublicbe Morgenkonzert wieder geplam, dts dem unsrerblichen 
Liederkomponistcn und Kammermusiker gift. Das Klavierquartett, Kltvier- 
soli, sowic die Dicbtcrlicbe und das spantsche Licdcrspicl aoJtcn daa crleacoc 
Pjogramm blJden. Joseph Joacbim teilt sicb mit August G rulers in die 
Lcimng der Auffubrungen. Das versilrkte Berliner Fbilhtrmoniscbe 



■ , "' ^ AH V> K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



415 
UMSCHAU 



Orchester ubernimmt den instrumentalen Teil. Ernst von Dohndnyi, 
sowie das Pariser Blaserquartett des Herrn Penable sind als In- 
strumentalsolisten gewonnen; so ist die Gelegenheit gegeben, die nur ausserst 
selten aufgefuhrten Konzertstucke fur vier Horner und Orchester zu ge- 
niessen. Fur den Sologesang stehen Kiinstler und Kunsilerinnen besten 
Namens zur Verfugung: die Damen Kappel und von Kraus-Osborne, 
die Herren Dr. von Kraus, Prof. Messchaert und Felix Senins. Der 
stadtische Gesangverein wird in einer Starke von etwa 200 Damen und 
uber 100 Herren an die Cboraufgaben herantreten. 

Lawrence (U. S. A.): Das alljahrlich stattfindende Fruhjahrs-Musikfest an der 
Universitat Kansas wird am 6. und 7. April abgehalten. 

Marseille: Die ^Association artisiique" (Dirigent: Gabriel Marie) beging die 
Feier itares 20jabrigen Bestehens und veranstaltete bei dieser Gelegenheit 
ihr 500. Konzert. 

Orleans: Kapellmeister G. Rabani und Organist Ed. Mignan, die Grunder der 
Bach-Gesellschaft, haben bereits zwei Konzerte veranstaltet, die sich 
eines ausserordentlichen Erfolgs zu erfreuen hatten Es gelangten zur Auf- 
fuhrung: Ouverture fur Orchester C-dur, „Laudamus te u aus der h-moll 
Messe, Klavierkonzert d-moll und die Kantate „Brich dem Hungrigen das Brot". 

TAGESCHRONIK 

Die IV. Generalversammlung der Pensions- und Sterbekasse des deutschen 
Chorsangerverbandes (Sitz: Frankfurt a. M.), die Ende Februar in Dresden 
tagte, bescbloss, wie wir der „Sachsischen Zentral-Korrespondenz" (Dresden) ent- 
nehmen, den Sitz der Kasse vorlaufig in Frankfurt a. M. zu belassen. Zum ge- 
scbaftsfuhrenden Vorsitzenden wurde fur den ausscheidenden Herrn Korner dessen 
Stellvertreter Herr Kucera, Mitglied der Frankfurter Oper, gewShlt. Der 
Hauptsitzung wohnte als Vertreter des Reichsversicherungsamtes zu Berlin 
Regierungsrat Dr. Wolf bei, unter dessen Mitwirkung diejenigen Satzungs- 
anderungen getrofifen und angenommen wurden, die das Weiterbestehen der Kasse 
ermoglichen. Die Antrage auf Anschluss an die Pensionsanstalt der deutschen 
Buhnengenossenschaft oder an eine Rentenversicherung wurden damit binfallig. 
Vom Dresdner Generalintendanten Grafen von Seebach, dem Vorsitzenden der 
Kommission des deutschen Buhnenvereins zur Prufung der sozialen Lage der 
Chormitglieder, traf wahrend der Verhandlungen ein verbindliches Danktelegramm 
ein als Antwort fur die ihm ebenfalls telegraphisch entbotene ehrerbietige Be- 
grussung. Zum Vorort fur die nachste Generalversammlung wurde Hamburg 
gewahlt. Fur die Mitglieder der Pensions- und Sterbekasse, die dem Ausgange 
der Verhandlungen mit grosser Spannung entgegen sahen, ist kein Grund zur 
Beunruhigung vorhanden. Die Kassenfuhrung ist in bester Ordnung, nur die 
mathematischen Grundlagen bedurften einer Berichtigung. So macht sich die 
Einfuhrung einer Abstufung der Pensionsabzuge nach der Dauer der Mitgliedschaft 
notwendig. Bisher wurde ohne Rucksicht auf die Dauer der Zugehorigkeit der 
Berrag von 95 bezw. 100 Mk. jahrlich gewahrt. Kunftig beginnen diese Satze mit 
70 Mk. nach lOjahriger Mirgliedschaft. Fur die Nachzahlungen bei verspatetem 
Eintritt wurde eine bequemere Zahlungsweise eingefuhrt. Kunftig soli es auch 
freistehen, Mitglied der Pensions- oder der Sterbekasse zu werden. Es war auch 
moglich, ohne eine empflndliche Herabsetzung des Sterbegeldes auszukommen. 
Es genugte von 250 Mk. auf 200 Mk. herabzugehen. Man konnte sogar Nachzahlung 
in Aussicht stellen. Fur die Stetigkeit der verh&ltnismassig grossen Einnahmen 

28* 



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i:r:K-c:j :)y ^iiKJ^K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



416 



DIE MUSK V. 12* 




ens Bene&tTomdlnngeii sitae Art, nit denen die Knee rtcbwa 

wwde d» StebefsteUang vom Kiiserileben AofsJcbttsmte verimtft Bis Yettbemg 

soil Im NetiUlb dtmb sine Untlag* aMtyeftmefet word*** Dor Kidootttefeo Ver- 

slobefimgilfevisor RsgicrnBgsi'st Dfv Wolf wito sico duroh 

BnfttAttferattemni (rota, der beaendorsn ElfeMrt der VeHdBfttlsee 1 

Beftfnng d«r Delegterten den safirfcfctitotofi Dank der Yersenuninnc. fir wnrie 

els rettsnder Hngel gopnesen end du R ftfcbs f oriJcbOT 'ttogsiint sss sow vow* 

tltlge Bfatrleihtsng. Nseh rekhlteb mnHptftodiger Vorbsndlnng konntea die 

VefbsndsTOflTBter gotrost tteco House gif«iByfe»g™^- 

Rhlttrd Stress* 1 Optr „S*lfline* soil aim doe* in Berlin ear An* 
ftonmg kommesu Pells die Berttner Hotoper dee ?vk richt ebutodton, «bd 
die Kontertdirektion Jules Stclii efaie elnmsllge AttfflbrttJtg der«Sa]ome" 
▼enmstslfen and iwmr mlc dem gsismion Ensemble dm Dresdner Hofoper 
(SAttaten, Cher and Orcheoter, 170 Mihrirfcende), ttio fat der 

Dfe none Btdgendeeieche Mneikkommtoslon, besjebend i 
Hfftfr^* f *^ t * ftg|t ' > Gsbfiol weber. Promisor Angerer, or- Heltmr is Zvub| 
Storm in Biol* Rich, Vteener nod BsJdemitt to St Gotten, Trepan ia 
Ftantillon in Chsn*-de4tondi/«llilin fflr dee ittstretenden lpcbrerdieotea Dr. Alton* 
bete mm Prlotdenten Gsbriel Vober <n ZBriob, mm SefeteOr VBbelm Stttrm 
in BieL 

Im Verisg ten Zweifal* Weber In St Gsllen efsckelnr soft 1. Jsnnsr etaw 
netie stbmlferisehe Gesugrereins-ZeimnK »Dm Berde*, 

Am 27. Joour wwdo ta Tries* efn Verdi-Denkmnl eingeweihL Die 
Kosten wen dutch Sffsofttobe SobsfcriptlottOB sitfkobricbti Als Staler svs dem 
IBr Bettenlscfae Bfldhsner eritflbeten Prelsittsscbnrtben gtog L& Par At horror, Dos 
Denknud one fcemtiscbem Mormot efbebt slch ettf dem Sen Giovsnnf*Pfsise a 

Kipeltmetater WllbeJm Gorieke, Letter dee Boston SymphontarOfcheoten, 
hot inlolge too Dtflbrensa mit dom Bosnstetlen Letter dos Uotornekmess setee 
SteNnng nledergelegt 

Alexander Sebiid hit seine Sid lung sis Konzertme later der Kgl. Kapelle 
in Berlin sufgcgoben, 

Musikdlrektor Wjlbelm Rio ken a sua Recklinghausen 1st mm Kan tor in 
der Georgenklrche, Gesanglebrer im grosaherxogl. Gy omnium tind Musiklehrer 
sm grossberzogl. Lehrerseminar in Efienacb ernannt worden< 

Frhr. von and xu Gllss, der Intendant des Kgl* Hofthesters in Kissel, bst 
seinen Abschted genommen. Graf Bylandt-Rheydt ist m seinem Nichfolgcr 
susersehen. 

DerM&nchener KonzertBlnger Josef Lorltz wurds rom Herzog TQn Anbslt 
turn Kammerslnger eraannL 

Dem Organlaten der Rerormlerten Kirche In Dresden, Uso SeLfert* tst der 
Titel .KirchcnmufiikdirelcTor" verlicben vorden. 

Der Sultan verlieh Berliner Kunstlem, die in Konstindnopel konzcrticrteii, 
folgende Ordeo: Hedwig KauTmann (Koniensingcrin) den Scbefakatorden zweiter 
Kla*«e, Felix Meyer (Violinist) und Gustav Lazarus (Pianist) den Medscbidji-, 
orden dritter Klasse. 

Der Erbauer dea neuen deut&clicn Tiu-KunstharmoniumSf Johannes Titz, 
ist zum Furstlich Lippiscbeo Hofbsrmoniumbauer emannt worden. 

Aibin Steiodcl, der Fuhrcr des Stcindel-Quartett9 t wurdc vom Kdnig von 
Wunteroberg zum Kgl. Musikdirektor crnsant. 



■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



417 
UMSCHAU 



Hofkapellmeister Dr. Richard Strauss wurde durch die Verleihung des 
Kronenordens III. Klasse ausgezeichnet. 

Mit Bezugnatame auf den im II. Januar-Heft enthaltenen Konzertbericht 
unseres Warschauer Referenten ersucht uns der Vorstand der Warschauer 
Philharmonie um Aufnahme folgender Erwiderung: „1. Als erster Kapellmeister 
unserer Institution ist angestellt: Herr Sigmund von Noskowski, der vorzuglichste 
der gegenwartigen polnischen Musiker; ihm zur Seite steht der zweite Kapell- 
meister Herr Ignaz Cielewicz und der Chordirigent Herr Mieczyslaw Surzynski. 
Seit einigen Wochen gastiert bei uns der vortreflfliche Kapellmeister Herr Baron 
von Reznicek. 2. Die musikalische Leitung bildet die Direktion kollegialisch mit 
den Herren Kapellmeistern. 3. Unsere symphonischen, philharmonischen und 
anderen Konzerte finden unter Mitwirkung erstklassiger auslandischer Solisten 
regelmassig statt. a 

TOTENSCHAU 

In New York f 63 Jahre alt der Kornettvirtuose Theodor Hoch, in den 
70er Jahren Mitglied der Bilseschen Kapelle in Berlin; vorher gehorte er der 
Kapelle des Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments an. 

Jacques Roudil, ehemaliger Buhnensanger (Bariton), f im 73. Lebensjahr 
zu Toulouse. 

In St. Louis f 13. Februar der im Jahre 1833 zu Berlin geborene Pianist, 
Organist und Komponist, Prof. Waldemar Malmene, zuletzt Lehrer an der 
Washington- Universitat. 

Anton Arensky ist am 12./25. Februar in Terioki (Finnland), wo er Heilung 
und Genesung von seinem schweren Lungenleiden erhoFfte, aus dem Leben ge- 
schieden. Russland verliert in ihm einen seiner hochbegabtesten und popularsten 
Komponisten. In Nowgorod am 30. Juli 1863 geboren, trat Arensky fruhzeitig in 
das Petersburger Konservatorium ein, um unter Rimsky-Korssakow Komposition 
zu studieren. Im Jahre 1880 verliess er das Konservatorium mit der goldenen 
Medaille ausgezeichnet, und wandte sich nach Moskau, um bier als Professor am 
Kaiserlichen Konservatorium zu wirken (Rachmanninow studierte unter seiner 
Leitung). 1895 siedelte er wieder nach Petersburg uber und ubernahm die Leitung 
der Hofsangerkapelle. Arensky komponierte mit Erfolg fast in alien musikalischen 
Formen. Er schrieb drei Opern, ein Ballet, zwei Symphonieen, funf Suiten fur 
zwei Klaviere (vierbandig), ein Klavier- und Violinkonzert, zwei Quartette, zwei 
Trios, ein Quintett, Balladen fur Solo, Chor und Orchester, darunter w Der Taucher" 
von Schiller, drei Melodeklamationen fur Orchester uber Gedichte in Prosa von 
Turgenjew, eine grosse Zahl Violin-, Cello- und Orchesterkompositionen, und geist- 
liche Musikwerke. Die Zahl seiner Klavier- und Liederkompositionen geht uber 200 
hinaus, darunter echte Perlen der Musikliteratur. Uberhaupt steckt in seiner In- 
strumentalmusik, seiner Kammermusik, den beruhmten melodisch-reizvollen Klavier- 
suiten, in seinen Choren viel edle und gediegene Musik. Als Komponist ist 
Arensky meistens den Spuren Schumanns und Tschaikowsky^ gefolgt. Auch als 
vortrefiflicher Pianist und Dirigent hat er oft Konzertreisen gemacht und immer 
enthusiastische Aufnahme gefunden. Zum letztenmal sah ihn das Petersburger 
Publikum im Dezember 1904 im Siloti-Konzert; er dirigierte damals seine genial 
geschriebenen Variationen uber ein Thema von Tschaikowsky. Einen edlen 
Kunstler betrauern wir in Anton Arensky. Ehre seinem GedSchtnis. 

Bernhard Wendel 



( " i m \i-\ L - Original from 

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OPER 

AACHEN: Der Direktim Adolpfa] wer m vorbebelteo, dto # &&tterdlmtmef ang* 
aecb 23 Jafarea dem bleslgm Ftablffcaai varcaflUuen. Be war eta Feetttfc ade mm 
der letzte T«B dee »Ringee* alt neaen Dekoretfooen to« p*o£ Brflcfcner t» fcobntg 
enehleti* Den Hegen suit anebBtteweUe fa til Iti Tom Eeeemr todttbeeter, ellee u4«ft 
wvrrfe tod efabeimlacbeii Krf Ami be w l tim . Der Erfolf **? dnwtacblifwid and tief- 
gebend* — Am der Flat der Open und Operetten, die fan Leaf* der Saleon fiber den 
Prorf ltxler weggebt* bobcn *icb wobhaend VoIf-FemrPe .Neagterige Freuen* hcrmi 

joaepb Lieee 

BERLIN: Kftnlgl. O pern hem: .Orpheua and Bnrydlke^ Glacfce Verk, die tttestt 
Oper dee geeemten Spielplute, let eta babe* Ued der Gettrnttme* Am dleeem 
Grande kfirte men dm Stack flfcr die GelavoreteliiMig em 25. Februer, «r Fefer dor 
SflberbocJuelt dee Kaiaerpaare* and VeraUrtung dm Ptfnien Eftel Frtedrtch, Nan ml* 
hilt eber Gluten .Orpbeo ed Earldlce* bit mm Etatritt dee SUfere in die Gefllde der 
Seiigen m vlel dm Dfiaieren, deee ee dacb gewagt acbien, dm Tetk n eo fterttobe r 
GeJegenbelt wleder benrormbolea, Decb die Leitung dm Openibeetm vtiete ekb m 
belhn+ All dm Dflttere, eehwer Tragtecbe wdrdo — dnheh feetrlcbtn. Demit wurde 
nan die Ptrthnr etwee dflnn, » wesig ,ibendf911eftd* eetbet Mr etae F o emcet e B enfr 
Wee iedocb efn recbter Splelleiter let, der Ueet efcb oicbt eo leleht verUSHbn. Ebeneo 
(at, vie men ehe Stena etrafeben kenn, limen ilcb eacb neae ehuefsen* Orpbete 
entffibrt eebie Eurydlko wleder mr Menetbeaveltt diem Helm bet efaie prtebtigo Gefegen- 
belt, die ilcb la Vleebaden to bewihrte Wandeldekoretiou ins Rolien ra brfngcn — ttnd 
diese Gelegenbeir wurde nach Kriften ausgenutzt. Irgendein Kapellmeister bene eta 
Potpourri aut Gluckscber Musik lusimm engest elk, das geniu eo lange wlhrte wle die 
Wandeldtkoration* Soil man liber eine eolcbe Fefitan gel egen belt 1m Eros to kritisch be- 
ricbten ? Dt zu tiner zweiten Vorstellung die Krltik gc laden wer, llge ji eiu Grand Tor. 
Nocb ehe jedoch die gime Tegespresae bertebtet batte, lief la den Redaktionen bereiti 
eine Notii der Generelimendanz eta, In der verkGndet wurde, nocb in dleser Splelzeit 
eollie der wirklicbe Orpheus von Gluck, oeuinazeniert und -einstudlert* berauagebracbt 
werden. Dlese weniger bddscbe iber enste VorstelJung wollen wir mbwirten, ebe wir 
eln gemuerei UrtelJ geben. — Komlsche Oper: fc Don Pasqmle* von Donizetti.— 
BOse Leute wollen wissen, diss ea flir Primtdonncn und Tenfire nur xwel Klimen von 
Komponisten gebe; ersten» solcbe, die breuebbare Rollea gescbrieben btben, und i we Item 
Boiche, die d«a nlcbt geien beben* Soli dlete Logik der »Sters* nun eucb Geltung gewinnen 
Fur die neueste Form des Bubnenrirtuotentums t dia VlHuoaentum der Reglaeeure? Die 
Zelcben roebren sicb. In ernaten SchauspielhAusern verden urilte Possen, deren 
Litereturwert nachzuwetaen selbst den Winkeiedvokaien der Kritik sebwer ffllit, auf neu 
aurgearbeiret; eimig t well an den Regievirtuoten effekt voile Aufgaben treten. Die Opern- 
loiier wollen nicbt nacbsreben, und acbon gar ticbt der beste Opernregisscur, den Berlin 
jjqr Stunde hit: Heir Grcgor von der tt Komiscben Oper*. So wenigstens erkllre icb 
mir di« Neueinstudierung der alien Doair«ttioper w Don Pisquale*. Ober die musik- 
geacbkbtlicbe Stcllung Doniielii'a 1st kautn zu atreiien. Nacb beaten KriTten hat er fur 
die BanaliBierung des alien bel canto geaorgt. Er war ausserstande, vie Verdi durcb 



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419 
KRIT1K: OPER 



Kraft 10 ereetzen, waa Ibm an Roaeiniecber Feinfaett abglng. Daa Beate, was die Zeit- 

fenosecn Ibm nacbaegten, war aeioe erataunllcbe ScbnelligkeEt lm Komponferen. Aber 
did acbnelireTtlgcn Arbelteu ft lad telten die dauerhafteited, and wJe fodenacbelnig dae 
Gewebe der Donizetliachcu Mutik heute bereft* wurde, daa 1st nun zam Erachrecken 
gar. Kann en elnen Zweck baben, dieae alien Gewebe nocb tin mil neu berzurichren? 
MfigHcb, dais die Bemfibungen belm .Don Paaquale* (dcaaen Text Bierbaura, und 
desaen Muslk Kleefeld eln wcnig revidlerten) elnen vorQbergehenden Erfolg babeo. 
Du Ileber Goit, wer mit den letzien Melodicen dea Central* Oder Metropotibeatera lm 
Obr zu Donizetti gebt, flndet inn wirklicb debt zu banal, entdeckt togar Feinbeiten, ]* 
eolfde mnslkalitcbe Arbeit* Gegen die Osfcar Straua und Bogumfl Zepler gehalten, iat 
dieter Donizetti nocb immer eln Heroa. So nit ibtr —I Die Aufffibrung war redlicb 
bemujir, dee niedrig Poaaenbaftc ins ft In Humor! attache umzudeuten. Herr Man tier 
war ein volleudeter Paaqaale, Prau Kauffmann elne voltsaftig* Norina* und nor Herr 
Nadolowitch, der ein Temperament aber kein Singer dea bel canto iat, blicb etwaa 
zur&ck, namentltcfa in Erinnerncg an Herrn Bond, der kurz vorber die Rolle des Pa»- 
<qualeneffen in Berlin geaplelt faatte. Willy Paator 

BRAUNSCHWEIG: Daa Hofcfaeater beftndet alcb in prlmadonnesloaer, in ecbrecktlcher 
Zelt, da die Krankbeft von Frl- Andrg lange deuert, und die Glate niebt wieder* 
kebren, wdl tie den Anaprflchen nlcbt genfigen. Mit mebr Erfolg fQhrte sicb Herr 
Man a feld- Danzig (Baaaboffo) eln. Der Singer! nnenkrieg urn die Stellen der beiden 
Soubretfen Eat luatig, aber bla Jetzt ergebnlaloa* Meyerbeers .Prophet* eraeblen in volllg 
ncuem Gewande, d. b. in wabrbaft glinzender Anattauung; der Mozart -Zyklua verllef 
gam oacb Wunecb* Em at Stier 

BRESLAU: Die llngat veraprocbene xweite Norltlt dea Wlutera, Heubergera.Barfflaaele", 
win! nocb Immer .lerachoben". DafGr arbeltet man munter waiter mit Gaatapleleu, 
die immer gfcicfa aerienwelae atattflnden. Selt Beglnn der Spielzeft bla Mltte Febntar 
baben wir ea auf dieae Weiae in rand 110 Operngaatapielen gebracbt. Solcb dnc kurze 
atatiatiacbe Angabe apricbl aucb in kQnatleriacber Hinalcht lauter^aEa ea die Ungftten 
Anefflbrnngen vermdebteu. Eva too der Oaten (Dresden), anf deren Konto bisber 
allein 20 Gaatabende en t fatten, war der ewigen Repcritioaen von Mlgnon und Roae Frlquet 
endllch ein mal mtide und kam una ata geechmeidiger, gefQblrolier Page Cberubin. Sie 
kflnnte mit ihren relcben Gaben in dieter Rolle extellieren, aber ffir micb Itt die 
MSgtiebkelt einer Anerkennnng ao Lange nicbt gcgeben, alt Frl, von der Oaten die grobe 
Geacbmackloalgkeit begebt, Mourn eflsae Cberubin-Kanzoaeo durcb Elnlage tou boben 
T0nen zu .berelcbern*. Befrcmdlicb iat ea, daaa unaer bietiger Mozart-Dliigent Brack 
derglelchen PrimadGnncben-Launen ttnter die Verantwortung aeinet Taktstockes nimmt. 
Ein auderer Gaet, Slgrld Arnoldaon, atagt wieder, wle Ira Vorjahre, die Julio in Gounod'a 
»Romeo und Julie* und — ala neue Gate — DftHbes' v Lafcrod*. Sie iat nnatreitig elne 
der feinzfeu Virtnoainnen, ateta mebr anf die atiliatlecb reine Wledergabe dea Kunst- 
werka bedacbt, ala aur den eigenen EITekr. Ibre ganz reizende, mldcbenbaft zarte Lakmt 
iat daf&r eld neuer Bewelt. Sie bediente alcb, wie gewOhnlicfa, dea franzOalacben fdioma, 
daa in der Tat aucb grade von der graziOaen Lakmd-Muaik unzertrennlicb erecbeint. Um 
ao aebwerer batten ea die nocb dazu maogelbaft vorberniteten Einbeimiacben mit der 
greulicben dentacben Oberaenung, die aicb wie Bleigewlcnt an die eleganten Melodieen 
Dtlibea' bingt Am beaten bielt aicb nocb Herr Slewert t dem die uugewGbnltcb boch 
geacbrlebene Partie dea Gerald gerade recbt liegt. Unttreitig aber wlrd mit dem sebflnen 
Organ Siewena Ranbbau getrieben. Er sang in der Lakm^-Wocbe FunT grosae Partleen, 
dreimal ala Partner der Arnoldaon, zwelmal ala Partner der Oaten. Fur eine korrekte 
Inazenlerung der *Lakro6 B war GbrJgeua nocb weniger Sorge getragen worden, ala f^r ein 



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420 
DIB MUSUC V. 13* 



ebfeftmdelee mnalkeiiscSiee Ensemble. Vttread Fnm Araoldaon ee oiebt 
hatte, *leb die branne Hautfiufee der Brabatiam^Todmr anioecfamlnfcegfr Hah* 
Dtenerinnea* daronter aneb die Utr tnnalkaUecb beeondere aWeejjlerte Maffifcn dm PW» 
Scbereacbewekr, mlt ecbneeweiner Haiti bam*. Die GlejcncfiltigkeU fpftn die Aa- 
brderuttgpo eioea Knuatwerfee wlrd bai tnu Immer grdeeer* Dr. Ericfc Fretmd 

DARMSTADT; Vie flberall, ao warden aneb bier die leMM Tocben durdfc da* 
Moiart-JablWum beberrecbt, aaa deeeet Anlae* dee Hoftheater den Btaaelant* 
fEbtunfed der Werfce cine Ge*amtwledert*be der ttotartopera (rait Att*aabme dee 
a IdonieiLeo*) tni Zykipe fcigen lieoe* Am ndiieu Intofeaee oriogie ^Ooei fto tirtie*^ 
die Met etftflelenjabretiolcbt fefriieo verdeiLTir Hernia* Xapaet (Ketoraturl, Ctui 
Roedige r (Setihretie} end wiser lyrieeher Tenor Otto Well tatea eacb ml* teeondeeo t&ebtife 
Moiartaaiiger borvw* Bemefkeiiewerto Atiflftbrnngen erlobten aoeierfleai Seut£5e6fle% 
.Samson nod DelUe' ndt Marie Moeel-Tomacbik in der wefUlcben Tlteirell© ad 
Verdi** gHotend leegpetettete *AIda"* All date tatea mh ecbftbem Brfaif auf 
Lontae Fladnltzer von Main* (^Undine*) and Hone Baetl too Meonbelm (»Ha*a 
Secb**). Dees »TH*taa nod Isolde* In enter Salsoo dreioitl tmd imaer ver gtrt beeocbtesi 
Btnee gegeben werdeo keenta* war bier noeb oicbt dageveaeti, pie eme Neobalt der 
Baleen, Pbocint'e „Le Boh«me%fkod bei trefUoher Beeetsmf alter Rotten, aosyfttetebsot 
ntfaenleit mid too alaer prtcbtfgon Leiatang dee wm Kapellmeister Klttol dirigiertesi 
Orebeetm fetrafen, etnc nafewoonUcb beUUHge Attfnabme. IL Sonne 

DRESDEN: Ale Troet fBr alle dlcjcnifeo, wolcbe fiber die Etoffooigfeell dee Spiel* 
plane mid die «eringe Arbcjtafreiidltkeh oneeiwr Hofeper Uagen, word* mttfeteOt, 
daee die Tbeaterlethmg dte Oper »Moloeb* rat Ma* ScnilHnaa nr Unnfflbutnf an* 
feoonmtra bat E* let mtr mit Fronde* to begjrBaeeo, date die Dreadner Hofcper ejefc 
xttr Vorfclmpferin eeneetleneller Neubeftan maeht, eber feh mAebte darettf 
macncn, 4am elne einzlge Sanation In {edcr Salmon atenUcb we*4f bedeaton wfll# 
dabel die kfinetleriacbe Regsarakeft sonet dennaaeeo leidet, vie ea bieraott ^Salome* der 
Fall let Aolubea ernfte Fran Hd|loo tou der Firieer froeaea Oper adt Ibrer folBateit 
dargeetellfen and atimmlicb immar ooch tebr acfateoswertea Dallla. D*a Vtederaof* 
ireten der oacb mebr tla Jibreifdtt lurQclcgekebrten Frau Nast als Mi mi in Puccini'* 
•Bob&me* war eio Freudentag fflr alle Verehrer dieaer aasgezeicbaeten Kuss!lerin P und 
in FrJ. Scblfer erbielten wir eiD« neue Branglne, die sicb hOren laasen konote. Ein 
Itlcincs Jublllum beging Hcrr Perron, der zum 100. Mile In der Hofoper dea Fliegefiden 
Holtlnder sang, cine Rolle, in der er gegecwinig wobl wenig Riralea bat. Eine „Frei- 
scbut2*-Auf/til]ruiig bracbre in FrI- KeJdorfer eiit scbr gutei, anmutlgea Annchen und 
in Herm C roach einen vlefveraprtcbenden neuen Max* F, A* Geissler 

ELBERFELD: Von den fur die nlchste SpleUeit rerpHicbteten Kriftco fQbrte licb 
als .Lohengrin* Jakob Decker tls ein vielversprechcnder junger Kunstler ein. 
Clirence WhitebHl gaitierte lis v Hans S>chs* und bot eine in jedeni Betracbt noble 
LeUtung, Im ubrigen wurde der SpietpUn durcb B Siegfried - , von Hans Tlnxler mil 
alien VorzQgea und Scbwlcben geaungen, w Trompcter von Sikkingen", .Ninon 1 , .Rattel- 
binder* der fticb niscblich .Operette" nennt, berclchert F. Scbemensky 

FRANKFURT a, M.: Die Opcrette H Die Scbutzenlieaei* von E, Eysler ward bier 
mit den Damen G* Meyer und Bachrich wie den Herren Steffena, Hauck, 
Scbramm In Hauptrollen und unter Leitung Herrn Neumanns Bott und mit Erfolg 
eingefubrt* Die ntnnenswerteste Anregung, die wir von dem Verke batten, war die Fragc, 
ob das bescbeidene kunstleriscbe Niveau derartiger Scherzartikel in erster Linie dem 
Geachmack der Produzenten oder der Abnebmer zuzuscbreiben tar* Ta* ist bier Ursacbe, 
was Wirkung? Oder bat man es wirkJich mit einem an kcinem Punkte fassbaren Zirkulua 



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421 
KR1TIK: OPER 



des Gcschmacks zu tun, den man besser sich ungestort ableben lasst, bis er ins ver- 
diente Nichts zerfailt? Hans Pfeilschmidt 

GRAZ: Nach der Mozartfeier (mit Figaros Hochzeit) kam Carl Burrian als Masaniello, 
Siegfried und Tristan. Im Siegfried siegte die Macht der kunstlerischen Personlich- 
keit uber das personliche Aussere; im Tristan war er kurz: ein Erfuller des Tristan. 
Er hob mit sich das ganze Ensemble; nie hat das Werk hier so eindringlich gesprochen. 
Burrian ist vielleicht das mannliche Gegenstiick zu der beruhmten Marie Wilt, die ein 
w Stimmkoloss'* ihrer Zeit war. Aber er ist geistig mehr, und man denkt an Wagners 
Bericht uber Schnorr von Carolsfeld. Warum dieser Kunstler nicht in Bayreuth singt? 

Dr. Ernst Decsey 

HALLE a. S.: Im ^Siegfried" gastierte als „Wanderer tt auf Engagement Herr Bursting- 
fa aus (Teplitz) mit schonem Erfolg und in Rossini's „Barbier von Sevilla" gab ein 
Herr Habich als w Figaro tt deutliche Beweise seines Talentes. Eine Neubdebung der 
„Armida a in der Wiesbadener Bearbeiturg hinterliess nur einen ausseren Eindruck. Die 
^Mozartfeier" nahm ihren Anfang mit der zum Teil prachtvoll neuinszenierten „Zauber- 
flote", doch gelang es weder hier noch in der „Entfuhrung** den Geist Mozarts zu bannen. 
Eine freudige Uberraschung brachte dagegen die Urauffuhrung der Erstlingsoper „Cesare 
Borgia" unsres ersten Kapellmeisters Bernhard Tittel, der sich darin als echter Vollblut- 
musiker und Musikdramatiker offenbarte. Ein bedeutendes musikalisches Konnen spricht 
aus diesem Einakter. Die Erfindung ist trotz einiger Anklange an Wagner und Bizet 
reich und lebenswarm, die jeweilige Stimmung ist prachtig getroffen, die Charaktere sind 
pragnant gezeichnet, die Instrumentation ist glanzend und die polyphone Stimmfuhrung 
notigt grosse Hochacbtung vor der Kompositionstechnik ab. Die Achillesferse der Oper 
ist - wie so oft — das Textbuch, das Heinrich Gotz, ein Schauspieler, nach dem ein- 
aktigen Drama „Cesare Borgia tt von Dr. Rud. Lothar zurechtgestutzt hat. Es ist ein 
Opernlibretto alten Musters mit alien Schwachen und Mangeln, aber keine dichterische 
Unterlage fur ein Musikdrama. Die Auffuhrung war glanzend. Liesbeth Stoll (Juana) 
und Walter Soomer (Cesare Borgia) teilten sich in die Hauptrollen und brachten eine 
tiefgreifende Wirkung hervor. Martin Frey 

HAMBURG: Als eine der fesselndsten Erscheinungen auf dem Gebiete der dramati- 
schen SSngerinnen bewahrte sich wahrend eines viermaligen Gastspieles Madame 
ATno Acktg von der Grossen Oper in Paris. Sie sang bei uns die Elsa, die Elisabeth, 
die Tosca und die Margarethe — also Rollen der denkbar heterogensten Art und doku- 
mentierte dabei eine Vielseitigkeit der Gestaltungskraft und eine so phanomale Sicherheit in 
stilistischer Beziehung, dass man dem lehrreichen Gastspiele gern eine noch weitere 
Ausdehnung gewunscht hatte. Gern zugegeben, dass uns von ihrer etwas aufdringlichen 
und manchmal dem Grimassierenden sich nahernden Elsa allerlei trennt: der erste Akt 
ihrer Elsa, der uns ein so reiches und belebtes Spiegelbild der dramatischen Vorglnge 
in der Mimik der Ackt6 gibt, bleibt schon unvergesslich. Wunderbar gelang ihrer, keines- 
wegs von Anfang an auf die Askese gesetzten Elisabeth dann im Sangerkrieg der Uber- 
gang zur heiligen Elisabeth: zur Mittlerin des Himmels, und wenn man an diesem Abend 
von der Elisabeth-Tragodie den Eindruck empfing, dass sie als etwas Selbstandiges in 
gleicher Berechtigung neben dem Tannhauser-Drama steht, so war es eben das Verdienst 
der Ackt6, uns in diesem Punkte sehr wichtige Aufklarungen gegeben zu haben. Eine 
glanzende Virtuosen-Leistung, die in der Technik der Schauspielkunst kaum von den 
rafflniertesten Mitteln der Sarah Bernhardt uberboten wird, gab Madame AcktS als Tosca 
und mit einer sehr sinnigen, zarten Gounodschen Margarethe — die kein deutsches 
Gretchen sein kann und will — kronte die hochbegabte Kunstlerin die Serie ihrer inter- 
essanten Darbietungen. In neuer Einstudierung erschien, unter Kapellmeister Gilles 



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422 

DIBMUSIK V. 12. 



Laltnng, der .Vampyr* — ain Tart; Br daa ee traa an etoetn Bber ieyt en den 
DtreteJIer fBr die Tltelrotle gebracb, Huer wo den geni Groeatt, after tom 
4*r Gar*, Scbdper nam. fcann ▼icUcfcbt fiber die Ungenteaelnrfceft 4mio 1 
Texbncbe* nocb btowegntuechen — bei una glBekte daa Harm Davtean nicb* mfct+ 
Die Mafecbnefsebe Mneik, etark entiqniert, vie tie nan ebmtft fan, erregte metre T«B* 
nafeme all dramatfscbe Mntlfc fiberbaupi itlcbt aebr, weder tilt three Tetbteaeten 
romantiscbcn Farben, noob in Ibrer ScbUdernng'dee Graeeltgen* Una tomut das aitem 
aebr barntloe w, and ledlgUcb an die munteren, Tofkatumttchen Bpbodn knflpft ateb 
nocb efn gewiaaea Internee. Helnrtob Chevalier 

K6LN: Von den Veretnlgten Stadttheatern tat nfchls Ten Bedentang an «r* 
maiden, Zum Zwecfce der Persooejergtazung treten hat hi Jeder Oper Gtan mat 
manebtnej ml and droJ ant gleichen Abend. Dlaee totnmea aber enmelat von recta 
tratergeordneten EUthnen, mid die aebr erklirliehe Fotge fat, daaa ale Ittr unaer Open* 
tana ttnbrauchbar alnd und daaa die Krhtk ale ablehnea mnea, «aa anetdiaga ntett- 
wBnHferaratae ulcbt Iminer ctn EftgegementablndeTnie btldet JedenbOta lit das Repertoire 
dnrcb dieaen T#nbenechJagitietand bficbat nnJiebeam bennrofaigt, nad man mfiaate eia 
noverbeasarllober Optimist eettt, nm bei der Art, wle Jetit in uneerer Oper gearbettci 
wbfd, an die dringend netwendJge Erbflhtmg dee kfinatleflaeben Nlfeaua m gtauben. 

Pant Hiller 

LEIPZIG: Vagnere elementargewaltige Runei, die efnttg nocb blar und daefatmel daa 
eehwer fiber dem atltlgJ teben Openibetrtebe laatande aehvfileGedfiMt vie nit teloigen* 
dent, erfrJechendtm Gewtnerxattber tu durchbrecben veraafe bat am 13l Febrnar aecb bier 
etae gelegenttfcbe AnlheUting dee acbwer mnwttlfcten TheaterbofUoittea bewttkt; efne 
von Direfctor Niklecb wannfBhtend geleitete AnHBbmog ton „Ttiatan twd Isolde*, nrit 
der man den Todeatag dee Meiatere feiette, bat bd berYoiragondereni geaangadrama* 
tfeehen Vollbringen der Fran Dean gat (U^lde) m& dar Heme Urrna (Triatanfc 
Sehwari (Mark*) nnd Sebfltz (Knrwenal) got kfinatarUeban Veriael nebman nnd den 
sahlreicta eticblanenen Vagaerfrennden ala wfitdigea Gedenltfettt gelten kSnnen, Zebu 
Tage splter gab es — glelchfalta unter Nlkiscb — eine OperanoTltlt: daa Ton Ham 
von Volzogen gedicbtctc und tou Eugen d'AIbert komponkne mustkalfscbe Lnstspiel 
tt Flauto *olo* r dem trolz dar stlmmllcb und zum Teil auch daratetlcrlscb tmzttllng- 
Hcben Tiedergabe mebrerer P*rtleen due sebr freuodLfcbe AuFnibme lutell wurde. 
Um der lieben t bisrorischf RemiDlsienicn ansldsertden, frlscb unierbiitcnd engelegten 
und von d'Albert In 8timmungsrclcber T gut cbarakterisierendcr Lust»pie1weise Tertoaten 
Htndluog wiilen natam man tucb hier die etwas verzekhnete Gestalt der pseudo-tta^ 
lieufscben Slugerin Peppiaa, in dercn Wltdergibe Qbrigens FrL Gardlni die weltaua 
beste Lei stung de« Abeoda bot, uod die etwaa kQnstlkhe Zuspiizung der Handlung auf 
eintn Triumph der t KuD8t iro deuEscben Sinne* gutvUNg in den Kiuf, ergfitzte sicb ein 
AndertbalbstQndcben Ung wefdllch an dem sebr drasrtscb erso&nenen und gels troll Ter- 
wendeten »Scbwetnekanon fl und an allem sonsiigcn gesunden Humor des VcrkeSjUnd denkte 
dem mit anweaeoden Freudebringer d* Albert mlt mehrmaligem ben lichen Herrorrufc. 

Arthur Smolltn 

MAGDEBURG: In der Oper erfreute uns die Direktion, die after* daa Herz auT der 
splendiden Seite bat, durch die Aufnabme des w Oberon* in den SpielpUn* und 
zwir nich der v. HuUen-LaufT-Scblarscben Neubearbeitung. Das Beste an Jbr 
waren auch bier die ffinftehn Dckorationcn. Kapellmeister G 6 II rich erfreute durcb 
etnc vornehme Wiedergabe der Panitur Sonst erTolgte nocb in Anwesenheit dea 
KQmponifiten f der dafiir seine Krlftc in den DienM ciner Vcranatiltung der Gcdosscii- 
scbafi deutscber BtibneBangehSriger gestelit batte* cine Auffubrung von d 'Alberta 



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423 
KRITIK: OPER 



veristischer Oper „Tiefland". „Hoffmanns Erz2blungen a und w Coppe1ia" wurden wieder 
in das Repertoire gestellt, das nSchstens w Bruder Lustig" von Siegfried Wagner bringen wird. 

Max Hasse 

MAINZ: Die Vorstellungen halten sich standig auf respektabler Hohe; einzelne durfen 
sogar als hervorragend gelten. Dazu rechne ich eine Siegfried-Vorstellung, in der 
Philipp Brozel die Titelpartie in selten schSner Weise gesanglich und darstellerisch 
durcbfuhrte. Einen Erfolg, wie er hier nur selten jemand zuteil wird, errang Frl. Craft 
als w Traviata a . Die Oper wurde durchweg italienisch gesungen, was hier viei getadelt 
wurde. Ob mit Recht? Ich meine, so lange wir von den meisten italienischen Opern 
so schlechte Ubersetzungen haben, wiirde man sogar gut daran tun, solche Opern 
originaliter aufzufubren. Man denke nur an Mozarts „Figaro tt . Der fluchtigste Vergleich 
zeigt, wie wenig der deutsche Text und die Musik selbst in den bedeutsamsten Momenten 
flbereinstimmt. Eine gute italienische Auffuhrung dieses Werkes wurde ich als einen 
Vorzug betrachten. — Naturlich fehlte auch an unserer Buhne die Mozartfeier nicht. In 
wurdigster Weise kam die w Zauberfl6te" zu Gehor. Noch ist eine treffliche Auffuhrung 
des „Rheingold a zu erw^hnen, die Emil Steinbach zu seinem Beneflz erwSblt hatte 
und als anerkannt vorzuglicher Wagner Interpret meisterhaft durchfuhrte. Als NovitSt 
ist Weinbergers Oper w Schlaraffenland a zu nennen, die mit gulem Erfolge zur Auf- 
fuhrung gelangte. Die Musik ist wenig originell und fur den reizenden Stoff zu schwer- 
failig, dick und gleichmassig in der Farbe, weist aber doch eine Reihe hubscher Melo- 
dieen und Stellen auf und ist besonders in der Hauptrolle des Backerlehrlings Veit recht 
dankbar. Sie wurde von Frl. Fladnitzer vortrefflich durcbgefuhrt. 

Dr. Fritz Volbach 

MOSKAU: Zu Mozarts Gedenktage kamen in der Kais. Oper die w Zauberflote a und 
in der Privat-Oper Zimin der „Don Juan" glanzvoll zur Ausfuhrung. Zwei 
neue Opern: „Der geizige Ritter" und „Francesca da Rimini", die einen Abend 
fullen, wurden vom Komponisten Rachmaninoff erfolgreich geleitet. — Schaljapin 
ist wieder zuruckgekehrt und hat mit der meisterhaften Wiedergabe seiner Rollen die 
ubliche Begeisterung geweckt. — 1m Solodownikoff-Theater hat sich die Wiener 
Operette eingefunden. — Die Privat-Oper Zimin hat ausserdem zwei Neuein- 
studierungen: ,Le roi d'Ys" von Lalo und SerofFs „Feindes Macht" geboten. 

E. von Tideboehl 

MUNCHEN: Zwei Neueinstudierungen sind aus letzter Zeit zu melden; als Supplement 
zu „Feuersnot a wird jetzt nach dem seligen Ende der „Cabrera" das Ballet „Coppelia" 
von Delibes gegeben; das Werk, das s. Z. das Renommee des franzosischen Meisters 
endgultig begrundete, wirkt auch heme noch durch seine liebenswurdige pikante Musik, 
wenn auch viel von der Poesie, die uber dem Hoffmannschen Marchen liegt, verloren 
gegangen ist. Noch freudiger zu begrussen ist die zweite „Novitat a , Lortzings w Wild- 
schutz*. Die reizende Lustspieloper, die hier mehrere Jahre nicht mehr gehort worden 
war, erwies ihre gewohnte Zugkraft. Es ist wohl Lortzings beste Oper; wenigstens ist 
das philistros-sentimentale Zopfchen, das bei den andern Werken mehr oder weniger stort, 
hier absolut vermieden. Unter Fischers musikalischer und Wirks szenischer Leitung 
wurde eine sehr flotte Auffuhrung erzielt. Im ubrigen leidet gegenwartig das Repertoire 
sehr an der Abwesenheit unseres ersten Tenors Knote, der gegenwSrtig bei den Fkisch- 
tSpfen des Herrn Conried schwelgt. Der Ersatz, der durch Gaste fur ihn beschafft wird, 
ist oft mehr als mangelbaft, und der ganze Zustand einer Buhne vom Range unseres 
Hoftheaters absolut unwurdig. Dr. Eugen Schmitz 

NEW YORK: „Parsifal* hat jetzt schon mehr Auffuhrungen in Amerika als in Deuisch- 
land erlebt! Er wurde letztes Jahr von Savage in alien grosseren Stidten englisch 



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424 

on musik v. ia 





aoffcef&hrt; aiierdlot* mlt ongenflgendem Oreheater, eenet aber gpr nicht eobtechL And) 
Courted hat bekanntUeh »Ftieihl* mlt anf Mine Beta© genommeo; bel der 
Tonrnee aber, die Baltimore, Washington Pittsburgh, Chicago, St Leal** 
San Francisco mid Lob Angeles her&hjra wltd, Heibt dae Bfl 
so. Hausm Hier In New York lit es vieraal an 

voiden; eonderbarerweJae war daa Haas dse ereteaa! bit hslb leer, dagegen 41e 
drei Male gins voIL Jm Min befcommen wtr nnseran swohen rabeltmg*ft*Zyfctae {eaaeer 
Abonnefttenth der Jew abend* gegeben warden kaao, wen die Geseflartfaaft nWtf mekr 
feden Dienstsg nach Phfladalphfa gahea wtua. Mft Alien, Homer, Knoto, Ynn Beo*v 
Gorlta, Raise, Bias* ond Mtthlntann in deb HaoptroUen habea irlr audi rinige 
vortreftUche Meisieninger»AniRUn-aQgen untax Kapellmeister Herts ortebt. Die TOttstta 
Hiuiar bat aber — man stanoet — ^Martha* femecbt, atterdiogs mlt SembrUh, Ceraee^ 
Talker and Plan gen* Fur eeine Benrfi-Voretelliing bat dbentel Dtraktof Conried 
den «Ztgeonefbami* gevttlt Vefachfedeae Jonniale sehrfeea *Aeb nod web fiber die* 
Bothettfgang* ttneeree Institutes; tateJchlich aber eteht dock dieses Work, atit eeinen 
grossartigsn Choreitj unaerem BegnJfe voa otaer ^grossen Oper^ mindeoteee ebenoe 
nahe wie »Sonnamboia* oder *L'BHaire d'smero* oder »Caralleria rnaticsna** Cp arls d hat 
daa Terk wn Johaan Strauss aber each gsni grossaitlg inssanlerL Br ersJalte 8B0Q0 Mb 
mfrdteeer Anfl&hrang; die Prelee warden rardoppelt, weH nlmlleh aHe die berflhaitoo 
Mttglleder aafttaten ttnd Sell sangen* Henry T* Fimek 

NOKNBBRO: Unsafe Oper hat aval Ncufaehen ffir Nlrnberg faeraasgebracbti .Die 
achwane Nina* son Kaiaer and den »Brnder Lnsttg* ran Siegfried 
Vaguer* Der mnaikaliacfae Tart der ersten Oper tot eehr gertng aniaschlagen: was 
dent Puhtfknm an Otr geHHt» 1st eia gewtsses mutlfcallschea NatnrlmrMAentnim daa dan 
grtberen Insttailctea der Mange gem e nig e t&n kommt Ond ^Brnder UtMif*P Icb eehft 
van der mbagl&ckteo, koaftteee, gvJatnma Handlna« ab nnd haltt mteb Wtr an die 
MuallL Blnlge gau nette Tottatflmllche Motive, ordmilkAe Arbeti; got kltngwide Inatrt* 
mentioning, Aber too Elgenait, von Paiafolicbkalt (wine Spurt die Singttfmnwn ran 
trii tester Chftrftkterlosigkett und nicht ftetttn dn bedepkliches Hlnneigea m trirlftlater 
Muaikmacfacrcj^ wie z* B, Jn dcm Zwiscbentptel des iwekeo Aktes. Icb glinbe an den 
Ernst und den guten Vtllen Signer jttnlars; icb gkube ibernicht an seine mutikaliscben 
Talente. Or. Platan 

PRAG: Diesmal bat daa Deutsche Theater eiae ErtunfTQbrting m renelcbaan: 
w Do lores* von dem apaniscben Kompontaten Tbomaa Breton. Er hat acbon ivei 
Open be! una beraiugebracbl, Terke, in deaen man ihn die Phde zu Wagners heiL Gral 
btnaufkeucben sab* Er bat Ibn nicht gehinden. Und so wandte er aich jetzt den 
Niederungen des Verlsmo zu. Wir erleben's, wie die scbone } vielumworbene Kellnerin 
Dolores gegen ihren VerrGbrer, den Gewaltmenscben MeJchior, den 9 Xttt Ibrer Ehre* 
in einem jimgen Theologen flndel. Blut und Dolcb 15 sen die leidedfichafdicheti Konfllkte* 
So welt die Musik jungitaiieniscbe Babnen getar, wlrkt sie brutal und wenlg origjnell; wo 
ale tins apanlseb kommt, wie in elner reizcuden Serenade fur 20 Mandotinen und Gt- 
tirrepj gibt der Koroponlat aein Be&tes, Scbade, dass der wirksame er^te Akt die beiden 
folgenden eracbligt. Im dritten ist nur das einleitende Pamiliengebet als atimmungsvoll 
zu nennen. Der zweite bringt ein Stiergefecht k la Carmen — fainter der Szene. Aber 
welcb ordinftre Scbutzen musik dazu* O BUed Die Gibe, die cinzelnen Gestalten des 
Dramas musikalisch zu indivlduftli$teren t scheint dem Komponisten nicht gegeben zu 
sein. Sie reden ille den gleicben t Breton 'sen en Dialekt* 1m Or Chester bevorzugt Breton 
die knallenden Farben* Er dirigiene selbsi mil Jugendllcnem Feuer. Dte Beaetiung war 
vortrefflich: Schubert (Dolores), Krause {TbeoJog), Hunold (Melcbior), ZoUmayer 



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425 
KRITIK: KONZERT 



(Sergant). Nach dem sehr erfolgreichen ersten Akt sank der Beifall im steten Diminuendo. 
— Die nachste Novitat ist w Salome«. Dr. R. Batka 

SCHWERIN: Zur Erinnerung an Mozarts 150. Geburtstag veranstaltete die Intendantur 
im Sonder-Abonnement einen Mozart-Zyklus. Jede der vortrefflicben Auffuhrungen 
fand vor ausverkauftem Hause statt. Auf „Don Juan", n Zauberfl6te*« und „Figaro" unter 
Prill liess man die „Entfuhrung tt unter Meissner folgen, in der der seriose Bass 
Freiburg als Osmin gesanglich und schauspielerisch bemerkenswerten Erfolg erzielte. 
„Cosi fan tutte* steht noch in Aussicht. Rucksichten auf das Repertoire baben wohl 
eine chronologische Anordnung des Zyklus verhindert. Fr. Sothmann 

ZORICH: Gaste kamen und Gaste gingen. Verschiedene asthetische Einreden wurden 
laut, als einer davon, es war Ernst von Possart, den Schumannschen „Manfred" 
unter nicht ganz einwandfreien Begleifumstanden rezitierte. Katbarina Fleischer-Edel 
und Franz Naval hatten unter der Ungunst wechselnder Indispositionen zu leiden, und 
die Freude an ihnen wurde so nie schattenlos, urn so mehr, als Frau Fleischer doch nur 
rein stimmlich gewertet sein will als reine Opernsangerin. Als George Browne war 
Naval dagegen in Spiel und Stimme eine kunstlerische Spezialitat. Sonst ist aus dem 
Felde der Oper nicht viel Neues zu berichten. Nach wie vor behaupten sich die Damen, 
wie Frl. von Szekrennyessy, wie Frl. Zoder, ibre verheissungsvoll werdende Partnerin 
auf dem dramatischen Fache, wie Frau Reucker-Trebess, die jugendlich Dramatische, 
wahrend gerundeten und auch darstellerisch ertraglichen Leistungen der Altistin 
Schroder buhnenunmogliche Eigenschaften entgegenstehen und die Vertreterin des 
Soubrettenfachs wenig gefallt. Schritte nach vorn scheint der Baritonist Bockholt zu 
machen, der aus kleinen Anfangen zu einem stattlichen Wolfram gekommen ist; uber 
die anderen Herren der Oper hat sich das Urteil noch nicht geandert. Ein Manrico 
namens Bernard i, der fur die hiesige Buhne herangebildet werden soil, debutierte als 
Sanger von ge^altigen Mitteln und Unarten. Nach siebenjabriger arbeits- und erfolgreicher 
wenn auch nicht unbestrittener Tatigkeit scheidet Kapellmeister Richard TArronge. 

Dr. Hermann Kesser 

K ONZERT 

AACHEN: Nach Brahms kam Bach mit vier Kantaten im zweiten Abonnementskonzert 
zu Worte. Der alte Hexenmeister riss die Zuhorer zu lauter Bewunderung hin, zu- 
mal die Soli recht verstandige Interpreten gefunden hatten. Als spezielles Winterpensum 
hatte Prof. Schwickerath sich den viel umstrittenen Max Reger ausgesucht. Zuerst 
spielte Karl Flesch die melodiose Violinsonate; dann boten Prof. Schwickerath und 
Frl. Doleschall im Instrumentalverein die prachtigen Variationen uber ein Beethoven- 
thema, Adele Miinz sang Regerlieder. So kam es, dass alle Welt recht zufrieden 
war mit diesem Zuwachs unserer Konzertautoren und es nicht verstand, als die 
„Sinfonietta" zwiespaltigem Urteil begegnete. Die Urauffuhrung des „Gesanges der 
Verklarten" sollte sie eines anderen belehren. Auf Verstandnis beim Publikum rechnet 
Max Reger augenscheinlich nicht, er spannt seinen Dadalusflug so hoch, dass ihm nur 
folgen konnen, die Zeit und Gelegenheit haben, sich hineinzuhoren in das Gewoge der 
Tone und die rleberhaft sich spannenden Dissonanzen. Mogen die Verklarten aufsteigen 
aus der Erdenpein zum Licht, seine Instrumentation ist zu dick und unflussig, zu sehr 
behangen von bleierner Gedantenarbeit. Und doch viel Geistesreichtum, blitzartig auf- 
tauchende Stellen hehrer Schonheit, Ausdruck voll Mark und Kraft! Aber das Gold liegt 
noch zu tief im Berge, Reger muss einfacher, melodioser werden, Themen auszubeuten 
lernen und nicht durch die Vielheit der Gedanken die Andacht storen. Die Art, wie 



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42a 

DIB MUS1K V* 12, 



aiob Prtt Scbwtafcoratb dteaer ungebearen AnJfeaba annabm, let flber *Ue* Lab mw- 
bdbea. Der AnffBhnutg wir do eaormer Erfblg beecbieden. Daa Oncbaaaar I* Mvaffc> 
fbatatftrka kooiite alcfat daa gvwaftlgcn Cbor fiben5o«n p dar cottar iWhwiiimr Lafawny 
Tanrelabah ttnd FBUe aelgjfe Nebea dam Ragpfachan Katoee aeUaa Strauaa* *D«- 
jnaatiea" mo IHedllcb mid llcbehid, daee tie im beaten Since Lebong Or Jang and alt 
amide. In dleacr Wcntting b^ alcb aucb der Celllw Pablo Caaala bevegfc dar ab n4b#* 
deaiendea Kanaert von d*Aibert nod etna recbt bedeutnada Snite no Bapb paataa md van* 
blfitig mtrug, Anf daa Kaapt diler darer* die ta Rtgera Maaa mabr eiaa Mlaada an 
eeben meiniea, aammeite Prat Scfawicfceffttb aplter dnrcfe etna voUendete AnJHhreaf dar 
»JaJire*ieiten* glfibenda Kablea. *— Du eine Valdtbatteenkouert IBbrta n one tfe 
pSaciiti da muaiqna da cbembre poor Ineuamentek Tent? (Baaffeoreaa QafnteOi)* 
daa xweite Kaimnnd tqs tut MBblen, der die beaux ram* vainer SUauoa mk i 
nod Grula verwortete, daa drftt* dia Bruateler, dla a* a. DebutfyV 
▼orf&brtefi* joeepb L1m# 

AMSTERDAM: Daa Bdfamlaeba Streicbq^artdlt, du nnfar deev Hi _ __ 
„De Bobemera" in gaaa Holland popollr gnbrdea, tab mrtnr dar geacblftltekaa 
Letting daa »Niewf* Maalekhandei* drai eQavarknufee Kauerte Daa ata Naaigkcb 
mltgebrtebte intereaaaate nod UabaaawBrdiga Streicbqnartnti van Stnigaglia ap, 27 In 
D-dar hattn alcb etner beeondere gnnatigen Anfitabme sn erfmiea* — Graaaaa Btndmck 
raacbte Utdvtg VdHner tall dar »achBuen Mafaloae* von Tieak-Bnhaaa» Aocb 
einlgon ftiaainpftiadenna Ljedam ana *Ptenot tuaaira* von Vriaataader retbaif ar vmm 
Brfblg; an Fifigel: Coeoraad V. Baa — dis aagt gating* — Pfir Jeeef Snfc'e aeue 
Pbantaeie IBr VloUna nod Orcbeater tfat ala baraJfeser Interpret Kari Half pane 1m 
AbeanemenfrKeaiert daa Cettcartftboaw ant Urn dam PnUlkam dan nana Babnao 
wandelnda Wark nlbar xn brtofen, vird «a efn swahaa Ma], abenAdla dniah HaAnaan 
ittr AaOSbrnni gatiitna. — Pataebatkofr tpielia im Coocertgabotiw Kanaarta ma 
Motan* Tacbatfcawaky and Zticber mitef aaaaartawOluiitebam Baifdl. 

Hint Angoatla 

BERLIN: Georg Scbuminn mis Leiter der Slngakademie bracbte Die Apaatel 
von Edward Elgtr 1 ) zur Auffubrung. Der engliscbe KompODiit, von dtra mehrere 
Orchestcrwerke our bedtDgte AaerkeonuDg be! una gcfaoden baben, beibsJcbtigt, dieiet 
Oratorium za daer TiiJogie zu erveitern. Wlbrcnd daa erste DrLttel, dia Apoatel, mit 
der Himroelfabrt Cbriatj endigr, soil der zweite und dritte Tail die fern ere TItfgkeit der 
A pastel, die CrBndung und VelteremwfcUung der cbristHcbeo Kircbe bebaadetn. Den 
Text bet sicb der Tonsetier aelbac aus der Bibel gexogeOi Die Apoaiel beglanen mit 
cinem myatiacb gehalieoen Prolog: B der Gelat dea He mi 1st fiber mir* r den der Cbor 
im Uniaono zur Orcheaterbegleirung aiugt; dann wifd Jesus elngefubrt, der nacbta auf 
den Berg stelgt, urn zu betea. Der Schofar, daa altbebriiacbe Blasioatrument, errfim 
den Morgeo zu verkDoden von derZfnne dee Tempeis zujeruaaiem f und auadem lonern 
bttren vir den Psalm der dienenden Prieater- Datin erwlbtt der Heiiand ana der Scbar 
aeiner Aabfinger zwdlf, die er Apoatel nennt. Die Geaialten dea Johannes Petiua und 
Judaa t reten bedeutuDgarolI aua ibnen hervor. Maria MagdaJena (Ait) und die Mutter 
Mtria (Soprao) acblieasen alcb der Gemelnacbaft dea Heliandea und der Apoate) eng an* 
Merkwurdfgerweiee wird die Person Jeau nur nebenaicblicb in der muatkaHacben Aua- 
geataltung be ban de It, wlhrend die Verleugnuug Petri uod der Verrat dec Judaa breiten 
Raum eiDnimmu Selbat die ergrelfendeo Torte des am Kreuze blngenden Heliandea 



*y Klavierau^xug mit deutscucm Text vod Prof. Buths erbcbtto bci Novcllo & Co*, 
London. 



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427 
KRITIK: KONZERT 



„eli, eli a usw. werden ihm nicht in den Mund gelegt, sondern dem Orchester anvertraut; 
der Horer soil eine Instrumentalphrase als diesen Notschrei deuten. Ebenso kurz wie 
die Passion, wird die Auferstehung Christi behandelt, dagegen seine Himmelfabrt und 
Ankunft im Himmel glanzend vorgefuhrt. Mit einer Furbitte des Sohnes bei Gottvater, 
seine Apostel zu segnen, schliesst das Werk. Der Chor der himmlischen Heerscbaren 
vereinigt sich mit dem Ensemble der Apostel und heiligen Frauen. Anfangs wird die 
Erzihlung einem Solotenor zugewiesen, der einfach wie in anderen Oratorien die Ver- 
bindung zwiscben den personlich auftretenden Gestalten herstelh; spacer erzablt ein 
Chor, sogar ein Zwiegesang des Solosoprans und des Soloaltes. Fur ein den Abend 
fullendes Orarorium hat der Chor wenig zu tun, der sogar viel unisono singt; breiter 
kontrapunktisch ausgefuhrt sind nur der Schlusschor des ersten Teiles „Kommt zu dem 
Herrn" sowte der Abschluss des Ganzen. Elgar hat Leitmotive oder, wie man jetzt sagt, 
Tonsvmbole erfunden, die im Orchester durcheinander geflochten werden. Sie sollen 
etwas ganz bestimmtes bedeuten, wie das Wesen des Heilandes, die Lehrtatigkeit der 
Apostel, die Inbrunst der sich bekehrenden Magdalena. Nicht nur die verschiedenen 
Personen, sondern auch das Schtff, auf dem Christus und die Apostel uber den See 
fahren, die Silberlinge, die Judas fur seinen Verrat von den Phari>aern empfangt, sind 
mit einer musikalischen Etikette versehen. Doch finde ich nicht, dass diese Motive 
musikalisch ausdrucksvoll wirken. Die Harmonie tut oft wehe, weil sie sich nicht 
naturlich entwickelt, sondern eigenwillig, gesucht erscheint. Mein Ohr wehrt sich durch- 
aus gegen das Motiv der drei aufsteigenden Sextakkorde mit der chromatischen Gegen- 
stimme; es klingt hasslich, zumal diese Akkordfolge als das Tonsymbol Jesu gelten soil. 
Das Orchester ist mit modernem Raffinement behandelt. Einzelne Partieen klingen sehr 
interessant, wie z. B. der Anbruch der Morgendammerung mit dem Weckruf des Schofar. 
Die kurzen lyrischen Stellen der Mutter Maria sind melodisch ausdrucksvoll, ebenso die 
Partie, wo Jesus den Petrus als den Fels erkennt, auf dem er seine Kirche aufbauen 
kann. Dagegen erscheint mir die breite Szene der Magdalena, auch die des Judas ver- 
fehlt; dort vermisse ich den Ausdruck der Inbrunst in der schonen Sunderin, hier den 
Ausdruck der Reue iiber seinen Verrat. Die Musik verzettelt sich in lauter Einzelheiten 
im Aussern und bringt es nicht zu einer psychologischen Veniefung, zu der das Bibel- 
wort drangt. Die Ensemblesatze der heiligen Frauen mit den Aposteln sind ganz ge- 
schickt gebaut, bringen es aber doch nicht zu bedeutenderer Klangwirkung. Georg 
Schumann hat das Werk mit grosser Liebe einstudiert. Zu den Soli hatte er die denk- 
bar geeignetsten Stimmen gewonnen: Klara Erler, Iduna Walter-Choinanus, die 
Herren Senius, Albin Gunther, Alex. Heinemann, R. von Milde gaben ein jeder 
sein Bestes; auch die Philharmoniker zeigten wieder unbedingte Zuverlassigkeit. — Das 
grosse Wagner-Konzert in der Philharmonie wurde diesmal von Bernhard Staven- 
hagen dirigiert. Etwas Neues gab es nicht zu horen, wohl aber langst Bekanntes: 
Ouverture zum fliegenden Hollander, die Erzihlung Lohengrins (ursprungliche Fassung), 
das Bacchanal aus dem TannhSuser, Bruchstucke aus den Meistersingern, das Vorspiel 
und die letzten Szenen aus dem Parsifal. Paul Knupfer, Ernst Kraus und Scheide- 
mantel wirkten als Solisten mir, im Chor eine Elite der Berliner Liedertafel und 
die Schuler des Brandenburger Konservatoriums (B. Kittel). Das Phil harm on ische 
Orchester war ansehnlich verstarkt. Der Dirigent leitete sicher und schwungvoll die 
Auffuhrung — Im letzten N ikisch-Konzert bildete eine symphonische Dichtung: Der 
Tod des Tintagiles, nach dem Trauerspiel Maeterlincks, fur grosses Ochester und 
Viola d'Amour von Ch. M. Loffler den Mittelpunkt des Programms. Meinetwegen hatte 
das Werk auch die Zerstorung Trojas oder der Korsar nach Byron heissen konnen. 
Charakterisiisch Zutreffendes fand ich nichts, nichts Zwingendes in dieser Musik. Die 



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^t^t 



428 



DIE MUS1K V. 12.= 




Hilfte dee Vnrkae wbfcte, well die AataertoainJceJt edit* ermtma* aleht 
Die SaUetfai, Fnw Schumann- H el n k, die etae Arte attt Bnttine Odyttentv dto AlImdM 
wn Schnbept itnd Ueztt drrt Zigeoner groaaartig geataltete and niit Aim 
Organ, Ibivm anednttkevollea Vortrag alter Hemn enttflett** ttee* ante nen* 
data amereHofaper dleae KSnerlefin nlcht «n feaaeln vennocfat*, tteadetieolHii Oqm*- 
tin *nm Sominwntchtttrwrta nod die *moIl Symphettfo mBAbMi bUArtM 4m 
tttigen Tell dee Programme. «— weingaftner geeiet tet e- eeteen letAen Sympbenfo»Abend 
m efner NLoaartfetar* OOTertflre nr ZaubetfHHe, Konserianfe fflr Vkittpe (Deeeea) *ati 
Viola (Aug* Gentz), die beMen SympbonJoea in g*mofl nod C-dnr wuntan MeiUptMay 
tebeedlg im Gefate geaplelt; nor dee orate Allegro der g»mott Symgbrate war gar n 
heetlg angeflmi; die Jupfter-Sjinphofile dagegen, nit herrltoker Kraft^ Ktatait «nd Mbv 
retaender SebOnheft dnrchgefflbrt, entfeiaefte etnen Yabftn JnbeL & B. Tanbert 

Sine beaoQdere Beoerktute; enter den zabJloeea KouertftfanaWtmy 
dai Kootcrt dea Probeaor Anna Schnlifea'Aaieo-Cbofe* tier nor tcbAw, 
wfegend kfinadvriicb gezcbuite Frtnenitimmen miter der geediinaekrallM Lefat*c 
Margaret* Herrmann tn tlcb verainift AJtmetaterJoaebim vettiefc demKraaert 
beaanderen Glanz darcb wtoe Mlfeirknng; im VereJn mit Rob. Kahn nnd Hanamann 
apteh* or daa B-dnr Tri* von Brabme. — Etnen gfiniHgen Efatdracfc Untet&eai dot nor 
an ting pfHeae Featkonzert der Akedemleehon Lledertefel {Dirigont Afiotf 3efeulee$ 
tnllealicta ttirea SOflhrigen Beetehene; ale Haaptnommer nrde Broobe Frttt]or ffaHtteir 
Hmi Biocnoff nnd Maria Bleiack-Petera) mit dm ftttttbarmonieobea Orduwter ga> 
botan, — Daa HolUndlnche Streltbqttartott ipftelte n. a. tin noeti tmgodnicfcM 
Sttelebqaartettin Odor von dent in Berlin Iebenden Jungon Kompoolem Arthur WHlaer, 
ron dem atwb Guatav Hetllnder eclum tin Qtmrtatt ftutfceHuirt batto* Bmattai 
nnd noble BMndttng beaftxi WUlaar ohw Zwvlfol, do«b sobadet er aMb aelbet 
aMnen an komptlricrt polyphonan Sate; an betton ialanien iat thn daa Uare, knapp 
fobaltettoScberw,— Ernat ?on Deknaayi, (Sbrte mil Robert Hauamtni an wmti Abcadw 
HmtlEcbe Kompoiitionaii Beetboveni ffir Klavler uad Vlotoncell tovle dta(afnn|iene) Hom- 
Bonate vor. — An dem Sonaten-Abend von Femicrio Bu ■ oo I und Bernfaard DeaBan kam nebom 
der bier sebr hluflg gespieheo Senate von CfsarFranck uodder klelnene-mollSoaateMoiarta 
Sindings pr&cbtigc erste Sonate in C-dur zur AuffShrung, — Elsie PI ay fair, die mit 
dem pbMhannonlscben Orchester konzert]erte T spiel te Brucbs Rchottiacbe Pban taste ein- 
d nick a- und tern pera men tvoll: dagegen Hess Hbre Intonation und ihr Pasaagenspiel etwaa 
zu wfinschen. — Ein lunger Geiger Karl JCJein, der gleicbfiJla von dem daboi too 
Xaver Scbarwenka vorslchtig gelelteten phHharmonlsctien Orcheiter beglejtet warde, 
batte sicb mlt dem Konzert von Brahms und Lalo'a spanUcber Syropbonie zu achwlertge 
Atirgaben gcstetlt; vor allcm muss er seine TonbHduog vervoUkommnen* — NIcbt on- 
Torteitfaaft fubrte sicb der junge Gelger Mix Menge, den Hermann Lafont begleitete, 
eln* — Dem ruasischen Geiger Sinovy Kogan (Begleiter: Max LanriBchktts) gelangen 
die KanUlenen In Goldmarke Konzert welt beaser als die Pissagea, die nlcbt eanber 
genng waren. — Seine bdebst nutzlichen KJaviervortrftge mlt Erliutemngen acblosa 
Dr. Otto Neltzel mit elnem sebr gelungenen, dem Humor gewidmeten Abend fur dleae 
Sateon ab, — Madame Cahicr, die die BQbnensingerln nicbt vcrleugnet^ gab, von Kapell- 
meister Gcrdes gescbmackvoll begleitet p einen Liederabend, der entscbledcn intercsaant 
war. Die Kun&tierin verfflgt uber einen phlnonicnateii Alt, der im Piano J eider an Rube 
zu wGnscben ubrig Iflsst. Wilb. Altmann 

Zu den selienen Finessen, die die reicb besetzte Tafel der winterlicben Saison 
aufzuweisen hit, geh5n nun eiomal Vladimir von Pacbmann, Die .Grosscn" haJtcn 
nicht viel von ibm- Die Virtuosenzunn nennt ibn gar etnen ^Slumper* und ,pfuacher*, 



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429 
KRITIK: KONZERT 



und gestrenge Herren und Kritiker Ziehen gegen seine „Mfitzchen a zu Felde. Du lieber 
Himmel! Als ob dieser kleine Genre-Kunstler Grosses erstrebte und sich wie ein Titan 
gebirden wollte! Er tut doch niemandem wehe und hat mit seiner Kleinkunst sicherlich 
nur eins im Auge: sich selber und den anderen eine Freude zu bereiten. „Bella cosa a 
nannten die pdpstlichen Feinscbmecker der Renaissance die leckeren Kleinodien und 
sussen, weltlichen, verbotenen Fruchte der bildenden Kunste. Sie mussten niedlich sein 
und ihr Herz erfreuen. Man wollte sich laben und ausruhen nach der Beschaftigung 
mit den Dingen der ars severa. So eine „bella cosa" sind die entzuckenden Stucke von 
Pachmanns bezaubernden Handen. Die herzliche Freude, Laune und Witz, die Grazie 
der Hand, das kostliche jeu perl6, der kokette Rhythmus lassen mich mit Behagen die 
gefullten und ungefullten Sussigkeiten geniessen und eine Stunde alles kritische Messen 
und kleinliche Wagen vergessen. Ich bekenne ehrlich, zu den Leuten zu gehoren, denen 
ein Pachmannscher Walzer oder Mazurek lieber ist als das wuste Lisztgetrommel eines 
ganzen Winters. — Uber Ossip Gabrilowitsch habe ich eine eigene Meinung. Er kann 
sehr viel, hat ein bedeutendes Mass von Technik, einen koketten piano-Ton und anderes 
mehr, aber leider den Febler, dass er mehr scheinen will, als er ist. Seine Deklamation 
ist noch immer einem starken rubato unterworfen und sein forte hat noch genau die- 
selbe stechende HSrte wie zuvor. Dass er trotz der reizlosen Physiognomie nach der 
instrumentellen Seite vorzugliches leisten kann, bewies er bei Brahms. — Uber Georg 
Bertram ist nichts neues zu sagen. Sein zweiter Abend glich im Eindruck genau dem 
ersten. Charakter und Technik sind noch zu leicht geartet, als dass man ihn in den 
Kreis ernsterer Kunstbetrachtungen Ziehen konnte. — Dasselbe gilt von Gwendolyn 
Toms. Fleissige Leistungen, doch einformiges Spiel. Passagenwerk ohne technischen 
Schliff und besondere Ausgestaltung. Der Vortrag hat noch etwas von einem scheuen 
„Muss a . — Der Liederabend von Hertha Dehmlow hat nach dem Urteil meines Gewahrs- 
mannes die vorige Scharte vollstandig ausgewetzt. Die Stimme „stand a diesmal und 
stromte in den getragenen Gesangen in breitem, vollem Flusse dahin. Bei leidenschaft- 
lichen Vorwurfen verliert sie noch leicht den Halt. Mit zunehmender Energie, bei 
ruhigem Bewahren des seelischen Gleichmasses und ein wenig mehr innerer Belebung 
wird sich das gesteckte Ziel sicher verwirklichen und ihre Kunst freier gestalten. — 
Zum Scbluss muss ich eines Liederabends von Klara Erler und Richard Konnecke 
Erwihnung tun, die sich einiger Kompositionen von Max Loewengard annahmen. Es 
sollen bescheidene kleine Sachen gewesen sein, deren Reiz in formeller Abrundung und 
liebenswurdiger Gestaltung zu liegen scheint, ohne dass auf Erfindungsgabe besonderes 
Gewicht gelegt w3re. R. M. Breithaupt 

Einen genussreichen Abend veranstalteten Hedwig Kirsch (Klavier) und Arthur 
van Eweyk (Bariton). Frl. Kirsch zeichnet sich durch schonen Anschlag aus. Ihr 
piano ist reizvoll zart, das forte energisch, der Ausdruck naturlich. Herrn van Eweyks 
Stimme fuhrt ihn immer zum Siege, wenn auch seine Vortrage nicht gleichwertig sind. 
Die Vorzuge uberwiegen jedocb, so dass man die kleinen Mangel gern in Kauf nimmr. 
— Sandra Droucker und Gottfried Galston spielten vierh3ndig auf 2 Klavieren Werke 
von Mozart, Reger, Alkan und Saint-Saens. Beide zeigten sich als treffliche Musiker; 
das Ensemble war nicht einheitlich genug bis auf die tonlich vorziiglich abgestuften 
St&rkegrade. — Der Pianist Lazare L6vy ist kein Aufsehen erregender Kiinstler, aber er 
spielt mit singendem Anschlag und grossem Verstandnis, vor allem nicht langweilig. — 
Zu einem der hervorragendsten seines Faches hat sich Jose" Vianna da Motta ent- 
wickelt. Er verfolgt nicht die Wege des Virtuosen, was ihm mit Recht eine zu geringe 
Aufgabe zu sein scheint, sondern er gehort in die Reihe der geistvollen Interpreten, 
denen Stil und Charakterisierungskunst fur das H5chste gelten. Dafur legte sein Programm 
V. 12 29 



J::r:i. 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



430 

DIB MUSIK V. 12. 



den oklataataaten Beweia ab. Tecbnlk lat Ibnfe nle Zwoek* dai&r tooete, Mbaafloftabo 
GUodorang. Selbet In ff bat aeln Ton nocb Qtulltlt All Nonbelt bracfate 4s Motta 
tttno Pbantaeio-Sonato in e-mail op. 68 wn & B, Tanbort, dlo nit pomm BaiMt 
anlfcenommon wtude* Im ereten Satzo Torsinkt nacb etaer viefrofaprodttiidon Efnletamg 
daa Tbawatiacbe wobl zn tint in tortreissendnr Pint dor Paragon* Sehr aonitflge, to* 
belobendon Ranken latent maaponncno Matin ootbltt der awolto Sat*, In dan dor tfeh 
but ton eelbst otgebende VaUat^Rbytbraai am rotate* Platan {it Das Tbetna doa 
teuton Satsoa eebefnt rant Zwecko bHllumr Bwbaimng orftroden tn aein* "Ba gfltf in 
Minen ocfaion KlavteftVariatJonen Gdegpnnett zur Bntfeltimg bUbmor Vlrtnoeits% an dor 
Horr da Motto, der daa ecbwierlge* jednnfirils intereaeaotft Work anawendig aptotta, on 
nlcbt Mian Itess* Br a^Moaa mlt dem von Bnwml nacb der Origlnal-Partttnr tamos IBr 
Klavier-Soio arrangferten MepMsto-Taker von Llaxt — Helena Obrodska's Pbiaalening 
einer Sonata von Pb* E. Bach war abaotnt hririoa* Slo malt (ran In gran* Sla hat gate 
Gellnflgkfltt nnd atanllcb gaaoaden AasctUag* aplait abar in dickflieaig, nm %* B, dem 
Roinor* dar swoilMloa to Taobertt Httmaraaka stacki* gerecbt an wordon* *-^ Nocb 
mehrere Jahro fielaslgen Srodinma Ut der Sopranlailn Uaal Kara so empfeblen* Ibr 
Vonraptalent bat nnr baacbeUenon Umbog* — Der nit schonar Stinme bogabte 
Baritonlst Carl GantToort aang> oboe gerade viele VonBge an xaigani sine Aoxabl sobr 
bflbadmr Lloder von P. van der Stacker nnd ran aonetlgon ametlfcaniscben Konpoaitionan 
nocb daa aohr cbaraktnrtadacbo .Danof Dearer* von V. Damroocfe. Dor Ctfflometeter 
Anion Hekklng anteraHltato lhn dttrcb aeta gnwandoa Spiel der Variattenon von 
Boaltmann nnd daa Andante ana dam Kaniort von KanAnann. — Dar Moxxo-Sopran 
von Bern Bioeb~Jabr iat awar nlebt besandera symptthlacbi abar fcriUUg nnd got go* 
bUdet Sie bat Temperament nnd fflbtt wa* tic shift Bin lek&tea Tromolo paaata mit* 
nater gut ton Auadrucfc* — Malvtne Viegnera Mraio-Sejirafi klingt acblhL In dontadtaa 
nnd lattiacben Lfedern aafgta die tttehtigs SOngerln vial Innero AnteHnifamo. — Dlo 
Konaert-Voreinlgong daa »Kaleer Vllbelm->GedIobtnlafclrcbott*Chores* beetebt 
ana 10 Singern untar der anerfcenneneveiten Direktion von Alas; Kieeelich. Bel 
Ungereni Zmamman&ingen wtrd daa Reiultat Foni3gHch warden. Schon Jetit 1st die 
teebniaebe AutfubruDg bis auf gckgCDtliche Intonatlonsscbwankungen zu loben. £a feblt 
nocb an gemelnaamem Fuhlen, worunter die Ezakifaeit etwiB Icldet Die Viotlnletin 
Daisy St rack spiel t willkQrlfch in Takr, Rhytbmus, Reinbeit, zerdrfickt den Ton und 
bat Gberhiypt nur njUtelmisiige Begabung. Arthur Laser 

BRAUNSCHWEIG: Dss letzte Komcrt der Hofktpclle entbielt Mozarts Requiem 
und die w Neunte". Das Soloquartett: Frl. Suick, Frtn Geissler, die Herron 
Cronberger nnd Ndldecben^ der Slog char des Hoftbeatera uod die Horicapelle boteo 
unter Rfedels Leltung vonflgliche Leiatungcn. Di ret tor Tegmann vennlttelte una die 
angenebme Bckanntachift dei Brusselar Streicbquirtetts; Im Klavienrio (op. 07) von 
Beethoven aas* Minette Wegmann am Flfigel. C. Brubn t eine junge» talent vol le 
Pianiaiin, fQbne sicb in der Sonate ffir Klavier und Cello (Georg WIUe-Drecdtn] von 
Hans Pflczner gfiosiig ein; die Violin istlntica Helena Fercbland und Helenc Ffirst- 
Berlin erzielten mit ibren gediegenen Vortrijen grosacn Erfolg; die Geachw, Scbkolnick 
bracbten sich, untcrstfttzt von FrI* Geyersbach -Leipzig und Herscbenfeld*Odeasa» 
wleder in angenehme Erinneruog, Ernst Stier 

BRESLAU; Nun haben wlr die .SinToitietta* sucb in Breelau gehSrt. Neue Freunde 
bat Mix Reger aber dam it seiner Kunst nlchl gewonnen* Daa unaurbfirliche 
polyphone Spiel, die Kurzatmigkeit der melodischen Gebilde, die dicken orcbeairalen 
Raaken^ die fonwibrend urn die rcizlosen Motive gewunden wrrdeu, der Mangel an 
bedeutsamen HGbepunkten J ice sen eine wlrklicbe Freude an dem Werke nicbt aufkommea. 



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431 
KRITIK: KONZERT 



Nach den beiden ersten Satzen karapften geringer Beifall mit starkem Zischen Der 
dritte Satr fand warme Aufnahme; leider kommt die zweitaktige Melodie, urn die der 
ganze Satz gebaut ist, nicbt auf Rechnung des Komponisten, sondern sie ist die noten- 
getreue Entlehnung der ersten Zeile aus dem Studentenliede „An der Saale hellem Strande". 
Dr. Dohrn hatte das widerbaarige Werk Regers vortrefflich einstudiert; es ist aber nicbt 
zu rechtfertigen, dass er uns den vierten Satz unterscblug. Ein Skandal wie in Munchen 
ist bei uns nicht zu befurchten, dazu sind wir viel zu zahm. Wohl aber haben wir das 
Recht, ein Werk, von dem jetzt die ganze musikalische Welt spricht, so zu horen, wie 
es der Komponist geschrieben hat: als Ganzes, nicht als Torso. Viel besser als die 
Sinfonietta geflelen die Variationen fur zwei Klaviere uber ein Thema von Beethoven 
op. 86, zu deren erster Auffuhrung Reger selbst nach Breslau gekommen war. Er spielte 
mit Dr. Dohrn sein neues Opus nicht hervorragend plastiscb, aber doch recht wirksam. 
Ausser den beiden Regerscben Neuheiten wurden bekannte Stucke alter Firmen vor- 
gefuhrt. Zum Gedachtnis von Toni Landsberg, einer opferfreudigen Gonnerin der 
Singakademie und des Orchestervereins, fuhrte die Singakademie unter Dr. Dohrn das 
Schicksalslied von Brahms auf. — Von Solisten liessen sich horen: Busoni, Burmester, 
Grunfeld, Therese Behr, Margarete Alexander und Lilli Lehmann. Gelungene 
Chorkonzerte veranstalteten die w Liedertafel u unter Alfred Zobel, und der „Lehrer- 
innengesangverein" unter E. Dercks. J. Schink 

BRUNN: Der w bohmische philharmonische Verein" bot gelegentlich der Auffuhrung 
der „Kindheit Christi" von Berlioz unter Rudolf Reinig eine ausserordentliche 
Cborleistung. Konzerte gaben u. a. Hubermann, Leo Slezak, die Biaservereinigung 
der Wiener Oper. Auch an diversen Mozartfeiern fehlte es nicht. 

S. Ehrenstein 

DARMSTADT: Mozarts 150jahriger Geburtstag, dessen samtlicbe hiesige musikalische 
Korporationen pietatvoll gedacbten, brachte drei ganz dem Meister gewidmete und 
besonders gelungene Veranstaltungen: einen stilvollen Mozartabend des Richard 
Wagner- Vereins, eine prachtig verlaufene Auffuhrung der Akademie fur Ton- 
kunst und eine solenne Gedenkfeier des Mozartvere ins, bei der auf eine poetische 
allegorische Huldigung an einem Mozart geweihten Altar ein „Hofkonzert am Hofe zu 
Schonbrunn am 19. September 1762" folgte, in dem u. a. die Familie Mozart auftrat und 
dessen Programm Stucke von Handel, Haydn, Telemann, Leopold Mozart, Wagenseil 
u. a. brachte. Das auf sorgfaltigsten Quellenstudien aufgebaute, nach Idee wie Aus- 
fuhrung gleich hubsche und interessante Werkchen hatte Freiherrn Ernst von Wolzogen 
zum Autor. Von Neuheiten brachten uns die letzten Wochen C6sar Francks Klavier- 
quintett in f-moll und Max Regers Serenade fur Flote, Violine und Viola in D-dur, 
deren Bekanntschaft uns das ruhrige Darmstadter Streichquartett vermittelte. 
Bemerkenswerte Leistungen auf dem Gebiete des Mannergesangs bot der nach langerer 
Pause wieder hervortretende Lehrersangerchor. Von Gesangssolistinnen horten wir 
Johanna Schrader-Rothig von Leipzig, Lola Barnay von Wiesbaden, Klara Roediger, 
Gusti Rabenau und Henny Drechsler von hier, von Geigern Hugo Heermann und 
Gustav Havemann, von Pianisten Felix Odenwald, Bruno Hinze-Reinhold, der 
eine besonders beifallige Aufnahme fand, und Otto Neitzel, dessen Klavierkonzert, mit 
imponierender Bravour vorgetragen, lebhaftestes Interesse erregte. Den Hohepunkt der 
ganzen bisherigen Saison aber bildete der von Edouard Risler im Richard Wagner- 
Verein veranstaltete Beethoven-Abend, der eine hier noch kaum dagewesene kunstlerische 
Begeisterung entfesselte. H. Sonne 

DRESDEN: Der heutige Bericht umfasst einen ganzen Monat; ich muss also noch 
einmal auf die Mozartfeier zuruckkommen und feststellen, dass der Mozartverein 

29* 



J::r:i. 



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v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



432 
DIB AtUSlK V. 1& : 



rarter Ma tod Hakeni Leftnng tea I50L Gtbnrtatag aetnaa Nantenepatme sit 
dareb Mia Programm via dareb detm Atufflbruag bedaataazMii Kaaim In 
Veiae gthiert bat BeMotat Mi m dA Solleteii Fiu SobaUtt'CaaiiyJ 
derea gllazettdo Qeeangafcnnet etnea graeeei Trinmpb arrange — lot lunften Sjnpboofo* 
kouert der Serie B brtcbto die K&* KapeUe da NaobeJt etoe a y mpb o aie die Fbantaale 
Mr Teaereolo, Cborteaer, Orgd nod groeaee Orobeeter van Volkaiar Andreae ta Gebfir* 
etnesi Jnngaa ectawrixeriecbea Komponieten, dar offaabar dan Staged bat, atlea daa son 
an fiberfntmpflaa, vu man Uabar fBr dm GJpfelpttnkt orebaatnlar Kfaftentntftnac ■»* 
nettoa netfe* uaa T?awt aoutt daa m ^A^neaiST^^ ^i ^ auuutoudeA ■ aatftn af ^n Tftttft^ ^ ft ftft ^ff^^i 
dar attcb Sber pafhetlaeben Scbwnng nod die Flbigketc verfflgt) dfistere pbaataetfeclte 
Stimmtmgon so eTzeageata? Aber man wttd bed aUar Hocbacbtnttg w dam etab Uar 
oflrabeieadea Konnen doeo daa Oedantoa nicbt loa, daaa der rein irnitiaaltfftnft Iabaft 
daa Warkaa la kefnem VnrbHtnia n dam angebeaian Attfvaad aa Stinrierigfcate and 
Kraft daa Aaadraeta* atttbt Dla Ge&br, daaa in useerer Orcfteeternmefk die 1^ 
etntmeatadoneviriuoatiit tozmer mebr anf Kaeten dar Brflndong vod EmpBnduag etcb 
etrigert, Heat alcb engeslcbia einer aelebea Neubeit nicbt mabr ableagneiL Tiata einer 
gnnienden Wladergabe unter ▼. Scbueb kam nicbt mabr ala etna pzVaandlkbe Anbaabme* 
m ataade* Sefiet dea Abaada war Frit* Kraialer, dar mlt daa Bactbowaacbco 
Violinkoniejt aetne rclche Metsteracbaft to biaialaeend betitfgte, daaa ar eotat Rr daa 
Aaebanahnracbakoaiwt gewonnea watde, la dant ar unter lahebideai BettUl daa Baal- 
boveaacbe Koaiert irlederboite, — Die Sotovereinlgnng dot Bertiner KgL Hal* and 
Dom chorea (Doppelqnartott) fab eln bScfttt geauaaretefea Keniert, ta dem var atlam 
dla Auefilbntng daa Iftr MaaaaachBre godachten v TetmvolkB* van Hegar Aajkebea et*- 
regte, — Sato lobenevert var «afterbin eiae AuffBbrnog von Liatta »Letnde von dar 
baUtfta Bflaafeatb" durcb di* Drayaaigaeb* Siag*kmd*ml* ont*r Kurt HftaeL Daa a|fea- 
aft^a Warfc UatetUeaa daafc dar treflBcb atndlartan TMaicAa etaan aebr ataftoo 
Blndrtctk; aoHatfach vtrktea dia Dames AttaaScbeakar and Nftaale-Tldar aewte die 
Herren Velaaanborn tind Hermann Nfiatla miL — Voa den SoUaflenkaaiertea der 
Berlcbtazelt aelen iwei KLaTierabende bervorgehoben^ derjenige Emil Sauera t deaaen 
Meisteracbaft aicb In ihren gllazeodea Vonugen wie kldncn M In gel a glelcb bleibt, and 
der des Dreadener Planiaten Rudolf Feigerl, auf deo man fur die Zukunft wird acbt 
gebaa musaen, weil er elnas der atarken JQngeren Talenta zu acio acheioL 

F. A. Gelavler 

ELBBRFELD: Margarete Roedel bevJea in efnem Ktavlerabend, dasa ale auf dem 
Wcge zu elner voHwertlgcn Kfinatlerin ein tQcbtigea Stuck vorwirta gekommen lat. 
Em Ictitca Konzert dea LebrergeaangYereioa unter Hans Haym wlrkten R. von znr 
Muhlen und Ellen Saatweber-Scblleper als erfolgrelcbe Sotiaten mit. Daa zwelte 
Orgelkonzert bot virtuose Org el- und Violinvortrige von Evald Flockenhaua und 
R* Manzer, aowle Geaangvonrlge von F«u Cahn-Poft, der Melsterin im gerragenen 
Geaang. 1m fQnfien KQnitlerabend der Komertdirektion de Sauaet wurden auaicblleaallcb 
Kompoaitioncn von Max ScbllHoga unter seiner Leituog durcb das Banner Orcbeater 
zum Vortrag gebracht. Am h5cbateu stetkn wir seine bcgleltende Musik zu Tildenbrucba 
p Hexenlied*, desaen Empflndungsgebalt Ernst von Possart zu pic tender Vlrkuag 
bracbte. Daa fQnfre Abonnementakonzert der Konzerrgeaellscbaft unter Hans Haym 
bracbte nebeo Cborliedcrn von Robert Franz einen Cbor tt Im Wa1de K von Auguat Jung, 
der aber zu gekunstelt und ata Vokalkomposiiion zu Instrumental gearbeitet 1st Der 
Frauencbor zelchnete sich ausserdem im berrlicben w Mngniflcai* der Lisztschen w Dante*- 
Sympbonie aua, die bei vorzuglicber Ausfubrung den Glanzpuokt dea Abends bildete. 

F, Scbemenaky 



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433 
KR1TIK: KONZERT 



ESSEN: Viel Scbones brachten uns die letzten Woctaen: im Evangelischen Kirchen- 
chor Bachsche Kantaten, im Musikverein Kochs „Tageszeiten" und zur Mozart- 
feier des Meisters c-moll Messe, sowie die Jupiter-Symphonie, ferner einen Hugo Wolf- 
Abend mit Ludwig Hess und Frau Mysz-G meiner. In der Musikalischen Ge- 
sellscbaft konzertierte die Pariser Gesellschaft mit den alten Instrumenten, 
ferner Hans Pfitzner, Fritz Feinhals und Frau Herzog in einem modernen Lieder- 
abend. Im Gemischten Chor des Kruppschen Bildungsvereins spielte Conrad Ansorge 
Werke von Beethoven, Schubert und Liszt, wozu der Chor a-cappella-Ges3nge bot. 
Weingartner beteiligte sich in einer Matinee des hiesigen Quartetts am Vortrag seiner 
Kompositionen. Max Hehemann 

FRANKFURT a. M.: Zu den schonsten und erbaulichsten Abenden der Berichts- 
epoche rechnen wir das Konzert, in dem uns wieder einmal Eugen d'Albert ein 
aus Liszt (h-moll Sonate), Brahms, Beethoven, Chopin, Zanella und d'Albert zusammen- 
gesetztes Programm vorfuhrte, und diesem Genuss an die Seite zu stellen ist ein anderer, 
den Edouard Risler den Horern seines Beethoven-Sonatenabends mit den Werken 31, 
90 e-moll und 111 bereitete. Nur dass d'Albert dem Pariser Klaviermeister noch 
durch musikalisches Vollblut und durch die Sangbarkeit des Tons, die von jeher Ge- 
heimnis seines Anschlags war, voraus ist. Von weiteren auswartigen Krlften hat 
namentlich die Koloratursangerin Eve Simony in einem auch sonst gut verlaufenen 
Opemhauskonzert viel Anerkennung gefunden; weniger Maikki JSrnefelt, deren 
stimmliche Mittel fur die gestellten Aufgaben meist nicht ganz zureichen, bei ihrem Auf- 
treten im „Museum a . Siegmund von Hausegger erscheint neuerdings ofter auch als 
Komponist auf dem Programm. Von seinen Liedern sang an einem Kammermusikabend 
Oscar Noe eine grossere Serie mit allem Aufwand seiner Vortragskunst; die Lieder selbst 
aber begegneten geteilten Meinungen. In einem Sonntagskonzert hat die Cellistin 
Guilhermina Suggia mit Erfolg gespielt. Das alljfihrlicbe Konzert des Frankfurter 
Liederkranzes zum Besten seiner Mozartstiftung kam mit seinem Programm der 
gesteigerten Mozart-Empfanglichkeit unserer Tage entgegen, es bot u. a. die maurerische 
Kantate „Lob der Freundschaft" aus des Meisters letzter Zeit, und zwar in wohlgelungener 
Wiedergabe. Gleicbe Tuchtigkeit bewahrte vorher der Cacilienve rein an Mendelssohns 
„Elias a mit den Damen Geller-Wolter und G rumbacher-de Jong sowie Richard 
Fischer als Solisten. Hans Pfeilschmidt 

GENF: Von den bis jetzt stattgefundenen Solistenkonzerten sind zu erwShnen: Jeanne 
Dejoux, Aline de Coultre (Klavier); Marguerite Demont, Robert Pollak (Vio- 
line); Lily Lang-Malignon (Gesang). — Die erfolgreicbe Solistin des funften Abonne- 
mentskonzerts war Felicia Kaschowska-Darmstadt. Ungeteilten Beifall fanden im 
sechsten zwei neue Orchesterwerke: w Hiver a , „Printemps a des hiesigen Komponisten 
E. Bloch unter seiner personlichen Leitung. — Zur Mozartfeier kam das Konzert 
fur zwei Klaviere mit Orchesterbegleitung zum Vortrag, von Marie PantbSs und Willy 
Rehberg geradezu ideal interpretiert. — Das siebente Konzert brachte verschiedene 
Kompositionen von Hugo von Senger, sowie Bruchstucke aus dem ^Hollander" und 
den „Meistersingern a . Prof. H. Kling 

GRAZ: Unter denNovitaten des Musikvereins ist w Nausikaas Klage" von Boehe zu er- 
wShnen: das Adagio der vierteiligen Riesensymphonie, neu in der Grundstimmung, 
nicht in der Sprache. Von Solisten ist Marie Roeger-Soldat zu nennen, die mit Rob. 
Hausmann das Brahmssche Doppelkonzert fur Violine und Violoncell spielte. — „Novi- 
taten der Vergangenheit** zu pflegen hat sich Kapellmeister Friedrich Weigmann vor- 
gesetzt. Seine erste Orchester-Matinee mit Liszts Prometheus und Beethovens Siebenter 
zeigte einen Musiker von moderner Kultur: das (Opern-) Orchester unsichtbar (hinter 



( " i m \i-\ L - Original from 

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DIB MUSIS V. XX 



Pflaaienvand), ebesee der Dtrigent mid die SoHetta, Store Anderson, die Lta* 
and Schubert eenf ; dee Program toa taaerer Elnbeft, and die Hanfrtsacbc: n ward* 
mtreBHcb gesplolt Dr* Br net Deceej 

HALLE a* S*: Dm Kouzertieben eland Out auetchlleetUcb im Zaichen JHenarr*. Da 
Refgen erttraete der evelte Kejnmerinnelkaboiid, der o» dee Ee-dnr Tito (Dimd- 
mento), D*dur StreiehquaTtett nod dee D*d*r Sewert (Divertimento fBr Strdeftbwtmnieatt 
and x*el Hflraer) fn vonQgUcber AnefBfaraof brachtn. Die Sing* Afcedemie fflhfto uttr 
Frot Renbkee Leftttng die grease, von Aloje Scbnritt erfiaxte o-aotl Mbik erfirigreteh 
eol WUuend die MenrtMerde* Tinder a tftU^ 

glfcUloh anefiel, getatg ee Kari Klanert In doer popullren Vertnttaltttng, efch ait 
dm »Krftnang»koazert* efawn voiles Erblg iu eteplefen, * Merita Frey 

HAMBURG: Die Auebeute dee Febrner nr, wta eltylbrUcb, zbmltcb eterfc Bet noe 
lilt der Febrtur il« der been Manet der Hocbeelson ttnd olle% wee dee Bedftrftde 
hat, ifeb ta Koniertsaai ntr Geltang it* brlngee, verencbt> neck la dleeem Monet eelnem 
Talent dee VentS en JJffnen, Debet let Hamburg fflr tile Mmtk t fie xutttUg olcbt .Mode* 
I«V fi** *te w der uogeeignetate Rett. Dee koonte nun vieder wcht devtiicb en 
dem Beenctae dee KMsertee nterken, dee bier tu Gnnsten dee Vegner-StipeBdieaJfcmde 
vefaanajtei vnida. ldt will nJeht eo tndlefcret eota, Zeblen xn nennen, die bevelsen 
kftnnten, welcb tfelbs Interns* nneere «Va(persiadi* — ver lacbt da? -* dfeeer edlen 
nnd groaeen Sathe tntgegenbrfngt; es genflgt die Konitattorang der Tatiache, daee dee 
Kenmt mit elnem fine koloeeelcn Debit ebscMoee* In kflnatlerteeher Hinelcht i 
Kenzert, dea Guatav Brech er Miete^ ein voller ErMg and mebr: ein HSbepunki der j 
Konzertselson. Dieter kBnetterbebe Erftrff let nm eo h&ber an nekton, ale Brecher mit 
etoem ed boa gebOdcien Orchester: dent neeen Konienorehester nnd etner VeredriGimp* 
ecber aw* den Refben dee Stedttbeeterorcbeeinre xn mttataieren genfttigt war. Mlt dteeem 
Orcbeeter, dee fibrlgens eraeo bier nogewoboten Glanx entfkltete nnd aebr etaitlech nnd 
entgetenkonnneDd eeinem jnnten Fftbrer foifte, bracbte Bteeber ala plfeee de rfiabtence 
elne pracfanroMe^ aflenthalben cberakterietfiebe nnd vollblfltige AaflBbmng der Dante* 
Symphonic von LUiL Auaserdem Werke von Vagner nnd Berliox in Tledcrgaben, 
die des enibttslaetlschen BdfmJlea, den sle entfbeselten^ eo wurdig waren, ate der 
Bedeuruae des Tagei. Elne Tignerfcfer veruBteltete Arthur Ntkiscb in selaem in 
die Nlhe det Wegnerschen Todestigca Tallenden Koniert. Ober die NoiwendJgkeii und 
die kSnstlerlsche Zweckmlssigkeit solcber Ttgnerfelem Hease stch fa wobl itrelten* 
Zu eioer KoDzentration kommt man btl den vielen BrucbstQcken urn eo wenJgcr, ■!> 
die Gruppierung nicmats euT die Scbaffcnsperioden dea Mtisiers Rucksicht nimmt und 
une z, B. Tom .Tristan* zum p Paust" t vom .Siegfried* zum „Tannhaa*er* zurQckrer> 
echllgt, Schon a lie Bed en ken mil sat en gegenQber der Pracht der Ausfflhrung im 
eimeinen sebweigen. Das »WaIdweben* muaaie Ntkiscb scblfetalich wlederbolen and 
oacb der Tannbluaer-Ourcrture kam ea sehiiessJich mit Recht docb zu fast bclDgstlgeo- 
den Ovitlonen fOr den genlaten Poeten am DlrigentenpulL Elena Gerbardt batte der 
Popularitlt Nikiscbs aucb bet ibrem zveiteo Lfederabend einen aaaretkauhen Saat zu 
dank err. Den grossed Erfolg aber dankte ale aucb Ibrer Kuast t die sich namenilicb an 
Lledern von Gneg und Strauss wirkungsvoll und unter nachbaltiger Wlrkung entfalten 
konnie* Die biesige Phllbarmonie slcberre sich, nacb dem pekunilren Resuttat dea 
ereten Aurtrctens der Frau Schumann-Helnk, diesen Magneten aucb fur das folgende 
Konzerr Wlederum Probe und Konzert tagelang vorber ausverkauft, und wiederum be- 
nutzte Max Fiedler die gute Gelegenbeit. seinen Abonnenten und den MitlluTern atis 
Mode elne Dosis Strauss zu versetzen. Das isf kuosileriscb brav und geschickt* und 
bumorroll dazu. Dieamal mussten sie an „Tod und Verkllrung" glauben, dieses pracht- 



f\ | Original from 

■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



435 
KRITIK: KONZERT 



voile Stuck, das sich zur Propaganda fur Strauss ja auch besonders gut eignet. Aus- 
verkauft war endlich auch der Goethe-Abend, den Possart und Gura veranstalteten, 
wobei allerdings die Attraktion weniger die originelle kunstlerische Idee als der Name 
Possart gebildet haben durfce. Heinrich Chevalley 

HEIDELBERG: Das Hauptereignis der Saison war die Auffuhrung der MattbXuspassion 
im letzten Konzert des Bachvereins. Als Solisten waren Ludwig Hess, Emil Liepe, 
Stephanie Becker, Agnes Hermann, Hugo Heydenbluth, Carl Weidt titig. Das 
kolossale Werk ward mit einer Pause von uber zwei Stunden zwiscben beiden Teilen 
gegeben. Der Instrumentalbegleitung und der Orgelstimme war die Ausarbeitung 
Ph. Wo If rums zu grunde gelegt. Der Eindruck der mit grdsster Sorgfalt und Begeisterung 
vorbereiteten Auffuhrung war gewaltig. Hermann Voss 

KOLN: Als Hauptwerk des neunten Gurzenich-Konzerts h6rte man Beethovens 
siebente Symphonic Das Werk erfubr durch Fritz Steinbach eine ungemein 
frische, fesselnd aufgebaute Veranscbaulichung, die durch den machtvollen grossen Zug 
der ganzen Ausfuhrung die Horer hinriss. Nicht weniger als vier Neuheiten standen 
auf dem Program m, Als ziemlich schwache Arbeiten konnten die drei zuerst erscheinen* 
den kaum ein irgendwie regeres Interesse wachrufen. Es waren: „Die Insel der Kirke" 
aus „Odysseus Fahrten" von Ernst Boehe (fur grosses Orchester), „Die Weihe der 
Nacht" (nach Hebbel, fur Chor und Orchester) von Fritz Neff, und „Elfenliedchen a 
(nach Goethe, fur dreistimmigen Frauenchor und Orchester) von G. Jenner. Als einen 
tonsetzeriscben Gewinn aber begrussten wir K ask els „Humoreske" fur Orchester. 
Das in der thematischen Erflndung ungemein reizvolle Tonstuck entwickelt in der geist- 
vollen Kombination und dem Gegenspiel der melodiosen Gedanken, sowie in dem 
prlchtigen Endresultat einen ganz kostlichen Humor. Als Solist dieses Abends Hess 
Eugene Ysaye seine Horer mit Mozarts drittem Konzert und Max Bruchs erstem in 
edelstem Kunstgenusse schwelgen. — In der Musikalischen Gesellschaft fanden 
an deren beiden letzten Abenden die Pianistin Juliette Wihl aus Brussel, die Geigerin 
Irene Pen so und ihr junger Fachgenosse Adolf Busch nach Verdienst sehr freundliche 
Aufnahme. — Das Gurzenich- Quartett der Herren Bram Eldering, Karl Korner, 
Josef Schwartz und Friedricb Grutzmacher bot stilvolle Ausfuhrungen von Beethovens 
op. 18 No. 4 (cmoll) und op. 130(B-dur); dann Hess es una an Wilbelm Bergers neuem 
f-moll Klavierquintett (am Flugel der Komponist) mehr den streng kammermusikm&ssigen 
Aufbau und die klassisch gerichtete Form, als den eigentlichen Inhalt scb&tzen, der viel- 
fach bekannt und wenig vertieft anmutete. Paul Hiller 

KOPENHAGEN: Selbstverstandlich haben wir auch unsere Mozart-Feierlicbkeiten 
gehabt. Der Cicilien-Verein fubrte die c-moll Messe (in der ursprunglichen 
„unfertigen" Gestalt) vor und Bruchstucke aus der Zauberfldte; die Palais-Konzerte 
batten ein Konzert mit einem sehr stilvollen Programm eingerichtet, — dann aber trat 
der Tod Konig Christians ein, und die sonst beabsichtigten Mozart- Konzerte flelen weg. 
Kurz vor dem Tode des Konigs hatte Job. Svendsen sein Konzert mit der Kgl. Kapelle 
gegeben: d' Albert war der gefeierte Gast, die einzige Neuheit war Hugo Wolfs *Pen- 
thesilea*. Nach der Trauerzeit hat Mischa Elman (der diesmal als 16jibriger auftritt!) 
allein es vermocht, das Publikum in den Konzertsaal zu Ziehen. 

William Behrend 

LEIPZIG: Wihrend das 17. Gewandhauskonzert zu trerTlicben Geigenvortrlgen 
von Jacques Thibaud (Mendelssohn-Konzert und Solostucke) die Egmont-Ouverture 
und in vorzuglicher Wiedergabe Wagners Faust-Ouverture und die F-dur Sympbonie von 
Brahms gebracht hatte, erklangen im 18. Konzert die Hollftnder-Ouverture, Balletsitze 



cr;,.e^vC00Qlc „„ n> ^^™™, 



t^ 1 UNIVERSITY OF MICHIGAN 




436 

DIEMUSIK V. 12.. 




■m mVmaimwP ood Der Mmon* and VoUcauurae B~dnr Sympbooia, 

efoifsa prftehtigen acappetbv Oeatog on des Taomanefcbofee. Im senate* PblHurotmt- 

eebeo Koztaert lies* sfch iwfschia Haydn* MIUiitiympliMi* turf otalgia 

Fragmeaton Jtfemd Rleler mil efner ems sfcedearincke* Vtedeigabe 

scboa R§*dar Koniertes tmd dor setar ecMaaa AosAbrang ebxlgef 

Sritaiaaaa, Cbopta nod Uwt (E-dnr Polosajte) veraabmea. Der Ubf«r|*fitt|rfrfia 

(Haas SItt) begum solo mites Winterkoniert mlt oftier naebtrigtkltea Abum|mtt«i 

JftoaartfUet (Onvertfire, Sanstio*Aria la War — Frm Pittaa — and P H e at oi d ier 

aos dor frZanbcrflflt e *, nod gvei Slue ana dem D*dor Vlotinkoatof^ sate bftbeeb gssplslt 

fw der fnagea Golfed* gsibarina Boaeb) and effreote w eh e Alo boaondete aril dot 

BvatvarfBtaaog ra VH^ejm Borgere eebr klaogecbtaef Hymoe Jtabo GStifa*, Der 

UniTersitltsiiagervireU m St Paolt (Balarich ZSlloer) Bess Mia tutter Hn> 

wfrtang der Sfanmteoaa Br* LIssm*aa~G at setback aad Pnut Cart-AlTers as* 

der&oger Utfrfl tfoss asd Sttaibmann vefiaataltetes Koaiert ailt dinar sshr so- 

spmtiwodoa Kenbelebong too Ckri Befcaaekes „Hakoa JiM* aoeUfagen, nod die ma 

Ottttftr Voblgemntb geJettste* Voietae Letpztger Stngakademfe ood Leipaiger 

MInaerebor bracbtea outer Assistant eiass too dea Damon Aaaa Hartnng ood 

Margarets Sebfiti ood dea Herreo Bain Plaks and Alfred Kaee gebUdetea Sottstsa- 

qaartettes Broot & Seyfttrdts Kaotate „At* Deotechlands grosser Z&t* tor Vteder- 

belang, fiedtt saregend veittaf eta von don Artoaoa-Fraaoaekor oater Mtarirkoag 

mo Affoaea ood AffoaefisiigthArigea TOfoattafteter .Brahma-Abend*, so dem a tta che * 

/Unoarchorea and gemHcbtea Chorkompositioften des Meletervj derootsr each ela 

vUebeeliedaMralser", die to rttmmmttr ITeiee ansgeffihrt warden. Pant Kleagel 

ood Bdde Klpagel dorob etoe voniefani-kflnetleritene Vledergebe dor A*dor Senate 

op. 100 nod Frmu Paator Ttrmtnn and EUtdegsrd Bttraer darek anjanag* Uede** 

TOttzfge erbeoim. Der & Gevandbaas*Kemmermasik, to deir nick swteefea* 

Scbotmmnt Arihtr Qaartett aad Beetfaevem Odor Qtdotett Heiartcb XXIV. Pflrst Keoss 

oater ireBUcber Betbllfe des Brstscfalstea Ctrl Herrmsoo mtt etoer ledtegmeo G-dor 

Sooste op. 22 fflr Klarfer ood Viola veraebmeo Hess, folgte eio i welter Sooateo- 

Abeod too Berobard Staveobagen und Felix Berber, die mehr oocb sis mlt der 

tdebtigen Viedergabe Mozartlcber and BetthOTCDicher Daa-Verke durch eloeo vor 

zuglfchen Vortrag der Es-dur Senate op. IS von Rich, Strauss Intereiaiertee. Von dem 

voroehmen GesaogskonEert des Ehepaares Felix von Kraus uod Adrieone von Krao|s- 

Osborne uod von dem erfolgreicbeu KonzertdebQt des aympithtscben Bass-Baritoolsten 

Tilly ROssel fQbrte tin popollrer Lledenbend Ton Elena Gerbardt xu oeuerlichen 

Vortraggabenden von Sven Scbolaoder und von Bokken Laason blnBber, wfHrcnd 

sine grossc Zabl von Instrumefit&tkfinatleni die wenlger freien Abende beaetat bielL 

Berecbtlgte Sensttion erregte der vorxQgllcbe Gelger Joan Mantin mtt telnet auch la 

der Polyphonic sebftntonlgen Ausfuhruog der CUconna von Baeb ond mit der Wrtooseo 

Beberrschuog des b-moH Kociertet uod der Varlstionen fiber v God save tbe Queen* 

von Paganlol, und die mit Ibm Iconxertlcrende junge Plinlstln Alma Stencel konnte 

alcb mlt eincr temperamentvoll-bravoiir^aeii Wiedergsbe dea Llsitscben Ea-dur Koniertes 

als Tlelversprecbendes virtuosos Klaviertalent erwelaen. Ebenio berechtlgte iu bobea 

Erw«ftungen das Debut dea jungen Vtoloncd listen Serge Barjaneky, der mit Davidofls 

a-molt Konzert eine acbon vdlllg konzertrelfe Leistung darbot. Groascn Erfolg hatte 

Emil Sauer mlt einem zweiten Klivlertbend, der als Hauptstucke Bee tb ovens Sonate 

op. 109 p Scbumanns ^Toccata* und Chopin's ^Pbantasle 4 * brachte. Richard Burmeister, 

der in Gesellschaft der talentvolleo Soprannovize Lotte Krelsler konzenierte, lotercssierte 

mit Chopin's f-moll Konzert und begeisterte mit dem Vonrage des von ihm treSlIch f9r 



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437 
KRITIK: KONZERT 



Klavier und Orchester bearbeiteten Lisztschen Mephisto-Walzers („Der Tanz in der Dorf- 
schenke"), wlhrend Fritz Masbach mit eincm eigenen Konzert nur einen kublen 
Achtungserfolg erringen konnte, Elly Ney bei betrichtlichera Talent und Temperament 
noch zu viel Unreife gewahren liess, und Otto Neitzel durcta seine „KlaviervortrIge mit 
raundlichen Eriauterungen" weder in pSdagogischer noch auch in kunstleriscber Hinsicht 
ganz einwandfrei zu wirken vermochte. Kapellmeister Hans Winderstein und sein 
Orchester, die an mehreren von den vorerwfihnten Solistenabenden mitwirkten und im 
Begleiten von Konzerten zu anerkennenswerter Gewandtheit gelangt sind, brachten an 
einem Abend als freundlich wirkende Orchester-NovitSt einige Satze aus der Tauferer- 
Serenade von Heinrich Rietsch zur Vorfuhrung, wahrend Elly Ney sich im Verein mit Carl 
Friedberg um die erstmalige Vorfuhrung eines von Waltber Lampe fur zwei Klaviere 
zumeist kanonisch verarbeiteten interessanten Variationenwerkes verdient machte. 

Arthur Smolian 

LONDON: Wir sind in der Mitte der Hochflut der Konzerte der neuen Saison, die uns 
schon manches Interessante gebracht hat, wenn auch nicht auf dem Gebiete der aus- 
ubenden Kunstler, so doch auf jenem neuer Tonwerke. Den Anfang machte das vor- 
treffliche Londoner Symphonie-Orchester mit einer neuen Symphonie von Sir Charles 
Stanford, die, wenn sie auch als kein epocbemachendes oder auch nur grosses Werk, 
so doch als eine sehr verdienstliche Leistung auf allerdings etwas ausgetretenen Bahnen 
bezeichnet werden kann. Wie immer, ist Sir Charles nicht frei von Anlehnung an be- 
ruhmte Muster; zuerst war es Wagner, dann Brahms, dann Verdi und diesmal ist es 
Tschaikowsky. Abgesehen von dieser „kleinen Schwache", ist die neue Symphonie recht 
anmutend, melodisch und kontrapunktisch, wie sich dies bei Stanford von selbst versteht, 
meisterhaft behandelt und geschickt orchestriert. Weit interessanter und bedeutungs- 
voller ist die von demselben Orchester gestern unter der Leitung von Hans Richterzur 
Erstauffuhrung gebrachte w SymphonischeTondichtung w von York Bo wen, einem der 
wenigen wirklich vielversprechenden Komponisten des „jungen England". Es ist keine 
Programmusik, wie ausdrucklich bemerkt wird, und soil aus und durch sich selbst 
Stimmung machen und gewisse Eindrucke hervorbringen. Wenn dies auch nicht voll- 
stlndig gelingt, so ist das Werk doch in hohem Grade anregend und bei aller Sucht zur 
alten Form zuruckzukehren in der Orchestration und in anderen Beziehungen durchaus 
modern. Es besteht aus sechs Satzen, die miteinander gewohnlich durch einen lang- 
gebaltenen Ton verbunden sind. Besonders gelungen sind das Andante, ein pikantes 
Scherzo, ein marschartiges Intermezzo und das Finale, in dem alle fruher eingefuhrten, 
oft recht originellen Themen geschickt verwoben sind. — Ohne eine richtige Mozart- 
feier zu haben, nahm der Salzburger Meister doch in der Woche seines 150. Geburtstages 
in den Orchesterkonzerten eine hervorragende Stellung ein — allerdings vorwiegend nur 
mit seinen Ouverturen! Dies hat aber den Wunsch angeregt, Mozart wieder hSufiger 
in das Konzertprogramm aufgenommen zu finden, ein Verlangen, dem entsprochen 
werden durfte. Das Queens Hall-Orchester brachte wieder den „Don Quixote* von 
Richard Strauss zur Auffuhrung, bezuglich dessen die englische Kritik noch immer sehr 
gespalten ist. Wihrend ein, und zwar der grossere Teil ihn zum Himmel emporbebf, 
spricht der andere das Anathema uber den „Neuerer a aus. Das Publikum schlSgt sich 
aber zusehends immer mehr auf die Seite der „Straussianer*. — Die neuen ausubenden 
KrSfte — Singer, Klaviervirtuosen und namentlich Geiger und noch mehr Geigerinnen^ 

bieten leider keinen Anlass zu besonderer Erwahnung. 

Dr. Adolf Rosendorff 

MAGDEBURG: Zur Vorfeier des Festes im Kaiserlichen Hause wurde hier am 
26. Februar eine Festkantate des hiesigen Musikdirektors Th. Forchharamer auf- 



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438 
DIB MOSIK V. 11 



geffltift, die den Neman der wmrgeaattcben „K6nfgin Lniae* trfgt, am deren Bfld 
afcra EHaabetb*Roeen and unverwelfcticbe Paaaiontbltunen ranken. Die Kantate befcwddl 
fat ehiaotaea Blfafom (12 Hammere) Abechnfife me dcm Lebea der Fitetbk Leider w> 
vice eteft die praktlUMe Dtcfajnng tie « fang end dee ttaJetigjbero Talent dee Km* 
ponleten IB? die Dene? dee Stflckee (fiber drel Standee) ediHeeailcii »U aidtt eterk genng, 
hb mehr vie ebornacnlien Intereeeioren f n kflnneiL Groaeere un voiuoHofe Zftge trag 
der cboriaebe Tell, eoweit or rich mchr polppboa tie rota barmonlecb omrtckelw. Die 
mttalknliecben BlagnpHeen der Kflnlgia mid three Qetten entbaJten vlel HemaenaJk^ 
gtfiM *ber m Bedentang Muter den Cb&rea inrflefc* Gewieae Obertetamgeii, tteine 
el n g o etrooi g DWege habra nor den Vert gttter Kantorenmaelk; eaeb befcandelt der 
Komponfet dee Orchoater demllcb unfroi. WW die Wert flbor ajb c l toe, ee date ee elne 
fcnapp twaiet&ndlge Daner nlcfct flberecbrdtet, eo dftrfte ee immetfeia aetne* Weg dnfdi 
mefaiere Konnrtalle nehmea and m elner wUlkoanneaen Gibe Mr ibnliebe Feettafe 
warden. Groeee Anepritahe ateUt der Anter en die Vertreterln der Partie Letaena and 
an den CBOFaoptasp der wte Jane viellncn anpfaktiecb Itoeta -fcii**i*^ff*m*Hi«— ■ tet» ^— 
Die Moaartfeler let each bier In groeeer Moxeitverelininf begangpn warden* We* 
nennt Uer die RNfranune» tfblt die NamenI — Im fBnften Kenxett dee fcanlmlnariediea 
Verefns ereeng rich Fell* Senine Beflall and erepleUe eleta der CefUat Albert Petereen 
nenee Loh. — Im letxten Sympbonlekomert dee Stadttheatera lorate mam In Herman* 
MonUb efneo aoageielcbBeten Pianfaten kennen; Anny Staramer*HInderinaaa batte 
BeUUI mlt Arlen von Dellbee end Meyerbeer* Hex Haiae 

MAINZ: Vie atterwltte, eo lieeaea unaete SonxeftenetaHes ee Blob nlebt nebmen, 
ttnaern Mozart in hlern. Dae Sympbonlekonxert am 2S, Febrttar bracbta nor 
Teike Mozarta, ala dae bedevtendeto die mtoll Sympbenie, Ale Sotiet aptelte Ffcte 
Heebmeb-BefUn dae C-dttr Kosaert gana vortrafflicb in der AttJmaaaag tmd mft eanfeereter 
Tecbefk. la dem letatea Sympbonlekonxert bracbte EmH Stelsbaob elne Norttit von 
Cberpeatter: Inpmairaa tf'halle, eln merfcvftrdlg ineaerticbee Verfe^ mltor BtzaMrte 
and Benalitlr, Vaa mBvsen daa Mr merkwflrdlge BlndrBeke geweeen eeto, die Herr 
Cbarpeoder \n Itallen em p fin gen hit I In denselben Koniert sang Frau Jlrnefelt aina 
Relbe Uader t obne indesaen ttefem Blndruck zu erzeugen* — Die LiedertMfet fcierte 
Mozirt in dnetn KammermuBlkibcod, in dcm iu«cr Mozarta KliTierquirteit in (-moll, 
tod der bletfgen Qaartettrerelnlgung mlt Frtu Bamberger, elner Tortrcfflichen 
Piaalstin, rorgetragen, und dem Strelcbquartett In Es-dur, der Cbor dat Ave verum, tin 
Adoramua te and Benedictua von Mozart tang. Von grfiaaeren Verken gelangte der 
^PiuIub* zur AufTObrung and iwar in elner Wochc yitrmil, die GaaermJprobe einge- 
reebnet; er»t als Koniert fQr die Abonncnten und iwelmil ila Volkskoniert unter Fritz 
VoJbacbs Leitang. Das war dca Guten wobl doch etwaa tuvial. Man mag fiber 
Mendelaaobn und ,Pau1us* den ken, wie raio will, aber vlermal hlntereinander, daa iat 
docb fQr Cbor, Orcbeater und Dirigenten elne Lelstung. Daa letzte Konzcrt der Lleder* 
tifel war ein Kammermaaikabend de* Meermenntcben Qmrtetta mlt muatergoJ tiger Auf- 
fQbrung dee Tachalkowskygcbea Quartette In D*dur T Beethoven* F-dur Qaarten op* 56 
und Scbuberts Variationen fiber >Der Tod und daa Mldchen\ Dr. Fritx Volbacb 
OSKAU: Eine Reihe von Konrerten bracbte endlicb EutacbadiguDg fur den vor- 
h erf gen Stlllstand im Mufilkweaen. Die Kils, Russ. MuBlk-GestlJscfaaft bot zwel 
Aboniiememskonierte unter Kijinui (HeLaingforfl), der tempenmentvoU Werke der 
skandinavischtn Musiker: Svendsen, Sibelius, Grieg, Jlrnefelt und Mozans g-moil Sym- 
pbouie vorfuhrte* Ellen Beek true die Billide .De* FfibrmauDB Briute* von Sibelius, 
Neschdanowa elne Arie me der n Ziubetflate" vor, tgumnofr splelte Mozarts KUvjer- 
koniert A-dur No. 9. — Der Verein der Llebbiber der ruaa. Mu»ik macbte um mit einem 



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M' 



439 
KRITIK: KONZERT 



Zyklus neuer Liederkompositionen von Tan e Tew bekannt und widmete das folgende 
Konzert Arensky. — Die Philharmonie unter Chessin feierte Mozart mit der Jupiter- 
Sympbonie; Jacques Thibaud spielte Mozarts Violinkonzert Es-dur und erzielte einen 
wohlverdienten Erfolg. — Das Moskau-Trio (Schor, Krein, Ehrlicb) schloss die histo- 
risctae Reibenfolge seiner Konzerte mit Werken von AndrS, C. Franck, Arensky, und fugte 
noch eine Mozart- Matinee hinzu, zu der das Publikum in Massen stromte. — Ferner 
sind noch zwei Sonatenabende der Herren Sibor (Violine) und Goldenweiser (Klavier) 
zu nennen. Novitit: eine Sonate von Katnar. — Am Tage der Enthullung des Glinka- 
Denkmals in Petersburg hat hier ein Glinka-Konzeit unter I ppolitow-I wanoff statt- 
gefunden. E. von Tideboehl 

MUNCHEN: Die grosste Sensation der Konzertsaison brachte das letzte Akademie- 
konzert mit Max Regers Sinfonietta. Das viel umstrittene Werk fand hier eine 
ausgezeichnete Aufnahme; die sich bemerkbar machende Opposition wurde demonstrativ 
nieder geklatscht. Dass wir es mit einem wirklich bedeutenden Werk zu tun haben, 
wird niemand leugnen konnen, ebensowenig aber, dass die Wirkung durch verschiedene 
Mangel beeintr3chiigt wird. Der gefahrlichste Mangel liegt in der wenig gescbickten In- 
strumentation. Auch die Polyphonic ist fur ein Orchesterwerk etwas zu kompliziert, da 
es sich nicht um orchestrale Vielstimmigkeit (im Strauss'schen Sinne), sondern urn rein 
musikalische und dann instrumentierte Kontrapunktik bandelt. Von grosser Wirkung ist 
der zweite Satz (Scherzo) und der dritte (Largbetto); der Schlusssatz ist ungemein schwung- 
voll und der erste Satz erfreut durch prachtvolle Details. Die Auffubrung unter MottI 
war vorzuglich. Eine weitere Noviiat „Fingerbutchen ", Marchenballade fur Orcbester, 
Frauencbor und Basssolo von J. Weismann erwies sich als ein sehr anmutiges und ge- 
falliges Stuck, das volkstumliche Tone mit Gluck anklingen lasst. Herr Dressier 
brachte das Solo gut zur Gellung. Den Schluss des Abends bildete Mozarts g-moll 
Symphonic Die etwas post festum abgehaltene Mozartfeier der Akademie brachte als 
Hauptnummer unter Mottls Leitung die Jupitersymphonie, mit hinreissendem Schwung 
gespielt. Interesse erweckte eine Jugendsymphonie in Es-dur und ein recht hubsches 
nur etwas zu langes Konzert fur Flote und Harfe. Als Solistin trat Frau Bosetti mit 
einer italienischen Arie auf. — Im zehnten Kaimkonzert horten wir als Novitat die erste 
Symphonie (g-moll) von W. Kalinnikow; sie lehnt sich stark an Tschaikowsky an, ist 
aber im ganzen ein frisches und interessantes Werk. Die Thematik ist klar und ein- 
dringlich und in ihrer Entwicklung ubersichtlich. Am wenigsten befriedigte das ziemlich 
formlose Andante, wabrend das feurige Scherzo den Vogel abscboss. Schneevoigt 
brachte das Werk vorzuglich heraus. — Der Karneval fuhrte eine vorubergehende Stag- 
nation des Konzertlebens herbei; trotzdem fanden noch so viel Veranstaltungen statt, dass 
hier nur verhaltnism3ssig wenige angefuhrt werden konnen. Kurz registriert seien der 
interessante Abend des Chorsch ulvereins, der Ensembleabend des Munchener 
Streichquartetts, das Konzert des Lehrerinnengesangvereins,der Klavierabend von 
Helene Morsztyn u. a. Interesse erregte der von Wilb. FurtwSngler mit dem Kaim- 
orcbester veranstaltete Abend, an dem sich der junge Kunstler mit Beethovens Ouverture 
„Zur Weihe des Hauses** und Bruckners neunter Symphonie als technisch schon recbt 
sicherer Dirigent vorstellte, wahrend er mit einer eigenen symphonischen Dichtung in 
h-moll eine beachtenswerte Talentprobe gab. Kolossalen Zudrangs erfreute sich der 
von Ernst Kraus und Hans Pfitzner veranstaltete Eichendorff-Abend, an dem der be- 
ruhmte Tenor eine Anzabl Lieder von Wolf und Pfitzner sang. Ausserdem spielte noch 
Heinrich Kiefer mit dem Komponisten die Pfitznersche Violoncellsonate, ein an scbonen 
Details reiches, im musikalischen Aufbau ziemlich klares Werk, das viel Beifall fand. 

Dr. Eugen Schmitz 



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DIB MUSI* V. 12.. 




N' 



fEV YORK: Bio eifeocBmlteber Untersebled beetebt nrtecben Jfeoyotk mod 
nrei ttuefkattecbeetea Stldten In Amertka* Die MntftHnMrtfcftr vow 
f&riljo (roete Oper pr )»in lDt«rdt«« so bab«. Zwotmal tat Mutter C o nrt ni 
dart nit oeloeo weltbertbmten Slogem trad SiSfcrfssM Gold g tijoim (wfbreod «r te> 
Nevyork to 15 Vocbeo 428000 Mark Relocation bam), w m tt m 
Jebr fir otafct beeoebea wtriL AndererseJti Mfibt doe KwtnmMft in ; 
eoodera* Maitcbe Kfioetler, die hi Newyork doreblMleo, warden dort mit 
Uuftj wibreod w mngekebrt Sbtr oiofee Newyorker UebUnja dfe Aefcaeln 
Newyork lit fibefbattpt IB? moderate VMooeon dorcbaaa fcafo Para*3e% 
wtitrend der Opvnwdwo^ die Mar die Hsnptrotle «pMt Vorber and naokher 
nub dto KoozerUftle beeocbt Da die Oper oecb Tier WMua daoeti^ babe left 
mal nor fiber ela beaondeta gegiflcktee DebBt to beriebtan* Josef L Lhevfoo* one* 
MftifciOy efn Sobdlor too School tat to ein*w Koofoct der Booefaji Sjnopbooy 
Forore femacbt Br echetot dfeUweoart BoHnetetae geerbt to baben*— OoeofB Otofea 
kooaerte koonen aicb glEtakllctaenreiie trots dor Oper fiber Weaaar batten. Ustor Jest 
Dbtgeaten dee Ter fl ooao nott Monata eJod Safe e off ood JFeingartaer dh Hetdoo ■»- 
weaett* Salbooa? bit fBr die Pbflberaonlkef 6 Hoi mile Hloeer femaebt Moo mdctrte 
thi pr tq fera olt attodfloo DWgemea fewinneo, or vertaagt after 80000 Mark per 
Jabr* Die FMIhamonJker kSooeo nor 20000 Mark loUeo; eo wild daber ebi Voraacb 
gesaebtt deo Root dor Soiome per Sobkripflen m entelan, Mlt Vetostfoer let ja * 
IhoHdh ea geacbeben* Audi of hat wfeder Lorbeefoo geernieti dae a We eo natt 
ejoeaen Orcneeter bat aicb abar wleder eternal ale nopreOtabel erwteeeo* 

Henry T. Flock 

N0RNBBBC: Der Komxamaal fao Jennar war aefert Blaa Loan too Tolaogao* 
sang alte ond neoe Liedcbeo toi Vartdtdyanfo ood sopfte bio ood 
Goftarm Der Kon ie t u oe lo io i oneefer Oper* Boermann, bewiee tolt 



alnd, wihrend der eweite Abend doe »N*rnberger Trloa* (Maaoadiedelp. 
Kogio, Beckaiibicb) mlt Saint- SaSn^ P-dur Trio trad BeetboTeoi c-moll Trio op. 1 
wiaderum lelgre, dut seine Leiituoeen {ede Kritfk berauarordera Wuneo. Daa Kaim- 
arch ester uater Scbadevoist felerte eiaeo itfirmltcben Sieg mit Hiydai G-dar 
Symphoale No. 13 und cioen fiir Musiker noch bedeutungsToHereQ mlt Bnbmt 1 crater 
Symphonic. Du lent© Kooiort des PhilhirmonUchen Vereiaa war gmni mf die Note 
^FortBCbriU* gestlmmt. BerH ox {Beatrice und Benedict), R, Strauss (Uoder), Pfltzner 
(StQckc sua der Rose vom Llebeagarten) and Max Re {era SJnTonletta. Der Kom- 
peolsr leltete aelbat und das Publikum blattcbte tucbii^ womlt ntcbt ceaaft 1st* daaa e* 
tod der Muaik gerade viel begtilfen bat Regere Verk tefdet an xu *iel Maaik, iu rlel 
Kunat. Icb gebe iu, daaa dem K&nstLer dfete Spracbe die naturlicbe 1st; leb gebe aber 
nicbt iu, daaa ale immer schffn l&t und verlange sogar^ daaa aucb etn Koniponlst (ebenao- 
wle elu koropHzlerter StJIIat) alcb aelbat ubervtnde und aicb xur elgenen Klarbett dorcb- 
ringe. Dr, Flatau 

PARIS: Neben derSympbonie von Bneaco, dieColonne mlt gleiebeni Erfolg wfeder- 
belte, wlrd wobl det am 18* Febraar ebenfallt bei Cotonne geapielte Jour d r dt6 a, 
la montagoe" too Viocent d^ndy die hervorragendste Konzertneabelt dieses Vintera- 
blelben. Dieses drelsitxlge aympbonlscbe Gedicbt geflel dem Pnbtikum wohl baupN 
sicblich durch aeine an Abvecbslung uod Komraaten relche Orcbeaterfarbe, aber es 
feblt dleaem pUtoreiken Element nicbt an elner solfden musikaHacben Grandlage* Vincent 
d'Indy bat aicb aucb endMcb bier gtnx vom mgneracben Einfluaae befreit* Dem TUel dea 
Terkca entapricbt am beaten der crate Tell .Aurere*. Hier let wirkllcb etwaa von Jener 



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441 
KRITIK: KONZERT 



Erhabenheit zu spuren, die sich bei den Talbewohnern mit dem Begriffe der Berge ver- 
bindet. Der Mittag unter den Fichten, dem der zweite Satz gilt, enthilt ein etwas ge- 
rauschvolles Intermezzo, das an den Realismus der modernen Italiener streift. w Der 
Abend" fuhrt auf angenehmen Umwegen zur Anfangsstimmung des ersten Satzes zuruck. 
Bei Chevillard-Lamoureux war es ein bis jetzt unbekannter Schuler von Faur6 und 
d'Indy, FeMicien PScoud, der die letzte grossere Neuheit in Gestalt eines „poeme 
sympbonique" lieferte. Ein Verzweiflungsgedicht Baudelaire's „La Cloche fel6e" gab die 
Anregung und den Titel. Die gesprungene Glocke wird durch einen Klavierbass in den 
Kulissen versinnlicht, dient aber nur als Ausgangs- und Endpunkt des Ganzen, das von 
einem anziebenden Bratschensolo durchzogen ist. — Die Society Philharmonique 
ist in ibrer Pflege des Klassizismus fast zu ausschliesslich. In ihren vier letzten Kon- 
zerten kam nur ein lebender Tonsetzer zu Wort, namlich Vincent d'Indy mit einer 
Suite „Cbanson et Danses" fur sieben Blasinstrumente, wo das Horn zu wenig und die 
Oboe nicbt immer angenehm zur Geltung kommen. Beide Instrumente klangen viel 
besser im Blaserquintett Beethovens. Sehr gut wurde am 13. Februar das Frankfurter 
Streichquartett Heermann- Rebner-Bassermann-Becker aufgenommen. Auch hier 
konnte man sehen, welche Fortschritte der musikalische Geschmack in Paris macht. 
Bei fruheren Besuchen verlangte man von einem der beiden Hugos, Heermann oder 
Becker, auch einige Solostucke. Diesmal zog man es vor, drei vollstandige Quartette 
von Haydn, Beethoven und Schumann zu horen und das Publikum druckte seine voile 
Befriedigung aus, obschon das Gesangssolo des Abends, das eine Frau R6ja Bauer 
ausubte, einiges zu wunschen liess. Das Pariser Quartett Hayot, der Cellist Casals, 
der Pianist Cortot und die Pariser Gesellschaft der Blasinstrumente trugen alle 
zum Erfolge der Philharmoniker bei. Unter den Gesangskrafien errang Frau Mysz- 
Gmeiner mit Liedern von Schumann und Brahms den starksten Beifall. Sister- 
mans trug am 20. Februar fast die ganze Kreuzstabkantate und andere Stucke von Bach 
vor und zwar mit Stii und Methode, so dass die Heiserkeit, fur die er sich entschuldigte, 
kaum bemerkt wurde. Plamondon, in dem Paris endlich wieder einen richtigen Konzert- 
tenoristen gefunden, fesselte durch Arien aus Haydns Schopfung und M6huls Joseph. — 
Die Soirees d'Art, die ernsthafteste Konkurrenz der Philharmonie, schlossen am 
22. Februar ihre erste Serie von sechzehn Konzerten gliicklich ab. Das Quartett Capet- 
Touret-Bailly-Hassel mans erwies sich bis ans Ende als eine feste S^ule. Im vor- 
letzten Konzert spielte es zwei Tage nach den Frankfuriern das gleiche A-dur Quartett 
von Schumann. Der Vergleich war sehr interessant. Die Deutschen haben die mar- 
kanten Zuge besser herausgearbeitet und mit mehr Gefuhl wiedergegeben, die Franzosen 
die Einzelheiten genauer ausgefeilt und sich Qberall moglichster Klangschonheit be- 
fleissigt. Das Quartett Capet fand ubrigens auch in seiner Sonntagsauffuhrung im Kon- 
servatorium grossen Zulauf, wo es drei der letzten Quartette Beethovens spielte. Der 
fast religiose Ernst, den Capet hier und da etwas absichtlich zur Schau tragt, schadet 
ihm im Publikum nicht, im Gegenteil. Seine strafenden Blicke bei der mindesten 
Siorung imponieren. Die Soirees d'Art sind auch den lebenden Tonsetzern ziemlich zu- 
ganglicb, aber die personliche Bekanntschaft spricht da vielleicht zu oft mit. Im letzten 
Konzert sang Plamondon drei Lieder von Leo Sachs, unter denen nur die „Aubade a 
kunstlerischen Wert hat, und Frl. Muromzow zwei Lieder von Louis DiSmer, die von 
seltener Geschmacklosigkeit zeugten. — Bei Colonne, wo ein Teil des Publikums 
eine wahre w Solistophobie" zur Schau trSgt, spielte Georg Enesco Bachs Chaconne 
zur allgemeinsten Befriedigung. In zwei eigenen Konzerten im Saale Erard trieb er die 
Selbstverleugnung soweit, nichts eigenes zu spielen, sondern zwei anderen lebenden 
Komponisten, Saint-SaSns und Sarasate, die Ehre zu gonnen. Neben ihm hat sich als 



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442 
DIB MUSIK V, 12. 



Gelger namenfUcb Ferenet Hegedfie hefTOrgotan, der fiber fM Temperament *erfB|& 
ebm dedurtb ari*gevfea*nbafter Arbctt tetfelndert zn warden, Unter den JUerierapteien 
eflnd Tor allem drei Damen an oemeB; Wanda Landowsfce aplelte bei Celoane do 
ante Ea-dnr Kemert too Momt «lebt bleaa mlt eUberater Tecbfti^ eondern aueb mil 
Gfttot on£ GetfibL Blanche Salve idcbnete etch be! CherUlard la Werken vim Caetfltaa 
tmd Cdear Fnutek tat. Marie Panlbea zelgte eJeh 1m lettten loetnunentslkDiiieri der 
Bacbgoeeficbeft lis veizfiglJcbe Keanesin dea wohltemperiertcn Klffriera* Erwibnen 
wtr endllch each den eehr gelangenen Uedertfbend, dm Joe Arger d«r Scfafinen 
AffiHerin Sebubene wMmetev Fell* Vegt 

PETERSBURG: Dee Tagee an gedenken, an dent tor 150 Jahftm Wollfeaag Amadena 
Mozart der Writ geachenkt tnrde, arranglerte die rneataebe Kaiaeriicho Mnelk* 
gea el lech aft etae Mozart-Peler miter Nihrirkung almfHcJier deatacher GMangmetee 
der Resident mid lierverragender Solltten der Hofoper. Dat Feat ftnd outer Fret 
A a era Lefftmg atatt — Daa ifebeate Sympbontefcraxert der Mu*Uc*Ge*eD*cli*lt nater 
Letaing Nic. Klenowakl'a ana Tiflia nnd durch dia Mtarirkung Leopold Altera ale 
Sotlaten (Brahma* VloUakoniert) geetsltete aiob an einem Mcbet atmganden, Erfrenlkh 
- var die WledeiaaffBbniog von Kallnaikev** g-moll Symphonic; gebdrt lie deeb an den 
Beaten, via die Zelt naeh Techalknwiky attf eymphonlicbem Gebiete keont, Sie vnrte, 
vie anob die andeni orcheatnlen Nummern dea Programmer Llaata v Feetkllnger" and 
Gllnka'a Jota Aragoneae* wring} icb ariedergegebetL — Im acbtan Symphonlekouxert 
ataad tinaer GelgerkSnJg wleder am Dirlgenteapult. Daa Prognrmm etutzte aleh anf 
Glaionnew'e B*dor Symphonic Nr. 5> Strauia' V THI Etdenaplegel*, 5aint«SaeW v Une null 
k Uabonne* nnd Webera vQberonMhireilBre, Sollatlacb bctefllgte ateb Ale*. Miehaloveki 
(Prof, dea Warachaner Kennrvateritma) mtt Sehtunanna Kiarlerkonxert, flbta aber anf 
■ die Zuhflrw eewobl Im Spmpndniekoiuert, ala snob an adeem Chopin-Abend elate mate 
varblMTende ala vobltaenda Wlrkung — Bin nle veraagender etriletlacber Magnet war 
fBr daa allfEhrfgp Kooaert der PbllbanMnlacben GeeeUacbaft (Dirlgeot; Alex, Glaionnov) 
In Feodor Schaljapin geweunen. Daea seine Vorttige wfeder mtt heilatem Jnbel anf- 
genommen wurden, Ut wobl fcium des Erwiboena nStlg; ausgezelcbnet war die Wieder- 
gtbc dca acbwlerigen KUvierkODzertes von Rlrasky-Korasakow durcb Felix BlamenfeltL 

Bernbard VendeL 

POSEN; Die Poeencr OrcbcBtervereinigung batte mit dem vienen Symphonte 
konzcrt unter Paul G els 1 era Leitung cincn grossen Erfolg; Beetbovena Eroica, 
Siegfrieds Rbclnftbrt, dts Vorspiel zur .bcUtgcn Elisabeth* und Schu minus Geneveva* 
Ouvcrture gelmgea Tortreffllch. Die deutache Geaellachift fflr Knnst und 
TLBsenscbaft begin g den Mozarttig durch eJne Auffubrung der c-moll Meaee (Dirigcnt 
Prof, C. R. Hennlg, Sol 1st en: Frau Cabnbley-Hinkec, Fran Speier-Blumenbich, 
Ricbard Fiflclier) wtirdig. Em Veretn junger Kiufleutc amg Susanne Deiaolr, v lb re ad 
Willy Burmester mlt Moztrtschen Kompositionen gflozte und Hinze-Reinheld tut* 
gezciebnet begleltete. Fcmer entiOckte Eugen d J Albert mlt der Wild ttein senate, Brahma' 
f-moll Senate op. 5 und Chopinscbcn Wcrken. A. Hucb 

PRAG: Unser Konzertleben 1st launiscb wie unser Winterwetter, Von den Sol tat en 
konme Hubermann elne Suite von gllnzenden Abenden absolvieren; Ansorge 
dicbtete am Klavier vor batbleerera Saal* Im Dfirerbund ersang Brieger Kimpfs 
„Todeslust* grossen Erfolg; Klmpf selbst am Harmonium geflel be a cm den mit seinen 
hubacben Nippes fur dies in Prager Konzerten bisber noch unbekannte Inatrument 
(Mason). Camilla Brandeis brachte Wagnera Jugendpbamaaie in Sa-molJ zur Ur{?)auf- 
fubrung. Die Sensation dea Monais war Max Reger im Deutscben Kammermualkverein. 
Seine Vlollnsonate und sein Streicbquartett acbreckte die Tonaybariten und leerte die Siti- 



■ , "' ^ AH ^ K UNIVERSITY OF MICHIGAN 



443 
KR1TIK: KONZERT 



reiben. Seine Beettaovenvariationen fanden die allgemeine Anerkennung der Zuruck- 
gebliebenen. Wer dieses Werk schreiben konnte, ist ein grosser Musiker, mag er nebenher 
nocta so viel kratzborstiger, stachliger Polyphonie fronen. Dr. R. Batka 

SCHWERIN: Mozarts GedSchtnis waren in der Kammermusik das Quintett in 
Es-dur fur Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott und das Quartett F-dur 
No. 23 gewidmet. Alexander Heinemann streifte mit Mozarts „Warnung" den grossen 
Meister. Dem Verlangen nach Neuheiten wurde im Orchesterkonzert mit der Symphonie 
No. 2 A-dur von Gustav L£ska, einem Mitgliede der Hofkapelle, entsprocben. Das 
Werk bietet erfrischende und unverbrauchte Musik. Namentlich der zweite Satz (Menuett) 
ist kunstvoll gearbeitet. Frau Mottl erzielte mit der ersten Szene aus Cornelius' Oper 
„Gunlod" im Konzertsaal gar keinen Eindruck. Die starke Instrumentation ubertonte 
ihre Stimme vollstandig. Im letzten Konzert gab es den „Paulus a in einer guten Durch- 
scbnittsleistung. Fr. Sothmann 

VERDEN (Aller): Im Verein fur Kunst undWissenschaft wussten die Duettistinnen 
Dora Schulze und Anna Brill durcta moderne Gaben zu fesseln. In Otto Riller- 
Hannover lernten wir einen Violinisten ersten Ranges kennen, der, alien Virtuosen- 
mfitzchen abhold, seinem Lehrer Joachim alle Ehre macht. Mit ihm waren Marie 
Woltereck (Alt), Richard Lorleberg (Cello), Frau Lorleberg (Klavier) echt kunst- 
lerisch tStig. — Der Frauenchor des Domchores sang in dem Weihnachtskonzert des 
Unterzeichneten „Altes Kindheit-Jesulied" von Frank L. Limbert, eine gar duftige 
Komposition von vollendeter Faktur. Frieda Henrici, die Bremer Altistin, sang mit 
Beifall Weihnachtslieder und wirkte auch in dem Oratorium „Elias u mit, das ich mit 
dem Oratorienverein im Dom auffubrte. Ihre Partner waren Martha Breuer, Dr. 
Schuller und H. M filler. Der Versuch, Aufffibrungen von Oratorien zu ganz billigen 
Preisen weiten Volksschichten zuganglich zu machen, ermutigt zu weiterem Vorgehen 
in dieser Richtung. E. Dieckmann 

ZURICH: Fast alles, was ich horte, trug selbst dann, wenn es in jenen Kreisen geschah, 
wo sonst der Dilettantismus anfangt, in Vereinskreisen, den Stempel ernst gemeinter 
und ehrlicher Kunst. Zu den schonsten Stunden konnte man den Beethovenabend 
rechnen, der so eindrucksvoll wie selten unter der Personlichkeit Hegars stand, diesmal 
um so mehr, als sich reproduzierende Vollkrafc an produzierender Vollkraft mass, Hegar 
an derCoriolanouverture, fur die er einen Ausdruck von seltener psychischerKonzentration 
fand. Als Klaviergast war Ernst von Dohnanyi erschienen, ob seines G-dur Klavier- 
konzertes mit vollem Recht auf jede Art belobt. Ein interessanter Zwischenfall war 
Rudorffs w Romantische Ouvertfire", die man bei Gelegenheit des siebenten horte, ein Er- 
eignis Hans Hubers symphonische Tondichtung „Der Geiger von Gmfind", die das neunte 
Abonnementskonzert brachte. Huber tritt hier mit sicheren Schritten in die Reihen jener 
neudeutschen Symphoniker, die fiber den Einflllen die Architektur nicht vergessen, ein 
grosser Formenerfinder und -Ordner zugleich. — Ein Regerabend, den der Pianist Ernst 
Isler gab, ein Abend mit unterschiedlich guten, aber durchweg mit schopferischem Ver- 
mogen erdachten Kompositionen, den Oskar Ulmer, ein Zuricher Klavierspieler, ver- 
anstaltete, und schliesslich ein Lieder-Abend, an dem die LiedersSngerin Neumann- 
Weidele einige lyrische Musikformen bewShrter und neuer Komponisten Zurichs brachte, 
beanspruchten neben dem regen musikalischen Vereinsleben ein grosses Stuck des 
musikalischen Hauptinteresses. Dr. Hermann Kesser 



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ANMERKUNGEN ZV 
UNSEREN BEILAGEN 




M* vfer arataa BOder bezlcben atab sol dea ScUaea der ietelecbon Arbeit Daa 
Pertrtt dea Abb* Vogler 1st aadt eiaem to Attftrage Act Gro*eberio(s Lad* 
vlC I. ran Bafaaler Zatter in Darmstadt to Jabre 1811 gaaataa labeaagraseea ftlbild, 
daa ntettt to Beatae ran Prat K* & m Sehafblatt (UIB-10M& 4m Biograpben Vof- ^ 
tot, fat aUschra gewee$a war, hefgeateUt Die Ofgfd im Hlato»mndTtod die atoatlecfacn " 
VerbtttoieiibJea *af dea Blatte, dm* Vofler to der Hand Uf^ veto* «rf die Haapp 
ttcfgteft da* eiaunula b arflb n u ea Lebtare *ea Tatar and Meyetteer bte^ Be biff daa 
Portrtt von Peter Ton Wlater, dam Kompontaten dcr eta* viol grgnfrnimi Oper w Daa 
. aateitoaoban* Opferfeet*. Dataa icMlaaaaa slab dtoBBdv na Fran* Daaai uad Carl 
CennabJcb, told* nacfr ZetcfcaongM m(LE»v. matter. 

Die baldea nlcbstea Bcflagea dad ntestscbea Teasetaera gewtdmet Am l&Fefrraar 
tod la P naiatmg die feJerttcbe Bafbfinuig daa GliakfrDemkmale «Wk Mm Vorfag* 
13r onaere Abbttdnng dlanta aaa elae ton aid der EatbfflJtmg gefimigp AbetqgfapMsebe 
Momentaafiiabme* Dm Monument dee Kuapdalatm der Nattonaloper ^Daa Leben IBr 
daa Zaren* gjfet tba atebend la lantern Gebnttfc viadar and to etoe Sctfpfong dea BUd- 
toaata Bach. — fiber da kfinttcb raaawbeaea Kempaatan Aatoa Aranaky rgj, die 
ansfObrltcb* Netit aaf &* 417. Unaar BBd let nacb dar lantern nMaftepbte da* Ver- 
etorbaaea la Balaam P*t*aataf£*r Helm gefbrtlgL 

B* ton dee Fartrtt dec aa*geidcbnewn Slngeria Mathilda da Caetrone- 
Marebeai gab, Qnmauuu feeb* 2tL Hto to Ftaafcftm *- M-)» eiaar der bedetftendaten 
Jebendea Lebfckrifte dar GeeangetaneL 

Znr Eriaaernag aa den rorzfigltcbea Gelger Joaepb BSbm (f 28. Mlrz ISTB zn 
Vlen) bringen wlr win BUd nacb elaem elten Sricb. Er wtr von 1821—1868 Mitglied 
der KaiserK Hofkapeile und enifaltete cine hervomgende Tliigkeit els Lebrcr: u. a, 
^ebtiren Ernst, Joachim* Singer HeHmiberger tVater)^ L. Straut, RippoJdi zu selaen 
Scbfilern, 

Daa dlcbtte Blatt atelll vermutilcb eln EHnoeruagaxeicbea an die S telle dea 
St. Maner Fried hofes In Tien dar, an der die aterbltcben Oberreate TolTgang 
Amadeua Mozart a In der # a]lgemeinea Grubc* eimt beerdlgt wurden. Ea iat ein 
•Grabbfigel mil einem Denkatein r an dem eln irauernder Engel Wacbe bllt. Daa Grab- 
deokmal^ das dem Mclstcr im 5* Dezember 1850 auf dem Sf, Marxer Fried h of erricbtet 
warde, atebt bckanmlJcb Jetit auf dem ZentralMedbot Ob beute an der Stelle lm 
St. Marxer Fried hof r wo dietes Denbmal atand, einea aicb beflndet, da* nnacrer IHnatration 
itir Vorlage diente, konnten wlr trotz tnebrfacber Bemfibungen in Vl*n nlcbt erhbren. 
Wir briogen gleicbwobl daa Blatt In der Alio ab me, dass wlr ana tinserem Leaerkreta 
nlberea fiber daa abgebUdete Eri one rung si deb en erfibren, wo fur wir acbon lm von us 
unsern Dank entdchten. Die Auakuoft a oil evcntueil splterbin verOflfentlicbt werden. 

fiber die Note nbeN age vgL den Text der latelseben Arbeit S. 375/6 dieaea Hcftea. 

Zum SchltiBB uberrelcben wir unseren Lesern das Exiibris zum IS. Bande der 
^Muaik -1 . 

Nftthdruck nur mil *utdrD^klfelicp PrLnubn(* d«* Vtr!*t** te*t*ttef. 

A lie Rcctatfr, [nabeaofldere do der ObtrwtiMBC« vorbehilrco. 

Vwtntwortllchcr Sch rift tetter: Kapcltnetstcr Bcrnbtrd Scbutlsr, Berlin W. 57, BDowatr, 107 1. 



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FRANZ DANZ1 




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UNIVERSITY OF MICHIGAN 





MATBJLDE DE MARCHESI 
* 26. JYiarz 1823 



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JOSEPH BOHM 
t 28. Mlrz 1876 




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UNIVERSITY OF MICHIGAN 




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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



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Sltch a. DrticJn B*rhncr MualkaHiMJ J)mck«re1 On-b.fl C|*rl 




l o. JAHi* HEFT Vi 

Zweites Al&rzheft 





nach Gattungen. 

Herausgegeben yon Hermann Kretzschmar. 

Ats nachste Veroffentlichung zu erwarten: 

Bermimn Kretzschmar: Das neue deutsche Lied. 

Blsher erschien: 

Arnold Schering 

lii des Inbimeoti 

bis auf die Gegenwart 

220 Seiten. 8°. Geheftet 3 M., in Leinwund gchunden 4 M. 

NEchi rtur Jer Jf uMksPleliirt* 1 vird daa Ructi mlt frrF^lR henm/cn hfinnen, fluch 
Jem ftii-tUltentli-n KUiiNtlfr piM us ftnHtf4»wf»lrlin^ti» HhihIw*1hi-, 

Allium Mu^iWrirujij*, Gli*r|u|jv*nhurn, 2- Fcbr. lHOft- 
Lewn uirJ din Kuril J«**l*»r Unilltrr Tnusscn, Jti Irdvr mil H unlit i i rimtllch 
«Irh hpf*4*emlf Mrnnrli. Ii-^n unil h.-sit/cn. 

0-U*nvnni;Jr. MusikerZ. Inin;; % Vi'itfTi, 15. OXi. Ilhl^. 
IVnm^IikI u^J mit ltii»|TiM»n, Iri'HYnilni Worleu rlirirJikli»rUlt*rt Vfr- 
Ft%H+t*r Jic Vtrrrrtur Jer oi'j^'iu^n Ift^hiuti^L-i unj Jir li^hjri J.t i!in/e!n='i J*ormm ans Jen 
wrhirnjvhi.-nJurL h> njjkt Jic Hrurioiiin^ d^r Kon;a-rk ini; ^iti-ni^n i:i tin rieu^, utiitdvohiirtit 
Lk'lit unJ rr!vi!it daJuivh JEe rrtcM-.iLr.ift JiS Mtt^ktT^K'-i'uiiJcn. 

Kji.icrktirjr, kerlin t. Ok«. 1tfll a . 






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\m cs* 50 vwicblodDiicn Miftera, 

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uch Zrichninf tn (edsr HaJxart h MdbaldDrtthtuateo 
nip* SiloaiiwtBtt<n|^a puttod Is kanfttleriicher AuifllfaniQ(. 
„Jllkt**-Plu» n*e* elteoem P«em, * Jabrciprodukiioa ct. 2000 Flw 



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Autographic. Kunstlerisehe Titelbltttter. 

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Onqinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Cliorwerke and Weike 1 Ontoi von Cdward Elgar. 

Der Traum dcs Gcrontius, Op. 38. Fur Mezzosopran-, Tenor- und Bass-Soli, 

Chor, Orgel und Orchester. Partitur M. 63. — > Streichstimmen M. 20. — , 

Blaserstimmen usw. nur leihweise, Klavierauszug M. 6. — , Chorstimmen 

M. 8.—, Textbuch 25 Pf. 
Die Apostel, Op. 49. Oratorium fur Soli, Chor, Orgel und Orchester. 

Partitur M. 105. — , Streichstimmen M. 23. — , Blaserstimmen usw. nur 

leihweise, Klavierauszug M. 8. — , Chorstimmen M. 8. — , Konzertfiihrer 

von Max Hehemann 50 Pf., Textbuch 30 Pf. 
In the South (Im Suden), Konzert-Ouverture, Op. 50. Partitur M. 31.50, 

Stimmen M. 39.50, Pianof. Solo M.3. — , Pianoforte zu 4 Handen M.5 — . 
Canto Popolare, aus der Konzert-Ouverture „In the South 44 (Im Suden). Fur 

kleines Orchester. Partitur M. 3. — , Stimmen M. 4.75, Bearbeitungen fur 

Klavier, Violine und Klavier, Viola und Klavier, Cello und Klavier, 

Klarinette und Klavier, je M. 2. — . 
IntrodttktiOfl und Allegro, Op. 47. Fur Solo-Streichquartett (2 V., Via., u. 

Vcello.) und Streichorchester. Partitur M. 12. — , Solostimmen M. 4. — , 

Orchesterstimmen V. I., II., Via., Vcello. k M. 1.50, K'bass M. 1.—, 

Pianoforte zu 4 Handen M. 4. — . 
Trauermarsch aus dem Drama „Grania and Diarmid", Op. 42. Partitur 

M. 6. — , Stimmen M. 9.—, Pianoforte Solo M. 2.—, Orgel M. 2.—. 
Variationen fiber ein Original-Thema, Op. 36. Partitur M. 25.—, Miniatur- 

Ausgabe, M. 5. — , Stimmen M. 32. — , Pianoforte Solo M. 3.50, Pianoforte 

zu 4 Handen M. 6. — . 
Intermezzo (Dorabella) aus den „Variationen u , Op. 36. Partitur M. 3.—, 

Stimmen M. 4. — (fiir kleines Orchester: Streicher, Holzblaser u. Pauken), 

Pianoforte Solo M. 2. — . 
Vorspiel und Finale (Der Traum des Gerontius). Partitur M. 6.—, Stimmen 

M. 17. , Pianoforte Solo M. 2.—, Orgel M. 2.—. 
Marche impferiale, Op. 32. Partitur M. 3. 50, Stimmen M. 9. — , Pianoforte Solo 

M. 2. , Orgel M. 2.—. 
Meditation (Lux Christi), Op. 29. Partitur M. 5. , Stimmen M. 7.50, Pianoforte 

Solo M. 2. , Orgel M. 2.- . 
Froissart. Konzert-Ouverture, Op. 19. Partitur M. 7.50, Stimmen M. 13.50, 

Pianoforte Solo M. 2.50. 
Triumph-MarSCh (Caractacus), Op. 35. Partitur M. 6. , Stimmen M. 13. . 

Orgel M. 2. . 
Chanson de Nllit, fiir kleines Orchester, Op. 15, I. Partitur M. 2.50, Stimmen 

M. 3. , Pianoforte Solo M. 1.50, Violine und Pianoforte M. 1.50, Viola 

und Pianoforte M. 1.50, Cello und Pianoforte M. 1.50, Orgel M. 2.—. 
Chanson de Matin, fiir kleines Orchester, Op. 15, II. Partitur M. 2.50, Stimmen 

M. 3. --, Pianoforte Solo M. 1.50, Violine und Pianoforte M. 2. --, Cello 

und Pianoforte M. 2. , Orgel M. 2. . 
Mazurka, Op. 10, I. Partitur M.5. , Stimmen M. 7.50, Pianoforte Solo 

M. 2.-- , Violine und Pianoforte M. 2. -. 
Sfcrfenade mauresque, Op. 10, II. Part. M. 5.--, St. M. 7. , Pianof. Solo M. 2. . 
Kontraste (Die Gavotte A. D. 1700 und 1900), Op. 10, III. Partitur M. 5. , 

Stimmen M. 8. , Pianoforte Solo M. 2. . 

Zu bezieheu durcb jede Musikalienhandlung, sowie direkt von den Verlegern. 
LONDON, NOVELLO AND COMPANY, LIMITED. 



J::r:i. 



C "r\r%olr Original from 

v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



KMUcert-Direktion 

Leonard 



Berila W M Linkstratte 20. 



JUUhmrlRtiuti tt 

Willy Bunnester, 
Wilhelm Backhaus 

Das Brtlsseler 
Streich-Quartett, 

Ottilie Metzger- 
Froitzheim. 



Mr L Jamani da w HusIK M 

Est abzugoben; gbd. in Original- 
elnband. Prals SO Ilk. Gefl 
Anfragen sub 9* H. in die 

Expedition der MUS1K erbeten. 



ttiltr*m«ffc*t; £■ itthi 

inn Verkitur tin* P*rU* 
feiu, gtripptfl Oiw 
■riaideti. flefUlU mil 
frliohem W*ldipo0* uad 
dieiei bepflnDit mlt HjU 
falamtni linden ; die MtJ 
blbnen |r*Lb*D inch tmd 
uch *ue deo Moat her- 
Tttr, ntid btld kbaepaa 
tie nnd blahtt - if 
g»&*» FriihjiOtr htadarob 

etaon anliflcke&den 
Feailerwhamck blldtfnd 
«UHUl*MmatBlt 
Waldawai sad taflsait 

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2 lolaher kanpfett | 
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von Paul Zschorlich. 

Es gehtirt zu den Gepftogenheken eines guten 
Deutschen, sich an kalendcrmlssig festgesetzten 
Tagen zu begeistem. Leute mit empfindlicben 
Hfrorganen, denen das unisone Geriiu^ch des 
gescbitomlsslgen Enthusiasm us schon lauge 
tin Argemia 1st, sind der Meinung, man solle 
lleber, als aur den Mund des Nacbbare, einmal 
in sein eigen Ich hineinseben und zu erforscben 
trachten, wieviel von dcr Grftssc des verstor- 
benen KQnstlers oder HaJbgotte noch in una, den 
Lebenden* lebt. Der bekannte Leipziger Muslk- 
kritiker untervucht ratt unbumherziger Aur- 
richtigkelt die Frige: Was ist uns, den fcunst- 
empflndenden Menscben von heute, Mozart? 
Gerade den Freunden Mozartacher Musik sei 
dtese Schrift empfohlen, an der ait die eigene 
AnTMchtigkelt prufen Unnen, 



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BratTdtiai and Ccliis 

na* dm akustirQen rrtaiipltn 
dtr alien itallniiri&ra DlcUttr 

• « fl»r, tormmnu CMorle) * * 

tfttfae «twtatawla«i BtlfUriHata ttaa dran in ftrrtfit^ 

raifae>m toileaMntBcbitT nitjt ant neiejoertla, Muflrra a*«* 
mBfca atnclkca tow, Urn* arafic flnukl lUnnlR, tic tal^e 
janraMfnit m arir crDarkn* Wn aUr tin aaf Irani par* 
araaaanenet Kaahurmuaramaani iafi amt IwftJrttft. tUfkaaaL 
Bneratnnuigm kttann la mrta* nttUct jeanzrh rtaocttna wttftx 



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IV 



Onciinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



^Tom 1 Kompoaillonen von 

RICHARD FRANCK. 

Op. 37. ItrammtiHCho Oiirrrtttre fiir 

grosses OrdicsKT. Parti tur , . . . M H 10. 

Strmmen „ 10. 

Op. JR. WuMpliniilntflPii flip KlmiPr „ 4. 

Einzeln: No. I „ 1.20 

No. 2 „ O.tiO 

No. 3 „ 120 

No. 4 LH> 

Op. 40. IJpbealilyll lAinor unJ Psrchci. 

TonJichtunR fur grosses Oreb ester. 

Panitur . , . . - * in. 

Op- 4L l|iiHrtt B tl (in einem SaivJ fiir Y inline, 

Bratscbe, Violoncello und Klavier . . „ 7S0 
Op. 42, Drcl Littler flkr MJIiimTi'hor. 

Partitur 1. 20 

Stimmen 1.N0 

Op. 43, TlolhikiHixi'H* KIuvieraLL&zug „ tf. 

Terlag der Schlesinger'sttien Budi- und Hiauillnng 

in Berlin W* f Fran/ii*.ischesti\ 22 2X 



Dicsem Heft Ikgr ein I'mspcfcr bei vmii Verlng llreilJ- 
llen, HalPiiMe*** fiber die riulu»HH|»Rrillur /urOuvttr- 
tnre Mrnifred vein Hubert Ki-limiuiiiu. 



[us* 



ubeziehen durch a I 



= Bereils iiber 1500 Bandc ^ 

kritisch revidierto Gcsamt- Ausgabe 

der Classlker, UntericMaworke 

= und modcrncr Meistcp.=^ 

WELCHEHACH DEN PRIHCIPIEN DER HEUTIGEN 
TECHHIK VON DEN HERV0RRAGENO5TEN 
MUSIKPADAGOGEN BEARBEITET 1ST. 
Neben den Classikern sind die W&rke der 
bedeutendsten Komponisten darin aufqenommen, 
wie: von Blilow, Bruckner, Goldmark, 
Kcschat.KienzL Liszt, Reger, Rubinstein # 
Smetana, Rheinberger, Volkmann, 
Richard Strauss, von Suppe, von Wilm, 
Wolfrum, Ziehrer und vlele Andere, 



,atal o ge 

1 grati 6 — 
f r a nka, 




iemjum mm 

Berlin W. 35,47, StBglHw- 
itr.GBo MuilkiHenhindl|. 
hi hcBirthT, duivh *o]ldu, 
ku]»ni? und schntllc Be- 
d ten u nn I h ren K linden - 
kreis /u crweLiern. Zur 
Erlck-tiderunK der An« 
schaffiiTijE wtrdtn mtnit- 
lichf ToPHMunun Tn der 
Htfhe dc» 10. Tel lei den 
KmifprtiseK cinder* umf, 
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neurit Aufl. o Ficlikrtalog 
prfttit O Porttfr. S*ndung. 



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Richard Fischer 

K»im*rt- und Oratorien-Tenor 

Frankfurt a. Main 

l.enauslr. 7fi. 
Konzcrtdir. Norm. Wolff 



FM Mm Pot Yogi 

Konzertsangerin 

Sopran-Mezzosopran 

Mciningcn (Thiiringen) 

Helflnen*tra«*e 8. 




kouzf rt, Oraturiiini 

Thland- 
Ktr. H p. 



Has 



Amelia Thylleri 

Spc/ifllkhrirln 
dirr Timlin iii dc* .,bt;li:Jtnti r" 

ki o'm.in/hiiduiiki, pr-l/ Ts., Tun- 

Berlin - Charloitenburg, 

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Schoeizerisches Concert-Bureau Basel 

Anaiganeiils ion [minrten * Vertretasg henonagender KHnstler * Vermlttlungen von Engagements. 






Onqinal from 
UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Stern' selies Konsemtorium ee tlSSSFEZ?* 

Berlin SW. Gegrundet 1850. Bernburgeratr. 22 a. 

Hanptlebrer : Madame Blanohe Corelll, Frau Lydfta Hollm, Frau Prof. Selma NloUats-Kempner, Anna Wfiltner, 
Alexander Helnemann, Nloolant Rothmahl, kdnigi. Kammersfinger^WladjilaTSeldeniann, S. Klibansky, R. Weinhdpel. 

0. Bertram, Theodor Bohlmann, Felix Dreysohook, Sandra Dronoker, Se?ertn Blsenberger, (Mother 
Frendenberft, Gottfried Galiton, Brnno Oortatowikl, Brnno Hlnse-Relnhold, Professor Martin Kranie, Emma Kooh, 
Professor Jam ef Kwast, Frieda Kwait Hodapp, Grossherzogl. Kammervirtuosin, Max Landow, Dr. Fanl Lntienko, 
Professor 8. A. Papendlok, Professor Phlltpp Rfifer, A. Sobmldt-Badekow, Tb. Sohdnberger, Hofpianist A. Sormann, 
Professor B. B. Tanbert, W. Harrleri-Wlppern, Rob. Klein, Gnita* Pohl, Hartba Sanfan, Clara Kranie, 
Panl Oeblsoblftger. 

Professor GnitaY Hollaender, Alfred Wittenberg, Konzertmeister Frltl Aranyl, Konzertmeister Max 
Grfinberg, die kdnigl Kammermusiker Willy llloklng und Walter Rampelmann, H. ftotUleb-fforen, W. Kiitob, Max 
Modern, Clara Sohwarti usw. (Violine) Joiepb Malkln, Bngen Sandow, kdnigl Kammermusiker (Cello); Bernhard 
Irrgang, kdnigl. Musikdirektor (Orgel) ; Carl K&mpf (Harmonium); Fr. PoenltX, kdnigl. Kammervirtuose (Harfe); 
Kapellmeister Professor Arno Kleffel, Hans Pfltzner, Professor PMlipp Rnfer, Professor B. B. Tanbert, Wilbelm 
Klatte, P. Oeyer, Arthur Willner (Harmonielehre Komposition); Dr. Leopold Schmidt (Musikgeschichte); Sga. Dr. 
CapUnoehl (Italienisch); Dr. med. J. Katiensteln (Physiologic der Stimme) usw. usw. 

Kapellmeistersohnle: Kapellmeister Hans Pfltzner, Professor Arno Kleffel. 

Chorsobnle: Professor Arno Kleffel, PrlmaTlsta: H. Oottlieb-Noren. 

Orehestersohnle : Professor OnstaY Hollaender, Gottlleb-Iforen. 

Blftsersohnle : Die konigl. Kammermusiker Roessler (Flfite), Bnntfnss (Oboe), Ransoh (Klarlnettc), Koehler 
(Fagott), Llttmann (Horn), Koenlgsberg (Trompete), K&mmling (Konirabass). 

Kammermnslk: Professor James Kwast, Bngen Sandow, kgl. Kammermusiker, Onita? Bnmke (Blaser-Ensemble). 

Seminar fur die Ausbildung zum Lehrberuf: Leiter: Professor 8. A. Papendlok, Fanl Cteyer (Klavter); 
WUly Nicking (Violine), W. Seidemann (Gesang). 

Elemenlar-Klavier- und Violinsehule ^r»ra^Ml: 

Sobansplelsohnle: Die Schauspielschule des Dentsohen Theaters (Direktor Max Retnkardt) ist mlt der des 
Stern'schen Konservatoriums TOrelnlgt. 

Opernsohnle: Leiter: Nloolans Rolhmohl, kdnigl. Kammersanger; Partieen- und Ensemblestudium. Professor 
Arno Kleffel kgi. Chordirektor Jnlins Oraefen, Otto Llndemann ; Corrcpetition: Kapellmeister Max Roth. 

Sonderknrse fur Harmonielehre, Kontrapunkt, Fuge und Komposition bei Wilhelm Klatte. 
Sonderknrse uber Isthetlk der Mnslk: Musikschriftsteller J. C. Lnsztlg. 

Beginn des Schuljahres 1. September, des Sommersemesters 1. April. Elntritt jederzeit, Prospekte und 
Jahresberichte kostenfrei durch das Sckretariat. Sprechzeit 11-1 Uhr. 

\Tir g il *Kla vierschule 

des Stern'schen Konservatoriums 

Berlin W., Potsdamerstr. 115a. Direktor: Professor <Miisfav Hollaender. 

Eintritt jederzeit. Prospekte Kostenfrei. Sprechzeit 11—2, 3—6. 



Deutsche Verlags-Anstalt in Stuttgart 



Deutsche Revue. 



Herausgegeben von 
Richard Fleischer 



JedenMonat erschcint ein Heft von 128~Seitcn. — Preis vicrteljdhrlich (J Hefte) 6 Mark. 

Inhalt des M&rz-Hcftcs 1906: 



Dentschland und die answarti^ePolitik. 
V. von W.: Der Zar und seine Berater. 
Prof. Dr. J. Fchling: Die Bedeutung der 

Mutter Fur ihr Kind. 
Frcih. von Crainni-Biir^dorf: Tagebuch- 

bliitter aus dem Jahre 1SS4. 
Alf. Scheler, Obcrlandesgeriehtsrat: Hein- 

rieh Heine. 
Rudolf von (lOttschall : Das kntisehe 

Richteramt in der Literatur. 



Hermann Oncken: Aus den Briefen Rudolf 

von Bennigsens. 
Professor \V. Mittermaier: Die heutige 

Justiz und die Geistesfreiheit. 
Friduhelm von Ranke: Vierzig ungedruekte 

Briefe Leopold von Rankes. 
Dr. von Schulte: Deutsche Nationalziige 

im Rechte. 
R. Schankal: Die Sangerin. Novelle. 
(iahricl Monod: Briefe von Malwida von 

Mevsenbug an ihre Mutter. 



Beriehte au< alien WKsenschaften, literarische Berichte u. a. 

Das Januarhcrt lk-fuf iede Huchhan Ji u;'.i; /ur A:»sivin, a^'Ji die Deutsche Vcrlag-s-Anstalt, Stuttgart. 

Interessanteste deutsche Monatschrift ihrer Art 



VI 



J::;i ".i/.OV* 



C "r\r%olr Original from 

v^ki^r UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Konservatorium der Musik zu Koln 

unter Leitung des stadtischen Kapellmeisters 
Herrn General -Musikdirekior Fritz Steinbach. 

(Schuler-Frequenz 1905: 54-8, Anzahl der Lehrkrafte 52.) 
Die Aufnahme fiir das Sonimer-Senittster findet am 2. April, vormittags 
9 Uhr statt. Schriftliche Anmeldungen sind bis zum 31. Alarz beim Sekretariat, 
Wolfsstrasse 3-5, einzureichen. Der Vorstand. 

KlaMusbildMlatte des Herrn Carl Frledners. 

Neu-Aufnahme am 2. April, nachmittags 3 Uhr. Anmeldungen an das Sekretariat. 

Es sind sofort oder zu Ostern folgende Orchest.-Freistellen an unbemittelte junge Leute, 
die sich der Ausiibung der betreffend. Instrumente berufsmiissig widmen wollen, zu vergeben : 
2 fiir Flote, je I fUr Klarinette und Kontrabass. 

Bewerber, die auf Grund ihrer schon erworbenen Kenntnisse im Schiiler-Orchestermit- 
wirken konnen, erhalten ausser dem Spezial-Unterrieht auch noch Unterricht im Klavier- 
spiel, in Theorie usw. Anmeldungen mit selbstgesehriebenem kurzen Lebenslauf an die 

Direktion des Konservatoriums. 



Konzert-Direktion Hermann Wolff. 



Saal Beclisleiu: Montag, 19. Marz, abends 8 Uhr: 



Liederabend ValbOrg SvardStrOIIl von der konigl. Hofoper in Stockholm 

Am Klavier: I* rot". Julius S|m*iik<*1. 

Karten M. 4, 3, 2, 1 von 9 ' _>8 bei Bote & Bock u. Wertheim, Leipzigerstr, 



— — — — ifeetlioveii.Httal : Freitag, 30. Marz, abends 8 Uhr: — — — — 
Orchesterabend juuger Komponisteii ans Warschau tint dem Philliarmonischen Orchester 

Dirigent: Georg Fitelberg. 

Ueoriz Fil«'lbrrK:: Symphonic <r-mo||), op. Hi. — Fiirst liUilislau* l,ubomlraki : Andante. 
Lndomlr R6z > yeki : „Eioleslaw der Kiiline", op. 7. <-. rit«»lh«*rj;: „Lied vom Falken u , op. 18. 

Karl Sxyuiauow ski : Symphonisehc Ouvertiire, op 12. Samtliche Werke zum ersten Male in Berlin. 

__i_ Karten M. 5, 3, 2, 1 von 9 ! ,»8 bei Bote & Bock u. Wertheim, Leipzigerstr. _-_ 



final HooliHiein: Sonnabend, 31. Marz. abends 7'/2 Uhr: 



Sonatenabend Ferrnccio Busoni (Klavier), Alfred von Glehn (Velio.). 

Beethoven: Sonaten op. 102 No. 1 (C) und op. 102 No. 2 (D) fiir Klavier u. Violoncello. - Ituftoui: 
Variationen „Kultasele u fiir Klavier u Violoncello. - Samuel KoitMMfaii: Sonate fur Klavier u. Violoncello. 



:n „i\.uuaseie rur ruuvicr u vioionceiio. — .-^rtimit-i iioiiKt^titii. oomue rur ruavier u. vioion 

Karten M. 5, 3, 2, 1 von 9 ] >8 bei Bote & Bock u. Wertheim, Leipzigerstr. 



Philharmonic: Montag, 2. April, abends 7 1 2 Uhr 



Letzter Liederabend Ludwig Wiillner 

unter Mitwirkung des Anna Willi nernchen Fran en chores. 

Liedcr von Schubert, Luh<> : Archibald nonplus. Schumann: lHchterliebc. Rrahms: 

Deutsche Volkslieder. Frauci: chore von llralmiN und DelihcN. 

__ Karten M. 8« 2, 1 von 9 - 1 e 8 bei Bote & Bock u. Wertheim, Leipzigerstr. ___ 



UceihoveiiHHHl : Montag, 2. April, abends 8 Uhr: 



Konzert zum Rest en ties Deutschen Vereins fiir Kinderasyle in Schoneberg., 

veranstaltet von Emmy Di>*tiiui, Kgl. Hofopernsangerin, unter Mitwirkung 

von Sergei Kortkiewicz (Klavier) 

und dem Philharmonischen Orchester (Dir.: Aug. Scharrer). 

Wafjner: Ballade d. Senta a. „FlicRcnde Hollander". Seliiibert-LiNzt : Wanderer-Phantasie. .Mozart: Aric 
a. „Figaros Hochzeit 44 . Jlortkiewicz : Klav.-Knn^ert iH-moll) z. 1 Male. Manuskript. Lieder m. Klav.-Bgltg. 

__ Karten N[. 5, 4, 3, 2, 1 v. 9 1 2 H b. Bote & Bock u. Wertheim, Leipzigerstr. 



— — BeethoveiiNHHl : Mittwoch, 4. April, abends 8 Uhr: — — " — — 

Vohal- O a a rtett- A ben d 

Jeannene Grumbacher, Therese SchnabeK Paul Reimers, Arthur van Eweyk. 

Am Klavier: Artur Srhuabel. 
===== Brahms- Abend. ======== 



Karten M. 5, 4, 3, 2, 1 von 9 V28 bei Bote & Bock u. Wertheim, Leipzigerstr. 

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Verlag von GEBROdER HUG & Co., LEIPZIG und ZORICH. 



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Uolhm. Andreae 

Op. 10. 

Seeks Gedichte von 
Conrad Ferd. Meyer 

in Musik gesetzt fur 
eine Singstimme u. Klavier. 



Neue Lieder. 

M. 
No. I. Requiem. „Bei der Abend- 

sonne Wandern" — .80 

No. 2. Ein Lied Chastelards. 

„Sehnsucht ist Qual" ... 1.50 
No. 3. Schnltterlied. „Wir schnit- 

ten die Saaten" 1.20 

No. 4. Eingelegte Hader. „Meine 

eingelegten Ruder triefen" . 1 20 
No. 5. Abendwolke. w So stille ruht 

im Hafen* 1.20 

No. 6. Fiille. „Genug ist nicht 

genug!" 120 



^ 



Ansichtssenchmgen bereitwilligst. 



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David Popper, op .74 Streichquartett 



(C moll) 



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Partitur Mk. 4.50 no. * Stimmen Mk. 9. 

Verzeichnisse uber die in meinem Verlage erschienene Violin- u. Violoncell-Musik, 
mit kritischen Bemerk. und Besprech. der hervorragend. Werke, sowie Angaben 
des Schwierigkeitsgrades versende ich an jede aufgegeb. Adresse gratis u. franko. 

Yerlag Ton Friedrich. Hofmeister, Leipzig. 



Konzcrt-DireMion Hermann (flolff 

SQQ] BCChStCJIl! 19. Mar/: Yal»M)rtf Svardstrom (Ges.) 20. Marz: Anna Kohm (KL 

21. Marz: Marta Ludewigr (Ges.) 23. Miirz: Herm. Kliim (KL) 24. Marz: A. Witten- 
berg (Viol.) II. 25. Marz: (iracia Rieardo (Ges.) 20. Miirz: Dorothea Schwenken- 
beeher (Ges.) 27. Miirz: Anna Ballio (Velio. i 2S. Miirz: Jane Ar*r»r (Ges.) 29. Marz: 
Alberto Jonas (KL) 30. Miirz: E. 0. Nodnaerel (KL) III. 31. Miirz: Busoni und v. Glehu 
(Velio.) 3. April: Retina dWrtelli (Ges.) 4. April: Jane Arirer (Ges.) II. 

B66thOV6f1 M SOQl ! 20. Mar/: Tala und Harry Neuhaus (KL) II. 22. Marz: Alberto 
Jonas (KL) 23. M:ir/.: E. teller- Wolter (Ges.) II. 24. Marz: M. Shapiro (Viol.) mit 
Orehestcr. 27. Miirz: ('. Ansorire IV. 2S. Miirz: A. Sebald. 29. Miirz: P. 0. Siilliran 
(Kl.i und Helene Stein iGe>j 30. Miirz: ii. Fitelberir (Komp.) mit Orehester. 31. Miirz: 
Hochher^-Aheiid unit Ordusten. 2. April: W'ohltati^keitskonzert Emmy J)e*tulti, Kgl. 
Hofopernsiin^erin und S. v. Bortkiewicz (KL) mit Orehester. 3. April: W. Sapellnikoff 
(K!.i 4. Apr;:: \ <>kal-Quar t.: (iruinbaclier, Sehnabel, Beimers, Eweyk. 

SinfldkntlBniiG! 20. M;ir,: Dessaii-Ouarlett III. 21. Miirz: Anna Stephan (Ges.) 

22. Miirz: M. DirkeiiMHi i\ iol.» in it OreneMer. 21. Miirz: Adeline Bailet (KL) 28. Marz: 
Schumann-Trio III. 30. M.irz: Dr. 11. Brau>e iL,c-.i 31. Miirz: Paul Thai (Bar.) und 
Else Jansen iRl/.i 2. April: M. t.rabert und ». \. Moellendorflf (Komp.) 

PhilhtinnOniB! 2^. Miirz: Cencralpruhe u:id 20. Miirz: Pensionsfonds-Konzert. 
Diriment: Arthur \ikiseh, ^olist: Ernestine Scbiiiuaiiii-lieiiik. Ghor: Der Berliner 
Eehreuresanjrverein, Dir. : Prof. Felix Schmidt. 2\). Miirz: E. Mysz-Guieiner 2. April: 
Dr. E. WiiJlner. 






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St. Pauli, Schanzenstrasse 20—24. 



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M. 1200.— ntstto. 



Hof - Pianoforfefabrikanfen 



M. 2100.— net to. 



Sr. Majeitflt del DeutBchen Kaiuera und Koniga Ton Prauaaen. 

St\ MiijunmL duo K»l*^~vygn Osterroicb und Honiga too Va|trD« 

6r. Mujestftt dea Eaieera von Hussland. 

Sr. Majeatat des Koniga Eduard von England. 

Ihrer Hajeat&t der K5nigin Alexandra von England, 

fir. Majaattt doe Schah von Feraien. 

Sr. Majestat daa Kdnigi tod Sachaea, 

Br. Majeat&t don Koniga yon Italian. 

Hirer Majoetat der Kdnlgin-Begentiit von Spanion. 

Sr, Hajeatfit das Koniga too Schwoden mid Norwegoo* 

8r. Majeat&t dei Sultana der Turkei 

etc. etc. ate. 



"■I Uli 



Nich mdner Meinunft fcommi wctfcr to Aroeriki noch in Europi dn tnderc* Ftbrifcii ibrao yoriOglichea 
ugnissrn In trgcnd eincr der bervomgenden Eigenschiften rthr, wclche sic dem KQaiiler und PubKkucn gJeich wert 
ncn Auf tile Ffilte 1st Jhr FibnLn (ettl in cueinen Augcn dts ideate Produkf unieres Zclmlten, Etfpoa 4'Albart 

E* much? mir cio gini lu&serordeatliche* VergnGgcn, Ihncn telbit zu imgen, d«$t meiac Verehrung und 
Bewuaderung fOr die unflberwiffeae Schonhcit del Totiei, die VoHendung dts MccbioUmui and die wlrkllcb wunder- 
birc Diuerbiftlgkelt unbegrenzt bind. 

EM. Mil 1601. Terwa Carrftna. 

Mcinc Pmuk Da Pdlle, die Macht, die Idcile ScbOnbeU dei Toflei und die VoUkommenbelt der SpJel* 

art I brer Klivicre 1st unbegrcn/t. I, J. PndenswakL 

Bel eJaer tadeilesen KUviifur, drier physikillsctt denktunt richtifcen tCorjitruktion. verelnea Ihre FlQgel Ua 
Klinge die Kraft, die Weicbheit uad die brillmz, towie die Jlngstc Tondiuer, und lie ermOgUcbert die gr&tatc Ver* 
•ehfedenheit der AfiidUagMfl FerrucaSo Busoni. 



Ibre unveTglel"hlfc l »ra lairmm me 
Itcheriich encheinen muss 



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IHRER kGNIGL. HOHEIT DER PRINZESSIN FRIED RICH KARL VON PREUSSEN 

SEINER KONIGL HOHEIT DES PRINZEN LUDW1G FERDINAND VON BAYERN 

SEINER K6N1GL* HOHEIT DES HERZOGS VON SACHSEN-COBURG-GOTHA 

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Fn^n d'Alh<*rl: Mil auPrichti£er Freude erereite ich die GeleienhelT* Ihnen von ncuem metric Bewundcrmip 
flner Ihre herrlichen HC^ei ausiudiQcLen, Ich bin mir hewusfrf, dcnsclbcn einen nicht imhedeute&den Teil meine* 
Eifolce tu vet darken. Ton,. FpitJarT und Daurrhaftiglieit hi be ich nocu bei ieinem andrren Instrumente in glcic&ar 
VortGfclicbkeit vereinie.r (efunden, wle bci Jen lhri(en und icb hoffe, such bci meinen ferneren Konzemeisen aieis Inner 
Flllgel bedicnen zu dflrTen. 

Ferrnrrlo K. BhhoiiI: Ersi bei meinan Londoner Recitals batte ich eine erachGpfendc Gtlepenheit, ail 
den B(Ch>tlin-H&zeln bekannt zu werden, Diejiethen h&btn in jeder Hirsivbl alien meinen I mention en enr*prochai. 
AngeskhTS der hochsten mir ^fcrLc^ten Auf^ahen del Vorirtjs und der Technit, wie sie mcin Programm umTisstet, 
nedeutet das einen £ us hero rde ml icb en Kft/j; fur die Ecl luteins hen Jnstrnnenie, deTfin unnestre-llaaj'ft VtrziiflMcfakeft ZO 
pre teen* mir zu QrtjssfT Frrude geruicht. 

T**r^w* t4trrottA: Die Bcchsrein-PiinoF, die ich tuf itlcn meineu europli^chen Konzert-Tourrecs » 
npielen d»s Verj:nii^n hattr T sird Jss Idril von Vo!ifct>mmenheit ur h d der KQnwier, der den Vonuft h*K s«e fu bp^elem* 
kinn *iuh in dtr Tit erf.n:! ; erc» Fs i i iU?* ]ns'it:Ricr:t. vcltfiH >l]? h n tnderrn vor*us den Anspruuhen eir.cs Ks'iMJen 
entvprichr ui;d ihm Catu vrrliilff, <1:c TTcLtc drs TonRfl una des AoPChlajei zu enielei, die er xu crUfigcn »0nscbt* 
A'drie HewundrninR ffir dif h^-hsrciti-Htnoii isl unhe£rei^l. 

iM'opolil CMail^^Hkj : F.s 1st nir em *■:■■£* Hcrtei:shrdiirrnis, thnen meine unb*e.reoJte Bewunden-n 
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vm er im CrunJr des Hcr;ens fCihit. Mit cinem U one, dag Bechatfcifl-Jji&tmmint lit und bEeibt die VoltkooimenFiAit, 
da» IdoaL d«fl Kunttlfir*, 

Bopbl«r Jrt^nl^r: BechsUln i*t dcr KOnie tJicr Pii^ofdrtebiuer 

Kflimrd Itinl^r: E« isr ijrmflplicli in Vorrrn dis itevisse Enru tatEudrflcken l du den Klivieren der 
Flrtni Beohpteln jhren befcondcren UcIl vntribt, Man muss sie eben «pit!en. um c4 zu Ldren und zu fOhlen* Tu 
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Schmelrtinj vcrn ill den F.ifensi haffen^ die ^rJ den andertn Itbrilaren nuc verein«]| vorki-mnicn. Sin find ftle Pi|izr(CI 
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ltltfhairaf Wftgn^r: Die Becbsicintchen Piin« sind tOncnde W«hlM;en fir die mualiiUscbc Well.