FANNY UND FELIX
MENDELSSOHN
»Die Musik
will gar nicht rutschen
ohne Dich«
Briefwechsel 1821 bis 1846
Herausgegeben
von Eva Weissweiler
PROPYLÄEN
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
»Die Musik will gar nicht rutschen ohne Dich«. Briefwechsel 1821 bis 1846 /
Fanny und Felix Mendelssohn. Hrsg. von Eva Weissweiler. - Berlin :
Propyläen, 1997
ISBN 3-549-05528-5
© 1997 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Propyläen Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Satz: Utesch Satztechnik GmbH, Hamburg
Druck und Verarbeitung: Graphischer Großbetrieb Pößneck GmbH,
Pößneck
ISBN 3 549 05528 5
Printed in Germany 1997
Gedruck auf alterungsbeständigem Papier
mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff
INHALT
Vorwort
Kavaliersreisen
1821 bis 1824 13
Passionen
1825 bis 1829 28
Hofmalerin Hensel
1829 bis 1832 104
Musikdirektor in Düsseldorf
1833 bis 1835 135
Gewandhauskapellmeister in Leipzig
1835 bis 1839 196
Das italienische Jahr
1839 bis 1840 313
Leipzig-Berlin: Finale
1841 bis 1847 333
Nachwort 399
Anmerkungen : 416
Literaturverzeichnis 480
Personenregister 483
VORWORT
Über Fanny Hensel, die ältere Schwester Felix Mendelssohns,
wußte man bis etwa 1980 nicht viel mehr, als ihr Sohn Sebastian in
seiner Familienbiographie überliefert hatte 1 . Er schilderte seine
Mutter als energische, kluge Frau und brillante Briefschreiberin,
die sich trotz hoher musikalischer Begabung in ihre Rolle fügte
und den Bruder als überlegenen Künstler akzeptierte. Dieses Bild
ist von der Nachwelt unterschiedlich interpretiert worden. Die
ältere Mendelssohn-Biographik urteilte fast einhellig negativ über
Fanny. Sie sei hysterisch, sentimental, besitzergreifend und eifer-
süchtig 2 gewesen, als Komponistin eine völlige Dilettantin. 3 Dabei
waren damals nur ihre Lieder »Heimweh«, »Italien«, »Suleika und
Hatem«, »Sehnsucht«, »Verlust« und »Die Nonne« bekannt, die
Felix in seine Liederzyklen op. 8 und 9 integriert hatte, ohne ihre
Autorschaft zu erwähnen. Man einigte sich entweder darauf, sie
als unbedeutend abzutun, oder besprach sie so, als seien sie von
Felix. 4 In neuerer Zeit hat der Komponist Diether de la Motte eine
Lanze für sie gebrochen, ihnen eine förmliche »Liebeserklärung«
gewidmet: In Mendelssohns sonst eher uninteressantem Lied-
schaffen seien sie die einzigen Lichtblicke. 5
Seit 1980 ahnten Musikwissenschaftlerinnen, daß Fanny mehr als
nur die Schwester ihres Bruders war. Sie lasen das Buch von Hen-
sel und die wenigen, von Bruder Paul überlieferten Briefe von
Felix an Fanny 6 neu und entdeckten eine von Gesellschafts- und
Rollendiktaten behinderte Komponistin, vom Vater, einem Sohn
Moses Mendelssohns, in weibliche Schranken verwiesen, von Fe-
lix in der Veröffentlichung ihrer Werke blockiert, ohne Forum
und Publikum außer den Gästen ihrer »Sonntagsmusiken« in der
Leipziger Straße 3 in Berlin, die allerdings einen hervorragenden
Ruf genossen.
Für die biographische Weiterarbeit fehlte es an Quellen, an ver-
wertbarem Material. Das für die Archivierung ihres Nachlasses
zuständige Mendelssohn-Archiv der Staatsbibliothek Preußischer
Kulturbesitz in Berlin gab Informationen und Autographen nur
tröpfchenweise heraus, je nachdem, wie die Anfrage dem Leiter 7
ins Konzept paßte. Feministinnen hatten gar nichts zu erwarten,
produktionswillige Rundfunkredakteure nur sehr wenig. 8 Selbst
habilitierte, männliche Musikwissenschaftler wurden mit Halb-
wahrheiten abgespeist und warfen schließlich das wissenschaftli-
che Handtuch. 9 Wer telefonisch bis zur Archivleitung durchdrang,
bekam die Auskunft, Fanny habe »schlechte Musik« komponiert.
Jede wissenschaftÜche Aufarbeitung von Leben und Werk wurde
jahrelang mit System verhindert, denn Fanny, ließ der Leiter ver-
lauten, habe sich einen Nachruhm als Komponistin nicht nur nicht
gewünscht, sondern sogar »strengstens verbeten« 10 . Darum hielt er
es auch nicht für nötig, zuverlässige Verzeichnisse der in seinem
Archiv verwahrten Briefe und Kompositionen zu veröffentlichen.
Die in dieser Ära entstandenen Quellenübersichten sind unvoll-
ständig und fehlerhaft. 11 Teil- oder Gesamtausgaben wurden zwar
immer wieder angekündigt 12 , aber nie ernsthaft realisiert.
Diese wissenschaftÜche Ächtung und Ausgrenzung hatte einen
besonders unangenehmen Beigeschmack, da sie die Dislaiminie-
rung Mendelssohns unter den Nationalsozialisten fortsetzte. Wie
durch ein Wunder waren in Zeiten schlimmster antisemitischer
Musikpolitik Autographen von Fanny und Felix erhalten geblie-
ben, darunter unter anderem seine Jugendsingspiele und frühen
Streichersinfonien im ehemaligen Ostberlin. Nun war die Zeit der
längst überfälligen Aufarbeitung gekommen, und nun wurde die-
se von offizieller Seite verweigert, für ausländische Wissenschaft-
ler ein ebenso großes Rätsel wie Ärgernis.
Das Thema »Fanny Mendelssohn« oder »Fanny Hensel« - der
Streit um die »richtige« Namensgebung verharmlost das Problem
- ist nämlich keineswegs Domäne der Feministinnen. Wer über
die Persönlichkeit von Felix, den Entstehungsprozeß vieler seiner
Werke, sein Verhältnis zum Juden- und Christentum, seinen ge-
sellschaftlichen Standort, seine Beziehungen zur zeitgenössischen
Musik, Literatur und Malerei, seine Strategien als Konzertveran-
stalter und Dirigent mehr als das immer wieder Überlieferte wis-
sen will, wird nicht umhin können, sich auch mit Fanny auseinan-
derzusetzen. Denn Fanny war seine engste und älteste Vertraute,
nicht nur Schwester, sondern auch Beraterin, Freundin und Kol-
legin, die er bei aller partiellen Emanzipationsfeindlichkeit tief re-
spektierte. Natürlich war die Beziehung Schwankungen unter-
worfen. Felix war der reisende, in ganz Europa prominente Kom-
ponist, Pianist und Dirigent, Fanny die im stillen agierende Künst-
lerin, die über Berlin kaum jemals hinauskam. Das führte zu Kon-
flikten, Mißverständnissen oder auch Entfremdungen. Doch
macht die verblüffende Offenheit, mit der diese Gefühle behan-
delt werden, den Dialog erst recht spannend und aktuell.
Fannys Briefe an Felix finden sich zum größten Teil in den soge-
nannten Green Books in Oxford 13 und sind in den letzten Jahren
in mehreren Teilausgaben ediert worden. 14 Die deutsch-amerika-
nische Auswahlausgabe von Marcia Citron 15 ist in Deutschland
nicht zugänglich und krankt bei aller Genauigkeit der Kommen-
tierung an fraglichen Lesarten wie substantivischer oder adjektivi-
scher Deutung von Eigennamen (zum Beispiel »Reihe« statt »Rei-
cha«, »greulich« statt »Greulich«), fehlgedeuteten Ortsbezeich-
nungen (»dessen« statt »Dessau«) bis hin zu unfreiwilliger Komik,
wenn etwa aus der »selbständigen Autorin« eine »halbstündige«
oder aus einem »Felixmännchen« ein »Felixärmchen«, übersetzt
als »poor, little Felix«, wird. Solche Irrtümer sind weniger der im-
mens fleißigen, des Deutschen verblüffend mächtigen Herausge-
berin als dem Verlag anzulasten, der es offenbar unterließ, diese
vom deutschen akademischen Austauschdienst geförderte Edition
durch einen deutschen Musikwissenschaftler gegenlesen zu lassen,
was ihren wissenschaftlichen Wert erheblich gesteigert hätte. Die
von Marcia Citron bereits edierten Autographen mußten daher
noch einmal gründlich überprüft werden, wobei inhaltlich stark
divergierende Lesarten in den Fußnoten aufgeführt sind.
Die Antwortbriefe von Felix sind leider sehr verstreut in New
York 16 , Berlin 17 und Familienbesitz. Viele sind nur noch aus älte-
ren Editionen nachweisbar, einige offenbar ganz verschollen.
Denn Fanny nimmt öfter auf Briefe Bezug, von denen keine
Handschriften erhalten sind. In dieser Ausgabe wurden alle Felix-
Briefe aus Berlin und New York, ob veröffentlicht oder nicht, neu
ediert. Gerade in den Editionen von Sebastian Hensel und Paul
Mendelssohn finden sich oft erhebliche Abweichungen vom Ori-
ginaltext, besonders Kürzungen, verbale Entschärfungen und Aus-
lassungen von wertenden Berichten über bekannte Zeitgenossen,
gegen die die Mendelssohns seit dem Erscheinen des als verlet-
zend und indiskret empfundenen Briefwechsels zwischen Goethe
und Zelter 18 sehr empfindlich waren. Aber auch aufschlußreiche
Aussagen Mendelssohns über seine zum Depressiven neigende
Gemütslage, die vielen Schwangerschaften und Geburten seiner
Frau Cecile und die Entwicklung seiner fünf Kinder sind in den
offiziellen Editionen eliminiert. Besonders bedauerlich ist, daß
Bruder Paul die Kritik von Felix an Fannys Kompositionen durch-
weg stehenläßt, Lob und Anerkennung aber kommentarlos tilgt,
wie zum Beispiel in dem Brief vom 24. Oktober 1840, in dem er
ganz entzückt davon berichtet, wie die musikalisch begabte Cecile
zwei ihrer Lieder in London vorsang und Moscheies seine be-
rühmte »Schnute« dazu zog. Auch sein lebhaftes Interesse an ihren
»Sonntagsmusiken« und seine Dankbarkeit für ihre Mühen beim
Einstudieren und Aufführen seiner jeweils neuesten Werke - nicht
nur Klavierstücke und Kammermusik, auch der »Paulus«, die
»Walpurgisnacht« und viele seiner großen »Psalmen« standen auf
dem Programm ihrer Matineen - wird aus den von Paul veröffent-
lichten Fragmenten nicht deutlich. Wenn es auch stimmt, daß
Mendelssohn gegen die Veröffentlichung von Fannys Kompositio-
nen war und daß dieser Widerstand die Beziehung empfindlich
störte, so verhielt er sich insgesamt doch bei weitem nicht so »ra-
benbrüderlich« und frauenfeindlich, wie die bisherigen Editionen
glauben machen. Das Klischee vom ultrakonservativen, eifersüch-
tigen oder sogar neidischen Bruder bedarf nach Lektüre der Hand-
schriften der Korrektur.
Ein Problem bei der Herausgabe war die Mendelssohnsche Ange-
wohnheit, »Familienbriefe« zu schreiben. Fanny schrieb oft alter-
nierend mit Eltern, Geschwistern und Freunden an Felix, Felix an
alle Berliner Familienmitglieder zusammen, so daß sich einzelne,
an Fanny gerichtete Anteile in Familienbriefen »verstecken« kön-
nen und aus Autographenverzeichnissen nicht ersichtlich sind.
Erst die vollständige Edition sämtlicher Mendelssohn-Briefe,
durch Rudolf Elvers seit dreißig Jahren angekündigt, 19 wird hier
Klarheit bringen. Fannys Briefe sind besonders in der voreheli-
chen, übermütigen »Mädchen«-Periode so eng mit denen ihrer
Schwester Rebecka verquickt, daß eine Auflösung praktisch nicht
möglich ist. In dieser Edition wurde mit wenigen Ausnahmen dar-
auf verzichtet.
Da das Ideal einer großen, kritischen Gesamtausgabe nicht er-
reichbar ist, solange wichtige Briefe von Felix verschollen oder in
Familienbesitz sind, mußte ich mich zu einigen Kürzungen ent-
schließen, die im wesentlichen Grußformeln, Berliner Gesell-
schaftsnachrichten und sonstige Redundanzen betreffen. Alle
Kürzungen sind durch Auslassungszeichen deutlich gemacht.
Briefe von Felix und Fanny, die nicht mehr im Original, sondern
nur noch in älteren Editionen nachweisbar sind, wurden durch den
Vermerk »Autograph nicht nachgewiesen« gekennzeichnet und
gekürzt. Einige der von Marcia Citron edierten Briefe aus den
1840er Jahren, in denen Fannys Korrespondenzeifer erheblich
nachließ, Felix dafür aber um so häufiger und vertraulicher nach
Berlin schrieb, sind in dieser Ausgabe nicht berücksichtigt. Eine
umfassende Interpretation des Briefwechsels ist in Vorbereitung.
Orthographie und Zeichensetzung folgen dem Original, Datie-
rungen wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit vereinheitlicht.
Ein editorisches Eingehen auf Verschreibungen, Verbesserungen
und so weiter war nicht nötig, da alle Briefe wie ins reine geschrie-
ben wirken. Bruder und Schwester hatten eine ordentliche, gut
lesbare Handschrift, ein Ergebnis der strengen Erziehung Abra-
ham Mendelssohns, der selber höchst unleserlich schrieb. Es gibt
nur wenige nicht entzifferbare Passagen, dafür einige Textverluste
durch Verblassung oder Beschädigung. Die den Briefkapiteln vor-
angestellten Werkverzeichnisse erheben keinen Anspruch auf
Vollständigkeit, da vieles noch unveröffentlicht oder unbekannt ist.
Ein repräsentatives Verzeichnis der Werke von Fanny Mendels-
sohn zu erstellen ist nicht möglich, solange sich ganze »Sammel-
bände« mit wohl auch großformatigen Kompositionen in Fami-
lienbesitz befinden, ohne daß »die Familie« diese Schätze freigibt.
Aus den Briefen ergeben sich immer wieder Hinweise auf Werke,
deren Autograph nirgendwo zu finden war.
Mein Dank gilt zum Schluß allen, die indirekt und direkt am Zu-
standekommen dieser Edition beteiligt waren: Marcia Citron für
ihre minutiöse Vorarbeit an den schwierigen, fremdsprachigen (!)
Autographen; Victoria Sirota für die analytische Auseinanderset-
11
zung mit dem Werk Fanny Mendelssohns 20 ; Francoise Tillard für
ihre sensible, kritische Biographie 21 , die alle gedruckten Quellen
und Teile der noch unveröffentlichten Tagebücher einbezieht und
große Hilfe bei der Kommentierung der hier edierten Briefe lei-
stete; Dr. Hans-Dieter Klein, dem neuen Leiter des Mendelssohn-
Archivs in Berlin, der mir die dort verwahrten Briefe von Felix an
Fanny nach Jahren vergeblicher Bemühungen zugänglich machte;
der Bodleian Library in Oxford und der Public Library in New
York für die Bereitstellung der »Green Books« und der »Family
Letters«; nicht zuletzt meiner Mutter, Liesel Weissweiler, die mei-
ne Arbeiten über Fanny und Felix Mendelssohn seit Jahren beglei-
tet und mich beim Entziffern der Handschriften unterstützt hat.
12
Kavaliersreisen
1821 bis 1824
1821 Oktober/November: Felix, sein Kompositionslehrer Zelter
und dessen Tochter Doris reisen zu Goethe nach Weimar.
Auf der Durchreise in Leipzig hört Felix zum ersten Mal
Mozarts »Jupitersymphonie«. Fanny bleibt zu Hause in Ber-
lin in ihrem Elternhaus »An der Neuen Promenade«. Goethe
lobt Fannys Vertonung seines Gedichtes »Erster Verlust« und
schreibt neue Verse für sie.
1822 Abraham Mendelssohn nimmt für sich und seine Familie
den Beinamen »Bartholdy« an und tritt mit seiner Frau Lea
zum Protestantismus über. Die Kinder Fanny, Felix, Rebecka
und Paul sind bereits 1816 getauft worden.
Das Bankhaus Mendelssohn und Fränkel wird in Berlin ge-
gründet. Abraham Mendelssohn bleibt dort bis 1827 aktiv.
Lea Mendelssohn verliert ihr fünftes Kind im Säuglingsalter.
Von Juni bis Oktober reist die Familie in die Schweiz. Auf
der Hinfahrt trifft Fanny mit Goethe zusammen. Fanny legt
ein Verzeichnis der Kompositionen von Felix an und ver-
merkt in ihrem Tagebuch, sie besitze »sein uneingeschränk-
tes Vertrauen«.
Der junge Maler Wilhelm Hensel verbringt das Weihnachts-
fest bei den Mendelssohns und schenkt Fanny Gedichte sei-
nes Freundes Wilhelm Müller.
1823 Fanny und Wilhelm Hensel gelten als heimlich verlobt.
Hensel geht mit einem preußischen Kunststipendium für
fünf Jahre nach Italien. Mutter Lea untersagt ihnen die Kor-
respondenz, da Fanny zu jung sei und Hensel mit dem Ka-
tholizismus sympathisiere. In Rom bemüht Hensel sich un-
ter anderem um die Restaurierung der Fresken in der »Casa
Bartholdy«, die Fannys Onkel Jacob Salomon Bartholdy, ei-
nem Bruder von Lea, gehört.
13
Als Weihnachtsgeschenk erhält Fehs von seiner Großmutter
eine Abschrift von Bachs »Matthäus-Passion«.
1824 Das Königstädtische Theater in Berlin wird unter Beteili-
gung von Abrahams Bruder Joseph Mendelssohn gegründet.
Viele Musiker des Theater-Orchesters spielen im Rahmen
der »Sonntagsmusiken« der Familie Mendelssohn. Zelter er-
klärt seinen Schüler Felix zum »Gesellen« im Namen
Haydns, Mozarts und Bachs.
Am Strand von Bad Doberan wird Felix mit Steinen bewor-
fen und als »Judenjunge« beschimpft.
Werke von Felix 1
1821 »Die beiden Pädagogen«, »Die wandernden Komödianten«
(Singspiele) / 19. Psalm für Chor, Sopran- und Altsolo mit
Klavier / »Ich will den Herrn«, »Tag für Tag«, »Gott, du bist
unsere Zuversicht« (Vokalfugen für Chor) / »Das Gesetz des
Herrn«, »Er hat der Sonne eine Hütte gemacht« (beide für
fünfstimmigen Chor) / Hochzeitskantate »In rührend feier-
lichen Tönen« / Streichersymphonien Nr. 1-6 / Fünfzehn
Fugen für Streichquartett / Klavierquartett d-Moll / Allegro
a-Moll und Studie C-Dur für Klavier
Lieder
»Die Nachtigall«, »Der Verlassene« (beide ohne Textdichter-
Angabe)
1822 »Die beiden Neffen oder Der Onkel aus Boston« (Singspiel)
/ Gloria für Soli, Chor und Orchester / Magnificat für Soli,
Chor und Orchester / 66. Psalm für Frauenchor, Soli und
Continuo / »Jube Domne« für achtstimmigen Doppelchor
und Soli / »Jägerlied« für vierstimmigen Männerchor / »Lob
des Weines« für Männerchor und Soh / Streichersympho-
nien Nr. 7-8 / Konzert a-Moll für Klavier und Streichorche-
ster / Konzert d-Moll für Violine und Streichorchester / Kla-
vierquartett c-Moll op. 1 / Drei Fugen für Klavier
Lieder
»Von all deinen zarten Gaben«, »Wiegenlied«, »Sanft wehn
im Hauch der Abendluft« (alle ohne Textdichter-Angabe)
14
1823 Kyrie c-Moll für achtstimmigen Doppelchor und Soli / Strei-
chersymphonien Nr. 9-12 / Konzert d-Moll für Klavier, Vio-
line und Streichorchester / Konzert E-Dur für zwei Klaviere
und Orchester / Streichquartett Es-Dur / Fantasie B-Dur für
Klavier / Allegro d-Moll für Klavier / Fantasie g-Moll für
Orgel / Choralvorspiel »Wie groß ist des Allmächtigen
Güte« für Orgel / Andante D-Dur für Orgel / Passacaglia
c-Moll für Orgel / Choralpartita über »Die Tugend wird
durchs Kreuz geübet« für Orgel / Lied »Der Wasserfall« /
Klavierquartett f-Moll op. 2 / Sonate für Violine und Klavier
f-Moll op. 4
1824 Konzert As-Dur für zwei Klaviere und Orchester / Sonate
für Klarinette und Klavier Es-Dur / Fuge cis-Moll für Kla-
vier / Motette »Jesu, meine Zuversicht« für Chor, Baßsolo
und Klavier / Salve Regina für Sopran und Streichorchester
/ Symphonie Nr. 1 c-Moll op. 11
Werke von Fanny 2
1821 Nicht nachgewiesen, wohl Privatbesitz.
1822 Sonatensatz für Klavier E-Dur / Übungsstück C-Dur für
Klavier
Lieder
»Fischers Klage« (Johann Ludwig Casper) / »Die Nonne« 3 ,
»Im Herbste«, »Der Blumenstrauß« (alle Ludwig Unland) /
»Lebewohl« (ohne Textdichter-Angabe) / »Sehnsucht nach
Italien« (Franz Grillparzer) 4 / »Die Linde«, »Die Sommer-
rosen blühen« (beide Luise Hensel) / »Schlaflied« (Ludwig
Tieck) / »Du hast mein Gott« (Marianne Saling)
1823 Neun Übungsstücke für Klavier in C-Dur (2), es-Moll, g-
Moll, G-Dur (2), b-Moll, g-Moll und d-Moll / Canzonetta
di Piedemonte für Klavier / Walzer C-Dur für Klavier /
Lento ma non troppo für Klavier / Andantino B-Dur für
Klavier / Klavierquartett As-Dur / Adagio E-Dur für Violine
und Klavier
Lieder
»Der Neugierige«, »Des Müllers Blumen«, »Gebet in der
Christnacht«, »Abendreise«, »Einsamkeit«, »Seefahrers Ab-
schied«, »Vereinigung« (alle Wilhelm Müller) / »Das Ständ-
chen«, »Die sanften Tage«, »Schäfers Sonntagslied«, »Die
Kapelle« (alle Ludwig Unland) / »Die liebe Farbe«, »Das
Ruhetal« (beide ohne Textdichter-Angabe) / »Wiegenlied«,
»Die furchtsame Träne« (beide Schick) / »Erinnerung«, »Am
Morgen nach einem Sturm« (beide Franz Grillparzer) / »Der
Abendstern« (Johann Graf von Mailath) / »Lied der Fee«
(Fanny Casper) / »Der Sänger« (Novalis) / »Die Schwalbe«
(Friederike Robert) / »Der Fischer«, »An die Entfernte« (bei-
de Johann Wolfgang von Goethe) / »Ohne sie«, »Mein Herz,
das ist begraben« (beide Heinrich Wilhelm von Gersten-
berg) / »Die Spinnerin«, »Wonne der Einsamkeit«, »Frühe
Sorge«, »Ferne« (alle Ludwig Tieck) / »Wanderlied« (Frie-
derike Robert) / »Pilgerspruch« für Chor (Paul Fleming)
1824 Zwei Sonaten für Klavier in f-Moll und c-Moll / Toccata
c-Moll für Klavier / Zwei Übungsstücke für Klavier in g-
Moll und c-Moll / Gigue e-Moll für Klavier / Allegro di
molto für Klavier
Lieder
»Wo kommst du her?« (Heinrich Wilhelm von Gerstenberg)
/ »Auf der Wanderung«, »Klage«, »Abschied«, »Frage«,
»Glück«, »Nacht«, »Leben« (alle Ludwig Tieck) / »Leiden«,
»Sonnenuntergang«, »Verlorenes Glück« (alle Johann Peter
Eckermann) / »Sehnsucht« (Friedrich Schiller) / »Eilig ziehn
in weiter Ferne«, »Am stillen Hain«, »Herbstlied«, »Tag- und
Abendlied«, »An einen Liebenden im Frühling« (alle ohne
Textdichter-Angabe) / »Frühlingsnähe«, »Heimweh« (bei-
de Friederike Robert) 5 / »MaiÜed« (Johann Wolfgang von
Goethe)
16
fanny an felix 6 Berlin, 29./30. Oktober 1821
[. . .] Du fehlst einem spät u. früh, lieber Sohn! u. die Musik beson-
ders will gar nicht rutschen ohne Dich. Doppelt u. dreifach danke
ich es nun Freund Begas 7 , daß er uns die hebe Fratze so natürlich
auf die Leinwand gepinselt, als stünde sie lebendig vor uns.
Es ist ordentlich, als sollte ich keinen Akademietag 8 vor Dir voraus
haben, denn seit gestern bin ich so unwohl, daß ich nicht an Singen
denken kann; ich huste wie eine alte Spittalfrau. 9 Mutter ist auch
nicht so ganz wohl heute, sie ist ein bischen erkältet, aber ganz
unbedeutend.
Wie ist Deine jetzige Minerva, Prof. Mentor 10 , mit Dir zufrieden?
ich hoffe (um recht hofmeisterlich zu werden) daß Du Dich recht
vernünftig aufführst, u. der Erziehung Deiner Hausmeisterin Ehre
machst. Wenn Du zu Goethe kömmst, sperre Augen u. Ohren auf,
ich rathe es Dir, u. kannst Du bei Deiner Rückkehr mir nicht jedes
Wort aus seinem Munde wieder erzählen, so sind wir Freunde
gewesen. Bitte, vergiß nicht, sein Haus zu zeichnen, es wird mir
Freude machen. Wenn es ähnlich u. hübsch wird, mußt Du es mir
recht sauber in mein musikalisches Stammbuch kopieren. H. Ber-
ger 11 war gestern Abend hier, ich habe ihn aber nicht gesehn, weil
ich mich schon um 7 legen mußte. - Von Lipinskis 12 Conzert, u.
dem Schicksale des Stralauer Fischzuges 13 bist Du durch Vater
unterrichtet. Ich weiß nicht ob er Dir geschrieben hat, daß er heut
eine Viertelstunde lang aus war. Vom Freischützen 14 ist noch
nichts zu sehen u. zu hören, vielleicht kommt er morgen in die
Zeitung.
Heute stehn zwei ellenlange Rezensionen des Fischzuges in der
Zeitung. Vater vermuthtet, die eine sei von Casper 15 , mir ist es
auch sehr wahrscheinlich; daß er nie lernen kann, die Dinte halten!
Dem armen Lipinski haben sie einen Nachruf in die Zeitung ge-
setzt, der ihm gar wenig hilft. Es erscheint jetzt fast keine Kritik,
die nicht einen mehr oder weniger feinen Stich auf Boucher 16
enthielte. Am Ende der Enden behalte ich noch Recht, u. alle seine
Freunde bekommen ihn satt. - Du schreibst uns nicht, was Goethe
für ein Instrument hat. 17 Merke Dir sein Zimmer recht, Du mußt
mir eine genaue Beschreibung davon machen. Der hebe, treffliche
Rösel 18 ist zurückgekommen, u. hat sich durch ein allerliebstes,
17
sehr komisches Billett gemeldet, das mit den Worten anfängt: Petz
ist wieder da! 19 Sonderbar genug, daß Korefi 20 , der vor einigen
Tagen hereintrat, denselben Scherz machte. - Des Abends, wenn
um die Thee-Stunde die Treppenthüre geöffnet wird, rufen wir
oft wie aus einem Munde: das klingt, als ob Felix käme. Bleibe
aber immer noch eine Zeitlang weg, es ist besser wir entbehren
Dich etwas länger, u. Du sammelst Dir in dieser Zeit die schönsten
Erinnerungen für Dein künftiges Leben. Dienstag kommt wieder
ein Brief, die Zeit bis dahin scheint mir so ungeheuer lang, als ob
ein Monat dazwischen läge.
Ritz 21 läßt Dir sagen, er freue sich, daß Du die Symphonie gehört
hast 22 u. das Thema so gut behalten habest.
Ich werde wohl während Deiner ganzen Abwesenheit nicht auf
die Academie kommen, denn trotz meines Pochens hält mich der
Doktor noch immer zu Hause. Meine Freunde oben würden glau-
ben, ich sei incognito mitgereist, u. Fanny 23 war sogar neulich hier,
um sich durch den Augenschein von meiner Anwesenheit zu
überzeugen.
Adieu, mein Hamletchen 24 ! Gedenke meiner, wenn ich 16 Jahr alt
werde! Noch eins, Du mußt auf meine Gesundheit ganz im Stillen
einen Schluck Wein trinken, das bind ich Dir auf die Seele, das
Kupfer 25 , welches daraus entstehn möchte, übernehme ich ganz u.
gar. Adieu, vergiß nicht, daß Du meine rechte Hand u. mein Aug-
apfel dazu bist, daß es also ohne Dich auf keine Art mit der Musik
rutschen will.
Deine treueste, hustendste Fanny.
Marianne 26 hat mir aufgetragen, Dich angelegentlichst zu grüßen.
fanny an felix Berlin, 6. November 1821
Es war mein Vorsatz gewesen, Dir, mein lieber Sohn, heute recht
lang u. ausführlich zu schreiben, aber wie Vater gestern sagte, der
Mensch denkt u. der Husten lenkt. Dieser unwillkommene Gast
hat mich mehrere Tage lang so gequält, daß ich ganz angegriffen
davon bin, u. mich gar nicht viel beschäftigen darf. Denke Dir, daß
ich sogar in drei Tagen nicht Ciavier gespielt habe! Indessen kann
ich doch nicht unterlassen, Dich wegen Deiner beiden lieben Brie-
fe recht zu loben. Sie waren ebenso hübsch gedacht als gut aus-
18
gedrückt 28 (das Letztere ist sonst nicht sehr Deine Sache) u. uns
daher auf jede Weise willkommen u. angenehm. Wie gut ist es,
daß ihr, statt die Feier in Wittenberg 29 abzuwarten, gleich nach
Weimar gegangen seid, diese Zeit ist rein gewonnen, u. Du wirst
sie schon zu benutzen wissen. Es freut mich sehr, daß Du mit
Deiner Oper 30 so weit vorgerückt bist; schreibe mir doch, ob die
mir unbekannten Nummern gut gelungen sind? Vergiß auch
nicht, mir jedesmal zu melden, was Du vorgespielt hast, u. was am
meisten Beifall gefunden, Du weißt, dergleichen Dinge können
nicht zu umständlich erzählt werden, wenn sie an eine Schwester
gerichtet sind. Von Hummels 31 Unterricht muß mir auch durch
Dich etwas zufließen, aber mündlich, bei Deiner Zurückkunft. -
Die Geschichte von Hn. Professors 32 Traum ist sehr rührend, sieh,
welche Sorgfalt der herzliche 33 Mann für Dich trägt. Wie aus dem
Briefe selbst hervorgeht, bist Du auch recht aufmerksam u. gut
gegen ihn. Da aber im Goethe steht, Lob u. Tadel muß ja sein, so
kann ich auch nicht umhin, zweierlei an Deinem Briefe auszuset-
zen, aber sehr unwichtige Sachen. Erstlich, mein Heber Sohn, hät-
test Du in Deinem Calende'r nachsehn können, Du hast ihn ja vor
der Abreise gestellt, u. da würdest Du gefunden haben, daß es nie
einen 32. Okt. giebt noch gegeben hat, diesen Datum hast Du vor
das Ende Deines Briefes gesetzt. Zweitens mußt Du bei der Auf-
schrift Deiner Briefe, den Ort rechts setzen, u. nicht links, wie Du
es bis jetzt gethan. Das sind nun an sich sehr unwichtige Bemer-
kungen, Du wirst sie aber von mir nicht übel aufnehmen, denn
Du weißt ja, daß sie wohl gemeint sind.
Als ich neulich eben meinen Brief geschlossen hatte, kam der Frei-
schütz an, worüber ich vor Freude nicht schrie, denn das konnte
ich nicht, aber kräthe. Wenn Du da gewesen wärest, hätten wir
eine sehr angenehme Stunde gehabt, so aber war ich ganz allein u.
unvermögend einen Ton zu singen, genoß also nur die Hälfte des
Vergnügens. Die Arie der Seidler 34 habe ich ziemlich rein, sie ist
gar schön. Gestern haben sie den Freischützen wieder gegeben,
die Vorstellung soll herrlich gewesen sein.
Eine funkelnagelneue Nachricht [...] ist, daß Spontini 35 seiner
Macht wieder beraubt worden, u. Alles in alte Geleis' gebracht sei.
Man schreibt dem Kronprinzen 36 diese gute Handlung zu. Was
sagst Du nun, Flesch?
19
Johann Wolfgang von Goethe
Der arme Lipinski war neulich liier, Abschied zu nehmen. Er ist
ohne zweites Conzert abgereist, u. war so gütig, sehr mit den Ber-
linern zufrieden zu sein . . .
Ich bin sehr neugierig auf den Text aus Wien 37 , den die Mutter
ankündigt; eine sentimental-naive Oper wäre so übel nicht, wenn
sie sonst nur hübsch gemacht ist; da giebt es gewiß allerliebste
Cavatinen, Chöre mit obligatem Viehgebrüll, u. dergl. Raritäten.
Spaß apart, aber ist das eine Art, die ich, hübsch bearbeitet sehr
hebe. Schweizerzöpfchen, Milcheimer, Mettenglöckchen, Glet-
scher in der Abendsonne, Heimweh, alles dieses sind musikalische,
u. gar allerliebste Dinge, u. werden sich gewiß die Hülle u. Fülle
in Deinem neuen Texte finden. Wie hübsch wird Mme. Robert 38
die schmachtende Hirtinn singen! Ich sage Dir, ich freue mich
unbändig darauf. Rechne dazu, daß Casper, durch Nacheifern 39
angespornt 40 , sich ganz gewiß beeifern wird, Dir auch einen neu-
en, recht schönen Text zu hefern, dann bist Du für lange Zeit
außer Sorge. Adieu, Heber Bursche, freue Dich daß Du in Weimar
bist u. athme die goethische 41 Luft ein, die um Dich herum weht.
Deinem Finale muß man seine Vaterstadt anmerken. Erkenne,
wie glücklich Du bist, eine Zeitlang in Goethens Hause zu leben
u. ihn im vertraulichen Umgange mit seinem Freunde zu sehn,
grüße diesen u. die gute Doris, u. den gutissimo Hummel, u. be-
halte Heb Deine Fanny.
fanny an felix 42 BerHn, 6. November 1821
Ich muß, nach einer bitteren Klage über die Brieflosigkeit in dieser
Woche, Dir, Heber Felix, in aller Eile das neuste BerHner Bonmot
mittheilen, welches Alcidor 43 allzudoll nennt. Deine scharfe Arti-
kulation wird Dir beim Aussprechen dieses Witzes, wohl zu Stat-
ten kommen. Du würdest Dich gefreut haben, Deine Altscene 44
v. der allerHebsten Mme. Müller 45 singen zu hören. Sie hat sehr
viel richtiges Gefühl, u. ist ein liebes Wesen, um mit unserem, nun
wieder eingerückten, Rösel zu reden. Ihr seyd gewiß überaü zu-
gleich, u. Vater übermüdet sich, das wäre sehr unrecht, denn er soll
uns gestärkt, u. nicht fatigiert, zurückkommen 46 . Du kannst schon
einen Puff vertragen. Deine Änderung in der Sonate ist acceptirt 47 ,
mein Generalstab, u. der hinzugekommene Medicinahath 48 ha-
21
ben entschieden, u. gespielt gefällt es mir auch wirklich besser, als
schwarz und weiß. Ich empfehle mich Ihnen ergebenst. FMB.
felix an fanny 49 Doberan, 14. Juli 1824
An Fräulein Fanny Caecilie Mendelssohn Bartholdy
Was Du mit Deinem Schelten, Deinem Briefchen 50 , Deinem
Wallenstein, Deiner Unpersönlichkeit willst, o Fanny Caecilie
Mendelssohn Bartholdy, das begreif ich nicht. Ich soll ein reuiger
Sünder sein, soll um Verzeihung bitten, mich an Dich erinnern lassen,
und andere der gleichen schönen Sachen mehr; ich versteh' das
nicht. Ich habe Dich immer für ein ganz verständiges Frauenzim-
mer gehalten, und nun schreibst Du solchen Brief! Siehst Du denn
nicht, o Fanny Caecilia Mendelssohn Bartholdy, daß mein Brief an
die ganze Familie gerichtet ist; versteht sich's nicht von selbst? oder
muß ich jedesmal wenn ich von Possen rede, o Beckchen 51 , von
Calfactern, o Paul 52 , von Cato und Cicero, o Herr Heyse 53 , von
allem was mich nur irgend angeht, o Mutter, oder o Fanny ein-
schieben. Versteht sich das nicht von selbst? Ich soll nicht zu viel
arbeiten, aber wenn ich an jeden von denen, an den mein Schrei-
ben gerichtet ist, einen besonderen Brief componiren sollte, da
müßt ich von Morgen um 6 Uhr, bis Abends um 19 Uhr sitzen
und schmieren, was mir in den Kopf kömmt. Gehts nicht so viel
besser? Ich schreibe einen wohlgesetzten, vernünftigen., überleg-
ten, kurzen Brief an Euch alle zusammen; und werde nun runter-
gemacht! Ist das billig?
Erzürne mich nicht! Du weißt, wenn der Löwe brüllt, so hallen
Wälder und Schluchten wieder, vom dumpfen Geräusche seines
Rasens (ich weiß, Du Hebst Unsinn)
Also hüte Dich!
Ich hoffe, ich werde künftig Briefe, und längere Briefe, von Dir
bekommen, o Fanny Caecilie Mendelssohn Bartholdy, denn ich
habe Dir neulich einen schrecklich weitschweifigen geschrieben 54 .
Räche Dich dafür! Sonst bleibe ich nicht
Dein
guter Freund.
22
felix an fanny Doberan, 17. Juli 1824
Wahrhaftig, liebe Fanny, ich war heute Morgen Willens, Dir einen
langen, langen Brief zu schreiben, und mit diesem Vorsatze fuhr
ich auch ins Bad. Doch auf dem Heimwege fiel mir ein Thema
ein, das ich auf dem Rückwege ausführte; und als wir nun zu
Hause kamen, schrieb ich's auf, u. schicke es hier vor Deinen Rich-
terstuhl. Du weißt, wenn die Richter den Dieb nicht kriegen kön-
nen, so nehmen sie das Gestohlene. So geht's auch hier. Kaum war
mir das Thema eingefallen, so dacht ich: halt! Dieb! Sebastian!
Aber wie ein tröstender Engel stand mir Dein iooostimmiges
Stück aus f moll 56 zur Seite, und ich dachte: wenn's Fanny selbst
gethan hat, so wird sie mich wol nicht deshalb verdammen, und
weiter will ich nichts. Nimm's ja nicht zu langsam [...]!
Auch noch meinen besten Dank für Deinen Brief. Wenn ich mir
nicht fest vorgenommen hätte, nicht zärtlich zu sein*, so stund ich
nach solchem Briefe für nichts. Indessen will ich nicht und ich bin
beharrlich!
* In Briefen nämlich!!! n. b.! p. m.! 57
felix AN fanny 58 Doberan, 21. Juli 1824
Heute hätte ich wohl Etwas Dir zu schreiben, auch möchte ich
wohl mit Dir ein langes u. breites schwatzen, hebe Fanny, ich habe
aber auch nicht ein bischen Zeit. Höre wie beschäftigt ich den
ganzen Tag bin, und entscheide selbst, ob ich Zeit haben kann,
sehr viel Briefe zu schreiben.
Des Morgens früh müssen wir Caffee trinken, u. dann nach dem
Bade fahren. Sind wir gewaschen so gehen wir den größten Theil
des Weges zurück, und setzen uns dann in den Wagen, fahren den
Rest, so ist es halb 10 Uhr. Nun hungert mich ganz entsetzlich. Ich
esse also eilig zwei oder drei Kirschen und einige Bissen Brod
dazu. Dann lerne ich auswendig - Was? den Komödienzettel.
Dann kömmt wohl Mühlenbruch 59 oder Hr. v. Prittwitz 60 (Vater
wird ihn Dir schon vorgestellt haben) so wird musicirt. Nun ist's
zwölf; man macht sich ordentlich, u. geht in die Harmoniemusik.
Diese besteht aus 1 Flöte, 2 Clarinetten! 2 Oboen, 2 Fagotten, 2
Hörne, 1 Trompete u. 1 Baßhorn. Das ist ein großes Instrument von
23
Blech, hat einen schönen, tiefen Ton, und sieht aus wie eine Gieß-
kanne, oder eine Spritze, um i, 2 Uhr isfs da aus; ich gehe zu
Hause, und man spielt ein Parthiechen Schach. Bis jetzt war ich
meistentheils Sieger. Um 3/4 auf 2 Uhr klingelt es, ich befracke
mich, und behüte mich und es geht zu Tische. Um drei sind wir
fertig. Dann wird die angefangene Parthie beendigt. Läßt es das
Wetter zu (wie es aber noch nicht geschehen ist) so zeichne ich
dann. Um 6 gehen wir spatziren, bis 1/2 9, dann geht man im
Kranz auf und ab, um 9 wird Abendbrod gegessen, ä la Carte.
Himmlische Wonne! Gewöhnlich aber gehn wir um 4 spatziren,
um 6 Theater, um 9 Abendbrod, um 10 bischen Schach noch; um
1/2 11 legen wir uns zu Bette; und ruhen von Tagesbeschwerden.
Punctum.
Süßes Kind, ich liebe Dich ganz entsetzlich; aber wenn nur besse-
res Wetter werden wollte. Wir frieren wie - Schuster; der Sturm
heult chromatische Läufer, der Staub ist unerträglich, der Himmel
verhängnißvoll, die Sonne reist diesen Sommer incognito, (man
sagt, unser König werde es auch thun) kurz: Pfui, was für'n Wetter.
Gestern war ein Ba Ball. Darum gingen Walter und ich auch ruhig
spatziren. Herr Simon ging mit uns, und unterwegens trafen wir
Bock mit 3 andern Collegen, wir schloßen uns an sie an, und gin-
gen auf einen Hügel, von wo wir die tanzende See durchs Fernglas
sahen, ohne uns um die tanzende beau monde zu bekümmern.
Wie soll man unter lauter Adligen tanzen?
Nun muß ich essen gehn -
PELix AN fanny 61 Doberan, 27. Juli 1824
Herzlichen Dank, liebe Fanny, für Deinen heben Brief 62 ; aber war-
um Du mein Stück so sehr lobst, das begreif ich nicht. Es hat mir
wohl gefallen, aber Du erhebst es ja ganz gewaltig! Kommt alles
davon her weil ich in Doberan bin. Wenn eins das andere aus-
schließt, so möchte ich lieber inBerlin sein, und Du könntest mein
Stück sehn [. . .] Im Ernst ich möchte bald wieder to Hus sein, mir
ist zuweilen ganz miserabel zu Muthe, und dann komponier' ich,
so kam's daß dieser Tage die Oper 63 einen gewaltigen Ruck be-
kommen hat, ich stehe bei no. 11 also weit hinter dem Septett mit
Chor. - No. 10 u. 11 kennst Du noch nicht, auch No. 9 nur wenig;
24
ich bin sehr neugierig auf Dein Urtheil. Bis jetzt gefallen mir die
fertigen Nummern gut.
Mutter neckt mich mit dicken Hörnern, ich bin aber wahrhaftig
sehr vernünftig geworden, so daß ich neulich, als ich die Wahl
hatte zwischen dicken u. nicht dicken Pauken, die letztern wählte,
blos weil sie nicht dick waren. Daß ich mehr von der Instrumen-
tierung spreche, als vielleicht Recht ist, das scheint mir natürlich,
die Anordnung des Stückes und die Singstimmen sind ja schon
lange fertig ehe ich aufschreibe, und daß mir nun für ein paar Tage,
die eben gemachten Instrumente mehr am Herzen Hegen, ist nicht
zu verwundern. - Ich habe dieser Tage so viel Componierlaune
gehabt, daß ich alles andere deswegen bei Seite gelegt. Ich muß
Dir auch sagen, daß ich glaube, durch die hiesige Harmonie, man-
ches gelernt zu haben, denn zuweilen enstehen die größten Effec-
te durch zwei oder drei Instrumente, durch Kunstgriffe, und diese
abzulernen u. nachzumachen halte ich nicht für Sünde.
So sehr michs nun auch wieder nach Berlin zieht, werde ich doch
den Verlust des Seebades sehr empfinden. Trotz mehrerer Unan-
nehmlichkeiten, daß das Salzwasser z.B. genau wie Bitterwasser
schmeckt, ist's doch ein göttliches Gefühl darin zu baden, u. so-
wohl gegen die Wellen, als mit den Wellen zu schwimmen. Leich-
ter gehts gegen die Wellen, weil man nicht sehr von ihnen hin u.
her gerissen wird; viel schwerer mit dem Winde, dann kommt
eine Welle, so krümmt sich gleichsam das Wasser, und reißt mich
zurück, dann kömmt das Unthier und stürzt mich eine ziemliche
Strecke noch vorwärts, wirft mir auch wohl Schaum u. Wasser ins
Gesicht, u. endlich reißt mich das zurückkommende Wasser mit
sich zurück, so daß man nur langsam vorwärtskommt. Dies ist alles
dann so, wenn sie mäßig bewegt ist. Zuweilen liegt sie glatt wie
ein Spiegel, ohne Wellen, ohne Brandung, ohne Getöse, dann ist's
mir am liebsten. Neulich aber war sie so toll u. wild, daß ich gar
nicht hineinging, weil ich's den Tag vorher probirt hatte. Die See
war nämlich ein bischen rasend, die Wellen schlugen über die
Stege, die ins Meer hinaus gehn immer weg. Je näher sie dem Ufer
kommen, desto toller werden sie, aber da sind Stricke an denen
sich die Nichtschwimmer halten können, wenns so hoch geht.
Weiter hinaus aber am Ende vom Stege wars am ruhigsten; die
Wellen warfen keinen Schaum u. man konnte bequem schwim-
25
men. Da sprang ich hinein, und schwamm eine Weile. Die Matro-
sen riefen mir ich möchte ans Tau kommen, ich schwamm nach
dem Strick, und nun gings mir schlecht. Denn eine Welle warf
mich mit dem Rücken gegen den einen Strick, die andere mit dem
Halse gegen den andern. Sie wollten mich gewiß erdrosseln. An-
halten könnt 1 ich mich nicht, denn die Wellen gingen mir über den
Kopf, ich beschloß also hinaus zu gehn. Kleine Leitern fuhren auf
die Stege. Sollte mans glauben? während ich die sechs Sprossen
hinaufstieg, und zwar eilend, kommen zwei fürchterliche Wellen,
von denen mich die eine mit dem Fuß gegen das Geländer warf,
so daß ich den Tag hinkte. Doch solcher Sturm ist selten, nur lange
währender Wind führt ihn herbei, und jetzt ists fast ganz windstill;
also ist nichts zu besorgen [. . .] Umarme Mutter, Beckchen u. Paul
per procura, u. empfiehl mich Herrn Heyse. Auch Lindenau 64 laß
ich grüßen; ich bin ihm gar sehr gut; sag ihm daß wir morgen zu
Mühlenbruchs fahren. Leb wohl.
Felix.
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Carl Friedrich Zelter
Passionen
1825 bis 1829
1825 Heinrich Heine läßt sich taufen. Abraham reist mit Felix
nach Paris, um ihn Luigi Cherubini vorzustellen, der seine
Begabung beurteilen soll. Auf der Rückreise erneute Begeg-
nung mit Goethe. Im Juli stirbt Fannys Lieblingsonkel und
Briefpartner Jacob Salomon Bartholdy in Rom. Abraham
kauft das Palais von der Recke in der Leipziger Straße 3 in
Berlin. Die Geschwister gründen eine »Sehr neue Garten-
Zeitung« für den Sommer und eine »Thee-und-Schnee-Zei-
tung« für den Winter. Intensiver freundschaftlicher Umgang
mit »dem Rad«, einer Gruppe meistens jüdischer, getaufter
und nicht getaufter junger Künstler und Intellektueller bei-
derlei Geschlechts.
1826 Mendelssohn kämpft um die Uraufführung seiner Oper
»Die Hochzeit des Camacho« durch Spontini in Berlin. Im
November spielen Fanny und Felix die Sommernachts-
traum-Ouvertüre vierhändig vor dem Pianisten und Kom-
ponisten Ignaz Moscheies.
1827 Die Lieder op. 8 von Felix erscheinen bei Breitkopf und Här-
tel in Leipzig. Darin sind drei Lieder von Fanny enthalten.
Am 26. März stirbt das Familienidol Beethoven in Wien. Die
Berliner Hofoper beginnt mit der Einstudierung von Men-
delssohns Oper. Das Werk erringt lediglich einen Achtungs-
erfolg. Im Spätsommer geht Felix mit Freunden auf eine Fe-
rienreise durch den Harz, Thüringen und Süddeutschland bis
an den Rhein. Im Herbst immatrikuliert er sich an der Uni-
versität und hört Vorlesungen bei Hegel (Ästhetik) und Rit-
ter (Geographie). Im privaten Kreis beginnen die Vorberei-
tungen zur Aufführung der Matthäus-Passion.
1828 Das Bankhaus Mendelssohn u. Comp, in Berlin wird ge-
gründet. Im Oktober reist Mendelssohn nach Brandenburg
28
und studiert dort in der Musikbibliothek des Musikvereins-
leiters Steinbeck. Die Proben zur Wiederaufführung der
Matthäus-Passion in der Berliner Singakademie beginnen.
Im Oktober kehrt Hensel aus Italien zurück. Am 19. Novem-
ber stirbt Franz Schubert in Wien.
1829 Offizielle Verlobung von Fanny und Wilhelm gegen erheb-
liche Widerstände von Lea. Im Februar Beginn einer Braut-
korrespondenz. Hensel wird in die Berliner Akademie der
Künste gewählt und zum Hofmaler ernannt.
Am 11. März dirigiert Felix in der Singakademie die Wieder-
aufführung der Matthäus-Passion hundert Jahre nach der Ur-
aufführung unter intensiver Assistenz von Fanny. Im April
bricht er zu einer großen Reise nach England auf. Fanny
schickt ihm einen ihm gewidmeten »Liederkreis«. Felix diri-
giert in London seine c-Moll-Symphonie op. 11 und seine
Sommernachtstraum-Ouvertüre. Als Solist spielt er Beetho-
vens Es-Dur- Klavierkonzert, das zum ersten Mal in England
erklingt. Danach geht er auf Urlaubsreise zu Freunden. Im
September wird er durch einen umstürzenden Wagen am
Knie verletzt und muß wochenlang zu Bett Hegen, so daß er
zu Fannys Hochzeit am 3. Oktober nicht in Berlin sein kann.
Fanny komponiert sich die ursprünglich bei ihm bestellten
Orgelstücke zu ihrer kirchlichen Trauung selbst.
Werke von Felix 1
1825 Capriccio für Klavier fis-Moll op. 5 / Sonate für Klavier E-
Dur op. 6 / Oktett Es-Dur op. 20
1826 Te Deum für achstimmigen Doppelchor, Soli und Continuo
/ Fuge e-Moll für Klavier / Sommernachtstraum op. 21 /
Lieder op. 8 (mit Anteilen von Fanny)
1827 Streichquartett a-Moll op. 13 / Rondo capriccioso für Klavier
E-Dur op. 14 / Fantasie über ein irländisches Lied für Klavier
op. 15 / Kantate »Christe, du Lamm Gottes« für Chor und
Orchester
1828 Konzert- Ouvertüre »Meeresstille und glückliche Fahrt«, op.
27 / Dürer-Kantate / Kantate für Männerchor und Instru-
29
mente / »Hora est« für sechzehnstimmigen Chor, Soli und
Orgel / »Ave maris Stella« für Sopran, Orchester und Orgel
/ Kantate »O Haupt voll Blut und Wunden« für Chor, Bari-
tonsolo und Orchester
1829 Streichquartett Es-Dur op. 12 / Symphonie d-Moll op. 107
(»Reformationssymphonie«) / Drei Fantasien oder Capricen
für Klavier op. 16 / Variations concertantes für Klavier und
Violoncello op. 17 / Scherzo h-Moll für Klavier / Lied »The
Garland« / Liederspiel »Die Heimkehr aus der Fremde«
op. 89
Werke von Fanny
1825 Zwei Klavierstücke in g-Moll und f-Moll / Andante con
moto für Klavier c-Moll
Lieder
»Sehnsucht«, »Der Einsamwandelnde«, »Verloren« (alle Jo-
hann Peter Eckermann) / »Wanderers Nachtlied«, »An Su-
leika«, »Auf dem Diwan«, »Suleika und Hatem«, »Ist es
möglich« (alle Johann Wolfgang von Goethe) / »Suleika«
(Marianne von Willemer) / »Sonett aus dem 13. Jahrhun-
dert«, »Zwischen Ganta und Capua«, »Dir zu eröffnen mein
Herz«, »Numi clementi, si pueri«, »Lass dich nur nichts dau-
ern« (alle ohne Textdichter-Angabe) / »Mond« (Ludwig
Heinrich Christoph Hölty) / »Ecce quel fioroistante« (Pietro
Metastasio) / »Schäfergesang« (Ludwig Tieck) / »Erinnerun-
gen in der Heimath« (Marianne Saling)
1826 Für Klavier: Etüde F-Dur, Capriccio Fis-Dur, Allegro ma
non troppe f-Moll, Andante con espressione c-Moll, Andante
fugato, Andante d-Moll
Lieder
»Der Rosenkranz«, »Feldlied«, »Ruhe sanft bestattet« (alle
Johann Heinrich Voss) / »Sie liebt«, »Der Sprosser«, »Marias
Klage«, »Neujahrslied«, »Der Eichwald brauset« (alle ohne
Textdichter-Angabe) / »Nähe des Gehebten« (Johann Wolf-
gang von Goethe) / »Abendlandschaft« (Friedrich von Mat-
thison) / »Erwachen«, »Im grünen Wald«, »Geheimnis« (alle
30
Friedrich Voigt) / »Die Aeolsharfe« (Friederike Robert) /
»An einem Herbstabende« (Schulz)
1827 Fugata für Klavier Es-Dur / Präludium e-Moll für Klavier
Lieder
»Maigesang« (ohne Textdichter-Angabe) / »Sehnsucht«,
»Seufzer«, »Die Ersehnte«, »Kein Blick, der Hoffnung hei-
tert«, »An den Mond« (alle Ludwig Heinrich Christoph Höl-
ty) / »Die Sommernacht« (Friedrich Gottlieb Klopstock)
1828 Lieder
»Die frühen Gräber« (Friedrich Gottlieb Klopstock) /
»Aglae« (ohne Textdichter-Angabe)
1829 Präludium für Orgel F-Dur / Präludium für Orgel oder Kla-
vier G-Dur / Capriccio für Violoncello und Klavier As-Dur
Lieder, Chorwerke
Liederkreis: Sechs Lieder von Fanny für Felix (Johann Gu-
stav Droysen) / Nachtreigen für achtstimmigen Chor a cap-
pella (Wilhelm Hensel) / Festspiel für Tenor, zwei Bässe,
Chor und Orchester
3i
FELIX AN FAN
ny 2 Paris, 27. März 1825
Um gleich ab 000 zu deutsch den Variationen 3 anzufangen, melde
ich Dir, meine süße Dlle. Schwester, daß es unausgebrütete Eier
sind, d.h. daß eine Seite davon fertig ist, daß aber keine zweite
dazu kommen wird. Auf welches Thema? Von wegen! Aber es
bleibt liegen. Wo soll ich auch die Zeit zum Componiren herkrie-
gen? An meiner Oper 4 ist noch kein Strich geschrieben, und die
Faulheit wird gewiß nirgends mehr befördert als in Paris, (für ei-
nen Fremden nämlich) Urtheile doch nur selbst.
[. . .] Noch ein Abentheuer vom Freitag morgen. Ich kam zu Hau-
se, und hörte im Zimmer neben dem unsrigen Ciavier und Violine
spielen. Das Ciavier spielte eine Dlle. Schauroth 5 von der Rode 6
viel Gutes gesagt hatte recht hübsch, den Violinisten wollte kein
Lohnbedienter kennen, und ich behauptete kühn, es könne nur
Lafont 7 seyn. Er spielte so weich, so rein wie ich mir es gedacht
habe. Er war es auch wirklich.
Ich bin aber in Verzweiflung, daß ich meinen Brief schon schlie-
ßen muß. Ich habe Hummel versprochen, ihn zu besuchen und
kann doch nicht unpünctlich seyn. Heute kann ich also Euren
herrlichen Brief nicht beantworten, doch nächsten Freitag kommt
ein neuer Brief von mir. Grüße Herrn Heyse sehr von mir. Grüßt
die junge Garde, Herrn Professor Zelter, ich schreibe ihm näch-
stens. [. . .] Jetzt will ich mit Hummel seine As Dur Sonate 8 spielen,
und heute abend ist das erste Concert spirituel 9 , wo ich eine Sym-
phonie von Haydn und die Ouvertüre aus der Zauberflöte hören
werde. Das Orchester in der italiänischen Oper ist sehr gut, aber
nicht vortrefflich. Die Geigen sind außerordentlich, aber die Bla-
se-, besonders die Blechinstrumente sind weniger als mittelmäßig
und spielen unrein, und undeutlich. Ich komme aber wieder ins
Plaudern. Lebt wohl für heute, das nächstemal mehr wieder
Euer eiliger
F. Mendelssohn Bartholdy.
felix AN fanny Paris, i. April 1825
Von heute an wird unsere Thür bis 12 Uhr für uns und für andere
geschlossen bleiben, und dann bekommt man endlich mal die Zeit
32
seiner Schwester einen längeren Brief zu schreiben. Eigentlich
habe ich Dir, liebe Fanny, noch gar nichts erzählt, und drum will
ich mich denn gleich ins Schwatzen hineinbegeben. Aber wie weit
muß ich ausholen.
Sonntag früh war eine musikalische Gesellschaft beim Baron Tre-
mont. 11 Viel Zuhörer, in wenig Stuben. Viel Musik, wenig gute.
Ich lernte da Onzlow 12 , Vidal 13 , Boely 14 , Mlle. Schauroth (eine
junge Klavierspielerinn) u. s. w. kennen. Als wir hinkamen spielte
man ein Quartett von Tremont, das sollte jedermann für ein
Haydnsches halten. Ja Kuchen! So eine feine Nase haben wir, um
Tremont von Haydn zu sondern. Doch für einen Dilettanten wars
recht hübsch und rein im Satz. Vidal spielte die erste Geige, David
(ein Liebhaber) die zweite, der Baron selbst die Bratsche, ein an-
derer Liebhaber das Cello. Das Bratschenwischen des Baron ist
einzig. Diese Angst, dieser Ton, diese Stellung, sein in Verzückung
gelalltes charmant, das läßt sich nicht beschreiben! Der Vidal spielt
nicht ganz glatt und geschniegelt, aber mit Leben, Feuer und Ac-
cent, und soll sehr gut vom Blatt treffen. Nun kam ein Quartett
von Onzlow, aus e moll. Das Andante und letzte Stückwaren recht
hübsch, die beiden andern so kühl und so matt, wie gewöhnlich.
Als Leute die zu spät kamen, Onzlow fragten, ob man Composi-
tionen von ihm gespielt hätte, antwortete er lächelnd: On a galop-
pe un quatuor. Die Pariser und besonders die Pariserinnen waren
aber entzückt, alle Augenblicke sagten sie ein gerührtes: Hm! Du
verstehst doch, was ich meine?
Als es aus war, drängt sich ein Knabe von ungefähr 12 Jahren mit
2 Orden hinter mir vor. Wer konnte das anders sein als Baron
Prume? 15 Der wars auch wirklich, sein Hofmeister brachte und
stimmte ihm seine Geige, und mit der größten Anmaßung stellte
er sich hin und fing an ein Quartett von Mayseder 16 erbärmlich zu
kratzen. Als der erste Theil aus war, hielt er still und ließ sich vom
Hofmeister seine Geige stimmen, und so that er noch zweimal im
ersten Stücke. Er spielt falsch, unsicher, ohne Gefühl - das ist der
berühmte Baron Prume. Dann kam ein Quintett von Mozart aus
a Dur, für die Saiteninstrumente und eine Clarinette 17 . Es sind sehr
schöne Sachen drin, aber die Jugendarbeit giebt sich injeder Note,
besonders in den Variationen, die statt des letzten Stücks stehen,
deutlich zu erkennen. Endlich ein Clavierconcert von Mozart aus
33
c Dur 18 , gespielt von Pleyel 19 . Er machte zwei Cadenzen, welche
länger, als das ganze Concert waren, und hatte sich überhaupt das
Stück mit coquetten Manieren, wie sie in Rossini allenfalls passen,
verziert; bald war er oben, bald unten, hier ein Triller, dort ein
Läufer, hier ein Doppelschlag, dort eine vorgehaltene None, kurz
ein Concert von Mozart revue et corrige par C. Pleyel. Ich höre,
daß er die Idee hat, mit Kalkbrenner 20 zusammen wirklich die
Mozartschen Concerte herauszugeben. Das ist doch ein bissei
stark? - [. . .] Nun wars aus, und die Pariser waren entzückt. Übri-
gens hat mich v. Tremont freundlichst eingeladen Sonntag etwas
bei ihm zu spielen, und ich werde mein f-moll-Quartett 21 vorrei-
ten.
Auf den Abend hatte ich mir mit Rode ein Rendezvous bei Rei-
cha 22 gegeben. Der steht hier überall im Rufe eines Schuhu 23 , man
darf das Wort Quinten nicht aussprechen, wenn er in der Stube
ist, und er schämt sich auch wirklich freundlich zu sein. Ich wurde
ihm bei Erard 24 vorgestellt, und er gab sich alle Mühe mich mit
recht trockenem Gefühle, und noch trockeneren Redensarten auf-
zunehmen. Als ich ihn aber nachher in einer Ecke des Zimmers
allein traf, faßte er mich sehr freundlich bei der Hand, und sagte,
Rode hätte ihm schon von mir Gutes gesagt, und er wäre neugierig
mich näher kennenzulernen. Kurz ich kam Montag Abend zu
ihm, und spielte ihm erst meine c moll Fuge, dann meine c moll
Symphonie 25 vor. Nach der Einleitung der Fuge, frug er wohlbe-
dächtig, ob ich Händel studirt hätte? Und nach der Fuge sagte er
dann, er sehe wol, daß ich was gelernt hätte. Auch die Symphonie
gefiel ihm. Zum Epilog gab er eine gewaltige Schimpfrede auf die
jetzige Musik zum Besten, und versicherte Rode, wenn er so jung
wäre, und die Erfahrung, die er hat, auch schon besäße, würde ihn
das unmusikalische Elend abschrecken, Musiker zu werden. Den
Abend war ich noch bei Md. Valentin, deren Diner ich, wegen der
Visite bei Reicha im eigentlichsten Sinne nicht hatte genießen kön-
nen, hörte Hummels Doppelsonate 26 von ihm selbst und Mosche-
les 27 gespielt, hörte Pixis 28 und Moscheies eine Ouvertüre von er-
sterem spielen, hörte es zwölfe schlagen, und ging nach Hause.
Montag früh besuchte ich Hummel, und fand bei ihm Onzlow,
und - Boucher; der erkannte mich erst nicht, als er aber meinen
Namen hörte, wurde er toll, umarmte mich hundertmal, lief in der
34
Stube nun, brüllte und weinte, hielt mir eine übertriebene unsin-
nige Lobrede gegen Onzlow, lief mit mir fort, um Vater zu sehen;
da der aber nicht mehr zu Hause war, so machte er im Hotel einen
Lärm, daß die Leute zusammenliefen, nahm Abschied, lief mir
dann auf der Treppe nach, umarmte mich etc. Gestern früh kam
er mit vier Trägern zu uns gerumpelt, und brachte den Flügel
seiner Frau, und nahm sich unser schlechtestes Instrument dafür,
dann ging er mit uns zu Girardet 29 , um dessen hinterlassene Bilder
zu sehen, worunter einige sehr schöne Sachen sind.
Den Abend war großes Concert bei Bonnemaison 30 .
Ein göttlicher Musiksaal ist da, mit lauter schönen Bildern be-
hängt. Man gab erst das Kyrie a 3 von Cherubini 31 , dann eine Arie
aus der Schöpfung, ein agnus dei von Hummel 32 (zu lustig) und
das Requiem von Mozart. Hummel dirigierte und nahm unver-
nünftig schnelle Tempi. Ich spielte mit an einem Pulte mit Rom-
berg 33 Neben mir, nur durch eine Ballustrade getrennt saß Mde.
Cherubini 34 mit ihrer [. . .] göttlich hübschen Tochter. Obwohl ich
dem Cherubini schon bei Erard vorgestellt war, so stellte mich
Halevy 35 ihm noch einmal vor, er war außerordentlich freundlich,
er will mich den Montag in die königliche Kapelle mitnehmen,
wo man eine Messe von ihm hören wird, erlaubte mir ihn zu
besuchen, war sehr höflich, sagte mir beim Weggehen: adieu, ä
lundi, kurz war so wie alle Leute sagen, wie er selten ist. Die
Ursache seiner Unzugänglichkeit soll sein, daß seine Frau ihn ge-
waltig unterm Pantoffel hält, etc. etc. etc.
Und so könnte ich noch zwei Bogen lang plaudern, und schwatzen
und erzählen, aber da ich überhaupt bekanntlich das Lange nicht
hebe, und Pauls seinen Brief beantworten muß, so will ich denn
schließen.
Sage Herrn Heyse, daß es mir ganz drollig vorkommt, einen gan-
zen Chor singen zu hören: Tuba mirom. Oder Dictürüs, maxi-
mom etc. Ich werde nächste Woche anfangen Latein zu treiben,
mit einem Bruder von Halevy. Sage ihm auch, daß ich ihm sehr
bald, sehr viel schreibe.
Sage Ritz, Onzlow habe keine Note aus Fidelio gekannt. Ich spiel-
te ihm die Ouvertüre auf einem ganz schlechten Klaviere vor; und
er war ganz außer sich, kratzte sich im Kopfe, instrumentirte sie
in Gedanken, sang am Ende in der Entzückung mit, kurz war ganz
35
toll. Nächsten Posttag bekommt dieser lange Eduard 36 , wie auch
Herr Professor Zelter einen Brief von mir. Du wirst mir also dann
nicht übel nehmen, daß ich Dir nicht schreibe. Ach ja, sage Ritz,
ich hätte gestern Abend eine Menge erste und zweite Garde ge-
macht. Aber mein gewöhnliches Pech habe mich nicht im Stiche
gelassen. Frag' ihn ob er wisse, was fes moll ist? Er soll sich die
Garde ein bischen einstudiren, um meinen kommenden Brief zu
verstehen. Denn der wird wimmeln! wimmeln! Die ganze junge
Garde wird gegrüßt! [. . .]
Dein Felix.
fanny an felix 37 Berlin, ii. April 1825
Du wirst Dich wundern, daß ich aus meiner holden Ruhe das
Wort Unruhe als Echo aus Deiner rauschenden bewegten Welt
wiederhole, u. doch ist es so, hundertmal unterbrochen, gestört, ist
es mir nicht möglich, drei zusammenhängende Worte zu schrei-
ben, darum fang ich einmal früh am Tage an, u. frage gleich los,
was mir zuerst einfällt. Kennt Onslow (nicht Onzlow) u. Schuhu
Reicha 38 Beethovens 33 Veränderungen über einen Walzer 39 ?
Sonst solltest Du Dir eine Ehre daraus machen, so Du 40 diese
Herrn allein auf ihrem Studierzimmer triffst, unsren großen 41
Landsmann auch als Gelehrten u. Theoretiker bei ihnen einzufüh-
ren. Du nennst Drouet 42 noch nicht, ist er abwesend?
Es scheint mir beinah, als ob Du vor lauter Hören gar nicht zum
Sehen kämest. Du hast noch keine Sylbe v. den Tuillerien, Mu-
seum, v. d. Stadt u. Deinen Promenaden gesagt. Indessen hoffe ich
das in Deinem Tagebuche zu finden. Und zwar hast Du bis jetzt
fast nur Soireemusik gehört, ich sehe das ist tout comme chez nous,
u. die Talente werden dort eben so gut abgeleiert, wie hier. Ueber
italiän. Oper u. Concert spirituel hast Du geschwiegen, bis auf ei-
nige Worte übers Orchester, die Ritz sehr verwundert haben, denn
er sagt eben diese Blasinstrumente, wären immer Rodes Entzük-
ken gewesen. Ueber diesen R. kann ich nicht genug, u. nicht zuviel
hören. Wird er denn gar nicht die Geige in die Hand nehmen -
Eben kömmt Vaters Brief v. 2ten u. 3ten, lieber Felix, es ist uns
recht ängstlich, daß er so unwohl, u. verstimmt scheint. Ist er es so
sehr, wie seine Briefe? Tante H 43 findet ihn munter, u. wohler, als
36
vor einigen Jahren. - Boucher rührt mich, trotz seiner tollsten
Tollheit. Wie verträgt er, in seinem Eigendünkel, die allgemeine
Geringschätzung in Paris? [. . .] Es ist schade, daß Ihr die allerliebste
Müller nicht getroffen habt. Sie hat in dieser Woche fast jeden
Vormittag mit uns zugebracht. Wir ließen sie ruhen, u. das war ihr
gerade recht, da sie überall sonst zerrissen wurde. Sie machte viel
Musik mit uns u. ließ sich gern v. mir begleiten. Sie hat sich Deine
Altscene II 44 povere cor abschreiben lassen, obgleich Letzteres zu
hoch für sie ist. Auch mein Spinnerlied 45 , welches ihr nicht in der
Stimme lag, sang sie mit Mühe, aber sehr niedlich, nachdem ich
ihr einige Stellen verändert, u. mich ihr zu Liebe erboten hatte, es
zu transponiren, was sie jedoch nicht leiden wollte. Gestern früh
kam sie mit ihrem Mann, um ein Quartett v. Dir zu hören,
Franck 46 blieb aber aus, u. wir beredeten Julius Ritz 47 , die Stimme
vom Blatt zu spielen, obgleich es Eduard nicht gern wollte. Er
machte seine Sachen über alle Erwartung gut, hat einen guten Ton,
festen Bogenstrich, u. fehlte im Takt nicht ein einziges Mal, u. in
den Noten sehr wenig. Er hätte also Deinem Professor bei Tremont
Unterricht geben können. Nach Tisch spielte ich ihr noch Deine
f moll Sonate 48 , mit Ritz, dem dies mal das Adagio ganz ausneh-
mend gelang, dann schieden die lieben Leutchen, u. wir machten
noch einen Haufen Musik.
Wirst Du niemandem Deine Oper zeigen?
Heute ist unseres BackfischGeburtstag 49 . Wir werden eine niedli-
che junge Gesellschaft haben, u. der Improvisatore 50 wird hier
seyn. Seit ich gehört habe, wie er die eroica abschlachten will, bin
ich ihm sehr gram. Heut vorm Jahr hatten wir einen großen Ball,
weißt Du noch, Lindenau nahm die Geige in die Hand, u. wir
sprangen [. . .]
Mit der schnellen Expedition Deines 2tn Doppelkonz. 51 wirst Du
sehr zufrieden seyn. Ich hoffe Du wirst Gelegenheit finden, es mit
einem der ioooo Virtuosen zu spielen, u. wünsche, daß Du an
einen kömmst, der das letzte Stück besser bemeistern kann als
Deine Dich liebende. Wie sehr würde ich mich freuen, wenn Du
Gelegenheit hättest, Deine Symphonie zu hören. - Der Baron
Tremont hat uns Alle, so wie wir den Brief lasen, an den Baron
Bagge 52 erinnert. Alles läßt tausendmal grüßen, u. ich empfehle
mich für heut zu Gnaden [. . .]
37
felix an fanny Paris, 20. April 1825
Deinen Brief vom Uten, liebe Fanny, habe ich eben angefangen,
und bedanke mich erstlich, daß er so hübsch lang gerathen ist.
Aber leider ist er fast ganz voll Beschuldigungen, und auf diese will
ich denn vor allem dringend antworten. Erstlich, meldest Du mir
höchst gelehrt, Onslow schreibe sich nicht mit einem z, dafür mel-
de ich Dir zurück, daß die Tuilerien sich nicht Thuilerien schrei-
ben, also nicht mit einem h, noch mit zwei 1. Dann soll ich von
meinen Promenaden erzählen. "Wenn aber das Wetter vor 8 Tagen
schrecklich heiß und staubig, und kurz darauf so kalt war, daß wir
Mäntel anziehen, und einheizen mußten, wie kann ich da spazie-
ren gehn? Der Vorwurf über italiänische Oper und concert spiri-
tuel geschwiegen zu haben, ist beseitigt; denn in einem langen
Briefe hat (wenn ich nicht irre) von nichts als von diesen beiden
gestanden. Damit Du aber nicht ferner zürnst, will ich Dir gleich
erzählen, daß wir gestern Abend im Feydeau 54 waren, und den
letzten Act einer Oper von Catel 55 , L'aubergiste und Leocadie von
Auber 56 sahen. Das Theater ist geräumig, freundlich und hübsch.
Das Orchester ist recht gut. Wenn auch die Geigen nicht so vor-
trefflich sind, wie die der Opera buffa, so sind doch die Bässe und
Blasinstrumente, auch das Ensemble besser als da. Auch wird in
der Mitte dirigirt. Die Sänger und Sängerinnen singen ohne Stim-
me und nicht übel, spielen recht lebhaft und schrill, und so geht
das Ganze recht gut zusammen. Aber nun die Hauptsache, die
Composition. Von der ersten Oper will ich nicht sprechen, denn
ich hörte nur die Hälfte, und die war zwar matt und kraftlos, aber
doch nicht ohne hübsche leichte Melodie. Aber die berühmte
Leocadie vom berühmten Auber! Sowas Erbärmliches kannst Du
Dir gar nicht vorstellen! Das Sujet ist aus einer schlechten Novelle
von Cervantes 57 schlecht zu einer Oper umgearbeitet, und ich
hätte nicht geglaubt, daß ein so gemeines, unziemliches Stück sich
auf dem Theater der Franzosen, die doch sehr feines Gefühl und
richtigen Tact haben, nicht nur halten, sondern sogar gefallen, und
in kurzer Zeit 52 mal hinter einander gegeben werden könne. Zu
dieser Novelle aus Cervantes roher, wilder Periode hat Auber eine
zahme Musik gemacht, daß es ein Jammer ist. Ich spreche nicht
davon, daß kein Feuer, keine Masse, kein Leben, keine Originalität
38
Abraham Mendelssohn Bartholdy
in der ganzen Oper zu finden, daß sie aus Reminiszenzen abwech-
selnd aus Cherubini und Rossini zusammengeklebt ist, ich spreche
nicht davon, daß nicht der geringste Ernst, nicht ein Fünkchen
Leidenschaft, keine Kraft, keine Wärme drin ist; daß in den ent-
scheidenden Augenblicken die Sänger Gurgelagen und Triller-
chen und Passagen machen müssen: aber instrumentiren, was jetzt
so leicht geraten ist, da die Partituren von Haydn, Mozart, Beetho-
ven verbreitet sind, instrumentiren sollte doch wenigstens der
Liebling des Publicums, der Schüler Cherubinis, ein Mann mit
grauen Haaren, können. Auch das nicht. Denk Dir, daß in der
ganzen, an Musikstücken so reichen Oper vielleicht dreie sind, in
denen die kleine Flöte nicht die Hauptrolle spielt. Die Ouvertüre
fängt mit einem Tremulando der Saiteninstrumente an und alsbald
kommt die kleine Flöte auf dem Dach, und das Fagott im Keller,
und dudeln eine Melodie dazu, im Allegrothema machen die Sai-
teninstrumente die spanische Begleitung und die kleine Flöte du-
delt wieder eine Melodie, Leocadies erste melancholische Arie:
pauvre Leocadie, il poudrait mieux mourir wird von einer kleinen
Flöte angemessen begleitet. Die kleine Flöte malt des Bruders
Wuth, des Liebenden Schmerz, der Bauernmädchen Freude, kurz,
das Ganze ließe sich vortrefflich für zwei Flöten und Maultrom-
mel ad libitum einrichten. O weh!
Du schreibst mir auch, ich soll mich zum Bekehrer aufwerfen und
Onslow und Reicha Beethoven und Sebastian Bach lieber lehren.
Das thue ich schon ohne das, so weit es geht. Aber bedenk, liebes
Kind, daß die Leute hier keine Note aus Fidelio kennen. Daß sie
Seb. Bach für eine recht mit Gelehrsamkeit ausgestattete Perücke
halten. Neulich spielte ich auf Kalkbrenners Begehr die Präludien
aus e und a moll für die Orgel 58 . Die Leute fanden beide wunder-
niedlich, und einer bemerkt, der Anfang des a moll Präludiums
habe auffallende Ähnlichkeit mit einem behebten Duett aus einer
Oper von Monsigny 59 . Mir wurde grün und blau vor den Augen!
Und somit habe ich DeinenBrief beantwortet, lebe denn für heute
recht wohl.
40
fanny an felix 60 Berlin, 25. April 1825
Etsch! Reist nach Paris, u. bekömmst keinen vernünftigen Ton zu
hören, oder doch nicht viele, u. wir sind ruhig zu Hause geblieben,
u. müssen alle Ohren aufsperren. In einer Woche: Jessonda 61 , Al-
ceste 62 , Samson 63 u. die Pastoralsymphonie, denn die beiden letz-
teren giebt Sapupi 64 übermorgen am Bußtage zu seinem Conzert.
Was meinst Du? So viel scheint mir gewiß, daß Deine Anlage zum
Schuhuhismus sich glänzend in P. entwickelt. Mein Sohn, Deine
Briefe sind ja ganz aus Kritik zusammengenäht. Marx wird Freude
an Dir erleben. Ich hoffe, in der Erinnerung wird noch Manches
ein rosafarben Kleidchen anziehn, was jetzt noch vom Staube der
Befangenheit u. Vorurtheile graut, denn wenn Alles wirklich so arg
wäre, wie Ihr es jetzt anseht, so wäre es ja schade um die Reise.
Kalkbr. 65 karakterisierst Du sehr gut, u. rufst mir den liebenswür-
digen Ciavierengel 66 wieder recht lebhaft ins Gedächtniß zurück.
Ich wollte ihn einmal wieder über die Tasten blitzen hören [. . .]
Hat denn K. noch gar nicht jettlich gesagt? Grüße ihn doch ja, ich
bin sehr erfreut, daß er sich meiner erinnert. 67
Du armer Tantalus! Rode täglich zu sehn u. keine Harmonie aus
diesen Sphären zu vernehmen! Doch muß ich gestehn, finde ich
es recht tröstlich, ihn in P. zu wissen, wo doch ein Wiedersehn
eher möglich ist, als in dem Winkel Bordeaux. -
Ach was habt ihr für schöne Bilder gesehn! Warum schreibst Du
davon kein Wort? Nichts v. öffentlichen Gärten, der Stadt, den
Gebäuden? Es scheint mir fast, als tödtete die leidige Soireemusik
jeden Genuß in Dir. Nun, die unsrige, kräftige, wird Dir schmek-
ken, wenn wir erst in unserm großen, gewölbten Gartensaal 68 Dei-
ne Symphonie streichen. Ach wie freue ich mich darauf! Deine
Geschichte mit den Sechsen, die immer den Siebenten applaudi-
ren, ist sehr gut. Was hat sich da Alles zusammengefunden u. schö-
ne Dinge gesagt, Rossini u. Meyerbeer 69 , Hummel, Moscheies u.
Kalkbrenner, die sich doch wahrscheinlich einer den Andern ins
Pfefferland wünschen.
Jetzt haben wir den schönsten, heitersten Frühlingshimmel, u.
grüne Bäume. Sonntag Nachmittag waren wir in unserm Garten,
mit der jungen Garde, zu der sich ein Rekrut eingefunden hat, ein
junger H. Schubring 70 aus Dessau, der uns freundliche Briefe v.
4i
Wilhelm Müllers gebracht. Wir alle huckten auf der Erde, u. such-
ten Veilchen, Klingem. 71 mit; uns parodierend, wir behaupteten,
er buddele Veilchen. Dazu hatte er seinen Brill aufgesetzt, u. dann
ließ er sich auf einem abgehauenen Baumstamm nieder, die in sein
Schnupftuch gesammelten Blumen, Erde u. Gras, zu ordnen.
Kannst Du Dir diese grandiose Figur recht lebhaft denken?
Unser Garten ist schon wunderschön; wie wird er nicht erst im
Mai seyn, wenn der Flieder blüht. Du bist aber ein Stückchen
Vandale, hast keinen Sinn für grüne Bäume.
Apropos, hab ich, oder hab ich nicht erzählt, daß Klingem. schon
3 Violinstunden bei Ritz genommen? Er hat wirklich einen lo-
benswerthen Eifer. Wir haben ihm eingeredet, er müsse die
Hauptsäule des Symphonievereins werden, u. er glaubt es, u. miß-
handelt nun tapfer R's armen Aegidius Klotz 72 . R. hat auch 3 Schü-
lerinnen bekommen. Unsere kleine geschickte Nachbarinn, Ida
Benda 73 [. . .] u. die beiden kleinen Blancs. 74
Gestern wurde für Lauska 75 das Requiem v. M. 76 gegeben. Ichkonn-
te, wegen eines starken Hustens, der mich quält, nicht hingehn. Auf
der Academie war das v. Zelter 77 , u. bei diesem werden wir nächsten
Freitag wahrscheinlich das v. Hasse 78 singen. Schade, daß Seb. Bach
keines geschrieben hat. Ist denn Reißiger 79 nicht in P., oder wie
kömmts, daß ihr ihn noch nirgends angetroffen? Und Drouet? Ist es
nicht eine ungemein glückliche Idee, die Pastoralsymphonie vor
dem Samson zu geben? Samson war just so ein Landmann, mit Du-
delsack, Wachtel u. Nachtigall. Und doch, so verkehrt es ist, freue
ich mich auf Beides. Und nun Adieu, eben ist die erste Bratschen-
korrektur gekommen. Wenn wir nur erst Antwort v. Weimar ha-
ben, ist die ganze Geschichte in 14 Tagen abgemacht. 80 Ich grüße
Väterchen tausendmal, u. Tante H., u. Rode, über dessen Zeilen wir
eine außerordentliche Freude gehabt haben. Lebt wohl. Wenn wir
Euch doch bis Potsdam entgegen fahren könnten.
Fanny.
fanny an felix 81 Berlin, 29. April 1825
Ja ja, mein Sohn, die Pastoralsymphonie (zu Deutsch: Hirtensym-
phonie) ist sehr schön, u. wenn Dus nicht glauben willst, so rufe
ich Dir zu, schweige u. höre, u. dann urtheile. Ich kann Dir nicht
42
mehr sagen, als daß Mutter entzückt davon war, als es aus war,
frug, was nun käme? Clarheit u. Wahrheit, Reichthum u. Einheit
von einem Ende bis zum Andern. Die Scene am Bach ist wirklich
ein Ideal von Anmuth, das ganze Stück in heiterer, heller Farbe
gehalten, nur das schwere Gewitter bildet den nöthigen Schatten
in der Landschaft. Schade, daß mein Lieblingssatz, die Bachscene,
vollkommen verdorben wurde durch das Tempo, welches unver-
nünftig, noch viel schneller war, als in Mosers 82 Concert. Das Or-
chester fühlte das Tempo weit besser als Moser, es wollte nicht mit,
dadurch entstanden denn böse Rückungen. Es ist der höchste Reiz,
die lieblichste Anmuth der Instrumente, die ich kenne. Von Sapu-
pis holder Ruhe hat gewiß Mutter schon erzählt. Samson ging, bis
auf einige arge Placker, ziemlich gut. Die Milder 83 war unübertreff-
lich.
Heut habt ihr uns vergebens schmachten lassen, haltet uns nur
morgen schadlos. In 14-18 Tagen hoffe ich haben wir Euch wieder,
u. vielleicht sind dies unsre letzten Briefe. Den v. Ritz erhältst Du
lieber Felix so spät, weil er ihn neulich eine Stunde nach Abgang
der unsrigen erst brachte. Ich wünsche Väterchen Glück zur an-
genehmen u. erwünschten Vermiethung der mittleren Etage. 84 Es
geht mit Pauken u. Trompeten. Apropos v. Pauken u. Tr., wie ist
es möglich, daß Du außerordentlicher Wunderjüngling, 6 Wo-
chen leben kannst, ohne eine einzige Note zu schreiben? Es
kommt mir unwahrscheinlich vor.
den losten (4. 1825)
Da Klingemann u. Beckchen ausgerast haben, will ich einmal wie-
der die Feder ergreifen, um Dir für Deinen sehr gescheuten Brief
v. 20sten zu danken. Ich bin nur froh, daß Du endlich einmal mit
vernünftiger Begleitung gespielt hast, bis jetzt hab ich Dich doch
darbend gewußt mitten im Lande wo Milch u. Honig fließt. Ehe
ich es wieder vergesse, will ich Dir nur gleich eine Frage thun, die
mir schon lange auf 85 dem Herzen lag, die ich aber immer vergaß,
wenn ich die Feder in die Hand nahm, nämlich warum Du auf
allen den matinees, diners, soupers, u. was sonst noch für ers 86 sind,
noch gar nicht Dein Sextett 87 gespielt hast? Giebt es in Paris in
jener Gesellschaft nur Einen, der Bratschenschlüssel liest? Lieber
F. ich möchte wol Ihr hättet Eure geliebte Frau, Mutter, Töchter,
u. Du Deine vielgeliebte Schwester dort.
43
Wenn ich v. Euren vernünftigen Plaisirs lese, läuft mir der Mund voll
Wasser. Doch glaube nicht, daß wir gar nichts vornehmen, wir
haben gestern Abend Plaisir ausgestanden, so gut, wie ihr, wir
waren auf einer Soiree, da war es so heiß, so heiß, wie es nur in
Paris hätte seyn können. Wir waren da mit Iwan Müller 88 u. dem
Improvisator Wolff zusammen. Mit ersterem ließ ich mich in eine
lange Discussion ein, um mir seine Verbesserung der Clarinette u.
Altclarinette erklären zu lassen. Er behauptet, vermöge seiner Er-
findung, mit mehreren Klappen, u. einem etwas veränderten Bau
des Instruments, alle Tonarten auf demselben blasen zu können u.
alle Töne zu binden. Er schreibt daher auch jede Tonart in ihrer
natürlichen Lage u. im ehrlichen Tenorschlüssel. Denke Dir mei-
ne Seligkeit bei der bloßen Hoffnung, einst 89 alle Partituren so
geschrieben zu sehn. Kommt dann noch irgend ein Müller v. Him-
mel, u. verbessert die Hörne dergestalt, daß sie alle im Baßschlüs-
sel geschrieben werden, dann lese ich die Partituren, wie Wasser.
Kannst Du Dich bei Gelegenheit nach Müllers Clarinette erkun-
digen, so thue es doch, er behauptet, seine Verbesserung sey in P.
durchgängig angenommen, u. auch hier haben schon mehrere
Clarinett. 90 angefangen, unter seiner Leitung solche Instrumente
anfertigen zu lassen. Du mußt gestehn, es wäre ein großer Vor-
theil, alle Tonarten auf einer Clarinette zu blasen. Sein Spiel gefällt
mir übrigens nicht. Sein Ton ist zwar sehr schön, aber sein Vortrag
so geschmacklos, daß man sich sehr davon verstimmt fühlt. Mitten
in seinen albernen Trillerchen 91 Läufchen u. Cadenzen hält er
dann einmal einen Ton mit so abwechselnder Stärke u. so lange
aus, daß einem der Athem vergeht, da soll man sich denn ge-
schwind hineinfühlen, um augenblicklich wieder ins Laufwerk zu-
rück zu fallen. So rasch fühle ich nicht, u. daher fühle ich, wenn er
spielt, gar nichts als Köpfweh, welches mir dies durchdringende
Blasinstrument im Zimmer unfehlbar erregt. Wolff improvisierte
trotz tropischer Hitze, Jostyschem 92 Eise, Kuchen, u. einer ihm auf
dem Halse lastenden Menschenmasse recht schön, u. ich war so
glücklich, daß er ein Thema wählte, welches ich ihm aufgeschrie-
ben hatte. Dorn 93 begleitete ihn viel besser als Greulich 94 . Er hatte
einige musikal. aus dem Gedicht hervorgehende Ideen, die mich
wirklich überraschten. Ein dann folgendes Tyrolerlied war auf der
Guitarre begleitet, welche sich meiner Idee nach weit besser dazu
44
eignet, schon weil ihr dünner Ton die Stimme nicht zu sehr be-
deckt. - Ich komme eben aus Vaters Stube, wo ich Ritz der kleinen
Benda habe Unterricht geben hören. Sie spielt Etüden v. Gramer 95
u. muß brav wiederholen. - Rodes Wunsch, mit uns zusammen
zu wohnen, wiederhole ich als tausendfaches Echo. Käme er nur
her, es ist eine allerliebste Wohnung für ihn u. Frau u. Kinder da,
dann wollten wir jubeln:
Wenn das Gewölbe wiederhallt
fühlt man erst recht der Geige Grundgewalt.
Und unser ganzes Haus sollte wiedertönen. Aber daran ist leider
nicht zu denken. Was sagst Du denn, daß der große Geiger Klin-
gemann unser Miethsmann wird, obgleich Ritz sehr vor ihm ge-
warnt hat. Es sey zwar gefährlich den Leu zu wecken, etc. allein
der Schrecklichste der Schrecklichen sey Klingemann in seinem
Wahn, nämlich in seinem Geigenwahn - oder Wahnsinn, wo-
durch er als umgekehrter Amphion, Thiere Menschen u. Götter
verscheuchen würde. Er hat gestern unter tausend Possen Ab-
schied genommen, u. ist heut zur Hochzeit gereist. - Du kannst
denken, wie froh wir waren, eben zu vernehmen, daß Z. 96 einen
eigenhändigen Brief v. Goethe erhalten habe, u. wie sehr uns das
Gerücht seiner Krankheit, u. sogar seines Todes, geängstigt hatte.
Gott erhalte uns dies Paar noch recht lange, Amen. - Und somit
leb wohl, ich lobe Dich, ich liebe Dich, ich lobe Deine Briefe, u.
hoffe, daß wir Euch liebe Dreieinigkeit bald wieder haben werden.
Könnte ich nur so viel gescheute Antworten geben, als die Leute
immer dieselben Fragen nach Euch thun. Adieu.
felix an fanny 97 Paris, 9. Mai 1825
Eure Briefe vom 29 und 30sten haben wir gestern auf einer höchst
angenehmen Lustpartie nach Montmorency bekommen, und ich
bin sehr erfreut, liebe Fanny, einen so langen und ausführlichen
Bericht über alles, was Dich bekümmert und beschäftigt erhalten
zu haben. Über Deinen vorigen Brief war ich etwas wüthend, und
beschloß Dir einige Schelte zu reichen, die Dir auch noch nicht
geschenkt sein sollen, aber die Zeit, der wohlthätige Gott, wird sie
wohl mildern, und Balsam gießen in die Wunden, die mein flam-
mender Zorn Dir schlägt. Du schreibst mir von Vorurtheilen und
45
Befangenheit, von Brummen und Schuhuismus, vom Lande, wo
Milch und Honig fließt, wie Du dies Paris nennst? Besinn' Dich
doch, ich bitte Dich! Bist Du in Paris oder bin ich es? Da muß ich's
doch besser kennen, als Du! Ist es meine Art von Vorurtheilen
befangen, über Musik zu urtheilen? Wäre sie das aber auch: Ist
Rode befangen, der mir sagt: c'est ici une degrengolade 98 musicale!
Ist Neukomm 99 befangen, der mir sagt: Ce n'est pas ici le pays des
orchestres. Ist Herz befangen 100 , wenn er sagt: Hier kann das Pu-
blicum nur Variationen verstehn und goutiren. Und sind ioooo
andre befangen, die auf Paris schimpfen! Du, Du bist so befangen,
daß Du meinen höchst unparteiischen Berichten weniger glaubst
als einer lieblichen Vorstellung von Paris als einem Eldorado, die
Du Dir gebildet hast. Nimm den Constitutionen 101 in die Hand:
was giebt man in der Italiänischen Oper als Rossini? Nimm den
Musikkatalog zur Hand: was kommt heraus, was geht ab als Ro-
manzen und Potpourris? Komm doch nur erst her, und höre Al-
ceste, höre Robin de Bois 102 , höre die Soireen (die Du mit Salons
übrigens verwechselst, denn Soireen sind Concerte für Geld, u.
Salons Gesellschaften) höre die Musik in der königlichen Kapelle,
und dann urtheile, dann schilt mich, aber nicht jetzt, wo Du von
Vorurtheilen befangen und gänzlich verblendet bist!!!!
Nun verzeihe mir dies Allegro feroce! Ich falle Dir in Gedanken
zu Füßen, und küsse Dir die Hand, und sehe Dich, hoff' ich be-
sänftigt und mein Unrecht vergessend. Dann soll ich gestehen daß
es ein großer Vortheil wäre alle Tonarten stets auf einer Clarinette
zu blasen. Das gesteh ich aber keineswegs. Wenn einer käme und
für jede Tonart eine eigene Clarinette erfunden hätte, die von einander
so verschieden wären, wie die in c von der in a und b, dann wollt'
ich mit Freuden gestehn, daß der Mann eine große Erfindung
gemacht hätte. Aber so! Er nimmtja offenbar dem Orchester seine
Nuancen weg, wenn er sie den Instrumenten wegnimmt, denn aus
denen ist es ja zusammengesetzt. Glaube mir, laß Dir lieber von
Ritz ernstlich zeigen, wie man Clarinetten und Hörner liest, übe
Dich eine Stunde lang drin, und Du wirst Partituren spielen, und
die Clarinetten und Hörner wollen und lassen, wie sie sind. Beim
Hercules!
Sie sind gut so! Er sagt, seine Verbesserung sey in Paris allgemein
angenommen. Nego factum!
46
Auch Du, liebste Mutter, schreibst mir am Ende des vorigen Brie-
fes, ich möchte nicht so brummig seyn, über alles, was ich hörte.
Glaub mir doch, ich bin nie so wenig brummig gewesen, als jetzt,
und von Vorurtheilen ist die Rede gar nicht. Ich habe Vater gebe-
ten mir über diesen Punct ein Testimonium morum zu verabrei-
chen, und er hat mir es zugesagt. Ich habe in diesem Augenblick
eine schöne neue Halsbinde um, welche mir Tante Jette ge-
schenkt, und habe sie selbst, ohne Eichthals Hülfe, in einen so
neumodischen, zierlichen Knoten gelegt, daß ich vor mir erstaune.
Was meinst Du zu meiner Figur in kurzen Beinkleidern mit
Schnallen, und langen Strümpfen mit Schuhen?
Ich habe dieser Tage ein Kyrie 103 gemacht, a 5 voci und grandissi-
mo Orchester, das an Dichtigkeit alles übertrifft, was ichje zusam-
mengesetzt (componirt) habe. Es kommt auch ziemlich viel Piz-
zicato drin vor, und was die Posaunen betrifft, da ist auf eine gute
Luftröhre der Bläser gerechnet.
Nun lebt wohl; grüßt Hrn. Professor Zelter sehr, auch die Mad.
Casper 104 , und den großen Schuhu Frank, auch mein Herzensrö-
selchen 105 ; sag' ihm ich hätte noch keinen Strich gezeichnet, und
Tante Mayer 106 und Tante Levi 107 und wen nicht? Von Felix
P, S. (Fragment an Lea:)
[...] Dann behauptest Du, ich erkenne nicht an, was Fanny für
mich thut. Davon kann ich Dir das Gegentheil nur versichern,
beweisen kann ich es nicht. Glaube nur meinen Betheuerungen,
denn das Lügen habe ich mir in Paris noch nicht angewöhnt [. . .]
Coda.
Dir liebe Fanny kann ich nur in aller Eile noch für Dein Hebevolles
Briefchen danken, grüße die ganze Garde; ich gebe Klingemann
den Auftrag mich mit der Dame, die ihm die beste für mich zu
seyn scheint, zum Mohrrübencottillion zu engagieren; meinem
guten Ritz einen kalten Gruß, nächsten Posttag bekommt er be-
stimmt einen warmen Brief, wie auch Herr Professor Zelter, dem
Du mich sehr empfehlen mußt, und somit leb' recht wohl.
47
felix an fanny Berlin, 7. Juli 1826
Geliebteste Schwester!
Ich wollt* ich war ein Zander; denn außer dem guten Geschmack,
auf den ich sehr erpicht bin, und der allen Zandern angeboren ist,
haben sie auch das Vorrecht sich den ganzen Tag zu baden, und
das Wasser hat 22 Grad. Dann brauchen sie wieder Gesichter, noch
Cour, noch Ouvertüren zuzuschneiden, kurz es sind glückliche
Geschöpfe, mit mir verglichen, der ich bei allem gähne, und bei
allem schläfrig bin, sogar beim Schlafen selbst, und wäre dieser
Brief nicht nach Doberan gerichtet, so würde ich mich auf einen
Augenblick an die Bank, auf der ich sitze, lehnen, und über das
Wesen der Dinge nachdenken. Nun stelle Dir also Deinen schläf-
rigen Gör vor, der sich gestern in der Nachmittagshitze gegen 6
Uhr zu Spontini schlagen muß, um sich von ihm Opernbescheid
zu holen 109 . Im Anfang des Gesprächs versprach er mir die Auf-
führung im September, am Ende desselben aber schon im Oct-
ober, und hier ist bei dieser Gelegenheit ein kleines Regle de foi-
Exempel: Wenn sich ein Ding in einer halben Stunde um einen
Monat verschiebt, um wieviel Jahre verschiebt sich's dann in 14
Tagen? Indessen hör' ich doch schon vom Ausschreiben sprechen,
und das ist doch etwas. Lassen se se man; sagt Frau Möllern.
In dieser Lethargie habe ich mir eine neue Lithurgie für mein
Leben ausgedacht. So habe ich z.B. befunden, daß man gewöhn-
lich eine Mahlzeit zu viel hält; das erste Frühstück und Mittags-
mahl sind gar zu unentbehrlich, das zweite Frühstück mir abzu-
gewöhnen war mir, trotz wiederholter Versuche unmöglich, so fiel
mir das Abendbrod ein, und dies gewöhn' ich mir nun nach und
nach ab, ohne Furcht den Tod des heiligen Hieronymus (er ver-
hungerte) sterben zu müssen. Ferner habe ich mir das Componi-
ren im Garten zugelegt, und daselbst schon zwei Ciavierstücke a
Dur und E moll zu Stande gebracht, und heute oder morgen will
ich midsummernightsdream 110 zu träumen anfangen. Es ist aber
eine gränzenlose Kühnheit! Auch die Sonate soll geschrieben wer-
den, und obwohl Du vergessen hast, Fräulein Coschitzky ein
Stöckchen zur Verjagung aus dem Garten hinzulegen, so bin ich
doch sehr fleißig, schon um mich wohl zu erhalten.
Übrigens bin ich persuadirt, daß Du dem Brief hier sehr wohl
48
ansiehst, welche Mühe sich sein Vater mit seiner Existenz genom-
men hat. Aber es ist doch wirklich nichts, gar nichts zu berichten
da; außer daß Franck plötzlich findet, behauptet und durchführt,
daß es von seiner jetzigen Wohnung bis zu uns eigentlich weit
näher sey als von seiner vorigen Wohnung, und daß wieder einmal
zu meiner Pein zwei neue Brautpaare da sind. Mine will Berlin
verlassen, Ritz sich erschießen, Tante Mine weint. Kanstein ist
vorgestern, wenn ich nicht irre, nach Warnemünde abgegangen;
er billigt den Gartenunfug und die Spiele auf der Wiese keines-
wegs; mit wem wird nun Ritz Arm in Arm spazieren gehen kön-
nen, wenn wir Sack spielen?
Ich rief ihn vorigen Sonntag und sprach: Ritz, spiel mit mir. Aber
er kam ganz nah an mich heran, und sagte leise, er könnte nicht,
weil er keinen Hausschlüssel bei sich hätte. Lindblad 111 klappert
mit den Zähnen, und findet unser Clima zu rauh, denn seine Stube
Uegt nach Norden, darum will er nach Schweden zurück; kommt
er aber nach dem Garten, so findet er unser Clima zu heiß und
will darum nach Schweden zurück. Die musikalische Zeitung ent-
hält unseren Aufsatz. Schubring taucht auf den Grund, und
kommt wieder an, den Kopf mit Muscheln und Schnecken ganz
bedeckt. Aber nun weiß ich auch gar nichts mehr zu erzählen, und
muß schließen. Ich hoffe, daß Vater nunmehr am ruhigen und
warmen Meere mehr Geschmack findet, als sonst; denn Stürme
und Kälte kann man in diesem Jahr nur in Iphigenie und bei Ste-
hely 112 antreffen. Und grüß mir Vater viel tausendmal; gewiß hätt J
ich ihm geschrieben, aber wenn er einen ganzen Brief voll Nichts
bekommt, so schilt er furcht' ich, darum erwarb ich sehnlichst
einigen Schreibestoff.
Dein Felix MB.
felix an fanny 113 Berlin, 18. Juli 1826
[...]
Dir, geliebteste Vergnügen-Votum- und Rathgeberinn, mit einem
Worte, Fanny, habe ich doch etwas wenigstens zu melden. Sonn-
abend war Dorn's neue Oper. Rolands Knappen, Text und Musik
v. Heinrich Dorn. Das Haus war bis auf Parquet und Parterre lei-
der gänzlich leer, und im weiten Range kein Mensch. Joseph
49
Friedlaenders, Marxs, Ritzs, Reißigers, Dehns 114 , Henochs 115 , Mo-
linens etc. etc. Gesichter gucken von allen Seiten her. Ouvertüre
fängt an, wird sehr lebhaft beklatscht, Spitzeder 116 vortrefflich, in
bester Laune, gleich beim Auftreten mit Applaus empfangen, kurz
das Publikum, wie Du Deine Königsstädter kennst, bis zum Ende
des ersten Aktes ungetheilter Beifall; er enthält aber auch viele
sehr hübsche und gute Sachen, ja alles, worin Dorn sich selbst gibt,
wird Dir gewiß Wohlgefallen und ist recht erfreulich, und es hat
mich recht sehr verdrossen, daß man überall deutlich sehn kann,
wo er sich selbst verlassen hat, und Rossini, Spontini oder Spohr
sein wollte, denn das scheint mir anzudeuten, daß er diese Ab-
schweifungen von der Eigenthümlichkeit nur aus falscher Furcht
vor dem Publicum, die er durch den ersten Erfolg ermuthigt, wohl
bald ablegt, gemacht hat. Auch hat Stegmayer 117 viel darin gearbei-
tet, man kann das Schlechte, und das Fade in der Oper dem mit
mehr Rechte zu Last legen, als Vater das in der Louis Ferdinand-
schen Musik 118 dem armen Dussek.
Doch weiter in der Erzählung. Der zweite Akt beginnt mit meh-
reren sehr pathetischen und sentimentalen Musikstücken, in de-
nen die Schönheiten nur einzeln zerstreut liegen, und so mags
wohl kommen, daß sich das kleine Publicum in zwei Partheien
theilte, die sich nur gegen's Ende bei einem vortrefflichen Spitze-
derianion wieder vereinigten, und nach dem Ende der Oper noch-
mal stritten, beide mit gleichem Unrecht, glaub' ich; denn das
Hervorrufen hat Dorn nach meiner Meinung nicht verdient, eben
so wenig, oder weniger das Zischen bis er erschien. Er ist auch
nicht so erfreut über die Aufnahme, als ich gedacht hatte, und er
war vor der zweiten Vorstellung sehr bange, denn er sagt alla
Dorn: Schwerenoth, da war kein Gesicht im Parquet, das ich nicht
gekannt hätte, und übrigens kein Mensch im Hause. Wenn nur
nicht der Teufel die übrigen Vorstellungen nach der zweiten holt!
diese ist heute Abend und ich bin recht neugierig, wie sie ausfallen
wird.
Zweitens! gestern war das Concert im Freien zum Besten seiner
Frau und Kinder gegeben von Moser. Bei eintretendem Orqan-
wetter werden die Posaunen nicht eintreten, weil das Publikum
nicht ins Haus eintreten kann. Um 8 Uhr morgens die Probe. Da
regnets. Ich gehe hin, und bin puncto halb neun pünktlich da, und
50
sie aber noch beim Aufrichten eines großen amphitheatralischen
Orchesters beschäftigt, welches die ganze Breite des Grasplatzes
der Terasse gegen über einnahm, und auf welchem sich die ein-
nehmende Musik für den einnehmenden Musikdirector gut aus-
nahm. Neun Contrabässe liegen im Grase ausgestreckt; ein Kerl
mit dem Serpent in der Hand geht spazieren, zwei Contrafagotte
und drei Posaunen kommen eben durch's Souterrain; die Kanonen
werden aufgestellt, Orchesterdiener laufen hin und her; Schock-
schwerenoth, sagt Moser; Kammermusiker sitzen auf den Bänken,
lachen mit einem Mal laut auf, tragen einander Huckepack; Ritz
turnt weiter hinten mit 20 anderen Blase- und Saiteninstrumenten;
zwei zanken sich; Puff! läßt einer die Ratschen losgehn; haltet's
Maul, sagt Moser; zwei Bratschisten wetten auf's schöne Wetter
etc. etc. etc. in aeternum. Endlich geht's los. Erst die Pastoralsym-
phonie. Moser erwähnt: Meine Herren bleiben Sie nur zusammen,
was Sie spielen, das ist mir einerley, und wir folgten seiner Ermah-
nung. So also ging die Probe an, Moser ging an (sein Pult nämlich)
und die Ausführung ging auch an. Die Ouvertüre aus Olimpia 119
brauchen wir nicht zu probiren, die aus Faust 120 ging gut. Nun
kommt die aus Oberon. Mit heiligem Respect lege ich meine Gei-
ge in den Kasten und gehe zuzuhören auf den Grasplatz, ein bi-
schen gespannt. Mit einem himmlischen Andante beginnts. Es ist
der schönste Anfang von Weber [. . .] Die Elfen in den Blaseinstru-
menten spielen gleich mit, der Turkenmarsch klingt auch an, und
dann kommt ein Satz in Cello's und Bratschen, wie er ihn oft
instrumentirt, aber wohl eine der rührendsten und edelsten Me-
lodien, die er erfunden; lange hat mich nichts so entzückt, wie der
Gesang, der dann endlich immer leiser wird [. . .] Nun strömt das
Allegro und sie fangen feurig an, es geht gut; ein kleiner Regen
fällt; weiter weiter schreit Moser; der Regen wird stärker, die Tone
schwächer; »Sakrament, weiter!« Da gießt's mit einemmal gewal-
tig und im Moment war alles durcheinander; alle suchen nach
ihrem Kasten, bedecken mit Schnupftüchern die Bogen und die
Geigen; nehmt die Noten unterm Arm, schreit Moser, und in zwei
Secunden ist das ganze Große Orchester verlassen, und keiner
bleibt, als ein einziger Clarinettist, der sehr kläglich das Lied aus
dem Zinngießer 121 : »Ojemine!« zu spielen anfängt. Das Gelächter
kannst Du Dir denken. Nach einigen Minuten hört es zwar auf zu
regnen, wir hörten aber nicht auf (Mosers Ruf nämlich) sondern
turnten wieder, und so wurde die Oberonouvertüre bei Seite ge-
legt, und die 3 Lieder von Zelter probirt, und der Soldat seine
Büchse zur Schlacht bei Vittoria 122 lud. Denke Dir 9 Posaunen, alle
Blaseinstrumente doppelt. Zwei Chöre von Regimentsmusik, 4
Trommeln, Ratschen, Schüsse, Kanonen, eine Regenmaschine
und ein königl. Orchester, die alle zusammen präludiren und
phantasiren, und die Sonne schien uns senkrecht auf den Kopf; das
ist kein Spaß. Dann ging die Ouvertüre und die Schüsse los; erstere
abscheulich schlecht, das that aber nichts; Ritz und ich spannten
einen Regenschirm gegen die Sonne auf, und spielten drunter, und
das Orchester kam abwechselnd sich darunter abzukühlen.
Zur Aufführung des Abends um 1/2 7 hatte Moser den Sautreffer
schönstes Wetter und an 1 000 Menschen zu bekommen. - Pasto-
ralsymphonie - alles still; Olympia - alles mäuschenstill; Faust -
alles todtenstill; Oberon - donnernder Applaus von allen Seiten
her; das war hübsch; ein böses Omen ward aber, daß Moser in den
ersten Tacten der Pastoralsymphonie seinen Tactstock auf die Sei-
te fallen ließ, und nun ohne Direction spielen ließ, bis ein Höfli-
cher ihn ihm wieder reichte; er war aber sehr ärgerlich. Die
Schlacht ging sehr gut, wir waren alle ganz auseinander in der
Mitte; aber das thut nichts, Schubring hat sie doch auf seinem
Zimmer in der Mohrenstraße gehört. Nun ist der Brief geendigt,
sowohl weil ich ausgehe, als weil der Stoff ausgeht, meine Liebe
zu Dir geht aber nicht aus, sondern sie geht aus E moll seit Du weg
bist. Fine. Felix.
[...]
fanny an felix 123 Berlin, 18. April 1829
Ich hätte gern diesen ersten Brief, der Dich in London trifft 124 , mit
dem dreistimmigen Trompetenstoß angefangen, allein zur Stunde
bist Du noch nicht hinüber, das Wetter ist hier schlecht, u. ich will
nicht Gott versuchen. Glaube ich Dich erst hinüber, so ziehe ich
alle Register meines Herzens, stoße in alle Trompeten meiner
Lunge, u. erhebe eine Musik, daß Du sie in der Insel hören mußt.
Just am Tage Deiner Abreise ging die Emancipationsacte 125 durch,
man kann sich also keinen interessanteren Zeitpunkt zu einer Rei-
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se nach England ersinnen. Ich will Dir jetzt von dem Gegenstande
erzählen, der Dich vor der Hand noch mehr berühren wird als
Emancipation, Departementalgesetz, u. spanisches Erdbeben 126 ,
ich meine unsre gestrige Passion 127 . Hier vor der Hand das 128 Re-
sultat: die Aufführung war weit über meine Erwartung, u. weit
hinter der Deinigen zurück. Von den Montags u. Dienstags Pro-
ben wollte ich Dir gar nichts schreiben um nicht den Jammer in
Dir zu erwecken, von dem meine Seele voll war. Zelter spielte
selbst, u. was er mit seinen zwei Fingern u. seiner völligen Unkennt-
niß der Partitur herausbrachte, kannst Du Dir denken. Mißstim-
mung u. Angst verbreitete sich im ganzen Chor, u. Dein Name
wurde vielfach genannt. Die Donnerstagsprobe war nicht geeignet
jene Bersorgnisse zu vermindern, Z. taktirte nicht bei den accom-
pagnirten Rezit., und bei den Chören nur wenn er es nicht vergaß.
Stümer 129 that Wunder, u. hielt sich, bei Z's fast fortwährend fal-
schem Accompagnement 130 , stets richtig. Um einige Einzelheiten
zu nennen, so war Devrient 131 so verwirrt, daß er unter anderem
nur das halbe Abendmahl einsetzte, u. gleich in f Dur anfing: trin-
ket Alle daraus. Die Milder warf das Duett wie gewöhnl. um, die
Schätzel 132 plackerte stark in ihrer Arie, die kleinen Chöre »der
rufet den Elias« u. »halt laß sehen« gingen drunter u. drüber etc.
Z. fuhr entsetzlich drein, war sehr böse, verwirrte sich immer beim
Umwenden der ausgelassenen Stücke 133 , wodurch große Pausen
entstanden u. wobei ihn Stümer, mit mehr Discretion u. Haltung,
als ich ihm zugetraut hätte, still zurechtwies, Devrient saß da, als
ein vollendeter Ecce Homo. Um 5 schloß die Probe, u. außer uns
vor Ermüdung, Anstrengung u. Angst kamen wir nach Haus,
nachdem ich noch mit Devrient, Rietz u. David einen kleinen
Rath gehalten hatte, u. übereingekommen war, daß Ritz ganz
durch taktiren, David aber pausieren sollte, als hinge sein Leben
davon ab, denn der 2te Chor war bei späteren Eintritten ganz auf
sich allein angewiesen. Nach diesen Aspekten ging es denn noch
außerordentlich. Deinen Vorschlag mit den »Clarinetten« 134 hatte
Ritz in der Probe versucht, u. ich hatte den Chor ungestört 135 , wir
fanden es aber nicht zweckmäßig, es klang zu spitz u. verlor den
Orgelcharakter, u. so blieb es beim Alten in der Aufführung. Ida
Benda, die ich gesehen habe, sagte, der Choral habe wunderschön
geklungen. Der erste Chor ging übrigens gut. Ritz taktirte, u. bei
53
den Worten Jesu kamen die Instrumente fast immer präcis, was
sehr zu verwundern. Die Milder sang die Arie sehr schön, schluck-
te zwar ein ganzes Achtel lang, aber die Flöten gaben nach. Abend-
mahl sehr schön. »O Schmerz«, zu geschwind, u. das pp. im Chor
verschwunden. »Siehe, er ist da, der mich verräth«, sang Devrient
laut Befehl. Duett wider Erwarten, vortrefflich, Chor schwach,
daß Z. endlich seine Lust büßte, u. die Instrumente 136 durchtaktir-
te, begreifst Du. Auch kamen sie nicht ganz präcis. Schlußchoral
ohne piano, Flöten vortrefflich, Altarie gut, unter den Choreintrit-
ten, waren durchweg die Tenore am schwächsten. Die kleinen
Chöre gut, bei »wahrlich du bist auch Einer« fehlten zu Anfang
die Flöten. In »Erbarme dich« machte die Schätzel denselben Feh-
ler wie in der Probe, aber so geschickt, daß es wol nur wenige
gehört haben. »Was gehet uns das an« war der einzige Chor, der
anfangs sehr wackelte. »Der du 137 den Tempel Gottes« viel zu
geschwind, Ritz hielt an, aber der Anfang war weg. Nun kam der
große Scandal, der nicht fehlen kann: »Ach Golgatha«, fing statt
auf dem 4., auf dem 8ten Achtel an, u. mit ihrer gewohnten Con-
sequenz blieb die Milder, durch das ganze Redt., ihren halben Tact
zurück, obgleich Zelter ihr mit aller Macht des Claviers richtig
vorspielte. Rietz ging zu denBassethörnern hin u. brachte sie auch
richtig in Ordnung, aber erst in den letzten Takten, u. solcher
Jammer ward selten erhört. Sie hat mit wunderbarer Symmetrie
das erstemal das erste Stück verdorben, das 2temal das 2te, u. ge-
stern das dritte. Als es aus war, umarmten mich Viele, u. jammer-
ten nach Dir. Bader 138 und Stümer an der Spitze. Stümer ward
ganz weich und sagte, es muß Ihnen doch heut komisch zu Muth
gewesen sein. Dafür machte ich ihm die größten Komplimente
darüber, wie er sich hat halten können, Rietz hat auch Wunder
gethan, denn Z. taktirte nur wenn es ihm einfiel, konnte er den
Taktstock nicht schnell genug fassen, so nahm er die Hand, u.
wenn er auch das vergaß, kamen die Chöre von selbst. Im Ganzen
genommen, war es für das Publicum eine gute Aufführung, auf
dem Orchester aber fühlte ein Jeder, wo es fehlte. Mir stand der
Kopf den ganzen Abend nach dem Dampfschiff. Es war übrigens
sehr voll, der König von Anfang zu Ende da [. . .] Noch muß ich
bemerken, daß Devrient die Partitur nach der Probe aufgenom-
men, u. die ausgebliebenen Stücke mit Mundleim verklebt hatte.
54
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Eduard B. Devrient
Er nimmt es wieder fort, u. außerdem ist Deine Partitur durchaus
nicht verunreinigt worden. Ritz hat göttlich gespielt. Und nun
glaube ich fertig zu seyn [. . .]
fanny an felix' 39 Berlin, 24./2S. April 1829
Heut erwarten wir unsere Leutchen zurück 140 , mein Felix, u. ich
freue mich nicht wenig darauf, mit Beckchen recht clownen zu
können, mit Variat. auf das Thema v. Schatz verloren etc. Eigent-
lich genommen, lebe ich erst recht wieder auf, seit Du von Ham-
burg fort bist, denn die Eifersucht, Beckchen allein mit Dir zu
wissen, Heß mir wenig Ruhe, was hat das Kind für ein Ueberge-
wicht mitgenommen! So acht Tage allein. Sie hat zwar viele De-
tails Eurer letzten Tage schon geschrieben, ich werde mir aber die
Details noch einmal detaillieren lassen, u. fürchte sehr, den Neid
über diese acht Tage werde ich sobald nicht los, wenigstens kannst
Du allein ihn mir wieder nehmen. Ich freue, u. sehne mich nach
einem langen ruhigen Brief von Dir, in Hamburg ward 141 ihr alle
etwas verdreht, Du, Wichtiges im Auge, ernsthaft zerstreut, das
tolle Mädchen nicht wenig ausgelassen. Sie mögen ihr schön die
Cour gemacht haben, das sah man jeder Zeile ihrer Briefe an, die
von Uebermuth schäumten.
Wir haben so so gelebt. Den ersten Feiertag, während Deiner
Schwimmfahrt, waren Abends einige Getreue hier, Marx 142 , der
fleißig kommt, u. von Mutter mit vieler Auszeichnung behandelt
wird, Heydemanns 143 , Droysen ist noch nicht wieder von seiner
Reise zurück. Den zweiten Feiertag bekamen wir von Hamburg
die Nachricht Deiner Einschiffung, u. waren Abends, horribile
dictu, bei Fränkels. 144 Dienstag gingen wir nach dem Garten, wo
wir bis jetzt fürs Vaterland froren. Wenn Dir der April so saure
Gesichter schneidet, wie uns, so ist das wenig Lebensart, einen
Fremden so aufzunehmen. Mittwoch aßen Caroline 145 u. Augu-
ste 146 hier, tete ä tete mit Mutter u. mir [. . .], u. nun hätte ich Dich
hergewünscht, um zu sehn, wie im Zwielicht Hensel 147 zwischen
Caroline u. Auguste auf dem Sofa saß, u. gräßlich Cour schnitt, als
ich mich über heiße Ohren u. kalte Hände beklagte, nahm er die
Mädchen erst bei den Händen, u. dann bei den Ohren, um zu
versuchen, obs ihnen auch so wäre, nachher zeichnete er an bei-
56
den. Ich emancipierte mich den Abend gleich den Katholiken, u.
hatte fiür Mosivius 148 einige Musik arrangiert, leider war Rietz et-
was unwohl, u. hatte mir absagen lassen, David erbot sich freund-
lichst, in dem Quartett, wie ich es wünschte, zu spielen, u. brachte
Landsberg 149 u. Kudelsky 150 mit. Es ging weit über meine Erwar-
tung, namentlich spielte David (ohne Vergleich mit Rietz) wirk-
lich sehr schön. Marx war auch ganz von ihm eingenommen. Vor-
her hatte ich das Trio von Beeth. D Dur 151 gespielt, u. war außer-
ordentlich mit dem Instrument zufrieden, es klang prächtig voll u.
stark, das ungemein zarte piano, das man hervorbringen kann,
setzte mich in besten Humor, u. es gelang mir gut. Dann sang
Devrient noch einige beliebte Lieder, unter denen besonders das
»Glutverlangen« 152 Ulrike zum höchsten Entzücken hinriss.
Marx hat Paganini 153 gehört und ist ganz hingerissen von ihm. Er
fand Hensels Zeichnung 154 nicht zureichend, u. hatte ein längeres
Gespräch mit ihm deshalb. Er giebt Concerte auf Concerte, jetzt
im Opernhause zu hohen Preisen, alle brechend voll, dazu ist jetzt
der junge Prume 155 hier, der mit ungeheuren Prätensionen auftritt,
zu denselben Bedingungen des Pag. spielt u. geäußert haben soll,
er wolle ihm überall nachreisen. Gestern hat er gespielt, ich weiß
noch nicht mit welchem Erfolge, da wir gestern auf einem Ball bei
Bendemanns 156 waren, wo soviel Menschen von einer andern
Welt waren, wie ich noch nie in ordentlicher Gesellschaft gesehn
habe. Rosa gewesene Kleider in Fülle, abgeblühte Blumen zu ab-
gewelkten Gesichtern [. . .]
Paul hat jetzt bis zu seiner Einsegnung wirklich zu viel zu thun,
gestern u. vorgestern Abend hat er bis 2 Uhr gearbeitet, nachdem
er bis um 9 auf dem comptoir war, sein Principal hat den Versorger
des Waarenlagers weggejagt, u. da ist Paul in seine Stelle gerückt,
u. da er noch gar nichts davon versteht, u. bei jeder Gelegenheit
fragen muß, so nimmt es ihm viel Zeit, er muß schon um 7 Uhr
dort sein. Ich hoffe, es soll nicht so arg bleiben.
Die neuste Theatergeschichte ist die, daß Spontini, nachdem er
zehn mal Alcidor angekündigt, u. wieder absagen müssen, sich
endlich entschlossen hat, einen förmlichen Abbitte Brief an Bader
gerichtet, an die Direction adressirt zu schreiben, den Redern 157
dem versammelten Comitee vorlas, u. B. nachher frug, ob er sich
57
dabei beruhigen wolle? Er war nicht sehr geneigt dazu, bis ihm
Redern vorhielt, nun sey es genug, was er eigentlich noch verlan-
ge? Eben jetzt bekommen wir die Zeitung, worin Alcidor zum
zwanzigsten Mal abgesagt, u. Oberon angesetzt ist [...]
Sonnabend. Gestern ist unser Volk eingetroffen. Vater ist ungemein
heiter u. aufgekratzt, Beckchen, das versteht sich am Rande. Wir
haben schon viel zu plaudern gehabt. Ach Felix, jetzt wird erst die
Lücke fühlbar werden, bis jetzt war es mir noch immer, als kämest
Du etwa mit den Anderen wieder. Die Gardinen an Deinen Fen-
stern sind hängen geblieben, u. am Tage sehe ich fleißig herüber,
ob Du wol zu Hause bist, aber am Abend ists finster. Ueberhaupt,
wie wir wol in tiefster Stille so im Innern etwas wie Musik hören,
so habe ich umgekehrt bei jedem Geräusch, mitten im Gespräch,
u. bei allen hohen u. niederen Geschäften des Lebens eine große
Stille in mir, den Gedanken an Dich, der mich in keinem Moment
verlässt. Lebe sehr wol, u. laß es Dir in Londons großem Lärm
zuweilen heimlich und stille seyn. Das gefällt mir gar so gut an der
Reise, daß man früher in London ankommt, als in England, u. daß
man ohne Vorzimmer gleich mitten in der größten Hauptstadt der
Welt absteigt. Lebe wohl [. . .]
felix an fanny und Wilhelm London, 30. April 1829
Da morgen erst mein Posttag ist, und dieser Brief nur durch ein
zufällig heut abgehendes Dampfboot euch zukommt [. . .], so will
ich nur 2 Worte Euch sagen, Euch versichern, wie gut u. angenehm
es mir hier geht, Euch auf meinen morgenden Brief verweisen,
und mich nun sogleich an Fanny wenden, mit einem wichtigen
Auftrag. - Ich hatte Dich nämlich von Hamburg aus gebeten, liebe
Fanny, mir alle dublirten Saiteninstrumentenstimmen von mei-
nem Sommernachtstraum, meiner Meeresstille, meiner Sympho-
nie in c moll 159 , meiner Trompetenouvertüre 160 und des Oktett
zuzuschicken 161 . Vorgestern erhalte ich das Packet aus Hamburg,
u. finde das Oktett, finde die dublirten Stimmen der Trompeten-
ouv. complett, aber von der Meeresstille nicht eine einzige Stim-
me, von der Sinfonie ebenso wenig, von der Sommernstr. Ouv.
eine erste Geigenstimme, weiter nichts. Das begreif ich nun von
meiner weisen, u. cantormäßigen Otter nicht recht, dann war ich
58
nicht immer der vergeßliche, u. Du der erinnernde Theil? Ich
fürchtete schon eine Verwandlung, da erinnerte mich Mad. Mo-
scheies 162 , daß Du Braut seist, und wie denn eine Braut für dublirte
Stimmen Sinn haben könne? Ich verstehe nun alles und mache
mich an Hensel. Geehrtester zukünftiger Schwager, Hofmaler
und Mensch! Ich beschwöre Dich, sende mir die übrigen Stimmen
gleich, sobald Du diesen Brief siehst, u. zwar auf dem schnellsten Weg,
denn gerade diese sind es, die ich am nothwendigsten hier brau-
che. Vater wird Dir sagen, durch welchen Weg ich sie am schleu-
nigsten erhalte. Von der Sommernchtstr. Ouv. müssen im Musik-
repositorium wenigstens noch 3 erste, 3 zweite Geigen, 2 Brat-
schen u. 2 Bässe hegen, auch wohl noch mehr; sollte Fanny sie
nicht finden können, so frage nur Ritz, der auch die Stimmen
davon hat, u. schicke alles her. Von der Meeresstille müssen noch
2 erste Geigen, 2 zweite, 2 Bratschen u. 2 Bässe dasein, schick sie.
Die Sinfonie in c moll ist im Concert gegeben worden, also müs-
sen dublirte Stimmen da sein, sollten sie nicht im Notenreposito-
rium sein, so hegen sie auf meiner Stube, in den mit Glas verdeck-
ten Fächern des Schrankes, in dem meine Bücher stehen, u. dessen
Scheiben Du bei jenem Thee zerschmettertest. Kurz, es müssen
von Sommernstr., Meeresst., und Sinfonie in c moll noch dublirte
Geigen, Bratschen und Bässe sein; vielleicht könnte sie Ritz haben,
dann frage den, da sein müssen sie, u. somit schicke sie mir so-
gleich. Es sind nur noch 2 philharmonische Concerte, wenn ich sie
erhalten werde, also mußt Du eilen. Morgen mehr. Gruß allen.
Felix MB.
fanny an PELix 163 Berlin, 1. Mai 1829
O Felix, könnt ich jetzt schriftlich innig blöken, anders wüßt ich
nicht zu sagen, was Dir meine Freude ausdrückte: Gestern kamen
Deine beiden Heben Briefe, u. heut kam der, den Du direct nach
Berlin geschickt hast, u. der blos mit der Post gegangen, am läng-
sten unterwegs blieb, u. Du kannst Dir gar nicht denken, wie wohl
mir der that, ich habe den ganzen Morgen die schönste Schimpf-
laune gehabt, (warum, kommt nachher) und nun bin ich so but-
terweich, daß man mich auf jedes Brodt streichen kann.
Du Armer, was mußt Du ausgestanden haben 164 , am Ostermontag
59
verfolgte ich Dich beständig mit Tonen und Gedanken, stieß, wie
ich nun sehe, viel zu früh in die drei Trompeten. In der Kirche,
während der ganzen Predigt hörte ich nichts, als das Einströmen
in die Themse, u. eilte gewaltig zum Schluß.
Daß Paul den 29sten eingesegnet worden, hast Du schon vielfältig
erfahren, es ist davon nichts besonderes zu berichten, Wilmsen 165
sprach gut, aber die Handlung dauerte erschrecklich lange, was bei
der Kälte in der Kirche besondere Bisterey 166 war. Ich freue mich
Dir sagen zu können, daß wir jetzt alle ausgezeichnet zufrieden
mit Paul sind, die angestrengte Arbeit u. die gezwungene Entfer-
nung von uns thut ihm sehr wohl, und Abends, wenn er nach
Hause kommt, ist er zwar sehr ermüdet, aber auch so weich u. gut,
daß wir uns herzlich darüber freuen. Sein Prinzipal ist sehr mit ihm
zufrieden, u. die plötzliche Entfernung eines Commis, hat ihm
Gelegenheit gegeben, richtig zu avancieren. Da wir neulich in der
Kirche so unser letztes Geschwisterchen in die Welt schickten,
traten mir die großen Veränderungen des letzten Jahres wieder
recht lebendig vor, was sich da Alles auseinander- u. zusam-
mengeschoben hat!
Heut ist der erste Mai, u. unser Zimmer ist nach zweimaligem
Heizen erträglich warm geworden, die Bäume sind genau so weit,
wie vor 14 Tagen, in der ganzen Natur scheint sich nichts anderes
zu rühren als der Sturm.
Felix, großer Censor! Wirst Du mich für hier u. dort verloren, für
ganz aus der Art geschlagen, für aus meinem Character u. meiner
Natur gegangen erklären, wenn ich Dir freimüthig das Bekennt-
niß ablege, daß ich heut Abend bei Redens 167 zum Thee bin? Und
daß das der Grund meiner üblen Laune auf der ersten Seite ist.
Sage lieber u. Du wirst es besser treffen, daß ich (in diesem Falle)
so klug und so gut bin, wie Du, u. die ganze Sache Heber von der
leichten Seite nehmen, als tagelangen Verdruß darüber erregen
will, mit welchem Herzen ich herauf gehe, und wie gemein ich
mir vorkomme, das -[...] Du schreibst so ausführlich, daß ich Dich
nicht genug bewundern kann, wo Du die Zeit dazu hernimmst,
wenn Du nur halb so fortfährst, brauchst Du kein Tagebuch, u.
noch dazu haben wir die Freude, alles mitzuerleben. Mutter, die
noch im Bett liegt (es ist noch früh, und wir müssen gleich abschik-
ken) trägt mir auf, Dir für Deine Pünktlichkeit u. Ausführlichkeit
60
sehr zu danken, Dir zu sagen, daß sie sich gestern mit einem
schimmeligen englischen Ehepaar vortrefflich unterhalten habe,
Familienverhältnissen in England wegen, u. Dir in ihrem Namen
zu erzählen, wie herrlich gestern das erste Duett aus matrimo-
nio 168 v. Frl. Reden u. H. v. Röder executirt worden. Vater, der
. hinter meinem Stuhl stand, sang aus Herzensangst ganz laut mit,
Frl. Elise war sehr heiser (wenn die Heiserkeit heiser ist, was ist
das?) Mutter und ich sahen uns einmal an, aber dann nicht wieder,
es wäre gefährlich gewesen.
Marx hat einen sehr hübschen Aufsatz über Paganini geschrie-
ben 169 . Daß Paganinis Concert für die Danziger überfüllt war, u.
daß er darin neue 4stimmige Variationen über Corsare 170 vortrug,
sage ich Dir wie Rellst. 171 von Hörensagen, denn es war Pauls
Einsegnungstag, u. wir ruhig zu Hause. Heute Abend hören wir
ihn bei Heinr. Beer.
Schreibe uns öfter Einladungen auf lange hinaus, die Du erhältst,
heut Abend bist Du in Messias, es ist so angenehm, sich einmal
vorstellen zu können, wo Du gerade bist.
Ich habe den Klopstock: willkommen o silberner Mond 172 auf
Marx"s Veranlassung für Instrumente, näml. Contrabaß, 2 Celli,
Bratschen gesetzt. Was: die ContraB. gehen nur bis a. Du mußt
ihrer Tiefe eine Elle zuschlagen 173 . Was machst Du sonst mit der
Meeresstille? 174
Leb wohl, geliebter Schatz. Viele Grüße von Hensel, der heut mit
Deinem Bilde 175 fertig wird. Er hätte uns etwas Unangenehmeres
erweisen können als dieses Bild.
Grüß Klingem., grüß Rosen 176 , grüß Moscheies, grüß sie, u. nimm
Dich in Acht, nicht sowohl, daß Du nicht unter die Wagen, als daß
Du nicht zu oft ins Cabriolet kommst, er möchte wieder eifer-
süchtig werden. Sie scheint Dich zu achten. 177 Aber was will das
sagen? Ich mache mir mehr 178 aus Dir.
Die ältere Fischotter.
fanny an felix 7 Berlin, 7. Mai 1829
Mein einziger Felix, obgleich dieser Brief erst mit denen vom
nächsten Mittwoch zugleich ankommt, schicke ich ihn doch zu
meiner eigenen Beruhigung morgen. Ich kann Dir nicht beschrei-
61
ben, wie mich die Sache mit den Stimmen quält 180 und wie ich mir
hier Vorwürfe mache, über den Verdruß, den ich Dir dort bereitet
habe, durch meine Unachtsamkeit, Du hast mir gewiß gesagt, wo
Du die Stimmen hingethan hast, gewiß Auftrag gegeben, sie zu
mir zu nehmen, und ich Dumme weiß u. kann sie nicht finden.
Sie sind, wie von der Erde vertilgt, ich habe Alles durchsucht, habe
noch Rietz mitgenommen, weil ich meiner eigenen Einfalt 181
nicht traute und nichts und wieder nichts. Und nun wirst Du am
Montag Dich ärgern über die dumme Schwester, die Dir bis nach
London Verdruß macht, und über den klugen Rath, den sie Dir
von hier aus giebt, und den Du Dir gewiß längst selbst gegeben
hättest, wenn es nur anginge, aber Gott weiß, wo die Notenschrei-
ber wohnen, und wo Du sie auftreiben kannst, und am Ende bin
ich Schuld, daß der Sommernachtstraum nicht gegeben wird, dann
kann ich mich nicht trösten. Bester Felix, das dauert nun bis Mitt-
woch über 8 Tage, ehe Deine Antwort kommt, bis dahin ängstige
ich mich unaufhörlich. Ich versichere Dich, Du hättest Deine Er-
mahnung an Hensel, mich zum Suchen aufzumuntern, gar nicht
nöthig gehabt, er hat mich vom Tisch aufstehn lassen, und war gar
nicht zu beruhigen, als ich fortwährend behauptete, die Stimmen
nicht finden zu können. Übrigens, will ich Dir doch sagen, daß
Deine 3 Briefe, vom 28ten, 3osten u. ersten 182 , an demselben Tage,
Mittwoch den 6ten angekommen sind, so begreife ich nicht, daß
Du keine Nachrichten von uns hast, wir haben jeden Posttag ge-
schrieben, ach! lieber Felix, wir könnens ja gar nicht lassen, und
Du bekömmst gewiß auch eine Masse Briefe auf einmal von uns.
Wie das lange dauert, und breit und umständlich wird [. . .] und mit
dem Allen habe ich Dir noch nicht halb gesagt, wie leid es mir ist,
daß ich Deine Stimmen nicht gefunden habe. Ach, mein Alter!
Ich verwahre mir Heber das Plätzchen auf morgen, denn heut brin-
ge ich doch nichts hervor, als Stimmen, Stimmen, u. bin über all
die Stimmen in solche Stimmung 183 gekommen, daß ich Heber
aufhöre.
Sonnabend. Gestern, als ich zu Zelter ging, und auf dem Hof Dein
Fenster grüßte, sah ich etwas weißes davor, es war als hättest Du
eben ein Papier weggeworfen, oder Dein Schnupftuch verloren,
als ich näher kam, flog die Taube fort. Es war eine kurze, hübsche
Täuschung.
62
Hensel hat mir neulich Morgens, nach einem kleinen Streit, den
wir mit einander hatten, eine Zeichnung geschickt, die ich Dir mit
schicken würde, wäre sie nicht so gräulich. Es steht darüber »Miß-
verständnis« und Du bists, ein Verständniß mit einer M/55, die Du
nach Hause führst. Morgen hat er die ganze Familie zu einem
Frühstück bei sich eingeladen, um Dein fertiges Bild zu sehn, wel-
ches nachher zu uns gebracht wird. Du wirst über dem Camin
wohnen, mir im Rücken, wenn ich Ciavier spiele, aber sonst aus
der ganzen Stube prächtig zu übersehn.
Zelter, der oft hier ist 184 , läßt Dich sehr grüßen, überhaupt alle
Deine Freunde, die sich fleißig nach Dir erkundigen. Auch ich bin
einer von Deinen Freunden, und lasse Dich grüßen, und hebe
Dich.
fanny an felix Berlin, 12. Mai 1829
Ich bin die Erste, die sich entschließt, an dieses Unthier von einem
Bogen zu gehn, u. sich somit gewißermaßen zu opfern, denn der
Erste schreibende muß sich doch gefallen lassen, von allen Ande-
ren gelesen zu werden, er stellt es ihnen wenigstens frei, u. hat es
seiner Talentlosigkeit zu danken, wenn es nicht geschieht. Das
eigentlich Schreckliche dabei aber ist, daß man ganz Maaß u. Ziel
verliert u. am Ende einer jeden Zeile stark vermuthen kann, man
habe schon einen langen Brief geschrieben; das ist nun aber so, die
Feder will schreiben, und der Bogen doppeltes Porto - facit ein
großer Bogen, Du wirst daran in London schon gewöhnt, u. Dich
am Ende, wenn dieser Brief ankommt, wundern über das kleine
Billet.[...]
Sonntag früh war eine Fete »bei meinen drei Fräulein im Schloß«
bei Hensel in der Jägerstraße, Dir zu Ehren. Die ganze Familie,
Tante Hiny 186 , Marianne u. Alexander 187 , Heysens 188 , Tante Jet-
te 189 u. sogar Tante Mayer 190 war gekommen, zu unserer sehr gro-
ßen Freude. Tante Mayer, die Einzige, die Dein Bild noch nicht
kannte, war sehr erfreut darüber, saß lange davor, u. unterhielt sich
ordentlich mit Dir. Deine Gesundheit wurde in Chocolade ge-
trunken, u. in Kuchen gegessen. Als die meisten fort waren, ließ
ich mir ein Bild zeigen, welches H. von sich in seinem 20sten Jahr
gemalt hat, als Leinwand, u. wo er so wunderhübsch aussieht, daß
63
er mir schon gefiel. 191 Bei Tisch war es ein großer Spaß, da rissen
sie es sich beständig aus der Hand, u. Vater sagte am Ende, es sey
ihm recht heb, daß Mutter nicht zwanzig Jahr jünger wäre, so gut
gefiel ihr der schöne Leinewand.
Caroline u. Auguste, die den Abend kamen, küßten das Bild, u.
Marx erkannte es auf der Stelle. Das war ein großer Triumpf für
mich. Nun höre eine schöne Geschichte. Vorigen Freitag bei Zel-
ter merkte ich gleich Davids Backenbarte an, daß er beleidigt sey,
Sonntag trag ich Nase 192 , u. was hörte ich? daß er es übel genom-
men habe, nicht zum Kaffee gebeten worden zu seyn. Giebts das?
Nase war göttlich, als er mir die Geschichte in seinem gewissen,
komisch kläglichen Ton erzählte. Erkläre mir das Einzige, Heber
Felix, warum in Deinen Briefen so wenig von Klingemann die
Rede ist, u. warum der Rüpel selbst nicht schreibt? Siehst Du ihn
denn so wenig, thust Du's, so erinnere ihn doch, daß ich ein junger
Mensch bin, heiße so u so, bin der u. der, wohne da u. da [...]
Adieu, mein Schatz, befinde Dich wohl in Deinem weiten Him-
melbett, welches wieder in einem noch weiteren Himmelbett,
London, steht, wo schon Platz für einen Sterblichen ist, sich um-
zudrehen. Addio, leb wohl, u. sey vergnügt.
felix an fanny London, 15. Mai 1829
[. . .] Dich, Hebe Fanny, schnauze ich an. Wenn Du wirklich durch
einen Spas von mir Dich »nicht getroffen, aber verletzt fühlst«, 194
so mußt Du mir dies nicht über den Canal schreiben. Denn so
etwas kann erstHch nur eine AufwaUung sein, da allein die Absicht
zu verletzen, verletzt, und von dieser ist zwischen uns nicht die
Rede; zweitens aber wollte ich nicht, daß Du mir bei irgend einer
Gelegenheit wieder Deine Unzufriedenheit zeigst, ohne nachher
ein Wort der Versöhnung hinzugefügt zu haben, die Entfernung
ist so groß, und eh Du mir auf meine Antwort antwortest, können
14 unangenehme Tage vergangen sein! Nimm meine schlechten
Witze aus der Ferne ebensowenig krumm, wie ich in der Nähe
ehemals, und verzeihe mir meine Ungebärdigkeiten. Laß mich
Dich aber unverändert wiederfinden. Amen Hebe Otter. Antworte
mir auch hierauf nicht bös, sondern mach Dein Cantorgesicht und
denke mein, damit gut. Ich schrieb nur so dringend, weil es mir
64
unbegreiflich war, daß nicht wenigstens Ritz noch Stimmen des
Sommernstr.'s hat, da das Stück im Symphonieverein gespielt wor-
den ist, und weil mir hier durch das Ausbleiben derselben Zeit
verloren geht, da die Abschreiber zu dem Schurkengeschlecht ge-
hören. Genug von der dummen Geschichte [. . .].
felix an fanny und lea' 95 London, 19. Mai 1829
[. . .] Wie herzlich ich die ganze Geschichte mit den Stimmen be-
daure, kann ich gar nicht sagen; mir ist nur das Misverständniß
dabey unbegreiflich, nämlich Fanny u. Mutter schreiben mir nach-
einander, ich würde auf diese Stimmen warten, und nun in Verle-
genheit sein, vielleicht deswegen etwas von meiner Composition
nicht geben lassen; daran kann ja natürlich gar nicht zu denken
sein; ich bat um die Stimmen, weil noch Zeit genug da war, sie von
Berlin kommen zu lassen, u. sie im Falle sie nicht kämen, hier zu
dubliren; ich empfahl Eile, weil ich es für gut hielt, sobald als mög-
lich Entscheidung zu haben; und Du, hebe Mutter, kannst um so
ruhiger über die versäumte Gelegenheit sein, da ich Dir versichern
kann, daß vor nächstem Montag (d. 20.) im Philharmon. Concert
kein Gedanke daran war etwas von mir zu geben, und daß es sogar
noch unbestimmt ist, ob dann etwas zur Aufführung kommen
wird. Am meisten thut mir die ganze Sache leid, da ich zu meiner
großen Beschämung einen großen Theil der vermißten Stimmen
unter meinen Musikalien fand, und da eigentlich nur von der Sym-
phonie und dem S.N'straum einiges fehlt; doch auch daran weni-
ger, als ich wohl geschrieben haben mag, und so hat mich Fannys
ganz betrübter Brief doppelt gerührt und ich bin sehr ärgerlich auf
mich. Bitte, nehmt es nicht ins Gedächtniß auf, u. scheltet mich
auch nicht, neckt mich auch nicht, sprecht gar nicht mehr von der
Sache; ich habe mir schon selbst eine Moral daraus gezogen, und
mich selbst runtergemacht, und um mich damit necken zu lassen,
finde ich die Sache zu ärgerlich und dumm von mir. Der Taumel
des Abschiednehmens bei der Abreise, u. des Ankommens in Lon-
don mag mich entschuldigen, aber nicht rechtfertigen. [. . .]
65
fanny an felix Berlin, 20. Mai 1829
Deine Fischottern kommen so eben wieder von einem Garten-
gang, walk genannt, den sie in unmäßigem Wohlseyn über Deinen
sehr frohen Brief gethan haben, da sie eben nichts anderes thun
möchten. Die Kastanien leuchten, der Flieder duftet, die Mai-
blümchen stehn, steif und frisch, wie überhaupt die erste Jugend,
aus der Erde heraus, diese angenehme Sommerzeit wurde von uns
ausgewählt, das Tageblättchen an Dich anzufangen, die wir, Eins
ums Andere fortsetzen werden, u. sie Dir wöchentlich, gesandt-
schaftlich oder gelegentlich zu schicken gedenken -
Heut früh weckte mich der Schornsteinfeger um 6, sonst stehe ich
so früh nicht auf, die Frucht meiner Ueberwindung war ein gutes
Lied, des Du Dich freuen wirst. An der Windung dieser Phrase
kannst Du nicht zweifeln, daß es von Droysen ist. 197 [. . .]
Mittwoch zjsten
Von diesen Tagen ist nichts zu sagen, also sollte ich billig still-
schweigen, aber nun fange ich erst recht an. Gestern erfuhr ich
Hensels allerliebste Idee, mir den Stuhl von Deinem Bilde machen
zu lassen 198 , aber nicht, wie er es wünschte, sondern bei der Gele-
genheit, daß Mme. Robert, die hier eingezogen ist, u. natürlich
nichts weniger als die Idee hatte, uns dadurch zu stören, diesen
Platz für sich wählte; ich bin heut zu ihr gegangen, u. habe sie
gebeten, einen anderen zu wählen, aber natürlich ist ihm die Freu-
de verdorben. Ueberhaupt geht es mit Kleinigkeiten, wie es ge-
gangen ist. Für mich bin ich wenig reizbar, wie ich aber früher für
Dich an solchen Dingen litt, so jetzt für Hensel, den es fast so wie
Dich afficiert.
Mutter hat immer noch nicht gelernt, zu irgend einer Sache ja zu
sagen, u. das giebt nach wie vor die unangenehmsten Momente.
Noch neulich hatte ich wegen meiner Heirath eine der schlimm-
sten Scenen mit ihr. 199 Uebersieht man freilich die Sache im Gan-
zen u. Großen, so ist sie schön und gut, nur unverbesserlich, u. die
kleinen Ecken u. Flecken fallen weg. Aber so gut u. so klug wie
Du ist keiner von uns, u. darum erlangt keiner was von Mutter.
Du bist unser Alpha u. Omega, u. alles, was dazwischen liegt. Du
bist unsere Seele, u. unser Herz, u. der Kopf dazu, der Rest mag
sich hängen lassen. Wir sind Alle recht gut, so lange Du nicht da
66
bist, aber von da an taugen wir wenig. Du bist eine Gattung Haupt-
hahn; an Dir ist was, an uns schon weniger. Das Stück spielt jetzt
oft, wir nehmen die kleine Titania 200 in die Hand, u. sagen, geseg-
nete Mahlzeit, aber wir setzen ein O davor. Für mich giebt es
eigentlich zwei Gattungen von Menschen, Du, u. dann die Ande-
ren. Beckchen wird das lesen, aber das geniert mich wenig, sie
weiß doch, daß sie da ist, u. Hensel, u. noch Stücker drei oder vier,
u. sie kann es auch schreiben. So, nun habe ich Dir was vorgeblökt,
u. Dir vielleicht die Stunde verdorben, in der Du's liest, nun bin
ich zufrieden.
Nur noch eins, was macht denn die d moll Symphonie 201 , denkst
Du an sie? Deine schottische Sonate 202 spiel ich oft.
felix an fanny und Wilhelm 203 London, ohne Datum
[. . .] Überhaupt rathe ich Dir ernstlich eine Oper in einem lustigen
Acte zu schreiben, zu der Hensel den Text machen sollte, und die
ihr Beide dann einem gewissen reisenden Bruder in die Ferne
schicken dürft. Das dächte ich mir ganz hübsch, wenn Ihr zwei
Brautleute darüber conferirtet, und tausend Anzüglichkeiten drin
erbrühtet, die wenig so gut erfunden, als Felix Bull auf der Insel.
Auch gebe ich meinen Consens zur baldigen Hochzeit, und zu
allem andern, was Ihr beschließt. In der Instrumentierung, liebe
Fanny, verbiete ich Dir ernstlich, mehr als 300 dicke Hörner [. . .]
anzubringen, und lege auf tiefe Flöten, hohe Cellos, 8 verschiede-
ne Geigen, und Contrabassos, u. dgl. Meerjungfrauen, einen Im-
post 204 ; um Brummrüpel, als da sind: Serpent etc. zu gebrauchen,
mußt Du eine Dispensationsbulle haben, die derselbe Bruder Bull
gut ausfertigen kann. Wäre ich Du, ich thät's. Was denkst Du zum
Vorschlag? Es ist nämlich sehr mein Ernst.
fanny an felix 205 Berlin, 27. Mai 1829
Seit wir, Beckchen und ich, das tagebuchen eingeführt haben, wer-
den wir Dir wenig mehr mit den Briefen zu schreiben haben. Die
erste livraison erhältst Du durch H. Dentz, der mit dem nächsten
Dampfboot nach diesem abgeht. Diese ganze Woche haben wir
67
uns an Deinen Bällen gefreut, die Du unterdessen über zehn neue
wieder vergessen hast. Heute wird nun wol die Beschreibung von
Sir Alexanders 206 eintreffen. Ich denke es mir sehr reizend, wenn
aus dem tobenden Wirrwarr, worin doch gewiß nichts, als eben
der in Gedanken zu fassen ist, Du Abends nach Hause zurückkeh-
rend, so nach und nach Dein Inneres wiederfindest, und so Einer
nach dem Andern von uns auftaucht, und um sich greift, und Dir
dann am Ende kurz vor dem Einschlafen die ganze Heimath stark
und lebendig vortritt, bis sich wieder alles in Nebels Wirrwarr
auflöst, aber in einen stilleren. Wer vollbringt denn am Morgen
die große That des Weckens?
Heut giebt die Milder ihr Danziger Concert, sie singt die maris
Stella. 207 Wir waren sehr verwundert, nicht zum Mitsingen aufge-
fordert worden zu seyn, bis wir erfuhren, daß Bach 208 die Einla-
dungen besorgt habe. Da wurde uns Manches klar. Grell 209 klagt
sehr über ihn, er hat sein Stück nicht einmal probieren können, da
Jener ihm die Orgel vor der Nase zuschloß. Ein Tonkünstler.
[...]
fanny an Felix 210 Berlin, 4. Juni 1829
Als gestern Dein 2ter Brief kam, war ich aus, u. als ich zu Haus
kam, es zu spät, ihn noch zu beantworten. Und jetzt ist schon der
6te Juni, u. nicht mehr der 4te, u. es regnet noch immer, u. wir
sitzen, horribile dictu, in der warmgeheizten Stube. Und eben
habe ich mein 6tes Lied an Dich fertig geschrieben, u. will es nun
gleich auf das gelbe Löschpapier abschreiben, mit gräulichen Ver-
wünschungen gegen H. Schwarz, der mich so fürchterlich hinter-
gangen hat mit besagtem Fließpapier.
7ten Jun.: Pfingstsonntag. Ein grauer, regnerischer 211 Pfingsttag, an
dem wirklich nichts zu holen ist, für uns einsam u. unbedeutend.
Zwei Kornblumenkränze hängen am Spiegel, und wir sind noch
uneins, ob wir sie nicht aufsetzen wollen, weil Du nicht da bist,
oder aufsetzen, weil wir sie tragen würden, wenn Du da wärest, es
wird wol beim ersten bleiben, denn es ist doch auch gar kein Blu-
menwetter. Eben habe ich meine Lieder fertig geschrieben u. bitte
Dich, verfahre damit, nicht als seyen sie aus der Ferne an Dich
gerichtet, denn das giebt der Sache nur einen relativen Werth,
68
sondern als hätte ich Lieder mit den u. den Fehlern gemacht, u.
bäte Dich um eine kritische Rücksicht darauf. Eins ist darunter,
welches ich für eins meiner besten Lieder halte, ich will einmal
sehn, ob Du auch der Meinung seyn wirst, Du wirst es sehr schön
singen.
Und so siehst Du auch, daß Hensel, obwohl der faulste Schreiber,
dennoch für Dich u. mit Dir beschäftigt ist. Ob Dir Mutters Zeich-
nung gefallen wird, bin ich noch nicht gewiß, sie wollte anfangs
nicht recht gelingen, jetzt aber, sey es, daß wir uns hinein gesehn
haben oder daß durch viele Mühe u. viele Stunden 212 , wirklich das
Böse heraus, u. das Gute hineingekommen ist, finden wir es sehr
gut.
Wir wollten gern die dümmsten Possen für Dich schreiben, aber
ach, die Possen sind uns ausgefallen wie die Haare. Zuweilen amü-
siere ich das kleine Zöpfchen 213 damit, daß ich ihr nach der Reihe
die verschiedenen Urtheile der Menschen über sie vorführe, als da
sind: Ideal der Weiblichkeit - drolliges Gesichtchen - tragisches
Gesicht - altes Testament - wie sich die verschiedenen Personen
- Marx, Rauch 214 , Heyne 215 , die Milder über sie geäußert haben
Ja, Du bist der Klügste, ich setzte mich nämlich ans Klavier! u.
spielte das Ottettscherzo 217 durch, u. versuchte mir vorzustellen,
wo wol die luftigen u. Trompeten kommen möchten, oh erzähle
uns noch etwas vom heben Scherzo, u. wie Du's ausgeputzt hast?
Im Uebrigen kann ich die Ehre haben, Dir zu versichern, daß Du
der vernünftigste aller Sterblichen bist, nicht als ob ich jemals daran
gezweifelt hätte, aber glaube nur nicht, daß andere Leute daran
zweifeln, ich war ziemlich ärgerlich, aus Deinen Briefen zu erfah-
ren, was man Dir alles geschrieben habe, aber das ist nur, damit
Du dort nicht verzogen werdest, hier sind die Seelen content, u.
Vater wundert sich alle Tage, daß Du [. . .] immer noch kein Geld
genommen habest. Weißt Du, wie ich einmal wüthete, da Zelter
meinte, Deine Meeresstille solle mit einem Contraste anfangen?
Und Du mich beruhigtest: Nu, nu, wüthe nur nicht so sehr, Hebe
Gere. 218
69
FANNY AN FELL
x 219 -, Berlin, I3. 220 juni 1829
[. . .] Daß er 221 mich liebt, sehe ich hauptsächlich, u. am liebsten aus
der Art, wie er meine Liebe für Dich respectiert, u. ihr gewisser-
maßen gern den Vortritt lässt, ich versichere Dich mir ist wohl in
meiner Haut, ich bin gut gefahren, einmal mit Dir, dann mit ihm,
schließlich u. sechstens mit Euch Allen, u. mit Euch Volk ist was
aufzustellen; ihr stellt der Kunst ein Bein, u. kommt ihr auf den
Hals, u. sagt dann, was ihr von ihr wollt. [. . .] Weißt Du, was wir
Geren jetzt lesen? Die Kleine ohne meinen Consens: La nouvelle
Heloise 222 . Ich lese eigentlich das ganze Buch nur um der einen
Stelle willen, die Dir einmal gefiel: vivre et mourir sans eile: vivre
sans eile! Die italien. Verse, die in fast jedem Briefe vorkommen,
gefallen mir durchaus nicht. Eigentlich sollte man keine Romane
lesen, wenn man welche - erlebt, aber da wir Armen, die wir mit
Verstände gesegnet sind, doch immer ein eigentliches Küchen-
schürzenleben haben, so müssen wir diese Pflanzen ungelesen las-
sen, u. das wäre doch schade [. . .] 223
Dein Bild ist gut, u. wir sitzen, Beckchen u. ich, deine Geren,
stundenlang davor, u. erwarten, daß es sich rühren möge, u. es
rührt auch, wenn nicht sich, doch uns, u. thut seine Schuldigkeit.
[...] O Rose, o Lilie, o Stachelbeere! Daß doch jedes Ding so wie
nach Marx seine Philosophie, so nach mir seine Poesie hat. Die
purpurroten Erdbeeren, die wir heut Mittag verzehrten, u. die bei
uns auf der Erde hegen, u. alle Köpfe Aller Dresdner Dichterkreid-
ler zusammen schießen nicht so viel Poesie ein, wie Dein vierfa-
ches diner 224 , u. so Einiges in Deinem Briefe.
Den anderen Morgen
Das Gewitter kam herauf, u. zwar ein so furchtbares, sturmfiut-
hendes, donnerbrüllendes, ernsteinhüllendes, hagelzerschmet-
terndes, regengießendes, wie in hiesigen Landen noch nie erlebt
worden. Wenig Fensterscheiben in der guten Stadt Berlin haben
dem heftigen Eindruck widerstehen können, den der Hagel auf sie
machte, auf einer kleinen Inspectionsreise, die ich nach überstan-
denem Sturm mit Hensel durch den Garten that, fanden wir alle
Wege mit Akazienblüthen bestreut, mit kleinen u. großen Zwei-
gen u. Aesten obendrein verziert, u. aus unseren 200 Mistbeetfen-
stern waren wenigstens 2000 geworden. [. . .] Also nächsten Mitt-
70
woch werde ich das Es Dur Concert von Beethoven 225 in - Char-
lottenburg bei Herzens 226 spielen müssen, wenn ich es überhaupt
spiele. [...]
Sonnabend. 20. Jun.
[. . .] Heut Abend wollten wir in die Oper gehn, die Schechner 227
als Vestalin 228 zu sehn, indeß leider Gottlob haben wir keine Plätze
bekommen. Nun wird heut Abend die Zeichnung beredet, die
Hensel von mir für Dich macht. Trotz meiner Protestationen hat
er mir wieder einen Kranz aufgesetzt, die Leute müssen glauben,
ich sey mit einem solchen Möbel geboren. 229 [. . .]
FELIX AN FANNY, REBECKA UND LEA 230 London, 19. Juni 1829
[. . .] Ihr lieben Geren allzumal! Ich soll Euch einen Brief schreiben?
Wie soll ich ihn adressiren? An die liebe Zeit, oder an's Volk, oder
an zwei Menschen par excell. und was soll ich hineinschreiben? 2
Seiten lang nichts, als gesegnete Mahlzeit? Buchstaben, die man
schreibt, sind sehr kalt, Geren; sprechen geht besser, und wenn's
auch nur Englisch wäre. Ich möchte Beckchen als lady sehen,
wenn sie mit einem englischen Lamm, wofür man hier übrigens
Trampelthier oder Nashorn setzen muß, denn Lämmer sind zu
zart, handschüttelte, oder Fanny mit weißen marabouts in einer
musikal. Abendunterhaltung Eis essen, u. charming murmeln hö-
ren; England ist nichts für Euch, ihr Geren. Ich schreibe Euch aber
ein Stückchen Tagebuch, und schicke am Dienstag ab, und wir
müssen auch bald anfangen ein Programm für die Festlichkeiten
im December zu entwerfen, denn die Zeit kommt heran, und eh
ihr es glaubt, rückt Einer wieder ein, den Ihr gut kennt. Ich habe
besondere Absichten, Pläne und Ideen über alles das, im Tagebuch
theil ich sie Euch mit.
Aber, liebste Mutter, wann ist die Hochzeit? Kann denn nicht end-
lich die Aussteuer beendigt sein; mich interessirt's fast mehr, als
der Einzug der Kaiserin 231 , und viele andere Neuigkeiten; es ist
schwer, über's Meer hin zu bitten, aber beschleunige doch! Es ist
ja besser und nothwendig aus so vielen Gründen, und wenn Hen-
sel bis dahin vor Ungeduld stirbt, wie soll denn die Heirath vor
sich gehen? Ich muß ja die ganze kleine Wirthschaft und alles
eingerichtet finden, wenn ich nach Berlin komme, denn ich will
7i
ja gleich den zweiten Tag bei Fanny essen, und rechne auf Lieb-
lingsspeisen; und wäre die Hochzeit erst im Winter, so war es mir
gar nicht halb so lieb, ich könnte das neue Leben nicht mehr mit
ansehen, müßte mich bald losreißen, die Trennung würde doppelt
schwer - kurz, ich will nicht dabey sein; nach meiner Zurückkunft
ist es zu spät. Dann also muß es vor meiner Rückkehr sein. Und so
sey es doch! Bitte! Ich möchte vor meinem Schreibtisch fast nie-
derknien, und sehr quälen. Wenn's an Logis fehlt, so zieht Hensel
nach dem Hotel de Brandebourg, und fehlt es an Aussteuer, so will
ich einen Theil meiner Wäsche senden. Mehr kann ich nicht thun;
wohl aber Du, liebe Mutter, Thue es doch! War es nicht Zeit? [. . .]
fanny an felix 232 Berlin, 21. Juni 1829
Mein süßer Felix, es ist heut der schönste, stillste Sonntagmorgen,
und eine gute Stimmung würde in der Luft Hegen, wenn sie nicht
auch in uns läge. In dieser guten Stimmung bin ich das Organ,
welches Dir sagt, wie uns Beiden zu Muth ist, ich komponiere
heut nicht, weil Beckchen es nicht thut, und sie denkt nicht grie-
chisch, weil ich es nicht verstehe. Wir kommen eben aus dem
Garten, hinten in der Nähe der großen Castanienbäume schwebte
ein leiser Regen von feinen weißen Flocken nieder aus den Bäu-
men, wie Sterne glänzten die hellen Blätter in den tiefsten Schat-
ten, und Rosen blühten, und die Sonntagsglocken läuteten sehr
feierlich. Und wir gingen in all der Herrlichkeit und dachten viel,
an wen? und sprachen auch, wovon? Von Einem, den uns keine
Nähe näher bringen könnte, von Einem, der ein guter Bruder ist,
und der beste den es giebt, und der gewiß heut an dem duftigen,
sonnigen, klaren, heben Sonntagmorgen seine Schwestern recht
nah bei sich hat. Warum kann man nun nicht tagelang ein so liebes
stilles Zusammenleben fortführen, warum muß man wieder re-
den, und Menschen sehn, und unterbrochen werden, wie ichjetzt?
Einen Kuß auf Deine Stirn, so, nun ist der schöne Morgentraum
vorbei. Komm Du bald!!
r 1233
72
felix an fanny und rebecka London, 25. Juni 1829
Ihr lieben Geren allzumal!
[-P
Ich werde London nun bald verlassen; vorläufig habe ich den
20sten July zur Abreise nach Schottland bestimmt, und vielleicht
gehe ich doch noch vorher auf die Seeküsten; von künftigen Aner-
bietungen und Aufforderungen kann ich euch heut gar nichts
schreiben, denn sonderbarerweise steht jetzt wieder einmal alles
auf der Kippe und in der Luft, ich hoffe, daß es heut über 8 Tage
im Gleichgewicht ist, dann schreibe ich Euch wieder davon. Nur
daß müßt Ihr wissen, daß ich Mittwoch Abend über Land bin, bei
einem alten Musiker hierselbst, es ist 17 Meilen (Engl.) weit, ich
fahre mit einigen Bekannten (sie sind hübsch) heraus, erst wird
Musik gemacht, eben bis 10 Uhr Abends, dann wird im Garten
gegessen, und endlich wird um 12 getanzt. Wenn's Tag wird, so
fahre ich wieder hinein mit meinen Bekannten (die hübsch sind.
Ist das nicht eine Plaisiranstalt? Die Engländerinnen fangen jetzt
an, Galopp zu tanzen, und ich gelte viel. Ich thue ganz patriotisch,
wenn dieser »Nationaltanz« (so nenne ich ihn nämlich) anfängt;
ich behaupte dann, kein Deutscher könne die Musik hören, ohne
Zugluft zu bekommen, beweise das durch die That und lehre mei-
ne Engländerinnen [...] 236 rund Galopp tanzen. O Welt!
Tagebuch für die Geren. Montag d. 22. Juny. Nachdem ich morgens
einige Visiten hatte machen u. empfangen müssen, ging ich zu
Erard, um mir für das Concert von Drouet ein Instrument auszu-
suchen. Erard ist ein schrecklicher Stutzer, eitel auf seine nachläs-
sige Toilette und seine unordentlichen Haare, er sieht aus, wie eine
Londoner Parodie auf Werthers Leiden, und beträgt sich melan-
cholisch; er erklärte mir schmachtend die neue Behandlung seiner
Instrumente, und den großen Vortheil, den die nouvelle invention
de Seb. Erard haben müßte; es ist aber gar nichts daran, denn wenn
jetzt einer, um die Flügel zu verbessern, sie complicirter macht, so
geht's, wie natürlich, schlecht; es kommen tausend kleine Zufäl-
ligkeiten hinzu, die sich nicht berechnen lassen, kurz die Erard'-
schen Instrumente sind bei meinem Bart unangenehm, trotz der
invention, ich müßte aber doch eines nehmen, Familienverhältnis-
se wegen. 237 [. . .]
73
Nach dem Theater tranken wir alle Thee bei mir, u. kannapisier-
ten. Dienstag d. 23. Um 10 Uhr Probe bei Drouet. Sobald ich kam,
ging die Probe vom Sommer.N.str. los; das Baßhorn fehlte, ich
wüthete etwas, sprach von Zurücknehmen der Ouvert.; Sir
George 238 , der wirklich ein fataler Mensch ist, intrigant, hinterlistig
und unwahr, versprach mir den Mann mit dem Bierbaß auf die
Stube zu schicken, und so probirten wir denn; gleich der Anfang
wollte nicht gehen, noch weniger das Ende, die Mitte war ganz
arg, mit Mühe brachte ich die Noten zur Richtigkeit; das Concert
von Beeth. 239 begleiteten sie mir ganz greulich, kamen kaum in
den Takt, kurz auf der Probe war ich in einiger Angst und in
großem Ärger; fand aber, als ich zu Hause kam, Balsam, nämlich
ein Billet zu Almachs. 240 Wißt Ihr was das ist, Geren? das ist ein
Ball. Aber welch ein Ball! der aristokratischste Punct in Europa,
wo die Adligen unter Adligen und in Wonne schwimmen; wo
man mich würde gesteinigt haben, hätte man meinen Namen und
meine Bemühungen um die Musik gewußt, ein Meerwunder mit
einem Wort. Ich bin aber gentlemanlike, daher bekam ich die
Einladung; mündlich erzähle ich Euch genau, wie es kam, und Ihr
lacht Euch todt, denn es ist sehr komisch. Zu Mittag fuhr ich über
Land zu Moscheies nach Kilburn; wenn ich sage zu Mittag so
heißt das um 1/2 8, ging um 10 bei kühlem grauen Himmel zu Fuß
zurück (der Weg geht durch die Wiesen, und man sieht die Lich-
ter der Zollhäuser immer aus der Ferne, am Horizont Hegt der
Londoner Lichtstreif) ging um 11 in eine fash. party zu Johnston,
die Töchter sangen, ich spielte, dann probirten sie den Galopp für
Almachs, natürlich verfehlte ich nicht, sie zu engagiren, und gab
dem jungen Johnston nützlichen Rath; dann bewunderten sie
meine drei Bairischen Walzer, ich versprach natürlich eine Ab-
schrift, dann wieder Musik, Schottische Nationallieder, die Auf-
forderung zum Tanze, poor Weber, draußen regnete es heftig, es
wurde 1/2 2, good night, Hände-Schütteln, und sehr lange ge-
schlafen.
Mittwoch. Um 10 nach der Gemäldeausstellung in Sommerset-
house, wo die greulichsten Schmierereien mit Achtung angesehen
werden; Lawrence 241 , Vilkie 242 , Turner 243 und Co. sind schauder-
haftes Volk; Was meinst Du, Hensel? Nachher zur Bank, die mir
ein Director der Bank, Mr. Heath zeigte; dann zu Doxat 244 , dessen
74
Neffe einen Tag nach dem lustigen Ball die Nachricht vom Tode
seiner Schwester empfing, und sogleich nach Dresden abgereist ist,
um seine Mutter zu sehen. Von da auf dem Deck einer stage nach
Hause, eine Stunde Wegs. Sir G. und Neate 245 , ein Director der
Philharm., bei dem ich Montag meine Quartetten spielen soll, be-
suchten mich, und kaum waren sie da, so kam der Kerl mit dem
Baßhorn, und ich begleitete ihn auf dem Ciavier und hetzte ihm
etwas ein, Neate drehte mir um; Sir G. ermuthigte den Soldaten,
frug ihn nach seiner Frau u. seinen Kindern, gab ihm Schnupfta-
bak, u. als es vorbey war, verstand er die Sache falsch, dachte das
Instrument sollte schön sein, lobte es daher als Kenner, und nahm
sich vor, es nächstens in einer Kirchencantate anzubringen. Der
Kerl nahm seine Stimme mit nach Hause, und Sir G. sagte, er wäre
hebenswürdig und bescheiden. Die Scene war göttlich. Nun
Abends das Concert. Der Saal war leer, kaum über 200 Personen,
glaub' ich. Als ich auftrat, empfingen sie mich lauer, als bisher, und
beim ersten Ton machte die Flöte einen Kix, so daß viele Leute
lächelten. Mir war unbehaglich. Indeß, als die Geigen loslegten
verbreitete sich eine ungeheure Stille im Saal, die anhielt, bis zum
forte Schluß in Dur, wo die Pauke lärmt (cf. Fannys Unke Hand)
da dachten sie es wäre aus, und brachen in wüthenden Lärm aus;
als ich aber fort dirigirte, probten sie Stille, u. merkten wohl den
Braten. Nach dem wirklichen Schluß war nun der Spektakel arg,
ich machte Diener, und ging fort, sie riefen aber da capo u. klatsch-
ten bis ich wiederkam, u. es zum zweitenmal gespielt wurde. Nun
ging es sehr gut, das Orchester war warm geworden, und nun
waren sie beim forte Schluß mäuschenstill, und lächelten nur ver-
gnügt. Ich war sehr froh und erlangte die Ouvert. fürs Philharm.
Concert des nächsten Jahres. Das Concert von Beeth. begleiteten
sie scandalös, es machte aber den Leuten doch ein wenig Plaisir,
viel freilich nicht; sie wunderten sich, daß ich auswendig spielte,
und die Musiker hatten an der Composition Manches auszuset-
zen. Von da ging ich um 1/2 12 auf Almachs, da es aber noch zu
früh war, so sprach ich bei Klingem. vor, der gerade gegenüber
wohnt, und ging um Mitternacht hin, amüsirte mich prächtig, die
Mädchen waren schön und herlich geputzt, wir tanzten einen Ga-
lopp durch den ganzen Saal, der eben so lang, wie der Akademie
Saal ist; dabey war ich Pöbel und zog meinen ledernen weißen
75
Stock aus der Tasche und renommierte gegen Lady Johnston da-
mit, die Esterhazy 246 ist greulich anzusehen, [. . .] Clara William
spielt eine sehr untergeordnete Rolle, um 3 Uhr beim Tageslicht
ging ich langsam nach Hause und rief Eure Namen ein Paarmal
laut, Regent Str. war still, u. die Obstweiber rückten mit ihren
Körben ein. Ich schlief. Und so leben wir, so leben wir alle Tage.
[•••] 247
fanny an felix 248 Berlin, 29. Juni 1829
Zuerst mein lieber Felix, den besten Dank für die unsere Heirath
betreffende Supplik. 249 Uns hat sie soviel Freude gemacht, als
wenn sie von Wirkung gewesen wäre. Von Deiner Rückkehr übri-
gens war nie in der Beziehung die Rede, auf den Sept. oder Octob.
ist u. bleibt es festgesetzt. Paul sagte gestern zu Hensel, daß er Dich
zu dieser Bitte veranlaßt habe, da aber Dein letzter Brief noch gar
keine Antwort auf seinen enthalten kann, so ist es ein Zusam-
mentreffen, welches mich von beiden Brüdern sehr freut. Ich bin
so begierig, was Dein Tagebuch für Privatmittheilungen an uns
enthalten wird, daß ich es kaum erwarten kann. Ich brauche
durchaus einmal wieder die Versicherung von Dir, daß Du zufrie-
den bist. Sie ist mir zuweilen so nöthig, wie die Luft zum Leben,
dann hält es wieder eine Weile vor. Wir haben gestern u. heut die
angenehmsten Morgen gehabt, indem Hensel gestern den ganzen
Sonntag, u. heut früh von 6 bis 8 am Hintergrunde Deines Bildes,
größtentheils im Freien, malte. Dabei kampierten wir sehr nett auf
dem Tuerplatz 250 , u. es war hübsch, heut setzte er Dein Bild in die
volle Sonne, wo es prächtig aussah, von einer unglaublichen Le-
bendigkeit. Neulich gab er mir einmal ein Gedicht 251 , wovon er
glaubte, daß es im Garten gesungen werden könnte, dazu ist es
nun freilich zu ausgedehnt, ich redete ihm aus daß es komponier-
bar wäre, u. schreibe's nun zu seinem Geburtstage, ich hoffe, damit
fertig zu werden. Es wird 8stimmig, Frauenchor u. Männerchor
opponierend, dann beide zusammen.
Irgend einen Abend
Dein Hora 252 ist aber zu schön. Wie ich jetzt dazu komme? Ich
bin seit 2 Stunden allein, u. sitze am Ciavier, das heut gerade be-
sonders nett klingt, u. spiele das Hora, u. stehe vom Ciavier auf,
76
trete vor Dein Bild u. küsse es, u. vertiefe mich so ganz in Deine
Gegenwart, daß ich - Dir nun schreiben muß, aber mir ist unend-
lich wohl, u. ich habe Dich unendlich heb. Unendlich Heb.
[. . .] Unter anderem nehme ich mir vor, daß in der winterlichen
Gartenwohnung 253 Manches aufgeführt werden soll, u. daß der
gentleman Jemandjeden Morgen bei mir Caffee trinken soll, sonst
möchte ich ihn doch zuweilen nicht zu sehen bekommen, ehe er
aus geht. Es wird eine gute Zeit werden, so Gott will, so hübsch,
daß ich dahinter nichts mehr sehn mag u. kann vor der Hand. Leb
wohl, tausend Grüße von Mutter. Ich schicke jetzt alles mit Miß-
trauen, weil ich nicht weiß, wie lange es gehn kann, u. ob es Dich
überhaupt noch in London trifft.
[•••] 254
fanny an felix Berlin, i.Juli 1829 255
Heut wird 256 Dein Brief mit mehr Ungeduld als je erwartet, weil
spekulativ vom Sommernachtstraum, u. wahrscheinlich Antwort
auf die Lieder u. Zeichnungen drin steht [. . .] Am vorigen Mitt-
woch waren wir sehr vergnügt. Die Radgesellschaft 257 bestand aus
Minna u. Albert Heydemann, Louis kam erst nach Hegels Kol-
leg 258 , Auguste Wilmsen, Droysen u. unser Maalchen Märcker
war hinzugekommen, das Rad nahm die eine Seite des Tisches ein,
u. viel Unsinn wehte hin u. her. Nach Tisch setzten wir uns auf
den erhöhten Platz einer Straße, den Du kennst, u. nun ward der
schöne Brief fabriziert, den Du noch immer nicht hast 259 , nament-
lich über Hensel, der sehr aufgekratzt war, daß besonders Droysen
u. Heydemann wirklich den Athem verloren, u. in Gefahr zu er-
sticken geriethen. Später gingen wir in den Garten hinter dem
Hause, um 8, der muthmaßlichen Anfangsstunde Deines Con-
certs, wurden wir feierlich, die Mädchen zogen Jede eine Korn-
blume aus ihrem Kranz, u. bewarfen Dich damit. Alle empfingen
Dich mit Händeklatschen, u. Bravo, Beckchen u. ich, wir intonier-
ten die beiden Flöten, die Clarinetten blieben leider aus, u. wäh-
rend aller dieser Vorfälle saßen Albert u. Louis auf einem Baum,
wie Katzen. Der Tag war äußerst angenehm, die kleine Gesell-
schaft hatte Stimmung und Farbe, jeder Scherz griff, u. keiner
blieb. Als wir Abends die Eltern von Marianne 260 abholten, beglei-
77
tete das ganze Rad, Louis Heydemann trug Mäntel u. Regen-
schirm (es war eine trockene Hitze, u. keine Idee von Regen) u.
als wir uns eben trennen wollten, wählte das Rad, von Begei-
sterung ergriffen, auf offener Straße Hensel zu ihrem Mitgliede 261 ,
welches durch einen feierlichen [. . .] 262 Rosenkranz, u. Ueberhal-
ten des aufgespannten Regenschirms geschah. [. . .]
Ueber Agnes v. Hohenstaufen 263 zirculieren die schlechtesten
Witze, der beste unter ihnen ist, daß der Theaterdiener Blumen
zu der letzten Probe aus Versehen die Partie aus Alcidor brachte,
u. daß der Irrthum nicht sonderlich bemerkt ward, sondern die
Partie bis zu Ende durchgesungen. Rellstab hat eine maliziöse Re-
zension abgefasst, an der besonders kränkend für Sp. seyn wird,
daß er bemerkt, wie die dritte Vorstellung schon leer gewesen sey,
u. wie trotz der nämlichen ungünstigen Umstände von Hitze u.
dergl. die 20ste der Stummen 264 überfüllt war. Laissons lä ce mon-
de.
An dem Tage, wo Du diesen Brief erhältst, feiern wir Hensels u.
Droysens Geburtstag. Ich habe noch vorgestern eine musikal. Ar-
beit für Hensel unternommen, die 8stimmige Composition eines
Gedichtes von ihm. Es wird nicht viel, aber es wird doch etwas, u.
es fehlt mir nur noch das letzte Stück, woraus ich eine Art Fuge
zu machen denke. Du weißt, wie ängstlich ich immer bin, daß mir
die Imagination davon läuft, daher freue ich mich immer, wenn es
mir nur gelingt, Noten zu schreiben, u. sehe im Anfang weniger
danach, wie es wird. Nachher freilich ärgere ich mich, wenn es
schlecht ist. [. . .]
FANNY AN FELL
x 265 Berlin, ohne Datum
[...]
Alle Briefe, die Du heut empfängst, werden von Paganini wider-
hallen, was soll ich noch hinzufügen? dies: daß ihm nämlich Beck-
chen bei Betty 266 gräulich die Cour gemacht hat. Nachdem sie
mehreremal zu ihm gegangen war, u. ihn angeredet hatte, auch
Apfelsinen, die er gemantscht, gegessen hatte, gingen wir zu Tisch.
Bei uns war ein Platz leer, u. als der große Heinrich im Triumpf
seinen Minister Paganini hereinführte, sprang das Zöpfchen auf,
lief ihm entgegen, u. bat ihn, sich zu uns zu setzen. Er nickte,
78
folgte, u. als sie sich eben wieder gesetzt hatte, drehte er um, u.
ging an einen anderen Tisch, wo die übrigen jungen Damen [. . .]
saßen. Wuth u. Eifersucht bemächtigten sich des Zöpfchens, u.
schallendes Gelächter erhöhte diese Empfindungen. Ja, sie hat in
ihrem Zorn geschworen, ihn heut (er isst bei uns) wieder zu Tisch
zu führen. [. . .] Ach lieber Felix, seit Du fort bist, erfindet u. wie-
derholt kein Mensch dumme Redensarten, u. Du wirst uns bei
Deiner Rückkehr in dieser Hinsicht wie die Oesterreicher finden,
stagnierend u. dumm. [. . .] Am Montag wollten wir ein wenig aus
der 2ten Passion 267 singen, ich hatte mir allerhand Leute dazu be-
stellt, da aber ein fürchterlicher Regen war, den ganzen Tag, kam
niemand, als Ritzens, u. Marx, der Weg und Wetter nicht gescheut
hatte, u. nach seiner Weise ohne Mantel u. in Schuhen gegangen
war. Und wir sangen wirkÜch aus der Passion. Ein paarmal mußte
ich über Ritz, der neben mir Alt brüllte, fast laut lachen. Ich treffe
ganz mit Marx überein wegen der Johannespassion; wenn ich sie
erst noch genauer kennen werde, rücke ich damit heraus.
Gestern hatte Paganini ganz den Teufel im Leibe. Er spielte einen
sogenannten lento appassionato es moll, das Orchester in abgebro-
chenem Tremolando dazu, plötzlich fährt er mit der ganzen Masse
in es Dur hinein, um sogleich wieder ins Moll zurück zu fallen, es
war sehr schön, u. wirklich als wolle er sich seine ganze Seele
ausspielen, u. zugleich der armen Violine das Herz ausreißen. Die
Hexenvariationen sind eklich, da macht er das Gequäk heiserer
alter Weiber nach. Er schloß sehr unbrillant. Das war schade.
Beni u. Rosa 268 lassen grüßen, sie sind abgereist. Wenn man das
Betragen der Beiden sieht, müßte man glauben, sie gehöre ur-
sprünglich zur Familie, u. er sey nur so hinzugekommen, denn sie
war immer die Freundliche, u. er hielt sie möglicher Weise von
Allem zurück. Er hat wirklich den gewissen Familienfehler in
höchstem Grade 269 . Bei uns ist er jetzt eben nicht mehr Mode, es
giebt [. . .] 270 Unglück in Familien, ich habe so zuweilen mein Klei-
nes privatim, aber das ist eine Sache für sich (welches wiederum
ein Pleonasmus ist.)
Lebe wohl, der Kerl steht und wartet auf den Brief, wir können
also nicht auf Deinen etwaigen warten. Lebe sehr wohl, mein
Lamm.
79
fanny an felix 271 Berlin, ohne Datum
[. . .] 272 Also von der Silbernen Hochzeit 273 . Große Pläne haben wir
wol auch, aber sie liegen so ziemlich im Dunkel, Du mußt sie erst
ans Tageslicht fördern. So viel ist gewiß, daß, so Gott will, der
Polterabend am 25sten Dec. bei uns, Hensels, im Gartenhause ge-
feiert wird, mit kleiner, junger, lustiger Gesellschaft, u. so vielen
Possen, als im Reiche des Humors nur irgend aufzutreiben sind.
Der Tag geht vorüber, am Hochzeittage selbst werden vormittags
die verschiedenen gratulierenden Behörden empfangen, u. Mit-
tags speist die königl. Familie unter uns u. bei uns, denn man muß
sich nicht zu sehr fatigieren, weil Abends bei Euch große Musik
sein wird. Die Hochlandsymphonie 274 kommt vor, das Scherzo mit
den luftigen Trompeten 275 muß dreinklingen, u. Sommernachts-
traum u. Meeresstille unvergessen bleiben. Was die älteste Fisch-
otter betrifft, so möchte sie ihr kleines Latemchen lieber am Pol-
terabend unter wenigen leuchten lassen, denn erstens ist sie
dumm, u. zweitens blöde, u. drittens kann sie nischt. Sie wird sich
aber von ihrem Gemahl 4tens 276 dichten lassen, u. es auf Noten
setzen. Auch der junge Hofdichter Droysen hat wieder seine
Dienste angeboten, je mehr, desto besser. Du, o Bruder, mußt wie-
der eine kleine Symphonie kneten, eine von denen, wo Mutter
sich schon bei den Vorbereitungen todt lacht, u. die muß den An-
fang des Ganzen machen. EinBall findet etwa in der Woche darauf
beim silbernen Ehepaare statt, das Londoner Kind wird wol kei-
nen Wunsch vergebens äußern, das soll ein Leben werden, Felix,
ein Leben! Ich versichere Dich, ich kann mir nichts darüber, u.
nichts danach denken, jede Minute ein Feiertag, nicht jeder Zoll
ein Lump. Und das versichere ich Dich, bei mir sollst Du ungestört
spielen, keine Maus darf sich rühren, alle Rührung geschieht in-
nerlich.
Hensel ist gut, Felix, u. ich bin im weitesten Sinne des Wortes
zufrieden, glücklicher als ich es je zu werden dachte, denn ich
träumte, u. fürchtete, eine solche Verbindung würde mich von Dir
losreißen, oder doch entfernen, u. es ist, wo möglich, gerade das
Gegentheil, ich habe mehr Bewußtseyn gewonnen, als früher, u.
daher bin ich Dir näher, ich denke mehr, daher denke ich mehr an
Dich, u. je mehr ich habe, je mehr ich haben werde, desto mehr
80
werde ich Dich brauchen u. haben. Es ist nicht möglich, daß Du
mir je von Deiner Liebe etwas entziehst, denn Du mußt es wissen,
wie ich, daß ich nicht den kleinsten Theil davon entbehren kann.
Ich werde Dir an meinem Hochzeittage dasselbe wiederholen,
denn bis jetzt habe ich noch keine Empfindung u. keine Stellung
kennen gelernt, in der ich nicht dasselbe gedacht u. gesagt hätte.
Zu dem Allen sieht Dein Bild sehr freundlich u. lieblich aus, es ist
gestern, an Hensels Geburtstage, viel daran gemalt worden, u. heut
kommt er wieder, er will an der einen Hand noch ein weniges
retouchieren, u. da soll ich sitzen.
Die Angelegenheit mit dem Atelier ist nun auch so gut, als been-
det, zu meiner großen Freude, das Luisenstift ist so nah, u. der Weg
durch die Gärten (falls ihm das Durchbrechen der Thür gestattet
wird) so angenehm, daß wir es uns wirklich nicht besser hätten
wünschen können. [. . .]
Mittwoch. Ich habe Dir nun weiter nichts mehr zu berichten, als
von einer miserablen Aufführung der Iphigenie 277 , Mlle. Schech-
ner wurde vor dem Anfang als plötzlich unpäßlich, des Publicums
Nachsicht empfohlen, u. bedurfte derselben auch gar sehr. Außer-
dem ist es wirklich schrecklich, wenn man solch ein Stück so
kennt, u. es dann hört, daß auch nicht ein einziger Takt entspre-
chend dargestellt wird. Adieu, mein Felix, ich schriebe gern noch
so fort, dann fällt mir aber immer ein, was Du immer gesagt hast,
u. was immer falsch ist, daß man von zu Hause nicht schreiben
könne, ich glaube aber, es ist so, Männer müssen von Reisen
schreiben, u. Frauen von zu Hause, die bringen dann jeden wohl-
bekannten Sandkorn aufs Tapet, u. das erfreut in der Fremde. [. . .]
fanny an felix 278 Berlin, 7. Juli 1829
So eben habe ich meinen großen Generalbrief an Dich beendet,
lieber Felix, u. muß nun 279 diese kleine Privatdepesche hinzufü-
gen, deren Inhalt folgender ist: Es ist Vater plötzlich aufgefallen,
daß in mehreren englischen Blättern Dein Name blos Felix Men-
delssohn genannt worden, u. er glaubt eine Absicht darin zu er-
kennen, u. will Dir heut darüber schreiben 280 , wie uns Mutter
gestern sagte, die es ihm auszureden versucht hat. Ob er es nun
noch ausführen wird, oder nicht, weiß ich nicht, bin aber gestern
81
Abend mit Hensel übereingekommen, Dir in jedem Falle diesen
Brief zu schreiben, ist er unnütz, so schadet er auch nicht, mögli-
cher Weise kann er Dir lieb seyn, u. ist er Dir unangenehm, so
verzeihst Du ihn mir -
Ich kenne u. billige Deine Absicht, diesen Namen, den wir Alle
nicht lieben, einst wieder abzulegen, aber jetzt kannst Du es noch
nicht, da Du minorenn 281 bist, u. ich habe nicht nöthig, Dich auf
die unangenehmen Folgen aufmerksam zu machen, die es für
Dich haben könnte, es wird Dir genug seyn, zu wissen, daß Du
Vater dadurch betrübst. Du kannst es jetzt leicht auf Befragen für
ein Versehen gelten lassen, u. Deinen Vorsatz zu gelegenerer Zeit
ausführen. - Die eigentliche Absicht dieses Briefes ist, Dich einiger
Maßen über die Sorge der Zeit u. Entfernung hinwegzuheben, die
Dir Vaters Schreiben machen möchte. Wie Du selbst noch neulich
schriebst, die Buchstaben sind so kalt, u. todt, u. es ist so leicht, den
richtigen Vortrag zu verfehlen. Vater namentlich schreibt immer
weniger angenehm als er denkt, so daß wir Dir gern über diesen
Gegenstand noch einige freundlichere Worte zukommen lassen.
Es kann seyn, daß es Dich herzlich verdrießt, wenn Du hier zum
drittenmal lesen sollst, was der Vater auf eine, u. vielleicht Mutter
auf eine andre Weise schreibt, aber dann, wie gesagt, verzeihst Du
uns eine übel ausgeführte gute Absicht, wir kennen uns, denk ich,
u. Alles bleibt beim Alten. Es macht mir wenig Spaß, daß Du, der
Du uns nur Gutes zukommen läßt, so oft von hier aus Unange-
nehmes zu erfahren hast, u. daß sich Dir gerade in dieser Bezie-
hung das häusliche Leben in der Fremde fortsetzt: ich wollte stark,
es wäre anders, es ist nun aber einmal so, u. Gottlob, es geht in
vielem Guten auf. - [. . .]
Adieu mein Felix, ich schicke diesen Brief an Hensel der noch
einige Zeilen dazusetzen u. ihn selbst auf die Post bringen will. Du
weißt, wie es Dich immer verdroß, wenn die Eltern Dir ihre Zu-
friedenheit verbargen, denselben Verdruß setzt uns Vater fort, in-
dem er gleichgültig u. stoisch thut, u. wir ihn dann darüber ertap-
pen, wie er Deine Briefe zu Drei, vier Mann 282 liest, u. wie alle
Leute wissen u. sehn, wie er sich über Dich u. Alles was Dir be-
gegnet, freut, nur wir sollen es nicht wissen. Wir wissen es aber
doch. Und so lebe wohl, u. froh u. glücklich. Es sind mir während
ich hier schrieb, zwei Augenwimpern aus u. aufs Papier gefallen,
82
wenn die bis nach London kämen, würdest Du wissen, von wem
der Brief ist.
(Nachschrift von Hensel):
Es sind auch gestern mehr als zwei Thränen aus denselben Augen
für Dich gefallen, u. daß ich sie Dir gönnte muß mir ein heilig
Recht auf liebevolle Aufnahme dieser Zeilen geben. Felix! ich will
mich nicht unberufen in Deinen Rath drängen, aber ich fühle Be-
ruf Dir ein Wort zu sagen, das Dir nur als Material zu eignem
Entschluße dienen soll.
Der muß, wird frei seyn, wir könnten es nicht einmal anders wün-
schen von Dir. Was in Rede steht, wie sie darüber denkt, hat Dir
Fanny gesagt. Daß sie mit Dir einig ist, wirst Du daraus sehn, daß
ich es mit Euch bin. Glaube meinem Wort. Da wir nun treu mit
Dir stehn, dürfen wir auch frei mit Dir reden u. so hat Fanny Dir
angedeutet, wie jetzige Ausführung eines an sich schönen Vorha-
bens, außer dem Schädlichen für Dich, was sie natürlich mehr
berücksichtigt als Du thun würdest, wenn Du nicht wieder ihre
liebevolle Sorge zu beachten hättest, ein Betrüben des Vaters her-
beiführen müßte. Höre, Felix, stehe länger als Cäsar am Rubicon.
Thust Du es nicht, würden wir Dich nicht weniger lieben, aber
wir würden mit Dir zu leiden haben, denn es müßte Dir selbst leid
thun, nachher. Bedenke, daß öffentliche Ablegung eines Namens
Critik der Annahme wird, u. daß sie wenn auch nicht bitter ge-
meint dem Vater vom Sohn doch bitter entgegentreten muß. Dein
Vater leidet gerade jetzt körperlich viel (krank ist er aber auf Ehre
nicht!) Die Freude, welche Dein rüstig u. glücklich Greifen in
Leben u. Kunst ihm gab, hob ihn oft sichtbar darüber hinweg, wie
er es auch verhehlen mochte, könntest Du ihm nun anderes als
Erleichterungen geben wollen? Ja, Du hast noch mehr zu beden-
ken, einen Umstand den Fannys opferndes Gemüth wohl kaum
gedacht u. viel weniger in die Waage legen konnte, auf den ich
aber nach Pflicht u. Wahrheit deuten muß. Jede Spitze die den
Vater trifft, werden geschärfter Deine Schwestern empfinden. Er
betrachtet sie als natürliche Bundesgenossen von Dir u. sie heh-
len's auch nie, da müßte nun seine Gereiztheit gegen sie sich wen-
den u. ließen sie sich auch willig schelten, wie könnten sie ohne
tiefen Schmerz anhören, wenn Du gescholten würdest? - Denk
auch an die silberne Hochzeit, möge sie heiter, wahr u. freudig
83
gefeiert werden! Was der Mensch heilig will erfüllt sich leise u.
sicher wie das Leben in der Natur. Lebe wohl!
Dein treuer Bruder
Wilhelm Hensel.
r 1283
fanny an felix 284 Berlin, 22. Juli 1829
[. . .] So wäre nun Deine Londoner Carriere 285 beendet, u. wieder
einmal, dem Himmel sey Dank, Dein Treiben mit glücklichem
Erfolg gekrönt. Es ist eine hübsche Sache, wenn man so ge-
müthsruhig aus der Ferne mit ansehn kann, was Einer treibt, u.
gewiß u. sicher weiß, er macht es recht. Wenn Du uns mit nächster
Post aus Schottland schreibst, Du habest einen Ruf als Hofcompo-
siteur im Kaffernlande angenommen, u. das ganze Haus sich vor
Entsetzen auf den Kopf stellte, würde ich vergnüglich aussehn, u.
in meiner Seele überzeugt seyn, daß die wahre Musik fortan im
Kaffernlande blühte. Du gehst aber eben nicht hin. Zu Euren
Hochlandsflügen wünsche ich Euch vor allem besseren Himmel,
als unsern diesjährigen, der sich uns keinen Tag ohne Wolkenzüge
u. Regengüsse zeigt, u. noch bei hellem Tage zum Zurückziehen
in die Zimmer nöthigt, weil die Luft oktobert. Ich will einmal
hoffen, alle Klarheit und Wärme sey in Deinem Norden, u. sie
somit gern missen. [...] David 286 geht fort von hier, zu unserm
wirklichen Leidwesen. Er hat einen Ruf nach Dorpat, zu einem
reichen Edelmann, der sich ein eigenes Quartett hält 287 , u. den
Leuten sehr vortheilhafte Bedingungen stellt. Das engagement ist
auf drei Jahr, u. er kann, wenn er will, viele Muße nützlich anwen-
den. Das königst. Theater istjetzt so beschaffen, daß man wirklich
jedem rathen muß, das Weite zu suchen. Romberg 288 der David
vorgeschlagen hat, schickt auch seinen Neffen als Cellospieler hin.
[. . .] Hensel hat einige neue Zeichnungen gemacht, über welche
Du Deine Freude haben wirst, namentl. Betty Pistor 289 . Eine v.
Heyne 290 ist vortrefflich. Droysen sagte mit Recht, sie sey eine
wahre Moralpredigt über ihn, ein Spiegel, worin er täglich sehen
müßte. Er sieht auch hinein, aber um sich unwiderstehlich zu fin-
den. Jetzt kommt Julius Rietz, mit dem ich Deine Variat. 291 spiele,
es ist nämlich eine Cellostimme hier, u. die Klavierpartie recon-
84
struiere ich mir danach tant mal que bien, oder plus mal que bien.
Lebe wohl auf so lange. [...] 292
fanny an felix 293 Berlin, 29. Juli 1829
In weite Ferne will ich schweifen, u. weiß nicht, wo Du weilst. Ob
wir heut einen Brief aus Edinburg erhalten? Möglich ists, u. es
schwebt deshalb eine Wette zwischen Paul u. mir. Es ist komisch,
seit Du aus London fort bist, wissen wir nicht mehr, was wir Dir
schreiben sollen, es ist einem so nüchtern, wenn man nicht weiß,
wohin man zu denken hat. Aber immer besser, als wenn man nicht
wüßte, an wen. Wir leben still u. gut, u. unsere Plaene (die silber-
nen) reifen. [. . .] Auch andere Pläne entstehen u. werden mit Plaisir
gefüttert. Wie findest Du die 12 Monate, durch weibliche Köpfe
representiert, u. mit Liedern begleitet? die Sache amüsiert uns, u.
wir finden sie himmlisch. Von noch größeren Rosinen, die wir im
Kopf haben, will ich gar nichts sagen, nur so viel, was Du neulich
von einem Liederspiel einmal schriebst, das Hensel mir machen
sollte, ist nicht auf einen steinigen Boden gefallen, wird Früchte
tragen dreißigfältig u. vierzigfältig (vide Franck) A Propos, die
Breslauer sind unerhörte Rüpel. Durch Mosevius schickte ich an
Franck Bachsche Orgelpräludien, u. den Maigruß, keine Antwort,
an Mosevius schickte ich aufsein Verlangen umgehend die Partitur
der Passion, keine Sylbe, ich weiß nicht, ob sie lebt, oder gestorben
ist. [. . .] Beckchen paukt mit Virtuosität das Pedal zu den Orgelsa-
chen, u. ich stärke mein Herz zuweilen daran. Der alte Bach wür-
de sich todtlachen, wenn er das sehen könnte. Sey doch so gut, mir
im nächsten Brief das Orgelpräludium zu bestimmen, das ich bei
meiner Trauung von Grell soll spielen lassen. Freilich wärs noch
hübscher, wenn Du mir eins schicktest, wenn das practicabel wäre
über Meer? u. eben fällt mir ein, daß ich selbst mir den Ausgang
schreiben will. Eben sagt mir Beckchen, daß die Mädchen sich
vorgenommen hätten, einen Choral zu singen, welches vielleicht
noch besser wäre, als ein Präludium, bestimme Du darüber, u.
wenn Du für den Choral entscheidest, so gieb ihn auch an. Ach
wärst Du hier! Ja, ja, nett soll es werden, u. mit uns (alsdann)
Eheleuten sollst Du sehr zufrieden seyn, das verspreche ich Dir,
ich versichere Dich, wir taugen was, u. es ist mit uns umzugehn,
8 5
u. wenn Du hier bist, soll die Freude groß seyn. Ich bin sehr inner-
lich froh u. zufrieden, lieber Felix, u. könnte mir nichts anderes
wünschen, als es eben ist. [. . .]
Ich habe eben das Kind gefragt, ob es noch allein die Treppe her-
unter gehn, oder den Mund finden könne, Du hast gar keinen
Begriff (oder vielmehr, wenn Du Erinnerung hast, so hast Du ei-
nen Begriff) was für jämmerliche Gesichter sie zuweilen schnei-
det. Glaube aber nicht, daß ich so unbillig bin, wie sie, ich weiß
recht gut (erstens schon aus der Erfahrung) daß es unangenehm,
lästig, alles was Du willst ist, neben einem Brautpaar her zu gehn,
wobei schon ein kleiner Neid nicht abzuläugnen ist, denn wenn
Prof. Gans 294 ihretwegen nicht mehr Abendbrodt ißt, u. sich bei
der Gelegenheit todthungern will, so fühlte sie sich dadurch zwar
ein wenig geschmeichelt, aber doch schon weniger befriedigt. Alle
diese Dinge, u. noch viele andere zusammengenommen ergeben
das Resultat, daß sie sich musterhaft u. bewunderungswürdig in
das Unglück findet, eine vom Brautstand besessene Schwester zu
haben, u. daß sie ihr Schicksal mit einer Fassung u. Standhaftigkeit
trägt, ihres Charakters u. ihrer Schultern werth. Haut sie zuweilen
über die Schnur, nun so muß man es ihr nachsehn, u. das thut denn
auch der sanfte Schwager u. die fromme Schwester pflichtschul-
digst. Liebe Zeit, wie findest Du diesen Prozess, den wir hier in
Person vor Dir plaidieren? Denn daß wir geistig gehuscht haben,
geht Dir wol klar aus Allem hervor, u. ich denke, daran erkennst
Du Deine Gerenheimer. Der Schiemil übrigens, mit dem wir sie
gestern - 5 Minuten allein ließen, war David. Friede kleine Gere,
die Parteien vergleichen sich, u. Du butzest ihre Köpfe an einan-
der.
fanny an Felix 295 Berlin, 8. August 1829
[. . .] Zuweilen macht einem der Hebe Herrgott raffiniertes Plaisier,
so that er's uns Mittwoch, wo wir eben beschäftigt waren, Deinen
ersten schottischen Brief zu lesen, als Mühlenfels 296 (für uns zum
erstenmal) eintrat. Wir staunten, freuten uns, daß er so gut Be-
scheid wußte, uns gleich Frl. R. und Frl. F. titulierte, den Garten
aus Deiner Beschreibung genau kannte, u. aus den mit Bleistift in
der Hand geführten Conversationen, Dein Bild so schön ähnlich
86
fand; das war der erste Eindruck, Mühlenfels hätte viel weniger
angenehm seyn können, u. er wäre doch günstig gewesen. Marx
u. Gustav Magnus 297 aßen hier, wie die Mutter geschrieben hat. Es
war fast nur die Rede von Dir, u. wenn wir zuweilen aus Discre-
tion andre Gegenstände aufs Tapet brachten, lenkte M. von selbst
wieder ein. Er hat eine sehr gute Art mit Dir umzugehn, u. seine
Art Zuneigung zu Dir gefällt mir. Kurz, er ging spät, u. wir waren
zufrieden. [. . .] Hensel zeichnete ihn, er erzählte uns dabei die net-
testen Geschichten von Dir u. London, wir gingen spät zu Tisch,
das Gespräch wandte sich auf die Zeit seiner Gefangenschaft, u.
wir baten ihn, uns die Geschichte seiner Befreiung zu erzählen,
was er bereitwillig that. So saßen wir denn bis um 1/2 1 um ihn
her, mit gespannter Aufmerksamkeit den interessanten Details fol-
gend, die Du, wie er uns sagt, aus den Akten kennst. Ich bin keine
Romanleserin, aber dieser lebendige Roman nahm lebhaftere
Theilnahme in Anspruch als je ein geschriebener, u. beim Him-
mel, der Kerl entwickelte Poesie. Wie ihm das Rasseln des Wa-
gens im Thore noch jetzt wie Musik in den Ohren klingt, wie ihn
die erste Morgenröthe, der Sonnenaufgang, fand, das ist hübsch
aus dem Munde eines Mannes zu hören, der es erlebt hat. Er hatte
ein Auditorium, das mitlitt u. mitlebte. Seine Reise hierher hätte
für uns nicht angenehmer fallen, seine Stellung im Hause hier
keine erwünschtere seyn können, ich versichere Dich, ich begreife
vollkommen, wie er Dich erfrischt, wie er Dir geholfen hat, im
Strudel oben zu bleiben. Dazu ist er wol der Mann.
[. . .] Ihr armen Leute, wenn ihr nur nicht so ein gar plaisirliches
Leben führtet. Edinburg muß leidlich aussehen. Überall zeigt man
Euch offene Arme, kurz, Ihr könnt es aushalten - Montag den loten.
Gestern früh war hier Quintett. Erst spielte Rietz ein Quartett v.
Haydn, dann David Dein Quintett 298 , u. dann Rietz das c dur
Quintett v. Beethoven 299 . Ich hätte zwar lieber gesehen, daß Rietz
auch Deins gespielt hätte, aber da David sich jetzt zu Dorpat vor-
bereitet, u. es einstudiert hat, bat er darum, u. dagegen ließ sich
natürlich nichts einwenden. Er spielt übrigens sehr gut. [...]
Abends war es einmal wieder brillant gestern, außer einigen
Fremden aus Brüssel, waren noch viele Bekannte aus Berlin hier,
u. obgleich ich vieles Kopfweh besaß, schürte ich doch die Repu-
tation des Hauses, u. spielte erst Deine Variationen 300 mit Ritz, u.
87
dann das d dur Trio v. Beethoven 301 , mit ihm u. David. Hier will
ich einen Auftrag einschalten, aus keinem anderen Grunde, als
weil er mir eben einfällt: Hensel läßt Dich sehr bitten, wenn Du
wieder nach London kommst, u. en train bist, Commissionen zu
machen, für ihn, eine Unze indisch Roth bei Ackermann zu kaufen.
Willst Du es nicht vergessen, lieber Mann? Adolph Gold-
schmidt 302 kam auch gestern, gerade zur Musik, u. da er etwas laut
sprach, u. sich englisch höflich auf dem Stuhl rekelte, frug Rietz
nachher, ob dieser Flegel zu unsrer Familie gehöre, oder ob man
den Mund über ihn aufthun könne? Ich muß auch gestern, daß
mir sein Äußeres sehr abstoßend ist. Was habt Ihr nun für göttli-
ches Wetter, u. wie gern denke ich mir Euch heut, an hellblau
behimmeltem Tage auf tiefblau schottischem See. Ach wie so
gern!
[. . .] Mittwoch 12. Einen herzlichen Gruß von Hensel, der drin in der
Hinterstube sitzt, u. einen Blumenkranz auf das Bild eines Kindes
malt. Wir haben einen netten Tag zusammen. [. . .] Abends waren
wir allein, Hensel zeichnete an meinem Bilde für Dich, ich spielte
sehr Vieles von Dir, u. da ward mir sehr weich, u. als ich darauf in
den schönen stillen Mondabend noch einen Gang mit H. that,
ward von Dir geredet, dann holten wir die Andern heraus, und
ward wieder von Dir geredet! Du wirst viel Heb gehabt, Felix. Lebe
wohl. [. ..]
fanny an felix 303 Berlin, 21. August 1829
Ich will mich eben hinsetzen, um einen Brief zu schreiben, einen
andern Brief, aber ich kann den Tag nicht anfangen, ohne die
Antwort. Felix, Bruder, Engel, was soll ich Dir sagen? Noch ist
nichts überlegt, nichts besprochen, aber Beckchen hat mir Deinen
Brief vorgelesen 304 , u. ich bin froh, Dir sagen zu können, daß ichs
mit Hensel schon lange so ausgemacht, wie Dus geschrieben.
Noch weiß ich nicht recht, wie? aber es soll, es muß werden. 305 An
mir Uegt es, mir hat Hensel die Entscheidung anheim gestellt, was
mich zurückhielt, war eines Theils die Sorge um einen zu langen
Aufenthalt, andererseits Beckchen, die ich mich nicht entschließen
konnte, so zurückzulassen, denn ich bin ihr Vicefelix, das hör ich
gerne, u. es macht mich froh, nun für diese Sorge beruf ich mich
auf Dich, u. die andere - ich weiß nicht, es war heut Alles so hell
u. klar vor den Augen, als ob es gar keine Schwierigkeit in der Welt
gäbe. Was Du Beckchen Liebes geschrieben, davon nehm' ich mir
meine Hälfte, wie ich sie ihr auch immer gegeben habe. Denn wir
sind u. bleiben die Geren, u. Du bist der Clown, u. wenn Du je
aufhörst, Dich zwischen uns auf den Sopha zu setzen!
Zwischen uns, hörst Du? Aber das wird nicht aufhören, denk ich,
u. wir werdens einmal in einer andern Zone probieren. Hensel u.
ich wir haben's so ausgemalt: Wenn wir Alle zusammen bis Nea-
pel gereist sind, u. die Eltern dann Furcht haben vor der Seereise,
so steigen wir Vier ins Schiff, u. fahren nach Sicilien, u. wenn wir
uns die Sache da angesehn haben, so steigen wir wieder ins Schiff
u. fahren nach Malta, u. wenn's da sehr heiß ist, u. sehr blau, u.
einem die Orangen über den Kopf hängen, u. man bei heiterem
Tage die weiße Küste von Africa sieht, so erzählst Du uns von
Staffa 306 u. den Hebriden. - Ich denke wir haben uns unser Leben
gut eingerichtet, u. wenn der liebe Gott ja sagt, u. alles gelingen
läßt, so können wir einige leidliche Jahre erleben. Und nun nach
alle dem das ruhige Zusammenfinden in Berlin, wo wir, ich meine
Du u. Hensel, von der Leipziger Straße aus ziemlich weit ausgrei-
fen werden, es wird passabel seyn.
[-] 307
den 25sten August. Du kennst selbst aus Erfahrung so gewisse Kno-
ten und Begebenheiten, Tage und Wochen, wo so viel zusammen
kommt, daß man gern an Jedes allein denken möchte. So waren
für mich die Tage, in denen Dein Brief ankam, es drängte und
wälzte sich alles über einander. Ein Theil ist nun schon aufgelöst,
und das Andere geht langsam vorwärts. Mit der Bestimmung uns-
rer Hochzeit ist es noch, wie es war, das letzte Aufgebot am 20sten,
da Vater noch in Hamburg, und die ganze Wohnung noch einzu-
richten ist, nebst Töpfen u. Schüsseln, Dir Deine Lieblingsgerichte
zu bereiten, so ist der Tag noch nicht genau zu bestimmen. Be-
stimme Du aber, o Felix, um was ich Dich gebeten habe. Ich habe
meinen Orgelausgang 308 schon ziemlich im Kopfe. G Dur, Pedal
fängt an. Ueberhaupt bin ich recht froh zu der Ueberzeugung
gelangt zu seyn, daß der Brautstand meiner Musik nicht geschadet
hat. Habe ich nun erst ein gutes Stück im Ehestande gemacht, dann
bin ich durch, und glaube an ein ferneres Fortschreiten. Aber, nicht
89
wahr? Besseres wie die Lieder für Dich habe ich noch nicht ge-
macht 309 , und das Stück von und für Hensel ist auch nicht übel.
Was ich aber jetzt für große u. größte Reformen im Kopf habe,
das möchte ich Dir eigentlich gar nicht sagen, aus Furcht, bei
Nummer i stecken zu bleiben. - Ei was, ich will's Dir erzählen,
hör zu. Joh. Gust. Droysen sagte mir mal vor einiger Zeit, er fände
es gar nicht übel, wenn die Lieder, die man so machte 310 , einen
gewissen, innerlichen Zusammenhang hätten, so einen Faden, u.
ob ich wol erlaubte, daß er so >nen Faden suchte, u. da Lieder dran
aufzöge. Ich erlaubte. Da kam er wieder nach einiger Zeit u. frug,
ob mir die Sage von der Loreley gefiele? Ich genehmigte, da brach-
te er mir einen Plan. Aber das Ding war zu undramatisch für ein
Stück, zu dramatisiert für eine Sage, kurz nicht recht Fisch u.
Fleisch. Zu gleicher Zeit da ich sah, daß es ernst u. groß wurde,
wünschte ich doch sehr, daß mein zukünftiger Eheherr Theil an
der Arbeit nähme, u. so versprach mir dieser auf mein Bitten,
einen 2ten Theil zu schreiben, wenn Droysen seinen ersten dra-
matischer machen könne. Kurz, die Sache wuchs u. dehnte sich
aus, bis ich nun ein großes Stück in drei Theilen vor mir habe, das
heißt, den Entwurf dazu, an dem wir immer herum schustern u.
schneidern, u. ihn Droysen in diesen Tagen zu überliefern den-
ken. 311 [. . .] Und nun laß mich noch einen Augenblick mich freuen,
über heut und morgen. Hensel wird mir jeden Tag lieber, und
dem Himmel sey dank, ich glaube, daß er immer glücklicher wird.
Und wenn er nun zurückkommt aus den Niederlanden, da wollen
wir Familie ein sehr nettes Leben führen. Du bringst viel Neues
mit, findest viel Neues vor, u. ich stehe Dir dafür, die Zeit soll uns
nicht lang werden. Hör mal, Deine Hebriden sind passabel, und
die beiden Geigen sagen nicht umsonst so lange fis. Mir wurde
seltsam dabei zu Muthe, wie Dir. Adieu, Felix. Nun bekömmt
Hensel den Brief. Wir sind die Alten noch geblieben.
[...]
felix an fanny und rebecka 312 Coed Du, 2. September 1829
An die Schwestern will ich ihn richten, hab meine Gründe dazu;
es ist der Wendepunctsbrief für dies Jahr, denn von nun an werden
sie posttäglich näher u. näher adressirt, bis sie ganz aufhören; dies
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der eine; es ist eben nichts wichtiges, ernsthaftes, geschäftemäßiges
zu berichten, sondern mehr von Gärten, Zeichnen, Lämmern;
dies der andere; und zum erstenmal seit Deutschland bin ich wie-
der mal herzlich u. zutraulich mit Menschen zusammen und freue
mich ihrer und denke Eurer: dies der Hauptgrund. Denn viel ist
von Euch Schwestern hier die Rede, sie machem Eurem Bilde
schrecklich die Cour, u. kennen Euch sehr gut mit Vornamen u.
allem u. ich beschreibe Euch pünctlich [. . .]
Den Tag meines letzten Briefes aus Llangollen fuhr ich allein in
der Mail durch furchtbaren Regen; ging dann zu Fuß ins Tal von
Llanrust und fuhr im offenen Wagen nach Convay, wo ich so naß
ankam, wie ich vielleicht noch nie in meinem Leben gewesen war.
Den folgenden Tag fuhr ich nach Holywell, wo ich Briefe von
Euch erwartete, u. keine fand; ich kam nasser an, als den vorigen
Tag, diesmal war meine Stube schlecht, der Kopf brummte mir
vom Sturm, die gehofften Nachrichten von Hause, an denen ich
immer einen Taglang kaue und zehre, blieben aus, das Kamin
rauchte, kurz, so behaglich ich es im Wirtshaus das erstemal fand,
so unbequem langweilig war es das 2te mal, und wie ich denn
überhaupt alle Zweitenmale hasse oder fürchte, so zitterte ich vor
der Rückkehr nach Coed Du. Dazu hatte ich nichts zu lesen, weil
der erste Theil von Guy Mannering 313 , den ich mir in der neuen 5
Sh. Ausgabe kaufe, zu Ende war, u. der 2te erst heut in London
erscheint; nahm also die Zeitungen u. las vom Irländischen
Dampfschiff, das der Capitain schon aufgegeben hatte, dem alle
Kohlen fehlten, das statt 26, 56 Stunden ging; in dem die Passagiere
auf der Erde lagen, die Aufwärter auf den Vieren kriechen muß-
ten, die Damen nicht aus der Ohnmacht erwachten, u. das nur
durch ein augenblickliches Anhalten des Wüthewindes gerettet
ist; dann wieder von zwei Personen, die trotz allen Läugnens, man-
cher Unwahrscheinlichkeiten, in drei Tagen verdammt u. gestor-
ben sind, u. so mehrere häßliche Sachen. Am andern Tage aber
kam das Landgut, und nun möchte ich doch so gern beschreiben,
aber wie soll ich es machen, wenn jeder Schritt, jeder Augenblick,
alles so ganz von Deutschi, verschieden ist, was soll ich hinaushe-
ben? Ich wollte, ich wäre ein berühmter Schriftsteller, es wäre was
für mich. Doch lege ich los mit Beschreiben, für Euch Geren 314 ist
es gut genug. Englisch spricht man hier, so fein wie nur möglich,
9i
und ich nehme mich sonderlich aus zuweilen; aber das thut wenig.
Der Vater also, Hr. Taylor, ist der Englischste Engländer, den ihr
erdenken könnt, (ä propos, Hamilton u. Co kenne ich nicht, habe
sie nicht gesehen, u. sie zu nichts, als zu einem Singakademie Bil-
lette empfohlen) der Hausherr also ist der Inhaber ungemein be-
deutender Bergwerke in vielen Theilen Englands, u. scheint sehr
angesehen in seinem Fach, hier hat er sechs Bleiwerke u. inspicirt
die mit seinen Söhnen, die waren in Deutschland, sprechen
Deutsch mit mir, jagen auf Mord, (Dick hat gestern 15 Rebhühner
u. einen Hasen geschossen) reiten Carriere über die Wiese vor
dem Haus, fischen, richten die Hunde gut ab, u. necken ihre
Schwestern. Diese haben ihre Meriten, hübsch ist eigentlich nur
die zweite, diese aber sehr, u. spricht einen guten Ton, aber gut
sehen sie alle aus, u. die älteste ist ein prächtiges Mädchen, so wie
auch an der jüngsten nichts getadelt werden muß. Zum Glück
spielt hauptsächlich die zweite Ciavier, u. ich gab ihr schon man-
chen guten Rath, wie sie das Gelenk lose halten müsse, u. die
Finger: so! Aber die älteste zeichnet vortrefflich Landschaften, u.
kann auch Männer u. Frauen im Vorgrund anbringen; da das mir
nun nicht gegeben ist, so macht sie mir zu einigen schottischen
Gegenden gute Staffagen, unter anderem gestern ein Paar wun-
dernette Hochländer, die jüngste aber hat mir eben ein kleines
Nadelkissen geschenkt. Die Mutter ist ruhig, u. still, u. gut, man
sieht wohl, daß sie das Ganze führt u. regelt, ob sie schon wenig
spricht; ich bin ihr von Herzen gut u. sie mir auch, denk ich; sie
erinnert mich oft lebhaft an Dich, liebe Mutter, sogar im Gesicht
ist zuweilen die Ähnlichkeit auffallend. Außerdem sind da: 3 lange,
dürre, häßliche, moquante Cousinen aus Irland, unverheirathet,
alt, heimlich kichernd, in papageygrünen kurzen Kleidern; wir
stehn in offener Fehde gegen einander u. hassen uns sehr; item ihr
Bruder, ein stiller, grämlicher junger Mann, spielt das Hörn und
versteht was von Bergbau; ferner ein anderer Cousin, mein Rei-
segefährte, schießt viel Kaninchen, zeichnet, macht der jüngsten
Cousine fast den Hof; item ein ruhiger Seecapitain, item 3 Ponys,
2 Donkeys (i. e. Esel), ein Phaeton, ein in Sammt u. Seide gehüllter
Bedienter, Gärtner, Bauern etc. Die Scene ist zwischen Mold und
Ruthin in Flintshire, heut 12 Uhr Mittags. Die vielen Fremden sind
aber erst seit gestern hier, u. wollen der großen Fete beiwohnen,
92
die in einer Stunde losgeht. In einem engen Thale 6 Meilen von
hier ist nämlich ein Zelt aufgebaut, unter dem heut zu Mittag
gegessen wird, da ist nun die ganze Nachbarschaft gebeten, ver-
sammelt sich hier um i, und bewegt sich dann zu Fuß nach dem
besagten Zelt zu, wo es hübsch ist, wird still gehalten und nach
allen 4 Weltgegenden hin gezeichnet, die Mutter reitet zu Esel, für
Honoratioren ist der Phaeton angespannt, der gestern geschoßene
Phasan steckt schon in der braunen Pyekruste, viel Blumen muß
der Gärtner bringen, ich sehe aus meinem Fenster weiße Kleider
auf der Wiese umherschimmern, ists gut Wetter so lachen wir;
sollt" es regnen so lachen wir noch mehr; auch ist eine Dampfma-
schine in der Nähe, an der wir uns wärmen können, u. unterkrie-
chen im schlimmsten Falle; wenn wir zu Hause kommen heut
Abend, so finden wir den Saal erleuchtet u. offen, weil getanzt
werden soll; (das haben mir die Mädchen heimlich verrathen, sagts
also nicht weiter) und so ists auf einmal heut ein Festtag, aber ganz
ohne Anlaß; nur blos, um sich Vergnügen zu machen, das gefällt
mir nun gar zu sehr, u. es soll mir keiner so gleich auf die Englän-
der schimpfen. Außerdem leb ich hier prächtig; vor allem giebt^s
viel Musik, ich spiele wohl 3-4 Stunden den Tag, u. componire
mancherley, unter anderm einen Ausgangssatz für die nächste
Hochzeitfeyer. Auch ist das vorgerückte 315 Lied an die Tragödin
abgegangen. Du, Fanny, mußt die Correcturen machen. Ferner
habe ich Miß Anne voreilig versprochen das Bouquet Nelken mit
einer Rose in der Mitte, was sie mir neulich schenkte, zu compo-
niren, u. laborire etwas dran; ich muß es in ihr Buch schreiben u.
den Strauß drüber zeichnen, es wird [. . .] sehr zart. Mein Violin-
quartett 316 schicke ich bald fertig hinüber, u. zur Vollendung mei-
ner Reform. Symph. war ich neulich 500' unter der Erde, viell.
nicht ohne Erfolg. Die Hebridengeschichte kann auch toll werden,
u. zur silbern. Hochz. braue ich viel Getränk. - Das ist die Musik
explicite. - Implicite ist sie nun, wenn wir alle zusammen drüben
an der Schleuse sitzen u. zeichnen; Miß Anne u. ich die Schleuse,
Susan ihre Schwester Anne, die jüngste mit dem Rücken gegen
uns den weiteren Lauf des Bachs, der Cousin die ganze Gruppe,
und dann kommt der Vater aus seinem Bergwerk über die Brücke,
u. lächelt sehr behaglich, u. plaudert mit uns, die wir uns nicht
stören lassen; am Abend wenn genug Musik gemacht ist werden
93
dann die Zeichnungen genommen u. gebessert; Anne führt die
guten aus u. hat Licht u. Schatten; ich nehme die Sachen breiter u.
wichtiger, Susans Staffage wird in unsere Landschaft eingetragen;
sie braucht unsere Bäume als Hintergrund u. so fort. - Oder wenn
wir zusammen spazierenreiten, denn die Mädchen nehmen sich
in den blauen Reitkleidern erträglich aus; so war ich neulich mit
dem Bruder John u. der ältesten Schwester, u. machten in der
Nachbarschaft einen Besuch an 2 alte Damen, so ritt ich gestern
mit dem Cousin u. Susan weit durch die Gegend über 12 Meilen
[...]; hat man nun eine Weile kräftig Weg gemacht, über mein
deutsches Leben gesprochen [. . .] u. reitet dann langsam zu. con-
versirt, u. fängt dann so eine stille Engländerinn auf einmal an, von
Dir, Beckchen, zu sprechen, u. mir zu beschreiben, wie sie Dich
reiten lehren wolle wenn Du nach Coed Du kommst, denn daß
ihr kommt, ist seit einigen Tagen den Mädchen ganz unzweifel-
haft, und wie Du viel besser reiten werdest als Fanny (ich glaub es
fast selbst), u. welche Zimmer ihr dann bewohnen sollt. -
Oder wenn alle Mittag von demselben Heben Hausfreund geredet
wird, der jetzt gerade nach Mexico ist, und Capitain Lion heißt,
Vater wird sich aus Ritters Colleg 317 seiner entsinnen, es ist dersel-
be, der die Wüste Sahara schnell verließ, um nach dem Nordpol
zu gehen, u. wenn der Vater dann die schönsten Züge von Lions
Reisen erzählt, u. die Töchter die Amerikanischen Dinge zeigen,
die er jeder geschenkt, u. die Mutter mir gern die Lieder der Es-
quimaux beschreiben möchte, die er ihnen an Sommerabenden
im Freyen vorsang. - Alles das ist freilich Musik und recht schöne;
wißt ihr noch, daß ich bei Potsdam mal für Heliotrop schwärmte,
ich thue es hier für eine große Nelkenart (Samen davon wird mit-
gebracht) und alle Morgen bekomme ich die schönsten geschenkt,
mein Zimmer duftet gar zu süß; u. wenn ich am Sonntag nicht
Ciavier spiele, weil ich deutlich merke, daß es ihnen unangenehm
ist, u. dann am Abend ihnen was ernsthaftes, geistliches, von Hän-
del od. dgl. spielen muß, so ist das vielleicht doppelte Musik.
Morgen ist in Holywell ein publ. diner Hrn. Taylor von den Leu-
ten in der Umgegend gegeben; dem wohne ich noch bey, als Haus-
freund; denn ich glaube ich darf mich fast so nennen, u. fahre dann
übermorgen nach London zurück. Von da aus mache ich mehrere
Dinge richtig, bedanke mich bei allen Freunden u. Gönnern,
94
schreibe an Moschel., Johnston etc. führe meine Zeichnungen aus,
gehe über den Canal etc. etc. Dies Ende schreibe ich schon neben
der Dampfmaschine, von der ich sprach, denn in der Mitte wurde
ich abgerufen, u. spazirte mit den Damen hieher ins Thal, wos Zelt
steht. Das Weitere will ich eben erleben, u. Euch dann schreiben.
. Euer F.
fanny an Felix 318 Berlin, 6. September 1829
[-1 319
Gestern Nachmittag hätte ich Dir beinahe geschrieben, denn da
sah es hier so aus: Mutter war im Garten, Beckchen bei Magnus,
die den Tag vorher hier eingezogen waren, Hensel saß den ganzen
schönen Sonntag hindurch einem Gliedermann gegenüber, mit
dem Hofkleide der Heister 320 angethan, u. Paul war mit Deinem
Brief zu ihm gegangen. Rest: ich, die eine Gardine nähte, sämtli-
cher Bevölkerung von Berlin gegenüber, die aus dem Potsdamer 321
heraus wogte am schönsten Nachmittage. Ich schrieb Dir aber
nicht, sondern überdachte Deinen Brief, u. war vergnügt. Und als
es zu finster wurde zum Nähen, setzte ich mich ans Ciavier, u.
raspelte ein wenig an meinem Hochzeitsstücke. 322 [...] Unsre
Hochzeit ist auf Sonnabend, den 3ten October bestimmt. Ja lieber
Felix, den Tag wirst Du sonderbar verleben, ich habe meine eige-
nen Gedanken über die Art, wie ich meine, daß Du ihn verleben
könntest, sage sie aber nicht. [. . .] Heissa, war ich ein Koffer, ich
wüsst was ich thät [. . .] Nun sind wir seit einigen Tagen herüber-
gezogen, u. die Wohnung drüben wird für mich eingerichtet. Ein
Mädchen habe ich schon lange, es ist aber keine von den schönen
Liverpooler Köchinnen, sondern eine zarte kleine Berlinerinn,
über deren ausnehmende Häßlichkeit Hensel sich schwer zufrie-
den geben kann. So wie er Alles hübscher sieht, u. mir gern alle
Umgebungen, alles Geräth des gemeinen Lebens zierlich u. ange-
nehm einrichtet, so möchte er auch das Volk, das Einen umgiebt,
gern angenehm u. erfreulich anstreichen, es geht nur halt nit.
Beckchen: Nun denn! Ach wie von hinnen eilen.
Fanny: Hast noch was Kluges mitzutheilen?
Beckchen: Sehnsucht ins Ferne, künftge zu beschwichtigen.
95
Fanny: Beschäftige Dich hier und heut im Tüchtigen. Joh. Göthe.
Beckchen: Musenalmanach für 1831.
Fanny: Das heisst aber nicht, Geren, scheuert die Stube, näht u. seyd
fleißig, bis es mir gefällt, wiederzukommen, sondern es heisst: ach,
was weiß ichs? Werder, Veit u. Stieglitz, drei schöne Männer, die
den Musenalmanach herausgeben 323 , frage die, die Werdens wis-
sen. [. . .]
Eben komme ich vom Ausgang mit Mutter zurück, wir haben
Tische u. Stühle u. schöne Dinge gekauft. Klingemann schickte
mir kurz vor meiner Verlobung eine Reihe von Spottdistichen auf
das Brautpaar von Göthen, davon hieß Eines so:
Er: Du, u. eine Hütte, das ist meine Welt.
Sie: Lieber, haben Sie auch Sopha u. Stühle bestellt?
Lieber Klingemann, spotten Sie immer zu. Sopha u. Stühle sind
gut, u. die Gäste u. die Welt ist auch nicht zu verachten, u. so haben
Alle recht, der Bräutigam, die Braut, u. der Spötter, d. h. die Welt.
Wie prächtig würden Sie sich über uns mokieren, wenn Sie hier
wären, u. wie prächtig werden Sies eben so machen, wenn Sie
einmal in den ähnlichen Fall kommen. Nun wir Werdens erleben,
Sie als bräudelnden Ehemann zu sehn. [. . .]
Erstlich hatten wir eben Deinen lieben Brief erhalten, den aus
Taylors, Du Lieber. Wie prächtig hast Du Dich da amüsiert, u. wie
heb haben Dich die Leute gehabt. Fast, ja fast so lieb, als Du ver-
dienst. Daß uns Taylors Ladies bei Namen kennen, ist ädel von
ihnen. [...]
Deine wohlgeneigte Schwester Fanny.
fanny an felix 324 Berlin, 22. 325 September 1829
[...] Sitzt Deine älteste Gere wieder mit verbundenem Gesicht,
weil sie sich einen 2ten 326 Zahn hat müssen ausziehen lassen. Glau-
be aber nicht, daß dieser abwesende Zahn oder diese anwesende
dicke Backe mir menschenfeindliche Gesinnungen einflößen;
oder irgend unsere Polterabendsconferenzen beeinträchtigen
könnten. Ich stehe über mir selbst, und kenne mich u. die Welt,
(patetico) Zur Sache. Abgesetzt, von meinem Posten verwiesen,
meiner jüngeren Schwester untergeordnet, habe ich mich mit
Größe in die Stille des Privatlebens zurückgezogen, u. wirkte da
96
ungesehen. Felix. Nicht Eigennutz, nicht Habsucht, nicht Ehrgier,
nicht manches Andere ließ mich die Anordnung treffen, den Pol-
terabend in einer gewissen Familie zuzubringen, sondern alle die
Gründe, die mein Chef auf der vorigen Seite ausführt. [. . .] Deinen
Plan von der ersten Oper finde ich so allerliebst, daß ich ungern
davon abstrahiren würde, wenn ich mich gleich jetzt als Zerlina 327
wunderlich gestalten werde. Es ist ein Einfall, der so in Deinem
Character liegt, daß ihn gar kein anderer Mensch in der Welt hätte
haben können. Außerdem aber, glaube nicht, daß ich von einem
Instrumentalabend ablassen werde. Was Cuckuck! Wir müssen
doch Deine neuen Sachen hören [. . .] Daß Du Vater nicht triffst,
darüber kann ich mich noch nicht recht zufrieden geben, Du wirst
nun die vielen Anspielungen in unsern letzten Briefen verstehen.
Wir hatten uns fest u. steif in den Kopf gesetzt, daß Du mit ihm
herkommen würdest, u. so hat mich Dein Brief an Vater (er hat
ihn uns hergeschickt) fast geschmerzt, nicht nur in Deiner u. Va-
ters, sondern auch in meiner Seele. Bei dieser Gelegenheit will ich
Dir denn auch vertrauen, was ich zwar nicht beschwören kann,
aber was in mir feststeht [...], daß nämlich Vater die Reise fast allein
Deinetwegen, u. in der Hoffnung, Dich zu sehen, unternommen
hat, er konnte es nicht länger aushalten. Das Gute dabei ist aber,
daß nun die Reise einen Theil dessen thut, was Du hast thun sol-
len, u. daß Vater ermuntert u. in bester Laune zurückkehrt. Wir
haben heut einen sehr komischen Brief von ihm aus Amsterdam.
Nun noch ein Wort über unsere Reiseprojekte. Das Einzige, was
uns, Hensels, zurückhalten könnte, wären finanzielle Gründe. Da
es in Deinem Plan liegt, daß wir nicht mit den Eltern davon reden,
erwähnen wir natürlich unseres Vorsatzes nicht, der dadurch noch
unmotivierter erscheinen würde. Nun habe ich immer noch die
Angst, die ich nicht zu überwinden vermag, erstlich ob wir genug
einbringen 328 , um die Reise zu machen, zweitens ob die Eltern
nicht vielleicht mit Recht mißbilligen würden, wenn wir statt uns
im Anfang unserer Verheirathung einzuschränken, u. ruhig zu le-
ben, u. unsere Pflichten hier zu erfüllen, uns gleich ein so kostspie-
liges Göttervergnügen machten. Wobei, im besten Falle, der ganze
Erwerb des Jahres daraufginge. Wollten wir es anders einrichten,
wie Du meinst 329 , daß Hensel die Idee hatte, eine Ausstellung 330
dort zu suchen, so würde das einen sehr langen Aufenthalt dort
97
zur Folge haben, was wieder seine sehr zu bedenkenden Seiten
hat. Kurz, lieber Clown, sage mir mal ein vernünftiges Wort dar-
über. Du kannst Dir denken, wenn wir euch Alle so einsteigen
sähen, u. müßten das Haus hüten, so würde uns das wenig amüsi-
ren. Ein Umstand, der sonst unangenehm wäre, uns aber bei un-
sern vorhandenen Planen zum Vortheil gereichen kann, ist, daß
Hensel das Attelier im Luisenstift abgeschlagen worden ist, weil
das Palais für Prinz Albrecht 331 eingerichtet wird [. . .], und daß er
sich nun um die 400 Th. bewirbt, die als Ersatz für ein königl.
Attelier gegeben werden. Sieh, lieber Felix, da hast Du unsere
ganzen häuslichen Angelegenheiten.
Wieviel ich brauchen werde, u. mithin einbringen kann, werde ich
erst nach einigen Monaten beurtheilen können. Wenn wir uns (u.
Hensel hat gewiß die meiste Lust dazu) auch entschlössen, bur-
schikos zu handeln, alles zu verjubeln, u. nachher von vorn anzu-
fangen, fürchte ich doch, die Eltern würden mit einem solchen
Plan wenig zufrieden seyn, u. ohne ihre Beistimmung (dies hat
gewiß die Deinige) wollen wir Beide nichts beschließen. Im Fall
aber die Reise doch noch zu Stande käme, muß Hensel eine histo-
rische Bestellung beim Könige, u. eine andere, über die er schon
in Unterhandlung steht, beim Großherzog v. Weimar 332 sicher
machen, zum Motiv würde er dann eben nehmen, die Skizzen u.
Entwürfe zu diesen Bildern in Italien zu machen. Du siehst aber
wie langsam dergleichen geht, da er die Antwort auf die Attelier-
sache erst nach Monaten erhalten hat, u. da ein königl. Rescript 333
4 Tage v. Potsdam hierhergeht, beinah so lange, wie ein Brief nach
London. Es ist daher sehr zu wünschen, daß Du Deine Rückkehr
eher beschleunigst, als aufschiebst, damit wir erst untereinander,
dann mit den Eltern, u. zuletzt mit der Regierung einig werden.
[. . .] Sieh, mein Junge, da 334 habe ich Dir nun einmal wieder Alles
exponirt, mir ist ja zu wohl, wenn ich so >ne weiße Seite vor mir
sehe, u. Humor genug fühle, mich 2 Stunden lang mit Dir zu
besprechen, u. wenn ich nur vom Schreibtisch aufzusehn brauche,
um Dein Gesicht zu treffen, u. wenn Du Deine Geren so heb hast.
Wenn nur eine Deiner Geren mit Dir ginge, u. die Andere bliebe
hier, das wäre wohl allen dreien nicht recht, u. dem Vierten auch
nicht, der uns Alle Hebt. [. . .]
98
felix an fanny 335 London, 25. September 1829
Dies ist also der letzte Brief von mir, der vor der Hochzeit nach
Euch gelangt, u. zum letztenmale rede ich Fräul. Fanny M. B. an,
u. wohl viel hätte ich zu sagen; aber noch immer will es gar nicht
recht gehen. Zwar sitze ich seit gestern alle Tage ein wenig auf, u.
kann daher besser u. kleiner schreiben, aber der Kopf ist mir noch
gar so wüst (von dem vielen im Bettliegen 336 , u. von der langen
Gedankenlosigkeit) und je mehr ich zusammenfassen möchte in
diesem Augenblick, desto schneller entschlüpft es mir, u. will sich
nicht halten lassen. Daß es nun mit mir dasselbe ist, ob ich's gut
sage, oder schlecht sage, oder verschweige, das wißt ihr wohl recht
gut; mir aber ist's, als hätte ich ganz u. gar die Zügel verloren, über
das, was ich sonst schon zu bemeistern wüßte, u. die Gedanken
über alles, was sich nun verändern u. festsetzen will, die sich mir
gleich in Einen verschmolzen hätten, wenn ich angefangen hätte,
Euch zu schreiben, die fahren mir nun einzeln, unbestimmt, halb
wild umher, u. sind nicht zu ordnen! Aber es ist nun so, u. wenn
man täglich sieht, wie alle Kleinigkeiten, die man sich ausmalt,
durch die Wirklichkeit verschoben, vergrößert oder vereinfacht
werden, so steht man vor einem wirklichen Lebensereigniß mit
rechter Ehrfurcht u. Demuth u. sieht kaum hin. »Mit Ehrfurcht«
damit meine ich aber frisch u. fröhlich u. mit Vertrauen. Lebt und
webt, heirathetEuch u. seid glücklich, baut Euch das Leben zu, auf
daß ich es schön u. wohnlich finde, wenn ich zu Euch komme,
(und das geschieht ja nun recht bald) u. bleibt Ihr dieselben, dann
laßt es draußen rütteln, wie's mag; übrigens kenne ich Euch beide
ja, u. somit gut. Ob ich die Schwester dann Fräul. oder Mad. anre-
de, bedeutet wenig. Der Name thut wenig.
Freilich habe ich das nun gelernt, wie man doch auch auf's kleinste
Vorhaben mit Scheu hinsehen, u. sich über das kleinste Gelingen
schon freuen müsse, denn auch dazu gehört ein Zusammentreffen
des Glücks; aus Llangollen schrieb ich's Euch, wie mir die beiden
ersten Tage ohne Klingem. zwei freudige geworden sind, Tage,
vor denen ich mich seit dem Anfang der Reise fürchtete; Men-
schen, Gegenden, Städte, auf die ich mich lange gefreut hatte, auf
welche alles gut u. günstig vorbereitet war, denen nichts fehlte, was
sich berechnen ließ, gingen kalt, ungenossen, oft unangenehm
99
vorüber; die kleinsten Freuden schlugen fehl aus Zufällen, große
gelangen aus demselben Grunde, u. alles, alles kam anders, als ich's
erwartet, gewünscht, gefürchtet hatte; so ist mir es gegangen, u.
wird auch so bleiben. Aber statt daß mich das furchtsam oder
ängstlich machen sollte, macht es mich recht muthig u. wohl, u.
weit entfernt deswegen nun an die kleinen Vorausbestimmungen
mit Besorgniß zu denken; gehe ich vielmehr an große mit Zuver-
sicht. Und somit auf Wiedersehen im Winter.
Viel u. Besseres hätte ich wohl schreiben sollen, aber es geht nicht;
sagt was Ihr wollt, der Körper hängt gar zu eng mit dem Geiste
zusammen; ich sah es nämlich zu meinem rechten Ärger, als sie
mich zur Ader ließen, und mir alle Fragen, frischen Gedanken, die
ich vorher gehabt, mit dem Blut Li die Tasse tropften, u. ich matt
u. langgeweilt wurde. Klingem.'s Epigramm beweist Euch, wie sie
mir das bischen Poesie verjagen, u. der Brief hier zeigt's auch; ich
wette, in jeder Phrase steht, daß ich das Bein nicht krümmen darf.
Bin ich aber nur erst wieder wohl, dann will ich wegfliegen von
hier, denn nun hab ich genug von dem Rauchnest u. will mich
wieder auf den Weg machen, u. will nach Süden, u. will dann nach
Westen; wie es zu Hause am Mittagstisch aussieht kann ich mir
gar nicht mehr recht denken; ebenso am Sonntag Abend, u. unter
allen den lieben Gesichtern. Nun die Tage werden ja schon kalt u.
kurz; die Kohlen stehen wieder auf der Wochenrechnung, wie als
ich herkam, alles spricht schon von der nächsten Saison, u. die ist
im Frühling; was sonst nach Vierteljahren, wird jetzt nach Wo-
chen, bald nach Tagen gerechnet; bald bin ich wieder weg; bald
sehen wir uns. - Verarge mir doch keiner, daß ich jetzt etwas
sentimental bin; wenn man so in der Mitte von lauter verfehlten
Plänen sitzt, wie ich, so hat man ein Recht dazu. Vaters erster Brief
der mir eine Zusammenkunft in Rotterd. versprach, aus der wegen
meiner hiesigen Arbeiten nichts wurde; sein zweiter, wo er mich
aufforderte, ihn in Amsterd. zu besuchen, u. wieder mit ihm dann
zu reisen, den ich am Tage nach dem Falle auf meinem Bette
empfing; zwei Briefe von Hause, die mir seit dem zugekommen,
ganz voll von der Erwartung, mich mit Vater zu wissen, vielleicht
mich zur Hochz. schon in Berlin zu sehen; Fannys Aufregung
wegen des Orgelstücks; meine Engl. Geschäftsgesichter um mich
herum, mit denen ich mich wohl in Acht nehmen muß, ein Wort
ioo
von Geschichten zu sprechen, der ich recht eigentlich ganz dumm
geworden bin bis herunter auf die abgesetzten Einbildungen am
Spiegel: die bilden so eine recht verfehlte Umgebung. Sey mirs
vergönnt um desto fröhlicher in die nächste Zukunft zu schauen,
u. was der blaue Himmel Freudiges, Beglückendes seinen Men-
schen senden kann, das werde Euch, u. schmücke Euch die Zeit,
u. mache sie Euch unvergeßlich!
[. . .] Hätte ich Klingem. nicht gehabt, ich glaube ich wäre vor Ärger
u. Langweile crepirt. So bin ich drüber weg gekommen, u. werde
schon wieder frisch werden. Dem dank ich viel. E. F.
fanny an felix Berlin, 3. Oktober 1829
Mein liebster Felix! heut ist der dritte Oktober, und mein Hoch-
zeittag; und meine erste Freude an diesem Tage, daß ich die ruhige
Viertelstunde finde, die ich mir längst wünschte, um gerade heut
an Dich zu schreiben, und Dir Alles noch einmal zu sagen, was
Du längst weißt.
Ich bin ganz ruhig, Heber Felix, und Dein Bild steht neben mir,
aber indem ich Deinen Namen niederschreibe, und Du mir dabei
so ganz vor leiblichen Augen stehst, weine ich, wie Du mit dem
Magen, aber ich weine. Ich habe zwar immer gewußt, daß nichts
kommen könnte, was Dich auch nur für den zehnten Theil eines
Augenblicks aus meinem Gedächtniß entfernen könnte, ich freue
mich aber, es nun erlebt zu haben, und ich werde Dir morgen, und
in jedem Moment meines Lebens dasselbe wiederholen können,
und glaube nicht, Hensel damit Unrecht zu thun. Und daß Du
mich so liebst, das hat mir einen großen innern Werth gegeben,
und ich werde nie aufhören, sehr viel auf mich zu halten, so lange
Du mich so Hebst.
Sechs Wochen noch, und ich denke, Du wirst zufrieden seyn, wie
Du die Sachen findest, es hat alle Anlage, sehr niedHch zu werden,
und wenn Du es gesehen haben wirst, werde ich erst wissen, ob
es überhaupt was taugt, denn so wie meine Stube gestern lebendig
wurde, als die Bilder hereinkamen (die Skizze Deines Bildes hängt
über meinem Schreibtisch) so werden die Bilder lebendig werden,
wenn Du hineinkömmst, u. Dich auf dem blauen Sopha in Geren-
armen wälzest, u. Dich sehr kannibalisch wohl fühlst.
101
Die Scene mußt Du wissen, ich am Schreibtisch, wo es sehr bunt
aussieht, und wo Dinte und eau de Cologne in holder Eintracht
leben, Beckchen am Fenster, Blumensträußchen für meine Kro-
nenmädchen verfertigend, denn Du weißt doch, daß ich Blumen
vertheile, daß in dreien Sträußen sich Myrthe befindet, und daß
die Inhaberinnen der Myrthe die nächsten Bräute sind. Das Wet-
ter ist schön, und alle kleinen Zufälligkeiten sind bis hieher gut
gelungen.
Gestern hatte ich einen sehr hübschen Tag, Vormittags war eine
Zusammenkunft mit Grell in der Parochialkirche 338 verabredet,
wo er mir mein Stück vorspielte, ich war zum letztenmal auf der
Orgel gewesen, als Du darauf spieltest, und amüsirte mich, das
Stück klang gut, und ich hatte die äußerste Lust, Orgel zu spielen,
was aber doch, Zeitmangels wegen, unterbleiben mußte, der Rest
des Tages verging mit Laufereien, ich mußte mit Hensels Schwe-
ster 339 deren ganze Toilette besorgen, Besuche, Geschenke anneh-
men, Hensels Sachen einräumen, etc. Um 8 war die Familie zum
Thee und stillen Polterabend versammelt, Louis Heydemann kam
noch dazu, und verdarb nichts, als Ausgangsstück hatte Vater die
Pastorella 340 vorgeschlagen, ich konnte sie aber nicht mehr auftrei-
ben, und Grell kannte sie nicht, da meinte Hensel um 9, ich sollte
mir doch noch selbst eins machen, und ich hatte die Unverschämt-
heit noch anzufangen, in Gegenwart sämmtlicher Zeugen, und bin
um 1/2 1 fertig damit geworden, und ich glaube, es ist nicht
schlecht 341 . Ich habe es heut früh an Grell geschickt, u. hoffe, er
spielt es noch. Der Polterabend war sehr hübsch.
Es geht aus g Dur, das Thema wußte ich schon, weil ich, ehe Du
eines zu schicken versprachst, mir schon eins ausgesonnen hatte,
aber die Ausführung ist ganz von gestern.
Nun fängt es an, bunt um mich her zu werden, es ist bald 11, um
eins fängt meine Krone an, nach 3 die Trauung. Ich denke fort an
Dich, so ruhig wie sonst, Hensel, der eben hier war, läßt Dir Man-
ches sagen, und ich bin über Alles ruhig, weil ich weiß, daß er Dich
Hebt.
Von aller Liebe und Freundlichkeit die uns wiederfahren, spricht
der gewöhnliche Hamburger Mittwochsbericht, ich denke, ich
werde mein Recht der Mitarbeiterschaft an diesem Blatte nicht
einbüßen. Adieu. Ich grüße am heutigen Tage herzlichst unsern
102
Klingemann, der sich durch sein Krankenwarten neue Kronen u.
Thronen erworben hat. Daß Du heut frisch und munter und ver-
gnügt bist, leidet bei mir keinen Zweifel, wie könnte ichs sonst
seyn? Nun leb wohl, und bleibe der Alte, hier findest Du Alles
beim Alten, auch das Neue. Zum Letztenmal
Fanny Mendelssohn Bartholdy.
Beckchen grüßt tausendmal, sie hat eine schlimme Nase, und ei-
nen sehr grotesken Schmerz darüber. Eben kommt mein Kranz,
und ist wunderschön, sehr dick, und sehr frisch und grün, und
viele viele Blüthen. Beckchen hat ihn mir geschenkt.
103
Hofmalerin Hensel
1829 bis 1832
1829 Anfang Dezember kehrt Felix von seiner Englandreise nach
Berlin zurück. Am 26. Dezember ist die Silberne Hochzeit
der Eltern, zu der sein »Liederspiel« und Fannys »Festspiel«
aufgeführt werden.
1830 Felix wird zum Professor für Musik an die Berliner Univer-
sität berufen und lehnt ab. Sein Freund Adolph Bernhard
Marx bekommt die Stelle. Im Mai bricht er zu seiner großen
Italienreise auf und trifft unterwegs zum letzten Mal Goethe.
Fanny muß sich wegen einer drohenden Frühgeburt zu Bett
legen. Am 16. Juni wird ihr Sohn Sebastian zirka zwei Monate
zu früh geboren. Felix studiert in Rom die katholische Kir-
chenmusik und beschäftigt sich viel mit bildender Kunst. In
Paris kommt es zur Julirevolution, die Abraham Mendels-
sohn als Augenzeuge miterlebt.
1831 Mendelssohn stürzt sich ins römische Karnevalstreiben und
beginnt mit der Komposition der »Walpurgisnacht«. Der
jüngste Bruder, Paul, verläßt das Elternhaus und geht nach
London zu B. A. Goldschmidt und Co. Fanny schreibt rasch
hintereinander drei große oratorische Werke. Felix reist über
die Schweiz und Süddeutschland nach Düsseldorf, wo er
dem Dramatiker und Juristen Immermann begegnet. Da-
nach reist er erneut nach Paris und lernt Chopin kennen. Die
Schwester Rebecka verlobt sich, ebenfalls gegen mütterli-
chen Widerstand, mit dem Mathematiker Peter Lejeune Di-
richlet.
1832 Fanny beendet die dramatische Szene »Hero und Leander«.
Am 22. März stirbt Goethe. Felix führt in Paris seine »Som-
mernachtstraum«-Ouvertüre auf und macht erste Skizzen
zum »Paulus«. Im April reist er wieder nach London, wo die
»Hebriden« gegeben werden. Gemeinsam mit Moscheies hat
104
er große Erfolge als Pianist. Im Mai heiratet Rebecka Dirich-
let. Am 15. Mai stirbt Zelter, der Kompositionslehrer von
Felix und Fanny. Ende des Monats demonstrieren 30000
Menschen vor dem Hambacher Schloß für die Einheit und
Freiheit Deutschlands. In Berlin bricht die Cholera aus. Fan-
ny verliert mehrere ihrer besten Freunde und Freundinnen,
darunter die Dichterin Friederike Robert. Im Herbst erleidet
sie eine Fehlgeburt.
Werke von Felix
1830 Hebriden-Ouvertüre op. 26 / Italienische Symphonie op. 90
/ 1. Klavierkonzert g-Moll op. 25 / Sechs Gesänge für Sing-
stimme und Klavier op. 19a / Sechs Lieder ohne Worte,
1. Heft, op. 19b / Drei Kirchenmusiken für Chor- und Solo-
stimmen op. 23 / Der 115. Psalm für Chor, Solo und Orchester
Es-Dur / Kantate »O Haupt vollBlut und Wunden« für Chor,
Baritonsolo und Orchester / »O beata«, Motette für dreistim-
migen Frauenchor und Orgel / Andante A-Dur für Klavier
1831 Die erste Walpurgisnacht für Soli, Chor und Orchester op.
60 / »Verleih uns Frieden gnädiglich« für Chor und Orche-
ster / Kantate »Vom Himmel hoch« für Chor, Soli und Or-
chester / Kantate »Wir glauben all an einen Gott« für Chor
und Orchester
1832 Konzertstück für Klarinette, Bassetthorn und Klavier Nr. 1
f-Moll op. 113 / Kantate »Ach, Gott vom Himmel, sieh darin«
für Chor, Baritonsolo und Orchester / Te Deum für Soli,
Chor und Orgel
Werke von Fanny
1830 Kantate »Lobgesang« (Meine Seele ist so stille) für Sopran,
Alt, Chor und Orchester / Lied »Der Maiabend« (Johann
Heinrich Voss)
1831 Arie »O, daß ich tausend Zungen hätte« für Sopran und Kla-
vier / Kantate »Hiob« für Chor, Soli und Orchester / Orato-
105
rium nach Bildern der Bibel für Chor, Soli und Orchester /
Cholera-Kantate
1832 Hero und Leander, dramatische Szene für Sopran und Or-
chester (Text: Wilhelm Hensel)
106
fanny an felix 1 Berlin, 4. Oktober 1829
Madame Hensel entbietet Dir ihren besten Gruß. Die Frau sitzt
mit ihrem Manne zu Tisch, auf dem eine Lampe steht, die Scene
geht in der ehemaligen Schlafstube der Eltern, jetzt Hensels Mal-
stube vor, er schreibt an seine Mutter, u. sie an ihren Bruder, ein-
geheizt ist, u. weil die Stube hübsch warm geworden, bleibten wir
in ihr. Meine Küchenrechnung ist gemacht (ich habe aber noch
nicht kochen lassen) Caroline Heyne ist drüben, u. war eben mit
Beckchen und Minna Hensel hier, mich abzuholen, da werde ich
denn nicht lange mehr schreiben können.
Es geht mir sehr wohl u. vergnügt, mein liebster Felix, und ich
wiederhole Alles, was ich Dir an meinem Hochzeittage schrieb.
Ich bin die Alte, u. bleibe sie in Ewigkeit, u. ich denke, es soll Dir
nicht bei uns mißfallen, wenn Du zurückkömmst.
In Hensels Stube siehts lustig aus, an den Wänden hängen die
Durchzeichnungen der Transfiguration, die sie fast ganz bedek-
ken, auf der Erde stehn Gans, Ludwig 2 , u. die Gräfin Arnim, geb.
Heister, u. außerdem füllen unzählige Malergeräthschaften das
Zimmer. Das Balconzimmer, unsere Schlafstube, ist ganz nach
Hensels Angabe eingerichtet, durch einen rothen Vorhang in 2
Hälften getheilt, der durch zierliche Stäbe gehalten wird, welche,
so wie Betten u. Stühle, nach seiner Angabe sind. Das blaue Zim-
mer ist toll u. voll von schönen Sachen, theils Geschenke der El-
tern, theils anderer Familienmitglieder u. Freunde. Daß ich von
Steinbeck, der gegenwärtig in Brandenburg ist, ein sehr freundli-
ches Schreiben, u. eine wunderschöne, mit Blumen gefüllte silber-
füßige Muschel erhalten habe, weißt Du wohl noch nicht. Du
erhältst, sobald Du auf dem Continente bist, eine Kleinigkeit in
einem Briefe, eine goldne Nadel, an der ein Miniaturtrauring mit
dem Datum baumelt, wir haben gleiche für alle unsere Geschwi-
ster machen lassen.
Wie schade, liebster Felix, daß Du gerade am Freitag schreibst, es
dauert nun noch so lange, bis wir Nachricht von Dir erhalten, wie
Du den Hochzeittag zugebracht hast. Mich darfst Du nicht an-
schnauzen, wenn ich Dir diesmal nicht viel schreibe [. . .], ich laufe
noch viel zu viel hin u. her, muß auch immer früh angezogen seyn,
Besuche halten, mit neuen Kleidern kann man nicht gut schreiben,
107
und unterbrochen wird man jede Secunde, Vorstehendes ist schon
in 2 Absätzen geschrieben, denn gestern Abend kamen Alexan-
ders 3 u. Varnhagen 4 , u. später ließ uns Mutter zum Thee herüber
rufen, u. Du wirst wol dem Stiefel den ich schreibe, anmerken, wie
wenig ich noch in Ruhe bin. Nimm es so hin. Daß Du am Hoch-
zeittage immer im Vorgrunde meiner Gedanken standest, brauche
ich Dir nicht zu sagen. Meine größte Angst in der Kirche war, daß
Grell das Orgelstück so langsam nahm, daß es entsetzlich lange
dauerte, u. wir eine Stunde vor dem Altar stehn mußten, das Aus-
gangsstück hörte ich nicht, weil ich während dessen Glückwün-
sche empfing, u. Küsse austheilte, u. da die Kirche nach dem Ende
dieses Stückes noch voll war, spielte er das gedruckte von Bach,
das Du so liebst, es Dur 5 [. . .]
Mein lieber Felix, das ist all dumm genug, was ich Dir da geschrie-
ben habe, aber ich hätte Dir einen Privatbrief geschrieben, aber ich
denke, ich drücke Dir die Hand, und wir nicken ernsthaft mit dem
Kopfe, u. ich sage Dir etwa noch, ich bin zufrieden, ich bin glück-
lich, u. Du weißt, daß ichs bin. Nachmittags an meinem Verlo-
bungstage, als wir in meiner Stube am Ofen standen, frugst Du
mich, ob ich denn nun so recht zufrieden wäre? Ich wars, ich werde
es bleiben (das weiß ich jetzt) u. Du sollst auch zufrieden seyn. Ich
will Dir aber doch noch einen Privatbrief schreiben.
[. . .] Mein theurer Felix, da kommt nun eben Dein Brief, ich bin
sehr geputzt, u. muß auf ein diner, u. mir ist blutwenig danach zu
Muth. Mein Felix! Was Du mir wünschst, das wird werden, daß
Du früher kommst, darüber ist mein Herz unendlich froh, unend-
lich! Aber an dem Tage warst Du matt u. krank u. traurig. Nun,
wir wollen uns gute Tage machen, wenn Du kommst. Komm!
Komm bald! Du findest uns so ganz die Alten, nur Alles ein wenig
ausgedehnt u. umgestellt. Heut waren Betty Pistor u. Marx bei
mir, u. es hat ihnen sehr gefallen. Adieu, o, Felix, o komm!
fanny an FELIX Berlin, 8. Oktober 1829
Lieb Lamm, ich schreibe eine Gastrolle bei meiner Mama, mein
Gemahl sitzt am Tisch u. zeichnet, es ist Abend, ich bin froh u.
vergnügt, u. sehr, sehr bei Dir. O wie ich mich darauf freue, Dich
drüben bei mir zu sehn, zu haben, wenns doch bald wäre, recht
108
bald, mein einziger Felix! Ach, wenn ich mir Dich nur nicht lie-
gend u. leidend denken müßte! Wir leben sehr angenehm, unser
Mittagessen nach 5 würde, oder wird Dir behagen, u. es gefällt
Jedermann bei uns. Louis Heydemann läßt Dich grüßen, er hat
uns heut besucht, u. aus der Tasche einen Pompadour seiner
Schwester mitgebracht, voll Kartoffeln, zur Probe, da er uns die
seinigen so sehr empfohlen hatte. Er reist auf 14 Tage nach Bran-
denburg, zu Steinbeck, u. wenn er zurückkömmt, macht er sein
Examen. - Ich mußte gestern aufhören, es war zu viel Lärm am
Tisch, u. fahre nun in meiner eigenen Behausung fort. Es ist son-
derbar, aber mir ist, als wären wir weiter auseinander gerückt,
seitdem Du meine Umgebungen nicht mehr so genau kennst, u.
seit ich nicht mehr gewiß weiß, Dich im Londoner Strudel um-
hertreibend zu treffen, u. doch rückt die liebe Zeit immer näher,
u. wir ihr näher, u. es wird hübsch. O mein liebster Felix! Heute
essen Rebecka u. Minna 7 hier, zum erstenmal, worauf ich mich
unaussprechlich freue, Mutter will noch nicht hier essen, sie hat es
mir rund abgeschlagen, sondern erst einmal Thee hier trinken, was
hoffentlich auch noch einmal diese Woche seyn wird, u. worauf
ich mich sehr freue, Gans liest dies Semester donnerstags um 4,
Vater will ihn hören, u. wird dann bei uns essen. Vielleicht hörst
Du ihn auch?
Weiter fällt gar nichts vor, wir bekommen Besuche die Fülle, Hen-
sel malt, ich fange an, wieder etwas zu arbeiten, bis jetzt konnte
ichs noch nicht, gestern habe ich ein komisch Stück Arbeit ge-
macht, morgen ist Betty Beers Geburtstag, Hensel hat ihr eine
Zeichnung auf ein Kästchen gemacht, u. wünschte, daß ich ein
Rähmchen von Musik darum machen sollte, ich fand die Idee zu
hübsch für den Zweck, aber er meinte, wir hätten eben nicht nöt-
hig, uns hübsche Einfälle aufzuheben, so machte ich denn ein
Stück, welches gerade 4 Zeilen und ums Bild her fällt. Meine So-
nate fange ich vielleicht heut noch an. 8 Nach der Meeresstille habe
ich eine unaussprechliche Sehnsucht, wie so gern möchte ich sie
hier einmal wieder spielen! Ritz hat mich noch nicht besucht, ich
erwarte ihn mit großer Ungeduld, denn wenn er nicht kann, wäre
es mir erstlich an u. für sich sehr leid, u. dann müßte ich, zwar nicht
die Musik, aber doch das Musikmachen gewissermaßen an den
Nagel hängen. Ich bin außer Schuld, ich habe keine Freundlichkeit
109
jemals gegen ihn außer Augen gesetzt, u,Julius hat mir auch eine
dicke Visite gemacht. Der wird sehr gut, er ist munter, bengelhaft,
tüchtig u. spielt sehr schön. Vorigen Sonntag war es brillant bei uns,
Mendelssohns, Betty Beer, die Ridderstolpe, eine sehr schön ge-
wesene Frau, Engländer, u. viele Fremde, Felix ich muß Dir sagen,
daß mir seit meiner Verheirathung sehr geraspelt wird, ich habe
eine Haube, die macht Glück, ich will sie gern aufheben, bis Du
kommst, sie trägt grünes Band u. kein abgewelktes Gesicht, u. ist
ein schöner Mann. Gestern hat mich Mme. Heyne mit Carolinen
besucht, eine außerordentliche Freundlichkeit von der Frau. Und
nun lebe wohl, theurer Schatz, u. behalte mich in gutem Anden-
ken, für heut.
fanny an felix 9 Berlin, 9. Oktober 1829
Mein einziger Felix! So weit bin ich, und nun möchte ich eigentlich
aufhören, denn ich habe Dir nichts mehr zu sagen. Ich wollte Dir
nur gern einmal mein Herz ausschütten, und das kann ich mit Dir
in einem Wort. Ich bin glücklich und zufrieden, und Dein Brief
war so heb, o Du mein Felix, daß ich gar nicht ohne besondere
Empfindung daran denken kann. Aber daß Du an meinem Hoch-
zeittage krank und matt warst! Ich schrieb es Dir, ich war so fest
vom Gegentheil überzeugt, daß ich ohne einen Schatten von Be-
sorgniß oder Kummer meinen Weg antrat, und mir immer vor-
stellte, wie Du den Tag mit Klingemann etwa auf dem Lande zu-
brächtest, oder die 6 Lieder sängest, wie Deine lieben Augen glänz-
ten, so ein wenig feucht, u. Du den Kopf wiegend zuweilen so vor
Dich hinsagtest: hm ! hm! Das war nun Alles nicht, ich war zu ruhig,
und Du hast nun ewig kein Bild von dem Tage. Aber ein Anderes
ist gut, daß Du früher wiederkommen willst. Du findest statt drei
Geschwistern, die Dich lieben, vier, und das ist am Ende der ganze
Unterschied. Hensel, der Dich noch selbst grüßen wird, läßt Dir
sagen, und ich habe nichts dawider, daß Du uns in Antwort auf
diesen Brief das schriftliche Versprechen geben mußt, Morgens bei
uns Kaffee zu trinken, wenn Du nicht besonders eilig und verhin-
dert bist. Willst Du? Unsere Kaffeemaschine geht gut, u. wir wol-
len da angenehme Stunden haben. So gering nur eine Veränderung
seyn kann, ist die meines Standes. Ich bin im Hause, u. die münd-
110
liehe Post geht fleißig über den Hof, Beckchen kommt wenigstens
4mal des Tages, u. ich komme auch 4mal, Mutter etwas seltener, u.
bis gestern haben wir drüben gegessen, gestern aber unsre eigene
Wirthschaft angetreten, was ein eigen angenehmes Gefühl ist.
Hensel arbeitete bis es finster ward, u. nach 5 setzten wir uns tete ä
tete in seiner Stube zu Tisch. Heute arbeitet er wieder an demBilde
der Arnim, in deren Kleidern seine Schwester Minna sitzt. Ich bin
in meiner freundlichen blauen Stube, die Dir schon gefallen wird,
überschaue mit Behaglichkeit meine Existenz, in der ich mich gar
wohl fühle, liebe meinen Mann, u. spreche mit meinem Felix. [...]
Unsre Eßstunde ist englisch, 5, u. ich will einmal sehen, ob irgend
eine pie gelingen, u. Dir sehnsüchtige Gedanken an die Miß er-
wecken wird, die Dich einst damit fütterte.
O Felix, bringe ein Rezept zu einer ächten englischen pie mit, ich
will Dich mit Erinnerungen stopfen. Ich glaube, Du wirst mich
nicht verändert finden, ich habe mir das, was mein veränderter
Stand Neues mit sich bringt, rasch angeeignet, fühle mich bekannt
u. wohl darin, sehe Hensel überaus zufrieden mit mir, bin es eben
so mit ihm, u. er liebt Dich, Felix, sonst könnte er mich, u. ich ihn
nicht Heben.
Was Klingemann uns von Neuem näher getreten, fühlt er wol am
besten. Du magst ihm sagen, daß wir (nach wie vor die Geren) ohne
sein Verdienst um Dich schmälern zu wollen, dennoch wissen, wie-
viel Freude ihm sein Krankenwärterthum gewährt hat, wir dachten
stark an die »gesegnete Malzeit« und beneideten den Freund, dem
wir sonst gern was Gutes gönnten. Ich denke, ohne Krankheiten
sollen die stillen guten Stunden wiederkommen. Und so leb wohl
für jetzt. Es ist Nacht geworden, u. noch vor Tisch für uns, vielleicht
füge ich nachher noch ein Wort hinzu. Adieu, mein Felix.
den I9ten. Der Brief ist alt geworden, u. soll nun morgen mit ge-
wöhnlicher Post abgehn, u. Hensel hat noch nichts dazu schreiben
können. Jetzt aber will ich ein Tagebuch an Dich anfangen.
felix an fanny 10 London, 16. Oktober 1829
Einen frohen Brief nach der Hochzeit, und Deinen, liebe Malerinn,
vom Morgen vorher empfing ich Mittwoch, weil der Sturm das
Dampfboot früher als gewöhnlich in die Themse geworfen hatte -
in
es muß doch gar zu nett aussehen! Alles ganz neu u. schön, u. ich
möchte gern wissen, wie ein Himmel voll Geigen klingen mag?
Könnt' ich doch zuschauen, wie Du die Köchin unterweisest, u. das
Frühstück ankündigst. Machst Du Fortschritte im Cantorgesicht?
Wirst Du mich auch mit Anstand empfangen u. oft einladen? Frau,
Frau! ich empfinde Zuneigung zu Dir, u. wenn ein guter Freund
nach mir fragt, wird's oft heißen, ich sey drüben. Bin ich's dochjetzt
schon zuweilen ganz u. gar, wenn ich nur den Gedanken nachhin-
ken könnte! Das geschieht aber so Gott wil, auch bald u. dann
kriege ich Reis 11 zu essen, auf den freue ich mich fast so sehr wie
auf's Wiedersehen! Überhaupt wird mir nie sehnsüchtiger nach
Haus zu Muthe, als wenn ich an Kleinigkeiten von daher denke:
an den runden Theetisch, Vaters türkische Stiefel, die grünen Lam-
pen, oder wenn ich mir meine Reisemütze ansehe, die über mei-
nem Bett hängt und die ich zu Hause abzunehmen gedenke. Hier
zupft mich aber Vaters Brief an der Nase und zwingt mich abzu-
brechen, sonst verfalle ich in absonderliche Sentimentalitäten, in-
dem ich Vergangenheit und Zukunft male, da ich doch die Gegen-
wart beschreiben sollte, die denn Gottlob heut wirklich um vieles
leichter ist, wie die vorigen Male; die Entzündung ist verjagt und
die Wunde fängt an zu heilen; ich darf des Tages längere Zeit auf
dem Sopha sein, darf abends Fleisch essen; und obwohl ich meine
Stellung noch immer beibehalten muß, so habe ich doch die Aus-
sicht in 14 Tagen das Gehen in der Stube anzufangen. [. . .]
fanny an Felix 12 Berlin, 24. Oktober 1829
Hora est 13 , daß Du Dich einschiffest, weiter giebt es jetzt keine
Hora in der Leipziger Straße. Auch nichts Neues als das Alte, und
daß ich heut allein zu Hause bin, weil Hensel mit dem Bilde der
Heister zum Könige gerufen worden. Oh Klingemann, welch ei-
nen Brief schrieb ich gestern an Sie, und welche Grüße für das
Professorenpaar standen darin, und welch ein schwesterlicher
Dank für Ihr brüderliches Zuhausebleiben! Es ist ein komisch
Ding um manche Dinge. Wir wußten doch alle längst, was wir
von Ihnen zu halten, u. an Ihnen zu schätzen hatten, wir hätten
Ihnen längst dankbar sein können für die Sorgfalt, die Sie jedem
von uns bei vorkommendem Falle erwiesen hätten, nun wissen
112
wir nur aus Erfahrung, was wir längst im Herzen wußten. Aber
nun erfahren wir wieder kleine Details, die alle schon in jenem
Ganzen enthalten sind, wir haben sie uns nicht so klar vor Augen
geführt, das ununterbrochene Zuhausebleiben, das Zubettebrin-
gen, das Sophaandenkaminrutschen, (wir haben ja die Erlaubniß,
lange Hauptwörter zu bilden) jedes so einzelne ausgesprochen,
wirkt wieder wie ein Ganzes, u. fordert wieder einen ganzen Dank
für eine ganz gute That. Nehmen Sie jetzt u. Alles damit, was sich
nicht sagen aber noch viel ungeschickter schreiben läßt. - Du aber
o Felix, sagst, ich habe viel zugelernt, u. Du weißt wohl, was meine
Stimmen jetzt singen. Ja wohl weißt Du es, denn Du weißt u.
fühlst alles Gute, wenn Du es auch nicht aus Erfahrung kennst, u.
wie jede Stimme in mir nach Dir ruft u. recht ungestüm herzlich
nach Dir verlangt, das weißt Du auch, u. wirst es nie vergessen u.
verkennen. Der Himmel schütze Dich, u. führe Dich nun bald
zurück, Adieu, Gott befohlen!
fanny an felix 14 Berlin, 10. November 1829
Den loten Nov. Die Luft ist blau, das Thal ist weiß, so fanden wirs
diesen Morgen, u. sind dieser Weisheit gar nicht grün, so lange Du
nicht zu Hause bist. Hier aber wollen wir Dirs comfortable ma-
chen, trotz London, welches für diese Tugend berühmt ist. Bald,
bald. Ich habe Dir eigentlich gar nichts zu schreiben, u. das ist
immer wieder einmal ein erfreulicher Beweis, daß es quite auf die
Neige geht, denn wozu sich noch schreiben, was man sich in Kur-
zem Auge in Auge schreiben kann? Auch sind die großen Bogen,
die man fast Triumpfbogen hätte nennen können, schon eben zu
Fensterbogen eingeschrumpft, u. das letzte Blättchen das wir Dir,
eben in der Ungewißheit, ob es Dich noch träfe, nach London
schicken, wird sehr klein u. mager seyn. Dann setzt man einen
Buchdruckerstock (Klingemann u. die Anderen setzen auch ei-
nen) und es hebt ein sehr nettes Kapitel an: »wie der Ritter Felix
seiner Wunden genas, u. heimfuhr;« ehe dann wiederum ein neu-
es beginnt: »wie der Ritter auf neue Aventura gen Italia zog«, da
hegt noch mancherlei dazwischen, was sich unsere Weisheit gar
nicht träumen läßt. Lieber Ritter, könntest Du dochjetzt sehn, wie
113
allerliebst das noch grüne Weinlaub vor unsern Fenstern neben
dem gelbblättrigen, von schmelzenden Schneetropfen glänzenden
Baume, u. neben dem alten weisen, dick gepuderten Taxus in der
hellen Sonne scheint.
fanny an felix 15 Berlin, 18. Mai 1830
Wenn man morgen so wichtige Geschäfte hat, muß man heut
schreiben, denn sonst kommt man gar nicht dazu. Vorerst, daß
Vater gestern 1/2 9 von Leipzig gekommen ist, wovon man reden
wird in spätesten Zeiten, denn die Pferde müssen sich wieder ein-
mal die Beine abgelaufen haben. Aber die kleine Reise ist ihm sehr
wohl bekommen, u. wir haben uns gefreut, zu vernehmen, daß
die Deinige 16 angenehm begonnen hat. Voriges Mal kamst Du
nach der kurzen Introduction Hamburg gleich in den tollen u.
vollen Hauptsatz London, diesmal fängt es Piano an, Dessau 17 , eine
Flöte, dann tritt Leipzig auf, dann eine schnarrende Hoboe, so
gehts über Weimar langsam crescendo nach München, etc. Wären
wir jetzt zusammen u. sprächen gemeinsam das dumme Zeug,
statt daß ichs jetzt einsam schreibe, wir wären bald in Mexico. -
Morgen also hat uns Fouque 18 zu einer Musikpartie eingeladen, 2
Akte seiner Undine 19 , v. Girschner 20 komponirt werden im Con-
certsaal executirt, u. dieser Hinrichtung sollen wir whole family
beiwohnen. Dafür wird er nachher bei uns eine Suppe u. Zubehör
hinrichten helfen, mit Marx, der den Kapellmeister Guhr 21 einge-
führt hat, u. dem Kapellmeister Guhr, der durch Marx eingeführt
worden ist. [. . .] Vater, der 2 von den 3 Gästen nicht Hebt, haben wir
also gar nicht dazu einladen können, Beckchen u. Paul haben heut
ausgegessen, u. ich als eine Seele von acht jüdischer Abstammung,
habe eine Geister- u. Opernheirath zwischen dem Dichter u. dem
Componisten projektirt.
Mit dem Schreiben will es noch gar nicht recht fort, die von Dir
belobte Feder hat dem Munde noch nichts wieder abgelernt, viel-
leicht wirds besser, wenn Du einmal geschrieben hast. [. . .] Deine
Symphonie 22 erscheint mir oft in Tag- und Nachtträumen, u.
macht mir Freude, schicke mir aber die Abschrift. Heut icjten bist
Du nun in Weimar, ich bitte Dich, Ulrike 23 u. Frau v. Goethe 24
aufs Beste zu grüßen [. . .]
114
fanny an felix 25 Berlin, ohne Datum (Mai 1830)
Und ich bin nichts als ein gefesselt Weib! 26
Das im Bette hegt, sich aber außerdem, den Umständen nach,
ganz wohl befindet, Dir dies auch [. . .] selbst zu Gemüthe führen
will. Dein Brief aus Weimar, Du Sonntagskind, hat uns sehr erfreut
[. . .] Ich versammle hier sehr angenehme cercles um mich, u. da,
seit dem Tage, wo ich hege, das Wetter schlecht geworden ist, habe
ich auch an der schönen Natur nichts zu verHeren, die jetzt eher
eine häßliche ist. Aber der Dr. Stosch 27 hat sich so gegen mich
benommen, daß man mich mit Verachtung ansehen müßte 28 ,
wenn ich nicht dankbar wäre. (Zum Theil aus Opern) Lebe nun
wohl, o Balg, u. laß Dir die Welt gefallen, sie ist dazu gemacht.
fanny an felix 29 Berlin, 30. Mai 1830
Ich weiß mir kein besseres Pfingstplaisir zu machen, als Dir ein
wenig zu schreiben, da nämlich jetzt weder Hensel, der Sitzung
hat, noch Vater, von dem ich nicht weiß, wo er ist, noch Paul, der
sich geschäftsmäßig umhertreibt, noch Mutter u. Beckchen, die
mir entlaufen, ich bei mir, folglich ich mich allein befinde. Jeder
Deiner Briefe ist ein frisch Stück Leben, über das man sich freuen
muß. Ich freue mich über die verheißene Partitur, über die ange-
kündigte Herausgabe der Symphonie, die mich, unter einem an-
deren Namen, als dem der Reformationssymphonie, ebenso
fremd angucken würde, als wenn Du mit einem Mal Petzold hie-
ßest. 31 Wenn Du aber die Symphonie herausgiebst, bleiben doch
Sommernachtstraum u. Meeresstille nicht im Sack?
Meine kleine Anstalt hier ist ganz nett, neben meinem Bette habe
ich das blaue Dintenfaß auf einem Tischchen, einen prächtigen
sonnigen Rosenstock dabei, die Balconthüre offen, wo zum ersten
Mal wieder frische schöne Luft herein kömmt, u. alle Tage nasche
ich Erdbeeren, womit mich mein, wie Bertha sagt, sehr sorgfältiger
Mann versieht. [. . .] 32
Lebe wohl, mein Latein ist auch zu Ende. Daß Beckchen Hensels
Federn zu hart findet, finde ich hart, ich finde, daß sich sehr gut
damit schreiben läßt. [. . .] Ich hege blos des Decorums wegen zu
115
Bette, u. werde ehestens aufgestanden seyn, u. mein Stückchen
munter pfeifen. [. . .] 33
felix an fanny 34 München, n. Juni 1830
Mein liebes Schwesterlein!
Bist Du auch recht gesund? Und, nicht wahr 35 , böse auf den Rü-
pel von Bruder, der so lange nicht geschrieben hat? Er sitzt jetzt
hier in einer netten Stube 36 u. hat Euer grünes Samtbuch mit den
Portrait's vor sich, u. schreibt am offenen Fenster. Hör' mal, ich
wollte Du wärest recht froh u. heiter in diesem Augenblick, wo
ich gerade an Dich denke, u. so wärest Du es in jedem Moment,
wo ich an Dich dächte. Da sollst Du nie verdrießlich und unwohl
werden. Aber ein ganzer Kerl bist Du, das muß wahr sein, u. hast
einige Musik los; gestern Abend sah ich es wieder recht ein, als
ich stark Cour schnitt. Denn so weise Du bist, so habe ich doch
mich sehr niedlich gemacht, d. h. so weise Du bist, so thöricht ist
Dein Herr Bruder. Große Soiree war nämlich gestern Abend bei
dem H. Kerstorf, u. Minister u. Grafen liefen umher wie Haus-
thiere auf dem Hühnerhof. Auch Künstler u. a. Gebildete. - Die
Delphine Schauroth 37 , die nun hier angebetet wird (u. mit Recht)
hatte von all diesen Classen ein Bischen; denn ihre Mutter ist
Freifrau von, u. sie ist Künstlerinn u. sehr wohlgebildet; kurz ich
lämmerte so sehr. Nämlich so, daß wir die 4 händige Sonate von
Hummel 38 zu allgemeinem Jubel schön vortrugen, daß ich nach-
gab, u. lächelte, u. zuschlug, u. das as im Anfang des letzten Stücks
für sie aushielt, »weil ja die kleine Hand nicht zureichte«, u. daß
die Leute über die allzugroße Sympathie Glossen machten, u. daß
Minister Schenz sich gegen mich als ein ausgemachter Schatrem 39
benahm; und daß die Frau vom Hause uns neben einander pla-
cirte 40 , Gesundheiten ausbrachte, und so fort - Aber eigentlich
wollte ich ja nur sagen, daß das Mädchen sehr gut spielt, u. mir,
als wir vorgestern zum erstenmal zusammenspielten (denn das
Stück ist schon 3 mal gegeben worden) ganz ordentlich imponirte;
als ich sie nun gestern früh allein hörte, u. auch sehr bewunderte,
fiel mir plötzlich ein, daß wir im Hinterhause ein Frauenzimmer
besäßen, das von der Musik doch eine gewisse andre Idee im Kopf
hätte, als viele Damen zusammengenommen, u. ich dachte, ich
116
wollte ihr diesen Brief schreiben, u. wollte sie so herzlich grüßen;
die Dame bist Du nun freilich, aber ich sage Dir Fanny, daß ich
an gewisse Stücke von Dir nur zu denken brauche, um recht
weich u. aufrichtig zu werden, obschon man doch in Süddeutsch-
land viel lügen muß. Du weißt aber, wahrhaftig, was sich der liebe
Herrgott bei der Musik gedacht hat, als er sie erfand; da ist es kein
Wunder, wenn man sich drüber freut. Kannst auch Ciavier spie-
len. Kurz, ich wollte, Du wärest gerade so, wie Du bist, und wenn
Du einen größeren Anbeter brauchst, als mich, so kannst Du Dir
ihn malen.
Oder Dich von ihm malen lassen.
Da ich eben auf Hensel anspiele, so muß ich ihm doch erzählen,
wie mich Goethe sehr nach ihm frug, u. wiederholt sich nach
seiner Beschäftigung erkundigte 41 ; das grüne Freundbuch mußte
ich ihm mehrere Tage lang da lassen, u. er lobte es denn sehr; die
Lammgruppe in meinem Stammbuch sah er sich an, u. brummte:
»die haben's gut - u. sieht so zierlich u. hübsch aus - u. so bequem
u. doch schön u. anmuthig.« So ging's dann weiter, kurz, o Hensel,
er ist, mit Dir zu reden, sehr für Dich. Jetzt kommt eine Stelle aus
einem seiner Gedichte für das Chaos (er sagt, woran ihn die un-
bekannte Geliebte erkennt.)
Wenn Du kommst, es muß mich freuen,
Wenn Du gehst, es muß mich schmerzen,
Und so wird es sich erneuen
immerfort in beiden Herzen.
Fragst Du, werd' ich gern ausführlich
Deinem Forschen Auskunft geben,
Wenn ich frage, wirst Du zierlich (recte!) 42
Mit der Antwort mich beleben.
Leiden, welche Dich berührten,
Rühren mich in gleicher Strenge;
Wenn die Feste Dich entführten,
Folg' ich Dir zur heitren Menge etc.
(Hier ist auch ein sonderbarer Schluß eines
Gedichtes an Fräulein v. Schiller)
117
Wille zum Verständlichen
Wird die Mutter mannen,
Deutend zum Unendlichen
Auf des Vaters Bahnen.
(Beides ist aber nur aus dem Gedächtniß)
Gestern lobte mich eine gnädige Gräfin wegen meiner Lieder, u.
meinte frageweise ob nicht das von Grillparzer 43 ganz entzückend
sey? Ja, sagte ich, u. sie hielt mich schon für unbescheiden, als ich
alles erklärte u. versprach, 44 die Compositionen, die Du mir näch-
stens schicken würdest, in Gesellschaften gleich mitzutheilen.
Wenn ich das thue bin ich ein Pfefferkorn ein Brauereipferd; Du
schickst aber am Ende auch keine. - Eben kommt Licht, u. mein
Quernachbar zermartert sein Ciavier in der Dämmerung, indem
er das Glöckchen von Paganini fast zu jämmerlich verarbeitet.
Nun werd' ich geschäftsmäßig, u. sage Dir, daß ich Delphine
Schauroth die Cour mache (ich schicke an Beckchen ihren Steck-
brief) u. daß sie mir befohlen hat, bei Strafe einer u. der andren
Ungnade, das große Rondo Capriccioso aus e moll 6/8 45
herauszugeben; ich habe es nämlich mit einem rührenden Einlei-
tungsadagio, u. einigen Melodien und Passagen schmackhaft zu-
bereitet u. Glück damit gemacht. Jetzt will ich's nun aufschreiben
u. ihr sehr überreichen, auch will ich meine 20 Th. verdienen, kurz
es soll heraus. Schreib' doch also an Klingemann (aber laß es durch
Beckchen - Ach nein, ich will ihm lieber selbst schreiben, u. den
vorigen Satz nicht ausstreichen, weil es zu häßlich aussieht; nimm
es also nicht übel, u. schreib ihm nichts; dieser Brief ist im Schlaf-
rock geistig. Schick mir aber eine Copia ridimata meiner Fantasie
aus e moll 46 ; denn die will ich herausgeben; auch bitt* ich Dich
zugleich um eine Abschrift des Trompetenstücks aus Wales 47 u.
der Partitur der Cellovariationen in d dur. Bitte laß alles dies gleich
copiren u. schick es entweder mit Fahrpost oder durch Gelegen-
heit, die aber bald gehen müßte. Wenn nun Hensel die 20 Louis
berechnet, die bei Vater eben abgegeben sind, ferner die ungeheu-
118
re Summe, die mir für obenerwähnte Werke mit Nächstem ein-
gehen müssen, so sehe ich nicht ab, warum er mir nicht für 30
Louis Credit geben will? - Ernstlich zu reden aber, spanne Lein-
wand auf, spitze die Pinsel, nimm eine Prise Ultramarin, Hofma-
ler, motivire eine fliegende Stellung, u. mal mein Bild; ich brauch
es. 48 Stieler 49 läßt Dich auch sehr grüßen. Kennst Du Frau v. Krud-
ner, Fanny? Sie ist nie aus München gewesen, aber wunderschön,
u. die weiße zarte Frau eines schwarzen, bärtigen Russen; Stieler
hat sie aber für die Sammlung des Königs gemalt, u. ich bewunde-
re sie aus der Ferne im Theater. - Es schlägt übrigens 8, u. ich will
früh zu Bett', es hat gestern bis 1/2 2 gedauert. - Noch einen Zug
aus dem Leben muß ich Dir erzählen. Als ich auf meiner eiligen,
verdrießlichen Reise hieher in der Nacht durch Feucht kam, hörte
ich in einem Hause Mordlärm, u. der Postillion sagte: Se sufen da!
- Da horchte ich zu, u. die Bauern sangen ein großes Lied vom
Jäger, dessen Refrain so ging:
Seitdem nun, wenn ich von einer Staatsvisite komme oder aus
einem Ballett (wie gestern) oder wenn ich Abends zu Hause gehe
u. an die feinsten Redensarten denken sollte brülle ich
aus Herzenslust; theilst Du nicht dies Gefühl? Ich glaube es haben
mich schon mehrere Münchener deshalb für roh gehalten; das bin
ich aber nicht, sondern habe eine feine Seele, u. mit der liebe ich
Dich. Sey kräftig u. gesund u. heiter; u. so auf ein baldiges Wie-
dersehn. Dein F.
felix an fanny 50 München, 14. Juni 1830
Mein liebes Schwesterlein
Da habe ich heut früh Euren Brief vom 5ten bekommen, und so
bist Du immer noch nicht wohl; ich möchte gern bei Dir sein, u.
Dir was erzählen, es will aber nicht gehn. Da habe ich Dir denn
119
ein Lied aufgeschrieben, wie ichs wünsche u. meine; dabey habe
ich Dein gedacht u. es ist mir sehr weich zu Muthe dabey. Neues
ist wohl fast nicht drin, denn Du kennst mich ja u. weißt wer ich
bin; der bin ich denn immer noch, u. so magst Du drüber lachen
u. Dich freuen, denn was anderes kann ich Dir wohl sagen u.
wünschen; was besseres aber nicht. Weiter soll denn auch nichts
im Brief stehn; mein Name ist auch im Lied, und daß ich Dein
bin, weißt Du - so möge Dir Gott geben, was ich hoffe und bitte. 51
felix an fanny 52 München, 23. Juni 1830
O Schwesterlein!
Ich weiß Alles! 53 Eben habe ich einen Brief erhalten, der ist vom
löten, darin steht viel vom neuen Sebastian, und sie gratuliren mir
zum Onkel, und sind froh, und machen viel Lärm, und mir
brummt der Kopf. Wäre nur erst der Brief von morgen da, und
Du über alle Besorgniß weg, quite charming. Aber was? Mir wol-
len sie gratuliren? So wünsche ich denn Dir Glück, aber ein Glück,
noch lieber und heiterer, als ich mir es selbst denken kann; und
Dir, das heißt jetzt nicht mehr Dir allein, sondern da ist noch eines
mit einbegriffen außer uns allen, die wir sonst mit einbegriffen
sind; nur Glück und frohes Dasein und möge Euch das gütigste
Wesen die innerste Freude u. Ruhe schenken, u. mögt Ihr Euch
des entfernten Onkels viel dabey erinnern, und so fort. Und was
sprechen sie viel von neuer Würde u. Onkel? Wir sind alle pro-
movirt! Euch wünsche ich Glück zur neuen Würde, Eltern, oder
Großeltern vielmehr; Dir, Vater, zum Großvater, und Dir, Groß-
mutter, zur Mutter (oder umgekehrt, es geht alles) u. Beckchen ist
eine Tante, u. Paul ein Onkel, ach und Dir Fanny, muß ich auch
wohl gratuliren, und dem Hensel? - Ich wollte dem kleinen Buch-
halter von Keestorff, der mir es brachte, gern um den Hals fallen,
und faselte in seiner Gegenwart ein bischen; dann wollte ich Dir
ein Lied componiren, wie das Vorige, aber es ist schlecht gewor-
den, von wegen der bewegten Milch, die Käse giebt, eben wollte
ich noch Manches, und endlich denn hier ein Brief . . . Nur bitte
ich Euch, schickt mir Alles, was darauf sich bezieht: Carten, aus-
geschnittene Zeitungsanzeigen, wenns sein kann auch seine Kin-
derklapper. Ich wollte, Ihr gäbt ihm auch den Namen Felix, der
120
Name hat doch was Hübsches an sich und ich glaube, ich könnte
den Kerl einmal später liebhaben, wenn er meinen Namen trüge;
sonst nicht. Vergeßt auch nicht bei der Taufe einen Rüpel zu ha-
ben, der mich repräsentirt, als ob ich dabei wäre; dazu nehmt aber
irgendjemand der mich lieb hat, u. den ich. 54 Laßt den Mann viel
Chocolade trinken; ich hätte es gewiß gethan. Überhaupt denkt
Euch, ich wäre den ganzen Tag mit Euch und unter Euch; denn
ich bins. - Leicht möge Dich Gott noch über die schwere Zeit
bringen, die Du noch überstehen mußt, und gesund und glücklich.
Dein Felix.
PS: Mir geht es hier über alle Erwartung gut u. ehrenvoll; die
Leute verziehen mich u. päppeln mich mit Zuckerbrod. Morgen
mehr, Vernünftigeres u. Ausführlicheres.
rebecka und fanny an Felix 55 Berlin, ohne Datum (1830)
Mein lieber, lieber Felix! Wie mich Deine beiden Briefe finden
würden, hast Du Dir wol kaum gedacht. Daß ich sie mir würde
vorlesen lassen, u. das liebe Lied erst heute einmal gelesen habe,
(Pause) denn es ist dunkel in meinem Zimmer, u. ehe ich es wieder
spielen können, werden noch einige Wochen vergehen. [. . .]
Deine alte Schwester und junge Mama Fanny
REBECKA UND FANNY AN FELIX 56 Berlin, 25. Juni 183O
(Rebecka):
Vor einer Stunde ist Fanny zum Erstenmale aufgestanden - u. mit
eigenen Füßen vom Bette bis zum Sopha gegangen, auf dem sie
jetzt Hegt, sie ist recht mager geworden, sieht ganz gut aus, u. findet
u. fühlt sich wohl. Das wäre nun auch glücklich vorüber, feierlich
genug ist der heutige Tag, sie haben von den Thürmen herab mit
Posaunen ein feste Burg, u. nun danket alle Gott, geblasen, u. die
blanken Instrumente sollen in der hellen blauen Luft gar feierlich
ausgesehen haben.
Zum erstenmale seit langer Zeit ist das schönste Sommerwetter,
so daß wir Fanny die Balkonthüre öffnen werden. Der alte Herr-
gott meint es zuweilen gut mit seinem Volke, so heute mit uns,
121
u.läßt es einen Freudentag erleben, der auch nicht gestört werden
soll;[...]
Das kleine Thierchen macht sich auch, es quäkt wunderherrlich;
u. ich versichere Dich, es wird mir ganz wunderlich, wenn Fanny
von »ihrem Kindchen« spricht, u. daß es dieselbe Mutter Fanny ist,
welche gestern vor einem Jahre [...] mit uns Mädchen herumlief,
u. [...] die zweite Stimme zu den vier ersten Akkorden Deines
Sommernachtstraums sang, denn der wurde zu derselben Zeit in
London gegeben, was wir mit unseren Stimmen, fast zu kindisch,
nacheiferten; [...]
Wie Du siehst, ist dieser Brief noch heute, den 26sten, hier, u.
Fanny wird gleich diktieren, wie folgt:
(Fanny):
Ich bin seit gestern auf, lieber Felix, u. würde Dir es jetzt ohne
Unbequemlichkeit selbst schreiben können, wenn ich nicht, aus
Sorgfalt für meine Augen einige in den ersten Tagen begangene
Unvorsichtigkeiten wieder gutmachen wollte. Es geht mir ganz
außerordentÜch gut, die Kräfte wachsen von Tag zu Tage, und ich
hoffe, bald nicht mehr zu wissen, daß ich vier Wochen gelegen
habe. Mein gestriger erster Aufstand war wirklich feierlich genug.
Wer kann mir verbieten, alles Glockengläute dabei auf mich zu
beziehen. Um halb sechs haben sie von allen Thürmen geblasen,
daß ich aufstehe - Bach hat bei der Gelegenheit eine Musik kom-
ponirt (ich hätte nicht gedacht, daß er so viel Anhänglichkeit an
mich hat!) [...]
Wilhelm hensel an Felix 57 Berlin, 26. Juni 1830
Bei Fanny geht es fortwährend gut, mein Felix! sie ist gestern, am
10. Tage, zum erstenmale aufgestanden, d. heißt, sie lag mehrere
Stunden auf dem Sopha, sie ist noch schwach u. ist mager worden,
aber sie ist gesund [. . .] Vorgestern hatte sie musikal. Einfälle, u.
bekam Kopf u. Augenschmerzen davon; es mag wohl noch keine
komponierende Wöchnerin vorgekommen sein; darum hab ichs
ihr verboten, u. um lauter Prosa gebeten. Das Kind ist noch immer
der kleinste Wicht auf Erden, indeß trinkt u. schreit er, u. wenn
kein böser Zufall kömmt, hoffen wir sein frühzeitiges Leben zu
grüßen. Eine ganz ungemeine Sorgfalt wird er freilich noch viele,
122
Wilhelm Hensel
viele Monate bedürfen [. . .] Fanny ängstigt sich bei seinem gering-
sten Unwohlsein, das ist nun einmal das Loos der Mütter! indeß
bleibt es immer unangenehm, den Erstgeborenen so fragil zu sehn,
trotz aller Weisheiten, die man vom Gedeihen ähnlicher Kinder
anführt. [. . .]
fanny und rebecka an felix 58 Berlin, ohne Datum (1830)
(Rebecka):
Lieber Felix!
Aus allen unseren bisherigen Briefen mußt Du wissen, daß die
hohe Wöchnerinn, u. das kleinste aller Kinder sich wohl befinden,
sie waren beide in der Luft, die ihnen sehr wohl bekommen, u.
Fanny ist aus ihrer Schlafstube in die blaue gezogen, wie ein ande-
rer Mensch, mit den Füßen an der Erde, ißt u. trinkt, wie ein
anderer Mensch, [. . .] geht in der Stube bei Gelegenheit allein auf
u. ab, hat heut Deinen lustigen Onkelbrief selbst gelesen, u. wird
ihn gleich, um ihre Augen doch nicht zu sehr anzugreifen, durch
mich beantworten, u. Dir alles Gesagte wiederholen. [. . .]
(Fanny):
Mein liebstes Brüderchen, wie denke ich an Dich, an Deine ganze
Musik, u. auch an einiges Einzelne, an die schottische Symphonie,
mit dem unvergeßlichen Anfang, an die hebe Hebridenouvertüre,
an alle Zukunft u. Vergangenheit. Mir ist unaussprechlich wohl im
Leben.
Die Unvorsichtigkeiten, die ich mit den Augen beging, waren, daß
ich 2 mal Dein Lied 59 , u. einmal einen halben Brief von Dir las, ich
will jetzt nicht die dritte begehen, sondern schließen. Deine F.
fanny an felix 60 Berlin, 5. Juli 1830
Mein liebes Felixchen, neulich war ich so voller Freude, einige
selbständige Zeilen zu schreiben, daß ich darüber alles vergaß, was
ich eigentlich schreiben wollte, diesen Brief nun soll Freund Marx
mitnehmen, u. bis zu seiner Abreise kann ich schon in verschiede-
nen Absätzen etwas zu Stande bringen. Was ich neulich eigentlich
sagen wollte, war, daß ich mich so unendlich freue, wie Dir der
liebe Himmel in jeder Stadt so was Absonderliches von Ehre und
124
angenehmem Wirken aufbewahrt, so in München das Unterrich-
ten angesehener Lehrer, so was ist wieder noch nicht für Dich da
gewesen. Ich glaube, in irgend einer nächsten Stadt wirst Du in ein
Hospital gerufen, um die kranken Leute gesund zu spielen. Ich
melde mich dazu, bin aber Gottlob nicht krank.
jtenjul. Gestern hast Du direkt von uns gehört. Ich habe einen
äußerst frohen Tag gehabt. Mittags aßen wir bei Mutter, mit Droy-
sen, dessen Geburtstag dies Jahr gerade wie das Vorige mit Hensels
auf einen Tag fiel, mit Rösels 61 , u. waren sehr lustig, nach Tisch
kamen Heynes, Heydemanns, Mühlenfels, ich blieb bis 9 im Saal,
u. es ist mir sehr gut bekommen, obgleich die Jugend etwas wild
war, u. es im Saal sehr schallt. Heut ist Sebastian, dessen Fortschrit-
te Du ja alle wissen mußt, zum erstenmal angezogen worden, d. h.
nicht mit Frack u. Stiefeln, sondern er ist aus einem Päckchen
Mensch, das fast zu jämmerlich in ein Stück Bett gebunden war,
in ein ordentliches Kindercostüm, vul. Steckkissen 62 genannt, hin-
eingewachsen. Eben habe ich auch Erlaubniß erhalten, heut im
Garten spatzieren zu gehen, denn das Wetter ist schön, Vater hat
eine angenehme Reise, Du einen angenehmen Aufenthalt, für uns,
die wir zu Hause bleiben, ist es auch zu brauchen, u. Ueberbringer
dieses kann auch einmal Sonnenschein zu einem Unternehmen
brauchen.
Sten. Seit Anfangs dieser Phrase hat es schon wieder angenehm
gepladdert, auf bleibend schönes Wetter kann man nun einmal in
diesem Sommer nicht rechnen. Als ich gestern aufhörte zu schrei-
ben, benutzte ich die eben erhaltene Erlaubniß spatzieren zu ge-
hen, zu einem Besuch im Vorderhause, verfehlte aber Mutter u.
Beckchen, die einstweilen nach dem Garten gegangen waren, u.
fand nur Dich, den ich auch sehr lange nicht gesehen hatte, u. mit
vieler Freude wieder begrüßte. Marx wird sich nun heut Deinen
Neffen noch einmal ansehen, um Dir die neuesten Nachrichten
von ihm zu bringen, u. ich will Dir für heut Lebe wohl sagen. Von
Hensel tausend Grüße, sein neues Bild wird Dir wohl Marx nach-
erzählen 63 , er ist sehr davon eingenommen, überhaupt gefällt es
allen Leuten, u. mir nicht zuletzt. Die Leinwand zu Beckchens
Bilde wird aber dieser Tage bestellt. Adieu, mein lieber Mensch,
lebe wohl und froh, u. denke der Deinigen
Deine F.
125
panny an felix 4 Berlin, Juli 1830
Da ich auf ehrliche Weise erfahre, daß ich auf unehrliche Weise
um meinen schlechten Witz gekommen, so fasse ich mir ein Herz,
u. mache ihn nicht. Weißt Du noch, wie wir Dich sonst Grelix
nannten? Eben sprach ich viel mit Beckchen von der Kabuse, in
der Du sonst zwischen uns auf dem Sopha saßest, aber jetzt hoffe
ich, wälzt Du Dich in Marxi Armen 65 ; übrigens bin ich im Vorder-
hause eingeregnet, u. schreibe an Beckchens Secretair in der Gan-
sischen Mappe, Mann u. Kind schreien nach mir, aber Ersterer ist
nicht zu Hause, u. Letzteres schreit wol wahrscheinlich, aber nicht
nach mir 66 . Diese drei Tage hindurch hat sichs das kleine Brätchen
in der Sonne sehr wohl seyn lassen, u. rothe Bäckchen erlangt, heut
ists wieder in die Stube gebannt, aber ich bade es jetzt selbst, u.
nehme mich dabei sehr mütterlich aus.
Mein lieber Felix, ich werde Dir nächstens in einem Privatbriefe
auch manches vortragen, aber nichts Neues, denn das ist, nach mir
u. Klingemann, das Alte, sondern eben das Alte. Einstweilen bin
ich wieder eine Frischkartoffeln essende, Abends im Freien blei-
bende, überhaupt genußfähige u. genießende Person, u. mein
Kleiner wird alle Tage größer. Komponirt habe ich noch nicht, als
ichs nicht durfte, hatte ich Ideen genug, jetzt wird wohl wieder die
bekannte Dürre eintreten, die ich dem Wetter alle weg nehme. Da
Vater reiste 67 , ist es sehr schade, daß er nicht einige Tage früher
gereist ist, um die Nachricht der Einnahme von Algier 68 in Paris
zu haben, die Sensation muß groß gewesen seyn. - Die Desertion
kann übrigens beim Africanischen Heere nicht stärker seyn, als
jetzt in Berlin, keine Seele ist hier, u. in dem Augenblick desertire
ich auch vom Schreibtisch, um die Eier zu essen, die mir Beckchen
hat machen lassen. - So, nun ists geschehen, u. eine schöne Ge-
schichte, es regnet Keulen, u. ich kann vielleicht den ganzen Tag
nicht wieder zu Haus, Hensel war eben hier, u. hat einen gewalti-
gen Spektakel gemacht, o weh, ich habe Schelte gekriegt. [. . .] Se-
bastian wollte eben eigenhändig grüßen, aber der dumme Junge
kann noch nicht seinen Namen schreiben, er hat sich bespuckt, u.
es ging nicht. Wer ihn tauft? Wilmsen. Wer ihn hält? Beckchen.
Wann? Um die Mitte Augusts. Wer Dich repräsentiren soll? Ich
habe vorgeschlagen Zelter, hast Du was dagegen? Was wir aber
126
essen werden, darüber kann ich noch nicht hinlänglich Rechen-
schaft ablegen, da die Tageszeit noch nicht ganz bestimmt ist. Du
sollst aber jede Semmel erfahren. [. . .] Lebe wohl, mein liebes
Lamm, ehe Du Dichs versiehst, sind wir da, in Lebensgröße. Ich
habe Dich sehr Heb, darum möchte ich wol, wir könnten Beck-
chen mitbringen. Hensel grüßt u. ich bin u. bleibe F.
Schreibe nur bald, u. sage mir, daß Du unsre Reise nicht für eine
Thorheit hältst, u. uns gern wirst kommen sehn, das ist mir noch
nöthig, um mich recht zu freuen. 69
fanny an felix 70 Berlin, 23. Juli 1830
Mein Felix -
es ist hohe und höchste Zeit, daß Dir ein Privatbrief geschrieben
werde, denn heut ist der 23ste Juli, und heut über 2 Monate sind
wir hoffentlich auf dem Wege zu Dir.
Ich wollte Dir nicht eher bestimmt davon sprechen, bis ich die
Sache nicht nur äußerlich möglich und wahrscheinlich und nah
sähe, sondern auch meine Gedanken recht damit erfüllt und iden-
tifizirt hätte, das ist wol jetzt geschehen. Hier nun unsere Angele-
genheit: der König hat die Kopie eines Frescobildes nicht geneh-
migt, aber auf eine Weise, die die Erteilung eines andern Auftrags
erwarten läßt, u. selbst wenn dieser nicht erfolgen sollte, ist Hensel
doch entschlossen, die Reise zu machen. Sein Fleiß hat uns in den
Stand gesetzt, es zu können, und die übrigen Umstände sind von
der Art, daß wir uns sagen müssen, wenn wirs jetzt nicht thun,
können wir die Zeit gar nicht berechnen, wann es möglich seyn
wird. Er bekömmt 400 M zur Errichtung eines Atteliers, welche
künftiges Frühjahr, und zwar in der Wohnung von Devrients 71
Statt finden wird. Diese haben sich ungemein freundschaftlich in
dieser Angelegenheit benommen, denn ihr Contract geht bis zum
Oct. 1831, als aber jene Idee entstand, bat Hensel, uns die Wohnung
bis Ostern zu räumen, wozu sie sich gleich verstanden haben. Frei-
lich ziehen sie nun schon diesen Oct. u. wir haben dies Arrange-
ment nicht ohne ein bedeutendes Geldopfer machen können, in-
dem wir sie für eine höhere Miethe bis zum nächsten Jahr, außer-
dem für einen Theil der Einrichtungskosten entschädigen, u. dann
noch die Miethe bis Ostern riskiren, da wir in ihren Contract ge-
127
treten sind, u. schwerlich einen Miether auf ein halbes Jahr finden.
Da indessen Mutter u. Vater uns ungern aus dem Hause lassen
würden, u. ich auch freilich sehr ungern ginge, so hat Wilhelm,
der wie Du weißt, zu den Guten gehört, alles so eingerichtet, daß
es nun wol, bis zu einer Veränderung, die der Himmel verhüten
möge, so bleiben wird. Auch hoffe ich, soll es ihn nicht gereuen,
denn wenn nun alles nach Wunsch geräth u. fertig wird, so hat er
ein sehr schönes Attelier, im Hause, Frau u. Kind in der Nähe, u.
mit dem neuen Zuschuß von 400 M werden wir uns dann zwar
nicht besser, aber auch nicht schlechter stehen, als früher, u. kön-
nen es mit ansehen. - Dies ist nun ein trockener Geschäftsbrief,
mein bester Felix, aber ich will Dich gern von all unseren Planen
unterrichten, also weiter im Text. Sobald Hensel seine Arbeiten
beendet haben wird, wir hoffen Mitte September, machen wir uns
auf den Weg, natürlich immer die Erlaubniß unseres [. . .] Königs,
u. großen Tyrannen Sebastian vorausgesetzt, u. reisen zuerst nach
Schlesien, wo wir meine Schwiegermutter auf einige Tage besu-
chen, u. dann über Ulm nach Italien. Daß ich mich einiger Maaß-
en freue, Dich wieder zu sehn, glaubst Du mir doch nicht, ich will
es also nur ungesagt lassen, u. Dich lieber bitten, uns dann, wenn
es soweit ist, beizeiten von Deinem jedesmaligen Aufenthalt zu
unterrichten, damit wir uns nicht vorbeireisen. Halte Dich aber
unsretwegen nirgend länger auf, als Du sonst wolltest, wo wir uns
treffen, das ist doch am Ende gleich. Mit den Eltern steht es so, daß
Vater schon vor seiner Abreise ganz mit der Unsrigen einverstan-
den war, u. Mutter sich nun auch darein ergiebt, ja ich habe es seit
gestern dahin gebracht, daß die Reise auf den Gesprächsetat ge-
kommen ist, das hat aber viel Mühe gemacht. Ich gebe es übrigens
bis zum letzten Tage nicht auf, noch Alle mitreisen zu sehen, darf
mir aber anscheinend nicht viel Mühe darum geben, Mutter faßt
noch eher von selbst einen Entschluß, als daß sie sich bereden
ließe. Du wirst darin gewiß meiner Meinung seyn, welche die ist,
daß wir gern die mancherlei vorherzusehenden, u. unvorherzuse-
henden Schwierigkeiten u. Unannehmlichkeiten des Beisammen-
seyns tragen würden, um Beckchen das Vergnügen der Reise zu
gönnen, u. die Eltern bei uns zu haben. Hensel denkt eben so, nur
Beckchen meint immer, es ginge nicht, u. könnte nicht seyn. Ich
lasse sie auch einstweilen dabei, weil ich im Grunde doch auch
128
nicht sehr daran glaube, u. sie sich ans Neue, wenn es angenehm
ist, doch leicht gewöhnen wird, aber ich wollte, wir könnten sie
mitnehmen, es wird mir sehr schwer, sie u. die Eltern zu verlassen,
so sehr ich mich auf die Reise freue, denn das thue ich redlich.
Lieber Felix, wir wollen uns nicht geniren, Du brauchst Dich nicht
vor uns zu fürchten, wir werden sehr discret seyn, u. eine italiäni-
sche Stadt hat doch wol Raum genug für uns. Und wie freue ich
mich, Dir den Sebastian zu bringen, bilde Dir nur nicht ein, daß
der Cerl Dir entgegenlaufen wird, dazu ist er noch viel zu dumm,
aber anschreien wird er Dich, u. ansehn mit großen dunkelblauen
Augen, die gar nicht wissen, was sie sehn, u. Du wirst ihn schon
liebhaben. Aber ich wollte doch, wir könnten Beckchen mitbrin-
gen. 72
felix AN fanny 73 Rom, 16. November 1830
[. . .] Bleib heiter u. klar u. gesund, verändere Dich nicht bedeutend,
viel besser brauchst Du auch nicht zu werden, Dein Glück bleibe
Dir treu: das sind denn ungefähr meine Geburtstagswünsche.
Denn daß ich Dir auch etwa musikalische Ideen wünschen sollte,
ist einem Menschen meines Kalibers gar nicht zuzumuthen; es ist
auch nur Ungenügsamkeit, wenn Du Dich über Mangel daran
beklagst; per bacco, wenn Du Lust hättest, wärdest Du schon com-
ponieren was das Zeug hält (vgl. Leben eines reisenden Musikan-
ten oder Felix in Rom) u. wenn Du nicht Lust hast, warum grämst
Du Dich entsetzlich? Wenn ich mein Kind zu päppeln hätte, so
wollte ich keine Partitur schreiben, u. da ich non nobis componirt
habe, so kann ich leider meinen Neffen nicht auf dem Arm her-
umtragen. Aber im Ernst, das Kind ist noch kein halbes Jahr alt,
und Du willst schon andere Ideen haben, als Sebastian? (nicht
Bach). Freu Du Dich, daß Du es da hast, die Musik bleibt nur aus,
wenn sie eben keinen Platz hat, und es nimmt mich nicht wunder,
daß Du keine Rabenmutter bist. - Ich wünsche Dir aber doch zu
Deinem Geburtstage, was irgend Dein Herz begehrt; ich will Dir
also auch ein halb Dutzend Melodien wünschen, es wird aber
nichts helfen [. . .] Das Geschenk, liebe Fanny, was ich Dir diesmal
zu Deinem Geburtstage fertiggemacht habe, ist ein Psalm für
Chor u. Orchester: non nobis, Domine. Du kennst den Anfang
129
schon. Eine Arie kommt darin vor, die einen guten Schluß hat, u.
der letzte Chor wird Dir gefallen, hoff' ich [. . .]
felix an fanny 74 Rom, 25. Februar 1831
Dies ist die Hebridenouvertüre. P bedeutet P, sf heißt sfz, f heißt f
in der italiänischen Notenschreibersprache, sapienti sat. Du wirst
am Ende des sogenannten ersten Theils, wo es in d dur schließt
eine schlechte Stelle finden; ich habe sie ändern wollen, ehe ich es
schickte, aber Zeit fehlte. Denke es Dir also anders. Die matte
Lärmmacherey von da an u. die folgende Stelle, die aus meiner
vortrefflichen Reformationssymphonie sichtlich abgeschrieben ist,
u. mit der ich mir selbst eine Schmeicheley sage, sollen anders
werden, sobald ich abkomme. [. . .] Es ist hier Rom, halbe Revolu-
tion, Angst u. Furcht von allen Seiten, u. manche Unbehaglichkeit,
aber ich denke an Euch, so ist mir wohl. Guten Abend. F.
felix an fanny 75 Rom, 4. April 1831
Meine liebe Fanny!
Wohl ist die Nachricht, die Du mir in Deinem Briefe vom I7ten 76
mittheilst, eine schmerzliche u. ich empfinde wieder, wie groß die
Entfernung u. wie unmöglich irgend einzugreifen u. zu helfen;
aber die Art, wie Du es mir sagst, u. Dein ganzer Heber, liebender
Ton ist so, daß ich es Dir nie vergessen werde; es hat mich ergrif-
fen, als säßest Du neben mir, u. als hörte ich Dich sprechen. Das
ist auch so, denn wer anders kann so sprechen, als Du? Nimm aber
meinen herzlichsten, wärmsten Dank dafür. Du weißt es ja, wie
glücklich Du uns alle machst. Ich werde lange an Deinen Brief
denken; wie kommt es nur, daß in den kalten, schwarzen Buch-
staben der ganze Mensch, u. das ganze Herz stehen kann? Wir
verstehen uns aber.
Inliegend ein Brief an Marx. 77 Daß ich von hier aus für ihn wirken
kann, ist unmöglich, u. das schmerzt mich tief, das einzige was ich
auf solche Entfernung thun kann habe ich mir ausgedacht, Ihr
werdet mir dazu helfen dem Mangel an Mittheilung vorzubeugen,
der ihn quält, weil kein Musiker in Berlin ist, der ihn zu kennen
werth wäre, habe ich ihm geschrieben, daß ich von jetzt an regel-
130
mäßig alle 14 Tage an ihn schriebe, u. sobald ich Zeit habe öfters.
Das wird ihn zerstreuen u. es ist eben alles was sich von Rom aus
in dieser Hinsicht finden läßt. Die Briefe werde ich fortwährend
an Hensel addressiren, u. bitte Dich, lieber Hensel, auch Marx
seine Briefe an mich abzufordern, eben unter dem Vorwand sie
einzulegen, oder wie Du sonst willst; denn das Porto ist sehr theu-
er, da thu mir den Gefallen auf ein besonderes Blatt Papier genau
das Porto aufzuzeichnen, was diese Correspondenz kostet, ich
werde es Dir bei meiner Rückkunft erstatten. Thu aber dies gewiß
und schreibe es genau auf, es würde mich verdrießen, wenn Du
Dich dadurch in Kosten setztest. Was nun das übrige betrifft, so
steht die Sache so: ich habe das Jahr über 100 Th. weniger ge-
braucht, als mir ausgesetzt sind. Über diese aber kann ich nicht
disponiren, weil ich keineswegs ausdrücklich gespart habe, u. es
also nicht aufrichtig gegen Vater wäre, der mir schrieb, ich könne
weniger oder mehr brauchen, wie ich wolle. Da nun aber im näch-
sten Monat mein neues Jahr anfängt, u. da ich weiß, wie wenig ich
mir in diesem Jahre habe abgehen lassen, u. wie ich also gewiß sein
kann im nächsten noch mehr zu ersparen: so denke ich, daß ich
am Ende meiner Reise wenigstens über 100 Th. werde disponiren
können, da ich sie mir von jetzt an durch mancherley Kleinigkei-
ten, die ich mir leicht versagen kann u. die doch viel kosten, zu-
rücklegen will. Auch komme ich dann nach Paris, auch wohl nach
London, wo ich wieder Geld verdienen kann, soviel ich will, was
sich dann später finden wird. Auf jeden Fall aber ist das wenigste,
was ich entweder durch die Ersparungen, die ich von heute an,
ohne meinem Reisezweck zu schaden, anfangen werde, u. durch
Herausgabe u. dgl. in Paris gewinne 100 Th., u. so denke ich Ihr
seid ganz sicher, wenn Ihr mir sie vorstreckt, u. Marx gebt. Doch
bemerkt, daß ich dies nur annehme im Fall ihr Euch von mir die
gebräuchlichen Zinsen geben laßt, sonst geht das Ding nicht; wenn
Ihr Geld habt, daß außerdem ruhig auch die Zinsen liegen bleiben
würden, so nehmt davon die 100 Th. u. ich erstatte es Euch, als
hättet Ihr es immer liegen lassen. Hoffentlich stehe ich bei Euch
in gutem Credit. Du wirst das nun einrichten, lieber Hensel, wie
Du willst, ich brauche nicht zu bemerken, daß Alles, was ich au-
ßerdem verdienen möchte, Dir sogleich gemeldet werden soll, zu
diesem Zwecke. Wie Du es aber anfangen willst, um es Marx
131
annehmen zu machen, weiß ich nicht; Du wirst das dort besser
wissen, u. Rath geben, geht nicht; ich hab ihm jetzt nichts davon
geschrieben, sonst merkt er etwas; aber im nächsten Briefe will ich
es ihm anbieten. Willst Du nun den erwarten, oder ihm geradezu
sagen, daß ich Dir drüber geschrieben hätte, das mache ganz wie
Du für Recht hältst. Gott gebe, daß es sich zum Besseren wende,
wenn ich nur da wäre, da könnte ich irgendwas thun. Bitte, liebe
Fanny, schreib mir darüber wieder, u. sag mir, was Ihr habt thun
können. - Ich reise Ende dieser Woche nach Neapel, wenn ich
meinen Paß bekommen kann, was Schwierigkeiten macht, ent-
schuldige mich bei den Eltern, daß ich heute nicht schreibe, der
Brief ist nicht fertig geworden; denn er enthält eine Beschreibung
der heil. Messe. Ich schicke ihn aber bald. Lebt wohl, Euer Felix.
felix an fanny 78 Frankfurt am Main, 14. November 1831
O mein geliebtes Schwesterlein und Musiker.
Heut ist Dein Geburtstag und ich wollte Dir gratuliren und froh
sein, da kamen Eure Briefe über Tante Jette 79 und mit der rechten
Freude ist es nun wohl vorbei. Gestern kam die Verlobungsnach-
richt 80 , heute diese, es geht sonderbar hin und her.
Ich will Dir eins von den neuen unbegreiflich rührenden Seb.
Bachschen Orgelstücken schenken, die ich hier eben kennen ge-
lernt 81 , sie passen zu Heut in ihrer reinen weichen Feierlichkeit, es
ist als hörte man die Engel im Himmel singen.
D. rjten
Ich wollte das Stück schreiben, als ich den Brief anfing, legte das
Papier Abends zurecht, und morgens als ich aufstand, war das
Ganze schon fertig geschrieben, Schelble 82 war früher aufgestan-
den, hatte mich davon sprechen hören und war mir zuvorgekom-
men. An diesem kleinen Zug kannst Du Dir mein übriges Leben
mit ihm weiter ausmalen; er beschämt mich jeden Augenblick
durch neue Güte, und von seinem klaren Urtheil lerne ich was.
Wollte, Du könntest mein Leben hier einmal mit ansehen u. mit-
leben, denn es wird noch lieber durch Philipp Veit 83 , der einer der
prächtigsten Menschen ist, die ich kennen gelernt habe, von einer
Liebenswürdigkeit, Milde u. doch Lebhaftigkeit, daß es eine Freu-
de ist, u. ein großer Maler zugleich. Du solltest einmal sein neues
132
Bild sehen. Wir sind meist zusammen. Abends wird in corpore
Musik gemacht, neulich im Cäcilienverein gab Schelble einigen
Händel, einen Chor von Mozart, dann »es ist der alte Bund« von
Bach, das himmlisch klang, das Credo aus der großen h moll Mes-
se, und einen Chor von mir. Heut Abend läßt er »Ihr werdet wei-
nen und heulen«, eine Kirchenmusik von meinen römischen usw.
in einem Externverein singen; morgen aber reise ich ab, u. erwarte
heut noch Bendemanns Antwort, ob ich nach Norden oder We-
sten gehe; dann geht es nach Frankreich.
Nun spiele diesen Choral mit Beckchen, so lange ihr noch zusam-
men seid, und denkt mein dabei. Wenn am Ende die Choralme-
lodie zu flattern anfängt und oben in der Luft endigt und alles sich
in Klang auflöst, das ist wohl göttlich. Es sind noch viel andere von
gleicher Kraft da, aber sie sind bitterer. Zu heut passt dies gerade
und so schicke ich ihn, und grüße u. küsse Dich und Hensel und
wünsche ihr mögt mich so lieben wie ich Euch.
NB: der Choral ist mit Doppelpedal 8 Fuß, Schelble hat ihn so
eingerichtet, es fehlt keine Note.
felix an fanny Paris, 28. Dezember 1831
Liebe Frau Fanny! Seit drei Monaten will ich Dir einen Musiker-
brief schreiben, aber das Aufschieben rächt sich; denn jetzt, da ich
14 Tage hier bin, weiß ich gar nicht, ob ich es überhaupt noch
kann. [. . .] Das Gewissen schlug mir nämlich, als ich von Deiner
neuen Musik las, die Du mit Umsicht zu Vaters Geburtstag diri-
giert hast, und als ich mir vorwerfen mußte, Dir noch kein einziges
Wort über Deine vorige gesagt zu haben; denn ohne das kommst
Du bei mir nicht durch, College! Wie Teufel kannst Du Dich
unterfangen, Deine G-Hörner so hoch zu setzen? Hast Du je ein
G-Horn das hohe G nehmen hören, ohne daß es gequackelt hätte?
Ich frage nur Dies ! Und muß bei dem Einsatz der Blaseinstrumen-
te am Ende der Introduction in selbigen Hörnern nicht offenbar e
stehen, und schnarren die tiefen Hoboen ebendaselbst nicht alle
Schäferlust und alle Blüthen weg? Weißt Du nicht, daß man einen
Gewerbeschein lösen muß, um das tiefe H in den Hoboen zu
schreiben, und daß er nur bei besonderen Anlässen erteilt wird,
wie z.B. bei Hexen oder einem großen Schmerz? Hat der Com-
133
ponist nicht augenscheinlich bei der A dur-Arie seine Singstimme
mit zu vielen anderen Stimmen zugedeckt, so daß die zarte Inten-
tion und die sonst so liebliche Melodie dieses sonst so gelungenen
Tonstücks bei vielen sonstigen großen Schönheiten verdunkelt
oder doch verkleinert wird? Im Ernst aber: diese Arie ist wunder-
schön und besonders heblich. Aber ich habe gegen Deine beiden
Chöre etwas zu sagen, was jedoch mehr gegen den Text, als gegen
Dich gerichtet ist. Die beiden Chöre sind mir nicht originell ge-
nug. - Dies klingt dumm; ich meine aber, es sei die Schuld des
Textes, der eben nichts Originelles ausspricht; ein einziges Wort
hätte vielleicht Alles bessern können; aber so, wie er da ist, könnte
er überall anders stehen: in Kirchenmusik, Cantate, Offertorium
etc. Wo er aber anders ist als allgemein, wie z.B. das Seufzen am
Ende, da kommt er mir sentimental vor oder nicht natürlich. Die
Worte des letzten Chors scheinen mir zu materiell (mit dem kraft-
losen Mund und der sich regenden Zunge); nur in der Arie ist der
Text im Anfang frisch und lebendig, und daraus ist Dir auch das
ganze schöne Musikstück entstanden. Bei den Chören ist es natür-
lich immer schöne Musik, denn es ist von Dir; - aber mir ist erst-
lich, als könnte sie auch von einem andern guten Meister sein, und
zweitens, als wäre sie nicht gerade nothwendig so, als dürfte sie
auch anders componirt sein. Das hegt nun eben daran, daß die
Worte keine Musik nothwendig bedingen. Das Letztere ist in mei-
ner Musik auch sehr oft der Fall, das weiß ich wohl; indessen wenn
ich auch den Balken in meinem Auge fühle, so werde ich doch
gewiß ganz geschwind den Splitter aus Deinem ziehen wollen,
damit er Dich nicht drückt. So ist also mein Resume, daß ich Dich
in der Wahl des Textes bedächtiger haben möchte, weil am Ende
nicht Alles, was in der Bibel steht und auf das Thema paßt, Musik
enthält; aber wahrscheinlich hast Du nun schon in der neuen Can-
tate meine Bedenken beseitigt, ohne sie zu kennen, und ich falle
weg. Dann ist es destobesser, und dann mach Du mich herunter
wegen Diffamation. Was aber Deine Musik und Composition be-
trifft, so ist die sehr gut für meinen Magen; der Frauenzimmer-
pferdefuß guckt nirgends hervor, und wenn ich einen Capellmei-
ster kennen würde, der die Musik könnte gemacht haben, so stell-
te ich den Mann an meinem Hofe an [. . .].
134
Musikdirektor in Düsseldorf
1833 bis 1835
1833 Paul Mendelssohn Bartholdy tritt als Angestellter in das
Bankhaus Mendelssohn und Comp. ein. Die Bewerbung von
Felix um die Direktion der Berliner Singakademie scheitert
an antisemitischen Ressentiments. Nach erfolgreicher Lei-
tung des Niederrheinischen Musikfestes in Düsseldorf erhält
Felix einen Vertrag als Städtischer Musikdirektor, der ihn ab
Oktober an Düsseldorf bindet. Am 7. März stirbt die mit
Fanny befreundete Rahel Varnhagen. Felix tritt sein neues
Amt erfolgreich an und dirigiert unter anderem Händel,
Beethoven und Mozart. Am 2. JuÜ wird Rebeckas erster Sohn
Walter geboren.
1834 Fast alle deutschen Länder schließen sich dem von Preußen
gegründeten deutschen Zollverein an. Fanny komponiert
Heine-Lieder für Mary Alexander, die englische Freundin
von Felix, eine Orchesterouvertüre und ein Streichquartett.
1835 Mendelssohn schreibt den »Paulus« ins reine. Trotz großer
Erfolge als Dirigent und Komponist in Düsseldorf unter-
zeichnet er einen Vertrag als Gewandhauskapellmeister in
Leipzig. Er will künftig näher bei seiner Familie leben und
entflieht den Konflikten mit dem Düsseldorfer Carl Immer-
mann um die Gestaltung und Vorbereitung der Opernauf-
führungen.
Paul Mendelssohn Bartholdy heiratet die Bankierstochter
Albertine Heine. Die Familie Hensel reist im Juni nach Düs-
seldorf, wo Fanny in den von Felix geleiteten Konzerten als
Choristin mitwirkt. Auf einer Frankreichreise erleben die
Hensels den Anschlag des Korsen Fieschi auf König Louis-
Philippe.
135
Werke von Felix
1833 Fantasie (Sonate) ecossaise für Klavier fis-Moll op. 28 / Sechs
Lieder ohne Worte für Klavier op. 30, 2. Heft / Vierte Kon-
zert-Ouvertüre »Zum Märchen von der schönen Melusine«
für Orchester F-Dur op. 32 / To the Evening Service, für
Chor / Musikantenprügelei für Männerchor / »Der weise
Diogenes«, Kanon für Männerchor / Zwei Romanzen von
Lord Byron für Singstimme und Klavier / Zigeunervariatio-
nen für zwei Klaviere (mit Moscheies)
1834 Rondo brillant für Klavier und Orchester Es-Dur op. 29 /
Drei Capricen für Klavier op. 33 / »Paulus«, Oratorium nach
Worten der heiligen Schrift op. 36 / Sechs Lieder für Vokal-
quartett op. 41 / Zwei Männerchöre zu »Der standhafte
Prinz« von Calderön / Mailied für Singstimme und Klavier
1835 »Und ob du mich züchtigest«, Kanon für fünf Stimmen /
Zwei Gesänge für Singstimme und Klavier
Werke von Fanny
1833 »Zum Fest der heiligen Caecilia«, für vier Frauenstimmen
und Klavier / Zwei Lieder für Singstimme und Klavier: »Ge-
genwart« (Johann Wolfgang von Goethe) und »In die Ferne«
(Ludwig Heinrich Christoph Hölty)
1834 Orchester-Ouvertüre C-Dur (1. Fassung: 1832) / Streich-
quartett / Zwei Lieder für Singstimme und Klavier: »Carl V.«
und »Wo sich gatten jene Schatten« (beide August Graf von
Platen) / Drei englische Lieder für Mary Alexander auf Tex-
te von Heinrich Heines »Heimkehr«
1835 Arie für Sopran / Zwei Vokaltrios: »Abschied« (Heinrich
Heine) und »Wandl' ich in dem Wald« (ohne Textdichter-
Angabe) / Duett »In der stillen Mitternacht« (ohne Text-
dichter-Angabe)
Lieder
»Ich stand gelehnet an den Mast« (Heinrich Heine) / »Wenn
der Frühling kommt« (ohne Textdichter-Angabe) / »Über
allen Gipfeln ist Ruh'« (Johann Wolfgang von Goethe)
136
fanny an felix Berlin, 5. Oktober 1833
[. . .] 2 Felix laß Dich barbiren; u. lies das Folgende nicht, sondern
laß es von Beckchen lesen, u. wenn die schon fort seyn sollte, trage
es Paulinen 3 hin; es ist in Chiffren.
Liebe Pauline! Da es in Eurem, an Künstlern jeder Art so reichen
Ort unmöglich an einem geschickten Restaurator eines wichtigen
Theils der menschlichen Schönheit fehlen kann, den man gemein-
hin sehr unphilosophisch Friseur zu nennen pflegt, so beschwöre
ich Dich bei dem Haupthaar der Veronica, u. bei jeder anderen
berühmten Perücke, trage Sorge für die Erhaltung der sterblichen
Überreste von Felixens weiland Hauptzierde in verschiedenem
Sinn die er aufs Jämmerlichste mit Kamm u. Bürste zu ermorden
pflegt. Verrathe mich nicht als die Urheberin dieses Plans, sonst
möchte er ein Haar drin finden, u. widerhaarig werden, aber ver-
wende Deinen unumschränkten Einfluß, ihn zur Anstellung des
obengenannten Beamten zu bewegen, Dir werde Lohn in besse-
ren Welten. Uebrigens grüße ich Dich bestens u. bitte Dich, da ich
durchaus nichts Dir Interessantes von hier zu melden habe, über
Felixens Lebensart, Einrichtung u. Debüt von Dir zu erfahren.
Denke nicht mit mir zu rechnen, sondern mir bald zu schreiben,
sagst Du mir dann, daß es Dir nicht unangenehm ist, von mir einen
Brief mit Nichts zu erhalten, so antworte ich pünktlich. [. . .]
fanny an felix 4 Berlin, 23. 5 Oktober 1833
Ich habe Dir sehr lange nicht geschrieben, lieber Felix, u. es soll
doch nicht in Vergessenheit gerathen, da setze ich mich aus dem
Stegreif um 1/2 4 Uhr hin, u. habe noch einen langen Vormittag,
denn heut fängt unsere Wintersaison an, mit um 5 Uhr essen, ihr
aber geht jetzt in Soireen. Wir haben noch den allerschönsten fast
blätterlosen Herbst mit warmer Sonne, u. ich habe eben weite
Wege mit Sebastian gemacht, unter den Linden begegnete uns
Paul, u. gab mir den Arm, u. wir gingen noch nicht lange zusam-
men, so kamen Beckchen u. Dirichlet. (Hensel hat mir diesmal
lauter Löschpapier mitgebracht.) Gestern abend hätte ich Dich
hergewünscht. Ich hatte einen Zank mit Beckchen, der wäre was
für Dich gewesen, die Eltern haben sich halb todtgelacht. Er fing
137
an über die Taillen unserer Männer, u. zuletzt kam es so weit, daß
ich ihr ihre schwangere Köchin vormachte 6 , aber da konnten wir
auch Beide nicht mehr vor Lachen. Wir sind ganz lustig u. gesund;
Vater geht es sehr gut, er ißt zwar sehr viel Wein 7 , trinkt aber auch
welchen, u. das hält sich das Gleichgewicht. Er ist übrigens sehr
liebenswürdig, u. macht Dir zum Trotz Dameneroberungen. A
propos, Immermann 8 ist hier, ich habe ihn aber noch nicht gesehn,
er war heut bei Mutter, hat uns aber nicht besucht. - Hat es Dir
schon ein Anderer geschrieben, daß ich neulich bei der Decker,
auf ihrem gräulichen Hackebrett, Oberon begleitet habe? Es war
so schlecht wie es unter den gegebenen Umständen nur irgend
möglich war, da sie, Devrient, Mantius, u. die Hoffmann mitsan-
gen. Dafür aber hab ichs doch nun durchgesetzt, daß sie sich ein
neues Instrument angeschafft hat, gestern habe ichs mit ihr probirt,
u. heut wird es hingebracht, morgen nämlich ist Semele 9 da, wo
ich wieder begleite. Taubert, der vorigen Winter ihr Capellmei-
ster war, hat es doch in der ganzen Zeit nicht zu einem neuen
Flügel gebracht. Es wird aber wieder sehr häßlich werden, Sophie
Ebers 10 singt über die Möglichkeit hinaus. Kennst Du Semele 11
genau? es sind wunderschöne Sachen darin, ich glaube, mit gehö-
rigen Auslassungen, müßte es sich sehr zum Concert eignen.
Kennst Du die Partitur? Schaum 12 bekennt sich zu vielen Aende-
rungen, ich möchte wohl wissen, ob z.B. der sehr lose Text im
Original mehr Zusammenhang hat.
Dein Concert 13 ist ja prächtig komponiert. Ich bin aber für Gluck
u. Beethoven, u. finde schon das sehr lang vor dem Alexanderfest.
Ihr Düsseldorfer müßt gute Mägen haben. Ich weiß, wem ich
diese Concerte lieber gönnte, als Euch. Lieber Felix, ich habe jetzt
4 junge Mädchen, die sich Alle musikalisch Raths bei mir erholen,
u. recht gut spielen. Ich schnauze sie aber geistig an. Kannst Du
Dir Deine Schwester Drude dabei denken? Sebastian ist allerliebst
u. sehr gewachsen. Der Wagen von Dir ist noch immer das Glück
u. der Neid des jüngeren Hofpersonals. So lange hat noch kein
Spielzeug vorgehalten. Dein Gedächtniß sitzt ihm aber auch sehr
fest, u. er spricht tagtäglich von Dir. Neulich habe ich ihn sehr
emancipirt, u. ihn bei Heysens, wo ich mit ihm hingegangen war,
allein zu Tisch gelassen, er hat aber die Probe vortrefflich bestan-
den. Der Junge wird Dich freuen 14 , wenn Du ihn einmal wieder-
138
siehst, seine Sprache ist wirklich melodisch, u. fällt allen Leuten
auf. Augenbrauen kriegt er, wie seine Frau Mama Cantor, aber
blondestes Haar. Neulich haben wir Feuer im Hause gehabt. Wir
saßen des Abends ganz ruhig bei den Eltern, über denen seit kur-
zem der General Braun 15 mit vielen zweifelhaften Söhnen wohnt
u. schrecklich rumort. An dem Abend aber ward der Lärm plötz-
lich sehr arg, Hin u. Her rennen, sehr lautes Sprechen, dann ein
Lärm als ob es in die Stube regnete, begleitet von einem wirkli-
chen Kalkstaubregen, Poltern an unsrer Thür, wir sprangen Alle
auf, u. erfuhren nun, daß es in dem Saal über uns brenne, die
Männer rannten herauf, wir konnten nicht mit, denn der alte Ge-
neral löschte im Hemde sämtliche Gardinen, die er vorher mit
einer Lampe angesteckt hatte. Über eine Stunde hielt er in Rauch
u. Dampf aus, u. verbrannte sich die Hände damit, u. mit einem
schrecklichen Brandgeruch durch Haus u. Hof, war aber auch das
Unheil abgethan, welches zum Glück nicht auf die Straße drang,
sonst wäre unser Haus gleich vom Pöbel überschwemmt gewesen.
Lieber Felix, da hast Du einen Brief mit lauter Nichts. Deiner aber
war sehr schön [. . .] Lebe nun wohl, es wird dunkel u. Essenszeit,
u. ich bin sehr hungrig [. . .]
fanny an felix Berlin, 2. November 1833
Liebes Felixchen, was lange währt, wird gut, davon ist Dein präch-
tiger Brief 17 wieder ein starker Beweis, der uns unendlich erfreut
hat. Ich muß ihn auswendig beantworten, da Mutter ihn drüben
hat, u. fange also an bei Deiner verlangten Uebersetzung. 18 Sollte
nicht Folgendes dem Original so ziemlich entspechen:
der Liebe Heil
doch Kunst errang den Preis
oder: gewann den Kranz
oder: gewann den Preis
oder: errang den Sieg etc.
Mir scheint aber die erste Lesart vorzuziehen, denn Kunst u. Kranz
ist hart, u. Sieg nicht so gut zu singen als Preis. Urtheile selbst. -
Euren Dichter Immermann haben wir einstweilen hier gehabt, u.
ihn viel freundlicher gefunden, als seinen Ruf in der Hinsicht. Aber,
daß er Dir eine gute Oper machen wird 19 , glaube ich nimmermehr,
139
dazu hat er einen viel zu fest verschlossenen Mund, und viel zu viel
Reflexion. Er spricht aber sehr gut. Erst war er an einem Abend bei
Mutter, wo, wie wir dann aus machten, die Höhen der Bildung
Deutschlands 20 versammelt waren, Steffens, Gans, Rosen, Müh-
lenfels, Heyse, Devrient und Immermann als Mittelpunkt, um den
sie alle herumtanzten. Wie unglücklich Gans sich in solchen Fällen
fühlt, weißt Du. Er kam Hensel sehr freundlich entgegen, u. bat ihn
besuchen zu dürfen, u. da sich dazu keine andre Zeit fand, kam er
anderstags zur Musik, wo er während des ersten Stücks das Attelier
besah, u. sich sehr zufrieden äußerte, während der übrigen Musik
aber sich von Devrient u. Steffens unterhalten Heß. Dann aß er bei
den Eltern mit uns en famille, da wir ihn auch gern einmal wollten
sprechen hören, u. da sprach er viel u. sichtlich gern, sehr gut.
Sebastian war auch bei Tisch, u. als das Gespräch auf den vorjähri-
gen Musenalmanach 21 kam, u. Rebecka auf Immermanns Veran-
lassung Heynes Epigramm sagte, welches schliesst: u. ein Gedicht
ausgespuckt, fing Seb. böse an: Hör mal Mutter! Ein Gedicht
spuckt manja nicht aus, ein Gedicht erzählt man. Das gefiel I. sehr,
der sich überhaupt mit Seb. einließ [...]
Heut Abend sind wir zu Leuten eingeladen, da würde Herr Felix
nicht wenig die Cour machen. Eine 15jährige Tochter, wunder-
hübsch, noch so kindisch, daß sie mit der Puppe spielt, dabei soll
sie sehr gut singen, kurz ein Engelchen, heißt Rosa [. . .]
Gestern hatte Seb. ein Herrendiner, das hätte ich Dich zu sehn
gewünscht. Komischeres hab ich nicht gesehen. Die kleinen Hey-
sens aßen hier, u. ich hatte für die Kinder ein kleines Tischchen
mit kleinen Tellern, Messern u. Gabeln u. Servietten gedeckt. Nun
wurden sie lustig u. Paul Heyse, der sich wirklich befressen hatte,
fing an auf die Melodie des Mantelliedes zu singen: ich habe so
viel gefressen. Darauf Sebastian: lebe hoch! hob sein Glas auf, u.
sie stießen an, u. spielten einen förmlichen Commersch. Sebastian
grüßt, auch Wilhelm u. Luise 22 . Leb nun zum 2tenmal wohl.
felix an fanny 23 Düsseldorf, 14. November 1833
Meine hebe Frau Fanny,
den Glückwunsch voraus, der ist alle Tage mit Dir.
Die Geburtstagsfeier habe ich mir aber recht nach alter Manier
140
zugerichtet, nur mußte ich sie diesmal für mich allein behalten u.
genießen, aber ich dachte viel hin zu Dir. Du weißt, daß ich sonst
Lieblingsstücke immer bis zu dem Tage aufhebe, um dann auf die
letzte Seite des I4ten November hinmalen zu können; das habe
ich eben nun hier auch mit meiner Ouvertüre zu Melusine 24 ge-
than, malte recht lange u. sorgfältig an den letzten Clarinetten und
Flöten, u. sah mir dann die ganze Partitur lustig durch, wie auch
die von meinen beiden Doppelconcerten, vom Petrus u. Hora etc.
Ich glaube die Ouvertüre wird Dir gefallen und möchte ich könnte
sie Dir gleich bringen. Das geht zwar nicht, aber Du weißt daß
14/n ist immer eine Dedication an Dich, wo Du also der Partitur
mal begegnest, nimmst Du sie mir weg u. behältst sie, u. spielst sie
sehr oft durch. Vielleicht könnte sie der Dr. Wagen 25 mitnehmen,
der jetzt hier ist, aber ich will sie erst ein Weilchen behalten u.
dann würde der Fisch sich bei solcher Trockenheit schlecht befin-
den u. übrigens faul werden, u. ist doch jetzt glatt und frisch. -
Aber ein anderes großes Opus muß er mitnehmen, die bestellte
Landschaft. Die ist auch gut für gestern fertig gemacht worden, u.
viel besser als ich gedacht hatte; aber freilich wird Dein Kunstauge
in den violetten Schatten bald erkennen, daß mir Schirmer 26 alle
Sonntag beim Caffee Stunde giebt, und das Beste dran dictirt hat,
u. auch selbst mitgeholfen. Aber ich habe sie einmal für Dich an-
gefangen, deshalb kriegst Du sie auch, u. zu Weihnachten giebt es
für hebe Geren neue, wie auch Musik. Nun seid aber artig, (ich
vergaß, daß das eigentlich für Walter 27 u. Sebastian mehr paßt.)
Ich kann Dir heute nur einen kurzen Brief schreiben, denn ich
habe sehr viel zu thun. Heut Abend ist die zweite große Probe für
unser Concert am 22sten. 28 Es geht bis jetzt alles sehr erwünscht.
Wir werden gegen 200 Menschen stark sein, u. der Gesangverein
besteht jetzt aus mehr als 100 Mitgliedern; es sind an jedem Diens-
tag 3-4 neu Aufgenommene eingeführt worden. Die Bachus Arie
u. der Chor können glaub' ich nicht besser gehen, als hier, u. daß
der Anfang des 2ten Theils stark gesungen wird, wird Vater Euch
versichern können. Morgen ist Soloprobe, dann müssen wir alle
auf den Landtagsball, Dienstag ist die letzte Chorprobe, Mittwoch
u. Donnerstag Generalproben, Freitag die Aufführung; zugleich
möchte ich ein angefangenes Ciavierstück gern in der nächsten
Woche beendigen - da wirst Du mich gewiß gern vom Schreiben
141
für jetzt dispensiren. Aber für die Anmerkung habe schönen Dank
(der Liebe Preis) sie ist sehr gut, u. wenn Du willst soll das Comite
Dir dafür officiell danken, mit 14 Unterschriften. Immermann hat
Hensels Bild 29 sehr benutzt u. preist es hier überall sehr - wollte
ich könnte es nur mal wieder sehen.
fanny an felix Berlin, 22. November 1833
Ich habe einen Versett aus der Messe der heiligen Cäcilia 31 , von
dem Dir Mutter wahrscheinlich ein Textblatt mitgeschickt hat, in
2 Tagen componirt, in solcher Eil, daß die Begleitungsstimme bis
heut noch nicht aufgeschrieben ist. Das Ganze war als doppelte
Ueberraschung eingerichtet, denn erst sah man die Decker, ohne,
daß sie sang, dann sang sie einige Töne ungesehn, u. zuletzt sang
sie als wirklich lebendes Bild, natürlich auswendig, was eine zau-
berisch schöne Wirkung gemacht haben soll. Soviel ist gewiß, daß
sie so weit über ihr gewöhnliches Aussehn hin schön war, daß ich
ihr nur eins an die Seite zu setzen weiß, u. das war Röschen Beh-
rend 32 als Engel, die wirklich ohne Uebertreibung himmlisch aus-
sah, einen solchen lebendigen Engelskopf habe ich noch nie ge-
sehn; u. es thut mir leid, daß Hensel jetzt keinen Engel zu malen
hat, wer sie nur erst träfe, würde den schönsten möglichen Engel
malen. Es jammert mich, daß Du sie dies Jahr nicht siehst, wer
weiß ob sie übers Jahr noch so schön ist, dazu muß man eigentlich
15 Jahr seyn. Ueberhaupt hätte ich Dir mit Deinem bekannten
Lämmersinn gewünscht dies Häufchen Schönheit zu sehn. Die
Decker hatte sich ihr Costüm nach dem der Rafaelschen Cäcilia
machen lassen, u. auch ihr Haar so geordnet, was ihr wundervoll
stand. Die Engel waren weiß, Röschen Behrend hatte einen Kopf-
putz aus eignen, hängenden hellblonden Haaren, die ihr in Fülle
bis ans Knie hingen, dazu die feinsten regelmäßigen Züge u. tiefe
dunkle Augen. Flügel, Brillanten auf Stirn u. Schultern, u. die vor-
teilhafteste Beleuchtung verdarben auch nichts, - kurz - ich wollte
Du wärest dabei gewesen, Du hättest Dich gewiß verhebt, u. ir-
gend ein schönes Quartett gemacht, was uns dann zu Gute ge-
kommen wäre. Clärchen Jacques, ein schönes 8jähriges, schwarz-
lockiges Kind, war auch kein übler Engel, u. die kleine Therese
Thuerschmidt 33 , obwohl lange nicht so schön als die beiden An-
142
dem, machte sich an ihrem Platz auch ganz gut. Daß die beiden
größern Mädchen nach Art der älteren Bilderengel ihre Noten-
blätter in der Hand hielten, machte sich allerhebst. Uebrigens war
die ganze Aufstellung ohne Hülfe eines einzigen Handwerkers
nur durch Wilhelm u. seine Schüler geschehn, u. die schönste
Orgel im Attelier fabriziert worden. Nun will ich Dir sagen, daß
ein Satz in der Musik ist, den ich für gut halte, u. nun lebe wohl,
ich habe noch des arrangements zu machen, u. will dann ausgehn,
der Steffens 34 zu ihrem Geburtstage gratuliren. Dunque, addio [. . .]
fanny an felix Berlin, i. Dezember 1833
Es vergeht recht lange Zeit, ehe wir von dem Verlauf Deines Con-
certs 36 etwas erfahren, liebster Felix, u. wir sind recht neugierig
darauf. Deine Freundinn, die Zeitung läßt sich auch Zeit mit sol-
chen Berichten, und so wissen wir noch nichts. Gestern war der
Düsseldorfer Schrödter hier, den wir aber leider verfehlt haben,
wahrscheinlich hat er Dich doch in letzter Zeit gesehn. (O weh,
die berühmte englische Dinte hat auch die Bleichsucht.)
Wir haben, nachdem ich dankbar anerkennen muß, daß Alles,
viele Monate lang, ganz glatt gegangen ist, wieder ein kleines
Hauskreuz. Luise ist sehr unwohl, u. seit heute bettlägerig, u. mir
ist zu Muthe, als würde es ein langwieriges Krankenlager werden.
Gott verhüte es.
Eigentlich habe ich heute angefangen Dir zu schreiben, um einmal
mein Herz über den Zelterschen Briefwechsel 37 auszuschütten,
über den ich in einer fortwährenden stillen Empörung bin. Er wird
uns freilich sehr löffelweis eingegeben, denn da Vater jetzt nicht
Abends lesen kann 38 , wird drüben vorgelesen, u. da genießt man
das Buch mehr als billig. Vater ist übrigens auch sehr unwilÜg
darüber, u. es tritt hier der seltene Fall ein, daß wir Alle einstimmig
derselben Meinung sind, und auch noch nicht einmal über eine
einzelne Stelle gestritten haben. Es thut mir wirklich Zelters we-
gen leid, der sich selbst hier auf eine so schlechte Art auf die Nach-
welt bringt. Goethes Ruf kann erstlich schon eher einen Puff ver-
tragen, u. dann sind seine Briefe unendlich besser als Zelters, ob-
wohl Beide durch diese Veröffentlichung nur verlieren können.
Von Zelters Seite herrscht darin eine unangenehm fatale Gesin-
143
nung, die wir zwar immer bei ihm vermuthen konnten, die wir
uns aber auch immer wegraisonnirt haben, hier ist sie aber unab-
weislich geworden. Eigennutz, Selbstsucht, eine ekelhafte Vergöt-
terung Goethes, ohne eigentliche verständige Würdigung, die in-
discreteste Blosstellung aller Andern, die zwar in einem vertrauli-
chen Briefwechsel zu entschuldigen ist, aber die Bekanntmachung
hätte unmöglich machen müssen, alles dies u. noch manches An-
dre macht mir dies Buch ordentlich verächtlich. Ein Beispiel unter
Vielen von unglaublicher Unwissenheit findet sich auch darin,
Zelter fragt Goethe, was Byzanz eigentlich ist, u. erhält von ihm
die gewünschte Auskunft. Dazu korrespondirt man mit Goethe!
die Leerheit der ganzen Sammlung übertrifft wahrhaftig jede Er-
wartung. Theatergeschwätz u. Klatschereien sind der einzige In-
halt, u. daß Goethe darauf auch nicht viel Gescheutes antworten
kann, liegt im Tage. Pfui baba! Nun hat man hier noch die Freude,
es natürlich von Jedem durch sprechen zu hören, der mit Recht
beleidigt ist, sich ohne seine Zustimmung darin durchgehechelt zu
finden, es giebt Leute, die ordentlich steckbriefmäßig drin geschil-
dert sind. Und nun genug von diesem unsaubern Gegenstande,
mir hat dies Buch das Andenken an einen Mann, den ich Heb
gehabt habe, u. gern geachtet hätte, ganz u. für immer getrübt. 39
Sebastian ist ganz allerliebst, u. von dem Andenken an Onkel Felix
immerfort erfüllt. Du nimmst einen bedeutenden Platz in seinen
Spielen ein, u. bist immer derjenige, den er als Postillon herfährt.
Oft sagt er auch so ganz ohne Veranlassung: Wann kommt denn
endlich mein guter Onkel Felix wieder? Er meint auch gewiß, Du
kämest zu Weihnachten. Eben spricht er wieder von Dir.
Da ich jetzt niemand mit ihm auszuschicken habe 40 , so gehe ich
jeden Tag selbst mit ihm spatzieren, oder wenn ich Besorgungen
u. Besuche zu machen habe, so nehme ich ihn mit. Man kann
schon die weitesten Wege mit ihm machen. Er ist magerer aber
munterer, u. ausgelassener als je, und sein Sprechen setzt mich,
obgleich ich es täglich höre, doch immer von Neuem in Verwun-
derung. Seine Neigung zu den Damen, Heber Felix, ist noch im-
mer dieselbe, heut hat sich die Haehnel 41 zu Tisch bei uns melden
lassen, da kann er die Zeit gar nicht erwarten, u. hat schon 20mal
nach ihr gefragt.
Eben war die Decker hier, bei der am Mittwoch der Don Juan
144
gesungen werden soll. Ich bedaure sehr, daß mir meine Partitur
gestohlen ist, u. werde suchen, mir eine Andre zu verschaffen,
denn lieber Felix, ich renommire da, und setze die Leute in Erstau-
nen, indem ich die Zauberflöte aus der Partitur, u. das Opferfest 42
vom Blatte spiele, das Letztere aber war eine unschuldige Renom-
mage 43 , es traf so mit meinem Cäcüienfest zusammen, daß ich
nicht Zeit hatte, es durchzusehn. Im Ganzen mache ich diesen
Winter sehr viel Musik, u. bin ganz wohl damit zufrieden. Meine
Sonntagmorgen erhalten sich ziemlich brillant, bis auf den letzten,
der brillant klaterig 44 war. Lebe wohl für heut.
fanny an felix 45 Berlin, 26. Dezember 1833
Wie oft Du dies mal unsere Weihnachtsfreuden lesen wirst, lasse
ich dahin gestellt seyn, denn Mutter, Rebecka und ich haben uns
verabredet, uns nicht zu verabreden, und nun, aus Furcht, es
möchte Jede glauben, die Andre schriebe Alles, wird woljede Alles
schreiben [. . .]
Du hast gefehlt, das weißt Du wohl, u. ich denke, wir haben Dir
auch gefehlt, u. daß Du nicht hier warst, war sehr schade, denn ich
habe selten einen so gelungenen Abend gesehn, (unser Cäcilien-
fest war es in andrer Art) wo so Alles gelang u. griff, u. das war um
so erfreulicher, als unser letzter theatralischer Versuch, zu Vaters
Geburtstag so komplet geplumpt war, (u. ich bleibe dabei, es war
sehr komisch angelegt), daß ich mich keine ähnlichen Schite 46 in
den Annalen unsres Theaterlebens zu erinnern weiß. Dir Kapell-
meister von mehr Erfahrung als Jahren, brauch ich ja nicht ein
Publicum zu demonstrieren.
Also: der Saal war durch drei verschiedene Völkerschaften in Be-
sitz genommen. Paul besaß die Nische, Mutter hatte den eigentli-
chen großen Raum des Saals, bis auf das mittlere Fenster, worin
Rebecka u. ich eine Bude aufgebaut hatten, die, um uns nicht selbst
zu loben, ganz allerliebst war. Vor dem geschlossenen Fensterla-
den hing ein Spiegel, an beiden Seitenwänden Theaterlampen [. . .]
Die Bude selbst war mit allerhand zu verschenkenden Kleiderzeu-
gen drappirt, u. die Pfeiler (Bohnenstangen mit Zeug maskirt)
durch Trophäen von Kinderspielzeug geschmückt. Auf einem
quervorstehenden langen Tische lagen nun unsre Geschenke aus-
M5
gebreitet, u. dahinter standen wir Beide als Verkäuferinnen (zu
Schleuderpreisen) mit schwarzen Kopftüchern, wie die hiesigen
Landfrauen. Als wir zu Ende waren, setzte sich Mutter unter einen
aufgespannten Regenschirm, u. hielt ihren Markt, der sehr reich-
lich für uns ausfiel. Dich aber interessiren Blondenärmel 47 und
Thibetkleider 48 nicht. Hierauf kam Paul, der als Tyroler brillant
aussah, u. auf seinem Brett eine Menge schöner, nützlicher, gut
gewählter Geschenke mit sehr niedlichen, selbst gemachten u. ab-
gelesenen Versen vertheilte.
Hieraufließ sich Herr Decker 49 melden, u. Hensel kam, ganz be-
hangen mit Fußdecken, die wir den jungen Leuten aus dem Atte-
lier 50 zum Geschenk machten, vertheilte ebenfalls unter sehr hüb-
schen, komischen Versen seine Geschenke, u. brachte mir, zu mei-
ner großen Freude, die Landschaft von Dir, die ihm Waagen eine
Stunde vorher abgegeben hatte. Habe vielen Dank dafür, sie soll
ein neues, schönes Buch zieren, das ich mir anlege. Als nun jeder
beschenkt war, u. hatte, trat Moser 51 aus der Nische vor, als Inva-
lite, wie er sich nannte, u. kündigte ein Puppentheater an, auf dem
nun die jungen Leute eine Reihe von allerliebsten Darstellungen
gaben, die Moser durch brillant hübsche u. witzige Verse erläuter-
te. Das kleine Ding machte den größten Effect, u. das Publicum
kam von Anfang bis Ende nicht aus dem Lachen. Die Vorstellung
bestand aus vier komischen Bildern, von denen das erste ein Ständ-
chen, von ganzem Personale gegeben, vorstellte. Pohlke 52 zeich-
nete sich als sentimentaler Violinist aus. Dann folgte eine altvate-
rische Menuett, getanzt von Paul als Dame, u. Wagner 53 , der einen
langen Zopf zierlich in der Hand trug. Pohlke war wieder Musi-
kant, wäre aber beinah umgefallen vor Lachen. Dann kam das
Urtheil des Paris. Paul als Paris war nicht karikirt, u. sah ganz
allerhebst aus. Kaselwosky 54 als moderne Venus niederträchtig
hübsch, oder wie Hensel sagte so unverschämt liederlich. Löwen-
stein 55 trug als Minerva einen naiven schwarzen Schnurrbart,
Helm u. schottischen Mantel, u. Burggraf 56 war eine Juno aus dem
vorigen Jahrhundert; der Schäfer war karakterisirt durch ein gro-
ßes Fell, unter dem Pohlke steckte. Dies Bild mußte auf stür-
misches Begehren wiederholt werden. Das letzte war ein Duell
zwischen einem verhungerten Studenten, Pohlke, u. einem polni-
schen Grafen, Wagner. Der eine focht mit einer Gerte, u. der
146
andere mit den Nägeln, u. das Ganze schloß damit, daß Beide auf
eine unbeschreiblich komische Art über einander wegsprangen u.
todt hinfielen. Dies Alles klingt nun erzählt gar nicht schön, Du
kannst mir aber glauben, daß außer uns Allen Varnhagen u. Gans
sich ausgeschüttet haben vor Lachen, u. Moser u. Allen die größte
Gerechtigkeit widerfahren ließen. Mir haben die jungen Leute
eine wunderhübsche Zeichnung geschenkt, eine Bocciapartie im
Garten, mit allen Portraits. Ich habe Jedem ein kleines Zeichen-
buch gearbeitet, u. auf eine sehr feine Art durch Verse verloost [. . .]
Sebastian war sehr artig zu Weihnachten, u. will es Dir selbst er-
zählen.
Lieber Onkel Felix, ich habe einen Säbel bekommen, u. habe ei-
nen Ochsenwagen bekommen, u. habe einen Wagen mit Säcke
drin bekommen, u. einen Chocoladenmann. Lieber Onkel Felix,
ich habe ein Taubenhaus bekommen, die Tauben sitzen drauf u.
können tanzen, u. 2 Tassen u. eine Kanne, eine Patronentasche,
ein Bilderbuch, u. Zinn, ich weiß nicht so recht genau.
Der Brief muß fort in Eil.
fanny an felix Berlin, I.Januar 1834
Viel Glück zum neuen Jahr, und möge es uns in seinem Kreislauf
gesund und froh zusammenführen. Die Sylvesterspäße flauen
nach und nach ab, und so haben wir auch dies mal das Jahr ganz
unter uns beschlossen, still kann ich nicht sagen, denn es wurde,
comme toujours, viel gestritten, aber um 11 machten wir Neujahr,
zum Beweise, wie ledern wir waren. Albert Frank 58 half uns noch
dabei, er ist ein nettes Exemplar von einem Frank, gehört bald zur
Familie, ist ein exklusiver Musikfreund, und promovirt wirklich,
was ihn vor anderen Franken auszeichnet. Wenn Dir nur nicht der
Rhein auf dem cubiculum 59 steigt, von der hiesigen Wasser-, u.
Schmutzmasse kann man sich keinen Begriff machen, auch rich-
ten die Stürme großen Schaden an, u. Marx, der eben von einer
Weihnachtsferienreise nach Dessau u. Leipzig zurückkommt, er-
zählt, daß die vielen tausend Stämme, die den Weg verbarricadie-
ren, aus Mangel an Zeit gar nicht weggeräumt, sondern nur durch-
sägt wurden, um die Wagen hindurch zu lassen. Da er das vorige
Mal sehr verhebt in Adelheid Müller 60 zurückgekommen war, so
147
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Sebastian Hensel
dachten wir schon, als er jetzt so plötzlich u. heimlich fortreiste, er
wäre hin, um sie zu heirathen. Aber nein! Es waren Familienan-
gelegenheiten, wie er sagt, die Leipziger haben gute Geschäfte mit
Buchhändlern gemacht. Kannst Du richten, der Du Alles dort
kannst, in einem Deiner Concerte etwas von ihm zu geben? Etwa
den Parsenchor? Ich habe das vorige Mal vergessen Dir zu schrei-
ben, vielleicht hats Mutter aber gethan, daß der Kunstverein Hen-
sels Bild von den Weibern am Brunnen 61 gekauft hat. Sie haben es
ihm angetragen. [...] 62 Wie Du bei Sebastian in Ansehn stehst,
wundert mich zuweilen selbst, sehr oft ruft er ganz vom Zaun
gebrochen aus: Wann kommt endlich mein guter Onkel Felix
wieder? Und nach Düsseldorf reisen, ist das stehende Spiel. Er hat
in diesem Jahr auf jede Weise erstaunlich gewonnen, da wir das
große Glück gehabt haben, ihn immer gesund zu erhalten. Gott
gebe es ferner so. Ueberhaupt können wir uns über das abgelau-
fene Jahr nicht beklagen. Es ist alles glatt und gut gegangen, u. gar
Manches geschehn, was man wohl für ein direct günstiges Ge-
schick ansehn mag. Mit einem Wort, ich bin zufrieden, und ich
denke wohl, wir sinds Alle. Und wenn dann Vater auch sagt, wer
mit seinem Schicksal zufrieden, komme eben deshalb nicht weiter,
weil er nicht den unruhigen Trieb nach vorwärts hat, so meint ers
doch wohl nicht ganz im Ernst, u. Alles geht bei uns, still und
ruhig, innerlich und äußerlich besser. Und das ist mir Heber als ein
sprungweises Gelingen. Pauline Deckers Bild ist angekommen,
ich habe es noch nicht gesehn. Hensel findet es sehr schön, na-
mentlich irgend einen Unterarm vortrefflich gemalt, nur zu brau-
ne Schatten an Hals und Kopf. Mary Alexander 63 hat uns einen
Brief geschrieben, der ist ja zum Küssen. Die reizendste Naivität,
wie man sie kaum von einer Person über 14 Jahr erwarten soll, im
liebenswürdigsten, originell falschen Deutsch. Das Mädchen muß
ganz leidlich seyn. Lebe wohl, mein Schatz. Wir machens sehr
gnädig mit Dir, denn für einen Brief bekommst Du wenigstens 4.
Na, verzehr sie mit Gesundh. O weh, Du kannst kein Mauscheln
leiden. 64
149
fanny an felix Berlin, 25. Januar 1834
Ich hatte mir vorgenommen, Dir einmal zu Deinem Geburtstage
recht ausführlich, lang u. weilig zu schreiben, und 4 Wochen vor-
her anzufangen, aber Gott weiß, wie es zugeht, wie mir die Tage
jetzt fliegen, davon hast Du keinen Begriff, u. zu keiner vernünf-
tigen Sache kann man kommen, so vielen Kühen hat man die
Schwänze aufzubinden. Nebenbei: ist es mir seit Deiner Abreise
fast beständig so gegangen, daß ich meine Briefe an Dich, eine
Stunde, ehe die Deinigen kamen, abgeschickt, u. das ist dann doch,
mit Respekt zu sagen, absurd. Jetzt aber liegt einer vor mir, u. da
muß ich Dir denn zuerst sagen, daß es mich sehr amüsiert, wie
gewisse kleine Beziehungen, zufällige u. andere, sich immer zwi-
schen uns wiederholen, u. auch in der Entfernung nicht ausblei-
ben. Als man mir Deinen Brief herüberschickte, worin Du von
Deinen Proben des Don Juan schreibst 66 , saß ich gerade am Kla-
vier mit der Partitur des Don Juan vor mir, weil er den andern
Abend bei der Decker gesungen werden sollte. Neulich, schreibst
Du, Du habest auf die Cellos aus Fidelio phantasirt 67 , u. da liegt
auch richtig das Stück der Partitur aufgeschlagen vor mir, denn
morgen habe ich lustige Sonntagsmusik u. laß die Hauptstücke aus
Fidelio singen.
Ich habe in dieser Zeit sehr viel einzustudieren u. zu musiciren
gehabt, könnte ich nur einmal eine Sache mit so viel Proben ein-
üben, als ich wollte, ich glaube wirklich, ich habe Talent dazu, u.
auch es den Leuten deutlich zu machen, aber die Dilettanten!
Wäre ich Jean Paul, ich schaltete 68 hier ein Extrablatt über sie ein,
an Stoff fehlt es mir nicht. Aber mit der Decker ist prächtig musi-
ciren; das ist ein Talent! Sie war gestern hier, u. sagte gelegentlich,
sie habe eine zärtliche Zuneigung für Dich, ich bat um Erlaubniß
Dir das wörtlich zu Deinem Geburtstage schreiben zu dürfen. Du
erhältst nachträglich zu Deinem Geburtstag von Deinen soeurs
grises einen Ofenschirm, der sich wird sehn lassen.
[...] A propos, warum hast Du noch keinen Riß Deiner Stube
geschickt, mit no. 1 Sopha, 2 Flügel etc. Ich bitte darum, nebst
ähnlichem Portrait der Wirthstafel, die Dich speist.
26sten. Eben ist mein Fidelio beendet, u. den Umständen nach, hat
er sich sehr wohl befunden, u. das Publicum welches schon wieder
150
so anfängt zu wachsen wie damals war entzückt. Die Decker hat
wunderschön gesungen, u. alle Dilettanti leidlich. Wenn Du fragst,
wer jetzt den Tenor singt, so ist es H. v. Dachröden, der sich sehr
viel Mühe giebt, u. eine hübsche Stimme hat, mit der er singt, u.
ein hübsches Gesicht, mit dem er sitzt, nämlich im Attelier. Ferner
ein Studentchen von 4 Zoll, mit einer sehr hübschen Stimme, die
wie eine Parodie von Mantius klingt, der singt Jaquino [...]
Kennst Du die Frau Waagen? 69 Sie ist eine der schönsten Frauen
in Berlin, wie Rosa Behrend das schönste Mädchen, u. hatte heute
ganz eigene Zöpfe, aus Gehorsam gegen ihren Mann, als aber die
Musik aus war, nahmen Rebecca u. ich sie vor, u. meinten, das
müßte noch etwas anderes seyn, sie mußte sich hinsetzen, ich holte
Kamm u. Staubmantel, u. sie wurde frisirt, da hättest Du Haar
gesehen, das würde Dir gefallen haben. Wie ein Mantel, lang, egal,
u. von schönstem Schwarz. Ich kann mich an der Frau nicht satt
sehen 70 .
zSsten.
Gestern hat sich Moser wieder einmal zu Mozarts Geburtstag die
Taschen gefüllt 71 [. . .] Der alte Fuchs befindet sich wohl dabei, u.
das Publicum auch. Die Symphonie aus c dur ging ganz vortreff-
lich, u. erfrischte u. erfreute. Was ist das für ein prächtiges Stück,
welche Lebendigkeit u. Jugendlichkeit. Die Gesangsstücke waren
nicht alle günstig gewählt, u. Taubert spielte ein nicht sehr schönes
Concert sehr unschön. Er spielt so sehr dilettantisch u. unfertig, u.
kann keine Melodie schön vortragen. [. . .]
Du willst ein Buch Sebastian u. einBuch Walter? Das Buch Walter
wird Dir Beckchen schreiben, es wird anfangen: der Zahn, der
Zahn, der ist heraus. Das Buch Sebastian könnte ich sehr lang
machen, das Kerlchen ist allerliebst. Gestern hatte er bei Beckchen
gegessen, u. kam wieder herunter, als wir noch bei Tisch waren,
u. Ente u. Rüben aßen. Nach verschiedenen mißglückten Versu-
chen, noch einmal mit zu essen, fing er aufs Zärtlichste an zu
schmeicheln, u. sagte: liebste Mutter, thu mir den einzigen Gefal-
len, gieb mir einen kleinen Knochen, wo gar nichts dran ist, dann
will ich spielen, es wäre was dran. Und als er nun sah, daß wir uns
des Lachens nicht enthalten konnte, fuhr er dreister fort: und dann
gieb mir eine Rübe noch [. . .] Heut früh sagte er: ich habe Dich am
allerliebsten, keinen Fremden hab ich so lieb wie Dich. Als Hensel
151
aufwachte, sagte er, die Augen wären ihm noch zugeklebt vor
Schlaf, da fing der kleine Naseweis gleich an: in Basedow ist ein
Jäger, der stellt ein Gefäß mit Leim hin, da kommen die Affen, u.
kleben sich die Augen zu. Es ist gar zu niedlich, ihn etwas wieder
erzählen zu hören, was er etwa einmal gelegentlich gehört hat, u.
an der Art, wie ers wiedererzählt, zu erkennen, daß ers ganz richtig
u. deutlich verstanden hat. Da ist er selbst. Lieber Onkel Felix.
Bitte bitte, lieber Onkel Felix, wenn Du wiederkömmst, bitte bit-
te, nimm eine Trommel, u. komme mit mir in den Garten. [. . .]
Lieber Onkel Felix, es ist gar kein Winter, u. es blühen schon
Blumen im Garten, Krokusse u. Veilchen, u. Dintfässer, u. Gläser
u. Feder u. Papier. Lieber Onkel Felix, ich habe in Vaters Attelier
2 Prinzessinnen gesehen, die eine nicht schön, die andre schön.
Lieber Onkel Felix, Madame Decker macht mir eine blaue Ta-
sche. Walter hat neulich mal Diarrhoe gehabt, u. sein Popochen
hat ihm weh gethan, u. hat ihm gebrannt, u. Walter hat einen Zahn
bekommen, u. ein Schaukelpferd. Adieu, Onkel Felix, jetzt esse
ich meine Suppe u. geh zu Bett, u. Mutter lässt die Thür ein bi-
schen auf. Einen schönen Brief hat der ausgelassene Schummel
geschrieben.
Gestern sagt er zum Vater: aber Vater, Du hast immer dieselben
Farben, u. malst doch so verschiedene Bilder: Tante Beckchen, u.
den Mohr u. die Juden, wie kann das wohl seyn? (Seine Redens-
art.) Neulich hatte er mir ein Glas Wasser in meine Pantoffeln
geschüttet, u. sagte nachher, als ich ihm die gehörige Moral dar-
über predigte, aber Mutter, Du hast mich doch lieb, das war ja nur
ungeschickt, das war nicht unartig.
Daß wir durchaus nicht hinter südlicheren Ländern zurück sind,
sondern blühende Crokus, grünblättrige Centyfolien 72 , u. finger-
lang aufgeschossene Hyacinthen, nebst der obligaten Ueber-
schwemmung im Garten haben, wirst Du wohl wissen. Mich per-
sönlich ergötzt dieser Unwinter sehr, es ist mir noch nicht ge-
schehn, mich mit einmaligem Heizen in meinem Zimmer behag-
lich zu fühlen [. . .]
Hast Du schon von den neuen Eisenbahnprojekten in England
gelesen, auf denen mann [. . .] in 4 Stunden nach Düsseldorf käme?
O Hypercivilisation, wann wirst Du uns erreichen? [. . .] 73
152
fanny an felix 74 Berlin, 12. 75 Februar 1834
Ich habe Dir vielen Dank zu sagen, lieber Felix, für Deine schöne
Melusine 76 , welche jetzt anfängt, es für mich zu seyn, nachdem sie
mir allerdings eine sehr spröde Schöne gewesen. Deine Partituren
sind überhaupt schwer (ich triumphirte schon neulich, da ich die
Zwischenacte zu Egmont sehr geläufig las) u. nun diese an man-
chen Stellen sehr räthselhaft geschrieben, so daß ich mir den Ge-
nuß, wie er billig, durch einige Mühe erkaufen muß. Indessen wie
gesagt, ich fange an Licht zu sehen, u. sehr schönes Licht, wie ich
es aber anfangen werde, das Stück Anderen 77 genießbar vorzutra-
gen, weiß ich noch nicht.
Moscheies Redaction Eurer Zigeunervariationen 78 wird Dich,
glaub ich, nicht erfreuen. Es ist nicht geschickt gemacht, gar We-
niges drin, was ich Dir zuschreibe, u. die Zuthaten, z.B. die Intro-
duction, sehr matt. Ich finde für die Herausgabe hätte er den Cha-
racter des Augenblicklichen ein wenig herausbringen sollen. Ce-
pendant, sage ich, u. Du sagst hah, u. es ist abgemacht. [. . .]
Die beiden Lieder ohne Worte sind auch sehr hübsch, das Eine,
was jungen Damen zu empfehlen ist, die etc. werde ich wohl un-
gespielt lassen. Junge, warum schreibst Du immer so rasend unbe-
quem? Beethoven kommt Einem nach Dir ordentlich fingerge-
recht vor. 79
A propos, als ich Deine Melusine zuerst in die Hände bekam, zog
ich sogleich den Zettel heraus, der drin steckte, u. las: wo das
Zeichen Hegt, ist meine Lieblingsstelle. Noch wage ich nicht zu
entscheiden, ists g dur? [. . .]
Du bist uns noch Rechenschaft schuldig. Ueber den Bah zu Dei-
nem Geburtstag, Egmont, u. Dein 2tes Concert 80 , von dem wir
durch Kortum 81 wissens, daß es Statt gefunden. Sey weniger
schweigsam. Schreibe überhaupt von Familien, die Du dort
kennst, u. denen Du Unglück anrichtest, schreibe mir einmal ei-
nen Privatbrief über les amours de Jacques in Düsseldorf, ich wills
auch keinem Menschen wieder sagen, u. wenn wir über die Her-
ausgabe unsrer Briefe Contract abschließen, wollen wir verord-
nen, daß die Namen wegbleiben.
[■;■]
Lieber Onkel Felix, Tante Luise läßt Dich grüßen. Lieber O. F.,
153
ich bin sehr artig. Ich esse allein, weil es sonst so sehr spät wird.
Lieber Onkel F., heut ist sehr schön Wetter, ich geh aus, in der
Schule. Jaja Onkel Felix, ich geh in der Schule a b c d. (jetzt spricht
er Unsinn in infinitum.) Der Junge ist einzig niedlich jetzt u. hat
wirklich Character, insoweit ein Kind seines Alters ihn haben
kann, z.B. wie er Strafe erträgt, u. wie er sein Wort hält, so daß
man sich so ziemlich sicher auf das verlassen kann, was er ver-
spricht.
Ich soll Dich erinnern an den Titel Deiner Symphonie für Schle-
singer. 82
Einer ähnlichen Theilnahme, wie Schleiermachers Tod 83 erregt
hat, weiß sich kein Mensch zu erinnern, Du wirst die Beschreibung
seines Leichenbegängnisses in den Zeitungen gelesen haben, dies
mal aber ist sie wirklich nicht übertrieben, es sollen 30-40 000
Menschen auf den Beinen gewesen seyn, u. man hört kein ander
Gespräch. An dem hast Du auch einen Freund verloren. Donners-
tag giebt die Academie die h moll Messe. Fürchterlicheres wird
man wahrscheinlich nie gehört haben. Der 2te Theil soll gar nicht
studiert seyn. Versuche nun wohl zu leben, ich bin hungrig u. muß
frühstücken. Sage mal, wann kommst Du dies Jahr nachBerlin? Du
sprachst neulich was vom Mai, nimmst Du nicht lieber im Herbst
Urlaub? Kommst ordentüch zur Ausstellung 84 u. bleibst lange? In
jedem Fall hoffe ich doch, giebst Du unsrer guten Stadt den Vorzug,
wenn Du reisest. Daß wir kommen dies Jahr, glaube ich schwerlich.
Ich hoffe, daß Hensel fertig wird, indeß kann ich mir nicht verber-
gen, daß er hohes Spiel spielt. Die Sache ist schon auf Wochen
gestellt, das geringste ernste Hinderniß giebt bösen Ausschlag. Gott
gebe das Beste. Antworte darüber nicht. Uebrigens wird das Bild
vortrefflich. Du glaubst nicht, wie alle übermalte Theile bedeutend
hervortreten, ich glaube, es kann nicht verfehlen, wie alles Aechte,
eine große Wirkung zu machen. Leb wohl.
fanny an felix 85 Berlin, 18. Februar 1834 86
Deine schöne Melusine hab ich nun ziemlich in der Gewalt, und
große Freude dran. Das Stück plätschert ganz prächtig, u. Du hast
den Wellen eine höchst anmuthige Mannigfaltigkeit gegeben.
Uebrigens kenne ich das Mährchen gar nicht 87 , was ist denn das
154
für ein Seelöwe, der so bös in f moll angebrummt kommt, u. dann
immer wieder durch das freundliche Wellenspiel beschwichtigt
wird? Ich werde mir nächstens eine schriftliche Instruction über
die Ouvertüre aus bitten, oder doch eine Anweisung, welches
Mährchen ich zu lesen habe? (Fatal, da nehme ich mir einen schö-
nen Bogen, lasse mir eine neue Feder schneiden, u. will Dir einen
recht sonntäglichen Brief schreiben, aber die Feder ist schlecht, u.
nimmt mir die ganze duftige Stimmung) [. . .]
Aber Du hast keinen Begriff, was für Sonne hineinscheint, eben
mache ich das Fenster auf. Um auf Deinen Fisch zurückzukom-
men, so ist es doch ein ander Ding, wenn man zu Haus zusammen
ist, Du mir einen ganz frischen Gedanken herüberbringst, u. mir
nicht sagen willst, wozu er ist, den Tag darauf den zweiten, den
dritten Tag Dich mit der Durchführung quälst, u. ich Dich tröste,
wenn Du meinst, Du könntest nun gar nichts mehr schreiben, u.
am Ende das Werk dasteht, daß man meint, man habe Theil daran.
Die hübschen Zeiten sind aber freilich längst vorüber. So erhalte
ich nach Monaten ein Papier, woran mich freilich zuerst der An-
blick Deiner Handschrift, und das Datum Deines Geburtstages
erfreut, aber dann kommt das lange Fegefeuer des Hindurcharbei-
tens durch eine fremde Partitur, ehe man zum Genuß gelangt, statt
daß sonst die erste Bekanntschaft gleich durch reine Freude beglei-
tet war. Diese habe ich aber jetzt auch bei der Melusine. Ich bin
nun so weit, daß ich neue Entdeckungen in Kleinigkeiten mache,
die mich unendlich erfreuen. Einiges Wenige, was ich musikalisch
vielleicht aussetzen möchte, verschiebe ich, denn ich fühle mich
heut nicht zum Tadel aufgelegt.
zSsten Februar.
Einstweilen ist Dein letzter Brief, u. einer von Madame Moscheies
angekommen, woraus wir die günstige Aufnahme Deiner Ouver-
türe in London erfahren haben. 88 Wann werde ich sie wohl zu
hören bekommen? Ich habe ja, dumm genug, noch nicht einmal
Deine Reformationssymphonie gehört. Du hast doch gewiß die
Idee, die Walpurgisnacht in Düsseldorf aufführen zu lassen, hast
Du schon bestimmt, wann? Wenn Du einmal Gelegenheit hast,
mir die Partitur auf ein paar Wochen zu schicken, so würdest Du
mich sehr erfreuen, Rückgelegenheit findet sich von hier immer
durch den bekannten, gütigen Portier.
155
Löwe 89 ist wieder hier, u. hat eine kleine Oper, mit Text v. Rau-
pach 90 gegeben, Devrient u. ich meinen, er würde hier Kapellmei-
ster werden, es hat allen Anschein. Er hat eine Beharrlichkeit der
Unart, die mich anfangs ärgerte, jetzt aber belustigt. Ich weiß näm-
lich, daß er mich kennt, u. wir treffen zusammen, stehen neben
einander, sprechen mit derselben Person, ohne daß er Miene
machte, mich zu grüßen. 91 Mit Marx hat er es noch besser ge-
macht. Ein Student erzählte ihm von seinem Verein bei der Uni-
versität, darauf frag er: Marx, wer ist das?
Marx giebt zwei Stücke für Männergesänge heraus 92 , worin sehr
schöne Sachen sind. Ich habe ihm, über das was mir falsch u. ge-
fährlich schien, sehr offen meine Meinung gesagt, u. er hat fast
Alles nach meinem Vorschlag abgeändert.
[. . .] Ich fürchte, das große Londoner Musikfest wird doch ziehn
da überhaupt der Londoner Magnet für Dich keiner sonderlichen
Verstärkung bedarf. Oder bist Du treu u. kommst her? Es wäre
wohl Noth, daß wir wieder einmal in Ruhe ein Paar Monate zu-
sammen lebten. Devrient hat mir Deine Volkslieder gebracht, die
mir ungemein gefallen, ganz besonders das 2te, u. im letzten die
Vögel im Abendwinde. Die Gedichte sind sehr reizend. Man sieht,
was Heyne machen kann, wenn er einmal die Pointe aufgiebt.
Was mir aber unbegreiflich ist, u. worüber ich Dich fragen muß,
ist, warum Du Deine eignen, Heben Liederchen 4Stimmig gesetzt
hast, 93 was mir weder zum Text, noch zu Deiner Auffassung davon
zu passen scheint. Sprich, guter Ali. Noch einmal auf Deine Me-
lusine zurückzukommen, so will ich Dir auch jetzt die Kleinigkeit
sagen, die mir nicht daran gefällt. Das ist also erstlich die erste
Ausweichung nach der Dominante, ein Punkt, über den Du Dich
selbst oft beklagt hast. Dagegen bist Du sehr schön wieder nach f
dur gekommen. Der ganze Mittelsatz mit dem Gesänge in as-dur
ist wunderschön. Dann kommt eine Stelle, die mir nicht gefällt, u.
wo ich wetten möchte, daß Du Dich damit gequält hast. Es ist das
Ende des Crescendo, welches zu dem forte führt, [...] dann das
folgende Forte, bis es wieder herunter u. nach g dur geht, wo es
wieder wunderschön wird. Die benannte Stelle aber erscheint mir
eine Nath 94 . In der darauffolgenden Durchführung, wo ich beson-
ders die Stelle in c dur u. g mit der Septime Rebe, ist ein Takt, der
mir nicht recht gefällt, es ist der in c dur vor dem schönen a dur,
156
weil Du schon einmal länger in c dur warst. Ein großer Liebling
ist die Clarinette mit der Verzierung, dann die beiden Bratschen
unten, u. darauf das Thema mit der schönen Flöte. Der ganze
Schluß ist wunderschön. Und nun bin ich fertig. Du wirst finden,
ich habe viel von Rellstab und J. P. Schmidt 95 profitiert. Es ist der
. Kuckuck, daß jede geschriebene Meinung über so etwas gleich so
verdammt rezensentisch u. hundemäßig klingt. Indem ichs jetzt
wieder aber lese, möchte ich den Brief lieber zerreißen, dann wür-
dest Du aber nicht das Glück haben, außer den Wachslichtern
auch durch meine Weisheit erleuchtet zu werden, es sey also.
Schreibe mir aber, daß ich ein Dummkopf bin, u. will die Hand
küssen.
Du schreibst über Deine Gesangsscene 96 nur, daß eine obligate
Violine für Beriot 97 dabei sey, daraus schließen wir auf einen So-
pran für die Malibran. 98 Passt der Schlüssel?
Auf Deine Umarbeitung der Meeresstille bin ich neugierig. In der
Regel sind die Zeitgenossen der ersten Auflage undankbar gegen
die 2te, u. ich habe eine alte Liebe für das alte Stück mit seinen
Fehlern.
Gestern gaben die Ganze 99 ein Concert, das wir aus musiksonn-
täglichen Rücksichten besuchten, u. das von lauter Modernismus
zusammengesetzt war. Unter anderm hackten die Herren Ar-
nold 100 u. Taubert ein neues Doppelconcert von Kalkbrenner ab,
das nur in der Composition durch den Vortrag, u. im Vortrag durch
die Composition übertroffen wurde. Leopold Ganz hatte eine Pa-
storale komponirt, die durch ein Glöckchen begläutet wurde (hier
noch nie gehört!) Aber Moritz Ganz spielt prächtig, u. hatte we-
nigstens Themas aus Don Juan genommen. Außerdem die Ouver-
türe aus Tauberts Zigeunern. 101 Der hat so lange an Dir herum-
probirt, u. Deine Themas mit dem Würfel durcheinander gerüt-
telt, bis er ein hübsches Motiv herausgebracht hat, das wie ein
Irrlicht klingt, er hat es aber nicht vortheilhaft benutzt, u. für eine
Opernouvertüre ist sie auch zu lang. Lieber Felix, ich weiß gar
nicht, wie wohl mir ist, schon 4 Monate lang ruht der Zelter Goe-
thesche Scandal, der 4te Theil ist noch nicht erschienen, u. so lange
hat man Ruhe. Hoffentlich öffnet Dunckers großer Verlust bei
dieser enterprise den Buchhändlern die Augen u. wir bleiben vor
ähnlichen Gaben sicher, davon sich wieder manche vorbereiten.
157
Unter andern, freue Dich! Bettina Arnims Correspondenz mit
Goethe 102 ! Ich sehe Deine Gesichter von hier. Heynes 103 Tage-
buch, u-. s. w. Adieu, leb wohl [. . .]
felix an fanny Düsseldorf 104 , 7. April 1834
Lieber Fenchel, Du bist wohl sehr böse auf mich schreibfaulen
Menschen? Aber betrachte 105 nur, ich bin ein städtischer Musik-
director u. so ein Thier hat schrecklich viel zu arbeiten. Neulich
kam ich zu 106 Hause, da standen auf dem Schreibtisch zwei Stüh-
le, der Ofenschirm lag unter dem Ciavier, im Bette lag 107 ein Paar
Stiefeln u. Kamm u. Bürste, etc. (Bendemann u. Jordan hatten
mir das als Visitencarte hinterlassen) so sah es oder sieht es aber
genau im Düsseldorfer Musikwesen aus, u. ehe die Ordnung
wieder hineinkommt, kostete Hitze. Drum mußt Du meine
Brieffaulheit jetzt mehr als je entschuldigen, u. selbst desto mehr
schreiben und aufräumen u. feurige Kohlen auf mein Haupt sam-
meln. Der Streitbrief 108 war prächtig; den ich jetzt eben konter-
te 109 ; mehr solche; Du sagst zwar Du sprächst von der Melusine
wie J. P. Schmidt 110 , aber ich wollte nur es wäre wahr, dann wäre
aus einem magern Hofrath auf einmal ein tüchtiger Kerl gewor-
den. Dennoch paß auf, ich will wüthen. O Du! fragst mich, wel-
ches Mährchen Du lesen sollst? Wie viele giebt es denn? Und wie
viele kenne ich denn? Und weißt Du die Geschichte von der
schönen Melusine nicht? Und soll man sich nicht Heber einmum-
men und verkriechen, in alle mögliche Instrumentalmusik ohne
Fabel 111 , wenn die eigene Schwester (Du Rabenschwester!) nicht
einmal so einen Titel goutirt. Oder hast Du wirklich vom schö-
nen Fisch nie gehört? - Wenn ich aber bedenke, wie Du mich
anschnauzen 112 könntest, daß ich im April Dich über Deinen Fe-
bruarbrief anschnauze, so gebe ich klein bei, u. thue Gutes; ich
habe diese Ouvertüre zu einer Oper von Conradin Kreutzer ge-
schrieben, welche ich voriges Jahr um diese Zeit im Königsstäd-
ter Theater hörte. Die Ouvertüre (nämlich die von Kreutzer)
wurde da capo verlangt und misfiel mir ganz apart, nachher auch
die ganze Oper, aber die Hähnel nicht, sondern die war sehr
hebenswürdig, u. namentlich in einer Scene, wo sie sich als Hecht
präsentirt und sich die Haare macht, da bekam ich Lust auch eine
158
Ouvertüre zu machen, die die Leute nicht da capo riefen, aber
die es mehr inwendig hätte, und was mir am sujet gefiel, nahm
ich (und das trifft auch gerade mit dem Mährchen zusammen)
kurz die Ouvertüre in F Dur kam auf die Welt, u. das ist ihre
Familiengeschichte. Hier schicke ich natürlich einen Gruß an die
Hähnel ein, die ich sehr verehre, und die sich, glaub ich, wenig
aus mir macht, u. bestelle ihr daß ich ihr die Ouvertüre zueignen
würde, wenn sie mal rauskommt, u. wenn sie es nicht erlauben
wollte, so möchte sie mich deswegen belangen, aber geschehen
sollte es doch.
Das führt mich wieder auf les amours de Jacques von denen Du
wissen willst; o weh, o weh, hier sind gar keine vorräthig; gestern
war zwar einBall bei Worringens, wo ich einen Cotillon aufführte,
u. mich niedlich machte, und dann ist eine nette Amerikanerinn
hier mit der ich geneckt wurde (und zweimal gesprochen habe)
und dann eine Engländerinn, von der ich mir eine englische Bibel
geliehen habe, als ich noch nicht wußte, was ich fürs Philharmonie
für ein Gesangsstück componiren sollte (das italienische mit Vio-
line oblige ist fertig u. einige Stellen sehr nett u. so schrecklich in
meiner Manier, daß Du lachen müßtest, weshalb ich mich freue,
daß Du es nicht zu sehen kriegst . . .) und dann sind im Singverein
zwei Sopranstimmen, die ich protegiren soll (ist aber nicht wahr)
und dann bin ich 8mal Bräutigam gesagt worden - das ist aber
Alles nicht so was Rechts [. . .], die Schadow 113 redet mir zwar schön
zu, aber ich bin ein nasses Stroh.
Taubert hat ja ein Concert gemacht, wenn das meinem g moll
nicht ähnlich sieht, laß ich mich hängen. Ein verzweifelter Kerl mit
Parodien; zuweilen versteh ich nicht, was er meint; er hat eine
Weihnachtsfantasie geschrieben, worin das Thema »dahin, wer
ruft« angebracht ist, ob das mein Holländisches Lied vorstellen
soll? daß Loewe ein undankbarer Hase ist, wußte ich schon, und
daß man mit solchen Streichen reüssirt, steht in jeder schlechten
Comödie schon, aber in der Realität verdrießt es einen doch; er
wird gewiß in Berlin angestellt, u. macht dann mit Rungenhagen 114
einen Philister aus, denn nicht das einmal ist so ein Kerl ganz, son-
dern möchte gar zu gern Genialität und Les Bonheurs de Phili-
stertum zugleich haben. Geht aber nicht.
Ha, diesen Brief laß nicht drucken, oder setze wenigstens statt
J 59
Rungenhagen blos R oder Unser R., oder unsrer wackrer R.,
oder dergl., sonst wird mein Briefwechsel auch persönlich.
Die Walpurgisnacht kann ich Dir jetzt nicht schicken, weil sie in
unserm nächsten Concert (am 4ten Mai, in hoffentlich schönem
Wetter) wahrscheinlich gemacht wird; ich habe Lust, sie bald in
Partitur etc. herauszugeben, obwohl ich jetzt sehe, daß ich sie fast
ganz noch einmal abschreiben müßte, weil sie nicht gut instru-
mentirt ist, das ist mir aber lieb, daß ichs jetzt besser weiß.
Ich werde jetzt zunächst 3 Fugen 115 herausgeben, die beiden e moll
u. eine, die ich erst dazu machen will, dann ein Ciaviertrio 116 , an
dem ich jetzt bin, übrigens gehe ich mit nächstem an Paulus 117 . Das
Duett um Mitternacht im Kerker, wo sie so ganz gelegentlich die
Fesseln los werden, indem sie Gott loben, ist fast fertig u. wird gut.
[...] Das Duett ist sehr ruhig, u. still, es dur mit Cellos u. viel
sonstigen Bratschen.
Hör mal, ich muß noch an Beckchen schreiben, u. da ein offener
Brief gar kein Brief ist, so werde ich diesen hier zumachen, denn
was auf dieser Seite steht, kann ein jeder lesen. Ah, Du willst mich
auch noch coramiren wegen der 4stimmigkeit meiner Volkslieder?
aber da bin ich beschlagen; mir scheint es nämlich die einzige Art
wie man Volkslieder schreiben kann, weil jede Clavierbegleitung
gleich nach dem Zimmer und dem Notenschrank schmeckt und
weil (der Rest bei Beckchen), Dein Felix M.
fanny an felix Berlin, 12. April 1834
Ich danke Dir, o Mond, für Deine Sonnenstrahlen! Sie sind gerade
zeitig genug angekommen, um eine empfindliche Rache zu ver-
hindern, die ich an Dir durch bedeutsames Schweigen zu nehmen
gedachte. Jetzt nun habe ich meinen Kopf so voll für Dich, daß
mich meine Ideen drücken, wie man es jüngst in französischen
Blättern von Rossini sagte, weil er so lange nichts geschrieben hat.
[••■]
Nun wollen wir uns noch ein wenig musikalisch unterhalten. Dei-
ne Gründe fürs 4stimmige will ich gelten lassen, besonders den
Worringischen. Wären 119 wir hier alle 4 zusammen, u. hättens
gesungen, so wäre es mir wahrscheinlich nicht eingefallen, etwas
dagegen zu haben, wer aber soll hier Tenor singen, wenn Du in
160
Düsseldorf bist? Das verdammte Papier macht mich so philiströs,
es wird einem gar nichts lebendig.
Aber nun sage einmal, mein liebes Dummchen, kannst Dir wirk-
lich einbilden, ego Deine Schwester wäre so ganz von Gott verlas-
sen u. auf ihr Häuptlein gefallen? daß sie alles das von der Melusine
nicht wüßte, was Du mir erzählst? Ich weiß, Du kannst weitläufige
Erläuterungen über alte Sachen nicht leiden, sonst würde ich Dir
schreiben, wie viel davon ich weiß, u. längst gewußt habe, u. würde
Dich über Dein Schelten schelten, dann würdest Du aber wieder
über das Schelten des Scheltens schelten, u. so mit Grazie in infi-
nitum. Stündest Du aber einmal hinter der Thür, u. hörtest sie
mich con amore u. con espressione allein spielen, Du würdest mir
ohne weiteres glauben, daß ich sie für einen Fisch erkannt habe.
Das Trio für F. P. 120 schicke mir doch baldigst, das ist ja ein wahres
Glück für mich. Habe ich Dir schon geschrieben, daß ich diesen
Winter hier mit dem Trio Moscheles' Glück gemacht habe 121 ?
Luise Dulcken 122 läßt Dich sehr grüßen, u. herzlich bitten, ihr das
neue Rondo 123 zu schicken, das Du gemacht hast. Sie spielt Dein
Concert 124 wirklich merkwürdig, ich hätte nicht gedacht, daß es
außer Dir jemand so schmettern 125 könnte. Natürlich spielst Du
es unendlich phantastischer, besonders das Letztemal hier hast Du
es ganz merkwürdig gespielt, u. mit ihrem Vortrag von Gesangs-
stellen bin ich gar nicht einverstanden, aber es ist als wenn sie
Feuer aus den Fingern schüttelte, u. ihre Kraft u. Rapidität ist wirk-
lich bewundernswerth. Uebrigens ist sie abgesehn von ihrem Ta-
lent, eine kluge, gute, hebenswürdige Frau, die sich ungemein
wohl bei uns zu fühlen scheint, u. mit der wir, Rebecka u. ich, in
den wenigen Tagen wieder so intim geworden sind, als wären wir,
wer weiß wie lange, zusammen gewesen. Ein Jammer, daß sie
diesen greulichen Mann hat. Ich habe das tiefste Mitleiden mit ihr,
u. leider die Ueberzeugung, daß es nie besser werden wird. Seba-
stian will schreiben: Gestern war Tante Beckchens Geburtstag.
Tante Beckchen hat Walterchens Zeichnung bekommen. Es ist
ähnlich. Herr Moser hat es gemacht. Adieu lieber Onkel. Ich habe
ein schHmmes Auge. - Wobei sich mein kleines Männchen wirk-
lich wie ein junger Held benimmt. Du hast keine Idee, wie heb u.
brav das Kind ist. Er geht jetzt immer allein u. im Finstern zu Bett,
hatte aber bis jetzt die Marotte, daß die Thür ein wenig aufstehn
161
müßte. Seit kurzem hat er sich nun das auch abgewöhnt, u. brüstet
sich mit seinem Heldenmuth. Gestern war er durch ein schmerz-
haftes Augenwasser, das ich ihm in sein armes schlimmes Äugel-
chen drücken musste, sehr weichmüthig gestimmt, zu Bette ge-
gangen, u. sagte nach den vielen Küssen, die ich ihm immer beim
Einschlafen geben muß: (piangendo) Laß die Thür - (forcement
et vivace) laß die Thür nicht auf, das kann ich gar nicht leiden. Das
war wirklich komisch rührend. Uebrigens verspricht mir der Arzt
[. . .], daß es bald besser seyn, u. gar nichts zu sagen haben soll.
Feiice, im Herbst mußt Du uns doch auf ein paar Wochen besu-
chen, wenn Du auch weiter nicht reisest, womit ich sehr einver-
standen bin, aber unsre Ausstellung mußt Du doch diesmal sehn.
Bitte bitte!
Eben komme ich aus dem Garten zurück, wo der schönste hun-
dekalte grüne Frühling blüht. Man kommt diesmal gar nicht zu
dem angenehmen Frühlingsgefühl, wozu unsrentheils aber auch
viel der Verkauf der wunderschönen Parkparthie des Gartens bei-
tragen mag, in der wir nächste Woche das Vergnügen haben wer-
den, Axt u. Säge aufräumen zu sehn. Was mich aber fast noch
mehr als dies verdrießt u. grämt, ist daß der 126 Schuft von Gärtner
ungestraft, aber nicht unbelobt, den ganzen Rest des Gartens auf
seine Art verstümmelt u. verdirbt, u. daß alle unsre Gegenvorstel-
lungen auf unser Haupt zurückfallen. [. . .]
Weißt Du denn, daß ich in Briefwechsel mit Mary Alexander ste-
he, u. sie zärtlich Hebe? 127 Sie hat mich neulich um ein Stamm-
buchblatt gebeten, u. ich habe drei von den Liedern komponirt,
die sie allerliebst aus dem Deutschen übersetzt hat, 128 u. denen ich
eine Art von Zusammenhang, so gut es gehn wollte, gegeben habe.
Dazu hat W eine kleine Arabeske gezeichnet, leider war der
Raum auf dem von ihr geschickten Notenpapier sehr klein, aber
ich denke, es wird ihr Freude machen. 129 Ihre deutschen Briefchen
sind ja zum Küssen lieb. Dieser Tage fangen wir eine Handarbeit
für sie an. War das geplaudert? Sey aber nicht wieder so grausam,
sondern schreibsam.
162
fanny an felix Berlin, 27. April 1834
Die Nacht war ganz ruhig u. gut 131 , jetzt ist es Mittag, Mutter hat
eben 2 Apfelsinen verzehrt, u. ist ganz munter, hat auch Erlaubniß,
aufzustehn, wenn sie will. Das war ein Schreckschuß, lieber Felix,
u. wer sie vorgestern Abend gesehen hat, hätte nicht an die Mög-
lichkeit geglaubt, daß sie gestern wieder so wohl seyn würde. Gott
sey Dank, daß es so vorübergegangen ist. Wir haben in dieser
Woche rechten Wechsel erfahren. Unser letzter Brief war glaub
ich, das tollste, was Du noch in Düsseldorf erhalten hast, wir waren
wirklich ganz exaltirt vor Lachen, Schreien u. Wundern, 2 Stunden
drauf wurde Mutter krank. Die Agitation über Paul, worüber sie
sich doch sehr freut, u. über Marianne, die sie im Grunde, wie auch
Varnhagen, sehr heb hat, mochten wol das ihrige dazu beigetragen
haben. Uebrigens kann ich Dich versichern, daß sie, während die
Krankheit am Aergsten war, jeden freien Augenblick dazu benutzt
hat, von Marianne sprechen u. sich erzählen zu lassen, was der u.
Jener darüber sagt. [...] Mutter lässt Dir sagen, sie habe Nathan
zum Rabbiner geschickt, um genau zu erfahren, wie alt die Braut
ist: 49 Jahr, gerade so alt, wie er 132 . Mutters Hauptübel besteht
noch in heftigem Herzschlägen, wogegen sie Eis auf der Brust
trägt, dies Mittel incommodirt sie gar nicht, u. thut ihr sehr wohl.
Sie lässt Dir sagen, Deinen Arzt, wenn Du einen hast, darauf auf-
merksam zu machen, daß Du auch die Disposition zu starkem
Herzklopfen hast. Stosch sagt, man könne u. müsse früh dagegen
etwas thun. Mit Stosch sind wir außerordentlich zufrieden, er ist
sehr ernst, aufmerksam, examinirt bis ins kleinste Detail, u. hat
obenan die unvergleichliche Eigenschaft, im Hause zu wohnen; so
daß er vorgestern 5mal unten war, was man doch von keinem
Anderen, mit dem besten Willen, verlangen könnte. [. . .]
Komponirt habe ich lange nichts. Ausgeschrieben: was soll man
machen? Soll man wie H. Hunten einen Walzer fürs Gem. schrei-
ben? [...]
Mutter grüßt noch tausendmal, u. läßt Dir befehlen, gesund zu
bleiben. [. . .] Adieu. Auch Vater läßt sehr grüßen.
163
fanny an felix Berlin, ii. Mai 1834
Mutter geht es recht gut, lieber Felix, u. Abends vortrefflich. Da
sitzen wir Alle um den Theetisch, ganz wie gewöhnlich, u. Mutter
ist ganz munter, ganz wie gewöhnlich, morgens ist sie in der Regel
etwas matt, u. war besonders gestern u. vorgestern der drücken-
den 134 Gewitterluft wegen sehr abgespannt.. Gestern Nachmittag
hat es sich abgekühlt, u. heut ist sie auch viel munterer. Diese
Morgenmattigkeit ist eine Art von Nervenschwäche, die nach
dem Blutverlust sehr erklärlich ist, u. die wir ja leider 135 in der
Familie nur zu gut kennen, nur an Mutter bis jetzt nicht. Viel ist
auch Hypochondrie dabei, sie ist des Krankseyns gottlob nicht
gewohnt, u. Du hast keinen Begriff, wie ängstlich sie ist, so daß
auch jede Zerstreuung, jeder Besuch ihre Stimmung günstig ver-
ändert. Am Nachmittag u. Abend, ich wiederhole es, ist sie fast
ganz wie sonst, munter u. theilnehmend, u. lachlustig und spaß-
haft, marschirt auch tapfer im Garten umher, u. macht, wie alle
Welt, noch immer, Marianne u. Varnhagen zum Ziel ihrer Betrach-
tungen u. Spaße. [. . .]
Daß aber Euer Concert 136 nicht voll war, verdriesst mich, Ihr habt
es wahrscheinlich zu weit in die schöne Jahreszeit hinausgescho-
ben, wo Eure rheinischen Lebemenschen spaziren fahren u. Mai-
trank trinken. Das Trinken scheint bei Euch eine ungeheure Rolle
zu spielen.
[. . .] Deine Sonate aus Fis 137 gefällt mir sehr, u. ich spiele sie fleißig,
denn sie ist ä la Felix sehr schwer. Habe Dank dafür. Lieber Sohn,
an Gelegenheit würde es gerade nicht fehlen, u. ich wollte Dir
Deinen Idomeneo gern schicken, wenn er nur da wäre, aber der
ist mit so manchem Anderen flöten gegangen, ich suchte ihn die-
sen Winter, um die Decker die erste Arie draus, die ich ungeheuer
hebe, singen zu lassen, fort war er. Ich bleibe dabei, wir müssen
einen Hausdieb für Noten haben. [. . .]
Leb wohl, mein Schatz, ich will mit Mutter ein wenig in den Gar-
ten gehn. Gieb mir doch etwas auf zu komponieren, aber nicht die
Weltgeschäfte, oder den dreißigjährigen Krieg, oder die Zeit der
Päpste, oder die Insel Australien, sondern etwas wirklich Brauch-
bares, solid Erscheinendes 138 . A propos, habe ich Dir denn jemals
geschrieben, daß Eisholz 139 uns eine Oper zu lesen gegeben hat,
164
die er Dir schicken will? der größte Scandal, den ich je gelesen
habe, ein Wertstreit der Abgeschmacktheit mit der Langeweile,
unglaublich! Es fällt mir ebenein, weil gestern eine neue Tragödie
von ihm, König Harold, ausgelacht 140 worden. Wir haben ihm auf
die möglichst höfliche Art gesagt, daß Du eine Oper in diesem
Genre schwerlich komponieren würdest, denn N. B. er hat unsre
Meinung über Deine Meinung verlangt, und wenn Du sie be-
kommst, so ist es portofrei durch uns, nicht durch ihn, denn er soll
nicht nur Eisholz, sondern auch Geizhals seyn. - Adieu. 141
fanny an felix' 42 Berlin, 14. Mai 1834
[. . .] Heut ist es so abgekühlt, daß ich nicht den Trost haben werde,
eine Theegesellschaft, die ich veranstalte u. die an Kurzweiligkeit
Alles hinter sich lassen wird, im Garten aufzunehmen. Denke Dir
einen Bodensatz beiderseitiger Verwandten, der sonst im ganzen
Leben nicht aufgerührt wird (Vater sagt, alle meine Tanten thun
mir weh) dazu einige Damen, denen ich gesellige Verpflichtungen
habe, u. 2 Aachener, u. ein Kadett, Bekannte von Luise, en sujet
duquel ich heute Nacht geträumt habe, Luise hätte das ganze corps
de cadet eingeladen, u. verlangt ich solle sie mit Kaffee u. Kuchen
bewirthen, worüber ich sehr böse war. Gestern Abend kam Vater
von der Ressource zurück, u. behauptete, er sey so blind, daß als
er eine Droschke suchte, er den Droschkenkutscher beim Kopf
gekriegt u. für den Rücksitz angesehen habe. Wir bedauerten
gleich, daß Du nicht da warst, Du wärst unter den Tisch gefallen
vor Lachen. Gestern in der Hitze sagte er: er sey so faul, daß er
sich alle Augenblicke anders anziehen müsse, um nicht zu stinken
[...]
fanny an felix 143 Berlin, 9. 144 Juni 1834
Ich habe Dir eigentlich allerhand durcheinander zu schreiben, lu-
stig, geschäftsmäßig, anständig, das Gegentheil, kurz viel. Wobei
soll ich anfangen? Bei Geschäften. 145 [. . .] Schlesinger hat mir neu-
lich einen Liebesbrief geschrieben, u. die Korrektur Deiner Sym-
phonie 146 eingelegt (4 händig) die habe ich durchgesehn, aber eine
solche Furcht vor Schelte, daß ich Dir Heber eine kleine Mühe als
165
mir Gewissensbisse aufpacken will, u. ihm daher heut geantwortet
habe, ich würde sie Dir erst schicken. Denn warum: weil in dem
Manuscr. Fehler sind, die ihres Gleichen suchen, u. so abge-
schmackt sind, daß ich sie noch gar nicht fasse. Siehe Scherzo. -
Nun habe ich auch die Marx-Partitur herausgesucht, u. will Dir
einige Stellen bezeichnen, die mir sehr gefallen 147 : z.B. in No. 2
gefällt mir der Schluß des ersten Satzes, mit dem vielen C in seiner
jetzigen Gestalt sehr gut, obgleich ich ihn zu lang finde. Den hät-
test Du aber hören sollen, wie er ihn mir im Manuscr. vorlegte, da
gingen Bässe u. Tenore immer in einem fort zusammen mit dem
e, so daß ich ihm sagte, es könne es kein Mensch singen vor La-
chen. Das folgende Stück No. 2 finde ich auch gut, dagegen: wen-
de dich, Herr, gar nicht, u. das habe ich ihm auch gesagt, u. ihm
überhaupt u. sehr viel gegen den östimm. Männergesang einge-
wandt. Es liegt alles viel zu nah aneinander, als daß die Harmonien
Platz haben könnten, u. so wird es ein Kreuz u. Gequere u. Ge-
schnarre 148 unfehlbar bleiben. Dieselbe Noth mit seinen Liedern.
Es ist immer so viel gänzlich Unmusikalisches in seinen Sachen, es
sind wol Gedanken, aber sie lassen sich musikalisch nicht gestalten,
u. - so bleibt es beim guten Willen, u. dem Zufall überlassen, ob
man seine Absichten errathen kann u. will, denn dargestellt sind
sie nicht. Suche ihm aber doch ein Wort über seinen Kirchenge-
sang zu sagen, Du weißt wie empfindlich er ist, u. wie viel er auf
Dich, u. allein auf Dich giebt. -
[. . .] Daß Du Vater in Baden besuchen willst, freut mich sehr, u. wir
wollten Dich schon darum bitten. Mutter wird nämlich nicht mit-
reisen. [...] Stelle Dir aber deshalb ja keinen Rückfall 149 vor, im
Gegentheil, es geht ihr sehr gut, aber Vater hatte ihr, unbegreifli-
cher Weise, diese Reise eingeredet, ohne Stosch zu fragen, u. der
sagte nun, wie mir scheint, sehr vernünftig, da sie sich vor jeder
Alteration u. Schreck zu hüten hat, so ist eine Reise durchaus nicht
anzurathen. Der Wagen kann umwerfen, sie kann an einem hei-
ßen Tage der Sonne mehr als nützlich ausgesetzt seyn, kurz, tau-
send Kleinigkeiten, die sich zu Hause leicht vermeiden lassen. [...]
Nun darf aber Vater seiner Augen wegen nicht allein in Baden
bleiben, er kann keine Bekanntschaft anknüpfen, nirgend hingehn,
da ihn seine Kurzsichtigkeit scheu u. ängstlich macht. Zu jeder
andern Zeit würden wir Hensels uns das größte Vergnügen daraus
166
machen, ihn zu begleiten, allein dies Jahr muß Hensel bleiben, u.
ich bin hier zu nöthig zu seiner Behaglichkeit u. Arbeitsstimmung,
um ihn bei diesem wichtigen Werk verlassen zu können. [. . .]
fanny an Felix' 50 Berlin, ii. Juni 1834 151
Ich muß, obwohl eine beschäftigte Festmutter 152 , mich doch hin-
setzen, u. einen Commentar zu dem Schreiben, was Dir Mutter
wahrscheinlich in diesem Augenblick erzählt, damit Du nicht den-
kest, ich sey in Deiner Abwesenheit ganz dumm, oder eine Närrin
geworden. Es ist übrigens eine sehr musikreiche Woche. Also:
Mutter hat Dir doch gewiß vom Königstädter Orchester am Sonn-
abend erzählt, u. daß ich mit dem Stock wie ein Jupiter tonans
dagestanden habe. Das ging eben folgendermaßen zu. Lecerf 153
Heß seinen Scholaren 154 spielen, u. zerklopfte sich die Finger dabei,
da ging ich heraus, u. holte Dein weißes Stäbchen, u. gabs ihm in
die Hand - Nachher Heß ich meine Ouvertüre 155 spielen, u. stellte
mich dabey ans Ciavier, u. da flüsterte mir der Teufel in Lecerfs
Gestalt zu, das Stöckchen in die Hand zu nehmen. Hätte ich mich
nicht so entsetzlich geschämt, u. bei jedem Schlage genirt, so hätte
ich ganz ordentlich damit dirigiren können. Es amüsirte mich sehr,
das Stück nach 2 J. zum erstenmal zu hören, u. ziemlich Alles so
zu finden, wie ich es mir gedacht hatte. Den Leuten schien es auch
vielen Spaß zu machen, sie waren sehr freundlich, lobten mich,
machten mir auch einige Vorstellungen 156 wegen unpraktikabel, u.
kommen nächsten Sonnabend wieder. Da ist mir denn mit einem
Mal ganz unerwartete Freude zu Theil geworden. Morgen läuft
Iphigenie vom Stapel, die auch nicht übel besetzt ist [. . .]
Ich wollte ich könnte die Bachschen Motetten 157 hören, giebst Du
sie vollständig? Auf Paulus bin ich nicht wenig begierig. Marx hat
in Potsdam beim Schullehrer Musikfest die erste seiner beiden
Motetten aufgeführt, u. ist nicht wenig zufrieden mit Ausführung
u. Aufnahme, die er dort gefunden. Vale. - [. . .]
I3ten. Mein Briefchen ist vorgestern liegen geblieben, u. da kann
ich Dir denn gleich Bericht abstatten über die Iphigenie, die sich
sehr gut aufgeführt hat. Ich wollte Du wärst dabei gewesen, wie
die drei Stimmen geklungen haben, u. wie die drei sich immer
einander gesteigert haben, das hört man so leicht nicht wieder, es
167
Pauline Decker
war wirklich wunderschön. Einen Strom von Klang, wie Bader u.
Mantius in dem Duett habe ich nie gehört. Die Decker war auch
vortrefflich bei Stimme, sang immer schöner bis zum Schluß, aber
Bader war doch die Krone. Er hatte die Parthie nie gesungen u.
kam gestern zur Probe ziemlich maussade 153 , meinte auch, es läge
ihm doch zu tief. Als er aber nun den ersten Akt gesungen hatte,
war er schon ein ganz andrer Mensch, u. gestern hat er sich ein
Mal übers andre bei mir bedankt, daß ich ihn zu der Partie veran-
lasst hätte. Zu meiner großen Freude habe ich ihn mir auch so
gewonnen, daß er sich ein für allemal angeboten hat bei mir zu
singen, was ich wollte, wann ich wollte, Chor, Solo etc. Und er soll
singen, bei den Pforten der Hölle. Zunächst wahrscheinlich das
Ave Maria, das im Kirchsprengel des Erzbischofs von Kölbi er-
schienen, u. in Petersburg aufgeführt ist u. wovon ich noch jetzt
eine lange Nase habe. 159 Uebrigens waren ioo Personen gestern
hier, die Eltern hatten Theil an der Fete genommen, u. mehrere
Bekannte eingeladen, u. so kams, daß ich die Ehre hatte, den Ober-
bürgermeister H. v. Bärensprung 160 , die Familie Olrichs 161 aus Bre-
men etc. hier zu sehen. [. . .] Nebenbei war mein Chor ganz vor-
trefflich, 8 Soprane und 4 Alte mit der Thürschmidt u. der Blanc 162 ,
im Tenor Bader u. Mantius, es war wunderschön, u. einige Sachen
haben mich wirklich überrascht. [. . .] Über alles andere, war der
Garten wunderschön, die Rosenhecke in voller Blüthe, u. das Lo-
kal im Putz, sucht auch seines Gleichen - inzwischen 163 sind nun
alle Spuren von gestern weggeräumt, u. es bleibt nichts davon
übrig, als einige verirrte Töne, die mir immer noch in den Ohren
klingen. [, . .]
Hensel grüßt sehr, sein Bild avancirt mächtig, u. findet vielfache u.
angenehme Anerkennung. [. . .]
fanny an felix 164 Berlin, 18. Juni 1834
Mein liebes Felixmännchen 165
[. . .] Die Gabel erhältst Du mit nächster prinzlicher Post. [. . .] Der
Instrumentenmacher Schulz, der einstweilen bei mir stimmte,
fand sie um eine Schwebung höher, als seine Gabel. [. . .] Uebrigens
sagt mir Schulz, daß Spontini immer noch in die Höhe triebe, so
daß die jetzige hiesige Stimmung ganz unvernünftig hoch ist, u.
169
Henning sagt, man sey in Paris seit Kurzem um einen vollen hal-
ben Ton heruntergegangen. Es wäre doch interessant, wenn Du
Dir zur Vergleichung eine Gabel aus Paris kommen ließest [...]
Ferner erhältst Du mit dieser Sendung die Maryschen Lieder.
Fragst Du mich um mein Urtheil, so sage ich: no. i gar nichts, no.
2 nichts, no. 3 wenig. Indeß hat no. 2 Marx außerordentlich gefal-
len, so daß er mir unbegreiflicher Weise fand, es sey eines meiner
besten Lieder. 166 Sonntag sind meine Königstädter Herren wieder
hier gewesen, es war ein Orchester wie eine Harlekinsjacke, an der
Stelle der 2ten Flöte war ein Loch, sonst Trompeten, 4 Hörner,
Pauken u. Alles 167 Plunder. Die beiden Ganz thaten sehr wohl
dazwischen. Einer der Herren hatte eine schaudervolle Ouvertüre
mitgebracht, was mir aber ganz recht war, u. ich bat, wenn Einer
von ihnen wieder einmal etwas zu probiren hätte, möchten sie es
doch hier thun, wofür sie mir sehr dankbar waren, u. mir sämmt-
lich ihre Dienste angeboten haben. Wenn es nun einmal wieder
dazu kömmt, lasse ich Deine Melusine spielen. Meine Ouvertüre
ging das letztemal sehr gut, u. schien ihnen allen gefallen zu haben.
Ueberhaupt habe ich die angenehme Erfahrung gemacht, daß mir
die Leute freundlich u. gefällig sind, u. daß ich wohl ohne Furcht
sie einmal in Anspruch nehmen kann. Vom Theater kann ich No-
ten haben, so viel, u. wann ich will. Hensels Bild rückt ungeheuer
vor 168 , u. ich habe jetzt die Ueberzeugung, daß er, Unfälle abge-
rechnet, fertig wird. Der Pinsel fliegt ihm wirklich. Du wirst Dich
über die wunderschönen, kraftvollen Gestalten freuen. [. . .]
Lieber Felix, es ist 9 Uhr Morgens, Sebastian ist noch nicht gewa-
schen, meine Küche nicht bestellt. [. . .] Vorgestern war Sebastians
Geburtstag, der Junge war überglücklich. Von Rebecka hatte er ein
lebendiges Lamm bekommen, das aber so wild ist, daß es alle
Stricke zerreißt, u. sich gar nicht bändigen lassen will, ich glaube,
es ist ein verkleidetes Pferd. [. . .] Gegen Abend spielten wir mit ihm
Blindekuh, wobei er sich gar niedlich u. geschickt anstellte, sein
Stimmchen veränderte so gut wie die Großen, u. es gar nicht aus-
halten wollte vor Lachen u. Vergnügen. Marianne u. Varnhagen
sindjetzt declarirte Exbrautleute. Sie in Freienwalde, er sehr lustig,
beide benehmen sich on ne peut pas plus mal. Die Geschichte ist
so eklich, daß nicht einmal viel davon raisonnirt wird, nun danke!
170
fanny an felix Berlin, 9. Juli 1834
Es schreibt sich niemals netter, als wenn man eben ganz frisch einen
Brief bekommen hat, dann giebt das rasche Antworten etwas Con-
versationsmäßiges, u. das ist doch der größte Reiz am bestenBriefe,
wenn er dem schlechtesten Gespräch nah kommt. Ach, da werde
ich schon wieder abgerufen. - So, jetzt habe ich meine große
Wirthschaft, meine große Toilette und mein großes Frühstück be-
sorgt, Sebastians Hammel losgebunden, der sich immer mit den
Füßen in seinem Strick verwickelt, u. dann jämmerlich blökt, u.
sonst noch einer ganzen Heerde Kühe die Schwänze aufgebunden,
u. sitze im Garten, wo es feucht u. warm u. wunderschön ist, u. wo
die letzten Rosen blühen, u. denke ungestört weiter zu schreiben.
Mein größtes Vergnügen ist jetzt alle Tage in der Spree zu baden,
wozu nah bei Moabit eine sehr hübsche, von einer Hallerin gelei-
tete Anstalt ist, in der auch Schwimmen gelehrt wird. Hier sieht
man eine große Anzahl zum Theil recht hübscher Berlinerinnen
als vollkommene Najaden mit nassen Haaren plätschern, was sich
oft allerliebst ausnimmt. Sebastian nehme ich mit, er hat sich nach
dreimaliger Angst ganz gut gewöhnt, u. findet jetzt großes Vergnü-
gen daran.
Der Sommer ist göttlich, ich erinnere mich nicht so schönen Wet-
ters, heut haben wir nach langer Hitze einen [. . .] milden Tag, der
nichts zu wünschen übrig läßt.
Ihr habt ja große Rosinen im Kopf mit Gluck 170 . Ich zweifle kei-
neswegs an der Ausführung, so etwas hängt allein vom Director
ab, die Mittel finden sich, so groß oder so klein sie eben seyn
können, ich finde es doch immer besser, gute Musik von mittel-
mäßigen Subjekten zu hören als schlechte.
Meine Sonntage sind jetzt so ziemlich den Krebsgang gegangen,
Alles ist verreist, auseinander, u. dazu war die Hitze zu groß in den
vorigen Wochen. Vorigen Sonntag war Hensels Geburtstag, den
wir äußerst fröhlich zugebracht haben. Seine Schüler haben ihn
wieder wunderschön beschenkt, mit einem großen silbernen Po-
kal, mit obligaten Kränzen, u. einem sehr hübschen Gedicht von
Moser. Ich habe ihm eine Gliederpuppe aus Cassel kommen las-
sen, zu der Vater die Hälfte beigetragen, u. die uns noch großen
Spaß gemacht hat. Sie war denselben Morgen durch einen von
171
Moser geschriebenen Brief als eine taubstumme Schülerin ange-
kündigt worden, u. diesen Brief hatte Hensel aufs Wort geglaubt,
so daß er, als nachher eine Dame angemeldet wurde, uns erzählte,
es werde wol diese Schülerin seyn, zu der er aber keine große Lust
bezeigte. So fand diese Erkennung zu allgemeinem Spaß statt.
Hensel dankt sehr für Deine malerischen Berichte. Bendemanns
Idee von der Oase gefällt ihm außerordentlich (mir auch). Ueber
das was Du sonst von ihm sagst, sind wir Deiner Meinung. Aber
über Lessing 171 muß ich Dir eine abweichende Ansicht offenbaren.
So sehr ich ihn liebe, finde ich doch nicht u. kann nicht finden, was
Du sagst, daß er immer ein Anderer sey. Im Gegentheil finde ich,
wie verschiedene Gegenstände er auch behandle, immer dieselbe
Richtung u. den Kirchhof mit Schnee dem Königspaar so ähnlich,
wie nachher die Leonore, u. die kleine Landschaft, die Decker hat.
Immer etwas Todtes, bergab gehendes, Verlöschendes, ich habe
noch keinen freien Athemzug von ihm gesehn. Ueber Hübner 172
bin ich wieder ganz Deiner Meinung, er scheint mir ein entschie-
denes Talent für das Kleine, Graziöse, Beschränkte zu haben, Bil-
derchen wie er ein Männchen ist, nett u. kleinlich. Wenn er aber
groß sein will, bringt er solche Mißgeburten, wie den Simson, zu
Wege, so wird doch hoffentlich sein neues Bild nicht seyn.
[. . .] Jetzt wollte ich noch einen Artikel schreiben, aber die gehoffte
Ruhe war so unruhig, daß ich auch kein einziges Wort ohne Ge-
plauder um mich herum habe schreiben können, u. nun weiß ichs
nicht mehr.
Ich freue mich nicht wenig auf Dein Hierseyn, wir werden wieder
viel zu besprechen und zu erleben haben. Nächstes Jahr reisen wir
in jedem Fall, sollten wir nicht besondere Veranlassung zu haben,
ins Ausland zu reisen, wahrscheinlich durch einige schöne Städte
von Deutschland, indeß hoffe ich auf das Erstere. Einstweilen lebe
wohl, die Zerstreuung ist zu groß, ich kann nicht weiter schreiben.
Den loten. Warum wunderst Du Dich über Marx Verlobung?
Noch hat er uns seine Braut nicht gebracht, u. ihn habe ich auch
erst einmal als Beglückten gesehn, ich gestehe, ich fürchte sehr;
wie ich höre, hat sie kein Vermögen. Ist sie nun eine streng ordent-
liche, geizige Wirthin, so kann es dennoch zu seinem Besten seyn,
ist sie das aber nicht, so sehe ich nicht ab, wie die Sache möglicher
Weise gehn soll. 173 Leb wohl. Hensel u. Alles grüßt.
172
fanny an felix Berlin, August 1834
Ich schreibe Dir wahrscheinlich vor unserm, wills Gott Wieder-
sehn, denn wenn die Feder merkt, daß Du bald kommst, so will
sie gar nicht mehr rutschen. [. . .]
Habe Dank für das Stück Symphonie, das mir große Freude
macht, ich habe es eben erhalten, u. auch gleich 2mal mit Beck-
chen gespielt, mehr konnte sie nicht, denn sie befindet sich in der
allergroteskesten Verzweiflung über die Hitze, die wirklich Alles
übersteigt, was wir je gewohnt waren, zu ertragen. [...] Die Aen-
derung in der ersten Melodie gefällt mir nicht recht, warum hast
Du sie gemacht? Um das viele a zu vermeiden? Die Melodie war
aber natürlich u. schön. Die folgenden Veränderungen wollten mir
auch nicht recht munden, indeß habe ich den weiteren Verlauf des
Stücks noch nicht genau genug im Kopf, um eigentlich darüber
urtheilen zu können. Im Ganzen glaub ich, gehst Du zu leicht
daran, ein einmal gelungenes Stück später umzuarbeiten, blos weil
Dir dies u. jenes dann besser gefällt. 175 Es ist doch immer eine
ernstliche Sache, u. wer sich einmal an eine Version gewöhnt hat,
geht schwer daran, eine Abweichung zu dulden. Bring mir doch
Alles mit, wenn Du herkommst, dann können wir darüber dispu-
tiren. [...]
3ten Aug.
[. . .] Ich habe gestern einen bösen Tag mit angesehn, also gehabt.
Hensel hat in 24 Stunden dreimal die entsetzlichsten Magen-
krämpfe gehabt, so daß wir endlich gestern Abends in unsrer Ver-
zweiflung zur Homöopathie unsre Zuflucht nahmen, welche Lui-
se schon lange mit dem bestem Erfolge bemüht, u. welche denn
auch dies mal, wol im Verein mit der Erschöpfung des Uebels, gute
Wirkung that. Wahrscheinlich werden wir bei dieser Gelegenheit,
aus Mangel an einem Arzt, zu dem wir eigentlich Zutrauen hätten,
an dem homöopathischen Stüler hängen bleiben. Stosch zieht weit
weg, kommt nie von selbst, u. das ist für mich eine sehr unange-
nehme Eigenschaft. [. . .]
173
felix an fanny 176 Düsseldorf, 14. November 1834
Lieber Fenchel, sey glücklich am heutigen Tage und im Jahre das
Dir anfängt und bleibe mir gut. Ich wollte Dir gern dies Jahr wie-
der irgend ein Stück schicken unter das ich den i4ten Nov. schrei-
ben könnte, aber die Wochen aus dem Leben eines Intendanten
haben alles verschlungen und ich komme erst langsam wieder zu
mir. Dieser Tage habe ich die Ouvertüre zum Paulus entworfen,
und dachte die wenigstens fertig zu machen, aber sie ist noch weit
zurück. Wenn wir wenigstens den Abend jetzt zusammen sein
könnten, denn wenn Licht kommt wünsche ich mich immer mehr
zu Hause hin als des Morgens, und jetzt kommt eben Licht, und
dann ist die Zeit vom 30sten Oct. durch den igten Nov. u. Uten
Dec. bis zu Weihnachten und Neujahr gewiß nicht die beste für
die Fremde, auch wenn die Abende nicht lang wären. Da kann
man aber fleißig sein und nächsten Sommer wieder reisen und
einander besuchen; heut möcht ich nur, daß es schon so weit wäre.
Was treibst Du nun heut Abend? Musik und Gesellschaft? Oder
wird die Staatszeitung vorgelesen (in der wie man mir sagt Hensels
Schule sehr gelobt und in vielen Stücken der hiesigen vorgezogen
sein soll) oder seid ihr nicht zu Hause? Ich hoffs aber und denke
mirs hübsch. Ich habe den Tag einförmig zugebracht, indem ich
Hildebrandt 177 den ganzen Vormittag sitzen mußte, der jetzt mein
Portrait fertig malt. Mittags war ich eben bei Bendemanns und
gehe auch später noch zu ihnen hin, da Mde. Bendemanns Ge-
burtstag auch heute ist [. . .]
Aber Du, Geburtstagskind, im Urtheil treffen wir diesmal über die
Bilder nicht zusammen, denn eines der widrigsten ist mir von
jeher Stilkes 178 gewesen, wenn ein Kunstwerk so künstliche Leb-
losigkeit vorstellen will, wie das Verhungern in der Wüste, so habe
ich keinen Antheil am Bild 179 und an den Leuten, es sey noch so
gut gemacht, und das ist es ja nicht einmal, das Ganze scheint mir
nichts als wieder eine Variation auf Lessings Königspaar, diesmal
mit todten Pferden. Die Stimmung im Kunstwerk ist alltäglich,
und da mag man es zwanzigmal mit bunten Farben aufputzen, es
hilft nichts.
So ist mirs nicht einmal recht, daß Du vom Umschwung der Geige
seit Paganini sprichst bei der Gelegenheit von Lafont 180 , denn sol-
174
che Umschwünge kenne ich nicht in der Kunst, nur allenfalls in
den Leuten, u. ich denke Dir würde an Lafont dasselbe misfallen
haben, wenn Du ihn vor Paganinis Auftreten gehört hättest, u. Du
müßtest seine guten Seiten darum nicht weniger loben, weil Du
eben den anderen gehört hast. Ich habe hier eben so ein Paar fran-
zös. musikal. Zeitungen gesehen 181 , wo sie immer von einer revo-
lution du gout u. einer musikal. Umwälzung sprechen, die seit
einigen Jahren statt gefunden habe, und wobei ich auch eine schö-
ne Rolle spielen soll - mir wird sehr übel bei so etwas. Ich denke
dann immer daß man fleißig sein soll und arbeiten, vornehmlich
keinen Menschen hassen und die Zukunft Gott überlassen, das
Oratorium bis zum März fertig machen, eine a moll Sinfonie u.
ein Clavierconcert machen 182 und wieder auf die Reise gehen, u.
die Leipziger Str. No. 3 besuchen, aber wo möglich am dritten Ort.
Und mit diesem Lied und Wendung sind wir wieder bei Hafisen.
Ich verfalle auf der einen Seite in einen ganz grämlichen Ton, wie
ich sehe, u. bitte um Verzeihung, Geburtstagskind. Aber übermor-
gen muß ich wieder Oberon dirigiren, u. das Düsseldorfer Orche-
ster hetzen, wie nichts Gutes, u. gestern war das zweite Concert
»Sinfonie von Burgmüller« 183 (dem jungen), Arie von Dlle. Dent-
ler, Celloconcert von Jul. Rietz (es war die Elegie von Romberg cf.
Paul), dann 2ter Theil Ouv. aus Werken von Cherubini, drei Lie-
der am Ciavier von Worringen 184 , »Bächlein laß dein Rauschen
sein« v. Curschmann 185 , »leise geht durch« von mir u. Herz mein
Herz v. Beethoven, dann mein es dur Rondo (Rietz dirigierte sehr
gut) zum Schluß anerkanntes Duett von Mercadante 186 - sind wir
nicht fashionable? Und dazu war es so voll, u. alle kamen so ele-
gant! Keine aß Butterbrod oder Aepfel! Nachher war noch gräfli-
che Soiree mit allen Excellenzen u. so vielen Redensarten! - So bin
ich also in den griesgrämlichen Ton verfallen, der zum Geburts-
tagston nicht paßt. Den stimme ich nun noch einmal an u. wün-
sche Dir viel Glück u. ein gutes Jahr 1835. Lebewohl, Du guter
Cantor, u. sey mit den Eltern u. Geschwistern u. allen heut recht
froh. Dein Felix.
175
fanny an felix 187 Berlin, 24. November 1834
Habe Dank, o Clown, für Deinen lieben Geburtstagsbrief. Die An-
dern haben Dir seitem geschrieben, also hast Du wohl von allen
freundlichen Feierlichkeiten, Geschenken der jungen Leute, u. an-
dren schönen Sachen, Thee im prächtig aufgeputzten Attelier, und
vortrefflich aufgeführten Charaden, schon gehört. Ich glaube, wenn
ich eine alte Frau seyn werde, werden mir noch solche Aufführun-
gen Spaß machen. [.. .] Wilhelm hat mir eine Zeichnung zu meinem
Geburtstage gemacht, die sehr schön wird. Mirjam, die Prophetin,
die Pauk' in ihrer Hand, die Weiber hinter ihr, Moses auf einem
Wagen, den Zug leitend, im Hintergrunde mit Beute beladene 188
Theile des Heeres, u. in dämmernder Ferne Pyramiden. Die Com-
position ist rund, u. sehr reich, schön und besonders. Ich hoffe, er
wird es malen. 189 Diese Zeichnung ist das erste Blatt in einem schö-
nen Buch, das wir uns zum Stammbuch eingerichtet haben.
27sten.
Du erhältst nun jetzt den 6ten Band von Goethe Zelter, mit dem
die Reihe geschlossen ist. Der Herausgeber hat sich die Mühe
gegeben, hinten ein alphabetisches Verzeichniß anzuhängen, in
welchem Jeder, der das Abc weiß, ohne Mühe nachsehn kann, wo
und wie oft er im ganzen Werk geschimpft oder gelobt (Du bists
58 mal) worden, was hier ziemlich gleich bedeutend ist. Figaro!
würdest Du sagen, wenn Du hier wärest, ich kann Dir aber nicht
helfen, es beleidigt mich von Anfang bis zum Schluß, daß in einem
Lande ohne Preßfreiheit, wo also die zur Oeffentlichkeit bestimm-
ten Personen sich der Oeffentlichkeit entziehn, harmlose Privat-
personen so plötzlich, wie von Räubern aus dem Busch angefallen,
u. je nachdem den Herren die Dinte geflossen ist, besprochen u.
verlästert, auch mitunter ihnen die Ehre abgeschnitten wird. Von
mir steht, ich spiele wie ein Mann 190 , ich habe Gott oder Zelter zu
danken, daß da nicht eine Unanständigkeit folgt, mit denen das
Buch sonst wohl gesegnet ist. Vater wirst Du mehrere Mal hart
getadelt finden, daß er Dich nicht nach Sicilien reisen lassen. 191 In
England würde ein solches Buch gar nicht gelesen, weil man der
Persönlichkeiten gewohnt ist, u. es sonst kein Interesse hat, schön
finde ich es aber unter keinen Umständen, u. immer u. ewig un-
zart, Privatleute zu veröffentlichen.
176
Streiten muß ich aber auch noch mit Dir. Nicht über die Bilder,
denn das ist schriftlich zu weitläufig, u. wir sind nun mal zu sehr
aus einander über den Punkt. Wir sprechen wol noch einmal dar-
über. Aber was schnauzt 192 Du mich denn da an, weil ich sage,
Paganini habe das Geigenspiel verändert? Ist denn das nicht wahr?
Spielt man denn heut, wie man auf der ersten Geige gespielt hat?
Wer hat denn die Sache anders gemacht, als große Talente? Und
wozu sind Umschwünge in den Leuten, wie Du sagst, wenn sie nicht
auch außer sich etwas umschwingen? [...] Was willst Du denn
anders, als weiterbringen, Dich u. die Kunst? dazu bist Du doch
wohl fleißig, u. nicht um so u. so viel Rieß Papier zu beschreiben.
Ich sagte u. rettete meine Sache, die aber doch wohl nicht in Ge-
fahr bei Dir geschwebt hat, nicht wahr?
Gestern waren wir, o Wunder, im Theater, um die Töchter der
Crelinger 193 in Minna v. Barnhelm zu sehn. Ein Paar allerliebste
Mädchen. Hübsche, natürliche Talente, u. so ausgebildet, daß man
fast sagen möchte, es wäre für Ihr Alter zu viel, wenn man nicht
wieder hoffen müßte, daß ein so glückliches Naturell sich auch
weiter hilft. [. . .]
Heut ist nun die letzte russische Majestät abgerutscht. 194 Wie lum-
pacivagabundus sich Beide hier benommen haben, darüber ist nun
ein Geschrei. Der-Kaiser hat keine wohlthätige Anstalt beschenkt,
die Kaiserin bis jetzt auch noch nicht, vielleicht kommt das noch.
Da nahm sichs denn fast wie eine Satyre aus, daß der immens
reiche, närrische DemidofP 95 zur Feier ihrer Anwesenheit den Ar-
men i ooo rl schenkte. Von der Ausstellung, die ihretwegen 14 T.
länger offen blieb, haben sie nicht für einen rl. gekauft, u. die
einzige grandiose Bestellung, die die Kaiserin gemacht hat, ist eine
Kopie nach der Skizze v. Blancs 196 Bilde. Ueberhaupt ist alles voll
des Lobes ihrer Unfreundlichkeit, u. ihres kindischen u. würdelo-
sen Betragens. Der Ausstellung haben sie entschieden Schaden
zugefügt, denn da sie den König um Geld u. Zeit gebracht haben,
hat weder er, noch der Kronprinz, noch sonst Jemand vom Hofe
etwas gekauft, was eine unerhörte Sache ist. Nach Bildern von 20
Louisdor hat die Kaiserin gefragt, u. sie waren ihr zu theuer.
Eben habe ich Deinen Brief an R. mit den Intendanzklagen 197
gelesen, ich danke Gott, daß Du heraus bist. Lebe nun wohl, ich
will herüber, u. Vater vorlesen, aus Rankes Päpsten! 198
177
fanny an felix Berlin, 30. November 1834
Ich habe eben deine Uebersetzung von Byrons Gedicht 200 wieder
gelesen, und finde es durchaus besser als Theremins 201 . Bis auf den
Schluß, der bei Th. unendlich schöner, ja ich möchte sagen, schöner
als bei Byron selbst ist, du mußt suchen, es noch zu ändern, u. mit
>hell, aber ach! wie fern<, zu schließen. Es klingt in dem Gedicht
etwas Wunderbares, wie ich es fast nicht stärker ausgesprochen
kenne. Es übt eine völlig magnetische Gewalt über mich aus, ich
kann nicht wieder davon wegdenken. - Ich lerne ihn überhaupt
jetzt kennen, zwar auf eine Weise, die nicht die vortheilhafteste für
einen Dichter ist, da ich seine Verse alle 8 Tage beim Lehrer lese, u.
mehr oder weniger mühsam verstehe. Allein was durch alle diese
Poesie durchdringt, das ist die Gewalt seines Rhythmus, der wun-
derbare Klang seiner Verse in dieser widerstrebenden Sprache, das
ist das Tiefpoetische seines ganzen Wesens. Mir ist dieser Tage sein
Leben in die Hände gefallen, das ich lese, u. das mich sehr interessirt.
Es verdrießt mich immer, wenn wir, auch über Kleinigkeiten,
nicht zusammen kommen können. Ich habe, seitdem du andrer
Meinung warst, versucht, mit Kritik an Loewes Komposition jenes
Byronschen Gedichts 202 zu gehn, u. kann es nicht, weil es mich
jedesmal wieder rührt, wenn ich nur dran denke. Ich finde es so
ganz träumerisch schön, so, ich kann mich nicht anders ausdrük-
ken, entfernt klingend, so in den Sinn der Worte eingehend, daß
es mich mit fortreißt, sobald ich dran mäkeln will,
ioten. [. . .] Heut Nachmittag spielte ich 2 Trios durch, die ich mir,
in Bezug auf meine Sonntag wieder anfangensollenden Musiken
hatte geben lassen, von Reißiger 203 u. Onslow. [. . .] Es war aber so
mattes, lahmes, grundlangweiliges Zeug, daß ich im Durchspielen
fast verschimmelte, u. nachher zur Erholung die Litaney u. meine
Lieblingsmotette: Gottes Zeit 204 , spielte. Ahü Dabei wird einem
wieder wohl. Ich kenne keinen eindringlicheren Prediger als den
alten Bach. Wenn er so in einer Arie die Kanzel besteigt, u. sein
Thema nicht eher verläßt, bis er seine Gemeinde durch u. durch
erschüttert oder erbaut u. überzeugt hat. Schöneres kenne ich fast
nicht, als das Furchtbare >es ist der alte Bund<, wozu die Soprane
so rührend einstimmen: ja komm Herr Jesu! komm.
[...]
178
fanny an felix Berlin, 27. Dezember 1834
Ich schreibe, nicht blos als Federkiel 206 , sondern als selbständige 207
Authorin.
Es waltet schon seit mehreren Wochen, und verschiedenen Hin-
und Herschreibungen ein so eigenthümliches Mißverständniß ob,
mein lieber Felix, daß ich mich umgehend hinsetze, es endlich ins
Klare zu bringen. Der Brief, den Dir Rebecka schrieb, auf den
Brief, den Du mir geschrieben hast, über den Brief, den ich Dir
geschrieben hatte, en sujet de Lafont, den ich damals noch gar
nicht gehört - ist gar nicht aus R.s. Kopf, wiewol aus ihrer Feder
geflossen, sondern war der erste, den Vater dictirte. Wunderst Du
Dich? Lies ihn noch einmal, u. die Schuppen werden Dir vom
Auge fallen, u. Du wirst nicht begreifen, daß Du ihn nicht gleich
so verstanden hast. Ich begreife es indeß sehr wohl, was man selbst
weiß, denkt man gar zu leicht für jeden Andern auch begreiflich,
u. so dachte Vater, Du müßtest auf der Stelle im Brief den Punkt
erkennen, wo er angefangen zu diktieren. Ich fand es gleich nicht
recht. Indeß ändert das eigentlich an der Sache nichts. Was ich Dir
antwortete, war von mir, u. da wir einmal angefangen haben, uns
in eine höchst würdige u. parlamentarische Erörterung einzulas-
sen, so wollen wir fortfahren. Je demande la parole, die Du mir
von Düsseldorf aus gewiß nicht streitig machen wirst.
Daß die Zeiten sich ändern, und mit den Zeiten der Geschmack,
und mit dem Geschmack der Zeiten auch wir, das läßt sich wol
nicht ganz läugnen. Es gibt gewiß in der Kunst auch ein positiv
Gutes, und ich hoffe, Du wirst mich niemals für so von Gott ver-
lassen halten, daß ich das, was wir als Höchstes anerkannt haben,
und immer anerkennen werden, der Mode unterworfen glauben
sollte. Hannchen in den Jahreszeiten wird so wenig veralten, als
Alceste, oder als der Evangelist Matthäus 208 . Nun aber giebt es
doch im Guten eine unglaubliche Menge von Schattierungen, u.
da sich die Kunst, oder das Schöne, oder der Geschmack nicht mit
2 mal 2 = 4 demonstriren läßt, so wird es da einen Punkt geben,
(und der trifft glaub' ich hauptsächlich die Execution) wo die Au-
ßenwelt, oder die Wandelbarkeit der Zeit, oder (schleiche dich um
das Wort herum wie du willst,) die Mode ihren Einfluß üben wird.
Du erinnerst Dich so gut wie ich, daß es eine Zeit gab, wo wir von
179
Spohrs Musik unendlich entzückt waren. Jetzt sind wir es nicht
mehr in dem Grade, nun ist aber doch seine Musik stehn geblie-
ben, wir sind eben auch keine andre Menschen geworden, aber
unser Verhältniß zu ihm hat sich geändert. Laß mich das einmal
angeregte Beispiel von Violinspielern nehmen. Spohr hat gewiß in
seinem Spiel unendlich viel positiv Gutes, was nicht vergehn wird,
er hat aber auch daneben eine gewiße Süßlichkeit, u. diese Ten-
denz hat vielleicht in ihrer Zeit viel zu seinem Ruhm beigetragen.
Nun kommt Paganini, u. spielt wild, phantastisch, stark, u. alle
jungen Geiger bemühen sich es ihm nachzuthun, u. reißen die g
Saite entsetzlich. Daraufhöre ich Spohr nach einer Reihe von Jah-
ren wieder, u. unwillkührlich wird mir seine Süßigkeit mehr auf-
fallen, als sonst, wenn sie sich auch an u. für sich nicht vermehrt
hätte, weil ich die Ohren von einer entgegengesetzten Richtung
voll habe. Diesem Einfluß unterliegt natürlich zunächst das Publi-
cum in Masse, die einzelnen Menschen mehr oder weniger, aber
ganz frei glaube ich, kann sich Niemand davon sprechen. Es würde
mir gar nicht schwer werden, noch Beispiele in Menge andrer Art
anzuführen, wo uns Dinge oder Menschen, die uns vor einiger
Zeit gefielen, jetzt fade u. langweilig, oder bizarr u. unerträglich
vorkommen. Solcher Wechsel trifft natürlich nie 209 das Höchste
und Beste seiner Art, aber daß auch das Gute, je nachdem es der
Zeit gegenüber steht, mehr oder weniger gut erscheinen kann,
scheint mir entschieden. Antworte hierauf, Clown! Soll ich diese
ganze Korrespondenz in mein Streitbuch eintragen?
Lustig ist es übrigens, daß sich diese ganze Erörterung über ein
dummes voreiliges Urtheil entspann, das ich über Lafont's Perük-
ke fällte, denn weiter kannte ich damals nichts von ihm. Ich habe
ihn seitdem im Concert gehört, wo mir sein klares, fließendes 210 ,
angenehmes Spiel ungemein gefallen hat, u. besonders sein reizen-
der Vortrag melodiöser Stellen. Dann hat er einmal hier gespielt,
wo ich ihm Variationen begleitete, u. dabei Gefahr lief, in mein
erstes Urtheil über seine Perücke zurückzufallen, denn seine
Compositionen, Variat. mit Herz u. Kalkbrenner u. s. w. sind doch
wol von der Art, daß nicht einmal die äußerste Mode sie ent-
schuldigen kann, u. es verdroß mich, daß die nette Geige nichts
Ordentliches spielt. Und nun habe ich geschwatzt u. geschwatzt,
u. die Zeit versäumt, in der ich mir deine neuen Lieder einstudiren
180
wollte, um sie morgen in pleno vorzutragen. Sie gefallen mir au-
ßerordentlich u. ohne Aber, ich halte sie mit für deine Besten. Die
Fugen sind vortrefflich, u. die kleine hat einen sehr schönen Fluß.
An der großen gefällt mir der letzte Schluß nicht ganz, es wird da
wieder dünne, nachdem es lange vollstimmig gewesen ist u. auch
in der Mitte ist eine Stelle, die mir wie ein Flicken erscheint, es ist
die nach dem p eres, f., wenn der Baß das Thema in Octaven c dur
bringt, u. dann nur von der Oberstimme imitirt wird, wie auch die
folgende Themastelle in F. Sonst ist sie prächtig, u. ich möchte sie
wol erst von Dir spielen hören. Die kleine erinnert mich im Cha-
racter an ein kleines Stück von Dir, welches mir eine Deiner lieb-
sten Compositionen ist, u. trotz aller Umschwünge, oder Reformen
[. . .] wahrscheinlich bleiben wird, ich müßte denn ein Türke wer-
den, ein echter Renegat. Ich meine, die kleine Quartettfuge, die
mich sehr rührt, wenn ich nur an sie denke, u. an den, der sie schön
spielte.
(Fragment vom 27. 12. 1835J:
Um nochmals auf besagten Umschwung zu kommen, will ich Dir
einen Fall anführen, wo ich ganz Deiner Meinung bin. Ich war
noch voriges Jahr sehr gegen die Homöopathie, u. besonders ge-
gen das Selbstdispensieren der Aerzte; jetzt haben wir Stüler zum
Arzt, er giebt mir u. uns Allen seine Pülverchen, ich bin damit
zufrieden, u. Hensel besonders hat diese Behandlung gegen den
Magenkrampf ganz vorzüglich gut gethan. Dessen ungeachtet
aber kann ich es gar nicht leiden, wenn so manche homöopathi-
sche Neophiten sich anstellen, als wäre ihnen nun plötzlich das
Himmelreich eröffnet, u. als wäre früher kein Mensch kurirt wor-
den, ich bin gewiß frey von solcher Befangenheit, u. glaube es
überhaupt so ziemlich zu seyn.
Heut hab ich meinem Sonntagspublicum Deine neuen Sachen
vorgespielt, Publicus war sehr entzückt. Das erste Lied, es dur, hast
Du offenbar nur für das Ciavier geschrieben, weil Du keine Worte
dazu fandest 211 , denn es ist ja ein wirkliches Lied u. sehr schön
declamirt, Du hättest aber nur die Verfasser mehrerer von Dir
komponirten Lieder, z.B. EgonEbert 212 , oder Voß 213 drum angehn
sollen, die hätten es Dir gewiß nach Deinem Sinn geschrieben. In
dem 2ten Liede bitte ich um Erlaubniß eine Note zu ändern u.
statt
181
so zu spielen
In diesem Liede ist eine Stelle, die michjedes mal zwingt zu sagen:
sehr hübsch. Es ist der Wiedereintritt ins Thema, der allerhebst ist.
[. . .] Nun aber höre ich auf, u. schreibe Dir nicht wieder, bis Du
mir einen ordentlichen Privatbrief geschrieben hast. Vetter 214 , was
denkst Du von mir? Du behandelst mich schlecht. Seit Du weg
bist, hast Du ein einziges Mal an mich geschrieben, um mich zu
meinem Geburtstag schlecht zu machen. Ist das recht? Nein, Herr
Vetter [...]
fanny an felix 215 Berlin, 16. Januar 1835
Das war einmal ein ordentlicher Brief 16 , u. Du sollst bedankt seyn.
Nun habe ich Dir wieder mal viel zu antworten u. viel zu sagen,
u. da Dir die Tagebuchart des vorigen Briefes behagte, so will ich
auf alle Fälle wieder anfangen, wenn auch der Brief dann eine
Weile wieder Hegen bleibt, was ich nicht verhindern werde, denn
die Tage fliegen jetzt. H. v. Sybel 217 sagte uns gestern in den Jah-
reszeiten, Du habest wieder Verdruß gehabt, [. . .] hoffentlich ist es
nicht so arg, aber doch immer unangenehm genug, Du hast schon
viel Verdruß zu bestehen gehabt, u. was das Schlimmste ist, ich
fürchte, es ist immer nicht der Mühe werth, u. was mir gewiß
scheint, ist, daß Du nicht über Deinen Contract in Düsseldorf
bleiben wirst. Leipzig würde mich der Nähe wegen sehr freuen,
u. ich hoffe immer noch, es kommt zu Stande.
Nun will ich Dir, ganz unter uns, unsere nächsten Plane sagen. [. . .]
Wir werden Dich nächstens besuchen. Ist Dir das angenehm? Wir
haben nämlich nach Paris geschrieben, um uns zu erkundigen, ob
dies Jahr dort Ausstellung ist. Wenn es ist, und die Unterhandlun-
gen hier nicht gar zu langsam gehn, u. der König es erlaubt (Du
siehst noch viele wenns) so gehen wir mit dem Bilde nach Paris,
182
u. kommen dann über Düsseldorf 218 u. besuchen Dich auf 8 Tage,
worauf ich mich freue wie ein Kaninchen. Findet die Combina-
tion mit dem Bilde nicht statt, so gehen wir wahrscheinlich doch
nach Paris, nur etwas später, ungefähr im April, u. haken uns einige
Tage in Weimar, Frankfurt u. Düsseldorf auf. [. . .] An unsere pari-
ser Reise denken wir dann die in ein Seebad zu knüpfen, u. so
werden wir dann' im Ganzen etwa 4 Monate abwesend seyn.
Du fragst nach dem Stande der Bildangelegenheit, da will ich Dir
sagen, daß das Ministerium ein Gutachten von der Academie ge-
fordert, u. der alte Schadow zu H. gesagt hat, er würde zufrieden
seyn. Sie haben zugleich das Bild taxieren müssen, u. wenn sie
dabei nur irgend honett verfahren, so ist es H. sehr angenehm, dem
Fordern auszuweichen.
listen. Welchen Furor Deine Lieder hier machen, das kann ich Dir
nicht beschreiben, ich spiele sie überall, u. regelmäßig fallen ein
Paar Damen dabei in Ohnmacht [. . .] 219
fanny an Felix 220 Berlin, 27. Januar 1835 221
Mit Lafont habe ich in der letzten Zeit ziemlich viel Musik ge-
macht. Er spielt wunderhübsch, das muß wahr seyn, in einer ele-
ganten, nobeln, einfachen, älteren, aber nicht veralteten Weise.
Aber seine Prätentionen auf Singen sind unbegreiflich lächerlich,
u. das ganze Männchen ist u. bleibt eine ridicüle höchst veraltete
Erscheinung. Er hat gestern mit der Decker hier Musik gemacht,
sie sang seine große Bravourarie prächtig vom Blatt, aber dann
setzte er sich hin, u. schrieb ihr einige Romancen auf, u. sang mit
ihr, hoch u. tief, mit Läufchen u. Trillerchen, das man sich kaum
des Lachens enthalten konnte [. . .]
felix an fanny 222 Düsseldorf, 11. Februar 1835
Liebe Fanny,
ich schreibe Dir heute, obgleich ich Allen schreiben, und für die
lieben Geburtstagsbriefe danken sollte, weil ich Dir nun schon auf
zwei Antwort schuldig bin. Ich werde aber dennoch wohl Alle
anreden können, wie ich das so gern thue, um für die guten
freundlichen Wünsche und die Freude, die mir dadurch bereitet
183
wird, vielmal zu danken. Das schöne Granada 223 , das von den bei-
den Geren ist, wie ich nun weiß, ist das Prachtstück von meinen
diesjährigen Geschenken, und macht mir das größte Plaisir; ich
sehe es mir durch und bin immer noch nicht dazu gekommen eine
Seite in den Geschichten, die dabeistehen, zu lesen, weil ich mir
meine eigenen Geschichten dazu denke. Ich habe sogar vor ein
Ciavierstück zu componiren, das mit den Kupfern in Rapport ste-
hen soll. Die Maler sagen, wie Hensel, auch wohl es sei Manier u.
übertriebene Virtuosität, und so wie sie es im Schranke stehen
sahen, nahmen sie es u. gaben es nicht wieder aus den Händen u.
rißen sich drum. Es war ganz hübsch an meinem Geburtstage; früh
brachten mir wieder die 40 Militairmusiker ein Ständchen, zogen
ganz leise u. unvermutet in meine Nebenstube ein und fingen
glücklich mit den starken Schlägen der Beethovenschen Festou-
vertüre (124) an, die sie bewundernswürdig gut u. präcis spielten,
so daß ichs bis mir ausbat, weil inzwischen Herr Kyllmann vom
Weiher bei Wald hergekommen war, der es wohl auch hören
wollte. Er brachte mir einen Mälzeischen Metronom als Geschenk
mit, weil er immer klagte, daß meine Sachen nicht damit bezeich-
net wären. Auch Woringen kam mit einem großen bekränzten
Kuchen, den seine Schwestern gemacht, und an dem ich bis heut
früh gegessen habe, und einer Kanne Chocolade, und Schadow,
der mich zum Abend einlud, wo er mir wieder einen Ball wie
voriges Jahr gab. Die Musiker spielten mir noch die Aufforderung
zum Tanze, den Brautchor aus meiner Hochzeit des Camacho, u.
Wiraldos e-dur Lied daraus, und zum Schluß etwas aus dem Sep-
tett von Beethoven, dann kamen Franck, Steifensand, Herr v. Sybel
u. eine Menge anderer Bekannte; Hermann Franck hatte von
Neapel aus dazu geschrieben, zufällig kam der Brief wirklich am
3ten an; Mittags war ich bei Woringens mit Jordan u. Hildebrand,
dann war Singverein, u. dann tanzten wir bis 3 Uhr in einem fort.
Es war sehr lustig, Jordan hatte im Cotillon die schönsten Touren,
unter anderm die, die ich sehr goutire, daß zwei Damen hinter ein
großes weißes Tischtuch gestellt werden (das tanzende Paar muß
das Tuch halten) und dann hält jede blos einen Finger in die Höhe,
und die zwei Herren müssen einen von den beiden Fingern wäh-
len u. mit der zugehörigen Dame tanzen. Schrötter hatte eine
Tanzordnung vorgeschlagen, auf der 30 Galopps standen; oben als
184
Vignette hatte er mich scheuslich portraitirt, auf dem Delphin;
griechisch costümirt mit schwarzer Cravatte, und drunter die Ver-
se:
O fliehe nicht den Düsselstrand,
sonst die Musik Hegt auf dem Sand.
Wenn ich nun noch zusetze, daß Joseph Klein mir ein Heft Lieder
schickte, das er mir zugeeignet hatte, so ist mein Geburtstag aus
und inwendig und ganz und gar beschrieben. - Euer Reiseplan ist
ja höchst vortrefflich, Gott gebe viel frohe Zeit und Gelingen dazu;
aber ob wir uns im Mai hier oder wo sonst treffen können, das
weiß ich Dir heut durchaus noch nicht bestimmt zu sagen, denn
ich habe noch niemals für ein Frühjahr u. Sommer so wenig oder
so viel Pläne gehabt, wie für dieses. Es ist möglich, daß ich um diese
Zeit in England bin, oder in Leipzig, aber bestimmt ist durchaus
nichts; ich habe mir vorgenommen erst das Oratorium ruhig fertig
zu machen, und dann weiter zu sehen. Dazu brauche ich aber 8
Wochen wenigstens noch. Auch über meinen künftigen Aufent-
halt bestimme ich eher nichts, also bitte ich schön, o Beckchen,
schreibe mir auch nette lange Briefe ehe ich Dir melden kann was
für eine Art Musikdirector aus mir wird; es ist curios ; wie sich Alles
gerade so stellt, daß ich nicht recht weiß, was zum Sommer aus
mir werden wird, wenn wir uns mal wiederhaben werde ich Euch
Alles erzählen können, was zu schreiben jetzt kein Ende nähme.
Hoffentlich aber sehen wir uns bald. - Mich freut's, daß meine
neuen Lieder Deinen Bekannten gefallen; die Damen hier sind
auch sehr dafür, und was mir noch lieber ist, Ritz mag das aus es
dur am liebsten von allen meinen kleineren Sachen. Den lerne ich
hier recht schätzen; es ist ein vollkommen durchgebildeter musi-
kalischer Musiker, und wenn ihm nur Gesundheit bleibt, wird er
es gewiß weit bringen. Das Orchester hier, so roh und wild es auch
ist, läßt sich todt schlagen für ihn, obwohl er ihnen stärkere Sachen
sagt, als irgendeiner, so daß er sie durch Probiren u. Reguliren u.
Schelten seit den paar Monaten schon ungemein verbessert hat.
Morgen Abend ist wieder Concert; folgendermaßen; die g moll
Sinfonie von Mozart, die Gesangsscenen von Spohr gespielt von
Lübeck, einem ganz guten Geiger hier, die Arie aus Titus mit
obligatem Bassethorn, dann spiele ich zur Veränderung das Con-
certstück von Weber weil ichs mit Orchester seit dem Delmar-
185
sehen Wohlthätigkeitsconcerte nicht gehört habe; Im zweiten
Theil kommt die Ouvertüre aus Ali Baba, u. zwei andere Num-
mern daraus, u. zum Schluß das Septett von Beethoven mit Lü-
beck, Ritz etc. - Sind wir nicht sehr classisch? Nun geht das Papier
schon zu Ende, und ich habe noch auf mehrere Fragen von Mutter
zu antworten. [. . .] 224
O Fanny, das ist doch ein Familienbrief geworden; ich habe jetzt
ein Stehpult zum Schreiben, und einen langen Über-Überrock
zum Reiten, in dem ich scheuslich aussehe; denn ein Düsseldorfer
Schneider ist ein Schrecken der Natur - Uhlenbruch heißt dieser
Stümper - aber er hält warm, nämlich der Rock. Ich habe in diesen
Tagen wenig Neues componirt, nach dem Concert geht's wieder
los. Lebewohl Fenchel u. grüß Hensel u. Luise von mir, Deinem
Felix MB.
fanny an Felix 225 Berlin, 17. Februar 1835
Ich habe Dir für 2 Briefe zu danken, und will erst einmal ordent-
lich beantworten, was zu beantworten ist. [. . .] Die beiden Stücke,
die Du verlangt hast, sind im Begriff abzugehn, das Eine hab ich
nur noch nicht vom Notenschreiber zurück. Was nun das Heraus-
geben betrifft, so wollte ich Dich fragen, ob Du auch nicht verges-
sen hast: wer nur den lieben Gott läßt walten, es gefällt mir sehr,
u. wenn ich unter den 2 genannten zu wählen hätte, so wäre es
»Christe du Lamm Gottes«. 226 Von »ach Gott vom« 227 gefällt mir
ganz besonders das erste Stück, u. vorzüglich vom unisono an, wo
es sehr ernsthaft u. schön bis nach a dur hinein geht. Die Arie ist
wunderlich und schön wie die Worte. Aber das letzte Stück möch-
te ich Dir stark anfechten. Du mußt nur nicht glauben, daß ich Dir
eine retour Kutsche schicke, das ists gewiß und wahrhaftig nicht.
Aber das fängt in fis moll an, u. schließt in a moll, oder vielmehr
in C dur, durch wenige Modulationen hindurch, u. doch glaube
ich hätten die Worte da die allergrößte Standhaftigkeit u. ein Be-
harren im Choral erfordert. Wären wir beisammen, so würden
wir uns leicht darüber verständigen, so bitte ich Dich aber, antwor-
te mir darauf, u. sage mir inwiefern Du vielleicht seit den Paar
Jahren, die über die Composition vergangen sind, andrer Meinung
geworden bist.
186
Die Arie aus »wer nur den lieben Gott«, bringt mich darauf, Dir
zu sagen, daß ich in mehreren Solosachen Deiner kleinen geistli-
chen Musiken eine Art von Gewohnheit finde, die ich nicht gern
Manier nennen möchte, u. nicht recht zu benennen weiß, nämlich
etwas übereinfaches, welches mir Dir nicht ganz natürlich zu seyn
scheint, eine Art von kurzen Rhythmen z.B., die etwas Kindliches,
aber auch etwas Kindisches haben, u. mir der ganzen Gattung
sowohl, als auch Deiner ernsten Art die Chöre zu behandeln, nicht
ganz angemessen scheint. Ich habe hier vorzüglich die Arie aus der
Weihnachtsmusik 228 im Sinn, wo ich mir wohl denken kann, wie
Du dazu gekommen bist, aber auch in mehreren andern scheint
mir das Prinzip das Nämliche zu seyn. Wenn es Zeit hätte, bis wir
uns sehn, so wäre es wohl hübsch, wenn wir die Auswahl zusam-
men machen könnten, denn ich habe nicht alle die Musiken, die
ich nicht besitze, genug im Kopf, um Dir meinen weisen Rath zu
ertheilen.
Hab Dank für die ordentliche Critik meines Quartetts 229 . Wirst
Du es einmal spielen lassen? Weißt Du, ich finde, wir schreiben
uns jetzt sehr ordentliche Briefe; vielleicht nicht ganz so lustig, als
da ich mit Beckchen zusammensaß, und eine der andern immer
zu tollerem Zeuge die Feder aus der Hand nahm, aber vernünftig
über ordentliche Gegenstände. Mir ist es ganz recht, wenn es dabei
bleibt.
Die ganze vorige Woche konnte ich Dir nicht schreiben, weil ich
sehr fleißig Dein Rondo brillant 230 einstudirt habe. Dies ist nun
gestern, Sonntag Vormittag, mit doppeltem Quartett u. Contra-
baßbegleitung vom Stapel gelaufen, unter allgemeinem Beifall, u.
ich war toll genug, es, obgleich sehr unwohl, hustend, u. matt wie
eine Fliege, zweimal zu spielen, solche Lust hatte ich daran.
Ich habe eine Arie für den Sopran 231 gemacht, die würde Dir in
Bezug auf Form u. Modulation besser als mein Quartett gefallen,
sie hält sich ziemlich streng, u. zwar hatte ich sie fertig, ehe Du mir
darüber schriebst.
Ich habe nachgedacht, wie ich eigentlich gar nicht excentrische
oder hypersentimentale Person zu der weichlichen Schreibart
komme? ich glaube, es kommt daher, daß wir gerade mit Beetho-
vens letzter Zeit jung waren, u. dessen Art u. Weise, wie 232 billig,
sehr in uns aufgenommen haben, u. die ist doch gar zu rührend u.
187
eindringlich. Du hast das durchgelebt u, durchgeschrieben, u. ich
bin drin stecken geblieben, aber ohne die Kraft, durch die Weich-
heit allein bestehn kann u. soll. Daher glaube ich auch, hast Du
nicht den rechten Punct über mich getroffen oder ausgesprochen.
Es ist nicht sowohl die Schreibart, an der es fehlt, als ein gewisses
Lebensprinzip, u. diesem Mangel zufolge sterben meine längeren
Sachen in ihrer Jugend an Altersschwäche, es fehlt mir die Kraft,
die Gedanken gehörig festzuhalten, ihnen die nöthige Consistenz
zu geben. Daher gelingen mir am besten Lieder, wozu nur allen-
falls ein hübscher Einfall ohne viel Kraft der Durchführung gehört
fanny an felix 233 Berlin, 8. März 1835
[. . .] Vater wird höchstwahrscheinlich in diesem Jahr noch nicht
operiert werden können, obgleich das Uebel seit einigen Monaten
bedeutende Fortschritte gemacht hat. [. . .] Das Licht thut ihm noch
weh, so daß er es nicht ertragen kann, auch kann er sich in den
Stuben noch vollkommen zurechtfinden, ja sogar, wiewohl mit
Mühe, einige Worte lesen. Es ist übrigens unbeschreiblich, mit
welcher Geduld, Liebenswürdigkeit und Milde er dieses Leiden
erträgt, u. wie überhaupt mit jedem Jahr seine vortrefflichen Ei-
genschaften mehr hervortreten, u. sein Character sanfter und gü-
tiger wird. Wir tun natürlich alles Mögliche, ihm die Zeit zu ver-
kürzen u. Eine von uns bleibt immer Abends zu Hause, wobei uns
die Männer treulich Beistand leisten. [. . .]
Ich weiß nicht, ob ich Dir neulich geschrieben habe, wo Hensels
Bild hinkommt, [. . .] in die Garnisonkirche, der deshalb ein Paar
Fenster zugemauert werden, gerade über dem Sängerchor. Man
wird es von unten aus der Ferne, u. von oben nahe bei sehen
können, u. Hensel ist in jeder Beziehung sehr mit dem Platz zu-
frieden. Ich freue mich besonders, daß nun doch endlich eines
seiner Werke dem Publicum ohne Weiteres zugänglich seyn wird,
was bis jetzt noch mit keinem der Fall gewesen ist. [...]
Kommst Du einmal wieder her, so mußt Du, dem Bilde zu Ehren,
in der Garnisonkirche schöne Musik machen. Diese Ostern höre
ich, soll die Passion dort gegeben werden. Es ist schade, daß Du
ihnen nicht alle große Bachschen Musiken so schön vorgeschnit-
188
ten u. mit Sauce bereitet hast, denn was die Tölpel selbst versucht
haben, ist doch spurlos wieder untergegangen. [. . .]
Eben lese ich in der Spen. 234 Zeitung den Inhalt von Halevys Jü-
din 235 . Lieber Felix, das ist ja wieder ein außerordentlicher Fort-
schritt der künstlerischen Freiheit, da werden die Leute auf dem
Theater in siedendem Oehl gebraten. Solche neue, sublime Idee
hat Shakespeare nie gehabt. Wo wirst Du einen vernünftigen Text
herbekommen! [...] Es ist doch kurios, was die Oper für einen
Gang seit 20 Jahren genommen hat, u. wie sie jetzt, nach meinem
Gefühl wenigstens, an einem Uebermaß dessen leidet, was ihr
damals gänzlich fehlte. In Ali Baba 236 erdrücken sich die Ensem-
blestücke immer, und mit den dicksten Ensemblestücken ist es
schon nicht mehr gethan, sie müssen alle noch mit Chor gefüttert
werden, seine Hebenswürdigste Eigenschaft, die rasende Lebhaf-
tigkeit, wird am Ende ungenießbar, weil sie durch gar keine Ruhe
mehr getragen u. unterbrochen wird. [. . .]
fanny an felix 237 Berlin, 8. April 1835
Es sey, bei den Pforten der Hölle, laß mich dem Alt eintragen. Wir
werden einige Tage vor dem Musikfest eintreffen, um noch die
letzten Proben mitzumachen [. . .] Bestelle uns also Quartier, aber
mit der schönen Idee des Zusammen Einquartierens wird es nichts
werden. Wir kommen nicht allein, sondern mit Sebastian u. Min-
na, aber ohne Dienstboten, u. es ist doch ein Ding der Unmög-
lichkeit, zu wildfremden Leuten, die nicht Wirthsleute sind, 4
Mann hoch einzutreten, u. zu sagen: Leber Mann, da sind wir.
Dazu gehört wenigstens rheinische 238 Unbefangenheit, die wir lei-
der nicht haben.
Ob Ihr mich mit Eurem flüssigen Kräuterkissen, das Ihr mit dem
poetischen Namen Maitrank beehrt, [. . .] versöhnen werdet, das ist
mir sehr zweifelhaft. Indessen will ich, sobald es mir schmeckt,
gern gestehen, daß ich mich geirrt habe.
Eins will ich Dir aber sagen, wenn Du einen ungehörigen Lärm
von mir machst u. die Leute gar auf mein Spiel gespannt werden,
so komm ich gar nicht. Ich habe ohnedies eine so unvernünftige
Furcht vor Dir, (u. außerdem vor keinem Menschen weiter, außer
ein bischen vor Vater) daß ich ja eigentlich nie in Deiner Gegen-
189
wart ordentlich spiele, u. z.B. accompagnieren, was ich wirklich
gut machen kann, das weiß ich selber, würde ich nie versuchen,
wenn Du da bist. Ich sehe schon jetzt, wie Du mich in Düsseldorf
quälst, u. wie ich mich ängstige, u. wie ich hudle u. pfusche u. mich
ärgere. Da nun vollends, wo sie gewöhnt sind, alles, was ich irgend
spielen könnte, von Dir zu hören [. . .]
felix an fanny 239 Düsseldorf, 4. Mai 1835
Liebe Fanny,
Dein Quartier ist bestellt, Dein Name steht auf den Altlisten in
Cöln, nun darfst Du nicht mehr ausbleiben, sonst kommt Dir das
ganze Pfingscomite auf den Hals. Wann wollt Ihr nun abreisen?
Und wie sind Eure weiteren Pläne? Und wie lange Zeit kann auf
Düsseldorf und seinen pro tempore Musikdirector gewendet wer-
den? das sind Fragen, die Du mir nun bald beantworten mußt. In
Cöln müssen wir übrigens zusammenwohnen, es mag biegen oder
brechen; ich wollte uns alle bei Mumm einquartieren, der aus
früheren Jahren [. . .] ein großer Liebling von Dir ist; aber erstlich
wäre es darum Hensebi am Ende verdrießlich geworden (obwohl
Mumm selbst sehr schebig ist) und zweitens, als Hauptgrund,
bricht er sein Haus ab, und baut sich ein neues, das aber erst in
einem Jahre ferrig wird. Das ging also nicht, vielleicht wohnen wir
nun bei Farina, denn ein Gasthof ist in diesen Tagen, wo alle Frem-
de los sind, unerträglich, u. man verhungert u. verdurstet und
schläft nicht ordentlich darin. Für die Zeit, die Ihr hier zubringen
wollt, hat mir's der alte Präsident Woringen 240 auf die Seele gebun-
den, daß Ihr in seinem Hause wohnen müßtet, die ganze obere
Etage u. die halbe erste stünden in den Monaten doch leer. Vater
sei ja ganz zufrieden mit seinem Quartier gewesen, er werde mir
es nicht vergeben, wenn ichs nicht dahin brächte, daß Ihr es thätet.
Ich sagte, Ihr wärt vier Mann hoch; er sagte desto besser, schad daß
es nicht mehr wären; ich sagte, es würde Dich geniren, er sagte,
das könnte doch nur eine halbe Stunde dauern, nachher würdest
Du schon sehen, daß Du's nicht brauchtest, ich sagte er kennte
Euch ja alle nicht, er sagte er würde zu Pfingsten nach Cöln kom-
men, und Euch da kennen lernen, u. da würde er Euch schon
persuadiren, und ich sollte das nur vorläufig ankündigen. Hiermit
190
thu ich's. Vater wird nähere Erklärungen zu diesem passus geben
können und Euch sagen daß solche Anerbietung gar sehr annehm-
lich ist. Auch singt Rosa W. Deine Lieder sehr nett und Du kannst
gleich Autorfreude in der Fremde genießen. Wäre ich Ihr, so
schriebe ich mir nun alsbald, wann Ihr kommt, damit ich mich so
recht positiv darauf freuen, und mir den Tag im Calender anstrei-
chen kann. Ich meine Ihr solltet spätestens den Donnerstag vor
Pfingsten in Cöln eintreffen; (ich gehe schon am 29sten Mai dahin)
bis den Donnerstag drauf (also 8 Tage) da bleiben, dann fahrt Ihr
um 7 Uhr Morgens auf dem Dampfboot mit mir hierher, seid um
10 hier, und wie lange Ihr hier bleiben wollt bleibe Eurer eigenen
Generosität überlassen; unter 8 Tagen nun mal auf keinen Fall,
denn so lange dauert mein Oratorium 241 , wenn ich's Dir ordent-
lich vorspielen soll - drüber soviel Ihr wollt.
Mit meinen eigenen Plänen sieht es noch sehr unordentlich aus;
daß ich die Eltern treffen will, steht fest, reisen sie also nicht, wie
ich fast glaube, so komme ich nach Berlin und bleibe ein Paar
Wochen da. Die Sache mit Leipzig ist so gut als in Ordnung, sie
bewilligen mir alle meine Forderungen, wie ich sie mache, und
würden mehr bewilligen, wenns drauf ankäme. Der Geldpunct ist
beseitigt, bei dem halbjährlichen (!) Urlaub bleibt es, und so werde
ich aller Wahrscheinlichkeit nach den nächsten Winter schon dort
zubringen. Gern hätte ichs, wenn meine Anwesenheit in Berlin
nicht gerade während Eurer Abwesenheit fiele (wenn Euch dies
nicht gerade vielleicht erwünscht wäre, der Eltern wegen) kann es
also sein, so ließen sich vielleicht Eure Rückreise mit meinem Ein-
treffen in Berlin combiniren. Hierüber schreibe auch ein weises
Wort.
[. . .] Von meinem Zusammentreffen mit Onkel Joseph werdet Ihr
nun schon durch ihn alles Nähere gehört haben. Ich war herzlich
erfreut ihn so frisch, unverändert wieder zu sehen. Da ich in den
Tagen gerade in Cöln probirte, konnte ichs einrichten auf ein Paar
Stunden nach Bonn zu fahren; unterwegs (auf dem Dampfboot)
legte ich die Klingemannschen Worte unter den Salomon 242 ; er
hat mir nämlich das ganze Oratorium ziemlich übersetzt, in Ver-
sen u. Scenen, wie das Original. Ich kam aber ziemlich müde in
Bonn an, denn allerdings ist so ein Musikfest mit seinem vielköp-
figen Comite ein angreifendes Thier, u. ich hatte mich schon hei-
191
ser gesprochen. Abends tranken wir Champagner, u. aßen Krebse,
u. Onkel nahm den Comitebrief und die Lieder ohne Worte, die
eigentlich noch gar nicht heraus sind. Dies Exemplar soll übrigens
der Mde. R. Lejeune Dirichlet gehören, ich fand nur in Cöln nicht
Zeit meine Dedication drauf zu schreiben; wenn Du auch eins
haben willst, sollst Du Dir es hier abholen. Auch ein Kästchen eau
de Cologne kannst Du kriegen. [. . .]
felix an fanny 243 Düsseldorf, 30. Juni 1835
Liebe Fanny,
Nur weil wir Dir gestern ein bulletin versprochen schicke ich Dir
eines, denn Gott sei Dank ist Mutters Zustand so beruhigt und
beruhigend, wie man es nach einem so starken Anfalle 244 nur ir-
gend wünschen u. hoffen konnte. Ich muß gleich nachher in den
Singverein gehen, um das Concert zu probiren, das wir übermor-
gen geben wollen; das sage ich Dir damit Du daran siehst, daß Du
Dich ebensowenig zu ängstigen brauchst wie wir es thun. Das
einzige ist schade, daß ich Dir nicht Mutter auf dem Sopha sitzend
beschreiben kann, aber der Doctor hat, um größter Ruhe gewiß
zu sein, noch einige Tage das Bett zu hüten befohlen, und eben
zeigt es sich, daß er Recht hatte, da sie schon wieder ein wenig
schläft, nachdem sie die ganze Nacht ruhig geschlafen u. heut wie
gewöhnlich gefrühstückt u. geplaudert hat. Ich hoffe aber darauf
daß sie so wenig als möglich plaudert, da die schnelle u. vollkom-
mene Besserung ein wahres Glück ist, das so schnell gar nicht zu
erwarten war. [. . .] Grüß Hensel u. Minna. Dein Felix M.
fanny an felix 245 Boulogne s. m., 15. August 1835
Dir liebes Felixchen, der Du ein halbes Meerthierchen u. ein hal-
ber Engländer bist, will ich vom Meer aus, u. im Angesicht Eng-
lands zuerst schreiben. Wir haben ein Paar sehr uncomfortable
Tage zugebracht, mit schlechtem Wetter (bei Sturm u. Regen ha-
ben wir unsere Seebäder angefangen) Wirthshausverdrießlichkei-
ten, Hensel mit Magenkrampf, u. wir Alle mit Angst um Euch,
denn erst gestern, den I4ten, habe ich beide Briefe aus Berlin vom
2ten und 4ten zugleich erhalten, was mir unbegreiflich ist. Richte
192
Dich danach, Heber Felix, wenn wir uns wegen der Rückreise
bereden, auf 10-12 Tage mußt Du rechnen.
Gott sey Dank, daß die Eltern glücklich wieder angekommen sind,
sage mir doch lieber Felix, ein Wort über Vaters Augen 246 , auf
welchem Punkt die jetzt stehn.
Was ihr uns über Berliner Unruhen 247 schreibt, hat uns in das
höchste Erstaunen versetzt, indessen hoffe ich, daß sie ohne Folgen
werden gebheben seyn, wo weder polirische, noch religiöse Be-
weggründe da sind, kann man wol nichts Ernsthaftes fürchten.
Wir liefen gleich hinüber in das Badeetablissement, den einzigen
Ort, wo man Zeitungen lesen kann, wenn man so glücklich ist,
welche zu erwischen, u. fanden wirklich im temps 400 Verwunde-
te, ein gestürmtes Schloß u. eine so schreckliche Schilderung, daß
wir herzlich froh waren, Euren Brief vorher gelesen zu haben. Die
Örtlichkeiten übrigens ganz richtig angegeben. [. . .]
8 Tage nach dem 28sten 248 haben wir den Leichenzug gesehen, der
durch ein junges Mädchen eröffnet, u. durch einen Marschall von
Frankreich geschlossen, ungemein rührend u. eigenthümlich war.
Die ungeheuren Militairmassen u. die aufgefahrenen Kanonen er-
innerten auf traurige Weise an den Ursprung dieser Feierlichkeit,
u. an die stets vorhandenen Befürchtungen.
Ich möchte wol hören, was Ihr in Berlin über das Preßgesetz 249
streitet, ich fürchte sehr, sie richten sich damit zu Grunde. Wir
waren in jenen entscheidenden Tagen fast täglich im Broglie-
schem Hause 250 , u. es war mir interessant u. schmerzlich, die dort
vorwaltenden Meinungen zu hören. So wie ein Jeder der Verwun-
deten empfindlich und persönlich im eigentlichsten Sinn getroffen
war, so suchte er auch leider die öffentliche Sache zu einer persön-
lichen zu machen. Es schien mir sehr unklug, in einem Augen-
blick, wo alle Feinde der Regierung außerordentliche Maaßregeln
erwarteten, dieselben wirklich eintreten zu lassen u. ich glaube, es
wäre grandioser u. klüger zugleich gewesen, der Gerechtigkeit ih-
ren Lauf zu lassen, u. nicht die Presse in einem Augenblick zu
unterdrücken, wo sie doch nicht unmittelbar gefehlt hatte. Eng-
land existiert doch mit größeren Freiheiten. Ueberhaupt geht das
Verbieten u. Regieren hier in manchen Punkten so weit, wie nur
irgend in absoluten Staaten. Zum Beispiel muß man hier in Bou-
logne, um eine Spazierfahrt auf dem Meere zu machen, 2 Erlaub-
193
nißscheine haben, ja es gehört eine besondere Erlaubniß dazu, sich
einen Eimer Meerwasser holen zu lassen, wie ich von Mrs. Au-
stin 251 weiß, welche sich an die Behörde wenden muß, um ihrem
Mann im Hause Seebäder machen zu dürfen. Die ist nun ganz
außer sich über diese Quälereien. Leider ist sie in diesem Augen-
blick ganz u. gar beschäftigt mit ihrer Einrichtung, ich hoffe sie
mehr zu sehn, wenn sie fertig seyn wird. Sie ist uns sehr freundlich,
u. gefällt mir ihres ernsten tüchtigen Wesens wegen ungemein.
Obwohl wir uns einige Tage lang sehr haben herumquälen müs-
sen, bin ich doch froh, daß wir uns selbst eine Wohnung ausge-
sucht haben, schwerlich hätte Jemand anders die Lage so unseren
Wünschen gemäß gefunden. Wir haben Hafen u. Meer dicht vor
der Thür, alle aus- u. einlaufenden Dampfschiffe u. zahlreiche
Fahrzeuge aller Art müssen bei uns vorüber, die englische weiße
Küste, u. die schwarzen Thürme von Dover können wir mit bloß-
en Augen von unseren Fenstern aus sehn, u. unmittelbar hinter
dem Hause erhebt sich ein Berg, an dem die Stadt terrassenförmig
aufsteigt, u. von wo aus man eine der schönsten Aussichten hat,
die ich je sah. Bekannte haben wir gar nicht hier gefunden, daß
Mme. Beer 252 hier wäre, haben wir erst aus Eurem Brief erfahren,
u. sie gleich gestern Abend aufgesucht, aber nicht getroffen.
Wir führen ganz im Gegensatz von Paris hier ein sehr ruhiges, aber
gesundes einförmiges Leben. Baden, Spazierengehen, Essen (ich
vertilge viel engl. Käse) früh Schlafengehn, das sind unsre Beschäf-
tigungen, wozu Du noch viel aus dem Fenster sehn, u. vor der
Thür sitzen rechnen mußt. Zu der Thätigkeit, in den Salon zu
gehn, u. dort nach einer Zeitung zu angeln 253 , erheben wir uns
selten, dazu muß man sich erst putzen. Wo ist unser Pariser vis ä
vis Lesecabinet, wo man für 2 sous täglichjede politische Meinung
auf seiner Stube erfahren konnte!
Luise ist göttlich zu behaupten, sie habe 7 u. wir 3 mal geschrieben.
[. . .] Die Briefe, die sie über 3 geschrieben hat, will ich essen, nach
dem Bade, wo ich Alles vertilge. Dagegen hat Minna gestern mit
einiger Mühe 7 Briefe gerechnet, die sie seit Schöneberg geschrie-
ben haben will. Mich würde immer der Vorwurf nicht treffen,
denn ich habe in allem Pariser trouble immer Zeit zu langen Brie-
fen an Euch gefunden, ebenso gut hätte Minna auch an ihre Mut-
194
ter 254 schreiben können. Sie ist aber zu beschäftigt mit ihren Fort-
schritten im Franz., von denen sie gestern eine eklatante Probe
abgelegt hat. Sie kam ganz stolz aus der Küche, u. sagte, das ganze
Haus sey zusammen gekommen, sie zu verstehn, sie habe gesagt:
deja un lumiere moi (soll heißen: noch ein Licht für mich). Wirk-
lich kam einen Augenblick darauf der Bediente, u. brachte einen
großen Topf heiß Wasser. [. . .] Lebe wohl, wie freue ich mich auf
zu Hause! Liebe Mutter, wie sieht es in meiner Wohnung aus?
P. S.: Seb. ist munter u. badet wie ein Fischchen, er wollte selbst
schreiben, darum habe ich nichts von ihm gesagt, nun hat er sich
anders besonnen.
195
Gewandhauskapellmeister in Leipzig
1835 bis 1839
1835 Im August zieht Felix von Berlin nach Leipzig. Die Familie
Hensel kehrt im September von Frankreich nach Berlin zu-
rück. Am 4. Oktober stirbt Wilhelm Hensels Mutter, am 19.
November Abraham Mendelssohn mit erst 59 Jahren. Men-
delssohn engagiert seinen Jugendfreund Ferdinand David als
Konzertmeister des Gewandhausorchesters. Im Dezember
wird die erste deutsche Eisenbahn zwischen Fürth und
Nürnberg in Betrieb genommen.
1836 Das Berliner Kammergericht verurteilt 192 Studenten wegen
Teilnahme am Hambacher Fest zum Tode beziehungsweise
zu langen Haftstrafen. Fanny besucht ihren Bruder in Leipzig
und bekommt von ihm eine »Abfuhr« als Komponistin geist-
licher Werke: Ihr Talent »neige nicht dazu«.
Felix erhält die Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig,
leitet erneut das Niederrheinische Musikfest und reist im
Sommer nach Frankfurt am Main, wo er seine zukünftige
Frau Cecile Jeanrenaud kennenlernt. Fanny nimmt als Cho-
ristin am Musikfest teil, leidet aber unter der Trennung von
Mann und Kind, die zu Hause geblieben sind. Im Juni schickt
sie einige Klavierstücke an ihren Freund Klingemann nach
England in der Hoffnung, dort ein Publikum für ihre »klei-
nen Sachen« zu finden.
1837 Der Verleger Schlesinger publiziert gegen den Willen von
Felix Fannys Lied »Die Schiffende« in einem »Album«. Das
Bankhaus Paul Mendelssohn-Bartholdy wird in Hamburg
gegründet. Am 28. März heiratet Felix Cecile Jeanrenaud.
Die Hochzeit findet in Frankfurt am Main statt. Da beide
Schwestern zu dieser Zeit schwanger sind, ist ihnen die weite
Reise unmöglich. Fanny ist tief verstimmt, ihre Schwägerin
noch nicht kennengelernt zu haben. Im April erleidet sie
196
eine Fehlgeburt. Felix erklärt seiner Mutter Lea, daß er Fan-
ny beim Publizieren ihrer Werke nicht unterstützen wird. Im
November reist Fanny nach Leipzig und sieht ihre Schwäge-
rin zum ersten Mal. Die Eisenbahnlinie Dresden-Leipzig
wird eröffnet.
1838 Am 7. Februar wird das erste Kind von Felix, Carl Wolfgang
Paul, geboren. Fanny tritt als Solistin des g-Moll-Konzerts
ihres Bruders in einem Berliner Wohltätigkeitskonzert auf.
Mendelssohn nimmt erneut die Leitung des Niederrheini-
schen Musikfestes an und besteht darauf, daß auch Bach ins
Programm kommt. Im Mai reist Fannys Mann Wilhelm
Hensel nach England, wird der im Vorjahr gekrönten Queen
Viktoria vorgestellt und erhält Gemäldebestellungen von ihr.
Im November stirbt Rebecka Dirichlets jüngster Sohn Felix
im Alter von dreizehn Monaten.
1839 Auf dem Düsseldorfer Musikfest dirigiert Felix die erste un-
gekürzte deutsche Aufführung des »Messias« von Händel.
Fanny und Rebecka fahren mit ihren Kindern im Sommer
zur Erholung nach Heringsdorf an der Ostsee.
Werke von Felix
1836 Drei Präludien und Fugen für Orgel op. 37 / Sechs Lieder
ohne Worte für Klavier, op. 38 / Trauermarsch für Orchester
a-Moll op. 103 / Etüde für Klavier f-Moll für Moscheies /
Andante Es-Dur für Klavier / Lied fis-Moll für Klavier /
Präludium f-Moll für Klavier / Drei zweistimmige Volks-
lieder
1837 Konzert für Klavier und Orchester d-Moll op. 40 / 42.
Psalm »Wie der Hirsch schreit« op. 42 / Drei Steichquartet-
te op. 44 / Album-Blatt für Klavier e-Moll op. 117 / Capric-
cio für Klavier E-Dur op. 118 / Perpetuum mobile C-Dur
für Klavier op. 119 / Lied ohne Worte A-Dur / Gondellied
A-Dur
Lieder
»Lied einer Freundin« (Johann Wolfgang von Goethe) / »Im
Kahn« (Heinrich Heine)
197
1838 Serenade und Allegro giocoso für Klavier und Orchester
e-Moll op. 43 / Sonate für Klavier und Violoncello B-Dur
op. 45 / Andante cantabile und Presto agitato für Klavier
Lied
»Oh könnt' ich zu dir fliegen« (ohne Textdichter-Angabe)
1839 Der 95. Psalm »Kommt, laßt uns anbeten« op. 46 / Sechs
Lieder für Vokalquartett im Freien zu singen op. 48 / Kla-
viertrio d-Moll op. 49 /Two Psalm Tunes für vierstimmigen
Chor / Lied ohne Worte fis-Moll für Klavier / Drei Fugen
für Orgel
Werke von Fanny
1836 Lieder
»Warum sind denn die Rosen so blaß?«, »Gleich Merlin«
(beide Heinrich Heine) / »Wie dich die warme Luft um-
scherzt«, »Mai«, »Des Meeres Leuchten« (alle ohne Text-
dichter-Angabe) / »März«, »Neue Liebe, neues Leben«,
Duett »April« (alle Johann Wolfgang von Goethe) / »Die
Schiffende« (Ludwig Heinrich Christoph Hölty) / »Suleika«
(Marianne von Willemer)
1837 Für Klavier: Allegro con brio c-Moll und f-Moll, Largo es-
pressione e-Moll, Prestissimo C-Dur, Allegro agitato g-Moll
und f-Moll, Andante G-Dur, Allegro con spirito, Allegretto
grazioso B-Dur
Lieder
»Altes Lied« (Clemens von Brentano) / »So hast du ganz und
gar«, Duett »Sprich, o sprich«, Terzett »Winterseufzer« (alle
ohne Textdichter-Angabe) / »Ach, die Augen sind es wie-
der«, Duett »Im wunderschönen Monat Mai« (beide Hein-
rich Heine) / »Wanderlied«, Terzett »Tage der Wonne,
kommt ihr so bald« (beide Johann Wolfgang von Goethe) /
»Bright to the place of the soul« (George Gordon Noel
Byron)
1838 Für Klavier: Allegro molto vivace ma con sentimento
Es-Dur, Etüde g-Moll, Notturno g-Moll, Allegro di molto
d-Moll, Allegro grazioso B-Dur
198
Lieder
»Fichtenbaum und Palme«, »Ich wandle unter Bäumen«,
»Das Meer erglänzte weit hinaus«, Duett »Wenn ich in deine
Augen seh« (alle Heinrich Heine) / »Die Mainacht« (Ludwig
Heinrich Christoph Hölty) / Duett »Blumenlied« (ohne
Textdichter-Angabe)
1839 Lieder
»Sehnsucht« (Johann Wblfgang von Goethe) /»Verschiedene
Trauer« (Anastasius Grün) / »Schloß Liebeneck« (ohne Text-
dichter-Angabe)
199
fanny an felix Berlin, 29. Oktober 1835
Mein liebes Felixchen, seit Deiner Abreise 2 ist Tag um Tag ver-
gangen, u. ich habe mich nicht stimmen können, Dir zu schreiben.
Das liebe Leipzig giebt einem durch angenehme Nähe so die
Empfindung, als könntest Du etwa einmal zur Thüre herein tre-
ten, u. da kommen täglich Leute, die Dich gesehen, von Dir gehört
etcet, es ist gar hübsch. Wäre nur eine Eisenbahn dahin, dann wäre
es gar ein Spaß. Dein Hauser 3 ist ein lieber Mensch, u. wird bei
uns schrecklich verhätschelt. Du weißt, das können wir, wenn wir
Einen mögen. Morgen tritt er als Diable 4 auf, u. hat so höllische
Moran 5 , daß wir Alle mit ihm bange sind. Ach es war nicht seine
Wahl, ist uns aber heb für ihn, denn es wird eine Knallvorstellung.
Eichberger 6 tritt mit ihm auf, u. die großen Eislers 7 , König, sonsti-
ger Hof u. unsre lieben Freunde, die russischen Offiziere werden
drin sein, u. so Gott will, wird es ihm gelingen. Wäre nur das
Theater ein Zimmer, u. die große Oper ein deutsches Lied, das
kann man nicht besser singen als er, so wie seine Stimme wunder-
schön zum Ciavier klingt. Ich habe mich ganz in ein Lied v. Haupt-
mann 8 verhebt: komm heraus, tritt aus dem Haus. Wie Du mich
aber, seit Du Hauser kennst, hast behäbig nennen können, weiß
ich nicht. Er hat ja alle Behäbigkeit der Welt in sich geschluckt, so
daß für einen anderen ehrlichen Menschen gar nichts übrig gebhe-
ben ist. [. . .]
fanny an felix 9 Berlin, 3. November 1835
(Katalog der von Felix in Berlin Unterlassenen und nach Leipzig zu schic-
kenden Sachen)
Eine blecherne Büchse. Sieht abentheuerlich aus
Eine Lichtputze
Ein Liszt
2 P. Tassen gr. u. klein
1 eigelber Eierbecher
1 Flacon mit anscheinend flüchtigem Salze für ohnmächtige Da-
men
1 Pomadetöpfchen
iGlas
200
i Räuber, nachdenklich
i Gabel nicht zum Essen
i Skizze aus der Düsseldorfer Schule
i Beethoven, Rubens, Rembrandt, Mozart
Patent von der Academie. (Mach Schobbes 10 davon)
rothes Sammtkissen worauf ein Lorbeerkranz sitzt
alte Brieftasche
Pack Briefe
Paul als Basrelief
noch ein Flacon für die Damen, die späterhin ohnmächtig werden
Perspectiv
[••■]
i Clavierstuhl
i Notenpult
i Hängepult
i Tuschkasten ohne Tusche
Bücherne Sachen.
Buttmann Griech. Grammatik
Brem. Latein. Schulbuch
Bröder Grammatik
Breslauer Dichter
Bailey Fahrenkrüger Lexicon
Bayern, König von Gedichte
Beranger Chansons. 2 B.
Cervantes 3 B.
Cervantes Don Quixote span. 5 B.
Chaucer Tales.
Eulenspiegel Till.
Eschylus v. Droysen 2 B.
Entrop röm. Geschichte
Fük engl. Sprachlehre
Florines Geist
Flaxmann Kupfer 2 B.
Gil Blas 4B.
Grillparzer Goldenes Vlies.
Geliert Oden
Goethe. Hermann u. Doroth. Prachtexemplar
Gans über Seydelmann
201
HerodotiB.
Heyse Verslehre
Hefte. Universitäts i B.
Jean Paul Leben 2.34-ter B.
Immermann Schriften 4 B.
Immermann Friedrich IL
Kreuser Die Overstolzen!
Campe Columbus / Thomas Campen /.
Lanjuinais Notice. / Lafontaine cont. 2 B. /
Musäus Volksmärchen 3.51er B.
Milton poet. W. 3 B.
Musikal. Anekdoten
Moliere 7 B. 1
Milton 1 B.
Musee de Paris catal.
O/V/2B.
Phädrus Fabeln
Piaton Gastmahl gr.
Piaton 3.8B.
Rückert Gedichte. Gehören Kreuser!
Rahel
Rost griech. Wörterb.
Shakespeare Beauties of
Shakespeare v. Meyer 2ter B.
Scheller Lexicon
Schiller Ged. 1 B.
Stammbuch ein langes
Statut des Düsseid. Vereins
Tasso 2 B.
Taschenbuch 1801
Terenz
Tibull
Vicar of Wakefield
Westminsterabbey
Xenophon Cyropädie
Zelter Faschs Biographie
Notene Sachen
Bach: Aus tiefer Noth, Herr gehe nicht, Gottes Zeit, Passion Parti-
202
tur, Litanei, Messe g Dur, Musikal. Opfer, Nimm was Dein ist,
Lob, Ehre, Ein feste Burg, Wohltemp. Cl. i B., H. Deine Augen
Beethoven Concert d. m. Stimmen [. . .]
Cherubini 2 Messen. Wasserträger
Chopin Notturni
Händel Salomon
Hiller 2 Quatuors, 2 Liederhefte, Etudes
Haydn Jahreszeiten
Mendelssohn Camacho, leeres Notenbuch, Altes Compositions-
buch, dito, Stimmen zu Camacho, Sommernachtstr. St., Ouvertüre
c. St., Liederspiel St., Fuga St., Concert g m St., Kyrie St., Octett St.,
2 Doppelconcerte St., Ouvert. Melusine St., Walpurgisnacht St.
Marx Motetten, Morgengesang d. Parsen St.
Reichardt Morgenges. Part.
Spohr engl. Cantaten
Schnyder v. Wartensee Fortunat
Stimmen der Passion v. Bach
Solostimmen:
Petrus
Pontifex
Judas
Pilatus
2 Sopran
iAlt
1 Tenor
ister Chor:
21 Sopran
17 Alt
16 Tenor
14 Baß
2ter Chor:
16 Sopran
16 Alt
16 Tenor
16 Baß
203
fanny an Felix 11 Berlin, 9. November 1835
Es thut mir leid, daß ich nicht gleich alle Deine Aufträge ausführen
kann, lieber Felix. Die Ouvertüre zur Medea 12 habe ich trotz allen
Schickens u. Schreibens noch nicht erhalten können, sobald ich sie
habe, geht sie ab. Die Partitur v. Haydn, u. ein Stück aus Medea
bringt Dir der Dr. Reiter mit diesem Brief. Und hier ist die Stelle
aus der as-dur-Sonate. 13 [. . .] Hauser sang gestern Abend wunder-
schön, ich habe wirklich nie eine weichere, ich möchte sagen rüh-
rendere Baßstimme gehört, die Tenore haben das wol eher, daß es
Einem wunderlich ums Herz wird beim Klang ihrer Stimme. Hast
Du einmal die Arie v. Mozart: Metre ti lascio, o figlia 14 , von ihm
gehört? Diese, nebst dem Liede v. Hauptmann u. dem aus dem
Wasserträger 15 , bilden das Haupt- u. Lieblingsrepertoir. Heut hat
sich die Haehnel zu Tisch anmelden lassen, Hauser ißt auch bei
uns, wenn es erst Eisenbahn zu Dir giebt, lade ich Dich früh ein,
u. Du kommst Mittag, u. isst ein Lieblingsgericht. Hauser ist eben
ein solcher Lecker, wie Du, über Confituren kann er komplett in
Enthusiasmus gerathen. Woringens schreiben von einem Düssel-
dorfer Gerücht, daß Immermann nach Leipzig als Director 16
käme. Ich hoffe, es ist nicht wahr, es würde Dir doch gewiß sehr
unangenehm seyn. Ich kann mir übrigens denken, daß die Malice
Antheil an einem solchen Entschluß seinerseits hätte. [. . .]
felix an fanny 17 Leipzig, 13. November 1835
Dank für Deine Briefe, lieber Fenchel, u. da Du einen aparten
Brief von mir haben willst, so erscheint hier einer, aber dafür mußt
Du auch künftig viel ausführlicher und länger schreiben, als bisher,
sonst begebe ich mich wieder an einen Familienbrief. Das ist über-
haupt ein gut Ding damit, Ihr antwortet dann alle apart, u. ich
kriege 4 Briefe für einen; aber wie gesagt, schreibe lang und breit.
Der Catalog 18 hat mich noch lachen gemacht, als ich schon im Bette
lag, u. das Licht ausgeputzt hatte; die abentheuerliche blecherne
Büchse gefällt mir sehr. Es war sonst Thee darin, und ich fand im-
mer, die Büchse sehe wie die Böhmische Kirche aus. Ist denn aber
der Catalog auch recht genau, Fenchel? Oder ist er mehr schön, als
wahr? denn ich vermisse darin unter anderem alle meine Brief-
204
schaffen, in verschiedene Pakete geordnet, die in der Kiste waren.
Habt Ihr die nicht drin gefunden, u. was habt Ihr damit gemacht?
Tiefe Stille herrscht drüber im Wasser. - Dr. Reiter kam ganz ent-
zückt von Eurer Aufnahme hier an; über Vater ist er in einem wah-
ren Enthusiasmus. 19 Dafür kann ich aber nicht verschmerzen, daß
Hr. Limburger 20 am meisten begeistert von Walter, 21 dann von Se-
bastian, u. dann von Deinem Clavierspiel sprach. Er sagte, Du soll-
test eine reisende Künstlerinn sein, Du würdest die anderen todt
spielen. Ich sagte pourquoi? denn mich fror sehr, es war auf der
Concerttreppe gestern Abend, u. er wurde gar nicht fertig mit Er-
zählungen von Eurer Liebenswürdigkeit. Nach meinen neusten
astronomischen Beobachtungen schminkt er sich nicht; denn ich
bemerkte jenes Abendroth oft erst wenn er sich durch Singen oder
sonst echauffirte, auch Heß es nach u. nahm wieder zu, und somit
schließe ich es für Natur, nicht Kunst; dies habe ich mir nach un-
zähligen Beobachtungen herauscalculirt, u. nun reist er nachBerlin
u. Ihr fallt gleich nach dem ersten flüchtigen Überblick drüber her,
u. wollt mich irre machen - rechte Charivaris und Figaro's.
Daß Immermann hieher kommen soll, ist ein Gerücht, als ob man
sagte, Dirichlet würde Organist; es ist kein Gedanke dran. Übri-
gens komme ich hier mit dem Theater in so wenig, oder in gar
keine Berührung, daß mirs gleichgültig wäre. Pbris ist jetzt hier mit
Francilla. 22 Wenn ich sagen sollte, daß er mir einen guten Eindruck
gemacht hätte, so müßte ich lügen. Ein rechtes Bild eines speku-
lierenden, geizigen Musikers - also ein trauriges. Er ist auf kein
anderes Gespräch zu bringen, als auf Geldsachen, auf Geldpläne,
u. Geldverluste - und wär's noch sein eigenes, daß ersieh verdient,
aber so verdient er's mit der Francilla 23 , die er deshalb vor 5 Jahren
schon adoptirt hat, u. die nun von Kopf bis Fuß nichts als eine
Musikerspeculation ist. Die mag nun gelungen sein, oder nicht, so
ennuyirt michs; mein Interesse an ihr könnte erst anfangen, wenn
sie sich mit Pixis um's Geld recht tüchtig zankte, oder gar wegliefe,
aber so ist's gar zu jämmerlich. Sie soll übrigens schön singen, u.
achtet mich sehr - das hilft mir aber gar nichts, wie gesagt.
Montag ist ihr Concert, wo abermals meine Hebriden dran müs-
sen; u. dann muß ich ihr alle Arien dirigiren, von vorn bis hinten
colla parte - aber dafür kriegen meine Orchesterwithwen wieder
3 Thaler.
205
Denk Dir, Fanny, bei Wiecks Concert neulich 24 hörte ich meinem
h moll Capriccio 25 zum erstenmale zu (Clara spielte es wie ein
Teufelchen) und es hat mir sehr gut gefallen. Ich war eigentlich
ganz verwundert drüber, denn ich hielt es für ein sehr dummes
Ding, seit Du u. Marx sehr darauf geschimpft, aber es klingt wahr-
haftig lustig mit dem Orchester, u. scheint mir lange frisch für ein
Concertding. Ich glaube, es ist hübscher, als das aus es, Du glaubst
aber das Gegentheil, glaube ich. Montag über 8 Tage kommt im
Musikerconcert meine Melusine, darauf freue ich mich.
Aber nun zieht sich der Brief einen Frack an, u. wird ein Geburts-
tagsbrief, denn er kommt ja morgen an, u. kann gleich selbst gra-
tuliren. Mein lieber Fenchel, sei sehr wohl und sehr glücklich an
dem Tag u. im Jahre das folgt, u. denke Deines musikdirigierenden
Bruders oft. Du weißt am i4ten Nov. machte ich immer gern
irgend was Ordentliches fertig, um es zu Füßen legen zu können,
als gutes Omen. Aber diesmal hält mich der fatale Schnupfen u.
Husten vom Arbeiten ab, u. ich habe nur löschen können die
ganze Woche. Aber das Herz ist grasgrün u. wünscht Dir u. Hensel
u. Sebastian recht vieles u. alles Glück, u. einen vergnügten Ge-
burtstag. Lebwohl, Cantor, u. bleibe mir gut. Dein Felix MB.
fanny an Felix 26 Berlin, 18. November 1835
Dank für Deinen Brief, lieber Clown, ich setze mich eilends her 27
ihn bestens zu beantworten, sitze auf Deinem Ciavierstuhl, den
ich vor meinen Schreibtisch gestellt habe, u. denke behaglich Dei-
ner. Hauser sitzt auf dem Sopha u. hat Kopfschmerzen u. spricht
schon seit gestern Nachmittag kein Wort. Sage es aber seiner Frau
nicht, denn es hat keineswegs etwas zu sagen, er ist nebenbei der
erste Hypochonder Deutschlands. Was er zusammenschleppen
läßt von Mitteln, Senf und Meere ttig u. eine Prise u. Eihäute 28 auf
seine schlimme Nase, u. Apfelwasser in Eimern, Leinsamenthee
u. Hafergrütze, u. Fußbäder u. den Teufel u. seine Großmutter.
[...] Abends schläft er um 8 Uhr ein, u. dann wird er entweder
gekniffen oder zu Bett geschickt. Wenn er sich aber aus seiner
Faulheit u. Hypochondrie aufrafft u. bei Stimme ist, singt er wirk-
lich wunderschön.
Ich habe Sonntag meine Musiken wieder angefangen u. liebster
206
Gott, wann werd' ich sterben, u. Herr, gehe nicht ins Gericht 29
singen lassen, das Rezit. aus dieser Cantate: Wohl aber dem (der
einen Bürgen weiß), sang Hauser wunderschön u. mit allgemei-
nem Beifall. Es war überhaupt sehr gut besetzt u. ich habe Freude
dran. Das nächste Mal denke ich mich zu erfrechen, Dein Concert
zu spielen, ich will einmal sehn, ob es beißt. Gewiß bin ich der
Meinung, daß das es-Dur-Rondo zehnmal besser ist, als das aus
h 30 , Du hast über den Verfasser kein Urtheil. Und hier komme ich
mit einem Sprunge auf Dein Verzeichnis. Seine Schönheit muß
Dich so geblendet haben, daß Du gänzlich folgenden Artikel über-
sehen hast, der mit allen Buchstaben drin steht: 8 Pack Briefe. Ich
will ihn aber bei dieser Gelegenheit dahin berichtigen, daß es 7
Pack Briefe sind, u. das 8te laut Aufschrift Brieftaschen und Klei-
nigkeiten enthält, die wir nicht untersuchen wollten. Ich habe sie
Alle in einen Schrank geschlossen, von wo sie das Tageslicht nicht
wieder erblicken werden, bis Du sie einmal abforderst. Nimm
aber bei dieser Veranlassung zugleich das Geständniß, daß als mir
beim Auspacken der Kiste das erste dieser Pakete in die Hände fiel,
ich es unbesonnen erbrach, ohne nach der Aufschrift zu sehn. Ich
gebe Dir aber mein Ehrenwort, daß ich keinen einzigen Brief auch
nur von außen besehn, sondern ins Paket, als ob es brennte, bei
Seite geschoben habe. (Hauser schläft). Noch muß ich bemerken,
daß von zahlreichen Stimmen, die wir verzeichnet haben, fast kei-
ne Partie vollständig ist. Überdies ist das Verzeichniß, das gar keine
Ansprüche auf Schönheit macht, durch seine raisonnirende Treue
bemerkenswerth, u. der Graf mag seine Diener loben.
Nun höre aber, in welcher traurigen Alternative 31 ich mich befin-
de. Als Dein Limburger Baumeister oder Baumeister Limburger
hier war u. ich ihm vorspielen sollte, brachte ich unter andern die
etudes v. Cramer 32 mit hinüber u. spielte Einige, die mißfielen aber
Vater sehr. Ich versicherte ihm indeß, er müsse sie alle hören, sonst
machtest Du mich Weihnachten todt, u. er mache mich vor Weih-
nachten todt, wenn ich sie Alle spiele, sagte er. Welchen Todes soll
ich nun sterben?
Sebastian sagte neulich zu der Dir wol noch von Alters her be-
kannten Freistädt munter, daß wir ein Concert machen. Was sol-
len wir vornehmen, Beethoven oder Onkel Felix? Das arme Kerl-
chen hat schon sehr lange den Husten, u. er u. wir schlafen keine
207
Nacht ungestört. Uebrigens ist fast kein Mensch gesund, das ganz
ungewöhnliche Wetter mag wol mit Schuld seyn.
Wenn Pixis in Leipzig ist, so ist Mme. Camilla Pleyel hier 33 , ich
bin neugierig auf sie als schöne Frau u. gute Ciavierspielerin. Gute
Sitten braucht man ja von ihr nicht zu lernen 34 . Zu Deiner Melu-
sine möchte ich schon nach Leipzig kommen, wenn nur, wenn,
wenn alle meine wenn nicht wären. Schick mir doch die Partitur
von Deiner Walpurgis, die Stimmen hab ich hier, ich möchte ein-
mal was draus singen lassen. Du schickst mir auch nichts. Die
Stücke, die ich mir aussuchen durfte, u. Du mir abschreiben lassen
wolltest, jetzt stecken sie längst wieder in der rothen Mappe, Du
weißt sie nicht mehr, u. ich muß erst wieder nach Leipzig kom-
men, u. sie noch einmal aussuchen. O Clown, u. nicht ein Wort
schreibst Du, ob Du die Ouvertüre zu Medea bekommen habest,
die eine Stunde nach Abreise des Dr. Reiter eintraf, u. ihm einen
Tag drauf in Deine Arme nacheilte. [. . .] Hier wird fortwährend
Hauser für Hensel gehalten, eben hat das Stück wieder gespielt. Er
schläft aber nun nicht mehr, denn es kam ein Besuch u. störte ihn,
sonst stünde ich Dir dafür.
Hensel grüßt. Er hat mir zu meinem Geburtstag die Farbenskizze
der Mirjam 35 geschenkt, die mir außerordentlich gefällt. Ich bin
überhaupt sehr schön beschenkt worden. Unter anderm mit ei-
nem And. v. Beethoven aus f-dur 36 , das ich gar nicht kannte, aber
wunderschön finde. Du sollst es in Düsseldorf gespielt haben.
fanny an felix 37 Berlin, 20. November 1835
Es geht Mutter gut, Ihr Gehebten! 38 ganz über jede billige Erwar-
tung gut. Ihr Herzschlag ist so gemäßigt, daß ich ihn eben suchen
mußte. Von uns Anderen braucht die Rede nicht zu seyn, wir sind
jung und können ertragen. Ich habe Dir, mein Felix, nie einen
größeren Beweis von Liebe gegeben, als jetzt, daß ich Dir meinen
Mann in dem Augenblick schickte. So Gott will, hat es seine Früch-
te getragen, und Du kömmst uns ruhig und gesund. Falls Ihr
Nachts kommt, diene zur Nachricht, daß die graue Stube für Felix
bereitet ist. Er kann durch die kleine Thür, die grüne und die gelbe
Stube gehn, Wilhelm hat ja Hausschlüssel und Drücker mit. Seba-
stian grüßt seinen Vater. Lebt wohl!
208
(Nachschrift von Rebecka):
Gott erhalte Dich uns, mein Felix. Mutter ist so ruhig als möglich,
wir müssen es ertragen. Leb wohl, wo möglich auf Wiedersehen.
fanny an felix 39 Berlin, 10. Dezember 1835
Du läßt gar nichts von Dir hören, lieber Felix! Wie geht es Dir,
was machst Du? Wir hoffen auch auf Nachricht durch Hauser, der
Dir die neuesten von uns gebracht hat, u. erfahren nichts.
Der heutige Tag wird Dir schwer seyn, wie uns. Er ist aus einem
heiteren Freudentag zu einem ernsten memento mori gewor-
den 40 . Allein das Glück haben wir gehabt, u. nichts kann uns die
Erinnerung daran rauben. Haltet mein Andenken in Ehren. Das
thun wir u. wollen versuchen es so zu thun, daß wir unser Leben
lang ein Beispiel vor Augen haben, das heißt, in seinem Sinne
handeln.
Rebecka schläft heut zum ersten mal vorn, u. ist sehr mit ihrem
Umzug beschäftigt. Mutter will Dir selbst einige Zeilen schreiben.
Wie ist Davids erstes Auftreten abgelaufen? 41
Lebe wohl, liebster Bruder, u. schreibe bald. Mittwoch reist Paul
zu Dir, wenn die Kälte so anhält, werdet ihr leiden. Fanny.
fanny an felix 42 Berlin, 31. Dezember 1835
Mein lieber Felix, ich weiß Dir wenig zu sagen, denn wenn ich
auch hinzufüge, daß mir noch fast kein Abschied so schwer gewor-
den ist, so bin ich erst die Dritte, die es sagt, u. es ist doch darum
nicht weniger wahr. Als ich hinüberkam, fand ich Sebastian noch
in Thränen um Dich. Er ist jetzt, bis auf einen Rest Husten, sehr
wohl, schläft u. isst eben mit vielem Appetit sein Mittagbrodt.
Ich fühle es seit dem Unglück immer tiefer, daß wir nicht zusam-
men leben. Man hofft u. projektirt, u. mit einem Mal ists aus. Der
Gedanke war mir nie so nah gekommen. Nun ists schon im 7ten
Jahr, daß wir nicht mehr dauernd zusammen sind. Könnt es doch
anders seyn! Bis dahin bin ich immer noch mit Leipzig am zufrie-
densten, wo man sich wenigstens in einem Tage erreichen kann.
Leb wohl, mein Alter [. . .]
209
fanny an felix Berlin, 5. Januar 183 6
Mutter hat mich gestern nicht mitgenommen, da muß ich denn
allein nachlaufen, u. sehen, ob ich die Post einholen kann.
Wir haben das neue Jahr schlecht genug angefangen, mit doppel-
tem Köchinnenwechsel (wärst oder hättest Du eine Frau, so wür-
dest Du wissen, was das heißt, in drei Tagen drei Köchinnen zu
haben) einem kranken Mann, Hensel lag den 2ten zu Bett, u. sol-
chem Hauskreuz. Gott gebe uns ein wenig Ruhe, wir könnens
brauchen.
In den Te 44 Deums habe ich fleißig gespielt, u. tiefsinnige Betrach-
tungen angestellt, welche durch die darübergestelltenjahreszahlen
sehr erleichtert wurden, wie die früheren weit gewissenhafter u.
formbelasteter, die späteren, besonders das Dettinger, frei u. Hän-
delsch eingenhümlicher erscheint. Sehr hebe ich das to thee all
angels cry aloud. Indessen kenne ich sie noch nicht Alle, u. werde
Dir weiter darüber schreiben.
9ten. Wenn ein Brief von mir 2 Tage Hegen bleibt, kommt er mir
so abscheulich dumm vor, daß ich ihn in den meisten Fällen gar
nicht abschicke. Indessen, wenn ich mich bedenke und fasse, sehe
ich wohl, daß ich schwerlich am <?ten einen besseren Brief schrei-
ben würde, als am 5ten, u. wenn dann, eh er bis zum uten Hegen
bleiben müßte, finge ich abermals einen neuen an, u. so fort.
Uebermorgen woUen wir eine Paulussitzung halten, mit
Devrients u. Woringen. Hauser ist in Hypochondrie u. Schmerz 45
begraben, u. ich glaube jetzt nicht, daß sein Aufenthalt hier irgend
eine AnnehmHchkeit für uns haben wird, er ist zu wunderlich.
Heut vor 8 Wochen ergötzte sich Vater sehr an seinem Gesänge.
Geht es Dir auch so? Mich überfällt so oft die Erinnerung an ihn,
wie an einen Entfernten, so daß ich denke: ich hab ihn ja so lange
nicht gesehn, u. dann kommt erst die Wahrheit nach.
Wärst Du doch hier, es ist mir gar zu wehmüthig, daß wir nun so
auf unbestimmte Zeit aus einander sind. Ich möchte Dich so gern
in Leipzig besuchen, fürchte aber, es wird in diesem Winter nicht
gehen. So, nun breche ich wieder ab, u. ärgere mich morgen von
Neuem.
I2ten. Heut will ich nun diesen Wisch blindHngs abschicken, ohne
ihn wieder zu lesen, ich bringe jetzt keinen ordentlichen Brief zu
210
Stande, obgleich Beckchen findet, es sähe bei mir aus, wie bei einer
ästhetischen Dame.
Meine Wohnung ist wunderhübsch, mit den schönen Kupfersti-
chen, Noten, Instrument u. Schreibtisch, es ist mir aber doch nicht
so ganz heimlich drin, weil Du es nicht kennst, u. es gehört gar zu
nothwendig zu meinem Leben, daß Du Alles darin kennst u. gut
heißest, darum ist es mir auch so leid, wirklich nicht aus Eitelkeit,
daß ich Dir schon so lange nichts Musikalisches recht habe zu
Dank machen können. Habe ich es denn früher wirklich besser
gemacht, oder warst Du nur leichter zu befriedigen?
Unser Paulus ist wieder auf morgen verlegt. Von den drei dazu
nöthigen Personen können heut vier nicht. Seit ich es vom Noten-
schreiber zurück habe, spiele ich es mit Freude u. Erbauung. 46
Vater ist mir wieder so sehr gegenwärtig dabei, als wenn ich es ihm
vorspielen könnte. Addio. Leb wohl, grüß David, laß bald von Dir
hören.
FELIX an FANNY Leipzig, 30. Januar 1836
Liebe Fanny,
Heut endlich komme ich dazu, Dir Deine heben Briefe zu beant-
worten, und Dich schrecklich anzufahren, daß Du im ersten
schreibst, Du hättest mir so lange nichts zu Dank machen können,
und mich fragst, woran das läge. Ich leugne ja das ganze factum,
und versichere Dich, daß Du mir Alles zu Dank machst, was Du
machst. Wenn mir zwei oder drei Sachen nach einander nicht in
eben solchem Maße zusagten, wie andere von Dir, so scheint mir
der Grund liegt gar nicht tiefer, als darin, daß Du jetzt weniger
geschrieben hast als in früheren Zeiten, wo ein oder zwei Lieder,
die mir nicht recht gefielen, so schnell gemacht, und wieder andere
so schnell nachgeschrieben wurden, daß wir beide wenig darüber
nachdachten, warum sie uns weniger gefielen, sondern eben dar-
über lachten, und damit gut. Hier citiere ich nur »die Schönheit
nicht, o Mädchen« und manche andere aus der prima maniera
unseres Meisters, worüber wir Skandal erhoben. Dann kamen
wieder die schönen, und so geht es jetzt auch, nur daß sie nicht so
schnell aufeinander folgen können, weil Du jetzt oft andere Ge-
danken haben mußt, als den, schöne Lieder zu machen. - Und das
211
ist wohl ein rechtes Glück. - Wenn Du aber glaubst, daß mir
Deine neuen Compositionen irgendwie Deinen früheren nachzu-
stehen scheinen, so irrst Du Dich ganz und gar, und ich kenne kein
besseres Lied von Dir als das Englische aus g-moll, oder den
S c f,l,ift A^c Liederkreises u. so «-ni«»-lie aus der neuerer ' 7 '• ;, " 'uid
Du weißt auch, daß es früher ganze Bücher von Dir gab, die mir
weniger Heb waren, als andere von Dir, weil ich eben mal meines
Zeichens ein Schuhu bin, und zur wilden Nation der Brüder ge-
höre. Wie ich aber alle Deine Sachen lieb habe, und nun gar die,
die mir so recht ans Herz gewachsen sind, das weißt Du, und sollst
mir umgehend schreiben, daß Du mir Unrecht thust, wenn Du
mich für einen geschmacklosen Menschen hältst, und daß Du das
nicht wieder thun willst. 48
Und dann schreibst Du mir weder in dem noch im letzten Briefe,
ein Wort über den Paulus u. die Melusine, sowie es ein College
an den anderen schreibt, d.h. Bemerkungen über Quinten,
Rhythmus und Stimmenführung, über Auffassung, Contrapunct
et cetera Animalia. Das hättest Du aber thun sollen, und solltest
es noch thun, denn wie viel mir gerade daran liegt, weißt Du, und
beim Paulus der nun bald zum Druck fortgehen soll, würden mir
jetzt noch Deine etwaigen Rüffel zur rechten Zeit kommen. Ich
schreibe Dir auch deswegen heut, nur damit ich bald Antwort
bekommen kann, denn ich bin sehr ermüdet und abgespannt vom
gestrigen Concerte, wo ich außer dreimal Dirigieren noch das
Mozartsche d moll Concert spielen mußte. In den ersten Satz
machte ich eine Cadenz die mir sehr gut gelang, und nach der die
Leipziger einen Mordlärm machten. Ich muß Dir das Ende her-
schreiben. Du erinnerst Dich doch der 49 Thema's. Gegen das
Ende der Cadenz kamen pianissimo Arpeggien in d moll herauf,
dann
dann wieder g moll Arpeggien pp, dann
dann
212
-rx sj-
Arpegg. u.
■ fr . ' 4,- tf* - r»o>A ) ■ < yV ' :t**iffi^i?
V ■- '^
etc. etc. bis zum Schluß in d moll. Im zweiten Theil sollte ich [. . .] 50
Lieder ohne Worte spielen, die von den hiesigen Dilettanten sehr
viel georgelt werden, aber ich kam glücklich durch, weil ich
schwitzte wie ein Bär, und entschuldigte mich bei den Publicums.
Das wäre alles gut u. schön, aber mir ist innerlich so trübe u. traurig
zu Muthe, daß ichs oft gar nicht weiß, was mir helfen soll, und
dann nur hoffe, daß es der kommende Frühling und die warmen
Tage thun mögen. Halte Dich u. die Deinigen gesund, und grüße
sie und bleibe mir gut
DeinFMB
FANNY AN FELIX
Berlin, 3. Februar 1836
Lieber Felix, Gott erhalte uns Dich, u. was wir sonst noch Gutes
haben, u. schenke Dir seinen besten Segen. Was ich Dir jetzt am
meisten wünsche, weißt Du, es möge Dir gelingen, wie so Vieles
in Deinem Leben, Vater hat es immer lebhaft gewünscht. 52
Den Schiller, den Du im Berliner Paket findest, nimm als ein An-
denken von uns, diese einbändigen Editionen sind heut auf Reisen
mitzunehmen. Du wirst aber nicht: Freude schöner Götterfunken
daraus komponiren, ich wüßte auch für jetzt noch nicht, was sonst;
aber so wenig ich mir hatte träumen lassen, daß sich aus den Drui-
den 53 so herrliche Musik machen ließe, wie Du es gethan, so we-
nig kann ich wissen, was in einem jeden Gedichtband schlummert.
Kennst Du eine Cantate v. Bach aus e dur, die Hauser hat: Wohl
dem, der sich auf seinen Gott recht kindlich verlassen 54 . Es ist der
alte Choral des blinden Leiermannes, von der neuen Promenade.
213
Kennst Dus nicht, so lasse ich den ersten Chor abschreiben u.
schicke ihn Dir noch nachträglich zum Geburtstag, ich finde ihn
wunderschön, er ist so einer von den Stillen im Lande.
[. . .] Leb wohl u. schreibe mir auch einmal. Hensel hat eine Zeich-
nung von mir gemacht, für Mad. Ciene 55 , die darum gebeten, über
die wieder große Parteienkämpfe im Hause waren. Dirichlet hat
sie nicht erkannt, u. Paul ist mit Wuth dagegen, alle anderen Leute
dagegen finden sie sehr schön u. ähnlich.
Adieu zum zweitenmal. Gedenke Deiner Fanny.
fanny an felix 56 Berlin, 4. Februar 1836
Ich will Deiner Aufforderung nachkommen, u. Dir einmal einen
ernsten Antwortbrief 57 schreiben, voller Quinten u. Faxen, aber
nein. Wir haben gestern die anwesenden Nummern des Paulus
gesungen, zum zweitenmal, u. bitten nun recht dringend um
mehr, nämlich den Anfang, es geht schon sehr gut. Im Ganzen
wüßte ich gar nichts auszusetzen, es folgt Alles schön u. natürlich
aufeinander u. steht in gutem Verhältniß. Meine Tadel sollen nur
Einzelheiten betreffen, u. damit Du gleich siehst, daß ich mein
Urtheil als mein subjektives, u. nicht ä la Rezensent als unseres
hinstellen will erzähle ich Dir gleich als ehrlicher Mann, wie er-
baulich es ist, das bei einer Stelle die ich nicht leiden kann,
Devrient jedesmal mit stiller Inbrunst zu sich selbst sagt: wunder-
schön. Nun rathe, was das für eine ist. In einigen Rezitativ, (in
denen mir übrigens, beiläufig gesagt, die Hauptkraft des Werkes
zu hegen scheint) sind müßige oder zu moderne Stellen. Am er-
sten, mit dem darauffolgenden Chor, Choral, u. 2ten Rezit. wüßte
ich gar nichts auszusetzen, das Alles ist grandios u. schön. Wun-
derschön der ganze erste Theil der Arie in b-moll, bis zu den
Worten: Herr thue meine Lippen auf bis zum tempo primo. Die
Stelle scheint mir matt, namentl. die Wiederholung der Worte.
Der Schluß ist wieder sehr schön. Das folgende Rezit. fängt sehr
schön an, so ruhig u. heiter u. gelassen. Es ist eine meiner Lieb-
lingsstellen, bis nach den Worten: denn siehe, er betet. Die folgen-
den Worte bis zum Tempo scheinen mir zu unbedeutend u. mo-
dern. Ist Allegro 58 con moto nicht eine zu schnelle Bezeichnung
für diese Stelle? Im folgenden Stück kommt die Stelle, über die ich
214
mit Devrient verschiedener Meinung bin. Es ist der Eintritt der
Alte mit den Worten: denn der Herr hat es gesagt, wonach 2 Takte
später die Soprane eben so kommen. Das scheint mir, mit der
Begleitung zusammen, nicht recht ernsthaft. Ich glaube, Du hast
das Thema erst als Contrathema zum ersten erfunden, u. mit dem
zusammen klingt es auch nachher sehr schön; auch sogar allein,
wenn die anderen Stimmen dazu kommen, nur dieser doppelte
Eintritt auf denselben Noten will mir nicht gefallen.
Und nun zu guter Letzt will ich mich noch gegen eine Stelle des
letzten Sopranrezit. erklären, u. zwar gegen die Worte: und ging
hin u. ließ sich taufen, welche mir nicht ihrer Wichtigkeit gemäß
behandelt scheinen.
Und nun bin ich fertig.
Hauser u. Paul haben auch viel geschuhuht, u. wollen den Schluß
der letzten Fuge mit dem hohen a u. dem Quartsextenaccord zu
modern finden. Ich erklärte ihnen aber sehr bestimmt, er würde
nicht geändert, denn er wäre wesentlich Felixsch. Natürlich 59 ist
das Singevolk höchst erbaut, u. die Chöre singen sich sehr leicht,
u. wir haben Alle große Freude daran, u. eine Beruhigung, daß
Vater doch noch etwas davon in Düsseldorf gehört hat. Daß ich
daran nicht Theil genommen, wird mir ewig leid sein.
Sten Febr.
Gestern waren wir zum erstenmal im Concert, u. zwar im Israel
in Egypten, u. da habe ich wieder Grimm u. Aerger geschluckt,
wie dieser Lump das schöne Talent der 60 Singacademie herunter
gebracht hat. Kein einziger Stimmeneintritt in der ganzen Musik
ging gut, u. wer sie nicht vorher kannte, war nicht im Stande auch
nur eine Ahnung davon zu bekommen. Beständig mußte ich an
die Orgel u. die Cöllner Chöre denken. Und nun da eine Rungen-
hagensche Posaune, die er obligat zu Allem setzt. Den Gesang der
Mirjam ließ er mit 2 Hörnern u. einer Pauke begleiten. Nebenbei
ist es auch nicht wenig schade, daß die Lenz 61 , diese allerliebste
Sängerin, ihre Stimme so ganz verloren hat. Du erinnerst Dich
doch wie sie die Königin der Nacht sang. Jetzt kriegt sie mühsam
fis u. g fast gar nicht mehr heraus. Ich wollte es kaum glauben, daß
sie es wäre.
Dabei fällt mir ein, glaubst Du denn, daß Händel selbst die Orgel
zu seinen Sachen gespielt hat? denn da die geschriebenen Orgel-
215
stimmen nicht da sind, so müßte der Organist, wenn er es nicht
selbst gewesen ist, doch wohl nur die Ziffern begleitet haben.
Dein Mozartsches Concert möchte ich wol gehört haben. Seit 7
Jahren, also eigentlich gerade von der Zeit Deiner vollen Ausbil-
dung an, sind wir nun nicht mehr zusammen, u. ich habe Dich fast
gar nicht öffentlich spielen hören, u. wären wir nicht diesen Som-
mer nach Colin gekommen, hätte ich gar keine Anschauung von
Deinem öffentlichen Treiben. Und hier sitzt unterdessen ein Affe,
u. verdirbt alle Jahr 6 Concerte mit den besten Mitteln, u. so viel
Proben, als er dazu braucht. Pfui!
Nun will ich schließlich noch einmal auf mich zurückkommen, so
unangenehm es auch ist, Advokat in seiner eigenen Sache zu seyn,
wir sind ja gewohnt, rund heraus mit einander zu reden. Du hast
in Leipzig gesagt 62 , ich möchte lieber keine geistliche Musik mehr
machen, weil mein Talent dazu nicht neigte. Nun habe ich seit
meiner Rückkunft oder vielmehr seit 8 T. mehrere meiner frühe-
ren Sachen der Art durchgespielt, u. muß vorausschicken, daß ich
der Meinung bin, es gäbe keinen strengeren Beurtheiler, als ein
ehrlicher Mensch über seine eigenen frühen Sachen ist. Vieles, ja
das Meiste hat mich so ennuyirt, daß ich mit Mühe die Geduld
aufbringen konnte, es durchzuspielen. Manche aber, z.B. die Arie:
o daß ich tausend Zungen hätte, u. einige Chöre u. Rezit. aus der
sogenannten Choleramusik 63 , hat mir so gut gefallen, daß ich
mich, so närrisch das klingen mag, recht daran erfreut habe, weil
ich das für eine Probe halte 64 , wenn Einem die eigenen Sachen
nach längerer Zeit, u. nachdem man sie ganz in Vergessenheit
gerathen lassen, wieder gefallen. Indessen was Du sagst fällt nie 65
bei mir auf einen steinigen Boden, u. ich bin mißtrauisch gewor-
den, wiewol ich im Allgemeinen glaube, es jetzt besser machen zu
können, als damals, u. mich schon dran gemacht hätte, Einiges
umzuarbeiten, wenn nicht Dein Interdict mich störte.
Hensel hat mir vorgestern an Deinem Geburtstag eine hübsche
Ueberraschung gemacht, indem er in dem Hintergrund seines Bil-
des die Figur eines Knaben gemalt, die lustig Hörn bläst, u. mit
langen braunen Haaren Dir ähnlich ist. Ich glaube das Bild wird
sehr schön. Vaters Bemerkungen hat er Alle noch benutzt.
Adieu, das war mal ein ganz handwerksmäßiger Brief. Schreibe mir
bald wieder. Kömmst Du nicht nach beendeten Concerten her?
216
fanny an felix Berlin, 20. Februar 1836
Ich ziehe es vor, Dir die Noten gleich zu schicken, lieber Felix, da
Du mir versprichst, sie bald zurückzusenden. 14 Tage sind fast zu
wenig, für Stimmenschreiben, Leute zusammentrommeln etc.
Aber halte auch Wort. Und bitte auch um das Rondo aus e dur 67 .
Ist das im Pariser Album schon gedruckt? Rebecka u. ich tragen
die Ouvertüre zur Melusine mit vielem Ausdruck schön vor, es
wäre schon der Mühe werth, daß Du nach Berlin kömmst, um das
zu hören.
Ueber Davids Engagement freue ich mich herzlich, seinet- u. Dei-
netwegen, ich glaube, es wird ein Grund mehr für Dich seyn, die
Stelle fortzubehalten. Grüße ihn herzlich von mir u. sage ihm, er
sey immer noch der alte Favorit, ich habe vor einigen Tagen auf
dem Museum mit Rührung das Bild wieder gesehn, nach dem wir
ihm vor vielen Jahren den Namen Haustürke gaben. O alte Zei-
ten!
Wirst Du denn nach Düsseldorf 68 gehn? Wenn ich doch hin könn-
te! Deine polnische Judengeschichte ist sehr gut. 69 Der Kerl ist
wirklich ein Phänomen, er macht hier Furore. Wenn ich nur be-
greifen könnte, wie Holz auf Holz Ton geben kann. Lebe aber
wohl.
felix an fanny 70 Leipzig, 28. März 1836
Liebe Fanny,
wie herzlich Du mich durch Deinen Heben Besuch erfreut hast,
wie schön das von Dir war, das brauche ich Dir eigentlich nicht zu
sagen, Du weißt welche Freude Du mir gemacht hast, aber ich will
es doch einmal mit kurzen Worten hingeschrieben haben, wie ich
Dir dafür danke, und da steht es denn. Freilich wollte ich's gleich
denselben Tag schreiben, u. habe Unrecht, daß ichs nicht gethan,
aber ich bin ganz u. gar mit Arbeiten überhäuft, die jetzt so drin-
gend werden, daß ich mich mehr zusammennehmen muß.
Einen schönen Baumkuchen hast Du der Clique geschickt, das ist
wahr, u. einen schönen Brief dazu geschrieben; Schleinitz 71 hatte
uns auf den Freitag Mittag zu Schlemmers Abschiedsdiner einge-
laden, u. da traf der Kuchen u. die Lieder dann gerade zu guter
217
Stunde ein, u. wir waren vergnügt darüber. Sie wollten einen so
gewaltig schönen Brief an Dich schreiben, daß ich am Ende glau-
be, sie haben's noch gar nicht gethan; Du solltest ein großes gol-
denes Diplom als Mitglied des Leipziger Clubs bekommen, ferner
gab's große Debatten wie viel Schuncks 72 u. Mathilde Clarus 73
vom Kuchen haben sollten, David behauptete, jeder dürfe einmal
abbeißen, mehr nicht, u. wie es nun geworden ist, weiß ich nicht
einmal da ich wenig ausgehn kann; auf jeden Fall aber bedanke ich
mich für mein Theil Zuckerspitzen gar sehr, u. noch mehr für das
nette Lied aus f dur mit der Aenderung, u. das noch hübschere aus
C dur. 74 Welche Freude Du aber den Leipziger Musikfreunden an
dem Abend durch Dein Spiel gemacht hast, u. wie oft u. wie
gründlich das noch durchgesprochen worden ist, das sollte ich Dir
einmal ganz ausführlich auseinander setzen. Aber für heute nichts
mehr, als daß mir Dein lieber Besuch sehr unvergeßlich ist, und
daß ich Dir immer dafür von Herzen dankbar sein werde.
Hätte ich Dich doch nur nicht den letzten Abend u. Morgen so
angebrummt! 75 Es ist sonderbar, solange wir zusammen waren,
dachte ich kaum daran, aber sowie ich allein im Wagen saß, fiel
mirs schwer aufs Herz, u. ich hätte mich prügeln mögen. Ich weiß
wohl, daß Du mir's verzeihst, aber ich hab's mir selbst immer noch
nicht recht entschuldigen können. Indeß so war ich, u. bin ich, u.
werde hoffentlich aber besser werden. Trotz der Kälte u. des Win-
des kommt alles Grün unaufhaltsam, der Frühling ist bald da, u.
dann muß ich wieder fort. Bleibe Du mir aber gut, u. gedenke
Deines Leipziger Besuchs zuweilen mit einem Theile der Freude,
den er mir gemacht hat. [. . .]
Dein Felix MB
fanny an felix Berlin, 19. April 1836
Geliebter Felix! -
Ich halte es wirklich für nothwendig, mich gegen Dich wegen
meiner großen Unsolidität zu rechtfertigen, daß ich schon wieder
Mann u. Kind verlasse, u. so viel Geld ausgebe, um meinem Ver-
gnügen und meinem Bruder nachzujagen. 77 Ich glaube wirklich,
ich würde der Tentation, u. selbst meines Mannes Zureden wider-
standen haben, wenn Mutter zurückzuhalten gewesen wäre. Wir
218
haben unser Möglichstes gethan, da wir es wirklich von ihrer Seite
nicht für ganz vernünftig halten können, allein das kennst Du, von
der einen Seite nahm sie es halb übel, von der anderen achtete sie
gar nicht darauf, dazu kamen Woringens Quälbriefe, kurz sie war
fest entschlossen, und nun kann ich ihr doch vielleicht auf der
, Reise von Nutzen seyn. Wenigstens gebe ich mir Mühe, mir selbst
das als einen Grund anzuführen. Sie hat sich bei Woringens ange-
meldet, die uns schreiben, daß Du auch da wohnen wirst. Hätte
sie nicht diese Reiselust ein Paar Jahre früher haben können! [. . .]
Wüßte ich nur erst, ob Dir die ganze Sache recht ist, bis dahin bin
ich doch in einem halben Katzenjammer.
Beckchen ist jetzt etwas peevisch 78 , daß sie nicht mit kann, u.
schimpft, doch muß ich sagen, auch sie hat mir gerade sehr zuge-
redet. Hätschle sie etwas in Deinem nächsten Brief. Sie hat immer
in diesem Zustande 79 einen merklichen Mangel an guter Laune,
doch ist es diesmal noch golden gegen das erste Mal, wo wir Alle
in Furcht u. Zittern vor ihr waren. Sie hat gestern einen vortreffli-
chen Witz gemacht. Es war die Rede von den zu erscheinenden
Goetheschen Tischreden, u. von der jetzigen Druckerei u. dem
Mißbrauch der Oeffentlichkeit, u. wie kein Mensch in der Welt
unbefangen reden könne, wenn er wisse, jedes Wort werde [. . .] 80
nachgeschrieben, dann Pause, worauf sie mit einem tiefen Seufzer
anfing: denn drunten heget die Natur. Ich sagte ihr auf den Kopf
zu, sie habe nicht gewußt, wie gut das sey, u. sie gab es zu.
felix an fanny Leipzig, 25. April 1836
Liebe Fanny,
seit ich Deinen Brief vorgestern empfing, der mir die freudige
Nachricht Deines festen Reiseentschlusses brachte, wollte u.
konnte ich Dir nicht eher schreiben, bis ich von Mutter auf meinen
vorigen Brief Antwort erhalten hätte. Ich hatte Furcht, Mutter
möchte ihn mir übel nehmen, ich dachte - ich weiß nicht was.
Nun ist gestern ihre Antwort gekommen, und so gütig und schön,
wie ich sie freilich hätte erwarten sollen, u. nun eile ich auch Dir
zu antworten. Vor allen Dingen aber sage Mutter meinen gerühr-
testen Dank für die Freundlichkeit mit der sie meinen Brief auf-
219
genommen und erwidert hat. Es geht mit den Reiseplänen nun so
durcheinander, daß ich nicht einmal weiß, ob ich Dich nun in
Düsseldorf sehen werde; Franck, der einige Tage hier war u. bei
mir wohnte wird auch nicht mitreisen können - daher schreibe
mir nur bald, wie es nun definitiv wird. Du willst, ich soll Dir
sagen, ob mir der Plan gefällt, das weißt Du wohl am besten; aber
die definitiven Pläne muß ich nun bald hören; denn nächsten
Sonntag früh um 6 muß ich fortreisen, bleibe einen Tag in Wei-
mar, einen in Frankfurt, u. denke Sonnabend d. 7ten früh in Düs-
seldorf zu sein, vielleicht auch erst Sonntag. In jedem Fall bitte ich
Dich u. Mutter mir nächsten Freitag noch ein Paar Zeilen zu
schreiben, damit ich noch Sonnabend vor meiner Abreise von hier
Nachricht von Euch habe. Auch Pauls Brief mußt Du mir erlauben
hierin zu beantworten. Vor allem Dank für seinen schönen Rei-
seentschluß, eben die Versicherung, daß er einer ist, welcher mit-
spielen soll und muß (Gerundium) auf jeden Fall einer der besten
im Orchester, u. daß er vielleicht ans erste Pult muß, von wegen
einer guten Stütze für den Dirigenten. Ich freue mich absonderlich
darauf, ihn im Orchester zu sehen, u. das Comite kann sich apart
bedanken, weil an guten Cellisten immer am meisten Mangel war.
Die Stube bei Breidenbach 82 ist bestellt, auf seinen u. meinen Na-
men.
Mutter schreibt mir ich solle mich nicht in Gedanken an das Mu-
sikfest, u. während desselben, agitiren; das wird nur allzuwenig
diesmal der Fall sein. Weder auf das Fest selbst noch auf mein
Oratorium kann ich mich bis jetzt ordentlich freuen; als ich Briefe
bekam, worin mir geschrieben wurde, daß die Chöre ganz wun-
derschön gingen, 83 hatte ich einen Moment von Plaisir, er ging
aber auch bald vorüber, u. da ich gewöhnlich schon beim Dirigie-
ren ziemlich gelassen bin, so wird es diesmal gewiß noch mehr der
Fall sein. Aber Arbeit giebt es allerdings mehr als je, auch mußt
Du drum diesen confusen Brief entschuldigen.
Gern möchte ich einmal in meiner alten Manier das tolle Treiben
der Musikalienhändler auf der hiesigen Messe beschreiben, wie sie
unter ihren Walzerballen i. Hemdsärmeln stehen u. auspacken -
aber Humor u. Zeit fehlen, u. kommen nicht wieder. Czerny hat
mir sein 400stes Werk zugeeignet, betitelt die Kunst des Fugen-
spiels, 24 Präludien u. Fugen. Hieraufist er selbst hergekommen;
220
den müßte ich auch bei der Messe mitbeschreiben. Und das viele
junge Deutschland, was dazwischen mit herumhängt, u. verlegt
sein möchte. Die Glocke schlägt 6 und ich muß schließen. [. . .]
fanny an felix 84 Berlin, 28. Juni 1836
Ich bin so lange nicht dazu gekommen, Dir zu schreiben, lieber
Felix, daß ich mich heut, Dienstag den 28sten Juni, Nachmittags
um 5 eigens dazu in den Garten hinsetze u. somit loslege; eigent-
lich habe ich Dir nichts zu schreiben, denn bei uns geht es still u.
häuslich zu, u. wieder nächstens noch viel mehr, denn heut über
8 T. rutscht Beckchen ab 85 . Dein Frankf. Brief 86 war sehr hübsch
u. ergötzlich, Rossini, der die h moll Messe anhört ist für mich ein
unvergeßlich komisches Bild. 87
Was Du über Eckermann schreibst, habe ich fast wörtlich einige
Tage früher an Klingemann geschrieben 88 . Das Buch hält sich in-
teressant bis zu Ende, nur daß ich finde, daß Eckerm. eigene, wahr-
lich simple Bemerkungen immer possierlicher werden, je öfter sie
sich wiederholen. Es ist unbegreiflich, wie jemand der Verstand
genug hatte, Goethe ab- u. nachzuschreiben, nicht genug hat, die
Armuth dieser raisonnements einzusehen. Ist Dir nicht aufgefal-
len, wie manches drin ist, was Vater ebenfalls gesagt hat? Bei jeder
Zeile mußte ich an diesen denken, was er darüber gesagt, u. wie
er sich manches Zusammentreffens gefreut haben würde.
Ich habe neulich den ersten Theil des Paulus singen lassen, u. wer-
de in diesen Tagen den 2ten vornehmen. Schreibe doch, wie es
mit der Herausgabe steht, wann er erscheint. Ferner bitte ich Dich
um Angabe des Tempos von »siehe, wie grausam er schlug«, u. das
der A dur Arie des Paulus: Herr sey mir gnädig, dem Mälzeischen
Metronom, ich war im Streitpunct darüber. Es thut mir sehr leid,
daß ich nicht vor Düsseldorf den ganzen Paulus kannte, es hat zwar
auch seinen eigenen Reiz, die Sachen fertig kennen zu lernen, aber
man hat doch mehr Genuß, wenn man schon voraus jede Note
weiß, die da kommt. Ich wollte aber, Du hörtest einmal die Sppra-
narie von der Decker, sie singt sie prächtig.
Sebastian hat zu seinem Geburtstag einen Vogel u. eine Armbrust
bekommen, u. sich gleich so gut ins Schießen gefunden, daß er den
ersten Tag gleich den ganzen Vogel herunter holte. So hat er ge-
221
T
Lea Mendelssohn Bartholdy
stern zum ersten Mal boccia gespielt mit den Großen, u. es ganz
vortrefflich gemacht. Er hat viel Geschick u. Grazie zu körperli-
chen Uebungen 89 , so ist es allerliebst, ihn sein Gärtchen selbst be-
gießen, hacken u. bearbeiten zu sehen 90 . Der kleine gute Dicke 91
hilft ihm auch einzig dabei, der Junge hat ein allerliebstes Gemütli-
chen, u. wenn er Sebastian lieber Freund, oder lieber Bruder
nennt, so hört sich das gar niedlich an.
Heut ist herrliches Wetter, u. einer der schönsten Tage, die wir
noch hatten, wir haben lange von den eigensinnigen Wind u. Wet-
terlaunen zu leiden gehabt.
Klingemann, der Verräther, hat noch nicht geschrieben 92 , weißt
Du was von ihm? [. . .] Grüße Tante Schlegel 93 , Veits 94 , Hiller u.
Andre 95 , dessen gutes Gesicht ich wol einmal wieder sehn möchte.
Daß Du ihm ähnlich gefunden wirst, ist um so sonderbarer, als Du
eigentlich von Vater keine Aehnlichkeit hast 96 , sondern entschie-
den wie Mutters Familie aussiehst, Sebastian hat von ihm den
Schädelbau, worüber ich mich jeden Tag freue. Möchte ihm alles,
was an ihm ist, ähnlich werden, was ich dazu thun kann, will ich
mir Mühe geben, nicht zu versäumen. Ueberhaupt fällt mir oft ans
Herz welch schwere Verantwortung man doch übernimmt, indem
man ein Kind auferzieht. Ich kann dabei nichts thun, als das Bei-
spiel der Eltern möglichst nachzuahmen suchen, es ist nur, so et-
was ahmt sich nicht nach, u. die Fälle sind ja auch verschieden.
Gott möge uns helfen, u. er wird es, nach Vaters Wahlspruch,
wenn wir uns helfen.
[...] Was wirst Du nach der Redaction des Paulus arbeiten?
Nimmst Du nicht einmal die früheren Symphonien wieder vor?
fanny an felix Berlin, 9. Juli 1836
Ich theile einen Briefbogen zwischen Dir u. Rebecka, um Euch
Jedem einige Zeilen zu schreiben, sie ist am Dienstag früh mit
Walter u. ihrem Mädchen nach Eger gereist [. . .] Ihre Wohnung
findet sie bestellt, langweilige Bekannte die Menge und so ist aus-
gesorgt für sie. In 3 Wochen geht Dirichlet nach und dann wollen
sie nach Salzburg [. . .] Sie war sehr wohl gestimmt vor ihrer Abrei-
se, Mutter ists auch, wir sinds Alle.
Von Dir haben wir schon wieder in sehr langer Zeit nichts gehört,
223
daß es uns lebhaft betrübt. Suche doch wieder in eine bestimmte
Schreibordnung zu kommen, da wir doch nun leider einmal nicht
beisammen leben können [. . .]
Ist es nicht traurig genug, daß wir, seit Du erwachsen bist, noch
nicht ein Jahr ruhig zusammen haben leben können? Das Leben
geht so hin, wenn ich bedenke, wie alt wir sind, erstaune ich, u.
weiß nicht, wo die Zeit hergekommen, wo sie geblieben, laß sie
uns wenigstens nützen [. . .]
Und nun nimm mir meine Weichlichkeit nicht übel, u. suche nur
um Gottes willen keinen Grund dafür auf, es ist alles gut, alles im
alten ruhigen Gleise, es ist mir nur heut so zu Muth [. . .]
fanny an felix 98 Berlin, 30. Juli 1836
Es fällt mir nicht ein, böse zu seyn, oder eigene Briefe für mich
allein zu verlangen", liebster Felix, auch hätte ich Dir gewiß auf
Deinen vorigen Brief schon geschrieben, allein es geschah mir, daß
ich mich hinsetzte, Papier u. Feder nahm, u. als ich mich nun
besann, was ich Dir schreiben sollte, nichts wußte, es ging mir, wie
nach Humboldt den Affen, die deshalb nur nicht reden, weil sie
nichts zu sagen haben. In Deinem letzten Brief aber ist so manches
mir Erfreuliche, daß ich, obgleich sich seitdem nichts Erzählbares
zugetragen hat, recht gut weiß, was Dir zu schreiben. Es hat mich
darin unter Anderem eines jener kleinen Zusammentreffen er-
freut, die sich in unserem Leben öfters wiederholen, u. die ich
nicht gern Zufall nennen möchte; daß Du zum ersten seit Deiner
Kindheit Goethes Leben 100 wieder liest, u. daß mich seit mehreren
Wochen eben dieselbe Lektüre beschäftigt; das kommt nun wol
bei uns Beiden durch Eckermann, allein manche Tausend Men-
schen mögen das Buch lesen, u. doch nicht danach Goethes Leben.
Ich dachte mir auch, wenn ich einmal wieder nach Frankfurt kom-
me, muß ich die Stadt in Bezug auf sein Leben kennen lernen. Ich
lese jetzt den 4ten Band Hensel vor, wie ich es auch eben mit dem
Eckermann gemacht.
Ferner beschäftigt mich Dein Frankfurter schönes Mädchen 101
nicht wenig, Du glaubst nicht, was ich für Verlangen nach Deiner
Braut habe, ich fühle so sehr, daß Dir das wohlthun wird. Ich
könnte Dir wenn ich Sancho wäre eine ganze Menge Sprichwör-
224
ter anführen, um Deinen guten Entschluß zu beschleunigen:
Frisch gewagt, ist halb gewonnen, wer das Glück hat, führt die
Braut heim, wenn sie Dir schenken die Kuh, so lauf 102 mit dem
Stricke zu, wer den Teufel verschlucken will, muß ihn nicht lange
ansehn, u. noch manches Andre, was nicht hierher paßt. Ich habe
mir nun fest in den Kopf gesetzt, Du machst diesmal Ernst, u.
wenn Du Dich nun wie Marx 103 in Doris Zelter verliebst, u. es
wird wieder nichts daraus, so werde ich höchst disappointed seyn.
Dabei fällt mir ein, daß ich Dich so recht eigentlich verliebt noch
gar nicht gesehen habe, alle Deine großen Amourschaften (siehe
Rosalie Mendelssohns ungedruckte Werke) waren auswärts, u. ich
bin doch gar zu neugierig wie Dir das steht. Das alles sind nun
schlechte Spaße, aber im bittersten Ernst möchte ich gar zu sehr,
daß Du Dich verheirathest.
Zwei sehr hübsche angenehme Proben des Paulus habe ich gehal-
ten, so lange die Decker hier war, nun aber strebt 104 Alles derma-
ßen auseinander, daß ich wol glaube, ich werde die ganze Sache
bis auf den Herbst verschieben müssen. Daß Du Dich so mit dem
Ciavierauszug gequält hast, thut mir sehr leid, hättest Du mir nur
einen Theil der Arbeit abgegeben, ich hätte es schon fleißig u. gut
machen wollen. 105
Uebrigens wird mir der Paulus bei näherer Bekanntschaft immer
lieber, u. der schwachen Sachen, oder die mir wenigstens so vor-
kommen, sind sehr wenige, von denen wir gesprochen haben. Ich
bin nun sehr neugierig wie Du noch wirst geändert haben, hast
Du wirklich noch den ersten Chor weggelassen? 106 nur nicht, der
Du die Menschen, die Arie ist mir sehr ans Herz gewachsen.
Mit der Musik ists hier klatriger als je. Wozu sie den Hauser en-
gagirt haben, möchte ich schon wissen, er tritt nie auf. Ich habe,
da es Hensel wünschte, wieder Sonntags zu spielen angefangen,
aber Ganzens sind noch nicht hier, und mich von Alwin 107 mit
Vergnügen begleiten zu lassen, dazu bin ich wirklich zu verwöhnt.
Ich habe, wie der gestrenge Herr befohlen, fortgefahren Ciavier-
stücke zu machen, u. es ist mir zum ersten Mal gelungen, etwas
zu Stande zu bringen, das brillant klingt. Ich weiß zwar nicht ge-
nau, was Goethe mit dem dämonischen Einfluß meint, von dem
er zuletzt so viel spricht, 108 doch soviel ist klar, daß wenn derglei-
chen existirt, Du es in Bezug auf mich ausübst. Ich glaube, wenn
225
Du mir unlängst 109 vorschlägst, ein guter Mathematiker zu wer-
den, so würde ich keine besondere Schwierigkeit darin finden,
ebenso wie ich morgen keine Musik mehr würde machen können,
wenn Du meintest, ich könne keine machen. Nimm Dich daher
mit mir in Acht.
So wie es ein junges Deutschland giebt, so giebt es auch ein lang-
weiliges, das Beckchen in Eger 110 u. ein odiöses, das Du in Scheve-
ningen 111 findest. Mad. Robert u. H. v. Varnhagen können Einem
schon die Palmen u. die Austern verhaßt machen. Verliere aber
diesen Brief nicht am Meere, sonst findet ihn Einer von denen u.
liebt mich dafür.
Adieu, Hensel grüßt bestens. Heut reist Dirichlet, u. dann wird
Mutter unser Tischgast seyn. Sie hört auch gewöhnlich zu, wenn
ich Hensel vorlese, was mir wol Freude macht. An das Vorlesen
knüpfen sich für mich die schönsten Erinnerungen.
Leb wohl u. bleibe mir gut. Deine Fanny.
fanny an Felix 112 Berlin, 15. August 1836
Ich will mich nur eilig mit einigen Worten Mutter anschließen,
Heber Felix 113 [...] Gott segne Dich u. lasse Dich den rechten Ent-
schluß fassen. Wenn Du natürlich u. unbefangen menschlich han-
delst, hast Du noch nie das Rechte verfehlt. Du bist es wohl werth,
eheliches Glück zu genießen, u. nach allen Verhältnissen, die Du so
schön u. vollkommen in Deinem Leben erfüllt hast, endlich dies
kennenzulernen, welches alle andern einschließt u. übertrifft. Ich
darf mit Recht der Ehe das Wort reden, denn ich hege die Ueber-
zeugung, daß eheliches Glück, das heißt denn doch hauptsächlich,
vollkommenes, gegenseitiges Zutrauen u. Freude am innerlichen,
u. hin u. wieder dann auch am äußerlichen Gedeihen, uns im höch-
sten Grade zu Theil geworden ist. Solches Gedeihen genießt man
dann mit um so größerem Behagen, als man wol dabei, wie bei allen
guten menschlichen Verhältnissen, denken kann, sie seien nicht
eine blinde Glücksgabe, sondern man habe selbst das Seinige dazu
gethan, u. fortwährend zu thun. Dagegen verhält sich Alles, was
Einen sonst im Leben verdrießen mag, Publicum, Sand 114 u. dergl.,
wie mißlungene Verzierungen in einem wohl u. fest gegründetem
Hause. Gründe Du das Deinige, u. Wohlfarth möge darin wohnen.
226
Ich weiß nicht, ob Du schon erfahren, u. überhaupt Sinn dafür jetzt
hast, daß Kaselowsky 115 den großen Preis der Academie durch ein
sehr hübsches Bild gewonnen. Er ist der glücklichste Sterbliche,
der mir vorgekommen, die Zufriedenheit strahlt ihm vom Ge-
sicht. Der Sieg ist um so erfreulicher, als die Concurrenz über-
haupt nach dem allgemeinen Urtheil die beste war, die bis jetzt
statt gefunden, u. doch ihm fast einstimmig der Preis zuerkannt
worden. Er wird nun diesen Herbst nach Belgien u. Paris gehen,
dort ein Jahr bleiben, u. dann nach Italien.
Wir leben ungemein still u. ruhig mit Mutter, u. haben ganz ver-
gessen, wie es vor der Thüre aussieht. Ich versichere Dich, wenn
ich des Morgens aufwache, u. gar keine Plane finde, so ist mir das
ein höchst bequemes Bewußtseyn. Ich lese Hensel viel vor, lese
überhaupt viel, Mutter noch viel mehr.
Kürzlich habe ich hinter einander Romane einer Französin u.
einer Engländerin, nämlich Rose et Blanche von G. Sand 116 , u.
marriage in high life v. D. Barry gelesen, u. den sittlichen Unter-
schied, so unermeßlich zum Vortheil der Engländerin gefunden,
ohne daß sie doch an Talent Jener bedeutend nachstünde, daß ichs
gar nicht zu sagen weiß. Die französ. schöne Literatur ist in einer
häßlichen Krise begriffen, die engl, geht einen respectablen u. ge-
scheuten Gang, u. unsere - haben wir denn jetzt überhaupt eine?
Lebe wohl, grüße das Meer, das ich unsäglich anbete. Eigentlich
thut es mir leid, daß Du nicht daran wohnst, man genießt es so viel
besser. Deine F.
fanny an felix 117 Berlin, 19. Oktober 1836
Ich habe Dir für ein allerliebstes Lied zu danken 118 , lieber Felix u.
thue es von ganzem Herzen, Du hast mich sehr damit erfreut.
Dann aber will ich mir aufs Maul schlagen, u. stilleschweigen, bis
Du allen Leuten in der Welt u. zuletzt auch einmal mir wirst
geschrieben haben. Man sagt gewöhnlich, wie es in den Wald hin-
ein schallt, so schallt es auch wieder heraus, das ist aber bei uns
nicht der Fall, ich habe diesen ganzen Sommer unaufhörlich ge-
schallt, ohne auch nur ein einziges Echo zu hören. Nun nehme ich
Dir das wahrhaftig nicht im Mindesten übel, ich weiß wie es bei
Dir zugeht, indessen, da doch das Schreiben anstatt des Gesprächs
227
dasteht, so hat es auch die Aehnlichkeit von demselben, daß wenn
Einer immer allein spricht er am Ende sich u. die Hörer ermüdet.
Daß Du mir keinen vollständigen Auszug des Paulus hast schicken
können, thut mir sehr leid, ich hätte es so gern in diesem Herbst
noch im Gartensaal singen lassen u. daran wird nun nicht mehr zu
denken seyn, wenn der gedruckte kommt, passen die Stimmen
nicht, die ich habe, es müssen erst neue geschrieben werden. Hast
Du etwas Näheres über die Aufführung in Liverpool gehört? 119
War Klingemann dort? Sollte er darüber schreiben, so schicke uns
doch seinen Brief.
Von Cecilen habe ich einen Brief erhalten, zum Küssen. 120 Wäre
ich so uneigennützig wie Mutter, so schickte ich ihn Dir, aber ich
hüte mich wohl, Du giebst ihn doch nicht wieder. Sie schreibt mir
auf meine Bitte die ganze Geschichte Eurer Bekanntschaft und
Verlobung, mit einer liebenswürdigen Naivität und Einfachheit,
daß man sie wirklich von Herzen liebgewinnen muß. Von allen
Seiten überschüttet man uns dermaßen mit ihrem Lobe, daß
michs nachgerade anfängt, herzlich zu langweilen, daß ich sie
nicht kenne [. . .]
Von der Ausstellung 121 soll ich Dir schreiben, das wird aber etwas
schwer, da ich mir zwar wohl, Du aber schwerlich, Unparteilich-
keit genug zutraust, die Sache wie ein anderer Zuschauer zu be-
trachten.
Von den französ. Land- u. Seeschaften wirst Du wol zur Genüge
gehört haben. Wenn man so etwas nicht kennt, hört man sehr
leicht schon zuviel davon. Soviel kann ich Dir sagen, daß sie vor-
trefflich sind, dagegen die historischen Bilder die sie nun geschickt
haben, nichts weniger, daß ich aber eine Franzosenmanier hier
deutlich anmarschieren, u. sich auf den Platz der Düsseldorfer set-
zen sehe. Die Berliner haben bei aller ihrer unleidlichen Kälte eine
Art von Schwefelholzfeuer, das einen Augenblick brennt, u. eine
Stunde danach stinkt, sie thun immer zu wenig oder zu viel. Von
Hensels Bild 122 mag ich Dir nichts sagen, es hat zuviel vom Eigen-
lob, wenn man die Seinigen lobt, u. am Ende glaubt mir Niemand,
Du auch nicht, daß ich das Bild auch wunderschön finden würde,
wenn es nicht von meinem Manne wäre. Sonntag kommt es zur
Ausstellung, nebst einer Skizze u. Studienkopf zu einem sterben-
den Moses, u. einigen Rahmen mit Zeichnungen, deren er in der
228
letzten Zeit wieder vortreffliche gemacht hat. Daß Moser den
Beerschen Preis 123 gewonnen, wird Dir Mutter geschrieben ha-
ben. Hensel läßt Dich herzlichst grüßen, u. läßt Dir sagen, es wäre
sehr unrecht, daß Du nicht auf ein Paar Tage uns u. die Ausstellung
besuchst. Könntest Dus, wärs sehr schön, wir sehen Dich sonst gar
nicht als Bräutigam. Auch Cecile sähe ich gar gern als Braut, u. mit
ihrer Mutter 124 u. Schwester. Sie wird nachher gewiß nicht weni-
ger liebenswürdig, aber sie wird da anders seyn, ich kennte sie gern
auf alle Weise.
Lebe wohl, grüße sie herzlich, u. sage ihr, wenn die gehörige An-
standszeit vorüber wäre, würde ich ihr antworten. Wenn ich mei-
nem Hange nachlebte, so würde ich mich in demselben Augen-
blick hinsetzen, wo ich einen Brief von ihr erhalte, um ihn sogleich
zu beantworten, aber das schickt sich nicht, u. ich bin wohlerzo-
gen. Deine F.
felix an fanny 125 Leipzig, 23. Oktober 1836
Meine Hebe Fanny, es ist wohl Unrecht, daß ich Dir so lange nicht
einen eigenen Brief geschrieben habe, und deshalb hat mich Dein
vorgestern angekommener doppelt gefreut; auch war ich an dem
Tage ohnedies im Begriff an Dich zu schreiben, aber es ist doch
nicht Recht von Dir, daß Du erst noch sagst »Du nähmest mir's
nicht übel« und dann dazu setzst »Du würdest doch am Ende Dich
und den Hörer ermüden.«
Das ist wohl noch mehr Unrecht, daß Du mit mir so rechnest, als
wenn ich so lange nicht schriebe; daß Mutter es nicht anders thut,
und mir nur dann einen Brief schickt, wenn ich den vorigen be-
antwortet habe, thut mir leid genug, ich meine sie müsse mich u.
meine Liebe zu ihr doch während der 7 Jahre, die ich nun fast von
zu Hause abwesend bin, wissen u. kennen, u. ich habe es in der
Zeit auch wohl mit dem Correspondiren gezeigt, wie ich immer
u. überall mit Euch war u. bin - aber daß auch Du daran noch
irgend einen Zweifel hegen konntest, oder nur irgend darüber
sprichst, ist mir oft noch mehr leid gewesen, und so hat mich Dein
Heber Brief doppelt beruhigt u. erfreut. Denn freilich machte ich
mir selbst zuweilen Vorwürfe. Aber dann dachte ich, daß Du doch
wohl wissest, daß nach wie vor meine Briefe an Mutter eigentlich
229
an Dich u. Beckchen u. Paul mit sind, u. daß es schön wäre, wenn
ich mich nicht eben immer durch Briefe ins Gedächtniß zu rufen
brauchte in einer Zeit, wo ich wirklich kaum zu einer ruhigen
Minute bis spät auf den Abend kommen kann. Denn daß meine
neuen Verwandten in Frankfurt noch nicht so denken, ist natür-
lich; sie kennen mich wenig, erst seit einem halben Jahr, ich kann
auch meiner Braut nicht Briefe schreiben, wie unsere Familien-
briefe, ihre Schwester wünscht auch von mir zu hören u. glaubt
sich leicht vernachlässigt, wenn ich nicht mitunter schreibe, auch
der Mde. Jeanrenaud muß ich oft schreiben, auch wohl an die
Großeltern, u. jede Antwort von ihnen muß ich wieder beantwor-
ten wie gesagt, weil sie das von mir nicht voraussetzen können,
was Ihr dort gewiß voraussetzen könnt. So habe ich noch keinem
meiner nächsten Freunde geschrieben, u. sehe noch keine Zeit ab,
wo ich's könnte; die täglichen Arbeiten kommen hinzu, und daß
ich mich noch niemals entschließen wollte, Dir oder der Mutter
oben hin zu schreiben, nur um geschrieben zu haben, das nimmst
Du mir gewiß nicht übel. Laß mich auch jetzt es nicht thun, mein
liebes Schwesterlein, laß mich mit derselben Sicherheit und Ruhe
an Euch alle denken, wie auf den langen Reisen, u. bei der langen
Entfernung, laß mich glauben, daß es denn doch Dinge auf der
Erde giebt, die nicht anders werden mit der Zeit, u. schreibe mir
recht bald wieder, daß auch Du so denkst, ich mag oft oder selten
von mir hören lassen, daß Du mich kennst nach wie vor. - Eigent-
lich brauche ich das alles ja gar nicht zu sagen, es versteht sich ja
von selbst. - Die Correctur des ersten Theils (Partitur) von Paulus
habe ich von Frankfurt mitgebracht u. sie noch immer nicht
durchsehen können; Beckchen wird ja erzählt haben, wie es hier
hergeht 126 , u. noch scheint es nicht nachlassen zu wollen. Der Cia-
vierauszug muß aber spätestens in 14 Tagen kommen, u. dann
erhältst Du ihn gleich, nebst einem Exemplar gedruckter Chor-
stimmen, das versteht sich.
Hast Du denn gar nichts neues componirt? Du sagst mir nichts
davon, u. auch Beckchen wußte wenig darüber zu melden.
Unser Israel wird nun wahrscheinlich am 7ten November aufge-
führt; sage es doch Paul, u. frage ihn, ob er wohl bis dahin hier sein
kann, am I4ten zu Deinem Geburtstage wird er wahrscheinlich
wiederholt werden sollen. Die Orgelstimme habe ich fertig, sie
230
wird glaube ich einen herrlichen Effect machen. Am nächsten
Donnerstag geben wir Lachners Preis-Symphonie 127 , die aber we-
nig schön ist; 8 Tage darauf spiele ich Beethovens g dur Concert;
8 Tage nach Neujahr sollen die Proben zu Paulus anfangen. Da
hast Du meinen ganzen Sack der Leipziger musikalischen Neuig-
keiten.
Das freut mich was Du mir von Ceciles Briefe schreibst, u. Deine
Aufträge an sie habe ich ihr gestern wörtlich copirt. Daß es solch
ein liebes, gutes Kind noch in der Welt geben könne, daran hatte
ich ganz den Glauben verloren, je mehr ich mich darin herumge-
trieben hatte; noch jetzt ist mir's, als sollte ich nicht glauben, daß
sie mir wirklich auch gut wäre u. meine Braut. Es ist so sehr viel
über allem was ich mir je gewünscht u. gedacht hätte. Aber das ist
gar nicht hübsch von Dir, daß Du mir ihren Brief mit der Verlobung
nicht schicken willst; morgen gehen die beiden zurück, die mir
Mutter geschickt hat, u. wie ich mich darüber gefreut, das schreibe
ich selbst dabei. - Könnte ich nur auf einpaarTage kommen! Aber
es ist unmöglich in diesem Winter. Das Gedränge ist zu groß. [. . .]
fanny an felix 128 Berlin, 28. Oktober 1836
Habe Dank, Felix, für Deinen heben Brief. Aber entschuldigen auf
drei Seiten hättest Du Dich nicht sollen, so war es nicht gemeint,
u. zwischen uns soll u. wird es ja wohl nicht zu Mißverständnissen
kommen. Und da Du so ein ehrlicher Mann bist, u. Briefe wieder-
giebst, so sollst Du auch die beiden heben von Cecile haben. Herr
Schunk bringt sie Dir mit, u. Du kannst sie mir durch Paul wie-
derschicken. Den kannst Du zum Israel erwarten [. . .]
Der Israel wird prachtvoll werden, Orgel u. Kirche zusammen hat
man seit Menschengedenken nicht zu Händel gehört. Wollt ich
könnt es hören. 129
Noch etwas gutes Herbstwetter könnten wir auch brauchen. Seit
Hensels Bild auf der Ausstellung ist, war keine Stunde Sonnen-
schein, u. den könnte es doch brauchen, denn da sie 12 neue Sääle
gebaut haben, so fehlt es natürlich an Platz, ein Bild gehörig zu
hängen, da die besten Plätze an den Fenstern durch breite Thüren
eingenommen, und drei Viertel des Raumes ganz unbrauchbar u.
das letzte Viertel mäßig dunkel ist; ueber diese Geschichte von
231
dem Neubau, die der alte Schadow ganz im Stillen mit dem Ar-
chitekten der prinzlichen Ställe verübt hat, darf ich gar nicht reden,
sonst fange ichjedesmal an zu wüthen, u. Du sagst: eine wüthende
Gere. Es ist aber das Aergste, was wir hier in langer Zeit vollbracht
haben, u. das will was sagen. Uebrigens können wir mit der Auf-
nahme, die das Bild findet, nicht anders als zufrieden seyn.
Du fragst mich, was ich komponirt habe 130 , ein halb 131 Dutzend
Ciavierstücke 132 . Ich werde sie Dir durch Paul schicken, hast Du
Zeit, so spiele sie einmal durch, oder laß sie durch einen Deiner
Schüler spielen, u. laß mir was darüber sagen. Ich habe so viel von
der Natur Deines Schülers, daß es mir immer am besten gelingt,
wenn Du mir sagst: mache doch das oder das.
Ich bin in der letzten Zeit wieder viel angegangen worden, etwas
heraus zu geben. Soll ichs thun?
Nächste Woche müssen wir eine förmliche musikalische Soiree
geben, wozu mir schon heut (verzeih) mies ist. Es ist uns nämlich
eine Italiän. Sängerin empfohlen, die an Schönheit u. Stimme ein
wahres Meerwunder seyn soll, dazu will ich dann dankbar bitten,
u. Curschmann 133 u. Röschen 134 , die jetzt überall herum singen, u.
dann mögen sie trillern. Dazwischen spiele ich ein zartes Lied, wo
möglich so zart wie Curschmann, oder soll ich die 33 Variat. von
Beethoven 135 spielen? Bei Deckers fangen auch die Opern wieder
an.
Ich muß doch noch einmal auf die Ausstellung zurückkommen.
Ich habe noch keine gesehn, bei der das Interesse so gespalten, so
wenig ein allgemeines gewesen wäre. Das alleinige Düsseldorfer
Regiment hat aufgehört, sie haben mit Recht ihr Publicum, u.
werden es behalten, u. Hildebrandt ist diesmal ihr vorzüglichster
Vertreter.
Dann haben die Franzosen den größten Beifall, von hier sind auch
einige bedeutende Sachen da, herrliche Landschaften von Rom,
Mehreres von Deutschen, die in Paris studiren [...], so daß von
allen Seiten nur Schönes u. Interessantes in Menge vorhanden ist,
u. man durchaus nicht sagen kann, die Ausstellung habe einen
Mittelpunct, das macht sie aber vielleicht nur noch interessanter.
Lebe wohl, o Felix, habe weniger zu thun. Componirst Du denn
jetzt etwas? U. was? Werden denn Deine Symphonien nie vor
Tageslicht kommen? Wann wird sichs entscheiden, ob Du in
232
Leipzig bleibst, oder nicht? Grüße Cecile, jetzt werde ich ihr in
diesen Tagen schreiben.
Deine F.
felix an fanny Leipzig, 14. November 1836
Liebe Fanny,
meinen besten herzlichen Glückwunsch zuvor. War es doch fast,
als hätte sich alles verschworen, daß ich Dir heut nicht schreiben
sollte, eine ewig lange Probe des morgenden Abbonnement-Con-
certs, ein Diner bei Schunks mit Paul, vor allem mein langweiliger
und -wieriger Husten u. Schnupfen, den ich mir in der Kirche
geholt u. der mir den Kopf ganz dumm macht. Aber eben erreiche
ich noch eine freie Stunde vor Abgang der Post, u. freue mich Dir
noch selbst meine Wünsche am heutigen frohen Tage sagen zu
können.
Wer weiß, ob Du sonst nicht gar, nach Mutters Beispiel, bei Dir
gedacht hättest, seit ich eine Braut hätte, sey mir der i4te Novem-
ber ein weniger lieber, wichtiger Feiertag - ich glaub' es zwar doch
nicht, daß Du es gedacht hättest, u. hoffe Du weißt, mit welchen
Wünschen für Dein u. der Deinigen Wohl u.Glück ich ihn heut
gefeiert habe. Gebe Dir der Himmel alles Liebe Gute, das ich mir
erdenken kann, u. Freude Dir all Deines Glücks, u. dann möge er
uns auch bald einmal froh u. unverändert zueinander wieder füh-
ren. - Ob wir einmal wieder eine längere Zeit zusammen leben
werden, das scheint mir jetzt noch leider unwahrscheinlicher als
je. Nach allem, was ich höre, hat Hensel auf dieser Ausstellung die
Anerkennung u. Achtung, deren er in Berlin schon gewiß in noch
viel höherem Grade gefunden, u. man sagt mir, von allen Seiten
werde jetzt seine Wirksamkeit, in jeder Hinsicht, auch in Bezie-
hung auf die Schüler, nach Verdienst gewürdigt. Obwohl es nicht
ausbleiben konnte, wird es Dich u. ihn doch erfreuen, und Euch
gewiß mit manchem in Euren Umgebungen versöhnen oder doch
wenigstens geduldig dagegen machen. Und daß dann Berlin viele
Vorzüge hat, verkenne ich gewiß nicht, u. denke u. hoffe deshalb
daß Ihr den Aufenthalt nicht so leicht verlassen werdet. Ich wieder
werde wohl in keinem Fallje dahin auf längere Zeit zurückkehren,
und so wäre es recht schlimm, u. ist's auch, aber wenigstens kom-
233
men wir doch geistig nicht aus einander, trotz all der langen Ent-
fernung. Ich sehe das jetzt zu meiner größten Freude wieder so
recht an den Ciavierstücken, die Du mir durch Paul u. Albertine
geschickt; es sind da ganz vortreffliche dabei u. ich danke Dir sehr
viel mal für die große Freude, die ich daran gehabt habe . Es kommt
so selten, daß einem neue Musik so durch und durch gefällt, und
desto lieber wird einem solch ein Eindruck, wenn man so dem
Rechten, getroffenen sich gegenüber fühlt, als ob man ihm ins
Gesicht sähe - und sich sagen muß, da steht's. Solche Empfindung
habe ich bei mehreren von den Stücken gehabt, gleich als ich sie
das erstemal spielte; namentlich aber beim Schluß des ersten in b
dur, der höchst hebenswürdig ist, u. dann bei dem langsamen in g
dur, das mir überaus gefällt. Doch habe ich sie alle erst einmal
durchspielen können, und will Dir gern etwas ausführlicher
schreiben, wenn ich sie besser kenne u. mich mehr daran erfreut
habe. Heut nur so viel, daß Du leben sollst. Abschreiben darf ich
sie mir doch? Aber wegen Herausgeben habe ich immer noch
meine alten Bedenken, auch darüber mehr. Was thut's, vor Lach-
ner u. Reißiger u. alle denen rangirst Du doch lange, liebster Can-
tor - sehr lange!
Habe Dank für die beiden netten Briefe von meiner Cecile, aber
die Verlobung beschreibt das Kind doch ganz falsch, obwohl auch
nicht ganz unrichtig. Es ist eben eine gar zu nette liebe Braut.
Ob ich in Leipzig bleibe, das entscheidet sich hoffentlich noch vor
Neujahr, ich wünsche es sehr sehnlich, u. hoffe auch, daß sich's so
machen wird. Du hast von den musikalischen Mitteln dieser Stadt
wirklich keinen Begriff; der Israel war von allen Aufführungen bei
denen ich gewesen bin, die allerbeste, zugleich eben auch die Wir-
kung aufs Publikum so entschieden, daß es zeigte, wie viel musi-
kalisches Gefühl auch dort vorhanden ist. Abgesehen davon daß
bei der Kälte sich an die 2 000 Zuhörer in die Kirche drängten, so
schicken sie jetzt von allen Seiten um eine Wiederholung 137 u. die
Directoren thun's nicht um im Frühjahr ihrer Sache desto gewisser
zu sein. Die Wirkung des Werkes in seiner rechten Gestalt war
aber schlagend u. über meine eigene Erwartung groß, die Orgel
gegen das Ende furchtbar.
Bitte Mutter sie möge mir nur ja mein langes Pausieren jetzt ver-
zeihen, u. nichts mich entgelten lassen, an Rosen, u. Moscheies, an
234
Devr. u. Droysen, die mir alle geschrieben, an all meine Rheini-
schen u. Berliner Bekannten habe ich noch nicht ein einzigmal
schreiben können. Es ist Unrecht, aber ich besitze eben nicht das
Talent, mich in Stücke zu reißen, u. sie thun's fast hier diesen
Winter.
Lebe nur wohl, u. viele herzliche Grüße an Herrn H. u. an Seba-
stian, wenn er sich des Onkels noch erinnert. Sag Beckchen, es
verginge kein Tag an welchem ich nicht ihrer u. des frohen Auf-
enthaltes hier bei mir gedächte, u. ihr dafür dankte. Ich werde ihr
nächstens schreiben, grüß auch Dirichlet u. Walter
u. lebewohl, meine liebe Gere. Dein F.
fanny an felix Berlin, 16. November 1836
Lieber Felix, sey schönstens bedankt für Deinen lieben Brief, der
mich sehr erfreut hat. Ich finde nun zwar eigentlich, mit 31 139 Jah-
ren müßte man keinen Geburtstag haben, (obgleich ichjeden Ge-
burtstag der Anderen sehr gern habe u. feiere) aber für mich habe
ich den eigentlichen Apparat von Kuchen u. Zubehör längst abge-
schafft. Aber ein Brief, ein freundliches Gesicht (jenes soll dieses
ersetzen) eine liebe Zeichnung von Sebastian, wer sich darüber
nicht freuen sollte, der müßte wol noch älter als alt seyn. - Was
mir sehr leid thut, ist daß Du gar nicht aus dem gehetzten Leben
herauskommen kannst, denn ich weiß u. sehe an Hensel, dem es
auch oft so geht, wie sehr das aufreibt u. die Nerven angreift. Auch
dafür hoffe ich von Deiner Verheirathung sehr viel. Wie 140 viel
Zeit wirst Du nicht schon durch das Zuhauseessen ersparen, u. wie
angenehm wird das Tischchen seyn. Du wirst überhaupt so gern
zu Hause seyn, daß Du Mittel finden wirst, es zu können, u. das
wird Dir sehr wohl thun. - Daß Ihr übrigens den Israel nicht
wiederholt, finde ich sehr schade, es wäre der doppelte Genuß für
dieselbe Mühe, u. wieso es den Directoren für das Frühjahr scha-
den soll, begreife ich nicht, ich dächte im Gegentheil. Von der Art
u. Weise habe ich nun wohl durch den Salomon eine Idee, indeß
mag es mit Deiner kräftigeren 141 Kirchenorgel doch auch anders
klingen. Frank sagte mir, sein Bruder habe die ganze Orgelstimme
geschrieben; ist das wahr, oder hat der kleine Frank geflunkert?
Wie ich hier ganz wieder 142 aus jeder Musik herauskomme, die
235
ich mir nicht selbst vermache, davon hast Du wirklich keinen Be-
griff. Ich höre im eigentlichen Sinne des Wortes keinen Ton, u.
was sollte ich auch hören? Wie Moser Jahr auf 143 Jahr immer die-
selben Symphonien in derselben Reihenfolge herunterkratzen
läßt, oder wie Ries ziemlich sauber, aber sehr langweilig ein Quar-
tett nach dem anders spielt? Da bin ich sogar abonirt, gehe aber
niemals hin. Oper haben wir nicht, von Academieconcerten werde
ich wohl in Egypten 144 v. Händel hören, weil ich das nicht recht
kenne, u. daher weniger fühlen werde, wie sie es verderben. Ueber
diesen gänzlichen Mangel an Anstoß von außen verfalle ich nun
selbst auch in eine solche musikalische Apathie, daß ich wirklich
in Jahr u. Tag keine eigentliche Musik gemacht habe. Indeß habe
ich beschlossen, mich herauszureißen, u. Ende des Monats mit
Deinem Psalm 145 u. den drei Nonnenstücken 146 wieder anzufan-
gen, die ich sehr hübsch besetzen kann. Die Decker ist nach wie
vor äußerst gefällig u. liebenswürdig gegen mich, auch haben wir
vorige Woche bei ihr eine sehr wohlgelungene Aufführung v.
Marschners Templer 147 gehabt. Daher kannst Du denken, wie er-
freulich es mir ist, daß Du mit meinen Ciavierstücken zufrieden
bist, woraus ich doch sehen kann, daß ich noch nicht ganz mit der
Musik zerfallen bin. Schicke sie mir nur wieder, ich werde sie Dir
abschreiben lassen, dafür laß Du mir das aus c moll ä la Thalberg
zukommen.
Die Ausstellung wird Sonntag geschlossen und hatten wir den
heutigen schönen trüben Tag benutzen wollen, noch einmal hin-
zugehen, auf klares Wetter können wir doch nicht mehr warten.
Wir haben allerdings Ursache, mit dem Erfolg ganz zufrieden zu
seyn, lieber Felix, was uns aber viel mehr als dies hier hält, weißt
Du ja, u. kannst es Dir denken. 148 Indessen müssen wir daran den-
ken u. thun es auch allen Ernstes, in einigen Jahren einmal ein Jahr
in Italien zuzubringen. Für Hensel ist es ein Bedürfhiß, u. mein
Wunsch stimmt natürlich mit ein.
Was nun das jetzige Schulewesen betrifft, darüber habe ich meine
eigenen Gedanken, die sich bei dieser Ausstellung sehr bestätigt
haben. Um eine eigentliche Schule zu bilden, dazu gehört, daß wie
im Mittelalter durchgängig, heut zu Tage nur allein in München,
eine gemeinsame große Aufgabe Lehrer u. Schüler lange Zeit hin-
durch beschäftige. Wie ist es aber möglich, daß 3- oder 400 junge
236
Maler, jeder jedes Jahr ein Bild malen können? Die ohnehin schon
schwachen Kräfte zersplittern sich, die Gegenstände wiederholen
sich ins Unendliche, u. es ist natürlich, daß endlich wie in Düssel-
dorf ein Leithammel einmal voranspringt, u. ioo andere den
Sprung nachzuthun versuchen. Mit Hensel ist es etwas anderes. Er
betreibt die Sache ohne alle Coketterie, u. nur im Interesse seiner
jungen Leute. Daher entläßt er sie, sobald sie irgend auf eigenen
Füßen stehen können, u. hat es immer wieder mit neuen zu thun,
die ihm weder künstlerisch noch persönlich, so viel Interesse ein-
flößen können. Doch hat er diesmal die Freude, die 2 einzigen
Preise, die in der ganzen Stadt 149 für dies Fach vergeben wurden,
in sein Attelier gekommen zu sehn, Kaselowsky ist schon fort,
Moser wird im Lauf des Winters gehn, dann ist die ganze erste
Generation, mit der wir uns sehr eingelebt hatten, zerstoben, u.
daß er nicht Lust hat, das in infinitum so fort zu treiben, kannst
Du Dir wol denken.
Ich habe immer so einen Gedanken im Hinterhalt 150 : Könnte
denn der gar nicht ausführbar seyn, daß wir uns einmal Alle auf-
machten, den Sommer in schöner Gegend, am Rhein, oder in
Baden, oder in Dresden, still miteinander zubrächten. Was meinst
Du dazu? Sollte das nicht möglich u. sehr hübsch seyn? Oder am
Genfer See.
Du hast uns auch noch gar nicht die frohe Versicherung gegeben,
uns Cecilien zu bringen, sobald sie Dein ist, wir hoffen zwar Alle
darauf, möchten es doch aber auch gar zu gern hören. Und wie
gern sähen wir sie noch als Mädchen. An meinem Geburtstag war
Marianne mit ihren Kindern 151 hier, und da haben wir wieder
recht viel von ihr gesprochen. Alle Menschen kennen sie ja, nur
wir nicht, das ist doch recht grausam. Grüße sie tausendmal! Sage
ihr, sie soll mir einstweilen gut seyn. Ihre Briefe sind gar zu heb.
Was beschreibt sie denn von der Verlobung ganz falsch? Wieder-
lege sie. Heute hat sie wieder ein allerliebstes Briefchen an Mutter
geschrieben. Mutter, Beckchen u. Hensel, Alles grüßt Dich be-
stens. Es ist Alles wohl, bis auf den Schnupfen, der sich breit ge-
macht 152 hat, u. fest an mir hält; Hensel hat viel Zahnweh gelitten,
sich einen ausreißen lassen, u. laborirt trotz aller [...] 153 fortwäh-
rend am Magen. Sein voriges großes Bild wird in sehr großer Di-
mension sehr gut hthographirt. [...] 154
237
fanny an felix' 55 Berlin, 22. November 1836
am Tage der heil. Cäcilie
wozu Dir Glück gewünscht sey.
Eigentlich wollte ich Dir gleich nach Empfang eines Briefes
von Paul u. Albertine schreiben, die so gar viel Erfreuliches
gemeldet haben, wie viel Fortschritte Dein Orchester mache,
wie munter u. glücklich, Paul schreibt, Du seyst noch viel voll-
kommener geworden, wie angenehm Deine dortige Situation,
was uns natürlich sehr erfreulich, daß alle Aussicht auf Verlänge-
rung Deines dortigen Aufenthalts sey, denn das Bewußtseyn, sich
in 18 Stunden sehn zu können, ist doch gar beruhigend u. erfreu-
lich.
Daß Du Cecilen ein Stammbuch 156 machst, u. Lieder von mir drin
haben willst, ist sehr hübsch, auch Hensel ist wie natürlich sehr
gern bereit zu einer Vignettenbeisteuer. Sage nur bald, was u. wie
Du's willst, kurz vor Weihnachten häufen sich immer die Arbeiten
etwas. Kann ich Papier nehmen, wie ich will, oder soll ich ins Buch
schreiben?
Was nun mein Herausgeben betrifft, so stehe ich dabei, wie der
Esel zwischen zwei Heubündeln. Ich selbst bin ziemlich neutral
dabei, es ist mir aufrichtig gestanden einerlei, Hensel wünscht es,
Du bist dagegen, in jeder anderen Sache würde ich natürlich dem
Wunsch meines Mannes unbedingt Folge leisten, allein hierbei ist
es mir doch zu wichtig, Deine Beistimmung zu haben, ohne die-
selbe möchte ich nichts der Art unternehmen.
Gestern habe ich hier einen italienischen Improvisator gehört,
Bindocci, von dem die, welche ihn das erstemal schon besucht
hatten, ganz entzückt waren. Sey es aber, daß ich nicht genug ita-
liänisch verstehe, oder daß mir die ganze Art u. Weise zu fremd
ist, seine gesungen vorgetragenen Gedichte machten mir den Ein-
druck des Lächerlichen u. unleidlich Ermüdenden. Viel besser ge-
fielen mir seine gesprochenen Improvisationen, u. sein eigentli-
ches Talent scheint mir das rasche Ausfüllen gegebener Reime,
namentlich zu komischen Thematen. Ueberdies scheint mir die
ganze Sache leichter als sie aussieht, die gegebenen Themata, be-
sonders solche, die etwas fernerliegen, läßt er sehr aus dem Spiel,
u. ergeht sich mehr in Allgemeinheiten, die er längst in der Gewalt
238
haben muß, eine große Reimleichtigkeit u. Geistesgegenwart ge-
hört wol vor allem dazu.
felix an fanny 157 Leipzig, 29. November 1836
Liebe Fanny,
eben als ich das Elsholtzische Packet an Mutter abschicken will,
kommt das Packet mit dem Ciavierauszug des Paulus, und da es
gerade auf schönem weißen Voliepapiere ist, so muß ich es depo-
niren in der bibliotheque imperiale; ich meine Dir schicken u.
Dich bitten, es zuweilen durchzuspielen. Mögest Du Freude daran
haben, u. es Dich an gute Tage erinnern.
Bitte schick mir umgehend die beiden Fugen aus f moll 6/8 und
d dur die ich einmal von Düsseldorf aus zu Euch schickte. Ich
brauche sie, und sie werden bald zurück erfolgen.
Mit dem Packet von Elsholtz bitte ich Mutter so zu verfahren, wie
ich in meinem letzten Brief sie gebeten. Mein Porträt vor dem
Paulus sieht so aus, sagt Schleinitz, als wolle mir die Concert Di-
rection verbieten zu Weihnachten nach Frankfurt zu reisen. - Ein
Sänger wartet. Lebwohl. Dein Felix.
felix an fanny 158 Frankfurt am Main, 13. Dezember 1836
Ja, Du lieber Fenchel, da sitze ich wieder an Ceciles Pult und
schreibe Dir und bin ein glücklicher Mensch. Wie ist's weiter zu
beschreiben? Weiß gar nicht und bin stumm, aber nicht so wie
die Affen am Orinocco, sondern ganz anders. Zuweilen möcht'
ich ein klein wenig toll werden, wenn ich an die Visiten denke,
die morgen losgehen, es sind deren 163, wohlgezählt! -
Was sagst Du nun, Kantor? Und bei meinem Bart, ich muß sie
alle machen, trotzdem ich mich so jämmerlich anstelle, wie nur
möglich. Aber wahrlich, mir ist das auch einerlei - ich bin zu
froh. Neben der Cecile habe ich nun die letzten vier Tage hier
gelebt und habe noch acht solche vor mir und dabei ist alles hier
im Hause so nett und heb, und der Karl Jeanrenaud, dessen
Bekanntschaft ich jetzt erst gemacht habe, der ist auch so hebens-
würdig und gut, wie die anderen, ein gar zu netter Mensch und
239
außer alledem habe ich eine ganze Menge gute Musik im Kopfe
[■■■]
fanny an Felix 159 Berlin, 19. Dezember 1836
Hier ist also unsre Beisteuer zum Album, Heber Felix, die eine sehr
schön ausgeführte Zeichnung möge der anderen, die nur im Um-
riß erscheint, zur Entschuldigung dienen, ich habe darauf bestan-
den, daß sie losgehen 160 sollte, sonst hätte sie gar nicht kommen
können. Zum dritten Bogen hat Luise 161 die Verzierung übernom-
men, u. mit der ihr in solchen Dingen eigenen Grazie ausgeführt.
Mögt Ihr zufrieden seyn.
Nun wünsche ich nur, daß Du nicht etwa auch das feuchte
Schwingenlied 162 für Cecile erwählt habest [...]. Erkläre auch Ce-
cile, warum sie ein gedrucktes Lied bekommt, sonst denkt sie, ich
habe kein anderes gemacht. [. . .]
Gestern habe ich eine sehr schöne Probe des ersten Theil von
Paulus gehalten. Bader war da, u. sang Einiges wunderschön, u.
war selbst sehr ergriffen von der Musik. Ein junger Bassist vom
Theater, Bötticher 163 , der eine wundervolle Stimme hat, wird den
Paulus singen, ich hoffe gut. Mein Chor jubelte, ich kann Dir nicht
sagen, was ich für Freude gehabt habe. Berger 164 , den ich neuÜch
in Döhlers Concert traf, u. mit dem ich Freundschaft erneuerte,
war hier, u. saß neben mir beim Spielen, es war wie immer, als
müßte er sagen: Stehn Sie auf, Faniska, ich will Ihnen vorspielen.
Er hatte eine außerordentl. Freude über die Musik u. ich kann Dir
nicht sagen, wie sein Anblick mich berührt, er sieht so sehr übel
aus, er ist so alt 165 geworden.
Mit Deinen meisten Änderungen bin ich sehr einverstanden, aber
nicht mit Allen. Unter anderm hätte ich eine Ohrfeige ebensogern
genommen, als daß Du die Stelle geändert hast, welcher gemacht
hat Himmel u. Erde u. das Meer, die war eine meiner Lieblings-
stellen. Ferner, warum Du die von mir sehr geliebte Sopranarie
ausgeschlossen, begreife ich nicht, ich hätte viel lieber die kleine
aus f dur oder die Altarie gemißt.
Dagegen freue ich mich, daß Du in der Stelle der Erscheinung die
Zwischenreden an Baß u. Tenor vertheilt hast, ich bedanke mich
noch besonders für die Aenderung, denn der Herr hat gesagt.
240
Warum hast Du nicht noch wie es Deine Absicht war, gegen das
Ende einen lebhaften Chor eingelegt? [. . .]
Wie unser Weihnachten werden wird, wissen wir noch gar nicht,
nicht einmal bei wem, ob hier oder drüben, das soll heut ausge-
macht werden. Wir rücken immer mit einer solchen Menge an,
diesmal allein 12 Schüler, daß wir wirklich Niemandem zumuthen
können, uns aufzunehmen. [. . .]
felix an panny 166 Leipzig, 31. Dezember 1836
Liebe Fanny,
diese Zeilen sollen Dir und Hensel meinen Dank für Eure liebens-
würdigen Album-Beiträge bringen, Euch sagen, wie Ihr mich da-
durch erfreut habt. Hättet Ihr sehen können, wie meine Cecile so
froh darüber war, wie sie die heben Blätter den ganzen Abend über
nicht aus der Hand ließ, u. sie immer wieder betrachtete, so wäre
darin der Dank schon, und auch Ihr hättet Euch daran gefreut.
Und wie zierlich u. allerliebst ist Luisens schwarze Kunst; sag ihr
doch viel, vielen Dank, und namentlich der [. . .] 167 kränz mit dem
garstigen kleinen Thier ist so reizend, wie man nur etwas sehen
kann - aber auch die Schiffe mit den schnaubenden Feuerchen u.
dem Steuermann u. den Tauben. Und von Hensels Zeichnungen
gefällt mir die unausgeführte fast noch besser, als die vollendete,
obwohl alle beide sehr, und wo soll ich mich nun zuerst bedanken,
Ihr heben Leute? O Fanny, das war ein Weihnachtsfest für mich 168 .
So habe ich keines erlebt, u. werde es nicht wieder, die glücklich-
sten, liebsten Tage waren mir geschenkt, solche Tage an denen
einem das Leben u. Athmen wieder neue Freude u. neue Dank-
barkeit giebt. Ich kann Euch aber das Alles nicht beschreiben, denn
Ihr kennt meine Cecile nicht, wäre das erst. Aber ich fürchte es
wird nicht vor dem Sommer sein, wenigstens ist's mir immer noch
zweifelhaft, ob sie im Winter herkommen, u. in diesem Wetter
bei diesen Wegen wünsche ich es selbst nicht. Man gab mir ihr
Portrait am Weihnachtsabend, aber da bekam mein Grimm gegen
alle schlechten Künstler Nahrung, und ich war nahe daran, dem
Maler, Binder heißt er, aus Wien, viel Grobheiten zu sagen, u.
durfte es doch nicht, weil Mde. Jeanrenaud so gut gewesen war,
und hatte mir eine Freude machen wollen; u. wird die Cecile so
241
oft gesessen haben 169 . Und doch wars schmerzlich. 170 Wie eine
geschmeichelte gewöhnliche Mamsell sah's aus, u. mit so groben
Fehlern, daß der Mann ganz verblüfft war, als ich ihm einige davon
sagte u. sie mir alle gleich zugab. Es ist zu schlimm, wenn solch ein
Kerl selbst da nicht einmal ein bißchen poetisch, ich meine natür-
lich, werden kann, u. mit seinen affectirten angenommenen Stel-
lungen, u. mit weißem Teint, u. guten 171 blauen Äuglein kommt,
statt der dunkelschwarzblauen, u. dem braunen u. rothen Teint, u.
der ganz natürlichen Cecile. Auf Veits Portrait bin ich neugierig,
aber er macht's nun u. ich muß ihm nachsagen, daß er sogleich
nach Beendigung seines Frescos die Zeichnung anfangen wollte,
da kam ich eher, u. es wurde bis nach meiner Abreise verschoben.
Ich glaube das wird anders aussehen, obwohl es verzweifelt schwer
sein mag, dies bewegliche Gesicht festzuhalten u. nachzuahmen.
Letzten Montag Abend waren wir alle bei Veits, die Tante 172 war
gar zu liebenswürdig, u. wir hatten einen vergnügten Abend -
Mde. Zimmermann war auch da - mir war's sonderbar, als ich
neben der Cecile saß, ihre Hand hielt u. Mde. Zimmermann hin-
eintrat, mit alten Jugenderinnerungen, u. der lang vergangenen
Zeit, die mir einfiel. Wir wurden alle schön beschenkt, u. hübsche
Transparents hatten Veits Schüler gemalt u. das Ganze war ge-
müthlich und nett. Dank Dir, daß Du Dir mit dem Paulus so viel
Mühe nimmst, wenn er Dir nur auch dafür etwas Freude machen
kann, die Aufführung bei Dir mit all den guten Solosängern möch-
te ich schon hören - Hauser hat mir viel von Deinem Einstudieren
daran erzählt, als er vor 8 Tagen durch Frankfurt kam, mit mir zu
Jeanrenauds ging u. dann wieder fuhr.
Am isten 173 Januar 1837. Der ist es nun geworden, und Neujahr,
und nun nimm alle meine Wünsche für Dich u. die Deinigen; für
Euer Wohl u. Glück dazu hin. Als ich am vorigen Sylvesterabend
traurig vor 12 nach Hause ging u. im Bett 12 schlagen hörte, da
dachte ich wenig, mit welch dankbarer Empfindung ich die letzte
Stunde davon gestern verleben sollte, mit welch frohen Hoffnun-
gen die erste dieses neuen. Da dankte ich Gott für all das Gute, u.
ich weiß daß Du es mit empfindest u. Dich mit daran freust, wie
ich so glücklich bin. Grüß Hensel, und Luise vielmal, küsse den
Sebastian u. denk immer an Deinen Felix.
242
fanny an felix Berlin, 3. Januar 1837
Seit drei Tagen will ich Dir schreiben, lieber Felix, und da ist es
mir denn gelungen, so lange gewartet zu haben, bis gestern Abend
Dein guter Brief ankam. Es weht eine recht erquickende, glückli-
che Lust darin, und wer könnte die lieber empfinden, als ich, Du
geliebter Bruder! Daß wir nun Cecile als Mädchen nicht sehen
sollen, thut mir zwar leid, indessen erfreuen wir uns doppelt Eu-
rem Versprechen, den Sommer bestimmt herzukommen, und
wollen, so Gott will, eine frohe Zeit haben. Nun laß einmal hören.
Mein lieber Mann ist etwas angegriffen, und ich habe zum ersten
Mal in meinem Leben von ihm die Aeußerung gehört, er bedürfe
einer Erfrischung, und wünsche, sobald der Schnee schmilzt, auf
einige Wochen zu verreisen. Ohne mich thut ers nicht, ich soll also
mit, ob wir Sebastian mitnehmen, ist noch ungewiß. Nun will ich
Dich bitten, in Leipzig in Erfahrung zu bringen, wann die
Dresdner Gallerie wieder eröffnet wird, u. uns zugleich anzuge-
ben, wie lange Du in Leipzig bist, wir wünschten natürlich Beides
zu kombinieren, wenn es irgend thunlich ist, antworte also, bitte
ordentlich über beide Punkte. 175
felix an fanny 176 Leipzig, 24. Januar 1837
Liebe Fanny
die Antwort auf Deine Frage wegen der Dresdner Gallerie hat Dir
Mutter wohl schon lange aus meinem Briefe an sie mitgetheilt,
auch nach Erkundigungen die ich seitdem eingezogen höre ich
daß es nicht die geringsten Schwierigkeiten macht sich die Gallerie
im Laufe des ganzen Winters öffnen zu lassen. Das kann also Eu-
ren Reiseplan nicht beschränken, und nun ist die Frage, wie er sich
modificirt? Wie viel mir drauf ankäme, daß ich noch in Sachsen
wäre, das brauche ich Dir nicht zu sagen - ich denke am I7ten
März abzureisen nach Frankfurt, und für den I3ten ist die Kirchen-
aufführung 177 bestimmt. Ich möchte fast sagen leider bestimmt,
denn ich habe doch auch gar keinen animus jetzt dazu, und es
gefällt mir nicht daß ich so kurz vor meiner Hochzeitsreise solch
einer entsetzlichen Hatz entgegen gehe. Immer ist es noch nicht
bestimmt, wann Jeanrenauds herkommen, obwohl ich jetzt be-
243
stimmt hoffe, daß sie kommen, aber diese Ungewißheit der Zeit
macht mich auch ungeduldig u. doppelt erwartungsvoll auf jeden
Brief. Inzwischen fluche ich 178 auf die ganze Concert- und Musik-
wirthschaft hier, und muß sie doch wieder mitunter segnen, denn
sie ist wirklich hebenswürdig. Du glaubst es nicht, wie viel gute
interessante Erscheinungen solch einen Winter über durch unse-
ren Horizont (den Leipziger) gehen, und wie gern möchte ich, daß
Du das mal so miterlebst, es würde Dich gar so sehr amüsiren.
Vorige Woche spielte Bennett 179 sein c-moll- Concert im i3ten
Abon. Concert zum Jubel der Leipziger, die er sich mit dem einen
Schlag allesamt zu Freunden u. Verehrern gemacht zu haben
scheint, denn man hört überall nur Bennett jetzt; im Concert vor-
her hatte Molique 180 sehr vortrefflich gespielt, vorgestern gab er
ein eigenes Concert, nächstens kommt eine neue Ouvertüre von
Spohr zur Tochter der Luft, zu der er, wie er mir schreibt/durch
meine Melusine angeregt worden ist, im Armen Concert kommt
eine neue Ouvert. von Bennett, zwei neue von Hiller (der Dich in
jedem Brief grüßen läßt) haben wir schon gemacht, u. da wir auch
nächstens den Faust von Radziwill 181 probiren wollen, u. da sich
auch Mde. Cresrini angemeldet hat, so dürft Ihr Berliner gar nicht
mausig sein. Weißt Du denn, Fenchel, daß Dein a dur Lied in
Schlesingers Album 182 furore hier macht? daß die neue musikali-
sche Zeitung (ich meine ihren Redacteur 183 , der in meinem Hotel
mitißt) für Dich schwärmt? daß alle sagen, es sei das Beste im
Album, was ein schlechtes Compliment ist, denn wo ist sonst was
Gutes? daß sie es aber wirklich goutieren? Bist Du nun ein rechter
Autor, und macht Dir das auch Plaisir? - Wie David's Frau 184 sich
anläßt willst Du wissen; - ganz pompös. Sie ist seit den 14 Tagen
so aufgethaut, u. so munter u. gesprächig geworden, daß ich glaube
sie hats hinter den Ohren, u. kann angenehm sein, wenn sie will,
u. will es, u. David ist selig, u. lebt so glücklich - daß ich nicht allzu
lebhaft daran denken darf. Ich war schon einmal ä la fortune du
pot 185 bei ihm, einmal Abends, u. er lädt mich fortwährend ein oft
zu kommen, aber ich thue es nicht u. schenke ihm die ersten 4
Wochen Ruhe, u. eine Sondervergeltung. Eingerichtet ist er char-
mant u. die Frau heizt die Öfen, u. lernt bei Kiengel 186 Ciavier
spielen u. meiner Treu, wenn sie sich aus der Russischen Fürstinn
in eine ordentliche, nette Frau Concertmeisterinn zu Leipzig ver-
244
wandeln kann, so hab ich allen Respect vor ihrer Festigkeit u.
ihrem Character. David giebt nach wie vor Lectionen, u. Quartett-
soireen, nächsten Sonnabend die letzte wo er ein Trio von Beet-
hoven, ein Doppelquintett von Spohr und mein Oktett spielt. -
Hauser kam richtig von Paris, hatte Mde. Kiene gesehen, war mit
ihrer Freundlichkeit aufgenommen worden und sehr entzückt;
nun ist er in Breslau. - Klingemann schreibt fleißig, er wohnt
schon im neuen Hause, 4 Hobart Place, Eaton Square, Pimlico. -
u. es scheint ihm gut zu gehen.
Eben erhielt ich Mutters Brief, für den ich vielmal danke, u. die
Papiere. Grüß Beckchen, der ich in 8 Tagen schreibe, u. alle im
Hause und nun lebewohl. Dein F.
panny an felix Berlin, 27. Januar 1837
Ich glaube, ich habe Dir vorigen Montag einen ziemlich dummen
und confusen Brief geschrieben, Hensel war die Nacht nicht wohl
gewesen, und ich hatte nicht ausgeschlafen nach dem Paulus, und
war sehr müde, nun habe ich aber Mittwoch Deinen lieben Brief
bekommen, und danke Dir dafür. Wie froh bin ich, daß Du keine
weitere Sorge hast, als wann Jeanrenauds kommen, wir seufzen
jetzt einmal wieder nach Eisenbahn, dann wäre es doch keine Fra-
ge, daß Ihr uns besuchtet, u. so ist es leider auch keine Frage.
Eigentlich ist es doch abscheulich, nur eine starke Tagereise aus-
einander zu seyn, und sich nicht zu sehn. Mutter beabsichtigt, zum
Paulus nach Leipzig zu kommen, und auch Tante Levy, ich denke
sie werden zusammen fahren, meine Reise ist unwahrscheinlich
geworden, Heber Felix, in dieser Zwischenzeit, und ich setze Hen-
sel zu, allein zu fahren. Ob er nun aber nicht doch grünere Jahres-
zeit abwarten wird, das ist die Frage. Doch bitte ich Dich aber
inständigst, halte uns nur diesen Sommer nicht zu kurz; gönne uns
ein ordentlich Stückchen Zeit, damit man sich nicht blos guten
Tag, und adieu sagt. Pauls kommen Ende Aprils, und werden,
denke ich, ohne Unterbrechung hier bleiben, u. dann können wir
Alle zusammen ein hübsch Leben führen. Paul ist unendlich
glücklich über Dein Glück, u. was mir sehr gefällt, gewissermaßen
stolz über Deine Liebe, als wenn er die Liebe erfunden hätte, das
fände ich aber sehr hübsch. Wie freut mich, was Du von Davids
245
schreibst. Das ist wirklich auch eine von den Geschichten, die man
nur nach dem Erfolg beurtheilen kann, geht es gut, haben die
Leute Recht gehabt.
Meine Autorschaft, bestehend aus 188 einem Liede, hat mir gar kei-
nen Spaß gemacht, lieber Felix, im Gegentheil war mir das Ge-
schrei und Posaunen, das Schlesingers von diesem eigentlich doch
ganz erbärmlichen Ding von Album gemacht haben, sehr zuwi-
der. Namentlich konnten sie sich gar nicht zufrieden geben, über
die wundervolle Ausstattung, und braucht man nur das schlechte-
ste französische oder englische Ding der Art zu sehen, um zu
begreifen, daß das hiesige sehr jämmerlich 189 ist. Uebrigens ist mir
mit dem Leipz. Album etwas Comisches begegnet. Ich hatte erst
für Cecile das Byronsche Lied komponieren wollen; there be none
etc. u. ließ es liegen, als mir Rebecka sagte, sie wisse kein englisch.
Als ich danach las, Du habest für das Leipz. Album etwas zuge-
tan 190 , ging ich in einen Musikladen, um zu sehen, was? Unter-
wegs fiel mir mein englisches Lied wieder ein, u. ich machte es in
Gedanken gar fertig, u. trete in den Laden, fordere das Album, u.
schlage auf: there be none. 191 Ich will es mir nächstens geben lasse,
und abschreiben, es war aber sehr komisch.
Diesen Winter ist außer dem Mühlespiel, wovon Du wol schon
gehört hast, noch der Punsch bei uns Mode, den Minna so vor-
trefflich zu bereiten versteht, daß Mutter sogar (Du kannst sie
damit necken) sich hin u. wieder zu einem halben Glas verleiten
läßt. Abend waren Devrients hier, mit denen wir nach langer Zeit
einmal wieder einen recht angenehmen Abend hatten, die armen
Leute kommen nun gar nicht aus dem Hauskreuz heraus, bestän-
dig Krankheiten u. Noth [. . .]
Ries hat zum 4ten in einem Concert Deine Melusine angekündigt,
das wird einmal wieder schone Execution werden.
Grüße Hiller wieder von mir. Bei dem habe ich mich recht muth-
willig um den Ruf gebracht, der Musikdirektor der Sphärenmusik
zu seyn, so dumm uncoquett will ich aber auch nicht wieder seyn.
Wie geht es Schelble? Setzt Hiller immer noch den Cäcilienverein
fort? Und werden sie ihn nicht verbeißen? Darf man gegen Jean-
renauds äußern, daß man sich über die Flucht der Frankfurter
Studenten freut? 192 oder sind sie aristokratisch? [. . .]
246
fanny an felix Berlin, i. Februar 1837
Viel Glück, und Glück, und noch einmal Glück! Cecile ist da, also
was kann Dir fehlen? Indeß kann ich nicht läugnen, daß wir mit
vieler Ungeduld auf die Bestätigung aus Leipzig warten. Tante
Schlegels Brief zufolge, wären sie den 27ten abgereist, also doch
spätestens den 2$>ten angekommen, und das hätten wir schon vor-
gestern wissen können. Da übrigens Madame Jeanrenaud so nied-
lich ist, kann ich nicht läugnen, daß uns eine Ueberraschung, oder
drei, wenig überraschen würden, und daß wir auf Alles gefaßt
sind 194 , sogar aufs Beste, um so mehr, da Du Mutters Besuch so
bestimmt abgelehnt, und wir Schwestern Euch, auch wenn Ihr uns
haben wolltet, jetzt nicht besuchen könnten. 195 O Eisenbahn, o
Eisenbahn! 196 Zum ersten Mal in meinem Leben finde ich es jetzt
beneidenswerth, eine einflußreiche Stellung im Staate zu haben,
denn für Eisenbahnen habe ich eine wahre Monomanie. Ich ließe
gleich das Ballett eingehen, welches in Armida eingelegt wird, und
die Tänzerinnen als Schienen legen. Im Westen u. Osten legen sie
uns welche vor die Nase, nur Pommern bleibt davon. Indeß glaubt
nur ja nicht, uns den längeren Besuch im Sommer durch ein Paar
Tage jetzt abzukaufen, viel lieber wollen wir warten, und wie Ihr
euchjetzt arrangiren mögt, bedenkt nur gut. Madame Jeanrenaud,
Sie sind so gut, ich ernenne Sie zu unserem Anwalt, sprechen Sie
für uns!
Eingehenden Kupferstich, lieber Felix, nimm als ein nothwendiges
Stück in Deine Wirthschaft von uns Schwestern u. Schwägerin-
nen. Wir alle hier lieben ihn sehr, hoffentlich stimmst Du mit ein.
Und nun will ich Dich eigentlich zufrieden lassen, da ich Dir eben
zweimal geschrieben und mich ziemlich ausgeschrieben. [. . .] Wie
neugierig bin ich auf Philip Veits Zeichnung 197 , vorenthalte sie uns
nur nicht, u. schreibe uns, ob Du sie ähnlich findest. Alle Augen-
blick träume ich einmal von Cecilen. Diese Nacht habe ich sie
wieder gesehen, mit einem ganz runden Apfelgesichtchen, wie ein
Kind. Grüße sie, Madame Jeanrenaud, Schunks u. alle andern
Freunde tausendmal, u. habe einen frohen Geburtstag.
Deine Fanny.
247
fanny an Felix 19 Berlin, 20. Februar 1837
Es läßt sich schwer beschreiben, in welcher nüchternen, uncom-
fortablen Enttäuschung wir heut leben, lieber Felix. Ihr müßtet
dazu gesehn haben, mit welcher Freude wir die kleinen Vorkeh-
rungen zu Eurem Empfange getroffen, und wie wir uns die letzten
Tage allein damit beschäftigt haben, wie mich meine Bekannten
schon vorige Woche damit neckten, daß ich alle Leute Madame
Jeanrenaud anredete, wie wir, wörtlich wahr, die letzten Nächte
nicht schlafen konnten vor freudiger Erwartung, noch Sonnabend
Abend völlig beruhigt durch Deinen Brief, und nun in dem Au-
genblick, wo wir bei Tisch waren, schon jeden vorüberfahrenden
Wagen in verdacht hatten, die Kinder alle Augenblick aufsprangen
u. ans Fenster liefen, statt aller erwarteten Freude dieser fatale
Brief! Wir haben übrigens die feste Zuversicht zu Euch, daß Ihr
Alles anwenden werdet, um die Reise dennoch möglich zu ma-
chen, aber nur nicht übereilt, an Mittwoch denken wir gar nicht,
wenn Mad. Jeanrenaud Dienstag erst aufsteht, wäre es ja tollkühn,
aber nach dem nächsten Concert, die andere Woche, sollte es da
nicht gehn? Oder können Jeanren. nicht bis nach dem Paulus blei-
ben? Und Ihr dann erst zusammen hier, u. dann zusammen nach
Ffurt. reisen? Mutter käme dann auch zum Paulus, u. reiste mit
Euch zurück. Oder irgend etwas. Natürlich können wir von hier
aus nur wünschen u. bitten, nicht rathen. Aber das bitten wir herz-
lich, habt einen Einfall, richtet es auf irgend eine Weise ein.
Sehr spaßhaft rührend waren die Kinder gestern, die sich nun ganz
unmäßig auf Tante Cecile gefreut hatten. Als wir in desparatem
Humor allerhand dumme Vorschläge machten, sagte Dirichlet un-
ter anderem, die Jungen sollten sich in den Wagen setzen, u. Tante
Cecile abholen, worauf ein jeder jubelnd seiner Mama um den
Hals fiel, u. das ganz vortrefflich fand. Als sie darauf bedeutet wur-
den, es sey nur Spaß gewesen, bestanden sie darauf, und Sebastian
meinte, wir könnten ihnen ja Jemand mitgeben, Beide fingen an
zu heulen, als ihnen die Unmöglichkeit dargethan wurde.
Auch das Attelier, in welchem es jetzt ein wenig nüchtern aussieht,
hatte sich zu Eurem Empfang geputzt, Hensel hatte sich die Mir-
jam auf einige Tage vom Kunstverein erbeten, weil ich wünschte,
daß Ihr das Bild sehen solltet, u. es Euch doch gern bequem ma-
248
chen wollte. Die gelbe Stube ist für Dich, lieber Felix, so nett wie
möglich eingerichtet. Einstweilen lassen wir aber noch Alles, ge-
ben die angenehme Hoffnung nicht auf, vielleicht bringt uns der
heutige Brief die besten Nachrichten. [. . .]
felix an fanny 199 Leipzig, 7. März 1837
Liebe Fanny,
Es ist meine Mode daß ich den Componisten, von denen neue
Sachen im Concert hier aufgeführt werden, nachher über den Er-
folg daran und die Aufführung meinen Bericht schreibe, und auch
wohl meine Meinung dazu. Und das stellt den Grund von diesem
Briefe vor.
Glaube es nicht. Der Grund ist wohl ein ganz anderer, Du weißt
ihn auch, ich brauche ihn Dir nicht zu sagen. Ich hätte Dir längst
geschrieben, und auch an Beckchen, wäre nicht immer die nächste
Zukunft so ungewiß gewesen, durch Mde. Jeanrenauds Grippe,
dann durch Ceciles Unwohlsein, dann durch die beabsichtigte Ab-
reise. Jetzt endlich ist alles so schön u. natürlich geworden, wir
reisen zusammen. Mutter erwarte ich morgen, aber Euch beide
nicht mit ihr. Und selbst das einzig Betrübte dabei, muß uns allen
eine Freude sein, und ist doch wieder nur ein Segen für den wir
Gott zu danken haben 200 . Auf frohes, glückliches Wiedersehen.
Aber ich will Dir doch ganz im Ernst über Dein Lied gestern
schreiben 201 , wie schön es war. Meine Meinung weißt Du zwar
schon, doch war ich neugierig, ob mein alter Liebling 202 , den ich
immer nur im grauen Kupferstichzimmer, oder im Gartensaal,
von Beckchen gesungen u. von Dir gespielt kannte, nun auch in
dem sehr gefüllten Saal, bei heilem Lampenlicht, nach vieler lär-
mender Orchestermusik die alte Wirkung thun würde. So war es
mir ganz curios, als ich ganz still u. allein Deinen netten Wellen-
schlag anfing u. die Leute mäuschenstill horchten, aber niemals hat
mir das Lied besser gefallen als gestern Abend, und die Leute
begriffen es auch, u. murmelten jederzeit wenn das Thema am
Ende wieder anfängt mit dem langen e, und klatschten sehr leben-
dig am Schluß. Zwar sang es die Grabau 203 lange nicht so gut, wie
Beckchen, indeß war es doch sehr rein, und die letzten Tacte sehr
hübsch. Bennett, der auf dem Orchester war läßt Dich vielemal
249
grüßen, u. Dir über das Lied sagen, was Du schon weißt, und ich
meinestheils bedanke mich im Namen des Publikums zu Leipzig
u. der anderen Orte 204 , daß Du es gegen meinen Wunsch doch
herausgegeben hast. Es war ein hübscher erster Concerttheil, in
dem das Lied gestern stand: erst eine Ouvertüre vonBennett, dann
die Arie von Mozart mit obligatem Ciavier, dann sehr brillante
frivole Variationen von David comp.u. gespielt, dann 3 Lieder, erst
Deins, dann mein »auf Flügeln des Gesanges« und das e dur Rei-
selied. Im 2ten Theil kamen meine Hebriden, der Erlkönig v.
Schubert (eine Thierquälerei) u. andere animalia vor 205 . Über-
haupt ist dies aber eine so musikal. Woche, daß ich von Herzen
möchte, sie wär's weniger, ich habe schon heut ganz genug, und
kann kaum auf eine Stunde zur Cecile, vor lauter Proben und
Geschäftbilleten, u. was weiß ich. - Aber ich muß schließen, liebe
Fanny, lebe wohl, sey gesund u. glücklich und denke immer Dei-
nes Felix.
Viele Grüße an Hensel u. Sebastian. Inliegenden Brief gab mir
Ulrike v. Pogwisch 206 damals als ich Euch selbst zu sehen hoffte.
Verzeih die Verspätung.
fanny an felix 207 Berlin, 23. März 1837
Mit wenig Worten sey Euch Glück gewünscht 208 , denn viel zu
lesen werdet Ihr nicht Zeit noch Gemüth haben. Habt Glück Euer
Leben lang wie Ihrs verdient, und wie mans Euch wünscht. Irgend
ein Andenken, das wir Geschwister Euch bestimmen, werdet Ihr
später in Leipzig finden, wenn Ihr ein home habt. Mein lieber
Mann schließt sich mir an mit den treusten Wünschen für Euer
Wohl! Noch habe ich Dir liebe Cecile zu danken für die aller-
schönste Arbeit, das Kissen, welches ich gewählt, u. Rebecka den
Beutel. So sehr es mich erfreut, hat es mir doch ganz den Muth
benommen, Dir jemals eine Arbeit anzubieten. Und nun genug,
ich schlage mir aufs Maul, denn Ihr werdet jetzt andere Dinge zu
thun u. zu denken haben, als meine Briefe zu lesen, u. so ergehe
Euch es wohl! Denkt unser, wenn Ihr froh seyd. Eure Fanny.
250
felix an fanny 209 Freiburg i. Br., 14. April 1837
Liebe Fanny, heut Morgen als ich mir hier die Briefe holte, fand
ich den von Beckchen und Mutter mit der Nachricht des unange-
nehmen Unfalls 210 , der Dich betroffen. Wie sehr unangenehm ist
er, und wie hat mich das in meiner sonst so frohen Zeit betrübt;
beide schrieben Gott lob, daß Du wohl und heiter seist, aber der
Brief ist schon 8 Tage alt und so sehnen wir uns doch sehr nach
Bestätigung dieser Nachricht Deines Wohlbefindens. Wenn die
nur bald kommt; wenn Du nur bald wieder herumgehen, Luft
schöpfen kannst, mit der Krankenstube u. der eingeschlossenen
Luft hängt die Erinnerung an diesen betrübten Unfall so zusam-
men, bei wiederkehrender Kraft und Gesundheit verläßt Dich der
Gedanke dann hoffentlich auch wieder, und hoffentlich ist das
schon sehr der Fall, wenn diese Zeilen ankommen, und ich sollte
Dich kaum wieder daran denken machen; aber das ist ja eben die
böse Entfernung. Und sagen muß ich's Dir doch, wie mich's so
betrübt, daß meine schlimmen Ahndungen der letzten Woche mit
dem ersten Briefe von Haus sich bestätigt haben. Könnte ich Dir
nur etwas Bergluft, wie wir sie hier athmen, und Sonnenschein,
und Grün, und mildes Wetter, wie wir's seit gestern haben, für
Dich und Deine Genesungszeit mitschicken. Eigentlich haben
mich die Briefe, nach denen ich mich sehnte, hauptsächlich hieher
gezogen; jetzt aber bin ich so von der Reise hieher u. von dieser
Gegend entzückt, daß ich heut den ganzen Tag nur Dir so gern
gegönnt u. gezeigt hätte, um Dich dran zu erquicken u. zu zer-
streuen; es hätte Dir besser gethan als alle Mittel.
Du erinnerst Dich wohl noch wie wir damals 211 im Regen in den
Dom liefen, u. ihn bewunderten, mit seinen dunkeln bemalten
Fenstern, aber die Lage der Stadt konnten wir damals gar nicht
sehen, und etwas 212 Schöneres ist mir nie vorgekommen, kann ich
mir auch nicht erdenken; so friedlich u. reich u. auf allen Seiten
weite schöne Thäler, u. auf allen Seiten Berge, nahe u. weite, u.
Ortschaften, so weit das Auge reicht; u. schöne nett gekleidete
Menschen überall, rauschende Bergwasser in allen Richtungen,
dazu rings umher im Thal das erste Grün, u. auf den Bergen der
letzte Schnee - Du kannst Dir denken, wie wohlthuend das alles
ist; und wenn ich nun mit meiner Cecile den ganzen Nachmittag
251
heut im warmen Sonnenschein langsam spazieren gehe, überall
stehen bleibe u. mich umschaue, u. mit ihr von Zukunft und Ver-
gangenheit spreche, so kann ich's wohl dankbar sagen, welch ein
glücklicher Mensch ich bin. Nur die Ungewißheit über Dein
Wohlsein störte uns oft und immer wieder, und so sehne ich mich
wieder wie vorher nach Briefen, die mir erwünschte Nachrichten
u. Beruhigung bringen mögen; das hoffe ich zu Gott.
Ich habe vor sehr fleißig zu sein. Ich möchte gern mancherlei
Neues zu Tage bringen u. ordentliche Fortschritte machen; dazu
scheint mir's aber nothwendig, daß ich all das aufgehäufte alte erst
einmal fortarbeite, und das will ich denn den Sommer über thun,
will viele alte Pläne ausführen, und die die nicht d. J. 213 zum Win-
ter ausgeführt sind, über die will ich dann weg, u. sie sollen liegen
bleiben. Drei Orgel-Präludien 214 habe ich in Speyer gemacht, die
werden Dir, hoffe ich, gefallen; auch ein Heft Lieder ohne Wor-
te 215 ist zum Druck beinahe fertig, ich denke aber nicht sobald
wieder welche herauszugeben, u. lieber größere Sachen zu schrei-
ben. Mit einem Violin- Quartett bin ich fast fertig 216 , u. will dann
ein 2tes anfangen, es arbeitet sich jetzt gar zu schön u. lustig.
Wir denken noch wenigstens 8 Tage hier zu bleiben, u. die Excur-
sionen in die umliegende Gegend zu machen, dann wahrschein-
lich über Heidelberg nach Frankfurt zurück. Wenn ich in diesen
Tagen die Schneeberge der Schweiz, die alten Freunde sehen wer-
de, so wird mir's schwer fallen nach Norden umzukehren, und
doch wird's diesmal wohl nicht anders sein können. Cecile will
Platz behalten; ich schließe darum. Hoffentlich höre ich bald was
ich wünsche u. erbitte, u. wir schreiben dann bald wieder. An
Beckchen schrieben wir vor 3 Tagen, an Mutter vor 5-6 Tagen,
nun lebwohl, Hebe Fanny, sei gesund u. grüße die Deinigen vielmal
u. herzlich. Dein Felix.
(P. S. von Cecile)
Auch ich, meine Hebe gute Schwester, muß Dir heute ein paar
Worte sagen um Dir zu zeigen, wie sehr ich mich freue, daß Du
wenigstens wohl und heiter bist, nach den betrübten Tagen die Du
erlebt. Viel lieber möchte ich aber jetzt bei Dir sein können, um
Dir so viel als möglich die Zeit zu verkürzen, ich könnte Dir vie-
lerlei erzählen von allem dem Schönen, das ich jetzt durch Felix
genieße, von allem was ich sehe hier in der freundlichen Gegend,
252
und bei dem prächtigen Frühlingshimmel. Wenn es doch nur auch
im Norden so schönes Wetter wäre, dann würdest Du gewiß sehr
bald wiederhergestellt sein und in dem schönen Garten wieder
vergnügte Stunden haben, aber die Mutter schreibt mir schon von
Frankfurt aus, daß es erbärmlich kalt dort gewesen sei, während
wir in Speyer ganz warme Luft einathmeten, wie mag es erst in
Berlin sein.
Wie sehr wir jetzt uns nach guten Nachrichten von Dir sehnen
kannst Du Dir wohl denken, und wie schwer der Gedanke an die
weite Entfernung und das lange Reisen der Briefe uns wird.
Ich wünsche Dir alles Gute und Beste, was man nur wünschen
kann, und bin mit innigster Liebe
Deine treue Schwester Cecile M. B.
FANNY AN FELIX UND CECILE 217 Berlin, 13. April 1837
Damit Ihr seht, Hebe Kinder, daß ich noch vorhanden bin, u. was
noch mehr ist, mich wohl befinde, will ich Euch ein Lebenszei-
chen geben. Der abermalige Unfall hat mich ganz ohne meine
Schuld getroffen, u. ich befand mich bis zum letzten Augenblick
so wohl, daß ich die besten Hoffnungen hegte. Auch bin ich sehr
leicht davon gekommen, u. jetzt nach noch nicht 14 Tagen fast als
wäre nichts geschehn. Wenigstens ist mein Kopf durchaus frei u.
leicht, wenn auch die Beine noch nicht recht mitkommen. Aus-
sehn thu ich sehr miserabel, indeß wird sich auch wohl das geben
mit der bessern Jahreszeit, wenn wir Eine bekommen. [. . .] Daß Ihr
unter Euren Planen oder Nichtplanen unser auch nicht mit einem
Worte gedenkt, thut uns wohl leid, u. ich habe schon ganz die
Hoffnung aufgegeben, Cecile in diesem Jahr zu sehn. Ich werde
Berlin nicht verlassen. Sobald alles grün ist, treibe ich Hensel aus,
nach Dresden, von wo aus er nach der sächsischen Schweiz zu Fuß
gehn, u. da malen wird. Wäret Ihr in Leipzig, so reiste ich mit, u.
käme unterdessen zu Euch, so aber bleibe ich in min Hus. [. . .] Wie
freue ich mich Eures Glücks, u. wie goutiren wir, Hensel u. ich,
Euer planloses Umherschweifen, das ich sehr angenehm für eine
junge Ehe finde. Ich freue mich auch auf Deine Flitterwochenprä-
ludien 218 , von allen Wochen, in die man kommen kann, sind die
Flitterwochen unstreitig die angenehmsten. [. . .]
253
fanny an felix 219 Berlin, 2. Juni 1837
Regen, Sturm u. Kälte.
Dein gestriger Brief 20 , lieber Felix, hat mir die Zunge gelöst, die
mir etwas eingefroren war, wie kanns bei dem Wetter anders seyn,
und ich werde nun wie ein Mühlrad klappern, daß Du mich am
Ende wieder aufhören heißt. Zuerst muß ich Dir sogleich sagen,
daß Alexander und Mad. Schunk, und wer Dir sonst gesagt haben
mag, daß wir oder ich die englische Reise 221 übel nehmen, sich
gänzlich geirrt hat. So etwas ist mir auch im Traum nicht eingefal-
len, ich sehe die Wichtigkeit u. Annehmlichkeit dieser Reise viel
zu gut ein, wünsche mir viel zu sehr sie selbst einmal mit meinem
Mann zu machen 222 , als daß ich sie irgendjemand der sie verdient
mißgönnen sollte, am wenigsten Dir. Auch sind wir weit entfernt,
die Prätention zu machen, daß Du, um uns zu besuchen, irgend
etwas aufgeben solltest, das Dir nützlich oder erfreulich seyn kann.
Weil aber doch die Sache einmal zur Sprache gekommen ist, so
will ich Dir aufrichtig sagen, was daran ist.
Daß Ihr nicht von Leipzig hergekommen seyd, was Ihr so gut
ohne irgend ein Opfer gekonnt hättet, wäret Ihr dem Plane ge-
folgt, den ich Euch gleich anfangs angab, u. der doch nachher zur
Ausführung kam, das habe ich zwar nicht übel genommen, denn
das ist der rechte Ausdruck nicht, aber sehr schmerzlich empfun-
den und wohl hier u. da ausgesprochen. Mad. Jeanrenauds Gründe
für ihre schnelle Rückreise haben mir niemals einleuchten wollen,
und der Erfolg hat auch gezeigt, daß ich nicht so unrecht hatte,
denn die Hochzeit ist recht gut von statten gegangen ohne daß sie
drei Wochen vorher dagewesen wäre, und Mad. Souchay 223 ist
auch nicht so unversöhnlich gewesen. Wenn Deine Beschäftigun-
gen Dich abgehalten haben, länger als ein Paar Tage hier zu blei-
ben, so hätten diese hingereicht, Cecile herzubringen, u. auf länger
als ein Paar Tage war ja auch der ganze Besuch nicht versprochen.
Indessen das sind lauter »hätte« und »wäre«, mit denen nichts zu-
rückzurufen ist. Schade ist es nur, daß der Verlust für uns unersetz-
lich ist, denn Cecile als Mädchen zu sehen, ist nun in diesem Leben
nicht mehr möglich. Hätten wir reisen können, so wären wir na-
türlich nach Leipzig gekommen, obgleich Du auch das im Anfang
nicht zu wünschen schienst, so aber war das unmöglich, u. ich
254
danke Gott, daß ich mich nicht von meinem Wohlbefinden habe
verleiten lassen, es doch zu wagen, weil ich mir sonst wegen mei-
nes Unfalls die größten Vorwürfe gemacht haben würde. Ich den-
ke also, lieber Bruder, Du wirst es mir nicht verdenken, vielmehr
ein Zeichen meiner Liebe darin sehen, daß ich mich durch dies
Mißlingen in eine unbehagliche Stimmung versetzt fühlte. Wenn
Du an die Zeit zurückdenkst, wo wir beständig zusammen waren,
wo ich jeden Gedanken sogleich erfuhr, der Dir durch den Kopf
ging, u. Deine neuen Sachen auswendig wußte, ehe Du sie einmal
aufgeschrieben, wenn Du Dich erinnerst, daß unser Verhältniß
schon durch die gemeinsame musikalische Beschäftigung ein ge-
wiß auch unter Geschwistern seltenes war, so wirst Du mir zuge-
ben, daß es gerade für mich eine seltsame Entbehrung ist, Dich
Jahr und Tag auf eine Weise beglückt zu wissen, wie ich sie immer
so lebhaft für Dich gewünscht habe, und Deine Geliebte, Deine
Frau gar nicht einmal zu kennen. Alle Beschreibungen helfen
nichts, sie machen nur irre. 224 Dazu kommt noch, daß ich auch für
die Zukunft wenig Aussicht habe, denn eine Reise im Winter hier-
her - wie leicht, ja wahrscheinlich wird die auf eine oder die an-
dere Weise unausführbar werden, u. so können von jetzt an ge-
rechnet, Jahr und Tag darüber hingehn, ehe wir uns sehn. Drei
Jahre sind es bereits, seit wir uns nur auf Tage und in der Hetze
begegnet sind. Zum Unglück hat mein Mann eben so wenig in
Leipzig zu thun, als Du in Berlin, u. so wird der Wunsch einmal
wieder einige Zeit mit Dir zusammen zu seyn, wol unter diejeni-
gen gehören, nach deren Erfüllung zu streben man sich versagen
muß; man lernt Manches mit der Zeit. Um nun mit einem Mal
Alles zu sagen, so kam es mir so vor, als habe diese Entfernung, die
an mir gewiß immer spurlos vorübergehen wird, Dich nicht ganz
unverändert gelassen, wenn auch nicht was mich, doch was die
Meinigen betrifft. Ich weiß mich der Zeit nicht zu erinnern, daß
Du nach Hensels Arbeiten, nach Sebastians Fortschritten gefragt,
da habe ich mir denn auch nach u. nach abgewöhnt, von ihnen zu
reden, denn dergleichen Mittheilungen wollen vergnügt 225 seyn u.
Wichtigeres habe ich doch nicht zu berichten. Sage mir, daß ich
mich irre, u. ich will es sehr gerne glauben.
Das sind so ungefähr die Gründe, lieber Felix weshalb ich in der
letzten Zeit das Maul gehalten habe. Du siehst, es ist alles Andere
255
eher als der Schatten einer Mißbilligung Deiner englischen Reise.
Ich wußte Dir wirklich nichts zu sagen, was mir der Mühe werth
geschienen hätte, und wenn Dich nun dieser erste Brief, den ich
Dir wieder schreibe, herzlich ennuyirt, so verzeih mirs, ich käme
sehr gern wieder in den alten, dummen Ton, der Dich so oft la-
chen machte, wenn ich nur könnte. Vor allem zeige der Cecile
diesen Brief nicht, sie bekommt sonst, wie man hier sagt, einen
Greuel 226 vor der brummigen Schwägerin. Du nanntest mich aber
von jeher Grimmhild, u. mußt mir schon erlauben, so viel von
meinem Grimm beizubehalten, als ich mit aller Mühe, die ich mir
gebe, nicht abzulegen vermag. Und nun basta.
Der musikal. Spleen, über den Du Dich mokirst, kam ganz natür-
lich daher, daß ich den Winter wenig Musik gemacht u. gehört
habe u. dann drei Virtuosen aufeinander kamen, Döhler, die
Wieck 227 , u. Henselt 228 . Du weißt, ich lasse mich überhaupt sehr
leicht niederschlagen, hatte damals angegriffene Nerven, u. kam
mir unbeschreiblich veraltet vor. Seitdem aber habe ich mich wie-
der erholt, u. mir Chopins Etüden angeschafft, von denen ich ei-
nige fleißig übe. Henselt hat in einem Concert ein Paar Etüden
von Chopin, u. ein Paar sehr hübscher von sich, überaus delicat u.
rapid gespielt, das war aber auch das Beste. Das an sich etwas
langweilige Trio v. Hummel 229 hat er so vorgetragen, wie wir es
in früherer, guter Zeit aus Spaß thaten, und Schnörkelioso 230 nann-
ten. Ich glaube, diese Vortragsart wird ueberhaupt wieder Mode
werden, denn da diese ganze Virtuosität ein Modeartikel ist wie
Porzellan, Kleider und Lithographien, so muß sie auch Schritt mit
diesen halten, u. den Schnörkelstyl wieder hervorsuchen, wie in
der Kunst jetzt Ludwig XIV Perücken Mode sind, wenigstens bei
Engländern u. Franzosen. Die Variat. eigener Composition, die
Henselt zum Schluß spielte 231 , fand ich bei aller Schwierigkeit so
wenig brillant, u. so häßlich, daß sie mich sehr degoutirten, wie
überhaupt dies ganze Concertwesen. Von diesen drei Clavierspie-
lern hat keiner ein ordentliches Concert, keiner mit Begleitung
gespielt, sondern Etüden, Variat. u. s. w. Nächstens werden sie vor
dem Publicum eine Stunde geben. - Wenn ich es zusam-
menbringen kann, so werde ich diesen Sommer wieder Musik
machen. Ich glaube aber kaum, da meine Freunde, die Ganze, in
London 232 sind, u. ich gar zu wenig Musiker kenne. In der Oper
256
war ich ein Paarmal, u. habe Armida, trotz der theilweise sehr
mangelhaften Aufführung, mit unbeschreiblichem Vergnügen ge-
hört. Die Faßmann 233 , deren Mittel allerdings für diese Rolle nicht
hinreichend sind, singt sie aber doch mit einer solchen Aufopfe-
rung aller Kräfte die sie hat, mit e. solchen Hingebung a. d. Sache,
daß sie Manches ihr Fehlende dadurch ersetzt, u. man ihr schon
gern manches nachsieht, weil sie doch gute Musik singt, u. wie es
den Anschein hat, mit Respekt singt. Auch Spontinis Direction hat
mich amüsirt, obgleich ich manches gern anders gehabt hätte, sie
war aber doch lebendig, u. das Orcheser klang. Ueberdies waren
8 oder 10 Vorstellungen der Armida packevoll, u. die Nachtwand-
lerin 234 , worin ich die Löwe 235 sah, nicht. Nun sage man noch, daß
ein Publicum nicht gern gute Sachen hört, wenn man sie ihm nur
giebt. Das hiesige hat nur die Energie nicht, das Gute zu fordern.
Auf Deine Fugen freue ich mich sehr, die Lieder habe ich mir nur
auf eine Stunde zum Ansehen kommen lassen, weil ich wußte, daß
wir sie bekommen, ich werde Dir darüber schreiben, wenn ich sie
besser kenne. Unter den Aelteren 236 gefällt mir das Sonntags-
lied 237 , und auf Flügeln des Gesanges 238 , unter den Neuen 239 das
Reiselied von Heine am besten. Den Anfang davon finde ich wun-
derhübsch, die Stelle aber, wo die iötel aufhören, gefällt mir nicht
ganz. Uebrigens ist es mir immer schwieriger, Sachen von Dir
zuerst gedruckt zu sehen. Ich habe gleich ein Urtheil drüber wie
über Compositionen von Mendelssohn, es ist mir denn gar nicht
als wären sie von Felix.
Gestern habe ich »farewell« von Byron 240 komponirt, u. ehe Dein
Brief kam, hatte ich die Idee, es Dir anstelle eines Briefes zu schik-
ken, denn es gefällt mir. - Was ist das für ein Psalm, den Du
komponirt hast? u. ist er deutsch oder lateinisch? 241 Schreibe mir
doch, was Du für nächste Zeit für Arbeitsplane hast. Wirst Du
nicht bald eine komische Oper schreiben, auf die ich schon so
lange warte? Ich möchte so gern einmal ein Liederspiel schreiben,
hätte ich nur einen Text dazu.
Heut ist ein Wetter, daß man keinen Hund herausjagen möchte.
Der Regen strömt den ganzen Tag, Kälte, Sturm. Ich habe die
Ueberzeugung, daß wir diesmal keinen Sommer bekommen. Der
ganze Garten steht in unbegreiflicher Herrlichkeit, u. kaum drei
Tage haben wir gehabt es zu genießen. - Mutter, über deren letz-
257
ten Brief Du Dich so gefreut hast, ist Gottlob zum Bewundern
frisch u. gesund. Gott erhalte sie so. Lebe wohl. Tausend Grüße
an Cecile.
felix an lea Frankfurt am Main, 8. Juni 1837
Liebe Mutter,
Ich schreibe Dir heut, um Dir eine Nachricht zu geben, von der
ich gewiß weiß, daß sie Dich von Herzen erfreut, weil ich weiß,
wie Dir an allem liegt, was mein Leben und mein Glück betrifft.
Mir ist in diesen letzten Tagen die größte Freude geworden, die
einem Menschen zu Theil werden kann, und wenn ich Dir noch
sage, daß sie mir durch meine hebe Cecile geworden ist, so brau-
che ich Dir nicht weiter zu schreiben, worin diese Freude besteht,
Du weißt es schon. Seit mehreren Wochen schon hoffte ich, Dir
diese Nachricht geben zu können, die auch Dir so viel Freude
machen muß, doch Cecile wollte es nicht, weil sie es noch für
ungewiß hielt, jetzt aber scheint kein Zweifel mehr daran zu sein,
und drum eile ich, Dir es zu sagen, liebe Mutter, und Dich zu
bitten, Dich mit mir an der Hoffnung, die uns so schnell und so
froh zu Theil wird, zu erfreuen. Nun gebe Gott nur Gesundheit
und Glück meiner heben Cecile, so wie sie es bisher gehabt hat,
und dann sind alle Wünsche erfüllt, aber auch alle, die ich auf
Erden thun konnte [. . .] Ich möchte, Du wüßtest es, welch einem
glücklichen Menschen Du das Leben geschenkt hast, und Du
dächtest zuweilen an ihn. [. . .] Jetzt bitte ich Dich, Lebe Mutter, die
Schwestern u. Paul u. Albertine sehr vielmal zu grüßen, und ihnen
das zu sagen, und auch daß ich gestern die 3 Briefe der Geschwister
zugleich bekommen habe. Nun weiß ich nicht, ob ich in den näch-
sten Tagen zur Antwort kommen kann, und doch ist in den Brie-
fen der Heben Schwestern etwas, das eine schnelle Antwort erfor-
dert. Fanny spricht es aus und in Beckchens Brief scheint es mir
auch zu Hegen, daß sie beide aus irgend welchen Gründen mich
verändert denken oder dachten.
Wenn es doch bei dieser Gelegenheit zwischen uns aUen ein für
aüemal [. . .] ausgesprochen wäre, daß wir uns gegen einander nie
u. nimmermehr verändern. Fanny sagt, ich möge nur sagen, daß
sie sich irre, so wolle sie es gern glauben - aber ist denn das für
258
mich ein frohes Gefühl, erst zu sagen, daß sie sich in einer Sache
irrt, in der ich mich selbst verkennen u. verrathen müßte, wenn
sie wahr wäre? Und auf die einzelnen Puncte, von denen sie mir
schreibt, will ich ihr selbst schreiben, denn keiner davon ist wirk-
lich gerecht. Aber heut möchte ich Euch Alle eben das bitten, doch
nimmermehr an Veränderungen [. . .] zu glauben, was das Leben
so verbittert, und so klein macht. Gerade eben jetzt, wo meine
Existenz weiter und vielfältiger wird, da fühle ich mehr als jemals
das Bedürfniß, es zu wissen, daß die Meinigen mein sind, und
bleiben. Ich könnte sonst, sobald ich es wollte, meine Plane, meine
Reisen, meine Vorausbestimmungen ändern, um das zu thun, was
mir persönlich das liebste wäre, oder was Ihr wünschtet [. . .], aber
ich kann das jetzt nicht mehr. Und gerade eben deswegen möchte
ich Euch bitten, glaubt an keine Veränderung, lest sie nicht zwi-
schen den Zeilen der Briefe, hört sie nicht in den Gesprächen der
Leute, sondern glaubt dem, daß ich Euch mein Lebtag so hebe, so
eng mit Euch zusammenhänge, wie ich nicht anders kann. [. . .]
felix AN lea 243 Frankfurt am Main, 24. Juni 1837
Liebe Mutter,
ich habe Dir für zwei so liebe und schöne Briefe zu danken, wie
ich nur je von Dir erhalten habe. Der letzte hat uns beiden so
wohlgethan, und Deine Theilnahme an unserem Glück hat mich
wieder gerührt und erfreut, daß kein Wort Dir es sagt, wie dankbar
ich Dir bin. [. . .]
Meine Cecile ist zum größten Glücke kerngesund und wohl, ob-
gleich sie jetzt schon im 3ten Monat sein soll, wie die Kunstver-
ständigen sich ausdrücken. Wie muß ich Gott für ihre Gesundheit
danken, denn ich kann mich nicht von meiner Angst befreien,
wenn sie einmal an Kopfschmerzen oder Müdigkeit leidet und
Abends früh sich nieder legt. [. . .]
Ich kann es eben gar nicht beschreiben, wie glücklich mich jeder
Tag mit Cecile macht, wie ihr hebenswürdiger Charakter mir im-
mer wohlthätiger u. erquickender wird, es ist eben was Uner-
schöpfliches um solche rechte innere Güte. Jetzt quält sie sich oft,
daß sie nichts ordentliches arbeiten könne, wenn sie mal einen Tag
so ganz müde ist, und dann will sie gar nicht begreifen, wie wenig
259
darauf jetzt ankommt, und dann wird sie oft ganz trüb und melan-
cholisch darüber - aber es scheint auch mehr körperlich zu sein,
denn wenn sie ordentlich wieder geschlafen hat, ist sie gewöhnlich
wieder so munter und jugendlich lustig wie immer sonst, Gott sei
Dank. Wie hart und schwer mir die Trennung von ihr werden
würde, hast Du wohl gewußt, dennoch haben wir uns schon fast
resignirt, und würden also gleich im ersten halben Jahre über einen
Monat von einander entfernt sein müssen - Du glaubst nicht, wie
sonderbar mir's ist, wenn ich das alles bedenke [. . .]
[. . .] Du schreibst mir über Fanny's neue Stücke, und sagst mir, ich
solle ihr zureden u. ihr Gelegenheit verschaffen 244 , sie herauszu-
geben. Du lobst mir ihre neuen Compositionen, u. das ist wahr-
haftig nicht nöthig, damit ich mich von Herzen darauf freue, u. sie
für schön u. trefflich halte, denn ich weiß ja, von wem sie sind.
Auch darüber hoffe ich, brauche ich nicht ein Wort zu sagen, daß
ich, sowie sie sich entschließt, etwas herauszugeben, ihr die Gele-
genheit dazu, so viel ich kann, verschaffen und ihr alle Mühe dabei,
die sich ihr ersparen läßt, abnehmen werde. Aber zureden etwas zu
publiciren kann ich ihr nicht, weil es gegen meine Ansicht und
Überzeugung ist. Wir haben darüber früher viel gesprochen u. ich
bin immer noch derselben Meinung - ich halte das Publiciren für
etwas Ernsthaftes (es sollte das wenigstens sein) und glaube, man
soll es nur thun, wenn man als Autor sein Lebenlang auftreten und
dastehn will. Dazu gehört aber eben eine Reihe von Werken, eins
nach dem anderen, von einem oder zweien allein ist nur Verdruß
von der Öffentlichkeit zu erwarten, oder es wird ein sogenanntes
Manuscr. für Freunde, das ich auch nicht Hebe. Und zu einer Au-
torschaft hat Fanny, wie ich sie kenne, weder Lust noch Beruf,
dazu ist sie zu sehr eine Frau, wie es recht ist, erzieht den Sebastian
und sorgt für ihr Haus, und denkt weder ans Publicum, noch an
die musikalische Welt, noch sogar an die Musik, außer wenn die-
ser erste Beruf erfüllt ist. Da würde sie das Druckenlassen nur drin
stören, und ich kann mich eben einmal nicht damit befreunden.
Darum werde ich ihr nicht zureden, verzeih es mir. Zeige diese
Worte aber weder Fanny noch Hensel, der mir sie übel nehmen
oder doch misverstehen würde - sage lieber gar nichts davon. 245
Wenn sich Fanny aus eigenem Antriebe oder Hensel zu Gefallen
dazu entschließt, bin ich, wie gesagt, bereit ihr behilflich zu sein,
260
soviel ich nur vermag, aber ermuntern zu etwas, das ich für nicht
recht 246 halte, das kann ich nicht. 247
Bitte schreib mir auch einmal, ob denn diese großen Gesellschaf-
ten, die Fanny giebt, u. das Musikmachen darin sie nicht sehr an-
greifen? Ich bin davon immer sehr erschöpft gewesen, und da Fan-
ny gerade auch oft an schwachen Nerven zu leiden hat, wie ich,
so meine ich doch, sie muß sich sehr in Acht damit nehmen. Und
ist es denn gar nicht zu machen, daß sie mit nach dem Seebade
geht? Es ist eine so herrliche Kur, so entschieden stärkend, daß
mirs gar zu lieb wäre, wenn sie es thäte; und wenn ich mich jetzt
so kurz nach der Hochzeit von Cecile trenne, so kann sie es ja nach
mehrjähriger Ehe wohl auch von den ihrigen auf die kurze Zeit -
Du schreibst, es sei ohne Nothwendigkeit, aber wenn es ihr wohl
thäte und sie recht stärkte und erquickte, so wäre es wohl des
Opfers werth. O bitte, berede sie dazu, liebe Mutter, ich schreibe
ihr auch noch selbst ein Paar Zeilen und quäle sie darum.
felix an fanny 248 Frankfurt am Main, 24. Juni 1837
am Tage wo ein Freimaurer ersäuft,
nach einem Sommernachtstraum.
Liebe Fanny,
gestern habe ich Dein Praeludium no. 6 aus b dur 249 zu meiner
Fuge aus b dur 250 erhalten, denn es ist wirklich dasselbe tale quäle,
und mich an dem netten Zusammentreffen ergötzt. Ist es nicht
seltsam, daß zuweilen musikalische Ideen in der Luft herumzuflie-
gen scheinen u. sich da u. dort niederlassen? So ist es hier nicht
blos die gleiche Figur, Bewegung u. Anlage, die mich erstaunt,
sondern namentlich gewisse Kleinigkeiten, die gar nicht im The-
ma zu liegen scheinen, d. h. in den Noten, u. doch darin sind, d. h.
in der Stimmung, und die sich also auch bei uns beiden so auffal-
lend wiederholen. Z. B. dies forte in c moll, wie es bei Dir in
Octaven kömmt u. dann nach des geht, u. dann namentlich die
Wiederholung piano am Ende. Etc. etc. Es ist gar zu lustig. Neben-
bei ist es hübsch, daß unsere Gedanken einander so nahe bleiben.
Habe auch Dank für alles Gute, was Du meinem Paulus in Berlin
erweisest. Er kann es wohl dort brauchen nach der Auswahl, die
sie in der Werderschen Kirche gegeben haben u. von der mir
261
Mutter schreibt. Das wird wohl klingen bei Dir! Aber nimm Dich
nur in Acht, Dich nicht zu sehr anzustrengen, gerade das heftige
Accompagnieren der Chöre greift sehr an, wie ich aus Erfahrung
weiß. Und da ich davon spreche, so will ich Dich quälen ins See-
bad zu gehen. Mutter schreibt mir, Albertinen gehe dahin, u. Du
wollest sie nicht begleiten, um Dich nicht von Hensel zu trennen,
aber ich meine doch, Du solltest solch eine angenehme Gelegen-
heit zu solch einer starken Cur nicht vorübergehen lassen. Im
vorigen Jahre, wo mir gerade eben nichts besonderes fehlte, aber
wo ich doch einer rechten Erfrischung bedurfte, da hat mir das
Seebad gar zu wohl gethan. Ich bin überzeugt, das würde es Dir
jetzt auch - blos schon der frische Seewind u. die Abkühlung
durch u. durch, die man spürt, wenn man am Strand geht, u. dann
die ganze Luft dort sind so wohlthätig. Du solltest es doch thun,
und wenn Du Dich von Hensel nicht trennen willst, so denk an
mich, der ich hier in wenig Wochen allein nach England gehen
soll und Cecile hier lassen, und bin noch keine 4 Monat verhei-
rathet, und muß es doch thun. Und blos einem Musikfest zu Lie-
be - da ist noch ein Seebad ein anderer Grund. - Es wird eine
wahrer Hetze auf dem Musikfest werden, 4 Tage dauert es, und
bis jetzt habe ich nicht weniger zu thun, als den ersten Tag Orgel
zu spielen, den 2ten Paulus zu dirigieren, den 3ten Ciavier zu
spielen, u. den 4ten zum Schluß wieder Orgel zu spielen. Außer-
dem ist noch die Rede davon, meinen neuen Psalm »wie der
Hirsch schreit« u. meinen Sommernachtstraum zu geben. Außer-
dem giebt noch Neukomm eine große neue Cantate the ascen-
sion. Außerdem will er mehrere Sachen aus der Bachschen Pas-
sion singen lassen, wozu er wie man mir hier sagt, viel Posaunen
gesetzt hat. Außerdem werden die Italiänischen Sänger singen.
Außerdem noch der ganze Messias. Außerdem noch in jedem
Concerte eine Symphonie u. eine Ouvertüre. Gottschock! Und es
dauert bis zum 22sten September, u. den 30sten soll ich in Leipzig
Probe halten, u. den isten Oct. ist das erste Abonnement Concert.
Das ist kein Spaß. Aber vielleicht macht der Tod des Königs in
England 251 noch einen Strich durch die ganze Rechnung. Das ist
für Klingemann gerade in diesem Augenblick, wo er eben behag-
lich u. eingerichtet war, ein schlimmes Ereigniß. 252 Jetzt giebt es
in England wieder einen Mordlärm. -
262
Was Du von Henselt schreibst, klingt traurig - was ich Dir aber
von den hiesigen Musikern schreiben könnte, wäre eben nicht
lustiger - ist jämmerliche Race, voll Hochmuth, Eitelkeit u. ge-
drücktem 253 kriechendem Sinn. Ries übernimmt den Caecilien-
Verein, fängt schon an damit groß zu thun, worauf er vor 14 Tagen
geschimpft hat, Aloys Schmitt 254 hat eine eklige Krankheit, von der
er die Leute unterhält, die an ihn heran kommen, Guhr verführt
das ganze Theaterpersonal und außerdem bedeutenden Journal-
lärm, Hiller wohnt weit auf dem Land u. will in wenig Wochen
fort - über das Metier! Liszt läuft mit der Gräfin d'Agoult weg,
Henselt mit Mde. Vogel, Thalberg mit meiner Cousine, Meyer-
beer von seiner Frau - abermals Schock! - Es ist ein Malheur! Bei
Veit hier war es ganz hübsch, wenn nur mehr Leute wie Tante
Schlegel da wären. Mad. Zimmermann führt das Wort. So eine
aufdringlich-langweilige Ordinairheit wie die Person besitzt, ist
mir noch nicht vorgekommen. Die könnte mich aus einer Stadt
vertreiben mit ihrem stillen Gewäsch, das in einem fort unterir-
disch weiterwühlt und jammert.
Moser war nur einen Tag hier, u. brachte gute Nachrichten. Doch
wußte er nichts Neues von Hensels Arbeiten zu erzählen, da ich
die Hauptsachen wußte, u. eben beschreiben läßt sich ein Bild so
wenig. Er hat glaub ich versäumt, die Miniaturen bei Brentano zu
sehn u. das thut mir leid, denn sie sind höchst interessant. Ich hab
ein Violinquartett fertig gemacht u. werde wieder ein neues anfan-
gen; auch an größere Ciavierstücke denke ich. Das Concert wird
mir gar zu sauer 255 , das Andante u. letzte Stück sind zwar fast
fertig, aber das erste Stück quält mich noch, weil's brillant sein soll,
und Du weißt!! Cecile sitzt neben mir, leidet wie ich von der Hitze,
ist aber sonst wohl u. liebt u. grüßt Dich sehr. Grüße Paul und
Albertine sehr vielmal von uns u. lebewohl. Schreibe mir bald, u.
viel, küsse Sebastian für mich, u. grüß Hensel. Dein Felix.
fanny an Felix 256 Ohne Ort und Datum
Ich nehme also meine neuliche Kondolenz und Mitjammer zu-
rück, hebe Cecile, finde Dich gar nicht zu beklagen, pauvre nom-
ine, der Du mit allen möglichen Comforts zu Bingen am Rhein
wohnst. Voriges Jahr war ich mit Paul u. Albertine auch einen Tag
263
dort, das ist meiner Treu wunderschön. Wohnt ihr im Gasthaus,
zu welchem man durch einen kleinen Garten gelangt, mit 2 bel-
vederes an beiden Ecken? den Namen habe ich vergessen, aber da
waren wir damals.
Uns vergeht hier der Sommer bei großer Einförmigkeit der Le-
bensweise äußerst schnell. Woringens 257 werden nun wol einigen
Wechsel hineinbringen. Vorige Woche waren wir 2 Tage auf dem
Lande, 4 Meilen von hier, um Sebastian abzuholen, der schon ei-
nige Tage früher mit Luisen hingefahren war. Es war eigentlich
das erstemal, daß ich hier in der Gegend im Lande war. Wären
nur alle Wege hier so wie sie von der Chaussee abführen, nicht so
trostlos. Den Aufenthalt dort fanden wir sehr angenehm, die Leute
sehr freundlich, gastfrei, u. das Besuchen u. Durcheinanderreisen
bei den benachbarten Gutsbesitzern fast so stark wie in glückliche-
ren Ländern.
Einstweilen haben wir hier überall das durch M. J. Herz verbrei-
tete Gerücht von Felix Abreise nach England weiter gebracht. Lie-
ber Felix, daß Du unter die Musiker, die einen schlechten Lebens-
wandel führen, auch Meyerbeer rechnest, der seine Frau verläßt,
das habe ich nur mit Naserümpfen lesen können, da Du selbst im
Begriff stehst, Deine Frau so böslich zu verlassen. An ihrer Stelle
würde ich diese Veranlassung ergreifen, mich von Dir scheiden zu
lassen, sie klagt ja ohnehin in allen Briefen, daß sie es bei Dir nicht
aushaken kann. Sehr wenig habe ich gegen das Präludium und die
Fuge einzuwenden, die Du in London spielen willst, warum dieses
nicht? 258
Weißt Du denn, daß jetzt die Gluckschen Opern hier wieder ge-
geben werden, wenn auch Eichberger als Admet ein wahrer
Schlächter u. Blume 259 als Herakles 260 der Ochs dazu ist, so kann
ich doch nicht läugnen, daß ich sie mit wahrer Freude wiederge-
hört habe. Die Faßmann, deren Mittel eigentlich bei weitem nicht
ausreichend sind, singt u. spielt mit solcher Aufopferung aller Kräf-
te, die ihr irgend zu Gebot stehn, daß sie die Partien nicht allein
durchführt, sondern wirklich schön durchführt. Man muß nun
freilich nicht an die Milder denken, deren Organ allein fast ohne
daß sie damit gesungen hätte, an vielen Stellen so wunderbar wirk-
te, aber man freut sich doch, die Töne einmal wieder zu hören,
und nach 10 u. 20 Jahren dasselbe Publicum wieder zu sehn, wel-
264
r
ches damals keine Glucksche Oper ungehört ließ. Der erste Rang
ist leer, wie früher, alles Andere durchaus voll, u. namentlich die
jüngere Generation, die die Milder nicht recht mehr gehört hat,
höchst entzückt. Von dieser erzählt man, sie sei gefragt worden, ob
sie Alceste von der Faßmann gehört hätte, u. darauf geantwortet
habe: nein, ich habe die Rolle einmal von der Milder gehört, u.
will sie nun nie wieder hören. [. . .]
Lieber Felix, mache mir einmal einen Begriff von Deinem Psalm,
wie der Hirsch schreit. Schreit er 4stimmig, oder 8, a capella oder
mit Begleitung? Und von Deinem Concert möchte ich auch etwas
wissen. Daß Du wieder ein Oratorium machen willst, freut mich.
Man kann doch nun einmal keine komische Oper nach der Bibel
machen, die möchte ich freilich am liebsten just 261 von Dir hören.
Meine Musiken müssen sich jetzt ohne die Decker behelfen, ge-
gen die der Gansdarmenmann nur eine Strippe ist. Ich behaupte
immer sie bekommt kein Kind, sondern ein Haus. Daß Worin-
gens sie nicht wohler 262 treffen, thut mir leid. Lebt übrigens wohl.
Es ist Mittag, u. ich bin noch im Schlafrock, u. nun klingelt es, o
weh! Geht das anderswo auch so, daß wenn man sich gerade ein-
mal verspätet hat, alle Leute kommen, u. wenn man gut angezo-
gen ist, kein Mensch? Ich bitte wohl zu leben, und mich Madame
Jeanrenaud bestens zu empfehlen. Eure Fanny.
fanny an Felix 263 Berlin, 29. August 1837
Wir beeilen uns, Dir die gewünschten Nachrichten zu geben, lie-
ber Felix, die Gott sey Dank sehr befriedigend über uns Alle lau-
ten. Bis jetzt wußten wir nicht recht, wann u. wohin wir Dir nach
England adressiren sollten. Die Cholera ist, wie Du aus den Zei-
tungen sehen wirst, ziemlich stark hier, aber wir leben vorsichtig,
ohne Angst, u. was das Beste ist, ungemein vergnügt mit unseren
lieben Gästen 264 . Daß diese heben Leute meiner Ueberzeugung
nach gerade weil die Cholera hier ist, länger bleiben, als sie anfangs
wollten, verdient auch bemerkt zu werden, ich glaube, das macht
ihnen so leicht kein Fremder nach. Nun sind sie in der 4ten Woche
hier, u. es scheint ihnen hier sehr gut zu gefallen. Da Rebecka
ziemlich unbeweglich ist 265 , u. Mutter in der Hitze nicht ausgeht,
so sind mir größtentheils die honneurs von Berlin anheimgefallen,
265
Cecile Mendelssohn Bartholdy
die ich denn auch mit meinem lieben Mann zusammen, mit mög-
licher Coquetterie, gemacht habe. Abends haben wir Musik, aber
dumm genug 266 gemacht, u. in diesen Paar Wochen mehr gelacht,
als vorher in einigen Jahren. Franz hat das von seinen Schwestern
immer gepriesene komische Talent nach jährigem Schweigen auf
eine Weise herausgekehrt, die alle unsere Erwartungen weit über-
traf, u. ich versichere Dich, er ist ein ganz bedeutender komischer
Schauspieler. Sie gaben uns improvisierte Vorstellungen im rhei-
nischen Dialekt, in denen er eine stehende Figur, dat Hänne-
sche 267 , vorstellt, ich versichere Dich, Du würdest unter den Tisch
fallen, wenn Du das einmal sähest. Der alte Mann ist unverändert
liebenswürdig, u. frisch, es ist wirklich eine wahre Erquickung, mit
diesen vortrefflichen Menschen zu leben.
[. . .] Die arme Decker hat vor einigen Tagen nach vielem Leiden
ein todtes Kind geboren, zum Glück ist sie selbst wohl. Sie sah
wirklich in der letzten Zeit zum Erschrecken aus. Sage Klinge-
mann, ich ließe ihn recht herzlich nicht grüßen, keiner im Hause
läßt ihn grüßen, denn er ist ein Verräter. Es Hegen auch einige
englische Lieder für ihn u. seine kleine Miss da, die soll er näch-
stens nicht haben. [. . .]
fanny an felix 268 Berlin, 31. Oktober 1837
Ich will Euch für heut nur unsere glückliche Ankunft in Berlin
melden 269 , lieber Felix und liebe Cecile, die Sonntag Abend um 7
stattfand. Von Bitterfeld an waren wir mit Frehrings zusammen
gewackelt, welche von Tübingen aus auf diese Weise gereist sind,
ein Unternehmen, das meine Geduld wahrscheinlich übersteigen
würde.
[. . .] Hier haben wir Alles, Gott sey Dank, wohlauf gefunden, Re-
becka sehr wohl aussehend, u. das Kleine 270 , für sein Alter, wirklich
sehr niedlich. Bei jedem Gesicht das es schneidet, bei jedem Gäh-
nen, bei jedem Quäken, muß ich an Dich denken, Hebe Cecile,
und Dir ein ähnHches Glück wünschen, nämHch es zu sehen, denn
für Dich, wollte ich, wären Gesichter schneiden, Gähnen u. Quä-
ken erst vorbei, Du lustige Person, mit den grünen Haaren, wie
Dein galanter Gemahl Dich zu nennen pflegt.
Gestern Abend kamen Eure Briefe an. Ich glaube, Felix, Dein
267
Kriegsheldenname wird so wenig durchgehn, als der andere, ich
habe jetzt einen friedlichen Ernst vorgeschlagen, u. der hat ver-
schiedene Gründe für sich.
[. . .] Paul wird Dir geschrieben haben, daß er wieder nach Ham-
burg reisen muß, u. zu diesem, u. fernerem Behuf den Wagen der
berühmten Betrügerin Wilke gekauft hat. Wie komisch wird dem
Wagen zu Muth seyn, wenn einmal ehrliche Leute darin sitzen.
Hensel hat gestern noch auswendig an Ceciles Zeichnung gearbei-
tet, die noch viel ähnlicher geworden ist. Mutter zieht sie dem
Bilde vor, u. wird eine Copie davon erhalten, so wie Rebecka eine
Zeichnung nach dem Bilde.
Adieu, liebe Leute, lebt wohl, liebe Cecile, schnappe nicht nach
Luft, die Luft soll Dir leicht u. frisch u. angenehm seyn, gähne
nicht, habe gar keine trübe Gedanken, sey frisch u. froh, wie Du
andre Leute machst, wie es Deine Natur ist, u. behalte mich lieb,
wie ich Dich so herzlich heb gewonnen habe.
Eure Fanny,
isten Novbr.
[...] Du glaubst nicht, wie garstig mir das Briefschreiben wird,
wenn ich an Deine Leipziger Vorlesung denke, u. mir immer vor-
halten muß, wie sich so ein Wisch in der Zukunft ausnimmt. Ei-
gentlich sollte man jeden gelesenen Brief, der so gar nichts enthält,
sogleich in den Papierkorb stecken, dann wäre er vielleicht in der
Erinnerung recht schön [. . .]
fanny an felix 271 Berlin, i. Dezember 1837
[...] Gestern ist nun der kleine Mann getauft worden, und heißt
nach allen möglichen Umwegen über Cäsar und Constantin - Fe-
lix. So greift sich der Pollack an sein Unk Ohr. Die kleine Alexandri-
ne 272 meinte, als sie von Constantin hörte, für eine Stadt gefiele ihr
der Name recht gut, aber nicht für einen Menschen. Das Fest war
sehr hübsch und gelungen. Gegen 2 fand die Taufe statt (Pathen
waren Mutter, Marianne Saaling, Steffens, Gans u. mein Mann) u.
dann ein sehr hübsches sitzendes Frühstück, bei dem, denke Dir
einmal Felix! einige 40 Personen satt wurden; in 2 Stuben waren
drei Tische gedeckt, an denen man sehr munter sich befand, an
einem vierten saßen Sebastian, Walter u. Alexandrinchen.
268
Du wirst einmal sehn, liebe Cecile, was das für ein hübsches Fest
ist, ich mußte immer an Dich denken [. . .] Schade wars, daß auf
der gestrigen Taufe, bei der 9 Damen Mendelssohn anwesend
waren, die Herren gar keinen Repräsentanten hatten. Paul kam
zwar [. . .] 273 , mußte aber, Posttags wegen, bald wieder fort, Onkel
Nathan war krank, Onkel Joseph u. Alexander konnten Geschäfte
halber gar nicht kommen. Du, Felix, hast keine Hochzeit Deiner
Geschwister, u. keine Taufe Deiner Neffen mit angesehn. Wenn
doch Paul auch einmal das Glück hätte taufen zu lassen! Ich kann
nicht sagen, wie sehr ich es ihm wünsche. Uebrigens ist Rebecka
wieder außerordentlich hübsch, u. hat gestern große Furore ge-
macht. Sie verändert sich von Zeit zu Zeit bedeutend, aber um
immer wieder eine andre hübsche Frau zu werden. Das Kind wird
allgemein gefunden, soll mir ähnlich sehn. Trotz dessen kann ich
aber nicht läugnen, daß es mir sehr niedlich vorkommt. Lebt nun
wohl, Rebecka will sich noch anhängen, und ich noch an Worin-
gens schreiben. Eure Fanny.
felix an fanny 274 Leipzig, io. Dezember 1837
da sich noch eine freie halbe Stunde heut" bietet, so muß ich Dei-
nen Brief doch noch beantworten, liebe Fanny u. mich selbst hin-
ten dran hängen an Beckchen. [. . .] Ich schreibe Dir jetzt in der
wohlbekannten blauen Eckstube, an Ceciles Tisch, die gern selbst
schriebe, es aber jetzt auf mein allerhöchstes Begehren nicht thun
darf, da ihr das Bücken fast immer Gähnstunden verursacht, wäh-
rend sie sonst Gottlob kerngesund ist. Nur sind wir Abends gar zu
selten zu Haus, u. auch das bekommt ihr nicht, und auch da möch-
te ich mit meinem allerhöchsten Befehl einschreiten, aber es thut
sich nicht. Wenn Abonnements-Concert ist so mag sie mich nicht
allein gehenlassen, und ich mag sie auch nicht missen, zumal wenn
wir, wie im vorigen einen ganzen halben Act mit Recit. aus Don
Juan geben, oder wie im vorvorigen einen ganzen Fetzen nebst
Familie aus Titus (alles mit der Novello 275 natürlich), oder wie im
nächsten meine Hebriden, die sie hören will, kurz alle 8 Tage
Donnerstags eben. Alle Dienstag Abend haben wir eine recht in-
teressante Gesellschaft bei Hofrath Keil 276 , der uns [. . .] 277 u. noch
einem Herrn allein eine Vorlesung über Kupferstichkunst hält,
269
oder vielmehr seine ungemein vollständige Kupferstichsammlung
vorzeigt u. mit Notizen über die einzelnen Meister begleitet. Da
mögen wir auch wieder nicht fehlen, Sonnabend sind Davids
Quartette, wo gestern mein c moll Quartett wiederholt wurde, da
müssen wir wieder dabei sein. Morgen Abend giebt Schleinitz
eine kleine Sebastian Bachsche Cantatengesellschaft, Dienstag
wieder Keils Vorlesung, Mittwoch eine soiree bei Schunks, lang
aufgeschoben, endlich eingeladen, Donnerstag Concert, Freitag
Keil, Sonnabend Quartett, - nicht zum Aushalten. Neulich im
Musiker Concert sang die kleine Novello nach einer Händeischen
Arie (Englisch) die das Publicum da capo verlangte 278 , aber nicht
kriegen konnte, Variationen von Hummel 279 die das Publicum da
capo verlangte; da ich sie wieder heraufführte, u. eben wieder mit
meiner Pianofortebegleitung losdudeln wollte sagte sie: Shall not
I rather sing them something eise? Was ich bejahte, worauf sie sich
hinsetzte und sich selbst eine französische Romanze accompagnir-
te. Hierbei hättest Du das Entzücken des Leipzigers sehen sollen.
Hast Du denn Vieuxtemps 280 schon gehört? Was sagst Du zu ihm?
Ein geschickter Kerl. Sobald Du Moscheies' neue Etüden kriegen
kannst, so spiel und übe sie doch; es ist amüsant, wie er immer mit
den großen Heroen schwimmt u. jetzt lauter moderne u. modern-
ste Schwierigkeiten u. Wendungen sich zu eigen macht oder wei-
ter erfindet. Sie sind sehr schwer, u. doch fingergerecht. Dagegen
ist eine dicke Compositionslehre von Marx 281 hier herausgekom-
men, schlimm; viele zum Theil sehr gut geschriebene Worte, aber
unter allen Notenbeispielen kaum eins ohne Fehler u. unreinen
Satz, u. das unter den ernsthaftesten Worten in einer Composi-
tionslehre - was soll man dazu sagen? Auch eine andere Theorie
oder Aesthetik der Musik von Hrn. Hofrath Prof. F. Hand 282 habe
ich geschickt bekommen; die ist wieder in den Worten so schwach
u. fehlerhaft, daß man Gefahr läuft Alles zu vergessen, was man so
gewiß weiß - u. gar was Neues lernen, davon ist gar nicht die
Rede. O Gott! Jetzt hänge ich mich an Beckchen an.
Liebes Beckchen! Daß Du Deinen Jungen Felix genannt hast, ist
um so vernünftiger als er, der Kleine, unmöglich Constantin oder
Caesar der Große hätte genannt werden können. Cecile will Dir
durchaus selbst schreiben, ich darf's aber durchaus heut nicht er-
lauben, u. sie darf nur grüßen. Ich wollte Du kenntest sie, es ist ein
270
r
gar zu liebes Herz. Nun, so Gott will, sehen wir uns alle froh im
nächsten Frühjahr in Berlin. Jetzt lese ich ihr Heinrich IV vor, den
sie noch nicht kennt, u. sie denkt u. träumt nichts, als den dicken
Kerl, wie sie Falstaff nennt, den sie den Besten von allen findet,
was ist das für ein Plaisir für mich! Aber das Papier ist aus. Felix.
Das ist ein schöner Brief.
fanny an Felix 283 Berlin, 12. Dezember 1837
Nicht später als gleich setze ich mich hin, u. schicke Dir anbei das
von ehrenwerthen Männern unterschriebene Zeugniß meiner
Unschuld und der singacademischen Verläumdung. Ich höre von
Dir, wie Du in Leipzig gesagt hast: Fanny muß sich doch aber auch
immer in meine Angelegenheiten mischen, oder: Wer hat denn
Fanny geheißen, da in meinem Namen Antwort zu ertheilen? 284
oder irgend eine andere Süßigkeit, kurz, ich wette, Du schimpfest,
aber nein!
Auf Clara Novello freue ich mich sehr, wir wollen alles Mögliche
thun, ihr den Aufenthalt angenehm u. nützlich zu machen.
Vieuxtemps habe ich gehört 285 , er spielt vortrefflich. Er spielte
Sontag vor 8 T. hier Variationen v. Beriot, dann mit mir u. Ganz
das d dur Trio v. Beethoven, dann kam Davide penitente, woraus
die Decker die Sopranpartie famos sang, die Arie zwar aus C
dur 286 , aber unglaublich brillant, u. ich hatte ihr eine lange Cadenz
gemacht, womit sie Furore machte, es waren 120-30 Personen hier,
u. es war fast unser brillantester Musikmorgen.
Der ganz kleine Vieuxtemps gefällt mir recht gut, er hat etwas recht
Anspruchsloses, gefälliges, das man jedem hochanrechnen kann,
der seit seinem 7ten Jahre als Wunderkind durch die Welt ge-
schleppt wird. Sie machten ihm hier unerhörte Schwierigkeiten u.
Kabalen, d.h. Moser u. Consorten. Leider steht hier immer Alles
blank gegen einen Fremden, der Concert geben will, sage das aber
der Novello nicht. - Ich gratulire übrigens zur neuen Wohnung,
wünsche sie mit Gesundheit zu verzehren, u. freue mich auf das
Zusammenkommen im Frühjahr. Dann werdet Ihr unsere Gäste.
Liebe Cecile, alle Leute verheben sich hier in Deine Zeichnung,
mehr noch, als ins Bild, für welches ich aber immer noch eine
große Liebe behalte [. . .]
271
felix an fanny 287 Leipzig, 13. Januar 1838
Vor allem wollte ich einen Rechtsgelehrten über Deinen letzten
Brief sprechen um zu erfahren, ob die darin abgegebene Erklärung
authentisch sei oder nicht. Als Anwalt wählte ich den hies. Advo-
caten Schleinitz und mußte zu meinem äußersten Befremden ein-
sehen, daß das mir überschickte Document so gut als null u. nich-
tig ist. Denn daß die beiden minorennen Zeugen Marie u. Marga-
rethe nichts beweisen, da ihrer Unterschrift die Genehmigung der
Eltern fehlt, daß ein Kind wie Sebastian gar keine Rechtskraft be-
sitzt, daß endlich u. besonders der Protocollant Luise Hensel nicht
im Preußischen zum Protocollieren befugt sei, soviel man hier in
Leipzig weiß, daß also seine Instrumente keinen rechtlichen
Werth haben, (wie die meisten anderen Berliner wie Kisting etc.)
daß also die ganze Beweisführung höchst verdächtig sei, das sagte
mein Rechtsfreund. Da Du indeß zur Strafe verurtheilt bist den
Proben der Singe-Academie beizuwohnen, was allerdings für
Dich hart sein muß, da ich aus Erfahrung weiß welch unsägliches
Gefühl das ist, so dazusitzen, Zucken in allen Fingerspitzen zu
fühlen, dennoch gar nichts helfen zu können mit den schönsten
Worten hinterher, weil nur der Stock hilft (ich meine ja nur den
Dirigierstock) und das Wort mittendrin wie eben Schock, Don-
nerrollen oder dergleichen Ermahnungen, die sich nicht wohl an-
bringen lassen von einer Dame gegen eine ganze Vorsteherschaft
- so denke ich das ist fast Strafe genug; wenn sich die Trompeten
bei no. 16 etwa vorsehen wollen und es [. . .] 288 nehmen statt d, oder
in no. 6 sich verpausiren u. gar nicht anfangen (was bei dieser
»schwierigen« Musik leicht vorkommen kann) so habe ich weiter
nichts zu erinnern, u. Du dauerst mich fast sehr wie ich mich
selber. Nun ohne Spas, habe Dank für das lästige Partikel, das mir
lieb ist, weil ich draus wieder sehe, wie Du Dich so ganz u. gar
nach meinem Sinn benommen hast u. alles so recht u. schwester-
lich gemacht, u. habe mein Bedauern daß Du nun (wie mir Mutter
schreibt) Dich in den Proben über die langsamen Tempi statt mei-
ner entsetzen mußt; denn wirklich ist das doch eine der größten
Qualen, es kommt mir vor wie das »unter dem Mantel predigen«,
wo es einer auch immer auf eine andere Art verquer macht, wenn
man's ihm auch noch so nahe legen möchte. Dagegen schreibt mir
272
Mutter die schönsten, allerschönsten Dinge von Deinen Sonntags-
musiken; die müssen ja ganz exquisit sein; könnte ich ihnen nur
bald einmal beiwohnen. Du weißt, wie sehr ich mir das wünsche,
u. wie ich zu Gott hoffe, diesen Wunsch im Frühjahr erfüllt zu
sehen.
Ich habe für das Musikfest in Cöln 289 ein halb Dutzend Musiken
von Seb. Bach wieder zugeschickt bekommen (von Hauser, den
ich drum bat), die sind ganz herrlich, namentlich 2 bis 3; ich
brauchte ein paar recht glänzende Sachen, mit Pauken u. Trompe-
ten 290 , da das auf dem Musikfest immer sehr erholsam ist, und da
schickt mir Hauser eben die Auswahl. Soll ich Dir was davon ab-
schreiben lassen für besagte Sonntage? Ein Chor ist da, 8stimmig
»nun ist das Heil u. die Kraft«, 291 mit dem könntet ihr brillieren,
wenn ihr die Chöre weit auseinanderstellt.
Wenn sie den Seb. Bach diesmal nicht in Cöln am 2ten Tage an-
bringen wollen, so dirigire ich ihr Fest nicht - es muß einmal
durchgesetzt sein, u. Orgel haben sie auch, also fehlt nichts dazu.
Die Novello wird Dienstag oder Mittwoch in Berlin sein u. Briefe
von mir bringen; wenn sie nur bei Stimme ist (sie leidet an Erkäl-
tung seit 4 Wochen u. singt trotzdem aus Eigensinn), so wird sie
Dir viel Freude machen; laß Dir nonpiü di fiori von ihr vorsingen,
u. einigen Händel. In ihrem Benefiz Concert, das vergangenen
Montag war, u. wozu alle Billets vergeben waren, hat sich Leipzig
an Enthusiasmus den Magen verdorben für ein halbes Jahr 292 ;
Kränze, Gedichte lagen u. flogen. Wiederkommen wurde ge-
schrien, applaudiert wurde schon vor der Ouvertüre, als sie in den
Saal trat, auch wir Musiker legten Kunstliebe an den Tag, u. das
ganze Orchester spielte umsonst. Wie wird die blaue Grütze 293
darauf schmecken? (ich verstehe den Graf Redern u. Spontini
gleichsam darunter.) Vieuxtemps scheint ja fast darin ertrunken zu
sein.
Henselt's Spiel hat mir ganz eminent gefallen, aber ich bezweifle,
daß er ordentlich weiter kommt; das ganze Wesen ist zu kleinlich
u. ängstlich dazu, mit den fortwährenden Fingerübungen, u. dem
Dehnen u. Recken. Er macht (ganz wie Du sagtest) nicht halb so
viel Effect im großen Saale, als er nach Verdienst u. Kräften sollte;
man muß ihn im Zimmer hören. Hiller, der seinen Winter in
Mailand mit Rossini, Pixis u. Francilla undBeriot zubringt, schrieb
273
mir vorige Woche u. grüßt Dich vielemal. Er schreibt eine Italie-
nische Oper. Ich hab mir eine Englische bei Planche 294 bestellen
lassen, da Holtei 295 mir jetzt lieber gar nicht mehr antwortet. Und
doch habe ich so wenig Lust Englisch zu componiren! Und doch
muß ich! O weise mir doch den Dichter zu, nach dem ich mich
schon so lange umsehe. Wer ist Herr v. Meysenbug? 296 Kennst Du
ihn? Er schrieb neulich an mich, aber wir passen auch nicht zu-
sammen. [...] 297
fanny an felix 298 Berlin, 15. Januar 1838
Du hast mir einen so schönen, lustigen Brief geschrieben, lieber
Felix, trotz Ohrenpein u. Frost, daß ich nicht umhin kann, sogleich
zu antworten. Ach, wenn man nur wüßte, wie es jetzt die Briefe
bei Euch treffen, ob sie nicht in ein freudenvolles Ach u. Wehge-
schrei hinein fallen. Nun Gott mache es kurz u. gut. Wenn irgend-
wo, so ist das Kurz in diesem Fall gut.
Das Zeugniß, welches ich Dir kürzlich überschickt, u. auf welches
Du heut antwortest, gelte Dir ein für allemal dafür, daß ich mich
nicht unberufen in Deine Sachen mische. Wenn Dir z.B. Schlesin-
ger schreibt, ich habe erlaubt, daß er Dein facsimile herausgiebt,
so halte dafür, daß er lügt. Oder wenn Dir der Archivar Werner
(Mann einer schlechten Schauspielerin) einen Text schickt, mit
dem Bemerken, ich habe ihn in Deinem Namen angenommen, u.
ihm 1000 rh von Dir davon versprochen, so sey überzeugt, daß ich
ihm höflich zu verstehn gegeben habe, ich glaube nicht, daß Dir
ein Text von ihm sehr schmecken würde, Du wärest höchst son-
derbar u. oft kritisch gefährlich, indeß könne man nicht wissen,
Du wohntest in Leipzig, u. ein Brief an Dich, frankirt auf die Post
gegeben, träfe Dich stets den 2ten Tag in erwünschtem Wohlseyn.
So rede ich, u. so höre mich in meiner Weisheit reden, wenn sie
Dir auch das Gegentheil schreiben, gewöhnlich setze ich noch
hinzu, auf Antwort von Dir sey schwer zu rechnen, Du wärest ein
vielbeschäftiger Mann, der Orthographie nicht sehr sicher, u. Dein
Secretair sey krank.
Was nun übrigens die Geschichte mit dem Paulus betrifft, so ist
sie höchst sonderbar. Meine Rolle als Souffleur hat aber wenig-
stens das bewirkt, daß ich viel Unheil von dem edlen Apostel habe
274
r
abwenden können. Mutter scheint Dir geschrieben zu haben, daß
Rungenhagen mich schriftlich gebeten hat, den Proben beizu-
wohnen, u. ihn durch meine Meinung zu erquicken. Darauf ging
ich vorigen Dienstag hin, u. entsetzte mich ganz so, wie Du es
beschrieben, u. empfand all das Fingerjucken u. all die Zuckun-
gen 299 , die Du kennst, wie ich Grell sein Sauigeln auf dem Ciavier
hörte, u. mir dachte: wenn Du nun da oben säßest, ginge das Ding
doch gleich. Liechtenstein 300 setzte sich zu mir, u. hörte mein
Seufzen. Mache dich auf, fingen sie richtig die Hälfte zu langsam
an, u. da rief ich ganz unwillkührlich aus: Gott steh 301 uns bei, das
muß ja noch einmal so schnell seyn! Liecht. bat mich, ich möchte
nun ein Licht aufstecken, u. sagte mir, der Musikdirector Schnei-
der 302 hätte sie versichert, man könne sich nach dem Metronom
nicht richten. Da versicherte ich sie, sie könnten sich auf mein
Wort danach richten, u. sie möchten es nur in Gottesnamen thun.
Darauf ging ich Freitag wieder in den kleinen Academiesaal, wo
ich seit Zelters Tode nicht gewesen war, u. wo mir alle möglichen
Geister Lebender u. Verstorbener entgegentraten. Da kam nun
Rungenh. nach jedem Chor zu mir heran, u. frug mich, ob es so
recht gewesen wäre, u. da sagte ich ganz offen, ja oder nein, wie
es mir geschienen hatte. Im Ganzen aber fand ich eine solche
Veränderung zum Guten, daß ich ganz freudig überrascht war, u.
anfing Hoffnung zu fassen. Sonnabend war R. über eine Stunde
bei mir, u. ließ sich alle Soli von mir vorspielen. Freitag sprach ich
auch noch mit Ries 303 , der mich um vieles fragte, u. unter anderm,
wie mir die Tuba gefallen hätte, die sie in der Kirche an all den
Stellen zugesetzt hätte, wo die Orgel steht. Nun ist besagte Tuba
ein Monstrum, welche alle Stellen, zu denen sie gebrummt 304
wird, zu besoffenen Bierbrauern machte. Ich fiel also auf die
Kniee, u. bat sie ihrer selbst zu schonen, u. die Tuba zu Hause zu
lassen. Rungenh. hob mich auf u. gewährte mir meine Bitte. Ge-
stern war nun die erste große Probe, die weit über meine Erwar-
tung ausfiel. Ich kann Dir zu meiner Freude sagen, daß ich über
vieles ganz entzückt war, die Chöre die nun im richtigen Tempo
genommen wurden (einige etwas zu schnell) sangen mit einem
Feuer u. einer Kraft, u. auch nuancirt, wie man es nur verlangen
kann [. . .] Viele haben gemerkt, aus welcher Ecke der Wind bläst.
Ich habe mich aber sehr ruhig verhalten, mich nicht zum Don
275
Quixote des Paulus gemacht, u. mir hoffentlich keine Feinde ge-
macht, es sey denn der Tubaist.
Heut war Ries noch einmal bei mir, ich habe allen guten Rath in
diesen Tagen ausgegeben, den ich nur in der Speisekammer hatte,
nun bin ich ganz dumm. Ich muß erst einmal wieder mit Dir
zusammenkommen, u. was lernen. Schade ist es doch, daß Du
diese Aufführung nicht dirigirst, sie wäre famos geworden, u. Du
hättest sehr wenig Mühe davon gehabt. Morgen ist nun die Gene-
ralprobe, auf die ich sehr neugierig bin. - Auf die Novello freue
ich mich sehr. Ich habe für Sonntag den Titus angesetzt, mit dem
Vorbehalt, daß sie, wenn sie aufgelegt ist, non 305 piü di fiori 306
singen soll. Die Decker singt Vitellia, die Faßmann, die mich ganz
ohne mein Zuthun aufgesucht, u. sich zu allem erboten hat, Sex-
tus, ich denke, es soll hübsch werden.
Wir haben Mutter einen Floh ins Ohr gesetzt, daß sie der Novello
eine Fete geben solle. Dirichlets u. wir haben Beide kein Geld (ich
bin erschrecklich klamm diesen Winter) sonst thäten wirs. Heut
früh fand ich Mutter an ihrem Schreibtisch sitzend, aufs Ernsthaf-
teste beschäftigt, in ihr gewisses Buch, 10-12 neue lächerliche An-
zeigen einzukleben. Das ist doch hübsch, im öisten Jahr noch sol-
che Lust am Spaß zu haben.
löten. Sage mir doch, wie weit Du mit Planche bist, das interessirt
mich natürlich sehr. Ueberhaupt, was werden wir im Frühjahr zu
plaudern haben, u. wie freue ich mich darauf.
Von den Cantaten von Bach, deren Du erwähnst, bitte ich Dich
mir einige nach eigener Wahl abschreiben zu lassen, u. baldigst
herzuschicken. Ich bin diesen Winter sehr in den Mozart hinein-
gerathen, als Gegengewicht könnte einiger Bach nicht schaden.
Eben schickt die Singacademie 6 Billette mit der Einladung, sie
zum Paulus zu behren. Sie werden gar gentil. [. . .]
fanny an felix 307 Berlin, 19. Januar 1838
Ich will Dir einen summarischen Bericht über den Paulus abstat-
ten, lieber Felix, denn da ich im Ganzen zufrieden war, wirst Du
nicht von mir verlangen, daß ich in Einzelheiten 308 gehe u. Dir die
Fehler aufzähle. Es war bei Weitem die beste Aufführung, die seit
Zelters Tode hier stattgefunden, man hat sich redliche Mühe ge-
276
geben, u. gethan was man konnte, mehr ist am Ende von keinem
Menschen zu verlangen. Wärst Du hier gewesen, es wäre eine
welthistorische Aufführung geworden. Das Publicum war ent-
zückt, u. da stelle ich mich am Ende noch zufriedener, als ich
wirklich war, denn einen guten Eindruck der Art muß man nicht
durch Tadel schwächen, wenn er gleich gerecht wäre. Die Sopran-
partie habe ich übrigens noch nicht so schön gehört, als diesmal
von der Faßmann. Das ist eine wahre Sängerin für solche Musik,
einfach, nobel, klar im Vortrag, mit schöner, heller Stimme. Ich
glaube sie müßte Dir gefallen. Clara Novello war mit Mutter drin
(wir waren alle zerstreut) u. hat sich sehr amüsirt. Sonntag wird sie
hier die zwei Arien der Vitellia singen, die Decker die übrigen
Vitellie u. parto dazu, die Faßmann den übrigen Sextus [. . .]
Aber alle Leipziger, die ich in diesen Tagen gesprochen, klagen
Dich an, bester Felix, daß Du Dich zu sehr anstrengst, zu viel
probirst, etc., u. ich habe es ja auch gesehn, wie Du ganz u. gar
keine Ruhe hast. Cecile! ich rufe Dich an, wende all Deinen Ein-
fluß auf, u. vor allen Dingen, gebt uns oder laßt uns geben Tag um
Tag Bericht, wie es mit Felixens Ohren steht. 309 Es sindja beiEuch
so Viele, die einmal ein Wort schreiben können.
Durch Ries Tod ist nun der Cäcilien-Verein 310 wieder vacant.
Wenn Du nur nicht hingehst, das wäre mir gar nicht lieb.
Was sagst Du zu der Londoner Börse? Das Feuer frißt viel diesen
Winter. 311
Schreibe mir, womit Du jetzt eben beschäftigt bist. Kommen die
Nonnenstücke u. der neue Psalm nicht bald heraus? Es ist recht,
daß Du den Seb. Bach auf die Rheinischen Musikfeste bringen
willst, ich finde immer: Du Hirte Israel 312 , sehr geeignet dazu.
Heitereres hat er wol schwerlich gemacht. Oder soll es etwas Un-
gedrucktes seyn? Vergiß nicht, mir ein Paar von den Cantaten zu
schicken.
Adieu. Schreibt bald, wie sich Felixens Ohren befinden. Ueber-
haupt detaill. wie ihr lebt. Ich höre ja leider, daß trotz aller meiner
[. . .] Weisheit, die Wohnung feucht ist. Ist es das Schlafzimmer auch?
Wo eßt Ihr? Wo wohnt Mad. Jeanrenaud? Adieu. Eure Fanny.
Mann u. Schwägerinnen grüßen bestens. Hast Du die Lieder v.
Mad. Mathieux 313 zu Gesicht bekommen? Es sind ein Paar sehr
hübsche darunter.
277
fanny an felix Berlin, 2. Februar 1838
Viel Glück zum morgenden Tage, lieber Felix. Das größte Ge-
schenk, was einem Menschen gegeben werden kann, ist doch ein
anderer Mensch, der ihm gehört, das möge Dir Deine Hebe Frau
bringen, u. wohlgerathen 315 , gebadet u. eingewickelt möge es Dir
aufgeputzt werden. Nebenbei freue ich mich Dir melden zu kön-
nen, daß die blaue Grütze, die Du für die Novello so sehr gefürch-
tet hast, ihr gar nicht so übel bekommt, u. daß die niedliche kleine
Person hier eben so sehr gefällt, als es ihr gefällt. Daß sie bei ganz
gefülltem Opernhaus gesungen, weißt Du schon, nun hat sie aber
gestern ihr Concert im großen Saal gegeben, u. ihn ganz u. gar mit
dem elegantesten Publicum angefüllt gehabt, der ganze Hof, Alles
comme il faut, u. der schönste Beifall. Im Opernhause war ihre
Haltung etwas ängstlich, da sie ein wenig kahl angezogen, ohne
irgend etwas in den Händen zu halten, in unbeweglicher Ruhe
dastand. Da dies allgemein auffiel, hatten wir es ihr gesagt, u. sie
zum gestrigen Concert aufs Beste herausgeputzt. Sie hielt einen
Fächer v. Rebecka, u. einen Blumenstrauß v. Paul in der Hand, trug
einen Kranz, den ich ihr geschenkt hatte, u. alle unsren Schmuck,
u. sah allerliebst aus. Ich bin neugierig, sie nun zu sprechen, ich bin
gewiß, sie wird außerordentlich zufrieden seyn, seit der Sonntag
u. Paganini ist solch ein Concert nicht gemacht worden. Sage mir
doch, ob ihre Art Händel zu singen, z.B. das rasche Tempo, das
ich sehr goutire, in England allgemein ist. So lieblich u. fein sie als
Concertsängerin ist, glaube ich doch, daß ihr Plan, in Italien auf
die Bühne zu gehn, gewagt ist, zum dramatischen scheint es ihr an
Beweglichkeit u. Feuer zu fehlen. Was sagst Du? Meinst Du nicht
auch?
Neulich waren wir mit ihr in einer sehr brillanten Gesellschaft
zusammen, wo alle Juden u. alle Schauspieler waren, und wo unter
A. das Finale aus Don Juan wirklich wunderschön gesungen wur-
de. Das sogen. Maskenterzett 316 von der Faßmann, der Novello u.
Mantius, so schön, wie ich es noch nie gehört. Bader, der krank
gewesen war, hörte sie den Abend zum erstenmal u. war ganz
entzückt. Uebrigens scheint sie den Leipz. jungen Herren nicht
übel den Kopf verdreht zu haben, Euer Vetter Schunk, u. der Dr.
Weber 317 , die ihr nachgereist sind, stehn rechts u. links neben ihr,
278
wo sie ist, u. sperren Maul u. Nase auf. Montag ist nun ein großer
Kuhschwanz bei Paul, nur Pamina bleibt davon, wir können diesen
Winter keine Feten geben, wir sind sehr klamm.
Morgen feiert Hensel seine eiserne 318 Hochzeit mit dem Feldzug
v. 1813. 319 Man wird alt, ehe man sichs versieht, ist das bischen
Leben vorbei: Adieu, diese mörderische Bemerkung paßt schlecht
an das Ende eines Geburtstagsbriefes, ich will also lieber singen:
freut Euch des Lebens. Grüße tausendmal die liebe Cecile. Habe
einen vergnügten Tag, aber einen stillen, denn Cecile liege im
Bett. u. das Kleine bringe Dir ein Ständchen.
Adieu, ihr Heben Leutchen.
Fanny.
Hensel grüßt u. beglückwünscht bestens.
felix an fanny 320 Leipzig, 3. Februar 1838
Liebe Fanny,
Cecile geht ganz munter im Hause hin u. her, besorgt die Wirth-
schaft, da Mme. Jeanrenaud seit einigen Tagen unwohl ist, u. da
auch mir noch immer nicht wieder recht werden will, so pflegt sie
uns beide, u. sagte eben, wir sähen heut ja aus wie ein gesottener
Fisch! Hat mir eine allerliebste kleine Arbeit gemacht, u. 2 radirte
Blätter von A. Ostade gestern selbst in der Stadt gekauft, u. so sehr
ich Ursache habe, Gott für dies Wohlbefinden von Herzen zu
danken, so wird mir doch bei der großen Vorrechnung ich will
nicht sagen besorgt, aber doch sehr gespannt zu Muth. Ich kann
mich an nichts recht freuen, ja an nichts recht ordentÜch denken,
bis ich weiß, wie sie das lang Erwartete besteht, hängt ja doch
Leben und Glück von einem solchen Augenblick ab. Kaum kann
ich mich noch recht beschäftigen, nichts will packen, da mich bei
allem derselbe Gedanke verfolgt; drum bitte Du Mutter, daß sie
mir verzeiht, wenn ich ihr für ihren gestrigen sehr Heben Brief
nicht gleich danke, u. Beckchen für ihren heutigen, all das will ich
ordentlich u. besser thun, wenn ich wieder irgend etwas ordentHch
thun kann. Ich habe Dir für mehrere Briefe zu danken, deshalb
schreibe ich Dir doch Heber heut, unbeschadet des Späteren. Der
eben angekommene ist ja höchst lustig, Ihr lebt ja in lauter Feten
u. Glanz. Das hat mich ganz erstaunt, daß die NoveUo bei Euch
279
auch soviel Glück macht; ich habe sie eigentlich immer mehr aus
Pflichtgefühl als aus Freundschaft empfohlen, denn mir persönlich
ist diese Kälte zu kalt, u. bleibts. Aber nett u. musikalisch ist alles,
u. somit besser als das meiste, was wir hören. Ob sie zum Theater
taugt, oder nicht, möchte ich noch nicht voraus sagen; mich wird
sie auf der Bühne eben so wenig erwärmen, als im Concertsaal,
aber sie wird drum auch da fein u. untadelig sein, u. den Leuten
gefällt dergleichen meist besser, als die unbeholfene Wärme, die
ihnen immer in die Quere kommt, u. den Text verdreht. Habt alle
tausend Dank, daß Ihr Euch der Novello so schön angenommen,
u. ihr zu gutem Gelingen, u. guter Toilette, u. allem Gutem ver-
holfen habt; bitte Fanny, bestelle diesen Dank auch wirklich schön
an Mutter für ihre Fete, u. an Beckchen für den Fächer, u. an Paul
u. an Dich selbst; wenn es der Novello nicht auffällt, wie solch eine
Aufnahme in Deutschland doch ein ander Ding ist, als sonst wo,
u. wenn sie nicht dankbar dafür ist, so ist sie der gesottene Fisch,
nicht ich.
Dein Bericht über Paulus in der Sing-Akademie war auch sehr
erfreulich, aber verzeih mir, wenn ich Dein Vergnügen dabei mehr
Deiner Gesinnung für mich u. meiner Musik, als der Aufführung
beimessen kann. Bis meine Stücke gut genug sind, daß sie eine
Aufführung erzwingen, bis dahin glaube ich nicht, daß es in Berlin
dazu kommt; u. dahin bin ich noch nicht, u. habe noch gut zu
arbeiten mehr.
Am nächsten Donnerstag haben wir ja Ries hier, zum Armen-
Concert; ich freue mich recht, ihn wieder zu hören. Wir geben
meine beiden Psalmen, mit Dilettanten den Chor besetzt, die ge-
stern in der isten Probe den alten g-moll-Psalm glücklich runter-
sangen, weniger gut den neuen, dann eine neue Ouvert. von Ons-
low u. die a dur Symph. v. Beeth. dazu.
Von Planche habe ich noch keine Antwort, alles ist noch im wei-
testen Felde. Von den Bachschen Cantaten sollst Du recht bald ein
Paar haben.
Wenn Du diesen Brief recht langweilig u. löblich findest, so halte
es meiner Nase zu Gut; ich kann immer noch nicht auf einen recht
grünen Zweig kommen seit 4 Wochen, wo meine Ohren anfin-
gen. Jetzt huste u. niese ich durcheinander, u. habe Nasenbluten
dazwischen. Von Feuchtigkeit der Wohnung kommt es wohl
280
nicht, denn das Schlafzimmer u. die ganze Sonnenseite sind or-
dentlich trocken; u. viele Leute in alten Häusern leidenjetzt in der
fatalen Kälte an demselben Übel. Gerade in dieser Zeit aber ist
meines doppelt unangenehm, da ich gern die Ohren steif halte.
Wie gesagt, Cecile pflegt mich, u. Gott erhalte sie, u. gebe ihr
fortdauernd solche Gesundheit und lasse mich Euch bald frohe
Nachricht sagen, u. schenke uns ein Frühlings-Wiedersehen. Das
ist mein Geburtstagswunsch; und nun grüße alle schön von uns
allen. Dein Felix.
felix an fanny 321 Leipzig, 9. Februar 1838
Liebe Fanny,
ich habe nur Zeit zu wenig Zeilen, Dir zu sagen, daß Gottlob alles
aufs Beste geht. 322 C6cile hat vorige Nacht ziemlich gut geschlafen,
ist heut prächtig wohl u. munter, der erste Versuch den Kleinen zu
stillen, ist sehr gut ausgefallen, er hat schon 3mal getrunken wie
ein Rheinländer; dabei hat sie Bären Appetit, u. seufzt nach
Fleischbrühe u. Beefsteaks, die sie natürlich nicht bekommen
kann. 323 Jetzt eben quäkt der Junge ganz rasend, worüber Cecile
sich ängstigt - ich gar nicht, denn das ist nach meiner Theorie ein
Zeichen von Mannhaftigkeit - Cecile will ihn immer begütigen,
ich behaupte, man muß ihn schreien lassen, das ist der Anfang
unserer Erziehung.
Mme. Jeanrenaud ist heut über Ceciles Gesundheit u. alles so
glücklich, daß sie förmlich strahlt. Auch mir geht es wieder besser,
obwohl ich erst einmal eine recht ordentliche Nacht Schlaf haben
muß, ehe ich ganz wieder auf den Strumpf komme.
Das gestrige Concert war lang u. anstrengend für mich; wäre Einer
von Euch dabei gewesen! Ries, der mir verspricht am Dienstag
früh Euch zu besuchen, wird Dir davon recht ausführlich erzählen;
mein Psalm »wie der Hirsch« ist u. bleibt mir mein liebstes Kir-
chenstück, u. gefiel mir gestern wieder gar zu gut. Auch den an-
dern Leuten, u. Mme. Frege 324 nee Gerhard sang das Solo. Du
weißt doch, daß ich noch 4 Nummern componirt habe (den gan-
zen Psalm), nächstens kommt der Ciavierauszug für Dich.
Eben ist der Junge wieder ruhig u. säuft wieder, u. Cecile ängstigt
sich nicht mehr, daß er verhungern möge. Aber so liebenswürdig,
281
wie sie ist, u. mir das anzusehen ist, wenn sie den kleinen Kerl an
der Brust hat, u. so ruhig auf ihn herunterblickt!
Nun gebe nur Gott, daß ich Euch täglich so gute Nachricht zu
schreiben habe, daß sie sich bald ganz vollkommen erholen möge
- ich bin so glücklich durch sie, daß ich Gott gar nicht genug zu
danken weiß. Lebewohl für heut, liebe Fanny, herzliche Grüße an
Mutter, Beckchen, Paul, an Hensel u. Sebastian, dem ich für seinen
neulichen Brief sehr danke. Morgen schreibe ich wieder, und so
Gott will ebenso Gutes. Dein Felix.
FANNY AN FELIX
325 Ohne Ort und Datum
Tausend Glück und Heil und Segen und Freude, liebste Kinder,
Gott sey Dank, daß Alles so vortrefflich gegangen, fast beispiellos
geschwind für eine erste Entbindung. Und wie klug hat sich Cecile
eingerichtet, am Tage, und nicht am Concerttage. Ich habe schon
gedacht, sie würde mit ihrer gewöhnlichen Bosheit warten bis
Ostern, und dann würdet ihr wieder nicht kommen. Sebastian hat
sich sehr über den neuen Cousin gefreut, behauptet aber, Dein
Kind wäre es nicht, lieber Felix, er spricht die Kinder nur den
Müttern zu, u. hat was dies betrifft, ein frühzeitiges unschuldiges
Zusammentreffen mit den St. Simonisten.
Thauwetter ist nun auch da, was will man mehr? Hoffentlich hat
die Hebamme auch all Deinen Husten u. Schnupfen und künftige
Plagen mitgenommen, womit ich überhaupt nicht so viel Mitleid
habe, als mit den Ohren. [. . .] Lebt wohl, küßt meinen unbekann-
ten Neffen in meinem Namen. Wie habt Ihr eingerichtet? Wo
schläft Cecilen? Wo schläfst Du? Lieber Felix!
Adieu Tout ä vous.
felix an fanny 326 Leipzig, 12. Februar 1838
Liebe Fanny,
Alles geht vortrefflich, Gott sei Dank; Cecile ist so wohl, daß es
eine Freude ist, und der kleine Kerl trinkt wie ein kleines Faß,
schreit zweimal jede Nacht wie ein Zahnbrecher danach; singt
Morgens sein Morgenlied, schläft außerdem meistens. Zuweilen
nimmt ihn Mme. Jeanrenaud aus der Wiege u. bewundert ihn;
282
behauptet, er hätte ganz meine Ohren u. dgl. Offenbar sieht er
Cecile ähnlicher als mir, was nicht so dumm von dem Kerl ist.
Cecile ist heut Morgen, während ihr das Bett gemacht wurde, bis
zum Sopha zu Fuß gegangen, was mir das für Freude gemacht hat.
Sie ist auch gar zu lieb; über ihre Wärterinn, die ihr lauter weiber-
ne Geschichten erzählt, lacht sie in einem weg. Nun habe Dank
für Dein gestern eingetroffenes Briefchen, u. sage dasselbe an Paul
für sein heutiges. Du spielst ja im Concert! bravississimo. Das ist
recht u. prächtig; könnt ichs hören; 327 es ist schon wieder spät,die
Post geht! Verzeih die wenigen Zeilen. Tausend Grüße an alle.
Dein Felix.
fanny an felix Berlin, 19. Februar 1838
Obgleich ich Dir eigentlich nichts zu schreiben habe, als h. u. ein-
mal 329 viel Glück, so will ich doch an meinem Theil bestens dan-
ken für die vielen, pünktlichen, vortrefflichen Bulletins. Seit denen
über den Schlaf u. die heitre Laune des Erzherzogs von Oestreich
in Venedig, habe ich keine gelesen, die mich so interessirt hätten.
Cecile scheint ihr Weibermetier außerordentlich vortrefflich zu
verstehen, Gott erhalte sie dabei. Ueber die große Jungenhecke
(der Senior nimmt eben hier in der Stube mit einem andern Jun-
gen eine Schreib- u. Rechenstunde) haben wir viel Spaß. Möchte
doch Paul ein Mädchen dazu anschaffen! Er wird zur Taufe kom-
men mit Albertinen, u. freut sich sehr darauf. Ist schon bestimmt,
wie der Junge heißen soll?
Cecile wird gewiß wieder wunderschön werden, an Gestalt, Farbe
und Allem, wenn sie erst aufersteht. Morgen, wenn es nach hiesi-
gen Regeln geht, verläßt sie das Bett. Uebrigens scheint man auch
dort die armen Frauen schmählichem Hunger preiszugeben,
wenn an der Cecile nicht ein großer Fressrachen ist 330 . Ihre Klagen
rühren mich sehr, da ich weiß wie mir immer die Wassersuppen
vorgekommen sind. [. . .]
Jetzt wird es jährig, daß Ihr uns so abscheulich in April schicktet,
hoffentlich macht Ihr es nun bald wieder gut.
Schicke mir Deinen Psalm aber voraus, daß ich was zu singen habe
für meine Sonntage. Das wüßt ich nicht, daß Du noch mehr Stük-
ke dazu gemacht hattest.
283
Ach das Dilettantenconcert! Hätte ich nur Humor, ich erzählte Dir
Geschichten davon. Sie lachen mich hier im Hause schrecklich aus,
weil ich Curschmann immer die Stange gehalten habe, wie Beck-
chen behauptet, um doch von einem hiesigen Musiker gut zu re-
den, u. wie ich behaupte, weil er der Einzige hier v. Metier ist, der
Lebensart hat, u. nicht mit den Fingern Suppe ißt.
Was hilft mir aber alle seine Lebensart, wenn er die erste Gelegen-
heit, als Dirigent aufzutreten, benutzt, um ein so niederträchtiges,
schauderhaftes Concert zu arrangiren, wie die Welt noch nicht
gesehn. Als ob Du ein Diner so arangiren wolltest: Suppe, Gur-
kenwasser 331 , Beefsteak, ein Bonbon, Gemüse im Baiser 332 , Fisch
(komm ich dazwischen mit einem ordentlichen Stück, weil ich
ihm durchaus seinen Willen nicht habe thun wollen, u. auch ein
Stück von einem Dutzend Takten spielen.) Braten: ein Stück Zuk-
ker, Dessert: Alles Obige. Daß Dich die -
Uebrigens habe ich bis jetzt keine Angst, wenns nur nicht noch
kommt.
Der Erfolg der Novello erhält sich, sie macht completten furore,
u. man kann jetzt vor der Hand sagen, wo sie singt, ist es voll.
Neulich, in Ganzens Concert, hat sie sich, auf meinen Rath, einige
Lieder selbst begleitet, (wir waren schon fort, weil wir ganz hinten
im Vorzimmer stehn mußten) u. soll damit den Berliner ganz be-
sonders entzückt haben. Wir sehn sie jetzt sehr selten, denn sie
wird zerrissen, wie Du das hier kennst. [. . .]
fanny an felix 333 Berlin, 23. Februar 1838
O lieber Felix, wie hat uns Dein heutiger Brief erschreckt 334 , und
wie sehnlich erwarten wir den 2ten, der hoffentlich noch heut
kommt. Was wirst Du gelitten haben! Gott gebe nur, daß Alles im
guten Fortschritte, und sich ihre Gesundheit nun ununterbrochen
wieder herstelle. [. . .] Mutter will es Rebecka nicht gern sagen, ehe
nicht ein zweiter Brief ankommt, weil sie auch gerade mit der
Milch etwas brouillierr 335 ist. Das wird Cecilen auch gewiß sehr
leid seyn, daß sie nun das Nähren wird dran geben müssen, ist sie
aber nur erst wieder gesund, u. sieht, daß das Kind auch so gedeiht,
so muß sie sich zufrieden geben. Wären wir nur Alle erst gesund
u. froh beisammen, ich kann die Zeit kaum erwarten. Einstweilen
284
habt ihr mehrere Briefe von hier bekommen. Heut wird einer an
Cecile ankommen, der, wie ich gewiß dachte, sie in voller Gesund-
heit antreffen sollte.
Ich schreibe heut nichts weiter, Dir wird auch der Kopf voll seyn,
um viel zu hören. Küße sie für mich, u. sage ihr, wie lieb ich sie
habe, und Jott schütze Euch Alle.
Nach Allem, was wir für sie gethan, reist die Novello jetzt ab, ohne
Abschied zu nehmen. Es scheint ihr hiesiges Glück hat ihr den
Kopf verdreht, es ist wirklich eine famose Unart.
So lebe denn wohl. Fanny.
felix an Fanny 336 Leipzig, 26. Februar 1838
Liebe Fanny,
Gute Nachricht, Gott sei Dank; meine Cecile ist heut wieder ein
Paarmal auf u. abgegangen, während ihr Bett gemacht wurde, und
befindet sich so wohl, wie nach einem Anfall wie heut vor 8 Tagen
nur zu erwarten und zu wünschen sein kann. Sogar vom Entwöh-
nen scheint nicht die Rede; der Junge trinkt seine 3 bis 4 mal täglich
u. wird satt u. schläft ein. Freilich kriegt er auch noch verschiedene
Grütze außerdem, aber er ist auch ein unbändiger Fresser. Zum
Donnerstag versprechen sie der Cecile, dürfe sie wieder mit uns
zu Mittag essen, u. den Tag über außer dem Bett bleiben. Wie ich
mich darauf freue, wenn sie erst wieder so mit uns sein wird, u.
wenn man alle die traurigen Tage wieder aus dem Gedächtniß
verliert u. Gott mit frohem, ruhigen Herzen für die guten danken
kann.
Deine Heben Briefe haben ihr und mir die größte Freude gemacht.
Das kannst Du Dir wohl denken, wie auch wir uns auf die Zeit in
Berlin freuen 337 , wie wir so oft davon sprechen. Gestern sagte Ce-
cile mit ihrem curiosen Ausdruck, jetzt hätte sie sich unseren Gar-
ten in Gedanken ganz farbig gemacht, das thäte sie so gern, weils
denn immer gar nicht einträfe. Und unsäglich freue ich mich auf
Paul, mich mit dem so recht auszusprechen, u. wieder einzuleben,
was wir lange nicht so gut gehabt haben, das soll mir wohl schmek-
ken. Ende des nächsten Monats sind die Concerte aus, unmittelbar
nachher denke ich so Gott will mit Sack u. Pack mich aufzuma-
chen, u. bei Euch zu bleiben, bis ich nach Cöln zum Musikfest
285
muß, 8 Tage vor Pfingsten. Ich weiß nicht, warum ich mir diesmal
nicht recht viel draus mache, vielleicht eben, weils mir die Zeit in
Berlin so bestimmt abschneidet.
Daß Ihr mit der Novello so unzufrieden sein müßt, drum sollte
ich Euch eigentlich um Verzeihung bitten; ich kannte ihren Pri-
vatcharakter wohl, der mir u. uns allen wenig zusagen kann; ich
hätte euch das unter den Fuß geben sollen, u. wollte es abermals,
als ich hörte, Ihr wäret so freundlich gegen sie; nachher that ich's
doch nicht, wer konnte auch denken, daß sie sich so ganz in ihrer
egoistischen Bestialität offenbaren würde. Übrigens hat sie mirs
hier noch toller gemacht, u. ebendeshalb aus einer falschen Deli-
catesse habe ich nicht gewarnt. Nun verzeiht es mir, wie manches
andere.
Ich muß schließen, hebe Fanny. Theile Mutter u. den Geschwi-
stern die Nachrichten mit, grüße Hensel u. Sebastian herzlich,
bleibe gut
Deinem Felix.
Sage auch Luise viel Schönes für ihre allerliebsten Scenen aus Pauls
Jugend, die Cecile und mir großes Vergnügen gemacht haben
r 1338
fanny an felix 339 Frühjahr 1838
Felix, vergiß meinen Bach nicht, und dann höre mal [. . .] hast Du
die neuen Moscheles'schen Etüden und willst sie mir durch Paul
schicken und sie Dir dann selbst wieder abholen? [. . .] Über Deine
hiesigen Wohnangelegenheiten bekommst Du nächstens einen ei-
genen Brief. Die sieben Städte Griechenlands streiten um Dich,
und die freundlichen Schwestern sind im Begriff, feindliche Brü-
der Deinetwegen zu werden. [. . .] Lieber Felix, komponiert habe
ich diesen Winter rein gar nichts, musiziert freilich desto mehr,
aber wie einem zu Mut ist, der ein Lied machen will, weiß ich gar
nicht mehr. Ob das wohl noch wieder kommt, oder ob Abraham
alt war? Was ist übrigens daran gelegen? Kräht ja doch kein Hahn
danach und tanzt niemand nach meiner Pfeife. Wirst Du denn die
Leute beglücken und ihnen einmal was hier vorspielen am Sonn-
tag? Oder soll ich meine Bude so lange schließen? Kinder, wie
freue ich mich auf Euch [. . .]
286
felix an fanny 340 Leipzig, ii. Oktober 1838
Es ist wohl endlich Zeit daß ich Dir wieder einmal schreibe, da ich
es von hier aus noch gar nicht gethan. Es ist doch ein fatales Ding
mit diesen Masern; sie sollen zwar in 3 Wochen ganz vorüber sein,
aber erst jetzt hat sich Cecile ganz erholt, während ich, bei dem es
in die 4te Woche geht, noch so mättlich bin, daß mich ein langer
Spaziergang oder sonst eine Anstrengung mehr mitnimmt, als das
zehnfache sonst. Da es aber für Cecile ebenso war, u. sie jetzt so
munter u. frisch ist wie nur jemals, so sehe ich auch in der nächsten
Woche der völligen Befreiung entgegen, so Gott will, u. hoffe alle
Augenschmerzen u. Kopfschmerzen u. sonstige Schmerzen bald
los zu sein.
Dem Kleinen geht es prächtig; und wenn er ab u. zu schreit u.
jammert, so kommt es nur von den Zähnen, die ich jetzt alle Tage
suche u. bis jetzt noch nicht finden kann; unartig ist der Hebe Kerl
wirklich fast niemals, u. lacht so oft u. so lange er kann.
Gestern war Ceciles Geburtstag schön u. froh; ich hatte ihr am
Morgen einen Tisch mit ein Paar blühenden Orangenbäumen u.
anderen Blumen aufgebaut, dazu einen Madonnenkupferstich von
Raphael (aus dem Pallast Pitti), ein schwarzes Atlaskleid, einen
Baumkuchen, einen Malerstock von Rohr, wie den Henselschen,
denn bis jetzt hatte sie immer vor ihrer Staffelei mit einem Besen-
stiel gesessen u. sich darauf gestützt; Schunks hatten ein bunt wol-
lenes Kleid für den Kleinen, u. einen Filzhut u. Stiefel für ihn
geschickt, Mme. Schleinitz eine herrliche Schüssel mit Trauben u.
Blumen, Mathilde Clarus einen Roccocoporzellanmann mit Sai-
tenwerk, u. dazu kam noch Mutters liebes Geschenk, u. der zier-
lich schöne Brief, für den Cecile wohl gleich selbst heut danken
wird, so wie Dir Hebe Fanny für den Deinigen u. für Hensels
dicken Bleistift. Es freut mich daß es ihm im lustigen England
Wohlgefallen hat 341 ; bekäme unser eins nur was von den schönen
Zeichnungen zu sehen, von denen die Bücher gewiß wimmeln 342 ;
u. ich höre daß ihr nächstes Jahr zusammen hinunter reiset, das ist
gar vernünftig, denn Dir muß es in dem geliebten alten Rauchnest
behagen, da ist gar kein Zweifel. Wenn Hensel, wie ich vermuthe,
meine Zeichnung d.h. seine Zeichnung von Rosen mitgebracht
hat, so bitte ich ihn mir sie mit dem Abschied des Paulus zusam-
287
men gelegentlich zukommen zu lassen, natürlich wenn er beide
nicht mehr braucht. Wie steht es mit dem Bilde für Lord Eger-
ton 343 ? Ist es bei dem Gegenstand aus Child Harold 344 gebheben?
Du hast mir viel zu schreiben, wenn Du einmal loslegen willst.
Das ist so schlimm, beim Entferntleben, daß nicht allein man ein-
ander entbehren muß, sondern daß auch die Umgebungen mit all
ihrem Thun u. Treiben so nach u. nach einwirken, ohne daß man
es merkt u. will, u. daß die in jedem andern Ort wieder anders sind
u. andershin wirken. Da habt Ihr nun Eure schöne Ausstellung, u.
ich gäbe viel drum, nur einen Vormittag einmal dort zu sein, die
zu sehen, da hier so gar nichts dem Ähnliches herkommt; wieder
habe ich es so recht an Seydelmann gesehen, der hier zwar viel u.
starken Eindruck macht, aber doch nicht so wie in Berlin, wo seine
Umgebungen wieder anders sind; gestern gaben sie die Emilia
Galotti, u. ich war zum erstenmale im Theater, aber selbst an sei-
nem Spiele konnte ich mich nicht recht ergötzen, weil die andern
es gar zu erbärmlich machten, ich erinnerte mich des schönen
Abends, als wir es zusammen sahen, u. trieb Cecile vor dem Ende
fort, weil ichs nicht aushalten konnte.
Nun wieder auf der anderen Seite kann er hier doch die Räuber
spielen, was der König in Berlin nicht haben will, u. das soll seine
größte Rolle sein; David hat mir mit dem Buche in der Hand eine
ganze Stunde davon vorerzählt u. beschrieben; ich lasse eine An-
zeige in die Zeitung rücken, um eine Wiederholung zu erbitten;
er hat mirs schon halb u. halb zugesagt es zu thun.
Und wieder ist unser Musikwesen lustiger u. lebendiger als bei
Euch; wärst Du jetzt hier, wie im vorigen Jahr, das würde Dich
amüsiren, wie es hergeht. Neun 345 Clavierspieler haben sich (Gott
sei's geklagt) bis Weihnachten gemeldet, u. freilich curiose darun-
ter; gestern erhielt ich auch einen Brief von Mad. Girschner 346 , die
ihre Tochter hier auftreten lassen will. Nächste Woche ist ein Sän-
gerinnenkampf, der wird grauhch; Mlle. Löwe 347 von Berlin, Mlle.
Botgorschec 348 von Dresden, Mme. Shaw 349 von London, u. Mlle.
Novello von Mailand treffen zusammen u. liefern sich Schlacht bei
Leipzig im Gewandhause. Die Novello kommt glaube ich expreß
um der Shaw einen Shawbernack zu thun (dedie ä Hensel 35C ), sie
fällt aus den Wolken, hat eine Menge unfrankirte Briefe aus Italien
hergeschleudert, will 2 Tage nach dem ersten Auftreten der Shaw
288
Concert geben; dann will sie nach Rußland u. German zable ver-
dienen. Im ersten Shaw Concert führen wir die Beethovensche
Egmontmusik auf mit Declamation von Seydelmann; außerdem
spielt der kleine Moser; mich schwitzt schon, wenn ich an den
Abend denke. Prof. Stenzel, Arnold Mendelssohn, Heinrich Beer,
Emil Bendemann, die Frankfurter Kaufmannschaft, Mühlenfels -
alles das kommt u. geht hier durcheinander. Von H. Beer habe ich
mancherlei zu erzählen, aber nein!
Heut früh kam Beckchens Brief an; nächstens schreibe ich ihr
einen langen Lesebrief. Heut genug; lebwohl; grüß Mutter tau-
sendmal, u. alle; Hensel u. Sebastian u. Minna seid gegrüßt! Leb-
wohl, Dein Felix.
fanny an felix Berlin, 28. Oktober 1838
Ich habe Euch, lieber Felix u. hebe Cecile, für Euren Brief vom
Uten noch zu danken, u. hätte es gewiß früher gethan, wenn ich
nicht Beckchens Besserung von einem recht bedeutenden Un-
wohlseyn hätte erwarten wollen. Seit 2 Tagen ist diese Gott sey
Dank erfolgt, u. heut wird sie wieder aufstehn. Ihr Uebel bestand
in einem Anfall von Gesichtsschmerzen, ärger u. anhaltender als
sie sie je gehabt. Heut vor 8 Tagen, Sonntag Abend, legte sie sich,
nachdem sie einige Tage leichtes Zahnweh gehabt, Nachts fing das
Leiden an, u. erst Freitag im Lauf des Tages wurde sie ganz frei
von Schmerzen. Heut wie gesagt wird sie aufstehn u. dann wills
Gott die schrecklichen Tage vergessen. Sie war überaus geduldig
u. sanft u. läßt Euch herzlich grüßen. Jetzt hat sie wieder Appetit,
u. in wenig Tagen, denk ich, wird sie ganz die Alte seyn. Daß Ihr
Gottlob wohl seyd, haben wir durch die Novello erfahren, da wir
von Euch selbst lange keine Nachricht haben. Sie war gestern hier
u. hat Mutter gesprochen, ich war nicht zu Hause. Sie sagt, sie habe
wieder Furore in Leipzig gemacht, sage Du einmal, Felix, ob es
wahr ist, u. wie die Shaw gefällt, die ja nun schon muß aufgetreten
seyn. Ich habe hier noch keinen Ton Musik gehört diesen ganzen
Herbst, u. freue mich schon auf die klare Stimme der Novello.
Wie recht hast Du, lieber Felix, daß man fortwährend in verschie-
denen Umgebungen lebend, durch diese selbst verschieden wird
- u. das erst recht empfindet, wenn man sich nach längerer Zeit
289
wiedersieht. Es ist aber ganz natürlich u. menschlich. So fragst u.
verlangst Du nach unserer Ausstellung, u. wenn ich Dir sage, wie
es mit der in diesem Jahr steht, so wirst Du den Kopf schütteln, u.
glauben, da nehmen sie einmal wieder ihre persönliche Empfin-
dung für allgemeine Stimmung, u. doch ist, was ich Dir davon
sagen werde, so allgemein empfunden, daß Du von jedem Men-
schen hier dasselbe hören würdest. Es herrscht nämlich eine ganz
besondere Lauheit gegen die Ausstellung dies Jahr im Publicum,
die Ausstellung selbst steht gegen die drei oder vier letzten zurück,
das ist allerdings wahr, aber daß die Stimmung im Publicum nicht
erst daraus entstanden ist, kannst Du aus dem Umstände sehn, daß
es schon den ersten Tag, ehe man noch etwas davon wußte, leer
in den Sälen war. Die ersten Wochen kam durchschnittlich den
Tag ioo rh weniger ein als vor 2 Jahren, das sind sprechende Be-
weise. Den sehr fühlbaren Mangel an historischen Bildern kann
ich nur dem Zufall beimessen, indem viele bedeutende Künstler
die leben u. arbeiten, gerade schwach oder gar nicht repräsentirt
sind. So sind von Hildebrandt, Begas, Bendemann etc. nur Portrai-
te da, von Lessing ein ganz kleines äußerst schwaches Bild, ein
angekündigtes großes ist nicht gekommen, von Hensel gar nichts;
aber auch im Landschaftsfach fehlt es an ganz hervorstechenden
Bildern, wie wir vor 2 Jahren viele hatten. [. . .] Anstatt sich nun an
dem vielen Schönen zu erfreuen, das doch vorhanden ist, ver-
gleicht das Publicum, klagt über Verfall, u. würdigt die Bilder
kaum eines Blickes, über die es vor 2 u. 4 Jahren in Entzücken
gerathen wäre. Kein Bild ist Gegenstand besonderer Neigung,
oder Ueberschätzung, oder auch des Streites, die größte Gleich-
gültigkeit herrscht, u. man hört von allen Seiten nur die schon
mechanisch gewordene Phrase: es ist jar gar nichts Schönes da. Ich
sehe nun darin durchaus kein ängstliches oder entmuthigendes
Zeichen, wie dem einzelnen Künstler ein Werk oder eine Lei-
stung weniger gelingt als eine andere, so meine ich, ist es damit
auch, u. ich hoffe im Gegentheil, daß die, welche diesmal gefeiert
haben, im nächsten Jahr um so brillanter auftreten werden. Das
größte historische Bild ist der Hiob v. Hübner 352 , der aber nieman-
dem, u. mir auch nicht gefallen kann [. . .]
Wirst Du eine große Arbeit diesen Winter machen? Bekömmst
Du einen Text? Hängt Ceciles Landschaft? Hat sie wieder etwas
290
angefangen? Von Carlchens Liebenswürdigkeit sind alle Leute
voll, die die Ehre gehabt haben, ihn kürzlich zu sehn. Mutter
schwärmt fortwährend für ihn, u. dann folgt gewöhnlich ein Aus-
fall auf den schönen kleinen Brummer Felix. Es thut mir für Beck-
chen so leid, daß die Großmutter dies Enkelchen so zurücksetzt,
u. das thut sie wirklich. Sie hat mir übrigens aufgetragen, Euch zu
schelten, daß ihr so lange nicht geschrieben habt, u. das will ich
hiermit pflichtschuldigst gethan haben [. . .]
den 29sten. - Dadurch, daß ich gestern diesen Brief nicht beant-
worten konnte, kann ich Euch heut früh die besten Nachrichten
über Rebecka geben, die sich seit gestern auffallend erholt hat. Sie
ist quite charming, u. es werden keine bülletins mehr ausgegeben.
- Eben kommen wir von der Eröffnung der Potsdamer Eisenbahn
zurück, welche wir vom Mayerschen Caffeehaus (Du weißt, Ce-
cile, das große Gebäude, das wir von unserem Garten aus bauen
sahen) u. zwar vom Dache herunter, gesehn haben, während Paul
u. Dirichlet als Bevorzugte die Fahrt selbst mitmachten. Es war
sehr amüsant, die ganze Gegend wimmelte von Menschen, u.
wenn man [. . .] 353 die Eile sieht, mit der Jeder sich zu dieser eiligen
Fahrt bequemt, kommt es Einem vor, als wäre die Zeit theurer in
der Welt geworden, u. man rennt mit, man habe nun Eile oder
nicht. Mutter u. Mme. Dirichlet, die noch keine Eisenbahn gesehn
hatten, waren mit, u. unsere Kiek in die Welt von Jungen, die
schon Beide damit gefahren, thaten sehr bekannt mit Allem. Sehr
hübsch kontrastiert mit der allgemeinen Geschäftigkeit die große
Ruhe u. Langsamkeit, mit der die einzigen wirklich Beschäftigten,
die Ingenieure, ihr Wesen treiben. Unser fischblütiges Publicum
ließ übrigens, obwohl in so großer Menge versammelt, keinen
Freudenlaut vernehmen. Morgen wird die Bahn fürs Publicum
eröffnet. - Adieu, beste Kinder, lebt wohl, u. denkt unser. Schönen
Dank lieber Felix, für die musikalische Zeitung, die mir Paul ge-
stern gebracht. Der Brief von S. Bach ist in seiner Einfachheit sehr
interessant. Besonders die Stelle, wo er klagt, die Deutschen müs-
sen alles singen, italiänisch u. französisch, polnisch u. englisch, das
ist also vor ioo Jahren schon so wahr gewesen, wie jetzt. Man sieht
wirklich es giebt nichts Neues unter der Sonne. [. . .]
291
felix an fanny 354 Leipzig, 14. November 1838
den I4ten November 1838 - Du weißt das Uebrige, unsere herzli-
chen Glückwünsche zu dem Tage, u. wie gern wir ihn mit Euch
zubringen möchten. Heute kamen Mutters Hebenswürdige Zei-
len, für die Du ihr einstweilen vielmal in unseren Namen danken
mußt - daraus erfahren wir doch, wo u. wie Du den größten Theil
des heutigen Tages zubringen wirst; daß Du jetzt, Abends, zu Paul
gehst, dort gewiß fröhlich bist, eben musicirst, und wieder heißt
es bei uns: könnten wir dabei sein. Denk auch mal mitten drin an
uns, u. wünsche uns her, wie wir uns hin. Wir schicken Dir das
neuste u. eleganteste der hiesigen musikalischen Litteratur, das Du
gewiß noch nicht kennst, u. trotz des Thalbergschen Porträts, das
Du gewiß nicht leiden kannst, doch hoffentlich nicht verschmähen
wirst. Am genauesten habe ich mir bis jetzt den Titel angesehen,
der wirklich ein Meisterstück ist von allem Möglichen Schimären-
staat; 355 Inwendig scheinen mir die Mazourkas von Chopin sehr
hübsch zu sein, andere Sachen schon weniger. Indeß behauptet
Cecile steif u. fest, gerade das werde Dir Vergnügen machen, also
mag sie es verantworten. Ich kann heut nur sehr dumm schreiben;
wir haben heut früh eine lange Concertprobe gehabt, die mich
abgemattet hat; meine Meeresstille kam darin vor, die indeß nach
aller Müh u. Noth zuletzt wunderschön ging u. mir viele Freude
machte; aber ich bin immer noch abends herunter seit den Masern
u. nach Proben u. Aufführungen immer hundsmüde. Auch an
neue Arbeiten habe ich seither nicht denken können; die 3 Violin-
quartetten haben mir sehr viel Mühe gemacht mit ihren 100 000
Correcturen, morgen endlich werde ich sie los u. will mich nicht
wenig darüber freuen. Nun will Cecile die nächste Seite haben;
lebwohl, meine liebe Fanny, bleib mir gut, sey glücklich, wie Du
alle die Deinigen glücklich machst. Dein Felix, von dem Du Hen-
sel u. Minna u. Sebastian sehr vielemal grüßen mußt.
fanny an felix 356 Berlin, 14. Dezember 1838
Lieber Felix, die Schulz 357 war gestern u. heut hier, um über die
Sache mit mir zu sprechen, sie wünscht sehr, daß ihre Tochter sich
mit Euch einige, was sie mir aber gesagt, was in dem Briefe der
292
Direction gestanden, war ganz anders, als was Du geschrieben
hast, sie meinte nämlich, es wäre die Rede, ihre Tochter schon dies
Jahr für eine halbe Saison zu engagieren, u. Du schriebst nur von
einem Concert [. . .] Ich glaube übrigens, wenn Ihr Euch einigt, daß
Ihr an der Hedwig Schulz eine gute Acquisition machen werdet.
Sie hat gestern den Gabriel in der Schöpfung wirklich recht sehr
gut gesungen, die Stimme ist schön, u. klang voll u. sie hat schon
recht viel gelernt. Vieles fehlt ihr freilich noch, u. A. macht sie
einen Triller, für den sie am Ende riskiren würde, die Treppe her-
untergeworfen zu werden, wie Frl. Schlegel 358 , dafür aber glaube
ich, riskirst Du nicht, daß sie den Triller macht, wenn Du es ihr
verbietest 359 , denn sie ist ein sehr artiges, gelehriges Mädchen. Fer-
ner beim Aushalten des Tons nimmt sie zu plötzlich ab u. zu, sie
hat das noch nicht recht in der Gewalt, aber sie ist noch im Lernen
begriffen, sie wird nicht schlechter, sondern besser werden, u.
wenn Du Dich ihrer annimmst, was Du ja mit Mancher gethan,
die es nicht so verdient, u. sie ein wenig zustutzest, glaube ich, wird
sie die 360 Ansprüche erfüllen, die die Leipziger an eine bei ihnen
engagirte Sängerin zu machen gewohnt sind. Ich bemühe mich
übrigens gegen mein Interesse diesen Bund zu schließen, denn in
Ermangelung der Decker, auf die nach Neujahr nicht mehr zu
rechnen ist, würde sie mir, wenn ich wieder anfange, Musik zu
machen, von großem Nutzen gewesen seyn. H. v. Dachröden sag-
te mir gestern, daß er auch schon auf sie reflektirt hätte. Ich glaube
nicht, daß man so leicht irgendwo zwei Dilettantinnen finden
wird, die die Sopranpartien in der Schöpfung singen, wie gestern
die Schulz u. die Curschmann [. . .]
Wenn wir doch einmal wieder Weihnachten zusammen seyn
könnten, leider hat das Fest die üble Gewohnheit, im Winter zu
seyn, wo alles Kinderreisen äußerst beschwerlich ist [. . .]
Neulich waren wir mit Sebastian u. Walter zum erstenmal im
Theater, das war denn sehr lustig anzusehn, es war die Zauberflöte.
Während des ganzen ersten Akts saßen sie mit offenen Mäulern
u. einem grimmigen Ernst da, nachher erst faßten sie Muth, sich
zu amüsiren u. zu lachen. [. . .]
293
felix an fanny 361 Leipzig, 29. Dezember 1838
Liebe Fanny,
Gestern nachdem mein Brief an Mutter fort war, kam der ihrige
u. der Deinige an. Danke ihr in meinem Namen vielmals dafür u.
sei selbst schön bedankt, Du Hebe Drude 362 . Was ist es nur, daß ein
Brief, den man hier Sonnabend vor Postschluß aufgiebt, erst Mon-
tag bei Euch ankommt, u. Pakete erst Dienstag? Meine dritte Etü-
de ist eigentlich nur ein Saustück, gut oder schlecht gespielt; ver-
zeih, daß ich Dir's geschickt habe, ich wollte Dir aber so gern etwas
schreiben, u. so kamen die schlechten Dinger (denn Du weißt ich
mache mir auch aus No, 1 u. 2 nichts). Nun, das Herz war schwarz
dabei. Hierbei ist auch wieder ein Brief an Mad. Schulz 363 , von
directionswegen. Ich will Dir sagen, Üeber Tallyerand, daß ihr die
Herren inliegend 60 Tlr. Honorar für das Concert bieten, da Reise
etc. Kosten zu unbestimmt schienen, u. dem 3isten Januar vor-
schlagen. Das klatsche ich Dir, drauP 64 Du ihr, vorkommenden
Falls versichern kannst, wir könnten nicht mehr zahlen; denn ver-
muthlich wird sie handeln wollen, ich bin aber ein Feind davon, u.
es war 365 mir angenehm, daß die Herren gleich eine Summe be-
stimmten, die sie sonst niemals gegeben haben, denn unsere Eng-
länderinnen erhalten weniger; ich meine auch, man könnte damit
zufrieden sein. Was Stadtrath Porsche 366 in seinem Brief von ei-
nem Winterengagement geschrieben hat, mag Gott wissen; es war
nichts der Art besprochen; never mind, wenn sie recht gefällt, kann
sie allerdings gleich mehrere Concerte nach einander singen, u. das
Engagement für nächsten Winter abgeschlossen werden. Berühre
den Punct so wenig wie möglich, Tallyerand, sieh aber daß Du sie
dazu bringst besagten Brief von Porsche mitzubringen; ich möchte
ihn sehr gern einmal lesen. Kannst Du mir dazu verhelfen, so thust
Du mir einen Gefallen; wie gesagt, laß sie ihn mitbringen.
Thalberg hat gestern Abend Concert gegeben, u. mir außerordent-
lich großes Vergnügen gemacht. Sieh, daß Du ihn noch oft zu
hören bekommst, denn er macht einem wieder Lust zum Spielen
u. Studiren, wie alles recht Vollkommene. Solch eine Fantasie von
ihm (namentlich die auf die Donna del lago 367 ) ist eine Anhäufung
der ausgesuchtesten, feinsten Effekte, u. eine Steigerung von
Schwierigkeiten, Zierlichkeiten, daß man staunen muß. Alles so
294
speculirt u. raffinirt u. mit solcher Schönheit und Kenntniß, u. voll
des allerfeinsten Geschmacks. Dabei hat der Mensch eine un-
glaubliche Kraft in der Faust, u. wieder so ausgesucht leichte Fin-
ger, wie einer; wie gesagt, hör ihn recht oft, von Virtuosenmusik
kann man nichts exquisiteres finden. Er will gar nicht mehr sein,
als was er ist, ein recht eclatanter Virtuose, und wer vollkommen
ist, was er ist, den kann ich kaum anders wünschen.
Heut Mittag essen wir im Hotel de Baviere bei Franck 368 ; aus
meinem gestrigen Briefe wird Dir Mutter mitgetheilt haben, daß
er hier ist u. bleiben wird; seine Frau ist recht anspruchslos u.
angenehm; ich freue mich gar sehr über diesen Zuwachs unserer
Bekanntschaft. Heut Abend ist bei Härteis (Beckchen weiß was da
gegessen wird) Soiree mit Thalberg, Montag, Sylvesterabend, den
denken wir mit Schuncks ruhig zuzubringen, vielleicht zu ver-
schlafen, Dienstag Neujahrsconcert, das wir mit meiner Ouvertü-
re zu Paulus eröffnen, u. in dem David sein neues Concert wie-
derholt (auf Verlangen) ferner die c-moll Symph. v. Beethoven.
Am I7ten Jan. kommt Bennett mit seinem neuen Concert. Ich
mache jetzt meinen es dur Psalm zur Herausgabe fertig, Du wirst
Dich über die Neuigkeiten drin wundern. Am 24. Februar ist Ar-
menconcert, da wollen wir diesen Psalm u. den vorigen »wie der
Hirsch schreit«, u. die Beethovensche Symphonie mit Chören
zum Schluß aufführen, da könnte eigentlich einer oder der andere
von Euch uns besuchen - es ist doch immer eine Art Veranlassung.
Lebwohl, liebe Fanny; ich schreibe Dir immer lange Episteln u.
Du mir kurze. Lies Goethes Recensionen aus den Frankfurter ge-
lehrten Anzeigen, 1772 oder -73, da war er noch klobig. Als ich
Deinen Brief über die Schulz vorlas, geriethen die Herren in En-
thusiasmus über sie; ich sagte man könne doch noch nichts wissen;
sie aber antworteten »Ahü Ihre Frau Schwester!!!« Grüße Hensel
vielmal von mir, u. sag ihm Herr Shaw 369 hätte hier eine Land-
schaft ausgestellt, die überträfe alles, was ich je gemacht hätte an
Sudelei; ich glaube das Publicum hätte seine Frau hernach darüber
ausgezischt; räsonnieren thaten sie fürchterlich. Lebewohl hebe
Fanny! Ein glückliches, neues Jahr! Dein Felix.
295
fanny an felix Berlin, 6. Januar 1839
Lieber Felix, ich bin ein sehr schlechter Minister des Auswärtigen
gewesen, u. fürchte, Eure Kammer wird mir den Abschied geben,
wie auch die Adresse auf diesen Brief ausfallen möge: die Schulz
tritt nächste Woche als Gräfin im Figaro auf. Für die hiesige Bühne
wird sie von geringem Nutzen seyn, denn ich halte ihre Stimme
noch nicht für geeignet, das Opernhaus zu füllen, für Euren Saal
wäre sie sehr gut gewesen, u. so geschieht wieder, was so oft, sie
stellt sich nicht auf den Platz den sie ausfüllen könnte. Es thut mir
leid, um Euretwegen, um ihretwegen, u. um meinetwegen, daß
ich Euch nicht habe dienen können. Euer groß Thier Thalberg ist
auch nun hier, er war bei Mutter, die hat ihn aber für sich behalten,
morgen werden wir mit ihm bei Alexander essen, ich höre aber
leider, daß er nicht in Gesellschaft spielt, u. von den Paar Concer-
ten wird man nur wenig hören 371 können. Diese Hexenmeister
muß man eigentlich spielen sehn, ich werde, um soviel Nutzen als
möglich davon zu haben, mir die Sachen die er spielt, vorher geben
lassen, um sie zu kennen. Die Herren machen sichs wirklich un-
erhört leicht mit ihren Schwierigkeiten, nicht einmal eine Probe
brauchen sie, weil sie alles ohne Begleitung spielen, u. so ist Alles
aufs meiste Geld in der kürzesten Zeit berechnet. Ich weiß wol,
Du bist jetzt der mildeste der Milden, u. ich bin überzeugt, daß
Thalberg wunderschön spielt, aber dies Wesen kann ich doch
nicht loben, dafür bin ich das Charivari. 372
Ein großes Vergnügen haben wir vorgestern Abend gehabt, wo
uns Seydelmann wieder einmal vorlas. Er hatte den Antonio im
Tasso gewählt, weil er die Rolle nächstens spielt, u. wie er sagte,
nicht genug bei Stimme sey, um ein ganzes Stück zu lessen, da
hatten wir Andere denn, mit ruhmwürdiger Aufopferung, uns be-
reit finden lassen, die übrigen Rollen abzuhaspeln, u. lasen auch
meist nur die Scenen, in denen Antonio erscheint.
Mit welcher Feinheit, Liebenswürdigkeit, Ironie u. Würde er die-
se Rolle nimmt, das kann man sich kaum vorstellen, selbst wenn
man ihn kennt, es ist ein Meisterstück. Nachher las er noch auf
Begehren die Craniche des Ibycus, u. dann auf eignen Antrieb den
Kampf mit dem Drachen. Er war so erfreut über unser Entzücken,
daß er sich erboten hat, zu lesen, was u. wann wir wollten, u. wir
296
werden gewiß nicht zögern, Gebrauch davon zu machen. Es wa-
ren 17 Personen hier, gerade so viel, als unser Wohnzimmer be-
quem faßt, u. der Abend war überaus angenehm.
Nun aber Frank! 373 Wir hatten schon munkeln hören, daß, nach-
dem sich ganz Europa ihm ergeben hatte, er sich am Ende Leipzig
ergeben würde, u. es ist mir für Dich überaus erfreulich. Wenn die
Frauen für einander passen, wird es eine unschätzbare Vermeh-
rung Eures kleinen Kreises seyn. Grüß ihn mir recht herzlich, ich
möchte diesen alten Freund wol einmal wiedersehen. [. . .]
Gerade als er mir in diesen Tagen durch Deine Briefe wieder recht
näher gerückt war, fiel mir seine famose Etüde in die Hände, mit
der Ueberschrift: sanft u. etwas abgeschmackt, aber nicht zu lang-
sam. Wenn er sie bei Euch verlegen will, so werde ich sie ihm
schicken, er kann ja, da er den Autor gut kennt, den Rest des
Dutzends bei ihm bestellen, u. statt Portraits, die Charakteristik
Vordrucken lassen, die ein anderer, eben so berühmter Autor, ich,
von ihm gemacht hat. Beabsichtigt er noch, sein erstes Lied von
einer Löwin singen zu lassen, u. ist seine Frau mit der Wahl dieser
Amme einverstanden?
Daß Du Deinen es dur Psalm 374 herausgiebst, ist mir sehr heb, ich
hebe Vieles drin ganz außerordentlich, namentlich Anfang u.
Schluß.
Wo stehn die Recensionen von Goethe aus den Jahren 72 u. 73 375 ?
Hast Du die Briefe an die Gräfin Stolberg aus der Urania 39 gele-
sen? das ist Kurioses genug 376 . Im Ganzen finde ich bestätigt Goe-
thes Nachlaß wieder recht die allgemeine Regel von den Nachläs-
sen. Was ein kluger Mann dem Publicum entzieht, daran verliert
das Publicum auch nicht viel, denn der kluge Mann hat seine
Gründe. Indeß kann man sich gar manchmal über seine Heraus-
geber, u. seine Korrespondenten, u. seine Zoten 377 , u. ihn selbst
ärgern, u. braucht dann nur wieder eine Scene aus dem Tasso, u.
einen Gesang aus Hermann u. Dorothea zu lesen, um ihm mit
Herz u. Seele u. jeder bessern Empfindung, deren man fähig ist,
anzugehören. Wol uns, daß wir ihn gehabt haben. Ich glaube, er
würde zufrieden gewesen seyn, wenn er Seydelmann den Antonio
hätte lesen hören. - Seitdem haben wir bei Mutter gegessen, und
uns einmal wieder über Alles herumgezankt. Ich denke ich höre
Dich lachen, wenn wir so ernsthaft über Kaisers Bart streiten. Aber
297
Cecile, meine Cecile, Du hast mir seid Ihr weg seyd, ein einziges
kleines Briefchen geschrieben, ist das wol halb recht? Es haben
Dich zwar alle Leute lieb, die Dich kennen, aber so Heb wie ich
haben Dich doch nicht viele Leute,
den 7ten.
Gestern Abend trank das große Thier 378 bei Mutter Thee, Du
weißt es ist niemals so langweilig bei uns, als wenn ein großer
Mann da ist, diese Erfahrung bestätigte sich auch gestern. Unter
den Aehnlichkeiten die er zu haben beschuldigt wurde, nenne ich
Dir nur Lord Wellington, die schöne Vittoria, u. Lida Bendemann.
Suche Dir einen davon aus. Ich habe ä peine seine Bekanntschaft
gemacht. Vorher hatte ich mir vorgenommen, ihn zu bitten, mir
Gelegenheit zu geben, ihn im Zimmer zu hören, aber dann fand
ich ihn ja so virtuosisch, so vornehm u. mit sich selbst zufrieden,
daß ichs lieber unterließ, u. wie immer in solchen Fällen, meine
Fischberedsamkeit laut werden ließ. In Rußland wird er Paul tref-
fen, der uns gestern eröffnete, daß er in 8 Tagen nach dieser Bä-
renhöhle reisen müsse. Er läßt Albertinen hier, was ich auch in
Rücksicht auf die Jahreszeit sehr vernünftig finde, u. wird daher
hoffentlich bald wiederkommen. [. . .]
Thalberg hat etwas von dem Dreyschock 379 erzählt, das ist wirklich
fabelhaft, daß er die i2te Etüde von Chopin im Baß mit Oktaven
spielt. Th. sagte: wenn der Mann Geschmack hätte, spielte er uns
Alle todt, u. dabei sieht er aus wie Honig mit Zucker gekocht, u.
ein klein Tröpfchen Rum.
Die Prünellenfrau hat hier das Gerücht verbreitet, Carlchen hätte
3 Zähnchen, wenn das wahr ist, wie kannst Du Rabenmutter denn
nichts davon schreiben? Nun lebt aber im Ernst wohl. Ich bin heut
sehr schreibselig, wie Ihr seht. Weißt Du, daß Henselt in Rußland
zu 3 Ducaten Stunden giebt?
Adieu, mein Mann grüßt Euch bestens. Wenn Du einmal eine
Landschaft auf die Ausstellung gäbest, würde das Publicum gewiß
Deine Frau nicht auszischen, mit doppelten Gründen.
Eure Fanny.
298
felix an fanny 380 Leipzig, 6. Februar 1839
Meine liebe Fanny, Dein schönes Geschenk kam gestern mit Dei-
nem späteren Briefe zugleich an, durch den entsetzlich hohen
Schnee verspätet. Hab für heute den allerschönsten Dank, u. dafür,
daß Du immer meiner u. meines Geburtstages so lieb gedacht hast;
der alabasterne Shakespeare war auch gar zu fein und schon für
mein Zimmer, er hat in das blaue gemußt, wo unsere Kostbarkei-
ten stehen, u. wo ihn Cecile ebenso gut wie ich täglich vor Augen
hat, u. Dir täglich für Dein Andenken dankt. Es ist ein schöner,
denkender Kopf, u. die hohe Stirne mit den Augen leuchten so
hübsch im Alabaster, man kann sich dabei was denken. Könntest
Du Dir ihn mal hier ansehen, wie nett er sich auf seinem Tisch-
chen ausnimmt. - Ja, freilich wär's gut, wenn wir uns zusam-
menfänden in dem alten rauchigen Nest 381 - aber ich fürchte, aus
meiner Reise wird gar nichts. Es ist mir jetzt mehr als zweifelhaft,
u. nach dem Musikfest werde ich gewiß nicht hingehen können;
meine ganze Absicht war, der Cecile das prachtvolle Schauspiel
der Stadt u. des Landes zu verschaffen, wozu mir dieses Jahr gerade
günstig schien; und da ich in England eine Art öffentliche Person
bin u. nebenbei auch meine Reisekosten als guter Kaufmann ver-
dienen müßte, so hätte ich doch wieder einigemal spielen u. diri-
giren wollen, u. dazu wäre es nach dem Musikfest 382 zu vorgerückt
in der Saison; es scheint mir aber jetzt, daß ich schwerlich vor Ende
März fortkommen werden, u. daß andererseits Cecile auch keine
rechte Lust zu einem so eiligen Besuch im Fluge hat, und so fürch-
te ich, die ganze Sache wird unterbleiben.
Wenn ich Dir aber als alter Engländer einen Rath geben darf,
lieber Cantor, so ist's der: laß Dich durch die Reise u. den Aufent-
halt dort ja nicht zu sehr agitiren; Dein Brief hat so etwas davon u.
Du sagst mehreremal schon, wie Dich der Gedanke dran aufregt.
Das ist aber gerade für London gar nichts, das mußt Du mit be-
deutender Pomade auffassen, sonst ist's unangenehm u. wird Dir
unleidlich werden. Tractirst Du's recht de haut en bas u. guckst Dir
es zu Deinem Vergnügen u. Wohlbehagen an, dann wirst Du frohe
Tage da erleben, des bin ich gewiß. Verzeih dem alten Practicus
die Schulmeisterei.
Ich habe eine Bitte, die ich lange vergessen habe, u. heut thun
299
muß; Du erinnerst Dich einer Ouvertüre in C, die ich für die
Doberaner Harmoniemusik componirte; sie wurde nachher für
großes Blasorchester arangirt u. wird nun in dieser Gestalt bei Sim-
rock erscheinen, er will sie aber auch gern in der ursprünglichen
stechen, u. ich habe keine Noten mehr davon. Kannst Du durch
Deine vornehmen Connexionen mir das Ding nicht verschaffen,
da doch der Mecklenburger mit dem Preußen verschwägert ist.
Nämlich es ist eine Abtheilung der Mecklenburger Capelle, die in
Doberan spielte [. . .] u. also muß unter den dortigen Kammermu-
sikern bestimmt einer oder der andere sein, der Auskunft geben
könnte. Wäre Dachröden nicht der Mann? Was macht Costa? 383
Sitzt er immer noch auf Deinem Schooß?
Daß Ihr Euch meinen Paulus müßt von der Sing Akademie vor-
buchstabiren lassen, und daß Mutter mir mit einer Art Vergnügen
schreibt, sie habe noch 5 Plätze dazubekommen, das ist mir doch
tiefer verdrießlich, als ich sagen kann u. rührt mich gewissermaßen
sehr. Das Lausepack ist nicht einmal den Aerger werth, u. doch
kann ichs mir nicht abgewöhnen; was haben auch die schebigen
unmusikalischen Kerls mit meinem Paulus u. meiner Familie ge-
mein? Da seh ich dem Derwisch von Lessing ähnlich und möchte
Euch zumuthen wo anders hin zu ziehen, als wo Ihr seid, Leber
nach Wittenberg, u. dann denke ich »laßt ihm den ganzen Plunder
nur im Stich; ich schaff Euch einen dalk« (was ist das übrigens?)
Auch über Thalberg bin ich Eurer Meinung nicht ganz, aber auch
das liegt an den Umgebungen; ich glaube, er will gar nicht mehr
sein, als was er ist, ein recht eclatanter Virtuose, u. wer vollkommen
ist, was er ist, da kann ich nichts tadeln, kaum anders wünschen.
Aber das halbe Pack! das solide Lumpenpack! Verzeih die
Schimpfwörter, aber die 5 Billets kneipen mich. Dein Felix.
fanny an felix 384 Berlin, 26. Februar 1839
Lieber Felix! Du hast mich, als Du mir das letzte Mal schriebst, so
derb mit ganz Berlin ausgezankt, daß ich mich bis jetzt noch nicht
von meinem Schreck habe erholen können, ich muß es aber doch
einmal wagen, wieder vor Deinem Angesicht zu erscheinen, sey
es auch nur, um Dir Bericht abzustatten, daß ich Deinen Auftrag,
wegen der Doberaner Harmoniemusik sogleich pünktlich ausge-
300
richtet. Zwar nicht auf so vornehmen Wege, als Du dachtest, der
Kammerherr u. Theaterintendant, H. v. Dachröden, lebt in Stre-
litz, u. seine Seele weiß nichts von Schwerin, aber der Hofmusikus
P. Lappe in Schwerin ist gebeten u. angewiesen worden, Dir die
Noten direct nach Leipzig zu schicken. Hast Du sie erhalten, bitte
so melde mirs, hast Du sie in einiger Zeit noch nicht, bitte mir dito,
denn alsdann soll uns der Lappe nicht durch die Lappen gehen.
Rebecka denke ich, wird zu Euch kommen, indeß muß dazu voll-
kommenes Wohlseyn u. schönes Wetter sich vereinigen, u. das hat
bis jetzt noch nicht geschehen wollen 385 . Ich rede ihr gelinde zu,
denn man übernimmt eine Verantwortung zu so etwas zu treiben,
u. so viel Lust sie auch zu dieser Reise hat, so ist sie doch noch sehr
low spirited. - Gestern war Mme. Shaws Concert im Theater, wo
Parkett u. erste Ranglogen voll waren, das Uebrige nicht. So recht
will es hier leider nicht mit ihr gelingen, wie sie es doch so sehr
verdient, u. wie es der Novello gelang. Dabei findet sie ganz un-
getheilten Beifall, u. enthusiastische Verehrer, aber sie traf es nicht
gut, u. man muß ihr zur Ehre nachsagen, daß sie das Concertge-
bermetier noch nicht so recht versteht. Da traf sie mit Ole Bull 386
zusammen, der besser mit den Taschen der Leute Bescheid weiß,
mit der Familie Lewy 387 , die unwürdig ist, u. daher interessirt, u.
sie, mit ihrem noblen, einfachen Gesänge, u. ihrem natürlichen
Wesen kann gegen solche Künste nicht streiten. Dabei ist sie aber
immer zufrieden, u. das ist doch das Beste. Sie gefällt mir unge-
mein wohl, u. allen Leuten hier. Bei uns hier hat sie zweimal Sonn-
tags gesungen, u. Alles entzückt, besonders durch die Arie aus dem
Paulus. - Dabei fällt mir Paul ein, der sehr hübsche amüsante Brie-
fe aus Petersburg schreibt, u. uns ein recht anschauliches Bild von
dem Leben dort giebt, das ich keineswegs reizend finde. Albertine
bildet sich ein, er käme bald wieder, ich glaube aber, es wird noch
ziemlich lange dauern.
Heut war die Faßmann bei mir, die nun verreist, u. nach Worin-
gens Aufforderung nach Düss. zu gehen scheint, sie sagt mir aber,
sie wisse noch gar nichts Näheres. Weißt Du nicht, wie es steht u.
ob man auf sie rechnet? Sie ist öfter bei der Shaw gewesen, um sich
von der den Messias mit engl, picanten Sauce einstudiren zu lassen,
mehr Bescheidenheit kann man doch von einer Sängerin nicht
verlangen.
301
Geht denn Cecile diesmal mit zum Musikfest? Ich denke doch.
Deinen Psalm 388 möchte ich schon von dem Chor hören, das wird
sich prächtig machen. Kommt Dein neuer Psalm nicht bald? 389 Ich
möchte ihn gern noch singen lassen.
Wen in aller Welt hat denn der Liphart 390 geheirathet? Das ist eine
närrische Familie mit Heirathen, plötzlich sitzt er da im Concert
u. hat eine Frau. Wie geht es Franks? Gefällt es ihnen in Leipzig?
Hat sie die Welt noch mit keinem Fränkchen vermehrt?
Grüße Carl, den Läufer, den Schwätzer, u. Cecile, die ich nun
einmal nicht leiden kann, u. ich fürchte, in diesem Leben kann
ich's nicht mehr, indeß, da sie nun doch einmal meine Schwägerin
ist, muß ich mich mit ihr wol vertragen, was hilft das Alles? Adieu,
ihr heben Leute, Alles grüßt.
Eure Fanny.
Von Kling, u. Fanny Horsley 391 hatte ich vorige Woche Briefe. Der
v. Kling, war der erste längere u. muntere seit langer Zeit.
In dem, was Du mir über meine Unruhe über die englische Reise
schreibst, hast Du gewiß Recht, das fühle ich selbst, was ist aber da
zu thun? Ich glaube gar nicht, daß ich meinem Mann eine Wohl-
that erweise, wenn ich mitreise, ich glaube, ich werde ihn mehr
hindern als fördern, u. das beunruhigt mich nur mehr. Uebrigens
schreiben mir meine Bekannten u. unbekannten Corresponden-
ten so freundlich u. zutraulich, daß mich das billig über die Furcht
erheben sollte. Sobald wir Näheres bestimmt haben, sollt Ihrs wis-
sen, bis jetzt mag ich noch gar nicht von der Reise reden.
In diesen Tagen geht die Mathieux bei Dir durch. Sie will nach
Bonn, um sich von ihrem Mann scheiden zu lassen 392 , u. der när-
rische Mann will nicht. Ist Dir so etwas schon vorgekommen? Laß
den Brief nicht in den Papierkorb fallen, damit sie ihn nicht findet
u. liest. So diese ganze 4. Unseite ist ein postscript. Weiblicher
Pferdefuß!
fanny an felix 393 Berlin, 4. März 1839
Lieber Felix! Eine Stunde nach Tisch 394 war ich bei la Faß 395 , u.
will Dir meine ganze Weisheit auskramen. La Faß verlangt es
nicht besser, als die Alceste zu spielen, an einem Herakles 396 , der
zugleich den Oberpriester markieren könnte, wird es auch nicht
302
fehlen, denn Bötticher ist ja engagirt, wenn Ihr nun einen Berliner
Tenor braucht, so nehmt doch Eichberger, der spielt den Admet,
und kann immer reisen, wenn die Faßmann reist, weil er nur mit
der zusammen spielt. Was nun die Bedingungen betrifft, da frug
ich, u. sie wußte nicht, u. meinte, u. dachte, u. da sagte ich wieder,
was sie denn in anderen Mittelstädten für eine Rolle bekäme, u.
da kam sie denn heraus, 25-30 Frdor, für eine große Rolle. Ich
glaube, wenn Ihr Dialog in die Alceste einlaßt, kriegt Ihrs billiger,
ich glaube auch, sie läßt mit sich handeln, wenn's Euch zu viel ist.
Was nun die übrigen Forderungen betrifft, so will sie keine Sum-
me, sondern die Reisekosten [. . .] Als ich schüchtern frug: wie wer-
den Sie reisen, u. zur Antwort erhielt: mit Extrapost, gab ich mir
im Interesse des Düsseid. Musikvereins alle Mühe, ihr mit Bered-
samkeit der Schönheiten der Natur am Rhein zu schildern, u.
versicherte, wenn sie mit Schnellpost bis Mainz, u. von da Dampf-
bootabiter hinabglitte, würde ihre Seele sich ergötzen an der sma-
ragdenen Fluth, u. was mir die Begeisterung noch mehr Poetisches
einflößte. Darauf erwiderte sie, da Bötticher auch hinreise, könn-
ten sie ihn mitnehmen u. 3 Personen extra reisten nicht theurer als
3 mit der Schnellpost. Das ist rather wahr, u. da ich wohl fühlte,
daß meine Befugniße hier at an end wären, schloß ich mit einem
refrain zum Lobe des Rheins, u. ging zu 397 Haus Bericht zu erstat-
ten. Hier bin ich nun erst durch ein großes Paket mit unzähligen
graziösen Geschenken u. Briefen von Luise aufgehalten 398 , u. nun
weißt Du Alles, daß etwaige Mittheilungen die Faßmann bis
Ostern in Bremen, später in Hannover (mit Respect zu sagen)
treffen, u. daß sie in etwa 5 Wochen wieder hier ist. Sie ist übrigens
so niedlich u. ihre langen blonden Locken sind so schön, daß sie
gewiß in Düsseid. sehr gefallen wird.
Beckchen hat Dich an mich verwiesen 399 , um Dir zu erzählen, daß
unter Allem, was die Shaw schön singt, ein Paar Arien aus dem
Orpheus doch obenan stehen, das ist wirklich first rate music.
Morgen essen sie noch bei uns, nachdem sie heut Abend ihr letztes
Concert gegeben haben wird. Wenn es nur voller wird. Ich fürchte
fast nein, so etwas liegt immer in der Luft, u. ich habe nicht viel
munkeln gehört. Morgen bitte ich Miß Forrester dazu, eine sehr
nette Engländerin, bei der wir Unterricht nehmen. - Ueber den
gekiksten (oder schriebst Du gekixsten) Ton in der Symphonie
303
habe ich nicht 3 Takte, sondern drei Stunden gelacht, weil ich
deren hier 400 höre. Bei so etwas lachen alle Leute, nur der Sänger
nicht, der läßt das Lachen wol bleiben. Liebe Sessil 401 , Du be-
kommst nächstens einen aparten Brief von mir, da wollen wir uns
weiterzanken. Ueber die Matthieux stimme ich sehr mit Dir über-
ein, u. daß das Fräulein Frank Carlchens Windeln zerreißt, dazu
brauchte sie keine halbe Prinzeß zu seyn.
Felix, ich bin so melancholisch wie ein Brummkater, aber der Sekt
ist nicht Schuld daran. Wie viel plagt man sich im Leben für nichts.
[. . .] Eure Fanny.
felix an fanny 402 Leipzig, 17. April 1839
Liebe Fanny,
C^JlIisPse
Das ist der Ueberbringer dieser Zeilen.
Mehr brauche ich eigentlich gar nicht zu schreiben, denn nun
erinnerst Du Dich gleich, wie Vater immer etwas vergnügter wur-
de, wenn man nur den Namen Drouet nannte, wie er nach Tisch
dies Rondo, oder ein anderes von ihm zu singen anfing, wie wir
vor 18 Jahren Kinder waren und ihm vorspielen mußten, - u.
nimmst den Mann gut und heb auf, der Dir so ein Stück Erinne-
rung auf einmal ins Haus bringt. Aber ich will noch hinzusetzen,
daß ich von Herzen möchte, er gäbe ein recht gedrängt volles
Concert in Berlin, daß ich überzeugt bin, Du kannst viel dazu
thun, wenn Du ihm einmal Gelegenheit verschafftest, den Leuten
vorzuspielen, u. die Leute zu entzücken (denn das ist bei ihm eins)
und ihm diese Gelegenheit zu geben u. sonst für ihn zu thun, was
Du irgend Gutes kannst, darum bitte ich Dich nun herzlich. Schon
um deswillen, weil er gar kein Wesen von sich macht, keinen
blauen Dunst, keinen grauen Zeitungsartikel u. dgl., möchte ich,
daß es ihm gelänge, »damit die Heiden erkennen, daß sie Men-
schen sind«, sagte König David; aber wenn Du ihn nun spielen
hörst, diese unglaubliche Vollendung, diese ganz u. gar durchge-
bildete Virtuosität, diesen entzückenden Ton, u. dabei die Unfehl-
304
barkeit u. Ruhe - so weißt Du den Hauptgrund, warum ich möch-
te, daß es ihm in Berlin gelänge, u. warum ich ihn Dir recht ans
Herz lege (nur bildlich natürlich; Hensel sticht mich gleich todt).
Ich schreibe in großer Eil; nächstens besser. Für heut nur dies:
nimm Drouet gut auf u. denk vergangener Zeiten u. freue Dich
über ihn, wie ich, und behalte mich ganz viel lieb. Felix M.
fanny an felix 403 Berlin, 28. April 1839
Lieber Felix, ich bin Dir noch den Dank schuldig für das liebe
Briefchen, das mir Drouet gebracht. Mutter, die beste u. fleißigste
Berichterstatterin, der ich mehr traue, als Rellstab [. . .], wird Dir
geschrieben haben, in wiefern ich ihm zu dienen gesucht, ich habe
nämlich, was ich noch nie gethan, seinetwegen an den Grafen
Redern geschrieben, für den er einen Brief hatte, und zwar mit
gutem Erfolg, denn er hat drei Tage darauf im Opernhause mit
vielem Beifall gespielt. Auf eine Morgenmusik mit Publicum bei
uns ging ich wol aus, er aber nicht recht ein, u. in seinem Interesse
hielt ich es für das Beste, daß er im Theater spielte, u. kein eigenes
Concert gäbe, wozu mir Zeit u. Umstände nicht günstig schienen.
Nun muß ich Dir aber eine Klatscherei schreiben, u. mich im
Voraus deshalb entschuldigen. Du weißt freilich wohl, daß es mei-
ne Art in der Regel nicht ist, aber never mind ich entschuldige
mich doch zu klatschen, weil ich mich schäme. Die Frau v. Faß-
mann war heut früh bei mir, um mir zu erzählen, die Novello sey
zu ihrer Tochter gekommen, u. habe ihr erzählt, sie sey zum Mu-
sikfest in Düsseldorf engagirt, wolle aber die Arie aus dem Messias
mit der Faßmann theilen, auch zur Rolle der Alceste sei sie aufge-
fordert, wisse aber noch nicht, ob sie sie annehmen solle, da sie
noch nicht auf der Bühne gewesen, auch nicht fest genug im Deut-
schen sey. Auf die Aufforderung der Frau v. Faß. ihr die Briefe des
comite zu zeigen, wußte sie natürlich nichts vorzubringen 404 , ob
ich etwas von diesem seynsollenden Engagement der Novello
wüßte? C'est du pack, pflegt einer der ersten Componisten unse-
rer Zeit zu sagen. Da nun aber die Faßmann wie Du weißt, eine
protegee, oder eine Protectrice von mir ist so habe ich nicht unter-
lassen wollen, Dir Obiges zu klatschen, um Dich an fett zu setzen,
was Dir bei Deiner Magerkeit in keiner Hinsicht schaden kann.
305
Erzähle mir doch einmal, thu es aber wirklich, wann denn die
Quartette erscheinen? 405
Ein wahres Meisterstück von eleganter Ausgabe ist Deine Sonate
mit Cello. 406 Sind das Spiel- oder Singlieder, die jetzt erschei-
nen? 407 Mit Deinen Liedern ohne Worte hast Du wieder gutes
Unheil angestiftet. Sie kommen mir dabei vor, wie der Wirth, der
alle Weine aus einem Faß zapft, alles komponiren sie, Lieder, Etü-
den, Refrain mit Chor, Notturnos, Capricen, Duette, Liebeslieder,
alles aber aus dem selben alten Ciavierfaß gezapft. Henselt hat die
Kunst erfunden, die Instrumentalmusik unanständig zu machen, er
könnte ein Patent darauf nehmen, dem Uebelstand zu bloßen Etü-
den keine schlüpfrigen Texte wählen zu können, hat er glücklich
durch die Ueberschriften abgeholfen. Liszt hat die Kunst erfunden,
die musikalische Orthographie, welche mir doch dazu vorhanden
zu seyn scheint, um die Musik damit lesen zu können, so glücklich
zu verwirren u. zu entstellen, daß es ihm gelungen ist, seine ohne-
hin schon sinn- und zusammenhanglosen Compositionen mit
Hülfe der Schreibart noch sinn- u. zusammenhangloser zu ma-
chen. Wäre das Chaos nicht schon vor der Erschaffung der Welt
durch den lieben Gott erfunden worden, so könnte Liszt ihm die
Erfindung streitig machen. Nun will ich aber aufhören, die Uebri-
gen zu rezensiren, sonst sagt Cecile wieder, ich habe ein Zörnchen.
Gegen sie aber habe ich keines, sondern ein Liebchen, oder viel-
mehr eine dicke, große Liebe, welche ich Dir hiermit auftrage, ihr
zu Füßen, um den Hals oder auf den Mund zu legen [...]
fanny an felix 408 Berlin, 8. Mai 1839
Ich will Dich nicht länger ohne Nachricht lassen, lieber Felix. Es
ist, Gottlob, Alles wohl, Rebecka hat sich brav gehalten, u. diese
überaus traurigen 8 Tage haben wenigstens ihrer Gesundheit nicht
geschadet. So eben kommen wir von Gans Beerdigung zurück. 409
Studenten trugen ihn den langen Weg, eine unabsehbare Men-
schenmenge, die ganze Universität, u. Alles was ihn kannte, folgte
zu Fuß. Er liegt auf dem Oranienburger Friedhof nah bei Hegel
u. Fichte. Seit Schleiermachers Tode habe ich solche Sensation
nicht gesehn. Es ist nicht zu sagen, wie viel jeder seiner Freunde
verliert, wie überaus wichtig er gerade hier war, mit seiner selte-
306
nen Freimüthigkeit, mit seinem unermüdlichen Eifer, der überall
durchzugreifen wußte, wo es recht war u. Noth that. Er war aber
auch ein sehr glücklicher Mensch, wie wir in diesen Tagen viel-
fach besprachen. Er hat fast nie ein Unglück oder nur eine ernste
Widerwärtigkeit erfahren. Alles, Anerkennung so wie Opposi-
tion, war für ihn ein Gegenstand der Freude, u. er hat sein Leben
so recht nach allen Seiten hin genossen. Unstreitig fingen seine
Kräfte an, zurückzugehn, u. so kann man ihn wohl selig preisen,
daß er dahingegangen, bevor diese Abnahme ihm selbst bemerk-
lich u. schmerzlich ward. Wenn man das Leben nicht nach Tagen
u.Jahren mißt, sondern nachdem, was seinen Werth ausmacht, hat
er ein langes Leben geführt [. . .]
fanny an felix 410 Berlin, 17. Juni 1839
Ich habe in so langer Zeit nichts direct von Dir gehört, lieber Felix,
daß ich einmal wieder das Schweigen brechen, es versuchen muß,
Dich zum Antworten zu bringen. Indessen ist Alles, was man von
Euch hört, so guter u. erfreulicher Art, daß man Euch nur Glück
auf alle Weise wünschen u. nur Fortbestehen alles Guten für Euch
erbitten kann. Mehr oder weniger ist das ja Gott sey Dank bei uns
Allen der Fall, und ich namentlich, kann wol mit Dir dem Himmel
nicht genug danken, für das häusliche Glück, das er uns Beiden in
unsren Familien geschenkt [. . .]
In 14 Tagen werde ich Rebecka nach Heringsdorf begleiten. Wie
lange ich dort bleibe, ist aber nicht bestimmt, vielleicht komme ich
etwas früher mit Sebastian zurück [...] Das aber steht fest, wie ein
Entschluß dieser Art feststehen kann, daß wir im Herbst nach
Italien reisen, u. den Winter über dort bleiben [. . .]
Mit Rebeckas Genesung geht es übrigens jetzt ganz gut. Die Ner-
ven sind unberechenbar. Seit der Katastrophe mit Gans, von der
wir alle so sehr viel fürchteten, ist sie wie durch einen elektrischen
Schlag geheilt, es thut ihr kein Finger mehr weh. So ist meine
Begleitung nach Heringsdorf jetzt eigentüch nicht mehr nöthig,
indessen was ich ihr versprach, da uns recht eigentlich noch das
Messer an der Kehle stand mit ihr, will ich nun nicht zurückneh-
men 411 . Uebrigens werde ich selbst auch baden, u. für Sebastian
wünscht es unser Arzt sehr [. . .]
307
Ich bitte Dich sehr, wenn es seyn kann, mir recht bald irgend etwas
geschrieben oder gedruckt, von Deinem neuen Psalm 412 zu schik-
ken, ich möchte ihn so gern, zwischen einer Reise u. der anderen,
hier erst singen lassen, ich bin jetzt wieder im Besitz einer sehr
schönen Tenorstimme, leider singe ich sie aber nicht selbst [. . .]
felix an fanny 413 Frankfurt am Main, 18. Juni 1839
Liebe Fanny,
Erstlich daß Du mit Beckchen nach Heringsdorf gehst, ist wun-
derschön und gar nicht genug zu loben; ich hätte Euch zwar lieber
in irgend einem Nordseenest, wo die Wellen viel tolleren Spuk
treiben, als in der zahmen Ostsee; indeß ist die auch nicht übel,
wenn Ihr Euch ordentlich hineinsteckt, u. untertaucht, u. Salzwas-
ser schluckt, u. Seeluft athmet, und wie die Lebedamen lebt - das
wird Euch gewiß allen beiden wohl thun und Euch stärken u.
erquicken und daher uns alle auch. Um Gotteswillen bleibt nicht
zu kurz da, und ennuyiert Euch ein wenig, und eilt nicht nach
Berlin zurück, sondern laßt Euch recht durch und durch wehen u.
abkühlen u. einsalzen - lest alle möglichen häßlichen Bücher und
schreibt alle möglichen schönen Briefe etc. etc. an mich.
Zweitens gieb mir mal einen guten Rath; der tolle Kapellmeister
Guhr ist mein Specialfreund geworden; wir vertragen uns wie die
Kaninchen, und neulich, als wir ganz vergnügt und cordial waren,
und ich ihn so sehnsüchtig nach seinem großen Haufen Bachischer
Raritäten fragte, worunter er zwei Autographen hat, nämlich die
Sammlung Choralvorspiele für die Orgel, die Passacaille mit einer
großen Fuge hinten dran, sagt er mit einem Male:
»Wissen Sie was? Nehmen Sie sich eins von den beiden Autogra-
phen mit; ich will's Ihnen schenken. Sie haben doch eben so viel
Freude daran, wie ich; wählen Sie sich, welches Sie wollen, die
Passacaille, oder die Präludien.«
Das ist übrigens gar kein Spas, denn ich weiß, daß ihm ein gut
Stück Geld für die Sachen geboten ist, u. daß er sie nicht verkauft
hat, und ich selbst hätte sie ihm gut bezahlt, wenn sie ihm feil
gewesen wären - und nun schenkt er mir es gar. Aber nun ist die
Frage, was nehm' ich? Ich hab' viel größere Lust zu den Choral-
vorspielen 414 weil sie mit dem »alten Jahr« anfangen, - weil andere
308
große Lieblinge drin sind, - aber Du sollst auch mit sprechen, weil
Du auch aparte Freude daran hast; also votire einmal, Cantor!
Ist das aber nicht ein curioser Mann, der Guhr? Und so kann ich
mich überhaupt mit ihm am besten von allen Frankfurter Musi-
kern verständigen. Er fühlt sich in seiner Haut so wohl, u. lebt u.
läßt leben, und hat dabei Haare auf den Zähnen als Director,
schlägt einen Viervierteltact, der ist so deutlich, daß sie dazu spie-
len müssen wie im Lehnstuhl, und meine anderen hiesigen Col-
legen sind so schrecklich melancholisch, und sprechen immer von
musikalischen Zeitungen und Anerkennungen und Ehrenbezeu-
gungen, und denken so immer an sich, und möchten so gern nach
Complimenten fischen (aber es sollen wahre Complimente sein,
Herzensergießungen, nach denen sie trachten), - da wird Einem
übel und weh dabei, und hinterrücks treiben sie's so toll wie einer.
Da ist der Schnyder von Wartensee 415 , u. der Aloys Schmitt u. auch
bei Ries war es so, daß er einem immer erzählte, wie er dort
bedrängt worden sei, u. hier bedichtet; es klingt gar zu unschmack-
haft im eignen Mund - ich lobe mir den Guhr, wenn er auch eine
wüste Fliege ist, wie sie alle schwören; es ist doch Leben dabei u.
Thätigkeit, u. das ist die Hauptsache.
Uebrigens so lieb ich das Frankfurt zum Besuch im Sommer habe,
als Musiker möcht' ich hier nicht sein, nicht einmal abgemalt. Aus
allen obigen Gründen u. einigen andern dazu. Im Concert des Cä-
cilienvereins, wo ich das Wesen so recht beurtheilen konnte, fiel
mir's schwer auf's Herz, welch ein Unterschied zwischen dem hie-
sigen und unserm Leipziger Musikwesen sei. Das geht hier wohl gut
und klingt auch wohl zuweilen, aber meistens kommt's dochheraus,
als musicirten sie aus langer Weile, oder aus Zwang, und man hört
wenig Lust und Liebe aus dem Orchester heraus - was doch bei uns
oft der Fall ist; und wenn ich das ganze Orchesterleben hier mit dem
Leipziger vergleiche, so ist mir wieder wie damals, als ich von Düs-
seldorfkam und mich im Paradies glaubte. Auch der Cäcilienverein
hat gelitten, Alles liegt nicht in einem oder dem anderen Menschen,
in einem Director oder sonst, sondern in allen zugleich, weil eben
der Boden dazu hier nicht ganz und gar günstig ist.
Aber zu Aepfeln und Kirschen und Wein und anderm Guten de-
sto günstiger, - sähst Du jetzt einmal den Sachsenhäuser Berg mit
den reifen Kirschbäumen und den blühenden Weinstöcken! - und
309
dann sind auch freilich die prächtigsten Menschen hier, und auch
acht musikalische darunter. Und für Malerei geschieht hier sehr
viel, und es scheint damit wirklich Fortschritte zu machen, - es ist
ein ander Leben jetzt, als vor 3-4 Jahren, wo ich hier war u. Alles
von Zank u. Streit zerrissen fand. Eine nicht zu zahlreiche, doch
ziemlich gute Ausstellung wird jetzt eben geschlossen, auf der ei-
nige vortreffliche und viele allerliebste Sachen waren. - Und mit
diesem Lied und Wendung sind wir wieder bei Henseln. Wann
reist er nach England? Wann kommt er zurück? Nimmt er Bilder
mit dahin? Was für welche? 416 Wollt Ihr denn nach Italien? Weiß
ich denn von irgend etwas? Ich schreibe an einem Trio 417 (das erste
Stück ist fertig), an einer Violinsonate (dito), 418 an einer Sympho-
nie (nicht dito), an einem Briefe an Dich (der ist jetzt ganz fertig);
Du aber, woran schreibst DU? - Grüß alle.
Dein Felix.
fanny an felix 419 Heringsdorf, 5. Juli 1839
Lieber Felix,
Heringsdorf ist so schön, daß, obgleich Dein Geschmack schwer
zu berechnen ist, ich doch mit Rebecka gewettet habe (sie war aber
meiner Meinung) (eben sprengt der Ciavierstimmer eine Saite auf
unsrem Piano, das leider gar kein Forte ist) es würde Dir hier
gefallen. Man kann sich wirklich keine pikantere Verbindung von
frischer Grandiosität mit dörflichem, winkligem, wiesigem Klein-
leben u. Gerengenre denken (eben sprengt er wieder eine) Du
mußt wirklich einmal mit Cecile her, zum Zeichnen findest Du
nicht leicht so viel Gelegenheit, zum Baden fehlt sie auch nicht, u.
daß leider! das Badereisen auch unter den Besten anfängt Mode
zu werden, kann man an den Flöhen sehn, die hüpfen u. springen
hier mit den Ciaviersaiten um die Wette. Wir wohnen, wie Du
wissen wirst, im Devrientschen Hause, u. da unsere Expedition
nach u. nach auf 6 Köpfe anwuchs 420 , machte man uns solche
Furcht, vor der hier herrschenden Enge, daß wir wirklich glaub-
ten, wir würden in einer Hutschachtel wohnen. Aber die Wahr-
heit des Sprichworts: bange machen gilt nicht, hat sich auch hier
wieder bewäht, denn wir haben uns vortrefflich eingerichtet, u. da
wir viel mehr Platz als Möbel darin fanden, u. anfingen zu begrei-
310
fen, daß wir ein Bett mit 4 Beinen drunter nothwendig brauchten,
beschlossen wir endlich, das Wesen solle ein Ciavier seyn, welches
den dreifachen Vortheil darbot, als Bücherspinde, Tisch- u. Kunst-
hebel dienen zu können. [. . .] 421
felix an fanny 422 Leipzig, 21. August 1839
Liebe Fanny!
Gestern Abend sind wir alle glücklich, gesund und froh hier wie-
der angekommen 423 , und mir ist um eine große Last leichter, da
Cecile die Reise so musterhaft ausgehalten 424 und sich so herrlich
danach befindet. Der ganze Weg zwischen Frankfurt u. hier war
mir die Zeit über wie ein Alp, der mich manchmal arg drückte.
Gottlob, es ist nun überstanden, u. so wie wir selbst unverändert
und vergnügt hier eingerückt sind, so haben wir hier die Schuncks
und das neue Ehepaar 425 getroffen, die uns gestern auf der Chaus-
see entgegengegangen waren 426 , u. im Wagen mitfahren mußten,
während ich zu Fuß einrückte.
Ganz weit vor der Stadt war uns schon Verhulst begegnet. Kennst
Du Den Verhulst? 427 Das ist was für Dich, wenn Du kommst. Nun
also, Hebe Fanny, wann dürfen wir Dich erwarten? Ich muß den
30ten Aug. fort nach Braunschweig 428 , u. denke, den «pten, späte-
stens ioten September wieder hier zu sein; hoffentlich fällt Euer
Kommen so, daß ich keinen Tag Eures Hierseins zu verlieren
habe. U. bleibt nur auch recht lange 429 , denn auf einer so großen
Reise, wo die Tage mit Scheffeln gemessen werden, da muß man
nicht bei uns damit geizen. Ich hoffe nun bald von Dir zu hören.
Ich schreibe des Morgens früh, u. in Eil; weil ich sonst am Tage
schwerlich Zeit gefunden hätte. Weder Schleinitz noch David,
noch sonst einen Leipziger habe ich bis jetzt gesprochen, außer
den Schuncks, also kannst Du Dir denken, wieviel tausend Ge-
schichten und Gespräche nachzuholen sind: ganz England mit Da-
vid; u. ganz Sachsen mit Schleinitz.
Erkundige Dich doch einmal, wer Herr Julius Stern 430 in Berlin
ist, von dem ich gestern bei der Ankunft ein Liederheft mit einer
freundlichen Zuschrift bekommen habe. Die Lieder scheinen
nach einem flüchtigen Blick Talent zu zeigen, ich habe aber sonst
noch nichts von ihm gehört oder gesehen.
3ii
Carl läuft eben von einem Zimmer ins andere, u. bringt mir die
Sachen, die mir gehören, eine nach der anderen angeschleppt, u.
sagt: da Papa! u. hindert mich an einem zusammenhängenden Ge-
dankenfluß (vor dem mich überhaupt Gott bewahre).
Wir haben gestern zusammengerechnet, daß wir auf der ganzen
Reiseroute auf jeder Station etwas gegessen haben, mit Ausnahme
von Neuhof und Marksuhl, wo allerdings aber auch nichts zu ha-
ben war. Nimm dazu eine Wurst, u. Brod u. Wein u. Süßigkeiten,
die uns von Frankfurt aus in die Wagentaschen gepackt waren, u.
Du kannst denken, daß wir eben nicht Hunger gelitten haben.
Auch haben wir vier volle Tage gebraucht; aber 431 gestern haben
wir in Weimar geschlafen; aber dafür war der kleine Carl muster-
haft artig im Wagen, hat nicht ein einziges Mal diesen Ort verun-
reinigt, hat auf der ganzen Tour nur einen Klaps bekommen, wor-
auf er schrecklich schrie u. einschlief, u. mich beim Aufwachen so
heb hatte, als war ich's nicht gewesen, oder er nicht.
Nun Gott sei Dank, wir sind glücklich da - ich bin sehr froh. Für
Mutter u. Beckchen u. Paul gilt der Brief eigentlich mit, das ver-
steht sich, ich kann heut nur das Ankommen- u. Lebe- u. Gesund-
heitzeichen geben, keinen ordentlichen Brief. Danke Paul für sei-
ne lieben Zeilen, die ich hier fand; an ihn u. Beckchen schreibe ich
zunächst. In Lützen sagte Cecile: »morgen kriegen wir nichts Or-
dentliches zu essen, es ist ja kein Markt am Mittwoch.« »Schuncks
laden uns aber ein«, sagte ich, und so war es auch, u. so ist's wieder
das alte, angenehme Zusammenleben.
Noch eine Bitte: Mutter hatte vor einiger Zeit uns geschrieben, sie
schenkte dem Carl ein niedriges Bettchen; nun hat sich gestern
gefunden, daß der Junge für seine Wiege zu lang geworden ist,
und kaum noch darin ausgestreckt liegen kann, also muß eine
Veränderung vorgenommen werden, u. ich möchte doch nicht gar
gerade eins anschaffen, wenn ich gleich darauf eins geschenkt krie-
ge. Wie ist das nun zu machen? Um ein Geschenk kann man ja
doch wohl nicht mahnen. Mir ist dergleichen wenigstens noch
nicht vorgekommen, außer bei unverschämtem Pack. Nun über-
leg was zu thun ist. Eben 432 kömmt Julie u. geht für Cecile aus, u.
nun schlägt's n, u. dann muß ich schließen. Leb wohl, liebe Fanny,
auf baldig frohes Wiedersehen. Dein Felix.
312
Das italienische Jahr
1839 bis 1840
1839 Fanny, Wilhelm und Sebastian brechen von Leipzig aus nach
Italien auf. In München lernen sie die Pianistin Delphine
Handley, geborene von Schauroth, kennen, der Mendelssohn
sein g-Moll-Klavierkonzert gewidmet hatte. Die Reise wird
über Mailand und Florenz nach Rom fortgesetzt, wo sie im
November eintreffen. Am 2. Oktober wird in Leipzig das
zweite Kind von Felix, Marie, geboren.
1840 Fanny besucht in Rom die Casa Bartholdy, das Palais ihres
verstorbenen Onkels. Franz Liszt spielt in Leipzig mit Men-
delssohn und Hiller Bachs Tripelkonzert d-Moll. Mendels-
sohn plant die Gründung eines Konservatoriums. Fanny
knüpft Kontakte zu den Künstlern der Villa Medici in Rom.
Sie nimmt an Passionszeremonien in der Sixtina und St.
Peter teil. Freundschaft mit dem französischen Komponi-
sten Charles Gounod, der sie als Pianistin und Komponistin
bewundert. Am 1. Juni Weiterreise nach Neapel, von dort
Ausflüge nach Pompeji. Hensel reist zu Studienzwecken
nach Sizilien. Anfang September reist Felix zum Musikfest
nach Birmingham, wo er seinen »Lobgesang« dirigiert. Die
Hensels kehren über Genua und die Schweiz nach Berlin
zurück.
Werke von Felix
Sechs Lieder für vier Männerstimmen op. 50 / »Lobgesang«
op. 52 / Drei geistÜche Lieder für Altsolo, Chor und Orgel
Werke von Fanny
Allegro molto quasi presto in E-Dur für Klavier / Abschied
von Rom für Klavier
313
felix an fanny Leipzig, 14. September 1839
Liebe Fanny!
Indem ich Dir recht viel aufschreiben will und meine alten Notiz-
bücher durchsuche, finde ich doch nur sehr wenig und denke: das
Alles zeigt und sagt Dir Hensel hundertmal besser.
Also nur um mein Versprechen zu halten:
Isola bellet. Stelle Dich auf die allerhöchste Spitze und sieh rechts
und links, vor und hinter Dir, die ganze Insel und den ganzen See
zu Deinen Füßen.
Venedig
Vergiß Casa Pisani mit Paul Veronese, und die Gallerie Manfrini
mit einer unglaublichen Zitherspielerin von Giorgione, und einer
ditto Grablegung von Tizian nicht. (Hensel lacht mich aus!) Com-
ponire für die Zitherspielerin etwas; ich hab' es auch gethan. Bei
der Himmelfahrt der Maria denk' an mich. Bemerke wie dunkel
der Kopf der Maria, ja ihre ganze Gestalt auf dem hellen Himmel
aussieht; ganz braun sieht der Kopf aus, und ein gewisser Ausdruck
von Schwärmerei und überschwenglicher Seligkeit ist drin, daß es
Niemand glaubt, der es nicht gesehen hat. Wenn Du bei dem
gelben Himmelsglanz hinter der Maria nicht an mich denkst, so
hört Alles auf. Ebenfalls bei zwei gewissen Engelsköpfen, aus de-
nen ein Rindvieh lernen kann, was Schönheit ist. Und, wenn Dir
die Präsentation der Maria, mit der Eierverkäuferin unten, nicht
gefallen, bin ich ein Pfefferkorn. Und bei dem Löwen vor dem
Arsenal denk' an Goethe »stehn zwei altgriechische Löwen« u.s.w.
Fahr' Abends auf einer Gondel und begegne den andern schwar-
zen, eilfertigen Gondeln. Wenn Du da nicht an alle Liebesge-
schichten und andere Geschichten denkst, die inwendig gesche-
hen können, während sie ganz still vorbeischlüpfen, bin ich ein
Brauereipferd.
Florenz. Folgendes steht in meinen Notizen über die Portraitgalle-
rie (sieh', ob Du es wahr findest und schreibe mir darüber):
»Zusammenstellung von Gesicht und dessen Product, von Werk
und Aeußerem, Portrait und Künstler desselben. Tiziano tüchtig
und königlich; Domenichino nett, hell, sehr vernünftig und lustig.
Guido weiß, vornehm, meisterhaft, scharf. Lanfranco eine Fratze.
Leonello Spada ein guter Fanfaron und Saufaus. Ann. Carracci
314
sucht und guckt sich um; die zwei Carraccis zunftmäßig. Caravag-
gio etwas gemein, katzenhaft. Guercino hübsch und affectirt; me-
lancholisch schwarz. Bellini der rothaarige, strenge, altfränkische
Lehrer. Giorgione ritterlich, phantastisch, still und klar. Leonardo
da Vinci der Löwe; in der Mitte der kranke, himmlische Raphael.
Drüber Michel Angelo, häßlich, kräftig, böslich. Paolo dolce ein
Narr. Gerard Dow nur die Nebensache unter allem Küchenge-
räth« u.s.w. u.s.w.
Siehe in der großen Gallerie links von der Tribüne hinein ein
kleines Bildchen von Fra Bartolommeo, kaum größer als diese
Papierseite, aber mit zwei Thüren, Alles so niedlich und sorgsam
ausgepinselt. Verneige Dich beim Hereinkommen zuerst vor den
Büsten der Medici, die haben's gestiftet. In der Tribüne ist es
hübsch. - Aber vor Allem sieh alle die bemalten Kirchen. Es ist
unglaublich. Maria novella, Sta. Annunziata (da sollst Du Andrea
del Sarto sehen, bemerke auch, wie Fra Bartolommeo vor Schreck
die Treppe rücklings herunterfällt, weil der Engel schon gemalt
hat); siehe auch diese Engelsmalerei auf der Verkündigung von Fra
Bart., sie ist sehr schön. (Hensel lacht!) Nach S. Marco, der Aka-
demie u.s.w. u.s.w.
Wenn Dir der Platz am Dom nicht gefällt, wo Brunelleschi's Sta-
tue sitzt, so kann ich Dir nicht helfen. Der Dom selbst ist nicht
übel. Geh' viel spazieren.
Mailand. Geh' durchaus auf den Dom. Von wegen Millionen Spitz-
chen und einer schönen Aussicht.
Genua. In der Villetta Negri ist gut sein, wenn es gegen Abend
kommt.
Zwischen Genua und Florenz sieh' Alles. Versäume die Kirche S. Fran-
cesco in Assisi nicht, um keinen Preis. - Ebenso ganz Perugia. Trink'
eine Flasche Aleatico in Florenz, und eine Vino santo setze darauf.
Rom. Heilige Woche; ennuyire Dich die ganzen Psalmgesänge
hindurch, es schadet nichts. Paß auf, wenn sie den letzten Benedictus
dominus Israel intoniren, alle vier Stimmen unisono fortissimo, in
D moll, - es klingt sehr feierlich. Höre die merkwürdigen Modu-
lationen, die der Zufall macht, wenn ein unmusikalischer Priester
nach dem andern das Buch nimmt und singt, der eine schließt in
D dur, da fängt der andere in B moll an. Ueberhaupt hör' und sieh'
Alles in der Sixtina, und schreib' einige Melodien oder sonst was
315
daher an Deinen F. M. B. Grüße den alten Sanrini. Freu' Dich an
dem schönen Anblick der Capelle am Palmsonntag, wenn alle
Cardinäle geputzt sind und Palmen tragen, und wenn die Proces-
sion mit den Sängern kommt. Die Improprerien am Charfreitag
in B dur sind schön. Merk', wenn der alte Cardinal am ersten
Ostertag das Credo singt, und alle Glocken wieder läuten, und wie
lebendig die Ceremonie da wieder wird, Kanonenschüsse u.s.w.
Fahr' nach Grotta ferrata, da ist's gar zu hübsch, und Alles bemalt
von Domenichino. Vergiß nicht das Echo bei der Cecilia Metella;
der Thurm steht links vom Wege; in derselben Richtung etwa 50
Schritt weiter von der Straße ab, zwischen alten Mauerbrocken
und Steinen, ist das schönste Echo, das mir in meinem Leben vor-
gekommen ist. Es kann gar nicht aufhören zu brummen und zu
murmeln. Gleich hinter dem Thurm fängt es schon etwas an, aber
es wird grauÜcher, je weiter man hingeht; Du mußt den rechten
Punct suchen. - Lerne alle Mönchsarten unterscheiden.
Neapel. Bei der Straße Chiatamone, wenn es stürmt und das graue
Meer spritzt, denke an mich. Wohne in jedem Fall am Meere. Bei
Santi Combi, Santa Lucia (ich glaube Nr. 3) hab' ich gewohnt; da
war's sehr hübsch. Geh' in jedem Fall von Castellamare über den
Monte St. Angelo nach Amalfi; es ist der Hauptweg von ganz
Italien. Geh' von Amalfi nach Atrani, und dort an die Kirche, und
sieh' so von oben die ganze Herrlichkeit an.
Echauffire Dich niemals zu sehr.
Und ärgere Dich nicht.
Und freue Dich nicht so sehr, daß Dich's agitirt.
Sei unglaublich hochfahrend und behäbig. Es ist Alles nur Deinet-
wegen da.
Iß Broccoli als Salat mit Schinken dazu und schreib' mir, ob es
nicht gut schmeckt. [. . .]
fanny an felix und cecile München, 23. September 1839
Ich muß Dir vor unserer auf morgen festgesetzten Abreise noch
danken für Dein schönes Konzept zur italienischen Reise, liebster
Felix, ich werde ihm bestens nachzuleben suchen. Was die Por-
trätgallerie in Florenz betrifft, so habe ich Deine Bemerkungen
darüber nur einmal gelesen, weil ich beabsichtige, meinerseits
3i6
auch dergleichen anzustellen, u. sie dann zu vergleichen. Nur Ei-
niges, was sich seiner Wahrheit wegen zu tief eingeprägt hat, wer-
de ich mir abschreiben, denn daß Rafael himmlisch u. Paolo Dol-
ce 3 ein Narr ist, wer möchte das anzweifeln?
"Was ich Dir ferner erzählen will, ist, daß ich Delphine Handleys
Bekanntschaft gemacht habe, u. mit sehr großem Vergnügen. Sie
ist eine allerliebste Person, u. ein vortreffliches Talent. Dein erstes
Konzert habe ich, außer von Dir, noch nicht so spielen gehört. Wir
gingen zu ihr, u. fanden sie so überaus freundlich, wie ichs Dir gar
nicht sagen kann, wir machten gleich etwas Musik, u. sie luden uns
auf den anderen Abend ein, wo sie uns eben jenes Konzert glorios
vorspielte. In welchem Andenken Du in dem Hause stehst, das ist
ganz unbeschreiblich. Sie wissen jedes Wort, das Du gesprochen,
jede Bewegung, die Du gemacht hast. Was mir an ihrem Spiel
noch besonders gefallen hat, das ist ihr geistreiches Präludieren, das
findet man so selten bei Frauenzimmern. Ich sage Dir, sie hat mir
tausendmal besser gefallen, als der keuchende Dreyschock. Mein
Mann hat sie gezeichnet, worüber sie ganz entzückt war.
Deine Lieblinge auf der Pinakothek habe ich wohl behalten, u. mir
aufgeführt 4 . In ihrer jetzigen Gestalt aber kennst Du sie noch nicht.
Etwas Prachtvolleres als die beiden Rubenssäle, die 95 Bilder von
ihm enthalten, wird es wohl nicht leicht irgendwo geben. Man
muß erstaunen über diesen gewaltigen Geist. Erinnerst Du Dich
denn des Porträts der Frau Vandyck, mit ihrem Kinde? Die Frau
sieht so vornehm aus u. fein, u. ein bißchen traurig, u. ein klein
bißchen langweilig. Und seines Porträts eines Antwerpener Orga-
nisten? Das ist ein ganz ähnliches Bild aller Tenoristen, man meint,
er müsse gleich singen: dies Bildnis ist bezaubernd schön, u. sich
selbst damit meinen. Und der junge, blonde Vandyck selbst ist
auch nicht so übel.
München ist eine interessante Stadt. Wir sind nun 14 Tage hier, u.
haben eigentlich nur notdürftig alles gesehen, wir könnten sehr
gut das doppelte hier brauchen. Denn was für neue Kunst u.
Kunstgewerbe hier geschieht, ist in hohem Grade wichtig u. be-
deutend, die Glasmalereien, die Fresko- und Wandgemälde 5 , die
Gebäude, die gehauene u. gegossene Skulptur, die Porzellanfabrik,
alles ist in seiner Art neu u. wichtig. Du kannst Dir denken, wie es
meinen Mann interessiert hat, so vieles Neue in seinem Fach zu
317
sehn, u. die Künstler wiederzusehn, die er meist von Rom aus
kannte. Ich kannte keine Seele hier, u. habe also meinen Kopf
nicht wenig voll von neuen Sachen u. Menschen, es ist aber immer
angenehm, einmal wieder zu erproben, daß man in der Fremde
gern gesehn und freundlich aufgenommen wird.
Die Glyptothek haben wir nur ein einziges Mal u. obenein flüchtig
gesehn. Aber der Herbst treibt uns über die Wege, u. wir haben die
höchste Bergfahrt vor, die man mit Extrapost in der ganzen Welt
machen kann, wir wollen über das Stilfser Joch. Du weißt, welche
Passion ich von meiner Jugend an habe, einmal solche Straßen zu
sehn, u. jetzt soll es mir zu teil werden, u. mein Mann einen ihn
noch ganz neuen Teil von Italien kennenlernen. Hoffentlich sind
wir nun in 4-5 Tagen aus der sehr empfindlichen Münchener
Herbstluft heraus, u. im Frühling. Denn wir gehn über die Seen
nach Mailand u. wenn wir schönes Wetter bekommen, so wird es
eine einzige herrliche Reise werden. Wenn Du oder Cecile in die-
sen Tagen nach Berlin schreibst, so bitte ich Euch, Ihnen zu bestel-
len, daß sie sich nicht ängstigen sollen, wenn sie etwas länger nichts
von uns hören. Es sind vielleicht 8 Tage darunter, die wir nicht
schreiben können, u. da wir uns zugleich in starken Tagereisen
entfernen, so braucht der Brief um so längere Zeit.
Es ist ein eigenes Gefühl, so über die Alpen aus dem Vaterland zu
gehn. Ich denke es mir ähnlich, als wenn man über die See geht.
Dagegen ist eine flache, willkürliche Grenze nichts. [. . .]
felix an fanny Leipzig, 9. Oktober 1839
Was gibts Neues auf dem Rialto? Daß ich nicht nach Wien gehe,
sondern im Lande bleibe und mich redlich nähre. Als ich nach
meinen Reise- und Aufenthaltskosten endlich fragte (da sie nie
davon anfingen) so wurden sie etwas knauserig, und da wurde ich
etwas grob, und da setzten sie Artikel in die Zeitungen, die jetzt
die Blätter grün machen, und da dachten sie nun war' ich mürbe
und schrieben wieder höflich, und da schrieb ich noch höflicher
>ich bleibe zu Hause<. Ohne Spaß, sie haben sich verdammt lum-
pig aufgeführt; mir aber den größten Dienst erwiesen, denn jetzt
von Cecile und den Kindern wegzugehen, würde mir wie Teu-
felsdreck schmecken.
3i8
fanny an cecile 7 Venedig, 20. Oktober 1839
Grade als wir gestern Felixens Weisung erhielten, Tizians Him-
melfahrt Maria öfters zu sehn, waren wir im Begriff, ihr unseren
zweiten Besuch abzustatten; ich habe seinen Gruß an die Glorie
ausgerichtet und kann ihn versichern, daß ich wenigstens nicht das
Rindvieh bin, welches zwei und noch einige Engelsköpfe nicht
schön fände. Dieser Blumenkranz von Kindern ist gewiß eine von
den Sachen, die Tizian am besten gelungen ist, und Tizian ist ge-
wiß eine von den Sachen, die dem lieben Gott am besten gelungen
ist, und wenn der liebe Gott und Tizian sich Mühe geben, so läßt
sich's schon mit ansehn. Wie freue ich mich darauf, einmal künftig
mit Felix über Venedig zu plaudern. Ein Pfefferkorn ist er auch
nicht, und ein Brauerpferd auch nicht, denn die Darstellung der
kleinen Maria im Tempel mit dem Torso in der Mauer und der
Eierfrau daneben und der schönen Bettlerin gefällt mir, und die
süßleidenschaftliche Lautenspielerin gefällt mir zweimal, und die
drei Köpfe von Giorgione bei Manfrini in Canaregio sind auch
nicht so übel, und der Sinn der Gondeln ist mir ebenfalls aufge-
gangen, und ich hoffe in Venedig ziemlich Bescheid zu wissen,
wenn wir es mit dem Rücken ansehen. Mondschein steht im Ka-
lender, leider aber waren die Abende meist zu trüb, als daß man
eine Wasserfahrt hätte unternehmen können.
Den 23. Oktober. — Wir haben gestern einen männlichen Ent-
schluß gefaßt und unsere Luna (das Gasthaus) verlassen, von der
mein Mann behauptete, es sei nicht sowohl eine keusche als eine
säu'sche Luna, und eine Wohnung in Roberts 8 Hause bezogen, in
dem wir heut nacht zum erstenmal in Venedig gut und ungesto-
chen von Mücken geschlafen haben. Ich sehe so aus, daß ich mich
kaum sehen lassen kann. Auf jedem Augenlide dick aufgelaufene
Stiche, Beulen ohne Zahl auf Hals, und Gesicht., die Hände wie
tätowiert. - Robert hat sich große Mühe gegeben, Wilhelm Mo-
delle zu verschaffen, und er hat jetzt wirklich die Auswahl und
wird heute einen Studienkopf anfangen.
Ihr frugt mich neulich einmal, wie mir die italienische Küche zu-
sagte? Im allgemeinen habe ich nichts dagegen einzuwenden, als
daß sie alle Braten trocken essen lassen, aber ihre Stuffati und Umi-
di, und wie all das geschmorte Zeug mit Soßen heißt, schmeckt
319
mir sehr gut, und Käse zu allen Suppen vortrefflich, aber die Sup-
pen selbst sind höchstens ein- oder vielmehr dreiförmig, Reis, Nu-
deln und Gemüsesuppe, voilä tout. Brot und Butter hier vortreff-
lich, bis jetzt habe ich noch überall jenes sehr mittelmäßig, und
diese kaum eßbar gefunden, so daß ich sie ganz entbehren mußte.
Eine äußerst kleine Sorte Zwiebäckchen, Invisibili genannt, sind
hier excellent. Gemüse essen die Venezianer gar nicht, nur mitun-
ter etwas schnöden Kohl. Birnen köstlich, Wein noch gut, hier
natürlich weniger als in terra firma. Im Kaffee lassen sie fast überall
den dicksten Bodensatz, und wo ich das finde, werde ich zur Schä-
ferin und trinke Milch. Die von den Italienern empfohlenen Wei-
ne zum Wasser 9 habe ich bis Venedig standhaft abgelehnt, da wir
aber hier alle dem Klima in der ersten Zeit den gewöhnlichen
Tribut zollen müssen, habe ich mit Sebastian mich dazu entschlos-
sen, aber nur solange wir hier sind, dann wird wieder Wasser ge-
trunken. Daß wir noch fortwährend die besten Erdbeeren essen,
darf ich auch nicht ungerühmt lassen.
Den 28. Das unsterblich schöne Wetter ist seit einigen Tagen »alle«
geworden, und wir haben uns heut das erste Kaminfeuer machen
lassen und erfreuen uns eines sehr behaglichen Klimas, nachdem
wir ein paar Tage wie die ganze Schneiderzunft gefroren haben.
Hoffentlich finden wir es weiter südlich und auf der Erde noch
besser als hier in diesem Fischbehälter, es wird aber Zeit, daß wir
in die Winterquartiere rücken. - Abends gehn wir immer eine
Stunde ins Kaffeehaus, Tee trinken und Zeitungen lesen, die aus
Deutschland wenig Erfreuliches melden. Die Verschwörungen der
Fürsten gegen die Völker gehn immer weiter, und es möchte sich
wohl keiner getrauen, zu sagen, wohin das führen wird? Und gra-
de die Kleinsten sind die Allerschlimmsten. 10 Wenn man von die-
sen unerquicklichen Nachrichten weg wieder hinaustritt an den
schönsten Platz in den schönsten Abend der Welt [. . .], kann man
sich erst gar nicht hineinfinden.
Neulich waren wir wieder einmal auf der Akademie. Etwa 400
Bilder sind nicht aufgestellt, aus Mangel an Raum, und man baut
jetzt einen neuen Saal. Das, was dort zu hoch hängt, um gesehn
zu werden, könnte ein Dutzend andere Galerien fett machen. Ein
paar sehr interessante Kuriositäten sind Tizians erstes und sein
letztes Bild, dicht nebeneinandergehängt. Jenes - ein Besuch der
320
Maria - zeigt schon ganz den künftigen großen Mann, das andere
stellt, eigen genug, den toten Christus vor, von den Seinigen be-
trauert, und hat in Farbe und Komposition etwas unheimlich
Schauerliches, fast Furchtbares.
Sehr interessant sind auch die Bilder von Bellini 11 , welche venezia-
nische Zeremonien mit den Hintergründen der Stadt darstellen,
wie sie damals war, er hat, wie Krüger auf seiner Parade, diese
Bilder mit Porträts angefüllt, die man zwar nicht mehr kennt, aber
sie doch zu erkennen meint. Daß unser Publikum immer noch
diesen glattesten Porträts nachläuft, ist ein trauriger Beweis für
seine Rückschritte, und diese ganze Ausstellung ist höchst ver-
drießlich. Wilhelms Studienkopf einer Venezianerin mit dem hier
im Volk üblichen weißen Schleier wird Euch sehr gefallen, heut
zeichnet er eine allerliebste Wasserträgerin mit bunten Stiften in
das Buch von Dir, liebe Minna. -
fanny an felix 12 Rom, i. Januar 1840
Mein erstes Geschäft im neuen Jahr soll sein, Euch, Ihr lieben
Geschwister, einmal wieder zu schreiben, denn ich habe so lange
nichts von Euch gehört, daß ichs nicht mehr recht aushalten kann.
Von Cecile habe ich noch gar keinen Brief seit ihren Wochen
gehabt, und von Felix seit Venedig nicht. Nun schenke Euch Gott
frohe Zeit und erhalte Euch Euer Glück in diesem Jahr, wie in
allen kommenden, und lasse uns alle bald und froh wieder zusam-
mentreffen. Schreibe mir doch, lieber Felix, ob wir Hoffnung ha-
ben, Euch bei unserer Rückkehr in Berlin zu treffen, oder ob wir
Euch in Leipzig, oder Frankfurt, oder irgendwo anders suchen
müssen, denn sehen müßten wir uns in diesem Jahr, ich muß das
süße Carlchen sehen, und mein erstes Nichtchen kennenlernen.
Hier leben wir recht sehr angenehm und haben eine behagliche,
sonnige Wohnung, bis jetzt fast beständig das schönste Wetter; u.
sehn, da wir keine Eil haben, die Schönheiten Roms mit aller
Muße, nach und nach.
Nur von Musik habe ich, seit ich in Italien bin, noch nichts Erbau-
liches gehört. Die päpstlichen Sänger habe ich 3mal gehört, einmal
in der Sixtinischen Kapelle, am ersten Adventssonntag, einmal
ebendaselbst, am Weihnachts Heilig Abend, und Weihnachten in
321
der Peterskirche. Eigentlich, muß ich Dir sagen, bin ich erstaunt
gewesen, die Ausführung nicht vollkommener zu finden. Sie
scheinen gerade jetzt keine besonderen Stimmen zu haben, und
singen durchaus nicht rein. Ich hatte bis jetzt immer nicht Gele-
genheit gehabt, mich vorher zu unterrichten (was ich zu Ostern
gewiß nicht versäumen werde), was und von wem gesungen wur-
de, da habe ich dann nur auf den Klang gehört, und der hat mich
eben nicht recht befriedigt. Man kann sich nicht so geschwind von
seinen gewohnten Vorstellungen losmachen. Eine Kirchenmusik
in Deutschland, mit einem Chor von ein paar hundert Sängern, u.
verhältnismäßigem Orchester, füllt 13 nicht nur das Ohr, sondern
auch die Erinnerung so an, daß mir die paar Sänger, namentlich in
den weiten Räumen der Peterskirche, sehr dünn vorkamen. In den
Musiken sind mir einige Stellen als schön aufgefallen. Namentlich
am Weihnachtsvorabend eine, als, nachdem sich die Stimmen lan-
ge einzeln hingeschleppt hatten, ein lebhafter, 4stimmiger, fugier-
ter Satz in a-Moll eintrat, der sehr wohl tat: ich hörte nachher, es
sei der Moment gewesen, in dem der Papst in die Kapelle trat,
denn von den Zeremonien sehen die Frauenzimmer leider gar
nichts, da sie hinter einem Gitter weit ab sitzen, und die Luft über-
dies von Kerzen und Weihrauchdampf verfinstert wird. Die Funk-
tionen in der Peterskirche am Weihnachtstage konnte ich dage-
gen, wenigstens teilweise, sehr gut sehn, und fand sie sehr prächtig
und unterhaltend. Einen Weihnachtsbaum hatten wir natürlich
Sebastians wegen aufgebaut, von Zypressen-, Myrten- u. Orangen-
zweigen. Die Zweige waren zwar schön, aber es fehlte doch am
Besten, u. ich hatte den Tag mit Sebastian um die Wette Heim-
weh. Mein Mann, hebe Cecile, hat mir ein sehr schönes Schränk-
chen, mit Elfenbein eingelegt, geschenkt, und ich ihm eine Skizze
von Paul Veronese, die ihm sehr gefiel, und die er selbst ein wenig
zu restaurieren denkt, denn das hat sie nötig. Man sieht hier gar zu
schöne Dinge, besonders Altertumskram, aber auch die Marmor-
büsten und geschnittenen Muscheln reizen mich sehr, wenn nur
nicht alles so erschrecklich teuer wäre. Rom soll in dieser Hinsicht
viel verloren haben, besonders seit vorigem Jahr, wo alles überfüllt
war, u. die Römer die tollsten Preise gefordert und erhalten haben.
Dies Jahr soll es ebenso in Neapel sein.
Mit Schadows 14 sind wir sehr viel zusammen. Er sieht sehr krank
322
aus, erholt sich aber doch hier, u. klagt weniger als im Anfang. Es
freut mich, Dir sagen zu können, daß sie freundlich gegen uns
waren, und Du kannst wohl glauben, daß wir es von Herzen gern
erwidert haben. Schadow freut sich, wenn ich ihm vorspiele, u.
findet, daß es ihn einigermaßen an Dich erinnert, er ist Dein sehr
warmer Freund. Der alte Santini 15 läßt Dich sehr grüßen, u. bitten,
Du möchtest ihm ein Stückchen Manuskript schicken. Der gute
alte Mann besucht uns öfters, u. erzählt von seinem Steckenpferd,
seiner Bibliothek. Alle möglichen Damen haben mit Entzücken
von Dir gesprochen, und mir mit Stolz erzählt, Du hättest sie be-
sucht, u. ihnen vorgespielt. Du kennst sie aber gewiß nicht mehr
dem Namen nach, u. ich will auch Cecile nicht kränken, u. von
Luise Nitschmann sprechen. Aber Deinen Rath muß ich jetzt ha-
ben. Da Du nicht nach Wien gegangen bist, mir also kein Instru-
ment hast aussuchen können, sage mir, wie ichs anfangen soll, um
eins zu bekommen? Ich habe bei Landsberg ein gespielt, von »Fe-
lix Groß« in Wien, das mir, besonders das erstemal, sehr gefallen
hat, es hat einen vollen schönen Ton, u. eine gute Spielart, ob-
gleich, wie alle Wiener, nicht sehr präcis. Nun hatte ich aber in
Monaten nichts gehört u. gespielt, als die erbärmlichsten Klapper-
kästen, so daß ich nicht zu entscheiden wage, wie viel dieser Um-
stand zu meiner Zufriedenheit mag beigetragen haben. Kennst Du
Instrumente v. Groß? u. räthst Du mir dazu? Und weißt Du Je-
mand in Wien, dem Du für die Auswahl vertrauen könntest? Ich
muß Dir gestehen, daß mir Schunks Instrument, welches, wenn
ich mich recht besinne, Hauser ausgesucht, gar nicht gefallen hat.
Was sagst Du dazu? Bitte, antworte mir einmal ordentlich, denn
ohne Deinen Rath mag ich doch nicht beschließen. Verzeih, daß
ich Dir zu Deinen vielen Geschäften u. Störungen noch einige
aufpacke. Solltest Du nicht Zeit haben, so bitte, trage Cecilen auf,
was sie mir darüber schreiben soll, mit deren Zeit habe ich schon
weniger Mitleid, u. sie hätte mir wol schon einmal schreiben kön-
nen. [...]
Findest Du auch, wie ich, Rom von jeder, auch der kleinsten
Höhe, so wunderschön? Ganz entzückt war ich von der Aussicht
beim Turm der Cäcilie Metella, u. finde überhaupt diese ganze
Gegend schön u. anziehend. Wir waren beim herrlichsten Wetter
dort, wie auch neulich in der Villa Mills, wo wir alles blühend
323
fanden, zu Millionen Rosen und andere Blumen, dazwischen die
herrlichen immergrünen Bäume, u. nach allen Seiten eine bezau-
bernde Aussicht. Das Klima genieße ich mit wahrer Wonne, ich
kann Dir nicht sagen, wie wohl ich befinde, auch Sebastian be-
kommt es sehr gut, u. er sieht besser aus, als je. Wir sind außeror-
dentlich zufrieden mit ihm. Das Kind ist wirklich so liebenswür-
dig, wie man in seinem Alter nur sein kann. Ich glaube, einen
solchen Winter, wenn man ihn einmal gekostet hat, wird man
ewig regrettieren, ich möchte wahrhaftig keine Italienerin sein,
und überhaupt nichts anderes, als eine Deutsche, wenn wir aber
unser liebes Vaterland ein wenig nach dem Süden rücken könnten,
das wäre doch gar nicht so übel. Mutter schreibt mir gestern, sie
hätten in Berlin am i<jten 12 Gr. Kälte gehabt, u. wir leben hier
noch immer ohne Mäntel, u. fast ohne Feuer. Dies ist denn doch
ein materieller Lebensgenuß, der mit zu den größten gehört, u.
diese Vegetation das ganze Jahr hindurch! Jeden Tag sehe ichs, und
jeden Tag überrascht u. erfreut es mich von Neuem [. . .]
felix an fanny 16 Leipzig, 4. Januar 1840
Dies Blättlein soll nach Roma gehn,
Und wünschen Glück zu Neujahr schön!
Im Bänkelsängerstyl fängt der Brief an; wenn Du gerade auf dem
Colosseum stehst, indem Du ihn empfängst, so werde ich mich
grotesk damit ausnehmen. Wo wohnst Du in Rom? Hast Du
schon Broccoli mit Schinken gegessen? Auch Zuppa inglese ? Steht
das Kloster San Giovanni e Paolo noch? Und scheint Dir auch die
Sonne immer morgens auf die Buttersemmel? Eben habe ich dem
Ferdinand Hiller Deine Capricen aus B dur, G dur, E dur und F
dur vorgespielt, und wir haben uns beide gewundert und durchaus
den Pferdefuß darin entdecken wollen, aber es war nichts. Es blieb
beim reinen Vergnügen. Da schwur ich, jetzt müßte ich mein hart-
näckiges Stillschweigen brechen. Verzeih' es mir. Es ging damit so
zu: Erst kam die Taufe, und mit ihr Mutter und Pauls. Inzwischen
hatten die Abonnements-Concerte angefangen. Dann reiste Mut-
ter; nach vierzehn Tagen Pauls. Dann kam Hiller, wohnte auch bei
uns, wollte acht Tage bleiben, hörte ein Paar Proben, und ent-
324
schloß sich, den ganzen Winter zu bleiben, sein Oratorium Jere-
mias zu beendigen und im März hier aufzuführen. Dann kam ein
abscheulicher Catarrh, der hielt mich drei Wochen teils im Bett,
teils im Zimmer, immer in sehr übler Laune. - Dann kamen Breit-
kopf und Härtel und verlangten das Manuscript meines zweiten
Heftes vierstimmiger Lieder; das sie nun haben, und des Trios, das
sie noch nicht haben; dann kam der Copist, der verlangte die Par-
titur des neuen Psalms, den wir vorgestern zu Anfang des Neu-
jahrs-Concerts sehr glorios aufgeführt haben; dann kamen 116
Freunde; inzwischen war auch Madame Pleyel gekommen, die
zählt für 216, und spielte sehr gut Ciavier; dann kam Weihnachten,
wozu ich vierzehn, theils musikalische, theils malerische, theils
praktische, theils kindische Geschenke machen mußte; jetzt
kommt das Benefiz-Concert von Medoiselle Meerti - so, nun hast
Du ein abrege meiner histoire universelle seit dem letzten Briefe.
- Aber um Gotteswillen, was treibst Du in Rom? »Das schönste
ist die Lage von des olle Loch«, sagte General Lepel einst; aber er
irrt sich, - es hat auch inwendig mehrere Reize; was sagst Du z.B.
zum Pifferarigeschnarr, das die Maler so lieblich malen, und das
unaussprechliche Gefühle in jeder Nase hervorbringt, indem es
durch sie klingt? Und zur Kirchenmusik, etwa in S. Luigi dei Fran-
cesi oder dergl.? Darüber möchte ich Dich wohl hören! Kennst Du
auch schon alle Cardinäle bei Namen, wenn Du nur ihre Kappe
und den Schweif siehst? Ich konnte das. Und wenn Du bei einer
gewissen Madam von Tizian im Palast Sciarra, und zwei gewissen
Madamen von ihm (eine nackt und die andere leider nicht) im
Palast Borghese, und etwa bei der Galatea oder sonst einem ande-
ren Rafaello nicht an mich denkst, und mich nach Rom wünschest,
so wollte ich, Du wärst die Marchese Muri Papazurri, die breiter
als hoch ist und 5 Fuß 6 Zoll hoch ist. Ich will Dir einige Rathschlä-
ge geben: Geh' auf Monte Testaccio, und in einer von den dortigen
Kneipen laß Dich häuslich nieder, da wird Einem genau so zu
Muthe, als ob man in Rom wäre. Wenn Du die Aurora von Guido
gesehen hast, so sieh' sie noch einmal an. - Paß auf, was die päpstli-
chen Sänger für horrende Quinten machen, wenn sie alle vier
Stimmen zugleich mit Coloraturen ausschmücken. Lauf' an ei-
nem schönen Sommertag den ganzen Tag spazieren, bis die Sonne
sinkt und es kühl wird; dann geh' vom Monte Pincio, oder wer es
325
sonst ist, herunter und speise zu Mittag. - Componire sehr viel, es
fleckt in Rom herrlich. - Schreibe mir nächstens einen langen
Brief. Sieh' aus den Fenstern irgend eines Klosters in der Nähe des
Laterans und den Albaner Gebirgen, zähl' die Häuser in Frascati
bei Sonnenschein; es ist da viel schöner als in ganz Preußen und
Polen. [...]
panny an felix 17 Rom, 7. März 1840
Es geht uns diesmal wunderlich mit unserer Correspondenz, lieb-
ster Felix, kaum war mein Brief an Dich neulich fortgeschickt, als
ich Deinen heben Brief vom 2isten Febr. erhielt. Damit wir nun
endlich einmal in Ordnung kommen, bürde ich Dir sogleich wie-
der dies Zettelchen auf, zu lesen u. zu bezahlen, und werde dann
die Antwort auf diese beiden erwarten, und meinerseits gleich
wieder antworten, und einstweilen rückt dann die Wiedersehens-
zeit um ein gut Stück näher. Wo wir Dich aber in der Welt abfan-
gen werden, sehe ich noch immer nicht recht ein. Ich möchte sehr
gern den 24sten Juni in Leipzig seyn, glaube aber nicht, daß es gut
möglich seyn wird, da die späte Osterzeit unsere ganze Reise be-
stimmt, und ich meinem Mann, der durch seine Krankheit so lan-
ge Zeit, fast sechs Wochen, so gut als eingebüßt hat, unmöglich
zureden kann, früher als höchst nöthig, wegzugehen. Schade ists
aber, denn wir werden es nur um wenig versäumen. Nun denk ich
so: Während Deiner Kreuz u. Quergänge [...] gibst Du gewiß
Cecile u. die Kinder auf Gartengenesung nach der Leipziger
Straße, die haben, wie man in Berlin sagt, Speck in der Tasche, u.
Du bleibst dann auch nicht lange aus, und wir finden Dich, oder
Du findest uns zu Hause. Ich habe aber mit Schrecken gelesen,
liebster Felix, was Du wieder zum Sommer alles vorhast. 18 Strenge
Dich doch nur nicht zu sehr an, ich bitte Dich darum! Warte nicht,
bis Du es erst fühlst, daß Du zuviel thust, schone Dich ein wenig,
Du sollst noch lange vorhalten. Wie Du so ein Musikfest angreifst,
das habe ichja gesehen, wenn Du nun 3-4 hinter einander, u. jedes
an einem andern Ende der Welt hältst, so muß es Dich ja aufrei-
ben. Verzeih, wenn ich Dich mit meinem guten Rath ennuyire,
aber ich habe es zu frisch im Gedächtniß, wie schnell die Kräfte
dahingehn, u. wie langsam sie wiederkommen, als daß ich mich
326
>f ('stA
1 3 (ib.
5>,t- 1 . .,t *i
l &M<i-tt. Uli H,;il),.n ;
Rebecka Dirichlet, geb. Mendelssohn Bartholdy
nicht über Dein allzu angestrengtes Leben ängstigen sollte. Wenn
Du meinen Mann gesehen hättest, dessen raschen, kräftigen Gang
und gerade Haltung Du ja wol im Gedächtniß hast, wie er wochen-
lang gebückt u. mühsam am Stock umhergeschlichen ist, Du wür-
dest mir Recht geben. Und ich schreibe den Ausbruch dieser
Krankheit allein dem angestrengten Leben hier zu, während er
früher ein allzu ruhiges sitzendes, oder stehendes vielmehr, da er
nie bei der Arbeit sitzt, geführt hat. Nun hat er mir feierlich ver-
sprochen, in Zukunft jede Sorgfalt für seine Gesundheit zu neh-
men, die ich verlangen werde, u. jetzt ist er Gott sey dank, fast ganz
wiederhergestellt, wenn auch im Aeußeren noch ziemlich verän-
dert.
Wegen eines Instruments zu reden, lieber Felix, das ist ja recht
schlimm, wo soll ich ein gutes herbekommen? Ich habe natürlich
nie daran gedacht, von hier eines schicken zu lassen, das wäre wol
sehr unzweckmäßig, u. durch Landsberg, 19 der von mir, aus Freund-
schaft, nur 9 Scudi monatliche Miethe für einen Flügel forderte, ich
dachte nur, derselbe Mann könnte mir ja eins nach Berlin schik-
ken, der gute Instrumente nach Rom schickt. [. . .]
felix an Fanny 20 Leipzig, 7. April 1840
Liszt war 14 Tage lang hier und hat einen Heidenscandal verur-
sacht - im guten und im schlechten Sinne; sein Spiel und seine
Technik sind herrlich, und seine Persönlichkeit gefällt mir auch gar
sehr: ich halte ihn im Herzensgrund für einen guten und künstle-
rischen Menschen. Aber das Zeitungsschreiben! Da hats Erklärun-
gen und Gegenerklärungen und Recensionen und Verklagen und
dies und jenes geregnet, was alles nicht zur Musik gehört, so daß
man fast eben so viel Ärger wie Freude von seinem Aufenthalt
hatte . . . Aber seine Art, mit dem Publikum umzugehen, hat mir
gar nicht gefallen - im Grunde haben sie beyde Unrecht . . . Da er
viel auf diese Dinge hält, gab ich ihm eine Soiree von 350 Personen,
auf dem Gewandhaus mit Orchester, Chor, Bischof, Kuchen,
Meeressrille, Psalm, Tripel-Konzert von Bach (Liszt, Hiller und
ich) Chöre aus Paulus, fantaisie sur la Lucia di Lammermoor, Erl-
könig, Teufel und seine Großmutter!
328
fanny an PELix 21 Rom, io. Mai 1840
Liebster Felix, ich danke Dir für Deinen lieben lustigen Brief vom
7. April, es war mir um so lieber, durch Dich Deine Reise nach
Berlin erfahren zu haben, als der Brief aus Berlin, der mir Deine
wirklich erfolgte, glückliche Ankunft zeigte, unbegreiflicherweise
fast 3 Wochen unterwegs gewesen ist, so daß ich schon anfing,
mich zu ängstigen. Ihr seid gerade im rechten Augenblick nach
Berlin gekommen [...], denn seit Worringens Abreise, u. bei Beck-
chens Zuständen 22 , fürchteten wir, es möchte ein wenig still im
Hause werden, bis wir, als neue Leute, neues Leben und neue
Geschichten mitbringen könnten. [. . .] Es verlangt mich herzlich,
Euch zu sehn, u. mit Dir unsre Reise durchzusprechen.
Ich kann Dir gar nicht ausdrücken, wie glücklich wir uns hier
fühlen, wie unbeschreiblich es mir gefällt. Wir haben unsren Auf-
enthalt hier bis Ende des Monats verlängert, u. ich sehe mit Gram
die Zeit unter den Fingern verrinnen, wir konnten uns wirklich
nicht trennen, und auch jetzt thut mir das Herz weh, wenn ich an
die Abreise denke. Zum Glück steht uns noch Neapel bevor, wor-
auf ich mich denn freilich auch nicht wenig freue. Wir denken nur
ganz kurze Zeit in der Stadt zu bleiben, u. die Exkursionen von
Castellamare aus zu machen, wie man uns mehrfach gerathen.
Vielleicht läßt sich dabei auch Zeit zu einigen Seebädern erübri-
gen. Wir haben hier einige Wochen lang ein Wetter gehabt, daß
es eine Wonne war, sich in der Luft zu befinden, u. sie einzu-
schlucken, während dieser Zeit haben wir nur fleißige Spazier-
fahrten in der Campagna gemacht, die ich nicht mehr heben könn-
te, wenn ich ein Maler wäre, und neulich auch einen köstlichen
Tag in Tivoli zugebracht. Das Albanergebirg steht uns noch bevor.
Das habe ich nun den ganzen Winter in seiner unendlichen Lieb-
lichkeit da liegen sehen, oft Umwege gemacht, Höhen erstiegen,
um es nur zu sehen, wenn ich es ein paar Tage nicht vor Augen
gehabt habe, u. empfinde doch gar keine Ungeduld, hinzukom-
men. Überhaupt bin ich nun lange genug in Rom, um das eigent-
liche Reisefieber ganz los zu sein, u. sage schon mit Zelter, ich bin
zu jung, um alles zu sehen, u. wenn man auf den Punkt gekommen
ist, dann fängt der Genuß erst an. Ich werde gewiß manches nicht
gesehen haben, wenn wir abreisen, aber die Lieblingspunkte im-
329
mer wieder. Genuß u. Freude habe ich hier gehabt, in Fülle. Heut
über 3 Wochen sind wir in Neapel, so Gott will, da wird es uns
wohl auch nicht mißfallen.
Die Lisztsche Zeit in Leipzig hätte ich wohl erleben mögen. 23 Hier
höre ich erstaunt viel von ihm reden, er war voriges Jahr 4 Monate
hier, mit Ingres 24 und den musikalischen Pensionären befreundet,
wie wir, u. da erzählen sie denn nur immer von ihm. Es thut mir
sehr leid, ihn nicht getroffen zu haben, denn er muß hier beson-
ders menschlich gewesen seyn, u. fast keine Concerte gegeben,
sondern bei sich gespielt, u. bei Ingres, was u. soviel man wollte.
Er hat 2 seiner Arrangements Beethovenscher Symphonien an In-
gres zugeeignet, u. ihm dieser Tage geschickt. Wenn ein toller
Regen, der seit vorgestern Nacht fast ununterbrochen strömt, so
gut sein will, nachzulassen, so gehen wir heute abend hin, u. ich
sehe mir das tolle Zeug an. Hier sind sie entzückt von der Art, wie
er die Symphonien v. B. spielt. Du scheinst es weniger zu sein. Ich
bin neugierig, Dich erzählen zu hören, wie das eigentlich ist.
Das Concert von Bach hätte ich hören mögen von Euch dreien 25 .
Denke Dir, daß ich es diese Woche auch spielen werde, mit einer
Dänin 26 und einer Italiänerin, beide recht gute Clavierspielerin-
nen, es wird aber doch einiger Unterschied stattfinden. Ich sage
Dir, die Franzosen bewundern jetzt nichts als Bacque, es ist zu
komisch, das Concert aus d-Moll habe ich wenigstens schon ein
dutzend Mal spielen müssen, u. sie möchten sich immer auf die
Köpfe stellen vor Entzücken. Auch für Dich sind sie ein vortreff-
liches Publicum, u. das muß man ihnen nachsagen, zuhören thun
sie gut u. angenehm, u. behalten nach imaligem Hören, wie man
es nur verlangen kann. Der alte Santini quält mir die Seele aus, so
oft er mich sieht, Du sollst ihm Musik schicken, ich werde etwas
hier lassen müssen, was ich von Dir mitgebracht habe, er läßt mich
sonst nicht fort. Er ist ein gut alt Männeken, bei weitem der Leid-
lichste unter den Langweiligen hier. Denn das ist die Schattenseite
von Rom, die vielen, unausstehlich ennuyanten Leute, bei u. unter
den Offiziellen, u. namentlich wieder unter den offiziellen Deut-
schen. Gott! Was für Leute! doch stille, ich habe meinem Mann
versprochen, brieflich über niemanden zu raisonniren, mündlich
aber lasse ich mir das Maul nicht stopfen, u. da Beckchen hier fehlt,
muß ich Charivari u. Figaro in einer Person seyn. Doch bin ich
330
hier in einer besonders rosenfarbenen Laune, u. lasse Manche und
Manches gelten, was zu Hause schwerlich Gnade fände. Ich glau-
be, die Luft flößt mir etwas von ihrer Milde ein.
Uten. Der Regen ließ gestern richtig nach, wir waren auf der Aca-
demie, u. ich habe die Liszt-Beethoven-Ingreschen Symphonien
gesehen.
Sehr gut ist, daß er in der Vorrede sagt, er wolle dadurch beitragen,
sie zu popularisiren, wenn das der musikalische populus 27 oder
Pöbel jemals spielt, so laß mich hängen! Bei allem Apparat zweifle
ich keinen Augenblick, daß Du sie zehnmal schöner spielst. Ich
gratulire zum glücklichen Gelingen von Hillers Oratorium. 28
Wenn Du Dir einmal mit mir so viel Mühe gibst, so mache ich
auch eins. [. . .] Hast Du hier eine große Messe bei den Armeniern
gehört? Das ist die scheußlichste Katzenmusik, die meine Ohren
je gehört! u. Miau war auch das einzige Wort, das deutlich zu
verstehen war. Dabei haben die Leute so schöne ernsthafte Köpfe,
u. der Bischof ist ein so ehrwürdiger Greis, daß man nicht weiß,
ob man sich wundern oder die Leute bedauern soll, die ihren Gott
auf so menschenfresserische Weise angrunzen. Dagegen singen
die Griechen sehr gut. 3stimmige Männerchöre, ordentlich kom-
ponierte Musik, rein, stark u. sicher vorgetragen, weit fester, als die
päpstlichen Sänger, die das Miserere beidemal in a-Moll anfingen,
u. einmal in g-, einmal in f-Moll abschlössen. Darüber müßten wir
auch noch viel sprechen. Wenn Spontini nicht schon Vorschläge
zur Verbesserung der Kirchenmusik gethan hätte, so würde ich
mich mit Sr. Heiligkeit in Rapport setzen, denn eine Verbesserung
thut wahrlich Noth [. . .]
Ich höre, Otto Nicolai 29 hatte die Absicht, Director der päpstlichen
Capelle zu werden, Katholik u. Priester, was man dazu seyn muß,
das war er Alles willig zu werden, das war ihm alles wurscht. Da
der Plan aber mißglückt ist, hat er sich der Oper in die Arme
geworfen, u. ist jetzt in Turin. Wenn Hiller im Sommer an den
Corner See zurückgeht, so ist es sehr möglich, daß wir ihn im Juli
dort sehn, wir waren nur einen Tag am Corner See, noch dazu bei
Regenwetter, u. es ist so himmlisch schön da, daß wir wohl, wenn
es sich machen läßt, von Mailand bis nach Como fahren möchten,
wo wir nicht waren. Es ist übrigens unmöglich, bei einer Reise
nach Italien Alles zu sehn, wenn man auch noch so viel Zickzack
331
fährt, Parma u. Perugia, was mein Mann Beides noch nicht kennt,
werden wir wohl diesmal auch aufgeben müssen. Es ist zu fatigu-
ant, mitten im Sommer durch ganz Italien zu reisen, 8 Tage allein
von Rom nach Florenz, u. wir werden deshalb, wenn Sebastian u.
ich es nur irgend ertragen können, von Neapel nach Livorno
dampfen 30 . - Liebes Cecilchen, habe Dank für Deine lieben Zeilen
aus Berlin, sie schreiben mir so viel Böses von Dir, u. Du sollst so
häßlich aussehn, daß ich ordentlich ungeduldig bin, Dich zu sehn,
um mich zu überzeugen, ob das Alles wahr ist. Auch Deine Kinder
kann kein Mensch im Hause leiden, das muß Dir nun besonders
unangenehm gewesen seyn. Das Talent zum Singen hat Carlchen
in meiner Abwesenheit gebildet, der Junge muß jetzt zum Fressen
seyn. Auf die Locken meines ersten Nichtchens bin ich sehr ge-
spannt. Was es nun heuer für Kinder in Berlin geben wird? Kein
Brief ist gekommen, der mich nicht von neuen Hoffnungen un-
terrichtet hätte. Nächstes Jahr wird Alles kribbeln u. wibbeln. Lebt
nun wohl, geliebten Leutchen! Hoffentlich fällt kein Schnee, be-
vor wir uns gesehn! [. . .] Mein Mann grüßt herzlich. Er ist fleißig
beim Studienmalen, u. bringt einige sehr schöne Köpfe mit. Wir
sind jetzt gottlob alle gesund, u. seitdem erfreue ich mich eben gar
so sehr meines Lebens. Du weißt, Heber Felix, was für ein Luftfisch
ich bin, u. kannst Dir denken, mit welcher Wonne ich diese Him-
melsluft athme. Nach einigen Regentagen hat es sich heute wieder
aufgeklärt, u. wir können nun wieder dem herrlichsten Wetter
entgegensehn. Es ist jetzt für uns eine solche Zeit, in der man jede
Minute lebendig fühlt, in der jede Stunde einen Pulsschlag hat, den
man versteht. So ist es mir auch, wenn wir mit Euch Lieben zu-
sammen sind. Möge es bald wieder geschehen! Eure Fanny.
332
Leipzig - Berlin: Finale
1840 bis 1847
1840 Im November erhält Mendelssohn die vertrauliche Anfrage,
ob er eine Stellung am Berliner Hof annehmen wolle. Die
Anfrage steht in Zusammenhang mit dem Regierungsantritt
des kunstfreundlichen Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
(»der Romantiker auf dem Thron«), der Schelling, Rückert,
Tieck und den Maler Cornelius nach Berlin holte.
1841 18. Januar: Das dritte Kind von Felix, Paul, wird geboren.
Vorbereitung zur Aufführung der Matthäus-Passion in Leip-
zig. Aufführung von Bachs h-Moll-Messe am 21. Januar. Am
23. März Uraufführung von Mendelssohns AUegro brillant
op. 92 durch Clara Schumann. Uraufführung von Schu-
manns erster Symphonie op. 38. Am 4. April Aufführung der
Matthäus-Passion in der Thomaskirche.
Im Juli Übersiedlung von Felix und seiner Familie nach Ber-
lin. Beginn der Arbeiten an der Musik zur »Antigone« des
Sophokles. Fanny schreibt unter dem Eindruck der Italien-
reise den Klavierzyklus »Das Jahr«. Am 28. Oktober Urauf-
führung der »Antigone« im Neuen Palais in Potsdam in An-
wesenheit des Königs und geladener Gäste. Im Winter neh-
men Liszt und die Sängerinnen Guiditta Pasta und Caroline
Unger an Fannys Sonntagsmusiken teil. Gasparo Spontini
legt sein Amt als preußischer Generalmusikdirektor nieder.
Sein Nachfolger wird Meyerbeer, zu dem Mendelssohn ein
gespanntes Verhältnis hat.
1842 Geplante Verschärfung des Ehegesetzes in Preußen: »Ehe-
brecher« sollen künftig ins Gefängnis. Das Strafmaß ist für
Frauen doppelt so hoch wie für Männer. Karl Marx veröf-
fentlicht den Entwurf und bringt Preußen an den Rand einer
Staatskrise.
Im Januar dirigiert Mendelssohn in Berlin den »Paulus« und
333
wird zum Ehrenmitglied der Singakademie ernannt. Im
März lehnt er das Angebot, Thomaskantor zu werden, ab. Im
Mai gemeinsam mit Julius Rietz Leitung des Niederrheini-
schen Musikfestes.
Ende Mai siebter Aufenthalt in England, Gast im Bucking-
ham Palace, gemeinsames Musizieren mit Queen Viktoria
und Prinz Albert. Reise in die Schweiz. Absicht, seine Berli-
ner Tätigkeit wegen unbefriedigender Arbeitsbedingungen
(Konflikte mit Meyerbeer, kein gutes Orchester, kein Chor)
niederzulegen. Friedrich Wilhelm IV lenkt ein, ernennt ihn
zum Generalmusikdirektor und überträgt ihm »die Oberauf-
sicht und Leitung der kirchlichen und geistlichen Musik«.
Hensel zeigt auf der Akademie -Ausstellung mit großem Er-
folg sein für Lord Egerton gemaltes Bild »Der Herzog von
Braunschweig«. Am 12. Dezember stirbt Lea Mendelssohn
plötzlich und unerwartet in Berlin.
1843 1000-Jahr-Feier des Deutschen Reiches unter dem Vorsitz
Friedrich Wilhelms IV von Preußen. Felix leitet die Festmu-
sik im Berliner Dom. Aufgrund des Erfolges seines »Fliegen-
den Holländer« wird Wagner königlich-sächsischer Hofka-
pellmeister in Dresden. Der preußische Zeremonienmeister
Graf Pourtales zieht mit neunzehnköpfigem Gesinde in Fan-
nys Elternhaus in der Leipziger Straße. Im Februar fahren
Hensels nach Leipzig zu den Gewandhauskonzerten. Be-
kanntschaft mit Berlioz und Clara Schumann.
Am 3. April wird das von Felix gegründete Leipziger Kon-
servatorium eröffnet. Er wird Ehrenbürger der Stadt Leipzig.
Am 23. April Enthüllung seines Bach-Denkmals vor der Tho-
maskirche. Als einer der ersten Schüler kommt der junge
Joseph Joachim ans Leipziger Konservatorium, um bei Fer-
dinand David Geige zu studieren. Am 1. Mai Geburt des
vierten Kindes, Felix.
Im Sommer reist Hensel nach England zu Königin Victoria,
deren kleinen Sohn er im Auftrag des preußischen Königs
porträtiert. Sie bezahlt für sein Rundgemälde »Miriam« mit
einem Ring, den er an Fanny weitergibt. Fanny bemerkt An-
zeichen von Schwäche und Taubheit in ihren Fingern und
begibt sich in ärztliche Behandlung. Nach Hensels Rückkehr
334
aus England komponiert sie ihre große g-Moll-Sonate für
Klavier. Ihre Sonntagsmusiken werden nach anderthalbjähri-
ger Unterbrechung wieder aufgenommen. Am 14. Oktober
führt Felix im Potsdamer Neuen Palais den »Sommernachts-
traum« für den König auf. Felix zieht vorübergehend nach
Berlin.
1844 Am I.Januar Uraufführung von Mendelssohns 98. Psalm im
Berliner Dom. Am 31. März Aufführung von Händeis »Israel
in Ägypten« in der Potsdamer Garnisonkirche mit 450 Mit-
wirkenden unter aktiver vorbereitender Mitwirkung von
Fanny. Anfang Mai achte Reise nach England. Im Juli/August
Aufführung des »Paulus« und der »Walpurgisnacht« beim
Musikfest in Zweibrücken. Während des Sommers kompo-
sitorische Arbeit in Bad Soden. Reduzierung der Berliner
Verbindlichkeiten auf ein Minimum. September: Rebecka
erkrankt in Florenz an Gelbsucht. November: Felix reist
nach Frankfurt am Main und beschließt, vorerst dort zu blei-
ben. Für 1845 will er keine Auslandsverpflichtungen anneh-
men. Eine Einladung nach New York wird ausgeschlagen.
Dezember: Fanny erfährt, daß Rebecka schwanger und
krank ist und beschließt, nach Italien zu reisen. Der Reisean-
tritt wird durch Attacken starken Nasenblutens verzögert.
1845 2. Januar: Hensels brechen über Leipzig nach Florenz auf, um
Rebecka zu pflegen. Ankunft am 19. Januar. Wilhelm reist
von dort allein nach Rom weiter. Im Januar 45 Aufführungen
von Mendelssohns »Antigone« in Covent Garden. Schwere,
fiebrige Erkrankung Mendelssohns. 14. Februar: Rebeckas
Tochter Flora kommt vorzeitig, aber gesund zur Welt. An-
fang März erhält Mendelssohn die Anfrage, ob er die Direk-
tion der musikalischen Sektion an der Berliner Akademie der
Künste übernehmen wolle. Arbeit an einer Neu-Edition von
Händeis »Israel in Ägypten«. 13. März: Uraufführung von
Mendelssohns Violinkonzert durch Ferdinand David in
Leipzig. 15. März: Fanny und Sebastian reisen nach Rom, wo
sie Wilhelm schwer krank vorfinden. 15. Juni: Hensels reisen
mit Rebecka und den Kindern zum Familientreffen nach
Freiburg und Bad Soden. August: Felix zieht mit seiner Fa-
milie wieder nach Leipzig. 19. September: Geburt seines
335
fünften Kindes, Lili. Im Dezember Bekanntschaft mit der
schwedischen Sängerin Jenny Lind.
1846 Am i.Januar Uraufführung des Schumannschen Klavierkon-
zertes mit Clara Schumann als Pianistin und Mendelssohn als
Dirigent. Intensive Arbeit am »Elias«. Im April mißglückte
Aufführung von Schumanns »Das Paradies und die Peri« in
Berlin, über die Fanny sich kritisch äußert. Mai/Juni: Men-
delssohn leitet das Musikfest in Aachen und reist mit Jenny
Lind über den Rhein. Frühjahr: Der junge Rechtsreferendar
Robert von Keudell (1824-1903), späterer Vertrauter Bis-
marcks, ermutigt Fanny zu komponieren. Sie erhält Angebo-
te von den Verlegern Schlesinger und Bote und Bock. Ernst-
hafte Erwägungen, das Haus Leipziger Straße an den Grafen
Pourtales zu verkaufen. 12. August: Felix gratuliert halbher-
zig zum Entschluß, ihre Kompositionen zu veröffentlichen.
Mitte August reist Felix zum neunten Mal nach England und
dirigiert den »Elias« auf dem Musikfest in Birmingham. Fan-
ny beginnt mit der Komposition ihres großen Klaviertrios
d-Moll. Im Winter kommt das Ehepaar Schumann nach Ber-
lin und schließt schnell Freundschaft mit Fanny.
1847 Januar: Die ersten Rezensionen über Fannys gedruckte Wer-
ke erscheinen. 24. Februar: Revolution in Paris. Gründung
der zweiten französischen Republik. Anfang April bricht Fe-
lix zu seinem zehnten und letzten Aufenthalt nach England
auf. Aufführung des »Elias« in Anwesenheit des Königspaa-
res. Verschiedene große Auftritte als Pianist und Organist.
Mai: Fanny erleidet eine neue Attacke heftigen Nasenblu-
tens. 14. Mai: Eine lobende Kritik ihrer »Gartenlieder« er-
scheint in der »Neuen Zeitschrift für Musik«. Während der
Probe zu einer Sonntagsmusik (Mendelssohns »Walpurgis-
nacht« wurde einstudiert) versagen ihre Hände den Dienst.
Sie verliert die Sprachfähigkeit, das Bewußtsein und stirbt
abends um elf Uhr. Wilhelm zeichnet seine Frau auf dem
Totenbett. Sein vom Herzog von Sutherland bestelltes Por-
trät Friedrich Wilhelms IV. bleibt unvollendet. Sebastian
kommt unter die Obhut von Rebecka. Felix, der die Todes-
nachricht am 17. Mai erhält, bricht mit einem Aufschrei zu-
sammen, bleibt längere Zeit regungslos liegen und ist unfä-
336
hig, zur Beerdigung zu fahren. Über Baden-Baden reist er
mit Frau und Kindern nach Interlaken, wohin Hensel ihm
nachreist.
Felix komponiert ein Streichquartett in f-Moll, plant ein
Oratorium »Christus« und eine seiner Lieblingssängerin Jen-
ny Lind versprochene Oper »Loreley«. Seine letzte vollende-
te Komposition ist das »Nachtlied« nach Eichendorff op. 71,
6. Er veranlaßt den Verleger Breitkopf und Härtel, Fannys op.
8-11 herauszugeben, die 1850 erscheinen. Am 28. Oktober
erleidet er in Leipzig einen Schlaganfall mit Teillähmung, am
1. November einen zweiten. Am 4. November stirbt er mit
erst achtunddreißig Jahren nach einem Anfall schrecklicher
Kopfschmerzen in Leipzig. Er wurde auf dem Friedhof der
Berliner Dreifaltigkeitskirche neben Fanny begraben.
Werke von Felix
1841 Sechs Lieder ohne Worte op. 53 / Siebzehn Variations serieu-
ses für Klavier d-Moll op. 54 / Musik zur »Antigone« für
Männerchor und Orchester op. 55 / Variationen für Klavier
in Es-Dur op. 82 und in B-Dur op. 83 / Andante und Varia-
tionen für Klavier zu vier Händen op. 83a / AUegro brillant
für Klavier zu vier Händen A-Dur op. 92 / Präludium und
Fuge e-Moll für Klavier / Präludium c-Moll für Orgel
1842 Sonate für Klavier und Violoncello D-Dur op. 58
1843 Musik zu dem Schauspiel »Ein Sommernachtstraum« für
Soli, Chor und Orchester op. 61 / Drei Psalmen für Chor und
Solostimmen op. 78 / Der 98. Psalm für Chor, Orchester und
Orgel »Singet dem Herrn« op. 91 / »Infelice«, Konzertarie
für Sopran und Orchester B-Dur op. 94 / Choral »Herr Gott,
dich loben wir« für Doppelchor, Orchester und Orgel /
»Ehre sei dem Vater« für achtstimmigen Chor / 100. Psalm
»Jauchzet dem Herrn« für Chor
1844 Sechs Sonaten für Orgel op. 65 / Sechs Lieder ohne Worte
für Klavier op. 67 / »Elias«, op. 70 / Drei Psalmen für Chor
und Solostimmen op. 78 / Hymne »Höre mein Bitten« für
Sopran, Chor und Orgel / Motette »Denn er hat seinen En-
337
geln befohlen« für achtstimmigen Chor / »Ehre sei dem Va-
ter« für vierstimmigen Chor / Andante con variazioni D-
Dur für Orgel / Allegro B-Dur für Orgel / Vier kleine Stük-
ke für Orgel / Allegro d-Moll für Orgel / Choral As-Dur für
Orgel
1845 Klaviertrio c-Moll op. 66 / Andante alla marcia B-Dur für
Orgel / Andante sostenuto D-Dur für Orgel / Fuge B-Dur
für Orgel
1846 »Es kommt aus dem kindlichen Alter der Welt« für sechs-
stimmigen Chor / »Er wird öffnen die Augen den Blinden«
für Chor und Orchester / Cantique pour PEglise Wallone de
Frankfort für vierstimmigen Chor / Die deutsche Liturgie
für vier- bis achtstimmigen Chor
1847 Drei Motetten für Chor und Soli op. 69 / Streichquartett
f-Moll op. 80 / Vier Stücke für Streichquartett op. 81
Werke von Fanny
1841 Für Klavier: II Saltarello romano, Allegro molto a-Moll, Zy-
klus »Das Jahr«, Einleitung zu lebenden Bildern für Chor
(mit Klavier)
Lieder und Chorwerke
»Hausgarten« (Johann Wolfgang von Goethe) / »Gondel-
lied«, Drei Lieder »Anklänge«, »Traurige Wege«, »Auf dem
See«, Duett »Der Winterwind entflieht«, Terzett »Waldru-
he« (alle ohne Textdichter-Angabe) / »Totenklage« (justinus
Kerner) / »Von dir, mein Lieb'« (Johann Heinrich Kauf-
mann) / Duett »Die Sennin« (Nikolaus Lenau) / Chor »Un-
ter des Laubdachs Hut« (William Shakespeare)
1842 Im Mendelssohn- Archiv nicht nachgewiesen; wohl Privatbe-
sitz.
1843 Sonate für Klavier g-Moll
In den Briefen wird noch eine Vertonung von Goethes
»Faust«, zweiter Teil, erwähnt.
Lieder
»Wer dich gesehn« (ohne Textdichter-Angabe) / »Ich wan-
dre durch die stille Nacht« (Joseph von Eichendorff)
338
1844 Für 1844 nicht nachgewiesen; wohl in Privatbesitz.
1845 Nicht nachgewiesen; Privatbesitz.
1846 Für Klavier und Kammermusik: Allegro molto c-Moll, An-
dante cantabile Des-Dur, Allegro moderato b-Moll, Andante
cantabile Fis-Dur, Pastorella A-Dur, Allegretto d-Moll, Len-
to appassionato H-Dur, Allegro molto vivace C-Dur, Tempo
di scherzo e-Moll, Andante con moto E-Dur, Andante es-
pressivo As-Dur, Wanderlied E-Dur, Allegro vivace A-Dur,
Allegro molto vivace e leggiero B-Dur, Allegretto h-Moll,
Zwei Lieder in A-Dur und Es-Dur / Klaviertrio d-Moll op.
11
Lieder
»Beharre« (Helmina von Chezy) / »Das Veilchen«, »Es
rauscht das rote Laub«, »Im Herbste« (alle ohne Textdichter-
Angabe) / »Erwache, Knab'« (Wilhelm Hensel) / »Dein ist
mein Herz«, »Bitte«, »Kommen und Scheiden«, »Abendlied«
(alle Nikolaus Lenau) / »Nacht ist wie ein stilles Meer« (Jo-
seph von Eichendorff)
Chöre
»Stimme der Glocken«, »Schilflied« (beide Nikolaus Lenau)
/ »Im Wald«, »Morgenwanderung« (beide Emanuel Geibel)
/ »O Herbst in linden Tagen«, »Schon kehren die Vögel wie-
der«, »Hörst du nicht die Bäume rauschen?«, »Abendlich
rauscht schon der Wald«, »Abend«, »Schöne Fremde«,
»Lust'ge Vögel in dem Walde« (alle Joseph von EichendorfF)
/ »Waldeinsam«, »Morgengruß«, »Schweigend sinkt die
Nacht hernieder« (alle Wilhelm Hensel) / »Ariel« (Johann
Wolfgang von Goethe) / »Im Herbste« (Ludwig Unland) /
»Nacht hegt auf den fremden Wegen« (ohne Textdichter-
Angabe) / »Erwin«, Terzett »Wer will mir wehren zu singen«
(Johann Wolfgang von Goethe)
1847 Für 1847 nicht nachgewiesen, wohl in Privatbesitz.
339
fanny an felix 1 Berlin, 28. September 1840
Lieber Felix!
Dieser Brief soll Dich empfangen, wenn Du aus England zurück-
kommst, u. damit Du Dich nicht übereilst, ihn zu lesen, will ich
Dir gleich jetzt sagen, daß gar nichts drin stehn soll, nur etwas
Geplauder. Ich will Dir einen guten Rath geben. Wenn Du wieder
nach Italien reisen willst, suche Dir ein Werk darüber zu verschaf-
fen, das ich jetzt eben mit großem Interesse gelesen habe, u. das
mir besser gefällt, als Alles, was ich je über diesen vielbeschriebe-
nen Gegenstand gelesen, es wird aber etwas schwer fallen, es Dir
zu verschaffen, denn es ist meines Wissens noch rarer, als die Ni-
belungen von Decker, die nur in 106 Exemplaren, u. die Ausgaben
englischer Größen, die nur in 5 oder 4 existiren, es giebt nämlich
nur ein einziges Exemplar davon, im Manuscript, u. wir sind in
dieser Beziehung nicht besser dran, als vor der Erfindung der
Buchdruckerkunst (eine zeitgemäße Bemerkung). 2 Es sind mit ei-
nem Wort, die Briefe eines reisenden Musikanten, der nebenbei
mein ältester Bruder ist. Ich kann Dir gar nicht ausdrücken, wie
mich die Briefe interessirt haben, jetzt, wo mir Alles so frisch vor
der Seele steht, was Dich vor zehn Jahren bewegte. Wer übrigens
dran zweifeln möchte, daß zehn Jahre eine lange Zeit sind, der
braucht nur Briefe zu lesen, die so alt sind. Es ist schrecklich! Wie
wenig von allen darin genannten Menschen u. Verhältnissen übrig
ist. Alles gestorben, verdorben, auseinander. Man muß Gott dan-
ken, wenn nur das zusammen Gehörige auch wirklich zusammen
bleibt, u. sich nicht von einander trennt, es scheide denn der Todt.
Und daraufhabe ich denn, wenn ich mich recht besinne, eigentlich
kommen wollen, u. Dir einmal wieder sagen, wie ich mich Deines
Lebens u. Webens freue, u. wie gut es mir gefällt, daß wir zufällig
Geschwister geworden. Mein Gott, ich möchte ja gern stolz seyn
auf meinen Bruder, wenn ich nur vor lauter Behaglichkeit u. Freu-
de dazu kommen könnte. Ich meine, innerlich, denn daß ich ge-
gen Fremde stolz daraufbin, versteht sich von selbst. Es ist wirklich
ein arger Fehler in unserem Leben, daß wir nun schon zehn Jahre,
u. wahrscheinlich auch unsere übrige Lebenszeit nicht zusammen
zubringen, sondern höchstens alljährlich ein Paar Tage, wie ge-
stohlen, in Eil u. Hast, da es uns doch Allen nicht schaden könnte,
340
wenn wir zusammen wären. Das ist noch das Leidlichste an Berlin,
daß es wenigstens nur eine Tagereise von Leipzig ist, Dresden
gefiele mir aus dem Grunde noch weit besser, weil es viel näher
ist, wenn ich mir nun täglich u. stündlich Rom zurückrufe, u. mir
denke, wie herrlich wir da gelebt, u. wie gern ich einmal auf län-
gere Zeit zurück möchte, so muß ich gleich dabei denken, wie ich
Euch denn gar nicht mehr sehn würde.
Und so ist in der Welt nicht alles Wünschenswerthe zu vereinigen.
Aber das muß ich Dir im Vertrauen sagen, da ich Dir gern Alles
sage, wie wir uns Beide noch gar nicht wieder in Berlin finden
können. Rom hat Dir ja denselben Eindruck gemacht, wie uns,
den einer Ruhe u. Beweglichkeit zugleich. Die Ruhe war uns auch
sehr auffallend u. erquicklich, u. nun kann ich Dir gar nicht sagen,
wie uns das scharfe Berliner Wesen, die harte, trockene Critik über
Alles, empfindlich gewesen ist, u. noch ist! Wenn es mir nur we-
nigstens dazu dient, mein Theil davon, dessen ich mir wol bewußt
bin, loszuwerden, wie ich den besten Willen dazu habe! Das ist
ein böses Thema!
Wie freut es mich, daß wir in so vielen Dingen übereinstimmen,
was Italien betrifft. Namentlich ist der Eindruck von Rom ganz
derselbe, auch im Verhältniß zu Neapel, obgleich ich finde, daß
Du dem doch im Ganzen ein wenig Unrecht thust, denn die
Schönheit ist doch gar zu göttlich da! Auch über Florenz u. na-
mentlich die Gallerie, u. namentlich Raphaels Portrait sprichst Du
so ganz meine Gedanken aus, nur besser, als ich sie hatte. Aber
über zwei Bilder in der Tribuna 3 sind wir verschiedener Meinung.
Das weibliche Portrait von Raffael [. . .] hat Dir nicht gefallen. Du
findest etwas Ordinaires darin, u. v. d. Venus v. Tizian sagst Du, es
würde Dir fromm vor Schönheit dabei. Das ging mir nun gerade
umgekehrt, die Venus v. Tizian ist mir etwas zu toll, u. das Portrait
von Raffael finde ich so über alle Maaßen schön, daß ich mich nie
dran habe satt sehn können. Wilhelm sagt, er sey wieder anderer
Meinung, u. ihm gefielen sie Beyde über alle Maaßen. Der Mann
hat am Ende recht.
Wenn man so alte Zeiten in Briefen wieder erlebt, u. da sieht, wie
manche Befürchtung, wie manche Sorge man gehabt, die Einem
die schönsten, theuersten Stunden verbittert, u. wie dann das Be-
fürchtete ausgeblieben, dagegen so manches geschehen, worauf
341
man gar nicht gerüstet war, wenn man dann weiter denkt, wie das
immer so fort geht, wie ich jetzt die 5 Tage in Leipzig gar nicht
werde genießen können, weil mich die Sorge um Deine Reise
nach England fast verzehrt, wie nun diese Reise jetzt zum größten
Theil schon so glücklich zurückgelegt ist, u. Dir statt Unheil, Freu-
de u. Vortheil gebracht hat, wenn man überzeugt ist, daß das Leben
heißt, so sollte man wirklich nach einigem Leichtsinn trachten, um
das, was man eben hat, fröhlicher zu genießen u. um die Zukunft
unbesorgt zu seyn, die eben deshalb fast immer anders kömmt, als
man sie erwartet, weil man sie nicht ergründen kann und soll.
Aber das ist auch Gabe, wie Alles andere, wer sie hat, soll sie nicht
ausbilden [. . .]
Ferner muß ich Dir sagen, wie es mich amüsiert hat, daß wir Alle,
um die Zeit Deiner Abreise von hier, Jeanpaulisierten, u. wie Du
Dir noch danach in Rom einen ganz eigenthümlichen, Felixschen
Styl herausgeschrieben hast, ich glaube fast 4 , dieser Brief schmeckt
wieder ein bischen nach der alten Zeit, da ich mich so mit Lust
wieder hinein gelesen habe.
Was kann uns Menschen Glücklicheres begegnen, als wenn wir
uns der Unsrigen freuen u. rühmen dürfen, u. was bin ich darin
glücklich, ich mag um meines Mannes, oder meiner Eltern u. Ge-
schwister im weiten Sinne, denken. Cecile gehört auch nicht we-
nig dazu, lieber Felix, u. so oft ich sie einmal wieder gesehn habe,
kann ich Gott nicht genug danken, für die Güte, die er Dich be-
wiesen, indem er Dir unter allen Frauen, die es giebt, die hat fin-
den lassen, die am Meisten für Dich paßt, u. die Dir am Glücklich-
sten machen kann. Und eben so dürfen wir mit Vertrauen heiter 5
hinaussehn, Dein Carlchen ist ein lieber Engel, u. unsere Jungen
hier sind auch gar gute, prächtige Kinder. Ich wollte, Du sähest sie
jetzt zusammen, es ist wirklich eine Freude, sie könnten gar nicht
mehr aneinander hängen, wenn sie Brüder wären, sie sind unzer-
trennlich, u. haben sich noch nicht ein einziges Mal gezankt.
Nächste Woche kommen sie zusammen in die Schule, freilich
nicht in eine Classe, aber sie freuen sich doch sehr drauf. Wenn
man sie so Arm in Arm in den Garten gehn sieht, ist es wirklich
eine Freude.
Jetzt habe ich mir Dein Trio 6 vorgenommen, u. übe es, es ist aber
sehr schwer. Wenn ich einmal wieder anfange, Musik zu machen,
342
soll es das Erste seyn. Es ist mir aber noch gar nicht danach zu
Muth. Ich bin sehr verwöhnt worden auf der Reise, durch ein
überdankbares Publicum beständig zum Spielen getrieben u. auf-
gefordert zu werden, bald um dieses, bald um Jenes gebeten, u.
immer in Athem gehalten, das läßt man sich gar zu gern gefallen,
es ist aber unrecht von mir, ich muß das nicht nöthig haben, u. will
auch durchaus suchen, drüber weg zu kommen. Es ist aber doch
ärgerlich, daß niemand hier ist, mit dem man so recht Musik ma-
chen kann [. . .]
felix AN fanny 7 Leipzig, 24. Oktober 1840
Liebste Fanny,
den ersten freien Morgen, den ich seit meiner Englischen Reise
habe, muß ich dazu brauchen, Dir für Deinen prächtigen, gar zu
liebenswürdigen Brief zu danken, der mich hier bei meiner Rück-
kehr empfing. Ich hatte eigentlich ein bißchen Furcht, als ich ihn
zuerst Hegen sah u. aufbrach, es möchte irgend etwas Böses (ich
meine was Ernsthaftes) darin stehen - ich weiß selbst nicht warum
- aber gleich bei den ersten Zeilen verstand ich das Ding besser,
und las weiter u. weiter mit der größten Wonne.
Was das für ein Plaisir 8 ist, so einen Brief zu empfangen! der so
nach Lust u. Leben u. allem Guten schmeckt. Denn das einzige
Molltönchen darin, daß Euchs in Berlin nach Rom nicht behagen
wollte, nehme ich nur als ein sehr durchgehendes 9 an; wo soll's
einem auch nach einem jahrelangen 10 Aufenthalt in Italien gefal-
len? da ist alles so glänzend 11 , und gerade unser deutsches, schönes
Hausleben hat mit allem Deutschen u. Schönen, was ich recht
Hebe, das gemein, daß es gar nicht glänzend und brillant ist, son-
dern sich mit seiner Stille und Ruhe desto sicherer einzuschmei-
cheln weiß. Ist mirs doch immer nach jeder Abwesenheit so ge-
gangen, wenn die Freude der ersten Tage des Wiedersehens vor-
über war, daß ich die Abwechslung, die Aufregung der Reisetage
vermißte, daß mirs ganz einförmig zu Hause vorkam, daß ich eine
Menge Fehlendes bemerkte, während auf der Reise nur alle Vor-
züge und alles Gute. Habe ich doch in diesen Tagen ein ähnliches
Gefühl so 12 oft gehabt: bei der Leipziger Liedertafel, bei den un-
zähligen Anforderungen und Überhäufungen 13 etc. etc. - Aber das
343
Gefühl hält 14 nicht an u. ist gewiß nur falsch; all das Gute, was man
auf Reisen liebt, ist einem hier schon ein gewohntes Eigenthum
geworden, und nun möchte man noch mehr haben; könnte man
sich nur die frische, genügsame, hohe Stimmung durchs ganze
Leben erhalten, mit der man von der Reise in den ersten Tagen
ankommt, u. alles so vergnügt betrachtet, mit der man auf der
Reise sich über alles hinwegsetzt; bliebe man nur in seinem Innern
so recht reisefroh, während man in der Heimath ruhig fortlebt;
überhaupt, wäre man nur so recht vollkommen!
Stattdessen habe ich mich gestern Abend über das 25jährige Stif-
tungsfest der Liedertafel erbost, als ob ich ein ganz kleiner Junge
wäre. Es wurde so falsch gesungen, und noch falscher gesprochen,
und wenn's recht langweilig war, so war's im Namen des »deut-
schen Vaterlandes«, oder in der »alten deutschen Weise.« Und als
ich von England wiederkam, nahm ich mir so bestimmt vor, ich
wollte mich an nichts kehren, gar nicht Parthei nehmen, obwohl
die ganze Stadt gespalten war zwischen unseren zwei Concertsän-
gerinnen, von denen die eine wunderschön ist und gar nicht gut
singen kann, und die andere eine brave Sängerin ist, aber verteufelt
häßlich. David hält es mit der Letzteren, u. studirt ihr allerliebste
Cadenzen ein; Schleinitz mit der erstem. Das wird er aber gar
nicht wahrhaben wollen, wenn Du ihn morgen in Berlin siehst,
denn dahin muß't er heut in Nachdrucksangelegenheiten, und hat
versprochen Mutter und Euch sogleich aufzusuchen. Er bringt
Mutter einen Brief von Cecile, und an Dich u. Beckchen ein Ge-
schenk von Miss Joanna Alexander, zwei schottische Nadelbüch-
sen mit queen needles oder wie die Dinger jetzt heißen. Zugleich
so frische und herzliche Grüße, wie ein Mensch nur bringen kann.
Von uns sowohl, als von den Englischen Freunden. Ich war nur so
kurz in London, nur 8 Tage, 15 und ebenso lang in Birmingham,
mir ist die Sache nur so wie ein turbulenter Traum vorübergegan-
gen - aber ungemein wohlthätig waren mir die vielen, ganz un-
veränderten Freunde, u. wenn ich sie auch nur auf kurze Zeit
sehen konnte; der Blick in eine so befreundete Existenz, von der
man Jahre lang nichts hört, und die doch verkettet mit der unseren
bleibt und bleiben wird, giebt ein gar angenehmes Gefühl. Bei
Klingemann und den Moscheies' verstand sich's wohl von selbst,
aber auch bei Alexanders, wo ich im allerelegantesten rococo Vi-
344
skenzimmer unter den allerfashionabelsten neuen Sachen doch
Vaters Portrait von Hensel am alten Lieblingsplatze auf seinem
eigenen Tischchen stehend wiederfand, und bei Horsley's und bei
so vielen anderen war mir's sehr wohlthuend, sehr heimisch.
Und wenn ich überlege, wie entsetzlich bange mir vor der ganzen
Reise war, wie wir zusammen hier auf u. abgingen u. uns darüber
besprochen und im Grund uns alle beide davor ängstigten, wie sie
nun so glücklich vorüber u. ich wieder so glücklich bei den Mei-
nigen, so sollte ich eigentlich den ganzen Tag weiter nichts thun,
als mich freuen und dankbar sein.
Und statt dessen ärgere ich mich über die Liedertafel, und Du
Dich über die Kunstausstellung! Zwar hört man wirklich Wunder-
dinge von der letzteren und deren Abscheulichkeit; ich bin neu-
gierig auf Deinen ausführlichen Bericht, der im nächsten Stücke
nachfolgen sollte, und den Du mir noch schuldig bist.
Auf Iphigenia ist Chorley 16 auch gar nicht gut zu sprechen; aber
desto mehr entzückt von Dir, u. Deiner Musik u. Deinem Spiel u.
allem. Cecile hat dem Moscheies »warum sind denn« 17 und »sie
wankt dahin« 18 vorgesungen, worüber der vor Freude eine ganz
große Schnute machte (Du kennst ihn ja) und sich gleich Abschrif-
ten für seine Frau bestellte; von unserer großen soiree schrieb ich
an Mutter. Du hast mich mal gefragt, ob Krieg oder Frieden wür-
de? Wie komm ich zu solcher Kanngießerreputation? Nicht, als
ob ich sie nicht verdiente (denn ich behaupte durch dick u.dünn,
wir behielten Frieden . . .) aber wenn ein Politikus von metier in
der Familie ist, wie Paul, so muß der gefragt werden. Er mag sagen,
was er wolle, es giebt keinen Krieg. Wenn ich aber an die gestrige
Liedertafel denke, so möcht' ich doch, es gäbe welchen . . .
Carl u. Mariechen gedeihen, Gott sei Dank, nach dem allerbesten
Wunsch; Carl ist ein Hebenswürdiger sanfter Kerl, u. das Mädchen
ist wie ein Pfaffe so dick u. rund, u. hat dabei den Teufel im Leibe.
Cecile grüßt Dich u. Hensel u. Sebastian aufs beste; wir danken
Dir nochmals, daß Du uns bei Mutters Unfall so gründlich u. gut
Nachricht gegeben hast. Ich bitte Dich, schreib mir bald wieder,
Du liebes Schwesterlein! Dein Felix. 19
345
felix an fanny 20 Leipzig, 14. November 1840
Liebe Fanny!
Meinen schönsten, besten, herzlichsten Glückwunsch zum heuri-
gen Tage; sonst pflege ich Dir irgend ein neues Manuscript, grün
eingebunden, an dem Tage zu verehren, jetzt muß ich es beim
mageren Briefschreiben bewenden lassen, und die alte Gewohn-
heit gefällt mir doch sehr viel besser. Du denkst wohl auch einmal
im Laufe des Geburtstags zu uns her, aber das hilft mir nichts; ich
muß heut' Abend zur Eröffnung der Quartett-Soireen den Leip-
zigern das Mozart'sche Quartett aus G moll und das Beethoven-
'sche Trio aus D dur vorspielen, und, wie gesagt, diese Art Ge-
burtstagsfeier gefällt mir nicht. Ihr werdet wohl eine bessere ma-
chen, - wären wir nur dabei! Schönsten Dank auch für Deinen
letzten Brief; weißt Du wohl, daß ich Deinen Gedanken mit den
Nibelungen luminös finde? Er ist seitdem nicht wieder aus mei-
nem Kopfe gekommen, und die ersten freien Tage will ich jetzt
benutzen, das Gedicht wieder zu lesen, denn ich habe alle Details
vergessen und nur die allgemeinen Umrisse und Farben behalten,
die mir herrlich dramatisch zu sein scheinen. Thätest Du mir nun
wohl den Gefallen, mit Deine ausführlichere Idee darüber mitzu-
theilen? Weiß ich doch kaum mehr, was es mit dem Versenken in
den Rhein für eine Bewandtniß hat. Kannst Du mir die verschie-
denen Momente angeben, die Dir besonders dramatisch vor-
schwebten, als Du die Idee faßtest, und mir überhaupt nun etwas
Specielleres noch sagen, da mir das Allgemeine, die ganze Färbung
und Charakteristik sehr einleuchtet, so bitte ich Dich, thue es, und
thue es bald; Du leistest mir einen wesentlichen Dienst. Bezieh'
Dich nur auf das Gedicht; denn bis Dein Brief kommt, habe ich
es gewiß gelesen, doch werde ich Deine Meinung nicht minder
sehnlich erwarten. Habe Dank für den Gedanken, wie für Alles. -
Ja, die Arpeggien in der chromatischen Phantasie sind ja eben der
Haupteffect. Ich erlaube mir die nämliche Freiheit, sie mit allen
möglichen Crescendo's und Piano's und ff 's zu machen, Pedal ver-
steht sich, und dazu die Baßnoten zu verdoppeln. Ferner die klei-
nen durchgehenden Noten (die Viertel in den Mittelstimmen
u. s. w.) zu Anfang des Arpeggio's zu markiren, ebenso die Melo-
die-Note, wie es gerade kommt, und dann thun die einzigen Har-
346
moniefolgen auf den dicken, neueren Flügeln prächtig wohl. [. . .]
Die Leute schwören, daß sei gerade so schön wie Thalberg. Oder
noch besser. - Zeig' aber dies Recept Niemand; es ist ein Geheim-
niß wie alle Hausmittelchen.
Wenn Du Herrn v. Zuccalmaglio siehst, so danke ihm doch für die
Sendung und denBrief, den ich von ihm erhalten habe. Doch kann
ich (ganz unter uns gesagt) die Lieder nicht componiren, die er mir
geschickt hat; - sie waren patriotisch, und mir will's jetzt gar nicht
nach patriotischen Liedern zu Muthe werden. Es können gar zu
viele Mißverständnisse dabei vorfallen, und wie es jetzt ist, daß sie
anfangen, gegen die Franzosen zu singen, in demselben Moment,
wo sie eben einsehen, daß die Franzosen gar nicht gegen sie fech-
ten wollen, da will ich keine Musik dazu machen. Aber Adies für
heut 1 ; ich wollte, statt mich jetzt anzuziehen, und so schrecklich
viel Musik zu machen, ging ich herüber zu Dir; - wir könnten
schwarzer Peter spielen, oder sonst was Lustiges, und Kuchen es-
sen. Dein Felix.
fanny an Felix 21 Berlin, 5. Dezember 1840
Daß Du die Idee der Nibelungen so lebhaft aufgenommen, freut
mich herzlich. Wie ich höre, hast Du Dir eine Raupachsche Bear-
beitung kommen lassen, bist also in diesem Augenblick wahr-
scheinlich weiter mit Deinem Plan, als ich es jemals war, ich hatte
mir wohl überhaupt mehr die Charactere und die ganze Situation
als eine bestimmte Scenenfolge lebhaft gedacht. Die größte
Schwierigkeit möchte im Schluß liegen; denn mit der gewaltigen
Metzelei kann man doch keine Oper enden und wie sonst? - Die
Versenkung des Nibelungenhortes geht so zu: Nachdem Hagen
den Siegfried ermordet, sieht er mit Neid Kriemhieldens große
Schätze, die sie, wenn ich nicht irre, aus Nibelungenland kommen
läßt, und in der Furcht, sie möchte sich Freunde und Rächer damit
erkaufen, nimmt er sie ihr und versenkt sie in den Rhein. Ich bitte
Dich, laß mich doch von Zeit zu Zeit wissen, wie es damit steht,
ob der Plan vorrückt. Ferner bitte ich Dich, mir zu schreiben, ob
Ihr irgend etwas Erbauliches und Beschauliches für Eure Quartett-
soireen habt, das ich für meine Sonntagsmusiken brauchen könn-
te, die ich nächste Woche wieder anzufangen gedenke.
347
Mein Mann ist fleißig wie immer, führt mit Lust seine Reiseskiz-
zenbücher aus, wenn Sebastian nachmittags aus der Schule kommt,
essen wir und führen ein behagliches, angenehmes Winterleben.
Ob sich hier in der Kunst etwas regen wird, muß man erst sehen;
wenn es wahr ist, was man allgemein sagt, daß Cornelius her-
kommt, so möchte das ein Beweis sein, daß man wenigstens Pläne
hat. Denn wenn es, wie man bis jetzt glaubte, mit der Ausführung
der Schinkelschen Freskenentwürfe allein getan sein sollte, so
möchte Cornelius nicht der rechte Mann sein, an den man sich
gewandt hat. Schinkel ist fortwährend in dem traurigsten Zustande,
seine geistige Thätigkeit ist ganz dahin. Mein Mann ist vielleicht
der einzige hiesige Künstler, der sich aufrichtig über Cornelius'
Herkommen freuen würde. Die Grimms kommen in diesen Ta-
gen, auch mit Rückert soll man in Unterhandlung stehen. Bei dem
allen aber bleiben unsere Zeitungen so elend, als sie waren, die
Pietisten haben Oberwasser, und die persönliche Regierung
scheint in hohem Maße gehandhabt zu werden. Was sagst Du denn
zu der französischen Politik? Und wie gefallen Dir die Debatten in
der Kammer? Ist das nicht höchst traurig! Auch für uns traurig,
denn wie breit macht sich nun das Philistertum und sagt:
»Da seht Ihr nun konstitutionelle Staaten!«
felix an fanny 22 Leipzig, 7. Dezember 1840
Liebe Fanny,
Verzeihen Sie, hier kommt ein Ochse, sagt die berühmte Berline-
rin. Verzeihen Sie, hier kommt eine lange Commission, sag' ich.
Ich brauche ein Paar Sachen hier in Abschrift, die sich unter Zel-
ters Bachschen Manuscripten oder sonst in seiner Bibliothek be-
finden müssen, die sich jetzt in der Sing-Akademie befindet. Thu
mir also den Gefallen, laß die besagte Bibliothek von Rungenha-
gen aufschließen, indem Du ihn besuchst u. um den Bart gehst,
nimm die Partituren [. . .] 23 heraus, gieb sie meiner niedlichen Luise
Nitschmann nicht, sondern einem viel vornehmeren Kerl von Ab-
schreiber, und mach daß ich wo möglich in 14 Tagen höchstens 3
Wochen die Scharteken in meinen Händen habe, sauber, correct
u. unfrankirt. Ich will Dir die Copialien als ehrlicher Kerl augen-
blicklich erstatten, u. willst Du ein Partitchen für die Mühe neh-
348
men, so find ich das natürlich ganz in der Ordnung, u. werde mit
jeder Precision einverstanden sein, welche Du etc. etc. etc. Bin ich
nicht ein ordentlicher Geschäftsmann?
Aber im Ernst, die Sachen sind folgende:
N. B. (die Suiten für Orchester von Seb. Bach aus h moll
und die andere aus D dur
mit den Trompeten, besitze ich schon; die beiden brauche ich also nicht)
aber von allen anderen Suiten ähnlicher Art, die sich dort auffin-
den lassen, wünsche ich mir eine Copie. Namentlich erinnere ich
mich einer Suite für Orchester aus C Dur, die auch mit etlichem
Grave anfing, wonach ein All i kam, die bestimmt in Zelters Acten
sein muß. Diese wünsche ich vor allem, u. dann wie gesagt alle
ähnlichen Suiten, die Du dort eben für Orchester findest (d.h. für
mehr als blos 4 Saiteninstrumente; die blos für Quartett brauche ich
nicht).
Ferner brauch ich eine Copie des Concerto grosso in G dur
des Concertos für 3 Claviere in C Dur oder D dur (es existiert in
beiden Tonarten)
des Concerts für 2 Claviere in c moll
349
und des Concerts für 2 Claviere in C dür
TfTV
und des VioHn Concerts in a moll.
Von diesem letzteren weiß ich nicht gewiß, ob es Zelter hatte,
jedoch von allen vorhergehenden bestimmt.
Von allen diesen Sachen natürlich nur die Partituren.
Ferner hätt' ich gern die Partitur der Ouvertüre zu Brenno von
Reichard. Die ist aber nicht bei Zelter, u. es ist die Frage, ob Du
sie auftreiben kannst. Viel Belästigung mach Dir in keinem Fall
drum, u. viel tausend Dank hab im Voraus für Alles. -
Kannst Du von Friedrich d. Großen, außer der Ouvertüre zum re
pastore die ich besitze, etwas finden so leg es ebenfalls dazu, na-
mentlich hätte ich sehr gern ein Flötenconcert von ihm.
Ich schreibe heut in einer wahren Geschäftswuth, drum verzeih,
wenn wirklich ein Ochse gekommen ist, statt eines Briefes. Mei-
nen Neuigkeiten Sack leere ich bei Mutter aus. Du bist mir auch
noch einen Nibelungenbrief schuldig, Gere, mit Ansichten und
apercu's. Laß mich nicht zu lang daraufwarten. Was treibst Du?
Wie lebst Du? Ich dirigire soviel Abonnement- Concert, daß ich
selbst eigentlich zum Taktstock werde. Mme. Ole Bull ist auch
einzig.
Sag Paul, ich wäre gestern Abend wieder mit Wigand 24 im Tun-
nel 25 gewesen [. . .] Es gab Schoten mit Talg, und Blumenkohl mit
Seifenschaum. Ferner Pastetenteig, wo gar nichts drin steckte, und
ebensolche Reden, u. Toaste. Wir haben vor 2 Tagen das gelun-
genste Concert gegeben, das ich hier wohl erlebt. Aber wie gesagt
an Mutter will ich noch schreiben. Also Adieu. Verzeihen Sie etc.
etc. Dein Felix.
350
fanny an felix 26 Berlin, 9. Dezember 1840
Lieber Felix, ich will Dir sogleich Bericht erstatten, wie ich Deine
Commission ausgeführt. Erstlich sah ich im Adreßbuch nach Run-
genhagens Sprechstunde (Heinrich Beer hat auch eine) u. da ich
fand 7-8 Morgens u. 4 Uhr Nachmittags, so mußte ich versuchen,
ob er wohl auch zu einer andern Stunde sprechen könne, denn
von 7-8 ist meine Schlafstunde, u. 4 meine Freßstunde, ich ging
also getrost nach dem Caffee diesen Morgen hin, geschmückt mit
allen Reizen, die die Jahreszeit bietet, als: item: eine rothe Nase,
mit dem einen Eiszapfen dran, etc., u. warf mein Anliegen auf den
Herrn Rungenhägelchen, u. der erhörte mich, u. war sehr graziös,
u. meinte, er u. Alles was er besäße wäre zu Deinen u. meinen
Diensten. Gerathe jetzt aber nicht in Wuth, weil Du glaubst, ich
dächte, diese Partituren gehörten ihm, ich weiß recht gut, es war
nur eine Redensart von mir, sie gehören Zelter auch nicht, sondern
der Academie. Da ich nun in der Nebenstube Schülerinnen quiet-
schen hörte, sagte ich (ich besitze nämlich Lebensart) ich wolle
ihm das Verzeichniß der Sachen zuschicken u. wolle ihn nicht
ferner stören, er aber: ich lasse Dich nicht, schreibe nur hier die
Titel auf, u. darauf schmiß ich ihn aus Höflichkeit heraus zu seinen
Schülerinnen, nachdem er mir Papier u. Feder angewiesen hatte.
Eine Feder aber sage ich Dir, die war so grob, daß Zelter in seinen
gröbsten Stunden höflich dagegen war, Dur konnte man allenfalls
damit schreiben, aber moll gar nicht, u. dann lag ein blauer Lappen
auf dem Tisch, damit wischte ich sie ab, sie war früher noch nie-
mals abgewischt worden, auch glaube ich, seit dem sie der Gans
ausgerissen wurde noch nicht geschärft [. . .]
Als ich wegging, sah ich auf dem Ciavier stehn: Lieder ohne Wor-
te, dem Frl. v. Woringen zugeeignet, sehet, welch eine Liebe! [...]
felix an fanny 27 Leipzig, 22. Januar 1841
[. . .] Dir, liebe Fanny, danke ich vielmal für Deine Bemühungen
wegen der verlangten Manuscripte; was Du bei Empfang dieses
Briefes noch nicht hast abschreiben lassen, das bitte ich Dich nun
auch nicht abschreiben zu lassen. Es kam mir hauptsächlich auf
Futter für unsere historischen Concerte an; da aber eins derselben
351
schon vorüber ist, und im nächsten, kommenden Donnerstag,
schon bis Haydn vorgerückt wird, so kann ich die andern Sachen,
namentlich den Friedrich den Großen, jetzt nicht mehr brauchen,
u. danke Dir vielmal für alle Mühe, u. bedaure herzlich daß Du
mit so wunderlichen Leuten noch Belästigung u. Verdruß gehabt
hast, wie ich aus Deinem vorletzten Brief entnehme. Freilich ist es
das Schlimmste, daß die Philister gewöhnlich die wahren Philister-
tugenden niemals besitzen, und so confus sind, wie das göttlichste
Genie. Das es eigentlich auch gar nicht zu sein braucht. S. Hr. v.
Goethe et alia animalia -[...]
fanny an felix 28 Berlin, 29. Januar 1841
Lieber Felix! nachdem ich Dir die Nachricht gegeben, daß Rebek-
ka sich wieder einen Zahn hat ausziehn lassen, u. nun sich wohl
befindet, Gott gebe auf lange! denn es war gestern einmal wieder
ein schrecklicher Tag! will ich Dir von Eckerts Oratorium 29 be-
richten, das mich doch sehr überrascht hat, ich finde es für das
Alter namentlich, ein sehr schönes Werk. Um zuerst auf le moral,
wie der Franzose sehr französisch sagt, zu kommen, so war der
Saal etwa halb voll, u. er wird knapp auf seine Kosten gekommen
seyn, war indeß, als wir ihn nach der Aufführung sprachen, sehr
vergnügt. Die Chöre gingen vortrefflich, höchst brillant u. leben-
dig, das Orchester, so so lala, von den Solosängern war Mantius u.
Bötticher sehr gut, alles Andre schlecht, u. leider die Hauptparthie
höchst kläglich, so wie denn bekanntlich jetzt alle unsre Sängerin-
nen tragisch, komisch, brillant u. solide, durch die einzige Faßman
repräsentirt werden, der arme Eckert war auf die Hofkunz 30 ange-
wiesen, u. die that was sie kann, sie kann aber leider blutwenig.
Seine Schule verläugnet Eckert eben nicht, es hat uns sehr amüsirt,
wie er Dein Dirigiren, man kann eben nicht sagen, kopirt, aber
sehr gut angenommen hat, er hat es äußerst hübsch gemacht, sah
nett dabei aus, u. war voller Leben, was ich ihm früher am Wenig-
sten zugetraut hätte. Du mußt ihm etwas göttlichen Odem in die
Nase geblasen haben. Was nun die Musik selbst betrifft, da begeg-
net man Dir auf jedem Schritt und Tritt, das finde ich aber ganz
recht, da es selten zur förmlichen Nachahmung wird, u. da es doch
auch an originellen Zügen, u. sehr guter, tüchtiger Arbeit nicht
352
fehlt, das meiste Fehlerhafte drin scheint mir jugendlich, u. ich
glaube gewiß, er ist auf dem besten Wege, Dank sey es Dir, den er
denn auch wahrlich anbetet. Ich glaube, er wäre zur Stunde schon
ein recht tüchtiger Dirigent.
Sonntag hab ich, wie Du bereits von Mutter wissen wirst, Deinen
Psalm 31 singen lassen, der nach 2 Proben überraschend gut ging.
Es war ein, für die blaue Stube, imposanter Chor von 25 Personen
versammelt, u. er ist gerade jetzt sehr gut komponirt, so daß es
wirklich mächtig klang. Wir nahmen ihn zu Anfang, u. mußten
ihn am Schluß wiederholen. Wie freue ich mich darauf, Deinen
Lobgesang 32 einzustudieren! Bekomme ich ihn bald? [. . .]
Der Luise Nitschmann 33 habe ich, hoffend, daß Ceciles Eifersucht
nicht bei Nennung ihres Namens von neuem erwachen wird, in
Deinem Namen für einen rh. Holzmarken gegeben, u. werde,
wenn Du nichts dagegen hast, in einiger Zeit dasselbe thun. Von
uns bekommt sie Suppenmarken u. Arbeit u. so kann sie wenig-
stens existiren. Wenn es uns gelänge, aus diesem elenden Gerippe
wieder eine menschliche Gestalt herzustellen, so könnten wir
wirklich sagen, wir hätten ein gutes Werk gethan [. . .]
felix an fanny 34 Leipzig, 14. Februar 1841
Salut et fraternite, Fenchel!
Hast Du den zornigen Brief gelesen, den der chinesische Kaiser
aus Lin mit dem carmoisinrothen Pinsel geschrieben hat? Wäre
dergleichen bei uns Mode, so schriebe ich Dir heut mit dem gras-
grünen Pinsel, oder mit dem Himmelblauen, oder wie sonst der
vergnügte Pinsel sein möchte, als Dank für Deine u. Sebastians
vortreffliche Episteln 35 , zu meinem u. Carlchens Geburtstag 36 .
Schönen Dank, mein lieber Fenchel, schönen Dank, mein alter
Junge. Auch für Dein gutes, freundliches Interesse am getreuen
Eckert habe noch nachträglichen Dank; wohl ist er schonjetzt ein
braver, brauchbarer Musiker, und weiter sollte sich eigentlich nach
meiner Meinung (die ich zuweilen 24 Stunden lang beibehalte)
kein Mensch um den andern kümmern; ob einer außerordentlich,
einzig u. dgl. wird, ist eine reine Privatangelegenheit. Brav und
brauchbar soll aber ein jeder in der Welt sein; und wer's nicht ist,
auf den soll und muß geschimpft werden, vom Schuster bis zum
353
Hofmarschall. Wenn Eckert nur jemals dem Einfluß der Fürst-
wirthschaft entwachsen lernte, so würde er gewiß was Besseres
werden, u. machen; aber das ist freilich ein Punct, über den schon
das leiseste, indirecteste Wort ein Unrecht wäre, u. wenn er's nicht
selbst fühlen lernt, daß das eine böse Wirthschaft ist, so wird er das
halbe, mattherzige Hofrathwesen sein Lebenlang nicht los wer-
den. Von allen jungen Leuten die ich hier gehabt u. gesehen habe,
ist er der gutmüthigste, u. durch u. durch argloseste - das sind zwei
herrliche Eigenschaften.
Ja, von Deinen Sonntagsmusiken schreib mir nur gar nichts mehr,
es ist ja eine Sund u. eine Schand 37 , daß ich sie nicht selbst gehört
habe, und mir läuft jedesmal das Ohr voll Wasser (wieder ein
unappetittliches Bild), wenn ich von all Deinem schönen Musik-
machen erzählen hören muß. Bedanke mich auch für die schöne
Aufführung meines Psalms; Du hast gewiß Grell dabei übergan-
gen! der Lobgesang soll mit nächstem seine Aufwartung machen;
Mme. Decker wird das Recitativ recht bitter losschmettern. Einen
schönen Briefstengel schreibt Rungenhagen aber, u. dabei muß ich
ein Paar Zeilen an Mutter einschalten.
»Liebste Mutter! Tausend Dank für all Deine Mühe, u. für den
Rungenhaglichen Brief, den ich vorgestern nach Abgang des mei-
nigen erhielt. Ich sagte Dir darin schon, daß ich jetzt nichts mehr
brauche, u. alles von Dresden habe; doch bitte ich Dich, wenn Du
ihm wiederschreiben oder ihn sprechen solltest, zu bemerken, daß
mir allerdings bei den Chor- und Solostimmen, welche Du mir
geschickt hast, mehrere gefehlt haben, und daß ich also, wenn sich
die besagten 39 überzähligen Stimmen der Sing-Akademie als die
meinigen ausweisen sollten, dieselben oder eine Abschrift davon,
wie er es anbietet, wohl in Anspruch nehmen würde. Indessen
bliebe das besser bis ich einmal selbst nach Berlin wiederkäme, u.
die Stimmen vergleichen könne. Auch wäre es möglich, daß ich
die Orchesterstimmen noch für dies Frühjahr brauchen könnte,
jedoch unwahrscheinlich; u. deshalb dankte ich für jetzt nur für
die freundliche Absicht, sie mir zu leihen, ohne daß ich davon
Gebrauch mache.« -
Wenn ich mich aber ärgere, daß ich Deine Sonntagsmusiken nicht
höre, so ist's auch ärgerlich, daß Du keines unserer recht brillanten
Abon. Concerte hörst. Ich sage Dir, wir glänzen unendlich, in ben-
354
galischem Feuer. Neulich im letzten histor. Concerte, Beethoven,
wurde plötzlich Hr. Schmidt 38 krank, u. konnte den Liederkreis an
die ferne Geliebte nicht singen; mitten im ersten Theile sagt David
»da oben sitzt die Devrient« 39 , die war den Morgen mit der Eisen-
bahn gekommen, u. mußte 40 den nächsten Morgen wieder zurück.
Ich geh also in der Pause hinauf, mache mich niedlich, u. sie will
die Adelaide singen; hierauf wurde ein altes Ciavier aus dem Vor-
zimmer aufs Orchester gebracht, das wurde 4mal applaudirt, weil
die Leute die Devrient ahndeten 41 , hieraufkam sie in einem sche-
bigen 42 Reisecostüm, u. Leipzig jubelte, wie toll, u. brüllte unend-
lich; sie nahm ihren Hut vor Publico ab, u. wies verschämt auf den
schwarzen Überrock, u. ich glaube sie applaudieren noch. Dann
sang sie schön, u. man blies Tusch, u. klatschte bis vom Überrock
keine Schleife mehr zu sehen war, dann wurde das Ciavier wegge-
bracht, dann ging die d Symphonie los; vortrefflich im ersten Stück;
aber ein fataler Unfall störte das 2te u. den frischen Fortgang des
Ganzen übrigen: plötzlich im Trio d dur kommt das Hornsolo
nicht, auch gar kein Versuch dazu, endlich muß es David auf der
Geige spielen - kurz der erste Hornist ist mitten in der Aufführung
so krank geworden, daß er das Hörn nicht mehr halten kann, be-
täubt da sitzt, u. nach dem Scherzo in einer Portechaise nach Haus
getragen werden muß. So was wirkt denn unwiderstehlich aufs
ganze Orchester ein. Das nächstem, würfeln wir wieder Molique,
Kalliwoda u. Lipinsky durcheinander u. sind also, nach Francks
gutem Witz, von Adam bis Holtei gelangt.
Fenchel, morgen ist Taufe! 43 Mein Kopf ist voll Choc. u. Prophe-
tenkuchen, sagt Cecile eben. Gestern kam Mühlenfels' Brief, nun
ist morgen Taufe. 25 Personen incl. den Pastor u. uns 2, exclusive
die Hauptperson, u. deren Geschwister. Er muß Paul, Felix, Abra-
ham heißen, sagt Cecile eben wieder. Die Gevattern hab ich im
gestrigen Brief an Paul benannt; leider kann Mühlenfels nicht bei
uns wohnen, weil fast auf jeder Stube eine Amme oder ein Kind
jetzt bei uns kommt. Eben liest mir Cecile einen sehr groben Brief
vor, den sie an Dem. Marggraf geschrieben hat, weil die immer
noch nicht die versprochene Haube zu morgen geschickt hat. Das
ist doch recht grob! sagt sie, u. freut sich über ihre Bosheit. Es ist
aber an der Sache nichts. Sie hat sich das mausgraue Kleid von
Mutter zur Taufe machen lassen. Adieu. Felix. 44
355
fanny an felix Berlin, 2. März 1841
Es ist wol in den Jahrbüchern unsrer Correspondenz noch nicht
da gewesen, daß ich erst in der dritten Woche auf einen Deiner
Briefe geantwortet hätte, lieber Felix, aber bei uns stand Alles auf
dem Kopf, oder war vielmehr, wie Humboldt sagt, horizontal. Als
Dein Brief ankam, lagen wir Beide, mein Mann u. ich, krank zu
Bette, ich habe mich rasch wieder herausgemacht, mein Mann
aber war recht übel dran. Dann kam die Reihe an Beckchen, und
an meinen armen Bax, der zehn Tage mit offnen Frostwunden an
beiden Füßen dagelegen, u. erst seit vorgestern wieder einiger-
maßen auf denBeinen ist. Er hat sich diesen Grad des Uebels meist
durch seinen Fleiß zugezogen, da er schon die letzten 14 Tage nur
mit Mühe nach der Schule hinkte, u. dennoch nicht zu bewegen
war, auch nur einen Tag zu fehlen, er hat nun 8 Primusstellen
eingebüßt, u. wenn Du Dich noch aus Deiner Schulzeit erinnerst,
was das für einen Jungen heißen will, so wirst Du Dich nicht
wundern, daß es bittre Thränen kostete, als wir ihn endlich zwan-
gen, zu Haus zu bleiben. Der Winter ist aber auch endlos hart u.
böse, ich versichere Dich, die Schneemassen, die wir nun schon
seit vier Monaten ununterbrochen im Garten hegen sehn, ermü-
den meine Seele noch mehr als meine Augen. Noch jede Nacht
gefrorne Fenster, am Tage ein bischen nothdürftiges Thauwetter
in der Sonne [...] Uebermorgen findet wieder ein sogenanntes
Dilettantenconcert statt, ziemlich als moutarde apres diner, da
doch hoffentlich die größte Noth für diesmal vorüber ist. Ich wer-
de Dein Trio 46 spielen, eigentlich hätte ich sollen für den Concert-
saal die Serenade 47 wählen, aber die hegt mir gar nicht fingerge-
recht, u. ich habe sie noch nicht können spielen lernen, während
das Trio, das vielleicht nicht weniger schwer ist, mir bequem hegt,
u. da ich das öffentliche Spielen doch gar nicht gewohnt bin, so
muß ich dazu etwas wählen, das mich nicht beunruhigt. Diese
Sorge wird übermorgen beseitigt seyn, dann kommt eine große
Andre. Ich weiß nicht, ob eins der Geschwister Dir schon geschrie-
ben hat, daß wir zu Mutters Geburtstag eine fete monstre beab-
sichtigten, wozu wir drei Familien uns vereinigen wollen. [. . .] Wie
ist es aber mit Euch? kommt Ihr? wann kommt Ihr? Die Garten-
wohnung über uns, die Paul für den Sommer gemiethet hat, steht
356
zu Eurem Empfang bereit, sobald Ihr Euch meldet. - Wenn Du
bedauerst, unsere Sonntagsmusiken nicht zu hören, so bedaure ich
wol mit etwas mehr Recht, Eure Concerte nicht zu hören, Deinen
Lobgesang hätte ich gar zu gern einmal mit Orchester gehört.
Wenn Du übrigens herkommst, soll Dir die beste Sonntagsmusik
vorgeritten werden, zu der ich fähig bin, obgleich ich schon heut
sehe, wie ich mich ängstige, u. gar nichts anzufangen weiß, u. Dich
zu allem um Rath frage, obgleich ich mich recht gut zu behelfen
weiß, wenn ich allein bin. [. . .]
felix an fanny Leipzig, 13. März 1841
Liebe Fanny,
ich kann nicht zum Geburtstagsfest 49 kommen, das ist eine ver-
drießliche Nachricht, die ich Dir als Comitechef melden will, da
es einmal nicht zu ändern ist. Wie gern ich in Eure Fete hineinge-
schneit wäre, brauche ich nicht erst zu sagen; hatte ich mich doch
zuerst angemeldet u. selbst eingeladen, u. glaubte ich doch den
ganzen Tag nachher steif u. fest, ich würde es möglich machen
können. Nun reist aber David nächste Woche nach London, daher
muß heut die letzte Quartettsoiree sein, Dienstag ist wieder Probe,
Nachmittags, Mittwochs Pr. mittags, etc., etc., kurz - es geht eben
nicht, u. ich muß leider, leider den schönen Gedanken aufgeben.
Im April hoffe ich vielleicht auf ruhigere, längere Zeit kommen zu
können, aber auch das Hegt noch in weitem Felde, u. den guten
Geburtstag hätte ich gern vorweg geschnappt. Wie gesagt, es geht
nicht [. . .]
fanny an felix 50 Berlin, 13. Juli 1841
[...] Mit den Liedern von der Lang 51 nun ist es wieder einmal
komisch gegangen. Mehrere Tage vorher hatte mir Trautwein ein
Pack neuer Sachen geschickt, u. just den Tag ehe Paul zurück
kommt, spiele ich es durch, finde, nach vielen Neuigkeiten, bei
denen ich nicht über die ersten zehn Takte fortkommen kann, die
Lieder der Lang, die mir so gut gefallen, daß ich sie spiele u. wieder
spiele, u. mich nicht davon trennen kann, u. sie endlich bei Seite
lege, um sie zu behalten, den ganzen Tag habe ich besonders das
357
eine Altlied gesungen u. allen Leuten davon erzählt, da kommt
Paul den andern Morgen, u. bringt sie mir von Dir. Es war mir
ordentlich angenehm, daß mich das Schicksal diesmal davor be-
wahrt hatte, ein Papagei zu seyn, wenn ich Dein Urtheil über
etwas kenne, bin ich immer ungewiß, ob ich nur nachfinde, oder
wirklich auch finde. Die Sachen sind so recht musikalisch in tief-
ster Seele, die Modulationen oft so sinnreich u. eigen, daß ich
große Freude daran habe. Wenn ich sie in München kennenge-
lernt hätte, würde ich ihr gewiß schreiben, um ihr das auszuspre-
chen. - Hier haben wir jetzt die Pasta 52 , die [...] eine sehr liebens-
würdige, freundliche, einfache, wirklich angenehme Frau ist. Auf
der Bühne habe ich Norma, u. einige Scenen aus Othello u. Semi-
ramis von ihr gesehn. Norma war, schon als ganze Vorstellung, bei
Weitem das Bedeutendste. Ich kann Dir nicht sagen, wie freudvoll
u. leidvoll mir dabei zu Muthe war. Ihre Meisterschaft ist ganz
außerordentlich, die Nuancen in der Stimme, namentlich ein ge-
waltiges Crescendo, ihre Art Rezitativ vorzutragen, deren Du
Dich ja gewiß erinnerst, einzig, die nobelsten u. geschmackvoll-
sten Verzierungen [. . .], nun aber haben die Mängel der Intonation,
die sie immer soll gehabt haben, dermaßen zugenommen, daß sie,
namentlich in den tiefern Tönen fast fortwährend zwischen einem
8tel u. einem 4tel Ton zu tief singt, was das für eine Qual ist, das
kann man nicht aussprechen. Es ist so arg, daß man zuweilen ganz
in Verwirrung geräth u. nicht mehr weiß, was man hört. Nun muß
man sich also fortwährend über dies Leiden hinwegarbeiten, um
zur Bewunderung ihrer Größe zu gelangen, daß dabei kein eigent-
licher Genuß stattfinden kann, denkst Du Dir wol, u. doch hatte
sie in der Norma Momente, die ich nie vergessen werde. Ihre
hohen Töne sind übrigens viel reiner, u. je länger sie singt, je mehr
klärt sich ihre Stimme. Daher sind auch [. . .] ihre größten Enthu-
siasten die nicht-Musikalischen, z.B. mein Mann, der förmlich
böse wird, wenn mich ihr unrein Singen stört. [. . .] Ich höre von
einem neuen Psalm 53 von Dir, der wunderschön seyn soll, u. von
ernsthaften Variationen 54 , auf die bin ich denn sehr neugierig [. . .]
358
felix an fanny und rebecka Leipzig, 20. Dezember 1842
Liebe Schwestern,
Die Symphonie 56 kam vor wenig Tagen. Die würde sich Mutter
haben von Euch vorspielen lassen. 57 So schicke ich sie denn auch
jetzt noch. Ich habe kein ordentliches Weihnachtsgeschenk; es ist
mir noch gar zu wüst im Kopf, und mein erster Gang in die Stadt
heut früh (um einen Baukasten u. eine Fibel zu kaufen) hat mich
so müde gemacht, daß ich nichts thun kann, als auf meinem Zim-
mer sitzen, u. Blasinstrumente schreiben, u. denken, wie es vor
einem Jahr war etc. etc. Nehmt heute mit dem guten Willen vor-
lieb. Ein Fest für uns ist es diesmal doch nicht. Bleibt mir gut. Euer
Felix MB.
felix an fanny 58 Leipzig, 13. Januar 1843
Liebe Schwester
Ich wollte Dir schon lange mal ordentlich schreiben, aber jetzt habe
ich es verschoben, bis eine langweilige Geschäftssache mich dazu
zwingt. Verzeih mir das. Ich brauche nämlich die beiden Partituren
welche E. Ritz von dem es dur und dem g dur Concert von Beet-
hoven gemacht hat, und muß Dich bitten, sie mir sobald als mög-
lich zu schicken. Sobald ich kann schicke ich sie dir zurück; es ist
nicht für mich selbst, sondern für Jemand anders, der sehr damit
eilt, deshalb bitte ich Dich auch meinen Wunsch unverzüglich zu
erfüllen u. die Sache der Eisenbahn oder Fahrpost zu übergeben.
Wir leben hier so still fort, und wenn's noch stiller wäre, wär's
noch besser. Die Tage, wo wir uns gar nicht aus dem Hause zu
machen brauchen, als eben zum Spaziergang, und niemand sehen
und von nichts hören, sind die besten. Aber deren sind leider nur
wenige; die Geschäfte und Arbeiten (äußerliche) drängen sich
auch diesmal wieder sehr, und machen mich recht wüst. Wogegen
das ruhige Notenschreiben, in dem kleinen Kämmerchen, das ich
mir dazu eingerichtet habe, mein bestes und einziges Trost- und
Erfreuungsmittel ist. Ich hatte, wie ich Dir schon früher schrieb,
zum Glück die ganze Walpurgisnacht umgeschrieben 59 , aber blos
den 4stimmigen Chor, weil es in 8 Tagen gesungen werden sollte,
und die Proben schon angefangen hatten; nun war noch das ganze
359
Orchester aufzuschreiben, und die Masse kleiner Details, die da
hineinkommen müßten, waren das erste und einzige, wie gesagt,
was mich beschäftigte, nicht blos scheinbar. Sie ist jetzt längst fer-
tig, und ich glaube, selbst Du, die das Frühere so genau kannte,
wie keine Seele außer mir, wirst Dich wundern, wie unglaublich
das Ganze nun besser geworden ist. Ich kann jetzt den Gedanken
gar nicht leiden, daß irgendjemand es in der ersten Bearbeitung
kennt; denn alles, was gut drin war, und geblieben ist, bekommt
erst seine rechte Bedeutung, indem das Mangelhafte und Verfehlte
weggefallen und ersetzt ist.
Das bringt mich nun wieder auf die alte Bitte, uns bald mit Seba-
stian zu besuchen. Die Tage mit Dirichlet u. Walter 60 waren rechte
Lichtpuncte; gönnt uns bald ähnliche. Wir wollen Dir nicht blos
die Walpurgisnacht, sondern alles, was Du gern hören willst, auf-
führen; unabhängig vom Repertoir. Dies letztere wird in diesen
Tagen fertig gemacht, bis Ende des Winters, und ich schicke es
dann Dir und Paul damit Ihr Euch wie ich hoffe, eines oder das
andere aussucht, was Ihr hören wollt. Sage das dem Paul. Und sieh
zu, daß Du unsere Hoffnung erfüllen kannst. Und hat Sebastian
seine Bedingungen gehalten? Ich laß ihn fragen. (Bitte aber zu
bemerken, daß ich ihn auch im anderen Fall erwarte; - das darf er
freilich nicht wissen.)
Wäre ich Du, ich persuadirte Hensel, den Malstock u. die Palette
mal ein Weilchen bei Seite zu stellen, und käme mit Mann u.
Maus, ich meine mit Kind und Kegel, ich meine mit ihm u. dem
Hähnchen - Du verstehst schon.
Eine neue Symphonie von einem Dänen, namens Gade, 61 haben
wir gestern probirt, und bringen sie im Laufe des nächsten Monats
zur Aufführung, die mir so viel Freude gemacht hat, wie seit langer
Zeit kein neueres 62 Stück. Der hat ein großes, bedeutendes Talent,
und ich möchte, Du hörtest diese ganz eigenthümliche, sehr ernst-
hafte, durch u. durch interessante u. wohlklingende dänische Sym-
phonie. Ich schreibe ihm heut ein Paar Zeilen, obwohl ich gar
nichts weiter von ihm weiß, als daß er in Kopenhagen lebt, und 26
Jahr alt ist, doch muß ich ihm für die Freude danken; es giebt
wirklich kaum eine bessere und schönere neue Musik 63 zu hören,
u. sich mit jedem Tact mehr zu verwundern, u. doch mehr zu
Haus zu fühlen. Käme es nur nicht so selten.
360
Zwei hübsche grüne Goldschnitteinbände hab ich mir aus den
Compositionen von Dir machen lassen, die ich hatte. Du könntest
mir wohl etwas von den neuen auch mal copiren lassen; es freut
mich so sehr. 64 Grüße alle die deinigen u. alle im Hause u. in der
Jägerstraße. Dein Felix.
fanny an felix Berlin, 17. Januar 1843 65
[. . .] Wir leben wie Ihr, still, Woche um Woche bei Dirichlets, u.
uns des Abends. Wenn wir so über den Hof gehn, an der Treppe
vorbei, die wir so viele Jahre täglich auf u. abgestiegen sind, das ist
immer ein bittrer Moment, u. wenn die immer hellen Saalfenster
dunkel da stehn. Wir haben gute Zeit gehabt, u. eine frohe Jugend,
wie Wenige, u. es vergeht keine Stunde, in der ich nicht dankbar
gerührt daran zurück dächte. [. . .] Dabei ist unser Haus jetzt so sehr
einsam, u. namentlich das Gartenhaus nur allein von uns bewohnt,
daß wir uns mehr als gewöhnlich einschließen, u. ich doch zuwei-
len das Gruseln nicht lassen kann, namentlich wenn es stürmt, u.
Alles klirrt u. klappert u. rasselt, als wollte es Einem über den Kopf
zusammen fallen.
Was Du mir von dem dänischen Componisten schreibst, ist ja sehr
interessant, der wird sich gefreut haben über DeinenBrief. Es thäte
Noth, daß wir einmal wieder ein großes Talent bekämen, es ist gar
zu wenig Nachwuchs da. Auf Deine Umarbeitung der Walpurgis-
nacht bin ich auch sehr neugierig. Du weißt, wie schwer ich aus
Gewohnheit dieser Art herauskomme, ich will mir aber alle Mühe
geben. Wenn Du mir nur mein schönes Alt-Solo hast stehn lassen,
womit ich, als junge Frau, als alte Frau, so viel Glück gemacht
habe, die Erinnerungen an solche Triumphe verwischen sich nicht.
- Ich wußte gar nicht, daß Du so viel Sachen von mir hättest, um
2 Bände zu füllen, ich werde Dir gewiß, da Du es wünschest,
wieder Material liefern, ich weiß ja ungefähr, was Dir gefällt. [...]
felix an fanny 66 Leipzig, 11. Februar 1843
Liebe Fanny,
diese Zeilen schreib ich um Dir zu sagen (nicht ohne Ingrimm)
daß das nächste Abonnement- Concert eins der schlechtesten, wo
36i
nicht das schlechteste wird, das wir in dem ganzen Winter gege-
ben haben, und daß ich Dich also zum Concerte in der nächsten
Woche nicht einladen kann. 67 Erlaß' mir die schriftliche Erzählung
aller Umstände die uns zwingen statt der d moll Symphonie von
Beethoven die a dur von Pape 68 , und statt der Bachschen h moll
Messe eine Cavatine von Donizetti aufzuführen - genug, es ist so,
u. ich hab's nicht ändern können. Nun entscheide Du, ob Du
lieber zu meinem 69 schlechten Concerte aber recht bald (was auch
sein Gutes hat) oder zu einem besseren Concerte, aber eine Wo-
che später kommen willst (was sein Unangenehmes hat). 70 Ist Dir's
um das Musikhören zu thun, so müßte ich allerdings zu der
nächstfolgenden Woche rathen, da wir am 23ten das ArmenCon-
cert haben, welches in jedem Fall interessanter wird, und in wel-
chem wir auch wahrscheinlich etwas von mir wenn nicht aufFüh-
ren doch probiren können. Sie sprechen von einer Wiederholung
der Walpurgisnacht, an die ich jedoch bis jetzt nicht glaube; - Julie
Schunck würde auch wohl gegen die Woche später nichts einzu-
wenden haben, - aber wie gesagt, wir haben etwas dagegen einzu-
wenden, weil wir Euch je eher je lieber bei uns haben möchten.
Nun entscheide, und lass mich in zwei Zeilen wissen, ob Dienstag,
ob Dienstag über 8 Tage.
Bring mir doch von Dirichlet die ungebundenen Hegeischen
Werke mit, die er für mich liegen hat. Bitte, vergiß es nicht. Und
sage Paul, sein Geld hätte ich selbst in das Schuncksche Comptoir
gebracht, und Julien gebeten, es per Post zu schicken.
Ist der Dieb heraus? 71
In der Leipz. Allgem. Zeitung steht ein Artikel, man habe einen
frechen Einbruch in der Wohnung des Prof. D . . . bei Nacht ge-
wagt: die Polizei habe ihn 8 Tage zuvor gewarnt, u. 8 Tage lang
habe man alle Vorsichtsmaßregeln angewendet; aber da niemand
erschienen sei, so habe man am <)ten die Wächter verabschiedet,
u. in derselben Nacht sei der Einbruch verübt worden. Ich habe
die Geschichte aus guter Quelle anders gehört, u. erzählt; auch
verlängere u. verkürze, verdicke u. verdünne ich das Brecheisen
fortwährend nach Umständen. - Mit oder ohne Spas bleibt die
Sache aber höchst abscheulich.
Grüß Alle, Alle! Lebwohl. Dein Felix MB.
362
felix an fanny Leipzig, 4. April 1843
Liebe Fanny!
Ich muß auf Dein freundliches Briefchen 73 ein Lebenszeichen von
mir geben; viel mehr wird heut nicht werden; Cecile und die Kin-
der sind wohl und munter; ich war gestern in Dresden u. bin heut
früh wieder zurück, übermorgen muß ich wieder dahin, und muß
bis zum Sonntag dort bleiben. Es war mir schon sehr hart ange-
kommen, gestern auf 24 Stunden aus dem Hause zu gehen 74 , wie
es übermorgen schmecken wird, daran will ich gar nicht denken.
Indeß, ich habe mein Versprechen gegeben und muß also dran es
zu halten, schwer oder nicht schwer; und da sich Cecile schon um
14 Tage verrechnet hat, so denke ich am Ende, sie kann sich viel-
leicht um noch 14 Tage verrechnet haben; und endlich hat uns ja
Gott so gut und gnädig durch diese Zeit 3 mal hindurchgeführt,
und da darf ich ja auch hoffen, daß er es diesmal wieder thun
werde! - Aber schwer wird's doch, von Hause wegzugehen, das
kannst Du denken; in den 2 gestrigen Proben war ich mehr mit
den Gedanken zu Hause, als in der Musik. Doch singen sie den
Paulus wunderschön, und ich hatte große Freude an den herrli-
chen frischen Chören, die ich nirgends besser u. lebendiger gehört
habe.
Am Freitag Abend nachdem ich des Morgens an Paul geschrieben
hatte, ist meine damals geäußerte Befürchtung zu unserem großen
Schmerze eingetreten. Der Onkel Schunck ist gestorben, und sei-
ne Kinder, die nun von Schlesien u. England herbeieilen erhalten
unterwegs die Nachricht; doch versammeln sie sich nach und nach
hier. Es ist auch für uns ein großer, unersetzlicher Verlust, der mir
von ganzem Herzen nahe geht, und den ich nicht sobald verwin-
den werde.
Nun laß mich noch Deine Fragen beantworten. Über den Artikel
von Berlioz kann ich Dir nichts sagen, denn ich habe seit ich wie-
der hier bin keine musikalische Zeitung gesehen, und mag auch
keine sehen. Herrn Lecerf habe ich aber bei seiner Durchreise
gesehen, und lange ehe Dein Brief kam schon von ihm ein Schrei-
ben wegen der Pohlenzischen 75 Stelle erhalten. Ich habe bei der
Besetzung nicht im mindesten mitzureden, aber daß sich schon
20-30 Bewerber von nah und fern gemeldet haben weiß ich, und
363
zweifle daß unter ihnen gerade Lecerf gewählt werden wird, weil
er wie er selbst sagt, kein bedeutender Orgelspieler ist, und darauf
gerade am meisten ankommt.
Am Sonntag d. 3ost. April soll das Bachsche Denkmal eröffnet
werden, so Gott will. Meine Absicht ist, den Abend vorher im
Gewandhause ein großes Concert zu geben, mit Chören aus der
h moll Messe, Solostücken, Orchestersachen etc. von ihm; am
Sonntag Morgen nach der Kirche noch Orgelcompositionen von
ihm in St. Thomas zu spielen, dann eine Motette von ihm singen
zu lassen, und dann in einer Art Zug aus der Kirche an das Denk-
mal zu gehn, wo der Rector der Schule, einige Stadträthe, u. wer
sich sonst berufen fühlt, Reden halten, die Thomaner etwas sin-
gen, und das Denkmal eingeweiht sein soll. So Gott will, so Gott
will!
Bist Du denn jetzt mit dem Frühjahr zufrieden? Schöner können
doch Knospen, Regen, Sonnenschein, Gewitter u. Südwinde nicht
ineinander verschmolzen sein, wie in diesen Tagen hier. Und der
einzige Vogelsang dazu!
Nun lebewohl; grüß Beckchen viel tausendmal, grüß Mann u.
Hähnchen und das ganze Haus von Deinem Felix.
fanny an felix Berlin, 2. Mai 1843
Lieber Felix! Diese Zeilen erhältst Du durch Herrn Gounod, 77
unsren römischen, u. Hausers Wiener Freund. [...] Sey ihm so
freundlich, als es unter den grade obwaltenden Umständen mög-
lich seyn wird, er hat gute Zeit mit uns verlebt, u. ist ein talentvoller
Mensch. [. . .] Ist es denn wahr, hebe Cecile, daß Du die schönste
Rococo Porzellanuhr vom König v. Sachsen bekommen hast? So
wurde uns erzählt. Ach Leute, man hört gar nichts von Euch, Ihr
schreibt so wenig, daß es ein Jammer ist. Es heißt auch, Du kämest
in diesem Monat her, was dürfen wir hoffen [...]?
felix an fanny 78 Leipzig, 2. Mai 1843
Liebe Fanny,
Gestern Abend 1/2 n Uhr wurde Cecile von einem gesunden
Knaben 79 glücklich entbunden. Es geht ihr und dem Kinde Gott
364
sei Dank so wohl, wie man nur irgend wünschen und hoffen kann.
Sie aß noch um 9 mit mir zu Abend, und obwohl sie den ganzen
Nachmittag es schon geahndet hatte (wie sie mir heut sagte) so
wollte sie nichts davon merken lassen, und ich merkte auch wirk-
lich nichts, weil sie umherging, schrieb, las, und ganz wie gewöhn-
lich vergnügt war. Um 1/4 auf 10 fing sie an zu klagen, und in
weniger als anderthalb Stunden war das gesunde, dicke Knäblein
da, das dem Paul, wie er damals war, aufs Haar gleicht, und seinen
Eintritt in die Welt auch ebenso schnell und geschickt gemacht hat.
Als Dr. Hammer kam, war er schon gebadet und lag in der Wiege;
Cecile freut sich an seinem Athmen, und Schnarchen und Niesen,
und sie ist so heiter und so wohl, daß ich heut wie alle Tage nur
Gott danken kann, mir nichts zu wünschen weiß. Gott erhalte es
so, daß ich Euch in der ganzen Zeit immer mit so glücklichem,
leichtem Herzen schreiben kann, wie heut.
Dieser Brief ist an die Geschwister mit, und nur an Dich, als unser
jetziges Familienoberhaupt gerichtet. Sage die frohe Botschaft
gleich an Onkel Joseph und die Tante, und an Benni und Alexan-
der mit ihren Frauen, und grüße sie alle aufs Herzlichste von mir!
Ich schreibe morgen wieder an Dich oder an Becken, und will wo
möglich Euch jeden Tag Nachricht schicken. Immer Dein Felix.
felix an fanny 80 Leipzig, 7. Mai 1843
Gott sei Dank es geht so musterhaft wohl, wie man sichs nur
irgend wünschen kann. Cecile ist so munter, und sieht so rund u.
heiter im Gesicht aus, und die Augen blicken so froh, daß es eine
einzige Freude ist; u. der Kleine erfüllt alle seine Pflichten voll-
kommen. Ich kann Dir heut nur eilig schreiben, doch wollte ich
Euch gern nicht länger ohne Nachrichten lassen. Hab tausend
Dank für Deinen freundlichen, confusen Brief, mit u. ohne Gou-
nod, halb von Beckchen etc. G. ist noch nicht zu sehen gewesen,
also der Kaiserauftrag noch unausgeführt. Wohl haben wir ein
Wunder-Rococo-Werk von einer Porzellan Uhr vom König v. S. 81
bekommen; ich soll sie beschreiben; aber ich sage mit dem alten
Schadow: Warum kommst Du nicht u. siehst sie Dir an? Und so
Gott will kommst Du ja bald, und da werd ich dem Augenschein
nicht vorgreifen. Eben geht Claus weg, u. sagt: »das nenn' ich mir
365
doch einmal eine gesunde Wöchnerinn!« So erhalte es der Him-
mel! Auf baldig frohes Wiedersehen! Dein Felix. Grüße Alle.
felix an fanny Leipzig, 13. November 1843
Liebe Fanny
Glückwünsche, allerherzlichste, allerfröhlichste soll der Brief brin-
gen, und soll Dir am morgenden Tag, wo alle die Deinigen sich
Deiner u. Deines Lebens freuen auch uns Leipziger als die Deini-
gen ins Gedächtniß zurückrufen! Sei gesund u. glücklich u. verän-
dere Dich nicht, u. es verändere sich um Dich nichts - das sind ja
die einzigen Wünsche, die man sagen kann! Gar zu gern wären
wir schon zu Deinem Geburtstage in Berlin gewesen; aber es war
durchaus nicht einzurichten. Mariechen hat uns vergangene Wo-
che einen rechten Schreck gemacht; wir glaubten, sie hätte das
Scharlachfieber, das hier sehr grassiert. Zum Glück war es aber nur
ein Abend u. eine Nacht, daß die Möglichkeit da war; am nächsten
Morgen hatte sie so ruhig geschlafen, u. befand sich soviel besser,
daß wir alle Besorgnisse fahren lassen konnten; aber es war ein
schlimmer Abend! Seitdem ist sie mit jedem Tag besser geworden,
u. nur ein entsetzlich starker Schnupfen ist zum Vorschein gekom-
men, der das Kind ganz knorrig u. verdrießlich macht. So Gott
will, wird sie bald wieder ihre alten Farben, und ihre alte Munter-
keit bekommen, und dann denken wir nächste Woche, eben Mitt-
woch oder Donnerstag über 8 Tage in Berlin einzubrechen.
Heut ging B. Souchay 83 hier durch; der war noch ganz entzückt
von Eurer Freundlichkeit u. namentlich von Deinen Sonntagmor-
gensoireen und dem musikalischen 2ten Teile des Faust. 84 Werde
ich den und die nun auch bald zu hören bekommen? Sag ja, Fen-
chel! Geburtstagsfenchel, Cantorgesicht, Drude, Catomutter, lebe-
wohl, auf baldig Wiedersehen! Bleibe mir gut, denk unser am
frohen Geburtstag und habe Dank, daß Du so bist, wie Du bist. -
Poetisch klingt das nicht, aber wahr ists. Immer u. ewig, Dein
Felix.
366
felix (und cecile) an fanny 85 Leipzig, 21. November 1843
Auch ich vereinige meine Bitte um Allmosen mit denen von
Cecile, meine hebe Fanny; Wir reisen Sonnabend um 11 von hier
ab 87 u. denken also so Gott will gegen 7 dort zu sein. Bitte besorg
uns einen Wagen an die Eisenbahn, in den ich die Kinder u.
Sachen packen u. so baldmöglichst in der Leipziger Str. sein kann.
Unsere Möbel u. Geräthschaften sollen Mittwoch d. 29sten an-
kommen, so verspricht uns der Spediteur. Vielleicht schick ich
schon einiges voraus. Über die Stellung der Betten hat Cecile vor
wenig Tagen an Paul geschrieben; ich aber möchte Dich noch
bitten, das blaue große Zimmer mit den Sachen, die von uns noch
dort geblieben sind (dem Sopha, den Stühlen etc. etc.) möglichst
voll zu machen, damit es etwas meublirt aussieht, wenn wir hin-
eintreten. Du verstehst mich schon; nur so hin u. her etwas zum
Schein, wie man's damals in Rußland mit der Kaiserin machte; in
den übrigen Stuben braucht nicht ein Stuhl zu stehen. Vielleicht
können die Kupferstiche schon morgen mit der Eisenbahn abge-
hen - gepackt sind sie meistens schon. In diesem Falle würde ich
sie an Dich adressiren u. Dich u. Hensel dringend bitten, sie noch
vor unserer Ankunft im blauen Zimmer aufzuhängen. Womög-
lich die classischen auf die Hauptwand den Fenstern gegenüber,
u. die Roberts [. ..] 88 u. sonstigen modernen auf die anderen
Wände vertheilt. Die Scheindrucke u. Londoner Ansichten hätte
ich nicht gern im blauen Zimmer. Überhaupt wenn noch etwas
für die anderen Zimmer bliebe, desto besser. Aber alles das
schließlich, wie Euch am besten dünkt. Verzeih, verzeih die Be-
lästigung. Theile Paul die Nachricht unseres Kommens am Sonn-
abend gleich mit.
Immer Dein Felix.
Ich denke meinen Flügel an die Wand zu stellen, die jetzt aus den
beiden Nischen (der großen u. der zunächst dem Fenster) gemacht
worden ist. Dies hätte vielleicht auf die Vertheilung der Kupfersti-
che Einfluß. Könnte nicht Beckchens Flügel einstweilen an diesel-
be Stelle gerückt werden? Von Bunten Bildern, die mit den Kup-
ferstichen ebenfalls mitkommen werden, möchte ich durchaus
nichts im blauen Zimmer haben.
367
felix an fanny Leipzig, 30. November 1843
Liebe Fanny
Tausend Dank für Deinen eben ankommenden sehr willkomme-
nen Brief und für das bewilligte Speis-und-Trank-Allmosen. Hin-
sichtlich der Kupferstiche u. Bilder sagt Cecile richtig, es wäre
unverschämt von mir gewesen, Euch das auch noch aufzuhalsen,
und wir hätten ja in den ersten 3 Tagen bis die Möbel kommen
doch nichts anderes zu thun als sie aufzuhängen, also müßten wir
es selbst thun. Ich pflichte ihr jetzt auch vollkommen bei, indeß
vornehmlich aus dem Grunde, weil die Sachen erst morgen (Frei-
tag) Abend ankommen werden, wie der Spediteur sagt, also zum
Aufhängen 11. dgl. keine Zeit bleibt. Und dennoch möche ich eine
Bitte thun, nämlich die, ein Paar ordentliche Arbeiter dazu anneh-
men, und die Kupferstiche Sonnabend früh aus den Kisten sorg-
fältig packen zu lassen, damit wir am Sonntag gleich mit Aufhän-
gen (im Guten Sinn, ohne Würgen) anfangen können. Wenn Du
das thust, so bitt ich Dich sämtliche Kupferstiche u. Bilder etc.
vorläufig in die ehemalige rosa Stube hinstellen zu lassen, u. die
Kisten nebst Zubehör auf den Boden zu verweisen. Die Frage ist
aber immer noch ob sie zeitig genug auch für diese Bitte ankom-
men. In keinem Fall fang mit dem Aufhängen an. Es geht heut
Abend um 5 mit der Eisenbahn also 15 Kisten KM 1 = 15 gezeichnet
an Deine Adresse ab. KM 1 = 6 und 8 = 11 enthalten die Kupferstiche,
u. die bitte ich Dich also aufmachen zu lassen, wo möglich. No. 7
u. 12 = 15 laß nur zugemacht stehen, etwa im entree oder wo Du
willst. Nimm die Arbeiter jedenfalls für einigeTage, denn wir wer-
den sie brauchen, u. sage Pauls Friederich, wenn er etwas Passen-
des von Bedientensubjecten wüßte (er versprach mir sich umzu-
thun) so möchte er mir die Candidaten oder den am Sonntag früh
zwischen 9 und 11 schicken. Verzeih, verzeih! Aufwiedersehen
Sonnabend mit dem 2ten Zuge! Dein Felix.
felix an fanny 90 London, 13. Mai 1844
4 Hobart Place Eaton Squ.
Liebste Fanny,
Ich hätte Dir schon längst schreiben müssen, wenn ich mein Le-
368
benlang so könnte, wie ich wollte. Dafür nahm ich mir aber we-
nigstens vor, Dir meine glückliche Ankunft in London zuerst zu
melden u. Dich zu bitten, sie Paul mitzutheilen; und so thue ich
denn hiermit.. Es wurde mir freilich sehr schwer, von Frau u. Kin-
dern wegzugehen, um so mehr, da Cecile wirklich noch immer
nicht ganz wiederhergestellt war, u. auch die Kinder immer noch
mit Husten u. anderem Ungemach zu kämpfen harten. 91 Gottlob
empfange ich heut früh indeß gute Nachrichten von dort, u. hoffe
auch bei meiner Rückkehr wird die Ruhe u. die Landluft besser
gewirkt haben, als alle Medicin. Das gebe der Himmel; Du glaubst
nicht, welch schlimme Tage ich in Leipzig auszuhalten hatte. -
Die Reise hieher war so glücklich, wie sie nur sein konnte, na-
mentlich die Ueberfahrt. Da mich Benni 92 sehr freundlich einge-
laden hatte, und ich natürlich so lange bei Cecile in Frft. bleiben
wollte, wie irgend möglich, so stieg ich auf einige Stunden vom
Dampfboot ab 93 u. kam erst Abends spät auf der Eisenbahn in
Cöln an. Des andern Morgens um 6 mußte ich per Eisenbahn
weiter, u. konnte Luise 94 deshalb nicht aufsuchen; ist es mir irgend
möglich, so hoffe ich es bei der Heimkehr zu thun. Dagegen be-
suchte ich Mama Dirichlet in Aachen und fand sie in erwünschte-
stem Wohlsein, herrlich munter u. jugendlich frisch [. . .] An dem-
selben Abend um 9 Uhr brach ich in Ostend ein, u. hätte schon
am Nachmittag des nächsten Tages hier sein können. Aber ich
wollte raffiniren u. noch einmal die Nacht ruhig im Bett schlafen,
u. es gelang: ich fuhr den Morgen um 1/2 9 mit der royal mail nach
Dover, die ruhigste See u. kein Mensch krank auf dem Schiff, nur
eine Nebelscene kurz vor der Ankunft, die ich Dir einmal münd-
lich beschreiben muß weil sie gar zu schön war. Um 3 aß ich in
Dover meinen chop; fuhr um 1/2 5 auf der Eisenbahn weg, die am
Meeresstrand hinführt, unter den Kreidefelsen; und 1/2 9 Abends
war ich richtig in Londonbridge, um 9 hier bei Klingemann 95 , den
ich wohl, u. gut u. lieb wie immer fand, und der sich anhängen
will.
Wäre Cecile mit mir, so könnte es gewiß einen Englischen Auf-
enthalt geben, so schön wie ich ihn nur je gehabt habe; denn alle
Freunde sind so unverändert, u. hebreich u. zuvorkommend, daß
es mich wahrhaft rührt. Freilich fehlt bei jeder Freude das Beste,
wenn die Cecile nicht mit daran Theil hat; so sind mir denn die
369
vielen Beschäftigungen willkommen, die jeder Augenblick hier
mit sich bringt, u. hoffentlich soll meine Arbeit nicht ohne Frucht
bleiben; wenigstens höre ich sehr erfreuliche Nachrichten vom
Philharmonie, u. geht es so weiter fort, wie vorgestern in der isten
Probe (wo meine a moll Symphonie wirklich vortrefflich gespielt
wurde) so hoffe ich in dieser Sache einen Dienst leisten zu können.
Davon aber später mehr: 96 grüß Mann u. Kind u. Schwägerinn, u.
Pauls; u. schreib mir auch einmal u. bleib mir gut [...] 97
FELIX AN FANNY 98 Soden, 2$. Juli 1844
Wenn Du nicht auf vierzehn Tage nach Soden kommen und mit
mir die unglaubliche Behaglichkeit dieses Landes und Aufenthalts
genießen kannst, so helfen alle Beschreibungen zu nichts. Und ich
weiß ja leider, daß Du nicht kommst. Darum beschreibe ich aber
auch wenig. Die Meinigen erholen sich mit jedem Tage mehr und
mehr, und ich liege unter Aepfelbäumen und großen Eichen; in
letzterem Fall bitte ich den Schweinehirten, daß er seine Thiere
unter einen andern Baum treibt, um mich nicht zu stören (gestern
vorgefallen!); ferner esse ich Erdbeeren zum Kaffee, zum Mittag
und zum Abend, trinke Asmannshäuser Brunnen, stehe um sechs
Uhr auf, und schlafe doch neuntehalb Stunden (wann gehe ich da
zu Bette, Fanny?), besuche alle wunderschönen Umgegenden,
treffe auf dem romantischsten Punkt Herrn B. (gestern vorgefal-
len!), der mir neue und gute Nachrichten von Euch Allen giebt
und mich Generalmusikdirector nennt, was mir hier so fremd
klingt wie Dir Oberursal und Lorschbach und Schneidheim; fer-
ner besuchen mich Lenau und Hoffmann von Fallersleben und
Freiligrath gegen Abend, und ich bringe sie 1/4 Stunde weit über's
Feld nach Haus, und wir sind Fehler in der Weltordnung, prophe-
zeien Wetter voraus, und wissen nicht, was England in der Zu-
kunft anfangen soll; ferner zeichne ich fleißig, und componire
noch fleißiger (a propos, suche mir doch das Orgelstück in A dur
heraus, was ich für Deine Hochzeit machte und in Wales auf-
schrieb, und schicke mir's gleich umgehend her; Du kriegst es
wahrhaftig wieder, ich brauche es aber. Nämlich ich habe einem
englischen Verleger ein ganzes Buch voll Orgelstücke verspro-
chen, und wie ich eins nach dem andern aufschreibe, fällt mir
370
plötzlich jenes alte wieder ein, und ich Hebe den Anfang, hasse
aber die Mitte, und schreibe es ganz von Neuem mit einer andern
Choralfuge, aber nun möchte ich es mit der alten vergleichen, also
bitte, schick' sie her!)
Ferner muß ich leider morgen nach Zweibrücken, und es ist mir
gar nicht danach zu Muth; indeß giebt es in Dürkheim sehr guten
Wein (wie mir glaubwürdige Zeugen versichern), und die Gegend
soll sehr schön sein, und morgen über 8 Tage, so Gott will, bin ich
wieder da. Als dann lege ich mich wieder unter die Aepfelbäume
u.s.w. u.s.w. dal Segno. Ach wenn es doch immer so blieb!
Ohne Spaß, der Contrast von diesen Tagen mit den englischen ist
so merkwürdig, daß ich ihn mein Lebenlang nicht vergessen wer-
de. Dort drei Wochen voraus nicht eine Stunde unbesetzt, und hier
die ganzen heiteren Tage ganz frei, ohne irgend eine Beschäfti-
gung, als die ich mir selbst mache (und das ist doch allein die
fruchtbare, wohlthätige), und was nicht heut geschieht, geschieht
morgen, und zu allem ist Zeit. In England war es übrigens diesmal
wundervoll, - aber mündlich beschreibe ich Dir jedes dortige
Concert und jeden hiesigen Brombeerenstrauch [. . .]
fanny an felix" Berlin, 30. Juli 1844
Lieber Felix, ich muß Deinen melancholischen Sodener Brief,
worin Du mit viel Anschaulichkeit Dein Verhältniß zu Eichbäu-
men, u. ihren Bewohnern schön aus einander setzest, nur gleich
beantworten, u. mir wahrscheinlich Rüffel zuziehn, die ich aber
gewiß nicht verdiene. Das Stück, das Du wegen Deines verwun-
deten Knies zu meiner Hochzeit (schon über halb silbern) nicht
fertig gemacht hast, habe ich auch nachher nie erhalten, kann es
Dir daher auch nicht schicken. [. . .] Dein Sodener Leben muß aber
eine schöne Idylle sein, wenn ich Dich so sehe, will es mir schei-
nen, als kennte ich Dich noch nicht ganz, denn wenn Du Zeit hast,
habe ich Dich noch nie gesehn, Du wirst darauf antworten, Du
mich noch nie, wenn ich keine habe, eigentlich möchte ich einmal
eine Reise mit Dir nach einer Gegend machen, u. Dich kennen
lernen, wie Du die Tage im Grase liegst, u. nichts zu thun hast,
habe aber keine Furcht, ich hänge mich doch nicht an, so kennst
Du mich schon. [. . .] Wahrhaftig, ich finde mich dies Jahr sehr
371
philosophisch u. fast alt, da ich ruhig hier bleibe, Alles reisen sehe
u. höre, u. kaum ein lebhaftes Verlangen danach habe, eigentlich
hab ichs aber doch, u. vertröste mich schon mit der heimlichen
Hoffnung auf übers Jahr, wo ich denke, daß wir mit unserm er-
wachsenen Sohn ein bischen aufkratzen wollen, in seinen Ferien.
[. . .] A propos - Andersen 100 läßt Dich u. besonders Cecile zärtlich
grüßen. Daß Du ihn hast Märchen erzählen hören, weiß ich, denn
ich erinnere mich, daß Carl drüber geweint hat, (der Junge hatte
Recht) hast Du ihn aber jemals diese kindlichen Geschichten mit
unglaublich naivem Vortrag vor lauter alten Leuten vortragen 101
hören, wie ich gestern Abend? Das ist über alle Naturgeschichte,
u. muß selbst gehört werden, wenn man es glauben soll. Ich ver-
sichere Dich, ich war in Begriff, wieder an den Klapperstorch zu
glauben, u. Puppe 102 zu fordern, so kindlich kam ich mir vor. [. . .]
Du schreibst, Du komponirst viel, aber nicht was, denn bei einem
Heft bestellter Orgelsachen wirst Du es wohl, wenn Du einmal
fleißig bist, nicht bewenden lassen. [...] So will ich Dir denn auch
erzählen, daß ich nach meiner Art fleißig bin, u. einen kleinen
Roman in Liedern komponire 103 , den mein Mann während des
Brunnentrinkens für mich gemacht hat, für Dich ist oder wäre das
auf einen Zahn, Du schreibst in 3/4 St. so viel Noten, wie ich in
3/4 Jahren, aber ich gebe mir sehr viel Mühe darum, es soll wieder
so ein Heftchen mit Vignetten werden. [. . .]
FELIX AN FANNY 104 Soden, 15. August 1844
Suche doch mal in dem Notenspinde, da in dem Fach, wo mehrere
Musik durcheinander liegt; da ist eine rothe offene Mappe, in der
liegt eine Menge ungebundene Manuscripts-Musik von mir: Lie-
der, Pianofortestücke, gedruckte und ungedruckte Sachen, da
wirst Du das Orgelstück aus A dur ganz fix und fertig darunter
finden. [...]
Morgen will ich zu Fuß nach Wiesbaden und Onkel Joseph besu-
chen, und übermorgen zu Fuß nach Homburg und Döhler's Con-
cert hören; Prume holt mich ab, um mitzugehen; ich habe Döhler
und Piatti in ihrem letzten Concert in London gehört, und mitge-
klatscht und herausgerufen [. . .] Vorgestern war ich in Eppstein; da
war Kirchfest, eine neue Orgel. Die Sängervereine von Frankfurt,
372
Wiesbaden und Mainz wollten zur Feier in der Kirche singen und
waren dort; aber es kam ein Brief vom Amtmann aus Königstein,
der es untersagte; da machten sie sich auf und zogen nach Hof-
heim (kennst Du die weiße Capelle, die man im ganzen Lande
umher sieht? . . .) und da sangen sie. Als ich gegen Abend mit den
Damen und allen Kindern sittsam durch Hofheim auf der Land-
straße fuhr, da guckte Kopf bei Kopf aus den Fenstern des Wirts-
hauses, und waren alle, glaube ich, ein wenig betrunken und
brachten mir ein ungeheures Vivat, und die Damen wollten da
oben Kaffee trinken; aber ich widerrieth es sehr; da aßen wir den
Napfkuchen im Wagen.
Aber meine Arbeiten soll ich Dir ja nennen - es ist bis jetzt noch
wenig davon zu sagen; außer fünf großen Orgelstücken und drei
kleinen Liedern ist nichts fertig; die Symphonie wächst nur lang-
sam; einen Psalm habe ich auch wieder angefangen, - könnte ich
nur ein halbes Jahr so fort leben, wie diese vierzehn Tage jetzt hier,
was brächte ich nicht alles fertig! Aber das viele Concertanordnen
und Dirigiren und Ausgehen, - es macht mir gar keinen Spaß und
kömmt so gar nichts dabei heraus. Ich fühle mich unter Kühen
und Schweinen wohl und bin am liebsten mit meines Gleichen [. . .]
Aber meine Rückreise von Zweibrücken muß ich Dir beschrei-
ben: Die erste Station empfing uns der Landrath von Pirmasens
mit einem Frühstück und prächtigem Wein (es war acht Uhr Mor-
gens), dann fuhr er uns in seinem Wagen eine Station weiter auf
ein schönes, altes Schloß in den Vogesen; da wurde gegessen und
Nachmittag auf einen Berg gegangen; - es waren da Kanonen
aufgefahren wegen des Echos, und wurde Champagner getrunken
und die Kanonen bei jedem Toast losgebrannt. [. . .] Und in Dürk-
heim war wieder das halbe Musikfest versammelt, und Kränze
und Inschriften und reife Trauben [...] 105
Das ist das Pfälzische Nationallied, genannt: »der Jäger aus Kur-
pfalz«, - das wird den ganzen Tag gesungen, von den Postillonen
geblasen, von der Regimentsmusik als Ständchen gespielt, als
Marsch gebraucht, und wenn Dich ein Pfälzer besucht und Du
willst ihm eine Freude machen, so mußt Du's ihm vorspielen [. . .]
Die Aufführungen selbst [. . .] - ich kann beim betrunkenen Ton
bleiben und Dir erzählen, daß unter sehr, sehr Vielem Mangelhaf-
ten ich den besten Paulus und Druidenpriester dort gehabt habe,
373
der mir bisher in Deutschland vorgekommen, nämlich einen
Herrn Oberhofer, Sänger aus Carlsruhe, der früher in der Königs-
tadt war. [. . .] Halte diesen ganzen Brief abermals vor Sebastian
geheim, danke ihm aber in meinem Namen vielmals für seinen
hübschen Brief. Sag' ihm, aus seiner Nr. i machte ich mir sehr
wenig, und er möchte nicht zu sehr eilen, nach Untersecunda zu
kommen; wenn alle Nr. Einsen und Classen und Examina aufhör-
ten, und wenn kein Mensch Einem mehr Zeugnisse gäbe dann
finge das eigentliche Lernen erst an [. . .]
felix an fanny 106 Frankfurt am Main, 10. Dezember 1844
Meine liebe Fanny,
Paul wird Dir wohl gesagt haben, wie schwer krank unser jüngstes
Kind geworden ist 107 und in welchem traurigen Zustand ich es
angetroffen habe. Er hat sich in den 5 Tagen, die ich nun hier bin,
doch wieder ein wenig zur Besserung geneigt, die Aerzte sagen,
es sei unmöglich, daß es schnell damit vorwärts gehe, es handle sich
nur von der innewohnenden Lebenskraft des Kindes, und ob die
den schweren Krankheitsstoff, die sehr arge Drüsenverhärtung,
überwinden könne. 108 Das Kind hat vergangene Nacht mehr u.
auch ruhiger geschlafen, auch die Mattigkeit scheint ein klein we-
nig abgenommen zu haben, und der Bück ist wieder freier; auch
hat es seit vorgestern wieder einen Zahn bekommen (also 3-4 seit
den letzten 10 Tagen, denn man kann es nicht genau wissen, da es
schreit, sobald man ihm an den Mund kommt) und wenn es eben
bei diesem langsamen, fast unmerklichen, aber doch entschiede-
nen Fortschreiten zum Besseren eben bleibt, wie glücklich wollten
wir da sein, wie wollten wir da Gott danken! Vielleicht kann eben
das Frühjahr wahrhafte Genesung bringen, und wenn eben auch
lange Zeit drüber vergeht, wenn uns das hebe Kind nur erhalten
wird, weiter wünschen und erbitten wir uns nichts vom Himmel.
Gott sei Dank, diese Hoffnung haben uns die letzten Tage nicht
genommen, eher bestärkt! Das Kind hat wieder die Spielsachen
angesehen, die man ihm brachte, nach manchem gegriffen, sogar
zuweilen gelächelt, war böse, als die Suppe zu Ende war, u. schrie
stark u. laut bei dem Einreiben; sieht sich auch wieder nach jedem
Geräusche im Zimmer um, wenn es recht wach ist, und hat sich
374
gestern Abend sogar einmal allein aufgesetzt, als das Pulver kam,
das es sehr gern nimmt - möge uns Gott in diesen Hoffnungen
nicht täuschen lassen! Möge er uns das Kind erhalten, und wieder
geben, denn so wäre es wirklich zu nennen!
Ich fühle wohl, daß ich Euch durch meine Berichte nur ängstigen
kann, aber doch weiß ich es nicht anders zu machen. Ich sage Euch
die Wahrheit; hätten wir die Hoffnung daß es sich bald zum Guten
bestimmt hätte entscheiden können, so hätte ich gezögert, hätte
Euch so geschrieben wie damals an Cecile, als wir die Tage bei
Paul erlebten; 109 aber da uns die Aerzte diese Hoffnung nicht ge-
ben können, da sie sagen es könne sich lange so hinziehen, da wir
also nur wünschen u. hoffen, daß es den Winter über so fortdaure,
daß nur nicht wieder von neuem Rückfälle u. Rückschritte eintre-
ten, so muß ich Euch eben schreiben, wie es steht. Ihr erführet es
auch sonst von Aachen, und wenn auch nicht - es ist eben die
Wahrheit. Die Geschichte von dem Mann, über dessen Kopf das
Schwert am Pferdshaar hing, u. der dabei essen u. trinken u. schla-
fen sollte, die lernt man in solchen Tagen recht empfinden. Und
doch versichere ich Dich, es ist in Ceciles stillem, frommen u.
bestimmten Wesen ein solcher Segen u. Trost, daß wir schon man-
che recht heitere, glückliche Momente in diesen Tagen erlebt ha-
ben; die 3 andern Kinder sind sehr munter u. froh, u. machen uns
sehr viel Freude; Mme. Jeanrenaud bringt die ganzen Tage bei
Cecile zu, und auch sie erleichtert uns das Leben durch ihre herz-
liche Theilnahme und, sonderbar genug, durch eine gewisse hei-
tere Ruhe, die mit ihrer sonstigen Aengstlichkeit im größten Wi-
derspruch steht - und so haben wir Grund vollauf Gott zu danken
u. erkenntlich zu sein. Möge er uns die Hoffnung nicht nehmen,
möge er uns unser Kind erhalten, mögen wir glücklich und unver-
ändert im Leben wieder zusammenkommen. Ich schreibe Paul u.
Dir bald wieder, grüße die Deinigen und bleib uns gut. Dein Felix.
felix AN fanny Frankfurt am Main, 15. Dezember 1844
Liebe Fanny
Gott sei Dank, daß ich Euch wieder ruhiger schreiben und bessere
Nachrichten geben kann! daß es sich mit dem Kleinen seit den 8
Tagen, die ich jetzt hier bin, zur Besserung geneigt hat, daß ihm
375
trotz des schlimmen Anfalls der vor-vorigen Woche die Kräfte
nicht geschwunden sind, sondern sich eher vermehrt haben, daß
sein Aussehen und sein ganzes Wesen jetzt hundertmal besser sind
als heut vor 8 Tagen, das kann man deutlich sehen, auch ohne die
Aerzte zu fragen. Es scheint sich aber entschieden in die Länge zu
ziehen, und das ist, wie die Aerzte sagen, das Beste was nur irgend
zu hoffen war; daß die Geschwulst des Leibes, der eigentliche Sitz
des Übels, in der ersten Zeit sehr abnehme, daran soll gar nicht zu
denken sein, sie hat doch wenigstens nicht zugenommen! Und der
Kopf, die Hände u. Füße, die vor 8 Tagen auch geschwollen waren,
sind Gottlob wieder ganz natürlich, der Appetitt ist wieder besser,
und eine Art von Theilnahme unverkennbar; es lächelt u. lacht
zuweilen, die Augen sind ganz klar u. gut, ein starker Schnupfen
kommt auch heraus, es richtet sich in dem Bett allein auf, wenn
die Suppe gebracht wird, kurz der hebe Gott hat wieder unsere
Hoffnung neu gestärkt. Möge er sie uns erhalten u. befestigen!
Paul ist sein großer Liebling; eben fährt er ihn im Wagen hin u.
her, u. der Kleine spinnt ein wenig, um sein Behagen auszudrük-
ken, und Paul spricht so verständig mit ihm, wie eine alte Kinder-
frau. Marie meint es auch sehr gut, u. ist behülfÜch, aber der Kleine
schlägt gleich nach ihr, u. sie darf nicht viel in die Nähe kommen,
weil sie so wild u. ungestüm ist u. ihn oft ein wenig zu sehr zerrt
u. drückt in ihrem Eifer. Carl hat täglich 2 Stunden bei einem
Lehrer, und arbeitet außerdem eine Stunde in meiner Stube, der
ist also schon auf der großen Arbeits-Chaussee, die man rechter
Beruf, Ernst des Lebens etc. nennt.
Das größte Glück ist, daß Cecile sich in der schweren Zeit so kör-
perlich wohl erhalten hat, daß sie munterer u. kräftiger ist u. aussieht,
als ich sie seit Langem gesehen. Das hält das ganze Haus zusammen.
In den letzten besseren Tagen habe ich auch wieder angefangen
zu arbeiten; das hat mir sehr wohlgethan. Wenn es so bleibt, u.
wenn Gott uns fortwährend bessere Tage mit dem Kleinen sendet,
so denke ich mancherlei vor mich zu bringen und freue mich
drauf. Mein Violin- Concert habe ich jetzt in Ordnung gebracht u.
beendigt, es soll nun bei Härteis gedruckt werden. David spielte es
mir in Leipzig in einer Probe vor, u. ich hoffe, es würde Dir gefal-
len. Bitte laß mir die 4 Orgelstücke, die ich Dir zum I4ten Novem-
ber schrieb, entweder abschreiben, oder schick sie mir in natura
376
auf einige Tage hieher; wenn Du Letzteres thust so kann ich gleich
die übrigen auf demselben Blatt weiterschreiben, u. mir selbst die
Copie hier besorgen lassen. Traust Du mir aber nicht, so thue das
erstere - ganz wie Du willst.
Habe ich Euch denn schon gedankt für die gute Aufnahme, für
Speis u. Trank, für alles Gute, das ich von Euch während meines
vorigen Berliner Aufenthaltes erfahren habe? Es ist Euch um den
Dank nicht zu thun, und mir nicht um das Sprechen, aber einmal
muß dergleichen in allem Ernst und aller Kürze gesagt sein, sonst
ist das ganze stumme Schweigen eben so vieldeutig, wie das ge-
läufige Reden. Ich danke Euch also für alles Liebe und Gute, ihr
Lieben und Guten!
Viel Freude hat es mir gemacht, daß das schöne Portrait, das mir
so sehr gelungen schien, nicht nach dem häßlichen Rußland 111
muß, das ist wieder so ein brüderlicher Zug von Paul, an denen
die letzten Jahre überhaupt nicht arm waren! Schreib viel Musik
u. sage mir davon, fang auch Deine 4stimmigen u. anderweitigen
Sonntagsmusiken bald an, sei mit den Deinigen gesund u. glück-
lich, u. denke unser! Immer Dein Felix.
fanny an felix Berlin, 21. Dezember 1844
Gott sey Dank, lieber Felix, daß es bei Euch so viel besser geht, u.
möge es dabei bleiben, u. täglich besser werden. Ich weiß nicht, ob
Cecile es mag, daß man ihr ähnliche Fälle erzählt, aber ich kann
nicht umhin ihr zu sagen, daß Bertha Friedheim ein sehr niedli-
ches Kind von jetzt 5 Jahren ganz dieselben Krankheiten, Masern,
Keuchhusten u. in Folge davon dieselben Unterleibsleiden hatte,
u. sich gänzlich wieder erholt hat. [. . .] Wir haben seit 14 T kein
Wort von Florenz gehört 113 , u. wer weiß, was der nächste Brief
bringen mag. Das Wetter ist jetzt prächtig, u. wenn wir so davon
begünstigt würden, so wäre die ganze Sache wirklich nicht so ge-
fährlich. Ich bin jetzt ungeduldig fortzukommen, um mit eignen
Augen zu sehn, u. dann könnt Ihr Euch auf vollständige u. ehrliche
Berichte verlassen. Aber ganz ruhig bin ich, lieber Felix, u. weder
furioso ma non tanto noch agitato ma con ich weiß nicht mehr
was, u. dazu mag wol ein tüchtiger Anfall von Nasenbluten beige-
tragen haben, den ich bald nach Deiner Abreise bekam. Ich habe
377
wahrhaftig noch nicht Zeit gehabt, mich recht con amore über
Dein Nicht-Hierseyn zu grämen, die Paar ersten Tage nach Dei-
nem Fortgehn war ich so abgespannt von allen Ereignissen der
letzten Zeit 114 , daß ich nur so vegetirte, u. dann kam Alles andre
wieder, was Einem den Kopf brummen macht. Bei Alle dem
macht mir, u. uns Allen Dein Bild die größte Freude 115 . Ich würde
mich sehr betrübt haben, daß es nach Rußland sollte, wenn ich
nicht von Anfang an so eine gewisse innere Beruhigung gehabt
hätte, es würde wol nicht fortgehn. Auch hatte sich Paul schon
erklärt, es nicht weglassen zu wollen, als Du noch hier warst, woll-
te aber nicht, daß wir es Dir sagen sollten, ich weiß nicht, warum.
Hensel machte es mit Noth u. Sorge in einzelnen Momenten fer-
tig, denn die Besuche, um es zu sehn, so wie das Elsassersche 116 ,
nehmen kein Ende u. heut hat er endlich seine Thür schließen
müssen, (nur für Humboldt 117 nicht, der im höchsten Grade zu-
frieden damit war) weil er es doch zu Weihnachten an Paul ablie-
fern will. Ja ja, mein Felix, wann, wie, wo werden wir uns wieder-
sehn? Ich wollte, es stellte mir Einer einen gültigen Wechsel dar-
über aus, den der hebe Gott zur rechten Zeit honorirte!
Bin ich denn in der Stimmung Dir zu erzählen, u. Du anzuhören,
daß ich gestern zum erstenmal das Opernhaus u. die Lind als Nor-
ma genossen habe? 118 Leider wird sie wol keine andre Rolle sin-
gen, solange ich hier bin. Ihre Stimme ist von der haarscharfen
Reinheit, die an u. für sich so erquicklich wirkt, dabei außerordent-
lich u. vorzüglich schön in den höhern Tonen bis b, ihre Fertigkeit
ist nicht gerade hervorragend, aber ganz ausreichend um jede
große Rolle damit zu singen, Triller sehr gut, Vortrag u. Ausdruck,
soviel man in dieser weichlichen 119 Musik beurtheilen kann, sehr
stark u. schön, wie auch das Spiel. Von der Kraft ihrer Stimme kann
ich nicht viel sagen, da wir einen elenden Platz hatten, wo wie ich
vermuthen muß, die Hälfte des Klanges verloren ging. Was nun
aber das Innere des Theaters 120 betrifft, da bin ich mit Mephisto-
pheles des trocknen Tones satt, muß wieder recht den Berliner
spielen. Alles Gold, Roth, Silber, Weiß, Sammt, Gyps, Glas, Stuck,
Putz, Pracht aller Art ist nicht im Stande, die Tapezier u. Buchbin-
der Seele zu überkleistern, die im Grunde aller Verhältnisse u.
Formen lebt. Rietschels 121 Geist schwebt über jeder Loge. Sonder-
bar genug, das frühere Theater, das so recht in der Blüthe des
378
Zopfes erbaut war, hatte die einfachsten, schönsten, edelsten For-
men, die ich je an irgend einem Theater der Welt gesehn habe, u.
dies, aus unsrer eklektizistischen 122 Bauzeit, die alle Style von Pto-
lemäus 123 bis Semper hebt, wählt sich die schönste Perücke, um
hinunter zu kriechen.
[. . .] Sebastian hat ein sehr gutes Schulzeugniß bekommen, u. ist
auch von seinem Director, den wir aus Anlaß der Reise gespro-
chen haben, persönlich sehr gelobt worden. Der arme Hebe Cerl 124
muß so viel studiren schon! Liebe Cecile, ich habe unter Beck-
chens Kinderwäsche ein Hemdchen von ihm gefunden, das ich
Dir mit irgend einer Gelegenheit zuschicken werde. - Lebt wohl
Ihr Lieben, Liebsten! Möge uns der Himmel froh u. glücklich
wieder zusammentreffen lassen.
Deine Fanny.
Das allerliebste Reisetagebuch, was Du mir vor drei Jahren
schenktest, schließt seine Vignetten mit Florenz, wobei steht, ist
fortzusetzen. Ist das nicht sentimental? Ich werde es jetzt in Ge-
brauch nehmen.
felix an fanny Frankfurt am Main, 21. Dezember 1844
Meine liebe Fanny,
diese Zeilen sollen Dir sagen, daß es bei unserem Kleinen Gott sei
Dank noch eben so geht, wie die letzten Tage überhaupt, nämhch
langsam, u. leise zur Besserung; es war einmal wieder eine schlim-
me Nacht dazwischen, aber wir schreiben sie dem Zahnen zu, und
des Tages, wenn das Kind ein Paar Stunden geschlafen, u. tüchtig
gegessen hat, ist es zuweilen so munter u. blickt so sicher aus den
Augen, daß wir wieder recht viel Muth u. Zuversicht fassen möch-
ten. Jetzt eben lacht er daneben ganz laut, und hat auch eben noch
viel lauter geschrieen, u. beides höre ich gern, obwohl freilich das
zweite weniger gern u. öfter als das erste. Cecile wacht nicht bei
dem Kinde; die Aerzte wiederholen uns täglich, daß diese Krank-
heit Monate, ja auch Jahre dauern könne, daß augenbhckliche Ge-
fahr nicht vorhanden sei, und Cecile ist so vernünftig u. practisch,
ich möchte sagen, wenn's nicht lächerlich klänge, so weise, daß ich
mir immer ein Muster an ihr nehmen muß. So sorgt sie denn selbst
für sich, u. das ganze Haus, u. erhält alles in ordentlichem, sogar
379
heiteren Gange; sie sieht Gottlob, wohler u. stärker aus, als ich sie
seit langer Zeit gesehen habe, der Himmel erhalte sie, u. schicke
uns das Kind wieder in seiner früheren Gesundheit, u. unser Glück
in seiner früheren Ungetrübtheit. Gott sei Dank, daß wir es wieder
hoffen u. erbitten können!
Dann sollen diese Zeilen Dir u. den Deinen eine glückliche frohe
Fahrt 126 wünschen! Ich bin von denen, wie Du weißt, die mit
unserem Freunde Wald 127 nichts weiter sagen als: Fahre dahin,
fahre daher, guten Tag, gute Reise - aber hier ist mir doch, als
müßte ich noch viel, sehr viel hinzusetzen, und es wird mir zu viel,
um es hinzuschreiben, und wären wir zusammen, so verschwiege
ichs auch, also kommt's am Ende doch wieder auf den Flötenspie-
ler Vult heraus. Kommt bald zurück.
Nehmt viel Pelze mit. Auch etwas zu lesen. Grüße die Dirichlets.
- Ich konnte an Rebecka von hier aus nicht schreiben; du mußt
Dir das erklären u. ihr auch. Sage ihr den Inhalt meiner letzten
Briefe, Gottlob, daß Du sie gleich wieder durch unsere Hoffnung
auf Besserung beruhigen kannst, wenn sie die erste Nachricht er-
schreckt. Gieb mir Deine Adresse unterwegs an.
Sage Sebastian auf der grauenvollen Fahrt mit der Schnellpost hie-
her, hätte mir hinter Gotha im Fahren ein Zahnstocher gefehlt, u.
da sei mir eingefallen, ich hätte ja denselben Rock an, den ich bei
der Abreise von Euch Morgens trug, und da mußte sein Papier-
chen noch in der Brusttasche stecken. So war es auch, u. ich dachte
seiner u. Eurer sehr da ich es auseinander wickelte im Thüringer
Walde. Es liegt hier in meinem Pult vor mir, u. ich spare sie, u.
brauche sie doch auch zugleich. Dies soll ihm eine Aufmunterung
zur Wohlthätigkeit sein. Man weiß nicht, wo's wirkt.
Danke Hensel für sein schönes Portrait. Und dann sollen die Zei-
len noch ein frohes Fest wünschen u. baldige frohe Heimkehr zum
Vaterland und zu uns! Dein Felix.
felix an panny und rebecka 128 Frankfurt am Main,
29. Januar 1845
Nun schreibe ich Euch Doppelbriefe, seit heut früh die sehr will-
kommene Nachricht vom 21. hier ankam. Gottlob, liebe Fanny,
daß Du uns beruhigende Nachrichten geben konntest. Seit ich nun
380
Euch Hensels in Florenz weiß, ist mir wieder viel ruhiger, einfa-
cher und natürlicher zumute; es ist wohl wahr, daß einer dem
anderen in allen Hauptsachen nichts helfen kann (das kann der
liebe Gott ganz allein), aber die vielen Nebensachen sind eben so
verzweifelt wichtig [. . .]
Der Kleine hat sich seit den letzten drei Wochen sehr merklich
gebessert, wir dürfen wieder Hoffnung und Mut fassen und dan-
ken Gott täglich und stündlich dafür. Ich habe den dummen
Streich gemacht, die letzten vierzehn Tage recht ernstlich unwohl
zu sein, daher geht es mit meinem Briefschreiben noch ziemlich
schlecht; ich kann jetzt eigentlich nur essen, trinken und schlafen,
um das Versäumte wieder nachzuholen. Seit vier Tagen bin ich als
geheilt entlassen, gehe spazieren und will sogar Freitag auf einen
Ball gehen [. . .]
Ich soll Euch von unserm Leben hier schreiben? Morgens früh
arbeite ich immer, um zehn setzt sich Carl auf eine Stunde zu mir
und liest und rechnet, nachmittag um fünf versuche ich ihm aller-
lei orthographische und geographische Begriffe beizubringen [. . .]
PELix an fanny und rebecka 129 Frankfurt am Main,
12. Februar 1845
Liebe Schwestern, ich hoffe, daß Ihr einen oder zwei Tage nach
Abgang Eures heut empfangenen lieben Briefes den meinigen
vom 2<jten erhalten und draus gesehen habt, daß bei uns alles wohl
ist, daß es mit meiner Unpäßlichkeit wieder besser ging, daß ich
an demselben Tage schrieb, an dem ich Deine Ankunft in Florenz
erfuhr, daß also Gottlob Eure Besorgnisse durchaus ohne Grund
waren.
Die beiden Briefe vom 3ten u. der an Cecile vom 5ten kamen heut
zu gleicher Zeit; Ihr schriebt mir beide insgeheim von der AUgem.
Zeitungsnachricht - ich hatte nicht gedacht, daß mein 8tägiges
Unwohlsein da hineingeschrieben würde - aber ein für allemal
verspreche ich Euch, daß Ihr so lange ich lebe einen Mangel von
Nachrichten nicht als etwas Besorgniserregendes nehmen müßt,
d. h., daß ich Euch in wichtigen Zeiten u. wo etwas auf dem Spiele
steht, pünctlich u. regelmäßig schreibe oder schreiben lasse.
Bleibt also ein Brief ein Paar Tage länger, als gewöhnlich, so ist das
38i
Einzige was das bedeuten kann, daß alles wohl steht, u. daß zufällige
Abhaltung dazwischen gekommen ist; übrigens erneuere ich das
Versprechen, das ich Dir, liebe F., schon gegeben habe, auf jeden
Brief pünctlich u. gleich zu antworten, entweder wie jetzt an dem-
selben Tag wo ich ihn erhalte, oder sobald als möglich nachher,
daß ich nichts verschweige u. in unruhiger Zeit pünctlicher als je
schreibe, habe ich Dir, liebe F., im Lauf des December ja auch
bewiesen (daß ich damals gerade Dir nicht schreiben konnte u.
durfte, liebes Beckchen, war auch natürlich) kurz verlaßt Euch
drauf, daß ich jenes Versprechen treulich halten werde.
Gottlob, daß die heutigen Nachrichten wider so gut klingen, nun
gebe der Himmel immer weiter so frohe Botschaft von Euch, gebe
Euch allen Gesundheit u. Gesundheit u. wieder Gesundheit, dar-
aufkommt am Ende doch alles hinaus; und dann auf vergnügtes,
glückliches Wiedersehen!
Wir haben seit 5-6 Tagen barbarische Kälte - bis dahin war es
ganz mild gewesen - aber jetzt sind es plötzlich 12, 13 und 14 Grad,
dabei kann ich den Rest von Katarrh, der immer noch in mir
steckt, nicht verlieren, u. huste u. krächze u. schnaube mich seit
undenklicher Zeit, und werde es nicht los. Doch gehe ich fast
immer dabei aus: auf Bälle, in Concerte u. dgl. - schreibt also die
Allgem. Zeitung vom raten, daß ich einen schrecklichen Schnup-
fen hätte, so ist es zwar wahr, aber wie gesagt ängstigen müßt Ihr
Euch drum nicht, Ihr heben Schwestern.
Mit dem Kleinen geht es, dem Himmel sei Dank, von Tag zu Tag
besser; die Aerzte sind sehr zufrieden mit ihm, sprechen wieder
ganz beruhigend, und so Gott will dürfen wir uns der Hoffnung
wieder hingeben.
Die anderen Kinder machen uns viel Freude, besonders jetzt Ma-
rie, die schon ordentlich im Hause hilft, und überall Bescheid weiß
u. Ordnung hält - aber freilich will ich auch gegen Carl u. Paul
nichts gesagt haben.
Cecile ist Gott sei Dank sehr wohl u. munter, sieht ihre alten
Freundinnen u. freut sich mit ihnen. [. . .]
382
fanny an felix und paul' 30 Florenz, 13. Februar 1845
Liebe Geschwister, ich habe Euch unerwartet früh glückliche u.
frohe Botschaft bringen. Rebecka ist gestern Abend nach 11 leicht
und glücklich von einem gesunden, sehr lebendigen Mädchen 131
entbunden worden, welches ganz vollständig u. niedlich, weder
gelb von der Gelbsucht, noch schwach von dem Blutverlust, son-
dern so derb u. kräftig ist, daß sie den alten Doctor, als er sie badete,
fest beim Ärmel fasste, sie hat große Augen, den ganzen Kopf
voller schwarzer Haare, gar nichts anzuziehn, denn unsre Kiste ist
bis jetzt nicht angekommen, nimmt Sirup u. Zuckerwasser, u. wird
sich gleich die Brust schmecken lassen, da Rebecka versuchen will,
sie anzulegen.
Von der Wirthschaft hier, bei der gänzlich überraschenden Ent-
bindung, könnt ihr Euch kaum einen Begriff machen, u. hätte ich
Zeit, müsste ich nicht eiligst eine Hemdenfabrik anlegen, so würde
ich Euch Wunderdinge von der ersten Toilette des armen Bettel-
würmchens erzählen. Unter anderm hat es als Mütze einen Ermel
einer wollenen Jacke von Dirichlet angehabt, der ihm hinten el-
lenlang herunterhing, die übrige Jacke war zerrissen, u. das arme
Würmchen in Lappen gewickelt, ein Dutzend Windeln, die ich
mitgebracht, waren das Einzige Selige, was überhaupt hier in der
Welt war. Heut früh nun hat meine Destine, eine sehr niedliche
gefällige Frau, für den ersten Augenblick Rath geschafft, u. da wir
bis jetzt noch keine Wärterin haben auftreiben können, so habe
ich das Kind gewaschen und angezogen [. . .] Das Kind ist nun ein
wahres Wunder, fertig, als wenn es ganz ausgetragen wäre, (nach
des Arztes Urtheil ist es volle 6 Monat) u. anscheinend voller Le-
benskraft, nach all den unglaublichen Leiden, die die arme Rebek-
ka erduldet. Jetzt ist sie so ruhig, wohl u. glücklich, daß ich nur
Gott bitten kann, daß es so fort geht. [...] Verzeih, lieber Paul,
diesen sehr konfusen Brief, ich bin von dem gestrigen Tage u. der
Nacht, die ich bei Beckchen zugebracht, etwas verwirrt, u. habe
schon eine Menge Briefe geschrieben. Unbeschreiblich froh bin
ich, hier zu seyn, u. Rebecka scheint recht glücklich mich zu ha-
ben, u. da das Kind lebt, bin ich auch sehr froh, daß Rebecka sich
nicht noch länger gequält hat. [. . .]
383
PELix an fanny und rebecka 132 Frankfurt am Main,
16. März 1845
Liebe Schwestern!
tausend Glückwünsche zu der nun hoffentlich glücklich u. froh
vollzogenen Taufe u. tausend Dank Dir, liebes Beckchen, für den
lieben Gevatterbrief, u. daß Du mich zum Pathen gemacht hast!
[••■]
Fanny will musikalische Neuigkeiten in ihrem letzten lustigen
Brief, ich weiß aber wahrhaftig nicht viel mehr, als sie. Wir leben
hier wie die Hamster in unserem Bau, kommen wenig aus, sehen
wenig Menschen, sind aber sehr vergnügt damit, denn wir sind alle
wohl und Dein Traum vom jüngsten Kindchen geht, Gottlob, mit
jedem Tage mehr u. mehr in Erfüllung. Es wird belebter, verstän-
diger, kriegt wieder Farbe und mehr Fülle, helle Augen, und
nimmt lustig theil an allem.
Ich habe ein Trio angefangen, wo eben das erste Stück fertig ist 133 ,
habe sechs Orgelsonaten 134 u. die ganze Musik zum Oedipus 135
etc. [. . .] ganz vollendet, u. habe allerlei neues im Kopf, von dem
bis zu unserem Wiedersehn hoffentlich schon manches auf dem
Papier stehen soll, [. . .] lese Novellen u. Geschichtsbücher [. . .], um
eine neue Oper zu suchen (aber bis dato ist noch nichts davon zu
spüren) spiele ab u. zu die großen letzten Beethovenschen Sonaten
in Gesellschaft (die die Leute jetzt sehr anmuthig finden) habe
gestern das Männerstimmen Requiem von Cherubini u. meine
Antigone- Chöre 136 hier privatim schön aufgeführt gehört, gehe
heut in eine neue Oper - Aloys Schmitt, die zum erstenmale vom
Stapel laufen soll, besuche Freitag den Cecilien-Verein wo die
Bachsche Passion am Ciavier gesungen wird, [. . .] kann das Düssel-
dorfer Musikfest nicht dirigiren, weil ich mich ausruhen und nach
Soden ziehen muß, fahre mit Frau Bernus nach Offenbach, um
Pfeffernüsse zu kaufen [...]- das sind wirklich die einzigen musi-
kalischen Neuigkeiten, die ich für Dich, Hebe Fanny, weiß [. . .]
Geht denn am heutigen Palmsonntag in Rom noch immer die
herrliche Prozession mit Palmen u. dgl. aus der Kapelle in d moll
und singt draußen in b moll? [. . .] Das möchte ich wohl wissen, u.
wie heißt denn der jetzige Director der päpstlichen Kapelle? Und
kennst Du denn in Florenz il mio caro amico il Sre. Marchese
384
Martellini, den ich zweimal gesehen habe? Und fällt Fra Bartolo-
meo noch immer vor Schreck das Gerüst herunter u. bricht sein
Bein? Schreibt nur von allem in Florenz u. in Rom, nur von Ritter
Landsberg schreibt mir nicht! Ist Eckert noch in Rom? Iß broccoli
all'insalata mit Schinken, liebe Fanny; [. . .] Kennst Du auch Mme.
Sabatier 137 ? Sag ihr nur ja keinen Gruß von mir; aber grüßt Herrn
Schmitz vom rheinischen Dampfboot her, und den Gott Nil im
Vatikan u. wer sich sonst meiner freundlich erinnern will [. . .]
felix an fanny und rebecka 138 Frankfurt am Main,
25. März 1845
Dein soeben angekommener Brief hat den Frühling mitgebracht.
Heut ist zum erstenmal jene bewußte Luft draußen, in der alles
Eis und alle Winterkälte schmilzt und alles mild und warm und
vergnügt wird; wenn Ihr aber keinen Eisgang in Florenz habt, so
müßt Ihr uns beneiden, statt umgekehrt, den es ist ein herrliches
Schauspiel, und die Spree kann es bekanntlich nicht zuwege brin-
gen. [. . .] Das ist ja das Elend, daß ich von der Poesie des Frühlings
gar nicht spreche, sondern immer nur von seiner Holzersparnis,
und Lichtersparnis und Überschuhersparnis, und davon daß es
überall viel besser riecht, und daß es so viel gute Sachen mehr zu
essen giebt, und daß die Frauenzimmer wieder helle und bunte
Kleider tragen [. . .] Gestern abend kam ich mit Schlemmer um
eines aus einer musikalischen Punschgesellschaft, wo ich erst die
Beethovensche Sonate 106 aus b gespielt, und dann 212 Gläser
Punsch aus ff getrunken habe, wir sangen das Duett aus Faust auf
der Mainzer Gasse, weil es so wunderschöner Mondschein war,
und heut habe ich ein wenig Kopfweh. Diese Stelle suche aber
auszuschneiden, ehe Du den Brief nach Rom schickst, einer jün-
geren Schwester kann man schon so was vertrauen, aber einer
älteren, päpstlichen beileibe nicht.
Eduard Magnus, der eben auf der Durchreise von Paris hier ist,
malt uns den Carl und hat den Bengel schon sehr niedlich und
ähnlich untermalt [. . .] Ich lese dabei mit allgemeinem Beifall das
Rumpelstilzchen. [...]
Seht doch zu, ob Ihr Euch dort nicht die Nummer des >Punsch<
vom 18. Januar verschaffen könnt; darin ist ein Bericht von Anti-
385
gone im Covent- Garden mit Illustrationen, namentlich mit einer
Darstellung des dortigen Chors - über die habe ich drei Tage lang
gelacht. Der Chorführer, dem die schottischen Hosen unten her-
ausgucken, ist ein Meisterstück [. . .] Trotz alledem haben sie bei
mir anfragen lassen, wann sie den Ödipus geben könnten, weshalb
ich sie an den König von Preußen verwiesen habe.
Meine Partitur ist seit einigen Tagen fix und fertig, und wenn mir
die Musik so Heb bleibt, als sie es jetzt ist, so denke ich, sie wird
Euch auch gefallen [. . .] Auch die sechs Orgel-Sonaten sind fertig
[...] Eine Symphonie und ein Trio sind angefangen - auch ein
neuer Oratorienplan, aber alle Leute schreien undplagen mich um
eine Oper -ja! wenn ich nur so einen rechten Stoff bekäme und
fände! Aber das will mir bis auf den heutigen Tag immer noch
nicht gelingen [. . .]
FANNY AN FELIX UND PAUL 139 Rom, 20. März 1845
[. . .] Ich bin nun seit zehn Tagen hier, wollte Euch aber nicht eher
etwas hören lassen, bis ich es mit leichtem Herzen könnte, u. dazu
ist heut der erste Tag. Als ich ankam, fand ich Hensel in der ersten
Genesung von einer entzündlichen Krankheit, die er in den letz-
ten 8 Tagen, so lange ich nichts von ihm gehört, überstanden hatte,
diese Krankheit war aber selbst nur der Ausbruch höchst fataler
nervöser u. bedrohlicher Leiden, die ihn fast so lange wie ich in
Rom war, geplagt, u. die er mir absichtlich verschwiegen hatte, um
mich nicht in Florenz zu beunruhigen [. . .] So sehr mich nun auch
sein Anblick u. diese Nachrichten betrübten, so hatte ich doch in
den ersten Tagen die Freude, ihn sich sichtbar erholen zu sehn,
doch hat er dann wieder einige sehr leidenvolle Zeit gehabt, u.
heut zuerst kann ich frei genug aufathmen, um Euch Nachricht zu
geben [...], da wir uns doch unter einander gern Alles mittheilen,
was uns bedrückt oder erfreut.
Der Nebenzweck, den wir für uns mit dieser Reise verbanden, ist
auf diese Weise leider ganz gescheitert, da Hensel, anstatt hier
rasch die Studien zu seinen gerade angefangenen Arbeiten zu ma-
chen [. . .] nun schon über zwei Monate hier krank, mit allem mög-
lichen äußern Ungemach, u. mit der größten Sehnsucht nach uns
kämpfend, zugebracht hat. [. . .] Bei dieser ganzen sonderbaren Rei-
386
se lag wirklich Alles außer der Berechnung, so zuerst das Glück,
das wir gehabt haben, in diesem furchtbar strengen Winter gerade
im Januar, der doch sonst der kälteste Monat ist, einige Wochen
milden Wetters zu treffen, dann daß Beckchen, die sonst gewöhn-
lich mit ihrer Niederkunft 2-3 Wochen über die Zeit wartet, u. wo
wir daher bis gegen Mitte April rechnen konnten, vor Mitte Fe-
bruar schon niederkam, hätte sich das voraussehen lassen, so wäre
Hensel natürlich nicht fortgegangen, u. hätte diese Zeit, von der
er selbst sagt, sie sey die traurigste seines Lebens gewesen, in unsrer
höchst behaglichen Florentiner Wirthschaft mit uns zugebracht
Deine Bestellung an August Elsasser 140 , lieber Paul, habe ich sei-
nem Bruder gemacht, den wir [. . .] täglich [. . .] sehen. Ihn selbst
habe ich noch nicht sehen können, seine Gesundheit erlaubt ihm
in diesem Augenblick nicht einmal, mich bei sich zu empfangen.
Denke Dir doch, was das für eine Existenz ist, den ganzen Winter
nicht aus dem Zimmer zu kommen, keinen Menschen zu sehen,
er lebt von Schlaf u. Arbeit u. hat wirklich nur eben so viel Körper,
um zu leiden u. zu malen. Dabei ist er von äusserster Reizbarkeit
gegen alle physische u. moralische Luft von außen, man kann ihn
nicht ansehen, ohne ihm im Innersten wohl oder weh zu thun, ich
glaube, daß manche Eigenschaften seiner Bilder sich nur aus die-
sem krankhaften Gefühlsleben erklären lassen. [. . .] Ich wünsche
uns sammt u. sonders einmal wieder in einer Atmosphäre von
Gesundheit zu leben, wir haben doch im letzten halben Jahr gar
zu viel leiden, u. leiden sehen müssen. [. . .] Wir sind es zufrieden,
Anfangs Juli in Soden einzutreffen, u. da einige Zeit zu pausiren,
Hensel kann da seine Brunnenkur abmachen, [. . .] u. da sich aus
der ganzen Reise für Beckchen das Resultat ergeben hat, daß Berg-
luft die ihr am meisten zusagende ist, so wird auch für sie Soden
ein passender Sommeraufenthalt seyn. [. . .] Wie beklage ich Euch
wegen des furchtbaren Winters, den Ihr erduldet habt, u. vielleicht
zur Stunde noch erduldet, u. wie schrecklich muß Noth u. Elend
unter den armen Leuten gewesen seyn, was man davon liest,
macht Einen wirklich schaudern. Ich bitte Dich, lieber Paul, falls
noch außerordentliche Collekten zu Holz od. dergl. gemacht wer-
den, uns mit 10 rh dabei zu betheiligen [. . .]
In diesen Tagen wird wol die Unruhe in unserm Hause groß seyn,
387
Paul Mendelssohn Bartholdy
ich gestehe, daß ich dem Moment aus dem Wege gehe, wo die
Wohnung der Eltern an fremde Leute übergeht, ist mir nicht leid,
solche Abschnitte haben gar zu viel Schmerzliches [. . .]
Ueber den Jungen werdet Ihr Euch wundern, er wächst zusehends
in die Länge u. Breite u. so Gott will, bringen wir ihn als einen
ziemlichen jungen Menschen mit. Er ist recht brav u. fleißig u.
macht uns viel Freude [. . .]
fanny an felix' 41 Berlin, 22. Juni 1846
Mein Ueber Felix, sey einmal recht barmherzig u. hebenswürdig,
u. nachdem Du Europa u. die angränzenden Länder erfreut 142 ,
erfreue u. erquicke auch einmal wieder die Deinigen. Komm ent-
weder auf ein Paar Tage incognito her, u. erzähle, erzähle, erzähle
den ganzen lieben langen Tag, oder wenn das nicht seyn kann,
schenke uns wenigstens eine Stunde, u. schreibe einen langen, aus-
führlichen Brief. Ich lasse diesmal all Dein Beschäftigtseyn nicht
gelten, u. mache auch einmal Anspruch an Deine Zeit, ich denke
ich thue es nicht zu oft, bilde Dir ein, es säße irgend ein Schiemil
eine Stunde länger bei Dir, kurz laß uns etwas mitgenießen von
dem vielen Prächtigen, das Du erlebt hast, in Colin muß es gar zu
schön gewesen seyn, u. gieb mir einen Begriff, wie 2 000 Männer-
stimmen klingen, von 10 weiß ich es wohl. [. . .] Und was war denn
in Lüttich los? Denn daß Du nicht hast dirigieren wollen, weil die
Musik zu schlecht ging, glaube ich schwerlich, angedenkens der
Zweybrücker Sängerin, der Du den Taktstock vor die Nase gehal-
ten, Du hast wol vorher beichten sollen, oder dergl.? Kurz laß
hören, ich sterbe vor Neugier, vielerlei zu wissen. Das ist nun Alles
im großen Styl der Existenz, unsere kleine Taschenausgabe lebt
aber diesen Sommer auch sehr vergnüglich u. angenehm, ich ma-
che sehr viel Musik u. habe Spaß daran, was wie ich glaubte, für
dies Leben schon vorbei wäre, u. freue mich überhaupt meines
Lebens mit rechtem Bewußtseyn. Ich weiß nicht, ob es nach recht
schwerer, böser Zeit ein verdoppeltes Bedürfnis des Athmens ist,
aber ich habe seit meiner Jugend den Tag nicht so genossen, wie
diesen Sommer, wo uns denn überhaupt Gott sey Dank heitre,
ungestörte Zeit verliehen ist. Ich wollte, ich könnte dasselbe von
Rebecka sagen, aber ihre trübselige Laune scheint sich leider so
389
festgesetzt zu haben, daß ich gar kein Ende davon absehn kann.
Ich denke manchmal es sey unrecht von mir, mich dagegen gewis-
sermaßen abgestumpft zu haben, u. mich jetzt meines eigenen
Glücks zu freuen, wie ich es wahrlich lange nicht gekonnt, aber
mein Mann hat doch den ersten Anspruch auf mich, u. wenn ich
dem das Leben verbittre, dadurch daß ich mich um alle Freudig-
keit bringen lasse, so ist das am Ende doch auch nicht wohlgethan.
Sie wohnt jetzt mit Mama u. den kleinen Kindern 143 hier bei uns
oben, wo Ihr zuletzt wart, die Kinder sind so prächtig u. liebens-
würdig, daß sie wahrlich schon allein hinreichen müßten, sie hei-
ter, froh u. dankbar zu erhalten. Ich versichere Dich, Heber Felix,
das so täglich u. stündlich zu sehn, es ist recht böses Leiden, u. ich
danke Gott doppelt, daß ich im Stande bin, jetzt gegen zu halten,
u. ein wenig Lust u. Freude im Hause zu verbreiten, im Winter
vermochte ich es nicht, da ging ich fast zu Grunde in dieser bo-
denlosen Uebellaunigkeit. - Pauls wohnen im Thiergarten, u. da
sehn wir uns leider nicht oft, sie sitzen in ihrem Garten, wir in
unserm, Jeder hat Besuch, nur Sonntags kommen wir in der Regel
zusammen, die Kinder sind auch dort ganz allerliebst, die kleine
Nachwelt macht uns gar zu viel Vergnügen [. . .]
felix an fanny Leipzig, 27. Juni 1846
[. . .] Wer solchen Beschwörungsmitteln, wie Du sie angewendet
hast, um mich zu einem langen Brief zu bringen, widerstehen
kann, der muß der Satan selbst sein oder der Kuckuck. Also wird
großes Format genommen und geschrieben, obwohl mir eigent-
lich das Feuer so arg auf den Nägeln brennt, wie noch nie; denn
ein ungeheuer großes Stück vom Elias ist noch aufzuschreiben
und in England probieren sie schon am ersten Theil, und erst heut
früh ist Spohr von hier abgereist, den wir alle Mittag und alle
Abend beleben mußten [...], dem wir ein Konzert mit seinen
Kompositionen im Gewandhaus gaben [. . .], der mir immer eine
Hebe, willkommene und erquickliche Erscheinung ist, der aber
diesmal noch dazu beitrug, meinen Kopf ganz schwindlich dre-
hend zu machen [. . .] und nun soll ich noch dazu einen langen
Brief schreiben [. . .] Die Hauptsache in Aachen bleibt doch, daß
der Marquis von Sassenay und der Bürgermeister Nellesen alles
390
aufgeboten haben, um mir Milchreis kochen zu lassen (weil die
Lind gesagt hatte, den aß ich gern) [. . .] Die Chöre gingen aber
wirklich sehr schön, und wenn Paul die Lind im Alexanderfest die
beiden ersten Arien hätten singen hören, so hätte er wieder ge-
klatscht, wie damals im Konzert [. . .] Und nach Aachen kam Düs-
seldorf, da brachten sie mir zwei Ständchen [...] Allerdings
schmeckten die paar Tage meines Aufenthalts dort etwas bitter
nach Vergangenheit [. . .] Abends war ich wieder in Köln, andern
Tags in Lüttich [. . .] Daß ich nicht dirigirte, geht sehr natürlich zu:
ich kam eine Viertelstunde vor der Generalprobe an und hatte nie
daran gedacht, dort auch wieder Takt zu schlagen [. . .] Auf der
Rückreise war Diner in Düren [. . .] Abends war in Köln die erste
Probe auf dem Gürzenich, wo ich meinen Schillerschen Festge-
sang zum erstenmal hörte und dirigirte [. . .] Andern Tags kamen
die Zweitausend an. Wie das klingt? Nicht schärfer stark, als jeder
andere Chor [. . .] gerade so wie dreißig Geigen nicht gerade stär-
ker als zehn, aber anders, eindringlicher, massenhafter [. . .]
fanny an felix 145 Berlin, 9. Juli 1846
Mein lieber Feiice, habe Dank für Deinen Brief mit den schönsten
Nachrichten, worunter Du die vom Milchreiß freilich oben ange-
stellt hast. Ich hätte immer noch mehr Nachrichten vertragen kön-
nen, denn wenn Du Dir einbildest, Cecile habe viel geschrieben,
so sitzest Du, wie man hier sagt, auf einem dicken Irrthum. Cecile
ist zu behäbig, um Details zu schreiben. Doch weiß ich es dankbar
anzuerkennen, daß ich der Schiemil war, dem Du eine halbe Stun-
de geschenkt hast. Warum auch nicht? Soll ich mir nicht einbilden,
Dir eben so viel werth zu seyn, als Spohr? Ein so bescheidener
Lump werde ich doch nicht seyn. Eigentlich wäre das ein Contract,
den wir mit einander abschließen könnten, daß Du nach jedem
Musikfest, jedem großen Ereigniß einen langen Brief schriebest,
damit man doch auch etwas davon hätte. [. . .] Nun geht wieder ein
ganzes Oratorium von Dir 146 in die Welt, u. ich kenne keine Note
davon. Wann wird das mal an uns kommen? Eigentlich sollte ich
Dir jetzt gar nicht zumuthen, diesen Quark zu lesen, beschäftigt
wie Du bist, wenn ich Dir nicht hätte schreiben müssen, um Dir
etwas mitzutheilen. Da ich aber von Anfang an weiß, daß es Dir
39i
nicht recht ist, so werde ich mich etwas ungeschickt dazu anstellen,
denn lache mich aus, oder nicht, ich habe mit 40 Jahren eine Furcht
vor meinen Brüdern, wie ich sie mit 14 vor meinem Vater gehabt
habe, oder vielmehr Furcht ist nicht das rechte Wort, sondern der
Wunsch, Euch a. Allen die ich liebe, es in meinem ganzen Leben
recht zu machen, u. wenn ich nun vorher weiß, daß es nicht der
Fall seyn wird, so fühle ich mich rather unbehaglich dabei. Mit
einem Wort, ich fange an herauszugeben, ich habe Herrn Bocks
treuer Liebesbewerbung um meine Lieder, u. seinen vortheilhaf-
ten Bedingungen endlich ein geneigtes Ohr geliehen 147 , u. wenn
ich mich aus freier Bewegung dazu entschlossen habe, u. Nieman-
den von den Meinigen verklagen kann, wenn mir Verdruß daraus
entsteht, (Freunde u. Bekannte haben mir allerdings lange zuge-
redet) so kann ich mich anderseits mit dem Bewußtseyn trösten,
die Art von musikal. Ruf, die mir zu solchen Anerbietungen ver-
holfen haben mag, auf keinerlei Weise gesucht oder herbeigeführt
zu haben. Schande hoffe ich Euch nicht damit zu machen, da ich
keine femme libre u. leider gar kein junges Deutschland bin. Ver-
druß wirst Du hoffentlich auch auf keine Weise dabei haben, da
ich, um Dir jeden etwa unangenehmen Moment zu ersparen, wie
Du siehst, durchaus selbständig verfahren bin, u. so hoffe ich, wirst
Du es mir nicht übel nehmen. Gelingt es, d.h. daß die Sachen
gefallen, u. ich mehr Anerbietungen bekomme, so weiß ich, daß
es mir eine große Anregung seyn wird, deren ich immer bedarf,
um etwas hervorzubringen, im andern Falle, bin ich so weit, wie
ich immer gewesen bin, werde mich nicht grämen, u. wenn ich
dann weniger oder nichts mehr arbeite, so ist ja dann auch nichts
dabei verloren [. . .]
Noch eins wollte ich Dich bitten, wenn H. v. Keudell 148 , den Du
ja kennst, sich in den nächsten 14 T. bei Dir meldet, u. Dir vielleicht
auch etwas in die Queere bei Deiner Arbeit kommt, nimm ihn
doch freundlich auf, er ist jetzt sehr viel in unserm Hause, u. ein
guter musikal. Kumpan, mit dem feinsten Gefühl für Musik, und
einem Gedächtniß, wie ich es außerdem nur bei Dir kenne. [. . .]
392
felix an fanny 149 Leipzig, 12. August 1846
Mein liebster Fenchel, erst heut, kurz vor meiner Abreise, komme
ich Rabenbruder dazu, Dir für Deinen lieben Brief zu danken und
Dir meinen Handwerkssegen zu geben für Deinen Entschluß,
Dich auch unter unsere Zunft zu begeben. Hiermit erteile ich ihn
Dir, Fenchel, und mögst Du Vergnügen und Freude daran haben,
daß Du den andern soviel Freude und Genuß bereitest, und mö-
gest Du nur Autorpläsiers und gar keine Autormisere kennenler-
nen, und möge das Publikum Dich nur mit Rosen und niemals mit
Sand bewerfen, und möge die Druckerschwärze Dir niemals
drückend und schwarz erscheinen - eigentlich glaube ich, an alle-
dem ist gar kein Zweifel denkbar. Warum wünsche ich Dir's also
erst? Es ist nur so von Zunft wegen, und damit ich auch meinen
Segen dazugegeben haben möge, wie hierdurch geschieht.
Der Tafelschneidergeselle
Felix Mendelssohn Bartholdy
fanny an felix 150 Berlin, ohne Datum
[. . .] Wenn ich auch kein andres Vergnügen von der Herausgabe
meiner Lieder hätte, als diesen Deinen Brief, so würde es mir
schon nicht leid thun, denn er ist sehr Hebenswürdig, u. hat mich
auf drei Tage lustig gemacht, wäre ich es nicht ohnehin. Warum
ich meine Lieder nicht an Dich adressiert habe? Zum Theil weiß
ichs, zumTheil nicht, ich wollte Cecile als Vermittlerin in An-
spruch nehmen, weil ich doch so eine Sorte von bösem Gewissen
Dir gegenüber hatte, denn allerdings, wenn ich bedenke, daß ich
vor zehn Jahren fand, es wäre zu spät, und jetzt, es wäre gerade
die äußerste Zeit, so ist das rather lächerlich, so wie ich mich auch
lange bei dem Gedanken empört habe, auf meine alten Tage mit
op. 1 anzufangen. Da Du nun so überaus hebenswürdig dabei
bist, will ich Dir auch bekennen, wie entsetzlich mausig ich mich
gemacht habe und daß nächstens sechs 4stimmige Lieder kom-
men, von denen Du kaum eins kennst. Ich hätte sie Dir gern erst
mitgetheilt, aber Du kamst doch nicht, und schriftlich geht das
nicht. Meine Freitagssänger haben sie gern gesungen, und unter-
stützt von dem guten Rath, der mir hier zu Gebote steht, habe
393
ich mir Mühe gegeben, es so gut zu machen, als ich kann. Ich
werde so frei sein, dem Dr. Mendelssohn ein Exemplar zu schik-
ken[...]
felix an fanny Leipzig, 12. Dezember 1846
Liebe Schwester,
So eben kehre ich von meiner Reise nach Berlin hieher zurück,
d.h. ich bin nicht weiter gekommen als Schernitz 152 , da in der
Gegend von Halle zwei Züge stecken geblieben sind im Schnee,
u. seit gestern Abend campieren, u. die Communication also
gesperrt ist. Wir warteten mehrere Stunden in Schernitz, u. end-
lich sagte mir der Scharrher, daß Berlin heut Abend unmöglich
mehr zu erreichen sei. Da bin ich hieher umgekehrt, und bedau-
re nun aber Eure Ungewißheit u. Sorge um den ausbleibenden
Zug am Allermeisten. Hoffentlich kommt aber die Post, die die-
se Zeilen bringen soll, durch den Schnee durch u. beruhigt Euch,
im Falle Ihr Euch ängstigt. Ich warte nun hier ab bis die Bahn
wieder ganz frei ist, u. hoffe, das wird spätestens übermorgen
sein. Bestimmt kann ich nun freilich nicht sagen, zu welcher
Stunde ich kommen will, aber ich falle eben ins Haus, u. wie
gesagt hoffentlich Sonntag oder Montag spätestens. Auf Wieder-
sehen! Euer so eben im Schnee stecken gebliebener, aber gar
nicht frostiger E
fanny an felix 153 Berlin, 2. Januar 1847
Ich muß nur einmal mein Tagewerk mit dem grünen Blatt anfan-
gen, sonst gelingt es mir wieder nicht, Euch zu schreiben, Ihr lie-
ben Geschwister [. . .] Liebe Cecile, was ich diesmal für Freude an
Felixens Aufenthalt 154 gehabt habe, das kann ich Dir gar nicht sa-
gen, es war nicht so unruhig um ihn her, als gewöhnlich, er blieb
den ganzen Morgen zu Hause, hat mir Elias vorgespielt, u. erzählt,
es waren prächtige 8 Tage. Er hat zwar sehr bei uns gefroren, aber
sein gutes Gewissen, daß er mir so große Freude gemacht hat, muß
ihn noch hinterher warm halten. Der Winter ist bös, u. wir haben
in unserem dummen Sommergeläßchen 155 viel zu leiden, dafür
war es auch den größten Theil des Jahres desto schöner. Weih-
394
nachtsabend war Alles bei uns, u. wir hatten einen sehr schönen
Aufbau, der große Orangenbaum war Weihnachtsbaum (diese
Mittheilung ist eigentlich für Marie) in den Zweigen durch ausge-
höhlte Citronen erleuchtet, um den Giebel 156 ein Kranz von Lich-
tern, die Erde mit Moos, u. dieses mit bunten Zuckerplätzchen
bedeckt, die Thüren mit Taxusbogen bekleidet, u. Alles voll blau-
en 157 Lichtern, vielen Gipssachen, die wir verschenkt haben, u. die
sich zum Ausputz sehr hübsch eignen. Nachher spielten wir sämt-
liche 3 Kindersymphonien, welche im Sylversterabend [...] wie-
derholt wurden. [. . .]
Das wäre nun Alles recht gut, wenn nur die Heidelberger Ge-
schichte erst entschieden wäre, die Hegt uns aber Allen recht in den
Gliedern 158 . [. . .] Im Grunde wünschen doch Alle, u. er nicht am
letzten, daß er bleibe. Seine Freunde haben Alle ihre Schuldigkeit
gethan, dagegen ist nichts zu sagen. Bis auf diese böse Ueberra-
schung am Schluß war das Jahr im Allgemeinen sehr gut; ich wün-
sche mir in mancher Beziehung mehr solche. Am Reichsten war
es freilich für Paul, 2 Kinder 159 in einem Jahr, das will was sagen.
Albertine ist auch diesmal etwas angegriffen, u. erholt sich langsa-
mer, doch ist sie wohl.
Nun lebt wohl, Ihr lieben Leute, habt ein gutes Jahr, mit all Euren
Kindern, u. mögen wir viel zusammen kommen, das wünsche ich
mehr, als ich es hoffe [. . .]
fanny an felix Berlin, 1. Februar 1847
An dem Tage, an dem alle Völker sich durch Deputationen dem
Thron Ihr. musikalischen Majestät nahen, wage auch ich, Dir
schönstens zu gratuliren, Herr Bruder, u. Dir ferner so viel Glück
zu wünschen als Du, Gott sey Dank! hast u. verdienst u. vertragen
kannst. Eigentlich müßte man Reihe herum Deiner Frau, u. allen
Deinen Kindern zu Deinem Geburtstag Glück wünschen, u. dann
käme es nur alle 7 Jahre an Dich, ich fürchte nur, Felixchen u.
Lili 161 ist fast eben so wenig mit einem Brief gedient, als Dir, u. zur
Strafe dafür sollst Du ihn eben lesen, u. Chocolade u. Kuchenkrü-
mel darauf fallen lassen, u. ihn auf den Tisch werfen, zu allen
Ständchen u. Blumen u. Damenerbieten, u. dem Gedicht v. Herrn
v. Webern, u. einem Band sonstiger Gedichte, u. allen Besuchen,
395
u. allen Beweisen der Freude, die alle Leute von sich geben, daß
Du vor so u. so viel 30 Jahren in Hamburg angefangen. Damit ist
uns freilich allen gedient, u. sehr.
Ich schicke Dir leider nichts, als meine 4stimmigen Lieder 162 , u.
bitte Dich, spiele sie der lieben Cecile, die immer ein gütiges Pu-
blicum für mich ist, vor, ein anderes Exemplar folgt dieser Tage
durch Eigendorffsche Gelegenheit für Mme. Frege.
Es hängt sehr angenehme Zeit an diesen Liedern, u. darum sind
sie mir lieber, als andre meiner Singemusiken. 163
Dieser Tage habe ich einen Brief v. d. Academie erhalten, der
wesentlich nichts enthält, als die Anfrage, ob »auf Flügeln des Ge-
sanges« von mir wäre, u. ich möchte ueberhaupt ein Verzeichniß
von den Sachen von mir schicken, die verkappt in der Welt um-
herlaufen, es scheint, sie sind selber nicht pfiffig genug, die Spreu
von Weizen zu sondern. Daraufhin ich nun meinen ganzen Witz
zusammennahm, denn blos zu antworten; ach, meine Herren, lei-
der nein! das fände ich rather platt, u. so dumm war ich auch nicht,
ihnen meine Paar Sächelchen mit Fingern zu zeigen [. . .] aber un-
verschämt will ich auch nicht seyn, kurz, ich muß mein Licht bei-
nah ebenso im Dunkel lassen, als der Magistrat unsre Straßen, seit
er die Erleuchtung übernommen.
Am Sonntag taufen wir nun bei Albertine, wenn nur ihr Bruder
keinen Querstrich macht, der ist leider im letzten Stadium seiner
Krankheit. Das Kind ist allerliebst [. . .] Ach, wenn ich Eure Kinder
doch einmal wiedersehen könnte, das ist nun Alles wieder lang in
die Höhe geschossen. Ich glaube, liebe Cecile, ich war neulich so
ein undankbarer Lump, daß ich dem lieben Mariechen gar nicht
für ihre niedliche Arbeit gedankt habe, bitte thue es für mich, u.
sage ihr, sie hätte mir viel Freude damit gemacht. Und Dir, lieber
Felix, habe ich auch noch zu danken für Dein Trio 164 u. Dein
Liederheft 165 , beides schon vielfach gebraucht, u. für die Zeitung
mit dem Beethovenschen Brief, der sehr interessant ist. Dergl. soll-
ten Härteis öfter publiciren.
Der Lind 166 ihre Angelegenheiten in London haben sich häßlich
verwickelt, es sieht nun bald so aus, als würde sie gar nicht hingehn
können. Wer wird denn die Partie in der neuen Oper von Dir
singen, von der die Zeitungen uns erzählen? 167 Wie weit ist der
Elias? 168 Natürlich bekommen wir ihn diesen Winter hier nicht,
396
u. dann wird er im Sommer überall gegeben, u. wir haben wieder
das nachsehn. Wofür stehn wir denn an der Spitze der Civilisation?
Mit Dirichlet ist leider noch Alles auf dem alten Fleck. Er hört
weder von Heidelberg noch von hier etwas, u. fängt an, sehr ver-
drießlich zu werden. Ich fürchte nur, es ist dem Minister hier ganz
recht, wenn er geht, denn sonst hätte er, nach den Schritten, die
die Facultät gethan hat, u. da er den Willen des Königs in demsel-
ben Sinne weiß, sich längst rühren müssen [. . .]
Sonst leben wir ganz vergnügt, jeder nach seiner Weise fleißig, u.
sehen dabei viele Leute. Sebastian, denke Dir, liebe Cecile, ist ein
vollständiger Jüngling u. beliebter Tänzer, weshalb er natürlich
nicht das Geringste in seinen Studien versäumen darf, heut ist er
auf einem Ball bei der alten Mad. Magnus, o Felix, wir werden alt,
da haben wir auch in früheren Jahrhunderten getanzt.
Lieb ist es mir, daß er auch nicht eine 169 Spur von Narrheit oder
Ziererei zeigt, er hat andere Fehler, aber im Ganzen sind wir doch
recht mit ihm zufrieden. Hensel hat sein großes Bild 170 unter Far-
be, u. arbeitet an verschiedenen Sachen gleichzeitig [. . .]
Ich danke Dir auch noch, daß Du vor Weihnacht 8 Tage hier
gefroren hast, es war sehr hübsch, u. im Grunde friere ich doch
schon 17 Jahre hier, die Sommermonate ausgenommen, u. befinde
mich ganz wohl dabei.
Lebt alle wohl, u. laßt etwas von Euch hören. Eure F.
397
> V-
Fanny Hensel auf dem Totenbett
NACHWORT
Der Besuch des zwölfjährigen Felix bei Goethe ist von seinen Bio-
graphen beschrieben worden wie ein Märchen. Da ist der Wun-
derknabe, der vom Dichter die Künstlerweihe empfängt, der
knorrige, alte Kompositionslehrer Zelter, das weitläufige, herr-
schaftliche Haus am Weimarer Frauenplan, täglich wechselnder
aristokratischer Besuch, der herbstlich bunte, exotisch bepflanzte
Garten, Goethes kultivierte, junge Schwiegertochter Ottilie, die
die Lieder von Fanny, der älteren Schwester von Felix, singt, der
berühmte Kuß, den Felix morgens von Goethe bekommt und den
er pflichtschuldigst erwidert. »Jetzt hört alle, alle zu!« schreibt er
begeistert nach Hause, wo man seine lebendigen Tagebuchbriefe
begierig erwartet.
Ein paar Aspekte wirken störend in diesem Märchen. Goethes
gespanntes Verhältnis zu Felix' Großvater Moses Mendelssohn
beispielsweise oder die Worte, mit denen Zelter seinen jungen
Schützling ankündigt: »Er ist zwar kein Jude, aber ein Judensohn
. . .« Warum weist Goethe den Freund nicht zurecht? Hätten die
Biographen in der zur gleichen Zeit erschienenen Romanversion
der »Wanderjahre« nachgeschlagen, würden sie den Satz gefunden
haben: »In diesem Sinne . . . dulden wir keinen Juden unter uns;
denn wie sollten wir ihm den Anteil an der höchsten Kultur ver-
gönnen, deren Ursprung und Herkommen er verleugnet?« 1
Fanny, gerade sechzehn geworden, sitzt in der elterlichen Woh-
nung auf der Neuen Promenade in Berlin und wartet. Sie schreibt
und schreibt ihrem Felix, ihrem »heben Sohn«, aber kein einziger
von dessen Briefen nach Hause ist an sie adressiert, nur ein einzel-
ner Satz, eine einzelne Nachricht gilt ihr persönlich, daß Ottilie
ihr Lied »Erster Verlust« so schön gesungen oder Goethe ihm ei-
nen Zettel mit einem Gedicht in die Hand gedrückt und dazu
gesagt hat: »Gib das dem heben Kinde.«
399
Dabei ist sie längst kein Kind mehr. Sie hat Lieder auf französische
und deutsche Texte geschrieben, eine große Klaviersonate in E-
Dur angefangen, korrespondiert mit ihrer Tante Henriette in Paris
über die Kunst, das Leben als Komödie zu inszenieren, tröstet ihre
vierundvierzigj ährige Mutter Lea über den Tod ihres neugebore-
nen, letzten Kindes und vermittelt so lange zwischen ihrem zum
Christentum konvertierten Onkel Bartholdy in Rom und dessen
orthodoxer Mutter, ihrer Großmutter Bella, bis diese ihre alttesta-
mentarische Verfluchung zurücknimmt.
»Freilich, meine beste Fanny, hast Du Dir durch Deine geschick-
ten und glücklichsten Unterhandlungen . . . unsterblichste Verdien-
te um mich erworben«, bedankt sich Bartholdy, »und ist ein Be-
weis Deines guten . . . Herzens und Gefühls. Ich habe immer ge-
glaubt . . ., daß man mit dem Herzen mehr durchsetze als mit dem
Kopfe, selbst bey solchen Gelegenheiten, wo Du viel vom Genie
großer Männer wirst reden gehört haben. Hiermit will ich aber
Deinem Genie nicht zu nahe treten.« 2 Warum ist sie eigentlich
nicht mitgefahren? Zelter, der gemeinsame Kompositionslehrer,
schätzt Fannys Begabung als Komponistin und Pianistin minde-
stens so hoch ein wie die von Felix.
Da ist einmal das bekannte Diktum ihres Vaters, des Bankiers
Abraham Mendelssohn, der sie energisch in ihre weiblichen
Schranken verwiesen hat: »Die Musik wird für ihn vielleicht Be-
ruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass
Deines Thuns werden kann und soll.« 3 Ein anderer Grund heißt
Wilhelm Hensel. Er ist siebenundzwanzig Jahre alt, märkischer
Pfarrerssohn, Teilnehmer der antinapoleonischen Befreiungskrie-
ge, Amateurdichter, Absolvent der Berliner Kunstakademie und
ein am preußischen Hof geschützter Historienmaler. Fanny hat
den elf Jahre älteren im Januar 1821 kennengelernt. Als Mutter
Lea bemerkt, daß er sich in sie verhebt hat, macht sie eine ihrer
gefürchteten häuslichen Szenen: Dieser Hensel, der übrigens viel
zu alt für sie ist, paßt einfach nicht in die Familie. Er ist ein ultra-
loyaler preußischer Patriot, malt geschmacklich fragwürdige Ko-
lossal-Motive wie »Spiel des Indianers mit der vierzehnpfündigen
Kugel, zur rechten sein Sklav' mit dem Glockenspiel, links ein
zuschauender Turner«, schmiedet gefällige Kalauer von zweifel-
hafter Komik und sympathisiert, was das Schlimmste ist, mit dem
400
Katholizismus. Die Geschwister Fanny, Felix, Rebecka und Paul
sind 1816 in aller Unauffälligkeit evangelisch getauft worden. Lea
und Abraham werden diesen Schritt erst 1822 tun. Große Teile der
Familie sind jüdisch geblieben, Abrahams Bruder Joseph, seine
Schwester Recha und vor allem Leas Verwandtschaft aus der Linie
ihres Großvaters Daniel Itzig, preußischer Münzmeister im Sie-
benjährigen Krieg und persönlicher Bankier Friedrichs des Gro-
ßen.
Die Mendelssohns sind ebensowenig überzeugte Protestanten,
wie sie überzeugte Juden gewesen waren. Aber es schien vernünf-
tig und richtig, überzutreten. Denn ein Votum des preußischen
Finanzministeriums von 1816 hat viele der unter Friedrich dem
Großen erreichten Privilegien wieder zerstört. »Der Übertritt der
Juden zur christlichen Religion muß erleichtert werden«, heißt es
wörtlich, »und mit dem sind alle staatsbürgerlichen Rechte ver-
knüpft. Solange der Jude aber Jude bleibt, kann er keine Stellung
im Staate einnehmen.«
Und nun Wilhelm Hensel mit seinem Schwärmen für Rom und
den Papst, seinem ständigen »Gelobt sei Jesus Christus«, seiner
nonnenhaft-keuschen Schwester Luise, die religiöse und patrioti-
sche Lyrik schreibt, seinen freundschaftlichen Beziehungen zur
»christlich-deutschen Tischgesellschaft«, deren Wortführer Kleist,
Brentano, Savigny und Fichte sowohl Juden als »diese von den
ägyptischen Plagen übriggebliebenen Fliegen« 4 als auch Frauen
aus ihren Reihen ausschließen! Hier wittert Lea mit Recht eine
Atmosphäre von Intoleranz und Fanatismus, einen schwülen, völ-
kisch geprägten Nationalgeist, die germanische Antwort auf die
Politik des verhaßten Napoleon, der die Juden weitgehend eman-
zipiert hatte. Wilhelm darf Fanny besuchen, aber nur, wenn Lea
dabei ist. Eine Reise zu Goethe hätte Gelegenheit zu unkontrol-
lierter Korrespondenz gegeben. Ein Jahr später, als Hensel mit
einem preußischen Staatsstipendium nach Italien reist, untersagt
sie ihm jeden direkten Briefwechsel mit Fanny.
Doberan 1824. Ein kleines, aristokratisches Bad an der mecklen-
burgischen Ostsee, erst Wallfahrtsort, dann Sommerfrische der
Schönen und Reichen, ein schattiger Park mitten im Zentrum,
klassizistische Gebäude in strahlendem Weiß, fragile, chinesische
Pavillons, ein Kasino, eine Pferderennbahn, ein Theater und über-
401
all »jene schönen Wucherinnen, die sich reichlich genug in allen
Sorten . . . zujeder Tageszeit auf allen Plätzen zeigen und ihre bona
officia anbieten«. 5 Hier ist der fünfzehnjährige Felix mit seinem
Vater und seinem Hauslehrer Heyse zu Gast, von hier schreibt er
zum erstenmal an Fanny direkt, deren Antworten aus dieser Zeit
leider nicht überliefert sind. Sie hat ihm Vorwürfe gemacht, seine
Schreibfaulheit getadelt. Aber es ist nichts Bösartiges oder Herab-
setzendes in seinem Schweigen. Felix hat drei Geschwister, eine
anspruchsvolle Mutter, zahllose Verwandte in Berlin, Paris und
Wien, einen Kompositionslehrer, einen Klavierlehrer, einen Zei-
chenlehrer, und alle lieben ihn und erwarten Briefe von ihm, die
er, um sich das Leben zu erleichtern, summarisch abfaßt, da er
weiß, daß sie ohnehin überall herumgereicht werden. Fanny stellt
Sonderansprüche, denn sie ist seine engste musikalische Vertraute,
wie ein künstlerischer Zwilling mit ihm aufgewachsen, immer an
seinen Kompositionsprojekten beteiligt, zur Zeit an seiner Oper
»Die Hochzeit des Camacho«. Meistens wird sie krank, wenn er
verreist ist, bekommt Husten, Gesichtsschmerzen, Nasenbluten,
versucht, sein Gewissen nicht zu belasten, und tut es doch. Was
hat sie auch vom Leben, wenn Felix nicht da ist? Ein paar Gesell-
schaften, ein paar »Thee«-Gäste, Streit mit der Mutter, Sehnsucht
nach Hensel. Man versucht, sie mit aller Gewalt auf den »Beruf
des Weibes« vorzubereiten und verbietet ihr nun schon im dritten
Jahr den Kontakt zu dem Mann, der sie Hebt.
Felix, der leicht erregbar ist, reagiert jähzornig, »schnauzt« oder
»faucht« sie an. Aber er ist viel zu friedfertig, um dauerhaft böse
zu sein. »Süßes Kind, ich hebe Dich entsetzlich; aber wenn nur
besseres Wetter werden wollte.« Das Wort »Liebe« verweist nicht
automatisch auf Inzest, nicht einmal, wie sein Biograph Werner
meint, auf »Hysterie«. Die Mendelssohns »Heben« Vater, Mutter,
Geschwister, das Meer und Johann Sebastian Bach. Erst eine neue-
re, ängstlichere Sprachregelung reserviert das Wort für den Be-
reich der Erotik.
Daß der erwachsene Felix ein guter, ausdauernder Schwimmer
war, der allerdings 1840 bei Bingen im Rhein beinahe ertrunken
wäre, da er mitten im Wasser plötzlich bewußtlos wurde, ist be-
kannt; daß er aber schon als Fünfzehnjähriger weit ins offene Meer
hinausschwamm und darüber plastische literarische Berichte ver-
402
faßte, dürfte seinen Biographen neu sein. "Welcher romantische
Komponist konnte überhaupt schwimmen? Schumann konnte es
nicht. Schubert sicher auch nicht. Goethe allerdings hackte das Eis
auf der lim auf, um selbst im Winter schwimmen zu gehen. Lord
Byron durchschwamm die Meerenge der Dardanellen. Es war
modern, ja politisch fortschrittlich, öffentlich zu schwimmen,
denn fast jede Art von Sport war 1819 durch die sogenannte preußi-
sche »Turnsperre« polizeilich verboten worden. Die Turner- und
Burschenschaften wollten die Einheit und Freiheit Deutschlands,
die Abschaffung der Aristokratie unter den Farben Schwarz, Rot,
Gold. Jahn, ihr geistiger Führer, wurde wegen »hochverräterischer
Verbindungen« mehrfach verhaftet. Ein gegen ihn angestrengter
Prozeß endete zwar 1825 mit Freispruch, doch wurde er für wei-
tere fünfzehn Jahre unter Polizeiaufsicht gestellt. E .T A. Hoff-
mann, der dem Prozeß zeitweilig als Richter vorsaß, nannte das
Turnwesen eine »Pflanzschule wahnsinniger Hoffnungen« und
befürchtete, daß es »in Knaben den Dünkel erregen könnte, . . . sich
in keine gewöhnliche Ordnung der Dinge fügen zu wollen.« 6 Die
Breslauer Gymnasiasten hatten bereits erklärt, künftig lieber das
Lesen unterlassen zu wollen als das Turnen. Erst 1842, mit dem
Thronantritt Friedrich Wilhelms IV, wurde die »preußische Turn-
sperre« wieder aufgehoben, denn unter dem Eindruck einer neu-
en, vermeintlichen Bedrohung durch den »Erbfeind« Frankreich
war körperliche Ertüchtigung plötzlich wieder gefragt.
Doberan ist zwar ein eleganter Badeort, aber die mecklenburgi-
schen Einheimischen sind bitterarm. Rund um das Seebad gibt es
keine befestigten Landstraßen, nur Feldwege. Die wenigen, die
sich den Luxus eines Badeaufenthaltes leisten können, kommen
mit der eigenen Equipage. So wird Felix als dreifacher Außenseiter
angesehen: reichjüdisch und ein guter Schwimmer. Einmal, als er
in Doberan aus dem Wasser steigt, wird er von einheimischen
Kindern als »Judenjunge« beschimpft. Er versucht, gelassen zu
bleiben, ist aber, so sein Hauslehrer Heyse, später im Hotel »außer
stände seine Wuth und Indignation über die Demütigung, die ihm
widerfahren, zu unterdrücken. Am Abend brach sie in einem
Sturm von Thränen und wilden Beschuldigungen aller Art aus.« 7
Kein Wort darüber an Fanny, die er nicht beunruhigen will. Sie
hat den »Judensturm« von 1819 miterlebt, den Aufmarsch der de-
403
mokratischen, »hep, hep, Jud' verreck« grölenden Burschenschaf-
ten, eingeworfene Fenster, verprügelte ehemalige Glaubensgenos-
sen, intellektuell verbrämte Parolen zur »Vertreibung der Juden
mit Dolch und Schwert«. Es ist alles so widersinnig und verwir-
rend. Daß ausgerechnet die Jungdeutschen und Demokraten die
Juden vertreiben wollen, darunter einige der bekanntesten zeitge-
nössischen deutschen Dichter. Jahrelang ist es fast ein Tabu, das
Wort »Jude« auch nur in den Mund zu nehmen. Im Briefwechsel
zwischen Fanny und Felix taucht es nur drei- oder viermal auf,
ohne daß eines der Geschwister von »vernichtendem jüdischen
Selbsthaß« befallen gewesen wäre, eine weitere Schuldzuweisung
Werners an Fanny.
Im März 1825 fährt Abraham mit Felix nach Paris, um ihn bei Luigi
Cherubini einzuführen, der über seine Künstlerlaufbahn entschei-
den soll. Abraham ist noch keine fünfzig, hat sich aber seit Jahren
aus dem Bankgeschäft zurückgezogen und widmet sich nun inten-
siv der Karriere seines Sohnes. Für die Familie zu Hause in Berlin
hat er ein weitläufiges Palais an der Leipziger Straße 3 gekauft, mit
großem, parkähnlichem Garten und einem für Musik- und Thea-
teraufführungen geeigneten Saal. Felix schreibt in dieser Zeit häu-
fig an Fanny, sie empfindet seine Briefe als arrogant: kein Wort
über die Schönheiten und Besonderheiten von Paris, Kritik und
Tadel am Musikleben in Bausch und Bogen, den Flügeln, den
Geigern, den Orchestern, der Oper, dem Theater, den Salons, den
Dilettanten, die nicht einmal Bach kennen, den Frivolitäten in
einer neuen Oper von Auber. So schrecklich, meint Fanny, kann
es in Paris gar nicht sein. Geht er denn nie an die Seine, in den
Jardin du Luxembourg, mischt er sich nie unters Volk, genießt er
nie das gute Essen, wird er am Ende ein deutscher, verbiesterter
»Schuhu«? Er benimmt sich ein bißchen flegelhaft, auch ihr gegen-
über. Sie solle doch, bitteschön, erst einmal Partitur lesen lernen,
ehe sie sich über Männerangelegenheiten wie die Verbesserung
der Klarinette den Kopf zerbreche!
Lea, in diesem Punkt durchaus emanzipiert, weist ihn zurecht. Er
wisse wohl gar nicht, was Fanny in Berlin alles für ihn tue, Noten
beschaffen, Stimmen kopieren, mit Verlegern verhandeln, aber
selbst sie, die sonst uneingeschränkte Autorität, bekommt »ihr
Fett« ab: »Davon kann ich Dir das Gegentheil nur versichern, be-
404
weisen kann ich es nicht. Glaube nur meinen Betheuerungen,
denn das Lügen habe ich mir in Paris noch nicht angewöhnt!« Hier
spricht der verwöhnte Junge in der letzten Phase der Pubertät, das
sich selbst überschätzende Junggenie, vom Vater vergöttert und zu
immer wieder neuen Leistungen angetrieben, von Cherubini
durchaus kritisch gesehen: »Der Junge ist begabt; er wird Gutes
leisten; er leistet schon jetzt Gutes. Aber er verschwendet sein
Vermögen; er verwendet zuviel Stoff für sein Gewand.« 8
Schon seit 1822 haben sich die Geschwister mit Bachs »Matthäus-
passion« auseinandergesetzt, deren Partitur Felix 1823 zu Weih-
nachten geschenkt bekommt, nicht als gedruckte Ausgabe, denn
von einer Drucklegung der Werke Johann Sebastian Bachs ist man
damals noch weit entfernt, sondern in einer Abschrift seines Vio-
linlehrers Eduard Rietz. Fanny und Felix machen sich gemeinsam
ans Studium, spielen die Chöre vierhändig, singen mit den Freun-
den Marx, Droysen und Devrient Teile der Solopartien. Als die
Privatproben genügend fortgeschritten sind, gehen Felix und
Devrient, mit »neugekauften gelben Handschuhen«, 9 blauen Rök-
ken, weißen Westen, schwarzen Halstüchern und schwarzen Pan-
talons bekleidet, zu den Vorstehern der Berliner Singakademie
und bieten die Aufführung an. Geld ist wie immer kein Problem.
Vater Mendelssohn finanziert alles. Auf dem Vorplatz ruft Felix
übermütig aus: »Zu denken, daß es ein Komödiant und ein Juden-
junge sein müssen, die den Leuten die größte christliche Musik
wiederbringen!« 10
Die ersten beiden Aufführungen am 11. und 21. März 1829 dirigiert
er selbst. Eduard Devrient singt den Jesus. Die übrigen Partien
werden hauptsächlich von Mitgliedern des königlichen Opern-
hauses vorgetragen. Es spielt die von Eduard Rietz gegründete
»Philharmonische Gesellschaft«, ein aus Laien und Berufsmusi-
kern bestehendes Orchester. Der Chor - überwiegend Mitglieder
der Singakademie - umfaßt 185 Personen. Fanny steht bescheiden
hinten unter den Altistinnen. Schon nach der ersten Ankündigung
des Konzertes sind alle Karten vergriffen. Ungefähr tausend Men-
schen müssen vor Beginn der Aufführung wieder gehen. Spontini,
eifersüchtig geworden, versucht, die geplante Wiederholung zu
verhindern, aber der Kronprinz persönlich stellt sich hinter Men-
delssohn und setzt sie erneut aufs Programm. Der Erlös des ersten
405
Konzertes geht an den Verein für die Erziehung verwahrloster
Kinder, der des zweiten an die Berliner Handelsschulen.
»Was wir uns Alle so im Hintergrunde der Zeiten als Möglichkeit
geträumt haben, ist jetzt wahr und wirklich, die Passion ist ins
öffentliche Leben getreten, und Eigenthum der Gemüther gewor-
den«, schreibt Fanny an den Freund Klingemann. »Der überfüllte
Saal gab einen Anblick wie eine Kirche, die tiefste Stille, die feier-
lichste Andacht, herrschte in der Versammlung, man hörte nur
einzelne unwillkürliche Äußerungen des tief erregten Gefühls . . .« n
Der zwanzigjährige Felix ist nun mit einem Schlag in ganz
Deutschland bekannt und fühlt sich mit Recht berufen, einen Teil
seiner Kräfte auf die Direktion und Organisation von Konzerten
und die Wiederbelebung alter Musik, besonders Bachs, zu kon-
zentrieren. Dieses Kapitel ist musikhistorisch minutiös dokumen-
tiert worden, auch in seiner Bedeutung als Verwirklichung »natio-
nal-romantischer wie geftihlsreligiöser Ideen« 12 innerhalb der auf
bürgerlich-demokratischen Fundamenten gewachsenen Institu-
tion der Berliner Singakademie. Was in allen Darstellungen fehlt,
ist ein angemessener Hinweis auf den Anteil Fannys, die offenbar
jede Note des Werkes im Kopf hatte und Felix nach seiner Abreise
problemlos bei Chor und Orchester vertreten konnte, ohne daß
der wirkliche Dirigent, Zelter, etwas davon merkte. Hätte man
nicht lieber ihr den Dirigierstab überlassen sollen als dem hoff-
nungslos überforderten alten Mann? Francoise Tillard, ihre Bio-
graphin, wirft diese blasphemische Frage auf. Erst 1846 wird Fanny
über sich selber sagen: »Ich sage Dir, wenn irgend ein Angestellter
u. Bezahlter sich so viel Mühe um die Sache gäbe wie ich, es würde
manches anders herauskommen.«
1828 ist Hensel aus Italien zurückgekehrt und hält zum zweiten
Mal um ihre Hand an. Seine Popularität ist inzwischen gestiegen.
Er hat den Nachlaß des 1825 verstorbenen Jacob Salomon Bart-
holdy geordnet, die Fresken in dessen Villa wiederhergestellt, Raf-
faels »Transfiguration« kopiert und ein großes Gemälde, »Christus
und die Samariterin am Brunnen«, vollendet, über das Friedrich
Wilhelm III. befriedigt urteilt: »Der Maler hat seine Zeit in Rom
nicht unnütz verbracht.« Er erwirbt dieses Bild für 600 Friedrich
d'or, zahlt 2000 Dukaten für die »Transfiguration«, nimmt Hensel
in die Akademie der Künste auf und ernennt ihn zum Hofmaler. 13
406
Trotzdem hat Lea immer noch Bedenken gegen die Ehe und
macht Fanny »die schrecklichsten Scenen«. Vielleicht geht es ihr
gar nicht mehr um Hensel persönlich, sondern darum, daß sie ihre
Kinder nicht loslassen will.
Mit der typischen Mischung aus Sensibilität und Hartnäckigkeit,
die sie schon bei der Vermittlung zwischen Onkel und Großmut-
ter bewiesen hat, setzt Fanny sich schließlich durch. Am 3. Okto-
ber 1829 findet die Hochzeit statt, eine evangelische Trauung in
der Parochialkirche. Pfarrer Wilmsen predigt, der Organist Grell
spielt Fannys Orgelpräludien, das junge Paar bezieht das Garten-
haus auf der Leipziger Straße 3 und wohnt dort bis zu Fannys Tod.
Trotz aller negativen Prognosen wird die Ehe sehr glücklich.
In ihrem Tagebuch schildert Fanny, wie sie »immer nur ein Bett«
benutzen, Hensel nachts ihren »Kopf in seinem Arm« hält und ihr
»die Nächte jetzt lieber sind fast als die Tage«. 14 Das einzige, was
ihr manchmal Grund zur Klage gibt, ist Hensels Neigung zum
Kränkeln und zur Hypochondrie. Er leidet oft unter Magenbe-
schwerden, fühlt sich besonders im Winter krank und unzufrieden
und verbreitet schlechte, deprimierende Stimmung. Trotzdem
wird er sie um vierzehn Jahre überleben.
Hensel gibt seine Schwärmerei für den Katholizismus auf und
erweist sich als ausgesprochen fortschrittlich, indem er Fanny in
ihrer Laufbahn als Komponistin unterstützt und sie ermutigt,
»Sonntagsmusiken« zu veranstalten, oft gegen den erbitterten Wi-
derstand seines Schwagers Felix. Es entstehen einige schöne Ge-
meinschaftsproduktionen. Hensel schreibt Texte für Fanny und
verziert ihre Notenhandschriften mit Vignetten. Er ist selbst un-
musikalisch, aber er erkennt, daß er eine begabte Komponistin zur
Frau hat. Fannys Verhältnis zu seinem Werk bleibt distanziert. Sie
schätzt seinen Fleiß, seine Geschicklichkeit, seine Begabung als
Pädagoge, äußert sich aber nur selten über seine Bilder, zumindest
nicht Felix gegenüber, der kein Hehl daraus macht, daß er Hensels
Werke nicht mag, zumal die Bleistiftporträts, denen jeder psycho-
logische Realismus abgehe.
Fannys Briefe an Felix aus der Verlobungszeit sind von Eric Wer-
ner als »geradezu hysterisch« und von »dunkleren, manchmal das
Abnormale streifenden Trieben« beherrscht 15 getadelt worden. Er
sieht schwülstige Liebeserklärungen darin, gar Aufforderungen
407
zum Inzest. Um dieses für ihn offenbar wichtige Bild zu erhärten,
ändert er nach Belieben den Originaltext. Ich habe mich an ande-
rer Stelle ausführlich hierzu geäußert 16 und möchte darum nur
kurz zusammenfassen, was Werner übersieht oder nicht erwähnt:
Erstens den starken Geschwisterzusammenhalt jüdischer Fami-
lien, die innere Abgrenzung gegen die feindliche Außenwelt, das
Bestreben, die Familie durch »Verwandtenehen« zu erhalten und
auch nach der Verheiratung möglichst nah beieinander zu sein.
Zweitens Felix' offenkundige Eifersucht auf Hensel, mit dem er
sich weigert, ein herzliches Verhältnis einzugehen. Es gibt jeden-
falls kaum Korrespondenz zwischen den beiden. Felix spricht
Hensel nie vertraulich mit »Wilhelm« an, sondern benutzt die
unpersönliche Anrede beim Nachnamen. Bewußt oder unbewußt
inszeniert er seine Reisen so, daß er weder zu Fannys Hochzeit
noch zur Taufe ihres Sohnes Sebastian kommen kann. Auf das
Orgelstück, das er ihr zur Hochzeit versprochen hat, wartet sie
vergeblich. Er hat sich in London am Knie (!) verletzt, eine Ausre-
de, die sie noch Jahre später als absurd betrachtet.
Drittens die klugen und eindringlichen Worte, die Fanny selbst für
den Konflikt zwischen Bruder- und Gattenliebe findet, indem sie
an ihre Schwägerin Luise Hensel appelliert: »Ich kann überhaupt
diese Enge des Herzens nicht begreifen, worin der Bruder oder die
Freundin dem Gehebten erst Platz machen muß, als wär's eine
Wohnung mit abgeschlossenen Räumen.« 17
Am 16. Juni 1830 wird nach komplizierter Schwangerschaft Fannys
einziger Sohn Sebastian geboren. Trotz strikter Bettruhe wegen
vorzeitiger Blutungen kommt das Kind etwa zwei Monate zu früh
zur Welt, so daß sein Überleben angesichts der damaligen medi-
zinischen Möglichkeiten einem Wunder gleicht. Fannys Schwan-
gerschaften sind ein trauriges Kapitel. Mindestens zwei Fehlgebur-
ten verzeichnen die Briefe und Tagebücher, eine 1832, im Jahr der
Cholera, eine 1837, unmittelbar nach der Hochzeit von Felix. Of-
fenbar ereigneten sich diese »Unfälle«, wie die Familie sich aus-
drückte, in einem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft,
da Fanny bereits Reisepläne verworfen und angefangen hatte,
Wiegenlieder zu schreiben. Den Herbst und Winter 1836 ver-
bringt sie in völliger häuslicher Isolation. Trotzdem ist die Fehl-
oder Frühgeburt nicht aufzuhalten.
408
Es ist schwer, im nachhinein eine Diagnose zu stellen. Fanny war
Hypertonikerin, ein Leiden, das in der Familie lag, da immer wie-
der die gleichen Symptome wie Kopfschmerzen, Nasenbluten
und Ohrensausen auftauchen. Hypertonikerinnen neigen nach
heutiger Erkenntnis mehr zu Schwangerschaftsvergiftungen als
Frauen mit normalem Blutdruck. Es kommt zu Ödemen, Nieren-
insuffizienz und Krampfanfällen mit hohem Mortalitätsrisiko für
Mutter und Kind. Fanny hatte unter den damaligen medizinischen
Bedingungen keine Chance. Möglicherweise mußte sie sich quä-
lenden Therapien zur Blutdrucksenkung wie Aderlässen oder An-
setzen von Blutegeln am Unterleib unterziehen. Nach der Geburt,
egal mit welchem Ausgang, galten für sie dieselben Regeln wie für
alle Wöchnerinnen: neun Tage lang strenge Bettruhe, davon drei
Tage lang nichts zu essen und zu trinken außer Wassersuppe und
etwas Weißbrot, nach drei Wochen allmählicher Übergang zu
normaler Kost. Dieses offenbar nur in Deutschland verbreitete
»Hungernlassen« hatte den Sinn, die Verdauung der Wöchnerin
möglichst nicht anzuregen. 18 Nach den Strapazen der ersten,
hochdramatischen Schwangerschaft war sie zu geschwächt, um ihr
Kind zu stillen, und beschaffte sich über ein »Ammencomptoir«
eine Amme. Zwar war nach dem »Preußischen allgemeinen Land-
recht« jede Mutter verpflichtet, selber zu stillen, wobei über die
Länge der Stillzeit der Ehemann bestimmte, aber die wenigsten
Frauen der Gesellschaft hielten sich an dieses Gesetz. Die Ammen
gaben ihre eigenen Kinder in Pflegestellen, wo sie meistens star-
ben. Viele dieser »gefallenen Mädchen« waren mit Syphilis infi-
ziert und steckten die Brustkinder an. So waren die ersten Lebens-
monate immer noch eine gefährliche Zeit, in der man damit rech-
nen mußte, daß die Säuglinge nicht überlebten.
Vor diesem Hintergrund ist Felix" Irritation darüber zu verstehen,
daß Fanny kaum ein halbes Jahr nach Sebastians Geburt schon
wieder komponieren, das heißt »andere Ideen« im Kopf haben
wollte. Auch nach Fannys Fehlgeburt im Frühjahr 1837 erkundigt
er sich, ob ihre Gesellschaften und Hauskonzerte sie »nicht zu sehr
anstrengten« ? Man war damals, wegen der vielen Infektionskrank-
heiten nicht ganz zu Unrecht, der Meinung, daß Schwangere nicht
auf Bälle, ins Theater oder Konzert gehen sollten. Felix machte
sich Sorgen um Fanny, kannte ihren Wunsch nach einem zweiten
409
Kind und führte ihre Neigung zu Früh- oder Fehlgeburten auf die
Strapazen des Dirigierens und Konzertierens zurück.
Die Düsseldorfer und Leipziger Briefe von Felix' an Fanny zeigen
deutlich, wie er sich unter dem Druck der öffentlichen Verantwor-
tung aufreibt. Ein Konzert nach dem anderen, Quartettsoireen,
Kirchenmusiken, Singverein, zu Anfang der Düsseldorfer Zeit
auch noch die Oper, rheinische Musikfeste, der Ehrgeiz, Bach in
der Rheinprovinz bekannt zu machen, Dirigate in England, Ab-
stecher nach Elberfeld, Auftritte als Konzertpianist, dazwischen
die Komposition von Liedern, Kammermusik, großen symphoni-
schen Werken und der ebenso verzweifelte wie vergebliche Ver-
such, eine dramaturgisch überzeugende Oper zu schreiben. Kein
Wort über den Rhein, den er so sehr Hebte, über Ausflüge ins
Bergische Land oder ins nahe Holland.
Das immense Arbeitsprogramm ist nicht ganz freiwillig gewählt.
Denn die Familie, vor allem der Vater, wacht wie ein unerbittlicher
Richter über seine Erfolge. Er besucht ihn in Düsseldorf, überzeugt
sich von seiner Beliebtheit, kommentiert seine Konzertprogram-
me und Rezensionen in Briefen, oft mit deutlich moralisierendem
Unterton, der das Gegenteil seiner guten Absicht bewirkt. Als Felix
seine Arbeit an der Oper aufgibt und sich Hals über Kopf in die
Fehde mit Immermann steigert, »vergißt« er, den Vater um Rat zu
fragen. Schon nach drei Jahren wirft er seine Düsseldorfer Ver-
pflichtungen hin, obwohl es eine Zeit großer öffentlicher Sympa-
thie für ihn war, die ihm blendende Kritiken und die Freundschaft
vieler musikliebender Rheinländer einbrachte, vor allem die des
Regierungspräsidenten Otto von Woringen und seiner Familie.
Fanny, die in dieser Zeit intensiv mit ihm korrespondiert und 1835
und 1836 an den Rhein fährt, um als Choristin bei den Musikfesten
mitzuwirken, kann den neuen Felix nur schwer akzeptieren. Er ist
nun eine Person des öffentlichen Musiklebens und hat weniger
denn je Zeit, ihr zu schreiben oder die lange, beschwerliche Post-
kutschenreise nach Berlin zu machen. Sie fühlt sich vernachlässigt,
übergangen, beklagt, daß sie fast keine Vorstellung von seiner Wir-
kung auf dem Podium hat. Vielleicht ist auch Eifersucht auf Re-
becka im Spiel. Denn Felix mag so viel zu tun haben, wie er will:
Für einen Brief an die hübsche Rebecka findet er immer Zeit. Von
amourösen, aber auch musikalischen Neuigkeiten erfährt jetzt sie
410
als erste. Freunde wie Devrient behaupten, daß er in sie »verliebt«
gewesen sei 19 , nicht in Fanny. Fanny rächt sich, indem sie Rebecka
als chronisch launenhaft und pessimistisch hinstellt, ob zu Recht
oder nicht, ist schwer zu sagen.
Sie hat in diesen Jahren den Eindruck, daß niemand außer Hensel
sich für ihre Musik interessiert, auch Rebecka nicht, die dauernd
»in Umständen« ist und keine Zeit mehr hat, ihre Lieder zu sin-
gen. Die Folge ist eine schwere, lang anhaltende Depression, in der
sie unfähig ist zu erkennen, daß auch Felix große seelische Proble-
me hat. Er hat das Gefühl, in Düsseldorf keine wahren Freunde zu
haben, sucht eine Frau, die seine Einsamkeit kuriert, obwohl seine
Mutter ihm dringend abrät, sich zu binden, leidet besonders im
Herbst und vor Weihnachten und flieht in die Arbeit, um nicht
allein sein zu müssen. In dieser Zeit urteilt er ungerecht über Fan-
nys Musik. Über die Mary-Alexander-Lieder sagt er schlicht, sie
gefielen ihm nicht. Dafür nimmt sie seine »Melusine« und einige
seiner Kirchenmusiken Takt für Takt auseinander, benutzt Voka-
beln wie »übereinfach« und »kindisch« und wirft die polemische
Frage auf, ob er am Ende nur komponiere, um »so und so viel Ries
Papier zu beschreiben«. Solche Analysen wirken wie Gift. Fanny
schreibt keine Oratorien mehr, seit Felix gesagt hat, daß ihr »Talent
nicht dazu neige«. Felix unterwirft einen Großteil seines Jugend-
werks einer selbstquälerischen Revision und schreibt künftig die
meisten Stücke in mehreren Fassungen.
Über Cecile, die er 1836 kennenlernt, haben seine Biographen die
absurdesten Fehlurteile verbreitet. Sie sei schön und kultiviert,
aber geistlos gewesen, unmusikalisch und unfähig, seine Musik zu
begreifen, habe ihn in den Traditionalismus gedrängt und sich mit
Fanny nicht verstanden. 20 Auch für eine angeblich fortschreitende
Entfremdung zwischen den Geschwistern macht man Cecile ver-
antwortlich, wobei fast einmütig bedauert wird, daß Felix sie nicht
verließ, um sich mit der Sängerin Jenny Lind zu liieren. "Was wären
die beiden für ein kongeniales Paar gewesen! Was für eine Oper
hätte er für sie schreiben können! 21 Vielleicht hätte diese Bezie-
hung sogar lebensverlängernd gewirkt?
Noch bevor Cecile Fanny, Rebecka und Lea persönlich kennen-
lernte, hatte sie den »lieben Schwestern« und der »Heben Mutter«
viele Briefe geschrieben, deren energisch fließende Schrift auf eine
411
starke Persönlichkeit schließen läßt. Fanny antwortete sofort und
mit großer Herzlichkeit. Sie freute sich, daß ihr Bruder sich end-
lich verheiratete, stimmte ein Loblied auf die eheliche Liebe an,
wünschte ihm Ruhe und Häuslichkeit als Kontrast zu seinem ge-
hetzten Dirigentenleben und als Heilmittel gegen Selbstzweifel
und Depression. Es war Felix, der die Begegnung monatelang ver-
hinderte, wahrscheinlich aus Angst vor seiner Mutter, die mit der
Partnerwahl ihrer Kinder nie zufrieden war und sie mit Herzat-
tacken und Weinkrämpfen unter Druck setzte. Fanny wollte Ce-
cile so gern noch »als Mädchen« sehen. Aber Felix suchte und fand
immer wieder neue Gründe, sie nicht in Berlin vorzustellen, Kon-
zerte, Auslandsreisen, Krankheiten seiner Schwiegermutter in spe.
Es stimmt nicht, daß Fanny sich weigerte, zur Hochzeit zu kom-
men. Felix hatte ihr nicht einmal eine förmliche Einladung ge-
schickt. Vielleicht wäre sie trotzdem hingefahren. Aber sie war
schwanger und durfte nicht reisen. Als sie kurze Zeit später einen
ihrer »betrüblichen Unfälle« hatte, war sie froh, sich wenigstens
»keine Vorwürfe« machen zu müssen.
Cecile erwartete bereits ihr erstes Kind, als sie sich endlich in Leip-
zig kennenlernten, auf Druck Klingemanns, der die absurde Situa-
tion zu beenden trachtete. Beide fanden sich sofort sympathisch
und wurden Freundinnen. »Es haben Dich zwar alle Leute lieb,
die Dich kennen, aber so lieb wie ich haben Dich doch nicht viele
Leute«, schrieb Fanny. Noch Jahre später freute sie sich, daß Felix
in Cecile eine Frau gefunden habe, die ihn »so glücklich« mache
und »so gut für ihn passe«. Cecile interessierte sich auch für Fannys
Musik. Daß sie unmusikalisch war, ist ein Märchen. Sie konnte
sehr gut singen, übernahm schon bald Rebeckas Rolle und wurde
eine gute Interpretin von Fannys Liedern. Fanny bemühte sie so-
gar als »Vermittlerin« gegenüber Felix, der seinen Widerstand ge-
gen ihr Publizieren nicht aufgeben wollte.
Im Malen und Zeichnen war Cecile Felix weit überlegen. Fanny
schlug ihr ernsthaft vor, ihre Landschaftsaquarelle doch einmal auf
einer Ausstellung zu zeigen. In der Ehe gab sie das Malen nicht
auf, griff sogar, da sie keinen Malstock hatte, hilfsweise zu einem
Besen. An eine Karriere als professionelle Malerin war bei Felix*
konservativen Ansichten natürlich nicht zu denken. Für ihn war
ihre Kunst ein kultivierter Zeitvertreib und ein schönes Hobby.
412
Cecile bekam in sieben Jahren fünf Kinder, führte ein großes
Haus, organisierte die zahlreichen Umzüge, kümmerte sich um
den chronisch überanstrengten, zu Husten, Kopfweh und Ohren-
schmerzen neigenden Felix und hielt Briefkontakt zu seiner Fa-
milie. Ammen, Gouvernanten und Dienstmädchen wurden nur
engagiert, wenn sie krank war. Wie sie bei diesem Arbeitspro-
gramm Zeit gefunden haben soll, schädlichen Einfluß auf Felix"
Musik zu nehmen, bleibt ein Rätsel.
Nach einer Phase längeren Schweigens in den ersten Ehemonaten
werden ab Herbst 1837 Fannys Briefe an Felix wieder häufiger.
Obwohl die Verständigung über Kompositionen schwierig bleibt,
setzt sie sich unermüdlich für ihn ein, kopiert und beschafft Noten,
vermittelt ihm Sängerinnen, führt Honorarverhandlungen, über-
wacht die Berliner Aufführung des »Paulus«, studiert seine Psal-
men und Oratorien mit den Mitwirkenden ihrer Sonntagsmusi-
ken und kümmert sich um die Möblierung seiner Wohnung, als
er 1841 und 1843 vorübergehend nach Berlin zieht. Sein Interesse
an ihrem Komponieren, das sie in den Jahren nach der großen
Italienreise von 1839/40 besonders intensiv betreibt, wirkt dabei
sehr sporadisch. Von ihrem großen Oeuvre aus dieser Zeit, darun-
ter der wunderschöne, durch Italien inspirierte Charakterstück-
Zyklus »Das Jahr«, scheint er kaum etwas zur Kenntnis zu neh-
men, da seine eigenen, wahrlich komplizierten Angelegenheiten
ihn nicht zur Ruhe kommen lassen: die vielen Kinder, eine im-
mens unfangreiche Geschäftskorrespondenz, anstrengende Auf-
tritte in England, vor allem aber seine Zerrissenheit zwischen dem
Amt des Gewandhausdirektors in Leipzig und dem eines königli-
chen Kapellmeisters in Berlin.
Als Lea Mendelssohn 1843 stirbt, rücken sie wieder enger zusam-
men, schreiben sich öfter, sorgen sich mehr umeinander, lassen
ihre Briefe immer häufiger mit einem »so Gott will« und Gedan-
ken an die Endlichkeit des Lebens ausklingen, einem »memento
mori«, das wie ein Leitmotiv über der Korrespondenz schwebt.
Felix, seiner Verpflichtungen in Leipzig und Berlin von Herzen
überdrüssig, hält sich viel in seiner Lieblingsstadt Frankfurt am
Main auf und berichtet von dort gewissenhaft über das Befinden
seines jüngsten Sohnes, der an einer schweren Drüsenerkrankung
leidet. Auch Fanny erweist sich als treue Chronistin, als Rebecka
413
1845 in Florenz krank wird und unter dramatischen Umständen
ihr viertes Kind zur Welt bringt. Doch dieses Wiederaufleben der
alten, familiären Warmherzigkeit ändert nichts an dem schweren,
ungelösten Konflikt: seinem hartnäckigen Widerstand gegen die
Publikation ihrer Werke und ihrem Vorwurf, er sei als Mensch
und Komponist ein anderer geworden, seitdem sie nicht mehr wie
früher zusammenlebten.
1846 wird der Ton noch einmal recht herb. Sie wirft ihm vor, keine
Note seines neuen Oratoriums »Elias« zu kennen, schweigt ihrer-
seits über das Klaviertrio in d-Moll, das sie angefangen hat, und
schockiert ihn mit der Publikation ihm noch unbekannter vier-
stimmiger Gartenlieder. Er spürt, daß sich etwas ändern muß, reist
vor Weihnachten für längere Zeit nach Berlin, spielt aus dem »Eli-
as« vor, sagt alle Termine ab, nur um in Ruhe mit ihr zusam-
menzusein. Der Grund für sein schlechtes Gewissen heißt Jenny
Lind, die er im Winter 1845 kennengelernt hat, kurz nach der
Geburt seines fünften Kindes Lili. Fanny ist solidarisch mit Cecile
und mißbilligt seinen großen Enthusiasmus für die junge Schwe-
din, hinter dem die Musikwelt eine Affäre vermutet.
Nach dieser Begegnung sehen sie sich nicht mehr wieder. Am 14.
Mai 1847, während einer Probe zu Felix 1 »Walpurgisnacht«, bricht
Fanny bewußtlos zusammen. Sie hat wieder ihr Nasenbluten ge-
habt und das schon bekannte Taubheitsgefühl in den Händen.
Bevor sie ohnmächtig wird, sagt sie noch: »Es ist wohl ein Schlag-
anfall, wie bei Mutter.« Abends um elf stirbt sie. Felix, der die
nächsten sechs Monate in Trauer um sie verbringt und mit der
Publikation ihres op. 8, 9 und 10 bei Breitkopf und Härtel tätige
Reue leistet, folgt ihr am 4. November. Er ist achtunddreißig Jahre
alt und erleidet wie sie einen Gehirnschlag. Eine seiner letzten
Äußerungen soll gewesen sein: »Ich sterbe wie Fanny.«
CECILE UND FELIX MENDELSSOHN AN REBECKA
Frankfurt am Main, den 19. Mai 1847 22
Cecile:
Meine liebste Rebecca
Ich weiß nicht, welches ich schreiben soll, und doch muß ich Dir
schreiben, so bin ich Felix den ganzen Tag gegenüber, möchte ihn
414
trösten und kann es doch nicht. Dann reden wir von Fanny, und
wir weinen zusammen und bitten Gott, er möge uns helfen, ohne
muntere und freundliche Gedanken, den schweren Schlag zu tra-
gen, den er über uns verhängt hat; So sind wir seit gestern, wo uns
die schreckliche Nachricht gebracht wurde, geistig ganz zerschla-
gen und ohnmächtig. Du, liebe Rebecca, hast, nächst Hensel, am
meisten verloren. Im täglichen Umgang mit der geliebten Fanny
hast Du ihre schönen Seiten immer offen vor Dir gehabt, hast sie
am besten gekannt, und die Beweise ihrer Liebe haben Dich über-
all begleitet. Zu Dir flogen gleich meine Gedanken, o hätte ich in
der Zeit bei Dir sein können, mit Dir zu klagen und zu weinen,
und wären wir nicht jetzt so weit entfernt! - Wie oft seit gestern
bereue ich, nicht öfter bei Euch in Berlin gewesen zu sein (. . .)
Bleibe gesund, liebe Rebecca, und gedenke meiner in Liebe. Deine
Cecile.
Felix:
Gott helfe uns allen - weiter weiß ich nichts zu sagen und zu
denken, seit gestern - Du, meine hebe Schwester. An Paul u. an
Hensel habe ich geschrieben, aber heut u. gestern u. in vielen,
vielen Tagen werde ich nicht mehr zu schreiben wissen, als eben
- Gott helfe uns, Gott helfe uns! Gestern den ganzen Tag war mir
zu Muth als müßte ich nach Berlin fahren, um Dich zu sehen,
mein liebstes Beckchen, Dich u. Hensel. Aber es ist wahr, daß ich
die Stunden der Reise, mit der Gewißheit doch zu spät zu kom-
men, doch keine Hülfe u. keinen Trost zu bringen, daß ich die
schwerlich gut vertragen hätte, aufgeregt u. matt wie ich noch von
den letzten Wochen u. von der Trennung von Frau u. Kindern
war. Aber nun sind wir wieder von einander getrennt, u. sollten
zusammen sein. Ach, wären wir nicht getrennt gewesen! So bittere
Reue empfind' ich darüber. Und das einzige, was ein wenig hilft,
ist recht sehr zu weinen, wenn man das nur immer könnte. Die
Kinder kommen zuweilen herein, u. die thun mir auch heut wohl
mit ihren vergnügten Gesichtern. Gott erhalte die Deinigen wohl,
u. gebe Dir in ihnen einen Augenblick der Beruhigung. Ach, liebe
Schwester, ich kann nichts schreiben u. nichts denken als von Fan-
ny. Es wird nie anders, so lange wir noch auf Erden hier zusammen
sind. Dein F.
415
ANMERKUNGEN
CIT = Marcia Citron, The Letters of Fanny Hensel
EB = Elvers, Briefe (siehe Literaturverzeichnis)
MA = Mendelssohn-Archiv, Berlin
NFL = New York (Public Library) Family Letters
OGB = Oxford, Green Books
PMB = Paul Mendelssohn Bartholdy, Briefe
SH = Sebastian Hensel, Die Familie Mendelssohn
SUT = Sutermeister, Briefe einer Reise (siehe Literaturverzeichnis)
WFM = Weissweiler, Fanny Mendelssohn
WTT = Weissweiler, Italienisches Tagebuch
Vorwort
i Sebastian Hensel: Die Familie Mendelssohn 1729-1847, nach Briefen und
Tagebüchern. 1. Aufl. Berlin 1879.
2 Eric Werner: Mendelssohn - Leben und Werk in neuer Sicht. Zürich/Frei-
burg i. Br. 1980, S. 95 ff.: »Die geschwisterliche Liebe wurde oft durch Fannys
Eifersüchteleien und ihren ängstlichen Eifer um den Alleinbesitz des Bru-
ders gestört [. . .] Ihre Sentimentalität war ihm zuwider.«
3 Walter Dahms:Mendelssohn.Berlini9i9,S.H5: »Unbekümmert streift der
junge Mendelssohn selbst die Grenzen des Banalen; hat er doch sogar die
Trivialität begangen, die dilettantischen Versuche seiner Schwester Fanny
in diese Opusnummern mit aufzunehmen.«
4 So bei Werner, a.a.O., S.i49f. und Anm. 557.
5 Diether de la Motte: Liebeserklärung für Fanny, in: Musica 41 (1987),
S.4off.: »Wer hat schon einmal Mendelssohn-Lieder in einem Liederabend
gehört? Ichjedenfalls nicht, und ich kann die Sänger verstehen. Da ist alles
glatt und eingängig an der Oberfläche [. . .] das ist gefällig, aber rührt nicht,
oder soll man sagen: Erschreckt nicht, während unter den großen Schubert-
und Schumannliedern ein Erschrecken lauert [. . .] Aber da gibt es in den
Sammlungen op. 8 und 9 doch einige bewegende Stücke [. . .] Heutige Aus-
gaben verraten in Klammern (!), daß diese aus dem weltläufigen Tonfall
herausragenden Lieder komponiert wurden von Fanny Hensel«.
6 Briefe aus den Jahren 1833 bis 1847, hrsg. von Paul Mendelssohn Bartholdy
und Carl Mendelssohn Bartholdy. Leipzig 1878.
416
7 Rudolf Elvers.
8 Der Musikabteilung des Westdeutschen Rundfunks wurden für die beab-
sichtigte Produktion des Klavierzyklus »Das Jahr« Skizzen anstelle von
Reinschriften zur Verfügung gestellt.
9 Briefliche Auskunft von Prof. Franz Krautwurst, Verfasser des Artikels
»Fanny Hensel« in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Suppl., Sp.
658-662, Kassel 1974.
10 Rudolf Elvers: Fanny Cäcilia Hensel. Dokumente ihres Lebens. Berlin (=
Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ausstellungskatalog Nr. 2) 1972.
11 Rudolf Elvers: Verzeichnis der Musik- Autographen von Fanny Hensel im
Mendelssohn-Archiv zu Berlin. In: Mendelssohn-Studien 1, Berlin 1972,
S.169-174, und ders.: Weitere Quellen zu den Werken von Fanny Hensel.
In: Mendelssohn-Studien 2, Berlin 1975, S.215-220. Elvers (Verzeichnis) be-
zeichnet Fannys Klavierquartett As-Dur als »Streichquartett« und gibt für
das heute berühmte Klaviertrio op. 11 d-Moll die Tonart D-Dur an. Fannys
Biographin Victoria Sirota bezeichnet diese Verzeichnisse zutreffend als »a
first attempt«.
12 Etwa eine Ausgabe der Briefe und Tagebücher Fannys durch Elvers bereits
für 1982.
13 Bodleian Library.
14 »Italienisches Tagebuch«, hrsg. von Eva Weissweiler, Frankfurt/M. 1982,
und »Fanny Mendelssohn: ein Porträt in Briefen«, Frankfurt/Berlin/Wien
1985.
15 Marcia Citron: The Letters of Fanny Hensel to Felix Mendelssohn, New
York 1987.
16 New York Public Library (»Family Letters«).
17 Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz.
18 Vgl. S. 144.
19 Vgl. dazu Susanna Großmann-Vendrey: Felix Mendelssohn Bartholdy und
die Musik der Vergangenheit. Regensburg 1969, S.19.
20 Victoria Sirota: The Life and Works of Fanny Mendelssohn Hensel, Diss.
Boston 1981 (maschinenschr.).
21 Francoise Tillard: Die verkannte Schwester. München 1994.
Kavaliersreisen (1821 bis 1824)
1 Angaben nach Wulf Konoid: Felix Mendelssohn Bartholdy und seine Zeit.
Laaber 1996.
2 Angaben nach Sirota, a. a. O., und Paul-August Koch: Fanny Mendelssohn-
Hensel, Kompositionen, Versuch einer Systematik und Discographie ihrer
Werke (unveröff.). Die Angaben können aufgrund der im Vorwort geschil-
derten schwierigen Quellenlage keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhe-
ben. So nennt Elvers in seinem »Verzeichnis der Musik-Autographen von
Fanny Hensel im Mendelssohn-Archiv zu Berlin« (Mendelssohn-Studien
417
i, I97 2 . S. 169-174) zwei Sammelbände aus »deutschem Privatbesitz«, die 62
Lieder, zwei Duette, einen Männerchor mit Klavier und sieben Klavier-
stücke enthalten sollen.
3 Erschienen in den Liedern von Felix als op. 9, 12.
4 Erschienen in den Liedern von Felix als op. 8, 3.
5 Erschienen in den Liedern von Felix als op. 8, 2.
6 OGB/WFM/CIT
7 CIT: Begasse. Karl Begas (1794-1854), in Heinsberg bei Aachen geboren,
deutscher Maler vermutlich spanischer Herkunft. Urheber eines bekann-
ten Jugendporträts von Felix Mendelssohn aus dem Jahr 1821.
8 Chorproben der Berliner Singakademie unter Leitung von Fanny und Zel-
ter, dem Kompositionslehrer von Felix.
9 CIT: Spittelfrau.
10 Gemeint ist Zelter.
n Ludwig Berger (1777-1839), Komponist und Pianist, Klavierlehrer von Fan-
ny und Felix.
12 Karoljözef Lipinski (1790-1861), polnischer Geiger und Komponist.
13 CIT: Stralower. »Der Stralauer Fischzug«: Volksstück von Julius von Voß
(1768-1832) mit Musik von Georg Abraham Schneider (1770-1839), Urauf-
führung am 28. Oktober 1821 im Königlichen Theater in Berlin.
14 Carl Maria von Webers »Freischütz«, die am 18. Juni 1821 in Berlin urauf-
geführt wurde. Fanny bezieht sich auf das Erscheinen des Klavierauszuges.
15 Johann Ludwig Casper (nicht, wie bei CIT, Caspar) (1786-1864), Arzt und
Schriftsteller, verfaßte unter anderem das Libretto zu dem Singspiel »Die
Soldatenliebschaft« (1820) von Felix.
16 Alexandre-Jean Boucher (1778-1861), französischer Violinvirtuose, der sei-
ne Vita mit phantastischen Details ausschmückte.
17 Goethe hatte sich zur Ankunft von Felix einen Streicherschen Flügel ange-
schafft.
18 Samuel Rösel (1768-1843), Zeichenlehrer von Felix Mendelssohn.
19 Zitat aus Christian Fürchtegott Gellerts Fabel »Der Tanzbär«: »Und wo ein
Bär den andern sah, so hieß es: Petz ist wieder da!«
20 David Ferdinand Koreff (1783-1851), Arzt und Schriftsteller, Professor für
Psychiatrie und Physiologie an der Berliner Universität.
21 Eduard Rietz (1802-1832), Jugendfreund und Geigenlehrer Felix Mendels-
sohns.
22 Mozarts Jupiter-Symphonie, KV 551, die Felix und Zelter in Leipzig gehört
hatten.
23 Wahrscheinlich Fanny Casper, geb. Levin, deren Gedichte Fanny Mendels-
sohn gelegentlich vertonte.
24 CIT: Hamletschen.
25 Roter Hautausschlag, der als typisch für Alkoholiker galt.
26 Wahrscheinlich Marianne Mendelssohn, geb. Seligmann (1799-1880),
Nichte von Lea Mendelssohn Bartholdy, seit 1821 Frau des Bankiers Alex-
418
ander Mendelssohn, der dem familieneigenen Bankhaus vorstand. Auf-
grund der Namensgleichheit mit Marianne Saling, der späteren Varnhagen-
Verlobten, einer mit der Familie ebenfalls eng befreundeten Kusine Leas,
sind bei bloßer Erwähnung des Vornamens leicht Verwechslungen mög-
lich.
27 OGB/WFM/CIT.
28 Fanny zitiert hier wahrscheinlich unbewußt aus einem Brief, den sie ein
Jahr zuvor von ihrem Vater erhalten hatte: »Was Du mir über Dein musi-
kalisches Treiben im Verhältnis zu Felix [. . .] geschrieben, war ebenso wohl
gedacht als ausgedrückt. Die Musik wird für ihn vielleicht Beruf, während
sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbaß Deines Seins und Tuns
werden kann und soll« (zit. nach SH I, Brief vom 16. Juli 1820).
29 Zelter und Felix sahen in Wittenberg kurz der Enthüllung des Luther-
Denkmals zu, um dann ihre Reise fortzusetzen.
30 Wahrscheinlich das Singspiel »Die beiden Pädagogen«, basierend auf Euge-
ne Scribes »Les deux precepteurs«.
31 Johann Nepomuk Hummel (1778-1837), Komponist und Hofkapellmeister
in Weimar. Hummel hatte die Familie Mendelssohn mehrfach besucht und
dabei Fannys Klavierspiel gehört.
32 Zelter.
33 CIT: herrliche.
34 Caroline Seidler (geb. um 1790), aus Wien stammende königliche Hof-
opernsängerin in Berlin, die die »Agathe« im »Freischütz« sang.
35 Gasparo Spontini (1774-1851), italienischer Opernkomponist, wurde 1819
von Friedrich Wilhelm III. zum »Ersten Capellmeister und General-Mu-
sikdirector« Berlins ernannt.
36 Der spätere Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Es handelte sich jedoch
nur um ein Gerücht. Spontini blieb bis 1841 im Amt.
37 In einem unveröffentlichten Familienbrief (OGB, 2. November 1821)
schreibt Lea an Felix: »Wie sehr sich alles bestrebt, Dir freundlich entgegen
zu kommen, siehst Du auch daraus, daß Cousine Pereira Dir mit nächster
Gelegenheit einen Operntext zuschickt. Sie meldet mir, es sei ein Schwei-
zersujet, naiv-sentimentalen Inhalts.« Henriette von Pereira-Arnstein, eine
in Wien lebende Kusine Leas, war eine ausgezeichnete Pianistin.
38 Friederike Robert, geb. Braun (1795-1832), schwäbische Dichterin und
Amateursängerin, spätere enge Freundin Fannys. Ihr Mann Ludwig, als
Ludwig Levin geboren, war der Bruder Rahel Varnhagens.
39 CIT: Nachricht.
40 CIT: angespannt.
41 CIT: poetische.
42 OGB/CIT
43 Zauberoper von Spontini, deren Berliner Uraufführung allerdings erst 1825
stattfand. Spontinis Opern, zu denen er viele Vorstudien machte, waren
schon Jahre vor der eigentlichen Vollendung Pressegespräch.
419
44 Wahrscheinlich »11 povere cor«, von deren Vortrag durch die Müller auch
im Brief vom n. April 1825 die Rede ist.
45 Vermutlich Adelheid Müller, geb. von Basedow, seit Mai 1821 Ehefrau des
Dichters Wilhelm Müller (1794-1827), der mit Fannys späterem Ehemann
Wilhelm Hensel eng befreundet war.
46 Der damals erst fünfundvierzigjährige Abraham Mendelssohn, der sich 1821
aus dem Bankgeschäft zurückgezogen hatte, um als ehrenamtlicher Stadtrat
von Berlin tätig zu sein, hatte ein schweres Augenleiden und war sehr leicht
erregbar.
47 Wahrscheinlich Sonatensatz E-Dur, Allegro assai moderato, der auf den 29.
Januar 1822 datiert ist (MA Berlin).
48 Vermutlich Casper.
49 NFL.
50 In den OGB nicht enthalten.
51 Kosename für die Schwester Rebecka.
52 Paul hatte eine Ausbildung zum Kaufmann und Bankier begonnen.
53 Karl Wilhelm Ludwig Heyse (1797-1855), Philologe, Hauslehrer der Ge-
schwister Mendelssohn.
54 In NFL und MA nicht enthalten.
55 NFL.
56 Vermutlich Sonata o Capriccio in f-Moll, Autograph vom 5. Februar 1824
(MA).
57 Eric Werner (a.a.O., S.95) entstellt diese Passage, für die er als Fundort
unrichtig die Library of Congress in Washington angibt, indem er das Post-
script wegläßt. Dadurch wird die Bedeutung ins Gegenteil verkehrt und die
vermeindiche Abneigung von Felix gegen Fannys »dunklere, manchmal
das Abnormale streifenden Triebe« unterstrichen.
58 NFL.
59 Heinrich Mühlenbruch, Schüler Spohrs, seit 1824 Geiger am Königstädter
Theater in Berlin.
60 Die Familie von Prittwitz war ein bekanntes schlesisches Adelsgeschlecht,
aus dem Ingenieure und Offiziere hervorgingen.
61 NFL.
62 In OGB nicht enthalten.
63 »Die Hochzeit des Camacho«, Text nach Cervantes.
64 Leopold Lindenau (1806-1859), Violinist, Schüler Spohrs, Jugendfreund von
Felix.
Passionen (1825 bis 1829)
1 Nach Konoid, a. a. O.
2 NFL.
3 Wahrscheinlich Variations concertantes für Violoncello und Klavier op. 17.
420
4 »Die Hochzeit des Camacho«, die im Herbst 1825 vollendet wird.
5 Delphine von Schauroth, verheiratete Hill-Handley (1814-1881), deutsche
Komponistin und Pianistin, der Mendelssohn später sein g-Moll-Klavier-
konzert widmete.
6 Pierre Rode (1774-1830), französischer Violinvirtuose.
7 Charles Philippe Lafont (1781-1839), französischer Violinvirtuose.
8 op. 92, komponiert 1820.
9 In den »Concerts spirituels« wurde seit 1725 in der Karwoche geistliche
Musik aufgeführt, spater fand sie vor allem an opernfreien Tagen statt.
10 NFL/teilw. SHI.
11 Louis Girod Baron de Tremont (1779-1852), Pariser Musikmäzen.
12 Andre George Louis Onslow (1784-1852), französischer Komponist engli-
scher Herkunft.
13 Jean Joseph Vidal (geb. um 1789), Geiger, Schüler Rudolph Kreutzers.
14 Alexandre Pierre Francois Boely (1785-1858), französischer Komponist, Pia-
nist und Organist.
15 Francois Prume (1816-1849), aus Belgien stammender Geiger, war schon
mit sechzehn Professor am Lütticher Konservatorium, machte ausgedehnte
Tourneen, erblindete vor seinem 30. Lebensjahr.
16 Joseph Mayseder (1789-1863), österreichischer Geiger und Komponist.
17 KV 581.
18 KV 387b, 467 oder 503, die alle in C-Dur stehen.
19 Camille Pleyel (1788-1855), Komponist und Klavierfabrikant.
20 Friedrich Kalkbrenner (1785-1849), deutscher Pianist, Komponist und Kla-
vierpädagoge.
21 op. 2.
22 Antonin Reicha (1770-1836), französischer Komponist und Musiktheoreti-
ker tschechischer Herkunft.
23 Familientypisches Wort für chronischen Nörgler.
24 Sebastien Erard (1752-1831), Klavierbauer in Paris.
25 op. 11.
26 Wahrscheinlich op. 92.
27 Ignaz Moscheies (1794-1870), in London lebender deutscher Pianist, Kom-
ponist und Dirigent, später enger Freund von Felix. Fanny und Felix hatten
1824 während seines Aufenthaltes in Berlin Unterricht bei ihm genommen.
28 Johann Peter Pixis (1788-1874), deutscher Pianist und Salonkomponist, in
Paris lebend.
29 Abraham Girardet (1764-1823), Mitglied einer schweizerischen Künstlerfa-
milie, berühmter Kupferstecher nach historischen Vorbildern.
30 Fereol Bonnemaison (gest. um 1827), französischer Porträtmaler und Litho-
graph, Besitzer einer bedeutenden Kunstsammlung.
31 Eines von Cherubinis zahlreichen kleineren geistlichen Werken.
32 Aus einer seiner Messen.
33 Wahrscheinlich Heinrich Maria Romberg (1802-1859), Geiger und Dirigent.
421
34 Anne Cecile, geb. Tourette.
35 Jacques Fromental Halevy (1799-1862), französischer Komponist und Mu-
sikschriftsteller.
36 Eduard Rietz.
37 OGB/WFM/CIT
38 CIT: Reihe.
39 33 Veränderungen über einen Walzer von A. Diabelli C-Dur, op. 102.
40 CIT: da.
41 CIT: grasnen.
42 Louis Drouet (geb. 1792), aus Holland stammender Flötist, Soloflötist Na-
poleons I, schrieb über hundertfünfzig Werke für Flöte und erfand neue
Techniken.
43 Henriette (»Jette«) Mendelssohn (1775-1831), in Paris als Erzieherin wirken-
de Schwester Abraham Mendelssohns.
44 CIT: u.
45 »Die Spinnerin«, Text: Ludwig Tieck, Autograph vom 23. September 1823
imMA.
46 Dr. Hermann Franck (1802-1855), Sohn eines wohlhabenden Bankiers, Pri-
vatgelehrter, Schriftsteller und Amateurmusiker, Mitarbeiter der »Berliner
Allgemeinen Musikalischen Zeitung«.
47 Julius Rietz (1812-1872), Bruder von Eduard Rietz, Violoncellist, Jugend-
freund Felix Mendelssohns.
48 Sonate f-Moll für Violine und Klavier.
49 Rebecka Mendelssohn wurde 14 Jahre alt.
50 Oskar Ludwig Bernhard Wolff (1799-1851), Improvisator und Schriftsteller,
unternahm erfolgreiche Vortragsreisen mit poetischen Improvisationen.
51 Konzert für zwei Klaviere und Orchester As-Dur.
52 Karl Ernst Baron Bagge (geb. 1791), Amateurkomponist und -geiger, großer
Kunstmäzen, taucht mit stark größenwahnsinnigen Zügen inE. T. A. Hoff-
manns »Serapionsbrüdern« auf.
53 NFL/teilweise bei SH I. Hensel zieht offenbar verschiedene Briefe zusam-
men, indem er an den Schluß des hier abgedruckten Textes noch eine
Passage anfügt: »Rode bleibt fest bei seiner Weigerung, eine Geige in die
Hand zu nehmen [. . .]«. Dieser Passus ist im Autograph nicht enthalten.
54 Theatre Feydeau in Paris.
55 Charles-Simon Catel (1773-1830), französischer Komponist. Gemeint ist die
Oper »Les aubergistes de qualite« von 1812.
56 Daniel Francois Esprit Auber (1782-1871), Komponist der Oper »Leocadie«
(Text: Scribe und Melesville, nach Cervantes: La fuerca del sangre, Urauf-
führung 1824).
57 Bei dem Cervantes-Text handelt es sich um eine der zwölf »novelas ejem-
plares«, die 1612 vollendet wurden. Felix irrt in seiner Ansicht, daß es der
Text einer »rohen« Periode sei. Es ist eine reife Erzählung bewußt morali-
schen Inhalts.
422
58 Wahrscheinlich Präludium und Fuge e-Moll, BWV 548.
59 Pierre Alexandre Monsigny (1729-1817), französischer Komponist vor allem
von komischen Opern.
60 OGB/WFM/CIT.
61 Oper von Spohr.
62 Oper von Gluck.
63 Oratorium von Händel.
64 Spitzname für Spontini. Am 27. Mai 1825 dirigierte er in den traditionellen
»Bußtagskonzerten« die Pastorale und »Samson«.
65 Kalkbrenner.
66 CIT: Ciaviernagel.
67 Kalkbrenner hatte mehrmals als Gast an Lea Mendelssohns Sonntagsmusi-
ken teilgenommen. Fanny schrieb über ihn in ihr Tagebuch: »Er hat viel
von Felixens Sachen gehört, mit Geschmack gelobt und mit Freimütigkeit
und Liebenswürdigkeit getadelt. Wir hören ihn oft und suchen von ihm zu
lernen.« (Zit. nach SHI.)
68 Im September 1825 bezogen die Mendelssohns das ehemalige Palais von der
Recke in der Leipziger Str. 3 in Berlin. Es besaß unter anderem einen Thea-
tersaal und einen parkartigen Garten.
69 Giacomo Meyerbeer (1791-1864), urspr. Jacob Liebmann Beer, deutscher,
zeitweilig in Frankreich lebender Komponist. Sein Bruder, der Berliner
Bankier Heinrich Beer, war mit Betty Meyer, einer Kusine der Geschwister
Mendelssohn, verheiratet.
70 Julius Schubring (1806-1889), Theologe aus Dessau, späterer Freund und
Briefpartner Mendelssohns.
71 Carl Klingemann (1794-1870), Diplomat, Freund und Briefpartner der Ge-
schwister. Er war als Mieter in das Haus in der Leipziger Straße eingezogen.
72 Aegidius Sebastian Klotz (1733-1805). Er hatte seine Werkstatt in Mitten-
wald und galt als einer der besten Geigenbauer seiner Zeit.
73 Wahrscheinlich Tochter von Daniel Alexander Benda (1786-1876), Kauf-
mann und Stadtverordneter in Berlin.
74 Vermutlich Töchter von Ludwig Gottfried Blanc (1781-1866), Professor der
romanischen Sprachen und Zweiter Prediger an der Domkirche in Berlin.
75 Franz Seraphinus Lauska (geb. 1764), aus Brunn stammender Klavierlehrer,
Komponist und Pianist in Berlin, Mitglied der Singakademie und der Zel-
terschen Liedertafel. Er starb am 18. April 1825.
76 Mozart.
77 »Ein kurzes Requiem« (1823).
78 Johann Adolf Hasse (1699-1783), Komponist vor allem von Oratorien und
Opern. Er schrieb drei Requiems.
79 Carl Gottlieb Reißiger (1796-1859), deutscher Kapellmeister und Kompo-
nist.
80 Bezieht sich nach Citren (a.a.O.) auf die Drucklegung von Mendelssohns
Klavierquartett op. 3.
423
81 OGB/WFM/CIT
82 Carl Moser (1774-1851), Musikdirektor in Berlin, dirigierte die Pastorale
am 14. April, Spontini am 27. April 1825.
83 Anna Milder-Hauptmann (1785-1838), Opern- und Oratoriensängerin,
seit 1815 in Berlin engagiert.
84 an Klingemann.
85 CIT:aus.
86 CIT:art.
87 Klaviersextett D-Dur, op. 110, 1824 komponiert.
88 Iwan Müller (1786-1854), russischer Klarinettist. Propagierte in Paris seine
»Clarinette omnitonique in B«, die durch eine streng nach akustischen
Grundsätzen durchgeführte Bohrung der Grifflöcher und Vermehrung
der Klappen von sechs auf dreizehn gekennzeichnet war. Dieses Instru-
ment bildet die Grundlage für das heute übliche deutsche Klappensystem.
89 CIT: meist.
90 CIT: Clarinetten.
91 CIT: albernen-trillerchen.
92 Kaffeehaus in Berlin.
93 Heinrich Dorn (1804-1892), deutscher Dirigent, Musikschriftsteller und
Komponist, wie Fanny und Felix Schüler von Berger und Zelter.
94 CIT: greulich. Irreführend, da Karl Wilhelm Greulich (1796-1837), be-
kannter Klaviervirtuose in Berlin, gemeint ist.
95 Johann Baptist Cramer (1771-1858), Pianist und Komponist, besonders von
Etüden.
96 Zelter.
97 NFL/SHI.
98 Degringolade: frz. »Herunterpurzeln«, »Sturz«, »Fall«.
99 Sigismund Ritter von Neukomm (1778-1858), aus Salzburg stammender
Organist, Komponist, Klavier- und Gesanglehrer.
100 Henri Herz (1806-188), österreichisch-französischer Klaviervirtuose und
Komponist.
101 Politische Tageszeitung in Paris.
102 Französischer Titel des »Freischütz«.
103 Wahrscheinlich Kyrie c-Moll.
104 Fanny Casper.
105 Samuel Rösel.
106 Recha Meyer (1767-1831), mit Mendel Meyer verheiratete Schwester
Abraham Mendelssohns.
107 Sara Levy, geb. Itzig (1761-1854), Tante von Lea Mendelssohn, berühmte
Musiksammlerin und Cembalistin, der der Singakademie wertvolle Au-
tographen schenkte.
108 NFL. Nach Doberan an der Ostsee gerichtet.
109 Es ging um die Uraufführung der Oper »Die Hochzeit des Camacho«, die
nach vielen Widerständen am 29. April 1827 stattfand.
424
iio Sommernachtstraum op. 21. Werner (a.a.O., S.107) zitiert ebenfalls aus
diesem Brief und überträgt die Stelle: »Dort habe ich die Klavierkonzerte
[. . .] beendet. Heute oder morgen will ich dort midsummernight's dream
zu träumen anfangen.« Von »Klavierkonzerten« ist im Original nicht die
Rede.
in Adolf Fredrich Lindblad (1804-1878), schwedischer Gesangskomponist,
lebte mehrere Jahre in Berlin und studierte Komposition bei Zelter.
112 Cafe und Lesezimmer am Gendarmenmarkt.
113 NFL. Familienbrief mit großen Anteilen an den Vater.
114 Siegfried Wilhelm Dehn (1799-1858), Professor und Kustos der musikali-
schen Abteilung der Königlichen Bibliothek in Berlin.
115 Wahrscheinlich gemeint: Familie des Bankiers Heinrich (hebr. Henoch)
Beer.
116 Joseph Spitzeder (1795-1832), Sänger am Königstädter Theater in Berlin,
spielte den Emanuel in »Rolands Knappen«.
117 Ferdinand Stegmayer (1803-1863), aus Wien stammender Pianist, Geiger
und Komponist, seit 1825 Direktor am Königstädter Theater in Berlin.
118 Prinz Louis Ferdinand von Preußen (1772-1806), guter Klavierspieler,
Schüler Dusseks, komponierte für verschiedene kammermusikalische Be-
setzungen.
119 Oper von Spontini.
120 Oper von Spohr.
121 »Der politische Zinngießer«, beÜebtes Faschingssrück aus dem Dänischen.
122 Beethovens »Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria«, op. 91.
123 OGB/CIT
124 Felix reiste am 10. April 1829 nach England.
125 »Catholic Emancipation Act« Georgs IV, die der katholischen Mehrheit
in Irland erstmals Mitarbeit in politischen Gremien ermöglichte.
126 Siehe dazu Fannys Tagebuch vom 20. April 1829 (MA): »In Frankr. De-
partemental- u. Communalgesetz zurückgenommen.« Weiter ist die
Rede von einem Erdbeben in Spanien, »welches zwei Städte mit all ihren
Einwohnern verschlungen hat«.
127 Am 11. März 1829 hatte Felix die Matthäus-Passion von J. S. Bach hundert
Jahre nach der Uraufführung zum ersten Mal wieder dirigiert. Nach einer
weiteren Aufführung durch ihn am 21. März übernahm Zelter am 17. April
das Dirigat.
128 CITder.
129 Heinrich Scümer (1789-1857), königlicher Hofopernsänger in Berlin, seit
1804 Mitglied der Singakademie, sang die Rolle des Evangelisten.
130 CIT: falschene-Accompagnement.
131 Eduard Devrient (1801-1877), Sänger, Schauspieler und Dramaturg, sang
die Partie des Christus.
132 Pauline von Schätzel, verh. Decker (1811-1882), Sängerin an der Königli-
chen Oper in Berlin.
425
133 CIT: der aus golg. Scene Stücke.
134 CIT: 4 Clarinetten.
135 CIT: angehört.
136 CIT: Fermate.
137 CIT: durch.
138 Carl Adam Bader, geb. 1789, königlicher Hofopernsänger in Berlin.
139 OGB/CIT.
140 Abraham und Rebecka hatten Felix bis Hamburg begleitet.
141 CIT: warnt.
142 Adolph Bernhard Marx (1795-1866), Jurist, Musiktheoretiker und Kom-
ponist, Gründer der »Berliner Allgemeinen Musikalischen Zeitung«.
143 Ludwig (Louis) Heydemann (1805-1874) und sein Bruder Albert Gustav
(1808-1877), Freunde Mendelssohns. Albert war Historiker und Pädagoge,
Ludwig studierte Jura.
144 Das Bankhaus Mendelssohn war seit 1821 mit dem von Joseph Fränckel
assoziiert.
145 Caroline Heine (1811-1888), Freundin der Familie.
146 Auguste Wilmsen, Tochter des Pfarrers, der Fanny traute. Vgl. Fannys
Brief vom 1. Juli 1829.
147 CIT: Onkel. Es dreht sich hier um Fannys späteren Ehemann Wilhelm
Hensel (1794-1861).
148 Johann Theodor Mosevius (1788-1858), Schauspieler, Sänger und Musik-
schriftsteller, großer Bach- Kenner.
149 Ludwig Landsberg (gest. 1858), Sänger und Geiger am Königstädter Thea-
ter in Berlin.
150 Karl Matthias Kudelski (geb. 1805), Geiger und Komponist, Orchestermit-
glied des Königstädter Theaters in Berlin, studierte unter anderem bei
Eduard Rietz.
151 op. 70, 1.
152 Gemeint ist das Lied »Geständnis« von Felix, op. 9, 2.
153 Paganinis Premierenkonzert war am 4. März 1829 im Konzertsaal des
Schauspielhauses. Marx rezensierte ihn in der »Berliner Allgemeinen Mu-
sikalischen Zeitung« vom 18. April 1829.
154 Hensel zeichnete die meisten der im Hause Mendelssohn anwesenden
Gäste, darunter auch Paganini. Die Sammlung dieser »preußischen Bild-
nisse« findet sich heute in der Nationalgalerie Berlin.
155 Citron liest: Sigismund Otto von Praun (1811-1830), Geiger. Die von Fanny
geschilderten »Prätensionen« würden besser auf Prume passen.
156 Familie von Anton Bendemann, Berliner Bankier, Vater von Eduard Ben-
demann, eigtl. Bendix (1811-1889), Historien- und Porträtmaler, Freund
Felix Mendelssohns.
157 Friedrich Wilhelm Graf von Redern (1802-1883), Generalintendant der
königlichen Bühnen.
158 NFL.
426
159 für Streichorchester, op. n.
160 Ouvertüre in C-Dur, op. 101.
161 In einem Familienbrief vom 12. April 1829 aus Hamburg heißt es lediglich:
»Heute bekam ich einen Brief von Klingemann [. . .] mit der Einladung,
die Doppelconcerte und das Oktett in Stimmen mitzubringen. Wenn Va-
ter zurückkommt, werde ich Dich bitten, liebe Fanny, ihm die Sachen
zum Einpacken mitzugeben.«
162 Charlotte Moscheies (geb. 1805), Frau von Ignaz Moscheies in London.
163 OGB/WFM/CIT.
164 Das Schiff von Felix war wegen heftiger Stürme verspätet in England
angekommen.
165 Friedrich Philipp Wilmsen (1770-1831), protestantischer Pfarrer in Berlin.
166 CIT: beschwerliche.
167 Familie des hannoverschen Gesandten Franz Ludwig Wilhelm Freiherr
von Reden (1754-1831), der bis Mai 1825 in Rom residiert hatte und nun
zur Miete in der Leipziger Straße wohnte. Felix und Fanny hatten eine
große Aversion gegen den Adel, den sie »die blaue Grütze« oder die
»hochgeborenen Wische« nannten.
168 »Matrimonio segreto« (Die heimliche Ehe) von Cimarosa.
169 In der »Berliner Allgemeinen Musikalischen Zeitung« vom 18. April 1829.
170 CIT: God save.
171 Ludwig Rellstab (1799-1860), Musikreferent der »Vossischen Zeitung« in
Berlin.
172 Anfangsworte des Liedes »Die frühen Gräber«, das 1852 in op. 9 (Sechs
Lieder mit Begleitung des Pianoforte) bei Breitkopf und Härtel in Leipzig
erschien. Eine auf den 9. Oktober 1828 datierte Kopie der Handschrift
findet sich im Mendelssohn-Archiv in Berlin. Die im Text erwähnte Fas-
sung für tiefe Streicher ist nicht nachgewiesen, vermutlich in Privatbesitz.
173 CIT: eine f Anzusetzen.
174 Meeresstille und glückliche Fahrt, op. 27.
175 Hensel hatte Felix 1829 porträtiert und arbeitete nun an der Ausführung.
176 Friedrich Rosen (1805-1837), Orientalist, Freund Felix Mendelssohns, der
mit ihm in London zusammentraf.
177 Bezieht sich auf den Familienbrief von Felix vom 25. April 1829 (SHI): »Sie
(i. e. Charlotte Moscheies) führte mich gestern in ihrem eleganten Kabrio-
lett nach Hyde Park, heut will sie mir ebenso Regents Park zeigen; denkt
Euch mich in einem Kabriolett mit einer Dame . . .«.
178 CIT: wenig.
179 OGB/CIT
180 Gemeint sind die Stimmen zu der Sommernachtstraum-Ouvertüre von
Felix, die am 24. Juni in einem Konzert der Philharmonie Society erstmals
in England aufgeführt werden sollte.
181 CIT: Sorgfalt.
182 Teilweise bei SHI.
427
183 CIT: Stimme.
184 CIT: ißt.
185 OGB. Langer Familienbrief.
186 Henriette Mendelssohn (1776-1864), in der Familie zur Unterscheidung
von ihrer Schwägerin, der Tochter Moses Mendelssohns, »Hinni« ge-
nannt, war die Tochter des mecklenburgischen Hofagenten Nathan Mey-
er und 1793 mit Joseph Mendelssohn, Abrahams ältestem Bruder, verhei-
ratet worden.
187 Alexander Mendelssohn (1798-1871), Cousin von Fanny und Felix, verhei-
ratet mit Marianne Seeligmann.
188 Familie des Hauslehrers Heyse, neuerdings mit den Mendelssohns ver-
schwägert: Julie, seit 1827 Frau von Karl Wilhelm Ludwig Heyse, war eine
geborene Salomon (gen. Saaling), die Schwester von Leas Lieblingscousine
Marianne.
189 In diesem Fall ist Abrahams Schwester Henriette gemeint, die seit 1825
wieder in Berlin lebte, nachdem ihre Stellung als Erzieherin der Pariser
Generalstochter Fanny Sebastiani wegen deren Heirat beendet war.
190 Recha Meyer (1767-1831), Schwester Abraham Mendelssohns, war mit
Mendel Meyer, Sohn von Nathan Meyer, verheiratet worden, ließ sich
aber scheiden und wurde Direktorin eines Mädchenpensionats in Altona.
Später lebte sie wieder in Berlin. Fannys »sogar« bezieht sich auf ihren
labilen Gesundheitszustand, der ihre gesellschaftlichen Kontakte redu-
zierte.
191 Es handelte sich wahrscheinlich um ein Selbstporträt in Naturgröße, mit
dem Hensel bereits 1812 auf der Berliner Akademie-Ausstellung vertreten
war.
192 Spitzname für Albert Heydemann.
193 NFL. Familienbrief mit langem Einleitungsteil an den Vater.
194 In den OGB nicht zu finden. Fanny hatte sich vermutlich dagegen ge-
wehrt, daß Felix ihre vermeintliche Unzuverlässigkeit beim Nachschicken
von Orchesterstimmen auf ihre Verliebtheit in Hensel zurückgeführt hat-
te. Werner (a.a.O., Fußnote 15 zu S.95) zitiert den Felix-Brief, um mit
dieser aus dem Kontext genommenen Passage seine Theorie von FehV
Aversion gegen Fanny zu belegen.
195 NFL. Familienbrief.
196 OGB/WFM/CIT
197 Johann Gustav Droysen (1808-1884), Historiker, Altphilologe und Dich-
ter; Freund der Geschwister. Liederkreis: Sechs Lieder von Fanny für Fe-
lix, Texte von J. G. Droysen (Juni 1829), Autograph »An Felix, während
seiner ersten Abwesenheit in England 1829« in der Bodleian Library, Ox-
ford, Kopie im MA Berlin. Das Manuskript enthält Illustrationen von
Wilhelm Hensel (s. Fannys Brief vom 4. Juni 1829).
198 Reproduktion des Stuhles, auf dem Felix auf Hensels Porträt zu sehen ist.
199 Lea war immer noch gegen Fannys Heirat mit Hensel, konnte sie aber
428
nicht mehr verbieten, da Fanny nun volljährig war. In Fannys Tagebuch
heißt es am 9. März 1829: »Sonntag nachmittag gab es mit der Mutter
bezüglich unserer Heirat eine sehr unangenehme Szene, nach der ich Hen-
sel gar nicht wieder beruhigen konnte.« (Zit. nach Tillard, a.a.O., S.160.)
200 Bedeutung nicht ganz klar. Titania ist eine Figur aus dem »Sommernachts-
traum«.
201 Felix arbeitete in England an seiner Reformations-Symphonie d-Moll op.
107.
202 Sonate ecossaise in fis-Moll op. 28.
203 NFL. Familienbrief.
204 Veraltet für »Strafe«.
205 OGB/CIT
206 Befreundete Familie in England.
207 Mendelssohns Kantate »Ave maris Stella« für Sopran, Chor und Orchester.
208 August Wilhelm Bach (1796-1869), Organist der Berliner Marienkirche,
der ehemalige Orgellehrer von Felix.
209 Eduard August Grell (1800-1886), Organist und Komponist.
210 OGB/WFM/CIT
211 CIT: regnigter kalter.
212 CIT: Vieles Andere.
213 Rebecka.
214 Christian Daniel Rauch (1777-1857), Bildhauer, seit 1811 Mitglied der Kö-
niglichen Akademie der Künste in Berlin.
215 Heinrich Heine war bei den Mendelssohns gelegentlich zu Gast. Vgl. dazu
seinen Brief an Droysen (1829): »[...] der Stadträthin lasse ich mich ehr-
furchtsvoll empfehlen, mit etwas weniger Ehrfurcht grüße ich Fräulein
Fannys schöne Augen, die zu den schönsten gehören, die ich jemals gese-
hen. Die dicke Rebecka, ja, grüßen Sie mir auch diese dicke Person, das
liebe Kind, so hübsch, so gut, jedes Pfund ein Engel.« (Zit. nach Droysen,
Briefwechsel I, S. 9.)
216 Folgt Anteil von Rebecka.
217 Oktett op. 20, Es-Dur, komponiert 1825 zum 23. Geburtstag seines Freun-
des Eduard Rietz. Fanny hatte zu diesem Werk eine besonders enge Be-
ziehung. In ihrem Tagebuch heißt es darzu: »Mir allein sagt er, was ihm
vorgeschwebt. Das ganze Stück wird in staccato und pianissimo vorgetra-
gen, die einzelnen Tremolando-Schauer, die leicht aufblitzenden Pralltril-
ler; alles ist neu, fremd und doch so ansprechend, so befreundet, man fühlt
sich so nahe der Geisterwelt, so leicht in die Lüfte gehoben, ja man möchte
selbst einen Besenstiel zur Hand nehmen, der luftigen Schar besser zu
folgen. Am Schlüsse flattert die erste Geige federleicht auf - und alles ist
zerstoben.« (Zit. nach SH I.)
218 Folgt Anteil von Rebecka. Im Anschluß daran erläutert Fanny mit vielen
familieninternen Anspielungen die von Hensel zu ihren sechs Liedern
angefertigten Zeichnungen.
429
2ip OGB/CIT
220 CIT:n.Juni.
221 Hensel.
222 Lettres de deux amans habitans d'une petite ville au pied des alpes (»La
Nouvelle Heloise«) von Jean-Jacques Rousseau, 1761.
223 Folgt Anteil von Rebecka.
224 Bezieht sich auf den Brief von Felix vom 7. Juni 1829 (zit. nach SH I): »Ich
war sehr froh am Sonnabend und auf dem Diner, nach dem ich wegging,
habe ich mich betrunken, aber nur in zwei sehr bedeutende braune Au-
gen . . .«
225 op. 73.
226 CIT: Heynes. Gemeint ist vermutlich Henriette Herz (1764-1847), die in
ihrer Wohnung in der Spandauer Straße große Gesellschaften gab.
227 Nanette Schechner-Agner (1806-1860), aus München stammende Opern-
sängerin, die gelegentlich in Berlin gastierte.
228 Oper von Spontini.
229 Scherzhafte Anspielung auf Hensels Manier, Fanny mit Weinreben und
Blumenkränzen im Haar zu »verschönern«. Felix mochte das Porträt nicht
und schrieb am 10. September 1829: »Auch Fannys großes Porträt ist schön,
aber es gefällt mir nicht. Ich sehe, wie herrlich es gezeichnet, wie spre-
chend ähnlich es ist; aber in der Stellung, Kleidung, im Blick, in der gan-
zen sybilligen Prophetenhaftigkeit oder schwärmenden Begeisterung ist
mein Cantor nicht getroffen! Da liegt die Begeisterung nicht so oben auf,
mehr innen drin, und zeigt sich nicht in gen Himmel sehen, oder im
Ausstrecken des Arms, oder im wilden Blumenkranz, denn alles das sieht
einer auf den ersten Blick. Das muß er aber nicht, sondern erst nach und
nach draus klug werden. Nimm mir das nicht übel, Hofmaler, aber ich
kenne meine Schwester doch länger als Du, habe sie als Kind auf meinen
Armen getragen (Übertreibung) [...].« (Zit. nachEB, S.93.)
230 NFL, teilweise bei SH I.
231 Charlotte, Tochter Friedrich Wilhelms III., seit 1817 verheiratet mit Zar
Nikolaus I., die zu Besuch nach Berlin kam.
232 OGB/WFM.
233 Folgt Anteil von Rebecka.
234 NFL / sehr fragmentarisch bei SH I.
235 Der Brief beginnt mit einer ausfuhrlichen Erörterung der Pläne zur Sil-
bernen Hochzeit der Eltern, die bei SH I vollständig und korrekt wieder-
gegeben ist.
236 Zwei Wörter nicht lesbar.
237 Die Abschnitte von »Ich werde London nun bald verlassen« bis ein-
schließlich »Tagebuch für die Geren« fehlen bei SH I. Der hier mit [...]
markierte Abschnitt enthält bei SH I eine textgenaue der kritischen Schil-
derung einer Hamlet-Auffuhrung in Covent-Garden von Felix. Die fol-
genden Passagen fehlen wieder bei SH I.
430
238 Sir George Thomas Smart (1776-1867), Sänger, Gesangslehrer, Geiger und
Dirigent. Seit 1813 Mitglied der Londoner Philharmonie Society, deren
Dirigent er bis 1825 war. Seit 1822 Organist in St. James. Persönlicher
Bekannter Beethovens. Führte die Musik Carl Maria von Webers in Eng-
land ein. Dirigierte 1836 Mendelssohns »Paulus« in Liverpool.
239 Es-Dur.
240 Nach William Almach (gest. 1781), Gründer von Londoner Clubs und
Ballsälen auf der King Street, die 1765 eröffnet wurden. Hier fanden bis
1840 wöchentliche Subskriptions-Bälle statt. Der Verkauf der Karten lag
in der Hand eines Damenkomitees.
241 Thomas Lawrence (1768-1830), berühmter englischer Porträtmaler. Malte
im Auftrag Georg IV. Metternich, Wellington, Blücher und andere. In
seiner Tendenz, alle Porträtierten geschmeichelt darzustellen, besteht eine
Ähnlichkeit zu Hensels Stil.
242 Sir David Wilkie (1785-1841), schottischer Maler und Radierer heiterer
Genrebilder.
243 William Turner (1775-1851), Maler und Radierer. Seine Landschaften ge-
hören zu den Glanzleistungen europäischer Malerei an der Wende vom
18. zum 19. Jahrhundert. Gilt heute wegen seiner virtuosen Darstellung
atmosphärischer Phänomene aus Licht und Farbe als früher Vorläufer des
Impressionismus.
244 Doxat und Divett, Geschäftspartner Abraham Mendelssohns in London.
245 Charles Neate (1784-1877), Pianist und Komponist. Schüler John Fields.
Seit 1813 Mitglied der Philharmonie Society in London. Während eines
Wien-Aufenthaltes 1815 Freundschaft mit Beethoven. Studierte Kontra-
punkt in München. Führte als einer der ersten Klavierkonzerte von We-
ber, Hummel und Beethoven in England ein.
246 Gattin des Fürsten Paul Anton Esterhäzy von Galäntha (geb. 1786), öster-
reichischer Gesandter in London.
247 Folgt Abschnitt an den Vater.
248 OGB/WFM/CIT.
249 Veraltet für »Bittgesuch«. Felix hatte nicht nur Lea, sondern auch seinen
Vater gebeten, mit der Hochzeit nicht bis zu seiner Rückkehr zu warten,
damit Hensel nicht »bis dahin vor Ungeduld stirbt« (vgl. EB, S.72).
250 CIT: Turnplatz.
251 Von Fanny vertont als »Nachtreigen« für achtstimmigen Chor a cappella.
Autograph vom 29. Juni 1829 im MA.
252 Hora est. Antiphona und Responsorium für sechzehnstimmigen Chor a
cappella.
253 Künftige Ehewohnung im Gartenhaus Leipziger Straße 3.
254 Folgt Anteil von Rebecka.
255 OGB/CIT.
256 CIT: war.
257 Enger Freundeskreis der Geschwister Mendelssohn.
431
258 Hegel war seit 1829 Direktor der Berliner Universität.
259 Abgeschickt am 15. August 1829.
260 Wahrscheinlich Marianne Saaling.
261 Anspielung auf Hensels Schwierigkeiten, vom Mendelssohnschen Freun-
des- und Familienkreis akzeptiert zu werden.
262 Ein Wort nicht lesbar.
263 Oper von Spontini. Premiere der zweiten Fassung am 12. Juni 1829.
264 Die Stumme von Portici, Oper von Auber.
265 OGB.
266 Betty Meyer, Cousine der Geschwister Mendelssohn, verheiratet mit
Heinrich Beer.
267 Johannespassion von Bach.
268 Benjamin Georg Mendelssohn (1794-1874), Sohn von Abrahams Bruder
Joseph, und dessen Frau Rosamunde, geb. Richter (1804-1883).
269 Anspielung auf Leas und Abrahams manchmal schroffes, abweisendes
Wesen.
270 Textverlust.
271 OGB/WFM/CIT.
272 Anteil von Rebecka, über den Fanny schreibt: »Um Gottes willen, was
schreibt das Mädchen fiir gottvergeßenes Zeug. Wirklich, wenn sie zu-
weilen ihren Schnabel laufen lässt, sollte man meinen, man müsse die
ganze Person an den Fußbock legen [. . .] Wirklich hat noch kein Sterbli-
cher, außer Shakespeare, solche Possen geahndet.«
273 der Eltern am 26. Dezember 1829.
274 Schottische Symphonie, die allerdings noch nicht vollendet war.
275 Aus Mendelssohns Oktett op. 20.
276 CIT: etwas.
277 Iphigenie in Aulis, Oper von Gluck.
278 OGB/WFM/CIT
279 CIT: man.
280 Der Brief des Vaters (8. Juli 1829) folgt in OGB auf den von Fanny und
Wilhelm. Abraham weist Felix auf seine »unumgängliche Verpflichtung«
hin, sich so zu nennen wie er, und erläutert nochmals die Namensge-
schichte seiner Familie, bei seinem Großvater, Mendel Dessau, dem Vater
Moses Mendelssohns, angefangen. Schon Moses habe seinen eigentlichen
Namen abgelegt, um sich und seine Mitbrüder aus »tiefer Erniedrigung«
zu reißen und den Übergang in ein intellektuelles Judentum zu vollzie-
hen. Während Moses aber immer bewußt jüdisch geblieben sei, halte er,
Abraham, das Judentum für die »veraltetste, verdorbenste, zweckwidrig-
ste« aller derzeitigen Religionen. Er erklärt noch einmal, warum er seine
Kinder zum »civilisirten« Christentum übertreten ließ. Aus »Pietät und
Klugheitspflicht« habe er den nicht-jüdischen Beinamen »Bartholdy« an-
nehmen müssen. Er bedauert, den Namen »Mendelssohn« nicht ganz
abgelegt zu haben. Von Felix verlangt er, sich »Felix Bartholdy« zu nen-
432
nen, weil der Name »Mendelssohn« »hinderlich«, »lächerlich« und nicht
zeitgemäß sei. Der Kernsatz dieses Briefes lautet: »Einen christlichen
Mendelssohn giebt es eben so wenig als einenjüdischen Confucius. Heißt
Du Mendelssohn, so bist Du eo ipso ein Jude, und das taugt Dir nichts,
schon weil es nicht wahr ist.«
281 Veraltet für »minderjährig«.
282 CHT: mal.
283 Citron (a. a. O., S. 68) zitiert einen von mir nicht aufgefundenen Antwort-
brief von Felix vom n. August 1829 (Dep. des Landes Berlin 3,1 im MA)
aus Glasgow: »Wie danke ich Euch für den lieben Privatbrief, den Ihr mir
schreibt, u. fast noch mehr danke ich ihn Euch, da er nicht nöthig war [. . .]
u. doppelt rührte es mich, wie Ihr so vorsorgend und so ausgleichend
gesprochen hattet, da es doch der Ausgleichung nicht bedurfte; denn es
soll mir wahrlich in meinem Leben nicht einfallen, etwas gegen Vaters
Willen durchsetzen zu wollen, u. nun gar solch eine Kleinigkeit!« Felix
ging allerdings auf das Ansinnen Abrahams, sich nicht mehr Mendelssohn
zu nennen, niemals ein.
284 OGB.
285 Nach seinen Londoner Konzerten ging Felix mit Klingemann auf Ferien-
reise ins schottische Hochland.
286 Ferdinand David (1810-1879), Geiger und Komponist, enger Freund Men-
delssohns.
287 Nach drei Jahren des Engagements im Orchester des Königstädter Thea-
ters in Berlin ging David nach Dorpat als Primarius des Liphardtschen
Streichquartetts.
288 Bernhard Romberg (1767-1841), berühmter Cellist. Sein Neffe war Cypri-
an Friedrich Romberg (1807-1865).
289 Betty Pistor, geb. 1808, Widmungsträgerin des Quartetts op. 12, Es-Dur,
von Felix.
290 Vgl. Lowenthal-Hensel, Preußische Bildnisse, S.86. Die Zeichnung (Blei-
stift auf Karton) entstand 1829 in Berlin und trägt die Bildunterschrift: »Eh
bien, cet homme cest moi! H. Heine.« Während Hensel sonst dazu neigte,
Personen schmeichelhaft darzustellen, fallen hier besonders die verschlos-
sene Körperhaltung und der leicht arrogante Gesichtsausdruck auf.
291 Variations concertantes für Klavier und Violoncello op. 17.
292 Folgt Anteil von Lea.
293 OGB.
294 Eduard Gans (1798-1839), Rechtsphilosoph, Historiker und Judaist.
295 OGB.
296 Ludwig von Mühlenfels (1793-1861), enger Freund Felix Mendelssohns,
Jurist, Teilnehmer der antinapoleonischen Befreiungskriege als Lützower
Jäger. Nach Promotion in Heidelberg Substitut des preußischen General-
prokurators von Sandt in Köln. Dort unter dem Verdacht demagogischer
Umtriebe verhaftet und 23 Monate in Isolierhart gehalten. Brach aus dem
433
Gefängnis aus und floh über Schweden nach London, wo er deutsche und
skandinavische Literatur lehrte. Reiste 1829 nach Berlin, um seine Frei-
sprechung zu erreichen. Das Urteil gegen ihn wurde 1830 aufgehoben,
und er wurde Landesgerichtsrat in Naumburg.
297 Heinrich Gustav Magnus (1802-1870), Bruder des Malers Eduard Magnus,
Physiker und Chemiker, seit 1834 Professor in Berlin.
298 Streichquintett A-Dur op. 18.
299 Streichquintett op. 29.
300 Variations concertantes für Klavier und Violoncello D-Dur op. 17.
301 Klaviertrio op. 70, 1.
302 Bankier in London, seit 1831 Arbeitgeber von Paul Mendelssohn Bart-
holdy. Abraham war an seiner Londoner Bank mit einer bedeutenden
Einlage beteiligt.
303 OGB/WFM/CIX
304 Citron (a.a.O., S.78) zitiert Felix wie folgt: »Fanny schreibt mir viel über
die Hochzeit, aber nicht, wann sie sein soll; wie kann ich den Choral u.
Prelud. bestimmen, oder gar componieren, wenn ich die Zeit nicht weiß?«
305 Gemeint ist der Plan einer gemeinsamen Italienreise.
306 Klingemann und Felix waren am 7. August 1829 über Staffa zur Fingals-
höhle gekommen. Felix entwarf dort die ersten Skizzen zur Fingalshöh-
len-Ouvertüre »Die Hebriden«, op. 26.
307 Folgt Anteil von Rebecka.
308 Orgelstück für ihre Trauung.
309 Bei SH I heißt es in einem auf den 25. August 1829 datierten Brief von Felix
an den Vater aus Llangollen: »Diese Lieder aber sind schöner, als gesagt
werden kann. Ich spreche bei Gott als kalter Beobachter und finde sie sehr
hübsch. Aber es gibt doch wirklich Musik, die ist, als ob die Quintessenz
aus der Musik genommen wäre, als ob es die Seele von der Musik wäre.
So die Lieder. O Jesus! Besseres kenne ich nicht.« (Vgl. auchEB, S.91.).
310 Das Liederspiel, dessen Konzept Fanny hier entwickelt, ist nicht nachge-
wiesen. Ein die Jahre 1826-32 umfassender Sammelband mit 38 Liedern,
unter anderem auf Texte von Hensel und Droysen, befindet sich in deut-
schem Privatbesetz (vgl. Elvers: Weitere Quellen zu den Werken von
Fanny Hensel. In: Mendelssohn-Studien 2, Berlin 1975, S. 215-220).
311 Ein Lorelei-Stück von Fanny ist nicht nachgewiesen. Felix schrieb in sei-
nen letzten Lebensjahren ein Opernfragment »Die Loreley« nach einem
Text von Geibel.
312 NFL/SH I, dessen teilweise abweichende Lesarten hier nur in inhaltlich
gravierenden Fällen vermerkt wurden.
313 Guy Mannering or The Astrologer, Roman von Walter Scott, erschienen
1815.
314 SH I: Kinder.
315 SH I: verrückte.
316 Es-Dur op. 12.
434
317 Karl R. Ritter (1779-1859), Geograph und Völkerkundler.
318 OGB.
319 Anteil von Rcbecka.
320 Die in diesem Briefwechsel mehrfach erwähnte »Gräfin Arnim, geb. Hei-
ster«. Es handelte sich um ein großes Auftragsporträt, mit dem Hcnscl 1829
sehr beschäftigt war. Hcnscl malte insgesamt über 400 Bildnisse.
321 Potsdamer Tor.
322 Orgclpräludium F-Dur, vollendet am 28. September 1829. Autograph: Li-
brary of Congrcss, Washington, Gcrtrudc Clarkc Whitall Collcction.
323 Moritz Veit (1808-1864), Vcrlagsbuchhändler und Politiker in Berlin, Vor-
kämpfer der Judcncmanzipation, lernte K. Werder in Hegels Vorlesungen
kennen und verlegte dessen dramatische Werke. Veit, Werder und Stie-
glitz gaben den »Berliner Musenalmanach« 1830/31 heraus. Unter den
Mitarbeitern waren unter anderem Goethe, Achim von Arnim und Cha-
misso.
324 OGB/CIT.
325 CIT: 21.
326 CIT: 3ten.
327 CIT: Zerbino. Zcrlina ist der Name der Braut Mascttos in Mozarts »Don
Juan«.
328 CIT: erübrigen.
329 CIT: weißt.
330 CIT: Anstellung.
331 Prinz Albrecht von Preußen (1809-1872).
332 Karl-Friedrich (1783-1853).
333 CIT: Rescoipt.
334 CIT: die.
335 MA/SHI.
336 Am 17. September 1829 wurde Felix in London aus einem Kabriolett ge-
schleudert und verletzte sich an der Kniescheibe. Während seiner mehr-
wöchigen, mit starken Depressionen verbundenen Krankheit wurde er
von Klingemann gepflegt.
337 OGB/WFM/CIT
338 Protestantische Kirche in der Berliner Klosterstraße.
339 Wilhclmine (Minna) Hcnscl (1802-1893), ein Patenkind der Königin
Louise von Preußen, zog nach dem Tod ihrer Mutter zu Fanny und lebte
im Henselschen Haushalt. Wurde 1850 Vorsteherin eines Waisenhauses
und erwarb sich einen guten Ruf als Pädagogin.
340 Eine »Pastorella« erschien mit »Liedern für das Pianoforte« op. 2 und op.
6 im Jahre 1983 bei Bote und Bock. Dieses Stück stammt allerdings von
1846.
341 Präludium G-Dur, Autograph in Privatbesitz.
435
Hofmalerin Hensel (1829 bis 1832)
1 OGB.
2 Wahrscheinlich gemeint:Ludwig von Mühlenfels.
3 Alexander und Marianne Mendelssohn.
4 Karl August Varnhagen von Ense (1785-1858), Schriftsteller und Diplomat.
5 Wahrscheinlich gemeint: Präludium und Fuge Es-Dur B WV 552. Mendels-
sohn spielte es 1837 auf dem Musikfest in Birmingham und hinterließ damit
einen »unauslöschlichen Eindruck« (vgl. Großmann-Vendrey, Vergangen-
heit, S. 185).
6 OGB/CIT.
7 Hensels Schwester Wilhelmine.
8 Nicht nachgewiesen.
9 OGB/WFM.
10 NFL.
11 Mendelssohns Lieblingsgericht war Milchreis.
12 OGB.
13 Bezieht sich auf Mendelssohns geistliche Vbkalkomposition »Hora est«.
14 OGB.
15 OGB/CIT.
16 über Dessau und Leipzig nach Weimar. Abraham hatte ihn einige Tage
lang begleitet.
17 CIT: dessen.
18 Friedrich Freiherr de la Motte Fouque (1777-1843), Gutsbesitzer und Ver-
fasser romantischer Ritterromane.
19 Naturphilosophisches Märchen von Fouque, von E. T. A. Hoffmann und
Lortzing als Oper vertont.
20 Christian Friedrich Johann Girschner (1707-1860), Komponist und Musik-
theoretiker, Schüler Zelters.
21 Carl Wilhelm Ferdinand Guhr (1787-1848), Frankfurter Kapellmeister, be-
deutender Bach-Kenner und Autographensammler.
22 Reformations-Symphonie op. 107.
23 Ulrike von Pogwisch (1804-1875), Schwester von Goethes Schwiegertochter
Ottilie.
24 Ottilie von Goethe.
25 OGB/WFM.
26 Fanny mußte wegen einer drohenden Frühgeburt das Bett hüten.
27 August Wilhelm von Stosch, Hausarzt der Familien Mendelssohn und
Hensel.
28 Anspielung auf Mozarts »Entführung«, Nr. 21: »Wer so viel Huld vergessen
kann, den seh' man mit Verachtung an.«
29 OGB/CIT.
30 Anteile anderer Familienmitglieder.
31 Bezieht sich auf den Familienbrief von Felix aus Weimar vom 25. Mai 1830:
436
»Sammle doch Stimmen über den Titel, den ich wählen soll : Reformations-
sinfonie, Confessionssinfonie, Sinfonie zu einem Kirchenfest (für den
Papst), Kindersinfonie, oder wie Du willst; schreib mir darüber, u. statt aller
dummen Vorschläge einen klugen.« (Zit. nach SUT, S.20.)
32 Folgt Anteil von Rebecka.
33 Anteile anderer Familienmitglieder.
34 NFL. Sehr fragmentarisch und entstellt bei SH I.
35 SH I: nicht mehr.
36 SH I: einem netten Stübchen.
37 Mendelssohn war ihr bereits in Paris begegnet. Er widmete der begabten
Komponistin und Pianistin sein g-Moll-Konzert.
38 Wahrscheinlich As-Dur, op. 92. Mendelssohn hatte das Werk bereits in
Paris mit Hummel selbst gespielt.
39 Jiddisch: Heiratsvermittler.
40 SH I: setzte.
41 Goethe hatte allerdings ein sehr kritisches Verhältnis zu Hensel. Hensel
versuchte sich 1823 an einem Goethe-Porträt, das völlig mißlang, und, so
Goethe, »einen ganz anderen Menschen« darstellte, »der wenig Ähnlichkeit
mit mir hatte« (zit. nach Tillard, a.a.O., S.102). An Zelter schrieb er sogar,
Hensel stecke »in dem seichten Dilettantismus der Zeit, der in Altertümelei
und Vaterländelei einen falschen Grund, in Frömmelei ein schwächendes
Element« suche (zit. nach Tillard, a.a.O., S.103).
42 SH I: wirklich.
43 »Italien«, erschienen in den Liedern von Felix als op. 8, 3.
44 Der hier bei SH I stehende Passus: »Dich als Verfasserin nannte« steht nicht
im Autograph. Er sollte wahrscheinlich dazu dienen, Felix vom Vorwurf
des geistigen Diebstahls zu entlasten.
45 Gemeint ist das Rondo capriccioso E-Dur op. 14.
46 aus op. 16.
47 wahrscheinlich ebenfalls aus op. 16. Das zweite der Stücke war durch gelbe
Trompetenblumen im Haar seiner walisischen Freundin Honoria Taylor
inspiriert (vgl. Werner, a.a.O., S.184).
48 Gemeint ist ein Porträt von Rebecka, das Felix bei Hensel bestellt hatte.
Siehe dazu auch den Brief von Felix vom 26. Juni 1830.
49 Joseph Anton Stieler, Münchener Maler, wurde vor allem durch sein Por-
trät Ludwig van Beethovens bekannt.
50 SUT/PMB. Autograph nicht nachgewiesen.
51 Bei SUT und PMB Noten eines Klavierliedes »Andante« in A-Dur.
52 MA/EB.
53 Fannys Sohn Sebastian war am 16. Juni 1830, zwei Monate zu früh, geboren
worden.
54 Paten wurden Zelter und Rauch.
55 OGB / von Fanny an Rebecka diktiert.
56 OGB.
437
57 OGB.
58 OGB / teilweise CIT
59 Das Lied im Brief vom 26. Juni 1830.
60 OGB/CIT.
61 CIT:Röstell.
62 CIT: Stechkissen.
63 CIT: auch erzählen.
64 OGB/WFM/CIT.
65 Marx war mit Felix in München zusammengetroffen und hatte Fanny dar-
über einen Brief geschrieben (vgl. SH I).
66 Fanny hatte ihr Kind kurze Zeit gestillt und dann eine Amme engagiert.
67 Abraham befand sich zu dieser Zeit in Paris und geriet dort mitten in die
Wirren der Juli-Revolution.
68 Eroberung Algeriens durch Frankreich.
69 Die Italienreise wurde erst neun Jahre spater realisiert. S. dazu Fannys Ta-
gebuch vom 4. März 1831 (MA): »Wir halten indessen noch immer den
Plan, [. . .] den Winter in Italien zuzubringen, eine Complication von Um-
ständen, von denen die entsetzliche Abneigung der Eltern nur Einer war,
nöthigte uns, den Plan aufzugeben.«
70 OGB.
71 in der Leipziger Straße 3.
72 Der Brief bricht hier ab.
73 SUT/PMB/SH I. Autograph nicht nachgewiesen.
74 SUT. Autograph nicht nachgewiesen.
75 MA.
76 In OGB nicht nachgewiesen. Es ist nicht ganz klar, worauf Felix sich be-
zieht. Möglicherweise hatte Fanny von neuen Attacken ihrer Mutter gegen
Rebeckas Heiratspläne berichtet. Der Brief könnte auch in Zusammenhang
mit der Cholera-Epidemie stehen, die 1831 in Berlin ausbrach.
77 Adolph Bernhard Marx, der bis 1830 Redakteur der »Berliner Allgemei-
nen Musikalischen Zeitung« gewesen war, befand sich vermutlich in fi-
nanziellen Schwierigkeiten. Mendelssohn brachte 1831 erheblichen Ein-
fluß auf, um ihm eine Musikprofessur an der Berliner Universität zu ver-
mitteln.
78 MA/SH I.
79 Abrahams Schwester Henriette Mendelssohn war am 9. November 1831 an
Cholera gestorben.
80 Rebeckas Verlobung mit dem Mathematiker Dirichlet.
81 Nach längerem Aufenthalt in den Alpen war Felix über München nach
Frankfurt am Main gefahren, wo er einige Tage im Haus von Johann Ne-
pomuk Schelble verbrachte, durch den er neue Orgelwerke Bachs kennen-
lernte.
82 Johann Nepomuk Schelble (1789-1837), Gründer und Direktor des Frank-
furter Cäcilienvereins.
438
83 Philipp Veit (1793-1877), Maler, Cousin Felix Mendelssohns, Sohn von Do-
rothea Schlegel und Simon Veit.
84 PMB. Autograph nicht nachgewiesen.
Musikdirektor in Düsseldorf (1833 bis 1835)
1 OGB.
2 Felix hatte im Oktober sein Amt als Düsseldorfer Musikdirektor angetre-
ten. Rebecka, inzwischen mit Dirichlet verheiratet, war zu ihm gereist, um
ihm bei der Einrichtung zu helfen.
3 Wahrscheinlich gemeint: die Sängerin Pauline Decker.
4 OGB/CIT.
5 CIT: 22. Oktober.
6 CIT: vorwarf.
7 CIT: Weiz.
8 Karl Leberecht Immermann (1796-1840), Dichter und Jurist aus preußi-
scher Beamtenfamilie, seit 1827 Landgerichtsrat in Düsseldorf, wo er 1832
einen Theaterverein gründete. Die Amtszeit von Felix in Düsseldorf war
von schweren Konflikten mit Immermann überschattet, die schließlich
zum Bruch führten.
9 Oratorium von Händel.
10 Nach Citron wahrscheinlich Verwandte von Moritz Ebers (1802-1837),
Bankier und Porzellanfabrikant in Berlin.
11 Fanny hatte vor, Semele in einer ihrer Sonntagsmusiken aufzuführen. Nach
Großmann-Vendrey (a.a.O., S.64) soll Felix ihr wegen dramaturgischer
Schwächen davon abgeraten haben.
12 J. O. H. Schaum, Herausgeber Händelscher Werke.
13 Gemeint ist das erste Konzert des Düsseldorfer Musikvereins in der Saison
'833/34 am 22 ' November 1833 (Cäcilientag). Zur Aufführung waren Glucks
Ouvertüre zu »Iphigenie«, Beethovens c-Moll-Klavierkonzert und Hän-
deis »Alexanderfest« vorgesehen.
14 CIT: reuen.
15 Johann Karl Ludwig Braun (1771-1835).
16 OGB/WFM/CIT
17 Vermutlich gemeint: Brief vom 26. Oktober an Rebecka, in dem er seine
ersten Wochen als Düsseldorfer Musikdirektor schildert (s. PMB).
18 Vgl. den Brief von Felix an Rebecka vom 26. Oktober 1833: »Wie übersetzt
man in demselben Versmaße: so love was crown'd, but music won the
cause. Ramler sagt mit rechter Uebersetzervornehmheit: Heil Liebe Dir,
der Tonkunst Ehr und Dank, was durchaus keinen Sinn hat und nichts
weniger als eine Uebersetzung ist; es soll den ersten Theil der Ode be-
schließen und macht die ganze Sache confus, denn auf das won kommt's
gerade an.« - Felix bezieht sich hier auf Händeis »Alexanderfest« nachj.
439
Drydens Cäcilienode. Er wollte das Werk am 22. November 1833 in Düs-
seldorf aufrühren. Die gebräuchliche Übersetzung von Karl Wilhelm Ram-
ler (1725-1798) war ihm nicht genau genug.
19 Felix beabsichtigte, Immermanns Version von Shakespeares »Sturm« für
eine Oper zu verwenden.
20 CIT: deutsch.
21 Die Herausgabe wurde 1832 eingestellt. Fanny meint wohl den »Berliner
Musenalmanach für 1830« (vgl. Düsseldorfer Heine-Ausgabe Bd. II, S. 151 f.).
Die Beteiligung Immermanns am Gespräch legt nahe, daß das zweite Xe-
nion aus Heines »Norderney« von Rebecka zitiert und von Fanny nicht
ganz wörtlich, aber sinngemäß richtig im Brief wiedergegeben wurde. Hei-
ne verwendet ein Xenion seines »hohen Mitstrebenden« Immermann, in
dem dieser sich über das Orientalisieren in der deutschen Dichtung lustig
macht. Zum Schluß heißt es über die Dichter: »Essen sie zu viel, die Armen,
und vomiren dann Ghaselen« (zit. nach Düsseldorfer Heine-Ausgabe, Bd.
VI, Reisebilder, II. Teil, S.iösf.).
22 Luise Hensel (1798-1876), Schwester Wilhelm Hensels, Dichterin religiöser
undpatriotischer Lyrik. Luise lebte von 1833 bis 1836 bei denHensels inBerlin.
23 MA.
24 Konzert-Ouvertüre »Zum Märchen von der schönen Melusine« op. 32.
25 Gustav Heinrich Waagen (1794-1868), Galeriedirektor in Berlin.
26 Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863), Düsseldorfer Maler.
27 Walter Lejeune Dirichlet (1833-1887), Rebeckas erster Sohn.
28 Das ursprünglich geplante Programm wurde geändert. Es erklangen Beet-
hovens Egmont-Ouvertüre, Handels »Alexanderfest« und Mendelssohns
Klavierkonzert g-Moll op. 25, in dem er selbst als Solist auftrat.
29 Hensel arbeitete 1833 an seinem großen Historienbild »Christus vor Pila-
tus«, das er auf der Akademie-Ausstellung von 1834 zeigte. Bei den Studien
standen ihm polnische Juden und Mitglieder der Berliner jüdischen Ge-
meinde Modell. In einer Olstudie ist Fanny zu sehen, die Sebastian fest in
die Arme drückt.
30 OGB/WFM/CIT.
31 Nach Elvers (Weitere Quellen, S. 215 ff.) »Zum Fest der heiligen Cäcila [...]
für vierstimmigen gemischten Chor und Klavier, deutscher Privatbesitz.«
Die vorliegende briefliche Beschreibung weist eindeutig auf Soloquartett
mit Frauenstimmen hin.
32 Identität nicht ganz klar. Citron gibt eine Rosa Eleonore Behrend Cursch-
mann (geb. 1805), Berliner Sängerin, verheiratet mit dem Liederkomponi-
sten Curschmann, an. In diesem Brief ist aber von einem fünfzehnjährigen
Mädchen die Rede, das 1818 geboren sein muß.
33 Tochter oder Schwester einer Berliner Sängerin, die 1829 in der Matthäus-
passion aufgetreten war.
34 Der Philosoph und Dichter Heinrich Steffens (1773-1845) war mit einer
Tochter des Komponisten Johann Friedrich Reichardt verheiratet.
440
35 OGB/WFM/CIT.
36 Vom 22. November.
37 Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter, der 1833/34 in Berlin und "Wei-
mar von F. W Riemer herausgegeben wurde.
38 Wegen seiner Augenkrankheit.
39 Im Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter sind viele taktlose Bemer-
kungen über die Familie Mendelssohn enthalten. So schreibt Zelter zum
Beispiel über Abraham: »Er [...] ist mir sehr gewogen und ich habe offene
Casse bey ihm, denn er ist in Zeiten der allgemeinen Noth ohne Schaden
an seiner Seele reich geworden.« Über Felix heißt es kurz vor dem gemein-
samenBesuch bei Goethe (1821): »Er ist zwar ein Judensohn, aber kein Jude,
der Vater hat mit bedeutender Aufopferung seine Söhne nicht beschneiden
lassen und erzieht sie, wie sich's gehört; es wäre wirklich einmal eppes
Rores, wenn aus einem Judensohne ein Künsder würde.« Zelters Urteil
über Fanny als Komponistin und Pianistin klingt zwar recht wohlwollend,
aber er bezeichnet sie und ihre weibliche Verwandtschaft als »die jüngsten
Großmütter des Alten Testamentes«. Der latente Antisemitismus und die
ordinäre Anspielung auf die Beschneidung verletzte die Mendelssohns tief.
40 Luise Hensel hatte bis zu ihrer Erkrankung bei der Betreuung Sebastians
mitgeholfen. Sie beklagte sich sehr über diese Aufgabe und schrieb an ihren
Vertrauten Clemens von Brentano: »Die kleine Haushaltung meines Bru-
ders, deren Obliegenheiten mir jetzt fast ganz übergeben sind, und sein 4
Jahre alter Knabe beschäftigen mich den größten Theil des Tages.« (Zit.
nach Franz Binder, Luise Hensel, ein Lebensbild nach gedruckten und un-
gedruckten Quellen. Freiburg i. Br. 1885, S.270.)
41 Amalie Haehnel (1807-1849), aus Böhmen stammende Sängerin, seit 1831
am Königstädter Theater in Berlin.
42 Das unterbrochene Opferfest, Oper von Peter Winter (Wien 1796).
43 CIT: Renommege.
44 Niederdeutsch für: schmutzig, schlimm, bedenklich, elend.
45 OGB/WFM.
46 Doppelbedeutung: niederdt. für »Scheiße« undjidd. für »Schächtung, Mas-
saker«.
47 Ärmel aus Seidenspitze.
48 Kleider aus Wollgewebe.
49 Rolf Ludwig Decker (1804-1877), Oberhofbuchdrucker in Berlin, Ehe-
mann der Sängerin Pauline Decker.
50 Hensels Schüler.
51 Julius Moser (1805-1879), Genre- und Porträtmaler, Schüler Hensels.
52 Carl Wilhelm Pohlke (geb. 1810), Historien-, Genre-, Bildnis- und Land-
schaftsmaler, Schüler Hensels.
53 Franz Wagner (geb. 1810), Genre-, Bildnis- und Landschaftsmaler, Schüler
Hensels.
54 August Kaselowsky (1810-1891), Schüler Hensels.
441
55 Heinrich Löwenstein (1806-1841), Historien- und Genremaler, Schüler
Hensels.
56 Karl Burggraf (geb. 1803), Porträt- und Genremaler, Schüler Hensels.
57 OGB.
58 Vermutlich Bruder von Hermann Franck.
59 Schlafraum in altrömischem Haus, Grabkammer, Katakombe.
60 Adelheid Müller (1800-1883), geb. Basedow, war die Witwe des 1827 ver-
storbenen Dichters Wilhelm Müller.
61 »Christus und die Samariterin am Brunnen«, zuerst 1828 in der Akademie-
Ausstellung gezeigt.
62 Textverlust.
63 Mary Alexander (1806-1867), englische Freundin Felix Mendelssohns, in
seinen Familienbriefen viel beschrieben.
64 Der Brief bricht hier ab.
65 OGB/CIT.
66 Felix berichtete seinem Vater am 11. Dezember 1833 von seinen Don-Juan-
Proben (NFL).
67 Felix ließ »Mir ist so wunderbar« aus »Fidelio« in Wuppertal-Barmen als
Cello-Improvisation aufrühren.
68 CIT: schallete.
69 CIT: Wangen. Es handelte sich aber um die Frau des Galeriedirektors
Waagen.
70 CIT: seyn.
71 Es wurden aufgeführt: Duett aus »Titus«, C-Dur-Symphonie, Trio aus
»Idomeneo«, Quintett g-Moll, Arie aus »Idomeneo«, ein Klavierkonzert
(Solist: Taubert), Arie und Finale aus »Cosi fan tutte« (»Allgemeine musi-
kalische Zeitung« 5, März 1834, S.157).
72 CIT: Caprifolien.
73 Folgt Anteil von Rebecka.
74 OGB/CIT
75 CIT: 18.
76 Felix hatte ihr die Partitur am 1. Februar 1834 geschickt.
77 CIT: Andere.
78 Due concertant en Variations brillantes sur la Marche Bohemienne tiree du
Melodrame »Preciosa« de C. M. de Weber pour deux pianos et orchestre
par Mendelssohn et Moscheies (1833).
79 Fanny bezieht sich wahrscheinlich auf die Lieder b-Moll (30. Januar 1834)
und D-Dur (12. Dezember 1833) = op. 30, Br. 4 und 5. In dem D-Dur-Stück
(Andante grazioso) hat die linke Hand eine sehr schnelle 32tel-Begleitung
zu spielen.
80 Am 18. Januar 1834 dirigierte Mendelssohn in Düsseldorf eine Egmont-Auf-
führung mit Beethovens Musik.
81 Johann Wilhelm Kortum (1787-1859), Beamter im preußischen Kultusmi-
nisterium.
442
82 Die c-Moll-Symphonie (1824). Fanny erledigte im Auftrag von Felix Kor-
rekturarbeiten für den Verleger Schlesinger (s. Elvers: Felix Mendelssohn
Bartholdy. Briefe an deutsche Verleger. Berlin 1968, S.28if.).
83 Friedrich Schleiermacher war am 12. Februar 1834 in Berlin gestorben.
84 1834 wurde auf der Akademie-Ausstellung Hensels Ölbild »Christus vor
Pilatus« gezeigt, das 1835 von König Friedrich Wilhelm III. gekauft wurde.
85 OGB/CIT.
86 CIT: ohne Datum.
87 Die romantische Oper »Melusine« von Conradin Kreutzer war 1833 in
Berlin uraufgeführt worden. Mendelssohn war fasziniert von dem mär-
chenhaften Stoff, der Unmöglichkeit der Liebe zwischen der Meerjung-
frau Melusine und dem Grafen Lusignan und der Unvereinbarkeit von
Naturwesen und Mensch.
88 Im April 1834 würde Moscheies die Uraufführung der »Melusine« in Lon-
don dirigieren.
89 Carl Loewe (1796-1869), Komponist und Kantor.
90 »Die drei Wünsche«. Premiere am königlichen Theater, 2. Februar 1834.
91 Die Aversion rührte wohl daher, daß Loewe sich gemeinsam mit Felix um
die Leitung der Berliner Singakademie beworben hatte.
92 Zwei Motetten für sechsstimmigen Männerchor, op. 4.
93 Sechs Lieder für Sopran, Alt, Tenor und Baß, im Freien zu singen, op. 41.
94 CIT: Noch.
95 Johann Philipp Samuel Schmidt (1779-1853), Musikkritiker der Spener-
schen Zeitung in Berlin.
96 Wahrscheinlich »Infelice«, Konzertarie für Sopran mit Orchester, op. 94.
97 Charles-Auguste de Beriot (1802-1870), belgischer Violinvirtuose und
Komponist.
98 Maria Felicitä Malibran, geb. Garcia (1808-1836), spanische Altistin, seit
März 1836 mit Beriot verheiratet.
99 Leopold (1810-1869) und Moritz (1806-1868) Ganz, Brüder, beide preußi-
sche Hofkonzertmeister in Berlin. Leopold war Geiger, Moritz Cellist.
100 Carl Arnold (geb. 1794), Pianist und Komponist
101 Tauberts Oper »Der Zigeuner« wurde am 19. September 1834 in Berlin
uraufgeführt.
102 Bettina von Arnims »Goethes Briefwechsel mit einem Kinde« erschien
1835.
103 CIT: Hegels.
104 MA / teilweise bei PMB.
105 PMB: bedenke.
106 PMB: nach.
107 PMB: lagen.
108 PMB: Brief.
109 PMB: beantworte.
110 PMB: Name ausgelassen.
443
in PMB: Titel.
112 PMB: anbrummen.
113 Ehefrau von Wilhelm von Schadow (1788-1862), Maler und Akademiedi-
rektor in Düsseldorf.
114 Karl Friedrich Rungenhagen (1778-1851), Nachfolger Zelters in der Lei-
tung der Berliner Singakademie.
115 Wahrscheinlich gemeint: op. 35.
116 Wahrscheinlich Klaviertrio op. 49 d-Moll, das allerdings erst 1839 erschien.
117 Oratorium nach Worten der heiligen Schrift op. 36.
118 OGB/CIT.
119 CIT: würden.
120 Fortepiano.
121 Nach Tillard (a.a.O., S.219) in der fünften Sonntagsmusik von 1833 ge-
spielt.
122 Luise Dulcken, geb. David (1811-1850), Pianistin, mit der Mendelssohn
gelegentlich konzertierte. Sie war eine Schwester von Mendelssohns
Freund Ferdinand David.
123 Rondo brillant für Klavier und Orchester Es-Dur op. 29.
124 g-Moll op. 25.
125 CIT: wertern.
126 CIT: das.
127 Vgl. Alexander Boyd: Some unpubÜshed Letters of Abraham Mendels-
sohn and Fanny Hensel. In: Mendelssohn-Studien 3 (1979), S.9-50. Fanny
und Mary korrespondierten seit 1833.
128 Fanny komponierte im März 1834 drei Lieder für Mary Alexander auf eine
englische Übersetzung von Heines »Heimkehr« und schickte die Noten
am 7. April 1834 nach England.
129 Autograph im MA.
130 OGB/CIT
131 Lea Mendelssohn bekam im April 1834 heftiges Nasenbluten und Tachy-
kardien. Als psychosomatische Ursache wurde ihre übertriebene Aufre-
gung über Varnhagens beabsichtigte Heirat mit ihrer Cousine Marianne
Saaling angesehen. Varnhagen war gerade erst Witwer geworden, Mari-
anne erschien ihr für eine Ehe schon zu alt. Varnhagen schildert in seinen
autobiographischen Schriften ausführlich, daß »die Damen Mendels-
sohn« diese Beziehung mit Intrigen und Klatschereien geradezu hinter-
trieben hätten. Für weitere Unruhe sorgte Pauls Verlobung mit Albertine
Heine, die zwar schon seit 1828 zum engeren Freundeskreis der Familie
gehörte, mit deren Vater, dem Berliner Bankier Carl Heinrich Heine,
Abraham aber zerstritten war. Werner (a. a. O.) gibt in seinem Familien-
stammbaum eine ganz andere Genealogie an: Ihm zufolge war sie als
Enkelin Fanny Arnsteins und Tochter von Salomon Heine mit Leas Linie
verwandt.
132 Citron (a. a. O., S. 139) schreibt: »The identity of the bride is uncertain.« Es
444
handelt sich zweifellos um die 1786 geborene, also neunundvierzigjährige
Marianne Saaling.
133 OGB/CIT.
134 CIT: druckender.
135 CIT: leidend.
136 Konzert des Musikvereins am 3. Mai 1834 mit Mozarts »Zauberflöten«-
Ouvertüre, fis- Moll-Klavierkonzert von Norbert Burgmüller, Chören aus
Spohrs »Jessonda«, Beethovens Festouvertüre op. 124 und Chören und Soli
aus Handels »Israel in Ägypten«.
137 Phantasie (Sonate ecossaise) op. 28.
138 CIT: Exisrirendes.
139 Franz von Eisholz (1791-1872), Theaterschriftsteller.
140 CIT: uns gelacht.
141 Folgt Anteil von Rebecka.
142 OGB/CIT.
143 OGB/CIT.
144 CIT: 4. Juni.
145 Es folgen ausführliche Erörterungen über den Kauf und Versand einer
Stimmgabel. Felix hatte am 28. Mai 1834 in einem Brief an die »lieben
Geren« (NFL) geschrieben: »A propos, Fanny, sei ein Mann, u. zwar ein
Geschäftsmann, und höre mir zu. Über die wahre, echte Stimmung, (den
Kammerton) ist hier alles uneinig, woher es kommt, daß die Blaseinstru-
mente immer greulich stimmen; und bitte ich Dich also, schreibe an Hen-
ning ein Paar Zeilen, und bitte ihn in meinem Namen um eine Stimmga-
bel, die die Berliner Orchesterstimmung angiebt, u. deren Richtigkeit (in
dieser Beziehung) von ihm attestirt sei [. . .] und schicke sie mir stante pede
nach Düsseldorf. Willst Du das thun?« Fanny: »Ja.«
146 c-Moll op. 11.
147 Felix hatte im Brief vom 28. Mai 1834 geschrieben: »Einen bösen Punct
habe ich musikalisch zu berühren, das sind Man^s eben herausgegebene
Männerstimmensachen. Du schriebst mir einmal es seien schöne Sachen
darin, und ich habe zu meinem Leidwesen nichts gefunden, was mir ge-
fallen, u. sehr vieles, was mir entsetzlich mißfallen hat. Wenn ich eine
Stelle nur fände, die mir recht wäre, würde ich ihm drüber schreiben, aber
so weiß ich nichts zu sagen, u. erwarte nur das Nächste von ihm, das
hoffentlich anders sein wird. Es scheint mir so sehr gesucht u. trocken, u.
doch ohne alle Neuheit oder Eindruck. Dies ist aber ein fataler Ton, u. so
hätte ich es lieber gar nicht schreiben sollen; es bleibt natürlich unter uns.«
148 CIT: ewiges Gewürge u. Geschnarre.
149 Rückschritt.
150 OGB/CIT
151 CIT: ohne Datum.
152 Wahrscheinlich gemeint: 4. Geburtstag von Sebastian am 16. Juni.
T 53 Julius Amadeus Lecerf (1789-1869), Komponist und Musiklehrer.
445
154 CIT: Scholoren.
155 Ouvertüre für Orchester in C-Dur (MA).
156 CIT: Ausstellungen.
157 Mendelssohn studierte mit dem Düsseldorfer Singverein die Kantaten (!)
»Du Hirte Israel« (BWV 104) und »Actus tragicus« (BWV 106) ein, die am
29. Juni 1834 aufgeführt wurden.
158 Mürrisch, verdrossen.
159 Gemeint ist das op. 23 von Felix.
160 Friedrich Wilhelm Leopold von Bärensprung (1779-1841).
161 CIT:Ölrichs.
162 CIT:Blano.
163 CIT: dazwischen.
164 OGB/CIT.
165 CIT: Felixärmchen, übersetzt als »My dear, poor, little Felix«.
166 Felix antwortete in einem Familienbrief (NFL) vom 5. Juli 1834 barsch und
ohne jede Präzisierung: »Mein Urtheil ist aber gerade umgekehrt, wie Dei-
nes, liebe Fanny, u. mit dem Marxischen gar nicht zusammenzubringen, das
erste Lied gefällt mir am besten, namentlich der Anfang, wo mir der Ton
sehr schön getroffen scheint, und das zweite will mir durchaus nicht gefal-
len, und ist vielleicht das einzige Deiner Lieder von dem ich das geradezu
sagen kann. Zwischen Musikern u. Collegen geht so was wohl hin, u. Du
nimmst mir also gewiß meine Geradezuheit nicht übel; ich bin eigendich
nur deshalb so grob, weil Du mir schreibst, Marx erkläre es für eins Deiner
besten Lieder. Er istja nun gar verlobt, hat eine Braut [...].«
167 CIT: alle.
168 Christus vor Pilatus.
169 OGB/WFM/CIT
170 Mendelssohn hatte am 5. Juli 1834 an die Familie geschrieben (NFL), er
habe vor, Glucks »Armida« und »Iphigenie« im Düsseldorfer Theater auf-
führen zu lassen. Wegen seines Rücktritts von den Theatergeschäften
wurde dieser Plan nicht realisiert.
171 Karl Friedrich Lessing (1808-1880), Landschafts- und Porträtmaler, seit
1826 in Düsseldorf, zuerst berühmt geworden durch sein Gemälde »Trau-
erndes Königspaar«, das auf einem Gedicht von Unland basiert.
172 Julius Hübner (1806-1882), seit 1826 mit Unterbrechungen in Düsseldorf,
später Professor an der Dresdner Akademie. Das religiöse Gemälde »Sim-
son« entstand 1832 in Berlin.
173 Am 15. Juli 1834 berichtet Felix über die Entlobung von Marx (EB).
174 OGB.
175 Zum Umarbeitungsprozeß an der »Italienischen Symphonie« vgl. Wer-
ner, a.a.O., S. 288 f.
176 MA / teilweise PMB.
177 Ferdinand Theodor Hildebrandt (1804-1874), Historien-, Porträt- und
Genremaler, seit 1836 Professor an der Düsseldorder Akademie.
446
178 PMB: »das von S.«: Hermann Stilke (1803-18Ö0), Düsseldorfer Maler.
179 PMB: daran.
180 Fanny hatte in einem nur fragmentarisch erhaltenen Brief vom 4. Novem-
ber 1834 (OGB) das Thema »Umschwung im Geigenspiel« am Beispiel
von Paganini und Charles Philippe Lafont (1781-1839) angesprochen. Zum
Inhalt dieser Streit- Korrespondenz vgl. auch EB, S. 174.
181 PMB: »Man hat mir soeben ein paar neue französische musikalische Zei-
tungen gezeigt«.
182 PMB: componieren.
183 August Joseph Burgmüller (1810-1836), aus Düsseldorf stammender Kom-
ponist, Schüler Spohrs.
184 Ferdinand Woringen.
185 Carl Friedrich Curschmann (1805-1841), Sänger, Liederkomponist, Schü-
ler von Spohr.
186 Giuseppe Saverio Raffaele Mercadante.
187 OGB/WFM/CIT.
188 CIT: Beladende.
189 Gemalt als Rundgemälde »Mirjam eröffnet den Reigen der Jungfrauen
nach dem Durchzug durch das Rote Meer«. Auf diesem Bild ist Fanny als
Miriam dargestellt
190 Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter (ed. Riemer), Bd. VI, S.144.
191 Zelter hatte die Italienreise seines Schützlings begrüßt, da er ihn »in dem
verderblichen Familiengeträtsch wie einen Gallert zusammenrinnen« sah.
192 CIT: schnaubst.
193 Auguste Stich-Crelinger (1795-1865), als Mitglied des Berliner königlichen
Schauspiels eine der großen zeitgenössischen Tragödinnen, protegierte
ihre Töchter Bertha und Clara Stich.
194 Zar Nikolaus I. (1796-1855), der mit Prinzessin Charlotte von Preußen
verheiratet war. Er reiste 1834 mit ihr nach Berlin und besuchte die Aka-
demie-Ausstellung. Von Hensel wurde das Ölbild »Christus vor Pilatus«
gezeigt. Fanny hatte offenbar fest mit einem Ankauf gerechnet. Das Bild
wurde 1835 vom preußischen Königshaus erworben.
195 Graf Anatole Demidoff (geb. 1812), russischer Gelehrter und Forschungs-
reisender.
196 Louis Amy Blanc (1810-1885), Maler, Vertreter der Düsseldorfer Romantik.
197 Im Brief anRebecka vom 23. November 1834 (NFL). Bezieht sich auf das
schlechte Verhältnis von Felix zu Immermann.
198 Leopold von Ranke (1795-1886), Theologe und Historiker, Professor an
der Berliner Universität. Fanny las aus seinem Werk »Die römischen Päp-
ste, ihre Kirche und ihr Staat im 16. und 17. Jahrhundert«, dessen erster
Band 1834 erschienen war.
199 OGB/WFM/CIT
200 Bezieht sich auf Mendelssohns »Zwei Romanzen nach Byron« (1833), Nr.
2: Sun of the Sleepless.
447
201 Franz Theremin (1780-1846), protestantischer Prediger, Rhetoriker und
Übersetzer.
202 Loewes Lied »Die Sonne der Schlaflosen« op. 13, 6.
203 Carl Gottlieb Reißiger (1798-1859), Kapellmeister und Komponist.
204 Actus tragicus, BWV 106. Fanny führte das Werk am 3. März 1835 während
einer Sonntagsmusik auf.
205 OGB/WFM/CIT.
206 Fanny hatte öfter nach Diktat des an einem Augenleiden erkrankten
Abraham geschrieben.
207 CIT: halbstündige.
208 CIT: Matthew.
209 CIT: wie.
210 CIT: fleißende.
211 op. 38.
212 Karl Egon Ebert (1801-1882), böhmischer Dichter.
213 Johann Heinrich Voß (1751-1826), Dichter und Übersetzer.
214 CIT: Wetter.
215 OGB/CIT
216 Nicht nachgewiesen.
217 Heinrich von Sybel (1817-1895), Historiker und Politiker, Mitglied des
Komitees der Niederrheinischen Musikfeste.
218 Auf dem Weg nach Frankreich wollten die Hensels in Köln und Düssel-
dorf Station machen, um das Niederrheinische Musikfest mitzuerleben.
219 Citron (a.a.O., S.486f.), die mit den Autographen arbeiten durfte (mir
standen für diese Arbeit nur deren Mikroverfilmungen zur Verfugung),
bringt noch weitgehende Anderungsvorschläge zu op. 38 mit Noten.
220 OGB/CIT
221 CIT: ohne Datum.
222 MA.
223 Fanny schreibt dazu in einem undatierten, fragmentarisch erhaltenen
Brief (OGB): »Für diesmal bekommst Du v. Rebecka u. mir ein englisches
Stahlstichwerk, Ansichten v. Granada. Diese Stahlstiche, Drucke u. Bände
der Engländer sind eine kindische Liebhaberei von mir, obwohl sie mir
Hensel beständig als Virtuosenwerk vorwirft, er hat doch selbst auch Freu-
de daran.«
224 Verschiedene Nachrichten an Lea und Paul.
225 OGB/WFM/CIT.
226 Erste der fünf Kantaten ohne Opuszahl.
227 »Ach Gott, vom Himmel sieh darein« - fünfte der fünf Kantaten ohne
Opuszahl.
228 »Vom Himmel hoch« - dritte der fünf Kantaten.
229 Fannys Streichquartett in Es-Dur (26. August - 23. Oktober 1834). Auto-
graph: MA. Brief mit der Kritik von Felix nicht nachgewiesen.
230 Für Klavier und Orchester Es-Dur op. 29.
448
231 Nicht nachgewiesen. Ein großer Teil der um 1834 entstandenen Werke
soll sich in Familienbesitz befinden.
232 CIT: wir.
233 OGB/CIT.
234 Spenersche.
235 Uraufführung: Paris, 23. Februar 1835.
236 Oper von Cherubini. Berliner Erstaufführung am 27. Februar 1835.
237 OGB/CIT.
238 CIT: oheimische.
239 MA.
240 Otto von Worringen (1760-1838), Düsseldorfer Regierungspräsident.
241 Paulus.
242 von Handel.
243 MA.
244 Lea hatte nach dem Musikfest wieder einen Anfall ihrer Tachykardien
gehabt und blieb in Düsseldorf, um sich auszukurieren.
245 OGB/WFM.
246 Bei Abraham war inzwischen Star diagnostiziert worden. Er unterzog sich
in diesem Jahr verschiedenen Behandlungen und einer Operation.
247 Die Auswirkungen der französischen Juli- Revolution hatten in Deutsch-
land zu einem Höhepunkt der Restaurationspolitik und Unruhen in allen
Teilen des Landes geführt. Lea berichtet darüber an ihre Tochter Rebecka
(SH I): »Ich hoffe, unsre abgeschmackte Rebellion vom 3. August und
folgenden Tage soll Dich [...] nicht mehr affiziert haben als uns. Das
schönste Resultat ist folgende Poesie der Straßenjungen:
Heil Dir im Siegerkranz,
Heut' bleibt keene Scheibe janz.
Es ist leider viel unschuldig Blut geflossen, denn obschon die Staatszei-
rungsdarstellung wahr gewesen, daß die mit Steinen geworfenen Soldaten
nicht geschossen, so haben sie, was mit Stillschweigen übergangen, gehau-
en [. . .] Wie viel es im ganzen waren und ob's auch Tote gegeben, weiß
man durchaus nicht offiziell, nach unserem schönen Prinzip, nichts der
Art zu veröffendichen, und so hat Fama gut Spiel und nimmt ihr loses
Maul desto voller. Es soll jemand dem Könige das Pariser Mittel, Aufläufe
durch Spritzen zu zerstreuen, vorgeschlagen und er gesagt haben: werden
gewiß nicht in gutem Zustande sein.< Ich finde das sehr komisch.«
248 Am 28. Juli 1835 war Marschall Edouard Mortier, Herzog von Treviso (geb.
1768) einem Attentat aus Anlaß einer Feier für die Juli-Gefallenen zum
Opfer gefallen. Mortier war Kriegsminister und Ministerpräsident. Der
Anschlag galt eigentlich König Louis Philippe und wurde von einem Kor-
sen namens Fieschis ausgeführt.
249 Zu den restaurativen Maßnahmen in Preußen gehörten schärfste Zensur-
besrimmungen.
250 Broglie, eigentlich Broglio oder Broglia, alte piemontesische Familie, seit
449
dem 17. Jahrhundert in Frankreich. Hensels waren wohl Gäste von Achille
Charles Leonce Victor Herzog von Broglie (1785-1870), dem damaligen
Minister des Auswärtigen, der mit der Schriftstellerin Albertine de Bro-
glie, einer Tochter von Madame de Stael, verheiratet war.
251 Sarah Austin (1793-1867), englische Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie
war mehrfach zu Gast in Berlin und von Hensel porträtiert worden.
252 Amalie Beer, geb. Lippmann (1772-1854), Mutter Meyerbeers.
253 Heinrich Heine hatte dieses Lesezimmer ebenfalls aufgesucht und ver-
scheuchte einige Engländerinnen, die sich dort laut unterhielten, mit der
Bemerkung: »Meine Damen, wenn Sie mein Lesen im Sprechen stört,
kann ichja auch woanders hingehen.«
254 Louise Johanne Hensel, geb. Trost (1764-1835), Mutter der Geschwister
Hensel.
Gewandhauskapellmeister in Leipzig (1835 bis 1839)
1 OGB/CIT
2 Im Oktober war Felix mit Moscheies für kurze Zeit nach Berlin gefahren,
wo er seinen Vater zum letzten Mal lebend sah. Am Tag, an dem Fanny
diesen Brief schrieb, spielte er abends sein Klavierkonzert op. 25 im Leip-
ziger Gewandhaus.
3 Franz Hauser (1794-1870), aus der Nähe von Prag stammender Sänger,
Gesanglehrer und Musikschriftsteller, der zunächst Jura und Medizin stu-
diert hatte. War von 1832-1835 Baritonist und Regisseur am Leipziger
Stadttheater. Hauser gastierte 1835 für eine Saison in Berlin. Seine leiden-
schaftliche Vorliebe für Bach führte ihn in Kontakt zu Fanny.
4 Robert le Diable, erste Pariser Oper (1831) von Meyerbeer mit vielen
Bühneneffekten und Massenszenen.
5 Von »Mora« (hebr.): Furcht.
6 Joseph Eichberger, Tenor am königlichen Opernhaus.
7 Fanny (1810-1884) un d Therese (1808-1878) Elßler, berühmte Tänzerin-
nen. Therese Elßler wurde 1850 »morganatische« Gattin des Prinzen Adal-
bert von Preußen (1811-1873), dem sie 1841 einen Sohn geboren hatte. Die
Elßlers wurden vermutlich in der Szene »Auferstehung der Nonnen« ein-
gesetzt, in dem die Geister der in »sündiger Lust« verstorbenen Nonnen
beschworen werden, um sich als verführerische Frauen zu einem bacchan-
tischen Ballett zu vereinen.
8 Moritz Hauptmann (1792-1868), Geiger, Komponist und Musiktheoreti-
ker, Schüler von Spohr, 1822-42 Mitglied der Kasseler Hofkapelle, 1842
Thomaskantor in Leipzig.
9 OGB.
10 von jidd. »schobn«: schaben - Papierschnitzel
11 OGB/CIT
450
12 Oper von Cherubini (1797), stark an Gluck orientiert. Auch Richard Wag-
ner war von dem Werk sehr beeindruckt.
13 Vielleicht As-Dur-Sonate op. 26 von Beethoven.
14 KV 5x3.
15 Oper von Cherubini.
16 Das Gerücht wurde nicht wahr. Immermann war von 1835-1837 Düsseldor-
fer Theaterleiter.
17 MA / teilweise SH I.
18 Von Fanny aufgestellte Liste seiner Bücher, Noten und Utensilien.
19 Abraham Mendelssohn war in den letzten Tagen vor seinem Tod sehr
fröhlich und gesprächig, wozu auch die Anwesenheit des von ihm hochge-
schätzten Sängers Hauser beitrug. Fanny überliefert (SH I) einen auf sei-
nem Schreibpult aufgefundenen Brief von ihm, in dem er sich mit Varnha-
gen auf eine brillante Kontroverse über Lessing einläßt und dabei Lessing
als »vertrautesten Freund« seines Vaters vehement verteidigt. Nach der tie-
fen Enttäuschung über Goethes fragwürdige Rolle als Briefpartner Zelters
rückte Lessing in der Familienachtung deutlich auf.
20 Bei SH I: Herr L. S., dazu einen unveröffentlichten Brief von Felix Men-
delssohn an seinen Vater (1. November 1835, NFL) : »Lieber Vater, ich wün-
sche Dir durch diese Zeilen die Bekanntschaft des Herrn Baumeister Lim-
burger zu verschaffen, der auf einige Tage nach Berlin reist, und mir ver-
sprochen hat Euch aufzusuchen und Euch persönlich meine Grüße zu
überbringen. Wenn ich Dir sage, daß er einer der thätigsten Beförderer des
hiesigen Musikwesens, u. namentlich des Concertes ist, bei dem ich hier
angestellt bin, und daß er sich seit meiner Ankunft mit der größten Freund-
lichkeit meiner u. meines Wohlergehens angenommen hat, daß er selbst
ein ausgezeichneter Musikkenner u. -freund ist, so wirst Du Dir denken,
wie lieb es mir ist, daß sich Gelegenheit findet, daß er mit Euch bekannt
werde. Ich hoffe Fanny wird ihm vorspielen, u. er ihr dann vorsingen; dann
ist die musikalische Bekanntschaft auch schnell gemacht [...].«
21 Rebeckas Sohn.
22 Sebastian Hensel liefert an dieser Stelle ein Paradebeispiel für sein durch
Rücksicht auf Lebende gekennzeichnetes editorisches Vorgehen: Statt »Pi-
xis ist jetzt hier mit Francilla« heißt es: »A. ist jetzt hier mit M.«. -Johann
Peter Pixis (1788-1874), aus Mannheim stammender Pianist und Komponist,
reiste mit seiner Adoptivtochter, der Sängerin Francilla Pixis (eigentlich
Göhringer) durch Europa.
23 SH I: mit der M.
24 »Extrakonzert« von Clara Wieck am 9. November 1835 im Leipziger Ge-
wandhaus.
25 Capriccio brillant für Klavier und Orchester h-Moll, op. 22 (1832).
26 OGB/CIT
27 CITfür.
28 CIT:Eihaube.
451
29 Kantaten »Liebster Gott, wann werd' ich sterben« (BWV 8) und »Herr,
gehe nicht ins Gericht« (BWV 105).
30 CIT:la.
31 CIT: Alteration.
32 Johann Baptist Cramer (1771-1858), Pianist und Komponist. Clementi- und
Cramer-Etüden gehörten zum Übungsrepertoire der Mendelssohn-Kin-
der. Ihr Klavierlehrer, Ludwig Berger, war ein Schüler der beiden »Etüden-
meister«.
33 Camilla (eigtl. Marie Felicite Denise) Pleyel, geb. Mooke (1811-1875), be-
rühmte belgische Pianistin, Schülerin von Moscheies und Kalkbrenner, seit
1848 Professorin am Brüsseler Konservatorium.
34 Als junges Mädchen war Camilla Pleyel von Ferdinand Hiller und Hector
Berlioz unterrichtet worden. Beide waren in ihre Schülerin verliebt. Hiller
zieht sich zurück, Berlioz verlobt sich mit der Pleyel. Während Berlioz'
Stipendienaufenthalt in Rom löst Camilla das Verlöbnis, um den Klavier-
fabrikanten und Pianisten Camille Pleyel zu heiraten. Als Frau verkleidet
und mit Doppelpistolen, Laudanum und Strychnin im Gepäck will Berlioz
zurückreisen und Mutter und Tochter umbringen. Unterwegs kommt er
zur Besinnung und kehrt um. Die Pleyel trennt sich auch von ihrem Kla-
vierfabrikanten und konzertiert in ganz Europa. Bei verschiedenen Aufent-
halten in Leipzig übt sie große Wirkung auf Robert Schumann aus und
empfängt ihn in ihrem Schlafzimmer. Sie war eine der größten Konkurren-
tinnen von Clara Wieck.
35 »Mirjam eröffnet den Reigen der Jungfrauen nach dem Durchgang durch
das rote Meer«, 1836 als Rundgemälde auf der Akademie-Ausstellung aus-
gestellt.
36 Vielleicht Andante F-Dur, Wien 1805.
37 OGB.
38 Am Morgen des 19. November 1835 war Abraham Mendelssohn mit erst 59
Jahren gestorben. Wilhelm Hensel fuhr sofort zu Felix nach Leipzig, um
ihn nach Berlin zu holen. Felix hatte am meisten von den vier Mendels-
sohn-Kindern an Abraham gehangen.
39 OGB.
40 Abraham Mendelssohn hatte am 10. Dezember Geburtstag.
41 David war von seiner Stellung in Dorpat zurückgekehrt und seit 1835 Kon-
zertmeister des Leipziger Gewandhauses.
42 OGB/WFM.
43 OGB/CIT.
44 CIT: dem.
45 CIT: Schmutz.
46 Der von Tillard (a.a.O., S.242) unter Berufung auf Citron erwähnte Brief
von Felix an Fanny vom 1. Januar 1836, in dem er sie bittet, den Klavieraus-
zug des »Paulus« abschreiben zu lassen und ihm zu schicken, ist in MA und
NFL nicht nachgewiesen, wenn Fanny sich hier auch darauf bezieht.
452
47 NFL. Teilweise bei PMB, der Passagen wegläßt, aber andere, im Autograph
nicht aufzufindende hinzufügt.
48 Felix hatte allerdings am 1. Juni 1835 an Madame Kiene in Paris einen Brief
(Washington, Library of Congress, hier zit. nach Tillard, a.a.O., S.23öf.)
geschrieben, der Fannys Eindruck genau bestätigt: »Mir thut es leid, dass sie
seit ihrer Verheirathung die Composition nicht mehr so fleissig treiben
kann, wie früher, denn sie hat mehrere Sachen, namentlich deutsche Lieder
componiert, die zum allerbesten gehören, was wir von Liedern besitzen;
doch ist es wieder auf der andern Seite gut, dass sie an ihrem Hauswesen
viel Freude findet, denn eine Frau, die es vernachlässigt, sei es nun für
Oelfarben, oder für Reime oder für doppelten Contrapunct erinnert mich
immer unwillkürlich, an das Grec aus den femmes savantes, und ich habe
Furcht davor. Das ist nun also Gottlob nicht der Fall bei meiner Schwester,
und doch hat sie, wie gesagt, ihr Clavierspiel noch mit vieler Liebe fortge-
setzt und in der letzten Zeit noch viele Fortschritte darin gemacht.«
49 PMB: des.
50 Zwei Worte unleserlich.
51 OGB/CIT.
52 Fanny hofft, daß Felix sich bald verheiratet. Er ist der einzige Unverheira-
tete unter den Mendelssohn-Geschwistern.
53 Bezieht sich auf die »Erste Walpurgisnacht« von Goethe.
54 BWV139.
55 Madame Kiene war die Mutter der Pianistin Marie Bigot, bei der Fanny
während eines Paris-Aufenthaltes im Jahre 1816 Klavierunterricht gehabt
hatte. Die Hensels hatten Madame Kiene auf ihrer Frankreichreise 1835
wiedergesehen.
56 QGB/CIT
57 CIT: rechten Kantorbrief.
58 CITAllo.
59 CIT: Ueberdieß.
60 CIT: die.
61 Bertha Lenz, Sopranistin an der Berliner Königlichen Oper von 1832-1838.
62 Fanny hatte Felix im Januar 1835 kurzentschlossen in Leipzig besucht.
63 Vgl. Fannys Tagebuch vom 1. Januar 1832: »Von Vaters Geburtstag habe ich
noch gar nicht gesprochen, der bei uns durch meine Cholera Musik gefeiert
wurde. Es fiel sehr gut aus, die Schätzel sang wunderhübsch, u. das erfreu-
lichste Resultat war, daß Vater sich mit Marx versöhnte.« Teile der Kantate
nach Citron (a.a.O., S.203) in MS MDM c. 58 (MA Berlin).
64 CIT: »Briefstelle nicht lesbar«.
65 CIT: ein.
66 OGB.
67 Rondo capriccioso op. 14.
68 Zum Musikfest.
69 Fanny spricht von den Auftritten des ostjüdischen Musikers Mihail Gusi-
453
kow, eines orthodoxen, polnischen Juden und spätem Repräsentanten der
Klezmer-Musiker. Felix war begeistert von ihm, empfahl ihn an Moscheies
und Hiller und nannte ihn einen »Mordskerl« und einen »Genius« (vgl.
Werner, a.a.O., S.312). Fanny schreibt darüber in einem langen Brief an
Klingemann (SH II): »Hier macht jetzt ein polnischer Jude Aufsehen, der
auf einem Instrument, das aus einigen Strohbündeln und Holzstäben be-
steht, eine fabelhafte Virtuosität besitzen soll. Ich würde es nicht glauben,
hätte es nicht Felix geschrieben. Gesehen habe ich ihn und kann versichern,
daß er ein ungemein schöner Mensch ist. Er kokettiert mit strengem Juden-
tum in Kleidung und Lebensart und macht Glück bei Hof damit. Ich könn-
te Ihnen darüber eine sehr passende jüdische Redensart schreiben, wenn
Sie sie nur verständen. [...] Ich habe das Phänomen gehört und versichere
Sie, ohne so entzückt davon zu sein, wie manche, daß er alle Virtuosität auf
den Kopf stellt, denn er macht auf seinen Holzstäben, welche mit Holzstä-
ben geschlagen werden und auf einem Strohlager liegen, was nur auf dem
vollendetsten Instrument möglich ist. Wie mit solchem Material der gerin-
ge Ton, den das Ding von sich gibt, und der dem der Papagenoflöte am
nächsten kommt, erzeugt werden kann, ist mir ein Rätsel. Sehr politisch
läßt er es vor den Augen des Publikums zurechtlegen, scheint überhaupt
ein Fuchs erster Klasse zu sein. Ich mache Sie auf besagten Gusikow auf-
merksam, wenn er nach London kommt.« Werner (a.a.O., S.313) datiert
den hier abgedruckten Brief von Fanny an Felix, aus dem er lediglich einen
Satz zitiert, unbegreiflicherweise auf den 26. April 1846 und erfindet folgen-
den neuen Wortlaut: »Die polnische Judengeschichte ist sehr gut [. . .] der
Kerl macht hier furore - aber das Getue geht mir nun doch über die Ge-
duld.« (Auslassungszeichen von Werner.) An diese Textverfälschung
knüpft er die Betrachtung an, daß Fanny (im Gegensatz zu Felix) begonnen
hatte, »sich ihres Judentums zu schämen, und mehr als das: ihre Scham war
in jenen vernichtenden Selbsthaß ausgeartet, der leider ein Charakteristi-
kum vieler deutscher Juden geworden ist. Was bei Felix, der die Freunde
Gusikows, lauter orthodoxe, polnische Juden, zu sich einlädt, eine natürli-
che, freundliche Reaktion ist, wird bei ihr Ironie und - bei aller Bewunde-
rung - verachtungsvoller Haß.«
70 MA/EB.
71 Heinrich Conrad Schleinitz (1802-1881), Advokat und Notar in Leipzig,
Freund Mendelssohns, seit 1834 Mitglied der Direktion der Gewandhaus-
konzerte.
72 Die Familie Schunck in Leipzig war mit Cecile Jeanrenaud, der späteren
Frau von Felix, verwandt. Philipp Daniel Schunck war ihr Onkel.
73 Vermutlich Tochter des Leipziger Arztes Johann Christian August Clarus
(1774-1854).
74 Fanny komponierte 1836 wieder sehr viele Lieder, (s. Werkverzeichnis)
75 Gemeint ist seine Bemerkung, Fanny solle lieber keine geisdichen Werke
mehr komponieren, weil ihr Talent dazu nicht neige.
454
76 OGB.
77 Fanny hatte sich entschlossen, mit ihrem Bruder Paul und dessen Frau
Albertine zum Niederrheinischen Musikfest zu fahren, um Mendelssohn
seinen »Paulus« dirigieren zu hören. Unterwegs würde sie in Frankfurt am
Main Station machen und ihre Tante Dorothea Schlegel besuchen. Lea
wollte ursprünglich mitfahren, ließ aber dann auf Zureden von Felix von
diesem Plan ab.
78 Verballhornung von engl, »peevish«: mürrisch, gereizt. Rebecka konnte
wegen ihrer Schwangerschaft nicht mitfahren.
79 Rebecka war schwanger, erlitt aber offensichtlich eine Fehlgeburt, da von
der Geburt dieses zweiten Kindes nirgendwo die Rede ist und sie um die
Mitte des Jahres nach Franzensbad zur Kur mußte.
80 Nicht lesbarer Passus.
81 MA.
82 Hotel Breidenbacher Hof in Düsseldorf.
83 Ausführlich zur Vorgeschichte dieses Musikfestes mit vielen unveröffent-
lichten Briefstellen s. Großmann-Vendrey, a.a.O., S.8off.
84 OGB.
85 Rebecka wurde zur Kur nach Franzensbad geschickt.
86 Gemeint ist der bei PMB demnach falsch auf den 14. Juli 1836 datierte Brief
an Lea und Rebecka.
87 PMB: »Gestern früh kam ich zu ihm. Wer sitzt da? Rossini, groß und breit,
in liebenswürdigster Sonntagslaune. Ich kenne wahrlich wenig Menschen,
die so amüsant und geistreich sein können [. . .] Ich habe ihm versprochen,
ihm im Cäcilienverein die H Moll Messe und einige andere Sachen von
Sebastian Bach vorsingen zu lassen; das wird gar zu schön sein, wenn der
Rossini den Sebastian Bach bewundern muß.«
88 Vgl. SH II, Brief vom 7. Juni 1836: »Es scheint mir von allen Goetheschen
Nachlesen weitaus die bedeutendste, und zwar deshalb, weil der sie Bie-
tende ein Mensch von rührend gewissenhafter Treue und einer seltenen
literarischen Anspruchslosikgkeit ist [. . .] Was mich sehr frappiert, ist das
Zusammentreffen mit mancher Meinung, die Vater zu äußern pflegte [. . .]
Auch daß es im entferntesten kein Klatschbuch ist, gefällt mir sehr, es
spricht ftir Eckermanns Charakter, wie leicht hätte er sein Buch pikant
machen können.« Fanny war wohl von dem Kontrast zum teils häßlichen
Klatschton des Briefwechsels von Goethe und Zelter angenehm über-
rascht. Sie nahm (mit Recht) an, daß auch Varnhagen in der kurz bevor-
stehenden Publikation seiner »Denkwürdigkeiten« nicht vor Indiskretio-
nen über die Familie Mendelssohn zurückschrecken würde. Felix im auf
den 14. Juli 1836 datierten Brief bei PMB: »An dem Eckermann habe ich
auch solche Freude wie Ihr, Ihr Lieben! [. . .] man muß ihm für die treuen
Notizen danken, - auch für die Delicatesse, im Gegensatz zu Riemer.«
Riemer war der erste Herausgeber des Briefwechsels zwischen Goethe
und Zelter.
455
89 Für Fanny eine wichtige Feststellung, da sie selbst zur »Behäbigkeit« (Fe-
lix) neigte.
90 Sebastian wurde später Landwirt.
91 Rebeckas Sohn Walter.
92 Fanny bezieht sich auf ihren langen, am n. Juni 1836 begonnenen Brief an
Klingemann (SH III), der noch nicht beantwortet ist.
93 Dorothea Schlegel.
94 Ihre Söhne Johannes und Philipp Veit.
95 »Gestern Nachmittag besuchte ich Andre in Offenbach, er läßt Euch Alle
vielmal grüßen, und ist immer noch derselbe Feurige, Lebhafte.« -Johann
Andre, Gründer des gleichnamigen Musikverlages in Offenbach.
96 Ein Verwandtschaftsgrad zur Familie Mendelssohn war nicht zu ermit-
teln. Felix schreibt: »Er sieht wirklich Vater etwas ähnlich. Ist es nicht
sonderbar, daß mir hier mehrere Leute gesagt haben, ich gliche dem An-
dre, wie er in jüngeren Jahren ausgesehen habe, und daß er früher mehre
Male mit dem Vater verwechselt worden [. . .].« Felix verkehrte in Frank-
furt am Main viel in wohlhabenden jüdischen Kreisen und schreibt dazu
die aufschlußreiche Bemerkung: »Das Sonderbare ist, daß mir die Leute
wirklich plaisirs machen, und daß mir ihr Glanz und Wohlleben und die
allgemeine Ehrfurcht, die sie allen den Philistern abzwingen (denn gern
möchten diese sie prügeln, wenn sie dürften), eine wahre Freude ist, weil
sie das Alles doch ganz allein ihrem Fleiße, Glücke und ihrer Geschick-
lichkeit verdanken.«
97 OGB.
98 OGB/CIT
99 Felix hatte mehrfach an Rebecka und Lea geschrieben, anstatt an sie,
zuletzt am 24. Juli 1836 an Rebecka (SH II). In diesem Brief hatte Felix
Rebecka als Erster aus der Familie seine Verliebtheit in seine künftige
Frau Cecile Jeanrenaud gestanden: »Ich bin so entsetzlich verliebt, wie
noch niemals in meinem Leben und ich weiß nicht, was ich anfangen
soll.«
100 Dichtung und Wahrheit. Der Brief, auf den Fanny sich bezieht, ist nicht
nachgewiesen.
101 Cecile Jeanrenaud (1817-1853), Tochter eines früh verstorbenen calvinisti-
schen Pfarrers französischer Herkunft. Ihr Geburtsort war Lyon. Felix
hatte sie im Frankfurter Cäcilienverein kennengelernt, den er in Vertre-
tung seines erkrankten Freundes Schelble leitete. Cecile war eine begabte
Malerin und von besonderer Schönheit.
102 CIT: laut.
103 CIT: im Haag.
104 CIT: stiebt.
105 Vgl. Brief an Rebecka, 24. Juli 1836 (SH II): »Die ganze Zeit, daß ich hier
bin, habe ich noch an dem Paulus gearbeitet, weil ich ihn nun einmal so
vollkommen wie möglich herausgeben will [...].« Der Klavierauszug war
456
1836 bei Simrock und Novello erschienen (vgl. Elvers, Briefe an deutsche
Verleger, S. 199 ff.).
106 Felix nahm im Juni/Juli 1836 viele Änderungen vor (vgl. Elvers, Briefe an
deutsche Verleger, S.203-206).
107 CIT:Alevin.
108 Vgl. Goethe am 11. März 1828 in: Eckermann, Gespräche.
109 CIT: im Ernst.
110 CIT: Eiger.
in Felix reiste von Frankfurt am Main nach Holland ins Seebad.
112 OGB.
113 Felix hatte am 9. August 1836 aus Den Haag an seine Mutter geschrieben
(SH II) und sie um Erlaubnis zu seiner Verlobung gebeten. Er fürchtete,
sie könne sich wieder »ängstigen« und »agitieren« wie bei den Verlobun-
gen ihrer anderen Kinder.
114 Bei den Mendelssohns war es eine stehende Redewendung, daß das Pu-
blikum einen Komponisten nur mit Rosen, nicht mit Sand bewerfen
möge.
115 August Kaselowsky (1810-1891), Hensels Schüler, hatte 1832 zum ersten
Mal in Berlin ausgestellt. Für sein Bild »Wertkampf zweier Hirten auf der
Syrinx« bekam er 1836 den Preis für Historienmaler, der mit einem drei-
jährigen Reisestipendium verbunden war. Kaselowsky ging zuerst nach
Paris und von dort nach Italien.
116 Amantine-Aurore-Lucile Dupin (1804-1876) - »George Sand« - schrieb
1831 zusammen mit ihrem Liebhaber Georges Sandeau den Roman »Rose
et Blanche«, der unter dem Pseudonym J. Sand erschien.
117 OGB/CIT
118 Duett ohne Worte op. 38, 6 in As-Dur.
119 Am 3. Oktober 1836 hatte die englische Erstaufführung des »Paulus« in
Liverpool in der Übersetzung Klingemanns stattgefunden, unter dem Di-
rigat von Sir George Smart.
120 Cecile korrespondierte eifrig mit Lea, Rebecka und Fanny, ohne sie per-
sönlich kennengelernt zu haben. Felix schob eine Begegnung so lange wie
möglich hinaus. Fanny und Cecile duzten sich schon bald in ihren Briefen
und nannten sich gegenseitig »Schwester«.
121 Akademie-Ausstellung von 1836.
122 Rundgemälde »Mirjam«.
123 Von dem Bankier Heinrich Beer gestiftet.
124 Elisabeth Jeanrenaud, geb. Souchay (1796-1871).
125 MA.
126 Rebecka hatte Felix in Leipzig besucht und ihn bei der Arbeit als Gewand-
hauskapellmeister beobachtet
127 Franz Lachner (1803-1890), Organist, Dirigent und Komponist, seit 1836
Hofkapellmeister in Mannheim.
128 OGB/CIT
457
129 Für den 7. November 1836 war in der Leipziger Paulinerkirche Händeis
»Israel in Ägypten« angesetzt. Fanny kündigt ihren Besuch nicht an, weil
sie schwanger ist und eine erneute Fehlgeburt befürchtet.
130 Der bei CIT zu findende Zusatz »und ich antworte, Deiner Aufgabe
gemäß« steht nicht im Autograph.
131 CIT: halbes.
132 1836 entstanden unter anderem Prestissimo in C-Dur, Allegro agitato g-
Moll, Andante G-Dur, Allegro agitato f-Moll, Allegro con spirito, Allegro
con brio f-Moll, Allegretto grazioso B-Dur.
133 den Komponisten und Sänger Carl Friedrich Curschmann, der seit 1828
in Berlin lebte.
134 Rosa Behrendt.
135 33 Veränderungen über einen Walzer.
136 MA.
137 von »Israel in Ägypten«.
138 OGB/CIT.
139 CIT: zwischen 16 u. 61.
140 CIT: Die.
141 CIT: tüchtigeren.
142 CIT: u. gar.
143 CIT: aus.
144 CIT: Joseph in Egypten.
145 Wahrscheinlich »Non nobis domine« op. 31.
146 op.39.
147 Oper »Der Templer und die Jüdin«.
148 - ihre Schwangerschaft.
149 CIT: im ganzen Staat.
150 CIT: Hinterhaupt.
151 Marianne Mendelssohn, geb. Seligmann, mit Marie (geb. 1822) und Franz
(geb. 1829).
152 CIT: die Runden gemacht.
153 Ein Wort nicht lesbar. CIT liest: Kapselgallen.
154 Rest stark verblaßt.
155 OGB/CIT.
156 Erhalten als Cecile Mendelssohns Autographen-Album in der Bodleian
Library Oxford, MDM c. 21.
157 MA.
158 SH II. Autograph nicht nachgewiesen.
159 OGB/CIT.
160 CIT: so ergehn.
161 Wilhelms Schwester Luise Hensel wollte ursprünglich Malerin werden.
Sie zeichnete die Silhouette für das dritte Lied »Die Schiffende.«
162 »Suleika« (aus Goethes »West-östlichem Diwan«: »Ach, um deine feuch-
ten Schwingen, West, wie sehr ich dich beneide [. ..]«), MA Ms. 35, S. 14-19,
458
komponiert am 4. Dezember 1836. Felix hatte auch ein »Suleika«-Lied
komponiert: op. 34, 4.
163 Louis Bötticher (1813-1867), Bassist, Opern- und Oratoriensänger.
164 Ludwig Berger (1777-1839), Pianist und Komponist, Klavierlehrer von Fe-
lix und Fanny.
165 CIT: still.
166 MA, teilweise SH II.
167 Ein Wort nicht lesbar.
168 Felix hatte das Weihnachtsfest bei Familie Jeanrenaud in Frankfurt am
Main verbracht.
169 SH II: und weil die Cecile so oft gesessen hatte.
170 SH II: schändlich.
171 SH II: zarten.
172 Dorothea Schlegel.
173 SH II: 4. Januar.
174 OGB.
175 Textverlust von mindestens einer Seite.
176 MA, teilweise SH II.
177 des »Paulus« in Leipzig. Die Aufführung fand jedoch am 16. März 1837
statt.
178 SH II: Ich fluche auf die . . .
179 William Sterndale Bennett (1816-1875), englischer Pianist, Dirigent und
Komponist. War seit 1836 mehrfach in Leipzig. Schüler Mendelssohns,
enger Freund Robert Schumanns. Im 13. Abonnementskonzert im Ge-
wandhaus am 19. Januar 1837 spielte er den Solopart seines Klavierkonzer-
tes c-Moll op. 9.
180 Bernhard Wilhelm Molique (1802-1869), Geiger und Komponist, Schüler
Spohrs, von 1826-1849 Konzertmeister und Musikdirektor in Stuttgart.
181 Anton Heinrich von Radziwill (1775-1833), Fürst von Nieswiesz und Oly-
ka, preußischer Politiker, Musiker, Komponist und Musikmäzen. Seit 1796
verheiratet mit Prinzessin Luise von Preußen, 1815 preußischer Statthalter
im Großherzogtum Posen. Die Musik zu Goethes »Faust« wurde 1835
veröffentlicht.
182 »Die Schiffende« (Sie wankt dahin), Text: Ludwig Hölty. Autograph in
Cecile Mendelssohns Autographen-Album II, Oxford, Bodleian Library,
MDM b.2. Wurde Anfang 1837 bei A. M. Schlesinger in einem der damals
beliebten Salonalben veröffentlicht.
183 »Neue Zeitschrift für Musik«, deren Redakteur Robert Schumann war.
Schumann hatte sehr viel weniger Vorurteile gegen Komponistinnen als
allgemein angenommen und rezensierte ihre Werke häufig in seiner Zeit-
schrift. Ganz besonders wurde von ihm die französische Komponistin
Louise Farrenc hervorgehoben.
184 Ferdinand David hatte sich während seines Aufenthaltes in Dorpat in
Sophie, die drei Jahre ältere Tochter seines Mäzens Carl von Liphardt,
459
verliebt und sie gegen viele Widerstände 1836 geheiratet. Auch Schumann
war begeistert von ihrer Bescheidenheit und Einfachheit und nahm sich
diese so hart erkämpfte, ermutigende Verbindung als Vorbild für seine
Beziehung zu Clara Wieck.
185 Frz.: essen, was auf den Tisch kommt.
186 August Alexander Klengel (1783 oder 84 bis 1852), Organist und Kompo-
nist, Schüler von Clementi, seit 1816 Organist an der Hofkirche in Dres-
den.
187 OGB/CIT.
188 CIT:in.
189 CIT: jammervoll.
190 CIT: gegeben.
191 Fannys Vertonung stammt vom 29. Dezember 1836 (MA: Ms 45, 27-30),
die von Felix von zirka 1834. Bei dem Leipziger Album handelt es sich um
das »Album musical«, erschienen 1836 bei Breitkopf und Härtel. Es enthält
zwei Romanzen von Felix nach Texten von Byron: »There be none« und
»Sun of the Sleepless«.
192 Es handelt sich vermutlich um die Flucht von Studenten, die im Zusam-
menhang mit dem »Hambacher Fest« wegen ihrer Angriffe auf die Frank-
furter Haupwache festgenommen worden waren.
193 OGB.
194 Madame Jeanrenaud war sehr attraktiv. Felix hatte mehrfach scherzhaft
geäußert, daß er sich nicht zwischen Mutter und Tochter entscheiden
könne.
195 Beide waren schwanger, Rebecka mit ihrem Sohn Felix, der als Kleinkind
starb.
196 1837 wurde die Eisenbahnlinie Dresden-Leipzig eröffnet.
197 von Cecile Jeanrenaud.
198 OGB.
199 MA, teilweise SH II.
200 Die Schwangerschaften seiner Schwestern.
201 SH II verkürzt: Ich will Dir über Dein Lied gestern schreiben . . .
202 SH II: ob mir mein alter Liebling . . .
203 SH II: die Grabow. Mendelssohn schreibt richtig: Grabau. Henriette Eleo-
nore Grabau (1805-1852), Sopranistin, in Leipzig von 1826-1839 als Kon-
zertsängerin tätig.
204 SH II: und den anderen Orten ...
205 Der ganze Programmkontext fehlt bei SH II.
206 Ulrike von Pogwisch (1804-1875), Schwester Ottilie von Goethes.
207 OGB.
208 Felix und Cecile heirateten am 26. März 1837 in Frankfurt am Main.
209 MA, teilweise SH II, bei dem jeder Hinweis auf Fannys Fehlgeburt fehlt.
210 Fanny hatte wieder eine Fehl- oder Totgeburt. Ihre Neigung zu kompli-
ziert verlaufenden Schwangerschaften - Sebastian wurde zu früh geboren,
460
außer der Fehlgeburt von 1837 gab es mindestens noch eine weitere (1832)
- ist medizinisch durch ihren zu hohen Blutdruck zu erklären, der sowohl
zu Kopfschmerzen, Nasenbluten und Gehirnschlägen (ihrer Todesursa-
che) als auch zu Blutungen der Placenta fuhren kann.
211 Auf der Reise in die Schweiz, die die Familie gemeinsam gemacht hatte.
212 SH II: was.
213 dieses Jahr.
214 op.37.
215 op. 38.
216 op. 44.
217 OGB/CIT.
218 Die in Speyer komponierten 3 Präludien und Fugen op. 37.
219 OGB/CIT
220 Vermutlich vom 29. Mai 1837, Autograph nicht nachgewiesen.
221 Felix reiste Ende August 1837 nach England, wo er auf dem Musikfest in
Birmingham zwei Orgelkonzerte gibt und den »Paulus« dirigiert.
222 Bereits für 1835 hatten die Hensels eine Englandreise geplant, die nicht
ausgeführt wurde. 1838 reiste Hensel nach England zu Königin Victoria,
allerdings ohne Fanny.
223 Großmutter von Cecile.
224 An Cecile schreibt sie im Oktober 1837: »Ich muss Dir sagen, wennjetzt
Jemand kommt und mir von Deiner Schönheit erzählen will und von
Deinen Augen, so schnauze ich ihn an! Gehört habe ich genug davon,
schöne Augen will man aber nicht hören.« (Zit. nach SH II.)
225 CIT: angeregt.
226 CIT: Graul.
227 Clara Wieck war im Februar 1837 mit ihrem Vater nach Berlin gereist, um
dort aufzutreten. Sie trat achtmal auf, im Opernhaus, im »Hotel de Rus-
sie«, im Schauspielhaus, bei Hof und bei Graf Redern, und spielte vor
allem ihre eigenen neuen Bravourvariationen und Stücke von Henselt,
Herz, Mendelssohn und Chopin, aber auch Beethovens Sonate f-Moll op.
57. Die Kritiken lobten ihre »ungemeine Energie«, »Fertigkeit« und »Be-
gabtheit«, vermißten bei der Interpretation der langsamen Beethoven-Sät-
ze aber die »Tiefe der Empfindung«. »Herz'sche Galanterieen« und son-
stige »Moderne Tonklingelei« lägen Clara Wieck wohl am besten. Bettina
von Arnim erregte sich sehr über Clara Wiecks »Prätention« und tat den
seltsamen Ausspruch, es sei »eine Schande«, daß ein siebzehnjähriges
Mädchen schon so viel könne. Fanny Hensel sprach, wie an die meisten
Künstler, die in Berlin zu Gast waren, auch an die Wiecks eine herzliche
Einladung aus, die von Wieck aber zurückgewiesen wurde.
228 Adolph von Henselt (1814-1889), Pianist und Komponist, Schüler von
Hummel und Sechter.
229 E-Dur, op. 83.
230 CIT: Schmöckerio.
461
231 Variationen über Meyerbeers »Robert, le Diable«.
232 CIT: Baden.
233 Auguste von Faßmann (geb. 1814), in München geborene Sängerin, trat
zeitweilig in Berlin auf.
234 Oper von Bellini.
235 Sophie Löwe (1815-1866), zuerst in Wien engagiert, dann in Berlin, dann
Gastrollen in ganz Europa.
236 op. 34: Sechs Gesänge für eine Singstimme und Klavier.
237 Text: Klingemann.
238 Text: Heine.
239 op. 41.
240 Autograph vom 1. Juni 1837 i m MA : Ms. 45, 36-37.
241 Gemeint ist der 42. Psalm »Wie der Hirsch schreit« (op. 42) für Chor, Soli,
Orchester und Orgel F-Dur.
242 NFL.
243 NFL; teilweise bei PMB, dort falsch datiert auf den 2. Juni 1837.
244 »u. ihr Gelegenheit verschaffen« fehlt bei PMB.
245 Dieser Satz fehlt bei PMB.
246 PMB: richtig.
247 Hier endet der Brief bei PMB.
248 MA, teilweise SH II.
249 Für 1837 nicht nachgewiesen. Es könnte sich vielleicht um das Allegretto
grazioso B-Dur von 1836 (MA Ms. 44, S.1-7) handeln.
250 Die letzte der sechs Präludien und Fugen für Klavier op. 35.
251 Am 20. Juni 1837 war Wilhelm IV von England gestorben. Damit erlosch
die Dynastie Hannover im Mannesstamm. Viktoria I. (1819-1901) bestieg
als Achtzehnjährige den Thron von Großbritannien und Irland.
252 Klingemann war hannoveranischer Gesandter in London. Mit dem Tod
Wilhelms IV. war aber die Personalunion England-Hannover erloschen.
253 Lesung unsicher wegen Textverlust.
254 Aloys Schmitt (1788-1866), Pianist und Komponist, seit 1816 Klavierlehrer
in Frankfurt am Main.
255 Zweites Konzert für Klavier und Orchester d-Moll op. 40.
256 OGB/CIT.
257 Die Familie Otto von Woringen (1760-1838), die Fanny beim Niederrhei-
nischen Musikfest von 1835 kennengelernt hatte. Woringen kam mit sei-
nen Töchtern, die Fanny als Komponistin sehr schätzten. Sie hatten sich
für einen mehrwöchigen Besuch in Berlin angesagt.
258 Bezieht sich auf Familienbrief vom 13. Juli 1837 (NFL), in dem Felix fragt,
ob er in Birmingham Präludium und Fuge Es-Dur von Bach spielen solle.
259 Heinrich Blume (1788-1856), Berliner Opernsänger und Schauspieler.
260 CIT: Hercules.
261 CIT: jetzt.
262 CIT: mobiler.
462
263 OGB/CIT.
264 Der Familie Woringen.
265 Sie stand kurz vor der Entbindung.
266 CIT: oder dumm Zeug.
267 Hauptfigur eines kölschen Puppentheaters.
268 OGB.
269 Woringens hatten Fanny beredet, nach Leipzig zu fahren und Cecile end-
lich kennenzulernen.
270 Felix Dirichlet, im Oktober 1837 geboren.
271 OGB.
272 Nicht zu identifizieren. Vielleicht ein Kind der Familie Heyse.
273 Textverlust.
274 MA.
275 Clara Novello (1818-1908), englische Sopranistin, machte zwischen 1836
und 1840 Konzerttourneen durch Europa.
276 Johann Georg Keil (1781-1857), Dr. jur., Hofrat, ursprünglich Kaufmann,
dann Bibliothekar, seit 1814 Privatier in Leipzig, seit 1831 Mitglied der
Gewandhaus-Konzertdirektion.
277 Unleserlicher Passus.
278 Konzert zum Besten des Institutsfonds für alte und kranke Musiker am 4.
Dezember 1837 im Gewandhaus. Clara Novello sang die Arie »From
mighty kings« von Händel.
279 Über ein Schweizerlied »Carina, senti un poco«, gesungen von Clara No-
vello.
280 Henri Vieuxtemps (1820-1881), belgischer Geiger und Komponist, machte
Konzertreisen durch Europa und Amerika.
281 Das vierbändige Lehrbuch der Komposition von Marx (zuletzt von Hugo
Riemann Ende des 19. Jahrhunderts herausgegeben) erlebte viele Aufla-
gen und hat Generationen von jungen Komponisten gut gedient.
282 Ferdinand Gotthelf Hand (1786-1851), Philosoph und Musikästhetiker,
Professor der Philosophie und der griechischen Literatur an der Univer-
sitätjena.
283 OGB/CIT.
284 Der Vorstand der Berliner Singakademie hatte sich Anfang 1838 entschlos-
sen, Mendelssohns »Paulus« aufzuführen und bei Fanny um musikalische
Beratung angefragt.
285 Felix hatte Vieuxtemps am 20. November 1837 brieflich seiner Familie
empfohlen (NFL). Er trat am 9. und 18. Dezember in Berlin auf.
286 CIT: b dur. Die Sängerin Decker sang Mozarts KV 469. Fanny hatte die
Arie »Fra l'oscure ombre funeste« für sie transponiert und abgeschrieben
(Aut. MA: Ms 71).
287 MA.
288 Ein Wort nicht lesbar.
289 Mendelssohn hatte zugesagt, das Kölner Musikfest von 1838 zu dirigieren.
463
290 Mendelssohn kannte die Bedenken, die gegen Auführungen Bachscher
Werke geäußert worden (zu wenig publikumswirksam, zu schwer ver-
ständlich und so weiter), und suchte daher eine Kantate mit pompöser
Instrumentation und großen Choreffekten. Zu diesem Zweck stellte er
etwas unorthodox eine Kantate aus drei verschiedenen zusammen.
291 Torso einer Kantate zum Michaelisfest (BWV 50).
292 Clara Novello gab am 8. Januar 1838 ihr Abschiedskonzert im Leipziger
Gewandhaus. Es wurden aufgeführt: Ouvertüre zur »Zauberflöte«, Arie
von Händel, c-Moll- Klavierkonzert von Beethoven (Mendelssohn als So-
list), Arie mit obligater Violine von Pacini (Novello, David), Die schöne
Melusine, Arie »Abscheulicher! wo eilst du hin?« aus »Fidelio«, Variatio-
nen über ein russisches Lied von David (Novello, begleitet von ihrem
Vater).
293 Gemeint ist die Berliner Aristokratie. Mendelssohn spielt darauf an, daß
das Leipziger Musikleben mehr bürgerlich-demokratisch geprägt war als
das Berliner.
294 James Robinson Planchet, englischer Dramatiker, jahrelang Manager der
Vauxhall-Singspiele, Autor von Webers »Oberon«. Er bearbeitete für
Mendelssohn »Die Bürger von Calais« (die Belagerung von Calais unter
Edward III.) mit viel szenisch-theatralischen Effekten, aber ohne Ver-
ständnis für Mendelssohns Neigung zum Lyrischen.
295 Karl von Holtei (1798-1880), Bühnendichter und Schauspieler, der in den
dreißiger und vierziger Jahren ein Wanderleben als Shakespeare-Rezitator
führte. Mendelssohn hatte ihn um ein Libretto gebeten.
296 Malvida von Meysenbug (1816-1903), Ministerstochter aus Hugenottenfa-
milie, Feministin und Demokratin, mit Komponisten wie Liszt und Wag-
ner befreundet. Sie schrieb Mendelssohn offenbar unter männlichem Vor-
namen. Sie war mit damals 22 Jahren als Schriftstellerin noch nicht be-
kannt. Der erste Band ihrer »Memoiren einer Idealistin« erschien 1869.
297 Folgen Grußformeln.
298 OGB/CIT.
299 CIT: Qualen.
300 Martin Heinrich Karl Lichtenstein (1780-1857), Naturforscher und Arzt,
seit 1811 Professor der Zoologie in Berlin, seit 1813 Direktor des Zoologi-
schen Museums, Musikkenner und Förderer des Berliner Musiklebens.
301 CIT: sieh.
302 Wahrscheinlich gemeint: Johann Christian Friedrich Schneider (1786-
1853), Organist, Dirigent, Komponist, seit 1821 Kapellmeister in Dessau.
303 Pieter Hubert Ries (1802-1886), Geiger und Komponist, seit 1825 Mitglied
des Berliner Hoforchesters.
304 CIT: gebraucht.
305 CIT: von.
306 aus Mozarts »Titus«.
307 OGB/CIT
464
308 CIT: ins Einzelne.
309 CIT: geht.
310 in Frankfart am Main. Ferdinand Ries, seit 1837 Leiter des Cäcilienvereins,
war am 13. Januar 1838 gestorben.
311 Die Londoner Börse war Anfang des Jahres 1838 abgebrannt.
312 Kantate BWV 104.
313 Johanna Kinkel, geb. Mockel, gesch. Mathieux (1810-1858), aus Bonn
stammende Pianistin, Komponistin und Schriftstellerin, hatte Mendels-
sohn 1836 über Dorothea Schlegel in Frankfurt am Main kennengelernt.
Auf seine Empfehlung reiste sie im November 1836 nach Berlin und voll-
endete dort ihre musikalischen Studien. Sie kam dort in Kontakt mit Fan-
ny Hensel und Bettina von Arnim, in deren Haus sie freies Wohnen hatte.
Fannys Schwester Rebecka setzte sich nach dem Tod von Felix und Fanny
nachdrücklich für sie ein und berief sich in ihren Empfehlungsbriefen auf
»das einfache Factum, daß Felix ein großer Bewunderer Ihrer Composi-
tionen war« (unveröffentlichter Brief im Stadtarchiv Bonn). Bei Kistner
und Trautwein erschienen rasch hintereinander ihre Lieder op. 6-12 nach
Texten von Goethe, Heine, Kopisch, Geibel, Wolfgang Müller, Chamisso
und von ihr selbst. Rellstab besprach sie positiv in der »Vossischen Zei-
tung«. Schumanns Mitarbeiter Lorenz rezensierte sie in der »Neuen Zeit-
schrift für Musik« und nannte sie zum Ärgernis der Komponistin »sanft«
und »zart«. Johanna Kinkel selbst schreibt begeistert über Fannys Sonn-
tagsmusiken: »Mehr als die größten Stimmen, die ich dort hörte, galt mir
der Vortrag Fanny Hensels, und ganz besonders die Art, wie sie dirigierte.
Es war ein Aufnehmen des Geistes der Komposition bis zur innersten
Faser und das gewaltigste Ausströmen desselben in die Seelen der Sänger
und Zuhörer. Ein Sforzando ihres kleinen Fingers fuhr uns wie ein elek-
trischer Schlag durch die Seele und riß uns ganz anders fort, als das höl-
zerne Klopfen eines Taktstocks auf ein Notenpult es tun kann.« (Zit. nach
Else Thalheimer, Johanna Kinkel als Musikerin, Phil. Diss. Bonn 1924.)
314 OGB/CIT.
315 CIT: wohlgewaschen.
316 aus »Don Giovanni«.
317 Friedrich Weber (1808-1886), aus Triest stammender Arzt, Sohn eines
norwegisch-schwedischen Konsuls, Jugendfreund Robert Schumanns aus
dessen Heidelberger Studienzeit, vorübergehend in Leipzig, war für kur-
ze Zeit mit Clara Novello verlobt.
318 CIT: silberne.
319 Der glühende Patriot Hensel hatte 1813 seine Studien unterbrochen, um
als Freiwilliger an den Befreiungskriegen teilzunehmen und in die »Gar-
de-Kosacken-Escadron« einzutreten. Er erlebte mehrere schwere Gefech-
te, zog mit den siegreichen alliierten Truppen zweimal in Paris ein und
wurde als Leutnant ehrenvoll entlassen.
320 MA.
465
321 MA.
322 Am 7. Februar 1838 war das erste Kind Carl Wolfgang Paul geboren wor-
den.
323 Die deutschen Gynäkologen waren damals der Meinung, daß man "Wöch-
nerinnen hungern lassen müsse.
324 Livia Frege, geb. Gerhardt (181-1891), Sängerin aus Leipzig, Schülerin von
Wilhelmine Schröder-Devrient, enge Freundin Clara Schumanns, 1835
Engagement am Königstädter Theater in Berlin, seit ihrer Verheiratung
1836 nur noch selten Konzertauftritte.
325 OGB.
326 MA.
327 Fanny würde in einem »Dilettantenconcert zum Besten der Armen« das
Klavierkonzert g-Moll von Felix vortragen.
328 OGB/CIT
329 CIT: noch einmal.
330 CIT: wenn anders Cecile nicht ein großes Fresserchen ist.
331 CIT: Zuckerwasser.
332 CIT: ein Baiser.
333 OGB.
334 Felix hatte seiner Familie mitgeteilt, daß Cecile plötzlich an einer hoch-
fiebrigen Mastitis erkrankt sei.
335 Von frz. brouiller: durcheinanderbringen, verwirren, sich überwerfen.
336 MA.
337 Felix, Cecile und der kleine Carl hatten sich für den Sommer zu Besuch
angemeldet.
338 Der Brief bricht hier ab.
339 SH II, Autograph nicht nachgewiesen.
340 MA, teilweise SH II.
341 Hensel war unter Mitnahme seiner beiden Bilder »Mirjam eröffnet den
Reigen der Jungfrauen« und »Christus in der Wüste« nach England ge-
reist. Königin Victoria, deren Krönungsfeierlichkeiten während Hensels
Aufenthalt in London stattfanden, sah sich die beiden Bilder an und kaufte
die »Mirjam«. Ferner erhielt er Aufträge von Lord Egerton und der Her-
zogin von Sutherland. Wegen der auch inBerlin ausgebrochenen Masern-
epidemie mußte er seine Reise vorzeitig abbrechen. Auszüge aus den
England-Briefen Wilhelms an Fanny sind bei SH II abgedruckt.
342 Auch in England fertigte Hensel wieder zahlreiche Porträtskizzen an.
343 Lord Francis Egerton, Earl of Ellesmere (1800-1857).
344 Lord Egerton hatte ein großes Bild aus dem Leben des Herzogs von
Braunschweig bestellt, das den Moment darstellen sollte, in dem er auf
einem Ball in Brüssel die ersten Kanonenschüsse der Schlacht von Water-
loo hört. Literarische Vorlage sollte Byrons »Childe Harald« sein.
345 SH II: Neue.
346 Tochter des Komponisten Christian Friedrich Johann Girschner.
466
347 Sophia Johanna Löwe (1815-1866), aus Oldenburg stammende Sängerin,
von 1838-40 in Berlin engagiert. Zog sich nach ihrer Heirat mit dem Für-
sten Lichtenstein von der Bühne zurück.
348 Caroline Botgorschek (1815-1875), aus Wien stammende Altistin, zeitwei-
se am Dresdner Hoftheater engagiert.
349 Mary Shaw, geb. Postans (1814-1876), englische Konzertsängerin, unter-
nahm Reisen durch Europa, trat zischen 1838 und 1842 im Leipziger Ge-
wandhaus auf.
350 Bei SH II die im Autograph nicht vorkommende Stelle: verzeih, Hensel,
daß ich in Dein Fach pfusche.
351 OGB.
352 Julius Hübner (1806-1882), aus Schlesien stammender Maler, Schüler Wil-
helm Schadows, lebte zeitweilig in Düsseldorf, heiratete die Schwester des
Mendelssohn-Freundes Eduard Bendemann, reiste 1830/31 nach Italien,
wo er Mendelssohn traf. Lebte von 1831 bis 1833 in Berlin, dann in Düssel-
dorf und Dresden. Seit 1842 Professor an der Dresdner Kunstakademie.
353 Textverlust.
354 MA.
355 Textverlust, unsichere Lesung.
356 OGB/CIT.
357 Mutter von Hedwig Schulz (1815-1845), einer jungen Sängerin, die damals
in Berlin auftrat und sich später an die Berliner Oper engagieren ließ.
358 Louise Schlegel (1823-1905), aus Lübeck stammende Sopranistin, gastierte
unter anderem in Leipzig, Berlin und Breslau.
359 CIT: verbieten.
360 CIT: den.
361 MA / teilweise SH II.
362 Germanischer, meist weiblicher Nachtgeist.
363 SHILMm.X.
364 SH II: damit.
365 SHIList.
366 Carl Wilhelm August Porsche (1786-1840), aus Zittau stammender Jurist,
seit 1831 Stadtrat in Leipzig.
367 Fantasie über Themen aus Rossinis »La donna del Lago«.
368 Hermann Franck.
369 Der Maler Albert Shaw, Ehemann der Sängerin. Er verfiel in Schwermut,
als sie 1839 ihr Debüt an der Mailänder Scala hatte, und verhinderte die
Fortsetzung ihrer Karriere.
370 OGB/CIT
371 CIT: lernen.
372 Frz.: Durcheinander, Katzenmusik.
373 Hermann Franck, der angekündigt hatte, in Leipzig leben zu wollen. Er
war von 1839 bis T840 Herausgeber der »Deutschen Allgemeinen Zeitung«
in Leipzig.
467
374 D er 95- Psalm für Soli, Chor, Orchester und Orgel »Kommt, laßt uns
anbeten« op. 46.
375 »Recensionen in die Frankfurter gelehrten Anzeigen« der Jahre 1772 und
T773-
376 CIT:Zeug.
377 CIT: Erben.
378 Gemeint ist der Pianist Thalberg.
379 Alexander Dreyschock (1818-1869), aus Böhmen stammender Pianist und
Komponist, unternahm seit 1838 Konzertreisen durch Europa.
380 MA.
381 Gemeint ist England.
382 dem Düsseldorfer Niederrheinischen Musikfest von 1839.
383 da Costa, italienischer Graf und Musikliebhaber. Wird im April 1841 auch
in Schumanns Tagebüchern als durch Deutschland reisender Bach-Ken-
ner erwähnt, 1844 als in Berlin lebender »Graf Costa«.
384 OGB/CIT.
385 Rebecka, die seit Herbst 1838 an starken Zahnschmerzen und Gesichts-
neuralgien litt, hatte im November 1838 unerwartet ihren dreizehn Mo-
nate alten Sohn Felix verloren, der plötzlich krank wurde und innerhalb
von 24 Stunden starb.
386 Ole Bull (1810-1880), norwegischer Konzertgeiger, unternahm zahlreiche
Reisen durch Europa.
387 Die Hornisten Eduard Constantin (1796-1846) und Richard (1827-1893)
Lewy aus Wien.
388 42. Psalm, aufgeführt am 21. März 1829 im Gewandhaus.
389 95. Psalm.
390 Carl Eduard von Liphardt (1808-1891), Schwager von Ferdinand David,
Gutsbesitzer, Kunstsammler, Mäzen. Studierte Kunst, Medizin und Lite-
raturwissenschaft in Berlin und Bonn, heiratete eine Gräfin Bylandt.
391 Bekannte vonFelixinEngland, die auchmit Fanny in Korrespondenz stand.
392 Johanna Kinkel hatte den Kölner Buch- und Musikalienhändler Johann
Paul Mathieux 1831 geheiratet. Schon nach sechs Monaten trennte sie sich
von ihm. Er widersetzte sich der Scheidung jahrelang, so daß Johanna ein
ärztliches Attest vorlegen mußte, in dem ihr »Nervenzerrüttung mit Ab-
zehrungsfieber, veranlaßt durch Mißhandlungen vermittelst ausgesuchter
Quälereyen« und »gesundheitsverderbliche Eingriffe auf ihr Gemüth [. . .]
bei Tag und Nacht« bescheinigt wurde (Universitätsbibliothek Bonn,
Kinkel-Nachlaß). Das Attest spricht von völliger Uneinsichtigkeit des
Mannes, der der Meinung war, »daß Zank und Streit die Nerven starke«.
Der Arzt war der Meinung, daß Johanna »unfehlbar sterben würde, wenn
sie den Mißhandlungen ihres Mannes länger ausgesetzt bliebe«.
393 OGB/CIT.
394 CIT: Sicht.
395 Die Sängerin Auguste von Faßmann.
468
396 CIT: Hercules.
397 CIT: zum.
398 Luise Hensel hatte Fannys Haushalt verlassen, weil ihr die »äußerliche
Richtung« dort nicht behagte, und war zu katholischen Freunden nach
Heidelberg gezogen.
399 CIT: gewiesen.
400 CIT: das von hier.
401 CIT: Nessel.
402 MA, teilweise SH II, wo er sich undatiert an einen Brief vom 29. Dezem-
ber 1838 anschließt.
403 OGB/CIT
404 CIT: vonzubringen.
405 Streichquartette op. 44. Sie erschienen im Sommer 1839.
406 Sonate für Klavier und Violoncello B-Dur op. 45. Erschien bei Kistner.
407 Sechs Gesänge, op. 45, erschienen im November 1839 bei Breitkopf und
Härtel.
408 OGB/CIT.
409 Der Religionsphilosoph, Mitherausgeber der Werke Hegels, Professor
der Rechte und Judaist Eduard Gans, enger Freund Dirichlets und ehe-
maliger Verehrer von Rebecka, war einundvierzigjährig gestorben.
410 OGB.
411 Rebecka litt seit dem Tod ihres Sohnes Felix unter starken Depressionen.
412 op. 51: Der 114. Psalm für Chor und Orchester »Da Israel aus Ägypten
zog«.
413 MA, teilweise bei PMB.
414 PMB: Orgelvorspielen.
415 Xaver Schnyder von Wartensee (1786-1868), schweizerischer Komponist
und Musikschriftsteller, seit 1817 Musiklehrer in Frankfurt am Main.
416 Die für 1839 geplante Englandreise Hensels wurde nicht realisiert.
417 op. 49: Trio für Klavier, Violine und Violoncello d-Moll.
418 Wahrscheinlich Sonate für Violine und Klavier F-Dur, ohne Opuszahl.
419 OGB.
420 Fanny, Rebecka, Walter, Sebastian, Hensels Schwester Minna und vermut-
lich eine Köchin.
421 Folgt Anteil von Rebecka.
422 MA/SHII.
423 Mendelssohn war mit seiner Familie nach dem Düsseldorfer Musikfest
nach Frankfurt am Main gefahren.
424 Sie erwartete ihr zweites Kind.
425 statt »die Schuncks und das neue Ehepaar«: SH II: alles.
426 SH II: Die S's waren uns gestern auf der Chaussee entgegen gegangen.
427 Johann Joseph Verhulst (1816-1891), holländischer Komponist und Diri-
gent, Schüler Mendelssohns, mit Robert Schumann eng befreundet, leite-
te von 1838-42 die Konzerte der Euterpe in Leipzig.
469
428 Zum dortigen Musikfest, wo er den »Paulus«, Beethovens 5. und 7. Sym-
phonie und seine Hebriden-Ouvertüre dirigieren würde. Als Solist spielte
er sein Klavierkonzert op. 40.
429 SH II: Bleib recht lange.
430 Pseudonym für Johanna Kinkel bzw. Mathieux. Mendelssohn ahnte nicht,
daß er die Koponistin bereits kannte.
431 SH II: denn.
432 Fragliche Lesung, Textverlust.
Das italienische Jahr (1839 bis 1840)
1 PMB. Autograph nicht nachgewiesen.
2 OGB/WiT/CIT.
3 CIT: Carlo. Gemeint ist Paul (Paolo) Veronese, eigtl. Caliari (1528-1588),
italienischer Renaissancemaler.
4 CIT: aufgesucht.
5 CIT: Wachsgemälde.
6 Werner, a. a. O., S. 352, Fn. 53, ohne Quellenangabe. Autograph nicht nach-
gewiesen.
7 OGB/WIT.
8 Aurel Robert (1805-1871), Schweizer Maler aus La-Chaux-des-Fonds.
Bruder des berühmten Leopold Robert, der in Italien depressiv geworden
war und sich 1835 im Palazzo Pisani mit einer Rasierklinge die Kehle
durchgeschnitten hatte.
9 Die Touristen des 19. Jahrhunderts tranken zur Vermeidung von Darmin-
fektionen Wasser meist vermischt mit Wein.
10 In Deutschland war es seit dem Hambacher Fest (1832) politisch unruhig
geworden. Die Forderungen nach einer föderativen deutschen Republik
und einer Allianz der demokratischen Bewegungen Europas gegen das
Metternich-System war seitdem nicht mehr zu überhören. Die Auswir-
kungen der französischen Juli-Revolution führten zu verschärfter Presse-
zensur, Überwachung an den Universitäten et cetera. Der neue König von
Hannover (Ernst August von Cumberland) hatte 1837 das hannoversche
Staatsgrundgesetz aufheben lassen. Dieser Rechtsbruch führte zum Pro-
test der »Göttinger Sieben« (Professoren), eine Aktion, die großen Wider-
hall unter den deutschen Demokraten fand.
11 Giovanni Bellini (1430-1516), Maler der venezianischen Frührenaissance.
12 OGB/WIT/CIT
13 CIT: fällt.
14 dem Maler und Akademiedirektor Wilhelm von Schadow (1788-1862) und
dessen Frau. Schadow, Sohn des Bildhauers Johann Gottfried Seh., war
bereits 1811 zum ersten Mal nach Rom gegangen und hatte sich dort den
Nazarenern angeschlossen. 1814 trat er zum katholischen Glauben über.
470
1826 berief ihn die Akademie in Düsseldorf zum Nachfolger von Peter
Cornelius. Unter seiner Leitung wurde die »Düsseldorfer Schule« ein Be-
griff. Mit Felix Mendelssohn war Schadow schon seit seiner Berliner Zeit
befreundet. In Düsseldorf erneuerte sich der Kontakt. Felix nahm bei Scha-
dow Zeichenunterricht, und Schadow porträtierte ihn mehrfach.
15 Fortunato Abbate Santini (1778-1862), italienischer Musiksammler. Seine
Sammlung zählte zu den größten Europas und gelangte später auf Umwe-
gen an die Universitätsbibliothek Münster i. W. Mendelssohn hatte bei
seinem Aufenthalt in Rom umfangreiche Studien in dieser Handschriften-
sammlung betrieben. Santini interessierte sich wie er sehr für Bach und
Händel, und es kam zu lebhaften Diskussionen.
16 PMB. Autograph nicht nachgewiesen.
17 OGB.
18 Vom 8. bis 10. Juli reiste Mendelssohn zum Norddeutschen Musikfest nach
Schwerin, um den »Paulus« aufzuführen. Am 6. August gab er in der Tho-
maskirche ein Orgelkonzert, dessen Einnahmen für die Errichtung eines
Bach-Denkmals bestimmt waren. Anfang September reiste er nach Bir-
mingham, um den »Lobgesang« zu dirigieren. Am 30. September gab er ein
Orgelkonzert in London.
19 Ludwig Landsberg (gest. 1858), ursprünglich Sänger und Geiger am Königs-
tädter Theater in Berlin, später Leiter von Dilettantenkonzerten in Rom.
20 Werner, a.a.O., S.336, Fn. 16, ohne Quellenangabe. Autograph nicht nach-
gewiesen.
21 OGB/WIT/CIT.
22 Rebecka stand kurz vor der Niederkunft ihres Sohnes Ernst.
23 Liszt gab in Leipzig verschiedene, sensationell gut besuchte Konzerte, zum
Beispiel am 30. März »zum Besten des Institutsfonds für alte und kranke
Musiker«. Er spielte dort unter anderem sein eigenes »Hexameron« und
den »Carnaval« von Robert Schumann.
24 Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780-1867), französischer Porträt-, Land-
schafts- und Historienmaler, seit 1834 Direktor der französischen Akademie
(Villa Medici) in Rom.
25 Im März spielte Liszt in Leipzig zusammen mit Mendelssohn und Hiller
Bachs Tripelkonzert d-Moll.
26 Charlotte Thygeson, dänische Amateurpianistin.
27 CIT: Popülus.
28 »Die Zerstörung Jerusalems«, am 2. April von Mendelssohn dirigiert.
29 Carl Otto Ehrenfried Nicolai (1810-1849) war zeitweilig Organist an der
preußischen Gesandtschaftskapelle in Rom.
30 CIT: dämpfen.
471
Leipzig-Berlin: Finale (1841 bis 1847)
1 OGB/CIT
2 Im Juni hatte in Leipzig das Gutenbergfest stattgefunden.
3 CIT: Tribüne.
4 CIT: fest.
5 CIT: weiter.
6 d-Moll op. 49.
7 MA/PMB.
8 PMB: Vergnügen.
9 PMB: vorübergehendes.
10 PMB: so langen.
11 PMB: glühend.
12 PMB: sehr.
13 PMB: Überlaufungen.
14 PMB: hielt.
15 PMB: Ich war nur acht Tage in London. Der Passus über die beiden Sän-
gerinnen, Schleinitz und Miss Alexander, fehlt in PMB.
16 Henry Fothergill Chorley (1808-1872), englischer Musikkritiker.
17 »Warum sind denn die Rosen so blaß?« Lied von Fanny nach einem Hei-
ne-Text, komponiert 1836, publiziert als op. 1, 3. Das Lied findet sich auch
in Ceciles Autographenalbum in Oxford.
18 Gemeint ist »Die Schiffende« (Text: Ludwig Hölty), Fannys Lied in »Schle-
singers Album«, ebenfalls Bestandteil von Ceciles Autographenalbum in
Oxford.
19 PMB streicht den Passus über Ceciles Vortrag der Fanny-Lieder für Mo-
scheies ersatzlos.
20 PMB. Autograph nicht nachgewiesen.
21 SH II. Autograph nicht nachgewiesen.
22 MA.
23 Ein Wort nicht lesbar.
24 Einer der Brüder Wigand, die in Leipzig einen Musikverlag betrieben.
25 Die im Frühjahr 1828 gegründete Leipziger Künstlervereinigung »Tunnel
über der Pleiße«, zu der unter anderem Schumann und Mendelssohn zähl-
ten, versammelte sich wöchentlich im Hotel de Pologne und veranstaltete
diverse Abendunterhaltungen.
26 OGB/CIT.
27 NFL; in Brief an Lea.
28 OGB/CIT.
29 Carl Anton Florian Eckert (1820-1879), aus Potsdam stammender Geiger,
Dirigent und Komponist, von 1838-41 Quartettspieler in Leipzig, wo Men-
delssohn sich sehr seiner annahm. Sein Oratorium »Judith« wurde am 28.
Januar 1841 in der Singakademie uraufgeführt.
30 Aurora Hofkunz, Sängerin an der königlichen Oper in Berlin.
472
31 Wahrscheinlich 114. Psalm,
32 op. 52.
33 Der Name Luise Nitschmann taucht in der Korrespondenz verschiedent-
lich auf. Felix war ihr offensichtlich während seines Aufenthaltes in Rom
begegnet. In Berlin war die »niedliche« L. N. als Notenkopistin tätig.
34 MA/PMB.
35 PMB: für Deine vortreffliche Epistel.
36 PMB: zu meinem Geburtstage.
37 PMB: Sünde und Schande. Der ganze folgende Abschnitt bis »Wenn ich
mich auch darüber ärgere« fehlt bei PMB.
38 Maria Christian Heinrich Schmidt (1809-1870), Tenorist, Regisseur und
Musikschriftsteller, von 1838-45 am Leipziger Stadttheater, langjähriger
Mitarbeiter von Schumanns »Neuer Zeitschrift für Musik«.
39 Wilhelmine Schröder-Devrient (1804-1860), berühmte deutsche Soprani-
stin, von 1823-47 an der Dresdner Hofoper engagiert, 1849 wegen Unter-
stützung des Maiaufstandes ausgewiesen.
40 PMB: reiste.
41 PMB: ahnten.
42 PMB: schabigen.
43 von Mendelssohns drittem Kind Paul.
44 Der Abschnitt über die Taufe und Cecile fehlt bei PMB. Der bei PMB
abgedruckte Schlußabschnitt: »Ueber die Tempi in meinem Psalm . . .« steht
nicht im Autograph.
45 OGB/CIT
46 in d-Moll op. 49.
47 Serenade und Allegro gioioso für Klavier und Orchester op. 43.
48 MA.
49 Lea Mendelssohns am 15. März.
50 OGB/CIT.
51 Josephine Lang (1815-1880), in München lebende Sängerin und Komponi-
stin. Felix war ganz begeistert von ihr und ermutigte ihren späteren Ehe-
mann, den Dichter Köstlin, sie beim Komponieren und Publizieren zu
unterstützen.
52 Giuditta Pasta, geb. Negri (1797-1867), italienische Sopranistin, trat nach
großer Karriere in ganz Europa nach 1833 nur noch selten auf und verab-
schiedete sich 1841 von der Bühne. Felix hatte sie zuerst 1825 in Paris gehört.
53 Psalm 114 oder die revidierte Version von Psalm 95.
54 Variations serieuses op. 54.
55 NFL.
56 Symphonie a-Moll op. 56 (»Schottische«); bezieht sich auf das Erscheinen
der gedruckten Ausgabe.
57 Lea Mendelssohn war am 12. Dezember gestorben.
58 MA/PMB. PMB bringt lediglich den Abschnitt über Gade.
59 Erste Fassung: 1830-32, zweite Fassung 1842-43.
473
60 Am Montag nach Weihnachten war Dirichlet mit seinem Sohn Walter zu
Felix nach Leipzig gereist.
61 Niels Wilhelm Gade (1817-1890), dänischer Geiger, Dirigent und Kompo-
nist, kam 1843 mit königlichem Stipendium nach Leipzig, wo er zweiter
Dirigent der Gewandhauskonzerte wurde.
62 PMB: anderes.
63 PMB: kaum eine bessere, als schöne Musik.
64 Bei PMB fehlt der Hinweis auf das Interesse von Felix an Fannys Kompo-
sitionen.
65 OGB/CIT.
66 MA/SH II.
67 Der Nebensatz fehlt bei SH II.
68 Ludwig (Louis) Pape (1799-1855), Komponist, seit 1846 Hofkapellmeister in
Oldenburg.
69 SH II: einem.
70 Der ganze Passus bis »Ist der Dieb heraus« fehlt bei SH II.
71 In Dirichlets Wohnung war eingebrochen worden.
72 MA.
73 vom 28. März 1843, bei CIT 588f.
74 Cecile stand kurz vor der Niederkunft ihres vierten Kindes Felix.
75 Christian August Pohlenz (1790-1843), Dirigent, Organist und Komponist.
Der am 10. März 1843 verstorbene Musiker war seit 1842 interimisti-
scher Thomaskantor gewesen. Es ging um die Neubesetzung dieser Posi-
tion.
76 OGB/CIT, dort vollständiger Text auf S. 590 f.
77 Charles Gounod (1818-1893) , französischer Komponist, den Fanny während
ihres Rom-Aufenthaltes kennengelernt hatte. Er war ein großer Bewunde-
rer ihres Klavierspiels und ihrer Kompositionen und reiste ihr nach Neapel
nach, während Hensel auf Sizilien war. Im April 1843 hatte Gounod Hensels
in Berlin besucht.
78 MA.
79 Felix, geb. am 1. Mai 1843.
80 MA.
81 von Sachsen.
82 MA.
83 Vermutlich Bruder von Ceciles Mutter.
84 Erneuter Hinweis auf Fannys verschollene »Faust II«-Vertonung.
85 MA.
86 Anteil von Cecile.
87 Er tat dies, um seinen neuen Verpflichtungen als Leiter der Sinfoniesoireen
der Königlichen Kapelle nachzukommen.
88 Ein Wort unleserlich.
89 MA.
90 MA/SH II.
474
91 Der Hinweis auf die Krankheiten von Cecile und den Kindern fehlt bei
SHII.
92 Benjamin Georg Mendelssohn (1794-1874), ein Cousin von Fanny und
Felix, Sohn von Joseph und Henriette (»Hinni«) Mendelssohn. Er wurde
nicht, wie sein Vater, Bankier, sondern Geograph und lehrte als Universi-
tätsprofessor in Bonn. Verzichtete freiwillig auf Hörgelder seiner Studen-
ten. Wurde, obwohl zum Christentum konvertiert, nicht zum Ordinarius
berufen, wahrscheinlich aus antisemitischen Motiven, jedoch unter dem
offiziellen Vorwand, er habe nicht genug publiziert.
93 in Bonn.
94 Luise Hensel, die sich damals in Köln aufhielt.
95 Der ganze Passus über Benjamin Mendelssohn, »Mama Dirichlet«, Luise
Hensel und die Anreise fehlt bei SH II, der beim Stichwort »Klingemann«
mit dem frei erfundenen Wordaut beginnt: »Klingemann fand ich wohl
und gut wie immer, er will sich anhängen.«
96 Der bei SH II folgende Satz »nun kommt der Doppelbrief« steht nicht im
Autograph.
97 Folgt Anteil von Klingemann.
98 PMB. Autograph nicht nachgewiesen.
99 OGB/CiT
100 Hans Christian Andersen (1805-1875), der im Juli 1844 in Berlin war.
101 CIT: verbringen.
102 CIT: Pappe.
103 Nicht nachgewiesen, wohl Privatbesitz.
104 PMB. Autograph nicht nachgewiesen.
105 Folgt Notenbeispiel »Der Jäger aus Kurpfalz«.
106 MA.
107 Der am 1. Mai 1843 geborene Felix, der gerade eine besonders schwere
Masern-Infektion gehabt hatte.
108 Felixjun. überstand zwar die Krankheit, blieb aber anfällig und starb 1851
mit acht Jahren.
109 Die kleine Tochter von Paul und Albertine hatte ebenfalls in Lebensgefahr
geschwebt.
110 MA.
in Es handelte sich um ein von Joseph Caspar gestochenes, von Hensel ge-
maltes Porträt von Felix, das ursprünglich von einem russischen Oberst
bestellt war, dann aber von Paul Mendelssohn erworben wurde.
112 OGB/CIT.
113 Die Dirichlets mußten auf einer großen Italienreise in Florenz Station
machen, da Rebecka an Gelbsucht erkrankt und schwanger war.
114 Dem Tod der Mutter, den Nachrichten aus Florenz, der schweren Erkran-
kung der kleinen Tochter von Albertine und Paul, den Aufregungen um
die Anstellung von Felix in Berlin.
115 "Wahrend dem letzten Aufenthalt von Felix in Berlin hatte Hensel ihn
475
porträtiert. Das Bild war ursprünglich für einen russischen Aristokraten,
nach SH II: »Looff«, bestimmt. Auch Cecile Lowenthal-Hensel (Preußi-
sche Bildnisse, S.22) macht zu dessen Identität keine näheren Angaben. Es
könnte sich um Alexej Fjodorowitsch Lwoff (1799-1870) handeln, einen
russischen Geiger, Dirigenten und Komponisten, der seit 1834 persönli-
cher Adjutant des Zaren und seit 1837 Generalmusikdirektor der kaiserli-
chen Kirchenkapellen war. Mendelssohn und Schumann hatten ihn im
Juni 1840 in Leipzig kennengelernt.. Schumann schilderte ihn als einen
»seltenen Spieler«, der »den ersten Künstlern überhaupt an die Seite« zu
stellen sei (Neue Zeitschrift für Musik, Bd. XII, Nr. 51, S.204). Er war ein
großer Förderer deutscher Komponisten und unterstützte die Schumanns
auf ihrer Rußlandreise. Eine von Joseph Caspar gestochene Version des
Bildes wurde laut Lowenthal-Hensel 1848 auf der Akademie-Ausstellung
ausgestellt.
116 Friedrich August Elsasser war ein begabter Schüler Hensels, der in Italien
lebte. Im April 1844 hatten die Dirichlets sein gerade fertiggestelltes Bild
»Der Campo Santo di Pisa im Mondschein« besichtigt, das Rebecka »über
allen Ausdruck schön« fand. Es war als Auftragsarbeit von Wilhelm I. von
Württemberg bestellt worden, ging aber auf Initiative der Hensels nach
Berlin, wo Paul es erwarb. Es wurde 1846, ein Jahr nach dem frühen Tod
Elsassers, auf der Akademie- Ausstellung gezeigt.
117 Der Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859) stand in enger
Beziehung zur Familie Mendelssohn. Das Bankhaus Mendelssohn hatte
verschiedene seiner Auslandsaufenthalte kreditiert und blieb sein Finanz-
berater. Abraham Mendelssohn hatte Humboldt 1825 die Errichtung eines
Observatoriums im Garten des Hauses Leipziger Straße 3 ermöglicht.
118 Jenny Lind (1820-1887), berühmte schwedische Sopranistin, gastierte seit
1838 in ganz Europa. Fanny bezieht sich auf ihre Berliner Auftritte am 15.
und 20. Dezember 1844. Felix hatte sie im Herbst 1844 in Berlin kennen-
gelernt. Sie sang damals die Hauptrolle in Meyerbeers »Feldlager in Schle-
sien«. Die Begegnung der beiden wird allgemein als Romanze geschildert.
Felix schätzte die Lind sehr, während Fanny ihrem Gesang kritischer ge-
genüberstand.
119 CIT: weicherlichen.
120 Das von Knobelsdorff 1741-1743 erbaute königliche Opernhaus war 1843
abgebrannt und von C. F. Langhans erneuert und um einen Konzertsaal
(heute »Apollosaal«) erweitert worden. Fanny bezieht sich wahrscheinlich
auf das Giebelrelief von Rietschel (nicht »Hiltl«, wie Citron liest).
121 CIT: Hiltl.
122 CIT: eklektischweisen.
123 CIT: Ptalemäus.
124 CIT: Carl.
125 MA.
126 nach Florenz, um Rebecka zu pflegen.
476
127 Figur aus Jean Pauls »Flegeljahren«.
128 SH II, Autograph nicht nachgewiesen.
129 MA.
130 OGB/WFM.
131 Flora Dirichlet (1845-1912). Das bei SH II angegebene Geburtsdatum 13.
Februar kann demnach nicht stimmen.
132 NFL.
133 Klaviertrio c-Moll op. 66.
134 op. 65.
135 Oedipus in Kolonos, Bühnenmusik op. 93.
136 Bühnenmusik op. 55.
137 Caroline Unger-Sabatier (1803-1877), berühmte deutsche Sopranistin, hei-
ratete 1841 in Florenz den gelehrten Kunstmäzen Francois Sabatier.
138 SH II. Autograph nicht nachgewiesen.
139 OGB/WFM.
140 Friedrich August Elsasser (1810-1845), deutscher Maler, seit 1832 in Italien.
Starb verarmt an Lungentuberkulose.
141 OGB/CIT
142 Nach einer ereignisreichen Saison in Leipzig, wo er unter anderem Wag-
ners Tannhäuser-Ouvertüre dirigierte, hatte er vom 31. Mai bis 2. Juni das
Musikfest in Aachen geleitet. Am 11. Juni war er zur Sechshundertjahrfeier
der Einführung des katholischen Fronleichnamsfestes in Lüttich, wo sein
»Lauda Sion« uraufgeführt wurde. Vom 14. bis 16. Juni dirigierte er das
deutsch-flämische Sängerfest in Köln, für das er Schillers Festgesang »An
die Künstler«, op. 68, komponiert hatte. Für den Sommer stand wieder
das Musikfest in Birmingham auf dem Programm.
143 Walter, Ernst und Flora.
144 SH II. Autograph nicht nachgewiesen.
145 OGB/CIT.
146 Der »Elias«.
147 Fanny begann in diesem Sommer ohne »Erlaubnis« von Felix zu publizie-
ren. Es erschienen »Sechs Lieder für eine Stimme mit Begleitung des
Pianoforte« op. 1 bei Bote und Bock und op. 2 (»Vier Lieder für das Pia-
noforte«), Op. 3 (»Gartenlieder, sechs Gesänge für Sopran, Alt, Tenor und
Baß«) waren in Vorbereitung, ebenso op. 4 (Six Melodies pour le Piano),
op. 6 (»Vier Lieder für das Pianoforte« mit dem berühmten »Saltarello
Romano«) und »Sechs Lieder für eine Stimme mit Begleitung des Piano-
forte« op. 7.
148 Robert von Keudell (1824-1903), ein junger Verehrer von Fanny, der sie
zum Publizieren ermutigte. Er war angehender Diplomat, verfügte aber
über solide pianistische Technik.
149 SH II. Autograph nicht nachgewiesen.
150 OGB/CIT.
151 MA.
477
152 Zschernitz, Dorf südlich von Dresden.
153 OGB/CIT
154 Felix war im Dezember für längere Zeit in Berlin gewesen.
155 CIT: dünnen Sommerpalästchen.
156 CIT: Kübel.
157 CIT: Blumen.
158 Dirichlet, seit 1839 Ordinarius für Mathematik in Berlin, sollte nach Hei-
delberg berufen werden, blieb aber in Berlin und ging erst 1855 nach Göt-
tingen.
159 Ernst und Katherine.
160 OGB/CIT
161 Am 19. September 1845 geboren.
162 »Gartenlieder«, sechs Gesänge op. 3 für Vokalquartett. Die Lieder waren
gerade bei Bote und Bock in Berlin erschienen.
163 CIT: Pimpernüßchen.
164 Wahrscheinlich Klaviertrio op. 66, c-Moll.
165 »Sechs Lieder für eine Singstimme und Klavier« op. 71.
166 Im April 1847 hatte die Lind ihr Debüt in London, dem einige häßliche
Querelen zwischen Mendelssohn und dem Londoner Theaterdirektor
und Librettisten Benjamin Lumley vorausgegangen waren. Lumley wollte
die beiden Künstler als Aushängeschilder für seine marode Bühne gewin-
nen und behauptete, Librettist einer neuen Mendelssohnschen Oper zu
sein, was nicht ganz stimmte. Für die Aufführung des »Elias« auf dem
Musikfest in Birmingham (April 1847) hatte das Festspieldirektorium die
Sopranpartie nicht der in England noch unbekannten Jenny Lind, sondern
einer Mme. Caradori-Allan übertragen.
167 Vgl. dazu Werner, a.a.O., S.47off.: »Seitdem Mendelssohn Jenny Lind in
der Oper gehört hatte, waren seine alten Opernträume wieder aufge-
wacht.« Er begann wieder umständlichen Briefwechsel mit Librettisten
und schrieb an die Lind: »Ich wäre wirklich froh, wenn ich bald [. . .] etwas
dramatisches schreiben könnte, ganz besonders für Sie [...].« Mendelssohn
stand in Kontakt mit der Dichterin Birch- Pfeiffer und seinem Jugend-
freund Devrient, der das Textbuch zu einem »Loreley«-Stück für ihn
schrieb.
168 Nach der Premiere im August 1846 war Felix schon wieder dabei, den
»Elias« zu überarbeiten.
169 CIT: einen.
170 Seine großen Bilder blieben nach dem Tod seiner Frau größtenteils un-
vollendet. Lowenthal-Hensel (a.a.O., S.18) nennt als eines dieser Projekte
ein Gemälde, das das Lager des Herzogs vonBraunschweig-Oels im Jahre
1809 zeigt.
478
Nachwort
i Hamburger Ausgabe 8, S.405. Siehe auch Guenter Härtung: Goethe und
die Juden. Weimarer Beitrage 40, 1994, S. 398-416.
2 Brief vom 26. Mai 1821. Kopie im Leo-Baeck-Institut, New York.
3 Brief vom 16. Juli 1820. Zit. nach SH I.
4 Zit. nach: Ernst G. Lowenthal (Hrsg.): Juden in Preußen, Berlin 1981, S.159.
5 Zeitgenössischer Reiseführer.
6 Zit. nach: Arnd Krüger, Sport und Politik, Hannover 1975.
7 Zit. nach Werner, a.a.O., S.63.
8 Zit. nach Werner, a.a.O., S.51.
9 Fanny an Klingemann, 22. März 1829, MA.
10 Therese Devrient, Erinnerungen. Hrsg. von Hans Devrient, Stuttgart 1908,
S.42ff.
n Brief vom 22. März 1829.
12 Großmann-Vendrey, a.a.O., S.28. Vgl. auch Martin Geck: Die Wiederent-
deckung der Matthäuspassion. In: Studien zur Musikgeschichte des 19.
Jahrhunderts, Bd. 9, Regensburg 1967.
13 Nach Cecile Lowenthal-Hensel: Preuische Bildnisse, S.15.
14 Zit. nach Tillard, a.a.O., S. 191.
15 Werner, a. a. O, S. 95 ff.
16 WFM,S.222ff.
17 Brief vom 30. März 1829. Zit. nach Felix Gilbert: Bankiers, Künstler und
Gelehrte. Unveröffentlichte Briefe der Familie Mendelssohn aus dem 19.
Jahrhundert, Tübingen 1975, S. 77.
18 Vgl. dazu Maya Borkowsky: Krankheit Schwangerschaft? Schwangerschaft,
Geburt und Krankheit aus ärztlicher Sicht seit 1800, Zürich 1988.
19 Eduard Devrient: Meine Erinnerungen an Felix Mendelssohn Bartholdy
und seine Briefe an mich, Leipzig 1872, S.ösf.
20 Werner, a.a.O., S. 322 ff.: »Aus ihren Briefen geht ihr durchaus häusliches
und konventionelles Temperament hervor ... Sie hatte kein großes Ver-
ständnis für Musik ... Es wird sich kaum beweisen lassen, daß Ceciles Ein-
fluß seinen Konventionalismus gefördert hat, aber zahlreiche Indizien spre-
chen dafür.«. F. H. Franken schreibt in seinem Buch »Die Krankheiten
großer Musiker« (I, Wilhelmshaven 1986, S.170): »Verständlicherweise gab
es Spannungen zwischen ihr [Fanny] und der weniger geistvollen, aber
schöneren Cecile. Es soll mit ein Grund dafür gewesen sein, daß zwischen
Bruder und Schwester in den letzten Lebensjahren nicht mehr die vollkom-
mene Übereinstimmung herrschte wie zuvor.«
21 Werner, a. a. O, S. 462: »Wer weiß, ob nicht just solch ein Liebesfrühling für
die Musik unverwelkliche Blüten getrieben hätte!«
22 NFL.
479
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482
PERSONENREGISTER
Die Namen Felix und Fanny Mendelssohn Battholdy bzw. Fanny Hensel
sowie Wilhelm Hensel, die auf fast jeder Seite vorkommen, wurden nicht
berücksichtigt. Kursiv gesetzte Seitenzahlen verweisen auf Abbildungen.
Ackermann, Rudolph A. 88
D'Agoult, Ciaire, Gräfin 263
Albrecht, Prinz von Preußen 98
Alexander, Familie 68, 344
Alexander, Joanna 344
Alexander, Mary 135 f., 149, 162,
170, 411
Alexandra Fjodorowna, geb. Prin-
zessin Charlotte von Preußen,
Kaiserin von Rußland 177
Almach, William 74L
Alwin 225
Andersen, Hans Christian 372
Andre, Johann 223
Arnim, Bettina von 158
Arnim, Gräfin von, geb. Heister
95, 107, inf.
Arnold, Carl 157
Auber, Daniel Francois Esprit
38
Austin, Sarah 194
Bach, August Wilhelm 68
Bach, Johann Sebastian 14, 28 f.,
40, 42, 85, 122, 132 f., 167, 178,
188, 197, 202 f., 213, 262, 270, 273,
276 f., 280, 286, 291, 308, 313, 328,
330, 333 f-. 348f-.362,364,384.
402, 404 ff., 410
Bader, Carl Adam 57» 169, 278
Bärensprung, Friedrich Wilhelm
Leopold von 169
Bagge, Karl Ernst, Baron 37
Bailey, Nathan 201
Barry, D. (eigtl. Bury, Lady Char-
lotte) 227
Bartholdy, Jacob Salomon (eigtl.
Salomon, Jacob) 13, 28, 313,
400, 406
Beer, Amalie 194
Beer, Betty 78, 109 f.
Beer, Heinrich 61, 78, 229, 289, 351
Beethoven, Ludwig van 28 f., 35 f.,
37. 40, 57, 70, 74 f-, 87 f., 138, 153,
175, 184, 186 f., 201, 203, 207 f.,
231 f., 245, 271, 280, 289, 295,
330t, 346, 355, 359, 384 f.
Begas, Carl 17, 290
Behrend, Rosa 140, 142, 151, 232
Bellini, Giovanni 315, 321
Benda, Ida 42, 45, 53
Bendemann, Eduard B. 133, 158,
290
Bendemann, Emil 289
Bendemann, Familie 57, 174
Bendemann, Lida 298
Bennett, William Sterndale 244,
249 f., 295
Beranger, Pierre-Jean de 201
Berger, Ludwig 9, 240
483
Beriot, Charles-Auguste de 157,
271, 273
Berlioz, Hector 334, 363
Bernus, Frau 384
Binder, Joseph 241
Bindocci, Antonio 238
Blanc, Fräulein 42, 169
Blanc, Louis Amy 177
Blume, Heinrich 264
Blumen (Theaterdiener) 78
Bock, Herr 24
Bötticher, Louis 240, 303, 352
Boely, Alexandre Pierre FranVois
33
Bonnemaison, Fereol 35
Bote und Bock, Musikverlag 336
Botgorschec, Caroline 288
Boucher, Alexandre-Jean 17, 34 f.,
37
Braun, Johann Karl Ludwig 139
Breitkopf und Härtel, Verlag 28,
325, 376, 4M.
Brentano, Clemens von 198, 401
Bröder, Christian Gottlob 201
Broglie (eigtl. Broglio, Broglia),
Familie 193
Brunelleschi, Filippo 315
Bull, Ole 302, 350
Burggraf, Karl 146
Burgmüller, August Joseph 175
Buttmann, Philipp Karl 201
Byron, Lord George Gordon
Noel 136, 178, 198, 246, 257, 403
Calderön de la Barca, Don Pedro
136
Campe, Joachim Heinrich 202
Caravaggio, Michelangelo da 315
Carracci, Annibale und Agostino
314 f-
Casper, Fanny 16, 47
Casper, Johann Ludwig 15,17,20
Catel, Charles-Simon 38
Cervantes, Miguel de 38, 201
Charlotte von Preußen, siehe
Alexander Fjodorowna
Chaucer, Geoffrey 201
Cherubini, Anne Cecile 35
Cherubini, Luigi 28, 35, 40, 203,
384, 404 f.
Chezy, Helmina von 339
Chopin, Frederic 104, 203, 256,
292, 298
Chorley, Henry Fothergill 345
Ciene, Madame, siehe Kiene
Citron, Marcia 9, n
Clarus, Mathilde 218, 287
Cornelius, Peter 348
Coschitzky, Fräulein 48
Costa, Graf 300
Cramer, Johann Baptist 45,207
Crelinger, siehe Stich-Crelinger
Crescini, Adelina 244
Curschmann, Carl Friedrich 175,
232, 284
Curschmann, Rosa Eleonore 293
Czerny, Karl 220 f.
Dachröden, Herr von 151, 293,
300 f.
David, Ferdinand 53, 57, 64, 84,
86 ff., 196, 209, 2ir, 217 f., 244 ff.,
250, 270, 288, 295, 311, 334f., 344,
355. 357, 376
David, Sophie 244 ff.
Decker, Pauline 137 f., 142, 144,
149 ff, 152, 164, 168, 169, 183, 221,
225, 232, 236, 265, 267, 271, 276 f.,
293. 354
Decker, Rolf Ludwig 146,172,340
Dehn, Siegfried Wilhelm 50
Demidoff, Anatole Graf 177
484
Dentler, Dlle. 175
Dentz, H. 67
Devrient, Eduard B. 53 f., 55, 57,
127, 138, 140, 156, 2io, 214 f., 235,
246, 310, 405
Devrient, Therese 127, 210, 246
Devrient, Wilhelmine, siehe
Schröder-Devrient
Dirichlet, Familie 361, 380
Dirichlet, Felix Lejeune 197,
267 ff., 270, 291
Dirichlet, Flora Lejeune 335, 383,
414
Dirichlet, Peter Gustav Lejeune
104, 137. 205, 214, 223, 226, 235,
248, 291, 360, 362, 383, 397
Dirichlet, Rebecka Lejeune 11, 13,
22, 26, 37, 43, 56, 58, 66 f., 69-73,
79ff,83,85f,88ff,9i,94ff.,
103 ff., 107, 109, in, 114 f., 118,
120 ff, 124 ff, 127 ff, 133, 135, 137,
145, 151, 160 f., 170, 173, 179, 185.
192, 197, 209, 211, 217, 219, 221,
223, 226, 230, 235, 237, 245 f.,
249 ff, 258, 265, 268 ff, 276,
278 ff, 282 f., 289, 291, 295, 301,
303, 3o6ff, 310, 312,327, 329 f.,
335. 344. 352. 356, 359. 364 f-> 3Ö7.
380, 383 f., 387, 389 f., 399, 410 f.,
414 ff,
Dirichlet, Walter Lejeune 135,
141, 151 f., 161, 205, 223, 235, 268,
293. 342, 360
Döhler, Theodor 240, 256, 374
Domenichino (eigtl. Domenico
Zampieri) 314
Donizetti, Gaetano 362
Dorn, Heinrich 44, 49 f.
Dow, Gerard (eigtl. Dou, Gerrit)
315
Doxat, Alexis 74
Dreyschock, Alexander 298, 317
Droysen, Johann Gustav 31,56,
66, 77 f., 80, 84, 90, 125, 201, 235,
405
Drouet, Louis 36, 73 f., 304 f.
Dulcken, Louise 161
Duncker, Verlagsbuchhandlung
157
Dussek, Johann Ludwig 50
Dyck, Antonius van 317
Ebers, Sophie 138
Ebert, Egon 181
Eckermann, Johann Peter 16,30,
221, 224
Eckert, Carl Anton Florian 352 ff.
Egerton, Lord Francis, Earl of El-
lesmere 288, 334
Eichberger, Joseph 200264,303
Eichendorff Joseph von 337 ff.
Eichthal, Gustave de 47
Elsasser, Friedrich August 378, 387
Eisholz (auch Elsholtz), Franz
von 164 f., 239
Elßler (auch Elsler), Fanny 200
Elßler, Therese 200
Elvers, Rudolf 8, 10
Entrop 201
Erard, Sebastien 34 f., 73
Esterhäzy von Galäntha, Marie-
Therese, Fürstin von 76
Farina, Johann Maria 190
Fasch, Karl Friedrich Christian
202
Faßmann, Auguste von 257,
264 t, 276 ff, 301 ff, 305, 352
Fichte, Johann Gottlieb 306
Fieschi, Joseph 135
Flaxmann.John 201
Fleming, Paul 16
485
Forrester, Miss 303
Fra Bartollommeo, 315
Fränckel, Joseph 13,56
Franck (auch Frank), Albert 147,
184. 235
Franck, Hermann 37, 47, 49, 85,
184, 220, 235, 295. 297. 302, 355,
Frege, Livia 281, 396
Frehring, Familie 267
Freiligrath, Ferdinand 370
Friedheim, Bertha 377
Friedländer, Joseph 50
Friedrich II. (»der Große«) von
Preußen 350, 352, 401
Friedrich Wilhelm IV. von Preu-
ßen 19, 333-336. 386, 397. 403
Gade, Niels Wilhelm 360 f.
Gans, Eduard 86, 107, 109, 126,
140, 147, 201, 268, 306 f.
Ganz, Leopold 157, 170, 256
Ganz, Moritz 157, 170, 256, 271,
284
Geibel, Emanuel 339
Geliert, Christian Fürchtegott 201
Gerstenberg, Heinrich Wilhelm
von 16
Giorgione 314 f., 319
Girardet, Abraham 35
Girschner, Christian Friedrich Jo-
hann 114
Girschner, Madame 288
Gluck, Christoph Willibald 138,
171, 264
Goethe, Johann Wolfgang von
10, 13, 15 ff., 20, 21, 28, 30 f., 45,
96, 104, 117, 136 f., 143 f., 157 f.,
176, 197 ff, 201, 221, 224 f., 295,
297,338ff,399,4oi,403
Goethe, Ottilie von 114, 399
Goldschmidt, B. A. 104
Gounod, Charles 313, 364 f.
Grabau, Henriette Eleonore 249
Grell, Eduard August 68, 85, 102,
108, 275, 354, 407
Greulich, Karl Wilhelm 9, 44
Grillparzer, Franz 16, 118, 201
Grimm, Jacob 348
Grimm, Wilhelm 348
Groß, Felix 323
Grün, Anastasius 199
Guercino (eigtl. Giovanni Frances-
co Barbieri) 315
Guhr, Carl Wilhelm Ferdinand
114,263, 308 f.
Guido da Siena 325
Haehnel, Amalie 144, 158 f., 204
Händel, Georg Friedrich 34, 135,
203, 2io, 215 f., 231, 236, 270, 273,
278, 335
Halevy, Jacques Fromental 35,189
Hammer, Dr. 365
Hand, Ferdinand Gotthelf 270
Handley, Delphine, siehe Schau-
roth
Hasse, Johann Adolf 42
Hauptmann, Moritz 200, 204
Hauser, Franz 200, 204, 206-210,
213, 215, 225, 242, 245, 273, 323,
364
Haydn, Joseph 14, 33, 35, 40, 87,
202, 204, 352
Heath, Mr. 74
Hegel, Georg Friedrich Wilhelm
28, 306, 362
Heine, Albertine, siehe Mendels-
sohn Bartholdy, Albertine
Heine, Caroline 56, 64, 107, 110,
125
Heine, Heinrich 28, 69, 84, 135 f.,
140, 156, 197 ff, 257
486
Henning, Carl Wilhelm 170
Hensel, Louise Johanne 107, 194 ff.
Hensel, Luise 15, 140, 143, 153, 165,
173, 186, 194, 240 fr., 264, 272,
303, 369. 401, 408
Hensel, Sebastian 7, 9, 13, 104,
120 ff, 125 f., 128 f., 135, 137-141,
144, 147, 148, 149. I5I-I54. 161 f-.
170 f., 189, 195, 205-208, 218,
221 ff, 235, 248, 250, 255, 264,
268, 272, 282, 286, 292 f., 307, 313,
320, 324, 332, 335, 342, 345, 348,
353. 356, 360, 374, 379 ff., 389,
397, 408 f.
Hensel, Wilhelmine (Minna)
102, 107, 109, in, 189, 192, 194 f.,
246
Henselt, Adolph von 256, 263,
271, 298, 306, 321
Herodot 202
Herz, Henri 46, 180
Herz, Henriette 71
Heydemann, Albert Gustav 56,
64, 77. 125
Heydemann, Louis 56, 77 f., 102,
109, 125
Heydemann, Minna 77, 109
Heyne, siehe Heine
Heyse, Familie 138, 140
Heyse, Julie 63
Heyse, Karl Wilhelm Ludwig 22,
26, 32, 35, 63, 140, 202, 400 f.
Heyse, Paul 140
Hildebrandt, Ferdinand Theodor
174, 184, 232, 290
Hiller, Ferdinand 203, 223, 244,
246, 263, 273 f., 313, 324 f., 328, 331
Hölty, Ludwig Heinrich Chri-
stoph 30 f., 41, 135, 198
Hoffmann, Catharina 138
Hoffmann, E.T.A. 403
Hoffmann von Fallersleben, Au-
gust Heinrich 370
Hofkunz, Aurora 352
Holtei, Karl von 274, 355
Horsley, Familie 345
Horsley, Fanny 302
Hübner, Julius 172,290
Hunten, Franz 163
Humboldt, Alexander von 224,
356, 378
Hummel, Johann Nepomuk 19,
21, 32, 34f., 116, 256, 270
Immermann, Karl Leberecht 104,
135, 138 fr., 142, 202, 204 f., 410
Ingres, Jean Auguste Dominique
33° f-
Itzig, Daniel 401
Jacques, Clärchen 142
Jahn, Friedrich Wilhelm Ludwig
403
Jean Paul (eigtl. Johann Paul
Friedrich Richter) 150, 202,
342
Jeanrenaud, Cecile, siehe Men-
delssohn Bartholdy, Cecile
Jeanrenaud, Elisabeth 229^241,
247 fr., 254, 277, 279, 281 f., 375
Jeanrenaud, Familie 242 t., 245 f.,
248
Jeanrenaud, Karl 239 f.
Joachim, Joseph 334
Johnston 74, 76, 95
Jordan 158, 184
Kalkbrenner, Friedrich 34,40 fr.,
157, 180
Kalliwoda, Johann Wenzeslaus
355
Kanstein 49
487
Karl-Friedrich, Großherzog von
Weimar 98
Kaselowsky, August 146, 227, 237
Kaufmann, Johann Heinrich 338
Keil, Johann Georg 269 f.
Kerner, Justinus 338
Kerstorff, Sigmund Heinrich von
(eigtl. Pappenheimer) 116, 120
Keudell, Robert von 336, 392
Kiene, Catharine 214, 245
Kinkel, Johanna 277,302,304,311
Kisting, Christian Heinrich 272
Klein, Hans-Dieter 12
Klein, Joseph 185
Kleist, Heinrich von 401
Kiengel, August Alexander 244
Klingemann, Karl 42 f., 45, 47, 61,
64, 75, 96, 99 ff., 103, 110 ff, 113,
118, 191, 196, 221, 223, 245, 262,
267, 302, 344, 369, 406, 412
Klopstock, Friedrich Gottlieb 31,
61
Klotz, Aegidius Sebastian 42
Koreff David Ferdinand 18
Kortum, Johann Wilhelm 153
Kreuser, Johann Peter Balthasar
202
Kreutzer, Conradin 158
Krüdener (auch Krudner), Amalie
von 119
Kudelski, Karl Matthias 57
Kyllmann 184
Lachner, Franz 231, 234
Lafont, Charles Philippe 32, 174 f.,
179, 183
Lafontaine, Jean de 202
Landsberg, Ludwig 57, 323, 328,
385
Lanfranco, Giovanni 314
Lang, Josephine 357f.
Lanjuinais 201
Lappe, P. 301
Lauska, Franz Seraphinus 42
Lawrence, Thomas 74
Lecerf, Julius Amadeus 167, 363 f.
Lenau, Nikolaus 338 f., 370
Lenz, Bertha 215
Leonardo da Vinci 315
Lepel, General 325
Lessing, Gotthold Ephraim 300
Lessing, Karl Friedrich 172, 174,
290
Levy (auch Levi), Sara 47, 245
Lewy, Eduard Constantin 301
Lewy, Richard 301
Lichtenstein (auch Liechtenstein),
Martin Heinrich Karl 275
Limburger 205, 207
Lind jenny 336 f., 378,391.396.
411 f., 414
Lindblad, Adolf Fredrich 49
Lindenau, Leopold 26, 37
Liphardt (auch Liphart), Carl Edu-
ard von 302
Lipinski, Karol Jözef 17 f., 21, 355
Liszt, Franz 263, 306, 313, 328,
330 f.
Löwe, Carl 156, 161, 178
Löwe, Sophie 257, 288
Löwenstein, Heinrich 146
Louis Ferdinand, Prinz von Preu-
ßen 50
Louis XIV., König von Frank-
reich 256
Louis-Philippe, König von Frank-
reich 135
Lübeck 185 f.
Mälzel, Johann Nepomuk 184
Märcker 77
Magnus, Eduard 385
488
Magnus, Gustav 87, 95
Magnus, Madame 397
Mailath, Johann Graf von 16
Malibran, Maria Felicitä 157
Manfrini, Galerie 314, 319
Mantius, Eduard 138, 150, 169, 278,
352
Marggraf, Demoiselle 355
Marschner, Heinrich 236
Marx, Adolph Bernard 41, 50,
56 f., 61, 64, 69 f., 79, 87, 104, 108,
114, 124 fr., 130 fr., 147, 156, 166 f.,
170, 172, 202, 206, 225, 270, 405
Marx, Karl 333
Matthieux, Johanna, siehe Kinkel
Matthison, Friedrich von 31
Mayer, Recha, siehe Meyer
Mayseder, Joseph 33
Meerti, Elisa 325
Mendelssohn, Alexander 63, 108,
254, 269, 296, 365
Mendelssohn, Arnold 289
Mendelssohn, Benjamin Joseph
79, 365, 369
Mendelssohn, Franz 237
Mendelssohn, Henriette 36, 42,
47, 63, 132, 399
Mendelssohn, Henriette (»Hini«)
63
Mendelssohn, Joseph 14, 191 f.,
269, 365, 372. 40i
Mendelssohn, Marianne 63, 108,
237
Mendelssohn, Marie 237
Mendelssohn, Moses 7, 399
Mendelssohn, Nathan 163, 269
Mendelssohn, Rosamunde 79
Mendelssohn Bartholdy, Abra-
ham 10, 13 f., 17 f., 28, 35 f., 39,
43. 45. 47. 49 f-. 58, 64, 69, 81 ff.,
89, 94, 97, 100, 102, 104, 109, 112,
114 f., 118, 120, 126, 128, 131fr.,
137 f., 143, 145, 149, 165 f., 169, 171,
176, 179, 188 f., 191, 193, 196, 207,
210 f., 213, 215 f., 221, 223, 304,
345, 392. 401, 404f., 410
Mendelssohn Bartholdy, Alberti-
ne 135, 234, 238, 245, 258, 262f.,
283, 298, 301, 325, 395 f.
Mendelssohn Bartholdy, Carl
"Wblfgang Paul 197, 281-285,
287, 291, 298, 302, 304, 312, 342,
345, 353, 372, 376, 385
Mendelssohn Bartholdy, Cecile
10, 196 f., 224 f., 228 f., 231, 233 f.,
237-243, 246-256, 258-263, 266,
267 fr., 277 fr., 281 ff, 285 f.,
287 fr., 291 f., 298 f., 302, 304, 306,
310 ff, 318-323, 326, 332, 342,
344 f., 353, 355. 3<S3 fT., 367fr., 372,
375 f, 379 f-, 391, 393-397, 4" ff,
415
Mendelssohn Bartholdy, Ernst 395
Mendelssohn Bartholdy, Felix
(Sohn) 334, 364 f., 374-377.
379ff.384,395.4i4
Mendelssohn Bartholdy, Katheri-
ne 395
Mendelssohn Bartholdy, Lea 13,
21 f., 26, 29, 47, 56, 60 f, 64 ff, 69,
71 f., 77, 82, 89, 95, 97, 108 r., in,
120, 125, 128, 132, 137-140, 142,
145, 163-167, 169, 186, 191 ff, 222,
249, 251fr., 257-262, 268, 272 r.,
275 r., 279 r., 282, 284, 286 f., 289,
291 r., 294, 297 f., 305, 312, 324,
334, 345, 35°, 353 f-, 356, 359,
400 ff, 404 r., 407, 411 r.
Mendelssohn Bartholdy, Lili 336,
395, 4M
Mendelssohn Bartholdy, Marie
313, 345, 366, 376, 382, 396
489
Mendelssohn Bartholdy, Paul
(Sohn von Felix) 333, 365, 376
Mendelssohn Bartholdy, Paul 7,
9 f., 13, 22, 26, 35, 57, 60, 76, 85,
95, 104, 1141".. 120, 135, I45f.. 163,
175» 196. 201, 209, 2i4f., 220, 223,
230-234, 238, 245, 258, 263, 265,
268 f., 278 ff., 282 f., 286, 291 f.,
298, 300 f., 325, 345, 350, 355 ff.
360, 362 f., 367 ff, 374 f., 377 f-,
383,^,391,395,401
Mendelssohn Bartholdy, Rebecka,
siehe Dirichlet, Rebecka
Mercadante, Guiseppe Saverio
Raffaele 175
Metastasio, Pietro 30
Meyer, Betty, siehe Beer, Betty
Meyer, Recha 47, 63, 401
Meyerbeer, Giacomo 41, 263 f.,
333 f-,
Meysenbug, Malvida von 274
Michelangelo 315
Milder-Hauptmann, Anna 43,
53 f, 68 f, 265
Milton.John 202
Moser, Carl 43, soff, 151, 236, 271,
289
Molinen, Familie 50
Molique, Wilhelm Bernard 244,
355
Monsigny, Pierre Alexandre 40
Moscheies, Charlotte 59, 61, 155,
345
Moscheies, Ignatz 10, 28, 34, 41,
61, 74, 95, 104, 153, 161, 197, 270,
286, 344 f.,
Moser, Julius 146 f., 172, 229, 237,
263
Mosevius, Johann Theodor 57,
85
Motte, Diether de la 7
Motte Fouque, Friedrich Freiherr
de la 114
Mozart, Wolfgang Amadeus 13 f.,
33 ff, 40, 42, 133, 135, 151, 185,
201, 204, 212 f., 216, 250, 276, 346
Mühlenbruch, Heinrich 23, 26
Mühlenfels, Ludwig von 86 f.,
107, 125, 140, 289, 355
Müller, Adelheid 21, 37, 147
Müller, Iwan 44
Müller, Wilhelm 13, 16, 37, 42
Mumm, Jacob Wilhelm von 190
Neate, Charles 75
Neilessen, Carl von 390
Neukomm, Sigismund Ritter
von 46,262
Nicolai, Otto 331
Nikolaus I., Kaiser von Rußland
177
Nitschmann, Luise 323, 348, 353
Novalis (eigtl. Friedrich Leopold
Freiherr von Hardenberg) 16
Novello, Clara 269, 271, 273,
276 ff, 279 f., 284, 286, 288 f., 301,
305
Olrichs, Familie 169
Onslow (auch Onzlow), Andre
George Louis 33-36, 38, 178
Ostade, Adrian van 279
Ovid 202
Paganini, Niccolö 57, 61, 78, 118,
175, 177. 180, 278
Paolo Veronese 314 f., 317, 322
Pape, Ludwig 362
Pasta, Guiditta 333, 358
Paul, siehe Paolo Veronese
Peters, Ulrike 57
Phädrus 202
490
Piatti, Alfredo Carlo 372
Pistor, Betty 84, 108
Pbris, Francilla 205, 273
Pixis, Johann Peter 34, 205, 208,
273
Planchet (auch Planche), James
Robinson 274, 276, 280
Platen, August Graf von 136
Piaton 202
Pleyel, Camilla 208, 325
Pleyel, Camille 34
Pogwisch, Ulrike von 114, 250
Pohlenz, Christian August 363
Pohlke, Carl Wilhelm 146
Porsche (auch Porsche), Carl Wil-
helm August 294
Pourtales, Friedrich Graf von 334,
33Ö
Prittwitz, Herr von 23
Prume, Francois 33, 57, 372
Radziwill, Anton Heinrich von
244
Raffael (eigtl. Raffaello Santi), 142,
287, 315. 317. 325. 341
Ranke, Leopold von 177
Rauch, Christian Daniel 69
Raupach, Ernst 156, 347
Reden, Franz Ludwig Wilhelm
Freiherr von 60
Reden, Elise von 61
Redern, Friedrich Wilhelm Graf
von 57f-, 273, 305
Reicha, Antonin 9, 34, 36, 40
Reichardt, Johann Friedrich 203,
350
Reißiger, Carl Gottheb 42, 50,
178, 234
Reiter, Dr. 204 f., 208
Rellstab, Ludwig 61, 78, 157, 305
Rembrandt 201
Ridderstolpe, Mrs. 110
Ries, Ferdinand 263, 277, 309
Ries, Pieter Hubert 236, 275 f.,
280 f.,
Rietschel, Ernst 378
Rietz, Eduard 18, 35 f., 42 f., 45 ff.,
49-54. 57. 59. 62, 65, 79, 87, 109,
359. 405
Rietz, Julius 37,79,84,110,175,
185 f., 334
Ritter, Karl R. 28, 94
Ritz, siehe Rietz
Robert, Aurel 319
Robert, Friederike 16, 21, 31, 66,
105, 226
Rode, Pierre B. 32, 34, 36, 41 f., 45 f.
Röder, Herr von 61
Rösel, Samuel B. 17, 21, 47, 125
Romberg, Bernard 84
Romberg, Cyprian Friedrich 84,
175
Romberg, Heinrich Maria 35
Rosen, Friedrich 61, 140, 287
Rossini, Gioacchino 34, 4o£, 46,
50, 221, 271
Rost, Valentin Christian Fried-
rich 202
Rubens, Peter Paul 201
Rückert, Friedrich 202, 333, 348
Rungenhagen, Karl Friedrich
159 f., 215, 275. 348, 35i. 354
Sabatier (Unger-Sabatier), Caroli-
ne 333.385
Saling, Marianne 15, 18, 30, 77,
163 f., 170, 268
Salomon, Bella 14, 400
Sand, George (eigtl. Amantine Au-
rore Lucile Dupin) 227
Santini, Fortunato Abbate 316,
323, 330
491
Sarto 315
Sassenay, Marquis von 390
Savigny, Friedrich Carl von 401
Schadow, Johann Gottfried 183
Schadow, Frau 159
Schadow, Wilhelm von 322 f.
Schätzet, Pauline von 53 f.
Schaum, J. O. H. 138
Schauroth, Delphine von 32 f.,
116, 118, 313, 317
Schechner, Nanette 71, 81
Schelble, Johann Nepomuk I32f.,
246
Scheller, Immanuel Johann Ger-
hard 202
Schelling, Friedrich Wilhelm von
333
Schenz 116
Schick 16
Schiller, Friedrich von 16, 202,
M3. 391
Schiller, Fräulein von 117
Schinkel, Karl Friedrich 348
Schirmer, Johann Wilhelm 141
Schlegel, Dorothea 223, 242, 247,
263
Schlegel, Luise 293
Schleiermacher, Friedrich 154,
305
Schleinitz, Heinrich Conrad 217,
239, 270, 272, 311, 344
Schlesinger, Heinrich 154, 165,
196, 244, 246, 274, 336
Schmidt, Johann Philipp Samuel
1571".
Schmidt, Maria Christian Hein-
rich 355
Schmitt, Aloys 263, 309, 384
Schneider, Johann Julius 275
Schnyder von Wartensee, Xaver
203, 309
Schröder-Devrient, Wilhelmine
355
Schrödter (auch Schrötter) 143,
184
Schubert, Franz 29, 250, 403
Schubring, Julius 41,49,52
Schulz 31
Schulz, Hedwig 292-296
Schulz, Instrumentenmacher 169
Schumann, Clara 206, 256, 333 f.,
336
Schumann, Robert 333, 336, 403
Schunck, Familie 218, 233, 247,
254, 278, 295, 311 f., 362 f.
Schunck, Julie 312,362
Seidler, Caroline B. 19
Semper, Gottfried 379
Seydelmann, Karl 201, 288 f., 296 f.
Shakespeare, William 189, 202,
299, 338
Shaw, Mary 288 f., 301, 303
Simon, Herr 24
Simrock, Musikverlag 300
Sirota, Victoria 11
Smart, Sir George Thomas 74 f.
Sonntag, Henriette 278
Sophokles 333
Souchay, Familie 230
Souchay, Frau 254
Spada, Leonello 314
Spitzeder, Joseph 50
Spohr, Louis 50, 180, 185, 203,
244 f., 392 f.
Spontini, Gasparo 19, 28, 41, 43,
48, 50, 57, 78, 169, 257, 273, 331,
333. 405
Steffens, Frau 143
Steffens, Heinrich 140, 268
Stegmayer, Ferdinand 50
Stehely, Cafe 49
Steifensand, Xaver 184
492
Steinbeck 29, 107, 109
Stenzel, Gustav Adolf Harald 289
Stern, Julius, siehe Kinkel, Johan-
na
Stich-Crelinger, Auguste 177
Stieglitz, Heinrich Wilhelm 96
Stieler, Joseph Anton 119
Stilke, Hermann 174
Stolberg, Auguste Gräfin von 297
Stosch, August Wilhelm von 115,
163, 173
Stiller, Dr. 173, 181
Stümer, Heinrich 53 f.
Sutermeister, Peter 13
Sutherland, George Granville Le-
veson-Gower, Herzog von 336
Sybel, Heinrich von 182, 184
Taubert, Karl Gottfried Wilhelm
138, 151, 157, 159
Taylor, Anne 93 f.
Taylor, Dick 92
Taylor, John jr. 94
Taylor, John sen. 92 f.
Taylor, Susan 93 f.
Terenz, Publius 202
Thalberg, Sigismund 236, 263,
292, 294 ff, 298, 300, 347
Theremin, Franz 178
Thürschmidt, Therese 142, 169
Tibull 202
Tieck, Ludwig 15 f., 30, 333
Tillard, Francoise 12, 406
Tizian 314, 319 ff., 325, 340
Trautwein, Musikverlag 357
Tremont, Louis Girod Baron de
33 f-, 37
Turner, William 74
Unland, Ludwig 15, 339
Unger, Caroline, siehe Sabatier
Valentin, Madame 34
Vandyk, siehe Dyck, Antonius van
Varnhagen von Ense, Karl Au-
gust 108, 147, 163 f., 170, 226
Varnhagen von Ense, Rahel 135,
202
Veit, Johannes 223
Veit, Moritz 96
Veit, Philipp 132^223,242,247
Verhulst, Johann Joseph 311
Vidal, Jean Joseph 33
Vieuxtemps, Henri 270 f., 273
Viktoria I., Königin von England
197, 334
Vilkie, siehe Wilkie
Vogel, Madame 263
Voigt, Friedrich 31
Voss, Johann Heinrich 30,105,181
Waagen, Frau 151
Waagen (auch Wagen), Gustav
Heinrich 141, 146
Wagner, Franz 146
Wagner, Richard 334
Wakefield, Gilbert, Vicar of 202
Weber, Carl Maria von 51, 74,
185
Weber, Friedrich 278
Weissweiler, Eva 13
Weissweiler, Liesel 12
Wellington, Arthur Wellesley,
Duke of 298
Werder, Karl 96
Werner, Eric 402, 404, 407 f.
Werner, Franz A. 274
Wieck, Clara, siehe Schumann
Wieck, Friedrich 206
Wigand, Musikverlag 350
Wilke.Frau 268
Wilkie, Sir David 74
Willemer, Marianne von 30, 198
493
William IV, König von England
262
William, Clara 76
Wilmsen, Auguste 56, 64, 77
Wilmsen, Friedrich Philipp 60,
126, 407
Wolff, Oskar Ludwig Bernhard
37
Woringen (auch Worringen), Fa-
milie 159 f., 184,204,219, 264 f.,
269, 329
Woringen, Ferdinand von 175,
184, 210
Woringen, Franz von 267
Woringen, Otto von 190, 267, 410
Woringen, Rosa von 190, 351
Xenophon 202
Zelter, Carl Friedrich 10, 13 f., 17,
I9> 27, 32. 36, 42. 45, 47. 53 f. 62,
64, 69, 105, 126, 143 f., 157, 176,
202, 275 f., 349 ff., 399 f., 406
Zelter, Doris 13, 20, 225
Zimmermann, Madame 242,
263
Zuccalmaglio, Anton Wilhelm
Florentin 347
Bildnachweis
Alle Abbildungen sind Zeichnungen von Wilhelm Hensel, Kupferstich-
kabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz.
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Fanny Mensel auf dem Totenbett